Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/11/1987

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Zusatzpunkt 10 der Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde Einhaltung des Beschlusses des Deutschen Bundestages für den Betrieb des Kraftwerks Buschhaus Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema verlangt. Diesem Verlangen ist stattgegeben. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Brauer. ({0}) - Dann müssen wir einmal gucken, wie wir aus den Schwierigkeiten herauskommen, meine Herren Geschäftsführer. ({1}) - Ich glaube, in dieser vorweihnachtlichen Zeit - ({2}) - Dann hoffe ich, daß dies die Zustimmung des ganzen Hauses findet. - Ich werde dem Abgeordneten Reuter gleich das Wort erteilen. Im übrigen wäre ich dankbar, wenn Sie sich daran erinnern würden: Heute ist der letzte Sitzungstag vor Weihnachten. Frau Kollegin Unruh, wenn es am letzten Sitzungstag vor Weihnachten ein bißchen ruhig zuginge, wäre das nicht ganz falsch. ({3}) Herr Abgeordneter Reuter, Sie haben das Wort.

Bernd Reuter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin gerne bereit anzufangen. Ich darf feststellen: Wer den Umweltschutz ernst nimmt, muß sich hier anscheinend nicht um Detailfragen kümmern. Meine Damen und Herren, es ist rund dreieinhalb Jahre her, daß sich der Deutsche Bundestag mit den Problemen des Kohlekraftwerks Buschhaus befassen mußte. Eine fast einstimmige Entschließung aller vier Fraktionen dieses Hauses vom 28. Juni 1984 wurde in einer Sondersitzung am 31. Juli 1984 wieder von der üblichen Koalitionsmehrheit aus CDU/CSU und FDP kassiert und durch eine eigene kabinettstreue Entschließung ersetzt, weil das Bundeskabinett nicht bereit war, diese gemeinsame Entschließung des Deutschen Bundestages zur Grundlage seines Handelns zu machen. Die vollmundigen Erklärungen der Experten Stoltenberg, Albrecht und Dregger in dieser Sondersitzung sind mir noch gut in Erinnerung. Nach Aussagen vom Ministerpräsident Albrecht werde Buschhaus nur nach Einbau der modernsten Rauchgasentschwefelungsanlage in Betrieb genommen. Dabei werde der Grenzwert von 400 Milligramm S02 je Kubikmeter Abgas in jedem Falle eingehalten. Ich frage mich bei diesem Skandal: Was kann man eigentlich noch auf das Wort eines CDU-Ministerpräsidenten geben? Was sind denn Beschlüsse dieses Parlaments eigentlich noch wert, wenn sie wie hier in der Affäre Buschhaus einfach ignoriert werden, meine Damen und Herren? ({0}) Der gleiche Umweltminister Remmers, der vor wenigen Tagen von einem möglichen umweltpolitischen Skandal gesprochen hat, nannte diese Anlage bei der sogenannten Einweihung - oder was damals am 25. Juni 1987 stattfand - ein Symbol erfolgreicher Umweltpolitik. Heute, meine Damen und Herren, stehen wir in Buschhaus vor dem Symbol einer verfehlten Umweltpolitik. Die Verantwortung hierfür tragen die Herren Albrecht und Remmers. ({1}) Ich frage den hier anwesenden Umweltminister von Niedersachsen: Was für eine Phantomanlage hat denn Ihr Ministerpräsident am 25. Juni 1987 durch einen Knopfdruck an- oder auch nicht angeschaltet? ({2}) Hier rächt sich augenfällig die Sucht von Politikern, durch medienwirksame Schaueffekte der Öffentlichkeit etwas vorzugaukeln. ({3}) - Ihr Lachen beweist, meine Damen und Herren, daß Sie auch in dieser Richtung so denken. ({4}) Im privaten Bereich nennt man das, meine Damen und Herren, ein Täuschungsmanöver. Ich sage Ihnen: Wir brauchen in dieser Republik kein Vermummungsverbot, wir brauchen bei dieser Affäre ein Verdummungsverbot. ({5}) Ich frage den hier anwesenden Herrn Remmers: Wer hat denn nun eigentlich recht, Sie mit Ihrer Aussage, die Anlage sei seit Juni 1987 in Betrieb, oder der Ministerpräsident, der der staunenden Öffentlichkeit erklärte, die Anlage sei eigentlich noch gar nicht so recht in Betrieb? Auch soll es laut Herrn Albrecht innerhalb der Regierung unterschiedliche Auffassungen geben. Ich bin also wirklich gespannt, wie sich das auflöst. ({6}) Bei dieser Landesregierung weiß die Linke nicht, was die Rechte tut. ({7}) - Nein, da gibt es keine Linken. Da macht jeder, was er will, keiner was er soll, und alle machen mit. Das ist nämlich die Handlungsweise dieser Regierung. ({8}) Meine Damen und Herren, nun droht der Herr Remmers auch noch seinen Beamten Konsequenzen an, und der BKB sollen jetzt Rückzahlungsforderungen ins Haus stehen. Aber die einzig richtige Konsequenz, daß Herr Remmers und Herr Albrecht ihren Hut nehmen, wird nicht gezogen. ({9}) Auch der Bundesumweltminister Töpfer hat hier über Rückzahlungsforderungen nachgedacht. Es geht hier um die umweltpolitische Glaubwürdigkeit, und ich wollte gern einmal von Herrn Umweltminister Töpfer hören, wie er das eigentlich bewerkstelligen will, ({10}) ob er die Stillegung von Buschhaus will, ob er hier Arm in Arm mit den GRÜNEN die Stillegung fordert oder ob er bereit ist zu helfen. Das ist doch die zentrale Frage, die sich hier stellt. Es ist beschämend, daß eine solche Sache wiederum mit der Angst von über 3 000 Arbeitnehmern ausgetragen wird und man diesen Skandal zuläßt. Meine Damen und Herren, was heute gefordert ist, was wir Sozialdemokraten seit geraumer Zeit fordern, ({11}) ist Arbeit und Umweltschutz und nicht: Arbeit anstatt Umweltschutz. ({12})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laufs. ({0})

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Kraftwerk Buschhaus bereitet uns in der Tat erneut große Sorge. ({0}) Seine Rauchgasentschwefelungsanlage arbeitet wegen schwerwiegender technischer Probleme bei weitem noch nicht zufriedenstellend. Die Vorgänge um die Offenlegung der Betriebsstörungen, die Information der Öffentlichkeit waren sehr unglücklich, aber in keiner Weise sachentscheidend. Sie haben eine erregte Diskussion entfacht mit Unterstellungen, Schuldzuweisungen und Desinformationen, in der die tatsächliche Lage nur schwer erkennbar ist. Ich möchte unmißverständlich sagen: Der Beschluß des Deutschen Bundestages vom 31. Juli 1984 gilt. An ihm muß festgehalten werden. ({1}) Wir haben damals im Einvernehmen mit Niedersachsen nach eingehender Beratung und mit großer Kompromißbereitschaft - wegen der vielen dort gefährdeten Arbeitsplätze - einer Übergangsregelung bis zum 1. Juli 1987 zugestimmt. Nach diesem Zeitpunkt ist der SO2-Ausstoß im Raum Helmstedt auf 35 000 t jährlich zu begrenzen, auch wenn die Anlagen Buschhaus und Offleben zunächst zurückgefahren werden müssen. Wir stellen aber auch fest, Kollege Reuter: Der Beschluß des Deutschen Bundestages vom 31. Juli 1984 ist bisher nicht mißachtet worden. Seit dem 1. Juli bis heute wurden etwa 26 000 Tonnen SO2 emittiert. Im Vergleich dazu war 1983/84 die SO2-Gesamtemission 145 000 Jahrestonnen. Es ist unglaublich, daß hier diskutiert wird, als habe sich seither in diesem Raum überhaupt nichts getan. Unser Beschluß enthielt keine Aussage zur Großfeuerungsanlagen-Verordnung und ihren Grenzwerten. Der Wert von 400 mg/m3 Rauchgas wurde nicht erwähnt. Ich sage damit nicht, daß Verstöße gegen geltendes Recht und vertragliche Regelungen hingenommen werden können. Die Vorschriften zur Luftreinhaltung und der Genehmigungsbescheid müssen eingehalten werden. Mit Befriedigung haben wir die Zusicherung des niedersächsischen Ministerpräsidenten am Mittwoch zur Kenntnis genommen, daß der Massenkonzentrationswert von 400 mg/m3 als Tagesmittelwert für die Kraftwerke Buschhaus und Offleben II Block C nicht überschritten werden wird. Die Anlage wird entsprechend niedrig gefahren werden, bis die Entschwefelung im Normalbetrieb funktioniert. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird beantragen, daß Anfang nächsten Jahres der Umweltausschuß darüber im einzelnen Bericht erhält. Wir stellen uns nachdrücklich hinter die Politik der niedersächsischen Landesregierung. ({2}) Die Arbeitsplätze im Helmstedter Revier müssen erhalten bleiben. ({3}) Es geht hier um 3 000 bis 4 000 Menschen, deren Existenz nicht wegen irgendwelcher politischer Aufgeregtheiten aufs Spiel gesetzt werden darf. ({4}) Die Verstromung der Braunkohle ist für die Umwelt problematischer, als wir bisher angenommen haben. Wir haben erst begonnen, umwelttechnisches Neuland zu erschließen. ({5}) Es war ein beträchtliches Wagnis, eine Großanlage ohne Vorerprobung in Buschhaus aus dem Boden zu stampfen. ({6}) Die Entscheidung für das Wellmann-Lord-Verfahren war richtig, weil nur dieses Verfahren hohe Entschwefelungsgrade erreichbar macht. ({7}) Aber nach rund 3 000 Betriebsstunden steht man nun vor enormen technischen Schwierigkeiten. Die Innenbeschichtungen der Rauchgaskanäle wurden schadhaft. Graphitröhren-Wärmetauscher gingen durch Dampfschläge zu Bruch. Die Sulfatbildung in der Waschanlage verläuft wegen der schlechten Qualität der Braunkohle und der hohen Prozeßtemperatur so heftig, daß das Ausschleus- und Verarbeitungssystem nicht mithalten kann. Diese Probleme waren nicht vorhersehbar. Ein Universitätsgutachten bestätigte den Stand der Technik und stellte fest, daß das Wellmann-Lord-Verfahren zwar das teuerste, aber auch das für den Umweltschutz wirksamste Verfahren ist. Wegen der Risiken beim Einsatz neuer Technik hat der Bund hohe Zuschüsse geleistet, die in der Tat begründet sind. Für die aufgetretenen technischen Probleme kann niemand die Landesregierung in Hannover verantwortlich machen. ({8}) Es muß klar gesagt werden: Es liegt kein Verschulden und auch kein Versäumnis der niedersächsischen Landesregierung vor. ({9}) Dies ist nunmehr die Stunde der Ingenieure. ({10}) Die technischen Schwierigkeiten müssen so schnell wie möglich gemeistert werden. ({11}) Es ist die Aufgabe der Herstellerfirma und des Betreibers, alles für die Beseitigung der Fehler zu unternehmen. Im Wirtschaftsraum Helmstedt soll eine gute, umweltverträgliche Entwicklung gesichert werden. Danke schön. ({12})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Brauer.

Hans Jochim Brauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000248, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Fall Buschhaus ist von Anfang an ein umweltpolitischer Skandal gewesen. Er ist es auch heute, und er wird es noch in der nächsten Zeit sein, ({0}) ganz einfach deswegen, weil es die erklärte Absicht der niedersächsischen Landesregierung war, Buschhaus nur ohne Rauchgasentschwefelungsanlage betreiben zu wollen, ({1}) und das bei der schwefelreichsten Kohle, die es gibt. Die Begründung war ganz einfach: Die Kohle ist so schwefelreich; es wäre viel zu teuer, und außerdem gäbe es die Technik vielleicht noch nicht, also können wir das nicht verlangen. Man hat damit ganz bewußt schwerste Umweltschäden in Kauf genommen. ({2}) Erinnern wir uns einmal, was hier am 31. Juli 1984, als Sie alle aus den Ferien kommen mußten, passiert ist, weil die Bundesregierung einen nahezu einstimmigen Beschluß dieses Hauses einfach nicht umsetzen wollte ({3}) - und konnte, auch das! - und weil damit die Selbstachtung und das Ansehen von Ihnen allen mit auf dem Spiel standen. ({4}) Mit einem, wie wir heute wissen, unehrlichen Plan gelang es Finanzminister Stoltenberg und dem Ministerpräsidenten Niedersachsens, Ernst Albrecht, die CDU/CSU- und FDP-Mitglieder dieses Hauses so zu täuschen, daß sie glaubten, gerade die Inbetriebnahme von Buschhaus ohne Rauchgasentschwefelungsanlage wäre die Rettungsaktion für den Wald. Das gipfelte in der Aussage: Wer für den Wald ist, muß für Buschhaus sein. Dieser Plan war ein ganz bewußtes Täuschungsmanöver und hat zu schwersten Luftverseuchungen geführt. Wie sich jetzt zeigt, wurde noch nicht einmal dieser Plan eingehalten. Deswegen sind wir ja hier heute auch zusammengekommen. Ich zähle Ihnen ganz kurz fünf dieser bewußten Täuschungen auf: Erstens. Es wurde behauptet, der Schwefeldioxidausstoß würde sich sofort von 145 000 auf 120 000 t im Jahr verringern. Das war eindeutig falsch. Tatsächlich betrug damals der Schwefeldioxidausstoß 135 000 t - das ist erwiesen - , und zum anderen wurde er dann später von der niedersächsischen Landesregierung nur auf 125 000 t festgelegt. Schon in diesem Punkt gab es eine doppelte Täuschung. Zweitens. Statt der Salzkohle sollte Normalbraunkohle verfeuert werden. Das Wort „normal" sollte suggerieren, daß es sich dabei um eine beherrschbare einfache Kohle handelte. Genau das ist falsch. Dort kommen 8 000 mg Schwefeldioxid pro Kubikmeter heraus. Das ist das Zwanzigfache des Grenzwertes. Die normale rheinische Braunkohle hat 1 500 bis 2 000 mg. Auch diese Kohle ist extrem schwefelreich. Drittens. Für Buschhaus sollten vier alte Kessel in die Kaltreserve genommen werden. Es wurde wissentlich verschwiegen, daß sie ohnehin hätten stillgelegt werden müssen, weil nach der GroßfeuerungsAnlagenverordnung ihre Restnutzungsdauer schon längst abgelaufen war. Viertens. Zwei weitere Kessel A und B sollten durch das Trockenadditivverfahren entschwefelt werden, wodurch 6 500 t reduziert werden sollten. Sie alle wissen, daß dieses Verfahren auch heute bei A und B überhaupt nicht funktioniert, daß im Durchschnitt 6 950 mg herauskommen, ja, daß im Mai sogar 10 000 herauskamen. Sie haben also dorthin Millionen Bundesmittel für eine Anlage gegeben, die überhaupt nicht funktioniert, die die Luft erheblich verpestet. Fünftens. Die Entschwefelung sollte schon ein Jahr eher als gesetzlich vorgeschrieben in Betrieb genommen werden, nämlich zum 1. Juli 1987. In einer großen Feierstunde wurde sie von Ernst Albrecht mit einem Knopfdruck in Betrieb genommen. Ein Zeiger ging auf den Wert von 400 mg. Jetzt stellt sich heraus: Die Anlage funktionierte damals überhaupt nicht; sie funktioniert heute nicht; der Wert von 400 mg wird andauernd überschritten. Streckenweise war die Anlage total ausgeschaltet. 8 000 mg kommen heraus! Die beschlossenen 3 500 Jahrestonnen für das letzte Jahr sollen nach dem Willen von Ernst Albrecht weit überschritten werden; ja, er will sogar, daß praktisch erst mit dem vorgestrigen Tag mit dem Zählen begonnen wird. Genau so, wie damals beim Sommertheater mit einem Plan getäuscht wurde, wurde auch bei der Inbetriebnahme wieder getäuscht. Die Glaubwürdigkeit und die Selbstachtung insbesondere der Mitglieder von CDU/CSU und FDP stehen damit auf dem Spiel. Es kann nicht ihr politischer Wille sein, daß hier mit über 300 Millionen DM die Nichteinhaltung eines Bundestagsbeschlusses und damit eine Luftvergiftung über die gesetzlich vorgeschriebenen Werte hinaus finanziert werden. Es kann nicht ihr politischer Wille gewesen sein, 300 Millionen DM einfach für eine gesetzliche Pflichtaufgabe an einen Betrieb zu geben, der dann noch nicht einmal die Werte einhält. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Baum.

Gerhart Rudolf Baum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000111, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hätten wir das damals gewußt, hätten wir natürlich anders entschieden. ({0}) An unseren Absichten ist doch nicht zu zweifeln! ({1}) Das war doch richtig! Wir haben damals umweltpolitisch und arbeitsmarktpolitisch richtig gehandelt. ({2}) Das war die Ausgangsposition. ({3}) Man kann sich allerdings fragen - und ich frage mich das heute mit Nachdruck - , ob es richtig ist, daß sich ein Bundesparlament so weit in Landesangelegenheiten hineinbegibt. Es besteht eine Landeszuständigkeit. ({4}) Wir haben hier Einzelheiten eines Genehmigungsverfahrens der Landesregierung Niedersachsens behandelt. Die Vorgeschichte war ja ganz anders, wenn ich das den Kollegen noch einmal in Erinnerung rufen darf. Die Vorgeschichte war, daß mein Amtsvorgänger Maihofer eine Rauchgasentschwefelung vor Inbetriebnahme wollte. Das ist dann nicht zustande gekommen. Dann haben wir diesen Weg eingeschlagen. Dieser Weg ist jetzt nicht so realisiert worden - das liegt ja nicht in unserer Verantwortung. ({5}) Das ist eine Verantwortung, die in Niedersachsen liegt. Es gibt hier eine Verantwortung des Unternehmens und eine Verantwortung der Landesregierung. Wir müssen jetzt feststellen: Woran hat es gelegen? Es hat sicher daran gelegen, daß erstens die Informationspolitik des Unternehmens ganz miserabel war. ({6}) - Ich fang doch erst an. Man kann hier wirklich keinen Gedanken zu Ende bringen. Ich habe doch „erstens" gesagt, d. h. es kommt noch ein Zweitens.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, Entschuldigung, daß ich Sie unterbreche. Meine Damen und Herren, ich verstehe ja, daß dieses Thema Emotionen auslöst, aber es hat wirklich wenig Sinn, wenn zu viele Leute zur gleichen Zeit hier Zwischenrufe loslassen. Denn es ist dann auch für den Redner unverständlich, was der einzelne Zwischenrufer zum Ausdruck bringen will. Deswegen wäre ich dankbar, wenn Sie sich ein wenig vorweihnachtlich mäßigen würden. Herr Abgeordneter, nun können Sie fortfahren.

Gerhart Rudolf Baum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000111, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Informationspolitik des Unternehmens ist zu beanstanden. Es ist nicht offengelegt worden, welche Schwierigkeiten dort bestanden. Man glaubte, irgendwie über die Runden zu kommen und den Fehler noch zu finden. ({0}) Zweitens. Die Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und dem Ministerium war nicht in Ordnung. Die Aufsichtspflicht ist nicht so ausgeübt worden, wie ich mir das vorstelle. ({1}) Herr Remmers, da sind Beamte tätig gewesen, die diese schwierige Sache unsensibel behandelt haben. Deshalb bedaure ich, daß ich mir hier 1984 eine Aussage zu eigen gemacht habe, die nicht realisiert worden ist. Zu Überheblichkeit, meine Damen und Herren von der Opposition, insbesondere von der SPD, besteht ja überhaupt kein Anlaß. ({2}) In Sachen Ibbenbüren sind Sie in erhebliche Schwierigkeiten geraten. ({3}) Es hat dort technische Fehler gegeben; es hat dort Schwierigkeiten mit neuen Technologien gegeben. ({4}) Die Schlußfolgerung kann doch nur sein, meine Kollegen, daß wir bei Zusagen vorsichtiger sind, wenn es sich um neue Technologien handelt. Das gilt für Ibbenbüren genauso wie für Buschhaus. Es muß jetzt klar festgestellt werden, was geschehen ist. Ich habe heute in der Zeitung gelesen, daß es staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gibt. Die Grenze der Emissionen, die wir uns hier vorgestellt haben, darf jetzt nicht überschritten werden. Es muß also weniger emittiert werden. Herr Remmers, Sie werden ja noch reden. Ich möchte gerne wissen: Wird jetzt weniger emittiert als im Vorjahr? Ist also schon ein Beitrag geleistet worden? Ich sehe keinen Anlaß, jetzt die Zusagen des Bundes zurückzunehmen. Es ist ein bedauerlicher Vertrauensverlust eingetreten. Hier hätte gerade über ein so sensibles Projekt, das den Bundestag in einer Sondersitzung 1984 beschäftigt hat, offener informiert werden müssen. Darauf haben wir Anspruch gehabt. Dieser Anspruch ist leider nicht eingelöst worden. Umweltfragen kann man nur dann wirklich mit Glaubwürdigkeit behandeln, wenn man auch Schwächen, Fehler und Versäumnisse zugibt. Das ist hier nicht rechtzeitig geschehen, und das bedauern wir. Ich werde mich auf Zusagen nicht mehr so einlassen, ({5}) und ich möchte auch dafür plädieren, daß sich das Bundesparlament aus landespolitischen Angelegenheiten möglichst heraushält, meine Damen und Herren. Sie von den GRÜNEN sollten einmal sagen, wie Sie das schwierige Problem Buschhaus lösen wollen. Das ist ein schwieriges arbeitsmarktpolitisches und ein schwieriges energiepolitisches Problem mit einer besonderen Kohle. Wir haben uns angestrengt, sowohl die umweltpolitischen Komponenten wie die arbeitsmarktpolitischen Komponenten in Einklang zu bringen. ({6}) Sie kritisieren nur und gießen Ihre Häme über uns aus. Das sind keine konstruktiven Beiträge. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Umweltminister des Landes Niedersachsen, Dr. Remmers. Minister Dr. Remmers ({0}) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann verstehen, daß dieser Rückschlag - ich sage das gleich -, den wir bei unserem Projekt Buschhaus erlitten haben, Erregung hervorruft. Wir haben einen Rückschlag erlitten; das gebe ich unumwunden zu. Es sind auch sonst Dinge, was Kontrolle, was Informationspolitik angeht, seitens des Unternehmens, aber auch bei uns in der Gewerbeaufsicht nicht so - ({1}) - Nein. Ich denke, daß Sie darüber jetzt nicht einen Einzelvortrag hören wollen. - Ich sage klipp und klar: Beides ist passiert. Die Gewerbeaufsicht hat nicht hinreichend sensibel gearbeitet, aber auch die Informationspolitik des Unternehmens ist nicht so gewesen, Minister Dr. Remmers ({2}) wie sie im Hinblick auf diese schwierige Sache hätte sein müssen. ({3}) Das Entscheidende ist: Wenn man einen Rückschlag erlitten hat, dann kann man hier nun nicht kommen und sagen, wie das gerade von Herrn Brauer getan worden ist, als wenn das alles Schritt für Schritt eine üble Täuschung gewesen ist. Dies ist völlig falsch. Hier geht es vielmehr darum, daß wir mit einem wirklich schwierigen, für uns in dieser Anwendung im Grunde neuen technischen Verfahren an die Probleme herangegangen sind, und hierbei haben wir - ich sage es noch einmal - einen Rückschlag erlitten. Aber wir lassen uns nicht entmutigen, sondern wir werden jetzt mit diesen Schwierigkeiten fertig werden. Wir werden unser ehrgeizig gestecktes Ziel erreichen. ({4}) Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, meine Damen und Herren: Wir haben damals vereinbart: erstens die schnellstmögliche Errichtung einer Rauchgasentschwefelungsanlage für Buschhaus mit bestmöglichem Wirkungsgrad, zweitens die vorzeitige Entschwefelung der Kraftwerke im Helmstedter Revier, d. h. früher, als bei Altanlagen vorgesehen, und drittens eine zusätzliche Mengenbegrenzung der SO2-Emissionen über die geltenden Vorschriften hinaus im Rahmen eines Stufenplanes. Dieser Stufenplan ist zunächst eingehalten worden. Mit der Inbetriebnahme des Kraftwerks Buschhaus am 30. Juli 1985 wurden im ersten Betriebsjahr nur noch 120 000 Tonnen SO2 und im zweiten Betriebsjahr nur noch 110 000 Tonnen SO2 emittiert. Damit wurde der Emissionsminderungsplan eingehalten. Wir haben Schwierigkeiten gehabt. Trotzdem möchte ich mit genauen Zahlen arbeiten. Wenn wir die kritischen Monate, die jetzt in diesem Jahr hinter uns liegen, mit den entsprechenden Monaten des Vorjahres vergleichen, dann hatten wir von Juli bis November 1986, bezogen auf die BKB-Kraftwerke, immerhin rund 40 000 Tonnen, ({5}) zwischen Juli und November 1987 dagegen nur noch 23 000 Tonnen. Das heißt, es ist trotz der zwischenzeitlich aufgetretenen Schwierigkeiten und trotz der Fehler real sogar besser geworden; wegen der Ausreißer allerdings nicht so viel besser, wie wir jetzt schon hatten erreichen wollen. Aber man muß fairerweise sagen, daß die Firma durch Reduktion der Kapazität versucht hat, hier einen größeren Schaden zu vermeiden. Das muß man auch einmal sagen dürfen. Mit anderen Worten: Insoweit ist der Stufenplan für die ersten beiden Jahre eingehalten worden. Die Rauchgasentschwefelungsanlage wurde unter größten Anstrengungen aller Beteiligten am 30. Juni 1987 errichtet. Aber es gab von Anfang an - auch das soll nicht verschwiegen werden - Schwierigkeiten, die zunächst nicht als solche grundsätzlicher Natur angesehen wurden, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt. Diese waren nämlich im Oktober im chemischen Bereich, im prozeßtechnischen Bereich so gravierend, daß gegen Ende Oktober die Firma Davy McKee sagte, sie bekomme das nicht in den Griff, und zwar in einem grundsätzlichen Sinne, über das hinausgehend, was Herr Laufs vorhin gesagt hat. An der Lösung dieser Probleme muß jetzt mit Nachdruck gearbeitet werden. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen: Die technischen Schwierigkeiten haben dazu geführt, daß das in der Zwischenzeit nicht so gelaufen ist und daß es doch erhebliche Ausreißer gegeben hat. ({6}) - Nicht bewußt nichts unternommen. ({7}) Solange die grundsätzliche Problematik noch nicht bestand und man damit rechnen konnte, daß man die Probleme lösen konnte, mag man das zu milde beurteilt haben. Dem werde ich auch nachgehen. Das habe ich in aller Deutlichkeit gesagt. Das kann uns doch nicht davon abhalten, nun zu sagen: Jetzt setzen wir das Ziel durch, das wir uns gesteckt haben. Ich sage jetzt im Klartext - damit das hier im Bundestag als Äußerung der Landesregierung auch klar ist - , daß wir darauf bestehen, daß die Anlagen entsprechend den erteilten Genehmigungen die vereinbarten und genehmigten 35 000 Jahrestonnen SO2 einhalten. ({8}) und eine SO2-Massenkonzentration von 400 mg/m3 künftig nicht überschritten wird. ({9}) Hier gibt es - darauf zielt ja offensichtlich der Zuruf von Herrn Brauer - Rechtsstreitigkeiten. Die BKB sagt: Ist das nicht doch ein Versuchsbetrieb? Wir haben gesagt: Wir lassen uns hier nicht auf juristische Wortklaubereien ein. Ob sie nun ihren Rechtsstandpunkt aufrechterhält oder nicht, soll uns egal sein. Wir bestehen in der Sache darauf, daß sofort der Wert von 400 mg und auch die 35 000 Jahrestonnen SO2 eingehalten werden, ({10}) bezogen auf dieses kritische Jahr, vom Juli an. ({11}) Das ist meine Verhandlungsposition, die ich - nun lassen Sie mich das doch sagen - in diesen Tagen ausverhandle. Dies ist die Position, die ich hier vortrage. Meine Damen und Herren, dies bedeutet für das Unternehmen zweifellos weitere Einschränkungen gravierender Art. Wir sind gerade dabei, auch heute Minister Dr. Remmers ({12}) nachmittag noch, dies in weiteren Verhandlungen auch von der Technik her durchzusetzen, ({13}) und zwar ohne Arbeitsplätze zu gefährden. Hier geht es vor allen Dingen auch darum, daß wir nicht so drastisch drosseln, daß wir die Prozeßwärme für die Phoenix-Gummiwerke - dort geht es um 650 Arbeitsplätze - gefährden. Auch dafür werden wir eine Lösung finden, die keine zusätzliche, sondern sogar noch eine reduzierte Luftschadstoffbelastung bedeutet. Das werden wir in den nächsten Tagen, wenn die Verhandlungen so laufen, wie ich mir das vorstelle, sagen können. ({14}) Ich sage Ihnen zum Schluß: Wir werden den Buschhaus-Vertrag mit aller Konsequenz verfolgen. Dieses Projekt steht nach wie vor für die Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie, für die Bewältigung der Luftbelastungsproblematik, und die schwierige Aufgabe der Sicherung der Arbeitsplätze in diesem Raum. ({15}) - Ich habe ja zugegeben, daß wir hier einen Rückschlag erlitten haben, aber wegen des Rückschlages allein - wir bleiben ja bei den gesteckten Zielen - ist dies doch keine Katastrophe. ({16}) Ich wundere mich, daß manche angesichts der Schwierigkeiten, die ich ja eingestehe, schadenfroh sind. Sie sollten auch einmal darüber nachdenken - gerade diejenigen, die schnell aus der Kernenergie heraus wollen - , was sie denn wohl wollen, wenn sie noch mehr auf Kohle setzen und das dann nicht funktioniert. Auch das müssen Sie überdenken. ({17})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seidenthal.

Bodo Seidenthal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002151, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Remmers, wenn es so ist, wie Sie das gerade dargelegt haben, dann frage ich mich: Warum haben Sie denn eigentlich die Schnauze voll, wie es so schön in der Presse zu lesen ist? ({0}) Lassen Sie mich aber einige sachliche Aussagen machen. Mit der erneut entbrannten Debatte um das Braunkohlekraftwerk Buschhaus - da sind wir uns in der Formulierung fast einig - hat in Niedersachsen die Umweltpolitik eine Niederlage erlitten. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich als Wahlkreisabgeordneter dazu folgendes sagen. Wir Sozialdemokraten in Niedersachsen stellen fest, daß in der augenblicklichen Diskussion ein Wust von Vorwürfen und Vorurteilen den Blick für die Wirklichkeit verstellt und eine Koalition - jetzt hören Sie einmal genau zu - aus CDU und GRÜNEN voreilig, leichtfertig und nutzlos 3 000 Arbeitsplätze bei dem BKB und 670, nicht 650 Arbeitsplätze bei den Phoenix-Werken zur Disposition stellt ({1}) und zur Wahrung des eigenen Gesichtes zum Spielball juristischer Spielereien macht; denn darauf wird es hinauslaufen. Es geht aber nicht nur um die Mitarbeiter bei dem BKB, für die es keine beruflichen Ausweichmöglichkeiten, wie es die GRÜNEN behaupten, in Niedersachsen gibt, sondern es geht auch um deren Familien, und es geht um Selbständige und deren Mitarbeiter in Handel und Gewerbe, insgesamt um rund 15 000 Menschen. ({2}) Wer die Umwelt entlasten will - darin, Kollege Brauer, sind wir uns einig - , darf keine Gelegenheit auslassen, dies einzufordern. Wer das aber vertritt, muß auch gleichzeitig das Umfeld berücksichtigen und den Menschen, die in Buschhaus leben, die diese Schlampereien nicht zu verantworten haben, die Würde und Selbstachtung im Arbeitsprozeß belassen. ({3}) Damit hier keine Mißverständnisse aufkommen: Die SPD war und ist dafür, Strom aus der Helmstedter Braunkohle zu produzieren ({4}) - hören Sie doch einmal zu - , unter Einhaltung der gesetzlichen und vertraglich vereinbarten Grenzwerte. Damit aber Arbeits- und Umweltverbesserungen möglich sind, muß neue Technik eine Chance erhalten. ({5}) Es dürfte auch den GRÜNEN einsichtig sein, daß es auf Dauer sichere Arbeitsplätze nur dort gibt, wo die Mängel wirklich bekämpft und die Umweltbelastungen zurückgeführt werden. ({6}) Leider hat Buschhaus über die Grenzen von Helmstedt hinaus einen Symbolcharakter erhalten: für DIE GRÜNEN, Herr Brauer, als Dreckschleuder der Nation, für die CDU als „modernste Rauchgasentschwefelungsanlage der Welt" . ({7}) Für die SPD jedoch wird es ein Beispiel für Arbeit und Umwelt werden. ({8}) Lassen Sie mich einige Sätze zu den technischen Schwierigkeiten sagen. Zum Beispiel die Problembereiche Innenbeschichtung der Rauchgaskanäle, Rauchgaskühler und Reingaserhitzer und die Steuerung des chemischen Prozesses der Sulfatbildung sind technisch lösbar und werden zu beheben sein. Aus den Veröffentlichungen von CDU und GRÜNEN muß man jedoch den Eindruck gewinnen, daß eine so große chemische Fabrik mit ihren komplizierten Abläufen, die fast eine halbe Milliarde DM gekostet hat, mit einem Knopfdruck ohne vorhergehende Erprobung der Technologie in Betrieb zu setzen ist. Das, meine Herren Brauer und Remmers, ist von Ihnen wohl nicht bedacht worden. ({9}) Als Ingenieur, der bei Volkswagen in der Entwicklung tätig war, weiß ich, welche Phasen ({10}) - Herr Lippelt, hören Sie doch einmal zu - der Produktionsphase vorgeschaltet werden müssen. Wer wie DIE GRÜNEN in der „taz" vom 10. Dezember 1987 - ich zitiere - von „Schwefelgeschwafel und semantischen Kapriolen in Buschhaus" spricht und „einen direkten Weg von der Entschwefelung zur Verschwafelung" konstruiert, ({11}) hat nicht begriffen oder will nicht begreifen, daß technische Anlagen eine Konstruktions- und eine Erprobungsphase durchlaufen müssen, um in Produktion gehen zu können. Für Buschhaus heißt das konkret: Der Inbetriebsetzungsphase muß eine Betriebserprobungsphase folgen. Erst dann wird der Dauerbetrieb aufgenommen. Das hätte - ohne auf den Streit zwischen Land und BKB einzugehen - der Ministerpräsident, als er am 25. Juni den Knopf drückte, wissen müssen. Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen. Trotzdem spricht alles dafür - das unterstreiche ich - , daß es den Technikern gelingt, die verfahrenstechnischen Mängel zu beheben. Für uns Sozialdemokraten sind Umweltvorsorge und Beschäftigung ein in sich geschlossenes Konzept zur Sicherung der natürlichen und gesellschaftlichen Grundlagen. Auch durch die Eitelkeit eines Ministerpräsidenten lassen wir uns von diesem Weg im Interesse der Menschen im Raum Helmstedt nicht abbringen. Ich fordere deshalb zum Schluß alle Beteiligten auf, durch einen sinnvollen Stufenplan zur Lösung dieses uns belastenden Vorfalles beizutragen, damit die Arbeitnehmer und ihre Familien bei BKB für die Zukunft eine Perspektive haben. Herr Präsident, ich danke Ihnen für das Verständnis. ({12})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Schmidbauer.

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Buschhaus ist in der Tat nicht nur ein Kraftwerk, sondern es ist auch zu einem Symbol für Glaubwürdigkeit geworden. ({0}) Für einige ist es aber auch Anlaß, um sich in Polemik auszulassen, Herr Kollege Stahl. Die Zwischenrufe waren ja alles andere als konstruktiv. ({1}) Ich sage für die CDU/CSU: Wir nehmen die Vorgänge um das Kraftwerk nicht leicht. Wir meinen vielmehr, daß alles getan werden muß, um die entstandenen Probleme aufzuarbeiten und den entstandenen Schaden zu begrenzen. Ich bin Herrn Remmers sehr dankbar für seine Ausführungen und dafür, daß er die Sache auf den Punkt gebracht hat. Hier hat es Fehler gegeben, hier hat es Informationsstränge gegeben, die nicht funktioniert haben. Hier wurde nicht rechtzeitig Vorsorge getroffen, um sicherzustellen, daß die Dinge so laufen, wie wir das mit unserem Beschluß beabsichtigt hatten. Darum geht es heute. Es geht nicht darum, hier die Frage der Arbeitsplatzsicherung in den Vordergrund zu stellen und so zu tun, als gäbe es Leute, die das nicht wollten. Es war gerade unser Beschluß, mit dem Arbeit und Umwelt realisiert worden sind. ({2}) Sie machen das verbal, wir haben das praktiziert, ({3}) indem wir gesagt haben: Hier müssen Arbeitsplätze mit moderner Technologie erhalten, hier muß stufenweise reduziert werden. Dies ist Arbeit und Umwelt praktiziert, nicht nur verbal mit Ihrem Programm hier beteuert. Es muß auch festgestellt werden, Herr Kollege Remmers - ich bin froh, daß Sie dies angesprochen haben -, daß vielen noch der Mut zur Transparenz fehlt ({4}) und daß vielen noch der Mut fehlt, auch über Negatives rechtzeitig zu informieren. Das ist das Problem der Glaubwürdigkeit in der Umweltpolitik, mit dem wir uns dann herumschlagen müssen, weil es noch solche Vorgänge gibt. Fehler, meine Damen und Herren, müssen eingestanden werden. ({5}) - Selbstverständlich. Das ist ja der Unterschied zu uns, Herr Kollege Schäfer, daß Sie immer alles in die parteipolitische Kiste bringen, wähend wir die Dinge unabhängig von der Person und unabhängig von der Parteizugehörigkeit, auch unabhängig vom Land betrachten. Mir liegt Ibbenbüren genauso am Herzen wie Buschhaus, und ich kann überhaupt nicht froh sein, wenn Sie feststellen, daß Sie mit der Entstickung dort nicht zu Rande kommen. Dann reden wir sehr offen darüber, wie wir das hinbringen. ({6}) Dann muß ich auch sagen: Die Einweihung am 25. Juni 1987 war wohl ein Flop. Sie war deshalb schlimm, weil die Öffentlichkeit den Eindruck hatte: Hier ist der 1. Juli 1987 erreicht; ({7}) Buschhaus ist in Ordnung; wir sind dieses Problem los. - Hinterher stellen wir fest: Es war nicht so. - Damit geht wieder ein Stück Glaubwürdigkeit verloren, ohne daß wir die Dinge immer zuordnen können. ({8}) Wenn Sie da klatschen, lieber Kollege Reuter, dann hätte Ihre Rede vorher anders aussehen müssen. ({9}) Unser Beschluß vom 31. Juli war nicht ganz einfach. Da gab es den ersten Beschluß, da gab es den zweiten Beschluß. Viele von uns wären inzwischen glücklicher, wenn wir nur den ersten gehabt hätten, Herr Kollege Baum, denn darin haben wir von der Technik nichts mit einem Termin abgefordert, meine Freunde. ({10}) - Ich schließe Sie da ein, Herr Kollege Schäfer, auch wenn Sie noch nach mir reden und ich das dann vielleicht zurücknehmen muß, aber dann nur kurzfristig. So schlimm sind Sie gar nicht. ({11}) Aber auch darauf wurde eingegangen: Wir haben die Stufen eingehalten, wir haben reduziert, trotz dieser Panne sind wir auf ein Drittel heruntergekommen, und dies ist wichtig und, ich finde, auch ein Fortschritt. Nun zu den Konsequenzen, die gezogen werden müssen: Im Vordergrund muß es uns allen darum gehen, daß die Rauchgasentschwefelung möglichst rasch funktioniert. Das muß im Vordergrund unserer Bemühungen stehen. Buschhaus hat auch deutlich gemacht, daß es keine Technologie gibt, die sich einfach vom Gesetzgeber, von der Legislative verordnen läßt. Buschhaus ist aber auch kein Anlaß, unsere Umweltpolitik zu verändern. Buschhaus macht deutlich, wie schwierig es ist, in bestimmten Bereichen - hier der Bereich der Salzkohle - die Großfeuerungsanlagen-Verordnung zu realisieren. Auch dies können wir aus diesen Vorgängen lernen. Buschhaus macht aber auch deutlich, wie wichtig es ist, den Vollzug unserer Umweltschutzpolitik noch stärker zu kontrollieren. Buschhaus muß aber auch ein Symbol für gemeinsame glaubwürdige Umweltpolitik, die wir praktizieren wollen, werden. Hier liegt auch die Chance dieser Vorgänge in Buschhaus. Herzlichen Dank. ({12})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brauer.

Hans Jochim Brauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000248, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Baum, wie mag Ihnen zumute sein, nachdem Sie damals 1984 mit Ihrer FDP wegen 5 000 t im ersten Jahr weniger umgefallen waren und dann später lesen mußten, daß diese 5 000 t wieder draufgepackt worden waren? Das ist, glaube ich, eine ganz bittere Erfahrung. Ich finde es auch nicht gut, daß Sie vorhin Verwaltungsbeamte in den Behörden als Buhmänner aufgebaut haben. Sie haben heute sicherlich auch in der Zeitung gelesen, daß die Staatsanwaltschaft prüft, und ich gehe ziemlich sicher in der Annahme, daß es zwischen der Landesregierung und den Betreibern der BKB noch weitere Vereinbarungen, Vermerke usw. gibt. Dann wird genau das passieren, was ich vorhin schon angekündigt habe: Buschhaus wird in den nächsten Wochen weiterhin ein Skandal sein. Ich befürchte oder hoffe, daß aus dem Fall Buschhaus der Fall Albrechts wird. Das steckt, glaube ich, durchaus darin. ({0}) Zur SPD muß ich folgendes anmerken: Was ist das für eine irrsinnige Energiepolitik, wenn man die komplizierteste, die schwefelreichste Kohle nimmt, um dann anschließend die komplizierteste Entschwefelungstechnik einzubauen und sich damit die kompliziertesten Entscheidungsverfahren an den Hals hängt? Wir sehen ja jetzt, daß alles nicht geklappt hat. ({1}) Der einfache Weg ist doch der sichere und der bessere. Die Kohle an Rhein und Ruhr ist sicher verfügbar. Dort werden in den nächsten zwei bis drei Jahren wahrscheinlich 25 000 Kumpel freigesetzt. ({2}) Die Entschwefelungstechnologie ist dort einfach beherrschbar und bedeutend billiger. Das wäre, anstatt ständig Ihre komplizierten Verfahren zu wählen, sicherlich der viel einfachere Weg gewesen. ({3}) Ich bin gefragt worden, wie wir GRÜNEN das Problem lösen wollen. Ganz einfach: Das, was hier beschlossen worden ist, muß eingehalten werden; das ist selbstverständlich. In der Zwischenzeit kann die BKB auf Halde produzieren. Es steht in den Sternen, ob die Entschwefelungsanlage wenigstens bis zum 1. Juli 1988 tatsächlich funktionieren wird. Wir werden uns dann wieder darüber unterhalten, ob weitere Ausnahmegenehmigungen erteilt werden können. Meine Damen und Herren von der CDU, FDP und CSU: Die Ereignisse von heute machen deutlich, daß die Grundlage Ihrer Entscheidung schon damals nicht trug, und das war damals schon bekannt. Dr. Winter vorn Vorstand der BKB sagte drei Monate vor Ihrem Fingerheben: Es ist absolute Utopie zu glauben, eine solche Entschwefelungsanlage sei innerhalb von vier oder fünf Jahren zu bauen. ({4}) Das Ganze war von vornherein einkalkuliert. Die BKB hat 400 Millionen DM für eine Pflichtaufgabe gekriegt und erfüllt noch nicht einmal die Werte. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Harries.

Klaus Harries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000814, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Willen des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung wie auch nach dem Willen der niedersächsischen Landesregierung sollte Buschhaus ganz sicher auch der Beweis für eine rechtzeitige und sehr sichere Umweltschutzmaßnahme sein. ({0}) Hier sollte - für alle sichtbar und überzeugend - eine funktionierende Brücke zwischen Ökonomie und Ökologie gebaut werden. Das rechtfertigte nicht zuletzt den Einsatz von sehr vielen öffentlichen Mitteln des Bundes und des Landes, um die Rauchgasentschwefelungsanlage in Buschhaus zu bauen. Meine Damen und Herren, ist dieser Traum nun ausgeträumt? Stehen hier viele der Beteiligten oder einige der Beteiligten im Regen? Gilt das für die Politik, für Teile der Politik, für Lieferfirma, Betreiber, und gilt das vor allen Dingen für die Arbeiter, die wieder einmal um ihre Arbeitsplätze fürchten müssen? Es ist sicher gut, daß wir in dieser Aktuellen Stunde heute über das reden, was bekannt ist. Dabei müssen wir zunächst einmal anerkennen, meine Damen und Herren, daß viele Fragen noch offen sind: Fragen juristischer Art und Fragen technischer Art, die heute noch nicht klar beantwortet werden können. Für mich steht zweierlei ganz sicher fest - das leitet auch zu der Perspektive für die Zukunft und für das, was jetzt geschehen muß, über - : Meine Damen und Herren, in Buschhaus wurde kein Filter eingebaut, wie man vielleicht sehr schnell und gemeinhin meinen könnte. Hier wurde vielmehr eine chemische Fabrik für viele Hunderte von Millionen DM errichtet. Es ist einfach zuzugeben, daß Erfahrungen mit einer solchen chemischen Fabrik wie der in Buschhaus, mit der Braunkohle, die hier vor Ort vorhanden ist, damals - vielleicht ist das heute auch noch so - in vollem Umfang nicht vorhanden waren. Das bedeutet nicht, daß man hier ein Pilotprojekt mit Hunderten von Millionen DM leichtfertig eingeleitet hat. Aber es bedeutet ganz sicher, daß man bereit sein mußte und auch heute bereit sein kann, mit gewissen Risiken zu leben und diese auch anzuerkennen. ({1}) Wir alle, Herr Präsident, meine Damen und Herren, müssen, wie ich meine, endlich begreifen, daß die gesunde Umwelt, die wir alle haben wollen, die wir alle brauchen , ganz sicher nirgends auf der Welt zum Nulltarif und von heute auf morgen erreicht werden kann, ({2}) daß hier auch überlegt werden muß, ob die Politik nicht geneigt ist, immer sehr schnell mit Maximalforderungen zu kommen und auch der Technik Termine zu stellen, ({3}) [SPD]: Das war Albrecht! Das war Remmers! Sie haben recht mit Ihrer Kritik!) die im Grund von der Sache her in vielen Bereichen des Umweltschutzes gar nicht eingehalten werden können. Auf der anderen Seite muß die Industrie - wir haben vor kurzem hier über die chemische Industrie diskutiert - viel offener, viel informationsfreudiger, kooperativer sein und auch bereit sein, mit der Politik in ganz anderer Intensität zusammenzuarbeiten, als es bis heute der Fall gewesen ist. Wir fordern heute, daß die Fragen juristischer und technischer Art, die noch offen sind, schnell geklärt und beantwortet werden. Wir fordern, daß nachgerüstet wird und daß die Lieferfirma für die Rauchgasentschwefelungsanlage dies in Ordnung bringt. Wir fordern den Vorbehalt auch von Schadensersatzforderungen gegenüber Betreiber und Lieferfirma, wenn das nötig werden sollte. Wir sind aber ohne Einschränkung der Meinung, daß von einem Baustopp überhaupt keine Rede sein kann, daß er nicht erforderlich ist und daß wir die Chance haben, das hinzukriegen. Dadurch werden die Arbeitsplätze für die Betroffenen gesichert und die wirtschaftliche Lage in einer Region unseres Landes an der Zonengrenze nicht gefährdet. Wir gehen aber auch im Rahmen des hier gefaßten Beschlusses davon aus, daß die Umweltauflagen so eingehalten werden - der niedersächsische Umweltminister hat es gesagt - , wie vom Bundestag beschlossen worden ist und wie es von der Firma getan werden kann, selbst wenn nicht vollastig gefahren wird. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stahl.

Erwin Stahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002212, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist interessant, verehrte Kollegen von der CDU/CSU, wie Sie das Thema heute behandeln, Herr Schmidbauer. Ich erinnere nur an die beiden Diskussionen und die Aktuelle Stunde der FDP zu Ibbenbüren und daran, was Sie im Plenum des Bundestages alles an Unverschämtheiten zu diesen Fall vorgetragen haben. ({0}) - Das muß man Ihnen doch einmal vorhalten. „Doppelzüngigkeit" war noch eines der freundlichsten Worte. Heute geht es in der Aktuellen Stunde - lassen Sie mich das sagen; Herr Baum, auf Sie möchte ich besonders eingehen - , nicht um die Informationspolitik des Unternehmens. Das Unternehmen hat informiert. Lesen Sie einmal das Protokoll des Landtags. Herr Remmers, ich wundere mich auch, daß Sie den Mut haben, viele der falschen Meldungen, die Sie verStahl ({1}) breitet haben, hier vor dem Deutschen Bundestag noch einmal aufzunehmen. ({2}) Denn unbestritten ist doch wohl, daß Ihnen schon vor September mitgeteilt wurde, daß es dort mit der Technologie nicht richtig klappt. Die Briefe an die Gewerbeaufsicht, die Briefe an den Regierungspräsidenten, die dann gebündelt Ihrem Ministerium zugeleitet wurden, ({3}) sind doch schon Ende September bei Ihnen angekommen. Dann stellt sich nicht die Frage nach der schlechten Informationspolitik der Hersteller und Betreiber, sondern es stellt sich einfach die Frage nach der Schlamperei im Ministerium für Umwelt der niedersächsischen Landesregierung. ({4}) Dies ist eine Feststellung. An Hand des Protokolls, verehrter Herr Remmers, werden Sie das feststellen. Herr Albrecht hat doch nicht grundlos vor dem Landtag gesagt, er müsse alles allein tun; ({5}) er könne sich - das sage ich jetzt mit meinen Worten - auf seinen Minister nicht verlassen. Das ist ja unbestritten. Lesen Sie es nach. Im Protokoll steht es. Interessant ist z. B., Herr Remmers, daß - jetzt müssen Sie das einmal sagen - am 3. Dezember bei Ihnen im Haus ja noch eine Presseerklärung abgegeben wurde, in der gesagt wurde: Wenn zum Vorschein kommt, daß vom Unternehmen Fehler gemacht wurden und Sie hintergangen wurden, dann unternehmen Sie juristische Schritte. - Sagen Sie doch einmal hier vor dem Plenum des Bundestages, wo denn nun wirklich die Schlamperei bei Ihnen im Hause aufgetreten ist. ({6}) Wenn Sie von Anfang September bis Anfang Dezember noch nicht einmal die Briefe, die Stellungnahmen und die gutachtlichen Stellungnahmen der Gewerbeaufsicht im Zusammenhang mit der Durchführung des technologischen Prozesses auf den Tisch bekommen haben, dann frage ich mich allen Ernstes, verehrte Kollegen von der CDU/CSU und verehrter Herr Umweltminister - Sie sind ja auch an der Geschichte beteiligt; dazu komme ich gleich - , wie Sie Ihre Verantwortung als Landesregierung gegenüber den Menschen und gegenüber den Arbeitnehmern dort wahrgenommen haben. Sie benutzen den juristischen Streit bezüglich des Genehmigungsverfahrens und der Auslegung, den Sie bewußt angezettelt haben, um draußen öffentlich darzustellen, daß Sie sozusagen der weiße Rabe sind und das Unternehmen drüben der schwarze Rabe ist. Unbestritten ist ja wohl, Herr Remmers, daß in der Genehmigung von einem Probebetrieb die Rede ist. Diesen haben Sie als Landesregierung doch genehmigt. Dieser Probebetrieb ist zeitlich nicht festgelegt, sondern dort heißt es „nach Maßgabe und Notwendigkeit". Das ist doch wohl unbestritten. Sie versuchen jetzt, der BKB und den Leuten dort den Schwarzen Peter zuzuschieben. Ich will Ihnen sagen: Ich finde, das ist nicht in Ordnung. Interessant ist, wie Sie Ihre Veranwortung wahrnehmen. Laut Protokoll sprachen Sie im Landtag davon, der Bau einer derartig komplizierten Anlage sei vergleichbar mit dem Bau eines Hauses und daß der Architekt dabei kleine Fehler anmeldet. Herr Remmers, so steht es wortwörtlich im Protokoll des Landtages. ({7}) Ich finde es eigentlich beschämend, fast unverschämt, wenn ein Landesminister im Zusammenhang mit einem der größten und kompliziertesten technologischen Vorhaben, die er im Lande zu betreuen hat, davon so spricht: Da wird ein Einfamilienhaus gebaut, und im Vorbeigehen sagt mir der Architekt: Da gibt es gewisse Schwierigkeiten, aber dies ist ja allgemein so. Dies ist der Punkt. Herr Remmers, wir fordern Sie als Sozialdemokraten auf, dort einen Stufenplan zu erstellen und den Menschen zu helfen. Vor allen Dingen, Herr Remmers, fordern wir Sie auf, die Schlamperei in Ihrem Hause endlich zu beseitigen. ({8})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Respekt vor diesem Hohen Hause sollte es uns gebieten, daß wir die Diskussion des Niedersächsischen Landtags hier nicht wiederholen. Wir sollten zunächst einmal nur festhalten - das hat die Anwesenheit meines Kollegen Remmers noch einmal unterstrichen -, ({0}) daß sich Herr Remmers aus dieser Verantwortung in gar keiner Weise herausstehlen will, sondern daß er Fehler, die passiert sind, als solche gekennzeichnet hat. Ich meine, wenn wir der Politik einen Tort antun wollen, wird das hinterher immer als Beleg für eigene Schwäche genutzt. Ich meine allerdings: Derjenige, der politisch stark ist, kann auch sagen, daß er einen Fehler gemacht hat. Ich finde es sehr gut, daß Herr Remmers das getan hat. ({1}) Ich möchte in der Kürze dieser Aktuellen Stunde vier Punkte nennen, die für die Bundesregierung in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind. Erstens. Ich glaube, wir müssen alles tun, um zu vermeiden, daß aus diesem Ereignis heraus die Glaubwürdigkeit unserer Luftreinhaltepolitik in Frage gestellt wird. Das setzt voraus, daß mit aller Deutlichkeit und Klarheit aufgedeckt und nachvollzogen wird, was hier abgelaufen ist, und daß wir auch deutlich machen, daß die damit verbundene Zielsetzung, nämlich eine drastische Minderung der SO2Emissionen in diesem Raum, bis zur Stunde nicht verletzt worden ist; denn bis zur Stunde sind vom 1. Juli 1987 an 26 000 t SO2 emittiert worden; ({2}) 35 000 t sind in dem Beschluß enthalten. Es wird dann, wie ich meine, eine wichtige Aufgabe sein, zu entscheiden, was zu tun ist, wenn diese 35 000 t etwa im März erreicht sind, unter Berücksichtigung der möglichen Rückführung in der Kapazität. Dabei ist hier allen bekannt, daß eine Untergrenze für die Kapazität durch die Wärmeversorgung des Werkes in Reinsdorf bestimmt wird. Der zweite Punkt, der für uns bedeutsam ist: Es ist mit allem Nachdruck und mit allem Ernst darauf hinzuweisen, daß Umweltpolitik den Einsatz von High-Tech, von hoher Technologie, erforderlich macht. ({3}) - Herr Abgeordneter Stahl, ich weiß, daß Sie in dieser Richtung genauso mitdenken; ich habe mich über Ihre Rede durchaus gefreut. - Wir sollten über alle Parteigrenzen hinweg bei einer solchen Diskussion sehr viel mehr Bescheidenheit an den Tag legen. Wir sollten klarmachen, daß eine solche Großtechnologie in der Einführungsphase ihre Schwierigkeiten haben kann, ja, wahrscheinlich haben wird und daß wir von daher gesehen auch bis zu dieser Stunde - ich sage Ihnen das schon an dieser Stelle - in der Prognose über die Einsatzfähigkeit dieser Anlage in Buschhaus mit großer Vorsicht reden sollten - mit großer Vorsicht! ({4}) Denn wir wissen bis zur Stunde überhaupt noch nicht, wie diese Anlage reagiert, wenn wirklich Salzbraunkohle verfeuert wird. Deswegen möchte ich an dieser Stelle noch einmal mit sehr, sehr großer Zurückhaltung sagen: Ich nehme mir nicht den Mund so voll, zu sagen, dann und dann läuft das; denn mit dem besten politischen Willen können wir keine technischen Probleme wegdiskutieren, sondern wir werden sie weiterhin untersuchen. ({5}) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eines ganz deutlich sagen: Wir sollten nicht mit dem Hinweis auf größere Probleme bei der Nutzung von Salzbraunkohle einige Kohlereviere gegeneinander ausspielen. Das ist für meine Begriffe der ganz falsche Weg. ({6}) Wenn wir der Überzeugung sind, daß wir diese Kohle nutzen sollen - ich komme darauf zurück; warten Sie ab, bevor Sie den Kopf schütteln; Sie werden ihn hinterher nicht mehr schütteln - , dann sind wir als ein Land mit hoher Technologie und viel Geld, das wir dafür einsetzen können, verpflichtet, eine solche verfahrensmäßig bekannte Anlage wie das WellmanLord-Verfahren an dieser Stelle wirklich zu nutzen und zu überprüfen, damit sie möglicherweise von anderen, die ebenfalls solche Braunkohle haben, hinterher genutzt werden kann. Wir werden in wenigen Tagen eine Expertendelegation der DDR in Buschhaus haben, damit sie sich das Verfahren vor Ort ansehen können. ({7}) Denn die DDR hat Wellman-Lord-Verfahren gekauft und ist dabei, sie in Rummelsburg einzusetzen; sie arbeiten daran. Dann ist es gut und richtig, daß wir die DDR nach Buschhaus holen, um ihnen vor Ort vorzustellen, wie eine solche Anlage läuft, wo die Probleme sind, damit nicht andere noch einmal die Erfahrungen machen müssen, die wir bereits gemacht haben. Verantwortungsvolle Umweltpolitik besteht nicht darin, wegzutauchen, weil die Kohle problematisch ist, und zu sagen, dann machen wir das nicht, sondern sie besteht darin, mit bester, teurer Technik das durchzusetzen und zu zeigen, daß es geht, wie es geht und wie andere damit arbeiten können. ({8}) Ich glaube, wir haben ein Drittes aus diesem Vorgang zu lernen: Wir haben darauf aufmerksam zu machen, daß jede Maßnahme, die in diesem Hohen Hause beschlossen wird, immer in genauer Konsequenz im Vollzug mitbedacht werden muß. Ich bitte Sie ganz herzlich, sich daran zu erinnern, was wir an anderer Stelle im Zusammenhang mit Chemieunfällen gesagt haben: Es ist eine Sache, hier Verordnungen und Gesetze zu beschließen, eine zweite ist es, sie wirklich im Vollzug durchzubringen. Deswegen ist es sinnvoll und richtig, daß wir uns hier Gedanken darüber gemacht haben, ob wir externe Sachverständige in die Überprüfung mit einbinden wollen, ob wir nicht dazu kommen müssen, daß Verwaltungsvollzug auch von uns schon vorher mitbedacht wird und entsprechend erleichtert wird. Ein Viertes ist natürlich festzuhalten, meine Damen und Herren: Es geht um erheblich viel Geld. Es geht um Geld, das aus Bundeskassen bewilligt worden ist. Ich will nur in Erinnerung rufen: Es sind insgesamt 140 Millionen DM für die Rauchgasentschwefelungsanlage bewilligt worden, 80 Millionen DM über das Bundesfinanzministerium und 60 Millionen DM über das Bundesumweltministerium auf dem Weg über das Umweltbundesamt. Ferner sind 120 Millionen DM mit zwei unterschiedlichen Begründungen für die Trokkenadditivmethode bewilligt worden. Es ist völlig klar und absolut notwendig, daß in Kenntnis der jetzt zuwachsenden Informationen überprüft wird, ob das, was in dem Vertrag angegeben ist, auch eingehalten worden ist oder nicht. ({9}) - Nein, sehen Sie, Herr Stahl, auch darüber sind wir uns doch wieder einig. Ich habe gesagt: Es ist zu überprüfen, ob diese Förderungsbedingung eingehalten worden ist oder nicht. Ich habe nirgends gesagt: Das Geld ist zurückzufordern. Ich habe vielmehr gesagt: Es ist dann zurückzufordern, wenn Förderungsbedingungen nicht eingehalten worden sind. Ich habe das gleiche bei Herrn Ministerpräsidenten Albrecht gelesen, und ich habe das gleiche gelesen bei meinem Kollegen Werner Remmers. Wir überprüfen das in der gebotenen Ernsthaftigkeit. Bundesfinanzministerium und Umweltbundesamt sind an die BKB herangetreten und haben um Aufklärung gebeten. Wir werden nach Kenntnis dieser Dinge darüber zu entscheiden haben. Nur, meine Damen und Herren, eines sollte ganz klar sein: Nur deshalb, weil die Bundesregierung mit Mitteln in dieser gewaltigen Höhe dort gefördert hat, ist es möglich und wird es nach meiner Überzeugung möglich bleiben, auch den Menschen in diesem Raum Arbeitsplätze zu gewährleisten, ohne daß die Umwelt über Gebühr in Anspruch genommen wird. Ich danke Ihnen sehr herzlich. ({10})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer.

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Buschhaus, das ist zwischenzeitlich die unendliche Geschichte, wie insgesamt umweltpolitische Glaubwürdigkeit verspielt wird. ({0}) Buschhaus ist zwischenzeitlich die unendliche Geschichte, wie sich die politisch Verantwortlichen im nachhinein aus der Verantwortung stehlen wollen. Herr Remmers kann nicht mehr anwesend sein. Das ist ein Musterbeispiel. Er war voll informiert. Er erklärt seine Beamten zu den eigentlich Schuldigen. Meine Damen und Herren, dabei hat es mit Buschhaus ja gut angefangen. Am Anfang stand der gemeinsame Beschluß dieses Hauses, aus energiepolitischen Gründen - aus Gründen des Kohlevorrangs sowie aus arbeitsmarktpolitischen Gründen - dieses Kohlekraftwerk in der Gegend von Helmstedt zu errichten. Ein zweiter Schritt war der gemeinsame Beschluß des Deutschen Bundestages vom Juni 1984, also der Beschluß von CDU, CSU, SPD, FDP und GRÜNEN zu Buschhaus. ({1}) Ich will die drei Elemente des Beschlusses nennen: Erstens. Das Kraftwerk Buschhaus darf erst nach Einbau einer Rauchgasentschwefelungsanlage in Betrieb gehen. Zweitens. Die Beschäftigung der Arbeitnehmer ist auch bis zu diesem Zeitpunkt sicherzustellen. Und schließlich: Die bisherige Schwefeldioxidemission im Raum Helmstedt muß bis zu diesem Zeitpunkt reduziert werden. Dieser Beschluß - bei wenigen Enthaltungen und einer Gegenstimme vom ganzen Bundestag gefaßt - war damals richtig, und er ist - das zeigt auch die Debatte in der heutigen Stunde - auch in den letzten drei Monaten richtig gewesen. Sie von der Koalition mußten diesen Beschluß auf Druck von Herrn Albrecht kippen, weil Herr Albrecht nicht einsehen wollte, daß Arbeit und Umwelt zusammengehören. ({2}) Meine Damen und Herren, deswegen tragen Sie von der Koalition auch Mitverantwortung für Buschhaus. Das ist ein weiteres Beispiel für die CDU-Schlamperei im Norden unseres Landes. ({3}) Herr Töpfer, zu Ihnen. Sie sagen zu Recht: Wir müssen bei allen Maßnahmen, die wir auf dem Gebiet der Umweltpolitik beschließen, auch auf den Vollzug achten. Wir - ob Bund oder Land - müssen also unserer Aufgabe der Vollzugskontrolle gerecht werden. Wir alle beklagen ein Vollzugsdefizit. Jetzt frage ich Sie - den Vorlauf, was Buschhaus angeht, haben Sie schon als rheinland-pfälzischer Minister mitbekommen - : Was hat denn die Bundesregierung unternommen, um zu kontrollieren, ob die über hundert Millionen DM an Bundesmitteln, die nach Buschhaus geflossen sind, auch tatsächlich für den verwendeten Zweck eingesetzt worden sind? Wo haben Sie sich denn mit Ihrem Kollegen Remmers verständigt? Nach den Informationen jetzt erklären Sie, Herr Töpfer: Ich lasse prüfen. - Töpfer erwägt Rückforderung von Steuergeldern, falls die Rauchgasreinigungsanlage des umstrittenen Kohlekraftwerks Buschhaus bei Helmstedt auch künftig nicht funktioniert - auch künftig nicht funktioniert. Eben haben Sie erklärt: Die Rauchgasentschwefelungsanlage funktioniert eigentlich - nicht vollständig, wie wir wissen. Wir werden jedenfalls dankbar sein, Herr Töpfer, wenn Sie uns im Umweltausschuß im Januar den Bericht vorlegen, was Sie unternommen haben und gegen welche Bestimmungen gegebenenfalls verstoßen worden ist. Ich will zum Schluß noch einmal die Position der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion festhalten. Schäfer ({4}) Unsere sozialdemokratische Position für Buschhaus ist klar. ({5}) Sie hat sich seit 1984 nie geändert. Erstens. Wir sind für die umweltfreundliche Verstromung der Kohle in Buschhaus. ({6}) Das Kraftwerk Buschhaus soll in Betrieb bleiben. Zweitens. Zum Schutze der Umwelt und der Gesundheit der in der Region lebenden Menschen dürfen dabei die vorgesehenen Grenzwerte nicht überschritten werden. Dies gilt auch für die 35 000 t Schwefeldioxid pro Jahr, die als Voraussetzung für die Genehmigung in Buschhaus gelten. Drittens. Bis die Rauchgasentschwefelungsanlage voll, wie beabsichtigt ist, funktionsfähig ist, muß sichergestellt werden, daß den dort beschäftigten Arbeitnehmern keine Arbeitsplatznachteile entstehen. ({7}) Die dort beschäftigten Arbeitnehmer dürfen nicht zum Opfer einer verfehlten Politik der niedersächsischen Landesregierung und technischer Schwierigkeiten werden. Ihnen gilt unsere Solidarität. ({8}) Arbeit und Umwelt, nicht: Arbeit oder Umwelt, das ist die sozialdemokratische Antwort auf die Hauptherausforderung der deutschen Innenpolitik. ({9})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Lattmann.

Herbert Lattmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001292, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits die Buschhaus-Debatte des Jahres 1984 hat gezeigt, ({0}) wie schwer es ist, zu einer wirklich sachgerechten Bewertung des komplizierten Sachverhalts zu kommen, wenn die Diskussion gezielt emotionalisiert wird, wenn Aufheizung an die Stelle von Aufklärung tritt und wenn einige Mitwirkende nicht die Frage stellen: Was ist nun wirklich? sondern: Wie kann ich die Dinge so hindrehen, daß sie mir parteipolitisch nützen? Leider hat ein Teil der Debattenbeiträge heute morgen diesen Eindruck wieder deutlich unterstrichen. Meine Damen und Herren, damit es keinen Zweifel gibt: Wie auch in allen anderen wichtigen Bereichen darf in der Frage Buschhaus nichts vertuscht und nichts verschwiegen werden. ({1}) Das gilt natürlich für die zuständigen Aufsichtsbehörden und die Politik, aber das gilt natürlich ganz besonders auch für die Verantwortlichen, den Betreiber der Anlage, der eben die unmittelbare Verantwortung für den Betrieb trägt. Da muß ich sagen: Was sich die Unternehmensleitung der BKB hier geleistet hat, beweist einen beträchtlichen Mangel an Sensibilität - und dies ist noch sehr freundlich ausgedrückt. ({2}) Wenn der zuständige Staatssekretär im niedersächsischen Umweltministerium noch bei einem Besuch am 5. - ({3}) - Nun randalieren Sie nicht! Hören Sie mal einen Augenblick zu! ({4}) Wenn der Staatssekretär im Umweltministerium dort bei einem Besuch am 5. November in Buschhaus über die tatsächlich bestehenden Probleme im unklaren gelassen wird, so muß wohl Absicht unterstellt werden. ({5}) Dies ist in Anbetracht der Vorgeschichte und des bekannten politischen Umfeldes ein Skandal und das Gegenteil von unternehmerischer Verantwortung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Kollegen haben zum Bereich Umwelt und den damit zusammenhängenden Fragen hier schon Stellung genommen. Ich möchte mich stärker dem Problem Sicherung der Arbeitsplätze zuwenden. Dazu hat es ja heute schon, wie auch 1984, einige sehr lautstarke Erklärungen gegeben. Bloß die Antwort auf die Frage, wie dies geschehen solle, sind die Kollegen der Opposition leider schuldig geblieben. ({6}) Bei der Debatte 1984 ist immer wieder gesagt worden, Buschhaus darf ohne Rauchgasentschwefelungsanlage nicht in Betrieb gehen, selbst dann nicht, wenn mit einer Inbetriebnahme eine deutliche Verbesserung der Umweltsituation gewährleistet ist. Was damals wie heute übersehen wurde, ist die Tatsache, daß für die Rauchgasentschwefelung bei der Verstromung von Salzkohle weltweit keine einzige funktionierende Anlage existierte. Im Gegenteil: Buschhaus ist die erste Anlage dieser Art. Es handelt sich hier - es ist schon mehrfach gesagt worden - nicht um einen Kaffeefilter, sondern um eine große chemische Fabrik ({7}) mit dem Umfang von fünf Fußballfeldern und einem Investitionsvolumen von weit über 400 Millionen DM. Nur ein Narr konnte glauben, daß eine solche Pilotanlage vom Punkt Null an sofort reibungslos funktioniert. ({8}) Nein, dies zeigt etwas anderes - auch das ist schon gesagt worden - : daß die technischen Prozesse ihren eigenen Gesetzen unterliegen und nicht von politischen Glaubensbekenntnissen ersetzt werden können. Wären wir der damaligen Aufforderung gefolgt, die von Ihrer Seite an uns gerichtet worden ist, dann wäre Buschhaus heute noch nicht am Netz, und es wären statt des Rauches eine Fülle von Arbeitsplätzen durch den Schornstein gegangen. ({9}) Damit komme ich zu meinem letzten Punkt. Wir brauchen - das ist hier mehrfach betont worden - eine vernünftige Abstimmung zwischen den Belangen des Umweltschutzes und den Erfordernissen des Erhaltes von Arbeitsplätzen. ({10}) Das gilt ganz besonders für den Raum Helmstedt, in dem Buschhaus liegt. Dies ist äußerstes Zonenrandgebiet, mit all den Problemen, die es dort gibt. Für die Zukunft dieses Raumes ist es nun einmal entscheidend, daß es gelingt, hier eine umweltverträgliche Verstromung der Salzkohle, die es in dieser Gegend ausreichend gibt, zu erreichen. In Buschhaus wird dieser Versuch erstmalig gewagt. Er darf nicht zu Fall gebracht werden, erst recht nicht von denen, die unter dem Vorwand des Umweltschutzes hier ganz andere Ziele verfolgen. ({11}) In diesem Zusammenhang will ich doch noch einen Punkt ansprechen, der für den Verlust an Glaubwürdigkeit bezeichnend ist, den Sie hier zu verantworten haben. Es ist schon eine schlimme Sache, wen beispielsweise der Senat der Hansestadt Hamburg - dessen Bürgermeister in der letzten Wochen hier wüst gegen ein Gesetz polemisiert hat, das zusätzliche Mittel zur Überwindung der Strukturprobleme nach Niedersachsen bringt -, ({12}) eine Initiative zur Änderung des Zonenrandförderungsgesetzes ergreift mit dem Ergebnis, daß ein Raum wie der Landkreis Helmstedt und andere strukturschwache Gebiete im Zonenrandbereich völlig aus der Förderung herausfallen. ({13}) Das ist die Art und Weise, wie Sie mit strukturschwachen Gebieten umgehen. Ich sage Ihnen: Dies stößt auf unseren erbitterten Widerstand. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, daß dies unterbleibt - ebenso wie der Versuch, hier mit vordergründigen Argumenten Helmstedt und Buschhaus zu schädigen. Wir - das darf ich abschließend sagen - , die CDU/ CSU, stehen voll auf dem Boden der Entschließung der IG Bergbau und Energie in Helmstedt. Wir werden alles tun, damit die technischen Pannen beseitigt und die Dinge vorangetrieben werden. ({14})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Ich habe zunächst einmal folgendes bekanntzugeben. Als Nachfolger für den verstorbenen Kollegen Dr. h. c. Lorenz hat am 9. Dezember 1987 der Abgeordnete Dr. Mahlo die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich kann Herrn Dr. Mahlo nicht persönlich hier begrüßen; denn er hat uns mitgeteilt, daß er bis Ende Januar an den Sitzungen nicht teilnehmen kann. Dann, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen mitteilen, daß interfraktionell vereinbart worden ist, daß die verbundene Tagesordnung beim nächsten Tagesordnungspunkt, dem Punkt 21, um folgendes ergänzt werden soll: Zunächst einmal um den Antrag der Fraktion der SPD: Krise in der Eisen- und Stahlindustrie - dieser ist auf Drucksache 11/1504 eingebracht worden - , darüber hinaus den Antrag der Abgeordneten Frau Hillerich und der Fraktion der GRÜNEN: Sicherung des Stahlstandortes Duisburg-Rheinhausen - er liegt auf Drucksache 11/1522 vor - , darüber hinaus den Antrag der Fraktion der SPD: Solidarität mit den Beschäftigten in Duisburg-Rheinhausen - dieser Antrag liegt auf Drucksache 11/1524 vor. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist, daß diese interfraktionelle Vereinbarung übernommen wird. - Offensichtlich ist das der Fall. Damit kann ich Punkt 21 der Tagesordnung sowie die Zusatzpunkte 11 und 13 und die gerade zusätzlich aufgesetzten Punkte der Tagesordnung aufrufen: 21. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({0}) zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP Lage der deutschen Stahlindustrie zu dem Antrag der Fraktion der SPD Krise in der Eisen- und Stahlindustrie zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Sicherung der Stahlstandorte und der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie und in den Stahlregionen - Drucksachen 11/402, 11/123, 11/398, 11/1305 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Lammert Reuschenbach ZP11 Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Sicherung der Stahlstandorte und der Stahl-Arbeitsplätze: Umbau der Stahlindustrie und der Stahlregionen - Drucksache 11/1477 - ZP13 Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Krise in der Eisen- und Stahlindustrie - Drucksache 11/1504 3546 Vizepräsident Cronenberg Antrag der Fraktion der SPD: Krise in der Eisen- und Stahlindustrie - Drucksache 11/1504 Antrag der Abgeordneten Frau Hillerich und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sicherung des Stahlstandortes Duisburg-Rheinhausen - Drucksache 11/1522 - Antrag der Fraktion der SPD: Solidarität mit den Beschäftigten in Duisburg-Rheinhausen - Drucksache 11/1524 Für die Debatte ist im Altenstenrat eine Diskussionszeit von zwei Stunden beschlossen worden. Auch dagegen erhebt sich kein Widerspruch, so daß ich das als beschlossen betrachten darf. Damit kann die Debatte beginnen. Das Wort hat der Abgeordnete Roth.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seitdem der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages seine Beschlußempfehlung formulierte, ist in der deutschen Stahlindustrie alles anders geworden. Ein neuer Name „Rheinhausen-Duisburg" steht für eine dramatische Zuspitzung der Krise und gleichzeitig für einen Unternehmensskandal ohne jedes Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland. Die SPD-Bundestagsfraktion erklärt sich mit den 5 300 betroffenen und betrogenen Arbeitnehmern der Krupp Stahl AG in Rheinhausen solidarisch. Wir werden die Betroffenen mit allen Mitteln beim Kampf um die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze unterstützen. ({0}) Die von den Stahlmanagern in den Chefsesseln der Konzerne geplante Kahlschlagsanierung - sei es bei Thyssen in Oberhausen oder Hattingen, sei es bei der Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg oder bei Krupp in Rheinhausen - darf es in der Bundesrepublik nicht geben. Es ist höchste Zeit, daß nicht mehr die betriebswirtschaftlichen Ziele allein zum Maßstab der Stahlpolitik gemacht werden. Die soziale Verantwortung, die Sicherung von Regionen und Stahlstandorten, steht vor dem Unternehmensinteresse. Das bedeutet „Soziale Marktwirtschaft" . ({1}) Als die Bundesregierung am 2. Oktober 1987 in der Stahlrunde im Kanzleramt die Frankfurter Vereinbarung und damit die Vernichtung von 35 000 Arbeitsplätzen vor allen Verhandlungen in der EG akzeptiere, verkündete sie gleichzeitig: Damit werden wir die Stahlkrise in der Bundesrepublik Deutschland auf Dauer überwinden. Rechnet man die 2 000 Arbeitsplätze der Maxhütte und nun die zusätzlich zur Vernichtung freigegebenen Arbeitsplätze in Rheinhausen dazu, dann hat die Bundesregierung 40 000 Arbeitsplätze aufgegeben. In dem erst einige Tage zurückliegenden EG-Stahlministerrat vom 8. Dezember 1987 in Brüssel mußte der für Stahlpolitik verantwortliche Bundeswirtschaftsminister das völlige Scheitern seines Verhandlungskonzeptes eingestehen. ({2}) Das zeigt sich in vier Punkten: Erstens. Der als deutsche Vorleistung gedachte und eingebrachte Kapazitätsabbau beeindruckte die europäischen Nachbarn überhaupt nicht. Kein anderer Mitgliedstaat erklärte sich zu eigenen Zugeständnissen, zu eigenen Kapazitätskürzungen und damit zu einem vergleichbaren Arbeitsplatzabbau bereit. Zweitens. Das Produktionsquotensystem für schwere Produkte wurde nur um sechs Monate, bis Mitte des nächsten Jahres, verlängert. Damit ist eine völlig neue Unsicherheit in die Planungen der Unternehmen gekommen. Drittens. Die dringend benötigte Verlängerung des Krisenregimes um mindestens drei Jahre wird vom Wohlverhalten der anderen Mitgliedstaaten abhängig gemacht. Es hängt vom Wohlverhalten ab, ob es gelingt, ausreichende Stillegungsangebote, die es bisher nicht gibt, zu erhalten, oder ob es nicht gelingt. Das ist also die Gegenleistung zu 40 000 geopferten deutschen Stahlarbeitsplätzen! Viertens. Herr Bangemann hat dafür der Beseitigung der Quoten von so wichtigen Stahlprodukten wie Stabstahl und Walzdraht bereits zum 1. Januar zugestimmt, ({3}) obgleich er damit der Maxhütte und der Saarstahl AG in Völklingen, die auf diese Produkte spezialisiert sind, wohl den endgültigen Todesstoß versetzt hat. ({4}) Man fragt sich, meine Damen und Herren: Warum sind diese Stahlstandorte im voraus zum Abschuß freigegeben worden? ({5}) Die Ergebnisse aus Brüssel können auf einen Nenner gebracht werden: Moderne, leistungsfähige und wettbewerbsfähige Unternehmen in der Bundesrepublik sind von Stillegungen und von Arbeitsplatzvernichtungen bedroht, während die maroden Staatsunternehmen in anderen EG-Staaten weiter produzieren und keine Angebote auf dem Tisch liegen. Angesichts dieser verheerenden Situation nach Brüssel muß sich der Bundeskanzler fragen lassen - die Frage geht jetzt nicht mehr an den Bundeswirtschaftsminister -, was er persönlich unternimmt, um die Versprechungen aus den beiden Regierungserklärungen von 1983 und 1987 einzulösen. ({6}) Ich zitiere aus dem Jahre 1983: „Die Bundesregierung wird mit äußerster Entschiedenheit den internationalen Subventionswettlauf bekämpfen. " Das sagte der Bundeskanzler 1983. 1987 versprach er: „Wir werden weiterhin unseren Einfluß in der Europäischen Gemeinschaft geltend machen, um faire Wettbewerbsbedingungen durchzusetzen. " Herr Bangemann hat am 16. Oktober hier im Parlament gesagt, man könne nicht sicher sein, daß alle EG-Staaten am Subventionskodex festhielten, und daß es ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile gebe, die durch verbotene Subventionen entstünden. Ich frage Sie, meine Damen und Herren, und ich frage die Bundesregierung, was sie am 8. Dezember in Brüssel unternommen hat, um dieses Ziel zu erreichen. ({7}) Ich frage in Richtung auf den Bundeskanzler: Hat er beim europäischen Gipfel in Kopenhagen das Thema Stahl zur Sprache gebracht, in einer Situation, wo wir im Ruhrgebiet bereits Zustände haben, wie in der Bundesrepublik seit der Kohle-Krise von 1966 nicht mehr? ({8}) Ist das Thema Stahl eine Erörterung auf dem Gipfel nicht wert? Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung von 1983 versprochen - ich zitiere: „Wir verlangen von den deutschen Unternehmen ein überzeugendes Konzept zur Neuordnung der Kapazitätsanpassung. " Das war 1983. Was hat der Bundeskanzler wann zur Durchsetzung eines derartigen Konzepts bei der Stahlindustrie getan, und was hat er eingefordert? ({9}) Warum ergreift er nicht die Initiative, ({10}) wenn die deutsche Stahlindustrie von sich aus zu einer Lösung der Krise nicht imstande ist? Die Betriebsräte von Krupp-Stahl waren zu Gesprächen beim Bundeswirtschaftsminister und beim Arbeitsminister. Ich höre, der Oberbürgermeister von Duisburg spricht heute mit dem Chef des Bundeskanzleramtes. Was sind die Ergebnisse dieser Gespräche? Wir sehen bei den Betroffenen nur Enttäuschung und zunehmende Verbitterung. Außer vollmundigen Reden und Versprechungen hat die Bundesregierung bis zum heutigen Tage nichts, aber auch gar nichts, bezogen auf die betroffenen Stahlstandorte, getan. Das ist die Wahrheit. ({11}) Wir sehen nur Ratlosigkeit, Hilflosigkeit und - was noch schlimmer ist - beim Bundeswirtschaftsminister vor allem Tatenlosigkeit. ({12}) Wir werfen der Bundesregierung und den Vorständen in den Stahlkonzernen vor, daß sie die Zeiten der guten Konjunktur überhaupt nicht genutzt haben, um eine Lösung der Problematik vorzubereiten, obwohl die konjunkturelle Atempause für die meisten Konzerne Gewinne in dreistelliger Millionenhöhe erbracht haben. Diese Chancen der letzten Jahre wurden verspielt. Der Bundeswirtschaftsminister hat sich für keine Lösung ernsthaft interessiert. ({13}) Wir, die SPD-Fraktion, stellen dieser konzeptionslosen Politik unser Konzept gegenüber. Wir fordern die sofortige Einberufung eines nationalen Stahlausschusses, in dem ein koordiniertes nationales Stahlkonzept verbindlich vereinbart wird. ({14}) Nur so kann die Position der Stahlindustrie abgesichert werden, und nur so können den betroffenen Arbeitnehmern Zukunftsperspektiven eröffnet werden. Wir fordern darüber hinaus, daß sich der Bundeskanzler an seine Regierungserklärung erinnert und mit dem ganzen Gewicht der Bundesrepublik das Thema Stahl und die Wettbewerbsbedingungen beim Stahl zum Thema eines europäischen Gipfels macht. Nachdem Ende November dieses Jahres auch der Bundesrat einen entsprechenden Beschluß gefaßt hat, kann der Bundeskanzler mit der vollen Rückendekkung beider Häuser endlich die Stahlkrise zum Thema eines europäischen Gipfels machen. Mit dem von uns verfolgten Konzept Zukunftsinitiative Montanregionen sollen vor allem die dringend benötigten neuen Arbeitsplätze im von Strukturwandel besonders benachteiligten Montanbereich geschaffen werden. Wir brauchen ein Revierprogramm, das der Bund mitträgt. Dazu gehören vor allem Ausbau und Modernisierung der Infrastruktur, Ersatzarbeitsplätze, Erschließung neuer Gewerbeflächen, Wiederbelebung von Industriebrachen, Sanierung von Altlasten und Verbesserung der Umwelt- und der Energiesituation. Meine Damen und Herren, wir fordern Sie auf, dieses Programm zu einer überparteilichen Initiative zu machen, so wie es in NRW im Landtag überparteilich gefordert ist. ({15}) Wir fordern Sie, falls Ihr kleinerer Koalitonspartner nicht bereit ist, da mitzumachen, auf: Lassen Sie ihn mit seinen marktradikalen Rezepten an der Seite stehen, und bekennen Sie sich zu einer sozialen Marktwirtschaft auch in der Handlung auf diesem Gebiet! ({16}) Ich erinnere die Damen und Herren der CDU daran, daß sie an Rhein und Ruhr auch das historische Erbe von Karl Arnold zu verwalten haben. Vielleicht können wir daraus eine Gemeinsamkeit für die Zukunftsinitiative Montanregionen herleiten. Es wäre gut, wenn sich der neue Landesvorsitzende der CDU, Norbert Blüm, endlich dieser Aufgabe einer gemeinsamen Initiative für den Ruhrraum konzentriert zuwenden und uns in unserer Zukunftsinitiative Montanregionen unterstützen würde. ({17}) Meine Damen und Herren, wenn Sie von den Regierungsfraktionen in Ihrem Entschließungsantrag nur von der Verlängerung des Stahlstandorteprogramms reden, vergessen Sie, zu sagen, daß primär Nord3548 rhein-Westfalen dieses Programm finanziert. Wenn Sie sich beispielsweise rühmen, die Bundesregierung habe für Montan- und Schuhregion zusätzlich dreimal 60 Millionen DM ausgegeben, so möchte ich darauf hinweisen, daß Sie für die Küste für denselben Zeitraum 420 Millionen DM ausgegeben haben. Die Beschäftigten in den Montanregionen können mindestens Gleichbehandlung mit anderen Regionen erwarten. Diese Politik wird ja auch in Ihren eigenen Reihen kräftig kritisiert. Zitieren möchte ich Herrn Strauß: Angesichts der Zusagen - sagt er - müsse das finanzielle Zugeständnis des Bundes im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe als geradezu armselig bezeichnet werden. - Armselig! Dieses vernichtende Urteil, ist, wie gesagt, das Urteil Ihres Ministerpräsidenten in Bayern, ({18}) und zwar in einer Region, wo die Abhängigkeit vom Stahl weiß Gott nicht so groß ist wie an Rhein und Ruhr und an der Saar. Wir haben seinem Urteil nichts hinzuzufügen. Am Schluß meiner Rede wende ich mich noch einmal an Sie von der CDU/CSU: Wollen Sie wirklich, daß 5 300 Beschäftigte in Duisburg-Rheinhausen, 5 050 in Bochum, Hattingen und Hagen, 3 600 in Dortmund, 9 250 in Duisburg, 2 400 in Düsseldorf, 4 270 in Mülheim und in Oberhausen, 1 800 in Siegen, 600 in Troisdorf, 600 in Bremen, 1 200 in Osnabrück und 2 800 in Salzgitter ihren Arbeitsplatz verlieren, ohne daß es ein Konzept Montanregionen für die Zukunft gibt? Das ist die heutige Situation. ({19}) Wollen Sie tatsächlich den Kahlschlag der Montanregionen? Ich wende mich noch einmal ganz besonders an die 58 CDU-Mitglieder aus NRW. Sie wissen doch, was auf das Revier zukommt. Wollen Sie tatsächlich, daß in den nächsten Jahren, ohne eine neue Initiative des Bundes zu bekommen, 200 000 Arbeitsplätze im Ruhrgebiet und in den übrigen Montanregionen vernichtet werden? Wollen Sie das wirklich akzeptieren? Wollen Sie ihre Landespartei, jedenfalls Ihre Kollegen im Landtag, weiterhin im Regen stehen lassen? Wir fordern hier eine gemeinsame Initiative der beiden großen Parteien. Meine Damen und Herren, jetzt gleich spricht der Bundeswirtschaftminister, der interessiert mich heute nur sekundär. Mich interessiert der Bundeskanzler, und mich interessiert die CDU/CSU-Fraktion bezogen auf die heutige Situation in Rheinhausen, im Ruhrgebiet insgesamt. Sie wissen, was dort auf den Straßen geschieht. Eine Beruhigung wird erst eintreten, wenn Sie die Initiative Montanregionen übernehmen, wenn Sie uns unterstützen. ({20})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann.

Dr. Martin Bangemann (Minister:in)

Politiker ID: 11000089

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns erst kürzlich mit der Situation in der Stahlindustrie beschäftigt. Seither haben sich die Dinge verschärft, ohne daß der zugrundeliegende Sachverhalt anders geworden wäre. ({0}) Nach wir vor ist der Strukturwandel kein deutsches, sondern ein internationales Problem. Nach wie vor kommt es darauf an, daß in der Europäischen Gemeinschaft dieser Strukturwandel gemeinsam bewältigt werden kann. Dazu gibt es aber eine Reihe von Forderungen der Opposition, die ungeeignet sind. ({1}) Die Forderung der Opposition nach einem nationalen Stahlverbund, nach einer einheitlichen bundesdeutschen Stahl AG nach dem Vorbild der Ruhrkohle AG oder auch die Vergesellschaftung helfen überhaupt nicht. ({2}) - Eine Meinung werde ich ja wohl noch haben dürfen! ({3}) Hier wird nur Aktionismus vorgetäuscht; denn dadurch - das weiß jeder - wird keine Tonne mehr Absatz möglich, ({4}) die Verantwortlichkeiten werden verwischt, und der Arbeitsplatzabbau kann durch solche Maßnahmen nicht verhindert werden. ({5}) Wer das noch bezweifelt, möge doch das Schicksal der verstaatlichen Stahlindustrie betrachten. Wir haben verstaatlichte Stahlindustrien in der Europäischen Gemeinschaft. ({6}) - Herr Farthmann - jetzt sage ich schon „Herr Farthmann" - , Herr Stratmann, setzen Sie sich bitte hin. ({7}) - Da haben Sie recht. Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Sie mit Herrn Farthmann verwechselt habe. Trotzdem möchte ich jetzt meine Rede im Zusammenhang vortragen. (Stratmann [GRÜNE]: Verstehen Sie, daß Verstaatlichung etwas anderes ist? - Ja. Verstaatlichte Stahlindustrien in Italien, in Großbritannien und außerhalb der Gemeinschaft in Osterreich haben unter gar keinen Umständen anders handeln können als die private Stahlindustrie. Weltweit ist die Nachfrage zurückgegangen. Selbst die riesigen Erhaltungssubventionen, die diese Staaten ohne jeden Zweifel an ihre Industrien gezahlt haben, haben den Arbeitsplatzabbau nicht verhindern können. ({8}) Ich habe schon einmal diese Zahlen vorgetragen. Ich trage sie noch einmal vor. Da muß ich einmal den Antrag der GRÜNEN loben: Sie haben in ihrer Begründung sogar richtigerweise darauf hingewiesen, daß in diesen anderen Ländern der Arbeitsplatzabbau sehr viel stärker war als bei uns. So ist es nämlich. ({9}) British Steel z. B. hat über 70 % der Arbeitsplätze verloren, USINOR und Sacilor, also in Frankreich, ebenfalls ein Beispiel einer verstaatlichten Stahlindustrie, 60 %, ({10}) und in der deutschen Stahlindustrie sind es 41 %. Das heißt, die Verstaatlichung der Stahlindustrie würde nichts bewirken. Sie würde die Dinge nur schlechter machen. ({11}) Eine Kapazitätsanpassung ist nicht zu vermeiden. Davon sind die Beteiligten ja auch ausgegangen, als wir von Bund und Land die Frankfurter Erklärung begleiten wollten und begleitet haben. Meine Damen und Herren, deswegen ist es hier auch gar nicht anders möglich, als mit dieser Einsicht mit der notwendigen Anpassung zu beginnen. Damit steht niemand allein. Die Bundesregierung, die Kommission, die IG Metall, die Wirtschaftsvereinigung, jeder weiß: das ist notwendig. Die Kommission schätzt diese Überkapazität in der Gemeinschaft auf 30 Millionen Tonnen. Die Weisen schätzen sie geringer ein. Wir waren uns in den Beratungen im Stahlrat darüber einig, bis zum 22. Dezember 1987 den Versuch zu machen, eine Liste vorzulegen, in der die ernsthafte Absicht der Stahlindustrien der Mitgliedsländer enthalten sein soll, Kapazität stillzulegen. Deswegen ist auch der Antrag, den die SPD-Fraktion vorgetragen hat, in seiner Begründung völlig falsch. Im ersten Anstrich dieses Antrags heißt es, auf der Tagung des EG-Ministerrats am 8. Dezember 1987 sei kein anderer EG-Mitgliedstaat bereit gewesen, auch nur annähernd einen so weitgehenden Kapazitätsabbau im eigenen Lande vorzunehmen, wie er von der Bundesrepublik Deutschland durch die genannten Vorleistungen erbracht worden sei. Dazu ist zu sagen: Wir haben überhaupt keine Vorleistungen erbracht. Es wurde überhaupt nicht darüber diskutiert, in welchem Ausmaß wo Kapazitätsabbau möglich wäre; denn das soll ja erst bis zum 22. Dezember 1987 vorbereitet werden. Deswegen ist es völlig unsinnig, zu sagen, daß kein anderer EG-Mitgliedstaat bereit gewesen sei. Im Gegenteil, die Kollegen haben ihre Bereitschaft überdeutlich zum Ausdruck gebracht. Dieser Anstrich ist völlig falsch. Genauso falsch ist das, was der Kollege Roth hier wiederholt hat. Aber es stört Sie ja gar nicht, daß Sie einfach Dinge behaupten, in die Welt setzen, die mit keinem Buchstaben korrekt sind. Das ist für mich langsam wirklich ein Skandal. In einer solchen Debatte über ein so schwieriges, ernsthaftes Thema so leichtfertig mit den Tatsachen umzugehen, hilft niemandem. Das müssen Sie sich einmal gesagt sein lassen. ({12}) Im zweiten Anstrich Ihres Antrags schreiben Sie, daß der für die Stahlpolitik verantwortliche Bundeswirtschaftsminister einer Liberalisierung - ({13}) - Was gibt es nicht? ({14}) - Ich lese jetzt Ihren Antrag vor, Herr Roth: ({15}) daß der für die Stahlpolitik verantwortliche Bundeswirtschaftsminister einer Liberalisierung der Stahl-Gruppen IV und VI, Stabstahl und Walzdraht, zugestimmt hatte, obwohl davon die ohnehin notleidenden Stahlwerke Maxhütte und Saarstahl Völklingen besonders betroffen werden; . . . Das ist völlig falsch. Es gab keine Abstimmung über die Frage der Liberalisierung dieser beiden Kategorien. In der Diskussion gab es drei Länder, die erklärt haben, daß sie das nicht liberalisieren wollten, nämlich die Bundesrepublik, Luxemburg und Belgien. Ich habe die Kommission gefragt: Sind Sie denn nicht bereit, auch hierzu einen Vorschlag zu machen? Darauf hat die Kommission geantwortet: Niemals, nur über unsere Leiche. Alle anderen Mitgliedsländer haben erklärt, sie seien nicht damit einverstanden. ({16}) - Ich frage mich ja: Wissen sie es - dann behaupten sie hier etwas wider besseres Wissen -, oder wissen sie es nicht; dann ist es schon erstaunlich, wie sie mit den Fakten umgehen. ({17}) - Ach, Herr Roth: In der Agrarfrage ist ein Veto drin. Weichen Sie doch nicht aus. Das, was Sie hier produzieren, ist dem Ernst der Situation nicht angemessen. Das ist das Problem. ({18}) - Von jedem anderen in der SPD-Fraktion hätte ich so einen Zwischenruf erwartet. Von Ihnen nicht. Da kann man einmal sehen, wie die Mitgliedschaft in so einer Fraktion selbst so gute Leute wie Sie verdirbt. ({19}) Die EG-Kommission hatte ihre Vorschläge für die Fortsetzung des Quotensystems unter Bezugnahme auf den Bericht der drei Weisen am 26. November 1987 geändert. Sie schlug vor, die derzeitige Quotenregelung zu verlängern, und zwar bis zum 30. Juni 1988 für die Erzeugnisgruppen I a - also Breitband - , I b - Feinblech -, und dabei die Quoten im zweiten Quartal um 2,5 % zu erhöhen und bis Ende 1990 für die Gruppen II - Grobblech - und III - schwere Profile - , sofern sie bis zum 15. Dezember 1987 über klare Angaben verfügt und bis zum 15. März 1988 feste Zusagen für Kapazitätsreduzierungen erhält. Ansonsten sollte die Verlängerung nur bis zum 30. Juni 1988 gelten, um dann die Langprodukte - das habe ich gerade schon gesagt - zu liberalisieren. Wir haben uns in einer sehr schwierigen Ausgangslage befunden, die ich schon einmal beschrieben habe: Wenn die Kommission einen Vorschlag macht, wird ein solcher Vorschlag natürlich akzeptiert, wenn die anderen Länder damit einverstanden sind. Macht sie keinen Vorschlag, weil sie keine Mehrheit findet, müssen wir einstimmig einen anderen Vorschlag vorlegen. Einstimmigkeit bei den anderen zu erreichen ist nicht möglich, weil Großbritannien und die Niederlande - um nur zwei zu nennen - klipp und klar gesagt haben, daß sie gegen jede Verlängerung der Quotenregelung seien. Das ist die Ausgangslage, d. h. wir haben praktisch nichts in der Hand gehabt, weil die Kommission mit uns zusammen diese Situation nicht so betrachtet, wie wir das tun. Deswegen war das eine sehr schwierige Situation. Deswegen war es sehr gut, daß wir erreicht haben, daß wir noch einmal den Versuch unternehmen, bis zum 22. Dezember Indikationen über die Stillegungsabsichten der einzelnen Industrien zu erreichen und daß, wenn diese Indikationen vorgelegt werden können - wir werden uns intensiv darum bemühen - , die Kommission bereit ist, die Quotenregelung zunächst bis zum 30. Juni 1988 fortzuführen, damit dann verbindliche, konkrete Zusagen in diesem Zeitraum gegeben werden können. Jedenfalls für die Kategorien II und III hat sie es bereits erklärt, und sie hat gesagt, für die Kategorie I werde sie mit Blick auf die Marktlage dann auch einen Vorschlag machen können. Das ist keine Schiebeverfügung, meine Damen und Herren, das ist das beste Ergebnis, das unter diesen Umständen überhaupt zu erreichen war. Ich habe es erreicht, weil wir uns mit allen Mitteln eingesetzt haben, die uns zur Verfügung stehen. Wir haben mit jedem einzelnen - bilateral - geredet, wir haben unsere Zugeständnisse, die wir natürlich auch machen, einbringen müssen, damit diese Situation zustande gekommen ist. Das ist ein Ergebnis, das der deutschen Stahlindustrie die Möglichkeit gibt, eine Stillegung der Kapazitäten mit anderen zusammen zu organisieren, und zwar - auch das haben wir, allerdings nicht im Protokoll, sondern zunächst unter uns, vereinbart - nach einer Weise, nach einer Methode, die eine gleichgewichtige Kapazitätsstillegung möglich macht, unter Berücksichtigung der Rentabilität der Anlagen. Das ist übrigens am Vortag mit der IG Metall, mit der deutschen Stahlindustrie abgesprochen gewesen. Da sitzt der Herr Vondran, der bei der Unterredung dabei war und nachher hier auch noch das Wort ergreifen wird. Er kann es bestätigen. Wir haben das durchgesetzt, was wir am Tage zuvor mit IG Metall und Stahlindustrie als denkbares und akzeptables Ergebnis besprochen haben. Wer will denn das jetzt eigentlich noch kritisieren? Nach welchen Maßstäben soll das kritisiert werden? ({20}) Es ist das beste Ergebnis, das überhaupt möglich war. ({21}) Das ist so. Jetzt sind Sie schon etwas ruhiger geworden, und das ist auch ganz gut. ({22}) Wenn man hier etwas erreichen will, brauchen wir auch eine gemeinsame Position in diesem Hause. Wir werden in Zukunft vor nicht einfachen Entscheidungen stehen; denn all denen, die das hier immer wieder kritisieren, die Stillegungen im konkreten, die natürlich von den davon betroffenen Menschen nicht akzeptiert werden, muß gesagt werden: Es geht natürlich nicht beides, wir können nicht eine Gesundung der Stahlindustrie und gleichzeitig die Erhaltung jedes Arbeitsplatzes oder jedes Stahlstandortes erreichen; das ist nicht möglich. Diese Fortschritte dürfen aber über eines nicht hinwegtäuschen. Auch für die Kategorien I bis III wird es zu einer Verlängerung der Quoten nur kommen, wenn sichergestellt ist, daß die Quoten die Strukturen nicht konservieren. Das heißt, es muß sicher sein, daß die Umstrukturierung in allen Mitgliedsstaaten weitergeht. Das verlangt von anderen Mitgliedsstaaten noch mehr als von uns, denn leider ist es so, daß in den Ländern, in denen die Stahlindustrie verstaatlicht worden ist, der Strukturwandel bisher nicht genügend aufgegriffen worden ist. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie verhängnisvoll die Verstaatlichung wirkt. ({23}) Die Kritik von Frau Fuchs, die sich genauso in dem Sinne profiliert, wie ich es gestern schon bei der Kohledebatte kritisiert habe - man darf in dieser schwierigen Situation nicht als Bandstifter auftreten -, ({24}) die Quotenregelung werde zwar verlängert, aber gleichzeitig müßten Arbeitsplätze abgebaut werden, zeugt von dieser mangelnden Kenntnis der Zusammenhänge. ({25}) Ich kann die Verlängerung der Quotenregelung überhaupt nur erreichen, wenn die Gemeinschaft bereit ist, Arbeitsplätze abzubauen. Ist das nun nicht endlich einmal zu verstehen? Das ist der Zusammenhang, ohne den es eine Regelung nicht gibt. Deswegen, meine Damen und Herren, werden wir um weitere Stillegungen weder bei uns noch in anderen Mitgliedsstaaten herumkommen. Wir sind gerade dabei, die politischen Widerstände in anderen Mitgliedsländern zu überwinden, die dieser Stillegung noch entgegenstehen. ({26}) - Ja, das sind politische Widerstände. Das ist ja gerade das Verhängnisvolle: Wenn eine Stahlindustrie verstaatlicht ist, dann tritt der seltsame Zustand ein, den wir in zwei Mitgliedsländern erlebt haben, daß das Management dieser Unternehmen erklärt: Betriebswirtschaftlich müßten wir stillegen, wir dürfen aber nicht, weil unsere Regierung es uns nicht erlaubt. So sieht das dann nämlich aus. Dann werden wirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Verantwortlichkeiten verwischt, man wurstelt, durch politische Zwänge veranlaßt, vor sich hin, und das Schicksal der Menschen wird durch die totale Möglichkeit, Arbeitsplätze zu verlieren, immer bedrohlicher. Man braucht sich da nur in Nachbarländern umzugucken, wo die Stahlindustrie verstaatlicht ist, da stellt man fest, daß es da so aussieht. Im übrigen, meine Damen und Herren, wird man, wenn man das einmal untersucht, auch feststellen ({27}) - setzen Sie sich bitte hin, ich will's nicht dreimal sagen - , in welcher Weise ein Management Kosten produziert, wenn es weiß, daß es auf den Steuersäckel zurückgreifen kann. Die Kostensituation der verstaatlichten Stahlindustrie, z. B. in Italien, ist katastrophal. Warum? Weil man dort genau weiß, daß der Staat ihre Verluste bei Bedarf abdecken wird. Deswegen ist das kein Weg. Nach dem EGKS-Vertrag kann der Rat der Kommission nur einstimmig zur Pflicht machen, Quoten einzuführen oder zu verlängern. Deswegen, meine Damen und Herren, müssen wir angesichts der Kommission gemeinsam eine Position erreichen, bei der eine Quotenverlängerung möglich ist. Diese Quotenverlängerung wird als Mittel zur Gesundung der Stahlindustrie nur dann funktionieren, wenn gleichzeitig die Subventionsdisziplin eingehalten wird. Die Bundesregierung hat im Rat nachdrücklich darauf hingewiesen, daß der Subventionskodex strikt eingehalten werden muß und ein neuer Subventionswettlauf zu verhindern ist. Die Kommission hat noch einmal bestätigt, daß sie das tun wird. Ich denke, daß das nicht allein Italien oder andere Mitgliedsländer der Gemeinschaft betrifft, sondern das betrifft auch uns. Ich appelliere noch einmal an alle Landesregierungen, jegliche Subventionierung, die gegen den Subventionskodex verstößt, zu unterlassen und gar nicht erst zu beabsichtigen. Denn wenn wir selber den Subventionskodex verletzen, verliere ich jede Möglichkeit, die Verletzung des Subventionskodexes bei anderen abzustellen. Ich sage das vor den praktischen Hintergründen, vor denen man leider auch bei uns Stahlpolitik machen muß. Denn die Landesregierungen, die davon betroffen sind, sind hier genauso gefragt wie die Bundesregierung. Ich kann in Brüssel nicht sagen: Es tut mir leid, das war nicht die Bundesregierung, sondern das war eine Landesregierung. Natürlich wird die Bundesrepublik in Brüssel vernünftigerweise als Ganzes genommen. Da werden Verfehlungen von Landesregierungen der Bundesrepublik insgesamt zugeschrieben. Wir haben auch zum erstenmal einen konkreten Vorschlag der Kommission zur sozialen und regionalen Flankierung; auch das haben wir erreicht. Als die Kommission begonnen hat, diese Vorstellungen vorzutragen, hatte sie noch keine einzige Überlegung zur regionalen und sozialen Flankierung angestellt. Erst auf unser Drängen hin ist das ergänzt worden und wird das mit Mitteln auch aus dem Haushalt der EGKS ausgestattet. Das bietet eine Möglichkeit, zusätzliche Arbeitsplätze in diesen Regionen neu zu schaffen oder den Strukturwandel sozial akzeptabel zu machen. ({28}) - Die Kommission, Herr Kollege, wird nur vernünftige Initiativen akzeptieren, d. h. die von Ihnen genannte in dieser Form sicher nicht, jedenfalls so lange nicht, ({29}) wie sich nicht einmal die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen darüber einig ist, wie das überhaupt finanziert werden soll. ({30}) Ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich gestern einen Ticker einer Nachrichtenagentur las, in dem es hieß - ({31}) - Ja, den Menschen gegenüber kann man eine solche Haltung der Landesregierung von NordrheinWestfalen nun in der Tat nicht mehr verantworten. ({32}) Ich will das hier einmal verlesen, meine Damen und Herren, damit deutlich wird, wie diese Landesregierung dieses schwerwiegende Problem behandelt: ({33}) Die Frage von Landeshilfen zur Schaffung zukunftssicherer Arbeitsplätze in den Kohle- und Stahlregionen hat die nordrhein-westfälische SPD-Regierung entzweit. Am Tage massenhafter Aktionen von Stahlwerkern und anderen Arbeitnehmern im Ruhrgebiet suchte NRW-Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen mit der Erklärung die Öffentlichkeit, notfalls werde das Land - über alle finanzpolitischen Bedenken hinweg - allein das Zwei-Milliarden-Zukunftsprogramm Montanregionen tragen, das bislang der Bund mit zwei Dritteln mitfinanzieren wollte. Davon wollte aber Finanzminister Diether Posser nichts wissen. Und aus der Staatskanzlei von Ministerpräsident Johannes Rau hieß es lapidar: Einen Kabinettsbeschluß dazu gibt es nicht. Rau sei im übrigen für eine Stellungnahme zu diesem Thema nicht verfügbar. ({34}) Außerdem machte Regierungssprecher Helmut Müller-Reinig deutlich, er könne nicht den Schiedsrichter zwischen zwei Ministern spielen. ({35}) Damit blieb die Kabinettslinie weiter im dunkeln. Der interessierte Ruhrarbeitnehmer wird sich möglicherweise nun fragen, in welchem Umfang die Landesregierung die Schaffung neuer Arbeitsplätze fördern will. Das ist die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in einer solchen Situation, meine Damen und Herren!

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Bundesminister, der Abgeordnete Westphal möchte gern eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Martin Bangemann (Minister:in)

Politiker ID: 11000089

Ja, bitte sehr.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bitte sehr.

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen eigentlich nicht klar, daß Sie soeben eine ganz unverschämte Behandlung der Landesregierung gemacht haben? Denn diese Landesregierung hat ihren Anteil für ein solches Programm längst in ihrem Etat, während die Bundesregierung überhaupt noch keinen Pfennig dafür bereitgestellt hat. ({0}) Was schimpfen Sie über die anderen? Können Sie das verantworten? Können Sie nicht endlich einmal auch etwas für die Arbeitnehmer dort sagen, die im Stahlrevier sind? ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter!

Dr. Martin Bangemann (Minister:in)

Politiker ID: 11000089

Also, verehrter Herr Kollege: Erstens. Das steht nicht im Etat des Landes Nordrhein-Westfalen, was Sie gerade behauptet haben. Das stimmt schlicht nicht. Stimmt nicht! ({0}) Stimmt nicht. Zweitens. Wir werden Maßnahmen ergreifen und haben sie schon jetzt ergriffen, um die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu finanzieren. Sie wissen ganz genau, daß wir das Stahlstandorteprogramm verlängert haben, daß wir die Mittel der GA aufstocken werden. ({1}) - Ob das reicht oder nicht, werden wir sehen, wenn wir die neuen Gebiete mit aufgenommen haben. ({2}) Wir werden heute in der Kohlerunde die ersten Bedingungen dafür setzen, daß wir die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen finanzieren können. ({3}) Das, meine Damen und Herren, muß endlich getan werden. Denn für die Arbeitnehmer dieser Regionen ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze ganz entscheidend. Deswegen vermittelt das Bild, das heute die Landesregierung und die Opposition verstärken, nämlich daß es sich um eine Region handelt, die keine Zukunft mehr habe, ({4}) einen völlig falschen Eindruck. Wenn wir erreichen wollen, daß sich dort Industrie ansiedelt und junge Unternehmer bereit sind, ins Ruhrgebiet zu gehen, dann muß endlich einmal Schluß sein mit diesem Bild, daß immer wieder vermittelt und vertieft wird, diese Regionen hätten keine Zukunft. ({5}) Das Ruhrgebiet hat Zukunft! ({6}) In diesem Zusammenhang begrüße ich ausdrücklich, daß es Angebote von Firmen, von Bayer-Leverkusen und Henkel, gibt, Hunderten von Stahlarbeitern neue Stellen zu geben. ({7}) Ich wünsche mir, daß diese Angebote ernst genommen und von den Betroffenen wahrgenommen werden. ({8}) Verantwortungslos sind allerdings Aufrufe zu revierweiter Bürgerunruhe und ähnlichem und Forderungskataloge, die davon ausgehen, daß die Arbeitsplätze im Bergbau und in der Stahlindustrie erhalten werden. Genau das ist der falsche Ansatz, den dieses Land seit Jahrzehnten verfolgt hat und den es in der Tat nicht weiter verfolgen kann, wenn es eine Zukunft für das Ruhrgebiet und Nordrhein-Westfalen geben soll. Dafür werden wir arbeiten. ({9})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hillerich.

Imma Hillerich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000902, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß auch heute Kollegen des Rheinhausener Betriebsrates hier sind; ich begrüße sie herzlich. Gestern haben Stahl- und Bergwerksbelegschaften aus dem ganzen Ruhrgebiet, Bauern vom Niederrhein und die ganze Duisburger Bevölkerung ihre EmpöFrau Hillerich rung und Existenzangst in solidarischem Widerstand gegen die Standort- und Arbeitsplatzvernichtung der Montanunternehmen zum Ausdruck gebracht. In zwei Anträgen wurde gestern dieses Haus zur Solidarität mit diesem Widerstand aufgefordert. Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, haben zwanghafte parteipolitische Kleinlichkeit an den Tag gelegt, als Sie unseren Antrag abgelehnt haben. ({0}) Aber, Herr Minister Bangemann, Worte, wie wir sie gestern gehört haben und vorhin wieder hören konnten, mit denen der Kampf der Stahl- und Bergwerksarbeiter um ihre Arbeitsplätze und die solidarischen Aktionen der Rheinhausener und der Duisburger und der gesamten Ruhrgebietsbevölkerung als emotionsgeladene Stimmungsmache diffamiert werden, die das Investitionsklima verderbe, sind Menschenverachtung. ({1}) Da kämpfen Menschen um ihre menschenwürdige Existenz, statt sich schicksalsergeben in profitorientierte Unternehmensentscheidungen zu fügen. Auch Kampf und Widerstand gehören zur Würde dieser Menschen. Sie, Herr Bangemann, und in der vorigen Woche auch Graf Lambsdorff machen ihnen es zum Vorwurf und gehen so weit, den kämpfenden Arbeitern und der Bevölkerung die Verantwortung für ihre bedrohte Zukunft zuzuschieben. Da wird sehr deutlich, auf wessen Seite Sie stehen. Es ist das bekannte zynische Muster: Opfer werden zu Tätern gemacht, um von den tatsächlich Verantwortlichen abzulenken. ({2}) Die Bundesregierung appelliert an die Stahlarbeitgeber, sie mögen doch zur Frankfurter Vereinbarung stehen, die neben dem Verzicht auf Massenentlassungen und im übrigen neben der Vereinbarung zum Kapazitäts- und Arbeitsplatzabbau auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze vorsieht. In der vergangenen Woche hatte ich Gelegenheit, auf einer Sondersitzung des Duisburger Altestenrats den Vorstandsvorsitzenden der Krupp Stahl AG, Dr. Cromme, nach der Einlösung seines Beitrags zum letztgenannten Teil der Frankfurter Erklärung zu fragen. Er erklärte sich schlicht und einfach für nicht zuständig, basta. Brauchen Sie, Herr Minister Blüm, eigentlich noch mehr Beweise für die Folgenlosigkeit Ihrer Appelle und für die von den Stahlunternehmen explizit erklärte Verantwortungslosigkeit? Dies ist nicht erst seit dem „Schwarzen Donnerstag" vor 14 Tagen in Rheinhausen bekannt. Auch der IG Metall muß dies eigentlich schon vor der Frankfurter Vereinbarung bekannt gewesen sein. Deswegen warnen wir GRÜNEN auch heute wieder davor, von Arbeitnehmerseite aus in die als „notwendige Strukturanpassungsmaßnahmen" salamitaktisch verbrämte Arbeitsplatzvernichtung durch Kapazitätsabbau einzuwilligen. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, können wir Ihrem Antrag zu Duisburg-Rheinhausen nicht zustimmen, sondern wir werden uns enthalten, weil wir dem in der Vereinbarung zwischen Gesamtbetriebsrat und Vorstand der Krupp Stahl AG ebenfalls enthaltenen Arbeitsplatzabbau nicht zustimmen können. ({3}) Bisher ist nicht gewährleistet, daß die Stahlunternehmen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze von den Belegschaften und durch wirtschaftspolitische Maßnahmen wirklich in die Pflicht genommen werden können. Allerdings ist die derzeitige Wirtschaftspolitik in dieser Republik zu dieser offensichtlich notwendigen Inpflichtnahme der Konzerne auch nicht in der Lage. Am offensten hat diese Ohnmacht der Politik Herr Kollege Lammert in der vergangenen Woche in diesem Hause eingestanden, unter zustimmendem Beifall der Koalitionsfraktionen. Ohnmächtig bleibt jede Wirtschaftspolitik, die der Investitionsfreiheit der Unternehmer freien Lauf läßt. Genau aus dieser bitteren Einsicht erwächst inzwischen immer lautstärker die Forderung nach Vergesellschaftung der Stahlindustrie. Mit unserem stahlpolitischen Konzept zur Sicherung der Stahlstandorte und der Stahlarbeitsplätze, zum Umbau der Stahlindustrie und der Stahlregionen, das Ihnen als Antrag vorliegt, geben wir Schritte und Maßnahmen in dieser Richtung an. Einer der ersten Schritte ist die Einrichtung konzerninterner Beschäftigungsgesellschaften, die die soziale und ökologische Umstrukturierung der Stahlkonzerne vorantreiben und dadurch Arbeitsplätze sichern sollen. Seit Monaten hat der Betriebsrat der Krupp Stahl AG in Rheinhausen an dieser Umstrukturierung gearbeitet. Zerstört wurde diese konstruktive Arbeit, die den dringend notwendigen sozialen und ökologischen Strukturwandel in Duisburg voranbringen sollte, durch die Stillegungsentscheidung des KruppStahl-Vorstands für das Stahlwerk in Rheinhausen. Aus diesem Grunde möchte ich etwas in dem von mir eingebrachten Antrag korrigieren lassen. Ich zitiere kurz: Der Deutsche Bundestag unterstützt die Maßnahmen zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, wie sie in der Vereinbarung zwischen Gesamtbetriebsrat und Vorstand der Krupp Stahl AG festgelegt worden sind, und fordert den Vorstand der Krupp Stahl AG auf, seinen darin versprochenen Beitrag ohne Abstriche zu leisten. Statt „erwartet" wird also formuliert „fordert auf". Zerstört wurde die konstruktive Arbeit des Betriebsrats allerdings auch durch die fehlende politische Unterstützung von seiten der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung. Die Ohnmacht der Belegschaften und der Politik gegenüber der profitorientierten Vernichtung von Stahlstandorten zu beenden, das ist notwendig, um den Umbau der Stahlindustrie sozial und ökologisch vertretbar zu gestalten, in Duisburg und an I allen anderen Stahlstandorten. Darauf zielen die Anträge, die von unserer Fraktion hier eingebracht werden. Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm.

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte alle Mitglieder des Hohen Hauses um Verständnis bitten, wenn der Kollege Bangemann und ich um 11 Uhr zur Kohlerunde gehen müssen, einer für Nordrhein-Westfalen wie für die Saar gleich wichtigen Veranstaltung, wie Sie sicher verstehen werden. Ich denke, es sind ja auch genügend Worte gewechselt worden. Eine Wortarmut bezüglich der Lösung der Probleme ist nicht zu beklagen. ({0}) - Es kehre jeder vor seiner Tür. Worte sind genug gewechselt worden. Die Bundesregierung hat mit Taten geholfen. ({1}) Wir haben die Stahlindustrie mit 2,6 Milliarden DM unterstützt. Wissen Sie, wenn Sie den Zwischenruf nicht gemacht hätten, käme ich gar nicht auf diese Art der Darstellung. Aber Tausende, Zehntausende von Stahlkochern an Rhein und Ruhr wissen, daß wir, die Bundesregierung, mit Kurzarbeiterregelungen und mit Montanunionshilfen sie vor der Entlassung bewahrt haben. Ich finde, es bringt jetzt nichts, ständig darüber zu streiten, wer was macht. Laßt uns Zusammenarbeit organisieren! Diese gelingt allerdings nicht, indem die eine Seite Vorwürfe erhebt und dann die andere Seite um des lieben Friedens willen nickt. So geht es nicht. Laßt uns die Anstrengung machen, gemeinsame Lösungen zu finden! Ich sage noch einmal: Die deutschen Stahlarbeiter brauchen eine faire Wettbewerbschance in Europa - das ist anders als die Lage im Kohlebergbau gestern; da ging es um unsere Energiesicherheit. Für faire Wettbewerbschancen kämpft die Bundesregierung. Der Kampf wird schwerer, wenn wir selber Vorwände liefern, unsere Subventionskritik in Brüssel um ihren Wert zu bringen. Wir müssen also selber eine saubere Weste haben. Die Quotenregelung ist der Versuch einer geordneten Überführung in eine geordnete Marktwirtschaft. Wir brauchen Strukturwandel auch an Rhein und Ruhr. Zu produzieren, ohne daß Absatz dafür vorhanden ist, ist nicht nur sinnlose Arbeit, es macht ein Volk auch arm. In Planwirtschaften passiert es schon einmal, daß ohne Bedarf produziert wird; wir wollen für Bedarf produzieren. Deshalb brauchen wir einen Strukturwandel. Die Bedingung - jedenfalls in einer Sozialen Marktwirtschaft - ist allerdings, daß dort, wo Altes abgebaut wird, Neues geschaffen wird, daß dieser Prozeß in der sozialen Balance bleibt und daß geprüft werden muß, was erhaltenswert ist. Deshalb bin ich dafür, daß die Rechnungen noch einmal mit Betriebsräten, mit Gewerkschaften und von Krupp Stahl überprüft werden, alle Alternativen noch einmal ohne Verkrampfungen durchgerechnet werden. Es kann durchaus sein, daß die betriebswirtschaftlich beste Lösung volkswirtschaftlich vielleicht die zweitbeste ist. Insofern bitte ich auch in die Überlegungen einzubringen, was wir einer Region, die es schwer hat, schuldig sind. Es bleibt dabei, daß wir solche Fragen am besten durch Zusammenarbeit lösen können. Ich mahne noch einmal, jetzt nicht alle Sicherungen durchbrennen zu lassen. Unser Ziel bleibt, Massenentlassungen zu verhindern, mit allen Kräften. Deshalb: Erhaltung des Erhaltenswerten, neue Arbeitsplätze schaffen, auch Übernahme in andere Unternehmen. Ich halte es für einen Solidaritätsbeitrag, wenn Bayer Leverkusen und wenn Henkel Stahlarbeiter übernehmen. Das ist ein Solidaritätsbeitrag, den man auch von anderen erwarten sollte. ({2}) - Lieber Kollege, lassen Sie mich im Zusammenhang darstellen. Dann: Sozialpläne. Ich bleibe dabei: Niemand sollte der Versuchung anheimfallen, die Frankfurter Vereinbarung in Frage zu stellen oder zu zerreden. Sie ist das einzig sichere Netz, das wir haben. Sie sollte deshalb nicht aus parteipolitischem Neid, weil die Bundesregierung geholfen hat, diese Frankfurter Vereinbarung zustande zu bringen, jetzt relativiert werden. Ganz im Gegenteil: Sie muß von allen Seiten akzeptiert werden. Darin steht nämlich: Massenentlassungen vermeiden, neue Arbeitsplätze schaffen. Alle sind in der Verantwortung. Wir, der Bund, bekennen uns dazu, und zwar nicht nur wortreich - wie Sie immer sagen - , nein, das kostet uns 300 Millionen DM. Dazu stehen wir. Ich bleibe dabei, daß auch das Land nicht an dieser Verunsicherung teilnehmen sollte. Es hat keinen Zweck, einmal zu sagen, Sie würden Sozialpläne nicht unterstützen, dann wieder zu sagen, Sie würden sie unterstützen, und dann zu sagen: vielleicht. Wir brauchen jetzt Klarheit. ({3}) Mein Beitrag richtet sich darauf, die Frankfurter Vereinbarung mit allen Kräften zu halten. Das heißt, neue Arbeitsplätze zu schaffen und Massenentlassungen zu verhindern. Ich bleibe auch dabei: Man wird den Arbeitsplatz nicht vor der Haustür finden, aber in der Heimat sollte er schon sein. Nordrhein-Westfalen ist kein Auswanderungsland. Deshalb unterstütze ich alle Bestrebungen, daß die Arbeitnehmer ihre Arbeitsplätze in ihrer Heimat behalten. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Minister für Bundesangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen, Einert. Minister Einert ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich Minister Einert ({1}) bedaure natürlich, daß Sie nicht mehr anwesend sein können. Ich rüge das nicht. Sie müssen zur Kohlerunde. Ich hätte es begrüßt, wenn Sie bis zum Schluß hätten hier bleiben können. Ich habe das als Mitglied des Bundesrates auch nicht zu monieren. Aber vielleicht wäre es etwas besser gewesen, wenn man den Beginn der Debatte etwas verschoben hätte, um diese wichtige Debatte auch in Anwesenheit der Bundesregierung führen zu können. ({2}) Aber das ist nicht mein Bier; ich habe das nicht zu rügen. ({3}) - Hören Sie vielleicht erst einmal ein bißchen zu, wenn ich etwas sage. Wir haben uns vorhin auch Ihre Unmöglichkeiten angehört. ({4}) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wünschte mir schon, der Kollege Bangemann würde bei dem, was der Kollege Blüm hier ausgeführt hat, die Ohren nicht nur auf Durchzug schalten, sondern er würde sich vielleicht auch eine Scheibe davon abschneiden. Dann wären wir in dieser zum Teil unglücklichen Debatte ein Stückchen weiter, ({5}) denn der Appell an Gemeinsamkeiten und gegenseitige Unterstützung kann ja nicht nur einseitig sein, sondern er muß auch für die Bundesregierung und für die Koalitionsfraktionen insgesamt gelten. Es kann sich hier nicht einer hinstellen und auf Gemeinsamkeit machen, während der andere die Leute im Regen stehenläßt. Das ist keine Methode in einer Demokratie. ({6}) Gestern haben in den Stahlstandorten des Reviers viele zehntausend Menschen demonstriert. Die Debatte im Bundestag muß sich sicherlich über die Bedeutung dieser verständlichen Emotionen hinaus mit langfristigen Einbettungen in gesamtwirtschaftliche und gesamteuropäische Entwicklungen beschäftigen. Aber ich füge hinzu: Wenn einige beklagen, daß die Demonstrationen gestern eine andere Qualität erreicht haben, und wenn einige kritisieren, daß die Sprache - hoffentlich nicht die Sache - mehr Radikalität enthält, ({7}) dann muß ich durchaus hinzufügen: Was erwarten Sie denn wohl eigentlich? Es soll sich niemand täuschen: Das waren doch keine Aktionen, die wie ein Strohfeuer auflodern und dann schnell verlöschen. Was da geschieht und was auch mit Sicherheit weiter geschehen wird, das ist doch schon über den unmittelbaren Kreis der Betroffenen hinaus eine Bürgerbewegung, in der betroffene Menschen - Frauen und Männer - ihre Verzweiflung, ihre Empörung, ihre Wut und in vielen Fällen auch ihre Resignation zum Ausdruck bringen. ({8}) Was die Menschen erwarten, ist, daß von Unternehmen und von der Politik wieder Ehrlichkeit, Klarheit und - ich füge hinzu - eine wirkliche Perspektive geschaffen wird. Wenn ich das erklären darf, dann meine ich damit folgendes - ich will es in aller Deutlichkeit sagen, damit Sie das gar nicht mißverstehen können- : Wenn die Vertreter der Arbeitnehmer, ihre Betriebsräte, ihre Gewerkschaften, nach langen Verhandlungen ihre Unterschrift unter eine Vereinbarung setzen, die die Reduzierung - ich sage das sehr wertneutral; man kann es auch anders formulieren - von mehr als 35 000 Arbeitsplätzen enthält - dazu gehört auch als ein Bestandteil die Zustimmung von Betriebsräten und Gewerkschaften, daß etwa am Standort Rheinhausen 2 000 Arbeitsplätze wegfallen, das berühmte Optimierungsmodell - , und, während die Tinte unter dieser Vereinbarung noch gar nicht trocken ist, durch eine Indiskretion bekannt wird, daß es nicht um 2 000, sondern um 5 000 Arbeitsplätze geht, und wenn behauptet wird, mit dieser Verabredung sei der Standort Rheinhausen auf lange Zeit gesichert, während es dann 14 Tage später heißt: Dieser Standort wird plattgemacht, um es etwas vordergründig zu sagen, dann wundern wir uns, wenn Emotionen und Radikalität in der Sprache auftauchen! Dann kritisieren Sie und alle anderen das und mokieren sich darüber. Ich sage Ihnen einmal in aller Deutlichkeit: Die Leute fühlen sich doch - jetzt sage ich es ganz unparlamentarisch, vulgär - zu Recht beschissen! Das muß man einmal so deutlich sagen, damit klar wird, was eigentlich Sache ist in dieser Frage. ({9}) Wir gehen dann sozusagen einfach zur Tagesordnung über. Und dann wird so getan, als ob eine Verabredung, deren sozialer Komponente gegenüber man ja durchaus positiv eingestellt sein kann, nach wie vor der Stein der Weisen sei. Jetzt mache ich eine Zwischenbemerkung. Es wird dann auch gesagt: Die Landesregierung sollte doch nun ganz froh sein und sich nicht immer so anstellen. Ich füge hinzu: Für die Betroffenen kann man zu dieser Auffassung gelangen. Aber man darf eines nicht tun: Man darf in diesem Zusammenhang nicht Verträge zu Lasten Dritter schließen, nämlich die Länder, die dafür zahlen sollen, einfach nicht an den Verhandlungen beteiligen. Sie haben aus den Zeitungen zu entnehmen, daß sie dreistellige Millionenbeträge zu zahlen haben. Nach unseren rechtlichen Vorstellungen haben die Länder mit der Sozialplanfinanzierung nichts zu tun. Ich füge hinzu: Insoweit fühlen wir uns politisch erpreßt. Aber wir werden diesen Streit zwischen dem Bund und den Ländern nicht auf dem Rükken der Beteiligten und Betroffenen austragen. ({10}) Minister Einert ({11}) In diese Position, daß wir mit dem Rücken an der Wand stehen und keine politische Alternative haben, haben nicht zuletzt Sie uns hineingebracht. ({12}) Das ist auch die Stunde der Politik. Natürlich sind in einer marktwirtschaftlich geprägten Ordnung zunächst die Unternehmen in der Pflicht, Lösungen zu suchen und zu finden. ({13}) - Ich lasse keine Zwischenfragen zu. Ihre Kollegen haben das auch nicht getan. Sie können sich ja anschließend dazu melden. ({14}) Wir werden die Unternehmen auch nicht aus ihrer gesamtwirtschaftlichen Verpflichtung entlassen. Wir dürfen es auch nicht zulassen, daß die Diskussion ständig so geführt wird: Solange Gewinne erzielt werden, ist das der Leistungsfähigkeit und der Fähigkeit der Unternehmen zuzuschreiben, sobald aber rote Zahlen auftauchen und Arbeitsplätze wegfallen und es um die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen geht, soll dann plötzlich die öffentliche Hand für alles verantwortlich sein. So geht es auch nicht. Im Stahlbereich - und über diesen Bereich diskutieren wir heute - hat es in den letzten Jahrzehnten ja nie einen wirklichen Markt gegeben, sondern dieser Bereich ist durch politische Lenkung und Entscheidung stark beeinflußt worden. Insoweit trägt die Politik hier ein hohes Maß an Verantwortung. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen moniert seit vielen Jahren, daß die Bundesregierung ihrer Pflicht nicht nachkommt, den Subventionsabbau und die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen in diesem Bereich genauso vehement in Brüssel zu vertreten wie für andere Bereiche. Zweitens ist die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nicht ausreichend nachgekommen, die verantwortlich handelnden Unternehmensvorstände an einen Tisch zu bekommen und sie mit sanfter oder vielleicht manchmal etwas weniger sanfter Hand zu einem gemeinsamen Konzept zu bewegen. Als vor Jahren das berühmte Moderatoren-Papier auf den Tisch kam und nicht sofort entsprechend goutiert wurde, hat man es wie eine heiße Kartoffel fallenlassen, und die Sache war für die Bundesregierung beendet. So kann man in Verantwortung nicht umgehen; ({15}) denn wir alle, meine Damen und Herren, wissen, daß die Stahlkapazitäten zu hoch sind, daß Kapazitäten und Arbeitsplätze abgebaut werden müssen. Das ist seit vielen Jahren bekannt. ({16}) Ich füge hinzu: Kein Mensch denkt daran, der Bundesregierung oder diesem Wirtschaftsminister etwa eine Garantie abzuverlangen, für den letzten Arbeitsplatz zu haften. Nur, sich aus der Verantwortung zu stehlen und die Verantwortung den Unternehmen und den davon betroffenen Ländern zuzuweisen, das ist kein Konzept, keine Verantwortung einer Bundesregierung. ({17}) Wer es ablehnt, eine solche Moderatoren-Rolle für die deutsche Stahlindustrie zu übernehmen, der stellt sich abseits der Verantwortung. Deshalb ist es auch unangebracht, jetzt den Schwarzen Peter nach Brüssel weiterzuschieben und ansonsten an die regionalpolitische Verantwortung der jeweils zuständigen Landesregierung zu erinnern. Nordrhein-Westfalen braucht solche Ermahnungen nicht. Wir haben gehandelt. Wir fordern lediglich das ein, was andere in ähnlichen Situationen auch erhalten haben. Wir verlangen keine Almosen, sondern unser Recht. ({18}) Damit Sie das mal zur Kenntnis nehmen: Vor wenigen Monaten hat im Bundesrat eine Diskussion über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Hilfe für die Werftstandorte stattgefunden. Wir, die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, haben das ausdrücklich begrüßt und gesagt: Wir unterstützen Hilfsmaßnahmen, wenn eine solche Region mit vielen tausend Arbeitsplätzen ohne ihr Verschulden in eine solche Strukturkrise hineinkommt. Da haben wir dann auch die gesetzgeberischen Bestimmungen einzuhalten. Der Bundesrat hat einstimmig gesagt: Dieser Grundsatz des Füreinandereinstehens und die Mechanismen unserer Verfassung gelten dann aber auch für andere Regionen. Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, daß man dann nicht so verantwortungslos daherschwätzen kann, wie das zum Teil in diesen Tagen geschieht. Ich beklage das außerordentlich. ({19}) Man kann nicht an Gemeinsamkeiten appellieren und dann, wenn es darum geht, wirklich dazu zu stehen, sich davonstehlen. ({20}) Das muß ich Ihnen auch einmal sagen: Einige Abgeordnete oder auch Mitglieder der Bundesregierung reden manchmal über das Land Nordrhein-Westfalen in einer Art von Dummschwätzerei, die offenbart, daß sie von diesem Land keine Ahnung haben. ({21}) Es wird gesagt, das Land müsse sich endlich einmal dem Strukturwandel anpassen. Ich sage Ihnen einmal, was im Laufe der letzten 20, 30 Jahre in diesem Land passiert ist. Nordrhein-Westfalen hat seit Ende der 50er Jahre rund 1 Million Arbeitsplätze im Industriebereich verloren: rund 400 000 im Bergbau, über 200 000 bei Eisen und Stahl, rund 250 000 bei Textil und Bekleidung. Dieser Strukturwandel ist notwenMinister Einert ({22}) dig, er ist richtig, und er muß so schnell wie möglich erfolgen. ({23}) - Das haben wir immer gesagt. Wir haben aber hinzugefügt: In den Zeiten, in denen es ein hohes Wachstum in anderen Branchen gibt, ist der Wandlungsprozeß relativ leicht möglich. Es hat auch früher bei Kohle Krisen gegeben. Es hat auch früher bei Stahl Krisen gegeben. Sie sind isolierter aufgetreten als gegenwärtig. Es hat noch nie eine Phase in der Entwicklung eines Landes gegeben, in der in einem so kurzen Zeitraum, nämlich in zwei, drei Jahren, mindestens 100 000 Arbeitsplätze wegfallen. ({24}) Die Verabredung geht auf 35 000, 37 000; jetzt sollen es noch mehr werden: über 40 000 bei Stahl. Wieviel werden es wohl bei Kohle werden, wenn die heutige Runde zu Ende geht? Wie hoch auch immer der Faktor für die Mantelbevölkerung sein soll: Ich glaube, Sie werden nicht bestreiten können, daß es mehr als 100 000 Arbeitsplätze sein werden, in einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren. Wenn man nicht einsieht, daß die Bewältigung dieser Aufgabe eine große gemeinsame Kraftanstrengung hervorrufen muß, dann ist die Politik keinen Schuß Pulver wert. ({25}) Die Menschen können wir nicht befriedigen, indem der Schwarze Peter zwischen Düsseldorf, Bonn und Brüssel hin- und hergeschoben wird. So geht das nicht. ({26}) - Wir haben unsere Vorstellungen dazu entwickelt. Wir haben ähnlich wie an der Küste gesagt: Wir brauchen diese Umstrukturierung. Das ist aber in einem solchen gedrängten Zeitraum, in einer so kurzen Zeitspanne für eine Landesregierung nicht zu machen. Bisher hat die Bundesregierung im Bundesrat - auch in der Öffentlichkeit hat sie das nachweisbar getan -, unsere Vorstellungen rigoros abgelehnt. So ist es. Was Herr Häfele im Bundesrat für die Bundesregierung erklärt hat, ist in solchen Fragen wohl eindeutig genug gewesen. ({27}) Bisher habe ich kein anderes Wort gehört. ({28}) Ich bejahe ausdrücklich - damit Sie das gar nicht mißverstehen können - , daß eine Gesellschaft verpflichtet ist, für die unmittelbar Betroffenen die soziale Abfederung vorzunehmen, Sozialpläne zu machen und sich dieser Verantwortung zu stellen. Aber das ist die eine Seite der Medaille. Das reicht nicht aus. Aber für die zweite Frage, die regionalpolitische Begleitung und Unterstützung für ein solches Land, gilt die Verantwortung gleichermaßen. Diesem Teil der Verantwortung sind Sie bisher in keinster Weise nachgekommen. Sie haben sie sogar abgelehnt. Das ist der Kernpunkt der Auseinandersetzung. ({29}) Um diesen Streit und um diese Diskussion geht es. Welche Vorstellungen werden nun für die zehn Tage bis zum 22. Dezember zu erwarten sein? Wir haben eben gehört, wir sollten erst einmal abwarten, was bis zum 22. Dezember passiert. Aber welche Indikationen für weitere Stillegungen gegeben werden, ist völlig unbekannt. Ich frage daher als Vertreter eines Landes, ({30}) welches besonders stark von diesen Auswirkungen betroffen sein soll: Wie groß soll denn der deutsche Beitrag noch sein? Wie soll er bewerkstelligt werden?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Minister, verweigern Sie dem Abgeordneten Dr. Lammert nochmals eine Zwischenfrage? Minister Einert ({0}): Ich wollte überhaupt keine Zwischenfragen zulassen. Meine Redezeit ist so begrenzt. Das Lämpchen geht schon. Ich bitte um Verständnis.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Minister, ich habe das nie auf die Redezeit angerechnet. Das dürfte ich Ihnen dann doch mitteilen. Minister Einert ({0}): Der Kollege Bangemann hat gestern morgen in einem WDR-Interview gesagt, daß die rechtliche Position gegenüber der Kommission nicht besonders stark wäre. Das mag wohl sein. Aber ich frage zurück: Wie ist von rechtlichen Positionen abgesehen unsere politische Position? Herr Bangemann hat gestern morgen in dem gleichen Rundfunkinterview, als er gefragt wurde, wie er denn seine Rolle bei dem notwendigen Kapazitätsabbau sehen würde, glatt geantwortet, das sei nicht Sache der Bundesregierung, dazu seien die Unternehmen aufgerufen. Ich habe fünf Minuten später ein Interview mit dem Vertreter der Wirtschaftsvereinigung Eisen und Stahl gehört, in dem er eine andere Position eingenommen hat, in dem er nämlich expressis verbis gesagt hat: Nach den Beschlüssen von Brüssel muß die Politik jetzt Verantwortung übernehmen. Ich bin einmal gespannt, zu welcher Entscheidung Sie sich durchringen werden, damit wir das, was wir brauchen, nämlich beides gemeinsam, soziale Abfederung und weitere Bewältigung des Strukturwandels, auch wirklich erreichen können. Ich fordere Sie nachdrücklich auf: Kommen Sie Ihrer Verantwortung auch in diesem Bereich nach, wie Sie Ihrer Verantwortung in anderen Fällen und in anderen Bundesländern nachgekommen sind! ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Otto Graf Lambsdorff.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! „Dies ist die Stunde der Heuchler" . ({0}) So schrieb das „Handelsblatt" am vergangenen Montag in seinem Kommentar über die Vorgänge in Duisburg-Rheinhausen. In der Tat, meine Damen und Herren, ohne daß irgendeiner der auftretenden Redner irgendeine Legitimation und irgendeine Verantwortung hätte, hagelt es Zusicherungen an die Stahlarbeiter in Rheinhausen: „Wir verhindern die Schließung." Keiner, der so redet, bringt Aufträge mit, keiner deckt entstehende Verluste. Es geht um Stimmenfang, um Stimmungsmache, nicht zuletzt gegen die Bundesregierung. ({1}) Die Sorge und Not der betroffenen Stahlarbeiter wird als Vehikel dafür gnadenlos mißbraucht. ({2}) Keiner denkt an die zwangsläufig eintretende weitere Verbitterung, an die Enttäuschung all derer, denen da Lösungen vorgegaukelt werden, die nicht erreichbar sind. Herr Einert, wenn Sie sagen, Politiker und Gewerkschaftsfunktionäre sollten die Wahrheit sagen, frage ich Sie: Warum sagen Sie und Ihre Kollegen den Stahlarbeitern in Rheinhausen nicht die Wahrheit? Ist es wahr, daß alle drei Stahlwerke in Duisburg nur zu 50 % ausgelastet sind? Ist es wahr, daß dieser Zustand, wenn er nicht geändert wird, alle drei Stahlwerke in die Pleite treiben muß? Ist es wahr, daß das Treibenlassen die Arbeitsplätze auch in Huckingen und in Ruhrort beseitigen wird? Ist es wahr, daß am Stahlstandort Duisburg auch nach Schließung der Hütte Rheinhausen keine Tonne Stahl weniger produziert wird als vorher? Ist es wahr, daß keine Regierung einen Stahlstandort garantieren kann, erst recht nicht in einem Ortsteil? Wenn aber das alles wahr ist, warum sagen diejenigen, die öffentliche Verantwortung tragen, dies nicht den betroffenen Stahlarbeitern? ({3}) Da fährt Frau Fuchs, die Bundesgeschäftsführerin der SPD, nach Rheinhausen und wiederholt die hier schon diskutierte Unwahrheit, unter der Regierung Helmut Schmidt sei niemals ein ganzes Stahlwerk geschlossen worden. Die Wahrheit ist, daß Ende 1978 Neunkirchen an der Saar mit rund 5 000 Arbeitsplätzen gänzlich geschlossen wurde. ({4}) Herr Einert, da preist Ihr Kollege, der Wirtschaftsminister Jochimsen, eine nationale Stahl-AG als Patentrezept an. Herr Steinkühler fordert die Vergesellschaftung. Das alles hatten wir schon 1980. Damals hat die Bundesregierung Helmut Schmidt richtig erkannt und erklärt, ein solcher Vorschlag stelle keine Lösung dar, Sozialisierung bringe keine Auftragstonne Stahl mehr. Meine Damen und Herren von der SPD, es wäre leicht, Ihnen an Hand der damaligen Vorgänge nachzuweisen, wie sich Ihre Sachpositionen mit dem Wechsel in die Opposition inhaltlich verändert haben. Was Sie 1980 für richtig und notwendig hielten, halten Sie heute für falsch. ({5}) Meine Damen und Herren, das alles führt doch zu gar nichts. Sie wissen wie wir, daß die fortschreitende internationale Arbeitsteilung neue Stahlproduzenten in der Dritten Welt geschaffen hat. Die produzieren nicht selten auf Anlagen, die in Duisburg hergestellt worden sind. Auch das wissen Sie. Diese Produzenten exportieren nicht hierher - oder jedenfalls nicht sehr viel - , aber als Käufer für deutschen Stahl fallen sie aus, und zunehmend konkurrieren sie mit uns auf Drittmärkten. Das alles ist doch wahr! ({6}) Verbunden mit einem weltweit rückläufigen Verbrauch von Stahl, ({7}) hat diese Entwicklung dazu geführt, daß wir weltweit und eben auch in der EG viel zu hohe Kapazitäten haben. Der Zwang zum Abbau besteht seit vielen Jahren, und ebenso lange wissen wir, daß Arbeitsplätze verlorengehen. ({8}) - Warten Sie nur ab, Herr Roth, das kommt schon noch. Deshalb wurde 1980 mit Ihrer und unserer Zustimmung die manifeste Krise ausgerufen, das Quotensystem eingeführt und der Subventionskodex verabschiedet. Es ist ja richtig, daß wir die Seuche der europäischen Stahlsubventionen nicht haben erfolgreich bekämpfen können, zu unserer gemeinsamen Zeit mit der SPD nicht und zu unserer gemeinsamen Zeit mit der CDU/CSU leider auch nicht. Aber es grenzt doch an Verleumdung, wenn der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hier in der Aktuellen Stunde des Bundestages den Zustand damit zu erklären versuchte, daß wir uns in der Europäischen Gemeinschaft angeblich um die Großbauern und nicht um den Stahl kümmerten. Die Wahrheit ist doch - Herr Rau und Herr Einert, Sie wissen das ganz genau - : Wir haben selber subventioniert, und zwar die Maxhütte und ARBED-Saar-Stahl. Wer im Glashaus sitzt, der kann auf andere wenig erfolgreich mit Steinen werfen. ({9}) Der Bundeswirtschaftsminister, meine Damen und Herren, hat sein Bestes versucht; er hat das dargestellt. Die objektiven Schwierigkeiten, zu einstimmigen Entscheidungen im Ministerrat zu kommen, können Sie doch nicht durch einen Mehrheitsbeschluß des Deutschen Bundestages beseitigen, erst recht nicht durch einen Mehrheitsbeschluß der SPD-Fraktion. ({10}) Meine Damen und Herren, wie kann aber den Betroffenen, den Stahlarbeitern, die jetzt ihre Arbeitsplätze verlieren, geholfen werden? Dies ist doch die Frage. ({11}) Jeder von uns weiß, daß mit den Mitteln des Bundes, des Landes, der Unternehmen und der EG etwa 85 % des Nettogehalts für diejenigen gesichert sind, die aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden müssen. Erlauben Sie mir die Bemerkung, meine Damen und Herren, daß viele andere Branchen neidvoll auf die Begünstigten in dieser Zwei-Klassen-Gesellschaft von Arbeitnehmern sehen. Nur bei Kohle und Stahl gibt es derart hervorragende Bedingungen. Manch anderer Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz, beim Bau oder in der Textilindustrie verliert, kann von solchen Möglichkeiten überhaupt nur träumen. Die Sozialpläne haben ja auch ihre negativen Folgen. Wie könnte es sonst zum zitierten Ausspruch eines Stahlarbeiters aus der Hütte Rheinhausen kommen : „Ich gehe nicht über den Rhein?" Das heißt, daß er nicht bereit ist, den Weg nach Ruhrort zu machen und einen Ersatzarbeitsplatz bei Thyssen anzutreten. Und das bei wenigen Kilometern Luftlinie. Wie könnte es sonst möglich sein, daß es einem mittelständischen Unternehmen verboten wurde, am Schwarzen Brett der Maxhütte Stellenausschreibungen aufzuhängen? Stimmt es, daß die IG Metall ihren Mitgliedern rät, lieber den Sozialplan als einen neuen Arbeitsplatz anzunehmen? Der Bundesarbeitsminister hat hier mitgeteilt - er hat es vorher ja auch schon öffentlich getan - : Bayer bietet 500 Arbeitsplätze in Krefeld-Uerdingen an. ({12}) Entfernung Rheinhausen-Uerdingen: 8 km. ({13}) Ich bin gespannt, wie viele der am Ende entlassenen Stahlarbeiter in Rheinhausen den Sozialplan vorziehen und wie viele in Uerdingen anfangen. ({14}) - Herr Schmude, tut mir leid. Ihnen erlaube ich gerne jederzeit eine Zwischenfrage. Aber bei dieser zeitlichen Beschränkung der Redezeit, die ich bei diesem Problem für völlig unangemessen halte, kann ich Ihre Zwischenfrage nicht beantworten. ({15}) Noch wichtiger, meine Damen und Herren, als die soziale Absicherung ist doch die Frage nach den Ersatzarbeitsplätzen. Sie kennen die jüdische Lebensweisheit: Mit etwas Geld weint es sich leichter. Aber geweint wird eben doch. Es geht nicht nur um das Geld. Für die meisten unserer Mitbürger ist Arbeit Selbstbestätigung, gehört sie doch zur Sinnerfüllung des Lebens. Immer wieder erschallt der Ruf, die betroffenen Stahlunternehmen seien verpflichtet, Ersatzarbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. In welcher Wirtschaftsordnung steht eigentlich geschrieben, daß jemand Arbeitsplätze zur Verfügung stellen muß, auch wenn sie sich für ihn wirtschaftlich nicht rechnen? Investitionen auch für Arbeitsplätze bleiben immer ein unternehmerischer Entschluß und bleiben immer das Eingehen eines Risikos. Eine Gesetzespflicht dafür gibt es nicht. Es gibt ja auch keine Haftung des Gesetzgebers für fehlgegangene Investitionen. Die kann es doch auch nicht geben. ({16}) Hier, Herr Einert, ist nun ein Problem, das Ihre Landesregierung angeht. Wir wissen seit langem, daß das gesamtwirtschaftliche Klima für die Auswahl von Investitionsstandorten von großer Bedeutung ist. Sehen Sie sich einmal unter diesem Aspekt an, was in diesen Tagen in Rheinhausen passiert. Das verdirbt auf lange Zeit hin den Industriestandort Duisburg-Rheinhausen, obwohl er doch aus vielen wirtschaftlichen Gründen positiv zu sehen ist. Die Rheinschiene bleibt ein guter Stahlstandort. ({17}) Es mag sehr erheiternd sein, Herr Roth, Fernsehaufnahmen und Zeitungsbilder von Arbeitnehmern zu sehen, die Aufsichtsratsbüros gestürmt haben. Aber ein Anreiz für künftige Investoren, in diese Gegend zu gehen, ist es eben nicht. ({18}) Es mag, meine Damen und Herren, sehr verständlich sein, wenn Brücken und Städte lahmgelegt werden; Verständnis kann man für vieles haben. Aber Investoren zieht man damit nicht an, schon gar nicht, Herr Einert, wenn sie im Rundfunk hören müssen, daß ein Reporter auf seine Anfrage bei der Polizei die Mitteilung bekommt, man habe von oben den Wink erhalten, das Sperren der Brücken nicht zu behindern. Wenn auf Demonstrationen Plakate mit der Aufschrift gezeigt werden: „Wenn Rheinhausen stirbt, dann stirbt auch Dr. Cromme", also der Vorstandsvorsitzende der Krupp-Stahl-AG, dann können Sie sich an den Knöpfen Ihres Anzuges abzählen, wie Investitionsentscheidungen für diese Landschaft ausfallen werden. ({19}) Meine Damen und Herren, was soll man dazu sagen, wenn ein Moderator des Westdeutschen Rundfunks allen Ernstes vorschlug, die Gemäldesammlung Thyssen/Bornemisza zu versteigern und den Erlös den Stahlarbeitern zur Verfügung zu stellen. Allerdings, Herr Einert, muß der nordrhein-westfälische Ministerpräsident ein ziemlich abgebrühtes Gemüt haben, wenn er ausgerechnet in diesen Tagen millionenschwere Angebote zur Übernahme der Sammlung Thyssen in das Land Nordrhein-Westfalen publiziert. Und alles dies mit der klammheimlichen Freude der Landesregierung. Diese Landesregierung schürt zur gleichen Zeit einen neuen ideologischen Schulstreit, und sie bringt es fertig, die private Hochschule aus Hagen-Herdecke nach Baden-Württemberg zu vertreiben. ({20}) Meine Damen und Herren, deren Leiter, Herr Schily - ich zitiere ihn gerne - hat den Unterschied klargemacht: Ihm sei in Baden-Württemberg ein Klima der Offenheit und Kreativität geboten worden, das es so in Düsseldorf nicht gebe. - Das eben ist es, woran der Investitionsstandort NRW leidet. Fazit: Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen wird mit ihrer Politik den Arbeitnehmern in Duisburg in puncto Ersatzarbeitsplätze nichts, aber auch gar nichts bieten können. Ihnen fällt nichts ein, als mehr Geld vom Bund zu fordern. ({21}) Für die Stahlarbeiter in Duisburg gibt es von der Landesregierung kein Geld - so Herr Posser -, aber für den Ankauf der maroden Neuen Heimat haben Sie Geld, meine Damen und Herren. ({22}) Die Freien Demokraten sind für die Unterstützung der betroffenen Region, aber nicht für die Unterstützung Ihrer verfehlten Politik. Sie verjagen investitionsbereite Unternehmen aus dem Lande. Ein letzter Gesichtspunkt; ich muß das ganz kurz machen. Die Tarifvertragsparteien müssen sich endlich mit der Tatsache beschäftigen, daß in Oberhausen mit 20 % Arbeitslosigkeit ein mittlerer Beschäftigter der Metallindustrie im Monat effektiv mehrere hundert Mark mehr verdient als in Augsburg oder in Nürnberg. Wer, glauben Sie, geht an diesen Investitionsstandort mit diesen Personalkosten? Wir werden uns mit der Frage Investitionsstandort Bundesrepublik in Kürze sorgfältig und generell zu befassen haben. Aber es gibt auch innerhalb der Bundesrepublik gravierende Unterschiede mit schwerwiegenden Folgen für das Investitionsverhalten. ({23}) Die FDP, meine Damen und Herren, wird alles unterstützen, was den Betroffenen und ihren Familien hilft. Aber wir verlangen eine ehrliche, auch wenn sie bitter ist - und sie ist bitter -, und an den Tatsachen orientierte Analyse. Ohne sie kann es eine erfolgversprechende Therapie überhaupt nicht geben. Mit leeren Versprechungen, für die keiner von Ihnen gegenüber den Stahlarbeitern geradesteht und auch gar nicht geradestehen kann, weil Sie dazu nichts zu sagen haben und nichts bewegen können, ist es nicht getan. ({24}) - „Der Stillegungsbeschluß muß weg!" Wer schafft den Stillegungsbeschluß weg? ({25}) Sie schaffen ihn nicht weg, und kein anderer schafft ihn weg. Sie erwecken Hoffnungen und Erwartungen, die Sie nicht erfüllen können, produzieren neue Enttäuschungen, verbittern die Leute weiter, anstatt ihnen eine zukunftsorientierte Politik anzubieten. Dazu sind Sie nicht fähig. ({26})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Stratmann.

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Liebe Mitbürgerinnen! Liebe Mitbürger! Ich möchte Herrn Lambsdorff für das hohe Maß an Selbstkritik danken, das er eben dargeboten hat, indem er seinen Redebeitrag mit der Formulierung einleitete: Dies ist die Stunde der Heuchler. Wir haben es bei dieser Debatte, bei der Auseinandersetzung um die Stahlkrise und die Möglichkeiten zu ihrer Überwindung mit einem dreifachen Problem zu tun: erstens mit dem ökonomischen Problem der behaupteten oder tatsächlichen Überkapazitäten, zweitens mit dem ökonomischen Problem des notwendigen Strukturwandels, oder wie wir sagen: des notwendigen Umbaus der Montanregionen, und drittens mit einem Demokratieproblem, wie nämlich ein notwendiger Strukturwandel demokratisch kontrolliert und beherrscht werden kann. Zum ersten Problem der tatsächlichen oder behaupteten Überkapazitäten. Ich möchte am Anfang ganz klarstellen: Wir GRÜNEN sagen nicht dogmatisch, es gebe keine Überkapazitäten. Wir wissen, daß es in allen Stahlunternehmen der Bundesrepublik eine technische Unterauslastung der Kapazitäten gibt. Faktum ist aber, daß es überhaupt keinen statistisch und ökonomisch und betriebswirtschaftlich klaren Nachweis der Überkapazitäten gibt. Zum Beweis: Bis vor einem Jahr hat die EG-Kommission behauptet, wir hätten EG-weit 20 Millionen t Überkapazitäten. Jetzt sagt sie: Wir haben 30 Millionen t. In der letzten EG-Ministerratsitzung vor ein paar Tagen sagte die EG-Kommission: Wir haben bei den Produktgruppen I bis III EG-weit eine Überkapazität von 20 Millionen t. Der sogenannte Rat der drei EG-Weisen hat gesagt: Wir haben 16 Millionen t. Eurofer sagt: Wir haben noch wesentlich weniger Tonnen Überkapazitäten. ({0}) Wir haben uns im Wirtschaftsausschuß vor drei Wochen über die Frage der Berechnungsgrundlagen für Überkapazitäten unterhalten. Herr Vondran von der Wirtschaftsvereinigung Eisen und Stahl hat gesagt - das ist vom Vertreter der Bundesregierung bestätigt worden - : Es gibt keinen ökonomisch und statistisch ausweisbaren Nachweis, wie hoch denn nun eigentlich die Überkapazitäten seien. Zum Beleg zitiere ich Herrn Vondran im Gespräch: Allein bei einer Anlage, Warmbreitbandstraße in Bremen - sehr modern - , schwanken die betriebswirtschaftlichen Kapazitätsangaben von 2 bis 5 Millionen Jahrestonnen. Es gehen ganz viele unterschiedliche Faktoren und Kriterien in die Berechnung ein. Aus dieser Unsicherheit der Berechnung von Überkapazitäten heraus sagen wir - das ist im Wirtschaftsausschuß von Herrn Vondran und von der BundesregieStratmann rung bestätigt worden - : Der Begriff der Überkapazitäten ist kein ökonomischer, kein statistischer, sondern ein politischer Begriff. Wir sagen noch deutlicher: Die Behauptung der Überkapazitäten ist ein politischer Kampfbegriff der Unternehmen, um die Belegschaften weichzuklopfen und ihnen ihre Zustimmung zum Kapazitäts- und Arbeitsplatzabbau abzupressen. Aus diesem Grunde haben wir in unserem Stahlantrag formuliert, wir wären nur bereit, einem möglichen Kapazitätsabbau zuzustimmen, wenn erstens vorher die Unternehmensdaten ganz klar auf den Tisch gelegt werden und wenn zweitens die Belegschaften die Möglichkeiten einer effektiven Kontrolle der Unternehmens- und Investitionspolitik bekommen. ({1}) Wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, reden wir auch über Überkapazitäten und Kapazitätsabbau. Vorher stimmen wir dem auf keinen Fall zu. Zur Bewertung der Vereinbarung jetzt bei der EGMinisterratsitzung möchte ich sagen: Wenn dort vereinbart wird, bis Mitte nächsten Jahres müßten die Regierungen der EG-Staaten und die Unternehmen spezifische und bindende Zusagen zu Kapazitätsabbau und Arbeitsplatzvernichtung machen und nur unter dieser Voraussetzung könne die Quotenregulierung verlängert werden, dann sagen wir, diese Vereinbarung von vor ein paar Tagen ist ein antidemokratisches Krisenkartell der EG-Kommission, des EG-Ministerrats und der Unternehmen auf den Knochen der Stahlbelegschaften. ({2}) Wir lehnen das ab. ({3}) - Herr Lambsdorff, lesen Sie unseren Antrag doch einmal durch, bevor Sie solche überflüssigen Fragen stellen. Wir fordern die Verlängerung der EG-Krisenquotenregulierung für die Gesamtdauer der Stahlkrise auf EG-Ebene und für alle Produktgruppen. Eindeutig fordern wir das seit Jahr und Tag. Das ist in unserem Antrag nachzulesen. In diesem Zusammenhang kritisieren wir auch die Frankfurter Vereinbarung zwischen der Wirtschaftsvereinigung Eisen und Stahl und der IG Metall. Natürlich hat die IG Metall dem nicht frohlockend zugestimmt, sondern auch dieses Zugeständnis ist ihr abgepreßt worden. Sie hat aber in dieser Frankfurter Vereinbarung einem Kapazitätsabbau und damit einem Personalabbau zugestimmt, ohne verpflichtende und bindende Zusagen der Stahlunternehmen zu bekommen erstens für die Einrichtung von Beschäftigungsgesellschaften und zweitens für Ersatzinvestitionen in der Region. Das sind unverbindliche Absichtserklärungen in der Frankfurter Vereinbarung. Aus diesem Grunde lehnen wir auch die Frankfurter Vereinbarung ab. Wir kritisieren auch die Politik der IG Metall, weil sie Kampfpositionen aufgibt und deswegen auch nicht einen wirklich harten Widerstand gegenüber dem, was jetzt bei Krupp in Rheinhausen passiert, formulieren und vorwärtstreiben kann. Zum Demokratieproblem: Herr Lambsdorff, ich schlage Ihnen vor, weil Sie immer wieder in die Falle tappen - Herr Bangemann ist leider nicht da - , daß wir einmal gemeinsam eine Offensive gegen die Verstaatlichung von Stahlunternehmen starten. Das wäre doch wirklich einmal eine gute gemeinsame Initiative. Wir haben die gleichen, sogar dieselben Gründe gegen eine Verstaatlichung. Sie haben völlig recht, Herr Lambsdorff: Sowohl Verstaatlichung als auch Vergesellschaftung von Unternehmen schaffen keine einzige Tonne mehr Stahl und nutzen der Stahlnachfrage überhaupt nichts. Das ist völlig klar. Aber sowohl verstaatlichte Stahlunternehmen als auch privatkapitalistische Unternehmen wie bei uns haben etwas ganz Wesentliches gemeinsam: In beiden Unternehmensformen haben die Belegschaften nichts zu sagen. Auch bei den montan-mitbestimmten kapitalistischen Unternehmen haben sie, wenn es zum Schwur kommt, nichts zu sagen. Das zeigt sich bei Krupp in Rheinhausen. Die Montan-Mitbestimmung kann diesen Stillegungsbeschluß nicht verhindern. Wenn nicht ein öffentlicher politischer Druck gegen diese Unternehmens- und Vorstandspläne erzeugt wird, werden sie durchgezogen werden. Beispiel Henrichshütte Hattingen: Die Stillegung von Anlagen ist gegen den Widerstand der Arbeitnehmerschaft im Aufsichtsrat mit der Stimme des neutralen Mannes beschlossen worden. Walter Scheel stieg vom hohen gelben Wagen herab und stimmte die Henrichshütte Hattingen nieder. Das ist die Realität der Montan-Mitbestimmung. ({4}) Aus dem Grunde sagen wir, daß die Nachfrage nicht durch eine geänderte Unternehmensform geregelt werden kann. Aber wir brauchen eine geänderte Unternehmensform, Herr Penner. Wir brauchen eine demokratische Unternehmensverfassung, damit die Belegschaften die entscheidende Kontrolle darüber haben, wie - und zwar auch wie sozial - der notwendige Strukturwandel und Umbau reguliert werden kann. Als ganz konkreter nächster Schritt: Im kommenden Jahr steht die Neuaushandlung der Montan-Mitbestimmung für die Zukunft an. Wir werden uns darüber alle Gedanken machen müssen. Wir GRÜNEN werden dazu auch einen Gesetzentwurf einbringen, weil wir die Montan-Mitbestimmung gegen ihre Reduzierung natürlich verteidigen wollen. Aber sie muß auch demokratisch ausgebaut werden. Das erste, was aus der Montan-Mitbestimmung verschwinden muß - das brauchen wir auch in den aktuellen Abwehrkämpfen beim Stahl -, ist die Institution des neutralen Mannes. Das allermindeste ist, daß die faktische Parität von Kapital und Arbeit hergestellt wird derart, daß gegen die Arbeitnehmerschaft, gegen die Belegschaft in einem Stahlunternehmen nichts durchgesetzt werden kann. ({5}) Wenn das durchgesetzt wäre - ein ganz konkreter und bescheidener Schritt: Ausbau der Montan-Mitbestimmung in Richtung demokratischer Kontrolle, ein Schritt in Richtung Vergesellschaftung - , wäre es un3562 möglich, solche Stillegungspläne wie bei Krupp Rheinhausen, wie in Oberhausen, wie in Hattingen, wie bei der Maxhütte gegen die Belegschaft durchzusetzen. Dann hätten wir eine gute Kampf- und Widerstandsposition, um einen demokratisch kontrollierten ökologischen und sozialen Umbau der Montanregion in die Wege zu leiten. Herr Lambsdorff, ich sage Ihnen noch einmal: Lassen Sie dieses Gequatsche von verstaatlichten Stahlunternehmen. Lassen Sie uns gemeinsam eine Offensive gegen Verstaatlichung machen, dann aber auch konsequent gegen genauso undemokratische privatkapitalistische Unternehmensverfassungen und für demokratische Kontrolle der Belegschaften in ihren Unternehmen, für vergesellschaftete Unternehmen. Ich möchte mit einem sehr erfolgversprechenden Beispiel schließen. Die US-Stahlindustrie leidet an den gleichen Problemen wie die europäische. Ein ganzer Stahlstandort, Weirton Steel Company in Virginia, sollte 1982 dichtgemacht werden. Der Belegschaft ist es gelungen, erstens die Massenentlassungen zu verhindern, zweitens die Stillegungspläne der Konzerngesellschaft National Steel Company zu verhindern und drittens bis 1988, bis nächstes Jahr, dieses Gesamtunternehmen - 7 500 Beschäftigte - durch eine Vereinbarung in eigenes Eigentum zu übernehmen und damit selbst die Kontrolle auszuüben. Die Erfahrung zeigt: Seitdem dieses Unternehmen schrittweise durch die Belegschaft übernommen wird, arbeitet es mit schwarzen Zahlen. Seit Jahren schon arbeitet dieser Betrieb mit schwarzen Zahlen, weil er ein betriebswirtschaftlich tragfähiges Konzept hat. Das als Beweis dafür, daß auch ein demokratisches Unternehmen betriebswirtschaftlich effektiv arbeiten und sich in der Stahlkonkurrenz halten kann. Ich danke Ihnen. ({6})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vondran.

Dr. Ruprecht Vondran (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002394, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Stahldiskussion steht - wie könnte das anders sein - im Schatten von Rheinhausen. Wir haben im Vorfeld miteinander den Versuch gemacht, für diese Debatte eine gemeinsame Grundlage zu finden. Ich muß sagen: Gerade vor dem Hintergrund von Rheinhausen bedaure ich, daß uns das nicht gelungen ist. Ich sage ganz deutlich: Wer kein Herz aus Stein hat, fühlt mit denen, die in Sorge um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze und ihrer Stadt leben. ({0}) Aber, meine Damen und Herren - insbesondere von der Linken - , das ist zuwenig. Von Politikern muß man auch erwarten, daß sie den Blick für das Mögliche und die Kraft haben, das Notwendige zu tun. ({1}) Wer in diesen Tagen ins Feuer aufgewühlter Gefühle bläst, der wird seiner Verantwortung eben nicht gerecht. In diesem Zusammenhang möchte ich gerne etwas zu Ihnen sagen, Frau Hillerich. Sie haben gesagt, Herr Dr. Cromme habe sich als nicht zuständig für die Frankfurter Erklärung bezeichnet. Das kann der Wahrheit nicht entsprechen. Er war in Frankfurt dabei. Das Unternehmen hat nach dem Beschluß über Rheinhausen erklärt: Für den Fall, daß der Plan der Vorstände zum Tragen kommt, werden die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen im Geist der Frankfurter Vereinbarung, d. h. ohne Massenentlassung abgewickelt. ({2}) Sie haben hier ins Feuer geblasen. Dies ist die Wahrheit. Der Herr Minister Einert hat Vertragsbruch vorgeworfen. Auch zu Ihnen ein Wort, Herr Ministert Einert: Es ist nicht korrekt, wie Sie es dargestellt haben. Im Aufsichtsratsprotokoll des Unternehmens Krupp ist protokolliert, daß der Vorstandsbeschluß über einen Alleingang unter dem Vorbehalt steht, daß kein gemeinsames Konzept mit anderen Unternehmen zu finden ist. Unter diesem Vorbehalt ist das beschlossen worden. In einem mitbestimmten Aufsichtsrat ist das protokolliert worden. Auch das, was Sie hier gesagt haben, gehört unter die Kategorie „Ins Feuer blasen". Es ist schon schlimm, meine Damen und Herren, daß es die Industrie- und Handelskammer in Duisburg für notwendig hielt, „vor zügelloser Agitation zu warnen". Ich habe den Eindruck, daß die zügellose Agitation bis in den Deutschen Bundestag vorgedrungen ist. Aus einem zweiten Grund bedaure ich sehr, daß wir von Sprache und Inhalt her noch nicht zusammengefunden haben. Duisburg-Rheinhausen, aber auch Oberhausen, Hattingen, Sulzbach-Rosenberg sind Namen deutscher Städte, aber sie verkörpern auch ein europäisches Problem. In Brüssel dringen wir besser durch, wenn wir geschlossen in Erscheinung treten, und diesen Eindruck vermitteln wir jedenfalls heute nicht. ({3}) Damit bin ich bei der Bewertung, Herr Roth, des letzten Stahlministerrats. Ich setze mich gerade mit Ihnen auseinander, Herr Roth; Sie haben es noch gar nicht gemerkt. Die Ausgangslage hat der Bundeswirtschaftsminister in der Aktuellen Stunde ganz richtig beschrieben; er hat es heute noch einmal getan. Die EG-Kommission hat einen Vorschlag gemacht, der einen geradezu erschreckenden Mangel an Realitätssinn erkennen läßt. Abgesehen von zwei Erzeugnisbereichen, von Grobblech und von schweren Profilen, Gewicht ungefähr 10 % der deutschen Stahlproduktion, kann sie keine Krise mehr erkennen. Das Dokument, das die Brüsseler Kommission vorgelegt hat, macht deutlich: Die Verantwortlichen dort haben wirklich jede Bodenhaftung verloren. Vor dem Hintergrund unserer heutigen Probleme stelle ich geradezu einen pathologischen Wirklichkeitsverlust fest. ({4}) Dazu würde ich gern ein Beispiel nennen. Die drei Weisen, von der EG-Kommission eingesetzt, haben in ihrem Gutachten, Abteilung Diagnose, kritisch angemerkt, daß es Staatsbanken gibt, die zur Deckung von Betriebsdefiziten verstaatlichter Unternehmen fast unbeschränkt Kredite geben. Ich zitiere wörtlich: Die betreffenden Banken, meist öffentliche Institute, scheinen sich um ihre Außenstände nicht zu sorgen. Zu gegebener Zeit darf man sich darauf gefaßt machen, daß um eine Gemeinschaftsablösung nachgesucht wird, die ohne Berücksichtigung der Kosten vergangener Fehler gewährt wird. Das war ein Auszug aus dem Gutachten der drei Weisen. Die drei Weisen berichten von Staatsunternehmen, wie der British Steel Corporation, die heute so sehr übersubventioniert sind, daß es - vor kurzem hatten sie noch schwere Anpassungsprobleme - derzeit keine Finanzierungssorgen mehr bei ihnen gibt. Sie treten in dem Wettbewerb an, ohne in ihren Produkten Finanzkosten rechnen zu müssen. Ich zitiere wieder wörtlich: Eine solche Situation verführt die Begünstigte, die British Steel Corporation, zu überzogenem Optimismus, enthebt sie sie doch in einzigartiger Weise der unmittelbaren Notwendigkeit, mit anderen Firmen Vereinbarungen über einen gemeinsamen Abbau von Kapazitäten zu treffen. Das ist nicht aus einem Protokoll der Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie entnommen, das ist aus dem Gutachten der drei Weisen, den offiziellen Gutachten der EG-Kommission, entnommen. ({5}) Ich könnte hier noch eine ganze Weile fortfahren. Es wird der Fall des italienischen Staatsunternehmens Finsider behandelt. Hier wird die Notwendigkeit betont, für - Zitat - „eine außerordentliche Beihilfe, welche einen Abbau der hohen Verschuldung ermöglicht, die dem Unternehmen gegenwärtig jede Hoffnung nimmt" . Was findet man davon nun in der Vorlage der Europäischen Kommission für den Ministerrat? ({6}) - Sie haben richtig geraten und es richtig gesagt, Herr Kollege Unland: Nichts. Dieses Nichts, diese Leerstelle, diese Unterschlagung von Tatsachen ist das, was ich auch hier vor dem Deutschen Bundestag einen Skandal nennen möchte. Das ist die Ausgangslage, die der deutsche Bundeswirtschaftsminister vorfindet. Er hat völlig recht, er kann sie nur durch ein einstimmiges Votum des Ministerrats durchbrechen. Das aber ist nicht zu haben. Es gibt zwar in Brüssel, wie es heißt, keine manifeste Krise, aber es gibt dort manifeste Interessen. Wer die „Innereien" so etwas kennt, weiß, daß ich nicht gerade - um das locker zu formulieren - zum Fan-Club von Martin Bangemann gehöre. Wir haben schon ziemlich erbittert gestritten, und er dabei immer aus überlegener Position. Aber die Fairneß gebietet es, heute deutlich zu sagen: Der Bundeswirtschaftsminister hat in Brüssel am 8. Dezember hart und geschickt verhandelt. Er hat die Minister und die EG-Kommission in die Pflicht genommen, selbst für den notwendigen Kapazitätsabbau Sorge zu tragen. Er hat der deutschen Stahlindustrie auf diese Weise wieder Luft verschafft. Die Verhandlungsführung in dieser Runde, Herr Kollege Roth, verdient nicht die Häme, mit der Sie sie übergossen haben, sie verdient Unterstützung. Natürlich ist dies nur ein Etappenergebnis in einem schwierigen Rennen, nicht mehr und nicht weniger. Am 22. Dezember werden wir mehr über Erfolg und Mißerfolg wissen. Aber auch aus einem dritten Grund hätte ich mir heute gern Gemeinsamkeit gewünscht: Diejenigen, die sich so gern in die Robe der Ankläger werfen, leben gefährlich, sie treten dünnen Grund. Sie tun nämlich so, als habe die Stahlkrise mit dem Amtsantritt von Helmut Kohl begonnen. Die Stahlkrise ist, wie wir alle wissen, älter; sie geht ins 13. Jahr. 1975 begann der kräftezehrende Prozeß, der heute seine Wirkung, z. B. in Rheinhausen, zeigt. Es ist immer besser, vor den Reden zu rechnen, und das habe ich für Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, getan. Von den 100 Milliarden an Subventionen, die seit Beginn der Stahlkrise in benachbarten Ländern gewährt worden sind und die sich auf die deutschen Stahlunternehmen so zerstörerisch ausgewirkt haben, ist fast die Hälfte in der sozialliberalen Regierungszeit geflossen. 46 Milliarden von 100 Milliarden sind in der Zeit der Regierung Helmut Schmidt geflossen, und er und seine Mannschaft haben das nicht verhindern können. Es besteht aus meiner Sicht für die Opposition heute wenig Grund, so laut zu werden. Von den 100 000 Arbeitsplätzen - um auch davon zu reden -, die bisher als Folge der Wettbewerbsverzerrungen in Deutschland verlorengegangen sind, sind 56 000, also mehr als die Hälfte, in sozialliberaler Zeit vernichtet worden, um das Wort aufzunehmen, das so schlimm ist und das Sie trotzdem so häufig verwenden. Ich meine, auch das ist sicherlich kein Grund, das große Wort der Anklage zu sprechen. Sie wären meines Erachtens gut beraten, heute nicht so sehr ins Horn zu stoßen. Aber schließlich gibt es auch noch einen anderen Grund, aus dem man nur bedauern kann, daß wir im Deutschen Bundestag keine gemeinsame Basis gefunden haben. Wir täten nämlich gut daran, von hieraus ein Zeichen zu setzen, das ins Land ausstrahlt. Manche scheinen zu meinen, man brauche nur Geld in die Montanreviere zu pumpen oder die Unternehmen zu verpflichten, Ersatzarbeitsplätze zu schaffen, dann werde es dort wirtschaftlich wieder zu grünen beginnen. Das erscheint mir denn doch reichlich einfältig. Um neue Arbeitsplätze zu schaffen, braucht man nicht nur Geld, man braucht eine gesunde Vierermischung: Ideen, Geld, Zeit und unternehmerische Bereitschaft zum Risiko, die das alles zusam3564 menbindet und aus Ideen marktgängige Produkte macht. ({7}) - Pardon, ich möchte jetzt bitte fortfahren. Ich habe wenig Zeit und möchte im Zusammenhang vortragen. ({8}) Unternehmer kann man nicht kommandieren. Sie gehen dort zu Werke, wo sie ein Klima partnerschaftlicher Zusammenarbeit erwarten, und damit ist es eben nicht überall gut bestellt. Ich habe in Oberhausen dafür geworben, daß sich die dort ansässigen Großunternehmen mit Mittelständlern zusammenschließen, um jungen Unternehmen Starthilfe zu geben. Das war auch erfolgreich. „Neu-Oberhausen" heißt das so gegründete neue Unternehmen - ein Programmname, aber mit Tradition. Die SPD vor Ort hat das begrüßt. Als Grußadresse wurde dem neugeborenen Kind dann allerdings folgender Taufspruch gewidmet - ich zitiere aus der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" -: Man wird selbstverständlich darauf achten, daß nicht über diesen Weg entmenschlichende Arbeitsbedingungen Eingang finden oder erkämpfter sozialer Fortschritt in Frage gestellt wird. Ich frage: Welch verbogener Phantasie entspringt eigentlich ein solcher Satz? ({9}) Was wird einem jungen Unternehmer, der sein Erspartes einsetzt und aufs Elternhaus die Hypothek nimmt, hier eigentlich unterstellt? Und wie wird er sich entscheiden? Ich hoffe, er macht nicht die Südfliege, wie man so leicht und locker sagt. Ich habe leider meine Redezeit erschöpft. Ich bedanke mich. ({10})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schreiner.

Ottmar Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lambsdorff, Sie sind kein Heuchler. Sie reden eine offene Sprache. Aber die Offenheit, in der Sie soeben Ihr Arbeitnehmerbild dargestellt haben, läßt mich zutiefst erschrecken. Sie sprechen und denken in frühkapitalistischen Kategorien. Arbeitnehmer sind für Sie offenkundig reine Produktionsfaktoren. Ihnen scheint nie in den Sinn gekommen zu sein, daß Arbeitnehmer leidensfähige Menschen sein können. ({0}) Sie scheinen nie die Möglichkeit gehabt zu haben, mit Familien zu reden, denen der Vater arbeitslos geworden ist und die zu Hause nicht wissen, wie es weitergehen soll; mit Familien zu reden, die mit wenigen hundert Mark im Monat ihre Kinder ernähen sollen; mit Familien zu reden, die nach ihrer eigenen Überzeugung für den Rest des Lebens eine Lebensperspektive verloren haben. ({1}) Graf Lambsdorff, ich lade Sie herzlich ein: Kommen Sie zu mir in meinen Wahlkreis, einen Wahlkreis mit über 15 % Arbeitslosigkeit, ein Stahlrevier, ein Kohlerevier! Reden Sie mit den Betroffenen und stellen Sie sich dann hierher in den Bundestag! Dann werden Sie die Rede, die Sie soeben hier gehalten haben, vermutlich nicht wiederholen. ({2}) Die zweite Bemerkung. Es ist hier gegen die Forderung der IG Metall nach Vergesellschaftung und die Forderung nach einem Stahlverbund sehr viel polemisiert worden. Ich meine, es muß auch für die Regierungsfraktionen unerträglich sein, wie die ökonomische Macht mit der politischen Macht Schlitten gefahren ist und Schlitten fährt. ({3}) Wer regiert eigentlich diese Republik? Sind es einige Konzernbosse, die der Regierung auf der Nase herumtanzen? Und das ist nicht nur in Duisburg der Fall; Albrecht ist es um keine Spur besser ergangen. ({4})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Lambsdorff?

Ottmar Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Bitte.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schreiner, darf ich Sie nur davon unterrichten, daß ich Ihre Einladung gern annehme und vorschlage, daß wir einen Termin vereinbaren? ({0})

Ottmar Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr schön. Ich bedanke mich sehr herzlich und freue mich - ich sage das ganz offen -, daß Sie dieses Angebot annehmen. Denn ich schätze Sie als einen offenen Mann. Sie sind das Gegenteil eines Heuchlers. Ich schätze nicht Ihre Meinung; darüber kann man reden. Unerträglich ist, daß einige Konzernbosse über das Wohl und Wehe ganzer Großstädte und ganzer Regionen entscheiden. Wenn vor diesem Hintergrund die Forderung nach einem Stahlverbund und andere Forderungen abgelehnt werden, dann muß die Regierung sagen, was sie denn eigentlich unternehmen will, um die gegenwärtige unerträgliche Situation abzustellen. Diese Situation ist deshalb so gekommen, wie sie ist, weil die Bundesregierung im Stahlbereich wie in anderen Bereichen nicht handlungsfähig gewesen ist, weil die Bundesregierung konzeptionslos ist. Der Minister Bangemann hat soeben bestritten, daß er in Brüssel für die Freigabe der Quoten im Bereich der Walzdraht- und Stabstahlprodukte argumentiert habe. Die Quoten sind zum 1. Januar freigegeben worden. Das trifft besonders Saarstahl Völklingen und die Maxhütte. Es trifft Unternehmungen in strukturschwachen Räumen, die angesichts der Arbeitsplatzverluste der vergangenen Jahre und Jahrzehnte bettelarm geworden sind. Wie kann Herr Bangemann sich eigentlich hier hinstellen und dies bestreiten? Die „Saarbrückener Zeitung" schreibt: „Bonn opfert Walzdraht". Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt: „Bonn schlägt keine Stahlquoten vor" und fährt fort: Die Bundesrepublik hat ihren seit 1985 bestehenden Widerstand gegen die Aufhebung des Quotensystems bei Walzdraht und Stabstahl aufgegeben. Ein Sprecher der deutschen Delegation erklärte, Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann habe die Beibehaltung der Quoten bei den beiden Erzeugnisse nicht vorgeschlagen. Die Erklärung seines Pressesprechers steht im glatten Widerspruch zu der Erklärung von Bangemann heute vormittag in diesem Parlament. Was stimmt? Wen führen Sie eigentlich vor? Wollen Sie das Parlament vorführen? Führt der Pressesprecher die Öffentlichkeit vor? Was ist eigentlich Sache? So konzeptionslos, wie ihre gesamte Stahlpolitik ist, äußert sich die Bundesregierung auch heute hier in diesem Parlament. ({0}) Meine Damen und Herren, es ist gestern von Bangemann und heute von Graf Lambsdorff erklärt worden, die Aktivitäten der von der Schließung betroffenen Stahlarbeiter in Duisburg-Rheinhausen verschlechterten die Standortqualität dieser Region. Das ist eine unerträgliche Aussage. ({1}) Sollen sich diese Arbeitnehmer wie Lämmer zur Schlachtbank führen lassen? Sollen sie sich zu Hause mit ihren Familien in den Wohnungen einschließen? Oder sollen sie versuchen zu retten, was zu retten ist? ({2}) Wer dieses Verhalten öffentlich als eine Miesmache des Standorts interpretiert, hat aber auch das letzte Gespür für die Leidensfähigkeit der betroffenen Menschen verloren. ({3}) Dritte Bemerkung. Es ist heute morgen von Minister Blüm und gestern von Bundesminister Bangemann in der Kohledebatte mehrfach ausdrücklich gesagt worden, es komme nunmehr entscheidend auf die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen an. Das ist wohl wahr. Das ist in der Tat der entscheidende Punkt. Minister Bangemann hat gestern gesagt - ich saß ihm als Schriftführer im Nacken und habe das sehr genau zur Kenntnis genommen - : Die Bundesregierung wird gern große Mittel für die regionale Förderungspolitik ausgeben. Ich frage, wie ernst ist dieser Satz von Minister Bangemann gestern zu nehmen? Was beabsichtigen Sie, zur Verfügung zu stellen, um zu Ersatzarbeitsplätzen in Regionen zu kommen, die nicht zu Auswanderungsregionen werden, sondern die es bereits sind? Was haben Sie vor? Die ganze Politik der vergangenen Monate ist im Ergebnis präzise das Gegenteil dessen, was gebraucht würde, um Ersatzarbeitsplätze zu schaffen. ({4}) Ich will Ihnen dies an zwei, drei knappen Beispielen zu erläutern versuchen. Der erste Punkt: Das einzige bestehende wirksame Instrument, nämlich die Gemeinschaftsaufgabe Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur, wird der geplanten Steuerreform zum Opfer gebracht. ({5}) Sie kürzen die Mittel netto um rund 1 Milliarde DM. Wie verträgt sich dies eigentlich mit Ihrer Aussage, Sie wollten die Mittel für Ersatzarbeitsplätze in der kommenden Zeit massiv anheben? Was haben Sie vor? Sie betreiben bislang das Gegenteil. Das von Ihnen avisierte Konjunkturprogramm ist unisono von nahezu allen Kommentatoren zerpflückt worden, weil es nicht im geringsten in der Lage ist, denen zu helfen, die dringendst Hilfe brauchen, nämlich die armen Kommunen, Kommunen mit hoher Arbeitslosigkeit und im Verbund damit massiv gestiegenen Sozialhilfeaufwendungen. ({6}) Kommunen, die handlungsunfähig sind, die buchstäblich vor dem Bankrott stehen, können keine zinsverbilligten Kredite aufnehmen, weil sie das Geld nicht haben, weil sie keine Möglichkeiten haben. ({7}) Wir brauchen Hilfen für Duisburg, für Völklingen, für Saarbrücken, für die Oberpfalz, für Osnabrück, für die Werftstädte, für alle die Städte, die am Rande des Ruins sind. ({8}) Sie betreiben das Gegenteil in Ihren Vorschlägen. Wie verträgt sich dies mit Ihren Ankündigungen, Ersatzarbeitsplätze in den betroffenen Regionen schaffen zu wollen? Darauf müssen Sie antworten. Sie müssen dazu etwas sagen. Betroffenes Nicken reicht nicht. Sie müssen sich dazu erklären. Es tut mir leid, wenn ich Ihnen die Weihnachtsstimmung etwas verdorben habe. Ich wünsche Ihnen trotzdem ein frohes Fest. Ich will mit einem Zitat abschließen. Es macht keinen Sinn, die IG Metall zu zitieren, andere Gewerkschaften zu zitieren; davon halten Sie nicht viel. Es macht keinen Sinn, die Konzernherren zu zitieren; das nutzt nichts, die tanzen Ihnen auf der Nase herum. Ich zitiere aus einem gemeinsamen Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur Arbeitslosigkeit vom 2. September 1985: Arbeitslosigkeit bedeutet für die Betroffenen erhebliche materielle Einbußen. Sie unterhöhlt den Leistungswillen und das Selbstbewußtsein. Sie greift die sozialen Bindungen in Ehe und Familie, im nachbarschaftlichen Leben an und zerstört Solidarität. Es kann zu einem Zerbrechen des sozialen Grundkonsenses zwischen Arbeitslosen und Arbeitsplatzbesitzenden in unserem Staat kommen, zu einer Entsolidarisierung der gesellschaftlichen Gruppen, zu Unruhe und den inneren Frieden gefährdenden Aktionen. - 1985, katholische und evangelische Kirche: „zu den inneren Frieden gefährdenden Aktionen" -1985! Diese Situation ist jetzt da, und Sie sind dafür verantwortlich. ({9})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).

Hans Werner Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch mit der soeben gehörten Rede haben wir nicht die Möglichkeit, eine einzige Tonne Stahl mehr zu verkaufen; es ist auch kein einziger Ersatzarbeitsplatz mit einer solchen Diktion zu schaffen. Meine Damen und Herren, es ist leider so, daß die Probleme im Stahl sehr oft mit den Problemen der Kohle kumulieren. Das hat dann seine verheerenden Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Deswegen ist es schon befriedigend, festzustellen, daß jetzt zu dieser Stunde oben im Bundeswirtschaftsministerium die Kohlerunde läuft, wo berechtigte Aussichten bestehen, daß man sich einvernehmlich über die unvermeidlichen Kapazitätsabbauten verständigen wird, einvernehmlich, weil man hier eine Kraftanstrengung gemacht hat zwischen Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften, Arbeitnehmern, Bundesregierung und Landesregierung. So war auch gestern die Debatte zur Kohle angelegt, wenn ich einmal von den energiepolitischen Flegeleien des Herrn Lafontaine hier absehe. ({0}) Meine Damen und Herren, es ist klargeworden, daß die Bewältigung der aktuellen Krise im deutschen Steinkohlebergbau nicht nur eine Frage des politischen Wollens ist, sondern auch eine Frage objektiver Widrigkeiten. Diese Einsicht ist - Gott sei es gedankt - bei der Kohle inzwischen eingekehrt; beim Stahl ist sie noch nicht vorhanden, obwohl man sich im Wirtschaftsausschuß in der dort verabschiedeten Entschließung sehr nahegekommen war. In der öffentlichen Diskussion ist es nicht so. So wirft die SPD der Bundesregierung vor, sie würde die SPD-geführten Länder, die ja hauptsächlich Stahlstandorte sind, vernachlässigen - eine törichte Behauptung, wo doch alle Unterlagen das Gegenteil beweisen. Ich frage mich, meine Damen und Herren: Sind die Arbeitsplatzverluste und Grubenschließungen der 70er Jahre die Angelegenheiten des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Helmut Schmidt gewesen? Ich frage mich: Ist das, was wir jetzt diskutieren, ausschließlich eine Angelegenheit der CDU und der CDU-geführten Bundesregierung? So einfach und so simpel, wie hier derzeit die Schuldzuweisungen gemacht werden, kann man doch die Bewältigung des Strukturwandels im Rahmen einer Industriegesellschaft nicht diskutieren. ({1}) Graf Lambsdorff, wenn Sie freundlicherweise die Einladung des Herrn Schreiner angenommen haben, in den Wahlkreis zu kommen, den ich hier als direkt gewählter Abgeordneter seit 1976 vertrete, wäre ich sehr dankbar, wenn ich da mitgehen könnte. ({2}) Wir könnten dann bei den Stahlarbeitern abfragen und feststellen, was nicht alles 1985 von der SPD als damaliger Opposition im Saarland im Zusammenhang mit der Stahlkrise den Arbeitern und deren Familien versprochen wurde und wie dürftig die Bilanz jetzt ist. ({3}) Nur, meine Damen und Herren, eines ist anders als 1985: Damals protestierte die IG Metall an Ihrer Seite, damals gab es nur Hohn und Spott seitens der IG Metall über die Anstrengungen und Erfolge von z. B. Ministerpräsident Werner Zeyer. Heute haben wir eine konstruktive IG Metall, konstruktive Betriebsräte bei Saarstahl, die den dramatischen Arbeitsplatzabbau bei Saarstahl begleiten. Der Betriebsratsvorsitzende von Saarstahl hat im Frühjahr dieses Jahres sogar gesagt: Wir haben keine Veranlassung zu besonderer Unruhe. Bei uns ist es anders als an Rhein und Ruhr; hier sind keine Arbeitsplätze gefährdet. Wie sich doch die Zeiten ändern, meine Damen und Herren. Es soll nur ja keiner meinen, daß die Bevölkerung nicht merkt, daß hier anders argumentiert wird. Wenn hier darüber diskutiert wird, daß der Stahlrat am vergangenen Mittwoch in Brüssel getagt hat, und wenn hier die Quotenregelung für Walzdrähte und Stabstahl angesprochen wird, die nicht verlängert worden ist, so muß ich hier sagen: Das hat jeder vorher gewußt. Insofern ist das, was in dem Antrag der SPD steht, auch nicht richtig. ({4})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Werner Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, angesichts der Redezeit, die mir eingeräumt worden ist, gestatte ich keine Zwischenfrage. Hier von einer Schuld des Bundeswirtschaftsministers zu sprechen, ist falsch. Ich habe mich genau sachkundig gemacht. Auch die Verlautbarungen in der „Saarbrücker Zeitung" und in der „FAZ" sind sachlich falsch. Das ist bereits richtiggestellt worden. In der Stahlfraktion des saarländischen Landtages hat ein Vorstandsmitglied von Saarstahl schon vor Wochen angekündigt, daß eine Quotenverlängerung nicht möglich sei. Er hat sogar gesagt, man könne sich Müller ({0}) schon darauf einstellen. Wenn dann der saarländische Bundesratsminister - er sitzt hier auf der Bundesratsbank -, der Herr Hahn, im Landtag Vorwürfe erhebt, während Herr Bangemann in Brüssel noch verhandelt, dann ist das zumindest sehr merkwürdig, um nicht zu sagen „Hahnebüchen". Das möchte ich hier einmal ganz deutlich feststellen, weil es am 2. Dezember im Bundeswirtschaftsministerium ein Abstimmungsgespräch gegeben hat, in dem allen Beteiligten - auch den Bundesländern - diese schwierigen juristischen Fragen erklärt worden sind. Das Saarland war bei dieser Besprechung merkwürdigerweise nicht vertreten. Das sind die Fakten. Man fragt sich schon, warum hier so nach dem Motto: „Haltet den Dieb! " gehandelt wird. Glaubt die saarländische Landesregierung, die ja 76 % der Eigentumsrechte besitzt, nicht mehr an die Zukunft des Unternehmens, und sucht sie den Schuldigen für ein eventuelles Scheitern ihrer Politik? Was soll denn noch die Gründung einer Deutschen Stahl AG oder die Installierung eines Stahlausschusses, wenn man im Saarland schon mit zwei Unternehmen nicht klarkommt? Wie steht es denn mit der eigenen Rolle als Mehrheitseigner bei Saarstahl hinsichtlich der Zeitpläne, der Konzepte, der Prognosen in der Fusion mit der Dillinger Hütte, die ja überwiegend dem französischen Staat gehört, da die saarländische Regierung 1985 doch erklärt hat, sie brauche ein Jahr, um das alles klarzumachen? Für eine solche Fusion ist aber der politische Wille der Franzosen notwendig. Hier rächt sich der verbale Krieg von Lafontaine gegen die Franzosen, der die deutsch-französische Grenze als „Giftgrenze" bezeichnet hat und der Frankreich vorgeworfen hat, dort habe eine Atom-Mafia das Sagen. Das alles ist in diesem Zusammenhang anzusprechen. ({1}) Kein Mensch kann heute sagen, wie sich der französische Staatskonzern Sacilor letztlich verhält. Überall werden Stahlkapazitäten abgebaut, aber in Lothringen spricht man davon, daß Sacilor eine neue Walzstraße bauen will. Gibt das alles nicht zu denken? Wann hat denn die saarländische Regierung zum letztenmal mit der französischen Regierung gesprochen? Noch nie, seitdem diese Landesregierung im Amt ist. Damit wären wir beim Problem der Ersatzarbeitsplätze. Hier gibt es kein Patentrezept. Das ist in dieser Debatte schon wiederholt angesprochen worden. Es gibt die klassischen Instrumente der Gemeinschaftsaufgabe, der Qualifizierung. Prognos hat jetzt dazu ein interessantes Gutachten vorgelegt. Aber auch der Bund - das sage ich hier in dieser Debatte ganz offen ({2}) muß hier Anstrengungen unternehmen, und zwar bei der Vergabe nennenswerter Aufträge der Bundeswehr, der Bundespost mit Wertschöpfung, die man - natürlich unter Aufrechterhaltung des Wettbewerbes - in die krisengeschüttelten Regionen lenken kann. Ich denke aber auch an Direktinvestitionen auf den Gebieten Straßenbau, Lärmschutz und viele andere mehr. Da ist viel geschehen. Dies alles sind unendlich wichtige Schritte. Genau so wichtig ist aber auch, daß, da der saarländische Arbeitsmarkt ja nicht nur Arbeitsplätze im Kohle- und Stahlbereich, sondern auch im Bauhandwerk und in der Verbrauchsgüterindustrie verliert, die politisch zu beeinflussenden Bedingungen positiv geändert werden. Leider ist das Saarland kein industriefreundlicher Standort mehr. Dies könnte die derzeitige Landesregierung im Klimatischen sehr wohl sehr bald ändern. ({3}) Wenn diese Debatte etwas bringen soll, meine Damen und Herren - das wäre mein Wunsch - , dann dies, daß wir Polemik unterlassen. Dann könnten wir die objektiven Widrigkeiten, von denen ich zu Beginn gesprochen habe, besser meistern. Ich bedanke mich. ({4})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Kraus.

Rudolf Kraus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001202, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schreiner, so einfach ist es also mit der Verantwortung: ({0}) Die jetzige Bundesregierung muß die Verantwortung für die Fehlentwicklung vieler, vieler Jahre tragen. ({1}) Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat damit offenbar überhaupt nichts zu tun. Wenn man die Rede hier gehört hat, hat man den Eindruck, als ob sich diese Regierung in erster Linie auf die Verwaltung der Probleme und auf Image-Pflege, sprich: Wegtauchen, konzentrieren würde, sich aber mit der Sache nicht mehr identifizierte. ({2}) Es wurden heute eine Menge Hoffnungen geweckt. Mir fällt allerdings auf, daß kaum, insbesondere von seiten der Opposition, durchführbare Handlungsvorschläge gemacht worden sind. Den Leuten ist am allerwenigsten dadurch geholfen, daß man ihnen Hoffnungen macht, von denen man eigentlich wissen müßte, daß sie so nicht erfüllt werden können. Interessant war für mich auch die Aussage von Herrn Stratmann hinsichtlich der Mitbestimmung. Ich glaube, das ist etwas, was wir in den nächsten Monaten im Zuge der Beratung der neuen Mitbestimmung schon beachten sollten. Hier hat ein Mann der Mitbestimmung heute bescheinigt, daß sie praktisch voll versagt habe, jemand, der sonst nicht müde wird, sich bei den Gewerkschaften immer wieder anzubiedern. Was er vorschlägt, ist nun eine ganz merkwürdige Sache. Das, was er will, hat eine große Ähnlichkeit mit dem, was in anderen Ländern unter „Arbeiterselbstverwaltung" läuft. Jemand, der auch nur minimal informiert ist, müßte eigentlich wissen, daß derartige Systeme - es gibt Beispiele dafür - wirklich in die Katastrophe geführt haben und nur ein ganz uninfor3568 mierter Mensch überhaupt damit konfrontiert werden dürfte. Meine Damen und Herren, beim Stahl haben wir die Situation, daß der Nachfragerückgang und die damit verbundene Rückläufigkeit der Erträge in Wahrheit natürlich der Zwang zu weiteren Anpassungen ist. Wir werden in der Bundesrepublik sicher 35 000 bis 40 000 Arbeitsplätze abbauen müssen, anteilig weit mehr als die 80 000 in der gesamten EG. Das hat natürlich letztlich auch die Infragestellung ganzer Standorte zur Folge. Daraus ziehe ich nur den Schluß, daß auf jeden Fall alles getan werden muß, das Quotensystem zu verlängern. Es wäre verkehrt, die Ursache für die Situation der Stahlindustrie nur in der EG zu suchen. Die Ursachen sind vielmehr weltweit: weltweiter Rückgang der Nachfrage in den Industrieländern, auch in der Bundesrepublik, Vordringen der sogenannten Schwellenländer auf dem Markt, Fortschritt in der Stahltechnologie mit immer besseren Qualitäten und damit Rückgang des spezifischen Stahlverbrauchs ; Vordringen von Substitutionsprodukten und ähnliche weitere Entwicklungen. Dieser Entwicklung muß sich die Stahlindustrie in den Industrieländern anpassen. Dann wird sie auch wieder eine positive Zukunftsperspektive haben. Der negative Einfluß der bis 1985 gezahlten Subventionen auf die Wettbewerbssituation ist ja wohl nicht zu leugnen. Wir begrüßen deshalb, daß es der Bundesregierung gelungen ist, ab 1986 das weitgehende Verbot von Subventionen für die Stahlindustrie durchzusetzen. Allerdings ist auch erkennbar, daß die Verluste von Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten wieder zu Subventionen führen können. Außerdem hat der Bericht der sogenannten Drei Weisen gezeigt, daß offensichtlich noch eine Reihe von versteckten Subventionen existiert, sei es in Form einer üppigen Eigenkapitalausstattung durch den Staat, sei es in Form von offensichtlich unbesorgt und reichlich gewährten Krediten an Unternehmen, offensichtlich deshalb, weil sie dem Staat gehören. Hier sollte die Bundesregierung einhaken, um einen neuen Subventionswettlauf bzw. ein Unterlaufen des Stahlsubventionskodex zu unterbinden. Nur bei absoluter Beihilfedisziplin kann eine Liberalisierung des Stahlmarktes gelingen. Es wird auch häufig der Eindruck erweckt, daß nur die deutsche Stahlindustrie Kapazitäten und Personal abbaue und damit Sonderopfer für Europa bringe. Dieser Eindruck ist falsch. Seit 1974 sind die Belegschaften sowohl in Großbritannien, in Frankreich als auch in Belgien deutlich stärker abgebaut worden, als das bei uns der Fall ist. Bei einem Anteil von rund einem Drittel an Produktion und Kapazität wurden in Deutschland von 1980 bis 1985 rund 20 % der Kapazitäten abgebaut. Andere Länder wie Großbritannien, Frankreich und Luxemburg reduzierten ihre Kapazitäten stärker, als ihren Produktionsanteilen entsprach. Ich möchte auf noch etwas eingehen: Im nordrhein-westfälischen Landtag wurde am 2. Dezember 1987 ein nationaler Stahlverbund, ein nationales Stahlkonzept auf der Basis eines europaweit wettbewerbsfähigen Stahlverbundes gefordert. Herr Farthmann forderte eine einheitliche bundesdeutsche Stahl AG nach dem Vorbild der Ruhrkohle AG. Es ist unklar, was unter dem „nationalen Stahlverbund" oder einem „europaweit wettbewerbsfähigen Stahlverbund" verstanden wird. Herr Farthmann denkt offensichtlich nicht nur an eine derartige Konstruktion, wenn er eine bundesdeutsche Stahl AG nach dem Vorbild der Ruhrkohle AG schaffen will. Er fordert vielmehr gleichzeitig Erhaltungssubventionen in Milliardenhöhe auf unabsehbare Zeit. ({3}) Diese Erhaltungssubventionen werden bei der Kohle aus Gründen der Energiesicherung von Bund, Ländern und Verbrauchern getragen. Sie belasten die gesamte deutsche Industrie. Ähnliche Gründe wie bei der Kohle sehen wir beim Stahl nicht. Ein solches Konzept ist deshalb auch wirklich kein Ansatzpunkt für eine Lösung des Problems. Es schaffte keine Tonne mehr Absatz - das wurde hier schon gesagt - , vielmehr würden die Verluste sozialisiert und die Verantwortlichkeiten verwischt. Wenn aber auf Grund des verstärkten politischen Einflusses betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte vernachlässigt und Entscheidungen verzögert werden, müssen später noch gravierendere Stillegungen durchgeführt werden. Die politischen Aktivitäten müssen auf die Bewältigung zukünftiger Aufgaben gerichtet werden. Dabei geht es vor allem um die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen. Die Bundesregierung sollte sich daher weiterhin zügig für die Anwendung und Durchführung von Programmen gerade im Hinblick darauf einsetzen. Wie das Problem der Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen verantwortungsbewußt, schnell und entschlossen aufgegriffen werden kann, demonstriert die Bayerische Staatsregierung mit ihren Aktivitäten für die Standorte der Maxhütte. Die vielfältigen Maßnahmen und der engagierte Einsatz Bayerns präsentieren die mittlere Oberpfalz heute als eine zukunftsträchtige Industrieregion mit industrieerfahrener Bevölkerung und guter Infrastruktur. Wir werden alles unterlassen, dasselbe zu tun, was Sie hier machen, nämlich genau diese Standorte, für die Sie heute etwas tun wollen, in so grauenhaften Farben zu schildern, daß das Ganze zu einem echten Abschreckungsprogramm für einen jeden Investor geraten muß. ({4}) Wir bitten die Bundesregierung, weiterhin den eingeschlagenen Weg - insbesondere der Unterstützung der Bemühungen für die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen - zu gehen. Das scheint uns neben der notwendigen sozialen Flankierung des Abbaus der Arbeitsplätze der entscheidende Punkt zu sein. Nur so kann man auf die Dauer die Probleme lösen, nicht mit einer hinhaltenden Taktik, mit Versprechungen, die letztlich nicht eingehalten werden können. Ich bedanke mich. ({5})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Bevor wir zu den Präsident Dr. Jenninger Abstimmungen über die Beschlußempfehlung kommen, darf ich dem Berichterstatter des Wirtschaftsausschusses, dem Abgeordneten Dr. Lammert, zu einer redaktionellen Bemerkung das Wort erteilen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine lieben Kollegen! Dieser Debatte hat ursprünglich neben den kurzfristig zusätzlich eingebrachten Anträgen aus den verschiedenen Fraktionen eine Beschlußempfehlung des Wirtschaftsausschusses zugrunde gelegen, die sich mit einer Reihe von zu einem früheren Zeitraum eingebrachten Anträgen verschiedener Fraktionen zur Stahlpolitik befaßt. Ziel der Beschlußempfehlung des Ausschusses war eine Beratung hier im Plenum vor der Ministerratssitzung, die in dieser Woche stattgefunden hat. ({0}) - Herr Kollege Roth, Sie wissen so gut wie ich, daß die Festlegung der Tagesordnung im Ältestenrat einvernehmlich stattfindet. Deswegen sollten wir an dieser Stelle jetzt unnötige Polemik bleiben lassen. ({1}) Aber da wir uns einig sind, sind wir uns sicher auch über die redaktionelle Änderung einig, die ich vorschlagen möchte. Im dritten Absatz des Punktes I der Beschlußempfehlung auf der Drucksache 11/1305 wird nach dem vorgesehenen Text des Ausschusses „für die bevorstehende ... Sitzung des ... Ministerrats ... am 8. Dezember 1987" die Unterstützung der Bundesregierung „in ihren ... Anstrengungen, ..., Beihilfedisziplin durchzusetzen und einen wirksamen Außenschutz ... sicherzustellen", eingefordert. Wir schlagen jetzt vor, das redaktionell so zu ändern: Für die weiteren Sitzungen des EG-Ministerrats zur Stahlpolitik unterstützt der Deutsche Bundestag .. . Der übrige Text soll wie vorgesehen bleiben. Vielen Dank, Herr Präsident.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Hier handelt es sich also um eine Änderung des Abschnitts I der Beschlußempfehlung nach dem zweiten Absatz. Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung. Die Beschlußempfehlung besteht aus drei Teilen. Wir müssen, da Änderungsanträge vorliegen, getrennt abstimmen. Wer stimmt für Abschnitt I der Beschlußempfehlung des Ausschusses auf der Drucksache 11/1305? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abschnitt I der Beschlußempfehlung ist angenommen. Der Auschuß empfiehlt unter II seiner Beschlußempfehlung weiter, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/123 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen. Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN möchte noch eine Änderung ihres Antrages vornehmen. ({0}) Herr Kollege Stratmann, ich erteile Ihnen das Wort.

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es geht um eine redaktionelle Änderung des Antrages auf Drucksache 11/1477.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Kollege Stratmann, dieser Antrag steht jetzt nicht zur Abstimmung. Wir machen das erst, wenn er aufgerufen ist. ({0}) - Ja, stellen wir das zurück. Jetzt geht es um den Antrag auf Drucksache 11/398. Der Ausschuß empfiehlt unter III seiner Beschlußempfehlung, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/398 abzulehenen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen. Jetzt kommen wir zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/1477. Dazu wollten Sie eine Änderung vorschlagen. Bitte! ({1})

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Seiters, dieser redaktionelle Änderungsantrag wird von Schily, Ebermann und Stratmann und der Fraktion DIE GRÜNEN getragen. Um auch Ihre Zustimmung zu bekommen -

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Kollege, Sie sollen keine Rede halten, sondern jetzt Ihren Antrag darlegen. Bitte sehr!

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Etwa in der Mitte der ersten Seite steht der Satz: „Bis 1990 sollen ca. weitere 35 000 Arbeitsplätze abgebaut werden. " Das muß geändert werden. Es muß statt „ca. weitere 35 000 Arbeitsplätze" heißen: „ca. weitere 40 000 Arbeitsplätze ...". Das ist die aktuelle Zahl.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Vielen Dank. Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/1477 mit der eben vorgeschlagenen Änderung ab. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/1504. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/1522 ab. Auch hier wünschen Sie eine Änderung vorzunehmen. Bitte sehr.

Imma Hillerich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000902, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe vorhin in meiner Rede erwähnt, daß im zweiten Abschnitt ein Ausdruck geändert werden soll. Es muß nämlich heißen, daß der Deutsche Bundestag den Vorstand der Krupp Stahl AG auffordert - statt „erwartet" -, „seinen darin versprochenen Beitrag ohne Abstriche zu leisten".

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Vielen Dank. Präsident Dr. Jenninger Wer stimmt für diesen Antrag mit der vorgeschlagenen Änderung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/1524. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 23 und Zusatzpunkt 12 der Tagesordnung auf: Aussprache zu Afghanistan Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN 8 Jahre Krieg in Afghanistan - Drucksache 11/1500 Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Beratung eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist es so beschlossen. Meine Damen und Herren, ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die den Saal verlassen wollen, dies jetzt zu tun, und die anderen Kollegen bitte ich, Platz zu nehmen. - Ich werde die Aussprache erst dann eröffnen, wenn die Kolleginnen und Kollegen dieser Weisung nachgekommen sind. ({0}) Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Todenhöfer.

Dr. Jürgen Todenhöfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002333, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als am 27. Dezember 1979 die sowjetische Armee Afghanistan überfiel, begann einer der blutigsten und erbarmungslosesten Ausrottungs- und Vertreibungskriege nach dem Zweiten Weltkrieg. Nirgendwo auf der Welt wurde häufiger und brutaler gefoltert als in Afghanistan; nirgendwo wurde der Krieg gezielter gegen die Zivilbevölkerung geführt, und nirgendwo gab es einen vergleichbaren Krieg gegen Kinder wie in Afghanistan. Daran hat sich auch nach der Machtübernahme durch Generalsekretär Michail Gorbatschow nichts geändert. Während Gorbatschow täglich von Frieden redet, führt er einen immer brutaler werdenden Krieg in Afghanistan. Seit zwei Jahren kündigt er immer wieder den unmittelbaren bevorstehenden Abzug der sowjetischen Invasionstruppen aus Afghanistan an. Die Menschen in Afghanistan jedoch sterben weiter auf seinen Befehl hin unter dem Bombenhagel sowjetischer Luftangriffe. Solange sich daran nichts ändert, ist Michail Gorbatschow kein Mann des Friedens, sondern ein Mann des Krieges. Gorbatschow hat beim Gipfeltreffen in Washington in seiner Rede nach der Unterzeichnung des INF-Abkommens wörtlich erklärt: „Die Menschen wollen in einer Welt leben, in der jeder das Recht auf Leben, Freiheit und Glück genießt." So Gorbatschow in Washington vor zwei Tagen. Aber niemand hat dieses Recht des afghanischen Volkes in den vergangenen Jahren so sehr mit Füßen getreten wie die sowjetische Führung unter Gorbatschow. Auch nach dem Gipfeltreffen in Washington läßt Gorbatschow in Afghanistan weiter töten. Daran ändern auch seine vagen Ankündigungen bei diesem Gipfeltreffen nichts. Meine Damen und Herren, von Frieden zu reden, reicht nicht; Frieden muß man praktizieren. Den Worten vom Truppenabzug aus Afghanistan müssen jetzt endlich Taten folgen. Die Sowjetunion setzt in Afghanistan u. a. gegen Kinder gezielt sogenannte Schmetterlingsbomben ein, die wegen ihrer geringen Größe und wegen ihres langsamen Herabschwebens vom Himmel von den Kindern als Spielzeuge angesehen werden. Diese Spielzeugbomben explodieren nicht beim Aufschlagen, sondern erst, wenn man sie berührt oder mit ihnen herumspielt. Tausenden afghanischer Kinder wurden durch diese Schmetterlingsbomben, die sie strahlend und fröhlich aufsammeln wollten, die Beine abgerissen und die Arme zerfetzt. Sie wurden zu Krüppeln. Dieser sowjetische Krieg gegen Kinder ist eine Schande im doppelten Sinne: eine Schande für die sowjetische Führung, die in großem Maßstab bewußt und gewollt afghanische Kinder ermorden und verstümmeln läßt, um die afghanische Bevölkerung und ihre Widerstandskraft zu demoralisieren, aber auch eine Schande für viele westliche Politiker, die schweigend, desinteressiert und untätig diesem Krieg gegen Kinder in Afghanistan zusehen. Die „Afghanistan-Nothilfe" in Mönchengladbach hat sich dieser Kinder in besonders anerkennenswerter Weise angenommen. Sie hat in der Zeit von März 1986 bis heute 56 schwerverletzte Kinder in deutschen Krankenhäusern untergebracht, versorgen lassen und betreut. Ich möchte Ihnen von diesen 56 Kindern stellvertretend für die vielen tausend afghanischen Kinder, die von sowjetischen Schmetterlingsbomben verstümmelt wurden, einige kurz vorstellen; sie sind teilweise erst vor sieben Wochen, am 23. Oktober 1987, zu uns in die Bundesrepublik Deutschland gebracht worden: Den Jungen Ismael, acht Jahre alt, Kniegelenk-Amputation und Amputation der rechten und linken Hand; Ursache: Spielzeugbomben; den Jungen Hayatullah, zehn Jahre alt, Amputation des rechten Schulterarmgelenkes ; Ursache : Spielzeugbomben; den Jungen Hayat Khan, neun Jahre alt, Amputation beider Hände; Ursache: Spielzeugbomben; den Jungen Bas Mohammad, elf Jahre alt, Amputation beider Oberschenkel; Ursache: Spielzeugbomben; das Mädchen Sabera, vier Jahre alt, Napalmverbrennungen, Verkrüppelung des linken Beines, Erblindung beider Augen; Ursache: Napalmbomben; das Mädchen Scharifa, neun Jahre alt, Amputation des rechten Fußes; Ursache: Spielzeugbomben; den Jungen Zahir Khan, zehn Jahre alt, Amputation beider Füße; Ursache: Spielzeugbomben; den Jungen Shir Ahmad, elf Jahre alt; Amputation beider Arme; Ursache: Spielzeugbomben; den Jungen Rafiullah, vier Jahre alt, Beckenbeinamputation links; Ursache: Spielzeugbomben; und schließlich Mohammad Quassem, ganze drei Jahre alt, beidseitige Unterschenkelamputation; Ursache: Spielzeugbomben; usw., usw. Die Krankenhäuser in Peshawar, die Krankenhäuser in Pakistan sind voll mit diesen verstümmelten Kindern. Sie sind heute genauso voll wie vor zwei Jahren, vor vier Jahren, vor sechs Jahren. Alle diese Kinder, deren Namen ich eben genannt habe und die die Afghanistan-Nothilfe in deutschen Krankenhäusern untergebracht hat, wurden nach dem Amtsantritt von Michail Gorbatschow zu Krüppeln gemacht. Meine Damen und Herren, dies hier in meiner Hand sind die Schmetterlingsbomben, mit denen die Sowjetunion ihren Krieg gegen afghanische Kinder führt. Ich gestehe Ihnen, daß ich keine Worte habe, um den sowjetischen Krieg gegen die afghanischen Kinder ausreichend zu charakterisieren. Ich habe nur die Bitte, den Appell und die dringende Aufforderung an Generalsekretär Gorbatschow: „Rüsten Sie endlich Ihre Spielzeugbomben ab, beenden sie Ihren mörderischen Krieg gegen die afghanischen Kinder, und ziehen Sie unverzüglich und bedingungslos Ihre Truppen aus Afghanistan zurück! ({0}) Auch die Menschen, auch die Kinder in Afghanistan haben ein Recht auf Frieden. " Ich danke Ihnen. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Bindig.

Rudolf Bindig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten acht Jahren seit der Invasion der sowjetischen Truppen in Afghanistan haben wir hier mehrmals über die Lage in Afghanistan gesprochen. Wenn wir hier mit Betroffenheit über diesen Krieg reden, dann denken wir daran, wieviel schwerer es für die Afghanen ist, in diesem Krieg und mit diesem Krieg zu leben. Wenn wir in die Perspektive die Lebenssituation der Afghanen nehmen, so hat sich in diesen acht Jahren nichts verbessert, sondern die Lage hat sich eher verschlechtert. Im Lande läuft der Krieg, Menschen werden geötet, Menschen fliehen. Sie fliehen in die Provinzstädte, weil sich der Krieg gegen die Lebensgrundlagen der Bevölkerung richtet, sie fliehen ins Ausland, und sie leben seit vielen Jahren unter schwierigen Bedingungen in den Flüchtlingslagern. Geändert hat sich eigentlich nur etwas in der sprachlichen Taktik der kleinen Revolutionsgruppe in Kabul und der Sowjets. In der theoretisch-propagandistischen Kampagne versucht man, Veränderungen aufzuzeigen. Da wird gesprochen von einem angeblichen Waffenstillstand. Da wird geredet von einer Politik der nationalen Versöhnung. Man bemüht sich zu versichern, es handele sich um eine nationale demokratische Revolution und keine proletarisch-sozialistische Umgestaltung Afghanistans. Man versucht, die traditionellen Unruheherde in der Region zu schüren. Man spielt wieder die Karte des selbständigen Landes Paschtunistan, des Kalistan, des Balutschistan aus. Man versucht, den traditionellen Tribalismus in Afghanistan zu mobilisieren, um dort in den Grenzgebieten Instabilität zu schaffen. Allein durch Angriffe auf die Flüchtlingslager in Pakistan hat es dort bereits rund 700 Tote gegeben. Wir sehen übrigens mit Respekt, welche großen Leistungen Pakistan auf sich nimmt, um diesen vielen Millionen Menschen dort zu helfen. ({0}) Es handelt sich um die größte Flüchtlingsbewegung der jüngeren Geschichte. Es gibt dort in der NordWest-Grenzprovinz Regionen, wo 2,2 Millionen Flüchtlinge mit einer fast gleichen Zahl der einheimischen Bevölkerung zusammenleben. Das ist sehr anerkennenswert. Die taktisch-theoretischen Bemühungen der afghanischen Revolutionsgruppe haben bisher deshalb wenig erreichen können, weil der afghanische Widerstand ungebrochen ist. Auch die Völkergemeinschaft in der UN hat bisher darauf bestanden, daß der Völkermord in Afghanistan auf der Tagesordnung bleibt. Er muß und soll auch so lange auf der Tagesordnung bleiben, wie die Sowjetunion mit ihren Truppen noch in Afghanistan steht. ({1}) Die Kernforderungen bleiben: Sofortiger bedingungsloser Abzug der sowjetischen Truppen, Beendigung der Aufzwingung eines Systems, welches die Afghanen nicht wollen, Respektierung der Menschenrechte, Anerkennung der Selbstbestimmung für einen blockfreien, neutralen islamischen Staat. Wenn sich trotzdem einige erste Konturen einer Veränderung, einer neuen Entwicklung abzeichnen, so geschieht dies mehr im Hintergrund als schon in der praktischen Politik. Es ist erschreckend, daß diese gewissen Veränderungen, die in ersten Kontruen erkennbar sind, nicht dadurch erreicht werden konnten, daß die Sowjetunion Einsicht zeigt in ihr völkerrechtswidriges Verhalten, sondern daß dies im wesentlichen durch den Waffendruck und den Widerstand der Freiheitskämpfer erreicht werden konnte. In Afghanistan ist eine Veränderung durch die amerikanischen Stinger-Raketen und die britischen Blowpipe-Raketen erreicht worden. Die Mudjahedin, die unter schwierigsten Bedingungen gekämpft haben, haben durch diese neuen Waffen eine gewisse Veränderung erreichen können. Gewisse Veränderungen sind auch durch den diplomatischen Druck erreicht worden, weil eben die Bemühungen der Sowjetunion und der Kabuler Revolutionsgruppe bei der UN keinen Erfolg gehabt haben, den Eindruck zu erwecken, daß dort eine Politik der Versöhnung stattfinde. Die Zahl der Staaten, die die Invasion der sowjetischen Truppen in Afghanistan verurteilt, hat von Abstimmung zu Abstimmung zugenommen. Mit 123 Stimmen ist jetzt die höchste Zahl erreicht worden. In der Sowjetunion gibt es aus dem Hintergrund einige Hinweise, daß man dort nach neuen Wegen suche, um in irgendeiner Weise aus Afghanistan herauszukommen. So soll unter Gorbatschow eine gründliche Revision der Einschätzung der Invasion stattgefunden haben. So soll Gorbatschow das Kabuler Revolutionsregime aufgefordert haben, einem Abzug der Sowjettruppen aus Afghanistan so schnell wie möglich zuzustimmen. Es gibt auch wissenschaftlich-theoretische Erörterungen - z. B. am Moskauer Orientinstitut - über die Tatsache, daß die Invasion der Sowjettruppen und der Versuch gescheitert sind, mit einer kleinen Gruppe von Menschen dem afghanischen Volk eine bestimmte Staats- und Gesellschaftsordnung aufzudrücken: weil eben in diesem Land feudale und traditionalistische Strukturen keine Basis für eine Veränderung geboten hätten. Alle diese Hintergrundüberlegungen sind aber letztlich für die betroffenen Menschen bisher irrelevant. Relevant werden sie erst, wenn sie in der operativen Außenpolitik der Sowjetunion umgesetzt werden, wenn die sowjetischen Truppen aus Afghanistan abziehen werden. Zum erstenmal allerdings rückt jetzt die Überlegung stärker in den Blickpunkt, welche Regierung es nach dem sowjetischen Rückzug in Kabul geben könnte. Es sind Überlegungen anzustellen, welche Möglichkeiten dort durch eine neu zu bildende Regierung, eine Koalitionsregierung, geschaffen werden können, ob internationale Beobachter der Vereinten Nationen den Abzug der sowjetischen Streitkräfte kontrollieren, überwachen sollen, und ob in Afghanistan eventuell eine UN-Friedenstruppe den Übergang organisieren und begleiten könnte. Hier ist auch ein Appell an die Widerstandsgruppen zu richten. Wenn in Peshawar schon das Wort von den 30 000 durchschnittenen Hälsen der afghanischen Kommunisten nach einem Abzug der sowjetischen Truppen umgeht, dann fördert das die Zitadellenmentalität der Afghanen in Kabul, dort zu bleiben, bis zum letzten zu kämpfen und Widerstand zu leisten. Es muß die Bereitschaft erklärt werden, die Vielzahl der normalen Aktivisten und Mitläufer nicht mit einem Rachefeldzug zu überziehen. Wenn insoweit klare Äußerungen der Mudjahedin vorlägen, wäre das sicherlich ebenfalls ein wichtiger Impuls, der den Übergang ermöglichen könnte. Bei dem Treffen von Gorbatschow und Reagan jetzt in den Vereinigten Staaten hat Michail Gorbatschow im State Department eine bemerkenswerte Rede gehalten. Er hat dort folgendes wörtlich ausgeführt: Die Menschheit beginnt zu erkennen, daß sie ausgekämpft hat, daß den Kriegen für immer ein Ende gemacht werden muß. Zwei Weltkriege und der aufreibende ,Kalte Krieg' sind zusammen mit den ,kleinen Kriegen', die bislang Millionen von Menschenleben gekostet haben, mehr als ein ausreichender Preis für ein Abenteuertum, Ehrgeiz, Mißachtung der Interessen und Rechte der anderen, für die Abneigung und das Unvermögen, den Realitäten, dem legitimen Recht aller Völker auf ihre Wahl, auf ihren Platz unter der Sonne Rechnung zu tragen. Ich zitiere noch weiter: Dies bedeutet, daß die hohen Ideale der Humanisten aller Zeiten, die Ideale des Friedens, der Freiheit, das Wissen um den Wert jedes menschlichen Lebens der praktischen Politik zugrunde gelegt werden müssen. Ich kann jeden Satz, der dort gesprochen worden ist, unterstreichen. Aber es kommt nicht darauf an, nur solche Worte zu reden, es kommt darauf an, daß gehandelt wird. ({2}) Machen Sie den Weg frei, Herr Gorbatschow, für den Abzug der sowjetischen Truppen, machen Sie den Weg frei für ein blockfreies, neutrales, islamisches Afghanistan, wie es Afghanistan früher gewesen war und wie Afghanistan es wieder werden will! ({3})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter erteile, muß ich ein peinliches Mißverständnis aufklären, das mir vorher widerfahren ist. Durch eine Fehlinformation des Protokolls des Hauses habe ich versehentlich andere ausländische Gäste als Delegation aus Angola begrüßt. Die Delegation aus der Volksrepublik Angola ist eben erst eingetroffen, unter der Leitung des Präsidenten und ersten Sekretärs der angolanischen Volksversammlung, Herrn Lucio Lara. Ich begrüße Sie, Herr Präsident, und die Mitglieder Ihrer Delegation sehr herzlich hier im Deutschen Bundestag. Ich hoffe, daß der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland Ihnen interessante und nützliche Gespräche ermöglichte. Wir danken Ihnen vor allem, daß Sie auch nach Berlin gereist sind und sich auf diese Weise ein Bild über die Lage unseres geteilten Landes und dieser Stadt machen konnten. Wir sind überzeugt, daß Ihr Besuch die Beziehungen unserer Länder auch auf parlamentarischer Ebene fördern und festigen wird. ({0}) Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher.

Dr. Dr. h. c. Hildegard Hamm-Brücher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000793, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Überfall sowjetischer Truppen auf Afghanistan, seit der Besetzung und der grausamen Kämpfe sind fast acht Jahre vergangen. Fast die Hälfte der leidgeprüften Bevölkerung Afghanistans ist geflohen, tot, verwundet, entwurzelt. Ich habe die Protokolle des Bundestages, die Debatten der letzten acht Jahre, noch einmal nachgelesen, und es ist sehr erfreulich, festzustellen, daß dies durchweg Dokumente eines zähen gemeinsamen Engagements aller Bundestagsfraktionen sind. Herr Kollege Todenhöfer, ich möchte ausdrücklich unterstreichen, daß sich aus allen Fraktionen Kolleginnen und Kollegen um die humanitären Probleme der Opfer dieses Bürgerkrieges, dieses schrecklichen Besatzerkrieges, vor allem der Kinder, angenommen haben. Ich finde, daß es wichtig ist, daran zu erinnern und zu danken. Ich gucke Herrn Bindig an; wir sitzen zusammen im Vorstand einer Afghanistan-Organisation. Der ehemalige Kollege Neumann ({0}) hat sich ganz große Verdienste um die humanitäre Hilfe für Afghanistan-Flüchtlinge erworben. ({1}) Bei uns war es Frau Adam-Schwaetzer, und jetzt ist es unsere neue Kollegin Uta Würfel. Ich meine, es ist schon wichtig, hier, Herr Kollege Todenhöfer, bitte nicht so zu tun, als sei dieses Engagement nur einem einzigen Kollegen zugute zu halten. ({2}) - Doch. Ich habe Sie so verstanden, daß Sie ungefähr gesagt haben: Niemand tut etwas, die westlichen Politiker schweigen. ({3}) Der Deutsche Bundestag hat jedenfalls in diesen acht Jahren nicht geschwiegen. ({4}) Wir haben mit Ihrer Hilfe und Unterstützung überfraktionell eine wichtige, eine bahnbrechende Anhörung zu den Problemen durchgeführt, und ich glaube nicht, daß es richtig ist, auf andere mit Fingern zu zeigen - vielleicht habe ich Sie auch falsch verstanden - ({5}) - Das wollte er nicht. Ich akzeptiere das. Ich wollte sagen, daß gerade die Gemeinsamkeit, Herr Kollege Repnik, die Stärke unseres Engagements hier im Deutschen Bundestag war. ({6}) - Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich ihn falsch verstanden habe. Aber so ist es nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen anderen Kollegen hier angekommen. ({7}) Ich wollte nur noch einmal erwähnen, daß es auch andere waren, die das getan haben. Denn ohne dieses Engagement, Herr Kollege Todenhöfer, ohne die unermüdlichen Bemühungen in den Vereinten Nationen, in der UN-Menschenrechtskommission - Stichwort: Ermacora - , ohne die regelmäßigen Besuche in Flüchtlingslagern wäre das Schicksal Afghanistans, glaube ich, längst besiegelt worden. Dazu, daß dies nicht geschehen ist, hat der Deutsche Bundestag mit seinen Entschließungen und mit seinem Engagement sein Scherflein ebenso beigetragen wie die Bundesregierung, die in den Vereinten Nationen unermüdlich tätig war. Nachdem seit unserer letzten Debatte nun eineinhalb Jahre vergangen sind, muß man doch, Herr Kollege Todenhöfer, wenigstens sehen: Der Durchbruch ist nicht erzielt, der Friedenswille der Sowjetunion ist noch lange nicht unter Beweis gestellt. Aber dennoch zeigen sich einige - wenn auch noch verschwommene - Silberstreifen; Herr Kollege Bindig hat einige davon auch erwähnt. Wir werden sehen, was aus den Washingtoner Gesprächen an Fortschritten schließlich herauskommen wird. Wir können die Sowjetunion nur auffordern - und hoffen, daß sie es tut - , mit dem Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan nun so bald wie möglich zu beginnen und ihn so schnell wie möglich - vielleicht in kürzerer Zeit als in 12 Monaten - zu beenden. Wir blicken aber auch auf die Genfer Vermittlungsgespräche des stellvertretenden UN-Generalsekretärs, die wohl im Februar fortgesetzt werden sollen. Wir hoffen, daß auch auf dieser Ebene der indirekten Gespräche weiter Fortschritte erzielt werden können. Wir sind auch erleichtert, daß das Internationale Rote Kreuz endlich wieder nach Afghanistan einreisen kann. Das ist eine wichtige Voraussetzung für Hilfe für die notleidende Bevölkerung, der Zivilbevölkerung, die ja nun die Leidtragende dieser schrecklichen, grausamen kriegerischen Auseinandersetzungen ist. Wir hoffen auch, daß die Menschenrechtskommission der UN unter Leitung des Österreichers Ermacora wieder einreisen kann. Denn dieser Kommission haben wir es zu verdanken, daß wir vor einigen Jahren erstmals einen Bericht über die grauenhaften Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan bekommen haben. Wir als Freie Demokratische Partei hoffen dann endlich auf Fortschritte bei der Lösung des Afghanistan-Problems mit folgenden Zielen: Abzug aller sowjetischen Truppen und Zustimmung der Sowjetunion zu einer politischen Lösung. Ich glaube, wir müssen hier auch die islamischen Staaten und die Gruppe der Blockfreien nennen, die sich in den letzten Jahren für den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan immer wieder sehr nachdrücklich eingesetzt haben. Wir unterstützen nachdrücklich die vier Forderungen aus der letzten UN-Resolution - Herr Bindig hat gesagt, daß der Anteil an Zustimmung von Jahr zu Jahr gewachsen ist und daß der Prestigeverlust der Sowjetunion gegenüber den Ländern der Dritten Welt in all den Jahren ungeheuer zugenommen hat - : Rückzug, Wiederherstellung der Unabhängigkeit Afghanistans mit dem Status eines neutralen und blockfreien Landes, Rückkehr der Millionen afghanischer Flüchtlinge in Ehren und in Sicherheit - das möchte ich ausdrücklich betonen. Es bedarf vieler Geduld und sehr vieler Hilfe, um diese Millionen entwurzelter Menschen, die man in den Flüchtlingslagern sieht, in ihrer eigentlichen Heimat überhaupt wieder heimisch machen zu können - und schließlich und vor allem die Selbstbestimmung des afghanischen Volkes. Es ist tatsächlich angebracht, Herr Kollege Bindig, hier doch einige besorgte Worte zu diesem weiteren Prozeß zu sagen. Wie wird sich der Übergang zur eigenen Souveränität vollziehen können? Welche Sicherheiten müssen die Vereinten Nationen dort zweifellos bieten, damit es nicht zu einem bürgerkriegsähnlichen Massaker unter den verschiedenen Gruppen der Widerstandskämpfer kommt, die sich ja gottlob geeinigt haben und seit einigen Jahren zusammenarbeiten? Aber wenn der Konsens einmal beendet wird, dann besteht doch die Gefahr, daß diese Allianz in frühere Rivalitäten und Feindschaften zurückfällt. Deshalb ist es so wichtig, daß es nach dem Abzug der sowjetischen Truppen keinesfalls eine Politik des „Alles oder nichts" der Widerstandsgruppen geben darf - ich unterstütze, was Sie gesagt haben, Herr Bindig - und daß es zu einer nationalen Aussöhnung in diesem leidgeprüften Land kommen muß. Dazu müssen wahrscheinlich auch wir einen entscheidenden Beitrag leisten. Aber bis dahin ist es ein weiter, ein sehr weiter Weg. Da gebe ich Herrn Kollegen Todenhöfer völlig recht. Bis die blutende Wunde Afghanistans endlich geschlossen und verheilt sein wird, werden sicher Jahrzehnte ins Land ziehen. Wir hoffen am Ende dieses Jahres, das doch einige Ängste von uns genommen und einige Fortschritte in der Friedenssicherung in der Welt gebracht hat, daß auch dieses wohl schlimmste Kapitel von Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen in den letzten Jahrzehnten nun abgeschlossen werden wird. Der Deutsche Bundestag wird wie bisher mit großer Aufmerksamkeit diese Entwicklung verfolgen und alles tun, um von diesem Haus aus zur Unterstützung einer friedlichen Beendigung des Krieges, einer Aussöhnung und endlich auch wieder menschenwürdiger Verhältnisse in diesem Land unseren Beitrag zu leisten. Vielen Dank. ({8})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lippelt.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beiträge meiner Vorrednerin und meiner Vorredner haben mir schmerzhaft bewußt gemacht, wie schwer es für einen hier neu eingetretenen Abgeordneten ist, persönliche Erfahrung durch eine Durchdringung des Problems auf Grund von Lektüre zu ersetzen. Insofern stelle ich mich in die Tradition meiner Fraktion, die von Anfang an den Krieg der Sowjetunion gegen die Völker Afghanistans verurteilt hat und deren Mitglieder Milan Horacek und Uli Fischer zu den wenigen gehörten, die sich auch persönlich einen Eindruck vom Leiden der afghanischen Völker verschafft haben. Der Auswärtige Ausschuß des Bundestages hat ein Hearing durchgeführt, das uns allen, auch denen, die es nachlesen, für das ganze Ausmaß des Sterbens und der Verwüstung in Afghanistan die Augen geöffnet hat. Als jemand, der nicht so tief damit vertraut ist, mag man den Hoffnungsschimmer vielleicht etwas deutlicher sehen, so daß man sagt: Vielleicht deutet sich nach so vielen Toten und so vielen Millionen Flüchtlingen inzwischen eine Änderung der Lage an. Herr Todenhöfer, ich meine, das Problem der sowjetischen Intervention ist auch ein Problem der großen militärischen Apparate und vielleicht nicht ganz in diesem Sinn auf den neuen Generalsekretär zu personalisieren, obwohl er die Verantwortung hat, denn es geschieht unter ihm; das ist ganz klar. Trotzdem möchte man die Nachrichten aufgreifen, die zeigen, daß die Sowjetunion vielleicht auch hier - und sei es nur im Sinn einer Kosten-Nutzen-Analyse - eine neue Rechnung aufgemacht hat. Der von dem UN-Vermittler Diego Cordovez in indirekten Gesprächen zwischen Pakistan und dem Regime in Kabul ausgehandelte 35seitige Rückzugsvertrag jedenfalls ist bis auf die zwei entscheidenden Punkte fertig: die Zusammensetzung einer Interimsregierung und den Terminplan für den Rückzug der Sowjettruppen. Die ursprüngliche Forderung nach erst einigen Jahren, dann 16 Monaten Zeit ist inzwischen auf 12 Monate reduziert worden Vor einigen Wochen hat der Pressesprecher Gerassimov durchblicken lassen, die Sowjetunion könne auch noch tiefer gehen. Das ist allerdings von Gorbatschow jetzt nicht bestätigt worden. Pakistan hat sich auf acht Monate angenähert. Die Forderungen können also nicht mehr so weit auseinanderliegen. Was die Interimsregierung angeht: Der Versuch Nadjibullahs, eine Regierung der nationalen Versöhnung zu bilden, ist gescheitert. Die Sowjetunion wird ihrem Satrapen klarzumachen haben, daß in einer Interimsregierung die kommunistische Partei nicht mehr die führende Rolle spielen kann. Was kann in einem solchen Moment der Deutsche Bundestag sinnvollerweise sagen? Erstens. Er hat auf einem sofortigen Rückzug der sowjetischen Truppen ohne Wenn und Aber zu bestehen und diesen nachdrücklich zu fordern. Zweitens. Er sollte darüber hinaus die internationale Anerkennung des afghanischen Widerstands fordern. Daraus folgt, drittens, die für den gegenwärtigen Augenblick vielleicht zentrale Forderung nach direkten Gesprächen zwischen den direkten Kontrahenten, nämlich der Sowjetunion und dem afghanischen Widerstand. Diese Forderung hilft vielleicht aus einigen Sackgassen heraus. ({0}) Für diese dritte Forderung sprechen zwei gute Gründe und eine wichtige indirekte Wirkung. Erstens. Letztlich können nur die direkten Kontrahenten einander die für eine Wendung der Lage zum Besseren notwendigen Garantien, über die wir gerade gesprochen haben, geben. Zweitens würde hierdurch der nur lose assoziierte und vor allem durch den gemeinsamen Gegner zusammengehaltene Widerstand in die Pflicht gemeinsamer Zukunftsgestaltung genommen werden. Die günstige indirekte Wirkung wäre, daß Pakistan seine Rolle als Frontstaat verlieren würde, die das Regime des Präsidenten Zia ul-Haq doch sehr stark stabilisiert und ihm jede demokratische Konzession erspart hat. Doch zurück zu Afghanistan. Hier sind aus unserer Sicht vor allem noch drei Problemfelder zu bedenken. Erstens. Acht Jahre Krieg haben die Sozialstruktur des Landes zerstört. Die Flüchtlingsbewegung aus Afghanistan ist die größte, wenn wir einmal von der direkten Nachkriegszeit absehen. Millionen haben sich in die relative Sicherheit Kabuls geflüchtet. Dr. Lippelt ({1}) Wie soll das Werk der Rekonstruktion dieser einstmals agrarischen Gesellschaft geleistet werden? Sind nicht gerade die Lager in und um Kabul ein Nährboden für die Propaganda des islamischen Fundamentalismus? Die verschiedenen Widerstandsorganisationen sind nicht geeinigt. Geeinigt ist nur das Volk im Leiden. Welche Möglichkeiten bestehen, welche Möglichkeiten sieht diese Bundesregierung, die Führer der Befreiungsbewegungen und die Kommandanten im Lande dazu zu veranlassen, ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen überhaupt erst einmal diskutierbar zu machen? Zweitens. Der Krieg ist nicht nur eine Katastrophe für das afghanische Volk; zerstört hat er auch die komplizierten und in Jahrhunderten intensivster Arbeit erbauten Bewässerungsanlagen. Der kostbare Ackerboden ist zu großen Teilen der Erosion preisgegeben worden. Die Wälder sind in großem Maße abgeholzt worden. Die ökologischen Schäden sind unermeßlich. Allein die Wiederherstellung der Bewässungsanlagen wird 100 Jahre dauern und Milliarden kosten. Ihre Rekonstruktion hat die Rekonstruktion der Gesellschaft zur Voraussetzung, einer Gesellschaft, die aber nicht automatisch wieder in die traditionellen Formen ihres früheren Lebens zurückkehren kann. Ist die Bundesregierung bereit, hier allein - oder besser noch: im Rahmen der UNO - Programme zu entwickeln, die helfend eingreifen können? Ich meine keine Industrialisierungsprogramme, sondern Programme, die es den Menschen ermöglichen, wieder im Lande zu leben. Drittens schließlich - auch wenn diese Überlegung vor dem Hintergrund der Nachrichten über das Gespräch Gorbatschow-Reagan vielleicht verfrüht erscheint - : Viele Afghanen leben hier in unserem Lande, teils als anerkannte, mehr noch als geduldete Flüchtlinge. Sollte es zu einem Frieden kommen, so werden die meisten von ihnen in ihre Heimat zurückkehren wollen. Wieviel Rückkehrhilfe zu geben ist die Bundesregierung bereit, echte, gewünschte Rückkehrhilfe, nicht verbrämte Abschiebehilfe? ({2}) Und weiter: Ist die Bundesregierung bereit, ganz ohne Druck den Afghanen hier im Lande die Entscheidung zu überlassen, ob sie mit unserer Hilfe zurückkehren wollen oder ob sie - egal ob als Flüchtlinge anerkannt oder nur geduldet - hier im Lande bleiben wollen? Ist sie bereit, diejenigen, die jetzt hierbleiben wollen, auch auf Dauer im Land zu lassen? Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich habe schon Minuszeit.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich bitte, zum Schluß zu kommen, da Ihre Redezeit zu Ende ist.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich schließe dann auch hier und kann nur wünschen, daß unser gemeinsames Bemühen den Dingen vielleicht ein ganz klein wenig hilft. ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich erteile dem Herrn Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen, Schäfer, das Wort.

Not found (Gast)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Afghanistan steht noch immer auf der Tagesordnung nicht nur des Deutschen Bundestages, sondern auch der internationalen Politik. Auch heute noch wie während der vergangenen acht Jahre - das ist in allen Reden zum Audruck gekommen - ist dieses kleine Land durch eine sowjetische Interventionsarmee besetzt. Ebenso dauert der Widerstand der Afghanen an, die sich mit ihrem unverwüstlichen Kampfesmut und Selbstbehauptungswillen wie schon früher in ihrer Geschichte gegen ausländische Unterdrückung zur Wehr gesetzt und hierfür großes Leid auf sich genommen haben. Die Sowjetunion muß sich endlich aus Afghanistan zurückziehen und so den Afghanen wieder die Möglichkeit geben, über ihr eigenes Geschick zu befinden. Hierüber gibt es zwischen allen Fraktionen des Deutschen Bundestages wohl kaum einen Unterschied; das haben alle Reden klargemacht. Seit Beginn des Jahres 1986 gibt es Anzeichen dafür, das die Sowjetunion eine politische Lösung in Afghanistan ins Auge gefaßt hat. Generalsekretär Gorbatschow hat auf dem 27. Parteitag der KPdSU im Februar vergangenen Jahres Afghanistan als eine „blutende Wunde" bezeichnet. Frau Hamm-Brücher, Sie haben das erwähnt. In seiner Wladiwostok-Rede vom 18. Juli 1986 unterstrich er seine grundsätzliche Bereitschaft, die sowjetischen Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Heute vormittag hat er das erneut getan, allerdings mit Kautelen, wie Sie wissen. Noch aber warten wir auf den Beginn des Abzuges der sowjetischen Truppen. Die Gespräche in Genf, die unter Vermittlung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen stattfinden, bleiben trotz der unermüdlichen Bemühungen des persönlichen Beauftragten von Generalsekretär Perez de Cuellar bislang ohne greifbares Ergebnis. Daß das Internationale Rote Kreuz wieder in Afghanistan arbeiten kann, daß dem Sonderberichterstatter der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, Professor Ermacora, die Einreise nach Afghanistan in diesem Jahr gestattet wurde, ist zu begrüßen. Dennoch trifft das nicht den Kern des Konflikts. Neue Hoffnungen hatten sich an die Begegnung zwischen Reagan und Gorbatschow in Washington geknüpft. Schon im Vorfeld waren von sowjetischer Seite Fristen für einen Rückzug der sowjetischen Truppen genannt worden, die eine Basis für einen Kompromiß bilden könnten. Generalsekretär Gorbatschow hat diese kürzeren Fristen in Washington bestätigt. Der Gipfel in Washington hat aber nach allem, was wir bis heute wissen, keinen wirklichen Durchbruch gebracht. Das ist enttäuschend. ({0}) Wir sehen aber mit Aufmerksamkeit, daß sich trotzdem in der Afghanistan-Frage auch bei unseren Verbündeten eine etwas optimistischere Stimmung einzustellen beginnt. Wir hoffen und wünschen, daß die Sowjetunion mit Taten dieser Stimmung Rechnung trägt. Auch der Europäische Rat hat die Absicht der sowjetischen Führung anerkannt, in Afghanistan eine politische Lösung herbeizuführen. In seiner Erklärung vom 5. Dezember 1987 hat er die Erwartung ausgesprochen, daß die Friedensverhandlungen einen neuen Impuls erhalten und daß die sowjetischen Truppen zu einem festen Zeitpunkt des Jahres 1988 aus Afghanistan zurückgezogen werden. Ich kann diese Hoffnungen als den Wunsch der Bundesregierung nur wiederholen. Sie würden eine realistische Grundlage für eine Lösung der Afghanistan-Frage darstellen. Ich appelliere an die Sowjetunion, die notwendigen Schritte zu beginnen. Der Weg zum Frieden in Afghanistan wird aber nicht einfach sein. Nicht nur die Sowjetunion ist aufgerufen, schwierige Entscheidungen zu treffen, sondern auch der afghanische Widerstand. Er muß sich den Anforderungen der Politik gewachsen zeigen. Der Gemeinsamkeit im Kampf gegen den gemeinsamen Feind muß die Bereitschaft zum gemeinsamen politischen Handeln folgen, um die Probleme des Landes nach einem Abzug der sowjetischen Truppen lösen zu können. Ich glaube, das ist ein Thema, Herr Kollege Todenhöfer, mit dem wir uns im nächsten Jahr sehr viel intensiver auseinandersetzen müssen, als wir das bisher im Deutschen Bundestag getan haben. Wir hoffen, daß dann Mäßigung und Vernunft, nicht aber Haß und Extremismus Platz greifen. Der Widerstand muß in der Lage sein, Kompromisse zu schließen und Gefühle der Vergeltung zurückzustellen. Alle Gruppen des afghanischen Volkes müssen dazu beitragen, daß in einer Übergangszeit die Grundlagen für ein neues, befriedetes Afghanistan gelegt werden und daß alle seine Kräfte dem Wiederaufbau gewidmet werden können. Ein wesentlicher Schritt hierzu, Herr Kollege Lippelt, wird die rasche Rückkehr aller Flüchtlinge in ihre Heimat sein. Wir stehen auch zu einer Diskussion der von Ihnen heute vorgetragenen Fragen im Ausschuß jederzeit zur Verfügung. Ich schlage vor, das bei einer der nächsten Ausschußsitzungen zu tun. ({1}) Ziel aller Anstrengungen ist ein Afghanistan, das seine volle Souveränität, seine territoriale Integrität und seine politische Unabhängigkeit zurückerhalten hat. Wenn ich mir hier vielleicht eine Bemerkung erlauben darf: Wir fordern eigentlich immer für alle Staaten der Dritten Welt Blockfreiheit. Wir sollten aber doch warten, ob diese Staaten auch Blockfreiheit wollen. Es könnte ja sein, daß sich ein Staat einmal anders entscheidet, möglicherweise für den Westen, oder vielleicht lehnt er sich sogar wieder an den Osten an. ({2}) Ich würde die Blockfreiheit nicht immer als die oberste Forderung unserer Politik für die Dritte Welt bezeichnen. Ich habe es mir neulich auch in einem afrikanischen Staat nicht verkneifen können, das zu sagen. ({3}) Das afghanische Volk muß jedenfalls über die Form seiner Regierung und darüber, wie es künftig leben will, frei entscheiden können. Dies sind Forderungen, die die Generalversammlung der Vereinten Nationen in bisher neun Resolutionen erhoben hat, zuletzt mit 123 Ja- gegenüber 19 Nein-Stimmen bei 11 Enthaltungen. Hier stehen alle zusammen, sowohl die Bewegung der Blockfreien als auch die Islamische Konferenz, Araber, Asiaten, Lateinamerikaner, Afrikaner und die Staaten der Europäischen Gemeinschaft und des Bündnisses. In der Zwischenzeit werden wir unsere Solidarität mit dem afghanischen Volk politisch wie auch humanitär aufrechterhalten und unter Beweis stellen. Wir werden fortfahren, die Millionen Afghanen zu unterstützen, die in Pakistan und Iran Aufnahme gefunden haben, und zwar sowohl durch humanitäre Hilfe, durch Ernährungshilfe als auch durch zukunftsbezogene Ausbildungs- und ähnliche Programme. Meine Damen und Herren, noch ist nicht sicher, ob sich unsere Hoffnung auf eine Lösung der Afghanistan-Frage im nächsten Jahr endlich erfüllen werden. Es gibt dafür bemerkenswerte Anzeichen, auch die gestrige Erklärung von Generalsekretär Gorbatschow. Wir wissen aber, daß noch viele Fragen gelöst werden müssen. Unsere Erwartungen richten sich deshalb in erster Linie auf die Führung der Sowjetunion, dann aber auch auf den afghanistanischen Widerstand, auf Pakistan, das hier eine sehr wichtige Rolle spielt, und nicht zuletzt auf den Generalsekretär der Vereinten Nationen und seinen Stellvertreter Cordovez, die in unermüdlichen Verhandlungen versucht haben, alle Vorfragen zu klären und auch Hilfe zur neutralen Überwachung in der Übergangsphase anzubieten, um so einen Friedensschluß zu erleichtern. Hier ist in den letzten Jahren wirklich viel getan worden, was meines Erachtens durchaus auch einmal Eingang in eine Resolution des Deutschen Bundestages finden sollte, weil es unsere Anerkennung verdient. Wir sind bereit, das Unsere zu tun, um zu einer friedlichen Lösung und zum Wiederaufbau Afghanistans beizutragen. Das haben wir vor einer Woche im Europäischen Rat in Kopenhagen erklärt, und das gilt besonders auch für die Bundesregierung selbst, die sich dem afghanischen Volk seit vielen Jahrzehnten in Freundschaft verbunden fühlt. Ich gehe mit Sicherheit davon aus, daß wir im nächsten Jahr auf dieses Thema zurückkommen werden, aber daß hier dann möglicherweise schon ganz andere Themen diskutiert werden müssen, als wir das heute - leider - noch tun müssen. Vielen Dank. ({4})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Abgeordneter Dr. Holtz.

Prof. Dr. Uwe Holtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000948, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn das Abkommen über die Beseitigung der atomaren Mittelstreckenraketen tatsächlich verwirklicht wird, dann wird dies einen ersten wichtigen Schritt in Richtung einer nuklearen Abrüstung zwischen den beiden Supermächten bedeuten. Die internationale Lage könnte sich weiter entspannen. Indessen macht der Krieg in Afghanistan schmerzhaft deutlich, daß Frieden auch im Atomzeitalter mehr sein muß als das Schweigen der Waffen zwischen Blöcken und mehr als Abrüstungsabkommen zwischen den Supermächten. Eine gegenüber der Dritten Welt umgestaltete Politik der Sowjetunion, eine außenpolitische Perestrojka, die Abschied nähme vom Krieg und der militärischen Intervention als Mittel der Politik, würde ein positives Signal nicht nur für die Nord-Süd-Beziehungen, sondern auch für die gesamte Weltpolitik setzen. ({0}) Im Interesse des Weltfriedens, in unserem eigenen Interesse müssen wir darauf bestehen, daß die Sowjetunion durch ihren Rückzug aus Afghanistan den Beweis dafür antritt, daß sie willens und bereit ist, zu einer friedlichen Zukunft aller Menschen beizutragen. Die Sowjetunion führt immer noch einen Krieg, der vor den Augen der Welt, aber insbesondere vor der eigenen Bevölkerung abgeschirmt werden soll. Um so wichtiger ist es, daß verstärkter öffentlicher Druck eingesetzt wird, öffentlicher Druck der westlichen, vor allem aber auch der Dritten Welt. Um so wichtiger ist es auch, daß wir, alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, eine gemeinsame Entschließung abgefaßt haben, die das Ende der Besetzung, den Respekt vor den Entscheidungen der Vereinten Nationen verlangt und die das Selbstbestimmungsrecht der Afghanen einklagt. Dies ist ein wichtiges Zeichen des gesamten Deutschen Bundestages an die Sowjetunion und an Generalsekretär Gorbatschow. Ich hoffe, daß das positive Signal bald erfolgen wird. ({1}) Die allermeisten Afghanen wollen weder die Parteigänger des Ostens noch die Parteigänger des Westens sein. Sie wollen Afghanen sein. Deshalb heißt es zu Recht in unserer gemeinsamen Entschließung: Das afghanische Volk muß endlich die Möglichkeit haben, ohne Einmischung von außen seine Zukunft selbst bestimmen zu können. ({2}) Seit dem Zweiten Weltkrieg, meine Damen und Herren, hat es über 150 Kriege, militärische Interventionen und Putsche auf dieser Welt gegeben. Die westlichen Mächte, die östlichen Mächte, die Supermächte waren an diesen Konflikten, größtenteils in der Dritten Welt ausgetragen, allzuoft massiv beteiligt. Ich erinnere hier nur an Korea, Vietnam, Guatemala, an Grenada ebenso wie an Ungarn, an die Tschechoslowakei, an Äthiopien. Es ist unsere Pflicht, immer wieder daran zu erinnern, daß keine Nation das Recht hat, sich mit Gewalt Einflußzonen außerhalb ihres eigenen Territoriums zu schaffen. Nur wer jede militärische Intervention verurteilt, kann glaubwürdig für die Souveränität der Staaten eintreten. ({3}) Das Recht der Völker, ihnen gemäße eigene Gesellschaftsformen zu schaffen, setzt voraus, daß diese Völker überhaupt überleben. Die politische Forderung aus acht Jahren Krieg in Afghanistan, aus der Zerstörung eines ganzen Landes und seiner Kultur, aus dem Lostreten einer der größten Flüchtlingslawinen unserer Zeit kann nur heißen: sofortiger und bedingungsloser Abzug der sowjetischen Truppen unter internationaler Aufsicht. ({4}) Dies ist die Grundvoraussetzung, wenn auch noch nicht die Garantie für den Frieden und für die Rückkehr der geflüchteten Afghanen. Wir fordern darüber hinaus die Beendigung jeglicher militärischer Unterstützung der Konfliktparteien von außen. Dem afghanischen Volk ist zu wünschen, daß zukünftig nicht das eine politische Extrem das andere ablöst, nicht der eine Fundamentalismus den anderen Fundamentalismus ablöst. ({5})) Viele afghanische Flüchtlinge - über 2 Millionen sind im Iran - hatten einmal die Hoffnung, daß sie aus dem neuen Iran neue Schubkraft für ein freies Afghanistan mitbringen könnten. Die Hoffnung hat sehr getrogen. Auch das ist leider negativ für die Zukunft Afghanistans zu sehen. Ich wünsche mir, daß die Nacht der langen Messer, der langen Tage, der langen Monate verhindert werden kann. Soweit wir von außen Beiträge dazu leisten können - und ich freue mich über das, was Sie, Herr Staatsminister, dazu gesagt haben - , sollten wir dies tun. Die Forderung, das afghanische Volk müsse endlich die Gelegenheit haben, ohne Einmischung von außen seine Zukunft selbst bestimmen zu können, ist sehr ernst zu nehmen. Schon die Politik der demokratischen Volkspartei Afghanistans vor der Invasion ist gescheitert, weil sie versuchte, ein durch traditionelle, frühstaatliche Gesellschaftsstrukturen bestimmtes Land durch zentralstaatliche Programme umzugestalten. Die damals und offensichtlich auch bei der Invasion unterschätzten hergebrachten Strukturen und Normen sind bis heute die entscheidenden Quellen des Widerstandes, der in Afghanistan eine lange Tradition hat. Von dieser Realität müssen alle politischen Lösungen ausgehen, zwischen wem auch immer sie ausgehandelt werden. Die Mehrheit der Afghanen wird sich nicht mit einer Lösung zufriedengeben, die nicht von eben dieser Mehrheit akzeptiert werden kann. Die Mudjahedin haben mit der Allianz der Widerstandsgruppen ihre Einheit bekräftigt und sich damit eine gute Verhandlungsposition gesichert. An dieser Allianz kann keine Lösung vorbeigehen, auch wenn deren gesellschaftspolitischen Vorstellungen vielleicht weder der westlichen noch der östlichen Seite gefallen mögen. Es wäre anmaßend für Ausländer, so zu tun, als ob sie genau wüßten, wer wirklich von den Widerständlern für diese Nation, für eine besetzte Nation spricht. Afghanistan ist durch Stämme, Sprache und Geographie geteilt. Wahrscheinlich können die Afghanen nur unter einem Allparteien-Übergangsregime damit beginnen, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Zwei entscheidende Elemente fehlen dafür bis heute: erstens Moskaus Bereitschaft, seine Truppen jetzt zurückzuziehen, und zweitens Moskaus Bereitschaft, ein Übergangsregime zu akzeptieren, das nicht von der kommunistischen Partei dominiert wird. Es bleibt zu hoffen, daß beide Elemente rasch realisiert werden. Zum Abschluß: Ein freies Afghanistan kann mit der großzügigen entwicklungspolitischen Unterstützung durch die Bundesrepublik Deutschland rechnen. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig. ({6}) Ein freies, demokratisches Afghanistan, lieber Herr Kollege, wird auch soviel Attraktivität besitzen, daß diejenigen Afghanen, die vor dem Krieg und vor der Unterdrückung geflohen sind, die hier etwa als Ärzte, als Fachkräfte, als Taxifahrer akademisch gebildeter Art tätig sind, gerne in ihr Land zurückgehen werden, um an dem Wiederaufbau, auch am demokratischen Aufbau mitzuhelfen. Im 40. Jahr der Verkündung des Marshallplans erinnern wir Deutsche uns daran, wie wichtig Wiederaufbauhilfe nach einem zerstörenden Krieg ist. Dementsprechend sollten wir solidarisch handeln. Besten Dank. ({7})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar über den interfraktionellen Antrag auf der Drucksache 11/1500. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. ({0}) Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung und - lassen Sie mich das nur ganz kurz anmerken: nach aller Voraussicht auch der letzten Sitzung des Deutschen Bundestages im Jahre 1987 - angekommen. Dieses Jahr war ein arbeitsreiches Jahr für uns alle. Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen für ihre Arbeit danken. Ich schließe in diesen Dank auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses ein. Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen sowie ihren Familien, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fraktionen, in den Büros, in der Verwaltung unseres Hauses frohe und gesegnete Weihnachtsfeiertage und ein gesundes Wiedersehen im neuen Jahr 1988. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 13. Januar 1988, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen. ({1})