Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um den Antrag „Parlamentarische Kontrollkommission" zu erweitern. Wird hierzu das Wort zur Geschäftsordnung gewünscht? - Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Kleinert das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was heute morgen als Tagesordnungspunkt 1 zur Behandlung ansteht, ist mehr als ein bloßer Formalakt. Es geht hier um weit mehr als nur um die Wahl eines Nachfolgers für einen ausscheidenden Kollegen der CDU/CSU-Fraktion. Es geht um eine Grundsatzfrage. Es geht um die Frage, inwieweit in einem so sensiblen Bereich der parlamentarischen Arbeit, nämlich einer Kontrollkommission, die sich mit der Tätigkeit der Nachrichtendienste beschäftigen soll, alle Fraktionen dieses Hauses vertreten sind. Es geht einmal mehr um den seit Jahren andauernden skandalösen Sachverhalt, daß eine Fraktion dieses Hauses aus diesem Bereich parlamentarischer Tätigkeit ausgeschlossen bleibt.
Es geht uns mit diesem Antrag - wir machen uns keine Illusionen über seine Erfolgsaussichten - in erster Linie darum, einmal mehr darauf aufmerksam zu machen, daß es nicht hingenommen, daß nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden kann, wenn dieser Zustand des Ausschlusses der Fraktion DIE GRÜNEN aus diesem Bereich fortbesteht.
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Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit.
Das kann nicht hingenommen werden, zumal es sich einreiht in eine Praxis, die nicht nur in dieser Kommission geübt wird. Vielmehr gibt es diese Praxis bei einer Reihe weiterer Kommissionen. Diese Praxis steht unter der Überschrift - Herr Seiters hat das ja vor einem Jahr an dieser Stelle deutlich gemacht; das entspricht der Haltung gerade der Koalitionsfraktionen gegenüber einer
Fraktion dieses Hauses - : Sie gehören nicht in dieses Haus.
({0})
Das hat Herr Seiters hier ausgeführt.
Das ist der Hintergrund dieser andauernden Praxis. Sie muß beendet werden. Auf diese Praxis wollen wir mit unserem Antrag aufmerksam machen. Wir werden jede Gelegenheit wahrnehmen, um öffentlich unseren Anspruch zu erheben, an der Arbeit aller Institutionen parlamentarischer Kontrolle beteiligt zu sein.
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Wir werden unseren Anspruch besonders deutlich erheben, wenn es darum geht, gerade in den Bereichen beteiligt zu sein, die die Möglichkeit bieten, jeden Ansatz parlamentarischer Kontrolle auch wirklich zu nutzen.
Ein Letztes, meine Damen und Herren: Der Ausschluß der GRÜNEN aus dieser Kommission führt zu dem absurden Sachverhalt, daß wir als grüne Parlamentarier nicht einmal die Möglichkeit haben, uns darüber an geeigneter Stelle zu informieren, was gegen uns selbst an Bespitzelungen, an Überwachungen und dergleichen läuft.
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Wenn Sie einmal überlegen, was vor einigen Wochen über angebliche Bespitzelungen von SPD-Politikern zu lesen war, was sich ja offenbar nicht bewahrheitet hat. Es gibt Anzeichen genug für diverse Überwachungspraktiken gegenüber den GRÜNEN, selbst gegenüber den Abgeordneten der GRÜNEN; es gibt der Anzeichen genug. Wir haben nicht einmal die Möglichkeit, die Mitgliedschaft in einem solchen Gremium dazu zu nutzen, überhaupt einmal zu prüfen, überhaupt einmal herauszubekommen: Was läuft da eigentlich gegen uns, oder was läuft da möglicherweise gegen uns?
Überlegen Sie einmal was wir in den letzten Jahren über offensichtlich illegale Praktiken der Geheimdienste alles erfahren haben. Da kann ich nur sagen: Hier muß das Recht jeder Fraktion - auch der GRÜNEN - , an einer Kontrolle - soweit so etwas in dem Bereich überhaupt funktioniert - beteiligt zu sein,
Kleinert ({3})
gewahrt bleiben. Der skandalöse Zustand der Diskriminierung der GRÜNEN muß endlich aufgehoben werden. Deswegen: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Wählen Sie unseren Kandidaten in dieses Gremium!
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Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Bötsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Tagesordnungspunkt 1 liegen zwei Anträge vor, zum einen ein Wahlvorschlag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zum anderen ein Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN, wonach die Mitgliederzahl der Parlamentarischen Kontrollkommission erweitert werden soll.
Sooft die Fraktion DIE GRÜNEN diesen Antrag auch stellen mag: Er wird nicht besser, er wird nicht akzeptabler. Sie sollten dieser En-suite-Aufführung - Sie führen das jetzt zum wiederholten Mal hier vor - vielleicht einmal eine Neuinszenierung folgen lassen.
Meine Damen und Herren, weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet Ihr Antrag eine Stütze. Bereits zu Beginn der Legislaturperiode hat die Mehrheit des Hauses einen ähnlich lautenden Antrag abgelehnt. Wir, die CDU/CSU, sind nach wie vor der Auffassung, daß es richtig ist, an der bewährten Zusammensetzung und an der bewährten Zahl von acht Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission festzuhalten. Das Ausscheiden eines Mitglieds aus diesem Gremium gibt überhaupt keinen Anlaß, die Zahl jetzt zu ändern.
Nach § 4 des Gesetzes über die Parlamentarische Kontrollkommission bestimmt der Deutsche Bundestag die Zahl der Mitglieder. Das hat er zu Beginn der Legislaturperiode getan.
Herr Kollege Kleinert, wir werden nicht - was Sie jetzt ansatzweise versucht haben - die Beratungen des PKK hierher in das Plenum des Deutschen Bundestages verlegen. Es hat nämlich einen Sinn, daß diese Verhandlungen nicht im Plenum des Bundestages stattfinden.
Meine Damen und Herren, die Mitglieder haben das Vertrauen der Mehrheit des Hauses. Die Zahl der Mitglieder und die Mitglieder selbst werden durch die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages gewählt. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seiner Entscheidung vom 14. Januar 1986 ausdrücklich als verfassungsgemäß erklärt.
({0})
Wenn Sie die Antwort wissen wollen: Wir sind wirklich der Auffassung, Frau Kollegin, daß die Fraktion der GRÜNEN nach der Auffassung ihrer Politik, nach der Art, wie sie Politik gestaltet, und auch nach ihrer Einstellung zu Fragen des Geheimschutzes die Voraussetzungen nicht erfüllt, um Mitglied dieses Gremiums zu werden.
({1})
Meine Damen und Herren, wir sehen deshalb keinen Anlaß, der Fraktion DIE GRÜNEN hier zu Sitz und
Stimme in der PKK zu verhelfen. Wir lehnen die Erhöhung der Mitgliederzahl ab. Ich bitte Sie, dem Antrag der GRÜNEN nicht zuzustimmen.
Vielen Dank.
({2})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Problem wird nicht mit Werturteilen ordentlich gelöst. Mit den Antrag der GRÜNEN, die Tagesordnung zu erweitern, wird der Versuch gemacht, eine Frage erneut aufzuwerfen, die zu Beginn der Wahlperiode eindeutig entschieden war, übrigens gegen unsere Auffassung. Wir wollten damals mit einem eigenen Antrag eine hinreichend breite Beteiligung an der PKK möglich machen. Mit diesem Antrag sind wir unterlegen, und damit war die Entscheidung für diese Wahlperiode getroffen. Die kann man nun nicht beliebig oft aufwerfen und den Versuch machen, sie abzuändern.
Wir respektieren die damalige Mehrheitsentscheidung. Wir halten uns daran. Es geht heute lediglich darum, einen ausgeschiedenen Kollegen der CDU durch Nachwahl durch einen Kollegen der CDU zu ersetzen. Dafür liegt ein Vorschlag der vorschlagsberechtigten Fraktion der CDU/CSU vor. Den werden wir unterstützen. Einer Erweiterung der Tagesordnung stimmen wir nicht zu.
({0})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Wolfgramm.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen! Meine Herren! Grundlage unserer Beratung hier - und so steht es im Gesetz - ist:
Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages auf sich vereinigt.
Sie haben den Antrag im vorigen Jahr genauso gestellt wie in diesem Jahr. Wir haben Ihnen im vorigen Jahr schon gesagt, daß Sie mit Ihrem und durch Ihren Kandidaten für Stimmen werben müssen. Jede Stimme ist gleich in diesem Hause. Es gibt keine mit größerem oder geringerem Gewicht. Das haben Sie in Ihrer Hand.
Im übrigen darf ich feststellen: Es ist zwar der gleiche Antrag wie im vorigen Jahr, aber es gibt einen Unterschied: Im vorigen Jahr haben Sie Herrn Wüppesahl als Kandidaten vorgestellt, in diesem Jahr zeigt ein Blick auf Ihren Antrag, daß Sie daran nicht festgehalten haben.
({0})
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Erweiterung der Tagesordnung. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Präsident Dr. Jenninger
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Nachwahl eines Mitglieds der Parlamentarischen Kontrollkommission
- Drucksache 11/2482 Die Wahlausweise für diese Wahl befinden sich in Ihren Schließfächern. Die Stimmkarten sind auf den Sitzen im Ersatzplenarsaal ausgelegt. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt den Abgeordneten Dr. Laufs vor. Von der Fraktion DIE GRÜNEN wird der Abgeordnete Weiss ({0}) vorgeschlagen.
Bevor wir zur Wahl kommen, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Wahlverfahren. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit des Bundestages auf sich vereinigt, d. h. mindestens 260. Sie können auf der Stimmkarte höchstens einen Namensvorschlag ankreuzen. Ungültig sind Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten. Wer sich der Stimme enthalten will, macht keine Eintragung auf die Stimmkarte.
Da eine geheime Wahl nicht vorgeschrieben ist, können Sie die Stimmkarte auch an Ihrem Platz ankreuzen. Bevor Sie die Stimmkarte in eine der aufgestellten Wahlurnen geben, müssen Sie den Wahlausweis dem Schriftführer an der Wahlurne übergeben.
Ich darf abschließend noch einmal darauf hinweisen, daß allein die Abgabe des Wahlausweises als Nachweis der Teilnahme an der Wahl gilt.
Ich bitte jetzt die Schriftführer, Ihre Plätze einzunehmen. Ist das geschehen? - Das ist der Fall.
Ich eröffne die Wahl und bitte, die Stimmkarte anzukreuzen und sie anschließend nach Übergabe des Wahlausweises an den Schriftführer in eine der aufgestellten Urnen zu geben.
Meine Damen und Herren, haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführer, ihre Stimmkarte abgegeben? - Ich höre nichts Gegenteiliges; das ist offensichtlich der Fall. Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Die Auszählung wird etwa 15 Minuten in Anspruch nehmen. Sind Sie damit einverstanden, daß wir die Beratungen mit dem nächsten Tagesordnungspunkt fortsetzen, bis das Ergebnis der Auszählung vorliegt? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.*)
({1})
Darf ich die Kolleginnen und Kollegen, die stehen und den Saal offensichtlich verlassen wollen, bitten, sich zu entscheiden, ob sie hier bleiben und Platz nehmen oder den Saal verlassen. Ich werde mit der Fortsetzung der Beratung so lange warten, bis dies geklärt ist. Das trifft für alle Kolleginnen und Kollegen zu. - Herr Kollege Bohl, wären Sie so freundlich, sich zu entscheiden, ob Sie an der Beratung teilnehmen oder Ihre Privatunterhaltung fortsetzen?
({2})
Meine Damen und Herren, ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
*) Ergebnis Seite 5737 C
a) Beratung des Berichts des Petitionsausschusses ({3})
Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag
Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahre 1987
- Drucksache 11/2346 -
b) Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ({4})
- Drucksache 11/983 Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Rechtsausschuß ({5})
Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
Petitionsausschuß
c) Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes nach Artikel 45 c des Grundgesetzes
- Drucksache 11/984 Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({6})
Petitionsausschuß
Rechtsausschuß
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Beratung dieser Tagesordnungspunkte 90 Minuten vorgesehen. Sie stimmen dem zu? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Pfennig.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Presse, Rundfunk und Fernsehen sehr kritisch die Beziehungen der Bürger zu ihrem Parlament und ihren Abgeordneten beleuchten. Immer wieder hört man den Vorwurf der Entfremdung von Bürger und Parlament. Ich meine, die heutige Debatte über den Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses für das Jahr 1987 gibt Gelegenheit, dieser Auffassung zu widersprechen.
Fast 11 000 Bürger haben sich in Einzeleingaben und weitere 21 000 in Massenpetitionen im Jahre 1987 an den Deutschen Bundestag und seinen Petitionsausschuß gewandt. Dies ist ein Zeugnis dafür, daß sie nicht nur Vertrauen zur Volksvertretung haben, sondern auch aktiv und mitgestaltend durch die Inanspruchnahme ihres Grundrechtes auf Bitten und Beschwerden am Staatswesen teilhaben wollen. Diese Menschen würden sich wohl kaum an den Petitionsausschuß gewandt haben, wenn sie nicht überzeugt gewesen wären, daß sie mit ihren Anregungen zur Gesetzgebung und vor allen Dingen mit ihren Beschwerden Gehör und aktiven Einsatz für ihre Bitten und Beschwerden finden würden.
Wir werden im vergangenen Jahr gleichwohl bei dem einen oder anderen Enttäuschung ausgelöst haben. Dies liegt jedoch nicht an der Gleichgültigkeit des Ausschusses, sondern an den durch das Grundge5720
setz gegebenen Schranken. Wir können nicht helfen, wenn z. B. die Forderung nach Aufhebung einer Gerichtsentscheidung auftaucht, wenn es sich um die Bitte um Unterstützung in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen handelt oder wenn um direkte finanzielle Unterstützung gebeten wird.
Ich gehe aber davon aus, daß die Mehrheit der Betroffenen unsere Antworten richtig versteht und auch akzeptiert, daß das Parlament im Rahmen der Verf assungsordnung entscheiden muß. Auch in diesen Fällen versuchen wir aber wenigstens, durch Rat, Auskunft oder Hinweis weiterzuhelfen. Vielfach hilft hier bereits die Benennung der zuständigen Behörde oder einer Institution, an die sich ein Bürger wenden kann.
In nicht wenigen Fällen - das muß ich allerdings sagen - steht auch der Petitionsausschuß ratlos und entmutigt vor der Tatsache, daß menschliches Leid und seelische Not nicht mit den dem Ausschuß zur Verfügung stehenden Mitteln gelindert werden können. Wir können nur hoffen, daß es in diesen Fällen den Menschen schon hilft, daß sie überhaupt einen Ansprechpartner haben, und zwar einen, der ihnen auch antwortet.
({0})
Die dem Ausschuß gegebenen Beinamen wie „Kummerkasten der Nation" oder „Notrufsäule" drücken in etwa aus, wie diese Bürger den Ausschuß sehen.
Wie verwurzelt das Petitionsrecht im Bewußtsein unserer Mitbürger ist, zeigt sich im übrigen auch darin, mit welcher Unbefangenheit und verblüffenden Ehrlichkeit manches Anliegen vorgetragen wird. Ich meine nicht nur die Tatsache, daß die Petenten schreiben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, und kein Blatt vor den Mund nehmen. Ich meine auch solche Eingaben, die bei uns Erstauen oder manchmal Schmunzeln auslösen.
Ich möchte als Beispiel nur daran erinnern, daß wir eine Eingabe mit dem Wunsch hatten, Weihnachten per Gesetz in den Sommer zu verlegen, weil man im Sommer in Ruhe einkaufen könne, bessere Straßenverhältnisse habe, um die Verwandten und Freunde zu besuchen. Wir haben höflich, aber bestimmt geantwortet, daß und warum wir dieser Anregung nicht zu folgen gedenken.
Ein anderer, stellungsloser Bürger bat um die Erstattung von Reisekosten für eine geplante Goodwilltour durch Frankreich und England, wo er zum Wohle der deutsch-französischen und deutsch-englischen Völkerverständigung tätig werden wollte. Der Ausschuß hat ihm entsprechende Hinweise auf die Möglichkeiten gegeben, wie er seine Berufsausbildung und seine Sprachkenntnisse nutzen könnte, um wieder in eine Anstellung zu kommen.
Wir haben als vielleicht bemerkenswertesten Vorschlag den einer Friedensinitiative bekommen, die Bundesrepublik solle militärische Ehrenformationen durch zivile Ehrenformationen bei Staatsbesuchen ablösen. Sie sollten z. B. aus Ärzten, Schornsteinfegern, Hausfrauen und Kindern bestehen.
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Wir haben uns damit ernsthaft beschäftigt, wie Ihnen Frau Kollegin Nickels bestätigen wird, haben uns aber mehrheitlich die Meinung gebildet, daß ein derartiges weltweit unübliches Zeremoniell vom Staatsgast als beleidigend empfunden werden könnte. Sie können das unter dem Punkt 2.2.10 des Jahresberichts nachlesen.
Ich habe Ihnen diese Beispiele, die ein bißchen zum Schmunzeln anregen, nur deswegen gegeben, um zu zeigen, mit welcher Vielfalt von Petitionen wir uns befassen müssen. Sie können dem zweiten Teil des Berichts entnehmen, daß Eingaben wieder aus allen Zuständigkeitsbereichen des Bundes kamen.
Es ist keine neue Erfahrung, daß die meisten Eingaben aus dem Bereich der Sozialordnung kommen. Wir sind dort der Anwalt vor allem älterer, aber auch behinderter Bürger. Einen besonderen Schwerpunkt haben die Eingaben gebildet, die sich auf Leistungen für die Kindererziehung nach dem Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeitengesetz gerichtet haben. Rund 10 % der Eingaben betrafen Vorgänge aus dem Bereich der Arbeitsverwaltung; meist waren es Beschwerden über die Arbeitsämter wegen verzögernder oder falscher Berechnung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe.
Wie in den vergangenen Jahren überrascht es auch nicht, daß eine Reihe von Bürgern sich durch die Steuergesetzgebung belastet fühlte oder über Versicherungen und das Kreditwesen Beschwerde führte. In diesem Bereich des Bundesministers der Finanzen hatten wir 13 % unserer Eingaben zu verzeichnen.
Erfreulich ist, daß im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums eine rückläufige Tendenz der Eingaben festzustellen ist. Mitursächlich hierfür dürfte sein, daß das Verteidigungsministerium einer langjährigen Forderung des Petitionsausschusses nachkommt und die Berufs- und Ausbildungsinteressen der Wehrpflichtigen bei der Heranziehung zum Grundwehrdienst verstärkt berücksichtigt.
Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen bereits angedeutet, daß wir nicht in allen Fällen unmittelbar helfen können. Gleichwohl können wir unsere Arbeit insgesamt wohl als erfolgreich betrachten. Der Petitionsausschuß des Bundestages konnte bei zwei Dritteln der eingebrachten Petitionen, da es sich bei ihnen um Angelegenheiten des Bundes handelte, eine inhaltliche Prüfung vornehmen. Bei diesen Petitionen wurde lediglich in einem Drittel der Fälle den Wünschen der Petenten nicht entsprochen. In fast 60 % der Fälle konnten wir den Petenten in der einen oder anderen Form helfen, sei es durch Rat, Hinweis oder Auskunft - das waren etwa 40 % der Fälle - oder dadurch, daß wir dem Anliegen direkt entsprechen konnten - das waren etwa 17 % der Fälle - . Lediglich bei 350 Petitionen mußte die Bundesregierung eingeschaltet werden, indem ihr Petitionen zur Berücksichtigung, zur Erwägung, als Material oder zur Kenntnis überwiesen wurden. Diese Zahlen belegen, glaube ich, sehr gut, wie oft der Ausschuß helfen konnte.
Das Petitionsrecht kann deshalb nach meiner Meinung keineswegs als ein „unrentables Grundrecht" oder gar als „Betriebsluxus" der freiheitlichen Demokratie angesehen werden.
Ich gehe noch weiter. Auch die vergebliche Anrufung des Petitionsausschusses wird dann einen positiven Aspekt haben, wenn dem Bürger die Begründung für unsere Entscheidung zumindest die Überzeugung vermittelt, von der Verwaltung nicht ungerecht behandelt worden zu sein. Die Aufgabe des Ausschusses ist in diesem Fall die Aufgabe, die eine neutrale Instanz hätte, nämlich zwischen Bürger und Verwaltung Frieden zu stiften. Insofern kann auch ein in der Sache negativer Petitionsbescheid für den Bürger zu einer solchen Friedensstiftung beitragen.
Inzwischen wissen die Bürger der Bundesrepublik, daß ihnen nicht nur die Petitionsausschüsse in Deutschland - sowohl des Bundestags als auch der Landtage - helfen können. Inzwischen sind sie auch mit der Möglichkeit vertraut, sich an das Europäische Parlament zu wenden. Durch das Zusammenwachsen der Staaten der Europäischen Gemeinschaft berühren immer mehr Lebenstatbestände sowohl das nationale Recht wie auch das EG-Recht. Der Petitionsausschuß des Europäischen Parlaments stellt ein ständiges Wachsen der Zahl der Petitionen an das Europäische Parlament fest. 484 waren es im Berichtsjahr 1987/88. Das sind zwar weit weniger Petitionen, als der Deutsche Bundestag bekommt. Aber die Zahl steigt ständig. Übrigens nehmen die Deutschen dabei die Spitzenstellung ein. Das ist nach Meinung des Europäischen Parlaments darauf zurückzuführen, daß die Deutschen mit dem Petitionsrecht vertraut sind, da es im Grundgesetz verankert ist und durch den Petitionsausschuß des Bundstages ausgeübt wird, an dessen Geschäftsordnung sich übrigens die Bestimmungen des Europäischen Parlaments über Petitionen orientieren. Auch das dürfte nicht überraschen, wenn man die gute Zusammenarbeit zwischen den beiden Petitionsausschüssen kennt. Wir hatten gemeinsame Sitzungen sowohl hier in Bonn wie in Straßburg.
Als kleinen Ausblick auf die laufende Arbeit teile ich Ihnen mit, daß wir in diesem Jahr zu einer Revision unserer Verfahrensgrundsätze kommen werden. Die Arbeiten im Ausschuß hierfür sind vorangeschritten. Wir beraten heute auch einen Antrag der GRÜNEN zu diesem Thema. Ich nehme an, die Kollegen werden dazu Stellung nehmen.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Seuster.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unserer heutigen Aussprache liegt der erste Bericht des Petitionsausschusses in dieser Legislaturperiode zugrunde. Für viele Kolleginnen und Kollegen ist es - wie für mich - der erste Tätigkeitsbericht, da wir Neulinge im Ausschuß sind.
Insgesamt wandten sich 10 992, als fast 11 000 Bürger an den Petitionsausschuß mit Bitten und Beschwerden, die von allen anderen zuständigen Stellen als nicht so wichtig angesehen oder einfach abgelehnt worden waren. 11 000mal wurden große Erwartungen in unsere Arbeit gesetzt. Aber auch der Petitionsausschuß konnte in mehr als einem Drittel der sachlich geprüften Fälle dem Anliegen der Petenten nicht entsprechen.
Deswegen müssen wir uns die Frage stellen: Sind wir unserer Aufgabe trotzdem gerecht geworden? Haben wir alle Möglichkeiten der Hilfe im Interesse des Petenten genutzt? Das sind Fragen, die jedes Mitglied des Ausschusses erst einmal für sich selbst beantworten muß. Ich glaube aber, mit gutem Recht sagen zu können, daß sich der Petitionsausschuß bei seinen Beratungen über die Fraktionsgrenzen hinweg redlich bemüht hat, die Anliegen der Bürger angemessen zu vertreten.
Dazu trägt sicherlich auch das gute Arbeitsklima im Ausschuß bei, dazu tragen die Bemühungen des Vorsitzenden, seines Stellvertreters und der Obleute bei, die manchen schwierigen Fall nochmals eingehend beraten, um im Interesse des Petenten ein einvernehmliches Votum zu erreichen.
Unsere Arbeit wäre ohne die Vorarbeit des Ausschußbüros nicht zu leisten, insbesondere nicht ohne das hartnäckige Nachfassen des Büros bei Stellungnahmen der Ministerien oder Bundesbehörden, wenn diese nicht umfassend oder präzise genug sind. Ohne diese Hartnäckigkeit könnten wir als Berichterstatter nicht zu einer sachgerechten Entscheidung gelangen. Im Namen der SPD-Fraktion möchte ich deshalb allen Mitgliedern des Petitionsbüros für ihre Arbeit und die gute Zusammenarbeit herzlich danken.
({0})
Auch zur Neugestaltung der Verfahrensgrundsätze des Petitionsausschusses haben die Mitglieder des Büros umfangreiche Vorarbeit geleistet. Die Fraktionen haben sich mit der Neugestaltung des Petitionsrechts in den letzten Jahren ja schon sehr intensiv beschäftigt. Ich hoffe, daß wir im Ausschuß in kurzer Zeit damit zum Abschluß gelangen werden.
Im Berichtszeitraum konnte die Zusammenarbeit mit dem Petitionsausschuß des Europäischen Parlaments vertieft werden; es fand eine gemeinsame Sitzung beider Ausschüsse in Bonn statt. Diese Sitzung war zugleich die erste Sitzung eines Ausschusses des Europäischen Parlaments in Bonn überhaupt. Ich möchte dies als positives Zeichen auf dem Weg zur europäischen Integration werten. Denn es genügt nicht, ein Europa der Kaufleute zu schaffen, sondern wir brauchen auch das Zusammenrücken der Interessenvertretungen der Bürger. Wir wollen ein Europa der sozialen Solidarität. Der Petitionsausschuß des Europäischen Parlaments kann der erste Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel sein.
Mit 24 Eingaben ist die Zahl der Petitionen, die wir zuständigkeitshalber zur Mitberatung oder Information an das Europäische Parlament überwiesen haben, noch recht klein. Doch wird sich das in den nächsten Jahren, nicht zuletzt durch die Schaffung des gemeinsamen Binnenmarktes bis 1992, mit Sicherheit ausweiten. Ich möchte deshalb für die Erweiterung der Rechte des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments an dieser Stelle mit allem Nachdruck eintreten. Die SPD-Fraktion betont die Notwendigkeit, endlich eine rechtliche Grundlage zu schaffen, die Rat und Kommission einerseits und die Mitgliedstaaten
andererseits zu ausreichender Information verpflichtet.
Der Bericht des Petitionsausschusses weist aus, daß im Berichtsjahr 1987 34 Petitionen zur Berücksichtigung und 44 zur Erwägung an die Bundesregierung überwiesen wurden. Jedoch wurden nur 10 Berücksichtigungsfälle und 7 Erwägungsfälle positiv erledigt. In 4 Berücksichtigungs- und 4 Erwägungsfällen wurde dem Anliegen nicht entsprochen.
Dieses Verfahren kann nicht kommentarlos hingenommen werden. Sicher ist die Regierung nach geltendem Recht nicht verpflichtet, einem Berücksichtigungsbeschluß des Petitionsausschusses zu entsprechen. Immerhin sollte die Achtung vor dem Verfassungsorgan Parlament und vor Parlamentsbeschlüssen die Bundesregierung zu einer anderen Einschätzung und zu einem respektvolleren Umgang mit wohlüberlegten und mühsam erzielten Beratungsergebnissen des Petitionsausschusses bewegen.
({1})
Ich hoffe, die Regierung liest es nach; denn die Anwesenheit ist ja nicht sehr eindrucksvoll.
({2})
Wenn den Wünschen des Bundestages entsprochen wird, kommt die Bundesregierung in Berücksichtigungsfällen dem Ersuchen so - ich möchte es mal milde ausdrücken - zögerlich nach, daß sich die Angelegenheit in einigen Fällen bereits durch den Zeitablauf von selbst geregelt hat.
({3})
Auch hier besteht nach Auffassung der SPD-Fraktion Regelungsbedarf.
Trotz dieser bedauerlichen Anmerkungen bleibt die Bilanz des Petitionsausschusses insgesamt positiv.
Daß sich das Anrufen des Petitionsausschusses häufig auch finanziell auszahlt, läßt sich am Beispiel eines kriegsbeschädigten Wagenreinigers bei der Deutschen Bundesbahn zeigen, dem durch die Hilfe des Petitionsausschusses eine Erwerbsunfähigkeitsrente rückwirkend ab Januar 1987 bewilligt wurde. Er erhielt eine Nachzahlung von 16 251,25 DM - ein schöner Erfolg für den Petenten und den Ausschuß, der potentiellen Bittstellern sicherlich Mut machen sollte.
Schwerpunkt der Eingaben war auch in diesem Berichtsjahr wieder der Bereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Insbesondere das Rentenrecht gibt Anlaß zu Rückfragen und Beschwerden. Das komplizierte Versicherungsrecht ist für den Normalbürger oft überhaupt nicht mehr zu durchschauen, und selbst die Fachleute haben Schwierigkeiten.
({4})
Die Eingaben zeigen immer wieder, daß es in besonderen Härtefällen sehr hilfreich wäre, wenn die Paragraphen des Sozialgesetzbuchs dahin gehend geändert würden, daß ein Ermessensspielraum da wäre,
um Erstattungen auch rückwirkend über die vier Jahre hinaus zu leisten.
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Zahlreiche Petitionen kamen von älteren Bürgerinnen, die über das Auseinanderklaffen von Versprechungen und realen Gegebenheiten bei der Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung gleichermaßen verunsichert wie verärgert waren. Viele ältere Mütter, die auf Grund der Staffelung nach Geburtsjahrgängen noch keine Ansprüche geltend machen konnten, sahen hierin eine besondere Härte und verlangten die Änderung des Gesetzes. Wir können dem nur zustimmen.
Die Mehrheit im Ausschuß sah es jedoch anders. Es wurde kein Änderungsbedarf festgestellt.
Bei der Beratung des Berichtes des Petitionsausschusses über das Jahr 1986 sagte der Vorsitzende, Herr Dr. Pfennig:
Die Auswertung von Petitionen verschafft dem Parlament einen Überblick über Unzulänglichkeiten der gesetzlichen Regelungen und über Mängel im Verhältnis Bürger/Staat. Sie gibt dem Parlament Einblick in die Stimmungslage der Bevölkerung. Parlamentarische Petitionsinstanzen sind auf diese Weise ein politisches Fieberthermometer des Parlaments.
Dieser Einsicht kann man sicher aus vollem Herzen zustimmen.
Um im Bild zu bleiben: Bei der Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung zeigte das Fieberthermometer bereits lebensbedrohende Werte an. Statt aber nun Schritte zur Heilung zu unternehmen, verläßt sich die Bundesregierung auf Gesundbeterei und die Geduld der Betroffenen bzw. auf deren Unfähigkeit, sich zu artikulieren. Aber verschleppte Krankheiten haben die Angewohnheit, sich an anderer Stelle zu manifestieren. Abwartende Haltung der Regierung bei so sensiblen Themen wie der Anerkennung von Kindererziehungszeiten, also der Anerkennung der Lebensleistung, kann bei den Frauen nur Verbitterung auslösen.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Unruh?
Ja.
Frau Kollegin, bedauern nicht auch Sie, daß die SPD nicht die Organklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hat, um die ganzen Unterschiedlichkeiten bei Kindererziehungsgesetz, Kinderleistungsgesetz in die breite Öffentlichkeit hineinzutragen?
Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg gewesen wäre. Wir haben uns bemüht, politisch hier im Parlament etwas zu verändern. Ich meine, es wäre unsere Aufgabe erst einmal, auch im Bewußtsein der Öffentlichkeit etwas zu ändern.
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Ich möchte aus einem Brief zitieren, der mich zu diesem Thema erreicht hat:
Anfang September erreichte mich dann der neue Rentenbescheid. Neben vielen, für einen Laien unverständlichen Zahlen habe ich auf der letzten Seite feststellen müssen, daß trotz Erziehungsjahr und einer weiteren Beitragszahlung meine Rente um 1,99 DM niedriger wäre als zuvor. Bei der Hauptstelle der BfA in Berlin habe ich versucht, persönlich Klarheit zu erhalten. Es ist mir nicht gelungen. Ich hätte im Geburtsjahr meines Sohnes noch beitragspflichtig gearbeitet; daher käme das Erziehungsjahr nicht zum Tragen.
Auf welchem Mond leben die Leute, die diese Anordnung treffen? Welche alleinstehende Frau hat im Kriegsjahr 1942 ein ganzes Jahr pausieren können und dürfen? Oder war das ganze Geschrei, jede Frau bekommt für die Geburt eines Kindes 25 DM Rente mehr, wirklich nur ein Wahlschlager? Ich habe als Trümmerfrau viele Monate in Berlin geschuftet, um mich und mein Kind ernähren zu können. Bitte erklären Sie mir die Diskrepanz zwischen den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers und dem Bescheid der BfA.
Ich glaube, solche Briefe haben viele von uns erreicht und machen deutlich, wie die Stimmungslage zu sehen ist.
Bei einem anderen Thema nahm der Herr Bundesminister Blüm einen Fall zum Anlaß, hier im Plenum auf eine Petition hinzuweisen, in der es um die Erklärung zum Gesundheitswesen geht. Er machte deutlich, daß ein Patient 40 Kuren beantragt habe und sich bei der 41. Kur an den Petitionsausschuß gewandt hat. Die Tatsachen sehen in diesem Bereich anders aus. Ich denke, es gibt Zusammenhänge zwischen Kindererziehungszeiten und Gesundheitsreform. Beide Dinge haben vieles gemeinsam. Bei beiden Themen wurde zuviel versprochen. Hierin scheint insbesondere Minister Blüm ein Spezialist zu sein.
Für die Gesundheitsreform kündigt er schon jetzt siegessicher an, daß alles medizinisch Notwendige von der Krankenkasse bezahlt würde. Nur Luxus müsse der Patient selbst bezahlen. Hier wie bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten spricht der Gesetzentwurf eine deutlich andere Sprache. Über die Diskrepanz zwischen der Auffassung des Patienten und des Gesetzgebers über den Begriff Luxus werden wir uns demnächst im Petitionsausschuß noch sehr oft unterhalten müssen. Ich bin ganz sicher: Viele Petenten werden das, was für sie notwendig ist, nicht als Luxus ansehen. Ich glaube, es kommt viel Arbeit auf uns zu.
({1})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Segall.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Man ist schon sehr versucht, nicht wie Cato die Rede abzuschließen, sondern sie zu beginnen mit: Centerum censeo, die Verlegung des
Ausschußbüros nach Dottendorf ist ein unertäglicher Zustand.
({0})
Die Verlegung hat Um- und Mißstände zur Folge, die die Arbeit des Petitonsausschusses sehr behindern. Es reizt einen schon sehr, ein paar Worte zu den Umständen des Umzugs und zu der Bautätigkeit hier zu sagen.
Dabei will ich mich nicht zu dem Skandal der Baukostenentwicklung äußern, sondern zu dem eigenartigen Provisorium unserer Bundeshauptstadt am Rhein. Es war ein Provisorium von Anfang an, und alle Bautätigkeit scheint nicht zu einer endgültigen, umfassenden, befriedigenden Lösung zu führen. Schaut man jedoch auf dieses nun bald 40 Jahre währende Provisorium zurück, so kann man feststellen, daß die Demokratie trotzdem feste Wurzeln in unserem Volk geschlagen hat und blüht und gedeiht. Sollte dieses räumliche, bauliche Provisorium der Preis für eine gefestigte Demokratie sein, so wollen wir ihn freudig und ohne Murren zahlen. Die Arbeit des Ausschußbüros zu erleichtern wäre aber schon nötig. Ich empfinde es als widersinnig, einerseits durch die Datenverarbeitung dem Ausschußdienst helfen zu wollen, während man andererseits durch die Verlegung seine Arbeit erschwert.
({1})
Daß das Grundrecht des Bürgers nach Art. 17 des Grundgesetzes durch diesen leidigen Umzug nicht geschmälert wird ist nur dem unermüdlichen Einsatz aller Mitarbeiter des Petitionsbüros zu verdanken. Diesen Dank möchte ich ihnen hier im Namen der Bürger aussprechen.
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Wie groß die Arbeitslast ist, mögen einige Zahlen verdeutlichen. Im Jahre 1987 sind, verteilt auf 248 Arbeitstage, fast 11 000 Eingaben dem Petitionsausschuß bzw. dem Petitionsausschußbüro zugegangen. Sowohl die Datenverarbeitung als auch eine Reform des Petitionsrechts tun dringend not, um dem Bürger noch besser als bisher zu seinem Recht zu verhelfen. Das Petitionsrecht ist kein Gnadenakt,
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es hilft uns aber eventuell, legislativen Unfug zu erkennen, den wir manchmal machen.
An dieser Stelle sei mir aus liberalem Selbstverständnis heraus eine persönliche Äußerung erlaubt. Mir ist die hier um sich greifende Reglementierungswut ein Greuel. Ich will gar nicht von den unnötig verschenkten Verwaltungsressourcen reden, staatspolitisch gefährlicher ist es, wenn sich der Bürger einem undurchschaubaren Wust von Gesetzen gegenübersieht. Dies führt zu einer gefährlichen Entfremdung, von der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit ganz zu schweigen, zu einer Entfremdung der Bürger vom Parlament, also von der Vertretung der Bürger. Staatsverdrossenheit, die mit dieser Entfremdung einhergeht, kann in wirklichen Krisenzeiten gefährlich werden. An alle Kollegen und Kolleginnen
appelliere ich daher, stets gewissenhaft zu prüfen, ob wirklich wieder einmal ein neues Gesetz nötig ist.
Auch bei der Beantwortung dieser Fragen können Petitionen übrigens hilfreich sein. Aber es gibt auch Petitionen, die einen wirklich manchmal zum Schmunzeln verleiten, so etwa der Vorschlag, militärische Ehrenformationen durch zivile Ehrenformationen bei Staatsbesuchen zu ersetzen.
Die alte Dame mit ihrem Telefon wurde von Herr Pfennig schon erwähnt.
Wie einigen Petenten ist es auch mir unverständlich, warum das Wohnungsbindungsgesetz bei der Vergabe von Sozialwohnungen nichteheliche Lebensgemeinschaften unberücksichtigt läßt, während diese Gemeinschaften doch häufig genug ehelichen Gemeinschaften gleichgestellt werden. So wird z. B. bei der Gewährung von Sozialhilfe - ({4})
- Es wäre ganz gut, wenn die Unterhaltungen etwas leiser geführt würden.
({5})
Ich darf um mehr Ruhe bitten.
Wenn irgend etwas zu veranlassen ist, dann bitte ich, das dem Präsidenten mitzuteilen oder in Zwischenfragen, aber nicht in Privatunterhaltungen zu klären.
Vielleicht können wir uns jetzt der Frau Kollegin Segall zuhörenderweise zuwenden.
Herzlichen Dank, Herr Präsident.
Ich versuchte gerade, zu erklären, wie sich das z. B. bei der Sozialhilfe abspielt, daß also bei der Gewährung von Sozialhilfe das Einkommen des Partners, mit dem der Sozialhilfeempfänger in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, wie das Einkommen eines Ehepartners bewertet und in Anrechnung gebracht wird.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Frau Kollegin Segall, könnten Sie mir zustimmen, daß Ursache der Unruhe hier im Plenum sein könnte, daß niemand mehr auf der Regierungsbank ist?
Wenn es diese Ursache hat, muß ich Ihnen zustimmen. Das ist ein etwas trauriger Anblick.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Bötsch?
Frau Dr. Segall: ({0}): Ja, wenn das nicht auf meine Zeit angerechnet wird.
Würden Sie mir zustimmen, daß es im Leben Situationen gibt, wo auch ein Regierungsmitglied möglicherweise einmal dringend den Saal verlassen muß?
Da jetzt gerade Herr Staatssekretär Jahn kommt, hat sich die Debatte wohl erübrigt. Die Präsenz ansonsten in diesem Saal ist - auch das muß ich zugeben von unserer Seite - nicht gerade erfreulich. Aber jetzt wollen wir mal sehen, daß wir weiterkommen.
Dabei bezog sich Ihre Zwischenfrage, Herr Kollege Bötsch, nur auf den anwesenden Vertreter der Bundesregierung.
({0})
Nach dieser langen Debatte über die Frage der Präsenz von Regierungsvertretern möchte ich nun allerdings darauf zurückkommen, daß wir auch im Petitionsausschuß immer wieder feststellen, daß es leider Gottes, wenn ich auch die Regelungswut beklagt habe, auch noch Regelungsbedarf gibt. So lag z. B. schon 1985 dem Petitionsausschuß eine Beschwerde von Bürgern über Heizkostenabrechnungen auf Grund der Heizkostenverordnung vor. Dieses Problem ist also bekannt. Ich möchte darauf hinweisen, daß wirklich sehr finanzschwache Bevölkerungskreise betroffen sind. Sie sind insbesondere deshalb betroffen, weil die Novellierung der Heizkostenverordnung „Ewigkeiten" in Anspruch nimmt. Ganz bewußt habe ich das Wort „Ewigkeiten" gewählt. Nicht nur bei solchen legislativen Handlungen, sondern ganz allgemein kann festgestellt werden, daß die Dauer der Verfahren den Bürger häufig sehr belastet.
({0})
Auch finanziell können extrem lange Bearbeitungszeiten einschneidende Folgen haben. Bei den Arbeitsämtern kommt es z. B. sehr häufig zu unvertretbar langen Wartezeiten, insbesondere bei der Bearbeitung von Anträgen auf Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Man stelle sich einmal vor, in welche Situation man geraten kann, wenn man sieben Monate auf eine Entscheidung über die Bemessung des Arbeitslosengeldes warten muß! Sie sehen, in welch vielfältiger Weise eine überlange Verfahrensdauer den Bürger beeinträchtigen kann. Die Beschleunigung von Verwaltungsverfahren, aber auch von Gesetzgebungsverfahren, wo dies nötig ist, muß darum eine Priorität staatlichen Handelns werden.
Aber auch für die hier Zuflucht suchenden Asylbewerber ist es ein Gebot der Menschlichkeit, die Bearbeitungszeit ihrer Anträge zu verkürzen. Je länger der Schwebezustand zwischen Abweisung oder Zusprechen des Asyls besteht, desto größer wird die Gefahr kultureller und damit existenzgefährdender Entfremdung.
Bei geplanten Reformvorhaben sollte sich die Bundesregierung mehr den von Bürgern vorgebrachten Anliegen und den Empfehlungen des Petitionsausschusses und damit ja solcher des Bundestages bedieFrau Dr. Segall
nen. Schon vor drei Jahren hatte der Bundestag die Bundesregierung um Prüfung gebeten, welche dienstrechtlichen Maßnahmen zu erwägen seien. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere auf die Probleme, die mit der Absenkung der Eingangsbesoldung verbunden sind, hingewiesen. Bislang liegt der Strukturbericht der Bundesregierung nicht vor, oder sollte ich genauer sagen: Er liegt vor, aber er wird nicht vorgelegt? Denn soviel ich weiß, beinhaltet der Bericht eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Weiterentwicklung des öffentlichen Dienstrechts und weist darüber hinaus darauf hin, daß ein erheblicher Mangel an qualifizierten Bewerbern in den Bereichen Forschung, auswärtiger Dienst, Wirtschaft und Verkehr besteht. Erklärt wird dieser Umstand insbesondere mit der besagten Absenkung der Eingangsbesoldung im gehobenen und höheren Dienst. Hier schlägt, soviel ich weiß, das BMI einen schrittweisen Abbau vor. Allerdings - nur hier liegt das eigentliche Problem - stehen sämtliche Maßnahmen, soviel ich weiß, auf Grund der Koalitionsvereinbarungen unter dem Genehmigungsvorbehalt des Bundesministers der Finanzen. Offenbar konnte in diesem Zusammenhang noch keine endgültige Klärung zwischen dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesinnenminister erfolgen. Soviel ich weiß, können interministerielle Schwierigkeiten aber nicht rechtfertigen, einer Aufforderung des Bundestages nicht nachzukommen. Damit man endlich und endgültig Genaues weiß, muß der Strukturbericht unabhängig von interministeriellen Unstimmigkeiten vorgelegt werden.
In engem Zusammenhang mit der Problematik des Strukturberichts stehen Beschwerden von Bürgern, die von § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes betroffen sind. Obwohl es wahrscheinlich allen klar ist, worum es geht, möchte ich noch einmal kurz den Inhalt der Regelung erklären.
Durch den § 55 Beamtenversorgungsgesetz wird dafür gesorgt, daß beim Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Renten durch bestimmte Höchstgrenzen einer „Überversorgung" vorgebeugt wird. Diese Vorschrift ist heftig umstritten, und erst vor kurzem hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß § 55 verfassungsgemäß ist.
Nun könnten wir Politiker uns ja zurücklehnen und uns auf das Bundesverfassungsgericht berufen. Die FDP ist hier jedoch der Ansicht, daß Nachbesserungsbedarf besteht. Wie ich eingangs sagte, sollte mit dem § 55 einer „Überversorgung" vorgebeugt werden. Petenten machten demgegenüber geltend, daß dieses Argument der Überversorgung als Konsequenz zweier Bezüge nicht stichhaltig sei, da erst diese doppelten Bezüge ein ausreichendes Versorgungsniveau sichern würden. Zwischen diesen beiden Polen - sprich: zwischen dem berechtigten gesetzgeberischen Interesse, einer wirklichen Überversorgung vorzubeugen, und dem wiederum berechtigten Interesse der betroffenen Bürger, ein gerechtes Versorgungsniveau sichergestellt zu wissen - muß gesetzlich ein Ausgleich gefunden werden.
({1})
Hier schließt sich nun der Kreis; denn ohne die Vorlage des Berichts ist die nötige Nachbesserung des
§ 55 nicht möglich. Der zeitliche Verzug der Vorlage des Strukturberichts hat also einschneidende Konsequenzen. Die FDP ist nicht länger willens, die verständlichen Ressortschwierigkeiten auf dem Rücken der Bürger austragen zu lassen.
Der Petitionsausschuß hat sich aber nicht nur mit Einzelschicksalen oder den Anliegen von Gruppen - wie denen der Beamtenschaft - zu befassen, sondern es gab auch Anliegen, die weiteste Bevölkerungskreise betrafen. So hat sich der Petitionsausschuß mit einem Vorschlag zur Verschärfung des geltenden § 218 StGB zu befassen. Davon wären zuvorderst Frauen betroffen. Es dürfte bekannt sein, daß eine Änderung des § 218 ansteht. Eine Koalitionsvereinbarung gibt es dazu; das ist richtig. Falsch ist es aber, anzunehmen, die FDP-Frauen würden einer solchen Vereinbarung Vorrang vor dem Wohl der Frauen einräumen.
Der Schutz des ungeborenen Lebens und das Wohl der Frau können gleichzeitig nur gesichert sein, wenn folgendes bei der Novellierung berücksichtigt wird: Die nun vorgesehene Beratung der Schwangeren darf nicht dazu führen, daß ihr zu der bestehenden Konfliktsituation weitere seelische Probleme bereitet werden. Die Beratung muß ihr vielmehr bei der Bewältigung des Konflikts helfen.
Da ist Hilfe geboten, und zwar Hilfe, auf die Verlaß ist, Hilfe, die sich nicht in der entscheidenden Situation, vor allem in den Folgejahren, wenn der neue Erdenbürger da ist, in Luft auflöst.
Gleichfalls ist es nicht hinnehmbar, wenn der Gesetzentwurf aus dem Hause Süssmuth vorsieht, daß die Länder selbständig das Verfahren zur Anerkennung von Beratungsstellen regeln. Diese Formulierung kollidiert mit der Forderung der FDP, daß alle im Paritätischen Wohlfahrtsverband zusammengeschlossenen Beratungsstellen, also auch Pro Familia, anerkannt werden müssen.
Weiterhin möchte ich noch zwei Sachverhalte nennen, die staatspolitisch relevant sind. Eine Petition zur Volkszählung 1987 fiel mir durch ihre zum Teil aggressive Diktion auf. Bedenklich stimmte mich, daß die Petenten die zwangsweise Durchsetzung des Volkszählungsgesetzes als staatliche Disziplinierungsmaßnahme bezeichneten. Sie diffamierten die Bundesrepublik Deutschland als Erfassungsstaat, der seine Bürgerinnen und Bürger zu Puppen an unsichtbaren Drähten der Politik mit Mitteln der modernen Datenverarbeitung machen will.
Was haben wir Parlamentarier falsch gemacht, daß auch nur bei einer Minderheit dieses völlig realitätsfremde Staatsverständnis von der Bundesrepublik Deutschland aufkommen konnte? Wie ist es zu erklären, daß bei jungen Menschen die zwangsweise Durchsetzung eines demokratisch beschlossenen Gesetzes nicht als Pflicht der Exekutive und damit als Garant der Realisierung demokratisch gefaßter Beschlüsse verstanden wird? Hier ist es erforderlich, im Bewußtsein der Bürger eine Veränderung zu bewirken.
Auch im Bewußtsein anderer Bürger scheint sich eine etwas merkwürdige Vorstellung eingestellt zu haben. Dies betrifft nun das Petitionsrecht im engeren
Sinne. Dem Ausschuß sind Fälle bekannt, wo insbesondere Dienstvorgesetzte auf die Eingabe einer Petition, also auf die Wahrnehmung eines Grundrechts, mit der Androhung von zivilrechtlichen und strafrechtlichen Schritten reagierten.
Ein besonders krasser Fall ereignete sich bei der Deutschen Bundesbahn. Der Petent beschwerte sich über das seiner Ansicht nach ungerechte Verhalten eines Prüfers. Im Rahmen der vom Petitionsausschuß veranlaßten Stellungnahme wurde auch dem besagten Prüfer die Akte zugeleitet. Dieser hatte nichts Eiligeres zu tun, als die Petitionsunterlagen zu kopieren und seinem Anwalt zuzuleiten, der den Petenten unter Androhung zivil- und strafrechtlicher Schritte zum Widerruf seines Vorhabens anhielt.
Vorgesetzte, sei es in der Wirtschaft oder sei es im öffentlichen Dienst, die so reagieren, haben ein erhebliches Defizit in der Bewertung von Grundrechten, hier des Petitionsrechts.
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Ein Bürger, der sein Petitionsrecht wahrnimmt, muß vor straf- und zivilrechtlichen Schritten, gleich, welchen Wortlaut seine Petition hat, sicher sein.
Wir Parlamentarier müssen der Staatsverdrossenheit der Jugend einerseits und dem offensichtlich immer noch vorhandenen obrigkeitsstaatlichen Denken andererseits entgegentreten. Die Arbeit im Petitionsausschuß kann dazu wertvolle Hilfe leisten.
Zum Schluß möchte ich ein weiteres Mal für die Entpolitisierung des Petitionsausschusses eintreten. Zugleich wende ich mich deshalb gegen den Antrag der GRÜNEN, ein Minderheitsrecht im Petitionsausschuß einzuführen. Gefordert wird dieses Recht, damit die jeweilige Minderheit verlangen kann, Rechte des Ausschusses, wie Aktenvorlage, Zutritt zu Einrichtungen und ähnliches, wahrzunehmen.
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Ich befürchte, daß ein solches Recht mehr dazu geeignet ist, politische Petitionen künstlich aufzuwerten, als einzelnen Bürgern zu helfen.
Es verärgert mich immer wieder, wenn über den Petitionsausschuß versucht wird, Gesetzesvorhaben zu diskutieren. Denn so fehlt wichtige Zeit, die man Petitionen, die Einzelanliegen zum Gegenstand haben, widmen müßte. Andererseits kann es Fälle geben, wo die Vielzahl von Petitionen tatsächlich auf gesetzlichen Handlungsbedarf hinweist. Zwischen diesen beiden Punkten muß durch das Petitionsverfahrensrecht ein gerechter Ausgleich geschaffen werden.
Meines Erachtens könnte dieser Ausgleich auf folgende Weise bewirkt werden: Dem Petitionsausschuß sollte die Möglichkeit gegeben werden, Petitionen, die für ein neues Gesetz oder ein Novellierungsverfahren eintreten, an die zuständigen Fachausschüsse zu überweisen. Durch eine Überweisung könnte dafür Sorge getragen werden, daß sich die zuständigen politischen Organe mit einem Novellierungsvorhaben fachlich auseinandersetzen. Vielfach ist es heute ja noch so, daß den Ministerien die Petitionen, die sich als Material eignen, zugeleitet werden. Gerade bei den Petitionen, die berechtigt ein Gesetzes- oder Novellierungsvorhaben anstreben, halte ich es für richtiger, sie beim Parlament - sprich: beim zuständigen Ausschuß - zu belassen, richtiger deshalb, weil so eine Verfahrensverkürzung eintreten würde, und vor allem deswegen, weil so das Organ, das für die Gesetzgebung zuständig ist, nämlich das Parlament, entscheiden würde und nicht die Ministerien.
Blickt man auf das vergangene Jahr der Ausschuß-arbeit zurück, so kann gesagt werden, daß versucht wurde, in dem Bewußtsein, daß jeder einzelne Bürger ein Grundrecht wahrnimmt, allen Fällen gerecht zu werden. Die Datenverarbeitung, insbesondere aber die Novellierung des Petitionsverfahrensrechts werden in Zukunft dafür sorgen, diesem Grundrecht noch stärker Geltung zu verschaffen.
Ich danke Ihnen.
({4})
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter gebe, darf ich eine kurze Anmerkung zu Ihrer Eingangsbemerkung, Frau Kollegin Segall, machen. Ich habe Verständnis dafür, daß Sie hier auf die Schwierigkeiten hingewiesen haben, die sich aus der Verlagerung der Abteilung „Petitionen" aus der unmittelbaren Nähe des Bundeshauses ergeben haben. Das war aber keine willkürliche oder böswillige Entscheidung; vielmehr war sie einerseits durch die Bauvorhaben - Sie haben darauf hingewiesen - notwendig geworden, andererseits aber auch durch den gewachsenen zunehmenden Raumbedarf der Fraktionen und der Damen und Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestages.
Ich darf Ihnen nur zur Kenntnis geben, daß die Verwaltung des Deutschen Bundestages mittlerweile auf '75 Liegenschaften im Großraum Bonn verteilt werden mußte, um diesen Wünschen auch der Damen und Herren Abgeordneten Rechnung tragen zu können. Nur damit keine falschen Vorstellungen entstehen und keine falschen Berichte aus dieser Beratung in die Öffentlichkeit gelangen, will ich diese Klarstellung vornehmen.
Meine Damen und Herren, das Wort hat Frau Abgeordnete Nickels.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde schon von mehreren Kolleginnen und Kollegen gesagt, daß das letzte Jahr für uns ein Jahr der Veränderungen gewesen ist. Zum einen ist es - Frau Segall, da stimme ich Ihnen zu - für uns eine Erschwernis - Herr Präsident, man kann dafür einige sachliche Argumente anführen, aber es ist eine objektive Erschwernis unserer Arbeit - , daß das Ausschußbüro, so muß man sagen, jenseits der Schranken verwiesen worden ist, also über die Bahnschranken hinweg. Das ist auch rein technisch eine Schwierigkeit. Will man hinfahren, gehen garantiert irgendwann die Schranken herunter, wenn man zurückkommt, auch, was viel Zeit kostet, das ist also eine sehr ungünstige Lage, nicht allein durch die Auslagerung selber bedingt, sondern auch dadurch, wo sich dieses Haus befindet.
Ich persönlich glaube, diesem Mißstand wird man auch durch die anstehende Vercomputerisierung
trau Nickels
- die ja von den anderen Fraktionen begrüßt wird, die wir allerdings nicht so positiv sehen - nicht abhelfen können.
({0})
- Na ja, wir reden jetzt nicht von Wilhelm II., sondern vom Petitionsausschuß und von unseren Schwierigkeiten. Abgesehen von den Risiken der Computerisierung und dieser neuen Techniken, die bestehen und die auch hier sorgfältig abgewogen werden müssen, glaube ich nicht, daß dadurch der persönliche Kontakt zum Ausschußbüro ersetzt werden kann, der in den früheren Jahren da war und der auch sehr begrüßenswert war. Man konnte einmal kurz hinaufgehen und mit den Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen reden; man lernte sich auch kennen, und dann ging das auf dem kleinen Dienstweg oft unheimlich fix. Das kann kein Computer, kein Bildschirm, kein schnelles Kabel ersetzen. Das ist ein großer Mangel, den, so glaube ich, wir alle sehr bedauern, und zwar zu Recht. Das können wir nicht ersetzen.
Ein zweiter Punkt kennzeichnet die Tatsache, daß das vergangene Jahr eine Zeit des Wandels war. Es ist - das muß man sagen - eine Ära zu Ende gegangen, die sich an dem Namen von Frau Berger festmacht. Letztes Jahr haben wir diese Frau auch ziemlich lange gewürdigt. Davon will ich jetzt nicht noch einmal anfangen, aber mit dieser Ära war auch eine Fortentwicklung des Petitionsrechts verbunden. 1975, als sie den Vorsitz übernahm, wurde mit einer Reform des Petitionsrechts begonnen. Herr Vorsitzender Dr. Pfennig, Sie haben das letztes Jahr gewürdigt und haben gesagt, wir hätten diese Reform durchgeführt. Ich sage: Es ist eine steckengebliebene Reform gewesen; sie ist nicht zur Vollendung gekommen. Daran haben wir eigentlich schon die ganze Zeit zu knacken gehabt. Im Grunde genommen müßte heute eigentlich das eingelöst werden, was man schon 1975 an weitergehenden Vorstellungen debattiert hat.
Das will ich vorab noch einmal betonen, auch weil Frau Dr. Segall eben auf die Minderheitenrechte hingewiesen hat. Betonen will ich es, weil man meistens meint, das sei eine Erfindung der GRÜNEN. Ich habe das, als ich mir Gedanken über eine Verbesserung des Petitionsrechts machte, lange Zeit auch geglaubt, aber so ist es nicht. Es ist viel länger vorher gedacht worden, interessanterweise von der damaligen Opposition, nämlich von der CDU.
({1})
Sie hat sich damals vehement für Minderheitenrechte im Petitionsausschuß eingesetzt, und sie hat sich damals auch für eine Gleichbehandlung der persönlichen Beschwerden der Bürgerinnen und Bürger und der Bitten zur Gesetzgebung stark gemacht. Das sind Punkte, auf die wir gern zurückgreifen wollen. Wir glauben, daß es nötig ist, dies jetzt, nach so vielen Jahren, in die Tat umzusetzen und die Reform damit auch zu einem glücklichen Ende zu bringen, jedenfalls zu einer Zwischenbilanz; eine Weiterentwicklung ist ja immer möglich.
Damals war die Vorlage eines Tätigkeitsberichts ein Novum. Mittlerweile ist das für uns selbstverständlich. Herr Dr. Pfennig, Sie haben letzes Jahr darauf hingewiesen, daß er 1979 zum erstenmal schriftlich vorgelegt wurde. Im allgemeinen ist es für einen Abgeordneten - so wird es uns allen gehen - eher eine Qual als eine Freude, die Papierberge zu studieren. Aber den Jahresbericht des Petitionsausschusses lese ich immer sehr gern, weil er informativ ist und einen großen Querschnitt von dem darstellt, was die Menschen in unserem Lande bewegt, welche Sorgen sie haben, ganz private oder durch Gesetze oder andere Dinge ausgelöste. Der Tätigkeitsbericht gibt auch Auskunft darüber, welche zum Teil unglaublich schwere Schicksale Menschen in unserem Land haben.
Manchmal ist es aber auch wirklich zum Totlachen und sehr witzig. Ich empfehle Ihnen, Seite 11 aufzuschlagen. Da würde niemand denken, daß das eine sehr witzige Episode ist, weil die Überschrift ausweist, daß es da um die Kontrolle durch niederländische Grenzbeamte geht. Beim Lesen stellt man fest, daß es darum geht, daß sich Grenzbeamte an der Fünfklangfanfare eines Autos festgebissen und den armen Autofahrer gezwungen haben, sich in vollem Sonntagsstaat unter sein Auto zu legen und die Fünfklangfanfare auszubauen. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht gehört. Ich habe wirklich laut gelacht, als ich das gelesen habe. Der Bericht weist also zum Teil auch auf die witzigen Aspekte des Lebens hin.
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- Das können Sie den niederländischen Grenzbeamten einmal empfehlen. Das ist jetzt abgehandelt. Es ist wirklich lesenswert.
Die Bürgerinnen und Bürger sind für meine Begriffe oft weit mehr am Puls der Zeit, auch am politischen Puls der Zeit, als die jeweiligen Regierungen.
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Sie müssen einmal sehen, was an politischen Bitten vorgetragen worden ist. Das hat sich im Laufe dieses Jahres immer weiter zugespitzt. Ich nenne die Stichworte Ozonloch, Gentechnik, Straßenbaumaßnahmen, Volksentscheid. Auch die Volkszählung war im letzten Jahr ein großes Thema, das sehr vielfältig aufgegriffen wurde.
Das alles kann man in dem Bericht nachlesen und sich darüber informieren. Er ist aber auch ein Stück angewandte Verfassungskunde, weil die entsprechenden Artikel des Grundgesetzes zitiert und erläutert sind. Die Bürgerinnen und Bürger sehen so, wie sie von ihrem Recht Gebrauch machen können; sie finden dort ein Adressenregister und wissen so genau, wohin sie sich wenden können. Das bezieht sich nicht nur auf die Bundesrepublik, sondern auch auf Europa und auch, wie ich glaube, auf Übersee.
Eines allerdings fehlt; Herr Dr. Pfennig, da möchte ich eine entsprechende Anregung geben. Wir haben in diesem Hause bei jeder Fraktion Kinderbeauftragte. Diese Adressen habe ich beim Nachschlagen nicht gefunden. Ich rege an, diese Adressen aufzunehmen - auch wenn das nicht im Bereich der Arbeit des Petitionsausschusses liegt - , weil diese Institu5728
tion der Kinderbeauftragten viel mehr bekanntgemacht werden muß, damit sich Kinder und Erwachsene an diese Personen wenden können. Ich bitte darum, einmal zu überlegen, ob man dem Jahresbericht nicht ein paar Seiten hinzufügen kann, wo die Kinderbeauftragten über die Anliegen informieren, die bei ihnen eingehen. Vielleicht kann man das mit aufnehmen. Das müßte man auch mit dem Präsidenten bereden, ob das geht. Ich persönlich fände dies sehr wichtig.
Frau Dr. Segall, ich habe mich über Ihre Rede sehr gewundert. Sie sind ja in den letzten Jahren hier so flammend gegen den angeblichen Mißbrauch des Petitionsrechts aufgetreten. Das letzte Jahr war auch ein Jahr der atmosphärischen Veränderung im Ausschuß. In der vorigen Legislaturperiode war ich auch schon Mitglied dieses Ausschusses. Selbst wenn es um den I-Punkt ging, dann wurde stramm nach Linie gestimmt: FDP, CDU und CSU auf der einen Seite, GRÜNE oft alleine oder mit der SPD auf der anderen Seite. Es war noch nicht einmal ein I-Punkt gemeinsam zu beschließen. Das hat sich im letzten Jahr doch erheblich geändert. Es hat mir sehr viel Freude gemacht, daß nun einiges fraktionsübergreifend geht. Heute hatten wir im Ausschuß wieder ein Beispiel. Eine Koalition aus GRÜNEN, FDP und SPD hat die CDU/CSU überstimmt. So etwas wäre vor Jahren nicht möglich gewesen. Das ist etwas Neues. Ich finde das positiv, mich freut das.
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Frau Segall, Sie haben wieder auf den angeblichen Mißbrauch abgehoben, auf die politischen Petitionen, auf die Bevorzugung von Massenpetitionen. Ich muß Ihnen sagen: Mit diesen vergiftenden Argumentationen muß endlich Schluß gemacht werden. Ich finde das nicht gerechtfertigt. Es gibt keine Überbewertung der politischen Petitionen, im Gegenteil. Durch das Grundgesetz ist im Augenblick die Beschwerde sogar eindeutig bevorzugt. Bei Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern haben wir das Recht, Akten einzusehen, Regierung und Ämter zu zitieren, die Petenten vorzuladen. Bei Bitten dürfen wir das nicht.
1975 ist schon einmal diskutiert worden, ob es nicht angebracht und sinnvoll wäre - viele fanden es richtig; die SPD wollte es damals nicht, weil sie in der Regierung war - , eine Gleichstellung der Bitten mit den Beschwerden vorzunehmen. Das ist auch ein Gegenstand unseres Gesetzentwurfs. Es geht nicht um eine Bevorzugung, sondern um eine endlich herbeizuführende Gleichbehandlung der politischen Petitionen, die in der Öffentlichkeit vielleicht mehr im Bewußtsein sind, bei uns im Ausschuß aber real von der Gesetzeslage her schlechtergestellt sind. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt.
Ich möchte auch erreichen, daß aufgehört wird, immer so zu tun, als behandelten wir im Ausschuß die politischen Petitionen ernsthafter als die persönlichen Bitten. Das stimmt doch gar nicht. Das wissen Sie auch, Frau Dr. Segall. Ich erinnere an das Beispiel des Wagenreinigers, das in dem Bericht ja auch niedergelegt ist. Da haben wir uns alle zusammen Gedanken gemacht, den Kopf zerbrochen, weil wir nach dem Buchstaben, nach Lage des Gesetzes gar nichts machen konnten. Wir haben dann aber die Akten studiert und Punkte gefunden, an denen wir ansetzen konnten, um dem Mann doch noch zu helfen.
Ich glaube, daß alle im Ausschuß, wenn es um Einzelschicksale geht, alle Phantasie und Mühe auf wenden, um den Leuten zu helfen. Hier geht es überhaupt nicht darum, den einzelnen gegenüber der politischen Petition abzuwerten. Im Gegenteil: Wir achten die einzelnen Menschen sehr stark - das ist auch richtig so - , aber es geht hier darum, die Bitten zur Gesetzgebung gleichzustellen.
Im Grunde genommen betrifft das die Frage, wie wir unser Rollen- und Selbstverständnis in diesem Ausschuß sehen und wie wir die Bürgerinnen und Bürger, die eine Bitte zur Gesetzgebung vorbringen, einschätzen. Schätzen wir diesen Gebrauch des Petitionsrechtes - Bitten sind ja gestattet - als Sand im Getriebe ein, stört uns das, wollen wir davon lieber nichts wissen, geht uns das auf die Nerven, oder sehen wir darin vielleicht auch für uns eine Bereicherung, ein Korrektiv und einen Anhaltspunkt für das, was wir eigentlich versäumen, wo wir vielleicht nicht am Puls der Zeit sind?
Frau Dr. Segall, ich bin auch der Meinung: Wenn politische Petitionen noch einmal und noch einmal kommen, dann ist das kein Mißbrauch, sondern dann zeigt das, daß wir dickfellig, dickhäutig sind und die Probleme nicht so genau erkennen wie die Petenten.
({5})
Sie haben 1986 die wiederholt eingebrachten Petitionen „Umweltschutz ins Grundgesetz" als Mißbrauch bezeichnet und gesagt: Alles abgeschlossen, brauchen wir gar nicht. Ich kann das zitieren, Ihnen zeigen; ich habe das Protokoll dabei. Interessanterweise hat die Regierung das aber im letzten Jahr zum Gegenstand ihres Handelns gemacht. Sie hat das als Absichtserklärung in ihr Programm aufgenommen. Leider Gottes steckt das jetzt alles im Rechtsausschuß fest. Die Regierung will nicht mehr so richtig; es klemmt wieder einmal. Sie hat sich aber offensichtlich doch bewegen lassen, hierüber nachzudenken, und es als Absichtserklärung aufgenommen.
Das zeigt mir, daß die Petenten, wenn ihnen etwas am Herzen liegt, auch weiterhin nachdrücklich von dem Instrument der politischen Bitte Gebrauch machen sollten. Das kann uns allen - ich meine jetzt nicht nur die GRÜNEN, sondern alle in diesem Parlament - nur nützlich sein. Ich finde das begrüßenswert.
In diesem Sinne möchten wir mit unserem Gesetzentwurf die steckengebliebene Reform von 1975, die Vorschläge, die damals schon gedacht worden sind, jetzt eingelöst haben. Das sind keine Maximalforderungen. Wir wollen ein Minderheitenrecht verankern, um die Befugnisse, die es gibt, auch tatsächlich wahrnehmen zu können, und wir wollen die Bitten den Beschwerden gleichgestellt haben. Das finden wir sehr wichtig. Ich hoffe, daß wir das auch vernünftig beraten im Sinne eines effektiven, eines gestärkten Petitionsausschusses und dann auch durchsetzen.
Danke schön.
({6})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Grünewald.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zuvor wurde ein wenig Kritik geübt ob der ein wenig mager besetzten Regierungsbank.
({0})
- Noch mager. - Ich möchte aber doch mit großem Dank Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, daß uns der Wehrbeauftragte, Herr Willi Weiskirch, die Ehre seiner Anwesenheit gibt. Sie alle wissen um die vielen Überschneidungspunkte in unserer Arbeit.
Gestatten Sie mir bitte eine mehr persönliche Bemerkung vorab. Vor über Jahresfrist habe ich als neuer Abgeordneter - wohlgemerkt: leider nicht als ein an Lebensjahren junger Mann - u. a. auch die ordentliche Mitgliedschaft im Petitionsausschuß übernommen. Man hatte mich wie sicher schon so manchen anderen Kollegen vor oder auch in unserer Zeit als einen der neuen Abgeordneten in den Petitionsausschuß - um es einmal ganz behutsam zu formulieren - ein wenig gedrängt und geschoben. Ich habe deshalb damals ob dieser Mitgliedschaft zugegebenermaßen nicht das rechte Glück empfunden.
({1})
- Ja, richtig. ({2})
Heute, nach noch nicht eineinhalb Jahren sowie der Teilnahme an rund zwei Dutzend Petitionsausschußsitzungen und insbesondere der Bearbeitung einer Vielzahl von Petitionen empfinde ich ganz anders.
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Warum? Die Antworten auf diese Frage führen uns sehr unmittelbar zur Tagesordnung, nämlich zu den vielen und sehr unterschiedlichen Bitten und Beschwerden der Bürger an uns, das Parlament.
Erstens. Die Menschen, die sich mit ihren großen und kleinen Sorgen an uns wenden, schenken uns, jedenfalls in aller Regel, ihr Vertrauen. Sie vertrauen uns ihre Nöte an und hoffen auf unsere Hilfe. Ausweislich des vor Ihnen liegenden Jahresberichts
- das wurde ja auch schon gesagt - konnten wir in zahlreichen Fällen erfreulicherweise auch tatsächlich helfen. In anderen Fällen mußten wir die Petenten
- häufig zu unserem eigenen Bedauern - aus welchen Gründen auch immer enttäuschen. Geblieben ist aber mit Sicht auf die von uns gegebenen Begründungen in der Mehrheit auch dieser Fälle das in uns gesetzte Vertrauen. Das tut gut in einer Zeit, in der die Menschen den Politikern ganz überwiegend tiefes Mißtrauen entgegenbringen.
Zweitens. Im Prinzip sind die Bürger fair und einsichtig. Ich meine schon, daß die Bezieher niedriger und deshalb nicht steuerpflichtiger Einkommen, die sich wiederholt darüber beschwerten, daß sie im Rahmen der Steuerreform keine den steuerlichen Vergünstigungen entsprechenden Entlastungen erhalten können, eingesehen haben, daß Personen, die keine Steuern zahlen, ganz einfach auch keine Steuerentlastungen erfahren können.
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Auch jene Petenten, die Beschwerde darüber führten, daß sie ab 1. Januar 1986 höhere Kraftfahrzeugsteuern zahlen müssen, obgleich ihre Autos aus technischen Gründen nicht zu schadstoffarmen Kraftwagen umgerüstet werden können, haben wohl verstanden, daß die Kosten zum Schutz der Umwelt grundsätzlich vom Verursacher getragen werden müssen. Nach diesem Grundsatz kann es aber eben nicht von Bedeutung sein, aus welchen Gründen etwa eine Umrüstung unterbleibt.
Drittens. Die Arbeit im Petitionsausschuß ist überaus lehr- und hilfreich. Sie frischt alte Kenntnisse auf und gewährt einen tiefen Einblick in die vielen und komplizierten Segmente aus Gesetzgebung und Administration. Sie setzt also die Fähigkeit und vor allem den ernsten Willen zu immer neuem Lernen voraus.
Ich meine, wir alle - ich betone ausdrücklich: wir alle! - im Petitionsausschuß bemühen uns redlich, diesem hohen Anspruch Rechnung zu tragen. So folgen wir gerade in diesen Tagen einem wiederholt an den Petitionsausschuß zu Recht herangetragenen Anliegen, nämlich Ehegatten, die wegen Pflegebedürftigkeit eines Ehepartners an einer gemeinsamen Haushaltsführung gehindert sind, den steuerermäßigenden Höchstbetrag nicht nur einmal, sondern doppelt, also jedem einmal, zu gewähren.
Viertens. Zu beklagen ist gerade aus dem Munde eines ehemaligen Verwaltungschefs, wie wenig einfühlsam und hilfsbereit, zuweilen sogar herzlos und arrogant die Bürokratie gelegentlich dem Bürger begegnet. In solchen Einzelfällen ist es unsere Pflicht, die dienende Funktion der öffentlich Bediensteten einzufordern; und das geschieht, ich füge hinzu: mit Freude.
Fünftens. Anzuerkennen ist die gute Zusammenarbeit mit dem Petitionsbüro. Ohne diese Vorarbeit wäre der Petitionsausschuß handlungsunfähig.
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Es ist nur schade, daß so viel an Veranstaltungskraft durch unnötige Petitionen gebunden wird, wie beispielsweise durch eine Forderung - unser verdienstvoller Vorsitzender hat sie schon erwähnt -, das Weihnachtsfest in den Sommer zu verlegen.
Sechstens. Überaus erfreulich ist für einen Newcomer die gute und harmonische Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg.
Alles in allem: Aus anfänglichem Unmut wurde Freude; denn es ist ganz einfach schön, anderen Menschen helfen zu können, und genau das tut der Petitionsausschuß.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Fuchtel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meinem Beitrag möchte ich speziell den Geschäftsbereich des Bundesarbeitsministeriums ansprechen.
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Bei über zwei Millionen Arbeitslosen scheint es mir wichtig, daß wir uns dafür interessieren, wie die tägliche Praxis unserer Arbeitsämter aussieht. Als Petitionsausschuß sollten wir mit ein Auge darauf haben, daß unsere Arbeitsämter partnerschaftlich mit dem Bürger zusammenwirken. Es ist vor allem interessant, ob es gelingt, mit Hilfe des Petitionsausschusses Beschwerden in diesem Bereich wirksam aus dem Weg zu räumen.
Bei über sieben Millionen Meldevorgängen und allein nahezu 3,5 Millionen Anträgen auf Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gehören die Arbeitsämter zu den Behörden mit besonders starkem Bürgerkontakt. Dem stehen - so zeigt es der Petitionsbericht in diesem Jahr - zum Arbeitsrecht, zur Arbeitsvermittlung und zur Arbeitslosenversicherung 767 Eingaben gegenüber. Das hört sich zwar nicht sehr dramatisch an; für den einzelnen kann es aber höchst bedeutend sein, wie sein Fall im einzelnen abgehandelt wird.
Wie eine nähere Auswertung zeigt, waren es in den allermeisten Fällen Beschwerden über die Arbeitsämter wegen verzögerter oder falscher Berechnungen von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe. Spitzenreiter ist übrigens ein Arbeitsamt in Südbayern. Dort brauchte man sieben Monate, um über einen Widerspruch gegen die Entscheidung über die Bemessung von Arbeitslosengeld zu entscheiden. Nach dem Sozialgerichtsgesetz ist eine Frist von lediglich einem Monat für die Entscheidung über Widersprüche angemessen. Der Betroffene hat sich meines Erachtens zu Recht an den Petitionsausschuß gewandt.
Daß der Petitionsausschuß einen langen und starken Arm haben kann, wird am Ergebnis dieses Falles deutlich: Der Präsident des Landesarbeitsamtes stellte durch eine Umorganisation sicher, daß jetzt eine ordnungsgemäße Erledigung der Dienstgeschäfte stattfindet; also eine Wirkung nicht nur für den Einzelfall, sicher nicht nur für das betroffene Arbeitsamt, sondern darüber hinaus. Es dürfte sich nämlich schnell herumgesprochen haben, daß sich der Petitionsausschuß auch solcher Dinge mit Nachdruck anzunehmen pflegt.
Eine in gleicher Weise durch einen Einzelfall ausgelöste Entscheidung, Herr Kollege Dr. Bötsch - dieses Mal nicht in Bayern - , gab es für die generelle Praxis bei der Durchführung des Bundeskindergeldgesetzes. Im Jahre 1986 stellte ein Petent einen Antrag auf Kindergeldzuschlag bei der Kindergeldkasse des Arbeitsamtes. Ein Jahr später hatte er trotz mehrfacher Nachfrage immer noch keinen Bescheid und auch kein Geld. Der Petent verwies darauf, daß der Kindergeldzuschlag vor allem gerade den Schlechterverdienenden helfen sollte und der Antrag deswegen einer schnellen Bearbeitung zugeführt werden sollte. Das half aber nichts. Eines half dann aber sehr schnell: daß er den Petitionsausschuß einschaltete. Ein altes Dilemma war Ursache für die hohen bürokratischen Hürden: die Zusammenarbeit zwischen den Ämtern klappte wieder einmal nicht. Nachdem der Petitionsausschuß nämlich eine Stellungnahme des Arbeitsministeriums anforderte, bekam der Petent bereits im Monat darauf - noch nicht einmal nach der Entscheidung, sondern bereits nach der Stellungnahme - sein Geld. Dies zeigt, daß da durchaus etwas in Marsch gesetzt wurde. Auch die Nürnberger Bundesanstalt insgesamt kam in Trab. Der Präsident sagte zu, noch offene Fragen in der Zusammenarbeit der Kindergeldkassen mit den Trägern der Sozialhilfe bei der Gewährung des Kindergeldzuschlages im Erlaßwege zu regeln.
Ein Abbau von Frustrationsmechanismen gerade in Bereichen, wo es um das persönliche Schicksal geht, scheint mir eine ganz wichtige Komponente bei der Petitionsarbeit zu sein. Der Seismograph des Petitionsausschusses - das möchte ich in aller Deutlichkeit hinzufügen - zeigt aber auch, daß es unseren Arbeitsämtern offensichtlich gelungen ist, trotz der enorm hohen Fallzahlen zu einem partnerschaftlichen Verhältnis mit den betroffenen Bürgern zu finden. Auch dies ist eine wichtige Erkenntnis aus dem diesjährigen Petitionsbericht.
Die beiden Beispiele zeigen: Der Bürger steht nicht allein, er ist nicht chancenlos irgendwelchen Verfahren ausgeliefert, wenn es um berechtigte Anliegen geht. Er hat in seinem Parlament Verbündete, die solche Anliegen in geeigneter Weise aufgreifen. Mag zwar mancher denken, die Abgeordneten kommen und gehen, die Bürokratie bleibt, aber solange wir Abgeordneten da sind, wollen wir schon mitreden.
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Herr Abgeordneter Fuchtel, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Götte?
Herr Kollege, wie beurteilen Sie denn die Tatsache, die Sie gerade erwähnt haben, daß Sozialhilfeempfänger beim Arbeitsamt zunächst einen Antrag stellen müssen auf Kindergeldzuschlag, der ihnen dann beim Sozialamt wieder abgezogen wird? Wie beurteilen Sie das im Hinblick auf den Bittsteller und auch auf die Belastung des Arbeitsamtes?
Ich glaube, diese Frage gehört nicht in diesen Sachzusammenhang hier. Das ist eine materielle Frage, die man in einer entsprechenden Weise beantworten sollte, nicht im Rahmen einer Aussprache über den Petitionsbericht.
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- Es kam in meiner Rede nicht in der Form vor, sondern in meiner Rede wurde das Zusammenwirken dargestellt, aber nicht der materielle Anspruch als solcher qualifiziert.
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Ich möchte ein letztes Wort an die Adresse der Bürger sagen.
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Der Petitionsausschuß kann und darf nicht der allererste Weg sein, soll aber all die anderen Wege ergänzen, wenn es darum geht, ein größtmögliches Maß an Bürgernähe und Gerechtigkeit zu schaffen.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Bulmahn.
Sehr geehrte Herren und Damen! Die jährliche Vorlage des Berichtes des Petitionsausschusses bietet Anlaß Bilanz zu ziehen, über unser Selbstverständnis nachzudenken, unsere Arbeit im vergangenen Jahr einer kritischen Durchsicht zu unterziehen sowie zu überlegen, wie wir unsere Arbeit verbessern, das Petitionsrecht stärken und weiterentwickeln können.
Meine Vorredner und Vorrednerinnen haben zu Recht die besondere Bedeutung des Petitionsausschusses und des Petitionsrechtes hervorgehoben und die Notwendigkeit der Arbeit des Ausschusses unterstrichen, einer Arbeit, die nur dank des Sachverstandes, der Erfahrung und des Einsatzes der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Ausschußbüro bewältigt werden kann.
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Ihnen möchte ich an dieser Stelle noch einmal recht herzlich danken. Zur erfolgreichen Arbeit des Ausschusses trägt auch die weitgehend sachliche und faire Arbeit im Ausschuß selbst bei, durch die nicht jeder Vorgang, jedes Anliegen sofort entsprechend der Konfrontation, hier Regierungs-, dort Oppositionsparteien, überlagert wird.
Es ist sicherlich dieser Zusammenarbeit über die Fraktionsgrenzen hinweg zu verdanken, daß die Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost wieder zu einer ordnungsgemäßen Bearbeitung laufender Rentenfälle überging. Unter dem Vorwand, es sei von äußerster Dringlichkeit, erst die - angebliche - Überversorgung im gesamten Rentenbestand abzubauen, hatte die Versorgungsanstalt die Bearbeitung laufender Rentenfälle weitgehend ausgesetzt. So hätte ohne Unterstützung durch den Petitionsausschuß eine Schwerbehinderte Rentnerin mehr als fünf Monate auf die Berechnung und Überweisung ihrer Rente warten müssen. Nicht einmal eine Abschlagzahlung war ihr zugestanden worden. Dies ist ein skandalöser Vorgang, der meines Erachtens die Unentbehrlichkeit des Petitionsrechtes zur Abhilfe bei unrichtigem und unangemessenem Verwaltungshandeln nachhaltig unterstreicht.
Der erfolgreiche Abschluß einer Petition ist jedoch die große Ausnahme. Von den 6 727 inhaltlich geprüften Petitionen wurden 1987 ganze 78 Petitionen, also gerade 1,16 %, der Bundesregierung in ähnlicher Weise zur Berücksichtigung oder Erwägung überwiesen. Dies mag man als positives Zeichen für die Perfektion unserer Gesetzgebung werten. Ob dies jedoch die einzigen oder die ausschlaggebenden Gründe sind, daran habe ich meine Zweifel. Ist es nicht vielmehr häufig so - um eine Standardformel aus unserer Alltagspraxis zu gebrauchen - , daß wir feststellen, die Ausführungen der um Stellungnahme gebetenen Ministerien seien nicht zu beanstanden, Gesetz und Recht - was eigentlich selbstverständlich sein sollte - seien beachtet worden, und wir deshalb bedauern, die in uns gesetzten Erwartungen nicht erfüllen zu können?
Im Grunde teilen wir den Petenten und Petentinnen damit meistens nichts Neues mit, wollen sie uns doch gerade auf Gesetzeslücken, auf Ungerechtigkeiten und Mängel in der Gesetzgebung aufmerksam machen.
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Und wir erkennen nur allzu häufig, daß wir kurzfristig keine Lösungsmöglichkeiten in Aussicht stellen können oder daß es dafür im Ausschuß keine entsprechenden Mehrheiten gibt.
Sicherlich gibt es keine perfekten Gesetze, die allen denkbaren Einzelfällen in gleicher Weise gerecht werden. Ich denke aber, wir sollten intensiver darüber nachdenken, wie wir hier zu Verbesserungen kommen, wie wir berechtigten Anliegen mehr Aufmerksamkeit schenken können und wie wir die Anregungen und Wünsche unserer Bürgerinnen und Bürger wirkungsvoller in unsere parlamentarische Arbeit einbinden können.
Voten des Petitionsausschusses haben verfassungsrechtlich keine bindende Wirkung. Auch in den Fällen, in denen wir der Bundesregierung eine Petition zur Berücksichtigung oder zur Erwägung überweisen, können wir nicht grundsätzlich davon ausgehen, daß unserem Wunsch stattgegeben wird; meine Kollegin hat bereits darauf verwiesen.
Wie bereits in den vorhergehenden Jahren, so befaßte sich der Petitionsausschuß auch im vergangenen Jahr mit mehreren Petitionen, die die Einschränkung der Verwendung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen verlangten, um einer weiteren Zerstörung der Ozonschicht vorzubeugen. Ausführlich beschäftigte sich der Ausschuß mit den neuesten Forschungsergebnissen, die übereinstimmend darauf hinweisen, daß die Schädigung der Ozonschicht bereits erheblich stärker fortgeschritten ist, als bisher angenommen.
Der Petitionsausschuß überwies die Petition deshalb mit folgenden Zielen zur Berücksichtigung an die Bundesregierung:
- ein sofortiges nationales Verbot der Herstellung fluorchlorkohlenwasserstoffhaltiger Spraydosen zu erlassen,
- die Verwendung von FCKW in den übrigen Bereichen kurzfristig durch geeignete Maßnahmen drastisch einzuschränken und in absehbarer Zeit weitgehend zu verbieten,
- soweit ein Ersatzstoff nicht zur Verfügung steht - innerhalb eines Übergangszeitraums für den Einsatz von FCKW Einrichtungen zur Emissionsvermeidung sowie sachgerechte Abfallentsorgung bindend vorzuschreiben,
- sich weiterhin nachdrücklich für entsprechende internationale Maßnahmen einzusetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, just am heutigen Tage befindet der Umweltministerrat über europäische Maßnahmen für die Ozonschicht, so daß es, denke ich, doppelten Anlaß gibt, einmal nachzuprüfen, was die Bundesregierung zur Ausführung der soeben genannten Beschlüsse getan hat.
Einem Verbot der Herstellung FCKW-haltiger Spraydosen vermochte sich der Minister nicht anzuschließen.
Einen Verzicht auf FCKW außerhalb des Spraybereichs hält die Bundesregierung nur in begrenztem Umfang für möglich.
Zu einer bindenden Vorschreibung einer sachgerechten Abfallentsorgung ist die Bundesregierung nach Mitteilung des Ministers nicht bereit.
Schließlich - das empfinde ich als den eigentlichen Skandal - hat die Bundesregierung zumindest europaweit in keiner Weise Initiativen ergriffen, um internationale Maßnahmen entsprechend der Beschlüsse des Petitionsausschusses durchzusetzen.
Die von der Bundesregierung angesprochenen Maßnahmen sind jedenfalls in keiner Weise geeignet, die Zerstörung der Ozonschicht aufzuhalten. Sie tragen dem Beschluß des Petitionsausschusses nicht Rechnung. Mit dieser Art der Behandlung, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Verschleppung und Aufschiebung von durch den Ausschuß beschlossenen Maßnahmen über den Zeitraum eines Jahrzehnts
- das bitte ich in Erinnerung zu behalten - kann der Petitionsausschuß nicht einverstanden sein. Damit können und dürfen wir uns nicht zufriedengeben.
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Ich möchte in diesem Zusammenhang noch auf ein weiteres Problem hinweisen. Ausweislich der Berichte des Petitionsausschusses sah der Ausschuß von einer abschließenden Bewertung der eingeführten Maßnahmen im Vergleich zu den weitergehenden Beschlüssen des Bundestages ab, da die FCKW-Problematik inzwischen in den Fachausschüssen, vor allem aber in der Enquete-Kommission beraten werde. Fragt man dort jedoch nach, so ist der Beschluß des Petitionsausschusses kaum jemandem bekannt. In den Beratungen spielt er keine Rolle.
Der Petitionsausschuß kann und will - darüber besteht zwischen den Fraktionen weitgehende Einigkeit - keine Art Überausschuß sein. Die Beratung von Sachproblemen ist in erster Linie Sache der dafür zuständigen Fachausschüsse. Dennoch sollten wir
- dies hat das vorgetragene Beispiel, denke ich, deutlich gemacht - mehr Wert als bisher auf eine bessere Zusammenarbeit mit den Fachausschüssen, aber auch mit den Fraktionen legen. Wir dürfen uns nicht mit einer bloßen Umverteilung von Papieren begnügen. Unsere Beschlüsse müssen sinnvoller als bisher in den parlamentarischen Gremien aufgegriffen werden.
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Die überwiegende Zahl der Entscheidungen im Ausschuß wird einvernehmlich getroffen. Ich möchte dies an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen. Häufig genug kommt es jedoch zu Mehrheitsentscheidungen mit dem entgegengesetzten Votum der Minderheit. Die bisherigen Verfahrensregelungen bieten den unterlegenen Fraktionen keine Möglichkeit, ihre Position nach außen deutlich zu machen, sieht man von der gelegentlichen Erörterung einzelner Fälle im Zusammenhang mit der Beratung der Sammellisten im Plenum ab. In den zwischen Regierungsparteien und Opposition politisch umstrittenen Fragen besteht zudem bisweilen die Gefahr, daß das Recht der Petentinnen und Petenten auf die sachgerechte Behandlung und Verabschiedung im Ausschuß eingeengt wird. Die Einführung eines Minderheitenrechtes ist daher für die Arbeit des Petitionsausschusses von entscheidender Bedeutung.
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Die SPD tritt deshalb für die Einführung eines Minderheitenrechtes ein.
Ich bin hier nur ganz kurz auf den Gesetzentwurf der Fraktion der GRÜNEN eingegangen. Ich denke, wir werden bei den sich anschließenden Ausschußberatungen ausführlich Gelegenheit zu einer detaillierten und intensiven Diskussion haben.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zeitlmann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bemerkenswert an diesem Jahresbericht 1987 war für mich zunächst einiges Allgemeines.
Zum einen war es die hohe Zahl der Eingaben, die beim Bundestag eingereicht wurden, für die der Bundestag aber nicht zuständig war. Von den insgesamt 11 000 Eingaben hatten nur 7 700 ein Thema zum Inhalt, das in die Zuständigkeit des Bundes fiel. Hier ist noch ein Stück Aufklärungsarbeit notwendig.
Als zweites fällt mir im Gegensatz zu der Kollegin Dr. Segall - aber vielleicht bin ich nur ein Mitglied zweiter Klasse - allgemein auf, daß ich im Zusammenhang mit dem Umzug des Ausschussekretariats nichts Nachteiliges bemerkt habe. Ich habe bisher die Dinge eigentlich immer nur telefonisch erledigt.
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- Und dann, Herr Kollege Bötsch, steht im nächsten Parkverbot ein schöner Mercedes, mit dem man weiterfährt. - Nach meinem Eindruck hat der Umzug der Geschäftsstelle meine Arbeit im Petitionsausschuß nicht beeinträchtigt.
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- Bitte schön, lassen Sie mich fortfahren.
Ein weiteres allgemeines Thema, das mir auffiel: Ich finde es verwunderlich, daß für den Ausschuß die Datenverarbeitung erst 1988 konkret eingeführt wird. Wenn man in die freie Wirtschaft schaut, stellt man
fest, daß dort die Entwicklung viel schneller gewesen ist und viel weiter gegangen ist. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.
Ein weiterer Punkt, der mir auffiel und über den wir nachdenken sollten: Im Tätigkeitsbericht heißt es, häufig gebe es Notfälle, für die außer im Notfonds des Bundespräsidenten nirgends eine Hilfemöglichkeit bestehe. Ich halte es für überlegenswert, einen Notfonds oder Verfügungsfonds des Ausschusses durchzusetzen.
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Ich hatte als Dorfbürgermeister immerhin ein paar tausend Mark Verfügungsmittel und konnte helfen. Es muß doch möglich sein, daß ein Ausschuß auch darüber nachdenkt.
Bemerkenswert finde ich weiter, daß von den 34 Berücksichtigungsbeschlüssen im Jahr 1987 nur 14 von der Bundesregierung vollzogen wurden. Diese Zahl macht deutlich, daß man bitten und auffordern muß, mit den Beschlüssen des Petitionsausschusses etwas respektvoller umzugehen. Andererseits müssen wir uns vielleicht mitunter fragen, ob nicht manche unserer Beschlüsse wirklichkeitsfremd sind und deshalb nicht berücksichtigt werden können. Ich denke, Frau Kollegin Bulmahn, an pauschale Beschlüsse derart: Dieses und jenes ist umgehend einzustellen. Bei genauer Information stellt sich heraus, daß das doch nicht so einfach möglich ist, wie wir Nichtfachleute es uns machmal vorstellen.
Ich wende mich einigen Petitionen aus dem Bereich „Inneres und Recht" zu.
Zunächst ein Überblick. Bei den Petitionen zu diesem Bereich bildeten Fragen des öffentlichen Dienstes die Schwerpunkte, beispielsweise die Senkung der Eingangsbesoldung und die Gesundheitsvorsorge der Beamten. Auch der § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes hat immer wieder eine erhebliche Rolle gespielt, ebenso bereits angesprochene Fragen wie die versorgungsrechtliche Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei Beamten. Der Bundestag sollte darauf drängen, daß der Strukturbericht endlich vorgelegt wird; dann können wir die Unebenheiten vielleicht beseitigen.
Einige wenige konkrete Fälle, die mir auffielen. Zunächst aus dem Bereich des BGS ein Fall, bei dem man mehr schmunzeln muß, daß er in der Praxis überhaupt vorkommt: Ein Beamter, der an der Einfahrt einer Kaserne beschäftigt ist, grüßt nicht sofort und hebt nicht sofort die Schranke, als ein Offizier in einem Zivilfahrzeug, dessen Nummer nicht bekannt war, Einlaß wünscht. Der Beamte wird abgelöst. Es ist bemerkenswert, daß es nach 40 Jahren Demokratie noch Vorgesetzte gibt, die zu solchen Ungeschicklichkeiten in der Lage sind. Das sollte man herausstellen.
Ein sehr ernstes Problem ist mir im rechtlichen Bereich aufgefallen: das Widerrufsrecht bei Adoptionen. Wenn eine Mutter ihr Kind zur Adoption freigegeben hat, aber das Kind noch nicht an die Adoptionswilligen übergeben ist, dann ist die derzeitige Rechtslage, daß sie dies nicht widerrufen kann,
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weil sie die notarielle Einwilligung unwiderruflich abgegeben hat. Ich bin da der Meinung, dies muß man ändern.
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Ein Letztes noch. Das ist meine persönliche Meinung, die Ausschußmehrheit war eine andere.
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Ich finde es sehr bedenklich, daß man Anstrengungen unternimmt, zu erreichen, daß das Kind mit seinem Vater im Falle der Strafvollstreckung in der Justizvollzugsanstalt gemeinsam untergebracht werden soll. Ich meine, da entwickeln wir uns in die falsche Richtung. Denn ich kann mir aus praktischer Erfahrung nicht vorstellen - nicht weil ich eingesessen bin, sondern weil ich lange Jahre Anwaltserfahrung habe - , daß es sehr viele oder überhaupt konkrete Fälle gibt, in denen es zum Wohle des Kindes sinnvoll ist, das Kind dem Vater in das Gefängnis mitzugeben. Ich glaube, da sollten wir auch die öffentliche Wirkung der Sache sehen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat der Abgeordnete Jung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Es gibt kaum einen Bereich der Ausschußarbeit, der eine breite Palette der politischen Tätigkeit so offenbart wie der im Petitionsausschuß, in dem wir die Probleme der Bürgerinnen und Bürger unmittelbar erfahren und in dem wir vor allen Dingen auch beweisen können, daß wir die Anliegen, die dort vorgetragen werden, sehr ernst nehmen.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einen Bereich lenken, der mir besonders wichtig erscheint, nämlich die Wahrnehmung von Interessen Deutscher im Ausland und in der DDR. Hier gibt es besonders viele schwierige menschliche Schicksale.
Im Bereich des Auswärtigen Amtes hatten wir 370 Eingaben, also ungefähr so viel wie im Jahr davor auch. 40 % haben sich mit Fragen der Aussiedlung und Familienzusammenführung von Personen deutscher Volkszugehörigkeit aus Osteuropa beschäftigt.
Im Bereich des Ministeriums für innerdeutsche Beziehungen hatten wir mehr als 160 Petitionen. Mehr als die Hälfte davon hat sich mit dem Thema der Familienzusammenführung beschäftigt. Dies, meine Damen und Herren, ist nur ein Bruchteil der Anliegen, die in diesem Bereich tatsächlich vorhanden sind.
Wir haben im Jahre 1987 erheblich weniger Ausreisen aus der DDR als in den Jahren 1984, 1985 und 1986 verzeichnen können. Die Ausreise- und Über5734
Jung ({0})
siedlungsverfahren dauern noch zu lang; es gibt besondere Härten wie Entlassungen aus dem Beruf und anderes mehr. Besondere Härtefälle haben wir - und da möchte ich Ihnen, Herr Präsident, danken - in einer Liste zusammengefaßt gehabt, und der Bundestagspräsident hat sie gegenüber den zuständigen Stellen in der DDR angesprochen, so daß einige dieser Fälle - Gott sei Dank - zum Positiven hin gelöst werden konnten.
Ich möchte in diesem Zusammenhang einen anderen Bereich ansprechen: Besuchsreiseverkehr. Da hatten wir eine Petition, in der Protest gegen die Erhöhung des Begrüßungsgeldes für Besucher aus der DDR von früher maximal zweimal 30 DM im Jahr auf 100 DM angemeldet worden war. In dieser Petition wurde der Vorwurf erhoben, das sei eine Vergeudung von Steuergeldern. Der Petitionsausschuß hat hier übereinstimmend die Auffassung kundgetan, daß es geradezu unsere Pflicht ist, hier zu helfen, nicht nur unter humanitären Gesichtpunkten, sondern auch deswegen, weil die Einheit der Nation keine leere Floskel sein darf.
Wir haben uns in diesem Bereich mit der Erstattung von Übersiedlungskosten, Transportkosten beschäftigt, wo es eine Ungleichbehandlung von Aussiedlern aus Osteuropa gegenüber denen aus der DDR gab. Hier war der Petitionsausschuß ebenfalls der Auffassung, daß dies nicht so sein dürfe.
Und wir haben uns natürlich auch mit den Anliegen von Deutschen und ihren Interessen im Ausland beschäftigt. Ich will hier einen Fall exemplarisch nennen, einen Fall aus Südamerika, wo ein dort geborener Deutscher in diesem Land bei der Botschaft vorsprach, weil ihm bei einem Brand in seiner Wohnung Banknoten verbrannt waren. Der dortige Beamte sagte, er wolle helfen und dieses Geld umtauschen, verbrauchte es dann aber für sich. Das Geld war dann nicht zurückzubekommen, weil der Beamte überschuldet war. Hier hat sich der Petitionsausschuß eingesetzt. Das ist aber wegen gerichtlicher Verfahren noch nicht abgeschlossen.
Eines der wichtigsten Anliegen der Bürger im Ausland ist sicherlich, daß sie den Schutz ihres Staates wollen. Ich bin der Auffassung, daß die Politik des Auswärtigen Amtes in Einzelbereichen noch etwas bürgerfreundlicher sein könnte. Wir werden uns im Petitionsausschuß weiterhin gemeinsam, über die Parteigrenzen hinaus, bemühen, die Anliegen der Bürger auch in diesen Fällen aufzugreifen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Hiller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Petitionsausschuß sei oft der letzte Rettungsanker, schrieb eine unserer Tageszeitungen vor kurzem. Und das stimmt. Vielen Bürgern und Bürgerinnen kann ganz konkret geholfen werden. Darüber gibt auch dieser Ausschußbericht wieder zusammenfassend und ausreichend Auskunft. Aber es gibt sicher auch Erwartungen und Hoffnungen, die die Möglichkeiten eines Ausschusses dieses
Parlamentes übersteigen, z. B. Hoffnungen, die auf Familienzusammenführungen durch Aussiedlung aus den osteuropäischen Staaten oder Übersiedlung aus der DDR zu Verwandten in der Bundesrepublik gerichtet sind. Deshalb möchte ich hier sagen, daß entscheidender als die Bemühungen des Petitionsausschusses letztlich die Bemühungen der Bundesregierung sind, zu vernünftigen Beziehungen zu diesen Staaten zu kommen; denn ich glaube nicht, daß der Petitionsausschuß in diesem Bereich Dinge reparieren kann, die von der Regierung nicht entsprechend gewürdigt werden.
Ich glaube, daß es vermessen wäre, nicht positiv auf das hinzuweisen, was der Bundestagspräsident in Sachen Familienzusammenführung getan hat, sicherlich auch mit positiven Ergebnissen. Aber damit ist auch verbunden, daß unrealistische Hoffnungen bei Tausenden von Bürgerinnen und Bürgern in der DDR geweckt werden, die bereits ihren Ausreiseantrag gestellt haben.
Deshalb appelliere ich, daß sich alle - und da möchte ich den Petitionsausschuß mit einschließen - bemühen sollten, das Trennende zwischen den beiden deutschen Staaten zu überwinden.
Wir haben von Herrn Dr. Pfennig über die positiven Bemühungen gehört, die die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament betreffen. Ich rege an, darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll wäre, sich umfassend über das Petitionswesen in der DDR zu informieren und zu versuchen, auch auf diesem Gebiete Kontakte zwischen den beiden deutschen Staaten herzustellen. Ich weiß, daß der Präsident der Volkskammer bei einem Besuch einer Delegation der SPD-Bundestagsfraktion sehr viel Wert darauf gelegt hat, sich über das Petitionswesen der Bundesrepublik zu informieren, und sich auch bemüht hat, das der DDR darzustellen.
Ein zweites Problem, das uns immer wieder beschäftigt und uns an die Grenzen der Wirkungsmöglichkeit führt, ist das der Asylanten in unserem Lande. Hier begegnet der Ausschuß sowohl rassistischen, ausländerfeindlichen Haltungen in unserer Bevölkerung als auch dem Engagement von Initiativen, die dem grundgesetzlichen Asylrecht in der Bundesrepublik die Bedeutung rückgewinnen wollen, die es bei den Männern und Frauen der verfassunggebenden Versammlung von 1949 hatte, die zum Teil aus eigener bitterer Erfahrung in Art. 16 des Grundgesetzes den Satz formuliert haben: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. "
Wenn man diesen Satz betrachtet, ist man eigentlich verständnislos und fassungslos, wenn man im Petitionsausschuß von den vielen Härten in diesem Zusammenhang erfahren muß, auch - das hat hier Frau Kollegin Dr. Segall angesprochen - von den unmöglichen Zeitspannen, die bei der Bearbeitung solcher Fälle in unserem Lande immer wieder auftauchen.
Ich glaube, daß wir uns da auch an die eigene Nase fassen können. Ich denke da an die heutige Ausschußsitzung, wo es um den Asylwunsch von 15 chilenischen Bürgerinnen und Bürgern ging. Auch dieser Fall ist über ein Jahr im Petitonsausschuß anhängig. Deshalb glaube ich, daß dieser Rettungsanker, von
Hiller ({0})
dem ich in der Einleitung gesprochen habe, manchmal für die Bürger zu spät kommt. Ich erinnere an den Fall Kemal Altun, der mich damals im Petitonsausschuß sehr depremiert und bedrückt hat. Ich möchte deshalb vorschlagen, zumindest bei solchen Fällen eine aufschiebende Wirkung zu diskutieren, wenn der Petitionsausschuß sie will und ausdrücklich beschließt. Ich glaube, das wäre sinnvoll. Diese Möglichkeit sollte auch besprochen werden, wenn es um die Grundsätze des Petitonsverfahrens geht. Es gibt in Baden-Württemberg bereits ein entsprechendes Verfahren.
Das dritte Problem, das ich ansprechen möchte, ist vielleicht vergleichsweise harmlos, weil es hausgemacht ist. Es geht um das Petitionsrecht der Angehörigen der Bundeswehr. Ich möchte ausdrücklich feststellen: Es gibt hier keine Beschränkung durch die Souveränität anderer Staaten wie bei den angesprochenen Problemfeldern Familienzusammenführung und Asylrecht. Ich möchte aber auch hinzufügen, daß die Bundeswehr kein Staat im Staate ist. Deswegen sollte es wohl unumstritten sein - und das ist es wohl auch -, daß sich jeder Soldat an den Petitonsausschuß des Bundestages wenden kann genauso wie an den Wehrbeauftragten unseres Parlaments. Der Bericht des Petitionsausschusses weist auf, daß das Petitionsrecht von Soldaten so verstanden und praktiziert wird. Er enthält aber auch Hinweise darauf, daß in manchen Fällen die Vorgesetzten der Petenten in Uniform ihr Mißfallen über diesen Schritt zum Ausdruck bringen. Ich glaube, daß wir diesen Verhaltensweisen ganz entschieden widersprechen müssen.
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Ich glaube, wir müssen genauso widersprechen, daß Kommandierende Generäle der Bundeswehr den vom Parlament berufenen Wehrbeauftragten ihrem Kommando zu unterstellen versuchen.
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Ich glaube, daß hier für den Wehrbeauftragten und für den Petitionsausschuß die gleiche Interessenlage vorhanden ist.
Noch etwas möchte ich zu dem Bereich des Bundesministers der Verteidigung kritisch anmerken. Wir haben sehr lange Bearbeitungszeiten gehabt. Das ist im Petitionsbericht auch festgestellt worden. Wir haben festgestellt, daß von den vierzehn Berücksichtigungsbeschlüssen, deren Befolgung von der Bundesregierung abgelehnt wurde, wohl die meisten aus dem Bereich des Bundesministers der Verteidigung kommen. Wenn man das zusammenfaßt, so, glaube ich, ist in diesem Zusammenhang angesichts der aktuellen Äußerungen höchste Wachsamkeit gegenüber diesem Ministerium geboten. Ich möchte an alle appellieren, dafür zu sorgen, daß im nächsten Petitionsbericht diese kritischen Anmerkungen gegenüber dem Bundesminister der Verteidigung gegenstandslos sein werden.
Vielen Dank.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Limbach.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Der Petitionsausschuß hat - so ist es hier schon mehrfach ausgeführt worden - eine besondere Funktion, eine besondere Rolle in der Begegnung des Souveräns, nämlich der Bürgerinnen und Bürger, mit dem Parlament, weil anders als bei den Ausschüssen, in denen überwiegend Gesetzgebungsarbeit oder vorbereitende Arbeit für die Gesetzgebung getan werden muß, hier das unmittelbare Ansprechen des Ausschusses mit „Bitten oder Beschwerden" - wie es im Grundgesetz steht - möglich ist und auch stattfindet. Der Petitionsausschuß hat sich einerseits zu bemühen, dem einzelnen Anliegen des Petenten in möglichst sachgerechter, guter und auch helfender Form nachzukommen. Andererseits, meine ich, ist es nicht richtig, Hoffnungen zu erwecken, die nicht erfüllt werden können. Solch ein Fall ist vorhin schon einmal angesprochen worden. Wenn sich Frauen mit ihrer Kritik an der Regelung zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei der Altersversorgung, die der Bundestag mit Mehrheit gefunden hat, an den Petitionsausschuß wenden, dann ist es nicht in Frage, ob man der einzelnen Frau hilft oder helfen kann, weil sie während der Zeit der Kindererziehung berufstätig war und deshalb Ansprüche in der Rentenversicherung hat, sondern dann ist es die Aufgabe - so meine ich, und so ist es auch geschehen - , zu erklären, daß das Gesetz nicht generell vorsieht, daß es sozusagen eine Prämie dafür gibt, daß man Kinder erzogen hat, sondern das Gesetz ausdrücklich die Zielrichtung hat, fehlende Zeiten in der Rentenversicherung, die durch Kindererziehung entstanden sind, auszugleichen.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, wenn ich den Gedanken zu Ende geführt habe.
Wenn solche Fehlzeiten nicht entstanden sind, kann das auch nicht ausgeglichen werden. Nun mag man politisch kritisieren, daß dies das Ziel des Gesetzes war. Dies kann aber wiederum nicht im Petitionsausschuß geklärt werden, sondern das ist in der Debatte im Deutschen Bundestag und auch durch Gesetz geklärt worden.
Bitte schön, Frau Nickels. Ich bitte um Entschuldigung, aber ich wollte den Gedanken zunächst zu Ende führen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Nickels zu einer Zwischenfrage.
Frau Limbach, ich möchte Sie speziell zu dieser Rentenproblematik etwas fragen, wobei ich auch immer an die Trümmerfrauenproblematik denke. Wäre es nicht auch für Sie ein wichtiger Punkt, darüber nachzudenken, ob man nicht gerade für solche Petitionen, wo über mehrere Legislaturen hinweg Personen, die sich ungerecht eingeschätzt und herabgesetzt vorkommen, das vorbringen, das Befugnisgesetz und das Grundgesetz ändern muß, um für solche speziellen Fälle die Möglichkeit zu haben, vom Befugnisgesetz Gebrauch zu ma5736
chen? Wir als Petitionsausschuß sollten auch die Möglichkeit haben, diese Betroffenen als alternative Experten ihrer Sache zu laden.
Ein einleuchtendes Beispiel waren für mich die Zwangssterilisierten, für die der Bundestag 40 Jahre lang eine Entschädigungsregelung nicht getroffen hatte. Erst als die Betroffenen hier auftraten, hat sich wirklich etwas geändert. Das wäre auch für uns eine vornehme, wichtige Aufgabe, die aber eine Gesetzesänderung voraussetzt.
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Frau Nickels, Sie haben eine so umfassende Frage gestellt, daß ich nur in einem Punkt antworten will. Ich persönlich bin - mit berechtigten Gründen, die ich jetzt nicht ausführen kann - ein starker Anhänger der repräsentativen Demokratie, und deshalb bin ich der Auffassung, daß es richtig ist, daß das Parlament Gesetze berät und beschließt, natürlich unter Berücksichtigung dessen, was notwendig und richtig ist und was auch die Bürger für notwendig und richtig halten, aber nicht in dem unmittelbaren Sinn, daß der Bürger sozusagen als Gesetzesantragsteller dasteht. Bitte haben Sie Nachsicht - meine Redezeit ist schon abgelaufen -, daß ich nicht weiter darauf eingehen kann.
Ihre Redezeit ist noch nicht abgelaufen, Frau Kollegin Limbach. Ich räume Ihnen noch eine halbe Minute ein.
Danke schön. Die will ich dann zu meinem letzten Satz nutzen.
Mir scheint es aber andererseits - ich habe jetzt über die Gesetzesproblematik gesprochen - , wichtig und gut zu sein, daß wir Punkte aufgreifen können, wo die Bürokratie trotz vernünftiger Gesetze ein Hindernis in der Wahrnehmung der Rechte darstellt. Ich denke z. B. an einen Fall, wo einer Behinderten ein Zuschuß zu dem benötigten Fahrzeug nicht gewährt wurde, weil sie keinen Dauerarbeitsplatz, sondern einen Zeitarbeitsvertrag hatte bzw. weil das eine Arbeitsvermittlungsmaßnahme war. Da wurde der Sinn des Gesetzes, nämlich Behinderte in das Berufsleben einzugliedern, dadurch verkehrt, daß man sagte: Das geht aber nur, wenn das auf Lebenszeit ist, wobei eine solche Maßnahme ein Schritt zu dieser Eingliederung sein könnte. In diesem Fall hat der Petitionsausschuß auch helfen können. Ähnlich ging es bei einem Petenten, einem älteren Herrn, schwerkrank, der einen Aufnahmeantrag in einem Krankenhaus irrtümlich an der falschen Stelle angekreuzt hatte, wo man auch erkennen konnte, daß dies an dem falschen Formular und nicht an den falschen Bestimmungen lag. So, meine ich, müßten wir auch weiter versuchen, Einzelanliegen der Bürger gerecht zu werden und Anregungen, die für die Gesetzgebung kommen, durchaus aufzugreifen und zu prüfen, aber nicht im unmittelbaren, sondern im mittelbaren Verfahren der repräsentativen Demokratie.
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Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz, Herr Dr. Jahn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn der Bericht des Petitionsausschusses zur Beratung ansteht, darf die Bundesregierung nicht fehlen. Das ist richtig. Ich bitte zu würdigen, daß wir unsere Präsenz in relativ kurzer Zeit vervierfacht haben.
Die Bundesregierung spricht sich im Rahmen dieser Aussprache gegen die in Tagesordnungspunkt 2 b von den GRÜNEN geforderte Änderung des Art. 45 c des Grundgesetzes aus. Das Petitionsrecht hat einen festen Platz in unserer Verfassung und im Bewußtsein unserer Bürger. Der hohe Rang des Petitionsrechts wird nicht zuletzt durch die Errichtung eines besonderen Petitionsausschusses deutlich. Entsprechend dem Auftrag des Grundgesetzes hat der Gesetzgeber dem Petitionsausschuß weitgehende Informationsrechte zur Überprüfung von Beschwerden - ich betone: von Beschwerden - eingeräumt. Die Regelungen, die dieses Gesetz vorsieht, haben sich aus der Sicht der Bundesregierung bewährt.
Die Vorschläge der GRÜNEN, über die wir heute beraten, sind nicht neu. Entsprechende Vorschläge sind bereits in der 7. Wahlperiode des Deutschen Bundestages ausführlich erörtert und mit guten Gründen abgelehnt worden.
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Das gilt zunächst für den Vorschlag, die besonderen Informationsrechte des Petitionsausschusses bei der Überprüfung von Beschwerden auch auf die Überprüfung von Bitten zu erstrecken. Wie Sie wissen, unterscheidet Art. 17 des Grundgesetzes zwischen „Beschwerden" und „Bitten". Sie sind nicht dasselbe. Eine Beschwerde richtet sich im Regelfall gegen staatliches Handeln, und der Petitionsausschuß hat dabei zu überprüfen, ob die betroffenen staatlichen Maßnahmen berechtigt oder unberechtigt waren.
Eine Bitte ist etwas anderes.
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Sie kann sich häufig auch auf Maßnahmen richten, die nur durch Gesetz getroffen werden können. Soll der Petitionsausschuß bei jeder Bitte eines Bürgers, die nicht zugleich auch eine Beschwerde ist, von der Bundesregierung die Vorlage von Akten, die Erteilung von Auskünften und den Zutritt zu ihren Einrichtungen verlangen können? Wie soll dies etwa in einem laufenden Gesetzgebungsverfahren aussehen, wenn ein Bürger um eine bestimmte gesetzliche Regelung bittet? Soll der Petitionsausschuß dann - gar am federführenden Ausschuß vorbei - umfassende Aktenvorlage und Auskunftserteilung von der Bundesregierung verlangen können?
Im Interesse einer sachgerechten Arbeit des Petitionsausschusses sollte es nicht zu einer uferlosen Ausdehnung der Befugnisse kommen. Dies wäre auch schwerlich mit dem Prinzip der Gewaltenteilung in Einklang zu bringen.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Nickels?
Bitte schön.
Herr Jahn, wenn Sie öfter bei uns im Ausschuß wären, würden Sie mir recht geben, daß wir im Petitionsausschuß quasi ein selbstregulierendes System sind. Wir alle haben nämlich einfach noch jede Menge Arbeit und haben mittwochs nur von 8 Uhr bis 9 Uhr Zeit. Allein dieses selbstregulierende System ist doch ein Garant dafür, daß die Befürchtungen, die Sie haben, überhaupt nicht greifen.
Ich respektiere Ihre Meinung; Sie sollten die der Regierung ebenfalls respektieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit guten Gründen ist bereits im Jahre 1975 auch der Vorschlag abgelehnt worden, den Petitionsausschuß zu verpflichten, auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder von seinen Befugnissen Gebrauch zu machen. Dieser Vorschlag unterstellt eine Konfrontation zwischen Mehrheit und Minderheit im Petitionsausschuß, die es bisher nicht gegeben hat und auch nicht geben sollte.
Meine Damen und Herren, am Schluß der heutigen Debatte möchte ich zum Ausdruck bringen: Die Bundesregierung weiß die arbeitsintensive und umfassende Tätigkeit der Mitglieder des Petitionsausschusses und aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr zu schätzen und zu würdigen.
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Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.
Als Präsident des Hauses will ich, was etwas ungewöhnlich ist, am Schluß dieser Debatte den Kolleginnen und Kollegen des Petitionsausschusses ebenfalls besonderen Dank für ihre Arbeit sagen. Dies ist angebracht, weil ich immer wieder feststelle, wie schwer es in Anbetracht des begrenzten oder eingeschränkten Zeitbudgets, über das jeder von uns verfügt, ist, es trotzdem zu ermöglichen, daß diese wichtige, für das Ansehen des Parlaments notwendige Arbeit geleistet werden kann. Ich appelliere an alle Mitglieder des Hauses, insbesondere auch an die Fraktionen, diese wichtige Arbeit - sie ist klassische, ureigenste Arbeit des Parlaments; selbst das Grundgesetz sieht ja die Einrichtung dieses besonderen Ausschusses vor - in entsprechender Weise zu würdigen und zu werten.
Ich möchte insbesondere für zwei Dinge danken, zum einen dafür, daß ich wiederholt von dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, aber auch von Präsidenten anderer Parlamente im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft auf die hervorragende Zusammenarbeit zwischen dem Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages und dem Europäischen Parlament hingewiesen worden bin - ich möchte ganz besonders erwähnen, daß das überall großen Eindruck hinterlassen hat - , und zum anderen dafür, daß sich die Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses - das hat der Bericht dieses Jahres ergeben - besonders große Mühe gemacht haben, nicht alle Streitfragen hier durch das Plenum entscheiden zu lassen, sondern daß sie sich in besonderer Weise selbst bemüht haben, im Ausschuß Lösungen zu finden.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt vor, die Gesetzentwürfe der Fraktion DIE GRÜNEN an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Bevor wir die Beratungen fortsetzen, kommen wir zurück zu Tagesordnungspunkt 1. Ich gebe das Wahlergebnis für die Nachwahl eines Mitgliedes der Parlamentarischen Kontrollkommission bekannt. Es wurden 351 Stimmen abgegeben. Davon sind 351 gültig. Es gab 10 Enthaltungen. Keine Stimme war ungültig. Von den gültigen Stimmen entfielen auf den Abgeordneten Dr. Laufs 312 Stimmen und auf den Abgeordneten Weiss ({0}) 29 Stimmen.
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Dr. Laufs hat die nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes erforderliche Mehrheit von 260 Stimmen erreicht. Er ist damit als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission gewählt.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausweitung der Rechte der Jugendvertretungen und zur Weiterentwicklung in Jugend- und Auszubildendenvertretungen
- Drucksache 11/955 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({1})
- Drucksache 11/2474 Berichterstatter:
Abgeordnete Müller ({2}) Andres
Hoss
({3})
b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Betrieben
- Drucksache 11/1134 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({4})
- Drucksache 11/2474 Berichterstatter:
Abgeordnete Müller ({5}) Andres
Präsident Dr. Jenninger
Heinrich Hoss
({6})
c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Miltner, Gerster ({7}), Dr. Kappes, Regenspurger und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Dr. Hirsch, Lüder, Richter, Gries, Cronenberg ({8}), Dr. Thomae, Heinrich, Wolfgramm ({9}) und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bildung von Jugend-und Auszubildendenvertretungen in den Verwaltungen
- Drucksache 11/2264 Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({10})
- Drucksache 11/2480 Berichterstatter: Abgeordnete Lutz Frau Schmidt-Bott Dr. Hirsch
({11})
Zu den Gesetzentwürfen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP liegen Änderungsanträge auf den Drucksachen 11/2489 und 11/2491 vor.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, für die gesamte Beratung dieses Tagesordnungspunktes 30 Minuten vorzusehen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Andres.
({12})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Betrieben wird in zweiter und dritter Lesung beraten. Diesen haben der federführende Ausschuß und die mitberatenden Ausschüsse zur Annahme empfohlen, während der hier ebenfalls zur Beratung anstehende Gesetzentwurf der SPD, der eine zusätzliche Ausweitung der Rechte der Jugendvertretungen gesetzlich verankern will, nicht die entsprechende Mehrheit fand.
Dies ist besonders für die Betroffenen ein Trauerspiel. Die Koalitionsfraktionen hatten nach Einbringung ihres Gesetzentwurfes der interessierten Fachöffentlichkeit gegenüber immer wieder beteuert, daß Verbesserungen im Beratungsverfahren noch möglich und zu erwarten seien.
({0})
Allerorten wurde der Eindruck erweckt, als ginge es in den Podiumsdiskussionen, in Gesprächen mit Verbandsvertretern, im Hearing, im Schriftverkehr mit betroffenen Jugendvertretern und interessierten Jugendlichen der Gewerkschaften darum, nur die nötigen Argumente zu sammeln, damit man die Verbesserungen des eigenen Gesetzentwurfes auch ordentlich begründen könne.
Den von der SPD eingebrachten Gesetzentwurf, der die Forderungen der Gewerkschaften und vieler betroffener Jugendlicher und Auszubildender weitestgehend beinhaltet, zu übernehmen wurde aus parteiund koalitionspolitischen Gründen abgelehnt.
Ich will hier festhalten: Der bessere und den Problemen angemessenere Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung einer Jugend- und Auszubildendenvertretung wurde von der SPD-Fraktion vorgelegt.
({1})
- Ich sage das.
Veränderungen haben nun die fachkundigen Damen und Herren aus den Fraktionen von CDU/CSU und FDP an ihrem eigenen Gesetzentwurf vorgenommen? Die Altersgrenze für das passive und aktive Wahlrecht zur Jugend- und Auszubildendenvertretung wurde von 24 auf 25 Jahre angehoben. Ich kann nur sagen: Welch eine Leistung! Schon diese Altersgrenze, die von den Gewerkschaften und von der SPD-Fraktion seit Jahren für sinnvoll erachtet wurde, schien doch ein größerer koalitionspolitischer Kraftakt gewesen zu sein.
Zweitens. Die Zahl der zu wählenden Jugend- und Auszubildendenvertreter und -vertreterinnen wurde von bisher 9 auf 13 erhöht. Das ist zu begrüßen, unserer Auffassung nach aber unzureichend. Dies ist offensichtlich für die Koalitionsfraktionen das Bonbon, mit dem man die insgesamt mangelhafte gesetzliche Regelung nach außen verkaufen möchte.
Die dritte Änderung, die durch die Ausschußberatungen zustande kam, muß man als weiße Salbe bezeichnen. Hier wird geregelt, daß künftig Jugend-und Auszubildendenvertretungen im Einvernehmen mit Betriebsrat und Arbeitgeber den Termin von Jugendversammlungen auch abweichend von der gesetzlichen Regelung bestimmen können. Ich muß sagen: Eine solche Regelung war auch nach dem bisherigen Recht und der entwickelten Rechtsprechung jederzeit möglich, weil Gesetze ja sozusagen immer nur die Konfliktfälle regeln sollen. Wenn sich im Betrieb alle einig sind, kann man die Versammlung machen, wann man will.
Das, was die Fachleute - so sage ich jetzt hier einmal - als Beratungsergebnis zustande gebracht haben, wird in den Gewerkschaften, bei Arbeitgeberverbänden und insbesondere in der Arbeitsgerichtsbarkeit schallendes Gelächter hervorrufen.
Damit sind nun schon alle Änderungen des Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktionen erschöpfend behandelt. Ich muß sagen, wer die Beratungen verfolgt hat, kann nur festhalten: welch ein erbärmliches Ergebnis!
({2})
Mir klingen die freundlichen Beteuerungen der Abgeordneten Thomae, der ja sicherlich auch noch sprechen wird, und Müller, der auch spricht, noch mächtig in den Ohren. Bei verschiedenen Diskussionsgelegenheiten versprachen sie, zur Verbesserung des EntAndres
wurfs beizutragen. Wie müssen sich all die am Hearing, bei den Diskussionen und sonstigen Veranstaltungen Beteiligten jetzt, nach Abschluß der Beratungen, vorkommen? Kann man sagen, daß sie auf den Arm genommen wurden, oder muß man es eigentlich noch drastischer formulieren?
Mir liegt ein Beschluß der sogenannten Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor, den diese am 14. April 1988 verabschiedet und an Gewerkschaften und Beteiligte verschickt hat,
({3})
unterschrieben vom Abgeordneten Scharrenbroich; er sitzt ja da und wird dazu sicherlich Stellung nehmen. In diesem Beschluß werden eine Sprechstundenregelung unabhängig von der Zahl der Wahlberechtigten, ein Recht auf vier eigenständige, von der Betriebsversammlung unabhängige Jugendversammlungen sowie ein verbesserter Schutz der Jugend- und Auszubildendenvertretung gefordert. Nichts ist aus all dem geworden. Der Vorgang offenbart, welchen politischen Einfluß die Arbeitnehmergruppe in der Koalition hat, nämlich gar keinen.
({4})
Was für die SPD die Gesetzesvorlage ganz und gar unerträglich macht, ist eine gravierende Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Recht. Seit Bestehen des Betriebsverfassungsgesetzes wurde die Jugendvertretung in den Betrieben nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt. Dies bedeutete: Die Jugendlichen und Auszubildenden konnten demjenigen unmittelbar ihre Stimme geben, von dem sie meinten, daß er oder sie ihre Interessen am besten vertreten würde. Die Veränderungen dieses Wahlrechts ist der FDP zu verdanken, die hier ihr 5-%-Syndrom an einer gesetzlichen Regelung auslebt, bei der sie gar nicht zur Wahl steht.
({5})
„Mit der FDP wird es keinerlei Regelung eines Mehrheitswahlverfahrens geben, egal, um welche Wahlen es geht" , diese Aussage eines FDP-Kollegen in diesem Hause klingt mir nach wie vor in den Ohren. Da wird die Angst der Partei mit den drei Pünktchen um den Einzug in Kommunal-, Landes- und Bundesparlamente der entscheidende Begründungszusammenhang für eine massive Veränderung eines Wahlrechts, das sich in nahezu 40 Jahren nach einhelliger Auffassung von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Betroffenen bewährt hat.
Wir wollen eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, die mehr und bessere Rechte hat, wie sie in unserem Entwurf enthalten sind.
({6})
Wir wollen eine Jugend- und Auszubildendenvertretung für Personen bis zum Alter von 25 Jahren. Das veränderte Wahlverfahren und die absolute Unfähigkeit der Regierungskoalition, der neu zu schaffenden Jugend- und Auszubildendenvertretung auch entsprechende Rechte zu verleihen, haben meine Fraktion zu der Überzeugung gebracht, daß wir in der Endabstimmung über diesen mangelhaften Gesetzentwurf, den CDU/CSU und FDP hier vorlegen, mit Nein stimmen müssen.
({7})
Zum vorliegenden Gesetzentwurf der Koalition zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Verwaltungen verweise ich darauf, daß die Bundestagsfraktion der SPD einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht hat, den wir für geeigneter halten, eine wirkungsvolle Arbeit dieser Vertretungen garantieren zu können. Unser Entwurf fand in den Ausschußberatungen keine Mehrheit, so daß der von der Regierungskoalition eingebrachte Entwurf hier zur Abstimmung steht. Im Beratungsverfahren wurden neben der Ausweitung zur Jugend- und Auszubildendenvertretung verbesserte Schutzrechte der Vertretung sowie eine Veränderung des Zeitraums der regelmäßigen Wahlen beschlossen. Da gegenüber dem bisherigen Recht keine Verschlechterungen vorgenommen werden, stimmt die SPD dieser Gesetzesvorlage zu, auch wenn ausdrücklich darauf hingewiesen werden muß, daß die zu verabschiedende Regelung unzureichend ist.
Herzlichen Dank.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Andres, im Reden ist die SPD immer Weltmeister, aber nur dann, wenn sie in der Opposition ist. Wenn sie in der Regierungsverantwortung steht,
({0})
fallen die Gesetze ganz anders aus. Ich will das einmal deutlich feststellen.
({1})
Meine Damen und Herren, Sie haben trotz der Tatsache, daß wir in wesentlichen Punkten in der Materie übereinstimmen, in den Ausschußberatungen nicht die Kraft und die Fähigkeit zum Ausgleich bewiesen. Sie haben immer nur die Interessen einer einzigen Gruppe zu vertreten versucht. Wir als große Volkspartei vertreten aber die Anliegen und die Interessen aller.
({2})
Wir müssen die Interessen aller Gewerkschaften sehen. Wir müssen auch die Interessen der nicht gewerkschaftlich gebundenen Jugendlichen sehen. Wir müssen auch die Interessen der Arbeitgeber sehen. Das ist der entscheidende Unterschied.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?
Ich habe nur vier Minuten Redezeit.
Müller ({0})
Lieber Kollege Andres, wenn Sie sagen, der SPDAntrag sei der bessere, dann kann ich wirklich nur laut lachen.
({1})
Sie wollten doch, daß wir auch dort Jugend- und Auszubildendenvertretungen einführen, wo es keine Betriebsräte gibt. Ich halte es für keine sinnvolle Veranstaltung, in Betrieben mit weniger als fünf Jugendlichen eine eigene Vertretung zu bilden. Das ist eine Überrepräsentation. Ich meine, wir sollten das besondere Vertrauensverhältnis, das gerade in den Mittelstandsbetrieben und den Handwerksbetrieben gegeben ist, berücksichtigen.
Sie haben behauptet, das Verhältniswahlrecht sei eine Verschlechterung. Das stimmt nicht; denn wenn sich die jungen Leute einigen, können sie durchaus eine Persönlichkeitswahl durchführen. Das Verhältniswahlrecht schließt das Mehrheitswahlrecht ein. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum diejenigen, die über 18 Jahre alt sind, bezüglich des Wahlverfahrens anders gestellt sein sollen als bei der Wahl zum Betriebsrat. Das ist doch an den Haaren herbeigezogen. Das ist kein schlüssiges Argument.
Meine Damen und Herren, wir haben auf Grund der Anhörung einige Verbesserungen vorgenommen. Wir haben das Alter von 24 auf 25 Jahre heraufgesetzt. Es hat uns überzeugt, daß beispielsweise diejenigen, die sich im Bankgewerbe in der Ausbildung befinden, mit 24 Jahren nicht fertig werden.
Wir haben die Zahl der Vertreter von 9 auf 13 heraufgesetzt. Auch das scheint mir eine sinnvolle Entscheidung zu sein, weil die Zahl neun für die Großbetriebe zu gering ist. Wir haben es möglich gemacht, daß Betriebsjugendversammlungen jetzt zu einem anderen Zeitpunkt stattfinden können als die Betriebsversammlungen.
Herr Kollege Andres, Sie wissen ganz genau aus Ihrer Erfahrung als Gewerkschaftssekretär, daß das doch ein wesentlicher Fortschritt ist.
Darf ich noch einmal fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dreßler zulassen.
Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich hatte leider nur vier Minuten.
Wir sehen in diesem Gesetzentwurf einen wesentlichen Fortschritt und stimmen ihm uneingeschränkt zu.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Hoss.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-FDP-Koalition, die sich gern das Mäntelchen einer Reformkoalition zulegt, ist mit ihrem Gesetzentwurf dem Ausbau und der Erweiterung von Rechten der Jugendlichen und Auszubildenden ausgewichen. Sie nimmt nur in zwei Punkten Änderungen vor. Das erste - das wurde schon erwähnt - ist die Erweiterung des Altersrahmens auf 25 Jahre bezüglich des aktiven und passiven Wahlrechts.
Mit der zweiten Änderung eröffnet sie sich selbst politische Möglichkeiten: durch die Änderung des Wahlverfahrens. Das bei den Jugendlichen und Auszubildenden bisher bewährte Recht der Mehrheitswahl und der Personenwahl in einem übersichtlichen Rahmen wird abgeändert. Ermöglicht wird die Verhältniswahl, die Listenwahl, die immer eine politische Listenwahl ist. Damit hilft sie sich eigentlich nur selbst. Das hat nichts mit einer Erweiterung der Rechte der Jugendlichen und Auszubildenden zu tun.
Dagegen gibt sie keinen Platz für die gewachsene Eigenständigkeit, die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten von Jugendlichen und Auszubildenden, für das Selbstverantwortungsgefühl. Sie schafft keinen rechtlichen Rahmen dafür. Die CDU/CSU - die FDP ist natürlich auch dabei - gängelt mit ihrem Entwurf die Jugendlichen und Auzubildenden im Sinne einer unternehmerischen Politik, die die Jugendlichen im Betrieb am liebsten still hat. Das können Sie nicht bestreiten.
Die SPD dagegen sieht in ihrem Entwurf die Ausweitung der Rechte der Jugend- und Auszubildendenvertretungen vor, bleibt aber in für uns wichtigen Fragen inkonsequent. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung enthalten, obwohl wir in dem Gesetzentwurf wesentliche, gute Momente sehen. Es liegen entsprechende Änderungsanträge der GRÜNEN heute zur Abstimmung vor. Wir bitten Sie, ihnen zuzustimmen.
Uns geht es darum, eine Ausweitung der Rechte dahin gehend zu erreichen, daß die Jugend- und Auszubildendenvertretungen ein selbständiges Recht zur Begehung von Arbeitsplätzen erhalten. Denn es kommt immer wieder vor, daß auf Grund der Situation am Arbeitsplatz eine schnelle Begehung notwendig ist. Insoweit sind wir auch nicht mit der SPD einverstanden, die sagt, daß die Jugendvertretung nur in Abstimmung mit dem Betriebsrat den Arbeitsplatz begehen könne. Wir sind dafür, daß die Jugendlichen und Auszubildenden die Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze selbständig begehen können, um nach dem Rechten sehen zu können.
Wir sind auch dafür, daß eine Jugend- und Auszubildendenvertretung auch dann gebildet werden kann, wenn es keinen Betriebsrat gibt. Welcher Grund spricht denn dafür, den Jugendlichen die Bildung einer Jugendvertretung zu versagen, wenn es in einem Betrieb keinen Betriebsrat gibt? Damit behindert man doch nur die Tätigkeit und den Drang der Jugendlichen, sich zu betätigen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum das nicht möglich sein soll.
Über die Versammlungen wurde schon gesprochen.
Wir sind weiterhin dafür, daß die Jugendlichen und Auszubildenden bei der Übernahme von Auszubildenden über Form und Inhalt der Ausbildung und Ausbildungsmittel mitreden können. Die Jugendlichen und Auszubildenden sollten auch mitreden können, wenn es darum geht, Ausbilderinnen auszuwählen. Das sollte auch hinsichtlich der Zahl von Ausbilderinnen gelten.
Ein wesentlicher Punkt ist die Quotierung, die wir in unserem Gesetz niedergelegt haben. Wir haben dieses Thema als erste in die Debatte gebracht. Wir sind der Meinung, daß bei 3 bis 20 Wahlberechtigten mindestens eine Jugendvertreterin in der Jugendvertretung sein muß und daß bei mehr als 20 Wahlberechtigten mindestens die Hälfte der Jugendvertretung aus Mädchen bzw. jungen Frauen bestehen muß.
({0})
Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte Sie, den Änderungsanträgen, die wir vorgelegt haben, zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Thomae.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf betreffend eine Umwandlung der Jugendvertretung in eine Jugend- und Auszubildendenvertretung wird der erste Teil der Koalitionsvereinbarung zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes realisiert. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP haben Wort gehalten und dafür gesorgt, daß der schleichende Schrumpfungsprozeß bei den Jugendvertretungen gestoppt wird.
Die Gründe für diese Änderungen sind: Erstens. Das Durchschnittsalter der Jugendlichen auf Grund verlängerter Schulzeit steigt, und damit fallen immer mehr Jugendliche schon nach kurzer Ausbildungszeit aus der Jugendvertretung heraus.
Zweitens. Die Situation und die Interessenlage der Auszubildenden unter 18 Jahre und über 18 Jahre ist sehr ähnlich, so daß es gerechtfertigt ist, diesen Personenkreis einheitlich zu behandeln.
Zweck einer Jugend- und Auszubildendenvertretung ist für uns, die Anliegen dieses Personenkreises gegenüber dem Betriebsrat zu formulieren und ihn gleichzeitig mit den Gegebenheiten der innerbetrieblichen Demokratie bekanntzumachen.
Auf Grund der Anhörung plädieren wir für die Anhebung der Altersgrenze. Wir haben uns jedoch allen Versuchen widersetzt, die Jugendvertretung schleichend zu einem selbständigen Organ heranzubilden und aufzuwerten. Deshalb mußten wir die Vorschläge ablehnen, die vorsehen, unabhängig von der Existenz eines Betriebsrates die Einrichtung einer Jugend- und Auszubildendenvertretung zu erlauben. Ansprechpartner für die Jugendvertretung ist und bleibt der Betriebsrat.
Wie bisher schon nach dem Personalvertretungsgesetz wird es auch künftig nach dem Betriebsverfassungsgesetz möglich sein, daß volljährige Auszubildende sowohl der Jugend- und Auszubildendenvertretung als auch dem Betriebsrat angehören.
({0})
Es sei daran erinnert, daß gerade unter der Sozialdemokratie, als das Arbeitsministerium von einem sozialdemokratischen Minister geführt wurde, dies immer wieder unter dem Schlagwort „Doppelwahlrecht" abgelehnt wurde.
Die von der Opposition geäußerte Kritik an der Einführung des Verhältniswahlrechts teilt die FDP nicht.
({1})
Denn es erscheint uns sehr gerechtfertigt, daß auch kleinere Gruppen ihre Chancen im Betrieb haben.
({2})
Dafür spricht auch, daß wir mit diesem Gesetzentwurf nicht nur mehr Jugend- und Auszubildendenvertretungen erlauben, sondern auch die Zahl der Mitglieder aufstocken.
({3})
Dies wird gerade in größeren Unternehmen die Leistungsfähigkeit dieses Gremiums erhöhen.
Im übrigen ist künftig auch das Mehrheitswahlrecht möglich, nämlich immer dann, wenn nur eine Liste zustande kommt.
Mehr Flexibilität wird auch durch die Entkoppelung von Jugend- und Auszubildendenversammlung und Betriebsversammlung ermöglicht, und zwar immer dann, wenn der Arbeitgeber und der Betriebsrat zustimmen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?
Ja, aber vorher noch ein Satz. - Wir möchten festhalten: Der Gesetzentwurf schafft eine gute Grundlage für die Vertretung der Auszubildenden in den Betrieben und in den Verwaltungen. Wir hoffen, daß damit die notwendige vertrauensvolle Zusammenarbeit in den Betrieben gesichert ist. - Bitte schön!
Herr Abgeordneter Reimann.
Herr Kollege Thomae, die jetzige gesetzliche Regelung geht davon aus, daß die jungen Menschen - die Monika, die Christa, der Hans, der Uwe usw. - in Personenwahl gewählt werden. Es ist das Urprinzip einer Demokratie, eine Person direkt durch Vertrauen zu bestätigen.
Sie ändern das Gesetz jetzt so, daß diese jungen Menschen nun in Mehrheitswahl, d. h. in Listen gewählt werden. In Zukunft wählt man nicht mehr den Uwe und die Christa, sondern die Liste 1, 2, 3 oder 5.
Jetzt frage ich Sie: Ist das mehr Demokratie oder weniger?
Für uns ist das mehr Demokratie, weil die Jugendlichen älter werden,
({0})
weil die Jugendlichen auf Grund der verlängerten Ausbildung auch schon andere demokratische Pflichten übernehmen. Darum plädieren wir dafür, daß dieses Wahlrecht, nach dem auch bei der Wahl anderer demokratischer Gremien verfahren wird, auch hier praktiziert wird.
Außerdem sind wir fest davon überzeugt, daß dieses Wahlrecht auch den Minderheiten - dafür treten wir ein - die Möglichkeit gibt, ihre Rechte wahrzunehmen. Das ist für uns entscheidend.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, Herr Kollege?
Bitte.
Herr Kollege, warum ändert dann die FDP das Kommunalwahlrecht, um von der Listenwahl weg zur Personenwahl zu kommen?
Dieses Wahlrecht wird nur modifiziert, beispielsweise durch Panaschieren; es ist nur eine Modifizierung. Am Grundprinzip wird festgehalten.
({0})
Vielen Dank.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kappes.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Alfons Müller hat hier eben bereits ausgeführt, welche Grundüberlegungen für die Ihnen nun zur zweiten und dritten Beratung vorliegenden Gesetzentwürfe der CDU/CSU und der FDP zur Bildung von Jugend- und Ausbildungsvertretungen in den Betrieben und in den Verwaltungen maßgebend waren.
Ich will das für das Personalvertretungsrecht nicht ausführlich wiederholen. Nur soviel: Auch hier soll das aktive Wahlrecht zur Jugend- und Auszubildendenvertretung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ausgeübt werden können. Auch hier soll die Zuordnung dieser Vertretungen zum „Betriebsrat", also zum Personalrat erhalten bleiben. Auch hier sollen die Volljährigen das Recht zur Wahl des Personalrates behalten.
Daß in den Betrieben einerseits und den Verwaltungen andererseits nicht alles gleich geregelt ist und geregelt sein wird, halten wir für unschädlich bzw. zum Teil sogar für sinnvoll. So bleibt es im Bundespersonalvertretungsgesetz bei der bewährten Altersgrenze von 26 Jahren für das passive Wahlrecht. Auch an der Zahl der Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretungen haben wir - zumindest vorerst - nichts geändert.
Wie ich bereits bei der Einbringung des Gesetzes angeregt hatte, sollen nach dem Willen des federführenden Innenausschusses die Auszubildenden in der Krankenpflege wieder in den Geltungsbereich des Personalvertretungsgesetzes einbezogen werden. Außerdem soll nach Auslaufen der Wahlzeit der im Herbst dieses Jahres zu wählenden Jugend- und Auszubildendenvertretungen von 1991 an die Wahl wieder im Frühjahr stattfinden. Das hat den Vorzug, daß die im Spätsommer neu Eingestellten - nach sechsmonatiger Dienststellenzugehörigkeit - das passive Wahlrecht haben, was nach unserer Auffassung zur Verjüngung der Vertretungen auf den verschiedenen Stufen der Verwaltung beiträgt.
Meine Damen und Herren, alles in allem ist dies eine Vorlage, der Sie alle - ich sage ausdrücklich „alle" - guten Gewissens zustimmen können. Wir tun damit im Interesse der Auszubildenden einen wichtigen Schritt voran.
Noch eine Bemerkung: Dieser Schritt ist im einzelnen wohl überlegt, was weitere Überlegungen in der Zukunft nicht ausschließt.
({0})
Ich sage das aus folgendem Grund: Herr Kollege Lutz von der SPD-Fraktion hat bei unserer ersten Lesung - ich konnte darauf nicht mehr antworten - gemeint, wir hätten zu lange überlegt, und hat dann gleich einige von Ihnen, meine Damen und Herren der SPD, selbst noch zu wenig durchdachte Vorschläge für weitere Gesetzesänderungen angefügt, zugleich unter der Überschrift, man wolle doch damit nur mehr Klarheit schaffen; die Welt werde dies alles nicht verändern. Natürlich tut sie dies nicht. Aber wer die Praxis der Verwaltung kennt, sollte auch darauf bedacht sein, daß nicht unnötiger Sand ins Getriebe kommt. Das hat mit der grundsätzlichen Zustimmung zur Weckung von Mitentscheidungsfreude und Mitverantwortung bei den jungen Leuten nichts zu tun.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wie Sie wissen, werden wir noch im Laufe dieses Jahres eine weitere - und natürlich ebenso gut überlegte - Novelle zum Bundespersonalvertretungsgesetz beraten,
({1})
bei der es zwar vor allem um die Verbesserung des Minderheitenschutzes gehen wird, aber auch andere Fragen zur Diskussion stehen. Sinnvolle weitere Verbesserungen beim Recht der Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Verwaltungen sind aus meiner Sicht nicht ausgeschlossen. Zunächst sollten wir aber den Ihnen vorliegenden Entwurf zum Gesetz machen, damit die Vorbereitungen zu den Wahlen der neuen Jugend- und Auszubildendenvertretungen gleich nach den Sommerferien beginnen können.
Ich danke Ihnen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Andres.
Ich möchte noch einmal auf zwei oder drei Argumente eingehen, die hier in der Debatte gefallen sind. Herr Kollege Müller, ich will Ihnen sagen, diesen dürftigen Gesetzentwurf, der jetzt hier
verabschiedet wird, hätten Sie auch 1985 schon machen können.
({0})
Wenn Sie sagen, bei der SPD gäbe es einen Unterschied zwischen Reden und Regierungsverhalten, dann will ich Ihnen sagen: Bis Anfang der 80er Jahre gab es bei den Gewerkschaften keine Klärung darüber, ob sie eine Jugend- und Auszubildendenvertretung haben wollten. Danach hatte Sie das Gesetz des Handels in der Hand. Sie haben wirklich fast sechs Jahre gebraucht, um diesen dürftigen Kram über diesen Tisch zu bringen. Das will ich Ihnen einmal sagen.
Zu Herrn Dr. Thomae. In der Ausschußberatung ist Ihnen schon mehrfach gesagt worden, was für ein Quatsch das ist, mit welchen Begründungen Sie hier gesetzliche Regelungen vortragen. Es geht nicht um eine schleichende Aufwertung der Jugendvertretung gegenüber dem Betriebsrat, sondern es geht darum, daß eine Vertretung, die zahlenmäßig und altersmäßig ausgeweitet wird, entsprechende eigenständige Handlungsrechte zugebilligt bekommt. Überall da, wo es um mehr Demokratie, um mehr Eigenverantwortung der Leute geht, legen Sie sich pikanterweise quer, denn an Ihrer Partei sind weitergehende Regelungen in diesem Gesetz gescheitert.
Herr Müller, Sie gehören doch auch zur Arbeitnehmergruppe. Halten Sie das eigentlich für richtig, was Sie da beschlossen haben, oder ist das Käse? Warum haben Sie das nicht in Ihr Gesetz hineingebracht?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Scharrenbroich?
Aber herzlich gerne.
Herr Kollege Andres, können Sie sich daran erinnern, daß Ihr Gesetzentwurf zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes in der letzten Legislaturperiode zunächst die Umwandlung der Jugendvertretung in eine Jugend- und Auszubildendenvertretung nicht vorsah, und können Sie bestätigen, daß die Reform, die wir eingeleitet haben, vor allen Dingen darin besteht, daß die Jugendvertretung künftig eine Jugend- und Auszubildendenvertretung ist? Das ist doch der entscheidende Punkt, nicht 24 oder 25 Jahre.
Herr Abgeordneter Scharrenbroich, ich muß Ihnen sagen, wir haben unseren Gesetzentwurf bereits 1985 eingebracht. Damals sind Sie nicht in die Strümpfe gekommen, weil Sie mit § 116 AFG beschäftigt waren und Ihnen das viel, viel wichtiger war. Dieses, was Sie jetzt vorlegen, mit dem Titel „Reform" zu versehen, entspricht meiner Bewertung überhaupt nicht. Was im Bereich der Betriebsverfassung in nächster Zeit noch auf uns zukommt, wird Ihre famose Koalition ja in der nächsten Woche beschließen und hier im Parlament einbringen. Ich denke, da werden wir uns wieder sprechen.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dreßler?
Herr Kollege Andres, da Sie 1985 noch nicht Mitglied des Deutschen Bundestages waren, möchte ich Ihnen gerne folgende Frage stellen: Wären Sie geneigt, dem Kollegen Scharrenbroich mitzuteilen,
({0})
daß die SPD-Bundestagsfraktion 1985 parallel zu ihrer Novelle zur Betriebsverfassung einen Entwurf für eine Jugend- und Auszubildendenvertretung hier eingebracht hat, die der Kollege Scharrenbroich leider nicht zur Kenntnis genommen hat?
Herr Kollege, ich hätte Sie eigentlich unterbrechen müssen, da solche Dreiecksfragen nicht zugelassen sind. Nun haben Sie sie ausgesprochen, aber ich bitte Sie, darauf nicht einzugehen, Herr Kollege.
({0})
Das ist außerordentlich schade.
Ich will einen letzten Gedanken zur Frage der Minderheitenrechte noch sagen. Da stellen sich die ganzen Oberindianer, die das aus den Beratungen des Ausschusses viel besser kennen, hier hin und sagen mit einem verschämten Lächeln: Auch wenn wir das Wahlverfahren ändern, ist auch zukünftig immer noch Personenwahl möglich. - Jeder, der sich in der Praxis auskennt, weiß, daß nur dann Personenwahl möglich ist, wenn es nur einen einzigen Vorschlag gibt. Bei dem, was es hier an Interessentengruppen und an Auseinandersetzung geben wird, ist die Veränderung des Wahlrechts das Einfallstor dafür, daß es künftig in, ich sage Ihnen voraus: 95 % der Jugend- und Auszubildendenvertreterwahlen in größeren Betrieben keine Personenwahl mehr geben wird und daß da Listenwahl stattfindet. Damit ist den jungen Leuten und den Auszubildenden der unmittelbare Einfluß darauf, wer künftig ihre Vertretung sein soll, genommen. Insofern ist auch dies eine zentrale Begründung für uns, diesen schlechten Gesetzentwurf abzulehnen.
Schönen Dank.
({0})
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Vogt.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD will von einer Tatsache ablenken, nämlich von der Tatsache, daß wir Wort halten: Die Jugendvertretung wird zu einer Jugend-und Auszubildendenvertretung ausgebaut,
({0})
und zwar geschieht das rechtzeitig, damit im Herbst dieses Jahres, wie wir angekündigt, wie wir versprochen haben, die Jugendlichen die Jugend- und Auszubildendenvertretung wählen können. Ich meine, das ist eine gute Nachricht für die jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Lande.
Meine Damen und Herren, bei dem vorliegenden Gesetzentwurf handelt es sich nämlich nicht um eine bloße semantische Übung, bei der das Wort Jugend5744
vertretung durch Jugend- und Auszubildendenvertretung ersetzt wird. Es geht vielmehr darum, den jungen Arbeitnehmern den Wunsch nach einer eigenen betrieblichen Interessenvertretung zu erfüllen, und diesem Anliegen tragen wir Rechnung.
Deshalb, Herr Kollege Andres, ist Ihre Kritik für mich völlig unverständlich. Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes haben seit Mitte der 70er Jahre die Umwandlung der Jugendvertretung in eine Jugend- und Auszubildendenvertretung gefordert. Die SPD hätte bis 1982 Zeit gehabt, dieser Forderung Rechnung zu tragen. Sie haben es nicht getan. Wir tragen dieser Forderung der Jugendlichen Rechnung.
Meine Damen und Herren, der von der CDU/CSU und FDP vorgelegte Gesetzentwurf wurde mit den Jugendlichen ausführlich diskutiert. Als Ergebnis dieses Dialogs mit den Jugendlichen ist der Gesetzentwurf in fünf Positionen geändert worden, und damit ist den Forderungen der Auszubildenden Rechnung getragen.
Erstens. Die Altersgrenze für die Einbeziehung von Auszubildenden in die Jugend- und Auszubildendenvertretung wird auf 25 Jahre statt auf 24 Jahre angehoben. Deshalb findet die Auszehrung der Jugendvertretung in der Zukunft nicht mehr statt. Die Jugendlichen und die Auszubildenden haben in der Zukunft das Sprachrohr, das sie haben wollen.
Zweitens. Als Folge der ersten Änderung haben wir auch die Altersgrenze für die Wählbarkeit zur Jugend- und Auszubildendenvertretung auf 25 Jahre angehoben.
Drittens. Mitglieder dieser Vertretung, die während der Amtszeit das 25. Lebensjahr vollenden, bleiben aus Gründen der Kontinuität bis zum Ende der Amtszeit Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung.
Viertens. In Großbetrieben wird die Zahl der Jugend- und Auszubildendenvertreter erhöht, und zwar gestaffelt bis auf 13 Vertreter.
Der fünfte Punkt: Die Versammlung der Jugendlichen und Auszubildenden kann von der Betriebsversammlung abgekoppelt werden.
Das heißt, wir machen einen Gesetzentwurf mit und für die Jugendlichen und nicht gegen sie.
Alle Fraktionen des Deutschen Bundestages waren und sind sich in dem Hauptanliegen einig, den Jugendlichen wieder eine effiziente Vertretung gegenüber dem Betriebsrat zu ermöglichen. Aber der gute Wille allein genügt nicht, er muß auch vernünftig umgesetzt werden. Deshalb kann ich den Vorschlag der SPD nicht akzeptieren, wonach Jugend- und Auszubildendenvertretungen auch in Betrieben ohne Betriebsrat gebildet werden sollen. Das wäre eine Abkehr von einem bewährten Prinzip des Betriebsverfassungsgesetzes, wonach die Jugendvertretung kein selbständiges, vom Betriebsrat unabhängiges Vertretungsorgan ist.
Hinzu kommt, daß nach dem Vorschlag der SPD Bewährtes ohne Not aufgegeben würde. Denn nach der Anhebung der Altersgrenze kann ohnehin der überwiegende Teil der zur Jugend- und Auszubildendenvertretung Wahlberechtigten einen Betriebsrat wählen, der allein der Träger von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten ist. Ich bin sicher, die Jugendlichen, die die Initiative zur Wahl einer Jugend-und Auszubildendenvertretung ergreifen, können und werden auch die Initiative zur Wahl eines Betriebsrats ergreifen. Jedenfalls setzen wir dieses Vertrauen in die Jugend.
Meine Damen und Herren, ich hatte eigentlich die Hoffnung und die Erwartung, daß die SPD ihren eigenen Anträgen nicht ein so großes Gewicht beimessen
({1})
und daß sie dem Gesetzentwurf der CDU/CSU und der FDP zustimmen würde. Es wäre im Interesse der Jugendlichen, wenn es zu einem einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages gekommen wäre. Ich bedaure, daß die SPD diese Chance vergibt.
({2})
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zunächst zur Einzelberatung und Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Ausweitung der Rechte der Jugendvertretungen und zur Weiterentwicklung in Jugend- und Auszubildendenvertretungen auf Drucksache 11/955. Der Ausschuß empfiehlt, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich rufe die Art. 1 bis 7, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Wir kommen nunmehr zur Einzelberatung und Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Betrieben auf Drucksache 11/1134.
Ich rufe Art. 1 auf. Dazu liegt auf Drucksache 11/2491 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Ich lasse zuerst über diesen Antrag abstimmen. Wer diesem Antrag der GRÜNEN zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wer für den Art. 1 in der Ausschußfassung stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 1 in der Ausschußfassung ist angenommen.
Ich rufe die Art. 2 bis 6, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Artikel sind mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
Vizepräsident Frau Renger
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in der dritten Lesung angenommen.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Verwaltungen auf Drucksache 11/2264.
Ich rufe Art. 1 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 11/2489 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer für Art. 1 in der Ausschußfassung stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe die Art. 2 bis 5, die Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Gesetzentwurf angenommen. - Dieser Tagesordnungspunkt ist damit abgeschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Sozialgesetzbuches über die Übertragung, Verpfändung und Pfändung von Ansprüchen auf Sozialleistungen, zur Regelung der Verwendung der Versicherungsnummer und zur Änderung anderer Vorschriften ({0})
- Drucksache 11/1004 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({1})
- Drucksache 11/2460 Berichterstatter:
Abgeordneter Haack ({2})
({3})
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/2490 vor.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung 30 Minuten vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Frau Kollegin Limbach, Sie haben in dieser Aussprache als erste das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute wichtige Änderungen des Sozialgesetzbuchs. Sie sind auch im Ausschuß sehr ausführlich beraten worden.
Ich hebe die Punkte hervor, bei denen es um die Möglichkeit, oder wie ich sagen möchte, um die Gefahr geht, daß Geldleistungen gepfändet werden, die zur Erziehung von Kindern bezahlt werden. Wir möchten diese Pfändungsmöglichkeit ausschalten, weil die Geldleistungen nach dem Erziehungsgeldgesetz und aus der Stiftung „Mutter und Kind" nicht als Betrag zum allgemeinen Lebensunterhalt gehören, der bis zu einer bestimmten Grenze der Pfändung unterliegt. Gerade in den Fällen, wo es finanziell knapp ist, sollen Väter bzw. Mütter die Chance erhalten, ihre Kinder mit der Sorgfalt und der persönlichen Zuwendung zu erziehen, die in den ersten Lebensjahren besonders wünschenswert sind. Diesem Ziel entspräche es nicht, wenn die Pfändung von Geld nach dem Erziehungsgeldgesetz oder von Geld, das von der Stiftung „Mutter und Kind" gewährt wird, möglich wäre.
Darüber hinaus haben wir bei den Beratungen beantragt, daß der Pfändung auch vergleichbare Leistungen der Länder entzogen bleiben, und zwar sowohl Erziehungsleistungen als auch Mittel, die aus anderen Stiftungen zum Schutz von Mutter und Kind gewährt werden.
Darüber hinaus hat es einige Anregungen gegeben, Pfändungsbeschlüsse an bestimmte Formvorschriften zu binden. Hier waren wir der Auffassung, daß wir dem nicht folgen können, um das Ganze nicht zu komplizieren.
Besonders heftige Diskussionen hat es im Ausschuß darüber gegeben, ob die Versicherungsnummer in der Gefahr stehe, eine Personenkennummer zu werden. Wir haben dazu auch eine Anhörung gehabt, haben uns mit den Problemen ausführlich auseinandergesetzt und sind dann zu dem Ergebnis gekommen - auch gestützt auf die Aussagen des Beauftragten für den Datenschutz - , daß auf Grund der Zusammensetzung der Versicherungsnummer und in dem Bereich, in dem wir sie zur Verwendung freigeben, eine Gefahr, wie sie von manchen befürchtet wurde, nicht besteht, zumal die verschiedenen Bereiche, in denen sie verwendet werden darf, sehr eingeengt werden.
Insgesamt muß man sehen, daß wir hier einige Punkte angesprochen haben, die deshalb geregelt werden mußten, weil es bis dato keine einheitliche gesetzliche Grundlage für die Verwendung der Versicherungsnummer gab. Es war ja auch eine Anregung des Datenschutzbeauftragten, hier zu handeln.
Wir haben mit diesem Gesetz, das wir hier heute verabschieden wollen, mit diesen Änderungen zum Sozialgesetzbuch wichtige Punkte angesprochen, die in der Diskussion schon länger anstanden, die zum Teil im Bundesrat aufgegriffen wurden, die von der Regierung vorgelegt wurden, die vom Parlament, insbesondere von meiner Fraktion, im Hinblick auf den Schutz der der Pfändung entzogenen Beträge, so will ich einmal sagen, aufgenommen wurden. Wir sind der Auffassung, daß wir dann, wenn wir diesem Gesetz heute zustimmen, einen Fortschritt in zweierlei Rich5746
tung machen: zum einen in der Richtung, daß wir das, was wir Vätern und Müttern für die Erziehung ihrer Kinder zukommen lassen wollen, auch geschützt erhalten, und zum anderen in bezug auf den Gebrauch der Versicherungsnummer.
Ich möchte zu dem Teil des Schutzes der Leistungen für Erziehung vor Pfändung noch ein paar Worte sagen, weil es in der Diskussion ja auch darum ging, wo die Grenze gezogen werden soll. Hier waren wir der Auffassung, daß diese Beträge zum Unterhalt von Kin-dern auch dann nicht gepfändet werden dürfen, wenn es nicht um den Betrag geht, der für das betreffende Kind zur Verfügung steht. Denn auch dann würde ja die Leistung, die dazu gedacht ist, die Erziehungskraft zu stärken, ihre Wirkung nicht mehr haben können.
Ich bitte um Nachsicht, wenn ich jetzt etwas vor der Zeit zum Abschluß meines Beitrages komme. Aber wegen der Eile konnte ich mir nicht mehr mein Manuskript holen. Ich nehme aber an, daß die Kolleginnen und Kollegen dankbar sind, wenn sie heute eine Minute ihrer kostbaren Zeit gewinnen.
({0})
Die meisten Reden sind besser, wenn sie ohne Manuskript gehalten werden. Das haben wir ja soeben gesehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Haack ({0}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung das Erste Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches. Der Inhalt dieses Gesetzes zerfällt in zwei Teile: Der erste Teil ist zwischen den Fraktionen eigentlich unstrittig, der Teil zwei ist strittig. Da Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, nicht bereit waren, den Teil zwei mit uns zu diskutieren und zurückzustellen, müssen wir Sozialdemokraten diesen Gesetzentwurf in seiner Gesamtheit ablehnen.
Zum Teil eins: Es gab in der Vergangenheit häufig - heute immer mehr zunehmend - Auseinandersetzungen um die Frage, ob Übertragungen, Verpfändungen und Pfändungen auch von Sozialleistungen mit den Vorschriften des Sozialgesetzbuches in Einklang zu bringen sind. Es hat sich gezeigt, daß in der Vergangenheit ein steigender Handlungsbedarf zur Schließung dieser Lücke entstanden ist. Insofern ist es wichtig, daß der Ausschuß einstimmig beschlossen hat, daß Leistungen wie das Kindergeld, das Erziehungsgeld und vergleichbare Leistungen aus der „Stiftung Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens" nicht mehr gepfändet werden dürfen.
Daß hier überhaupt ein Regelungsbedarf besteht, hat etwas mit der sozialen Realität in dieser Republik zu tun. Darüber möchte ich sprechen, weil es wichtig ist, einmal den Hintergrund aufzuzeigen.
Es ist doch klar: Wenn Mütter und Väter Leistungen des Sozialstaates zur Pfändung abtreten, befinden sie sich in einer Situation, die als vermutlich ausweglos zu bezeichnen ist. Es ist doch eines Sozialstaates unwürdig, daß private Gläubiger die Möglichkeit haben, lebensnotwendige staatliche Sozialleistungen pfänden zu lassen.
({0})
Die soziale Realität - und das ist der springende Punkt - in dieser Republik ist: Wir haben 2,5 Millionen Arbeitslose, wir haben sinkende Masseneinkommen, wir haben eine steigende Zahl von Sozialhilfeempfängern. Das ist aus unserer Sicht der soziale Druck, der das Pfändungsproblem überhaupt geschaffen hat. Das heißt also, wir regeln die Sache vor diesem Hintergrund.
Ein Großteil dieser Menschen lebt heute an der Grenze des Existenzminimums. Bei dieser Gelegenheit will ich doch einmal daran erinnern, daß wir vor kurzer Zeit eine Anhörung zur Langzeitarbeitslosigkeit gehabt haben. Auch wenn es die Regierungskoalition nicht wahrhaben will: Es gibt eine wachsende neue Armut in unserer Gesellschaft - das stand auch in der EKD-Studie - , und für diese wachsende neue Armut tragen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, doch seit 1983 einen Teil Verantwortung.
({1})
Trotz unserer Zustimmung zum ersten Teil des Gesetzentwurfs im Interesse der Betroffenen sollten wir uns nicht darüber hinwegtäuschen: Dieser Teil des Gesetzes ist nicht mehr als eine notwendige Korrektur an sozialen Mißständen in dieser Republik.
Eingangs habe ich gesagt, daß wir diesen Gesetzentwurf in der Gesamtheit ablehnen. Ich möchte das hier kurz erläutern.
Im zweiten Teil des Gesetzentwurfs schlägt die Bundesregierung die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Verwendung der Versicherungsnummer vor. Anlaß dafür war - so ist es dem Gesetzentwurf zu entnehmen - das Volkszählungsgesetz vom 15. Dezember 1983, also das Verfassungsgerichtsurteil. Von einer Einzelaufzählung der zulässigen Verwendung der Versicherungsnummer wird im Gesetzentwurf abgesehen. Vorgesehen ist allerdings die Verwendung der Versicherungsnummer für benachbarte Gebiete wie die überbetrieblichen, arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Dienste nach dem Arbeitssicherheitsgesetz, ebenso für Maßnahmen der Prävention und der Rehabilitation.
Im Klartext, meine Damen und Herren: Demnächst läßt sich von der Wiege bis zur Bahre nachverfolgen, was jemand an Leistungen in Anspruch genommen hat, wann, wo und warum. Wir meinen, zusammen mit der Schaffung ähnlicher Regelungen im geplanten Gesundheitsreformgesetz und dem Arbeitsförderungsgesetz schafft die Bundesregierung die Voraussetzung für eine totale Kontrolle aller in Anspruch genommenen sozialen Leistungen. Der gläserne Mensch auf dem Sozialsektor wäre dann Realität.
({2})
Für uns Sozialdemokraten steht fest: Diese Bundesregierung plant Stück für Stück den Aufbau eines dreigeteilten sozialen Personenkennzeichens, hier im Sozialgesetzbuch, dort im Entwurf des sogenannHaack ({3})
ten Gesundheitsreformgesetzes, demnächst beim Versichertenausweis.
({4})
Betroffen davon sind die Renten-, die Krankenversicherung, die Bundesanstalt für Arbeit und die Unfallversicherung.
Das Volkszählungsgesetz von 1983 hat für uns Maßstäbe gesetzt, an denen wir nicht vorbeikommen. Deshalb haben wir Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, gesagt: Lassen Sie uns diese drei Vorhaben der Regierung, nämlich Neuverwendung der Sozialversicherungsnummer im Rentenbereich, Einführung des Versichertenausweises im Bereich der Arbeitsförderung, Einführung einer Nummer zum Aufbau von patientenorientierten Leistungskonten in der gesetzlichen Krankenversicherung, gemeinsam zu einem Zeitpunkt diskutieren und beraten. Nur so kann der Verdacht vor der Öffentlichkeit ausgeräumt werden, daß Sie im Grunde ein dreigeteiltes soziales Personenkennzeichen planen.
Es ist bedauerlich, daß Sie bislang nicht auf unseren Vorschlag eingegangen sind - und das, obwohl Sie die von den Sachverständigen in der Anhörung vorgetragenen Bedenken zu diesem Thema gehört haben. Diese Bedenken wurden überwiegend vorgetragen. Es gab kaum Argumente, die gegen die Position sprachen, die hier von mir vorgetragen worden ist. Hier liegt also, meine Damen und Herren, der Grund für unsere Ablehnung. Bevor über Transparenz geredet wird, verlangen wir erst einmal eine transparente Diskussion.
Zu dem Vorschlag der GRÜNEN kann ich Ihnen nur sagen: Das entspricht exakt unserer Auffassung. Wir werden uns diesem Antrag dann auch anschließen.
Danke schön.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Heinrich.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Sozialgesetzbuch sowie das gesamte Sozialversicherungsrecht sind eine überaus spröde Materie. Dennoch hat es eine sehr lebhafte Aussprache im Ausschuß gegeben. Es hat auch eine sehr eingehende Diskussion stattgefunden, im Gegensatz zu dem, was der Herr Kollege Haack eben bedauert hat: daß wir nicht eingehend diskutiert hätten. Genau das stimmt nicht. Wir haben eingehend diskutiert. Wir haben eine nicht öffentliche Anhörung gehabt. Die Ergebnisse und die Erkenntnisse aus dieser Anhörung sind in dieses Gesetzesvorhaben eingeflossen.
Mit dem vorliegenden Gesetz werden aufgetretene Unklarheiten bei der Pfändung von Kindergeld und vergleichbaren Ansprüchen wie z. B. beim Erziehungsgeld beseitigt.
Sie gestatten eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Unruh?
Einen Augenblick; ich möchte meinen Gedanken vollends zu Ende führen.
Geben Sie mir ein Zeichen.
Dies ist sinnvoll und sachgerecht. Allerdings sind die dabei verwandten juristischen Konstruktionen nur noch von Experten nachzuvollziehen. - Bitte sehr, Frau Kollegin.
Herr Kollege, Sie wissen wie ich, daß die nichtöffentliche Anhörung genau das Gegenteil von dem ergeben hat, was hier vorliegt.
({0})
Frau Kollegin, das stimmt nicht.
({0})
Wir haben insbesondere in der Darstellung des Datenschutzbeauftragten hier ganz eindeutig in unserem Vorhaben Unterstützung bekommen.
({1})
Im Gegenteil: Es wurde auf Anregung des Datenschutzbeauftragten ein weiterer Bereich mit aufgenommen.
({2})
Sie gestatten noch eine Zwischenfrage, Herr Kollege? - Frau Unruh, bitte.
Herr Kollege, Sie wissen wie ich, daß sich der Herr Datenschutzbeauftragte sehr vorsichtig ausgedrückt hat, während sich alle anderen Anzuhörenden sehr eindeutig dagegen ausgesprochen haben. Sind Sie nicht auch dieser meiner Meinung?
Nicht alle anderen. Es waren Stimmen da, die ihre Bedenken angemeldet haben.
({0})
Aber insgesamt war keine ablehnende Haltung zu verzeichnen.
({1})
Es wird noch eine dritte Frage gewünscht, von Herrn Abgeordneten Haack. Wollen Sie die zulassen? - Herr Haack, bitte sehr.
Herr Abgeordneter Heinrich, können Sie bestätigen, daß die Anhörung der Datensachverständigen einen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsförderungsgesetz, der Sozialversicherungsnummer und dem Vorschlag des GRG ergeben hat, dort eine Personennummer für Soziales aufzubauen, und der Rat der Sachverständigen der war, diesen gesamten Komplex einer gesonderten Anhörung zu unterziehen?
Ich bin der Meinung, wir haben diesen Bedenken Rechnung getragen, und zwar dergestalt, daß wir im ersten Bereich eine Verschärfung und
eine Engerfassung vorgenommen haben. Wir brauchen uns deshalb hier keine Vorwürfe zu machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf trägt vielfach den Anliegen des Bundesrates Rechnung. Nicht anfreunden konnten wir uns jedoch mit dem Vorschlag des Bundesrates, bei früher abgetretenen Rentenansprüchen einen Vorrang z. B. der Sozialhilfeträger zu konzipieren. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß es auch künftig bei dem Grundsatz bleiben muß: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, d. h. daß die zeitlich frühere Abtretung Priorität behalten muß.
Brisanz - das haben die Zwischenfragen unterstrichen - haben die Beratungen durch die gesetzliche Regelung der Versicherungsnummer bekommen. Übereinstimmung besteht darin, daß die geltende Regelung durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift korrekturbedürftig ist. Von einem Teil der Opposition wird der Eindruck erweckt, als würde mit der gesetzlichen Regelung der Versicherungsnummer ein nicht zulässiges Personenkennzeichen eingeführt. Gerade weil wir diese Problematik ernst nehmen, haben wir es nachdrücklich begrüßt, daß sich der Ausschuß mit großer Intensität dieser Frage gewidmet hat. Wir sind allerdings der Auffassung, daß die durchgeführte Anhörung und insbesondere die überzeugenden Ausführungen des Bundesdatenschutzbeauftragten, Frau Kollegin Unruh, klargemacht haben, daß diese Gefahr nicht gegeben ist.
Der vorliegende Gesetzentwurf entspricht einerseits einem früheren Beschluß des Deutschen Bundestages und enthält andererseits eine sachgerechte Güterabwägung zwischen der notwendigen Praxis der Sozialversicherungsträger und den berechtigten Interessen des einzelnen im Hinblick auf eine zu weite Verwendung seiner Versicherungsnummer. Mit dem Gesetzentwurf werden die Grenzen der Verwendung der Versicherungsnummern konkreter bestimmt. Darüber hinaus sei daran erinnert, daß die Versicherungsnummer als personenbezogenes Sozialdatum bereits durch die Datenschutzvorschriften des Sozialgesetzbuches auch gegen unbefugte Offenbarung geschützt ist.
({0})
Wir haben entsprechend - ich unterstreiche noch einmal das, was ich vorhin bereits auf die Frage geantwortet habe - den Anregungen des Bundesdatenschutzbeauftragten auch eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen, daß die Versicherungsnummer im Anwendungsbereich des überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienstes der Berufsgenossenschaft Verwendung finden kann.
Abschließend ist festzustellen: Der Gesetzentwurf beseitigt Schwierigkeiten im Bereich der Pfändung bestimmter sozialrechtlicher Ansprüche, stärkt die Position des Begünstigten und schafft eine gesetzliche Grundlage für die Verwendung der Versicherungsnummer, die sicherstellt, daß daraus kein allgemeines Personenkennzeichen entwickelt werden kann.
Herzlichen Dank.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoss.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde mich in meinem Beitrag auf den Art. 2 des vorliegenden Gesetzentwurfes beschränken, der die gesetzliche Regelung der Verwendung der Versicherungsnummer vorsieht. „Es ist offensichtlich, daß diese Versichertennummer technisch einem allgemeinen Personenkennzeichen nicht nur nahekommt, meine Damen und Herren, sondern ein allgemeines Personenkennzeichen unter schlicht anderer Bezeichnung darstellt. " Dies sagte der Abgeordnete Erhard der CDU/CSU-Fraktion in der Bundestagsdebatte vom 8. Dezember 1977
({0})
zu dem von ihm eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung der Reichsversicherungsordnung. Er und seine Fraktion warnten damals, wie wir und auch die Sozialdemokraten es heute tun, vor einem Röntgenbild der Persönlichkeit.
Der uns vorliegende Gesetzentwurf ist das Produkt der Bundesregierung, die am 20. April 1984 vom Bundestag den Auftrag erhalten hatte, einen Gesetzentwurf über die Einschränkung der Verwendung der Rentenversichertennummer außerhalb der Rentenversicherung vorzulegen.
({1})
Aus dem, was uns vorliegt, können wir entnehmen, daß dieses Thema glatt verfehlt ist. Hier wird nicht die Einschränkung der Verwendung der Sozialversicherungsnummer geregelt, sondern das großzügige Angebot erteilt, überall dort - ich zitiere jetzt -, wo „der Aufbau ... eines besonderen Ordnungsmerkmals mit erheblichem" - organisatorischem - „Aufwand verbunden wäre", sich eben dieser Nummer zu bedienen.
Sie müssen dazu wissen, daß auf der auf unsere Anregung hin stattgefundenen Anhörung die Sachverständigen mit wenigen Ausnahmen, Herr Heinrich, zu dem Ergebnis gekommen sind, daß dieser hier zu behandelnde Gesetzentwurf verfassungswidrig ist, da er die Verwendung der Versichertennummer als allgemeines Personenkennzeichen legalisiert, und zweitens, daß dieses Gesetz nicht unabhängig von den beiden weiteren in der Beratung befindlichen Gesetzentwürfen diskutiert und beurteilt werden darf, nämlich dem Gesetz zur Einführung eines Versichertenausweises und dem Gesundheitsreformgesetz mit den geplanten Patientendateien.
Wir gelangen zu der Auffassung, daß mit der Sozialversichertennummer andere als die im Gesetz vorgegebenen Ziele und Absichten verfolgt werden, denn wenn trotz vielseitig lautgewordener Kritik und Bedenken an den hier erwähnten Gesetzentwürfen ohne Änderungen festgehalten wird, müssen wir davon ausgehen, daß die Bundesregierung hier im Windschatten der Volkszählung eine Coup zur Totalerfassung landen will.
({2})
Die Versicherungsnummer ist ein Personenkennzeichen, wenn Rentenversicherung, Krankenkassen,
Arbeitgeber, Unfallversicherung, Wohngeldstellen, Sozialgerichte und unzählige Ämter und Behörden mehr mit dieser zwölfstelligen Nummer arbeiten, die uns wie keine andere ein Leben lang - genauer gesagt: ein Arbeitsleben lang - begleitet. Zusammen mit den Patientendateien, zuletzt auf der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 6. dieses Monats scharf kritisiert, und dem „fälschungssicheren" Sozialversicherungsausweis, der ja Anfang nächsten Jahres eingeführt werden soll, ist dann der Regierungstraum vom kontrollierten, erfaßbaren Menschen perfekt.
An die Stellungnahme des Rechtsausschusses vom 5. Mai 1976 scheint sich dabei niemand mehr zu erinnern - Zitat - :
Die Entwicklung, Einführung und Verwendung von Numerierungssystemen, die eine einheitliche Numerierung der Bevölkerung ermöglicht, ist unzulässig.
Bundestagsdrucksache 7/5277.
Aus den hier genannten Gründen fordern wir, wie es auch aus dem Antrag, den wir hier vorgelegt haben, hervorgeht, die Zurückverweisung dieses Gesetzentwurfes, zumindest bis die anderen Gesetzentwürfe auch hier in die Beratungen einbezogen werden können, weil es unlauter ist, einen Gesetzentwurf einzubringen, der, wie bei einem Puzzlespiel, nur ein Steinchen auf dem Wege in die total erfaßte Gesellschaft ist.
Danke schön.
({3})
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Vogt.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Derzeit liegen dem Deutschen Bundestag drei Gesetzentwürfe zum Sozialgesetzbuch vor, nämlich das Erste Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches - dessen zweite und dritte Lesung jetzt stattfindet - , sodann der Gesetzentwurf zur Einordnung des Beitragseinzugs und des Melderechts in das Sozialgesetzbuch und schließlich der Entwurf des Gesundheits-Reformgesetzes. Das Gesundheits-Reformgesetz würde das fünfte Buch des Sozialgesetzbuches bilden. Ein weiteres Vorhaben wird folgen, nämlich die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung. Damit wird das sechste Buch des Sozialgesetzbuches geschaffen.
Meine Damen und Herren, diese Hinweise zeigen, daß wir die Aufgabe, das Sozialrecht neu zu fassen, sehr ernst nehmen. Wir wollen es übersichtlicher machen, und wir wollen es lesbarer machen, denn die Neufassung des Sozialgesetzbuches ist kein Selbstzweck. Das Sozialgesetzbuch regelt grundlegende Ansprüche des einzelnen gegenüber der Solidargemeinschaft. Deshalb haben die Bürger auch ein Anrecht darauf, daß das Sozialrecht verständlich und begreifbar ist.
Der Ihnen heute zur Beratung und zur Abstimmung vorliegende Gesetzentwurf enthält drei Verbesserungen: Er beseitigt erstens Schwierigkeiten in der Praxis bei der Pfändung von Kindergeld und im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren, er macht zweitens das Erziehungsgeld und vergleichbare Leistungen der Länder unpfändbar, und er schränkt drittens die Verwendung der Versicherungsnummer über die bestehenden Datenschutzvorschriften hinaus weiter ein. Ich möchte nur zu dem letztgenannten Punkt einige Anmerkungen machen.
Auf Grund des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts hatte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Einschränkung der Verwendung der Versicherungsnummer zu erarbeiten. Dieser Auftrag ist mit dem vorliegenden Entwurf erfüllt worden.
Wie die Diskussion gezeigt hat, ist es wichtig, auf einen Punkt besonders hinzuweisen: Meine Damen und Herren, die Versicherungsnummer wird von den Trägern der Rentenversicherung seit gut 25 Jahren vergeben. Hier wird keine Versicherungsnummer neu eingeführt. An der Vergabe und der Zusammensetzung dieser Nummer wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf nichts, überhaupt nichts, geändert. Die Verwendung der Versicherungsnummer war bisher nicht besonders normiert. Dennoch - das möchte ich vor der Öffentlichkeit hervorheben - ist kein Fall von Mißbrauch bekanntgeworden. Deshalb will ich an dieser Stelle den Sozialleistungsträgern des Bundes und der Länder sowie den Gemeinden dafür danken, daß sie dem Schutz der Sozialdaten große Aufmerksamkeit haben zukommen lassen.
({0})
Diese Behörden verdienen das Vertrauen der Bevölkerung. Sie haben es sich redlich erarbeitet.
Der vorliegende Gesetzentwurf wird verhindern, daß sich die Versicherungsnummer im Laufe der Zeit zu einem allgemeinen Personenkennzeichen entwikkeln könnte. Er hat, meine Damen und Herren, die Zustimmung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, und er hat die Zustimmung der Länder gefunden. Diese Regelung, die hier im Gesetz eingeführt wird, ist vom Datenschutzbeauftragten nicht nur gefordert worden, sondern sie hat seine Zustimmung gefunden.
Durchgreifende Bedenken sind in der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung nicht vorgebracht worden.
({1})
- Herr Kollege, der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages hat keine Bedenken erhoben.
({2})
Der Entwurf muß selbstverständlich die Bedürfnisse der Sozialverwaltung berücksichtigen. Aber ebenso klar ist: Wir schaffen nicht den gläsernen Menschen.
({3})
- Herr Kollege Peter, einen Moment! Ein Satz noch!
Der Gesetzentwurf ist ein wesentlicher Beitrag dazu, daß unsere Bürger vor unerlaubter Durchleuchtung ihrer persönlichen Verhältnisse geschützt bleiben.
({4})
Herr Kollege Peter, Sie haben jetzt das Wort.
Herr Staatssekretär Vogt, bedeuten Ihre eben gemachten Ausführungen, daß Sie ausschließen, daß beim Gesundheitsreformgesetz die beabsichtigte Versichertennummer mit der Rentenversicherungsnummer identisch ist?
Herr Kollege Peter, wir werden im Zusammenhang mit dem Gesundheitsreformgesetz und den anderen hier genannten Gesetzen dem Datenschutz die gleiche Aufmerksamkeit widmen wie beim vorliegenden Gesetzentwurf. Wir werden uns hier vor allem auf das Votum des Datenschutzbeauftragten stützen. Der Datenschutzbeauftragte hat gegen den Entwurf des Gesundheitsreformgesetzes nicht nur keine Bedenken erhoben; er hat sogar zugestimmt. Deshalb erzählen Sie hier Schauermärchen, um die Bürger zu verunsichern.
({0})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Unruh? - Bitte, Frau Unruh.
Haben Sie bei der Anhörung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, zur Kenntnis genommen, daß dort von den meisten Sachverständigen gesagt wurde, daß man um Gottes willen nicht die Rentenversicherungsnummer nehmen sollte, weil dabei ja noch zusätzlich das Geburtsdatum ausgedruckt wäre? Herr Kollege Kolb hat mir gerade bestätigt, daß das auch bei der Gesundheitsreform mit einfließen soll
({0})
- das haben Sie gerade gesagt -, daß diese Nummer dort ebenfalls gebraucht werden soll. Meinen Sie nicht, daß das unter keinen Umständen geht?
Dem Gesicht des Kollegen Elmar Kolb entnehme ich, daß Sie ihn zumindest mißverstanden haben könnten.
({0})
Aber, Frau Kollegin, ich will darauf hinweisen: Natürlich hat es bei der nichtöffentlichen Anhörung im zuständigen Ausschuß von Seiten der Experten unterschiedliche Aussagen gegeben. Die Sachverständigen sind ja auch aus den unterschiedlichsten Richtungen, wenn ich dies so ausdrücken darf, benannt worden.
Wir beziehen uns darauf, daß es einen Bundesdatenschutzbeauftragten gibt,
({1})
der sachkundig, kompetent, unabhängig und notfalls auch kritisch, wie Sie das aus der Vergangenheit wissen, Stellung bezogen hat.
Dieser Bundesdatenschutzbeauftragte hat - ich wiederhole es - nicht nur keine Bedenken erhoben, sondern den vorgelegten Gesetzentwurf gefordert; er findet auch seine Zustimmung. Herr Kollege Dreßler. das hat nichts mit Stuß zu tun, sondern mit der Wirklichkeit der parlamentarischen Beratungen und mit der Wahrheit.
({2})
Herr Kollege Dreßler, meine Damen und Herren, ich bedanke mich bei allen Mitgliedern des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung für die Beratung dieses Gesetzentwurfes und hoffe, daß er die Zustimmung des Hauses findet.
Vielen Dank.
({3})
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe Art. 1 auf. Hier wird von der SPD gesonderte Abstimmung erbeten. Ich lasse über Art. 1 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Danke schön. Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe jetzt die Art. 2 bis 7, Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? ({0})
- Der Entschließungsantrag kommt gleich hinterher.
- Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/2490. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen?
- Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, sollte ich vielleicht sagen: Wir werden nicht bis 13 Uhr fertig sein. Wir beraten aber zu Ende. Das wird zu einer Verspätung von etwa 40 Minuten führen.
Vizepräsident Frau Renger
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({1})
zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen
Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1985 - Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes ({2})
zu der Unterrichtung des Bundesrechnungshofes
Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1987 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung ({3})
- Drucksachen 10/6753, 11/872, 11/2443 Berichterstatter: Abgeordneter Zywietz
Der Ältestenrat schlägt vor, 90 Minuten zu beraten. - Niemand widerspricht; dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Zywietz.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Das Haushaltsrecht ist ein besonders bedeutsames Parlamentsrecht. Die parlamentarische Wahrnehmung dieses Rechts bewegt sich zwischen der Vorbereitung für einen Haushalt - wie beispielsweise zur Zeit für den Haushalt 1989 - und der nachträglichen Entlastung für einen vollzogenen Haushalt. Darum geht es hier für das, so meine ich, gute Haushaltsjahr 1985, das mit einem Ausgabenzuwachs von 2,1 % und einer Nettoneuverschuldung, die mit einem Ist von 22,4 Milliarden DM um 2,6 Milliarden hinter dem Soll von 25 Milliarden DM zurückgeblieben ist, abgeschlossen wurde.
({0})
Die Entlastung für dieses Haushaltsjahr 1985 möchte ich als Jahresberichterstatter des Rechnungsprüfungsausschusses für den Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hiermit beantragen.
Wenn hier auch die Entlastung nach einer vermutlich kurzen Aussprache und, wie ich vermute, einvernehmlich erfolgen kann, so möchte ich doch bemerken, daß sich dahinter eine lange und intensive Prüfungsarbeit verbirgt.
({1})
Der Bundesrechnungshof als Partner des Parlaments und kritischer Wegbegleiter des Ausgabenverhaltens der Regierung hat zum 1. Oktober 1987 seine Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung einschließlich der Bemerkungen zur Jahresrechnung des Bundes für 1985 dem Parlament zugestellt. Dies ist wie alljährlich eine Lektüre, die meines Erachtens eine breitere Öffentlichkeit verdient. Es ist ein recht spannender Fortsetzungsroman über das Innenleben des Verwaltungshandelns, der vermutlich, als handliches Taschenbuch publiziert, eine interessierte Leserschaft finden würde.
Diese lesenswerte 171-Seiten-Vorlage des Bundesrechnungshofs ist im Auftrag des Haushaltsausschusses vom Rechnungsprüfungsausschuß sorgfältig durchgearbeitet und ausgewertet worden. Dies ist richtig und wichtig; denn der sparsame Umgang mit Steuergeldern ist eine ständige parlamentarische Aufgabe, in die sich der Rechnungsprüfungsausschuß im wahrsten Sinne des Wortes in besonderer Weise stellvertretend für das Parlament hineinkniet.
Dieser Ausschuß ist gewiß einer der stillen im Lande, aber stille Wasser sollen ja nach Meinung des Volksmundes besonders tief sein.
Unter Leitung des Kollegen Bernhard Friedmann und seines Vertreters von der SPD-Opposition, Klaus-Dieter Kühbacher, sind alle Bemerkungen für meinen Geschmack mit höflicher Hartnäckigkeit, so möchte ich es einmal formulieren, beraten und ausgewertet worden.
Der Entlastungsantrag für die Jahresrechnung 1985 - das möchte ich den anwesenden und nicht anwesenden Kolleginnen und Kollegen des gesamten Deutschen Bundestages sagen - wurde seriös, sachlich und in kollegialer Atmosphäre geprüft.
Das war nie eine langweilige Tätigkeit; dafür sorgten schon die Inhalte der Bemerkungen und auch persönliche Temperamentszugaben verschiedener Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der früheren Kollegin Heide Simonis, der wir von hier aus alles Gute wünschen für die Wahrnehmung neuer Haushaltsverantwortung im Lande Schleswig-Holstein.
({2})
Vielen Dank also für Genuß und Gewinn, wie der Kollege Friedmann die Arbeit des Rechnungsprüfungsausschusses leitete.
Dies möchte ich auch aus voller Überzeugung auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Leitung des Bundesrechnungshofes beziehen, auf Herrn Präsidenten Dr. Zavelberg und seinen Vertreter, Herrn Heuer, die mit ihren Bemerkungen erst die Grundlagen für die effiziente Parlamentsberatung gelegt haben.
({3})
Ich möchte hier folgendes anmerken. Der Bundesrechnungshof, eine Einrichtung mit einem Personalbestand von etwa 550 Mitarbeitern, die in richterlicher Unabhängigkeit arbeiten, hat die Prüftätigkeit in dankenswerter Manier erledigt - eine Prüftätigkeit, die sich bei den Ausgaben des Bundes und des Sondervermögens wie Bundesbahn und Bundespost immerhin auf 600 Milliarden DM im Jahre 1985 bezog und etwa 1,8 Millionen öffentlich Bedienstete betrifft. Dieser Bericht, der uns als Parlament nach seiner Auswertung als Entlastungsgrundlage dient, ist ein würdiger Arbeitsnachweis des Rechnungshofs, der als Ausgabenpolizei des Staates eine Tradition von 275 Jahren hat.
Wohl wissend, daß die Arbeit des Bundesrechnungshofs über die ausgedruckten Bemerkungen hinausreicht, möchte ich doch anregen, darüber nachzudenken, wie in Zukunft die Arbeit über bedeutsame Einzelbemerkungen zu zusammenfassenden Berichten über die Einzelpläne mit Testaten zusammengefaßt werden könnte, wie sie bei der Jahresabschluß5752
prüfung bei Wirtschaftsunternehmen üblich sind. Ich glaube, in diesem Bereich gibt es noch manches zu tun, bevor man sich auf weitere Prüfungsfelder wie die von privaten Unternehmen hineinwagen sollte.
Um eine zeitnähere Entlastung sicherzustellen - immerhin handelt es sich hier ja um den Bericht für das Haushaltsjahr 1985, und wir schreiben Mitte 1988 -, möchte ich anregen, die sachlich und rechnerisch richtige und ordnungsgemäß belegte Verausgabung öffentlicher Mittel konzentriert nach Abschluß eines Haushaltsjahres vorzuziehen und die wirtschaftlichere und sparsame Haushaltsführung als andauernde, von einer konkreten Entlastung unabhängige Tätigkeit zu sehen und zu verfolgen.
Nun zu einigen Bemerkungen im einzelnen, obwohl ich davon ausgehe, daß in der anstehenden Stunde die Kolleginnen und Kollegen dazu weitere Einzelbeiträge bringen werden, die das bunte Bild der Bemerkungen widerspiegeln.
Hier nur soviel: Die Bemerkungen im einzelnen beziehen sich nicht auf alle Einzelpläne in der jeweiligen Jahresbemerkung und damit auf die Ministerien, sondern stellen immer eine selektive Überprüfung dar. Auf jeden Fall beinhaltet das Prüfverhalten des Rechnungshofs eine generell präventive Wirkung auf korrektes, sparsames und sorgfältiges Ausgabenverhalten der staatlichen Stellen und ist auch hilfreich im Einzelfall.
Wir erwarten als Parlament mit Nachdruck, daß die Bemerkungen des Rechnungsprüfungsausschusses von der Verwaltung strikt umgesetzt werden. Das geschieht weitgehend, wie die Anhörung von Betroffenen und Beteiligten im Rechnungsprüfungsausschuß verdeutlicht. Dabei handelt es sich im Haushaltsjahr 1985 um eine bunte Mischung größerer und kleinerer Beanstandungen.
Zu den größeren nur Stichworte: beispielsweise die Hinweise für die angemessene Personalbedarfsberechnung bei der Bundesanstalt für Arbeit, diverse Rügen hinsichtlich der Handhabung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, speziell von Bauaufträgen, sowie das Beschaffungsverhalten für hochgeschwindigkeitstaugliche Schienenfahrzeuge, immerhin im Wert von 1,5 Milliarden DM. Die dabei festgestellten Verhaltensweisen und Abläufe bei der deutschen Bundesbahn lassen ernsthafte Zweifel aufkommen, ob hier mit Finanzmitteln wirtschaftlich vertretbar umgegangen worden ist.
({4})
- Wer hören will, kann hören.
Gleiches möchte ich aber in einem „kleineren" Fall feststellen. Wenn z. B. für die Wohnunterbringung von Zollbeamten am schönen Ratzeburger See
({5})
für sage und schreibe 24 DM pro m2 Wohnraum gleich für 20 Jahre gemietet wird,
({6})
obwohl bereits für ein Drittel, für noch nicht einmal 8 DM in jeder regionalen Zeitung und bei jedem Makler reichlich Wohnraum angeboten wird, dann muß man sich fragen, in welcher wirtschaftlichen Vorstellungswelt sich eigentlich Beamte bewegen, die solche Verträge für den Staat abschließen.
({7})
Herr Abgeordneter Zywietz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?
Ja, bitte.
Herr Kollege Zywietz, ist Ihnen der Artikel in der „Zeit" bekannt, in dem von dem Standortvorteil Stoltenberg geredet wird
({0})
- in diesem Fall sogar Standortnachteil - , und führen Sie die Preise, die in Schleswig-Holstein für normale Wohnbauten gezahlt werden, möglicherweise darauf zurück, daß dies - ich sage einmal - in eine bestimmte Form Spekulationsmitnahmen einzurechnen sind?
Da das meine politische Heimat und mein Wahlkreis sind, glaube ich, das Immobilien- und Mietpreisgefüge in dieser Region Schleswig-Holsteins in etwa zu kennen. Von Spekulationsmitnahmen möchte ich nicht sprechen. Aber offensichtlich ist hier sehr kostenaufwendig gebaut worden, und dieser Kostensatz - so gibt es der Bericht wieder - ist weitergegeben worden. Das ist aber kein marktgerechter Preis. Man hätte das gleiche staatliche, öffentliche Anliegen, nämlich für einen bestimmten Personenkreis Wohnraum zu beschaffen, preiswerter, preisgünstiger, wirtschaftlicher, ökonomischer realisieren können. Das ist der Hintergrund der Sache.
({0})
Das führt zu einem weiteren Anliegen; mit Blick auf die Uhr möchte ich das noch ansprechen. In einigen Fällen darf es nicht so sein - dieses Beispiel mag das belegen - , daß die einzige Konsequenz solchen Fehlverhaltens darin besteht, daß die gravierenden Mängel durch die Verwaltung abgestellt werden. Die Reaktion auf Fehlverhalten in der öffentlichen Verwaltung, von dem wir Kenntnis erhalten, muß in manchen Fällen weitergehend sein. Ich meine, von der Feststellung zur Folgerung, von der Kenntnis zur Konsequenz muß im öffentlichen Bereich eine härtere Gangart eingeschlagen werden. Die Einhaltung dieses Maßstabes muß vom Parlament, dem Treuhänder des Bürgergeldes, konsequenter verlangt werden.
Was ich meine, ist dies: Es kann nicht sein, daß in der Wirtschaft die verschuldensunabhängige Produkthaftung immer weiter ausgedehnt wird, über grob fahrlässiges und schuldhaftes Fehlverhalten der öffentlichen Verwaltung aber zu sehr der Mantel der Großzügigkeit und des Schweigens gehängt wird. Das Parlament wäre gut beraten, wenn es sich dazu entschließt - vermutlich wird man hier wegen der Interessenlage nicht allzuviel Unterstützung von der
Verwaltung erhoffen dürfen und muß daher andere Instrumente benutzen -, fehlerhaftes Verhalten härter zu ahnden, wenn die Folgen gravierend sind.
({1})
Wer an einem Arbeitsplatz gravierende Fehler macht - und das möglicherweise wiederholt -, läuft als Freiberufler und als Unternehmer Gefahr, bankrott zu gehen und vom Markt zu verschwinden. Das geht bis hin zur kompletten persönlichen Haftung. Als Arbeitnehmer in der privaten Wirtschaft läuft er Gefahr, nicht nur nicht befördert, sondern in Position und Gehalt zurückgestuft zu werden oder gar seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Die Konsequenzen, die ich bei öffentlichem Fehlverhalten diesen und anderen Berichten entnehme, halte ich persönlich für unzureichend. Es werden zu viele Worte der Erklärung und Entschuldigung gemacht. Es gibt zu wenige fühlbare Konsequenzen in den Einzelfällen.
Ich möchte aber hinzufügen: Ich möchte konsequentes Verhalten und Konsequenzen ziehen nicht so verstanden wissen, daß sich das immer nur auf andere bezieht. Die aktuelle Situation der Gefahr der Baukostenüberschreitung bei dem Neubau des Plenarsaals des Deutschen Bundestages verlangt meines Erachtens ebenfalls weitergehende Konsequenzen.
({2})
Hier ist Vorbildverhalten in eigener Sache gefragt. Als Parlamentarier, als Mitglied des Haushaltsausschusses muß man erwarten können, daß der Kostenrahmen eingehalten wird. Es kann nicht sein, daß Präsident, Präsidium, Ältestenrat, Baukommission - wer hier auch immer Verantwortung tragen möge - für ein Neubauvorhaben Baukosten in Höhe von 141 Millionen DM bewilligen und bereits jetzt, wo noch nicht einmal die Baugrube gefüllt ist, die Fundamente kaum gelegt sind, von absehbaren Kosten in Höhe von 210 Millionen DM gesprochen wird.
Ich meine, wenn hier die Beschlußlage des gesamten Deutschen Bundestages nicht präzis genug für das bauliche Handeln war, dann muß erstens diese vom Deutschen Bundestag präzisiert werden, und zweitens müssen Management und Kostenkontrolle so eingerichtet werden, daß die Beschlüsse exakt eingehalten werden.
({3})
Ich meine, daß dies auch eine Aufgabe für den Bundesrechnungshof und für den Rechnungsprüfungsausschuß ist. Was die Kostenüberschreitung anbelangt, wollen wir hier kein Aachener Klinikum als Vorbild.
Dies gibt mir Veranlassung für eine kurze Schlußbemerkung für die weitere Arbeit des Bundesrechnungshofs und der parlamentarischen Haushaltskontrolle. Es muß im Arbeitskonzept noch stärker umgestellt werden von zu sehr nachträglicher Feststellungs- und damit in gewisser Weise Abwehrarbeit von unwirtschaftlicher Mittelverwendung hin zu mehr präventiver Angriffsarbeit - möchte ich einmal sagen - in unserem Arbeitsinstrumentarium. Als Fußballer könnte man sagen: Noch mehr Vorchecking ist gefragt, noch mehr Beratung hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, noch mehr Vorwärtsstrategie, noch mehr Querschnittskontrolle, wie sie dankenswerterweise vom Rechnungsprüfungsausschuß hinsichtlich der Frage durchgeführt wurde, wie effizient oder weniger effizient Datentechnik in der öffentlichen Verwaltung gehandhabt und eingeführt wird.
Rechtzeitiges Angehen solcher Fragestellungen hilft in besonderer Weise, vorbeugend Steuergelder zu sparen. Dies ist die vornehmste Aufgabe des Rechnungsprüfungsausschusses, des Haushaltsausschusses und des Rechnungshofes. Dazu möchte ich weiterhin ermutigen. Da gibt es noch vieles zu tun.
Denen, die sich daran beteiligt haben, sage ich besten Dank, und denen, die sich daran noch beteiligen werden, wünsche ich Mut und entsprechendes Durchstehvermögen.
Wir sollten einen Schlußstrich unter den Haushalt 1985 ziehen. Ich beantrage Entlastung.
Ich bedanke mich für die freundliche Aufmerksamkeit.
({4})
Ich weiß nicht, ob ich es darf: Als ehemalige Präsidentin möchte ich sehr gerne sagen, es wäre ausgezeichnet, wenn Präsidium, Ältestenrat und andere rechtzeitig die Wünsche des Parlaments erfahren würden, wenn es sich um Neubauten handelt. Für das Geld, das wir jetzt zusätzlich aufwenden müssen, hätten wir damals vieles von dem bauen können, was das Parlament jetzt an Neubauten braucht.
Nun hat der Herr Abgeordnete Kühbacher das Wort.
Frau Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, es ist nicht der Augenblick, sich mit dem Präsidium und unseren eigenen Angelegenheiten zu befassen, sondern es geht um die Entlastung der Bundesregierung.
Um es vorab zu sagen: Die SPD wird der Entlastung zustimmen. Aber es gibt doch einige Dinge in Richtung Regierung zu sagen, die sie auch hören sollte. Ich sage es einmal ganz vorsichtig: Da ich einer Staatssekretärin ausdrücklich gesagt habe, daß ich hier das Verteidigungsministerium besonders erwähnen würde, finde ich es mißlich, daß man nicht anwesend ist. Ich habe hier nicht nur Kritik am Verhalten im Verteidigungsministerium, sondern auch an der Regierung vorzubringen.
({0})
- Die Hardthöhe hat immer schon besondere Schwierigkeiten gehabt.
Nun zu dem, was wir hier heute zu beraten haben: Wir haben hier über die Entlastung zu befinden. Mit der Entlastung bestätigen wir der Bundesregierung, gesetzmäßig gehandelt zu haben, ordnungsgemäß gehandelt zu haben, sich in den größten Teilen wirt5754
schaftlich verhalten zu haben oder sparsam gewesen zu sein. Nur sind ja diese Vokabeln an sich keine Werte.
Wenn ich als Sozialdemokrat das vorweg beurteilen darf, muß ich feststellen, daß im Jahre 1985, das wir zu betrachten haben, sicherlich gesetzmäßig gehandelt worden ist. Aber die Gesetze wirken sich, wie wir feststellen können, mitunter brutal gegenüber einzelnen aus. Es ist sicherlich alles ordnungsgemäß verbucht worden, aber mit der Präzision eines Sterberegisters, wenn wir z. B. den Stellenabbau, den diese Regierung kontinuierlich vornimmt, hier registrieren.
Man hat sich sicherlich wirtschaftlich verhalten, aber ohne auf die Schicksale einzelner Personen Rücksicht zu nehmen, so z. B. bei der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, indem man die Schokoladenteile weggegeben, die schlechten Arbeiten behalten und gar keine Rücksicht auf die Arbeitnehmer, die dahinterstehen, genommen hat.
Man hat sich sicherlich auch sparsam verhalten - z. B. bei der Deutschen Bundesbahn -, aber, ich sage einmal: auf den Knochen der Beschäftigten. Dies ist die Politik, die zu kritisieren ist und die die Regierung zu verantworten hat.
Kommen wir zu einigen Einzelpunkten, die sich hinter der Fassade einer ordnungsmäßigen Buchführung verbergen, die aber doch Aufschlüsse geben. Da werden Feststellungen zu bestimmten Situationen getroffen, die zu beleuchten sind. Wenn wir den Bundeshaushalt allein an der Nettokreditaufnahme messen, hat sich von 1982 bis 1985 die Nettokreditaufnahme gesenkt. Aber es gibt ein anderes Indiz, das sind die Zinsen, die aus dem Bundeshaushalt zu zahlen sind. Da muß es einen als Haushälter schon erschrecken, daß diese Zinssumme in sehr, sehr kurzer Zeit von 29,2 Milliarden DM auf 32,4 Milliarden DM angestiegen ist. Das problematische dabei ist, daß ein immer größerer Anteil an den einfließenden Steuereinnahmen direkt in Form von Zinsen an Großbanken wieder ausgezahlt wird. Es kann doch nicht Sinn öffentlicher Politik sein, daß wir Steuern einnehmen, um das Geld letzten Endes den Großbanken in direktem Wege zuzuführen.
Die Entwicklung, wie sie in der mittelfristigen Finanzplanung angelegt ist, muß zu großen Sorgen Anlaß geben. Während wir 1982 noch 9 % der Gesamtausgaben für Zinsen bereitstellen mußten, sind es heute, 1988, bereits 11,8 %, und das wird in eine Richtung gegen 13 % wachsen. Dies ist keine gute Entwicklung und zeigt auch, daß sich die Finanzpolitik, wenn sie auch nach außen das Etikett „sparsam" trägt, gar nicht so wirtschaftlich entwickelt.
Ich habe vorhin von der Unmenschlichkeit gesprochen, die sich hinter der Vokabel „Sparsamkeit" verbergen kann. Man sollte auch die Signalwirkung beachten, die von den Feststellungen des Bundesrechnungshofs ausgeht. Es kann keine positive Signalwirkung für die Wirtschaft haben, wenn die öffentliche Hand und in diesem Fall die Bundesregierung in der kurzen Zeit von 1982 bis heute über 10 000 Arbeitsplätze insbesondere im nachgeordneten Bereich abgebaut hat. 1982 hat es bei den obersten Bundesbehörden in Bonn 20 034 Beschäftigte, heute sind es 20 161 - also eine marginale Schwankung. Die sind aber im nachgeordneten Bereich abgebaut, bei vielen kleinen Behörden, und das meine ich mit „auf den Knochen der Arbeitnehmer bestimmte Dinge zu sparen" . Das sind über 9 000 Positionen, Arbeitsplätze, die natürlich zur Arbeitslosigkeit beitragen.
Wenn ich mir allein den Bereich Sondervermögen Bundesbahn anschaue, so haben wir in jedem Jahr 10 000 Arbeitsplätze weniger, in die hinein sich niemand bewerben kann. Auch darüber sollten wir, wenn wir nur einmal die nüchternen Zahlen anschauen, nachdenken.
Das folgende sage ich in Richtung des Bundesfinanzministers. Es wird immer unüberschaubarer, Herr Staatssekretär Voss, was wir neben dem Bundeshaushalt alles an Nebenhaushalten, Nebenbetrieben, ich sage auch, zum Teil Schattenhaushalten kaum noch zu kontrollieren in der Lage sind. Ich lese das aus der Bundestagsdrucksache einmal vor, damit man registriert, was denn neben dem Bundeshaushalt noch alles läuft. Hier sind die Dinge aufgeführt, die der Rechnungshof geprüft hat. Da ist noch gar nicht alles erfaßt. Da haben wir z. B. einen Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes mit einem Milliardenumsatz. Wir haben ein ERP-Sondervermögen mit 14,9 Milliarden DM, die zu bewirtschaften und zu kontrollieren sind. Es gibt einen Ausgleichsfonds Lastenausgleich, in dem sich rund 1,7 Milliarden DM Schulden und Vermögen gegenüberstehen. Es gibt ein Sondervermögen UFI-Abwicklungserlöse, also Dinge, die sich mit der Filmwirtschaft beschäftigen. Es gibt einen Rückstellungsfonds zur Sicherung von Altölbeseitigung, es gibt einen Ausgleichsfonds für überregionale Maßnahmen zur Eingliederung Schwerbehinderter.
Das sind alles Dinge, die neben dem Etat herlaufen, die sich der Parlamentskontrolle nur bei der Beratung im Rechnungsprüfungsausschuß erschließen. Sonst ist niemand aus dem Parlament in der Lage, das zu kontrollieren.
Es gibt ein Zweckvermögen der Deutschen Sied-lungs- und Landesrentenbank. Es gibt Maschinenzentralen in einzelnen Bereichen. Es gibt ein bundeseigenes Wasserwerk; wer weiß das schon. Es gibt Landwirtschaftsbetriebe; wir sind also Gutsbesitzer. Wir haben eine Bundesdruckerei. Wir haben Kleiderkassen. Der Bund unterhält Kantinen mit Verlust und mit Gewinn.
Es ist ein Riesenapparat, der immer undurchschaubarer wird, in dem, wie wir hoffen, überall sauber gewirtschaftet wird. Aber vielfach entzieht sich das unserer Kontrolle.
Nun zu einigen Punkten im einzelnen. Wenn ich mir die Regierungsbank ansehe, so habe ich nicht die Absicht, mich mit dem Auswärtigen Amt anzulegen, Herr Staatsminister. Und dem Staatssekretär Rawe kann ich nur sagen: Die Breitbandverkabelung, dieses Millionengrab der unwirtschaftlichen Medienpolitik - ({1})
- Die Verluste sind im Moment noch in Millionenhöhe.
({2})
- Kollege Walther, im Postverwaltungsrat wird man der Sache hoffentlich noch intensiver nachgehen. ({3})
Man könnte sich damit auseinandersetzen. Ich will es nur nicht jedes Jahr wiederholen. Herr Staatssekretär, das ist nun wirklich nicht das Paradebeispiel für wirtschaftliches Verhalten der Deutschen Bundespost. Der Telefonkunde bezahlt, was Sie in der Erde vergraben. So einfach kann man das auf den Punkt bringen.
({4})
Ich will mich mit einem Einzelfall beschäftigten, der mich ärgert, weil er den Bereich betrifft, der mir etwas näher steht. Das betrifft die unwirtschaftliche Verhaltensweise des Bundesgrenzschutzes und der damit beauftragten Beschaffungsstelle des Bundesministers des Innern bei der Beschaffung von Großgeräten.
({5})
Wenn man sieht, mit welchem Dilettantismus hier Verträge abgeschlossen worden sind und mit welcher Ignoranz direkte Weisungen aus dem Innenministerium von der entsprechenden Stelle gar nicht wahrgenommen worden sind, dann frage ich mich: Wie handhabt eigentlich der Bundesinnenminister, wie handhaben die Staatssekretäre ihre Dienstaufsicht?
Inzwischen, höre ich, hat es in diesem Bereich einen kompletten Personalwechsel gegeben. Gott sei Dank, sage ich einmal, hat es diesen Personalwechsel gegeben. Dies geschah jedoch nicht, weil etwa die Kritikpunkte zum Anlaß genommen worden waren, sondern weil sich das Personal - um es einmal vorsichtig auszudrücken - erdreistete, eine Riesenvorführungsveranstaltung zu machen, die die Aufmerksamkeit der Presse erregte; dann erst ist man der Sache nachgegangen. Hier sind Unregelmäßigkeiten vorgekommen. Ich verlange von dem Bundesinnenminister, daß er Dienstaufsicht führt und daß er sich gerade in seinem Bereich nicht vom Rechnungshof vorwerfen lassen kann, daß Zinsverluste von über 200 000 DM in einem ganz kurzen Zeitabstand tatsächlich eingetreten sind.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wieczorek?
Bitte, Herr Kollege Wieczorek.
Herr Kollege Kühbacher, würden Sie so freundlich sein, dem Haus zu erklären, um welchen Vorgang es sich handelt?
Es handelt sich um die Beschaffung von sondergeschützten Fahrzeugen bei einer ganz bestimmten Firma in Westdeutschland, bei der Verträge zugrunde lagen, die man nicht so hätte abschließen müssen, wie man sie abgeschlossen hat. Man hat nämlich Vorauszahlungen an diese Firma geleistet, obwohl die Firma die Fahrzeuge gar nicht abliefern konnte, weil bestimmte Bestellungen, die der Innenminister zu geben hatte, nämlich einige technische Einrichtungen, in der gleichen Zeit gar nicht geliefert werden konnten.
({0})
- Ich will mich über die einzelnen Fahrzeuge nicht unterhalten. - Auf jeden Fall ist das nicht koordiniert worden. Die Firma hat Geld bekommen, die Fahrzeuge standen auf deren Hof und konnten nicht benutzt werden. Das alles hätte man besser organisieren können. Der Rechnungshof stellt unter dem Strich zu Recht fest, daß, wenn man das vertraglich besser abgesichert hätte, so wie es Vorschrift war, man 200 000 DM hätte weniger ausgeben müssen. Darum geht es. Ich denke, ich habe das damit genug beleuchtet, Herr Kollege. Ich wollte keine negative Werbung für eine Firma machen.
Ich will einen Punkt ansprechen, der mir in der Tat so bedenklich erscheint, daß ich ihn hier ein wenig ausführen möchte. Man müßte hier auch über die CMA, über den Absatzfonds in der Landwirtschaft sprechen. Aber hiermit beschäftigt sich der Staatsanwalt. Wir werden uns im Rechnungsprüfungsausschuß danach damit beschäftigen, sobald die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abgeschlossen sind, und werden uns sicher mit dem Bundeslandwirtschaftsminister hier auseinandersetzen.
Aber ich will zur Bundeswehr kommen. Hier gibt es einen so erstaunlichen Vorgang, der schon von der Sache selbst her kritikabel ist, aber die Art des Umgangs auf der Hardthöhe, im Verteidigungsministerium, mit diesem Betrugsfall ist es, die die Empörung und eigentlich auch das Erschrecken des Parlaments hervorrufen muß.
Worum geht es? Wir haben im Soldatenrecht die Möglichkeit, daß jemand, der Strahlflugzeugführer, also Jet-Pilot, ist, mit 41 Jahren pensioniert werden kann und dann seine Pension bekommt. Andere Offiziere, die normalen Dienst machen, können das nicht. In diesem Fall geht es um zwei Offiziere, die sich gegenseitig aufeinander berufen, pensioniert worden sind, obwohl sie überhaupt nicht Strahlflugzeugführer waren. Man hat sie, kurz bevor sie das entsprechende Alter erreicht hatten, in eine Einheit mit Flugzeugen versetzt, in der man entweder Flieger oder Kampfbeobachter war. Einen Tag später haben sie einen Antrag auf Entlassung gestellt und sind entlassen worden.
({1})
Dies ist - um es brutal zu sagen - organisierter Betrug; denn diese Herren bekommen seit ihrer Entlassung - das ist eine längere Zeit her - munter eine Pension und werden sich sicherlich - ich will das niemandem unterstellen - in irgendeinem Luftfahrtindustriebetrieb oder woanders zu ihrer Pension noch ein Zubrot verdienen. Schon die Pensionierung war rechtswidrig; sie ist Betrug. Die Hardthöhe bestätigt auch, daß man, nachdem man alle Akten geprüft hat, nachdem der Rechnungshof das Gott sei Dank gefun5756
den hat, inzwischen zu dieser Rechtsauffassung kommen muß.
Nun kommt der für mich eigentliche kritikable Ansatz. Die Entlassung dieser Offiziere - Oberstleutnante - konnte nur durch den Staatssekretär der Hardthöhe vorgenommen werden. Dazu muß der ganze Vorgang geprüft werden. Daran sind dann, ich sage einmal: ein Oberstleutnant in der Personalabteilung, ein Oberst, der diesem vorgesetzt ist, ein General, der wiederum diesem vorgesetzt ist, irgendein Unterabteilungsleiter - entweder ein Zivilist oder ein General mit einer Besoldung nach B 6 - , dann der Abteilungsleiter, der nach B 9 bezahlt wird - entweder wieder ein General oder ein Ministerialdirektor - beteiligt; dann liegt das beim Staatssekretär. Natürlich muß sich dieser Staatssekretär bei der Masse der Arbeit, die auf ihn zukommt, auf die Unterschriften der Mitzeichner verlassen können.
Hier ist betrogen worden. Nachdem der Rechnungshof das festgestellt hat, sind die gleichen Herren oder Damen - ich weiß es nicht - , die die Mitzeichnung wegen der Entlassungen zum Staatssekretär heraufgegeben haben, damit beauftragt worden, die Untersuchungen zu führen. Man glaubt es nicht: Seit zwei Jahren untersuchen sie nun, wen man hier haftbar machen kann, wie man die zu Unrecht gezahlten Pensionen zurückzahlt usw. Das ist der Punkt, der mich zutiefst empört. Irgend etwas stimmt doch in den Köpfen derjenigen, die das zu untersuchen haben, nicht.
Man bestätigt gegenüber dem Parlament: Hier ist betrogen worden. Man untersucht seit zwei Jahren bei sich selbst. Ich behaupte, um sich selbst zu schützen, gibt es kein Ergebnis, weshalb ich Frau Hürland gebeten habe, hierherzukommen.
Die gleichen Verantwortlichen geben dann der Staatssekretärin für die Rechnungsprüfungsausschußsitzung einen Sprechzettel mit, da die Staatssekretärin - inzwischen von einer anderen Regierung - sicherlich nicht so ohne weiteres in die Sache einsteigen konnte, und sie mußte sich darauf verlassen, daß ihr die Unterlagen korrekt vorgelegt werden. Diese sind wiederum von den gleichen Personen geschrieben worden, die die Untersuchung führen und die wir zu kritisieren haben.
Dies ist ein Punkt, der, ich sage einmal: zum Himmel stinkt. Hier wird ab A 14 nach oben gemauert. Niemand soll zur Verantwortung gezogen werden,
({2})
und man hofft auf das wohltätige Institut der Verjährung. Das muß einen doch nachdenklich stimmen.
Dieses Institut der Verjährung an anderen Stellen wird heute morgen in der Presse genannt. Da sollen Steuersünder unter das Institut der Verjährung fallen, wie hier Beamte, die man zur Rechenschaft zieht, offensichtlich hoffen, daß sie nicht haften müssen und nicht disziplinarisch zur Verantwortung gezogen werden.
({3})
({4})
Ich denke, die Bundesregierung sollte sich in diesem Einzelfall fragen lassen, ob ihre moralischen Ansprüche, die sie in die Öffentlichkeit hinausträgt, durch solche Handhabungen, die in ihrer unmittelbaren Verantwortung liegen, nicht konterkariert werden, ob sie nicht viel härter durchgreifen muß, ohne Ansehen der Person. Es ging um Situationen, die sie selber politisch gar nicht zu verantworten hat. Aber sie hat zu verantworten, daß hier niemand zur Rechenschaft gezogen wird. Ich denke, es ist gut, daß es so im Protokoll des Bundestages steht.
Wir erwarten, Herr Kollege Friedmann, einen endgültigen Bericht zu diesem Vorgang. Ich - ich denke, mit mir meine Kollegen im Rechnungsprüfungsausschuß - werde nicht nachlassen, bis die Haftungsfrage und auch, ich sage einmal: die personale Verantwortungsfrage gegenüber denjenigen geklärt sind, die diese Sache so zu hintertreiben versuchen.
Schönen Dank für Ihre Geduld.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Friedmann.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Entlastungsdebatte soll ja den Sinn haben, festzustellen, ob die Bundesregierung im Haushaltsjahr 1985 ordnungsgemäß gewirtschaftet hat.
({0})
Wir sollen hier also feststellen, ob sie das Geld, das ihr anvertraut war, nach den vorgegebenen Spielregeln gehandhabt hat.
Nun gab es ja zum Haushaltsjahr 1985 im Herbst 1984 - wie jedes Jahr - hier eine Haushaltsdebatte. Bei dieser Gelegenheit wurde die gesamte beabsichtigte Politik des Jahres 1985 besprochen. Wenn wir auf das Jahr 1985 und die Zahlen, die damals zur Diskussion standen, zurückblicken, wäre es insoweit logisch, daß wir auch eine politische Debatte führen. Dies ist bei uns nicht Brauch. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Ich bedaure das etwas. Im Europäischen Parlament ist es üblich, über den Geschäftsbereich eines jeden Kommissars bei der Entlastung zu beraten und abzustimmen. So weit geht es bei uns nicht.
({1})
Trotzdem ist es unser Bestreben im Rechnungsprüfungsausschuß, möglichst aktuell in der Arbeit dabeizusein. Wir sind weit davon abgekommen, ausschließlich auf Grund von Prüfungsbemerkungen zu beraten, die der Rechnungshof vorgelegt hat. Wir wollen nicht nur dann tätig sein, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
Ich bin dem Bundesrechnungshof - ich sehe den Präsidenten in der Ehrenloge - dankbar, daß er hier tapfer mitzieht. Diese begleitende Kontrolle kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Ich bringe ein paar Beispiele.
Vor kurzem hatten wir eine Besprechung mit allen Ministerien über den Einsatz der EDV in der BundesDr. Friedmann
verwaltung. Dafür werden inzwischen jährlich Milliarden ausgegeben. Es war eine Veranstaltung wert, allein innerhalb der Bundesverwaltung das Knowhow zu transportieren und es im übrigen auch in die Bundestagsverwaltung hineinzutragen - ich brauche hier nur das Stichwort „PARLAKOM" zu nennen.
({2})
Vorhin hat Kollege Werner Zywietz darauf hingewiesen, daß ein ähnlicher Fall bei den Hochgeschwindigkeitszügen der Bundesbahn bevorsteht. Dort hat es die Bundesbahn durch eine ungeschickte Zeitplanung versäumt, Nullserien aufzulegen, so daß sie gleich in die volle Auftragsvergabe einsteigen muß. Das Lehrgeld, das sie sonst bezahlt hätte, konnte sie nicht ausgeben. So besteht die Gefahr, daß in vielfacher Millionenhöhe nachträglich Lehrgeld gezahlt werden muß. Allein die Tatsache, daß der Sachverhalt rechtzeitig aufgegriffen und begleitend kontrolliert wurde, wird sicherstellen, daß der Schaden jedenfalls nicht so hoch ausfällt, wie er sonst ausgefallen wäre.
({3})
- Ich glaube durchaus, daß das eine positive Auswirkung haben wird, Herr Diller.
({4})
Ein anderes Beispiel. Heute morgen haben wir in der Koalitionsgruppe für uns festgehalten, daß wir den Rechnungshof bitten werden, aus der Fülle seiner Erfahrungen darzulegen, was man bei der Bundesanstalt für Arbeit an Geld durch eine bessere Effizienz und Organisation einsparen kann.
({5})
Ich erinnere mich an ein Beispiel, Herr Kollege Walther, das in der Zeit von Herrn Ehrenberg von der sozialliberalen Koalition praktiziert wurde. Beim Rechnungshof ist ein reiches Wissen, das man sich nutzbar machen kann. Bevor man Beiträge für Nürnberg erhöht, müssen diese Reserven ausgenutzt werden.
({6})
Vor ein paar Wochen hatten wir in der Öffentlichkeit eine recht interessante Diskussion darüber, ob der Bundesrechnungshof nur die Ausgabenseite oder auch die Einnahmenseite prüfen darf. Der Steuerzahlerbund hatte dem Bundesrechnungshof vorgeworfen, sich ein neues Tätigkeitsgebiet zu erschließen, indem er plötzlich auch die Einnahmenseite des Staates prüfe.
({7})
Ich erinnere daran - das sage ich speziell an die Adresse des Steuerzahlerbunds - : Im Grundgesetz ist in Art. 114 festgehalten, daß der Bundesrechnungshof die Rechnung des Bundes zu prüfen hat. Diese Rechnung umfaßt die Haushaltsrechnung so wie die
Vermögensrechnung. Die Haushaltsrechnung ihrerseits besteht aus Einnahmen und Ausgaben.
({8})
Das heißt, von der Verfassung her ist auch die Einnahmenseite zu prüfen.
({9})
So war es für uns sehr erstaunlich, als der Rechnungshof darauf hinwies, daß es im Raum Frankfurt etwa 20 Großbanken gibt, die zum Teil seit zwei Jahrzehnten keine Betriebsprüfung durch das Finanzamt über sich haben ergehen lassen.
({10})
Mit Wissen der Landesregierung und der Bundesregierung gab es eine Stereoase mitten in Deutschland. Wir haben inzwischen gegengehalten.
Wenn wir jetzt im Rahmen der Steuerreform endlich regeln, wie Kapitalerträge künftig zu behandeln sind,
({11})
wie Rabatte auf Jahreswagen zu behandeln sind, dann geht das auf Anregungen des Rechnungshofs zurück, der sich mit diesen Punkten der Einnahmenseite befaßt hat.
In der praktischen Arbeit stellt sich immer mehr heraus, daß der Bundesrechnungshof, der uns ja zuarbeitet und nach dessen Erkenntnissen wir vielfach arbeiten, neue Prüfungsfelder wird angehen müssen.
({12})
Ein kritischer Punkt sind z. B. internationale Rüstungsvorhaben,
({13})
die ja einen unheimlichen Geldumfang annehmen. Der Bundesrechnungshof kommt an solche internationalen Rüstungsvorhaben bis heute nicht heran. Er kann das Verteidigungsministerium prüfen, und damit hat es sich auch schon.
Das Problem wird jetzt sehr aktuell, wenn es z. B. um den Jäger 90 geht.
({14})
Es muß in den einschlägigen Verträgen sichergestellt werden, daß über das Ministerium hinaus zumindest auch die Internationale Rüstungsagentur geprüft wird.
Wir werden uns demnächst damit zu befassen haben, daß Aufträge in Milliardenhöhe zu Festpreisen an die Industrie vergeben werden, wobei der Gewinn in Höhe von 5% als Kostenfaktor eingeplant ist. Die Länder wehren sich dagegen und sagen, das sei Sache der Preisprüfungsbehörden der Länder. Der Wirtschaftsminister teilt diese Auffassung. Er sagt, ein Erhebungsrecht des Rechnungshofes sei marktwidrig, und hat sich Rückendeckung durch einen Kabinettsbeschluß geben lassen. Ich kann nur sagen - ({15})
- Die Zeit ist knapp. Wird mir die Zeit für die Beantwortung der Frage nicht angerechnet?
Sie gestatten also eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?
Ja, wenn mir die Zeit für die Antwort nicht angerechnet wird.
Bitte schön, Herr Kühbacher.
Herr Kollege Friedmann, ist Ihnen - wie mir - bekannt, daß sich das Kabinett zwar mit unserer Absicht dieser Selbstkosten-/Richtpreisprüfung befaßt hat, aber über die Entscheidung zum Jäger 90, die ja über 30 Milliarden DM öffentliche Mittel aus dem Bundeshaushalt erfordern wird, überhaupt keine Minute beraten hat?
({0})
Die Dauer der Beratung sagt nicht unbedingt etwas über deren Qualität aus.
({0})
Man kann auch in Kürze eine sehr gute Beratung durchführen. ({1})
Hier hat also das Kabinett auf Veranlassung des Wirtschaftsministers gegengehalten. Ich möchte hier aber feststellen: So richtig die Haltung des Wirtschaftsministers, des Kabinetts im Grundsatz ist: Bei Vergaben zu Festpreisen wird der Wettbewerb, wird die Kontrolle des Marktes außer Kraft gesetzt.
({2})
Dann muß ein anderer Kontrollmechanismus an die Stelle treten,
({3})
und das kann z. B. ein Erhebungsrecht des Rechnungshofes sein.
Nun möchte ich nicht behaupten, daß dies direkt bei den Firmen geschehen muß. Wir werden uns am nächsten Mittwoch damit befassen. Vielleicht wird es möglich sein, daß der Bundesrechnungshof über die Landesrechnungshöfe an die Preisprüfungsstellen herangeht; das wäre ein denkbarer Kompromiß. Nur, hier ist ein Punkt, an dem der Rechnungshof wird weitergehen müssen als bisher.
Wir werden uns im Vollzug der Krankenkassenreform möglicherweise auch damit befassen müssen, ob der Rechnungshof Krankenkassen künftig wird prüfen können. Dazu bedarf es natürlich einer Änderung der rechtlichen Grundlagen.
({4})
Kurz und gut: Die Beispiele zeigen allesamt, wie aktuell die Arbeit mit Hilfe des Bundesrechnungshofs gehalten wird.
Ich möchte dem Präsidenten und dem gesamten Bundesrechnungshof hier ein herzliches Dankeschön für die gute Zuarbeit sagen. Wir bitten, daß dies auch künftig so sein möge.
Ich möchte auch dem Sekretariat ein herzliches Dankeschön sagen.
Vor allem möchte ich den Kolleginnen und Kollegen, insbesondere meinem Vertreter, Klaus-Dieter Kühbacher, einen herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit sagen. Denn Kontrolle der Regierung ist Aufgabe des ganzen Parlaments.
({5})
- Ich bin gern bereit, Ihre Frage zu beantworten, wenn mir die Zeit nicht angerechnet wird.
Jawohl, das geschieht so.
- Bitte schön, Frau Unruh.
Meinen Sie nicht, daß es dringend erforderlich wäre, daß der Bundesrechnungshof ein Anklagerecht bekommt?
Frau Unruh, dies ist kein neuer Tatbestand, den Sie ansprechen. Der Rechnungshof rät uns davon ab. Denn in dem Augenblick, in dem er selbst als Ankläger auftritt, wird er viele Auskünfte bei den Ministerien nicht mehr bekommen, die er jetzt noch bekommt. Da liegt der Haken bei dem Ganzen.
({0})
- Bitte schön.
Ja, Frau Unruh, bitte.
Meinen Sie nicht, daß es dann an der Zeit ist, daß man das Berufsbeamtentum abschafft?
Nein, das hat überhaupt nichts miteinander zu tun. Ich bin den vielen Beamten dankbar, die ihre Arbeit pflichtgemäß erfüllen. Es kann immer wieder passieren, daß Pflichtverletzungen dabei zustande kommen. Aber man muß auch aufpassen, daß man die Initiative von guten Beamten nicht in falschem Pflichteifer lähmt. Es wird ja keiner dafür bestraft, daß er nichts getan hat, sondern er wird bestraft, wenn er was getan hat und dies schiefging.
Ich möchte deshalb namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zwar nicht Buße und Lossprechung, aber Entlastung für die Bundesregierung beantragen.
Schönen Dank.
({0})
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Vennegerts.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 9. Oktober des letzten Jahres hat sich der Deutsche Bundestag mit den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zur Jahresrechnung des Bundes 1984 befaßt. Damals haben wir als GRÜNE darauf hingewiesen, daß, je weniger die politisch Verantwortlichen sich die Kritik des Bundesrechnungshofes zu eigen machen, je weniger sie
diese Behörde ernst nehmen, desto mehr die Funktion des Bundesrechnungshofes ausgehöhlt wird. Das ist für mich der wichtigste Punkt. Es wird immer gesagt: Der Bundesrechnungshof hat eine wichtige Funktion.
- Das stimmt, das können wir nur voll unterstreichen. Bloß ist für uns entscheidend: Welche Konsequenzen werden daraus gezogen?
({0})
- Herr Kollege Friedmann, ich werde Ihnen jetzt einige Beispiele aufzeigen, wo man als politisch Verantwortlicher - und das ist die Bundesregierung - anders hätte entscheiden können. Schaut man sich die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zur Jahresrechnung 1985 an und zieht man die momentanen Auseinandersetzungen über die Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofes bei öffentlichen Aufträgen zu Selbstkostenpreisen hinzu, was Sie vorhin angesprochen haben, oder die Leichtigkeit, mit der man beim Thema Jäger 90 über die Bedenken des Rechnungshofes hinweggegangen ist, wird klar, daß die Tendenz, sich über die Bemerkungen hinwegzusetzen, weiter zunimmt. Das ist für mich Fakt.
Der Bundesrechnungshof darf seine Stimme erheben, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Das kennen wir. Bestenfalls erntet er dann eine leichte Zerknirschtheit. Dann sitzen da die Staatssekretäre und die Minister, und dann kommt noch eine vage Beteuerung, es in Zukunft besser machen zu wollen.
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In den laufenden Prozeß einer politischen Entscheidungsfindung oder in den Prozeß des Vollzuges politischer Entscheidungen selber bindet man ihn jedoch nur ungern ein. Warum wohl? Ihm wird dann eher die Rolle eines Rufers in der Wüste zuerkannt.
Beredtes Zeugnis für diese Struktur findet man in der Bemerkung des Rechnungshofes zur Beschaffung hochgeschwindigkeitstauglicher Schienenfahrzeuge. Das hat Kollege Kühbacher schon angesprochen. Seit Mitte der 70er Jahre ist bekannt, daß schnellfahrende Züge in Tunneln Lärm- und Druckwellen erzeugen - seit Mitte der 70er Jahre! Noch 1983/84 hatte der Bundesrechnungshof in einem Gutachten auf dieses Problem hingewiesen und die mangelnde technische Ausgereiftheit druckdichter Reisewagen bemängelt. Dessenungeachtet hat die Deutsche Bundesbahn die Phase der Erprobung von Prototypen großzügig übersprungen, um direkt zur Serienbeschaffung überzugehen. Allein der Tatsache, daß die Bundesbahn unbedingt schon in diesem Jahr auf der Neubaustrecke Fulda-Würzburg das Hochgeschwindigkeitszeitalter einleiten will, haben wir es zu verdanken, daß, wie der Rechnungshof bemerkt hat, technische Risiken durch rechtzeitiges Handeln nicht begrenzt worden sind und wirtschaftliche Nachteile nicht vermieden worden sind. Dazu kommt - das sind ja nicht nur finanzielle Auswirkungen - : Gesundheit und Sicherheit der Bundesbürger werden dadurch aufs Spiel gesetzt, wenn es darum geht, finanzaufwendige, umweltbelastende Hochgeschwindigkeitstechnologieprojekte so schnell wie möglich durchzupeitschen.
Die einzige Konsequenz aus diesem desaströsen Procedere ist, dem Bundesbahnvorstand ein artiges Versprechen zu entlocken, gleiches in der Zukunft nicht mehr zu machen. Das ist zu wenig, meine Damen und Herren. Da müßten dann wirklich Konsequenzen erfolgen.
Gemessen an solchen Risikodimensionen muten Bemühungen wie die des Verteidigungsminister, Brotvorräte für den Verteidigungsfall anzulegen, wie Programmnummern eines Kabaretts an. Da erfährt man durch die Bemerkungen des Rechnungshofes, daß sich das Bundesministerium der Verteidigung sechs eigene Bäckereien hält, die mit einer Million DM Mehrkosten pro Jahr fünf Jahre haltbares Brot entwickeln sollen.
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Bisherige Versuche hatten zu einer regen Entfaltung von Schimmel- und Milbenkulturen geführt. Ursprünglich war das eingelagerte Brot nach einer halbjährigen Lagerzeit von der Truppe zu verzehren. Die Soldaten aber - ich zitiere den Bundesrechnungshof - haben das Brot weitgehend abgelehnt,
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was man ihnen sicherlich nicht verdenken kann, Herr Kollege Walther.
Das ist nur ein winziges Beispiel. Ich möchte mich jetzt aber ganz ernsthaft der sinnlosen Verschleuderung von Steuergeldern zuwenden, und zwar beim Projekt Jäger 90. Zu den beanstandeten Mängeln des Bundesrechnungshofs beim Jäger 90, Herr Kollege Friedmann, haben alle gesagt: Der Bundesrechnungshof hat mal wieder recht. Hier singen Sie das Hohelied auf den Bundesrechnungshof. Das mache ich ja auch. Aber es ist eben nichts passiert; die CDU/CSU und die FDP wurden natürlich nicht davon abgehalten - und Sie natürlich auch nicht -,
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großzügig die 5,8 Milliarden DM für den Einstieg in ein weiteres Milliardengrab freizugeben.
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Endgültig wird das Ganze 40 Milliarden DM ausmachen. - Die politische Entscheidung liegt bei der Regierung, richtig. Aber ich prophezeie Ihnen schon heute,
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daß es in diesem Fall wie beim Tornado einen Untersuchungsausschuß geben wird.
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Der Bundesrechnungshof wird hier nicht ernst genommen. Man kann sich nicht nur hier herstellen und großartige Lieder singen. Auch hier wurden der Mangel an solider Grundlage für eine Kostenberechnung für zu erwartende technische Risiken und eine äußerst enge Zeitabfolge bei der Projektplanung moniert. Daß
der Bundesrechnungshof das Projekt Jäger 90 jetzt begleiten und kontrollieren darf, gibt zu keinen großen Hoffnungen Anlaß, wenn man sieht, in welchem Umfang seine Kritik und seine Empfehlungen gemeinhin berücksichtigt werden.
So hatte der Bundesrechnungshof 1984 in einem Bericht über die Airbus-Industrie die Kritik geäußert, daß der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie das richtige Kostenbewußtsein fehle, und die Empfehlung ausgesprochen, die Eigenbeteiligung der Industrie zu erhöhen. - Hör bitte zu, Kollege Zywietz, es ist „deine" Privatindustrie, die jetzt kommt. - Bisher wurden aus diesem Bericht noch keine Konsequenzen gezogen. Ganz im Gegenteil. Das jüngste Angebot von Noch-Wirtschaftsminister Bangemann an Daimler-Benz, das fliegende Milliardengrab aufzukaufen, wobei die anfallenden Schulden, Altlasten usw. weiterhin mit öffentlichen Geldern getragen werden sollen,
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zeigt, daß die Entwicklung in eine ganz andere Richtung geht. Ich bin gespannt, was demnächst von uns im Haushaltsausschuß verlangt wird für den Airbus weiterhin einzustellen.
Diese Regierung läßt sich eben nicht gerne auf die Finger schauen. Sie hat allerhand zu verbergen. Unter anderem aus diesem Grunde tut sich die Bundesregierung wohl so schwer, den Bundesrechnungshof zu ermächtigen, Prüfung auch außerhalb der Bundesverwaltung vorzunehmen. Schützend stellt sich das Bundeskabinett vor die sogenannte Privatsphäre. Ich denke, hier kann man nicht nur die öffentliche Hand kritisieren, Herr Kollege Zywietz, sondern da muß man auch diesen Punkt ansprechen: Der privatwirtschaftliche Güter- und Leistungsaustausch
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dürfe nicht einer Rechnungshofkontrolle unterworfen werden, hat das Bundeskabinett gesagt.
Schaut man sich jedoch den Bereich an, für den das System der Selbstkostenpreise am meisten in Frage kommt, nämlich den Bereich der öffentlichen Aufträge an die Rüstungsindustrie, dann wird deutlich, wie dringend notwendig strengste öffentliche Kontrolle in einem Sektor ist, der seine Monopolstellung schamlos ausnutzt.
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Für die dort herrschenden Praktiken möchte ich nur ein Beispiel aus dem Untersuchungsbericht des staatlichen Systembeauftragten für den MRCA Tornado von 1982 zitieren.
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- Wir haben gute Unterlagen. - Dieser hatte angesichts exorbitanter Kostenentwicklung eine Kostenreduktion in Höhe von 70 Millionen DM veranlaßt.
Ich zitiere aus diesem Bericht:
Als jedoch zur Reduktion inhaltliche Aufgaben gestrichen wurden, habe eine Firma einfach ihre Stundensätze erhöht im Hinblick darauf, daß ihr diese Erhöhung nach den vertraglich vereinbarten wirtschaftlichen Bedingungen, das sei der Selbstkostenerstattungspreis, honoriert werden müsse. Jetzt habe man zwar weniger Ingenieurstunden, aber höhere Kosten.
Das ist ein absoluter Witz, ungeheuerlich. Darüber hinaus kann man davon ausgehen, daß der Bundesrechnungshof eine unabhängigere und neutralere Prüfungsstelle ist als die Länderstellen, die bisher das Preisprüfungsrecht bei Selbstkostenpreisen haben. Welches Land hat denn schon ein Interesse daran, besonders scharf zu prüfen?
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Denn erstens handelt es sich nicht um das Geld der Landesregierung, und zweitens hat keine Landesregierung die ansässigen Unternehmen zu verstimmen. So wird das Ganze ja wohl gesehen. Schließlich könnten sie in ein Bundesland abwandern, das weniger genau in die Bücher guckt.
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Noch ein Wort zu den Baukosten des neuen Plenarsaals.
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Das ist hochinteressant. Hätten Sie sich damals nur unserem Vorschlag angeschlossen!
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Hätten Sie sich nur unserem Antrag angeschlossen, das alte Gebäude zu renovieren!
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Das wäre sicherlich preisgünstiger gewesen. Aber ich kann gar nicht verstehen, daß Sie im Haushaltsausschuß nicht den Mut besessen haben - ich meine damit die CDU, die CSU, die FDP und die SPD -,
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wirklich einen Baustopp zu fordern, um vielleicht noch etwas korrigieren zu können. Auch hier wird wieder gejammert, und es erfolgt nichts. Das weiß ich jetzt schon.
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- Dann sichert ihr euch ab, und nachher läuft das sowieso auf 200 bis 300 Millionen hinaus.
Die Mitglieder des Bundesrechnungshofes besitzen richterliche Unabhängigkeit, und das ist auch sehr wichtig. Ihre Aufgabe ist es, die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu prüfen, d. h. in ihren Händen liegt die Kontrolle über die Verwendung oder Verschwendung unserer Steuergelder. Bei dieser Aufgabe sollten sie von keiner Seite behindert werden. Auch nicht von der Regierung.
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Das Wort hat der Abgeordnete Deres.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, man muß hier in der Öffentlichkeit den Eindruck, den die Frau Kollegin Vennegerts hier gerade erzeugt hat, wenigstens mit einem Satz korrigieren. Sie haben eben gesagt, Frau Vennegerts: Die Bundesregierung läßt sich nicht gern auf die Finger schauen. Wir schauen ihr bei diesem Bericht des Bundesrechnungshofs seit Januar auf die Finger, und Sie sind keinen Tag in diesen Sitzungen des Rechnungsprüfungsausschusses gewesen.
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- Ich kann mich höchstens erinnern, daß Sie morgens mal gekommen sind, eine Tasse Kaffee getrunken haben und nach fünf Minuten wieder weg waren.
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Und dann reißen Sie hier einen Riemen ab, als wenn Sie hier darstellen müßten, wie eine Bundesregierung zu kontrollieren ist.
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Dieses Schauspiel lassen wir uns in der Form nicht bieten.
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Wir laden Sie ein, Frau Vennegerts, regelmäßig da zu sein
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und der Regierung mit auf die Finger zu schauen. Dann können Sie hier so eine Rede halten.
Herr Abgeordneter, gestatten sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?
Nein, ich wollte jetzt gerade mit meiner Rede anfangen, Herr Präsident.
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Das Budgetrecht des Parlaments, in der Vorbereitung an den Haushaltsausschuß delegiert, umfaßt nicht nur die Aufstellung eines Haushaltsplans für das kommende Jahr und die mittelfristige Finanzplanung der kommenden Jahre. Die Kontrolle der Einnahmen und Ausgaben, delegiert an den zuständigen Ausschuß, nämlich den Unterausschuß des Haushaltsausschusses, erhält eine zunehmende Bedeutung, die sich nicht nur in einer längeren Beratungszeit darstellt. Die Kompliziertheit der Vorgänge nimmt ebenfalls zu.
Die klassischen Teile der Rechnungsprüfung, auf die ich hier nach dieser Debatte nicht näher eingehen will, bleiben die Kernstücke der Prüfungsarbeit. Neben dieser Arbeit erscheinen auf der Tagesordnung des Rechnungsprüfungsausschusses die sogenannten aktuellen Fälle in immer größer werdender Zahl.
Stichworte wie Neubau des Bundestages, Preisprüfung, Großinvestitionen bei den Sondervermögen Bundesbahn und Bundespost beweisen die Notwendigkeit einer kritischen Begleitung von Anfang an, sowohl durch den Bundesrechnungshof als auch durch den Rechnungsprüfungsausschuß. Dies sind eigentlich nicht heute unsere Themen, sondern, wie ich schon gesagt habe, in der nächsten Woche.
Ich möchte aber hier im Parlament und damit vor der Öffentlichkeit auf ein Thema aus der Kiste der aktuellen Fälle eingehen, die das Parlament selbst betreffen, bei dem wir wie bei den Bundestagsneubauten von der Umwelt des Parlaments sehr kritisch begleitet werden und uns einer strengen Selbstkontrolle und Ausgabendisziplin unterwerfen müssen. Ich meine den Bereich PARLACOM. Das ist die Einführung der Informationstechnik für das Parlament selbst. Schnelle Zungen und spitze Federn - selbst von eigenen Kollegen des Hauses - haben in jüngster Zeit das Wort „Flop" hierfür bereit. Wir sind uns jedenfalls im Rechnungsprüfungsausschuß darüber klar, daß der Modellfall nicht billig sein wird und bis zur Reife und vollen Anwendung auch noch viele Schwierigkeiten bereiten wird.
Eines ist den Mitgliedern des Rechnungsprüfungsausschusses aber in dieser vom Kollegen Friedmann bereits zitierten ganztägigen Anhörung der Fachleute aus allen Ministerien und weiteren großen Bundesbehörden sehr klar geworden: Meine Damen und Herren, die Machtbilanz zwischen Exekutive und Legislative ist durch die Informationstechnik zuungunsten des Parlaments bereits beachtlich verschoben.
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Wenn die Exekutive im Haushalt 1988 bereits eine Gesamtsumme von 1,5 Milliarden DM für Personal, Hard- und Software aufwendet und der Arbeitsplatz des Abgeordneten sich noch nach den Methoden des vorigen Jahrhunderts gestaltet, dann war es höchste Zeit, mit dem Einstieg in die Datenverarbeitung für das Parlament zu beginnen.
Dabei darf es den einzelnen Abgeordneten auch nicht trösten, daß die Fraktionen auf dem Weg in die Informationstechnik ein gutes Stück weiter sind als die Ausschüsse und die Abgeordneten selbst; denn dort bildet sich auch ein Kränzchen der Macht, wo der einzelne Abgeordnete bei weitem nicht immer den notwendigen Zugriff hat. Es ist dringlich, die Gleichheit in den Informationsmöglichkeiten wiederherzustellen. Der Lernprozeß wird hart sein, und die Systemfindung wird Zeit brauchen. Aber der Ara, in der das Parlament mit der Dampflok auf den Informationsschienen fährt, während Wirtschaft und Verwaltung längst mit Transrapid durch unsere informierte Gesellschaft reisen, muß ein Ende gemacht werden.
Meine Damen und Herren, ich will noch auf einen weiteren Punkt eingehen, der aber wieder direkt zum Thema Rechnungsprüfung gehört und größere Aufmerksamkeit als je zuvor erfordert. Zuerst ruht der Blick des Haushälters natürlich gerne auf den Ausgaben. Wir dürfen aber die Einnahmen nicht vernachlässigen. Sie müssen, wie der Präsident des Rechnungshofes, den ich zitieren möchte, sagt, ordnungsgemäß, vollständig und gleichmäßig erhoben werden.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die seinerzeit vernachlässigten Prüfungen im Bankenbereich, im Bereich der Kreditinstitute der Frankfurter Wirtschaftsszene genauso wie an die vom Kollegen Schroeder noch zu erwähnenden geldwerten Vorteile.
Zwei Beispiele aus dem Bereich der Pauschbeträge bei Betriebsausgaben und Werbungskosten sind aber gar nicht so recht an das Licht der Öffentlichkeit gekommen. Es geht um die Pauschsätze bei Betriebsausgaben der nicht buchführenden Winzer und um die Problematik der verschiedenen Beträge zur pauschalen Abgeltung von Werbungskosten bei Journalisten, die sich, wie es so geheimnisvoll in der Drucksache 11/2423 heißt, im Laufe einer langen Entwicklung seit den 50er Jahren herausgebildet haben. Es geht also einerseits um die Winzer und den Wein und andererseits um die oft so genannte vierte Gewalt im Staat, die Presse. Da man den Abgeordneten unterstellen könnte, daß sie zu beiden - sowohl zum Wein als auch zur Presse - ein besonderes Verhältnis pflegen und daher der Nichtveröffentlichung Vorschub leisten, sei das Ergebnis der Beratung des Ausschusses hier kurz vermerkt.
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Der Bundesminister hat bezüglich der pauschalen Abgeltung von Betriebsausgaben bei nicht buchführenden Winzern die Unterschiedlichkeit der Ermittlungsmethoden in den Regionen bestätigt. Er hat aber bereits eine entsprechend zusammengestellte Arbeitsgruppe gebildet, deren Prüfung zu dem Ergebnis geführt hat, bei der pauschalen Abgeltung der Betriebsausgaben zu bleiben, jedoch eine weitergehende Vereinheitlichung der Beträge für alle Bereiche vorzunehmen.
Was die pauschale Abgeltung von Werbungskosten bei Journalisten anbetrifft, so hat der Minister mitgeteilt, sie - natürlich die Pauschbeträge, nicht die Journalisten - überprüfen zu wollen, nämlich nachdem der Gesetzgeber tätig geworden war. Er hat seine Verpflichtung hervorgehoben, eine möglichst einfache Regelung zu erzielen. Der Bundesrechnungshof hat die drei Kategorien, nach denen Journalisten bei der pauschalen Abgeltung von Werbungskosten gestaffelt sind, dargelegt und unterstrichen, nicht gegen eine pauschale Regelung zu sein. Er hat jedoch die Notwendigkeit der Frage unterstrichen, wieso ein in Bonn beschäftigter Journalist bessergestellt sein soll als Journalisten im übrigen Bundesgebiet. Der Rechnungsprüfungsausschuß hat von der Bemerkung zustimmend - ich wiederhole: zustimmend - Kenntnis genommen
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und erwartet nun die angeforderten Berichte. Was gesagt werden mußte, ist nun gesagt. Eine Kollegin des Ausschusses, die gleiches oder ähnliches zu den Punkten sagen wollte, gehört, wie wir soeben gehört haben, diesem Parlament leider nicht mehr an. Ich hoffe aber, für sie mitgesprochen zu haben. Diese Hoffnung geht auch von der Erfahrung aus, daß die Tätigkeit des Rechnungsprüfungsausschusses über die Parteigrenzen hinweg in den meisten Fällen zu einstimmigen Beschlüssen geführt hat.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß wir diese Arbeit so fortsetzen können, und danke ebenfalls allen, die eben schon einmal im einzelnen genannt worden sind. Die Zeit ist nämlich abgelaufen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Diller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rechnungsprüfer in allen Ländern der westlichen Welt scheint während ihrer Tätigkeit der gleiche Frust zu befallen. Denn in den letzten Wochen und Monaten hatten wir Besuch aus Kanada und aus Irland, und die Kolleginnen und Kollegen aus Kanada und Irland hatten das gleiche Problem wie wir hier, nämlich: Wie verbessert man die Arbeit der Rechnungsprüfung?
Es gibt ein zentrales Problem. Wir betreiben nämlich, wie Verwaltungschefs gerne spöttisch sagen, eine Prophetie in die Vergangenheit. Alles ist abgeschlossen, alles ist nachprüfbar, und dann kann man - so die Verwaltungschefs - leicht sagen: So wäre es besser gewesen, und so war es falsch.
Also erhebt sich die Frage: Wie kann man unsere Arbeit so wenden, daß sie für die Zukunft nutzbar wird? Dann befällt uns natürlich der große Frust darüber, daß kleine Fälle, weil sie überschaubar sind und weil es kleine Leute sind, zur Rechenschaft gezogen werden und große Fälle, weil sie kompliziert sind, weil sie mit Politik verwoben sind und weil es große Leute sind, in allgemeinem Lamentieren enden, keine Rechenschaft gezogen wird und Besserung lediglich gelobt, aber oftmals nicht eingehalten wird.
Ich bin in diesem Ausschuß Berichterstatter für die Deutsche Bundesbahn gewesen. Da zeigt sich das beispielhaft.
Zu den kleinen Fällen: Wir haben uns eine Übersicht geben lassen. Da gibt es in den Jahren 1983 bis 1987 1 894 Schadensfälle. Daraus werden 1 628 Regreßfälle. Die durchschnittliche Summe, die in Regreß genommen wird, beträgt 565 DM. Zwei dicke Bolzen sind dabei. Einer wird zu 50 000 DM und einer zu 120 000 DM in Regreß genommen. Das heißt, die kleinen Leute werden am Kanthaken gepackt; und die großen Fälle?
Wir stellen zum wiederholten Male fest, daß die Bundesbahn nicht in der Lage ist, Ingenieurverträge ordentlich abzuschließen und einzuhalten. Millionen werden verschleudert.
Wir müssen feststellen, daß flächendeckend Fahrausweisautomaten eingeführt worden sind und daß sie auch an Strecken, die zur Stillegung vorgesehen waren, montiert worden sind, um sie anschließend wieder abzubauen.
Bei der Frage, wer denn da jetzt in Regreß zu nehmen sei, kommt ein dickes Konvolut als Stellungnahme nach dem Motto: Es ist eigentlich niemand so recht verantwortlich dafür zu machen.
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Dann das große Beispiel der Umrüstung von IC-Wagen auf die Geschwindigkeit von 200 km/h sowie die Einführung des IC-Expreß: Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, als einer, der aus einer Region kommt, in der die Bundesbahn massiv Arbeitsplätze abbaut, finde ich es sehr empörend, daß wir feststellen müssen: Das einzige, wo diese Bahn und wo dieses Ministerium erfolgreich sind, ist das Abbauen von Arbeitsplätzen in der Größenordnung von jährlich 10 000. Wo sie total versagt, ist, der Verschleuderung von Millionenbeträgen Einhalt zu gebieten.
Beispiel: Nachrüsten von IC-Wagen. Da werden binnen zweier Monate, nämlich im Mai 1986, 12 Prototypen freihändig - man beachte: freihändig! - vergeben. Zwei Monate später werden 48 Vorserienwagen in Auftrag gegeben, ohne daß eine einzige Zeichnungsunterlage vorliegt, ohne daß ein Vorentwurf zu einem Lastenheft vorliegt, ohne daß damit Preise vernünftig kalkuliert werden können, ohne daß Wettbewerb stattfindet und ohne daß irgendeine Erprobung stattfindet, und alles mit Billigung dieses Ministers.
Lieber Herr Kollege Friedmann, es waren ja schon Warnungen bei den IC-Wagen vorhanden. Dennoch hat der Minister alles abgesegnet. Ich frage mich: Woher schöpfen Sie Ihre Hoffnung?
Zweites Beispiel - mit Zeitverschiebung - : IC-Expreß. Ich will einmal deutlich zu Protokoll geben, daß das, was die Regierung derzeit als Public Relations fährt, nämlich der ICE, der gegenwärtig auf der Strecke donnert und immer wieder mit neuen Rekorden aufwartet, nicht der Prototyp dessen ist, was einmal als IC-Expreß fahren soll. Hier setzt sich - so haben wir festzustellen - die Bahn mit Zustimmung der Regierung unter Zeitzwang - 1984 fällt die Entscheidung, daß 1991 alles fahrplanmäßig laufen soll - , obwohl jeder aus der Vergangenheit weiß und die Erfahrung kennt, daß die Einführung eines neuen Zugtyps - von der Entwicklung des Prototyps über die Vorserie bis zu den Serienwagen - zehn Jahre braucht.
Dieser Zeitzwang, den sich die Bahn mit Billigung der Regierung selber gesetzt hat, wird bitter. Triebköpfe müssen im Rahmen des Serienbaus entwickelt werden, Mittelwagen werden ohne jede Erprobung einfach gebaut, obwohl viel technisches Neuland zu betreten ist. Die Drehgestelle sind bisher stahlgefedert; sie sollen luftgefedert werden. Eine lineare Wirbelstrombremse für Mittelwagen soll eingeführt werden, obwohl noch keiner weiß, ob die Technik das hält, was man sich verspricht.
Gohlke selbst nennt im Ausschuß die Einführung des ICE eine technologische Herausforderung ersten Ranges für die deutsche Industrie. Deswegen ist es unverantwortlich gewesen, daß man dies so betrieben hat. Das sage ich an die Adresse der Regierung. 1,5 Milliarden DM waren ursprünglich vorgesehen; jetzt kalkuliert man mit 2 Milliarden DM. Das sind 500 Millionen DM mehr. Das hat den Ausschuß so empört, daß er gesagt hat: Hier müssen hochkarätige Vertreter her.
Deswegen mußte der Minister Warnke in den Ausschuß, und deswegen mußte der Vorstandsvorsitzende Gohlke in den Ausschuß. Dort hat man dann das gleiche Spiel erlebt, das sich auch heute zeigt: Das
Verkehrsministerium, mit dem dicksten Brocken überhaupt in der Diskussion befindlich, ist durch niemanden vertreten.
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- Durch wen denn?
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- Entschuldigung! Aber er war bei der Diskussion nicht dabei.
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Das bitte ich zu beachten. Bei der ersten Runde ging der Staatssekretär Knittel auf Tauchstation, bei der zweiten Runde geht der Minister auf Tauchstation, und das Ganze läuft nach dem Motto ab: Hannemann, geh du voran. Diesmal heißt der Hannemann Gohlke.
Gohlke entwickelt große Zukunftsvisionen für die „Bahn 2000", klagt über den schwerfälligen Beamtenapparat und versucht dann, eine Glücklichrechnung nach dem Motto zu machen: Ich rechne so lange, bis aus den verschleuderten 500 Millionen praktisch eine Nullsumme wird. Der Ausschuß hat dies nicht akzeptiert.
Warnke selber lamentiert über das undurchschaubare Rechnungswesen der Bahn, obwohl er ein eigenes Hauptprüfungsamt mit Durchgriffsmöglichkeit hat, so daß er die Warnungen, die dieses Amt ihm gegeben hat, hätte aufgreifen können und selber hätte prüfen können. Er gibt die Devise aus: Augen zu und durch. Bei den Haushaltsplanberatungen für 1989 will er sich für Mittelbereitstellungen einsetzen.
Meine Damen und Herren, ich sage ausdrücklich: Es geht nicht an, daß diese 500 Millionen - oder wie viele es am Schluß auch sein werden - aus dem Plafond der 14 Milliarden DM für die Deutsche Bundesbahn erwirtschaftet werden müssen, denn dann verlagern wir dieses Verschleudern von Geld in zusätzliche Streckenstillegungen oder in zusätzlichen Personalabbau, und das haben weder die Eisenbahner noch die Menschen draußen in der Fläche verdient.
Deswegen meine ich, Herr Vorsitzender: So lobenswert Ihre Devise ist, ich weiß nicht, wie wir da zu Rande kommen. Wir haben uns nicht blenden lassen. Wir blieben bei unseren Forderungen. Die Bundesregierung trägt die politische Verantwortung dafür, trotz Warnungen Entscheidungen über Zeitpläne akzeptiert zu haben, die ohne Brüche nicht einhaltbar sind, die Verantwortung dafür, daß sie zugesehen hat, wie der Streit darüber, ob 200 oder 250 km/h gefahren wird, über Jahre geführt werden konnte, daß sie sich nicht um technische Details gekümmert hat, daß sie zugesehen hat, daß im Bahnvorstand jahrelang Auseinandersetzungen über das Design der Züge stattfanden, aber nicht über die entscheidenden Fragen, und daß sie akzeptiert hat, daß die Bundesbahn gegen ihre eigenen Beschaffungsbestimmungen von 1981 verstoßen hat. Den finanziellen Schaden hat sie nun also zu verantworten.
Herr Kollege Friedmann, Sie haben im März gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt: Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezo5764
gen werden. Zu diesem Punkt sind wir in dieser Frage leider noch nicht gekommen.
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Ich hoffe, daß wir insgesamt die Kraft dazu finden, dann auch zusammenzustehen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Wenn ich mir überlege, daß dasselbe Ministerium demnächst zuständig wird für die Beschaffung des Transrapid, muß ich mich fragen: Ist dieses Ministerium geeignet, eine solche Anschaffung zu bewältigen?
Mein Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuß. Ich will an die Adresse von Karl Deres ausdrücklich sagen: Lieber Karl, dein Gedächtnis läßt etwas nach, zumindest was die Kollegin Vennegerts und ihre Präsenz im Ausschuß angeht. Du solltest das noch einmal nachprüfen und hier vielleicht noch etwas dazu sagen.
Im übrigen einen Dank an den Bundesrechnungshof, einen Dank an das Hauptprüfungsamt, das diesen Fall aufgedeckt hat.
Ich habe eine Bitte an die Kolleginnen und Kollegen, die für das Personal des Ausschußsekretariats bei den Einzelplanberatungen zuständig sind. Es ist eine Schande, daß wir bis heute das Protokoll über die entscheidende Sitzung nur als Vorentwurf ausleihen können, aber noch nicht als endgültige Beschlußlage in unseren Besitz nehmen können. Das hätte die Beratungen hier noch einmal erleichtert.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schroeder ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Steuerreform 1990 werden die Bürger nicht nur in einer ganz großartigen Weise durch diese Regierung und die sie tragende Koalition entlastet,
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sondern das Steuerrecht wird auch hier grundlegend verbessert.
({1})
Die Grundsätze der Gleichmäßigkeit und der Gerechtigkeit der Besteuerung werden auch dank hervorragender Vorarbeiten des Bundesrechnungshofs in diese Steuerreform eingearbeitet. Die Arbeiten des Bundesrechnungshofs tragen bei dieser Steuerreform in vielfältiger Weise Früchte. Ich will hier nur einiges erwähnen. Zum Beispiel wäre die Einführung der kleinen Kapitalertragsteuer ohne die jahrelangen Vorarbeiten des Bundesrechnungshofs kaum begründbar gewesen. Hier geht es um einen Tatbestand von mehr Gerechtigkeit und mehr Gleichmäßigkeit.
Das gleiche gilt auch für die Arbeitnehmerrabatte in der Automobilindustrie. Hier gibt es sehr subtile Feststellungen des Bundesrechnungshofs, welche Rabatte gewährt werden, nämlich bis zu 21,5 %. Dagegen haben wir überhaupt nichts. In etwa 140 000 Fällen im Jahr wird an Arbeitnehmer zum Teil auch an Ruheständler, ein Rabatt auf den Listenpreis gewährt, ohne daß bisher steuerliche Konsequenzen gezogen werden.
Erstmals durch diese hervorragende Steuerreform 1990 wird eine Regelung herbeigeführt, mit der bundesweit in allen Bereichen von geldwertem Vorteil gleiches Recht geschaffen wird. Die Bundesregierung hat aus dem Bericht des Bundesrechnungshofs entsprechende Konsequenzen gezogen. Von der Rabattgewährung in der Automobilindustrie über den Haustrunk in der Getränkeindustrie, Freizigaretten, Freiflüge bei den Luftfahrtunternehmen bis hin zu den Bedienungsgeldern beispielsweise in der Gastronomie gibt es künftig einen einheitlichen Freibetrag von 2 400 DM. Das ist steuerliche Gerechtigkeit und steuerliche Gleichmäßigkeit, auch dank der hervorragenden Vorarbeit und der Feststellungen des Bundesrechnungshofs. Jetzt haben wir die gesetzgebungsmäßige Umsetzung.
Ich möchte aus der Fülle der Feststellungen des Bundesrechnungshofs nur noch einen Bereich herausgreifen, der hier schon mehrfach angesprochen worden ist. In besonderem Maße konzentriert sich die öffentliche Kritik auf die Bautätigkeit der öffentlichen Hand. Der Bund der Steuerzahler, der vom Kollegen Friedmann ebenfalls schon erwähnt wurde, hat besonders schonungslose und harte Worte gefunden. Er hat in einem sogenannten Schwarzbuch von teuren Fehlplanungen, von „Bauskandalen, Pfusch und Murks" und von dem bekannten Dezemberfieber gesprochen und Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam eine sinnlose Vergeudung von Steuergeldern vorgeworfen.
Ich will nicht in dieser blumenreichen und kantigen Sprache des Bundes der Steuerzahler fortfahren, sondern ich möchte mich wieder mehr der nüchternen Sprache und den Feststellungen im Bericht des Bundesrechnungshofes zuwenden. Aber auch da kommt man ja nicht daran vorbei, die Dinge beim Namen zu nennen.
Es ist ja noch in aller guter Erinnerung die letztjährige Diskussion um die Kostensteigerungen beim Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg. Und schon wird mit der angekündigten Kostensteigerung beim Plenarsaal des Deutschen Bundestages um etwa 50 % - von 141 Millionen DM auf 210, 220 Millionen DM - ein neues Ärgernis des Jahres sichtbar. Weit weniger bekannte Bauwerke sind vom Bundesrechnungshof aufgelistet worden und müssen Gegenstand der Kritik sein.
Von einem bekannten Architekten stammt der Satz: Bauen ist ein Prozeß, und zwar ein dynamischer. Das mag ja vielleicht stimmen, aber dieser Prozeß darf nicht auf Kosten der Steuerzahler gehen.
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Der Rechnungshof hat deshalb im jüngsten Bericht die Bundesbauverwaltung unmißverständlich darauf hingewiesen, daß wirtschaftliche Bauplanung und Baudurchführung auch in der staatlichen Bauverwaltung kein Fremdwort sein darf.
Dr. Schroeder ({3})
Kostensteigerungen im Baubereich werden fast als ein unvorhersehbares Schicksal angesehen. Was sich aber hinter der Prüfungsbemerkung des Rechnungshofes - ich zitiere - „Beeinflussung der Wettbewerbsergebnisse für Bauleistungen" verbirgt, ist kein Schicksalsschlag, sondern ein Tiefschlag gegen die Steuerzahler. Diese Prüfungsbemerkung liest sich gleichsam wie aus einem „Handbuch der Mafia" - als stellvertretender Vorsitzender der deutsch-italienischen Parlamentariergesellschaft möchte ich sagen, daß sich dahinter keine ausländerfeindliche Kritik verbirgt; man müßte also sagen: aus einem „Handbuch der deutschen Mafia" - : Wie werde ich ohne Arbeit am schnellsten reich?
Bundesweit ist nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes inzwischen ein Modell möglich geworden, für das in einem Fall gegen die Beteiligten bereits hohe Haftstrafen verhängt wurden. Heute ist ja gefragt worden, warum es nicht ein Anklagerecht des Rechnungshofes gibt. Die Staatsanwaltschaft langt dort, wo es notwendig ist, ganz offensichtlich zu, weil sie auch die Berichte des Bundesrechnungshofes aufmerksam liest. Hier sind ganz offensichtlich Angebote im Zusammenwirken mit nachgeordneten Beamten einer Bauverwaltung nachträglich frisiert worden. Meine Fraktion erwartet, daß in allen einschlägigen anhängigen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren in einer ähnlichen Weise lückenlos aufgeklärt wird.
Außerhalb des gemeinsam organisierten Betrugs hat aber auch mangelnde Sorgfalt innerhalb nachgeordneter Behörden der Bauverwaltung Vorschub dafür geleistet, daß im Vergabeverfahren Bieter ihre Angebote so gestaltet haben - ich zitiere aus dem Rechnungshofbericht - , daß nach Bekanntwerden der Wettbewerbsergebnisse Veränderungen zu ihren Gunsten vorgenommen werden konnten. Es ist schlechterdings unglaublich - aber wahr - , daß bei öffentlichen Ausschreibungen inzwischen folgende Verfahren entwickelt worden sind, und zwar nicht nur in Einzelfällen - so der Rechnungshof - : Erstens. Einzelne Blätter der Leistungsverzeichnisse werden doppelt mit jeweils unterschiedlichen Preisangaben eingereicht und später je nach der Konkurrenzlage wieder ausgetauscht und entfernt.
Zweitens. Einzelne Preisangaben werden entweder zunächst überhaupt unterlassen oder so geschrieben, daß nachträgliche Änderungen und Ergänzungen möglich sind, aus einer hochgestellten kleinen 0 eine 9 gemacht wird oder aus einem Strich eine 1, dann durch Hinzufügen von Schenkeln eine 7 oder eine 4.
Drittens. Durch nachträgliches Setzen von Kommata werden Preise entweder verzehnfacht oder auf ein Zehntel verringert.
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- Ja, es ist wirklich sagenhaft, Herr Kollege Deres. Schlamperei und Nachlässigkeit in Bauverwaltungen, nicht ordnungsgemäßes Verschließen dieser Angebotsunterlagen - es ist wirklich unglaublich und unerträglich. Das geht zum Schaden der Steuerzahler
und zum Nachteil des Ansehens der Bauverwaltungen.
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Abgegebene Angebote müssen so gesichert werden, daß nachträgliche Manipulationen wasserdicht ein für allemal ausgeschlossen werden.
({6})
Es wäre hier noch vieles vorzutragen. Obwohl ich noch Zeit habe, will ich - auch im Hinblick auf das Mittagessen und die beginnende Haushaltsausschußsitzung um 14 Uhr - auf dieses interessante Beispiel der Überwachung durch ein Zollboot an der innerdeutschen Grenze nicht weiter eingehen. Das ist auch noch eine Lektüre wert. Wir bekommen ja hoffentlich, Herr Staatssekretär, hierzu noch einen guten und informativen Bericht.
Ich möchte abschließend dem Bundesrechnungshof für die ausgeübte Kontrollfunktion zur Unterstützung des Parlaments ein weiteres Mal Dank sagen. Ich möchte mich bei den Beamten, vor allem bei dem Herrn Präsidenten des Rechnungshofes bedanken, aber auch den Kolleginnen und Kollegen, vor allem dem Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses für die kooperative Zusammenarbeit Dank sagen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Herr Dr. Voss.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeshaushalt 1985 - der dritte in der vollen Verantwortung dieser Bundesregierung - setzt die Ende 1982 begonnene Entwicklung konsequent fort. Herr Kollege Zywietz hat bereits die guten Daten hier eingeführt, so daß ich mir das wegen der Zeit ersparen kann.
Der Haushalt 1985 ist ein weiterer Schritt auf dem langen Weg der Konsolidierung der Staatsfinanzen zu dem beharrlich verfolgten Ziel der Absenkung des Staatsanteils am Bruttosozialprodukt, der sogenannten Staatsquote. Eine niedrige Staatsquote kann nur durch Sparsamkeit bei den öffentlichen Ausgaben erreicht werden. Sie gibt Raum für mehr private Initiativen und ist unabdingbare Voraussetzung für eine dauerhafte Entlastung der Bürger von Steuern und öffentlichen Abgaben.
Die generelle finanzpolitische Linie ist im Haushalt 1985 konsequent verwirklicht worden. Selbstverständlich reicht das alleine nicht aus. Der Bürger hat ein Recht darauf, daß die Verwaltung den Haushalt auch im Detail präzise und nach den geltenden Rechtsvorschriften vollzieht. Im großen und ganzen ist das - wie auch in den Vorjahren - untadelig geschehen.
Bei der verwaltungsmäßigen Ausführung eines Haushaltes mit über 250 Milliarden DM Volumen werden Fehler gemacht. Leider, muß ich sagen, aber
das liegt in der Natur des menschlichen Tuns. Aber die Fehler müssen erkannt, diskutiert, bewertet und in Zukunft vermieden werden.
Der Bundesrechnungshof hat die Haushaltsführung und die Haushaltsrechnung der Bundesregierung für das Jahr 1985 sorgfältig geprüft und seine zustimmenden wie auch seine kritischen Bemerkungen in gewohnt sachlicher und sachverständiger Weise formuliert und zur parlamentarischen Beratung vorgelegt. Sorgfältige und unnachgiebige Beratungen im Rechnungsprüfungsausschuß führen im Ergebnis dazu, daß die Verwaltung aus den Beanstandungen die notwendigen Konsequenzen zieht. Vielfach werden sich Verbesserungen allerdings erst mit Wirkung für die Zukunft erreichen lassen. Dennoch ist es wichtig, daß sich die Verwaltung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben der ihr jedem Bürger gegenüber obliegenden Pflicht zu sparsamen Bewirtschaftung der Ausgaben bewußt ist und auch bei der Erhebung der dem Staat zustehenden Einnahmen sorgfältig und gewissenhaft vorgeht.
In den letzten Wochen ist die Neuregelung der Besteuerung geldwerter Vorteile aus Dienstverhältnissen in großer Breite in der Öffentlichkeit behandelt worden. Auf -den hier bestehenden Handlungsbedarf hatte der Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen zur Jahresrechnung des Bundes 1985 im Oktober 1987 hingewiesen. Sie, Herr Kollege Friedmann, und Sie, Herr Kollege Schroeder, haben diesen Punkt hier bereits angesprochen.
Nicht alle kritischen Anmerkungen des Bundesrechnungshofes konnten bei den Beratungen im Rechnungsprüfungsausschuß bisher abschließend behandelt werden. Einige bedürfen weiterer Aufklärung und erneuter Beratung. Dazu gehört auch die Frage der Unterbringung von Beamten des Grenzaufsichtsdienstes an der Grenze zur DDR, die hier auch heute von Herrn Kollegen Zywietz und Herrn Kollegen Schroeder angesprochen worden ist. Ich halte es nicht für sinnvoll, den hier noch anstehenden Beratungen im Rechnungsprüfungsausschuß vorzugreifen. Deshalb beschränke ich mich jetzt nur auf eine kurze Anmerkung: Für den Einsatz der Beamten des Grenzaufsichtsdienstes der Zollverwaltung sind in vielen Jahren bestimmte taktische Konzepte entwickelt worden, die sich letztlich bewährt haben. Die Unterbringung der Beamten muß diesem Konzept Rechnung tragen. Dabei ist dem Gebot der Wirtschaftlichkeit sowohl von den Behörden vor Ort als auch in der Aufsichtsinstanz Rechnung zu tragen.
Sie, Herr Kollege Kühbacher, haben eben die Steigerungsrate bei den Zinsen angesprochen, die wir festzustellen haben. Ich darf Ihnen einmal vorhalten, Herr Kollege Kühbacher, daß wir 1969 bei den Zinsen eine Quote von 2,7 % der Gesamtausgaben hatten, und 1982 waren es 9 %. In diesen dreizehn Jahren wurde der Grundstein für diese überdimensionale Steigerung gelegt, die Sie eben auf die Jahre ab 1982 oder 1983 zu verschieben versuchten. Hier liegt nicht das Problem. Das Problem liegt in den dreizehn Jahren vorher.
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Meine Damen und Herren, Rechnungsprüfungsausschuß und Haushaltsausschuß haben nach Anhörung der beteiligten Bundesminister in ausführlichen Beratungen dem Parlament vorgeschlagen, der Bundesregierung auf der Grundlage der Prüfungsbemerkungen des Bundesrechnungshofes eine ordnungsmäßige Haushalts- und Wirtschaftsführung im Jahre 1985 zu bescheinigen. Diese Form parlamentarischer Finanzkontrolle mit deutlich vorgetragener und dennoch zukunftsweisender Kritik hat zu dem hohen Ansehen beigetragen, das die Staatsverwaltung als Teil der demokratischen Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland in der Welt genießt. Meine Damen und Herren, daher danke ich allen am Prüfungs- und Entlastungsverfahren beteiligten Politikern und Bediensteten im Namen der Bundesregierung für ihre tatkräftige Mithilfe und bitte das Hohe Haus um Entlastung für das Haushaltsjahr 1985.
Danke sehr.
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Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 11/2443 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Diese Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich habe noch eine Reihe von Tagesordnungspunkten zur Beschlußfassung ohne Debatte, die ich jetzt nacheinander aufrufe. Die Abstimmungen erfolgen jeweils getrennt. Ich gehe davon aus, daß wir bei den Beratungen, soweit erforderlich, von der Frist für den Beginn der Beratung abweichen können. - Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 6:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 53 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Oktober 1936 über das Mindestmaß beruflicher Befähigung der Schiffsführer und Schiffsoffiziere auf Handelsschiffen
- Drucksache 11/1897 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({0})
- Drucksache 11/2461 Berichterstatter: Abgeordneter Schemken
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Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe das Gesetz mit seinen Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieses Gesetz einstimmig angenommen.
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 125 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 21. Juni 1966 über die Befähigungsnachweise der Fischer
- Drucksache 11/1898 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({0})
- Drucksache 11/2464 Berichterstatter: Abgeordneter Hasenfratz
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Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe das Gesetz mit seinen Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 8:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Apotheker-Richtlinien der EG ({2}) in deutsches Recht
- Drucksache 11/2028 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit ({3})
- Drucksache 11/2481 Berichterstatter: Abgeordneter Bauer
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- Bevor wir in die Einzelberatung eintreten?
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- Bitte schön, fragen Sie.
Herr Präsident, ich habe eine Frage an den Berichterstatter. Mir ist aufgefallen, daß in der Anlage, wonach die Approbationsordnungen wechselseitig anerkannt werden, die jeweiligen Prüfungen in der entsprechenden Landessprache angegeben werden. In Belgien ist es ein ,,diplôme légal de pharmacien" , in Dänemark gibt es ein dänisches Diplom usw. Merkwürdigerweise ist in dieser Anlage für Italien und Luxemburg der Befähigungsnachweis in deutsch dargestellt. Das kann nicht sein. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die italienischen Apotheker nach ihrer Approbationsordnung ihre Prüfung in deutscher Sprache ablegen, desgleichen die Luxemburger. So steht es jedoch in der Drucksache 11/2028 auf S. 7 in der Anlage.
Meine Sorge ist nun, daß ein italienischer Apotheker, der im Rahmen der europäischen Harmonisierung in die Bundesrepublik kommt, seinen Befähigungsnachweis, der natürlich in italienisch abgefaßt sein wird, nicht anerkannt bekommen könnte. Das würde ich doch gerne wissen, bevor wir das hier beschließen.
Da ich dies nicht weiß, will ich den Berichterstatter fragen. Herr Bauer ist Berichterstatter. Sind Sie in der Lage, uns eine Antwort zu geben?
Wird überprüft und schriftlich mitgeteilt.
Es ist uns gelungen, einen Fehler zu entdecken, den wir aber protokollarisch so festgezurrt haben, daß arme Italiener hier trotzdem mit ihrer Approbation landen können.
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- Ich habe es nicht verstanden, aber ich dachte an eine mögliche zukünftige Vorsitzende einer deutschen Partei, die ja auch aus diesem Berufsstand kommt und vielleicht Italienisch kann.
Ich rufe nun Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann sind die aufgerufenen Vorschriften einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei Stimmenthaltung des Abgeordneten Kühbacher einstimmig angenommen worden.
Es ist noch über eine Beschlußempfehlung abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt unter Ziffer 2 der Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/2481 die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({1})
Änderung der Immunitätsvorschriften
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- Drucksache 11/2320 Berichterstatter: Abgeordneter Buschbom
Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Vizepräsident Westphal
Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({3}) zu der Verordnung der Bundesregierung
Aufhebbare Neunundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung -- Drucksachen 11/2151, 11/2374 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Haussmann
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 11/2374, die Aufhebung der Verordnung nicht zu verlangen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Beschlußempfehlung gegen die Stimmen der Fraktion DIE GRÜNEN angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung der Sammelübersicht 65 des Petitionsausschusses ({4}) über Anträge zu Petitionen
- Drucksache 11/2433 Wer stimmt für die Sammelübersicht 65 des Petitionsausschusses auf Drucksache 11/2433? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen ist die Beschlußempfehlung angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({5})
Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens
- Drucksache 11/2467 -
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wernitz
Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Plebiszit in Chile
- Drucksache 11/2244 -
b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN
Plebiszit in Chile
- Drucksache 11/2333 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuß
Interfraktionell ist vereinbart worden, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP „Plebiszit in Chile" auf Drucksache 11/2501 in diese Beratungen einzubeziehen. Es wird vorgeschlagen, die Anträge der Fraktion der SPD, der Fraktion DIE GRÜNEN sowie der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 bis 20 auf:
14. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsurteile
- Drucksache 11/2344 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
15. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen ({6})
- Drucksache 11/2493 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({7}) Innenausschuß
Rechtsausschuß
Finanzauschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
16. Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau
Saibold und der Fraktion DIE GRÜNEN
Verbot der Werbung für Tabak und Tabakerzeugnisse
- Drucksache 11/1198 ({8}) Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit ({9})
Ausschuß für Wirtschaft
17. Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau
Saibold und der Fraktion DIE GRÜNEN
Verbot der Werbung für Alkohol
- Drucksache 11/1199 ({10}) Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit ({11})
Ausschuß für Wirtschaft
18. Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau
Saibold und der Fraktion DIE GRÜNEN
Verbot der Werbung für Zucker und Süßigkeiten mit Kindern und für Kinder
- Drucksache 11/1200 ({12}) Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit ({13})
Ausschuß für Wirtschaft
19. Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Becker-Inglau, Dr. Hoffacker, Frau Männle, Mischnick, Frau Saibold, Schmidt, Frau WilmsKegel, Frau Würfel und der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und DIE GRÜNEN
Vizepräsident Westphal
Berichtspflicht zu den Erkrankungen Asthma und Allergie
- Drucksache 11/2494 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit
20. Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Legislative Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu den Vorschlägen der Kommission an den Rat für Richtlinien zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
I. Spritzverhinderungsvorrichtungen an bestimmten Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern und
II. seitliche Schutzvorrichtungen ({14}) bestimmter Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger
- Drucksache 11/2097 - Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Ausschuß für Verkehr ({15}) Ausschuß für Wirtschaft
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Oberweisungen so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Der Deutsche Bundestag tritt zum Gedenken an den 17. Juni 1953 morgen um 10 Uhr zusammen.
Die nächste Plenarsitzung berufe ich auf Mittwoch, den 22. Juni 1988, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.