Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, erteile ich das Wort zur Geschäftsordnung nach § 20 dem Herrn Abgeordneten Kleinert ({0}).
: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion beantrage ich hiermit, daß das Haus am nächsten Dienstag eine zusätzliche Sitzung des Bundestages für 9 Uhr ansetzen möge. Thema dieser Sitzung sollte ausschließlich das an diesem Tage zu unterzeichnende INF-Abkommen sein.
Angesichts der überragenden politischen Bedeutung dieses Themas, angesichts der Tatsache, daß mit dem möglichen und wahrscheinlichen Abkommen eine abrüstungspolitische Entwicklung in Gang kommen könnte, die das in greifbare Nähe bringt, wofür viele Menschen in den letzten Jahren gekämpft haben, auf die Straße gegangen sind, sich in vielfältigster Weise politisch eingesetzt haben, angesichts der Tatsache, daß die Fragen, um die es dabei geht, in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren zu einem innenpolitisch brisanten Thema wie kaum ein zweites geworden ist, ist es aus der Sicht meiner Fraktion nicht ausreichend, wenn - wie vorgesehen - dieses Thema am kommenden Donnerstag im Zusammenhang mit mehreren anderen Themen in einer Regierungserklärung behandelt wird. Dieses würde der politischen Relevanz des angesprochenen Themas in keiner Weise gerecht. Das kann nicht ausreichend sein.
Wir halten eine ausführliche Debatte über den INFVertrag, über die Abrüstungschancen, die damit verbunden sein können, für notwendig. Wir halten eine ausführliche Debatte im Rahmen einer eigens dafür angesetzten Sitzung des Bundestages für notwendig.
Eine solche Debatte könnte am kommenden Dienstagvormittag stattfinden. Unsere Fraktion wäre bereit, die für diesen Tag angesetzte eigene Klausursitzung auf den Nachmittag und Abend zu verschieben.
Das Haus ist souverän, über einen solchen Antrag an dieser Stellle und jetzt zu entscheiden und die Tagesordnung für die nächste Woche um eine solche zusätzliche Sitzung zu erweitern. Ich meine, daß es der überragenden politischen Bedeutung des Themas nur angemessen wäre, dies zu tun. Deshalb hier dieser Antrag.
Danke.
({0})
Zur Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Abgeordneten Seiters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem jetzigen Zeitplan wird das Abkommen, das wir begrüßen, am 8. Dezember abends unterzeichnet. Wir haben interfraktionell vorgesehen, am Donnerstag der kommenden Woche im Anschluß an eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers und auf deren Grundlage eine längere Aussprache durchzuführen. Dabei soll es bleiben. Wir haben eine umfassende Aussprache vorgesehen. Auch sind wir nicht an feste Zeiten gebunden, wenn eine längere Aussprache gewünscht wird.
Wir begrüßen dieses Abkommen. Wir wollen auch umfassend darüber sprechen, weil wir hierin eine Bestätigung unserer Politik erkennen. Aber wir halten es für richtig, daß wir dies - wie zwischen den Fraktionen vereinbart - am Donnerstag tun.
({0})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das INF-Abkommen wird in der Geschichte der Abrüstung einen herausragenden Platz einnehmen. Es verdient in der Tat eine angemessene Würdigung hier im Hause. Darüber zu einem Zeitpunkt zu diskutieren, wo es noch nicht einmal unterzeichnet ist, wo noch niemand etwas sagen kann über die Umstände der Unterzeichnung und über das, was von den Beteiligten dann dazu erklärt wird, ist einfach falsch und voreilig.
Wir werden darüber am Donnerstag debattieren, und zwar in einer angemessenen Zeit. So haben wir es vereinbart. An dieser Vereinbarung wollen wir festhalten.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann darf ich den Antrag des Kollegen Kleinert zur Abstimmung stellen. Wer ist dafür, daß wir diese Sondersitzung einberufen? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:
Aussprache über die Reform des Gesundheitswesens
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Beratung eine Stunde vorgesehen. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es geschafft: Die Weichen für eine solidarische Erneuerung unserer Krankenversicherung sind gestellt. Die Koalitionsparteien haben sich gestern auf Grundentscheidungen geeinigt; der Gesetzentwurf folgt.
({0})
Wir sind entscheidungsfähig, wir klammern nicht aus, wir packen an.
Unser Gesundheitssystem gehört zu den besten der Welt: medizinische Spitzenleistungen, freie Arztwahl, dichte Versorgung. Dabei soll es bleiben. Aber unsere gute alte Krankenversicherung kann nur erhalten werden, wenn sie reformiert wird. Wer nicht reformiert, der ruiniert; ohne Reform folgt der Ruin. Ohne Reform fressen die Beitragssteigerungen die Löhne auf. 1960 gab die Krankenversicherung 9 Milliarden DM aus. Zehn Jahre später waren es 24 Milliarden DM, noch einmal zehn Jahre später 86 Milliarden DM. Heute sind es 125 Milliarden DM.
Während die Löhne in der gleichen Zeit um das Fünffache stiegen, stiegen die Ausgaben der Krankenversicherung um das Vierzehnfache. Die Beiträge überholen die Löhne. Wenn wir nicht stoppten, würden die Beitragssteigerungen zu irgendeinem Zeitpunkt den Lohn völlig aufgezehrt haben. So hat eine Krankenversicherung, die AOK in Papenburg, schon jetzt einen Beitragssatz von 16 %. Wir mußten handeln.
Wir sparen mit großer Anstrengung rund 14 Milliarden DM. Das ist etwas weniger, als die Beitragszahler seit 1984 mehr zahlen müssen. Das macht die ganze Geschwindigkeit der Kostenentwicklung deutlich. Wer jetzt nicht die Bremse zieht, wird von einer Kostenlawine überrollt werden. Wer jetzt nicht die Bremse zieht, der wird demnächst nicht 14 Milliarden DM sparen müssen, sondern 30 Milliarden DM.
Wir sparen nicht nur, wir gestalten auch. 14 Milliarden DM Entlastung verschaffen wir uns. Die Hälfte soll den Beitragszahlern zugute kommen, mit der anderen Hälfte wollen wir den Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen helfen. Wir geben auch mehr Geld für die Vorsorge aus.
Was zuviel ist, wird zurückgenommen, um das, was zuwenig ist, zu verstärken. Unsere Krankenversicherung hat Überversorgung. Wir bauen die Überversorgung ab, um Unterversorgung beseitigen zu können.
Unsere Krankenversicherung hat auch Verschwendung. Jeder kennt die Pillen, Tropfen und Salben, die pfundweise in der Hausapotheke stehen und zentnerweise im Mülleimer landen. Verschwendung!
Unsere Krankenversicherung kennt Überversorgung. Wir haben sicherlich noch immer zu viele Krankenhausbetten und zuwenig Pflegebetten. Eine Ärzteschwemme droht auf das gesetzliche Krankenversicherungssystem zuzukommen.
Die solidarische Krankenversicherung muß weder Luxus noch Bagatelle über den Krankenschein bezahlen. Wir brauchen die Rückbesinnung auf die alten Prinzipien: Solidarität und Eigenverantwortung. Wir brauchen diese Konzentration, um das Wichtige zu tun, nämlich den Kranken helfen zu können.
Solidarität: Wer krank ist, dem muß geholfen werden. Dieser Grundsatz steht nicht zur Disposition. Heilung mit dem höchsten Standard des medizinischen Fortschritts: Niemand muß Angst haben, daß ihm nicht geholfen wird, weil er kein Geld hat; er bekommt die beste Medizin. Aber wenn beispielsweise die Arzneimittelhersteller ein Medikament für 90 DM und ein gleich gutes für 30 DM anbieten, frage ich Sie: Warum soll die Krankenversicherung das Präparat für 90 DM bezahlen? Wenn die Arzneimittel gleich gut sind, bezahlen wir künftig das preisgünstigere. Warum sollten wir das teuerste bezahlen? Wenn ein Hörgerät für 800 DM notwendig und ausreichend ist, warum sollten wir ein teureres bezahlen?
Wenn wir alles bezahlen, entsteht überhaupt kein Preisdruck. Wenn alles bezahlt wird, was angeboten wird, dann ist die Krankenversicherung in Gefahr, ausgebeutet zu werden. Auch für die Brille zahlen wir das Notwendige und Erforderliche.
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- Sie sind nicht mehr auf dem letzten Stand.
({2})
Wir bezahlen das Notwendige und nicht jede Brillengestellspielerei. Wir bezahlen bei der Brille für Gestell und Gläser, allerdings auch hier beschränkt auf das Notwendige.
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- Mit „wir" , Herr Vogel, meine ich uns alle - ich habe Sie vielleicht etwas voreilig mit eingeschlossen
- in der gesetzlichen Krankenversicherung. „Wir" ist die Solidargemeinschaft, in die Sie ausdrücklich eingeschlossen sind.
({4})
- Ich bin doch nicht so parteipolitisch kleinkariert, daß ich mit „wir" immer nur uns, die CDU, meine.
({5})
Mit Festbeträgen - ich wiederhole es - bezahlt unsere Krankenversicherung das Notwendige, auch wenn es noch so teuer ist. Wenn ein Rollstuhl für
20 000 DM gebraucht wird, wird er bezahlt. Aber es muß Schluß sein mit der bequemen Mitnahme und mit einer Krankenversicherung, von der man jeden Preis verlangen kann. Die solidarische Krankenversicherung ist für niemanden, auch nicht für die Anbieter, eine unendliche Melkmaschine. Das Erforderliche wird bezahlt, nicht jeder Preis und nicht jede Geschmacksvariante.
Dieser Festbetrag, meine Damen und Herren, kombiniert, wie ich meine, auf originelle Weise Solidarität, Wettbewerbsdruck und Einfachheit. Solidarität: Der Festbetrag bezahlt, was gebraucht wird. Wettbewerbsdruck: Er bringt die Anbieter in die heilsame Drucksituation, mehr Angebote in der Nähe des Festbetrages anzusiedeln und sich nicht wechselseitig mit Höchstpreisen zu überbieten. Er ist sozusagen der institutionalisierte Preisdruck, der nicht unterlaufen werden kann. Ich füge hinzu: Er ist auch einfacher und gerechter als jede prozentuale Selbstbeteiligung, die bekanntlich mit Härteklauseln arbeiten muß, deren Verlauf immer umkämpft ist. Außerdem hören bei der prozentualen Selbstbeteiligung die Steuerungsmöglichkeiten an der Höchstgrenze der Selbstbeteiligung auf. Man wird keine unendliche Selbstbeteiligung, wenn man sie wollte, einführen, man wird Höchstgrenzen haben. Oberhalb der Höchstgrenze ist jede Steuerung verloren.
Wir werden auch - das will ich nicht umgehen - auf bisherige Pflichtleistungen verzichten müssen, an die wir uns gewöhnt haben. Ich will das Wichtigste nennen: das Sterbegeld. Allerdings: Für die, die älter als 60 Jahre sind, bleibt es bei der gesetzlichen Höhe. Ich gestehe zu, daß uns das nicht leichtgefallen ist. Aber wir brauchen auch dieses Geld - es bringt zunächst 1 Milliarde DM - für die Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen.
({6})
Wir nehmen das Geld, um jenen - auch älteren - Mitbürgern zu helfen, die rund um die Uhr gepflegt werden müssen, um sie nicht allein zu lassen. Die Hilfe für diese Menschen wollen wir unterstützen, damit sie nicht ins Heim gehen müssen, sondern zu Hause bleiben können, solange es geht.
Wir müssen eine Grenze zwischen dem medizinisch Notwendigen und dem allgemeinen Gesundheitskonsum ziehen, der zwar auch sehr vernünftig sein kann, der aber jedem selbst überlassen ist. Die Pflichtgemeinschaft Krankenversicherung, die Pflichtsolidarität kann nicht für alles zuständig sein, was gesundheitspolitisch erwünscht ist. Sie muß das medizinisch Notwendige zahlen, dem Kranken helfen. Wenn wir uns nicht darauf beschränken, wenn die Solidarität für jede Leistung in Anspruch genommen wird, degeneriert sie zur Ausbeutung der Bescheidenen und zur Umverteilung von den einfachen - ich nenne sie mit Respekt: biederen - Mitbürgern zu den cleveren. Wir wollen weder die Ausbeutung der Bescheidenen noch eine Umverteilung zugunsten der Cleveren.
Wir suchen eine neue Balance zwischen Solidarität und Eigenverantwortung; sie gehören zusammen. Ohne Eigenverantwortung wird Solidarität anonym, und ohne Solidarität wird Eigenverantwortung egoistisch.
({7})
Deshalb das große Prinzip Eigenverantwortung. Es erhält eine neue Chance: Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit. Sie ist nicht einfach lieferbar, sie ist nicht von außen steuerbar. Auch ein Teil Selbstverantwortung gehört in eine humane Gesundheitspolitik.
Wir wollen regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen für Versicherte über 35 Jahre finanzieren, insbesondere Untersuchungen bei Herz-, Kreislauf- und Nierenerkrankungen alle zwei Jahre ermöglichen.
Zahnärztliche Vorsorge: Wir sind in Sachen Zahnprophylaxe ein unterentwickeltes Land. Wir wollen sie ausbauen und auch in ein finanzielles Interesse binden, so daß der, der sie in Anspruch nimmt, später beim Zahnersatz auch einen höheren Zuschuß von seiner Krankenkasse erhält. Insofern binden wir Eigenverantwortung auch an das Solidarprinzip, an die solidarische Unterstützung. Wer mehr Eigenverantwortung in Sachen Zahnprophylaxe auf sich genommen hat, erhält auch höhere Unterstützung durch die Solidarkassen. Insofern verknüpfen wir Solidarität und Eigenverantwortung.
Und wir versuchen - ganz vorsichtig - , in Neuland vorzudringen, in Modellversuchen Erfahrungen mit der Beitragsrückgewähr zu sammeln. Wir wollen keine Sozialpolitik vom Reißbrett her, sondern eine Sozialpolitik, die sich auf Erfahrungen stützt. Beitragsrückgewähr für denjenigen, der seine Krankenversicherung nicht in Anspruch genommen hat, bis zu einem Monatsbeitrag. Ich denke, eine solche Beitragsrückgewähr ist besser als eine Selbstbeteiligung, die den Gang zum Arzt absperrt. Im akuten Notfall spielt Geld keine Rolle: Du gehst zum Arzt, aber du mußt dir schon überlegen, ob du das Solidarsystem wegen jeder Bagatelle in Anspruch nimmst. Du mußt dir auch überlegen - und der Arzt mit - , ob jede Maschine, die im Medizinbetrieb steht, laufen, und ob die dritte Röntgenaufnahme auf die zweite folgen soll. Du mußt dir das überlegen, weil du sonst eine Beitragsrückgewähr nicht mehr empfangen kannst. Ich war und bin viel eher Anhänger eines Belohnungssystems als eines Bestrafungssystems.
({8})
Belohnung entspricht unserem Menschenbild mehr.
Wir wollen in bezug auf das Krankenhaus den Bericht abwarten, der über die Erfahrungen mit dem neuen Krankenhausfinanzierungsgesetz dem Deutschen Bundestag 1988 vorgelegt wird. Was die Inanspruchnahme der neuen, fortschrittlichen, modernen Entgeltformen durch die Partner angeht: Wenn sie die links liegengelassen haben - das werden wir prüfen - , dann muß der Gesetzgeber mit neuen Pflegesätzen die Lücke schließen. Wenn sie trotz großen Angebots auf den alten Trampelpfaden weitermarschiert sind, dann muß der Gesetzgeber das, was besser die Selbstverwaltung gemacht hätte, selber übernehmen.
({9})
Wir wollen den Kassen ein Kündigungsrecht gegenüber Krankenhäusern geben, die über dem Bedarf liegen. Allerdings wird die Kündigung nur mit Zustimmung der Länder wirksam.
Wir wollen die Tür versperren, daß Privatkliniken, private Reha-Stationen sich sozusagen am Krankenhausplan vorbeimogeln, um Bettenabbau, der im gesetzlichen System erzwungen wird, durch die Hintertür zu kompensieren.
In den Fällen, in denen Zuzahlung gefordert wird, beispielsweise beim Zahnersatz, gilt die Härteklausel. Versicherte mit entsprechend niedrigem Einkommen werden von Zuzahlungen völlig befreit.
Wir haben uns auf ein Modell verständigt, das mit Verzicht auf das arbeitet, was verzichtbar erscheint, und mit Festbeträgen, die das Notwendige finanzieren. Ich glaube, damit ist der Solidarität Genüge getan. Wir wollen Solidarität an Eigenverantwortung knüpfen.
Auch mit der Renovation der Kassenorganisation beginnen wir. Wir schneiden den alten Zopf ab, daß Arbeiter unbedingt pflichtversichert sein müssen. Wir werden sie wie Angestellte behandeln, die nur bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze pflichtversichert sind.
Wir schaffen Finanzausgleich innerhalb einer Kassenart auf Landesebene und freiwillig auch übergreifend. Das ist der erste - ich betone: der erste - Schritt zu einer Rationalisierung der Kassenorganisation.
Alle werden in dieser Reform gefordert, alle Beteiligten, auch die Anbieter.
Wir erwarten einen Solidarbeitrag der Pharmaindustrie. Ohne diesen Solidarbeitrag ist diese Krankenversicherungsreform nicht zu machen. Wir wollen mit den Arzneimittelherstellern über die Wege reden. Aber ich bin ganz sicher, daß das Gesetz die dritte Lesung dieses Bundestages nicht ohne einen solchen Solidarbeitrag - um das ausdrücklich zu sagen - der Pharmaindustrie erreichen wird.
({10})
Ich meine, daß dieses Gesetz ein neues Kapitel nicht nur in der Renovation unserer guten Krankenversicherung aufschlägt, sondern daß es auch Neuland betritt, indem es die häusliche Pflege unterstützt, ein Feld weißer Flecken auf unserer Landkarte. Wir wollen denen helfen, die Schwerstpflegebedürftige rund um die Uhr pflegen. Wir wollen sie unterstützen. Wir wollen ihnen auch die Möglichkeit geben, vier Wochen im Jahr - ich sage es in meiner Sprache - Luft zu holen, Urlaub zu machen und währenddessen eine Ersatzperson zu haben.
Ich gebe zu, das ist keine spektakuläre ideologische Sozialpolitik. Es ist eine Sozialpolitik am Herzen des Volkes, orientiert an den praktischen Notwendigkeiten.
Es wird - jetzt wende ich mich ganz besonders an meine Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen - eine Kraft- und Mutprobe für uns werden. Es wird ein Test der Gemeinwohlfähigkeit unserer Gesellschaft. Es wird der Test, ob Gemeinwohl möglich ist oder wir in Gruppenegoismus versinken.
Insofern geht es um mehr als Krankenversicherungsreform. Es wird von uns der Beweis gefordert, ob Politik zur Umstellung und zur Reform, die dieses Wort verdient, fähig ist oder ob sie nur Varianten korrigiert und weiterwurstelt.
Deshalb: Zieht euch warm an. Es wird uns ein kalter Wind entgegenwehen. Ich sage entschlossen: Wir werden uns auch von Lobbyisten nicht umstoßen lassen.
({11})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dreßler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Woche haben zweimal die Koaltionsgremien getagt und sich mit Fragen der Strukturreform im Gesundheitswesen beschäftigt. Gestern abend hat Herr Blüm der staunenden Öffentlichkeit verkündet, man habe sich geeinigt. Herr Kollege Seehofer von der CSU hat aber zugleich deutlich gemacht, in Sachen Strukturreform gebe es in dieser Legislaturperiode eine zweite Runde. Das heißt, der amtierende Arbeitsminister hat - das hat er hier gerade nicht gesagt - sein Klassenziel und das Thema der heutigen Debatte nicht erreicht.
({0})
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat im Mai die Einsetzung einer Enquete-Kommission „Krankenversicherungsreform" durchgesetzt. Ziel ist es, den Versuch zu unternehmen, eine solche Reform auf breitere parlamentarische Mehrheiten zu gründen. Aus den Reihen der CDU/CSU und der FDP schallt uns seither ein zweifaches Nein entgegen: Nein, die Koalition macht die Reform alleine; nein, die SPD will nur verzögern, das Koalitionskonzept steht im September 1987.
({1})
Das sagten Sie im Mai. Ich habe den Eindruck, Herr Blüm, der September scheint in diesem Jahr bei Ihnen ausgefallen zu sein.
({2})
So viel ist nämlich klar: Was Sie gestern vereinbart haben, läßt die entscheidenden Fragen einer Strukturreform unbeantwortet.
({3})
Der weitere Streit, das Gerangel in der Koalition ist vorprogrammiert. Ich wiederhole: Auf die zentralen Fragen einer Strukturreform unseres Gesundheitswesens, die Bereinigung der verzerrten Krankenkassenstruktur,
({4})
die Beseitigung der Ungleichgewichte zwischen Krankenkassen und Anbietern, die Reform und Stärkung der Selbstverwaltung, die Veränderung bei Preis- und Honorarbildung, von der jetzt keinerlei Anreize zur Kostenbegrenzung ausgehen, die Beseitigung der ungleichen Behandlung der verschiedenen
Versichertengruppen, haben Sie überhaupt keine oder nur unzureichende Antworten. Es ist nicht mehr zu vertuschen: Sie sind in diesen zentralen Fragen handlungsunfähig.
({5})
Als der Arbeitsminister in der Haushaltsdebatte der vergangenen Woche die markigen Worte sprach, er werde vor den Anbietern von Gesundheitsleistungen, vor Ärzten, Zahnärzten und der Pharmaindustrie, nicht in die Knie gehen, da hatte er seine eigene Lage nicht mehr erkannt. Zu diesem Zeitpunkt lag er nämlich bereits
({6})
flach auf dem Boden. Aus dieser Stellung kann man nicht mehr in die Knie gehen, meine Damen und Herren.
({7})
Seit gestern abend allerdings bewegt sich Herr Blüm einen Zentimeter unter der politischen Grasnarbe.
({8})
Schon der Zwischenbericht der Koalitionskommission zur Gesundheitsreform, der unter dem Datum des 30. Oktober im Arbeitsministerium gefertigt wurde, ist von einer brutalen Offenheit.
({9})
Christdemokraten und FDP wollten ein Sparprogramm in der Krankenversicherung von 14,5 Milliarden DM. Seit gestern abend sind es 14,3 Milliarden DM. Davon sollen allein 8 Milliarden DM die Versicherten durch Sonderabgaben und Leistungskürzungen zahlen.
({10})
Nun im einzelnen: Sie wollen abkassieren 2,6 Milliarden DM bei Zahnersatz, 2 Milliarden DM beim Sterbegeld, 700 Millionen DM bei Arzneimitteln, fast 600 Millionen DM bei Brillen und Kontaktlinsen, 400 Millionen DM bei Kuren, fast 700 Millionen DM bei Heil- und Hilfsmitteln, 800 Millionen DM bei Fahrtkosten usw.
({11})
3,5 Milliarden DM wollen Sie bei den Leistungserbringern holen. Sie sagen, die einzelnen Leistungsbereiche, also Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser, sollen hinsichtlich der Ausgabenentwicklung der Einnahmeentwicklung der Krankenkassen, also der Grundlohnsumme angepaßt werden.
Meine Damen und Herren, bei den Kassenärzten ist dies schon seit Jahren Realität. Wo sind da die Einsparungen, wo das Solidaropfer, Herr Blüm? Das möchten wir einmal erklärt haben. Bei Krankenhäusern haben Ihnen die Länder bereits gesagt, das sei mit ihnen nicht zu machen. Wo sind da die Einsparungen, Herr Blüm?
Bei der Pharmaindustrie - hier wird es ganz pikant - wollten Sie 1,7 Milliarden DM holen. Meine Güte, was hat der Herr Blüm vor einer Woche hier für eine Schau abgezogen! Und was haben Sie in der Koalition vereinbart? Sie wollen mit der Pharmaindustrie verhandeln, sie also bitten, ihren Beitrag zu leisten? In welch jämmerlicher Position befinden Sie sich!
({12})
Sie wollen der Pharmaindustrie drohen, wenn sie nicht einlenke, werde die Reform platzen.
({13})
Ist Ihnen eigentlich nicht klar, daß die Pharmaindustrie an einer Reform überhaupt kein Interesse hat, Herr Blüm? Sie liefern ihr im Gegenteil einen zusätzlichen Hebel, die Reform zu boykottieren. Sie liefern sich der Pharmaindustrie aus, Herr Blüm.
({14})
Der staunenden Presse verkündeten Sie gestern, das fänden Sie genial. Ich nenne das töricht. Wenn Sie mit der Pharmaindustrie über einen Stabilitätsbeitrag von 1,7 Milliarden DM verhandeln, dann frage ich Sie: Warum verhandeln Sie eigentlich nicht mit den Versicherten um ihren Beitrag von 8 Milliarden DM? Das wäre genial, Herr Blüm.
({15})
Aber bei den Versicherten tun Sie nur eines: abkassieren. Über 2 Milliarden DM wollen Sie von den Rentnern und der Rentenversicherung holen, weil Sie die Beiträge in der Krankenversicherung der Rentner anheben wollen. Seit wann haben wir in der Rentenversicherung eigentlich Geld übrig? Ihr Sparprogramm sieht in Wahrheit so aus: ein 8-Milliarden-DMOpfer bei den kleinen Leuten und lauter Luftbuchungen bei Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern und der Pharmaindustrie.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Egert?
Aber selbstverständlich.
({0})
Bitte sehr, Herr Kollege Egert.
({0})
- Ich bitte um Aufmerksamkeit für den Fragesteller.
Herr Kollege Dreßler, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß der Arbeitsminister bei dem Solidaropfer heute keinen Betrag mehr genannt hat, und könnten Sie dies insoweit in Ihre Überlegungen einbeziehen, als die geniale Bedingung möglicherweise darin besteht, daß zwei Pfennig Solidarbeitrag von der Pharmaindustrie gezahlt werden? Dann ist das Opfer erbracht, und die Versicherten
können über die Reform abkassiert werden. Könnte das so kommen, nachdem heute keine Zahl zu hören war?
Herr Kollege Egert, wir haben gestern abend und auch heute morgen bemerkenswert offen festgestellt, daß Herr Blüm zu diesen bewegenden Fragen keinerlei detaillierte Auskünfte geben kann. Wir sind deshalb gespannt, wie sich das im einzelnen darstellen wird. Für uns steht allerdings fest, daß er zwar von Reform geredet hat, aber gestern abend seine Unterschrift unter ein Abkassierungsmodell gegen Versicherte, gegen Kranke, gegen Rentner und gegen Behinderte gesetzt hat. Das stellen wir heute morgen fest.
Herr Blüm, Sie halten überall im Land, wo es politisch nichts kostet, markige Reden. Sie sagen: Wer krank ist, muß gesund werden. Aber wir fragen Sie: um welchen Preis, unter welchen finanziellen Opfern? Warum fehlte Ihnen heute morgen der Mut, hier ehrlich zu sagen, was Sie den Beitragszahlern in Mark und Pfennig zumuten wollen? Warum fehlte Ihnen heute morgen der Mut, dem Deutschen Bundestag einzugestehen, daß Sie gestern wieder über den Tisch gezogen worden sind?
({0})
Und warum fehlt Ihnen der Mut, Herr Blüm, dem Deutschen Bundestag endlich einzugestehen, daß Sie zu schwach sind, die Interessen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger zu vertreten?
({1})
Sie wollen Bagatellen ausschließen. Herr Blüm, ist es eine Bagatelle, wenn ein Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen von 2 500 DM im Monat für seine Zahnprothese, die 3 000 DM kostet - das ist übrigens ein üblicher Preis -, nach Ihren Vorstellungen in Zukunft 1 500 DM selbst bezahlen muß? Ist das eine Bagatelle?
({2})
Dabei ist eine Strukturreform wirklich nötig. Ich will das einmal an einem Beispiel demonstrieren. Zwei Geschwister in Papenburg an der Ems sind im gleichen Betrieb beschäftigt, die eine als Facharbeiterin, die andere als technische Angestellte. Sie verdienen beide 3 000 DM brutto im Monat. Die Arbeiterin wird per Gesetz Mitglied der AOK Papenburg. Die Angestellte kann ihre Kasse frei wählen und ist Mitglied der Techniker-Krankenkasse, einer Ersatzkasse. Dies ist die erste Ungleichbehandlung. Herr Blüm, haben Sie den Willen, dies gemeinsam mit uns zu ändern?
({3})
- Warum tun Sie es denn nicht, Herr Seehofer? Verfahren Sie neuerdings auch nach der Melodie? Wenn Sie einzeln auftreten, reden Sie den Leuten nach dem Mund, und wenn Sie in Rudeln auftreten, schert Sie Ihr dummes Geschwätz von gestern nicht mehr. Das ist Ihre Methode.
({4})
Meine Damen und Herren, der Arbeiterin, die Mitglied der AOK ist, werden Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 16 % ihres Einkommens von 3 000 DM abgehalten; das sind 480 DM im Monat. Der Angestellten als Mitglied einer Ersatzkasse werden rund 11 %
({5})
ihres gleich hohen Einkommens abgehalten; das sind 330 DM. Sie zahlt 150 DM pro Monat weniger. Das sind 1 800 DM weniger im Jahr - bei gleichem Einkommen für die gleiche Leistung. Ist das sozial gerecht? Hat das etwas mit Solidarität zu tun? Ich frage Sie: Wollen Sie diese Verzerrung gemeinsam mit uns abstellen?
({6})
- Unsere Anträge werden kommen, Herr Seehofer. Ich hoffe, das Protokoll hat notiert, daß Sie ja gesagt haben. Wir werden dann nämlich namentliche Abstimmungen machen, und dann werden Ihre Zwischenrufe hier Sie einholen.
({7})
Es kommt noch schlimmer. Beide Schwestern erhalten natürlich einen Arbeitgeberanteil zu ihren Krankenversicherungsbeiträgen, und der bemißt sich nach der Hälfte der fälligen Beiträge für die zuständige Pflichtkasse. Das ist die AOK Papenburg. Die Arbeiterin erhält als Arbeitgeberanteil 240 DM, muß ebenfalls 240 DM selbst bezahlen, um ihren 480-DM-Beitrag zu leisten. Die Schwester als Angestellte erhält von ihrem Arbeitgeber aber auch 240 DM, braucht also nur noch 90 DM zu zahlen, um ihren 330-DMBeitrag zu leisten. Ich sage: Ein System, das solche perversen Ergebnisse zeitigt,
({8})
stellt sich selbst zur Disposition. Es stellt das Solidaritätsprinzip auf den Kopf. Hier wird Solidarität zu einem Synonym für gesetzlich gesichertes Unrecht. Daran haben Sie mit Ihrem famosen Programm, das Sie uns heute jedenfalls zum Teil verkündet haben, nichts, aber auch gar nichts geändert.
Der Arbeitsminister prangert beredt die Ungerechtigkeiten im System an, etwa das Selbstbedienungsverhalten der Pharmaindustrie, und mit der so genialen Verhandlung, die er vorhat,
({9})
will er nun versuchen, etwas zu erreichen. Bei den anderen hat er es bereits festgeschrieben. Herr Blüm, Ihre Aufgabe ist es nicht, hier im Deutschen Bundestag alles anzuprangern, sondern es zu ändern. Herr Blüm, das ist Ihre Aufgabe!
({10})
Anreize zu mehr Wirtschaftlichkeit wollen Sie geben und zu gesundheitsgerechterem Verhalten anhalten. Was Sie sich dazu zum Teil ausgedacht haben, ist allerdings schlimm. Sie haben die Beitragsrückgewähr ersonnen. Jemand, der gesund ist und seine Krankenkasse nicht in Anspruch zu nehmen braucht,
erhält einen vollen Monatsbeitrag zur Krankenversicherung retour.
({11})
Was Sie Beitragsrückerstattung nennen, bezeichne ich als besonders drastische Form von Selbstbeteiligung, Herr Blüm.
({12})
Jemand, der gesund ist, zahl nämlich 11 Monatsbeiträge zur Krankenversicherung, der Kranke aber 12. Sie bauen damit die Ungerechtigkeiten doch nicht ab; im Gegenteil, Sie vergrößern sie nur noch.
({13})
14,3 Milliarden DM Entlastung für die Krankenkassen, 6 Milliarden DM neue Belastung durch die Pflege.
({14})
Von den 14,3 Milliarden DM Entlastung wollen Sie 8 Milliarden DM bei den Versicherten abkassieren. Der Rest sind Luftbuchungen bei Anbietern und Rentenversicherung. Was bleibt? 8 Milliarden DM an Entlastungen, 6,4 Milliarden DM an Belastungen, und dafür machen Sie so einen Krach. Das „Deutsche Ärzteblatt" , Herr Blüm, nannte Ihre Operation ein Nullsummenspiel. Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen beweist dies schlagend.
({15})
Sind Sie sich eigentlich über die Verteilungswirkungen klar? Wenn Sie 8 Milliarden DM durch die Leistungskürzungen und Selbstbeteiligung abkassieren und davon 6,4 Milliarden DM für eine Lösung der Pflegebedürftigkeitsfrage einsetzen, erreichen Sie, daß die Kranken die Pflegebedürftigen finanzieren.
Bei solchen Vorschlägen ist es kein Wunder, daß die Bürger die Lust an der Politik verlieren. Ihre Sozialpolitik ist ungerecht. Sie ist auch unsolidarisch.
({16})
Eine weitere Seifenblase dieser Koalition: Sie will, daß die Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen innerhalb eines Bundeslandes ihre Finanzen jeweils ausgleichen. Sie feiern dies als ein Rezept gegen zu hohe Beiträge. Das ist ein Witz! Den Stadtstaaten Hamburg, Berlin, Bremen sowie dem Saarland hilft das überhaupt nichts. Dort gibt es nämlich nur eine AOK. Haben Sie eigentlich noch nichts von Nord-SüdGefälle bei den Krankenkassen gehört?
({17})
Was nützt es denn, wenn die teureren nördlichen Krankenkassen miteinander ausgleichen? Das nützt gar nichts. Wenn Finanzausgleich innerhalb der Kassenarten,
({18})
dann bundesweit und gesetzlich vorgeschrieben,
({19})
so wie das bei den einzelnen Ersatzkassen in der Natur der Sache liegt. Auch hier bieten Sie wieder eine Scheinlösung an.
Herr Blüm, Ihre Pläne sind unsolide, Ihre Pläne sind unsozial. Deshalb sind sie inakzeptabel. Nutzen Sie endlich mit uns die Enquete-Kommission Krankenversicherungsreform. Wenn wir gemeinsam deren Ergebnisse verarbeiten, dann können wir zu einer Strukturreform kommen, die breitere Mehrheiten findet und ihren Namen wirklich verdient.
({20})
Das Wort hat der Abgeordnete Cronenberg.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer Dank verdient, dem sollte man Dank sagen. Ich möchte mich bei der Opposition bedanken, nicht weil diese Debatte heute morgen so früh angesetzt worden ist - das hat mich ein bißchen gestört - , sondern weil sie für heute beantragt worden ist. Sie haben damit einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet, daß wir gestern unter Druck ordentlich und vernünftig fertig geworden sind.
({0})
Über die Notwendigkeit der Strukturreform will ich mich hier nicht auslassen. Dafür reicht die Zeit nicht. Ich verweise auf das, was der Bundesarbeitsminister gesagt hat. Dem stimmen ja dankenswerterweise in der Analyse alle zu.
Steigende Beiträge bedeuten eben weniger Einkommen für den Arbeitnehmer, bedeuten höhere Preise für den Verbraucher und bedeuten verschlechterte Exportchancen, d. h. Verlust von Arbeitsplätzen. Das System frißt sich sozusagen selber auf.
Neue Aufgaben stehen uns bevor. Ältere Mitbürger bedürfen ärztlicher Leistung, und sie haben Anspruch auf ordentliche Leistungen. Die wachsende Zahl der Pflegefälle ist unbestritten ein Problem, das zu lösen und anzupacken wir verpflichtet sind. Ein Gesetzgeber, der auf diese Situation nicht reagiert, handelt grob fahrlässig. Deswegen müssen Konsequenzen gezogen werden.
Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, einer Pflicht- und einer Zwangsversicherung, ist es, Krankheit zu heilen, auch wenn es teuer ist, und dafür Sorge zu tragen, daß Krankheit, wo immer möglich, vermieden wird. Mit anderen Worten: Das medizinisch Notwendige, das Zweckmäßige und das wirtschaftlich Vertretbare muß für die Beitragszahler und von den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden. Aber die gesetzliche Krankenversicherung ist nicht zuständig für Sportbril3260 Deutscher Bundestag - I 1. Wahlperiode Cronenberg ({1})
len, und es muß nicht sein, daß jeder mit dem Taxi zum Arzt fährt, wenn öffentliche Verkehrsmittel da sind.
({2})
Wir müssen dafür sorgen, daß die Patienten mit dafür Sorge tragen, daß sich der Arzt kostenbewußt verhält. Wir müssen die Ärzte zwingen, wirtschaftlich zu arbeiten, und wir müssen und werden die Pharmaindustrie in den Wettbewerb zwingen. Wir müssen dafür sorgen, daß auf Dauer im Krankenhaus alle Möglichkeiten wahrgenommen werden, Kosten zu sparen. Dort, wo es beim besten Willen nicht möglich ist und wo auch nach einer Übergangszeit das System der Festzuschüsse nicht eingeführt werden kann, werden wir auch nicht auf Selbstbeteiligung verzichten.
Einigkeit herrscht darüber, daß Vorbeugen notwendig und richtig und zu finanzieren ist. Einigkeit herrscht darüber, daß Dirigismus und mehr Planung keine Verbesserungen bringen. Deswegen sind wir nach wie vor gegen Positivlisten. Für uns sind nach wie vor Negativlisten ein Greuel. Wir wollen nicht, daß der Staat vorschreibt, zu welchem Arzt man geht, welche Medikamente man benutzen darf und wie lange man im Krankenhaus bleiben soll oder darf.
({3})
Aber es gibt außerordentlich wirksame marktwirtschaftliche Instrumente, die die Versorgung sicherstellen und trotzdem optimale Leistungen ermöglichen. Meine Kolleginnen und Kollege von der SPD, ich möchte Sie mit allem Ernst bitten, objektiv darüber nachzudenken, ob die Instrumente, die wir eingesetzt haben, nicht doch richtig sind. Ich bitte Sie, nicht aus Lust an der parteipolitischen Auseinandersetzung oder aus Lust an der Opposition um der Opposition willen die Pläne der Koalition madig zu machen und zu zerreden, nicht um dem angeblichen Lobbyisten für die Pharmaindustrie und Zahnärzte - das wird mir ja immer vorgeworfen - einen Gefallen zu tun, sondern um im Interesse der Beitragszahler, ihrer frei verfügbaren Einkommen, die notwendigen Leistungen zu erbringen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dreßler?
Ich möchte zunächst noch zwei Sätze sagen. Dann gestatte ich es, wenn mir die Zeit nicht angerechnet wird, gerne.
Lieber Rudolf Dreßler und verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das ist nicht nur meine Position. Ich möchte zitieren, was ein von mir geschätzter Kollege aus Ihren Reihen in diesem Zusammenhang gesagt hat. Hermann Rappe hat zu diesem Thema gesagt:
Unter allen Maßnahmen sind dirigistische Eingriffe des Staates das untauglichste Instrument, vor allen Dingen angesichts der Leistung, die die pharmazeutische Industrie erbracht hat.
Gerd Muhr hat mir geschrieben: ... halten wir den Ansatzpunkt mit Festbeträgen, die das medizinisch Notwendige und wirtschaftliche Leistungen voll in den Leistungsrahmen der sozialen Krankenversicherung übernehmen, für richtig und geeignet, zur Kostendämpfung beizutragen.
Orientieren Sie sich an zwei fachkundigen, fairen und meinen hohen Respekt verdienenden Kollegen! Dann wird Ihr Urteil etwas objektiver sein als die Beurteilung, die Rudolf Dreßler an Hand einer Vorlage eben vorgenommen hat, die nicht den gestrigen Beschlüssen entsprach.
({0})
Bitte sehr, Herr Kollege Dreßler, zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Cronenberg, Sie haben soeben an die Opposition appelliert, verantwortungsvoll zu sein. Ist Ihnen bekannt und stimmen Sie mit mir überein, daß die Einsetzung der Enquete-Kommission des Parlaments, um die Strukturreform auf eine breite parlamentarische Basis zu setzen, Antrag der SPD war, und können Sie mir sagen, ob sich eine Opposition insoweit verantwortungsvoller verhalten kann?
({0})
Lieber Kollege Dreßler, niemand aus den Koalitionsfraktionen hat die Mitarbeit in der Enquete-Kommission verweigert, und ich gehe auch davon aus, daß es sich die Enquete-Kommission nicht wird ersparen können, die Vorschläge und das, was wir gestern beschlossen haben, einer objektiven Prüfung zu unterwerfen.
({0})
Herr Kollege Egert, zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Cronenberg, da Sie auf sachverständige Zeugen für Ihre Maßnahmen verwiesen haben, will ich zumindest einen sachverständigen Zeugen vollständig zitieren - denn nicht nur Sie kriegen Briefe, sondern auch ich kriege Briefe, und das ist das Problem, und wir kriegen sie von den gleichen -
Ich bitte Sie, eine Frage zu stellen.
Das Fragezeichen war vorneweg, Herr Präsident. Ich habe ihn gefragt, ob er mir bestätigen würde.
Nein, das haben Sie nicht gesagt.
Habe ich gesagt.
Hiermit haben Sie es gesagt.
Würden Sie mir bestätigen, daß der Herr Muhr im Zusammenhang mit den Festzuschüssen Wert darauf legt, daß das Gebot der Reichsversicherungsordnung „wirtschaftlich zweckmäßig und notwendig" bei den Festzuschüssen eingelöst wird,
d. h. daß ohne jede Zuzahlung die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden muß? Trifft das dann auch für die Hörgeräte zu, die zum Ausgleich einer festgestellten Schädigung als notwendig erachtet werden und mit 1 250 DM zu Buche schlagen? Ist das dann nicht eine Zuzahlung von 450 DM?
Herr Kollege Egert - Egert ({0}): Damit Sie Herrn Muhr nicht in Anspruch nehmen für Dinge, die wir hier debattieren müssen.
Zunächst einmal unterstreiche ich den Satz, den der verehrte stellvertretende DGB-Vorsitzende Muhr so geschrieben hat. In der Tat gilt es in dem Bereich der Hörgeräte eine ernsthafte Prüfung zu unternehmen, ob die in der Presse immer wieder genannte Summe von 800 DM angemessen ist. Wir sind uns darüber klar, daß wir das angemessen machen. Aber ich sage Ihnen auch, daß gerade bei Geräten wie den Hörgeräten technische und technologische Entwicklungen Reserven beinhalten, die zu nutzen im Interesse der Beitragszahler notwendig ist. Ich möchte auch diesen Industriezweig in den gleichen Wettbewerb zwingen, indem ich mich mit meinem Unternehmen befinde. Ich muß mir die Preise auch am Markt holen und kriege sie nicht von irgendeiner Versicherung ersetzt.
({0})
Meine Damen und Herren, wir sind uns darüber klar, daß die gestern beschlossenen Eckpunkte in vielen Positionen anders aussehen, als der Kollege Dreßler, der offensichtlich alte Vorlagen benutzt und sie zur Grundlage seiner Beurteilung gemacht hat. Nun, sie sind eine gute Voraussetzung dafür, ein ordentliches Gesetzeswerk, das sicherlich in den Einzelheiten diskutiert werden wird, den Ausschüssen vorzulegen. Ich sage auch, daß im analytischen Bereich zu dem, was Rudolf Dreßler vorgetragen hat, viel Zustimmung bei mir zu finden ist. Deswegen haben wir im Bereich Krankenhaus, wo wir uns klar sind, daß auf Dauer eine Neuordnung unvermeidbar ist, beschlossen, daß, wenn der Bericht aus dem Krankenhausfinanzierungsgesetz vorliegt und wenn unsere Erwartungen, die wir daran geknüpft haben, nicht zutreffen, wir alle gemeinsam erneut diesen Fragenkomplex mit dem Ziel aufgreifen, das zu realisieren, was wir mit dem KHG durchsetzen wollten. Meine Bitte an den Bundesarbeitsminister und an die dafür zuständigen Beamten lautet hier heute morgen: wenn es ihnen gelänge, den Bericht vorzuziehen, würde es das Geschäft erleichtern, und wir könnten es vielleicht sogar in die Reform mit einbeziehen. Und da Sie gelegentlich in der Lage sind, Unmögliches möglich zu machen, ist tas sicher keine vergebliche Bitte, die ich hier äußere.
Meine Damen und Herren, noch einmal zu dem, was der Kollege Rudolf Dreßler im Zusammenhang mit der Strukturreform - mehr Wahlfreiheit, mehr Kassenwahlfreiheit - gesagt hat. Die von ihm geschilderten Probleme sind richtig; sie finden meine uneingeschränkte Unterstützung im analytischen Teil. Auch ich bin der Meinung, daß der Wettbewerb
zwischen den Kassenarten erforderlich ist. Auch ich habe kein Verständnis dafür, daß Angestellten Wahlrechte gegeben werden, die Arbeitern verweigert werden. Ich bin in dieser Analyse auf dem gleichen Standpunkt wie Sie. Deswegen haben wir beschlossen - denn es handelt sich zugegebenermaßen um einen außerordentlich komplizierten Sachverhalt -, daß dies noch in dieser Legislaturperiode angefaßt wird.
Auch zu Ihrer Bemerkung, Herr Dreßler: unterschiedliche Beiträge der Arbeitgeber, die berühmte Frage des § 520, kann ich Erfolg melden: Ihre Wünsche werden erfüllt. Das ist jetzt schon beschlossen. Ich nehme an, daß auch das ein Grund ist, Ihnen die Zustimmung zu erleichtern, denn ich nehme immer und gern, und besonders dann, wenn es von sachverständigen Kollegen kommt, Anregungen auf und mache auch kein Hehl daraus, solche Vorschläge mit einzubringen. Im Gegensatz zur Schule, Herr Kollege Dreßler, ist das Abschreiben in der Politik nicht verboten; im Gegenteil, es ist erwünscht!
({1})
- Das tue ich doch, Herr Kollege Bötsch. Es kann einem doch da gar nicht mehr geboten werden.
Meine Damen und Herren, zum Schluß möchte ich mit diesem Unsinn aufräumen, der hier immer erzählt wird und der offensichtlich in der politischen Auseinandersetzung von besonderer Wirksamkeit ist: Hier die Leistungserbringer - dort die Beitragszahler. Hier wird soviel gebracht und dort wird soviel gebracht. - Die Auswirkungen erstrecken sich quer durch die Bank auf alle. Und nun will ich Ihnen einmal sagen, wofür diese Reform gemacht wird: Diese Reform wird hundertprozentig für Beitragszahler und Patienten gemacht und für niemanden anders.
({2})
Es wird Geld gespart, d. h. es werden weniger Beiträge gezahlt, die Beitragssteigerungen werden gestoppt, die Beiträge möglicherweise gesenkt. Und das, was dort durch Umstrukturierung erspart wird, wird ausschließlich zugunsten von Beitragszahlern und ausschließlich zugunsten von Patienten ausgegeben. Entweder sie zahlen weniger Beitrag, oder aber sie kriegen höhere Leistungen. Das gilt hundertprozentig für diejenigen, für die die gesetzliche Krankenversicherung zuständig ist. Alle Maßnahmen wirken sich auch bei denen aus und sollen es auch, die hier als sogenannte Leistungserbringer bezeichnet werden.
Aber wir haben das mit Instumenten gemacht, die garantieren, daß die Grundlagen eines freiheitlichen Gesundheitssystems nicht eingeschränkt werden. Die Therapiefreiheit bleibt erhalten, d. h. nicht der Staat schreibt vor, was ich an Medikamenten nehmen darf und was nicht. Die freie Arztwahl bleibt erhalten, d. h. nicht der Staat bestimmt, zu welchem Arzt ich zu gehen habe und wie lange ich im Krankenhaus bleiben muß. Daß diese Grundlagen eines freiheitlichen Gesundheitssystems erhalten bleiben, beweist, daß wir mit den richtigen Instrumenten Erfolg gehabt haben.
({3})
Cronenberg ({4})
Meine Damen und Herren, wer wie Sie - das unterstelle ich - genauso wie wir daran interessiert ist, die Überbelastung bei den Lohnnebenkosten, die ja die sauer erarbeiteten Groschen der Arbeitnehmer sind, abzubauen und mit möglichst wenig Beiträgen einen möglichst großen Erfolg zu haben, der kann im Interesse der Arbeitnehmer und im Interesse eines freiheitlichen Gesundheitssystems nicht mehr tun, als diese unsere Bemühungen zu unterstützen. Da ich Sie für einsichtige Menschen halte, bin ich auch überzeugt, daß hoffentlich viele von Ihnen uns dabei helfen und uns unterstützen werden. Ich bitte die Kollegen, die mir unter vier Augen gesagt haben, die Festzuschüsse sind weitaus besser, als wir das jemals gedacht haben, in der SPD-Fraktion öffentlich auch dafür zu werben. Dann kriegen wir weniger Theater, weniger Schimpfe und mehr Zustimmung, und darüber würde ich mich sehr freuen.
Herzlichen Dank.
({5})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wilms-Kegel.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man Herrn Blüm und den anderen Vertretern der Regierungsparteien in den letzten Wochen, gestern und heute zugehört hat, wie sie diese sogenannte Strukturreform angepriesen haben, dann könnte man fast meinen, man hätte trotz aller Aufmerksamkeit eine kleine Revolution übersehen. Doch wird diese vielgepriesene Strukturreform nichts anderes werden als ein Kostendämpfungsgesetz, in dem vor allem die kranken, behinderten und alten Menschen benachteiligt sind. Es ist schon bemerkenswert, daß den Patienten und Patientinnen, die sich ihre Medikamente und ihr Heil- und Hilfsmittel ja nicht selbst verordnen, unausweichliche Belastungen drohen, während den Verordnern dieser Leistungen, den Ärzten und den Anbietern im Gesundheitswesen, nur unverbindliche Appelle ohne Folgewirkungen bevorstehen.
Eine wirkliche Reform hätten Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, zustande gebracht, wenn Sie den Mut gehabt hätten, eine völlige Neuordnung zu beschließen, und ein Gesundheitswesen geschaffen hätten, in dem sich alles an den Bedürfnissen der kranken Menschen orientiert, wie wir GRÜNEN das schon lange fordern.
({0})
Was jetzt durch Ihre sogenannte Strukturreform passiert, ist einfach anachronistisch. Eine der reichsten Nationen stellt ihren Bürgern zukünftig kein solidarisch finanziertes, kein in allen Bereichen der gesundheitlichen Versorgung kostenlos zugängliches, kein nur von Krankenkassenbeiträgen getragenes Gesundheitssystem zur Verfügung. Krankheit wird bestraft. Der glückliche Umstand, gesund zu sein, wird belohnt. In der Schrift des Arbeitsministeriums finde ich die Aussage, daß jeder Bürger selbst so viel für seine Gesundheit ausgeben kann, wie er möchte.
Wir sagen: Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse und die monatlich eingezahlten Pflichtbeiträge müssen das Recht auf gesundheitliche Versorgung ohne Einschränkung gewährleisten.
Die kranken, die chronisch kranken und die behinderten Menschen werden als Verfügungsmasse für Einsparungen mißbraucht. Ausgerechnet die Kranken sollen den Arzt zur Wirtschaftlichkeit ermuntern, sollen zum Sparen beitragen. Aber Gesundheit ist keine Ware, auf die ganz nach marktwirtschaftlichen Vorstellungen verzichtet werden kann. Beim Gesundwerden kann der kranke Mensch nicht auf günstigere Preise warten oder Sonderangebote vergleichen.
Den Widerspruch zwischen dem Solidarsystem der Krankenkassen, auf das wir Deutschen einstmals so stolz waren, und der marktwirtschaftlich und an Gewinn orientierten Branche der Heilberufe und der Gesundheitsindustrie wollen Sie jetzt einseitig zu Lasten der Krankenversicherten lösen. Ihre Überlegungen zur Steuerungswirkung der Selbstb eteiligungsregelung sind getragen von dem an unzähligen Ratten, Kaninchen und weißen Mäusen erprobten Konzept „Lernen durch Bestrafung". Das Schema lautet: Wenn Herr oder Frau X mehrfach beim Apotheker für ihr Medikament selbst draufgezahlt haben, werden sie ihrem Arzt schon sagen, daß er ihnen einmal etwas Billigeres aufschreiben solle, oder sie werden auf die Medikamente ganz verzichten. Sie wissen ja, daß man Tierexperimente nicht auf den Menschen übertragen kann.
Bevor sich die Regierungsparteien an eine sogenannte Reform des Gesundheitswesens setzten, hätten sie sich lieber an eine Reform ihres Menschenbildes machen sollen. Bei Ihrer Jammerei über die Unbezahlbarkeit des Gesundheitswesens und das Anspruchsdenken der Patienten und Patientinnen könnte man Ihnen glatt vorschlagen: Verzichten Sie in Ihrem System doch ganz auf die Patienten.
Wenn Sie die Anbieterseite im Gesundheitswesen zum Sparen animieren wollen - und gerade wir sind der Meinung, daß hier aus einer Vormachtstellung heraus . . .
({1})
Meine Damen und Herren, ich bitte um mehr Aufmerksamkeit. - Bitte sehr, Sie haben das Wort.
... Geld der Krankenversicherten verschwendet wird - , dann tun Sie das doch bitte und machen Sie nicht die Kranken zu Opfern.
({0})
Während Sie den kranken, den chronisch kranken und behinderten Menschen Anspruchsdenken unterstellen, so glaube ich, daß kranke und behinderte Menschen den ganz berechtigten Anspruch auf optimale gesundheitliche Versorgung haben. Darum verurteile ich die Verdummungskampagne unter dem Motto „nicht jede Bagatelle und nicht jeder Luxus" auf schärfste. Es ist doch zynisch, wenn Sie den krankenversicherten Menschen immer wieder unterstelFrau Wilms-Kegel
len, daß sie Leistungen der Krankenversicherung nur in Anspruch nehmen, um den Gegenwert der eingezahlten Beiträge zu erhalten. Ich als Ärztin habe noch niemanden erlebt, der sich ein Bein gebrochen oder einen Blinddarm hat entfernen lassen oder sonstwie krank gewesen ist, nur um die Krankenkasse zu schädigen.
Wir GRÜNEN lehnen Ihre Philosophie, daß jeder einzelne selbst für seine Gesundheit verantwortlich ist, als unwahrhaftig und unehrlich ab. In unserer Gesellschaft sind die meisten Krankheiten nicht durch individuell vermeidbare Lebensweisen bedingt, sondern durch Lebensbedingungen, Arbeitsbedingungen, Umweltvergiftungen, die der oder die einzelne nicht selbst beeinflussen können.
({1})
Nach Glykol, Sandoz und Tschernobyl zeugt es wahrlich von Dickfelligkeit, die stinknormalen Bürger, die ihre Lebensmittel im Supermarkt kaufen, ihr Wasser aus der Leitung erhalten und die stinkende Luft der Städte atmen müssen, für ihren Gesundheitszustand selbst verantwortlich zu machen.
Wir GRÜNEN fordern schon lange, daß die Regierung hier die Voraussetzungen für gesundes Leben schafft.
({2})
Das wäre ein echter Beitrag zur Gesundheit der Menschen. Aber dazu hat die Regierung keinen Mut. Zur Prävention, zur Vorbeugung fällt Ihnen nur der scheckheftgeprüfte Patient ein, ganz nach dem Modell Auto, mit Beitragsrückerstattung bei Schadensfreiheit, aber leider ohne Garantieanspruch. Diese sogenannte Strukturreform ist keinesfalls eine ref orme-rische Großtat, sondern ein dem Krämergeist dieser Regierung entsprungener Etikettenschwindel.
({3})
Bei der Sichtung der vielen Kommentare zum Thema fand ich in der Ausgabe des „Stern" vom 26. November 1987 ein Gedicht von Dieter Höss, dessen drei letzte Strophen ich Ihnen hier zum Schluß zitieren möchte:
Selbst ums Überleben kämpfend, hilft der kleine Mann darauf, wie er annimmt, kostendämpfend, dem Gesundheitswesen auf.
Selbst schon in den letzten Zügen, selbst kurz vor dem Exitus, zahlt der Ärmste mit Vergnügen, was er annimmt, daß er muß.
Krank bleibt das Gesundheitswesen. Doch nun - Doktor Blüm sei Dank - trägt der kleine Mann die Spesen. Oder er wird nicht mehr krank.
Wenn diese angebliche Reform Minister Blüms Weihnachtsgeschenk an alle Krankenversicherten ist, kann ich nur sagen: Das ist ja eine schöne Bescherung! Frohes Fest allen Kostengedämpften!
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Seehofer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CSU steht ja nicht gerade in dem Verdacht, den Bundesarbeitsminister bei jeder Gelegenheit zu loben.
({0})
Aber das, was er gestern zur Entscheidung gebracht hat, ist eine historische Meisterleistung.
({1})
Es ist eine historische Leistung, weil wir seit den 50er Jahren über Strukturreform reden, und jetzt liegt das Lösungspaket auf dem Tisch.
({2})
Es ist eine historische Leistung, weil wir seit den 70er Jahren ständig steigende Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung haben. Wir stoppen diesen Trend und kehren ihn um. Wir senken die Beiträge.
({3})
Es ist eine historische Leistung, weil wir nach dem großen sozialpolitischen Erfolg, Kindererziehungszeiten im Rentenrecht einzuführen, jetzt als erste politische Kraft in der Bundesrepublik Deutschland nach jahrelanger Diskussion das Pflegefallrisiko mit 7 Milliarden DM absichern. Dies ist ein großer historischer Durchbruch.
({4})
Meine Damen und Herren, diese Reform ist nicht nur notwendig, sie ist auch dringlich. Wenn wir seit 1984 keine Beitragserhöhungen gehabt hätten, hätten die Beitragszahler in zwei Jahren 22 Milliarden DM gespart - 22 Milliarden DM alleine durch die Beitragserhöhungen. Wir werden im nächsten Jahr in der gesetzlichen Krankenversicherung einen durchschnittlichen Beitragssatz von 13 % erreichen. Wenn nichts geschieht, steuern wir zur Jahrhundertwende auf einen durchschnittlichen Beitragssatz von 20 % hin. Wenn nichts geschieht, droht diesem System der Kollaps.
({5})
Es ist deshalb nicht nur notwendig, Herr Kollege Dreßler, es ist dringlich. Wir können nicht abwarten, bis Sie mit Ihrer Enquete-Kommission Ende des nächsten Jahres mal ausgeplaudert haben
({6})
und dann vielleicht im Laufe des Jahres 1989 einen Gesetzentwurf vorlegen.
({7})
Wir müssen jetzt handeln, um den Kollaps des Systems zu verhindern.
({8})
Deshalb schlagen wir Ihnen vor: Beenden Sie die Diskussion mit Analysen und Gutachten und Sachver3264
ständigenanhörungen in dieser Enquete-Kommission, gegen deren Einsetzung wir von vornherein waren - und die Arbeitsweise bestätigt unsere Bedenken - , und beteiligen Sie sich hier an der sachlichen Auseinandersetzung!
({9})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Götte?
Nein.
Wir unterscheiden uns dadurch, daß wir heute hier eine Lösung vertreten und Sie mit leeren Händen dastehen.
Herr Kollege Dreßler, wir machen auch etwas beim Finanzausgleich zwischen den Kassen - Julius Cronenberg hat das angeführt -,
({0})
und zwar noch in dieser Legislaturperiode. Als ersten Schritt werden wir einen kasseninternen Finanzausgleich auf Länderebene vorsehen.
({1})
Dadurch wird z. B. die AOK Papenburg, die jetzt einen durchschnittlichen Beitragssatz von 16 % hat, in den Genuß eines Finanzausgleichs kommen, weil sie gewisse sonst nicht übliche Risiken zu tragen hat. Das ist ein erster Schritt.
({2})
Wenn Sie von der sozialen Ausgewogenheit reden, wenn Sie wieder davon reden, diese Regierung würde die Armen jetzt zur Kasse bitten,
({3})
dann sage ich Ihnen: Erstens. Von dem Einsparvolumen wird die Hälfte für die Absicherung des Pflegefallrisikos verwandt.
({4})
Zweitens. Die andere Hälfte wird für die Senkung der Beiträge genutzt - und das betrifft auch die Arbeitnehmer. Drittens lese ich Ihnen mal den Brief des stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Gerd Muhr vom 19. November 1987 vor: Der Hauptpunkt dieser Reform ist die Einführung von Festbeträgen. Mit Festbeträgen wird das medizinisch Erforderliche abgedeckt. Damit entfällt die Selbstbeteiligung. Alles, was bisher durch die Presse geisterte in Richtung 20 % Selbstbeteiligung, ist nicht Realität. Dies kommt nicht.
Gerd Muhr schreibt:
Da wir auf Grund der bisherigen Mechanismen in verschiedenen Bereichen in eine Art Überversorgung hineingeschlittert sind, halten wir
- der DGB den Ansatzpunkt, mit Festbeträgen die medizinisch notwendigen und wirtschaftlichen Leistungen voll in den Leistungsrahmen der sozialen Krankenversicherung zu übernehmen, für richtig
und geeignet, zur Kostendämpfung beizutragen.
Wir sind auch bereit, - so der DGB obwohl dies gegenüber den Versicherten und Patienten nicht immer einfach deutlich zu machen ist, diesen Grundsatz in der Öffentlichkeit als Alternative zu einer undifferenzierten Selbstbeteiligung zu vertreten.
Gerd Muhr schreibt weiter für den DGB:
Ich will nicht verschweigen, daß auch in der jetzt gefundenen Lösung manche Probleme und Pferdefüße stecken.
In diesem Zusammenhang nenne ich den heute von der SPD geäußerten Verdacht bezüglich einer Billigmedizin.
Gleichwohl halten wir sie bei sachverständiger Praktizierung durch die Selbstverwaltung für geeignet, nicht nur die Kostenentwicklung abzubremsen, sondern sogar zu einer gewissen qualitativen Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung beizutragen. Dies ist nach unserer Meinung der richtige Weg zu mehr Selbstverantwortung für die Gesundheit, die auch wir wollen.
An dieser Meßlatte, Herr Dreßler, sollten Sie sich messen. Hören Sie auf, jetzt schon wieder damit zu beginnen, an Stelle von Lösungen, die Sie nicht haben, hier die Auseinandersetzung mit Schlagworten zu führen! Kehren Sie zu den Fakten zurück!
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Kirschner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Worte zu den Fragen der Sturkturreform als Vorsitzender der EnqueteKommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung", deren Einsetzung dieses Haus im vergangenen Mai beschlossen hat, sagen. Ich sehe mit großer Sorge, daß diese Enquete-Kommission als Instrument der Vorbereitung politischer Entscheidungen des Deutschen Bundestages, die große Tragweite haben - wir sehen es ja auch an dieser Debatte -, nicht von allen Seiten des Hauses gleichermaßen ernstgenommen wird. Herr Seehofer, Sie sind stellvertretender Vorsitzender. Das, was Sie gerade gesagt haben, bestätigt diese meine Auffassung. Ich muß hinzufügen: bedauerlicherweise.
({0})
Herr Bundesarbeitsminister, ich wende mich direkt an Sie: Es kann nicht sein, daß die Bundesregierung ohne Beachtung der Arbeit der Kommission und ohne Rücksicht auf sie einen Gesetzentwurf zum Arbeitsthema der Enquete-Kommission vorlegt. Dies wäre eine grobe Mißachtung der Rechte des Deutschen Bundestages, die ohne Beispiel wäre. Das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen.
({1})
Lassen Sie mich eine weitere Bemerkung machen. Sie haben Ihre Arbeit vorhin gelobt - wenn auch mit
einem Stoßseufzer - : „Wir haben es geschafft." Ich habe eher den Eindruck, daß die Überschrift lauten müßte: „Die Operation Strukturreform ist weitgehend mißlungen, die Patienten werden ärmer."
Eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Kollege Seehofer. Sie haben gesagt: Täten wir nichts, stiege der Beitrag auf 20%. Niemand hätte Sie daran gehindert, mit uns zusammen ein Vorschaltgesetz zu verabschieden. Wenn Sie die Selbstbeteiligung, die Sie den Versicherten jetzt auflasten, hinzurechnen, stellen Sie fest, daß die Versicherten tatsächlich bei 20 % Krankenversicherungsbeitrag sein werden. Dies dürfen Sie nicht vergessen.
({2})
- Natürlich schaffen Sie welche ab. Sie dürfen aber auch nicht zu sagen vergessen, Herr Kollege Blüm, was Sie sonst noch alles abschaffen.
({3})
Sie schaffen doch etliches ab. Sie schaffen beispielsweise das Sterbegeld ab. Sagen Sie doch einmal den alten Leuten, was das für sie bedeutet.
({4})
Lassen Sie mich als Vorsitzender der Enquete-Kommission auch noch folgendes sagen. Sie, Herr Bundesarbeitsminister, haben gesagt, die Zeit dränge, man habe keine Zeit, die Ergebnisse der Enquete-Kommission abzuwarten. Ich will zunächst nicht bewerten, ob das Argument zutrifft; dazu werde ich gleich noch Stellung nehmen. Ich möchte prinzipiell darauf hinweisen, daß auch die Entscheidung über Zeitpläne nicht Ihre Entscheidung, sondern die Entscheidung des Parlaments ist. Das ist nicht der der Bundesregierung untertänigste Deutsche Bundestag, sondern der Bundestag, der diese Regierung gewählt hat und von dem sie abhängig ist.
({5})
Wenn Sie aus Ihrer Verantwortung zu Ihrer Entscheidung im Zeitplan gekommen sind, dann sind die Abgeordneten aus ihrer Verantwortung zu einer anderen gekommen, die Sie, Herr Bundesminister, zu respektieren haben.
Nun zum Zeitplan: Die Koalitionsfraktionen und Sie, Herr Dr. Blüm, wollten mit Ihren Vorarbeiten im September fertig sein. Dies ist nicht gelungen; es wird wohl Anfang 1988 werden. Dies bedeutet, Sie wären im Frühjahr in der Lage, dem Parlament einen möglichen Gesetzentwurf vorzulegen, der vor Weihnachten 1988 verabschiedet
({6})
und zum 1. April oder 1. Juli 1989 in Kraft treten wird. Das werden Sie doch wohl nicht bestreiten wollen.
Der einvernehmliche Zeitplan der Enquete-Kommission sieht vor, daß wir im Juli 1988 unsere Arbeit abschließen und dem Herrn Präsidenten im September 1988 unseren Bericht vorlegen. Ein Gesetzentwurf könnte bis Weihnachten 1988 fertig sein, und die Parlamentsberatungen könnten wegen der Vorarbeiten der Enquete verkürzt werden und Ostern 1989 abgeschlossen werden.
({7})
Das Gesetz könnte ebenfalls zum 1. Juli 1989 in Kraft treten. Herr Dr. Blüm, es lohnt sich nicht die Brüskierung des Parlaments wegen zweier Zeitpläne, die fast zum selben Zeitergebnis kommen.
Als Vorsitzender der Enquete-Kommission fühle ich mich dem ganzen Haus für die ordnungsgemäße und sachbezogene Arbeit der Kommission verantwortlich. Ich werde diese Verantwortung wahrnehmen und mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern, daß unsere Arbeit durch Regierungsaktivitäten unterlaufen und zur Farce gemacht wird.
({8})
Als Vorsitzender der Enquete-Kommission werde ich darauf achten, daß die Mitglieder der Kommission in ihrer Arbeit nicht an der Nase herumgeführt werden. Was glauben Sie eigentlich, wie es wirkt, wenn der Deutsche Bundestag fachkundige Abgeordnete und externe Sachverständige zu einem Problem um Rat fragt und, bevor sie antworten können, die Regierung schon ihre Antwort in Form des Gesetzentwurfes präsentiert? Dies ist unerträglich;
({9})
ich kann dies mit meinem Selbstverständnis als Abgeordneter nicht vereinbaren,
({10})
und, ich bin sicher, die Sachverständigen, die auch Sie berufen haben, mit ihrem Selbstverständnis auch nicht.
Herr Dr. Blüm, ich wiederhole meinen dringenden Appell: Verzichten Sie auf diese Präjudizien! Warten Sie die Arbeit der Enquete ab! Begreifen Sie die Chance, die auch für die Regierung in der Arbeit der Enquete-Kommission liegt!
Vielen Dank.
({11})
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 24 auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern
- Drucksache 11/789 -
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({0})
- Drucksache 11/1404 -
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Grünewald Poß
Präsident Dr. Jenninger
bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 11/1405 Berichterstatter:
Abgeordnete Roth ({2}) Dr. Weng ({3})
Frau Dr. Vennegerts
({4})
b) Zweite und dritte Beratung des von dem Abgeordneten Hüser und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern
- Drucksache 11/1038 -
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({5})
- Drucksache 11/1404 -
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Grünewald Poß
bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({6}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 11/1406 Berichterstatter:
Abgeordnete Roth ({7}) Dr. Weng ({8})
Frau Dr. Vennegerts
({9})
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({10}) zu dem Antrag der Fraktion der SPD
Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern
- Drucksachen 11/805, 11/1404 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Grünewald Poß
Hierzu liegen Änderungs- und Entschließungsanträge der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 11/1417 bis 11/1425 vor.
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Beratung dieser Tagesordnungspunkte dreieinhalb Stunden vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Grünewald.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen und Monaten haben wir über Parteigrenzen hinweg, also miteinander und natürlich auch gegeneinander, um eine verfassungsfeste, mehrheitsfähige und halbwegs gerechte Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs gerungen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, daß dieses Ringen von harten, sehr harten politischen Meinungsverschiedenheiten begleitet war und zur Stunde noch ist, wie auch ein Blick auf die sonst selten so hochkarätig besetzte Bundesratsbank beweist.
({0})
Die Materie ist außerordentlich komplex und kompliziert. Sie ist gerade deshalb und wegen der großen Finanzvolumina, die zur Diskussion stehen, besonders für politische Auseinandersetzungen geeignet. Dagegen ist im Prinzip nichts, aber auch gar nichts zu sagen, weil nur auf dem fruchtbaren Boden einer Vielheit von Meinungen und nur im demokratisch und sachlich ausgetragenen Meinungsstreit wirklich gute Entscheidungen heranreifen können.
Wenn allerdings die besonderen Schwierigkeiten der Thematik, wie leider geschehen, so auch noch in den letzten Tagen, zu unzulässigen Vereinfachungen und zu parteipolitisch eingefärbten, für den Bürger draußen im Lande überhaupt nicht mehr nachvollziehbaren Streitereien führt
({1})
- Herr Apel, ich glaube, es wird noch viel unruhiger werden -, weil man diese Streitereien so mißbraucht, dann verlieren solche Auseinandersetzungen allerdings ihre innere Rechtfertigung.
({2})
Um es gleich ganz deutlich eingangs zu sagen: Die Koalitionsfraktionen sind bei ihren ebenso intensiven wie sorgfältigen Beratungen nur dem Gesetz und den Leitsätzen des Karlsruher Urteils gefolgt.
({3})
Entgegen allen anderslautenden Erklärungen, Herr Apel, wurden einzelne Bundesländer aus parteipolitischer Opportunität weder bevorzugt noch benachteiligt,
({4})
und schon gar nicht, Herr Minister Posser, wurde willkürlich gerechnet oder gar willkürlich gehandelt.
({5})
Die nahezu gleichmäßige Unzufriedenheit aller Bundesländer bestätigt die Richtigkeit dieser Behauptung
({6})
- darauf kommen wir noch - und damit, so meine ich, auch die Richtigkeit der von uns gefundenen Lösungen ganz besonders eindrucksvoll.
Noch gestern hat sich diese Unzufriedenheit in den Gremien des Bundesrates erneut artikuliert. Dort soll es nämlich - so habe ich mir soeben sagen lassen - zum wiederholten Male in sehr unterschiedlichen Koalitionen - übrigens über A- und B-Länder-Grenzen
hinweg - mal wieder zu sehr unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen im Detail gekommen sein.
({7})
- So ist es.
Meine Damen und Herren, der bundesstaatliche Finanzausgleich dient dem Ziel, Bund, Länder und Gemeinden finanziell weitgehend selbständig und unabhängig voneinander so zu stellen, daß sie ihre Aufgaben unabhängig erfüllen können. Von diesem Ansatzpunkt her regelt das Gesetz die Verteilung des Finanzaufkommens in verschiedenen aufeinander aufbauenden und aufeinander bezogenen Stufen, wobei jeder Stufe bestimmte Verteilungs- und Ausgleichsziele zugeordnet sind. Daraus ergibt sich insgesamt ein verfassungsrechtlich normiertes Gefüge des Finanzausgleichs, das zwar in sich beweglich und anpassungsfähig ist, dessen fünf Stufen aber nicht beliebig funktional ausgewechselt oder übersprungen werden können. Dieses Gefüge führt zu einer Finanzausgleichssystematik, die vom Gesetzgeber zwingend zu beachten ist und deshalb seine, also unsere Gestaltungsmöglichkeiten ganz erheblich einengt.
Der vorliegende Gesetzentwurf trägt dieser Systematik Rechnung, auch und insbesondere bei der sehr umstrittenen Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen 1987 und beim Nachteilsausgleich. Nicht evidente Willkür, wie es da im Vorfeld hieß, Herr Minister Posser
({8})
- wir haben hier überhaupt kein schlechtes Gewissen, Frau Matthäus-Maier -,
({9})
sondern allein finanzausgleichssystematische Gründe bestimmen insoweit den Lösungsvorschlag der Koalitionsfraktionen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Apel?
Ganz herzlich gern. Wissen Sie, wer viel fragt, hat auch den ernsten Willen, etwas zu lernen. Bitte!
({0})
Eine neue Begründung für die Fragestunde. - Bitte sehr.
Herr Kollege, können Sie mir bestätigen, daß ausweislich des Protokolls über die Verhandlungen im Finanzausschuß zu diesem Punkt von Ihnen und von Kollegen der CDU/CSU erklärt worden ist, man habe ergebnisorientiert verhandelt, und können Sie mir erklären, was eine ergebnisorientierte Verhandlung, was ja wohl heißt, man wolle gewissen Ländern gewisse Summen geben, mit den Aufträgen zu tun hat, die das Verfassungsgericht uns, dem Gesetzgeber, erteilt hat?
Nein, das kann ich nicht bestätigen. Wir haben wohl immer unter dem Aspekt der notwendigen Mehrheitsfähigkeit im Bundesrat gehandelt, aber das heißt noch lange nicht: ergebnisorientiert. ({0})
Also, das Bundesverfassungsgericht hat durch sein Urteil vom 24. Juni 1986 den rechtlichen Handlungs- und Ermessensspielraum des Gesetzgebers darüber hinaus noch ganz wesentlich eingegrenzt. Darauf habe ich schon bei der ersten Lesung am 18. September in diesem Hause ebenso hingewiesen wie auf die herbe Enttäuschung, die damit insbesondere für jene Länder verbunden war, die das Kontrollverfahren angestrebt haben.
Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen haben aus diesem Urteil nun die allein richtige Konsequenz gezogen und eine Lösung in sehr enger Anlehnung an die zwingenden Vorgaben sowie die Hinweise und Erwägungen der Verfassungsrichter gesucht und auch gefunden. Wir sind deshalb ganz sicher, daß unser Entwurf auch als Gesetz Bestandskraft haben wird. Wir sind auch sicher, daß er im Bundesrat
- und das ist besonders wichtig - mehrheitsfähig sein wird,
({1})
ein Umstand, auf den wir - das habe ich Herrn Apel ja gerade schon gesagt - während der Beratungen selbstverständlich immer Rücksicht zu nehmen hatten. Wir sind der Bundesregierung und insbesondere Herrn Bundesfinanzminister Stoltenberg ausdrücklich ganz besonders dankbar, daß es ihnen in zweif ellos sehr schwierigen Verhandlungen mit den Bundesländern gelungen ist, einen mehrheitsfähigen Konsens herbeizuführen, einen Konsens, an den wir, wenn wir ehrlich sind, am 18. September hier in diesem Hause doch alle miteinander selbst noch gar nicht geglaubt hätten.
({2}) Freilich: Der Preis war hoch.
({3})
Die Erhöhung der Bundesergänzungszuweisungen ab 1988 auf 2 % des Umsatzsteueraufkommens führt schon in 1988 zu Mehrbelastungen für den Bund von sage und schreibe 689 Millionen DM
({4})
- mit steigender Tendenz in den Folgejahren. Mit diesem schmerzlichen Zugeständnis, meine Damen und Herren, hat der Bund dem bündischen Prinzip des Einstehens füreinander, das den gesamten bundesstaatlichen Finanzausgleich beherrscht, nun wirklich mehr als Rechnung getragen.
({5})
Unter Berücksichtigung dieser großen Vorleistung
des Bundes, die ausnahmslos für alle Bundesländer zu
ganz wesentlichen Nachbesserungen führt, ist nach Auffassung der Koalitionsfraktionen für den zwar verständlichen und sicher auch friedenstiftenden Wunsch, den Nachteilsausgleich für die Länder Bremen und Nordrhein-Westfalen aus zusätzlichen Bundesmitteln zu leisten, nun wirklich kein Raum mehr. Sie mögen, meine werten Kolleginnen und Kollegen, daraus ersehen, daß uns bei dem außerordentlich schwierigen Entscheidungsfindungsprozeß über die zuvor erwähnten rechtlichen und politischen Einengungen hinaus auch ganz gravierende finanzielle Grenzen gesetzt waren.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zeit läuft mir weg. Vom mehr Grundsätzlichen weg muß ich mich nun abrupt den Einzelanträgen wieder zuwenden dürfen, jenen Einzelanträgen, die den aktuellen Meinungsstreit in den wichtigen Punkten auch wiedergeben.
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich bin wirklich ein wenig überrascht, daß Sie hier und heute im Plenum alle Änderungsanträge, die Sie in der letzten Sitzung des Finanzausschusses gestellt haben, ausnahmslos wiederholen.
({6})
Sie wissen doch ganz genau, daß man Ihren Anträgen insgesamt, also in ihrer Kulmination, verantwortbar jedenfalls gar nicht zustimmen darf. Denn einmal unterstellt, man würde allen Ihren Anträgen mehrheitlich folgen, so würde das zu einem völlig anders strukturierten bundesstaatlichen Finanzausgleich führen,
({7})
der in seinen finanziellen Auswirkungen weder auf der horizontalen noch auf der vertikalen Ebene, also der Ebene der Bundesergänzungszuweisungen, finanzierbar wäre. Auch wäre ein so veränderter Gesetzentwurf wegen der damit ganz zwangsläufig einhergehenden sehr differenzierten Verteilungswirkungen im Bundesrat keinesfalls mehrheitsfähig. Denn das unter nun allen denkbaren Aspekten wohlaustarierte Gesamtkonzept wäre dann ganz schlicht hinfällig. Bei dieser Gesamtbetrachtung - notabene Gesamtbetrachtung; ich bin ja vorsichtig geworden - muß ich deshalb auch meinen Vorwurf aus der letzten Finanzausschußsitzung wiederholen,
({8})
nämlich den Vorwurf der mangelnden Ernstlichkeit. Der Feind des Bösen - um mit Bert Brecht zu sprechen ({9})
ist eben nicht das Gute, sondern das Gutgemeinte.
({10})
Damit will ich sagen, daß wir Ihnen die gute Absicht, die Sie mit Ihren Anträgen verbinden, gar nicht mal rundum absprechen. Nur, Sie haben die offenen Wünsche nahezu aller Länder ganz einfach aufgelesen,
und zwar ohne Rücksicht auf ihre Finanzierbarkeit, ihre Harmonisierbarkeit und ihre Konsensfähigkeit.
({11})
- So ist es.
Aber auch jedem Antrag für sich allein betrachtet kann wegen der sehr unterschiedlichen Verteilungswirkungen keine Aussicht auf Erfolg zugesprochen werden.
Erstens. Der Antrag, die Einwohnerwertung für die Länder Hamburg und Bremen von 135 auf 145 heraufzusetzen, ist schon vom Volumen her gar nicht realisierbar. Im horizontalen - ich betone: im horizontalen - Länderfinanzausgleich würden durch ihn rund 350 Millionen DM umgeschichtet werden. Im übrigen sind die Bundesregierung, die Koalitionsfraktionen und - wieder ganz besonders wichtig - auch die Mehrheit der Bundesländer der Meinung, daß die Einwohnerwertung von 135 v. H., gemessen an der vom Ifo-Institut unter sehr sachkundiger Begleitung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe ermittelten Bandbreite, sachgerecht ist. Die Bandbreite beträgt nämlich für die Hansestadt Hamburg 141. Die Mitte liegt bei 133. Wir liegen mit 135 zwei Punkte darüber. Die Bandbreite für die Hansestadt Bremen beträgt 127 bis 143. Treffsicher liegen wir in der Mitte
({12})
mit 135.
In diesem Zusammenhang darf auch daran erinnert werden, daß in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht - das scheint schon vergessen worden zu sein - einige Länder die Einwohnerwertung für die Stadtstaaten sogar als zu hoch gerügt haben und das Gericht eine Korrektur anhand abstrakter objektivierbarer Kriterien, sei es nach oben oder sei es auch nach unten, ganz ausdrücklich nicht ausgeschlossen hat.
Zweitens. Der Antrag, der auf die Ablehnung des abgestuften Fehlbetragsmaßstabs zielt, kann ebenfalls nicht angenommen werden. Dieses Modell geht auf eine einstimmig beschlossene Prüfungsbitte des Bundesrats zurück. Es hat zum Ziel, den finanzschwächsten Ländern ganz besonders zu helfen, ein, wie ich meine, vernünftiges Ziel also, das dem Bundesstaatsprinzip in ganz besonderer Weise Rechnung trägt. Das Modell ist verfassungsrechtlich - darüber gibt es ja wohl keinen Streit - ganz bedenkenfrei und wird von der Mehrheit der Bundesländer getragen. Mit meinen Fraktionskollegen aus Nordrhein-Westfalen bedauere ich sehr - das bekenne ich hier ganz offen - , daß dieses Modell im Ergebnis ausschließlich zu Lasten von Nordrhein-Westfalen geht.
({13})
- Man kann auch bedauern. Und ich sage Ihnen auch, warum wir das gemacht haben. Nur im Interesse einer ausgewogenen und mehrheitsfähigen Gesamtlösung und nicht, wie da behauptet wird, um unser
Land zu schädigen, haben wir pflichtgemäß, wenn auch zugegebenermaßen zähneknirschend
({14})
unsere landesmannschaftliche Bindung zurückstellen müssen. - Herr Apel, das ist lieb von Ihnen. Sie brauchen den Poß nicht ruhigzustellen. Das macht mir überhaupt nichts aus.
Drittens. Den Vorwurf evidenter Willkür bei der Berechnung der Bundesergänzungszuweisungen 1987 als Übergangsregelung habe ich schon zuvor energisch und entschieden zurückgewiesen. So bleibt mir nur festzustellen: Die Einrechnung der Förderabgaben nur mit den Schätzwerten für 1987 und nicht mit den vollen Ist-Einnahmen für die Jahre 1985 und 1986 ist in dieser Übergangssituation, nämlich der Situation des Übergangs vom bisherigen auf das neue Recht, nach den ausdrücklichen Vorgaben des Urteils sachgerecht und nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip - übrigens einem Rechtsgrundsatz von Verfassungsrang - auch zwingend geboten. Der Ansatz der gegenüber den Ist-Ergebnissen der Referenzjahre 1985 und 1986 veränderten Zuweisungen im Länderfinanzausgleich ist nach dem zuvor Dargelegten einfach ganz zwangsläufig. Die den Bundesländern bereits am 9. Juni 1987 bekannten Berechnungsunterlagen zum neuen Recht gehen von zutreffenden Zahlen aus und sind nun für alle Ausgleichsstufen auch ausgleichssystematisch völlig korrekt gerechnet worden.
Natürlich hätte man die Bundesergänzungszuweisungen 1987 auch nach anderen, ebenfalls verfassungskonformen Modellen berechnen können.
({15})
- Ja, das ist unstreitig. - Die Mehrheit im Finanzausschuß hat deshalb auch gar keine Bedenken, wenn sich die Länder auf eine andere Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen 1987 einigen würden.
({16})
Nur, aus den leidvollen Erfahrungen der letzten Wochen und Monate mit diesem Gesetz hege ich ganz erhebliche Zweifel, daß es zu einer solchen Einigung denn auch wirklich kommen könnte.
({17})
Viertens. Der Nachteilsausgleich für das Land Nordrhein-Westfalen ist nun nach altem Recht und auf Grund tatsächlicher Zahlen rechts- und ermessensfehlerfrei errechnet und mit 75 Millionen DM ausgeworfen worden. Denn nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat das bisherige Finanzausgleichsgesetz trotz partieller Verfassungswidrigkeit Bestandskraft bis zum Jahresultimo 1986. Mit Sicht auf eben diese Schutzwirkung des Urteils hinsichtlich abgeschlossener Haushaltstatbestände beantwortet sich also die Frage, ob ein Land im Zeitraum von 1983 bis 1986 finanzschwach war, nach dem bis 1986 anwendbaren Finanzausgleichsgesetz.
Nach diesem alten Recht aber war Nordrhein-Westfalen eben nur im Jahre 1985 finanzschwach, und das genau nach der Definition, die auch für die übrigen Bezieher der Bundesergänzungszuweisungen gegolten hat. Gemäß dem Gleichbehandlungsgrundsatz und schließlich auch, weil die Verfassung eine nachträgliche Schadensersatzpflicht für die Folgen einer verfassungswidrigen Gesetzgebung eben nicht kennt, kann Nordrhein-Westfalen auch nur für dieses Jahr den Nachteilsausgleich beanspruchen. Wir müssen deshalb auch diesen Antrag der Opposition ablehnen.
Fünftens. Besonders eingehend und kontrovers haben wir uns im Finanzausschuß mit den Anträgen befaßt, welche die Haushaltsnotlagen des Saarlandes und des Landes Bremen betreffen. Auch diese Anträge, die auf eine Erhöhung der im Regierungsentwurf enthaltenen Vorabbeträge für die Haushaltsnotlage des Saarlandes sowie für die Anerkennung einer solchen Haushaltsnotlage für das Land Bremen zielen, stehen hier und heute erneut zur Entscheidung an.
Einvernehmen bestand und besteht ja auch wohl noch heute - man weiß das nie mehr so genau - darüber, daß die Berücksichtigung eines Haushaltsnotstandes nur ganz ausnahmsweise, sozusagen als Ultima ratio, erfolgen darf. Streitig hingegen ist, welche Bedeutung sonstigen Finanzhilfen und Finanzzuweisungen, die ein Land auf Grund eben dieses Gesetzes oder auch auf Grund anderer Gesetze erhält, bei dieser schwierigen Beurteilung zukommt, ob sich also beispielsweise das Land Bremen vorab erhaltene Abgeltungsbeträge für Hafenlasten, für die Kosten politischer Führung oder für den Nachteilsausgleich in diesem Zusammenhang anrechen lassen muß, weil, wie wir mehrheitlich meinen, die Gesamtwirkungen solcher Leistungen auf den Haushalt eines notleidenden Landes doch ganz einfach gar nicht geleugnet werden können.
Der Streit wird natürlich nahezu unversöhnlich, wenn die Ursachen des Haushaltsnotstandes hinterfragt werden. Sie müssen hinterfragt werden, ob das der jeweiligen Landesregierung nun genehm ist oder nicht. Auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt in seinem bereits mehrfach zitierten Urteil den Grundsatz - der übrigens für alle anderen Finanzausgleichsgesetze in gleicher Weise gilt - , daß Vorteile einer autonomen Finanzpolitik nicht einfach wegnivelliert und daß Nachteile einer verfehlten Finanzpolitik nicht einfach auf andere überwälzt werden können. Solch gewichtige Fragen nach richtigem oder falschem politischen Handeln in der Vergangenheit können naturgemäß politisch nicht konsensfähig sein. Wen wundert es dann, daß schon das ehrliche und aufrichtige Zugeständnis eines redlichen Finanzministers - ich betone: eines redlichen Finanzministers - , seinem Lande drohe eine Überschuldung vergleichbar der der hochverschuldeten Länder Brasilien, Mexiko oder Polen, und zwar auch aus hausgemachten Gründen, auf Grund einer verfehlten eigenen Landespolitik, Turbulenzen von nahezu historischer Dimension auslöst?
({18})
Einvernehmlich konnte der Finanzausschuß im Bericht deshalb nur eine Minimalforderung nach einer Änderung des § 11 a Abs. 3 spätestens für das Haushaltsjahr 1989 formulieren. Für diesen Zeitpunkt werden Bundesregierung und Bundesrat gebeten, auf der Grundlage der sich dann ergebenden Gesamthaus3270
haltssituation die Gleichbehandlung der Länder Saarland und Bremen sicherzustellen. Die weitergehenden Anträge der SPD-Fraktion hat die Ausschußmehrheit abgelehnt. So werden die Koalitionsfraktionen auch heute verfahren.
Sechstens. Letztendlich ist noch auf den Antrag betreffend die Kosten politischer Führung für das Land Rheinland-Pfalz hinzuweisen. Trotz der auch vom Rechtsausschuß ganz ausdrücklich attestierten Verfassungskonformität des Vorschlages im Gesetzentwurf hat sich die Ausschußmehrheit sehr, sehr schwergetan, den Erhöhungsantrag ganz oder auch nur teilweise abzulehnen. Wie schon im Finanzausschuß empfehlen die Koalitionsfraktionen aber auch heute, an dem vorgelegten Lösungspaket insgesamt festzuhalten, um den mühsam errungenen Kompromiß nicht zu gefährden. Einer bilateralen Lösung zwischen den Ländern Rheinland-Pfalz und SchleswigHolstein - das sage ich an die Adresse der Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz - hätten wir uns gar nicht versperrt, und zwar deshalb nicht, weil sie ohne Gefährdung für das Gesamtkonzept gewesen wäre und nicht zu einer zusätzlichen Belastung der anderen Länder geführt hätte. Nur, damit war und ist das Land Schleswig-Holstein aus wiederum sehr verständlichen Gründen nicht einverstanden. Weil das Bundesverfassungsgericht bei seinen Aussagen zum Nivellierungsverbot ausschließlich auf die ausgleichspflichtigen Länder, nicht aber auf die Nehmerländer abgestellt hat - und nur deshalb - , müssen wir auch diesen Änderungsantrag ablehnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, von Beginn an waren die Ausgleichsverhandlungen mit den leider stetig anwachsenden Kohlelasten des Landes Nordrhein-Westfalen befrachtet. Einmal ganz abgesehen davon, daß die Folgen dieser uns alle bedrükkenden Entwicklung zum ganz überwiegenden Teil, nämlich zu zwei Dritteln, ohnehin vom Bund übernommen werden müssen, bestand sehr bald Einvernehmen darüber, daß dieses Problem schon vom Volumen her in den hier in Rede stehenden Gesetzesvorhaben nicht lösbar war und auch nicht lösbar ist. Dieses Thema hat auch aus Gründen der Systematik des Finanzausgleichs mit dem bundesstaatlichen Finanzausgleich allenfalls nur mittelbar zu tun. Das Thema Kohlelasten muß also außerhalb dieses Gesetzes angegangen und einer hoffentlich befriedigenden Lösung zugeführt werden. Nur vor diesem inzwischen offenbar auch einvernehmlichen Hintergrund versteht sich auch der Entschließungsantrag der SPD, über den ja gleich noch gesondert zu sprechen sein wird.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, es war wie in der letzten Lesung ein außerordentlich dornenreicher Weg, den dieses Gesetzesvorhaben bis zur Stunde genommen hat. Bitte lassen Sie uns nun gemeinsam das ersehnte Ziel erreichen, indem wir der mehrheitlichen Empfehlung des Finanzausschusses folgen und den Gesetzentwurf in der Ihnen vorliegenden Fassung annehmen und alle - alle! - Änderungsanträge ablehnen.
Zum Schluß noch ein Wort. Mit Sicht auf die zweifellos sehr, sehr wenig unterhaltsame Gesamtmaterie darf ich mich für Ihre freundliche Aufmerksamkeit ganz besonders herzlich bedanken.
({19})
Das Wort hat der Abgeordnete Poß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein Bubenstück ganz besonderer Art, das hier unter dem Deckmantel fachmännischer Biederkeit abgelaufen ist, Herr Grünewald. Also ist es purer Zufall, daß von den vorgesehenen Regelungen nur die CDU/CSU-Länder profitieren.
({0})
Wie der schriftliche Bericht erkennen läßt, hat der Ausschuß viel Zeit dazu verwandt, die Begründung und die quantitativen Auswirkungen der einzelnen Regelungen nachzuvollziehen. Der Bericht weist auch aus, Herr Grünewald, daß dies häufig nicht zufriedenstellend gelungen ist, und dies, obwohl das Bundesverfassungsgericht eine nachvollziehbare und objektivierte Begründung und Ableitung ausdrücklich gefordert hatte. Hier sind insbesondere die Regelungen zu nennen, die die Stadtstaaten und die Sonderlasten betreffen.
Der Gang der Beratungen im Ausschuß am 4. und am 12. November war im übrigen ein Politikum für sich. Erst am Vorabend der ersten Beratung des Gesetzentwurfs im Finanzausschuß, d. h. am 3. November, sind die Obleute der Oppositionsfraktion und die Finanzminister und Senatoren der SPD-regierten Bundesländer über den aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens informiert worden.
({1})
Dieser Besprechung war ein Schreiben des Bundesfinanzministers an den Vorsitzenden des Finanzausschusses, Gattermann, vorausgegangen. Mit diesem Schreiben wurden Materialien zur Vorbereitung der Besprechungsteilnehmer übersandt. Bei der Beschreibung dieser Materialien heißt es - ich zitiere:
Punktation ergänzender Lösungsvorschläge, die zwischen Mitgliedern der Bundesregierung und den der Union angehörenden Regierungschefs der Länder
({2})
sowie ergänzend zwischen den genannten Ländern besprochen worden sind.
({3})
An diesem Abend in einem Bonner Hotel wurden wir mit einem Kompromißpaket konfrontiert, das den Regierungsentwurf und die vom Bundesrat ausgesprochenen Änderungsempfehlungen in allen wesentlichen Punkten ersetzte. Dieses vom Bundesfinanzminister und einigen CDU/CSU-Ministerpräsidenten außerhalb des parlamentarischen Beratungsverfahrens ausgehandelte Paket ist während der zweitägiPoß
gen Ausschußberatungen, Herr Grünewald, auch nicht in einer einzigen Position verändert worden.
({4})
Der Mehrheit des Ausschusses war dies offensichtlich auch nicht möglich. Zu stark war die sogenannte Bindungswirkung des Kompromißpaketes. Nur an Ihren Gesichtern - an Ihrem, Herr Grünewald, und anderen - konnte man Ihr schlechtes Gewissen ablesen.
({5})
Äußerungen im Ausschuß machten deutlich: Der Kompromiß wurde als ein komplexes, austariertes System bewertet, aus dem nicht ein einzelner Punkt herausgegriffen werden könne, ohne die Gesamtregelung aus dem Gleichgewicht zu bringen.
({6})
Die Kompromißlösung sei ein Gebäude, aus dem man nicht einen Stein herausbrechen dürfe, ohne es zum Einsturz zu bringen.
({7})
Ich sage: Zum Einsturz wird es kommen, spätestens beim Bundesverfassungsgericht.
({8})
Dann hieß es weiter, um den Kompromiß sei hinter den Kulissen hart gerungen worden. Man höre: hinter den Kulissen:
({9})
also außerhalb des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens
({10})
und unter Ausschluß eines Teils der Betroffenen. Das ist die geistig-moralische Innovation des Gesetzgebungsverfahrens, das Sie hier vertreten. - Herr Faltlhauser, Schmierentheater haben Sie in der Tat geliefert, nicht wir. ({11})
Der Inhalt dieses Lösungspakets war schon vor der Vorlage im Ausschuß in wesentlichen Einzelheiten bekanntgeworden, insbesondere durch eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Albrecht im niedersächsischen Landtag am 15. Oktober 1987.
Die Ausschußmitglieder konnten also davon ausgehen, daß es sich bei den Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage um das Ergebnis außerparlamentarischer Verhandlungen - das ist eine neue Form der APO, die hier entstanden ist - zwischen dem niedersächsischen Ministerpräsidenten und dem Bundesfinanzminister in aller Diskretion handelte, die auf eine Besserstellung Niedersachsens abzielte. Wie die offiziellen niedersächsischen Äußerungen deutlich machten, war der Inhalt der Änderungsanträge die Voraussetzung dafür, daß die niedersächsische Landesregierung dem im kommenden Jahr zur Beschlußfassung anstehenden Steuerpaket 1990 zustimmen könnte.
({12})
Im Gegensatz dazu hat der Bundesfinanzminister im Finanzausschuß als Begründung für die Änderungsanträge angeführt, daß die Besserstellung Niedersachsens in dem von ihm ausgehandelten Lösungspaket vorgenommen worden sei, um der Mehrheitsentscheidung des Bundesrates zu begegnen, bei deren Realisierung das Land Niedersachsen über Gebühr benachteiligt worden wäre. Dafür wurde dann eine Lösung gefunden - das darf ich einmal als Nordrhein-Westfale sagen - , die in allen Punkten Nordrhein-Westfalen benachteiligt.
Herr Blüm war vorhin hier zu sehen. Ich hoffe, wir sehen ihn heute nachher auch noch bei der namentlichen Abstimmung über die Lasten der Kokskohlebeihilfe.
({13})
Da kommt es nämlich darauf an, für die Interessen des Landes zu stehen und nicht nur die Lippen zu spitzen, sondern auch zu pfeifen.
({14})
Im Zusammenhang mit der Beratung fielen seltsame Vokabeln, beispielsweise: Bei der Festlegung der Bundesergänzungszuweisungen für 1987 sind die vorgesehenen Beträge nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums nicht strikt rechenbar.
({15})
Erst auf wiederholte Anforderung hin hat die Bundesregierung versucht, ihre Ergebnisse rechnerisch zu belegen.
({16})
Der Vorwurf, die Koalition sei hier ergebnisorientiert vorgegangen, konnte nicht entkräftet werden; er wurde sogar ausdrücklich bestätigt. - Daß Sie ein schlechtes Gewissen haben, Herr Grünewald,
({17})
sieht man Ihnen jetzt noch an. - Aus diesem Grund seien Rechnungen mit fiktiven Zahlen vorgenommen worden. Insbesondere der fiktive Ansatz der Förderzinsen in der Berechnung für die Übergangslösung 1987 sei ergebnisorientiert, hieß es im Ausschuß. Damit haben sich, meine Damen und Herren, Koalitionsabgeordnete und Bundesregierung selber dem Vorwurf willkürlichen Handelns ausgesetzt.
({18})
Die Bundesregierung konnte in den Ausschußberatungen auch nicht klar nachweisen, daß die Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen von den Bundesressorts auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft worden seien. Die Beratungen in den Ausschüssen lassen nur den einen Schluß zu, daß sich der Deutsche Bundestag unter Mithilfe der Koalitionsabgeordenten in eine Rolle hat drängen lassen, die seiner
Verantwortung im Gesetzgebungsverfahren nicht entspricht.
Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht, Herr Grünewald, in seinem Urteil ausdrücklich Kritik am Verfahren geübt, das bei der vorletzten Festsetzung der Bundesergänzungszuweisungen Ende 1982, also schon in der Amtszeit der heutigen Bundesregierung, gewählt worden war. Auch damals war unter Ausschluß einer Länderminderheit ein Kompromiß zugunsten der Unionsländer gefunden worden. Das Gericht führt hierzu aus - ich zitiere - : „Er" - gemeint ist der Bundesgesetzgeber - „darf sich nicht etwa damit begnügen, politische Entscheidungen einer Ländermehrheit ohne Rücksicht auf deren Inhalt zu beurkunden." Genau diese Rolle des Notars haben die Koalitionsfraktionen wahrgenommen und nichts sonst.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Grünewald?
Bitte.
Wir sind wieder bei dem von mir erhobenen Vorwurf der Vereinfachung. Ist Ihnen auch bekannt, daß in diesem Urteil des Verfassungsgerichts ebenfalls gesagt wird, daß man sich um einen einvernehmlichen Konsens in Vorverhandlungen sehr wohl bemühen soll und bemühen muß?
({0})
Sie haben sich um einen einvernehmlichen Konsens, Herr Grünewald, ausschließlich zugunsten der unionsgeführten und zu Lasten der SPD-geführten Länder bemüht. Das war der Konsens; das ist Ausdruck Ihres Verfassungsverständnisses, und das ist schon beschämend.
({0})
Sie haben den Deutschen Bundestag zum Notar degradiert.
Jetzt noch eine Bemerkung zu der Rechenhaftigkeit der SPD-Anträge. Ich verkenne nicht, daß die Regelungsmaterie sehr schwer ist. Nur so ist z. B. zu erklären, Herr Grünewald - ich glaube, es war eine Bemerkung von Ihnen im Finanzausschuß - , daß gesagt wurde, die vorgeschlagene Erhöhung der Einwohnerwertung der Stadtstaaten bedeute allein für Hamburg ein Volumen von 800 Millionen DM. In Wirklichkeit macht die Auswirkung nur ein Viertel dieses Betrages aus. Nur bei einer derartigen Fehleinschätzung ist der daraus abgeleitete Vorworf mangelnder Ernsthaftigkeit der SPD-Anträge erklärbar. Auf diese Anträge sind Sie eingegangen, werden andere von der Länderbank eingehen. Darauf kann ich wegen der Kürze der Zeit nicht mehr eingehen. Das ist auch nicht erforderlich. Sie werden eben anschließend sicherlich überzeugend von den Vertretern der benachteiligten Länder hier erläutert.
Vielen Dank.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Rind.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Poß, Sie haben hier den Vorwurf erhoben, es sei außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens so quasi hinter den Kulissen gekungelt worden. Demgegenüber möchte ich Sie doch einmal darauf aufmerksam machen, wie intensiv im Finanzausschuß am 4. November nicht nur um jedes einzelne Detail gerungen, sondern auch über die aktuellen Zahlen und Fakten, die dem Regierungsentwurf zugrunde lagen, gesprochen wurde und die Entscheidung nicht am 4. November gefällt wurde, sondern erst in der nachfolgenden Ausschußsitzung. Das war unser Beitrag dazu, genügend Gelegenheit zu geben, alle Argumente mit den Senatoren der Länder und mit den Finanzministern auch der SPD-geführten Länder auszutarieren und zu einem ausgewogenen Verhältnis zu kommen. So war das, und es wurde nicht hinter den Kulissen gekungelt, wie Sie behauptet haben.
({0})
Meine Damen und Herren, man muß dem Verfassungsgericht für sein Urteil vom 24. Juni 1986 eigentlich dankbar sein, dankbar deswegen, weil das Bundesverfassungsgericht relativ weit in die Einzelfragen des Länderfinanzausgleichs eingestiegen ist. Dies hat uns als Gesetzgeber in die Lage versetzt, ein Konzept vorzulegen, das, wenn überhaupt, nur noch punktuell angreifbar wäre und dann auch nur noch punktuell geändert werden müßte. Die Entscheidung am heutigen Tag und nachfolgend im Bundesrat stellt also die Weichen für Länderfinanzausgleiche und Bundesergänzungszuweisungen für eine längere Zeit. Unter diesem Aspekt ist der Kampf der Länder im Vorfeld der Gesetzgebung, unabhängig von der politischen Couleur, verständlich. Es kann nach dem Beschluß des Finanzausschusses des Bundesrates von gestern als sicher gelten, daß, wenn heute die parlamentarischen Hürden hier im Bundestag genommen sind, auch der Bundesrat dem Vorhaben zustimmen wird.
Dieser große Erfolg hat sicherlich nicht nur einen, sondern mehrere Väter oder Mütter. Einen wichtigen, wenn nicht gar den wichtigsten Beitrag hat dabei der Bundesfinanzminister geleistet. Ohne die Aufstokkung der Bundesergänzungszuweisungen aus Haushaltsmitteln des Bundes um 689 Millionen für das Jahr 1988 wäre sicherlich ein für die Länder mehrheitsfähiger Kompromiß nicht gefunden worden.
({1})
Wir Freien Demokraten legen deshalb Wert auf diese Feststellung, weil eine solche Bereitschaft nicht selbstverständlich ist. Bei all der Kritik an einzelnen Regelungen sollte dazu auch einmal ein Wort des Dankes - ich denke hier nicht zuletzt an die SPDgeführten Länder - für diese Bundesmittel zu hören sein. Dies ist leider nicht der Fall.
({2})
Es ist keine Selbstverständlichkeit, Frau Matthäus-Maier, daß der Bund aus Haushaltsmitteln hier um fast 700 Millionen aufstockt.
Der horizontale Finanzausgleich geht den Bund ja nur insoweit etwas an, als er ihn zu reglementieren hat. Dazu, wie der Bund dies zu regeln hat, hat das Bundesverfassungsgericht grundlegende Ausführungen gemacht. Ich erwähne hier nur die Einbeziehung der Grunderwerbsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgaben in den Finanzausgleich und die volle Berücksichtigung der bergrechtlichen Förderabgaben.
Nun gibt es neben diesen verfassungsrechtlichen Geboten unumstritten weiteren Regelungsbedarf, bei dem politischer Gestaltungsspielraum vorhanden war. Ich spreche hier summarisch die Abgeltungsbeträge für Hafenlasten, die Berücksichtigung der Gemeindesteuerkraft und die Einwohnerwertung an. In diesem disponiblen Bereich haben wir, wie ich glaube, gerechte und vertretbare Entscheidungen gefällt.
Bei dem Thema Hafenlasten haben wir uns dem Votum des Bundesrates weitgehend angeschlossen. Dies geschah, weil der Bundesrat entgegen den Zahlen, die die Bundesregierung zugrunde gelegt hatte, mit den tatsächlich angefallenen Ausgaben für diesen Bereich gerechnet hat. Dies war die Entscheidungsgrundlage für unsere Regelung bei den Hafenlasten.
Entgegen dem Votum des Bundesrates erschien es uns jedoch nicht gerechtfertigt, die besonderen Hafenlasten des Landes Niedersachsen für den Seehafen Emden unberücksichtigt zu lassen. Wir wollen - und ich dokumentiere dies ausdrücklich als unseren politischen Willen - Niedersachsen im Bereich seiner Seehäfen eine Hilfe in vertretbarer Höhe gewähren.
Nun einige Ausführungen zu einem Thema, das uns im Finanzausschuß besonders bewegt hat, nämlich der Frage der Einwohnerwertung in den Stadtstaaten. Das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige Einwohnerwertung der Hansestädte mit 135 nicht verworfen. Es hat nur den Auftrag gegeben, für die Einwohnerwertung verläßliche Daten zu erarbeiten. Dazu hat das Ifo-Institut ein Gutachten vorgelegt. Die darin enthaltenen konkreten Zahlen hat Kollege Dr. Grünewald korrekt zitiert. Sie sind zu Recht Grundlage der Einwohnerwertung der Stadtstaaten.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß nicht nur wir diese Meinung vertreten, sondern auch das Land Nordrhein-Westfalen, also ein SPD-geführtes Bundesland, höhere Einwohnerwerte für Hamburg und Bremen abgelehnt hat; dies allerdings - dies unterstelle ich wohl nicht zu Unrecht -, weil eine höhere Einwohnerwertung u. a. eben zu Lasten des Länderausgleichs auch für das Land NRW gegangen wäre. So läuft das ab, wenn hier Bundesländer mit Recht ihre eigenen Interessen vertreten.
Ich habe auch bei den Diskussionen im Finanzausschuß von den Vertretern Hamburgs und Bremens nie eine Antwort auf das Argument gehört, daß Bürger aus dem Umland, die in den Hansestädten arbeiten, zur Wertschöpfung in den Hansestädten beitragen und man diese Wertschöpfung bei der Festsetzung der
Einwohnerwertung eigentlich schon berücksichtigen sollte. Kein Wort dazu, weil dies nicht ins Konzept gepaßt hat.
Nun einige Ausführungen zum § 11 a, den Ergänzungszuweisungen des Bundes. An dieser Stelle haben wir im Finanzausschuß über die Parteigrenzen hinweg einen einstimmigen Beschluß zustande gebracht, und zwar zur Aufstockung des Gesamtvolumens von 1,5 auf 2 v. H. des Umsatzsteueraufkommens für die Jahre 1988 bis 1993. Es ist klar, daß die Opposition hier zugestimmt hat. Aber nach diesem einstimmigen Beschluß hätte man eigentlich schon erwarten können, daß die Vertreter der SPD im Finanzausschuß Verständnis dafür gehabt hätten, daß weitere Forderungen auf Nachteilsausgleiche für NRW und Bremen im Rahmen der Bundesergänzungszuweisungen zu Lasten des Bundeshaushalts nicht mehr vertretbar waren. Sie, meine lieben Kollegen von der Opposition, haben ja wohl auch eine Verantwortung für den Bundeshaushalt, die Sie auch einmal als Oppositionspartei sehen sollten.
({3})
- Lieber Herr Kollege Apel, der Vorwurf der Manipulation wurde vom Kollegen Grünewald mit Recht zurückgewiesen. Ich bin der einzige Redner meiner Fraktion, ich möchte nicht zu ausführlich zu Lasten meiner Redezeit auf solch unqualifizierte Zwischenrufe eingehen.
({4})
Wir haben bei den Ergänzungszuweisungen eine Haushaltsnotlage nur beim Saarland für die Jahre 1987 bis 1990 anerkennen können. Bremen ist nach unserer Auffassung durch Zahlung des Nachteilsausgleichs in den Jahren 1987 bis 1988 besser dargestellt, als es tatsächlich ist. Aber die Anerkennung einer Haushaltsnotlage darf wirklich nur die ultima ratio sein. Dieser außergewöhnliche Ausnahmefall ist eben in den Jahren 1987 bis 1988 für Bremen wegen der Nachzahlung des Nachteilsausgleichs nicht gegeben. Gleichwohl sind wir der Meinung, daß für Bremen ab 1989 eine gesetzliche Änderung notwendig wird, wenn sich die Haushaltslage in Bremen bis dahin nicht gravierend verbessert. Ich glaube, dies wird nach allen Anzeichen, die man hat, nicht der Fall sein.
({5})
Wir setzen uns daher dafür ein, daß Bremen nach Auslaufen des Nachteilsausgleichs ab 1989 ebenfalls Mittel zur Beseitigung der Haushaltsnotlage erhält.
({6})
Nun gibt es einen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der die Bundesregierung auffordert, weitere Hilfen für das Land NRW im Bereich Kohlelasten zu gewähren. Was bei Debatten um diese Fragen immer unerwähnt bleibt, ist das, was der Bund zur Unterstützung der schwierigen Lage in den Kohlerevieren tatsächlich tut. Da gab es im Finanzausschuß eine interessante Debatte, bei der Herr Minister Pos3274
ser von 10 Milliarden DM jährlicher Unterstützung für den Bergbau sprach, Herr Kollege Glos von der CDU/ CSU von 18 Milliarden DM. Wegen dieser unterschiedlichen Aussagen habe ich einmal nachrecherchiert. Ich darf hier an dieser Stelle zu Ihrem Entschließungsantrag einmal ganz pauschal feststellen: Alle direkten Unterstützungsleistungen im Bereich Kohlelasten betragen ca. 10 Milliarden DM. Das ist wohl die Zahl, die Herr Posser genannt hat. Hinzu kommen Zuschüsse des Bundes zur Knappschaftsversicherung in Höhe von 8,5 Milliarden DM. Das ergibt das Gesamtvolumen von 18,5 Milliarden DM.
({7})
Die Zuschüsse zur Knappschaftsversicherung stärken die Haushaltsposition des Landes NRW nachhaltig. Denn das sind Gelder, die dort ausgegeben werden und in den Wirtschaftskreislauf fließen.
({8})
Von diesen 18,5 Milliarden DM entfallen nach seriösen Schätzungen ca. 80 v. H. auf das Land NRW, so daß richtig 14 bis 15 Milliarden DM beim Land Nordrhein-Westfalen ankommen.
Herr Abgeordneter, Sie gestatten eine Zwischenfrage des Abgeordneten Westphal?
Ich hoffe, es geht nicht zu Lasten meiner Redezeit, Herr Präsident.
Ich werde Ihrer Hoffnung entsprechen.
Danke.
Herr Kollege, wenn Sie schon vom Wirtschaftskreislauf sprechen: Ist Ihnen klar, daß in dem ganzen Jahr, von dem Sie sprechen, die deutsche Volkswirtschaft um 40 Milliarden DM allein dadurch entlastet worden ist, daß das Öl billiger geworden ist, und daß Sie das in einen Vergleich zu den 10 Milliarden DM setzen müssen, die die Kohle bekommt?
Herr Kollege Westphal, man kann viele Rechnungen aufmachen. Nur sollte über eines nie hinweggetäuscht werden: Die finanziellen Leistungen des Bundes gerade im Bereich Kohle sind so evident hoch, daß man mit Fug und Recht davon ausgehen kann, daß das, was dem Bund eigentlich obliegt, nämlich die Flankierung der Maßnahmen der Landesregierung, in vollem Umfang erfolgt.
({0})
Herr Abgeordneter, wir haben noch den Wunsch des Abgeordneten Hans Urbaniak zu einer Zwischenfrage.
Es tut mir leid. Ich möchte keine weiteren Zwischenfragen mehr zulassen, weil ich - ({0})
Herr Urbaniak, daß ich das rüge, wird Sie nicht überraschen. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.
({0})
Nun zurück zum Thema Bundesergänzungszuweisungen. Ich will mich hier mit der Übergangsregelung für das Jahr 1987 beschäftigen. Hier ging und geht es um die Streitfrage, welches von drei Berechnungsmodellen für die Verteilung der Zuweisungen 1987 zugrunde gelegt werden soll. Alle drei zur Diskussion stehenden Modelle sind nach unserer Überzeugung - das kam bei der Debatte im Finanzausschuß deutlich zum Ausdruck - verfassungskonform. Wir haben uns nun für das Modell entschlossen, bei dem die den Empfängerländern zufließenden Ergänzungszuweisungen in Anlehnung an die Finanzkraftverhältnisse 1985 und 1986 nach neuem Recht ermittelt werden.
Dabei haben wir insbesondere bei den Förderzinsen fiktive Beträge angesetzt. Das war notwendig, weil die Einnahmen aus Förderzinsen im Land Niedersachsen eben in erheblichem Umfang zurückgegangen sind, so daß bei Ansatz der tatsächlichen Förderzinsen 1985 und 1986 ein für Niedersachsen ungerechtes und unakzeptables Ergebnis herausgekommen wäre. Interessant ist, daß der Finanzminister von NRW bei der Sitzung am 12. November 1987 im Finanzausschuß ausweislich des Protokolls Verständnis dafür aufbrachte, daß die Förderzinsen eben nicht mit den tatsächlichen Beträgen angesetzt werden. Dieses Verständnis eines Betroffenen allein spricht schon gegen alle die anderen Standpunkte der SPD, die sie in dieser Frage im Finanzausschuß geäußert hat.
({0})
Da sich der Kollege Grünewald mit den Änderungsanträgen der SPD ausführlicher beschäftigt hat, möchte ich hier nur global anmerken: Die Annahme aller Anträge der SPD würde zu einem Ergebnis führen, das den Sinn des Länderfinanzausgleichs pervertieren würde.
({1})
Es gäbe am Schluß von zehn noch ein bis zwei Zahlerländer, die mit wesentlich höheren Beiträgen als bisher alle anderen acht Bundesländer alimentieren würden. Solche Ergebnisse kann nur eine SPD wünschen, die überzeugt ist, in den Hauptzahlerländern, nämlich in Baden-Württemberg, nicht und in Hessen nicht wieder so schnell an die Macht zu kommen.
({2})
Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß das, was im Länderfinanzausgleich einem Land zusätzlich gegeben wird, automatisch Abstriche bei den anderen Bundesländern zur Folge hat. Oder, um konkret zu werden, wenn sich die Zusatzförderung von NRW
oder Hamburg durchsetzte, würden strukturschwache Länder wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein das bezahlen. Wenn Sie schon die regionalen Ungleichgewichte zur Sprache bringen, dann aber bitte nicht einseitig die derjenigen Bundesländer, die Ihnen besonders am Herzen liegen. Das ist das Gegenstück zu den Vorwürfen des Herrn Poß. Das will ich mal deutlich anmerken.
Herr Abgeordneter, darf ich noch mal fragen, ob Ihnen die Frau Abgeordnete Ingrid Matthäus-Maier eine Zwischenfrage stellen darf?
Ich habe schon begründet, aus welchem Grund ich leider, trotz des rüden Vorwurfs „Feigling", keine Zwischenfragen mehr zulassen kann. Ich bitte um Verständnis.
Wo steht der Bund zusätzlich zum Finanzausgleich nicht überall in Finanzbeziehungen mit Ländern und Gemeinden? Da gibt es ein Sonderprogramm Bremen, ein Sonderprogramm zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen an Stahlstandorten, die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe für die Schiffsbau- und Montanregionen, Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes und und und. Im Jahre 1986 sind rund 2,3 Milliarden DM als Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden geleistet worden. Hinzu kommen Mittel für die Stadtsanierung und -entwicklung. Ich nenne diese Beispiele nur, weil Sie, meine Damen und Herren von der SPD, hier den Eindruck erwecken wollen, als ob der Bund die strukturschwachen Gebiete im Stich ließe. Genau das Gegenteil ist der Fall,
({0})
wie alleine schon diese kursorische Aufzählung nachweist.
Zu dem schwierigen Komplex der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gehört schließlich auch die Finanzierung der Steuerreform 1990. Da ist immer wieder von den kommunalen Spitzenverbänden und von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, vorgerechnet worden, die Gemeinden würden in einer Größenordnung von 10 Milliarden DM belastet.
({1})
Dieses Zahlengebäude ist zusammengefallen wie ein Kartenhaus.
({2})
Nach den Berechnungen des Bundesfinanzministers
({3})
ist die Nettobelastung der Kommunen noch nicht einmal halb so hoch, wie Sie, meine Damen und Herren von der SPD, zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden immer behauptet haben.
({4})
Herr Abgeordneter Apel, bedauerlicherweise hat der Redner es abgelehnt.
({0}) - Ich kann es auch nicht ändern.
Außerdem: Die genauen Auswirkungen der Steuerreform auf Bund, Länder und Gemeinden werden Anfang nächsten Jahres vom Arbeitskreis Steuerschätzung nachgerechnet.
({0})
Erst wenn diese Ergebnisse vorliegen, kann man beurteilen, in welchem Umfang wir von der Zahl von knapp 5 Milliarden DM abweichen würden. Ich kann Ihnen versichern, daß wir dann einen Ausgleich finden werden, der den gerechten Anteil der Gemeinden an der Steuerreform sicherstellt, aber keinen Pfennig mehr und keinen Pfennig weniger.
({1})
Nach dem nunmehr vorliegenden Beschluß des Finanzausschusses des Bundesrates ist sichergestellt, daß der Länderfinanzausgleich, den wir heute beschließen werden, auch den Bundesrat passieren wird. Wir von der FDP sind froh darüber, daß ein tragfähiger, fairer Kompromiß gefunden wird. Die FDPFraktion wird daher dem Achten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in der vom Finanzausschuß beschlossenen Form zustimmen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Hüser.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich hier auf die zur abschließenden Beratung vorliegenden Anträge konkret eingehe, halte ich es für zwingend notwendig, die Gesamtsituation etwas näher zu beleuchten. Das Gesetz zum Ausgleich der Finanzverhältnisse zwischen dem Bund und den Ländern leitet sich u. a. aus der Forderung des Grundgesetzes ab, daß der Gesetzgeber für die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Sorge zu tragen hat.
Der Finanzausgleich wirkt sich seiner Natur nach hauptsächlich nur auf die Symptome aus, nicht aber auf die Ursachen des Leistungsgefälles zwischen den Ländern.
Aus dieser Erkenntnis heraus wird sehr schnell deutlich, daß als einzelnes Instrument der Länderfinanzausgleich - erst recht in der Form, wie ihn die Bundesregierung mit den CDU-Ländern ausgekungelt hat - absolut untauglich ist, dazu beizutragen, einigermaßen einheitliche Lebensverhältnisse wie3276
derherzustellen und die Strukturprobleme der Wirtschaft in der Bundesrepublik zu lösen.
Die Diskussion der letzten Wochen und Monate hat aber gezeigt, daß diese Bundesregierung das ihr zukommende Verfassungsgebot, für diese einheitlichen Lebensverhältnisse zu sorgen, abgeschrieben hat. Sie hat dieses Gebot nicht nur abgeschrieben; viel schlimmer, sie verschärft die Situation tagtäglich durch ihre praktische Politik.
({0})
Eines der größten Probleme unserer Gesellschaft ist die nun schon seit Jahren anhaltende Arbeitslosigkeit mit allen daraus resultierenden Folgen. Im November ist sie wieder auf über 2,1 Millionen angestiegen. Das Empörende ist, daß sich die CDU/CSU-FDP-Koalition damit offensichtlich abgefunden hat. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit hat zu massiven regionalen Ungleichgewichten und schweren sozialen Schäden geführt, verursacht u. a. durch die regionalen Krisen bei Stahl, Kohle und den Werften. Wer angesichts dieser Krisen meint, die betroffenen Länder hätten diese Situation selbst verschuldet und müßten den Strukturwandel aus eigenen Kräften bewerkstelligen, der verkennt auf eklatante Weise die prekäre Lage und läßt sehenden Auges ganze Regionen vor die Hunde gehen.
({1})
Meine Damen und Herren, es darf nicht weiter hingenommen werden, daß die Arbeits-, Bildungs- und Verdienstmöglichkeiten der Menschen davon abhängen, wo sie gerade leben. Ich bin geneigt zu behaupten: Diese Bundesregierung verstößt in ihrer Politik gegen ein Verfassungsgebot. Die Aufgabe des Bundes wäre es, mit seiner Finanz- und Wirtschaftspolitik darauf hinzuwirken, daß einheitliche Lebensverhältnisse und gleiche Entwicklungschancen in allen Ländern der Bundesrepublik wiederhergestellt werden.
({2})
- Sie sollten meine Rede verfolgen, anstatt dauernd Zwischenrufe zu machen. Gleichwertig oder einheitlich, das ist doch - ({3})
- Hören Sie lieber meinen weiteren Ausführungen zu. Dann werden Sie vielleicht merken, was darunter zu verstehen ist. Dazu müssen Sie allerdings die Ohren aufmachen.
Anstatt die Möglichkeit zu nutzen, gemäß Art. 104 Abs. 4 des Grundgesetzes den Ländern Finanzhilfen für besondere Investitionen der Länder und Gemeinden, z. B. im Umweltschutz, zu gewähren, die zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet erforderlich sind, passiert genau das Gegenteil. Die Bundesregierung versucht, mit einigen Millionen an Zinsverbilligung die Gemeinden zu Investitionen zu veranlassen. Glauben Sie wirklich, daß eine Stadt wie Duisburg durch Kredit finanzierte Investitionen in Höhe von beispielsweise 1 Million DM vornimmt, nur weil Sie 20 000 DM pro Jahr - und das auch nur auf drei Jahre begrenzt - dazugeben? Die haben das Geld einfach nicht und können hier überhaupt nicht aktiv werden.
({4})
Nein, die reichen Länder werden diese Mittel noch zusätzlich einstreichen und somit die Unterschiede noch verschärfen.
Ein weiterer Punkt, bei dem die Bundesregierung die Möglichkeiten der Verfassung nicht nutzt und durch ihre Politik die Situation noch verschärft, ist die Steuerpolitik in ihrer Verteilung und dem Aufkommen. Art. 106 des Grundgesetzes gebietet es, die Aufteilung des Umsatzsteueraufkommens zu prüfen und zu ändern, wenn sich wesentliche Verschiebungen ereignet haben.
Herr Abgeordneter, die Abgeordnete Matthäus bittet um eine Zwischenfrage.
Ja, bitte.
Herr Kollege, unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Sie krank waren, was wir wissen: Meinen Sie nicht, Ihre Ausführungen im Plenum wären glaubwürdiger, wenn während der vielen Stunden der entscheidenden Beratungen im Finanzausschuß ein einziger GRÜNER auch nur zehn Minuten dabei gewesen wäre?
({0})
Ich war mir ziemlich sicher, daß diese Frage kommt. Wenn wir uns hier gegenseitig vorhalten, wer wann in welchen Ausschüssen und im Plenum ist, können wir den Laden hier sofort dicht machen. Ich könnte diese Frage ebenfalls stellen. Im Rechtsausschuß gab es beispielsweise dieselbe Situation. Eine Mehrheit zusammen mit der SPD wäre möglich gewesen, aber es war überhaupt nicht möglich, SPD-Abgeordnete in den Ausschuß zu bekommen.
({0})
- In dieser Sitzung waren wir nicht da. Aber wir haben uns an anderen Diskussionen beteiligt. Deswegen werden meine Ausführungen hier aber nicht falscher.
({1})
Ich war bei der Umverteilung des Umsatzsteueraufkommens stehengeblieben. Es ist offensichtlich, daß sich die Situation zuungunsten der Länder und Kommunen entwickelt hat.
Ebenso ist auch ein größerer Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer notwendig, damit sie ihre
Aufgaben, die notwendig sind, bei den Investitionen und im Sozialbereich vornehmen können und die kommunale Selbstverwaltung nicht zur Farce wird. Dies ist auch eine Forderung, die die Kollegen, auch die Kollegen Ihrer Partei, aus dem Deutschen Städtetag erhoben haben.
Aber nichts in dieser Richtung wird von der Regierung in Erwägung gezogen. Im Gegenteil: Durch die Steuerreform erleiden die Länder und Gemeinden Steuerverluste in Milliardenhöhe. Allein der Ausfall der Gemeinden in Höhe von über 6 Milliarden DM - diese Berechnungen sind erst kürzlich angestellt worden, es sind keine 5 Milliarden DM, sondern es sind über 6 Milliarden DM ({2})
- es kann höchstens noch mehr werden - ist ungefähr zehnmal so hoch wie der Betrag, um den die Bundesregierung die Bundesergänzungszuweisungen zu erhöhen bereit ist.
Dieser gewollte Steuerausfall belastet die sowieso schon krisengeschüttelten Regionen weitaus stärker als die reichen Länder, da sie auf keine Mark mehr verzichten können. Da die Steuersenkungen zudem auch noch unsozial verteilt sind, entfällt auf die Krisenregionen mit extrem vielen Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern, die von einer Steuersenkung sowieso nicht profitieren, der weitaus kleinere Teil der sogenannten Stärkung des privaten Konsums.
Dies bewirkt wiederum, daß auch durch die Steuerpolitik die Disparitäten zwischen Nord und Süd noch verschärft werden und damit alles andere getan wird, als einheitliche Lebensverhältnisse herzustellen.
({3})
- Nein, ich werde auch dabei bleiben.
Meine Damen und Herren, der isolierte Vorschlag der Bundesregierung mit den von den CDU-Ländern ausgehandelten Änderungen ist unter den vorgenannten Punkten nichts weiter als der Versuch, den minimalsten Anforderungen der Verfassung gerecht zu werden. Mit Ansätzen von Strukturpolitik hat der Entwurf überhaupt nichts zu tun, da diese Regierung überhaupt keine Strukturpolitik machen will.
({4})
Mit unserem Gesetzentwurf erheben wir natürlich nicht den Anspruch, einen Vorschlag zu machen, der die Strukturprobleme im ganzen und auf einmal löst. Dazu sind viele Komponenten nötig, die wir aber an anderer Stelle schon genannt haben und die alle den Schwerpunkt haben, Arbeitsplätze in ökologischen und sozial verträglichen Bereichen zu schaffen, z. B. Investitionen zur Reinhaltung der Luft, in der Energieeinsparpolitik, im öffentlichen Nahverkehr, im Abfallbereich, die Schaffung von regionalen Entwicklungsfonds und auch direkte staatliche Maßnahmen gegen Massenentlassungen bei Stahl und Kohle.
In dieser Situation können wir nichts weniger gebrauchen als Steuergeschenke für die Wohlhabenden und Einnahmeverluste für die öffentliche Hand, die dann nicht mehr in der Lage ist, die nötigen Maßnahmen zu bezahlen.
Der Gesetzentwurf ist aber ein wichtiger Baustein, um dem verfassungsrechtlichen Postulat dieser Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse dadurch Rechnung zu tragen, daß einerseits der Bund finanziell stärker in die Pflicht genommen wird als bisher und andererseits der Ausgleich der Länder untereinander sich stärker an den objektiven Merkmalen der Strukturschwächen orientiert.
Im einzelnen fordern wir eine geänderte Umverteilung des Umsatzsteueraufkommens. Durch die 1988 in Kraft tretende Steuertarifänderung sind die Länder-und Gemeindehaushalte mit nahezu 8 Milliarden DM Mindereinnahmen betroffen gegenüber knapp 6 Milliarden DM beim Bund. Um die notwendige Finanzkraft der Länder und Gemeinden im Verhältnis zum Bund zumindest zu erhalten, ist eine Anhebung des Umsatzsteueranteils um einen Prozentpunkt nötig. Dies sind Mehreinnahmen von ungefähr 1,3 Milliarden DM für Länder und Gemeinden.
Bei dem Finanzausgleich der Länder untereinander betrifft unsere wichtigste Änderung die volle Berücksichtigung der Steuereinnahmen der Gemeinden zur Feststellung der Finanzkraft der Länder. Es ist offensichtlich, daß die Einnahmen der Gemeinden einen erheblichen Anteil an der Finanzkraft eines Landes haben. Dies spiegelt sich z. B. an dem daraus resultierenden notwendigen Umfang eines kommunalen Finanzausgleichs wider.
Der angesehene Grundgesetzkommentar MaunzDürig schreibt hierzu:
Die Steuereinnahmen der Gemeinden werden nach § 8 Abs. 5 Finanzausgleichsgesetz allerdings nur zur Hälfte angesetzt. Diese Regelung dürfte über den Ermessensspielraum hinausgehen, der durch die Forderung nach „Berücksichtigung" der Finanzkraft der Gemeinden eingeräumt wird. Sie begünstigt die ausgleichspflichtigen Länder, ohne daß ein sachlicher Grund dafür vorliegt. Aus dem Sinn und Zweck des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 ergibt sich vielmehr, daß die Steuerkraft der Gemeinden voll in den horizontalen Finanzausgleich einbezogen werden muß.
Somit ist die Argumentation, eine volle Einbeziehung der Gemeindesteuern wäre verfassungswidrig, nicht stichhaltig. Es ist vielmehr eine politische Entscheidung, wie gerecht diese Vorschrift geregelt werden soll, und wir haben uns durch die volle Einbeziehung der Gemeindesteuern für die wohl gerechteste Lösung entschieden.
({5})
Ebenso schreibt der Art. 107 des Grundgesetzes ausdrücklich vor, daß neben der Finanzkraft auch der Finanzbedarf der Gemeinden zu berücksichtigen ist. So spiegeln die von den Kommunen kaum beeinflußbaren Sozialhilfeausgaben einen für alle Kommunen dem Grunde nach gleichen Finanzbedarf wider, der aber in der Höhe je nach Strukturschwäche der Region sehr unterschiedlich ist. Es ist nicht übertrieben, wenn wir davon sprechen, daß für viele Kommunen die Sozialhilfe zum Sprengsatz des Gemeindehaus3278
halts geworden ist. So sind z. B. in Duisburg die Sozialhilfeausgaben allein für die Unterstützung von Arbeitslosen zwischen 1982 und 1986 von 7 Millionen DM auf über 35 Millionen DM explodiert.
({6})
Dies führt zu einem finanziellen Teufelskreis. Was die Kommunen auf der einen Seite für die Folgen der Arbeitslosigkeit aufwenden müssen, fehlt ihnen auf der anderen Seite für soziale, ökologische und beschäftigungssichernde Investitionen.
({7})
An dieser Todesspirale dreht ja der Kruppkonzern aktuell wieder kräftig mit.
Unsere Konsequenz aus diesem Sachverhalt ist, daß wir die Sozialhilfeausgaben der Gemeinden als Finanzbedarf anerkennen und somit von den Steuereinnahmen der Gemeinden abziehen und damit eine für alle einheitliche Grundlage schaffen, die natürlich denen zugute kommt, die Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit und als Folge davon auch mit hohen Sozialhilfeausgaben haben.
({8})
Einen Punkt im Rahmen der Bundesergänzungszuweisungen, der sich von der Regierungsvorlage unterscheidet, möchte ich am Schluß noch hervorheben. Die Regierungsvorlage sieht vor, nach Abzug von Vorabbeträgen die Bundesergänzungszuweisungen nur als Anpassung der allgemeinen Finanzkraft zu verwenden.
Wie schon vorher erläutert, spiegelt die Arbeitslosigkeit sehr genau die Strukturunterschiede der Länder wider. Die Arbeitslosigkeit ist auch ein Indikator dafür, daß überproportional Finanzmittel notwendig sind, um hier arbeitsplatzschaffende Maßnahmen zu tätigen. Von daher halten die GRÜNEN es für notwendig, einen erheblichen Teil der Bundesergänzungszuweisungen, nämlich 30 %, nach Maßgabe der Arbeitslosigkeit zu verteilen.
Meine Damen und Herren, Sie zu bitten, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen, werde ich mir verkneifen, da ich in den Vordiskussionen gemerkt habe, daß Sie gar nicht gewillt sind, sich mit den Ansätzen, die wir in die Diskussion gebracht haben, auseinanderzusetzen. Hier hätte ich auch diese Zwischenfrage eigentlich mehr erwartet.
({9})
Aber eines kann ich Ihnen versichern, meine Damen und Herren von der Koalition, mit Ihrer Politik treiben Sie die Lebensverhältnisse der Länder immer weiter auseinander, als sie auszugleichen. Ich bin sicher, die betroffenen Menschen werden dies nicht länger tatenlos hinnehmen. Die Unruhen im Ruhrgebiet sind nur ein erstes Anzeichen dafür.
({10})
Ausreichende Finanzmittel und eine gerechtere Verteilung bei den Ländern und Gemeinden sind natürlich nicht zwangsläufig Garantie dafür, daß diese Mittel auch sinnvoll eingesetzt werden.
({11})
Beispiele gibt es hier genug wie der Dollart-Hafen in Niedersachsen oder ökologisch schädliche und ökonomisch sinnlose Hafenerweiterungen und vieles mehr.
({12})
Ein paar Worte zu den SPD-Anträgen: Grundsätzlich finde ich es bedauerlich, daß Sie sich mit den Ansätzen in unserem Gesetzantrag überhaupt nicht befaßt haben, auch wenn ich im Hintergrund schon positive Stimmen dazu gehört habe, was die Berücksichtigung von Arbeitslosigkeit und auch Sozialhilfekomponenten betrifft.
Nun habe ich Verständnis dafür, daß Sie in der prekären Situation, in der sich die meisten SPD-regierten Länder befinden, versuchen, den Entwurf der Bundesregierung durch Änderungsanträge gerechter zu gestalten. Wir werden Ihren Anträgen auch zustimmen, da sie in sich gerechtfertigte Punkte enthalten, deren nochmalige Begründung ich mir hier erspare.
Auch wenn ich nochmal betone, daß die großen Strukturprobleme durch andere politische Mittel gelöst werden müssen und der Länderfinanzausgleich hier nur unterstützend wirken kann, so möchte ich nochmal darauf hinweisen, daß wir es für zwingend notwendig halten, daß zumindest in der Richtung, die unser Gesetzentwurf zeigt, weitere Diskussionen stattfinden. Der Entwurf der Bundesregierung mit den Kompromissen aus den Koalitionsländern wird mit Sicherheit keine Unterstützung darstellen, um diese Strukturprobleme zu lösen. Zu Einzelproblemen wird nachher meine Kollegin noch weitere Ausführungen machen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({13})
Das Wort hat der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Dr. von Dohnanyi.
Erster Bürgermeister Dr. von Dohnanyi ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf zur Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ist erstens ungerecht, zweitens verfassungswidrig und drittens politisch kurzsichtig.
({1})
Ich will versuchen, das kurz zu begründen. Bei einer Debattenlage am Freitagvormittag, an die ich mich aus der Vergangenheit sehr wohl erinnern kann, müssen wir gerade von der Bundesratsbank her versuchen, das kurz zu machen.
Ich kann verstehen, wenn hier der Eindruck entsteht: Jedes Land vertritt hier seine Interessen.
({2})
Erster Bürgermeister Dr. von Dohnanyi ({3})
Und wenn's ums Geld geht, sind sie alle da. - Ich bitte doch, daß zugehört wird, weil es ja wirklich auch um die Interessen der Länder und um die Gerechtigkeit gegenüber den Ländern geht.
Hamburg als Stadtstaat - ich will versuchen, das Problem an diesem Beispiel zu illustrieren ({4})
- ich wäre Ihnen dankbar, Herr Kollege, wenn Sie einen Augenblick zuhören könnten - Hamburg ist eines der drei zahlenden Ländern. Hamburg hat seit 1970 7,5 Milliarden DM in den Finanzausgleich gezahlt, der Freistaat Bayern seit dieser Zeit 3,8 Milliarden DM herausgenommen. Aus einer Kasse für arme Länder, in die die Freie und Hansestadt Hamburg gezahlt hat! Hamburg zahlt im Jahre 1987 erneut mehr als 250 Millionen DM in diesen Länderfinanzausgleich. Pro Einwohner hat Hamburg seit 1970 4 000 DM gezahlt, der zweitgrößte Zahler pro Einwohner, Baden-Württemberg, weniger als 2 000 DM pro Einwohner. ({5})
Nur damit Klarheit besteht, was die wirkliche Sachlage ist. Es wird hier ja sehr abstrakt diskutiert, und keiner weiß mehr, worum es in der Sache wirklich geht. -({6})
Das wäre ja richtig, Herr Bundesminister - und Sie könnten Ihre Vorlage hier dann vertreten - , wenn die Finanzkraft Hamburgs dem wirklich entsprechen würde. Das ist aber tatsächlich nicht der Fall.
Die bisherige Regelung zum Länderfinanzausgleich hat die Stadtstaaten anders gestellt als die Flächenstaaten, indem man gesagt hat, in den Flächenstaaten gilt jeder Einwohner gleich 100, und in den Stadtstaaten gilt jeder Einwohner gleich 135. Und man hat gemeint, diese Berechnung würde dem Unterschied zwischen dem Bedarf der Einwohner in den Großstädten und dem Bedarf der Einwohner in den Flächenstaaten am Ende insgesamt gerecht werden. Interessant war schon, daß wir zu Beginn dieser Debatte festgestellt haben, daß z. B. München - im Verhältnis zum Durchschnitt des Freistaats Bayern von 100 - in der Finanzausstattung bei 151 liegt; Stuttgart - im Verhältnis zum Durchschnitt Baden-Württembergs von 100 - bei 155 und Frankfurt - im Verhältnis zum Durchschnitt Hessens von 100 - bei 165.
Wir haben dann - das ist richtig - ein Ifo-Gutachten bekommen. Das Ifo-Gutachten sollte dem Auftrag des Verfassungsgerichts folgen, vergleichbare Großstädte mit den Stadtstaaten in Vergleich zu setzen. Wir sind der Auffassung, daß vergleichbare Großstädte in erster Linie solche sind, die metropole Aufgaben erfüllen, wie wir das in Hamburg tun: mit Flughafen, mit großen Kultureinrichtungen, mit großen Universitäten usw.
({7})
- Auch mit den Problemen der Neuen Heimat; das ist
auch richtig. Aber trotzdem, Herr Kollege, wäre ich
dankbar, Sie würden weiter versuchen, zuzuhören
und Ihre Vorurteile doch einmal bitte zu Hause zu lassen, um hier zu arbeiten, anstatt zu polemisieren.
({8})
Wenn Sie, Herr Kollege, also einmal versuchen, die wirklich vergleichbaren Städte mit Hamburg zu vergleichen, dann haben Sie fünf Städte in der Republik, die am ehesten vergleichbar sind: München, Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf und Hannover. Zwei davon liegen in Finanzausgleich empfangenden Ländern, nämlich Düsseldorf und Hannover, die drei anderen in entweder nicht mehr empfangenden oder sogar zahlenden Ländern.
Wenn man nun den Vergleich zwischen Hamburg mit seiner Finanzausstattung und dem Durchschnitt dieser fünf Großstädte anstellt, dann müßte Hamburg 800 Millionen DM mehr haben, ehe die Stadt gefordert werden könnte, Finanzausgleich zu zahlen. - Sie nicken mit dem Kopf, Herr Kollege Grünewald. - Dies muß doch jeden nachdenklichen Menschen zu der Schlußfolgerung führen: Wenn der Unterschied, z. B. zwischen Hamburg und München, heute so ist, daß die Finanzausstattung Münchens, übertragen auf Hamburg, etwa 400 Millionen DM mehr ausmachen würde, und wir dennoch Finanzausgleich zahlen müssen, während München bis ins letzte Jahr hinein am Finanzausgleich beteiligt war,
({9})
dann kann doch etwas nicht stimmen, meine Damen und Herren.
({10})
Ich bitte Sie, doch einmal die eklatante Ungerechtigkeit zu verstehen, mit der hier gearbeitet wird.
({11})
Ich bin der SPD-Fraktion dankbar, daß Sie die Einwohnerwertung von 135 auf 145 durch ihren Antrag heraufsetzen will. Freilich liegen nach unserer Berechnung auch die 145, die selber ein Kompromiß sind, unter dem, was eigentlich für die Stadtstaaten erforderlich ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, es sollen vergleichbare Großstädte herangezogen werden. Das ist mit dem großen Durchschnitt des Ifo-Gutachtens nicht erfolgt. Hier hat also in Wahrheit die Bundesregierung dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts nicht Folge geleistet.
({12})
Die Pendler-Problematik, von der gesagt wurde, man solle darauf wenigstens einen Blick werfen, hat die Bundesregierung, Herr Kollege Stoltenberg, offenbar überhaupt nicht beschäftigt. Wir leisten 750 Millionen DM im Jahr nur an Lohnsteuer - Einkommensteuer nicht eingerechnet, weil wir die so gar nicht festhalten können - an die Nachbarländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein. 750 Millionen jedes Jahr! Wir
Erster Bürgermeister Dr. von Dohnanyi ({13})
kriegen ja für all die Lasten, die mit der Erhaltung dieser Arbeitsplätze verbunden sind, keinen Pfennig aus der Lohnsteuer. Keinen Pfennig! Aber die Regierung hat keinen Blick auf diese Problematik geworfen!
({14})
Schließlich: Die Berechnung der Finanzkraft ohne Berücksichtigung der Sozialhilfe - das ist vorhin schon gesagt worden - ist eine Absurdität.
({15})
- Ich bin gern bereit, mit Ihnen auch über die Hafenstraße zu debattieren. Aber Sie sähen ziemlich schlecht aus, Herr Kollege, wenn wir darüber reden würden.
({16})
Die Sozialhilfe wird nicht von unserer Finanzkraft abgezogen. Wir sind nicht in der Lage, diese „außergewöhnliche Belastung" - um es steuertechnisch auszudrücken - , die Hamburg ja durch das Zahlen von Sozialhilfe in der Finanzkraft beeinträchtigt, auch nur abzuziehen, um unsere Finanzkraft zu berechnen.
Die Ungerechtigkeit ist also eklatant. Es wird immer mißverstanden: Wir als Hamburger wollen doch gar kein Geld von anderen. Wir wollen nur nicht weiter in den Finanzausgleich zahlen müssen, solange andere Städte besser als wir behandelt werden.
({17})
Der zweite Punkt die Verfassungswidrigkeit. Herr Kollege Grünewald, Sie haben hier das Stichwort geliefert. Der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts war nachdrücklich, nicht die Mehrheit zu suchen, sondern eine Vorlage zu machen, die dem Verfassungsauftrag entspricht. Ich erinnere mich sehr wohl, wie in den Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht, an denen ich teilgenommen haben, der Präsident, Herr Zeitler, den Vertreter der Bundesregierung, Herrn Staatssekretär Voss - ich sage es mal in einfacher Sprache - den Rost dafür runtergetan hat, daß die Bundesregierung die These vertreten hat, ihre Aufgabe sei es allein, gewissermaßen notariell zu beurkunden, was aus den Länderkompromissen herauskommt.
({18})
Vorhin haben Sie gesagt, Sie hätten Ihre Verhandlungen mit Blick auf die Mehrheit im Bundesrat geführt. Ich sage von dieser Stelle aus schlicht: Dies ist verfassungswidrig.
({19})
Die Bundesregierung hätte eine Vorlage machen
müssen, mit der sie notfalls, wenn die Länder zu anderen Ergebnissen kommen, untergehen mußte, um
dann selber vor Gericht gehen und die Verfassungswidrigkeit dort feststellen zu lassen.
({20})
Diese Form, einen nicht gerechten Finanzausgleich von vornherein gewissermaßen nur notariell von Mehrheiten beurkunden zu lassen, wird Sie teuer zu stehen kommen. Ich werde das, was Sie gesagt haben, vor dem Gericht zitieren, wenn wir uns dort wiedersehen.
({21})
Die Verfassung ist in zweierlei Weise verletzt worden.
Erstens ist gegenüber den Stadtstaaten nicht die Vergleichbarkeit mit den Großstädten wirklich festgestellt worden. Zweitens ist das Nivellierungsverbot verletzt. Seit 1952 gibt es eine Rechtsprechung, die sagt: Ein Flächenstaat darf als zahlendes Land nicht unter oder auf das Niveau eines empfangenden Landes gedrückt werden. Hamburg ist ein zahlender Stadtstaat und liegt eindeutig und nachweisbar unter dem Niveau
({22})
der Pro-Kopf-Finanzausstattung von vergleichbaren Großstädten im empfangenden Ländern, z. B. Hannover, Düsseldorf, aber auch München. Das ist verfassungswidrig.
Drittens. Es ist kurzsichtig, was Sie hier machen. Bremen und Hamburg sind nun einmal die beiden größten Städte Norddeutschlands. Sie haben große Aufgaben für die Region. Wir beschäftigen netto 175 000 - nach Abzug der Auspendler - Einpendler, davon 100 000 netto aus Schleswig-Holstein. Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein hätte eine Arbeitslosigkeit von nahezu 20 % , gäbe es nicht die Hamburger Arbeitsplätze für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Schleswig-Holstein.
Herr Kollege Stoltenberg, nun wird der Stadt Hamburg die Substanz entzogen, indem man uns ausblutet zugunsten anderer Länder, anstatt die Stadt zu stärken und der Stadt eine Chance zu geben, ihre Funktion in Norddeutschland zu erfüllen.
({23})
Da wird dann gesagt - ich höre das ja hier aus den Reihen der Opposition - :
({24})
Die Hafenstraße!, die anderen sagen: Welches Niveau!, die Dritten sagen: An der Arbeitslosigkeit in Hamburg sind wir ganz gewiß selber schuld!, nicht wahr?
Meine Damen und Herren, der Bundesfinanzminister hat uns bestätigt: Seit 1970 ist der Zuwachs in den Ausgaben der Freien und Hansestadt Hamburg der niedrigste aller Bundesländer. Das gilt sowohl für den
Erster Bürgermeister Dr. von Dohnanyi ({25})
Personalbereich wie für den Sachbereich. Man kann uns also nicht der Verschwendung bezichtigen. Die Arbeitslosigkeit in den Großstädten um Hamburg herum ist nicht geringer, nicht größer, etwa genauso wie auch in Hamburg. Die Bundesländer, in denen Hannover, Kiel und Lübeck liegen, werden nicht von Sozialdemokraten regiert, auch die Stadt Lübeck nicht. Es ist also falsch, wenn uns vorgeworfen wird: Ihr seid ja selber schuld an dem, was in Norddeutschland los ist. Das sind törichte Argumente. In Wahrheit ist es so: Norddeutschland ist schwerer belastet, und wir müssen in dieser Zeit eher gestärkt als geschwächt werden. Was Sie, Herr Kollege Grünewald, begründen, ist eine Schwächung des Stadtstaates.
({26})
Ich fasse zusammen: Die sogenannte Neuordnung ist phantasielos und unverantwortlich. Die Bundesregierung ist ihrem verfassungspolitischen Auftrag nicht gerecht geworden. Herr Bundesfinanzminister, Sie sind hier ein Buchhalter der Ungerechtigkeit und ein Notar der Machtverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland und nicht ein Gestalter von Politik, wie Sie es sein müßten.
({27})
Ich will ein weiteres Wort an Sie richten, Herr Bundesminister. Sie kennen die Lage in Norddeutschland. Mit Ihrer Politik, mit dem, was Sie Hamburg und Bremen antun, zerstören Sie die Chancen von Norddeutschland. Sie müssen hier an dieser Stelle auch noch einmal begründen, wie Sie eine solche Position überhaupt beziehen konnten.
({28})
Ich stelle nachdrücklich fest: Die Stadtstaaten haben so keine Zukunft. Wenn Sie die Länderneugliederung wollen, Herr Bundesminister - ich bin dazu bereit - , dann müssen Sie es aber sagen, dann müssen wir diese Frage verfassungspolitisch eben neu aufnehmen. Die Stadt aber auszubluten, anstatt ihr eine Chance zu geben, das ist unzulässig, und das können wir nicht hinnehmen.
Es macht einen ja nachdenklich, wenn man sich folgendes überlegt: Wäre Hamburg nicht Teil der Republik, wären wir eine reiche Stadt! Denn von den Steuern und den Zöllen, die wir einnehmen, geben wir rund 80 % weiter an den Bund und an andere Länder. Eine solche Debatte kann ja niemanden lostreten. Sie müssen aber einmal überlegen, was die Hamburgerinnen und Hamburger von einem Bundestag denken müssen, der solche Beschlüsse zur Ausblutung unserer Stadt faßt.
({29})
Die Bundesregierung weiß, daß ihre Vorlage verfassungswidrig ist. Sie weiß, daß Ungerechtigkeit und politische Kurzsichtigkeit die Grundlage dieses Länderkompromisses, dem sie sich gebeugt hat, sind. Die Bundesregierung hat in der schwierigen Aufgabe - ich gebe das zu - , der sie gegenüberstand, versagt.
Ich befürchte, wenn so entschieden wird, wird Hamburg erneut zu Gericht gehen müssen.
({30})
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({31})
Das Wort hat die Finanzministerin des Landes Niedersachsen, Frau Breuel.
Minister Frau Breuel ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist wahr: Das Gesetz, das heute zur Abstimmung steht, ist eines der wichtigsten, weil das Bundesstaatsprinzip hier auch eine Bewährungsprobe zu bestehen hat. Ich will selbstkritisch sagen, daß die Verhandlungen mit den Ländern nicht leicht gewesen sind und daß wir hier auch keine Meisterprüfung bestanden haben. Ich will aber auch sagen, Herr Bürgermeister von Dohnanyi, daß ich sehr bedaure, daß die bisher sachliche Diskussion sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag durch Sie soeben in einer ungewöhnlichen persönlichen und sachlichen Schärfe völlig verkehrt worden ist.
({1})
Ich halte es auch für kein Musterbeispiel föderalen Selbstverständnisses, wenn der Erste Bürgermeister der Hansestadt Hamburg hier erklärt, Hamburg werde an diesem Bundesgesetz ausbluten, und dabei vergißt, daß seine eigenen Entscheidungen in Hamburg zur Ausblutung beitragen, weil nämlich dort die Verantwortung liegt.
({2})
Herr Bürgermeister, ich glaube, daß Sie es sich zu leicht machen, wenn Sie Ihre eigene Verantwortung in Bonn abliefern und meinen, Sie hätten in Hamburg keine Entscheidung mehr zu treffen.
({3})
Ich sage Ihnen nur: Meine Hamburger Kenntnisse sind gut genug, um sagen zu können, daß ich es mindestens verblüffend finde, daß Niedersachsen Hamburg heute in der Wirtschaftsentwicklung übertroffen hat, weil die Wirtschaftsentwicklung in Hamburg eine negative Entwicklung genommen hat.
({4})
Meine Damen und Herren, ich habe darauf hingewiesen, daß hier auch der Föderalismus eine Bewährungsprobe bestehen muß, denn in den Ländern kann nur dann eigenverantwortlich Politik gemacht werden, wenn diese Politik eigenverantwortlich finanziert werden kann. Nur dann können wir uns den Bürgern gegenüber legitimieren. Natürlich wollen wir keine Notare werden, die Sachzwänge aus Bonn festschreiben, ganz im Gegenteil. Insofern ist dieses Thema ja auch so heiß diskutiert worden.
Ich muß bekennen, daß es dazu interessante Erklärungen gegeben hat. Die Wut über die vermeintlich
Minister Frau Breuel ({5})
verlorenen Groschen hat manch eigenartige Formulierung hervorgebracht. Das hat Herr Poß soeben in
Richtung Niedersachsen fortgeführt. Er hat dabei
- ich weiß nicht, ob er noch hier im Raum ist - von einem ,,Bubenstück" gesprochen. Insofern müßte ich mich gar nicht angesprochen fühlen. Aber ich gehe einmal davon aus, daß es das schlechte Verständnis der SPD für Gleichberechtigung ist, was zu dieser Formulierung geführt hat.
({6})
- Herr Apel, ich dachte, Gleichberechtigung habe auch im Bundestag ihren Wert. Wenn Sie meinen, darüber müsse nur in Landtagen entschieden werden, ist das Ihr Problem. Meine Auffassung ist es jedenfalls nicht.
Ich will deshalb sagen: Ich bin der Auffassung, daß die Länder auf Grund der Entscheidung, die hier heute ansteht, und auf Grund des Zuwachses bei den Bundesergänzungszuweisungen hier insgesamt als Sieger aus dem Rennen hervorgehen und insofern positive Ergebnisse mit nach Hause nehmen können. Ich weiß sehr wohl, daß Niedersachsen lange im Mittelpunkt des Interesses gestanden hat, und zwar nach dem Motto: Ölscheichtum und ähnlichem mehr.
Ich will nur in Ihre Erinnerung rufen, daß wir selbst zum Zeitpunkt der hohen Förderzinseinnahmen immer noch ein finanzschwaches Land gewesen sind und daß sich diese Stituation jetzt naürlich wesentlich verschärft hat, weil 90 % unserer Einnahmen aus dem Förderzins uns seit dem 1. Januar 1987 nicht mehr zur Verfügung stehen und sozusagen nur noch ein durchlaufender Posten sind. Es ist auch bereits darauf hingewiesen worden, daß die Fördereinnahmen insgesamt durch den Dollar- und Ölpreisverfall radikal gesunken sind. Meine Damen und Herren, damit tendiert das finanzwirtschaftliche Ergebnis des Verfassungsgerichtsurteils für alle Beteiligten mit Ausnahme Niedersachsens gen Null. Ich sage dies auch, weil ja hier heute und auch gestern im zuständigen Ausschuß des Bundesrates angeklungen ist, daß neue Klagen in Karlsruhe erwogen werden oder bereits angekündigt sind. Ich frage mich, welchen Vorteil die Länder davon eigentlich haben würden. Sie würden weiterhin erhebliche finanzielle Unsicherheiten haben. Das bisherige Ergebnis des Urteils ist - ich sage das noch einmal - finanzwirtschaftlich nicht interessant. Es ist nur interessant geworden, weil der Bundesfinanzminister bzw. der Bundestag über die Bundesergänzungszuweisungen noch Geld drauflegen. Aber die Instrumente haben enorm an Flexibilität eingebüßt. Das heißt: Unsere Möglichkeiten, vernünftige Lösungen zwischen Bund und Ländern und innerhalb der Länder zu finden, sind wesentlich geringer geworden. Insoweit kann ich nur warnen, dieses Thema weiter fortzuführen.
Ich habe darauf hingewiesen, daß sich Niedersachsen nach wie vor in einer schwierigen Haushaltslage befindet. Ich will die Auseinandersetzung hier nicht verschärfen, sondern ich will das nur noch einmal betonen.
Aber ich will vielleicht auch erwähnen, weil das jedenfalls bei einem Sprecher der SPD sehr deutlich durchklang, daß hier auch parteiübergreifend nicht nur argumentiert wird, sondern auch entschieden worden ist. Das ist gestern im Bundesratsausschuß sehr eindrücklich klargeworden. Insofern denke ich, daß hier einige vordergründige Argumente vorgetragen werden, die den Sachverhalt nicht treffen, sondern nur von dem wesentlichen Punkt ablenken sollen.
Ich möchte jedenfalls aus Sicht des Landes Niedersachsen sagen, daß wir der Auffassung sind, daß mit der Entscheidung über den Entwurf der Bundesregierung, der heute hier zur Abstimmung steht, und dem Zuwachs bei den Bundesergänzungszuweisungen der Bund eine wichtige Aufgabe wahrgenommen hat, nämlich seine Ausgleichsfunktion in bezug auf die Länder zu verstärken und hiermit insbesondere die Probleme der finanzschwachen Länder stärker zu berücksichtigen. Wir sind dafür dankbar.
Ich will allerdings auch hinzufügen, daß es an dieser Problematik sicherlich weiterzuarbeiten gilt, denn natürlich kann es auf Dauer nicht angehen, daß die Finanzschwachen oder die Armen besonders viel für Sozialhilfe zahlen müssen und damit die Schere zwischen den Ländern immer weiter auseinandergeht und die Finanzschwachen keine Möglichkeit haben, ihre Zukunftsaufgaben sachgerecht zu lösen.
({7})
Ich weiß allerdings, daß hier die Finanzsituation des Bundes zu beachten ist und insofern noch viele Themen zu diskutieren sein werden.
Ich denke, ich sollte die mehr technischen Dinge jetzt nicht mehr vortragen, weil auch ich weiß, daß der Freitag ein Tag ist, der nicht zu allzu langem Arbeiten einlädt.
({8})
- Ich habe doch nicht von Ihnen gesprochen. Ich bitte um Entschuldigung. Das habe ich überhaupt nicht gesagt.
Ich würde einen Punkt noch gern ansprechen wollen, und das ist die Heranziehung der Jahre 1985, 1986 zur Abrechnung für das Jahr 1987. Ich halte dies nicht nur für vernünftig, sondern auch für zulässig, weil die Zahlenbasis eben bekannt ist. Sie wird in den Folgejahren exakt fortgeschrieben, wie es sich eben aus der finanziellen Entwicklung eines jeden Landes ergibt. Dies heißt, daß zu Beginn eines jeden Haushaltsjahres die Bundesergänzungszuweisungen in den Ländern bekannt sind und uns erspart wird, am Schluß des Jahres abzurechnen, was bisher erhebliche Unsicherheiten für unsere Landeshaushalte geschaffen hat.
Ich sollte auch noch darauf hinweisen, daß die Lösung dazu führt - wir sie dennoch für vertretbar halten - , daß Niedersachsen deshalb im Jahre 1987 30 Millionen DM weniger bekommt.
Ein weiteres Wort noch zu den Sonderlasten, die hier insbesondere von Nordrhein-Westfalen in die Diskussion eingebracht worden sind. Diese sind bekanntlich im eigentlichen Länderfinanzausgleich vom Bundesverfassungsgericht strikt untersagt, mit AusMinister Frau Breuel ({9})
nahme der hanseatischen Hafenlasten. Bei den Bundesergänzungszuweisungen dürfen sie, müssen aber nicht berücksichtigt werden. Bekanntlich hat jedes Land - das habe ich im letzten Jahr sehr intensiv erfahren und gelernt - seine eigene Sonderlast; Montansonderlasten, Küstensonderlasten, Grenzlandsonderlasten, Werften, Bergbauern; die Latte läßt sich beliebig fortschreiben. Sie werden in den Ländern individuell als drückend empfunden. Das gilt übrigens auch für den Bereich von Militäreinrichtungen. Auch diese werden von vielen als Sonderlast empfunden. Warum soll dann eigentlich eine Sonderlast verfassungsrechtlich geboten sein, eine andere dagegen nicht?
Im übrigen muß ich auch sagen, daß die bisher, ich sage einmal: namhaft gewordenen Sonderlasten eine Summe umfassen, die irgendetwas zwischen 5 Milliarden und 6 Milliarden DM ausmacht. Das ist die Gesamtsumme des Länderfinanzausgleichs der Bundesergänzungszuweisungen überhaupt. Sie übersteigt damit unsere Möglichkeiten entschieden. Derartige Sonderlastenansätze würden die Bundesergänzungszuweisungen sprengen. Insofern glaube ich, daß es richtig ist, wenn der Bundesgesetzentwurf sie vernünftigerweise nicht berücksichtigt, von einigen wenigen und, wie ich meine, vernünftigen Ausnahmen bei den Kosten der politischen Führung oder einer Haushaltsnotlage abgesehen.
Insofern erkläre ich für uns: Insgesamt ist der vorliegende Entwurf verfassungsrechtlich unbedenklich und finanzwirtschaftlich vernünftig. Man darf den bundesstaatlichen Finanzausgleich nicht überfordern. Er ist kein Allheilmittel gegen alle finanzwirtschaftlichen Mängel und Belastungen in Bund und Ländern. Die Verhandlungserfahrung der vergangenen Monate zeigt, daß diese Neuregelung an der Grenze ihrer politischen Gestaltungsmöglichkeit angelangt ist, will heißen: das Sankt-Florians-Prinzip hilft nicht mehr weiter.
Wenn dennoch einige Beteiligte meinen, mit diesem Entwurf auf Dauer nicht leben zu können, so wiederhole ich, was sich eben angedeutet hat: Dann sollten wir eine umfassende Finanzwirtschaftliche Bestandsaufnahme zwischen Bund und Ländern machen. An dieser Diskussion werden wir uns gerne konstruktiv beteiligen.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Struck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Breuel, Sie haben es mir und meinen niedersächsischen Kollegen mit der Rede, die Sie eben gehalten haben, nicht einfacher gemacht. Ich darf nur sagen: Die Äußerungen des Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg sind eine Wahrnehmung berechtigter Interessen der Freien und Hansestadt Hamburg und nicht eine unangemessene Polemisierung in dieser Debatte gewesen. Ich weise diesen Vorwurf zurück.
({0})
Als niedersächsischer Bundestagsabgeordneter möchte ich hier für mich und eine Reihe von Kollegen, deren Namen ich gleich vortragen werden, erklären, warum wir anders als die SPD-Bundestagsfraktion insgesamt bei dem Gesetzentwurf über den Finanzausgleich abstimmen werden. Die Kollegen sind: Gerd Andres, Arne Börnsen, Edelgard Bulmahn, Alfred Emmerlich, Carl Ewen, Annette Faße, Monika Ganseforth, Fritz Gautier, Günter Graf, Ingomar Hauchler, Klaus-Dieter Kühbacher, Edith Niehuis, Jan Oostergetelo, Hermann Rappe, Wilhelm Schmidt, Dietmar Schütz, Bodo Seidenthal, Peter Struck, Margitta Terborg, Günther Tietjen und Peter Würz. Wir sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten aus Niedersachsen fühlen uns angesichts der hier zu entscheidenden Frage berechtigt, aus der sonst von uns natürlich auch für sehr wichtig angesehenen Solidarität der Bundestagsfraktion der SPD ausscheren zu können.
({1}) - Nun seien Sie doch mal ruhig!
Die Finanzlage des Landes Niedersachsen ist katastrophal durch eine verfehlte Finanzpolitik, für die Sie, Frau Breuel, die Verantwortung tragen.
({2})
Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bedingt, ist allein 1987 insgesamt dreimal ein Haushalt in Hannover aufgestellt worden, bei dem die Nettokreditaufnahme von 2,1 Milliarden DM auf schließlich 3,3 Milliarden DM gestiegen ist.
Wenn wir uns jetzt bei der Abstimmung über dieses Gesetz, das Niedersachsen hilft, der Stimme enthalten, dann tun wir das deshalb, weil wir glauben, daß auch dieses Gesetz, insbesondere, Herr Bundesminister der Finanzen, die Erhöhung der Bundesergänzungszuweisungen, ein geeigneter Beitrag ist, um das Süd-Nord-Gefälle, unter dem gerade wir Niedersachsen zu leiden haben, auszugleichen. Wir hätten es allerdings begrüßt, wenn dieses Volumen der Bundesergänzungszuweisungen auch noch so hätte ausgeweitet werden können, Herr Kollege Stoltenberg, daß man den Ländern Hamburg, Bremen, Saarland und Nordrhein-Westfalen mehr Hilfe hätte gewähren können, als das jetzt offenbar der Fall ist.
Die Benachteiligung der Länder Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Saarland führt uns sozialdemokratische Abgeordnete aus Niedersachsen dazu, daß wir auf keinen Fall diesem Gesetzentwurf zustimmen können. Wir haben auch Zweifel an dem verfassungsmäßigen Zustandekommen dieses Gesetzes. Ob es verfassungswidrig ist, wird das zuständige Organ zu klären haben, wenn es angerufen wird. Wir sehen uns deshalb nicht in der Lage, diesem Gesetzentwurf der Regierungskoalitionen zuzustimmen. Wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf aus den Gründen, die ich eben dargestellt habe, der Stimme enthalten.
Wir stellen allerdings zuletzt eines fest, gerichtet an Sie, Frau Kollegin Breuel, und gerichtet an die niedersächsischen CDU-Bundestagsabgeordneten hier in diesem Hause: Die katastrophale Finanzlage des Landes Niedersachsen ist offenbar. Sie wird verschärft, und zwar erheblich verschärft, durch die Zustimmung
der Landesregierung, zu den bereits verabschiedeten Steuersenkungsgesetzen. Sie wird sich noch erheblich verschärfen durch eine mögliche Zustimmung der Landesregierung Niedersachsens im Bundesrat zur sogenannten großen Steuerreform 1990, die wir für unsozial und ungerecht halten und die allein deshalb schon abgelehnt werden müßte.
({3})
Aber diese sogenannte große Steuerreform kostet das Land Niedersachsen jährlich 1,2 bis 1,4 Milliarden DM Mindereinnahmen in seinem Haushalt. Deshalb fordern wir die Kollegen der Union aus Niedersachsen auf, dann, wenn dieses Gesetz hier im Bundestag zur Entscheidung ansteht, mit uns dieses Gesetz abzulehnen.
Vielen Dank.
({4})
Das Wort hat der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Posser.
Minister Dr. Posser ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juni 1986 hat die Grundlage für eine dauernde Befriedung beim bundesstaatlichen Finanzausgleich geradezu angeboten. In seinem Leitsatz Nr. 4 hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
Art. 107 Abs. 2 GG entzieht den horizontalen Finanzausgleich und die Bundesergänzungszuweisungen dem freien Aushandeln der Beteiligten, unterstellt sie gewissen normativen Vorgaben und gibt sie in die Verantwortung des Bundesgesetzgebers.
Mit diesem Leitsatz hat das oberste deutsche Gericht dem Bundesgesetzgeber den meines Erachtens einzig gangbaren Weg gewiesen. Nur so kann für die Auseinandersetzung der Länder untereinander ein tragfähiger Boden und ein gesicherter Rahmen geschaffen werden, orientiert an objektiven Kriterien und nicht an politischen Abhängigkeiten.
„Die Ordnungsfunktion der Finanzverfassung", so hat das Bundesverfassungsgericht seinen Leitsatz erläutert, „schließt es aus, ihre Regelung - sei es insgesamt, sei es in Teilen - als Recht von minderer Geltungskraft anzusehen, das etwa bis zur Willkürgrenze abweichenden Kompromissen und Handhabungen zugänglich ist, sofern nur ein vertretbares Ergebnis erreicht wird. "
Die Bundesregierung - das will ich ihr bescheinigen - war auf dem Wege, eine Lösung vorzubereiten, die eine breite Mehrheit hätte finden können. Mit der Erhöhung des Volumens der Bundesergänzungszuweisungen von 1,5 auf 2 % des Umsatzsteueraufkommens hatte sie einen Rahmen angeboten, der einen breiten Konsens hätte ermöglichen können. Leider ist sie auf halbem Wege stehengeblieben. Vertreter der Bundesregierung haben sich zwischen dem 2. und 13. Oktober dieses Jahres nur mit den Ministerpräsidenten der unionsregierten Länder beraten und so geeinigt, daß dem Bundesgesetzgeber überhaupt kein Spielraum für sachliche Änderungen blieb, wie die Beratungen im Finanzausschuß des Deutschen Bundestages am 4. und 12. November dieses Jahres bewiesen haben. Kein Jota von dem, was die unionsregierte Ländergruppe mit der Bundesregierung bis zum 13. Oktober vereinbart hatte, durfte vom Bundesgesetzgeber abgeändert werden; denn diese Vereinbarung war Teil eines politischen Gesamtpakets, das vor allem die Verknüpfung mit der Zustimmung zum Steuerentlastungsgesetz 1990 einschloß,
({1}) also eine sachfremde Erwägung.
Ich kann hierfür den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen, Herrn Dr. Albrecht, als Zeugen zitieren. Er hat vor dem niedersächsischen Landtag am 14. Oktober, einen Tag vor der hier schon an anderer Stelle zitierten Landtagssitzung, ausgeführt, Niedersachsen könne jetzt der Steuersenkung 1990 zustimmen, weil - ich zitiere - „wir durch einen besseren Länderfinanzausgleich in eine bessere Position gebracht" worden sind.
({2})
Ohne jede Änderung wurde dieser Kompromiß einer Ländergruppe mit der Bundesregierung zum Inhalt eines Antrages der Koalitionsfraktionen und zum Beschluß des Finanzausschusses des Bundestages. Das Kurzprotokoll der Finanzausschußsitzung vom 12. November 1987 enthält an fünf Stellen Erklärungen, daß an dem Kompromiß nicht das geringste geändert werden dürfe.
Die Gründe, weshalb sich das Land Nordrhein-Westfalen in verfassungswidriger Weise bei der Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen 1987 benachteiligt sieht, sind im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens oft genug, wenn auch vergeblich, vorgetragen worden: die Verwendung fiktiver statt der wirklichen Zahlen bei der Berücksichtigung der Finanzkraft der Länder. Das Land Niedersachsen wäre nicht schlechter gestellt gewesen, wenn man dem Vorschlag des Landes Nordrhein-Westfalen gefolgt wäre, das Ausgleichsjahr selbst zum Referenzjahr für die Berechnung der Bundesergänzungszuweisungen zu bestimmen. Dies war übrigens auch der Vorschlag des Bundesfinanzministers in seinem sogenannten Thesenpapier vom Oktober 1986. Warum der Bundesfinanzminister dann später von seinen eigenen Vorstellungen abgewichen ist und die beiden jeweils zurückliegenden Jahre als Referenzperiode vorgeschlagen hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Wenn aber zurückliegende Jahre die Referenzperiode bilden sollen für ein Jahr, für das nach den unmißverständlichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts das neue, verfassungskonforme Recht anzuwenden ist, dann auch auf der Grundlage dieses verfassungskonformen Rechts.
({3})
Dann geht es nicht an, fiktive Finanzkraftmerkmale in diese Referenzperiode hineinzumanipulieren.
({4})
In den Jahren 1985 und 1986 haben unstreitig die Einnahmen des Landes Niedersachsens aus der FörMinister Dr. Posser ({5})
derabgabe 3,6 Milliarden DM und nicht, wie im Unionskompromiß unterstellt, 2,4 Milliarden DM betragen. Der Abgeordnete Rind hat hier ausgeführt, ich selber habe gesagt, es sei verständlich, daß man Niedersachsen bei der Förderabgabe anders behandeln müßte, als es der Fall gewesen wäre, wenn man die Referenzperiode zurückverlegt hätte. Gerade deshalb haben wir einen eigenen Vorschlag gemacht, der Niedersachsen bei richtigen, echten, wirklichen Zahlen nicht schlechter gestellt hätte als die Manipulation mit fiktiven Zahlen.
({6})
Wir waren bei den Beratungen fairer, als man sich uns gegenüber verhalten hat.
Ich halte es auch nicht für zutreffend, vom Ausgleichsjahr 1987 als einem Übergangsjahr zu sprechen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat unmißverständlich dargelegt, daß mit Wirkung für das Jahr 1987 verfassungskonformes Recht anzuwenden ist. Da ist kein Raum für sogenannte Übergangsregelungen, in die man fiktive Finanzkraftmerkmale hineinrechnet, wie Sie es ja nicht nur mit den Einnahmen aus der Förderabgabe, sondern auch mit den Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich gemacht haben. Statt der tatsächlich erhaltenen 90,7 Millionen DM sind dem Lande Nordrhein-Westfalen 228 Millionen DM an Zuweisungen zugerechnet worden. Wir haben 90,7 Millionen DM bekommen, kriegen aber 228 Millionen DM zugerechnet! Umgekehrt haben Sie dem Land Niedersachsen statt der tatsächlich erhaltenen 1,68 Milliarden DM nur 1,15 Milliarden DM zugerechnet. Damit haben Sie die Fehlbetragsrechnung zum Nachteil von Nordrhein-Westfalen zusätzlich verfälscht.
({7})
Aber damit nicht genug! Die Benachteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen wird fortgesetzt mit der Einführung des zuvor im Gesetzgebungsverfahren nicht vorgesehenen sogenannten Abstufungsmodells, wonach die Fehlbeträge oberhalb einer Finanzkraft von 99 v. H. nur noch zu einem Drittel angesetzt werden sollen. Dieser abgestufte Maßstab ist eindeutig zu Lasten Nordrhein-Westfalens zugeschnitten. Das wird von Ihnen, Herr Dr. Grünewald, auch nicht bestritten.
Von einer derart maßgeschneiderten Sonderregelung sollte der Bundesgesetzgeber absehen, insbesondere nachdem das Volumen der Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 2 % des Umsatzsteueraufkommens für alle Empfängerländer einen Rahmen für angemessene Anteile bietet.
Im übrigen will ich hier einmal sagen: Nordrhein-Westfalen hat bis heute noch nicht eine Mark Bundesergänzungszuweisung erhalten.
Nachdem sich der Bundesgesetzgeber bei der Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen für einen sogenannten Mischschlüssel entschieden hat, indem er sowohl die Sonderlasten einzelner Länder mit Pauschalbeträgen als auch die unterdurchschnittliche Finanzkraft der leistungsschwachen Länder als Verteilungskriterien festgesetzt hat, ist es für das Land
Nordrhein-Westfalen besonders enttäuschend, daß die Kohlelast unseres Landes nicht in den Katalog der Sonderlasten aufgenommen worden ist.
({8})
Das Land Nordrhein-Westfalen hat in den Jahren von 1966 bis 1986 aus seinem Landeshaushalt mit rund 16 Milliarden DM die Lasten für die deutsche Steinkohle als nationale Energie- und Rohstoffreserve der Bundesrepublik Deutschland mitfinanziert. In den Landeshaushalten für die Jahre 1987 und 1988 sind jeweils rund 1,5 Milliarden DM vorgesehen, die bei dem anhaltenden Kursverfall des Dollars voraussichtlich nicht ausreichen werden.
Eine derart konkret abgrenzbare Belastung mit einem Umfang, der rund 2,5 v. H. des gesamten nordrhein-westfälischen Haushaltsvolumens ausmacht, ist bei keinem anderen Land zu erkennen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier?
Minister Dr. Posser ({0}): Bitte sehr!
Herr Posser, wie erklären Sie sich eigentlich angesichts Ihrer Darlegung über die Benachteiligung von Nordrhein-Westfalen, wie die CDU-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen diesem Werk überhaupt zustimmen können?
Minister Dr. Posser ({0}): Ich habe dafür keine andere Erklärung als die, daß sich die Abgeordneten an diesen Kompromiß der unionsregierten Länder mit der Bundesregierung gehalten haben
({1})
und anders als die CDU-Abgeordneten aus Hamburg, Bremen und Rheinland-Pfalz nicht vorrangig für die Interessen ihres Landes,
({2})
sondern für die Erhaltung dieses Unionskompromisses eingetreten sind.
({3})
Herr Minister, das veranlaßt nun den Abgeordneten Dr. Lammert, um eine Zwischenfrage zu bitten.
Minister Dr. Posser ({0}): Ich habe 15 Minuten Redezeit. Ich bitte um Entschuldigung.
Herr Minister, der amtierende Präsident gibt die Zeit für eine Zwischenfrage gern zusätzlich.
Minister Dr. Posser ({0}): Okay. Bitte sehr, Herr Lammert.
Herr Minister, würden Sie freundlicherweise einräumen, daß bei den von Ihnen zu Recht dargestellten Kohlelasten in jedem beliebigen Zeitraum, den man zugrunde legt, zwei Drittel des Gesamtbetrages vom Bund übernommen werden und ein Drittel vom Land Nordrhein-Westfalen, und wollen Sie mit der Argumentation, die Sie hier vortragen, ernsthaft den Vorschlag machen, daß für die Zukunft die Kohlevorrangpolitik im Land Nordrhein-Westfalen in der Rhetorik und im Bund im Haushalt stattfindet?
Minister Dr. Posser ({0}): Herr Lammert, Ihre Annahme, daß der Bund zwei Drittel aus seinem Haushalt für die Steinkohle zahlt und das Land ein Drittel, ist falsch. Ich komme darauf im Zusammenhang mit der mit der Ihrigen übereinstimmenden Behauptung des Herrn Abgeordneten Grünewald im Verlauf meiner Ausführungen zurück.
Im Rahmen des Länderfinanzausgleichs werden - das unterstützen wir - die Seehafenlasten von Bremen und Hamburg - so ist uns von der Bundesregierung gesagt worden - zur Hälfte der angemeldeten Beträge angesetzt. Nach den Maßstäben, die da zur Anwendung gelangen, müßte Nordrhein-Westfalen verlangen, die Hälfte seiner Sonderlast in Höhe von 1,5 Milliarden DM, d. h. 750 Millionen DM, bei den Bundesergänzungszuweisungen berücksichtigt zu sehen.
Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat im Gesetzgebungsverfahren eine bescheidenere Forderung gestellt. Sie hat ihre Forderung auf 450 Millionen DM begrenzt und zur Begründung dargelegt, daß in dieser Höhe den übrigen Ländern bei der Verteilung des Umsatzsteueraufkommens auf der Basis der sogenannten Deckungsquotenberechnung nach Art. 106 Abs. 3 GG ein Vorteil in gleicher Höhe entsteht. Leider war nicht einmal diese maßvolle Forderung mehrheitsfähig.
Der Bundesrat hat allerdings die Problematik dieser Haushaltslast des Landes Nordrhein-Westfalen erkannt und ohne Gegenstimmen in einer Entschließung die Bundesregierung aufgefordert, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß das Land NordrheinWestfalen bei seinen Leistungen des Drittelanteils an seinen Kohlelasten, insbesondere bei der Kokskohlebeihilfe, entlastet wird. Ich habe mich im Bundesrat am 10. Juli dieses Jahres für diese Unterstützung bedankt. Ich möchte heute darum bitten, daß auch der Deutsche Bundestag dieses Votum des Bundesrates aufgreift. Es muß nun wirklich ein Ende damit haben, daß das Land Nordrhein-Westfalen mit diesem berechtigten Anliegen immer wieder vom Bund an die Länder und umgekehrt von den Ländern an den Bund verwiesen wird.
({1})
Wiederholte Bemühungen, den Bund zu einer Entlastung des Landes bei der Finanzierung der Kohlelasten zu bewegen, sind ohne Erfolg geblieben. Der Bundesminister für Wirtschaft hat zuletzt mit Schreiben vom 12. Januar 1981 - deshalb hat das nichts mit Parteipolitik zu tun, sondern geht um das Verhältnis von Bund und Land Nordrhein-Westfalen; das war schon bei der alten Bundesregierung so, mit Graf Lambsdorff als Wirtschaftsminister - die Forderung des Landes an den Bund auf Entlastung bei der Kokskohlebeihilfe abgelehnt und u. a. ausgeführt:
Ich verstehe andererseits, daß das Land Nordrhein-Westfalen sich bemüht, die besonderen finanziellen Lasten aus der heimischen Steinkohle auf mehr Schultern zu verteilen. Die Bemühungen der Kohleländer sollten dabei auf die übrigen Bundesländer gerichtet werden, wobei eventuell an eine Entlastung im Rahmen des Länderfinanzausgleichs zu denken wäre.
Wir wissen heute, daß das im Länderfinanzausgleich nicht möglich ist. Aber bei der Verteilung der Bundesergänzungszuweisungen hätte dies möglich gemacht werden können.
Wenn der Bund diesen Weg nicht für richtig hält, so ist er konsequenterweise gehalten, dem Land auf direktem Wege zu helfen. Der Bund hat sich sogar seit 1961 - davon haben Sie nicht gesprochen, Herr Abgeordneter Grünewald, obwohl Sie die Unterlagen von uns seit Ende August haben - mit der Heizölsteuer eine Quelle erschlossen, die ihm zweckgebundene Einnahmen zufließen läßt. Ursprünglich war die Zweckbindung dieser besonderen Steuer auf Maßnahmen zur Anpassung des Steinkohlebergbaus an die veränderte Lage auf dem Energiemarkt, insbesondere zur Vermeidung sozialer Härten, ausgerichtet.
({2})
Dabei ergab sich in einigen Jahren die groteske Situation, daß die Einnahmen aus der Heizölsteuer um ein Mehrfaches höher waren als die gesamten Leistungen des Bundes für die Steinkohle, bis zum Vierfachen.
({3})
Deshalb mußte die Zweckbindung im Jahre 1971 auf die, wie es heißt, „Finanzierung allgemein notwendiger energiewirtschaftlicher Maßnahmen" ausgedehnt werden.
Dazu hat die Bundesregierung 1971 in der Gesetzesbegründung ausgeführt:
Für energiepolitische Maßnahmen werden auch in Zukunft erhebliche finanzielle Mittel erforderlich sein. Im Vordergrund stehen dabei die Maßnahmen zugunsten des Steinkohlebergbaus.
Die formale Ausdehnung der Zweckbindung, die nötig war, weil ein Mehrfaches an Aufkommen gar nicht für die Kohle verbraucht wurde, hat also nichts daran ändern sollen, daß die Einnahmen aus dieser Steuer der deutschen Steinkohle die Anpassung an die veränderte Energiemarktlage erleichtern sollen. An dem Aufkommen der Heizölsteuer beteiligte und beteiligt der Bund Nordrhein-Westfalen weiterhin nicht, obwohl es ein Drittel der Gesamtlasten für die Steinkohle zu tragen hat.
Der Bund hat für die Kohle bis einschließlich 1986 28 649 500 000 DM gezahlt und bis einschließlich 1986 aus der Heizölsteuer eine Einnahme von 20 616 300 000 DM gehabt. Das heißt, aus der Bundeskasse sind 8 033 200 000 DM geflossen. Unser Land hat nicht ein Drittel gezahlt, sondern wir haben
Minister Dr. Posser ({4})
fast zwei Drittel aus Haushaltsmitteln gezahlt und der Bund fast nur ein Drittel. So ist die Lage.
({5})
Damit ist Ihre Frage beantwortet. Es stimmt ja nicht.
Und nun erklären Sie weiter, jedes Land habe seine Sonderlasten. Wir haben ja die erste Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht gehabt. Kein Land - kein Land! - hat eine Sonderlast dieses Ausmaßes nennen können. Der in der Finanzverfassung - im X. Abschnitt des Grundgesetzes - verankerte Grundsatz der Ausgewogenheit von Lastenverantwortlichkeit und Finanzkraft wird eklatant verletzt, wenn ein Land mit höchstens noch durchschnittlichen Steuereinnahmen über einen längeren Zeitraum hinweg derartige Sonderlasten, inzwischen - wenn man den Entwurf 1988, der in diesem Monat im Landtag verabschiedet werden wird, zugrunde legt - über 17 Milliarden DM, zu tragen hat, ohne daß ihm geholfen wird.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat nach dem Ergebnis der Steuerschätzung vom November 1987 im Jahre 1987 Steuereinnahmen von voraussichtlich 97,5 % des Länderdurchschnitts. Zieht man von den Steuereinnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen die 1,5 Milliarden DM ab, die das Land für die Sicherung der nationalen Energie- und Rohstoffversorgung leisten muß, so verbleiben dem Land zur Erfüllung seiner gesamten sonstigen Aufgaben, wie sie auch in den übrigen Ländern erfüllt werden müssen, nur noch 95 % des Länderdurchschnitts. Das macht überdeutlich, wie weit heute das finanzverfassungsrechtliche System der Aufgaben- und Ertragszuweisung verfremdet wird und daß diese Verfremdungen korrigiert oder kompensiert werden müssen.
({6})
Diesem Anliegen dient der Ihnen vorliegende Antrag, der mit dem Beschluß des Bundesrates in der Aufforderung an die Bundesregierung übereinstimmt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß das Land Nordrhein-Westfalen bei seinen Leistungen für Kohlelasten, insbesondere bei der Kokskohlenbeihilfe, deren Höhe sich aus dem Dollar-D-Mark-Verhältnis ergibt, entlastet wird. Ich bitte dieses Anliegen zu unterstützen. Ich bin erschüttert darüber, daß ich höre, daß die nordrhein-westfälischen CDU-Abgeordneten auch diesen Antrag, der noch nicht einmal quantifiziert ist, der nur Verhandlungen zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen einleiten soll, nicht unterstützen werden.
({7})
Nehmen Sie sich mal an anderen Abgeordneten aus anderen Ländern ein Beispiel!
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Meyer zu Bentrup.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jedes Bundesland hat bei der Neureglung des Länderfinanzausgleichs einen Anspruch auf eine faire Berücksichtigung seiner berechtigten Interessen. In monatelangem Ringen wurde - über Parteigrenzen hinweg - eine verfassungsfeste und mehrheitsfähige Lösung zur Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern gefunden. Ich muß den Vorwurf zurückweisen - er kam eben auch in Ihrer Frage, Frau Kollegin Matthäus-Maier, zum Ausdruck - , daß wir CDU-Abgeordneten Nordrhein-Westfalens die Loyalität zur Partei über das Wohl des Landes und gegen die Interessen von Nordrhein-Westfalen gestellt haben.
({0})
Hier ist einiges klarzustellen: Herr Finanzminister Posser hat nur von den Nachteilen gesprochen, verschweigt aber, daß Nordrhein-Westfalen durch die Neuregelung 300 Millionen DM pro Jahr gewinnt und damit den größten Vorteil aller Länder aus dieser Neuordnung hat.
({1})
Herr Finanzminister Posser verschweigt, daß Nordrhein-Westfalen in seiner Finanzkraft nahe an der Schwelle des Länderdurchschnitts steht und damit bessergestellt ist als z. B. Niedersachsen oder Schleswig-Holstein.
({2})
Herr Finanzminister Posser hat mit fragwürdigen Argumenten hier einen Kampf um die Besserstellung Nordrhein-Westfalens geführt, und zwar um 100 Millionen DM, wenn ich das Ihren Ausführungen richtig entnommen habe.
({3})
Aber wir dürfen nicht verschweigen, daß während Ihrer Regierungszeit die Gesamtverschuldung des Landes Nordrhein-Westfalen von 1980 mit 39 Milliarden DM auf die gigantische Höhe von 100 Milliarden DM im Jahre 1988 steigen wird.
({4})
Durch diese Schuldenwirtschaft in meinem Bundesland Nordrhein-Westfalen werden heute pro Monat 532 Millionen DM allein an Zinslasten zu zahlen sein.
({5})
In diesem Jahr sind das allein 6,4 Milliarden DM Zinsen oder 10, 7 % des gesamten Haushaltsvolumens. 1980 lag die Quote noch bei 3,8 %. Von 3,8 % auf 10,7 To - das ist eine explosionsartige Steigerung.
({6})
Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie unterbreche, Herr Redner. Zwischenrufe sind ja das Salz in der Suppe der Debatte. Aber alle zusammen kann kein Mensch mehr hören, weder die Stenographen noch der Redner. Ich wäre deswegen
Vizepräsident Cronenberg
dankbar, wenn Sie sich ein bißchen mäßigten. Dann hat der eine oder andere auch die Chance, daß sein Zwischenruf gehört wird.
Herr Präsident, deswegen bin ich etwas deutlicher. Ich akzeptiere gern den Widerspruch, aber es geht hier um bestimmte Wahrheiten.
({0})
Unter dem Finanzminister Posser sind die Schulden so gestiegen, daß in der Tat die Landesregierung unter Johannes Rau jetzt handlungsunfähig wird, der Handlungsspielraum in Nordrhein-Westfalen immer geringer wird.
Vor diesem Hintergrund ist es mehr ein Ablenkungsmanöver von den eigenen Schwierigkeiten in meinem Bundesland Nordrhein-Westfalen, wenn hier um 100 Millionen DM gestritten wird.
Wenn von der SPD aus meinem Bundesland Nordrhein-Westfalen versucht wird, im Kontext mit dem Finanzausgleich und im Vorfeld der Kohlerunde die Leistungen für die Kohlelasten - so Ihr Entschließungsantrag - auf den Bund abzuschieben, dann müssen wir hier sagen, daß es nicht in das Finanzausgleichsgesetz gehört.
({1})
Ich habe sehr wohl Verständnis dafür, daß hier Nordrhein-Westfalen bei diesen Kohlelasten nicht allein gelassen sein will.
Die Kohleproblematik kann nur im Zusammenwirken aller gelöst werden. Das gilt für Bund und Bundesländer, das gilt insbesondere für Bund und Kohle-länder. Es ist für Nordrhein-Westfalen politisch eher schädlich als nützlich, daß jetzt der Versuch unternommen wird, auch aus dieser Verantwortung für Kohle aus dem Lande Nordrhein-Westfalen auszusteigen. Es wäre ein fataler Doppelausstieg, neben dem Ausstieg aus der Kernenergie jetzt auch den Ausstieg aus der Kohle vorzunehmen.
({2})
Was bleibt dann von der „absoluten Kohlevorrangpolitik ", auf die die Landesregierung von NordrheinWestfalen und die Sozialdemokraten immer stolz gewesen sind?
({3})
Gestatten Sie eine Zwischenfragen des Abgeordneten Brück?
Ja, eine.
Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Kollege, würden Sie mir zustimmen, daß die Erhaltung der Kohle als nationale Energiereserve auch eine nationale Aufgabe und damit Aufgabe des Bundes ist?
({0})
Es ist eine nationale Aufgabe, Herr Kollege, aber die Eigenverantwortung der Bundesländer kann hier nicht einseitig auf den Bund abgeschoben werden. Ich habe ganz bewußt darauf hingewiesen.
({0})
- Ich möchte gerne weiterreden, Herr Kollege Poß. Sie haben vorhin eine lange Redezeit gehabt; da hätten Sie alles unterbringen können.
Lassen Sie mich noch einmal einige grundsätzliche Bemerkungen machen: Wer in Zeiten knapper Kassen glaubt, er könne den energiepolitischen Konsens aufkündigen, ohne die Kohle zu schädigen, geht an den Realitäten der Finanz- und Energiepolitik vorbei. Wer behauptet, der Bund komme seiner Verantwortung für die Bewältigung des Strukturwandels nicht nach, stellt die Tatsachen auf den Kopf.
Der Bund und die Verbraucher haben den deutschen Steinkohlebergbau seit 1983 mit 25 Milliarden DM unterstützt. Die Länder haben weitere 5 Milliarden DM dazugetan. In aller Bescheidenheit müssen wir hier sagen: Wir haben damit für die Kohle in dieser Regierungszeit mehr getan, als irgendeine Regierung davor es geleistet hat.
({1})
Als CDU-Abgeordneter aus Nordrhein-Westfalen - Sie haben das vorhin immer angesprochen - möchte ich sagen: Auch für die Strukturanpassung im Stahlbereich haben wir mehr getan als alle Bundesregierungen vor uns. Ich erwähne nur: 2,6 Milliarden DM Strukturverbesserungsbeihilfen, weit über i Milliarde DM soziale Anpassungsbeihilfen, Leistungsverbesserungen bei Wartegeld, Umschuldungsbeihilfe und Kurzarbeitergeld.
Wer da von „Austrocknen" und „Aushungern" Nordrhein-Westfalens spricht, stellt diese Tatsachen und die Zahlen auf den Kopf. Nordrhein-Westfalen wird vom Bund fair behandelt. Ich werde mich dafür einsetzen, daß die auf Bund und Land zukommenden Anpassungslasten beim Strukturwandel auch im Montanbereich ausgewogen und für beide Seiten tragbar verteilt werden.
Wir wollen aber nicht, daß die sozialdemokratische Landesregierung meines Bundeslandes aus dieser elementaren Verantwortung entlassen wird. Wir wollen Nordrhein-Westfalen nicht im Stich lassen, aber es darf auch keinen SPD-Ausstieg aus der Verantwortung geben. Wir werden Nordrhein-Westfalen auch weiterhin unterstützen.
Vielen Dank.
({2})
Bevor ich Ihnen das Wort gebe, Frau Abgeordnete Beck-Oberdorf, möchte
Vizepräsident Cronenberg
ich es nicht versäumen - ich nehme an, daß es Ihre erste Rede nach der Geburt Ihrer Tochter ist - , Ihnen herzlich zur Geburt zu gratulieren.
({0})
Nun gebe ich Ihnen gerne das Wort.
Das ist aber eine nette neue Gepflogenheit des Hauses.
({0})
- Das kann ja noch kommen. Sie machen ja so eine gute Mütterpolitik. Wenn dabei noch etwas mehr herausspringt, wird es vielleicht noch mehr Kinder geben.
({1})
Es ist eine etwas schwierige Situation, jetzt hier quasi als Patriotin aufzutreten, jeder oder jede für ihr oder sein Land, und nun in das große Gejammer darüber einzutreten, welchem Land es nun am schlechtesten geht. Wir haben nun schon gehört, Niedersachsen hat eine katastrophale Finanzsituation, das Saarland hat hier bis jetzt noch nicht gesprochen, wird aber das gleiche reklamieren;
({2})
Herr Dohnanyi hat sehr überzeugend dargelegt, daß es ein Ausbluten der Städte gibt. Und nun kommen wir aus Bremen. Wir werden Ihnen jetzt erzählen, daß es uns noch schlechter als all den anderen geht.
Ich gebe zu, daß das natürlich von vornherein etwas von der Glaubwürdigkeit wegnehmen kann, aber es ist einfach so. Die Finanzsituation Bremens ist in der Tat noch viel dramatischer als die der angeführten Beispiele. Insofern kann die Beschreibung „Land unter in Bremen" kaum treffender sein. Bei uns in Bremen geht nichts mehr, wenn sich im Wege der Umverteilung nicht etwas ändert.
Wenn wir GRÜNEN in der Debatte um IWF und Dritte-Welt-Problematik immer gefordert haben, jetzt endlich zu radikalen Lösungen zu kommen und nicht nur über Zinsmoratorium, sondern über radikalen Schuldenerlaß zu reden, so kann ich hier prophezeien, daß wir in einigen Jahren vielleicht hier sitzen werden und über solche Maßnahmen reden müssen, die für Bremen notwendig werden, weil sich der Schuldenberg für dieses kleine Land Jahr für Jahr so überproportional auftürmt, daß dann Herr Wedemeier vielleicht ähnliche Forderungen an den Bund stellen wird, damit er in seinem Land überhaupt noch Politik machen kann. Wie Sie wissen, hat zu Ihrer aller Erstaunen Herr Herrhausen inzwischen solche Vorschläge für nicht ganz abwegig erklärt. Also mal gucken, was da noch kommt!
Wenn man sich die Debatte vom September anschaut, sieht man, daß da das passiert ist, was auch hier im Hause immer ausgesprochen unerfreulich ist, nämlich daß auf ganz demagogische und billige Art und Weise Schuldzuweisungen vorgenommen werden. Herr Neumann, CDU-Abgeordneter aus Bremen, hat dort so getan, als sei das ehemals blühende Land Bremen der 60er Jahre durch die SPD-Politik und durch Herrn Koschnick in den Ruin geritten worden.
({3})
Diese Art von Niveau sollten Sie sich selbst eigentlich schenken, meine Herren.
({4})
Das ist natürlich ausgesprochen billig, weil Sie alle es eigentlich besser wissen. Ich kann nur hoffen, daß Sie es besser wissen, daß der Niedergang von alten Industrien in bestimmten Regionen - hier sind es Stahl und Werften -,
({5})
die die nördlichen Länder anders betroffen haben als die südlichen Länder, natürlich nicht hausgemacht gewesen sind. Es ist unsinnig, so zu tun, als ob ein kleines Bundesland nun alle Macht hätte, politisch gegen Strukturverwerfungen zu steuern, die sich auf viel höherer Ebene abspielen. Insofern ist das - das müssen Sie zugeben - einfach platte Demagogie. Sie müssen zugeben, daß auch CDU-regierte Länder, z. B. Ostfriesland, eklatant hohe Arbeitslosenzahlen haben, daß auch dort die Werften kaputtgehen und daß auch das Land Schleswig-Holstein in keiner Weise besser dran ist als das SPD-regierte Land Bremen.
({6})
Insofern möchte ich bitten, von diesen billigen Schuldzuweisungen Abstand zu nehmen.
({7})
Auch die von Herrn Neumann angeführte Verschwendungssucht im öffentlichen Dienst in Bremen ist so ein unhaltbarer Vorwurf. Es hat zwar Anfang der 70er Jahre einen Ausbau der öffentlichen Leistungen in hohem Maße gegeben, aber natürlich ist es da in Bremen auch die CDU als Oppositionspartei gewesen, die den Ausbau öffentlicher Leistungen gefordert hat. Aber jetzt tut sie so, als ob sie damit nichts mehr zu tun haben will. Nun braucht sie ja auch keine Angst davor zu haben, daß sie dieses Land und die Aufgaben, die sich dort stellen, übernehmen müßte - davon sind sie seit dem 13. September weiter denn je entfernt -,
({8})
aber auch hier möchte ich diese billige Art von Schuldzuweisungen einfach zurückweisen. Wir können nämlich belegen, daß sich die Personal- und Sachausgaben in Bremen seit 1979 überproportional reduziert haben, und insofern ist Bremen ein Land, das tatsächlich anfängt, zum Armenhaus der Nation zu werden, was die Schuldzuweisung anlangt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Grünewald?
Ja.
Bitte schön, Herr Dr. Grünewald.
Stimmen Sie mir zu, Frau Kollegin, daß Strukturkrisen nicht wie ein Unwetter über ein Land kommen,
({0})
daß sie vielmehr der politischen Gegensteuerung bedürfen und daß, wenn das nicht so wäre, alle Landesparlamente und alle Landesregierungen überflüssig wären?
Da stimme ich Ihnen zu.
({0})
Herr Dr. Grünewald, würden Sie sich - den Sitten des Hauses gemäß - die Antwort stehend anhören.
({0})
Ich will das gleich aufnehmen: Wenn wir als GRÜNE nicht andere Vorstellungen auch als die SPD hätten, könnten wir ja gleich zu ihr übertreten. Diese Debatte wird sehr wohl geführt. Wir meinen, daß Strukturkrisen nicht in richtiger Weise entgegengewirkt und daß auch nicht ausreichend vorausschauende Politik gemacht wurde, sondern nur das Alte bewahrt worden ist. Trotzdem ist es zu billig, so zu tun, als ob man nun auf der kleinen landespolitischen Ebene alles schon besser hätte machen können, wenn sich im Nachbarland genau das gleiche abspielt. Vergleichen Sie doch einmal die Werftenpolitik Schleswig-Holsteins mit der Bremens! Da sind eben die großen Unterschiede nicht zu finden. Und dagegen wende ich mich.
({0})
Ich möchte hier jetzt auch keine Laudatio auf die SPD-Politik in Bremen halten.
({1})
Nur, wir sind uns einig darin, daß wir uns in Bremen über den Fortgang und über die Gestaltung der Politik nicht einmal mehr streiten können, wenn nicht endlich das Geld rüberkommt. Denn sonst können wir dort über unterschiedliche Wege gar nicht mehr argumentieren.
({2})
Herr Grobecker wird in einiger Zeit einen Nothaushalt für Bremen auflegen müssen. Das bedeutet eben, daß es weniger oder überhaupt kein Geld für Zukunftsinvestitionen mehr gibt; das zeichnet sich ab. In wirtschaftspolitischen Aktionsprogrammen werden jetzt die Teile weggestrichen werden, die gerade ökologische Investitionen betreffen.
({3})
Auch wird es eben keinen Einstieg in die bitter notwendige Strukturpolitik im Bereich Werften und Schiffahrt geben, die über kosmetische Korrekturen hinausgeht. Dann wird eben nur das herauskommen, was von Herrn Lambsdorff hier immer so euphemistisch Gesundschrumpfen genannt wird, was eben nichts anderes ist als ein Kaputtgehenlassen dieser alten Industrien. Daß wir GRÜNEN uns dagegen mit aller Vehemenz wehren, haben wir in anderen Debattenbeiträgen, speziell zu Werften oder Stahl, in diesem Hause ja schon dargelegt.
({4})
Die jetzt vorgelegte Neuregelung im Länderfinanzausgleich ist unseres Erachtens ohnehin nur ein Provisorium. Denn wir sind fest davon überzeugt, daß die hier gewonnenen mageren Spielräume für die finanzschwachen Länder immer wieder aufgefressen werden. Das wird jetzt - dazu ist meines Erachtens heute morgen viel zu wenig gesagt worden - durch die Steuerreform geschehen. Die Steuerreform wird das, was Bremen bekommt, dicke wieder auffressen. Insofern wird sich dieses Haus natürlich recht bald mit Vorschlägen, wie sie von uns gebracht worden sind, ernsthafter befassen müssen, nämlich tatsächlich mit ganz neuen Strukturansätzen im Länderfinanzausgleich und im Ausgleich zwischen dem Bund und den Ländern, in denen Strukturmerkmalen, z. B. Arbeitslosigkeit oder den daraus entstehenden Sozialhilfelasten, tatsächlich ganz anders Rechnung getragen wird.
Im Interesse der kurzfristigen Erweiterung der bremischen Handlungsspielräume unterstützen wir hier jedoch die Forderung der bremischen SPD und des Senats sowie der SPD-Fraktion in diesem Hause, die Haushaltsnotlage für Bremen anzuerkennen und eine Gleichbehandlung mit dem Saarland vorzunehmen. Da Herr Grobecker hier nun nicht selbst sprechen wird, möchte ich ihn gern zitieren. Denn ich finde es ausgesprochen treffend - das kann kaum treffender gemacht werden -, wenn er immer sagt: Die Haushaltsnotlage bekomme ich in Karlsruhe schon vom Pförtner zugesprochen. Ich gehe davon aus, daß das genau das ist, was passieren wird. Es wird einen neuen Gang vor den Kadi geben. Es ist völlig unersichtlich, wie Sie argumentieren wollen, daß Sie dem Saarland diese Haushaltsnotlage nicht nur zugestehen, sondern auch alimentieren, dem Land Bremen aber, das nachweislich wesentlich schlechtere Finanzdaten hat, dieses Geld nicht zugestehen wollen. Wie Sie das dort argumentativ aufrechterhalten wollen, ist mir völlig unerklärlich.
({5})
Es kann perspektivisch nicht angehen, daß die immer stärker auseinanderklaffenden Lebensbedingungen zwischen Nord und Süd, die eben, wie gesagt, nicht nur hausgemacht sind, allein dem Ausgleich zwischen den Ländern zugeschoben werden. Das
überfordert die mögliche Ausgleichskraft der Länder. Auch darf das Schicksal einzelner Gebiete nicht dem Gezerre der Länder unterworfen werden, wie man das hier dann sieht, sondern hier ist der Bund stärker in die Pflicht zu nehmen. Die Bundesergänzungszuweisungen werden meines Erachtens eine immer größere Bedeutung in diesem Finanzausgleich bekommen, wenn dem Verfassungsauftrag des Ausgleichs Rechnung getragen werden soll.
Es ist - auch das ist schon oft gesagt worden -schlichtweg ein Skandal, wenn jetzt nichts anderes passiert, als daß Herr Stoltenberg zusammen mit Herrn Albrecht einen Länderfinanzausgleich nach Parteibuch hinbastelt. Anders ist es hier nicht gelaufen.
Wir unterstützen also die hier eingebrachten Forderungen und Anträge, die Haushaltsnotlage Bremens anzuerkennen und Bremen einen Nachschlag von 75 Millionen zu gewähren.
Mit der geforderten Erhöhung einer sogenannten Einwohnerwertung haben wir - auch das haben wir in internen Gesprächen dargelegt - durchaus Probleme, weil wir davon ausgehen, daß eine Politik, die die Städte als Oberzentren so sehr stärkt und die Landgebiete in ihrer untergeordneten Situation beläßt, sehr problematisch ist. Große teure Opern und derlei sind zwar sehr schön, aber gerade in Beziehung auf das problematisch, was den ländlichen Gebieten an kulturellen Angeboten gemacht werden soll. Insofern haben wir Vorbehalte. Doch auch hier stimmen wir zu, weil wir in Bremen im Augenblick - um es ganz platt zu sagen - das nehmen müssen, was wir kriegen können.
Aber wir gehen davon aus, daß insgesamt neue Strukturen im Finanzausgleich angepackt werden müssen, wie wir es in unserem Gesetzentwurf dargestellt haben.
({6})
Das Wort hat der Präsident des Senats und Bürgermeister des Landes Bremen, Wedemeier.
Präsident des Senats Wedemeier ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um vorweg einige Fragen zu beantworten: Frau Beck-Oberdorf sitzt nicht im Kabinett in Bremen.
({1})
Aber Sie setzt sich trotzdem vehement für Bremen ein. Dafür bedanke ich mich.
Ich mache zwei Vorbemerkungen.
Zum einen: Sehr geehrte gnädige Frau Breuel, Sie haben gesagt, Niedersachsen habe eine bessere wirtschaftliche Entwicklung als Hamburg und natürlich auch Bremen. Ich will dazu nur sagen: Das ist auch deshalb so, weil Ihnen Hamburg und Bremen 200 000 Menschen abnehmen, die bei uns Arbeit finden und deren Arbeitsplätze von Hamburg und Bremen finanziert worden sind,
({2})
und weil wir für Ihre Menschen im Umland der Großstädte Krankenhäuser, Schulen usw. zur Verfügung stellen. Mehr dazu nicht.
Wie Sie darauf kommen, zu sagen, alle Länder seien Sieger, verstehe ich überhaupt nicht. Aber das kann ja Ihr Geheimnis bleiben.
Herrn Dr. Meyer frage ich:
({3})
- Entschuldigung; ich habe den Adelstitel vergessen.
- Sie haben von einem Kompromiß über Parteigrenzen hinweg gesprochen. Ich frage: Wie viele Parteien gibt es eigentlich in der CDU? Sie haben doch den Kompromiß ganz allein gemacht. Über welche Parteigrenzen hinweg ist denn dieser Kompromiß gemacht worden? Vielleicht zwischen CDU und CSU? Aber es hat ja eine Sitzung des CDU-Präsidiums stattgefunden. Da müssen Sie sagen: Über alle Gruppen in der CDU hinweg haben wir den Kompromiß gemacht. Das wäre richtig gewesen.
({4})
Nun zitiere ich auch für das Protokoll kurz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts:
Der Länderfinanzausgleich wird dem freien Aushandeln der Länder untereinander entzogen und in die Verantwortung des Bundesgesetzgebers - hier mit Zustimmung des Bundesrates - gegeben, der als solcher den Ländern insgesamt
- Herr Bundesminister gegenübersteht und ihnen gegenüber zur Bundestreue verpflichtet ist. Zum anderen wird er darüber hinaus nicht einfach der freien politischen Gestaltung des Bundesgesetzgebers überlassen, sondern gewissen normativen Vorgaben unterstellt ... Diese Bindungen und Vorgaben schließen politische Verhandlungen zwischen allen Beteiligten
- allen Beteiligten! nicht aus, ebensowenig ein Zusteuern auf Verständigung und Kompromiß. Der Bund darf sich in diesen Verhandlungen auch durchaus als ehrlicher Makler betätigen. Letztlich wird allerdings der Bundesgesetzgeber von der Verfassung in die Pflicht genommen. Der Bund darf sich nicht etwa damit begnügen, politische Entscheidungen einer Ländermehrheit ohne Rücksicht auf deren Inhalt zu beurkunden.
Und genau das, Herr Bundesminister Stoltenberg, haben Sie getan. Sie haben die politische Entscheidung einer Mehrheit der CDU/CSU-regierten Länder oder einer Mehrheit im Präsidium schlicht beurkundet. Es gab zunächst den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Auch er war für uns nicht ausreichend. Dann gab es Verhandlungen im Bundesrat. Da waren die A-Länder, die sozialdemokratischen Länder, noch beteiligt. Da hat es Kompromisse gegeben: Die einen waren dafür, die anderen dagegen. Das war übrigens noch über Parteigrenzen hinweg. Da war es noch so weit.
Präsident des Senats Wedemeier ({5})
Dann kam plötzlich hinzu, daß die Steuerreform offenbar nicht mehr durchgesetzt werden konnte, weil Herr Vogel - CDU-Vogel - in Rheinland-Pfalz versprochen hatte, er würde nie einer Absenkung des Spitzensteuersatzes zustimmen - das war aber vor der Wahl -, weil umgekehrt Herr Albrecht gesagt hatte, er würde der Steuerreform auch nicht zustimmen, und weil Frau Breuel gesagt hatte: Wer zu dem Ganzen, was der Bund überhaupt macht, geglaubt hat, der Bund werde sich als ehrlicher Makler zwischen den finanzschwachen und den finanzstarken Ländern betätigen, sieht sich durch den Gesetzentwurf des Bundes zur Neuregelung des Länderfinanzausgleichs getäuscht. Es hat eine ganze Menge gekostet, daß Sie heute eine andere Erklärung abgegeben haben. Auf unsere Kosten aber ist Ihnen das bezahlt worden.
({6})
Weil die Steuerreform durchgesetzt werden sollte, hat es dann diesen berühmten Kompromiß gegeben über die Parteigrenzen innerhalb der CDU hinweg. Wir sind darüber über die Presse informiert worden - welch ein Verhalten zwischen Bund und Ländern in so einer wichtigen Frage eigentlich, Länder über die Presse zu informieren -,
({7})
was denn da eigentlich ausgekungelt worden ist.
Dann die Äußerung von Herrn Albrecht im niedersächsischen Landtag, der dann aber so freundlich war
- das muß ich dazu sagen - , uns, Hamburg und Bremen, das Ausgehandelte wenigstens zu geben. So konnten wir zur Ministerpräsidentenkonferenz nach München reisen und wußten sogar, was sie beraten hatten. Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte das auf der Tagesordnung. Die einzigen aber, die eine Vorlage hatten, waren die CDU-Ministerpräsidenten, weil das eine geheime Kommandosache war.
Nun haben wir ein Ergebnis im Gegensatz zum Bundesratsergebnis - man muß ja sehen, daß sich die Länder bereits geeinigt hatten -, bei dem die nichtCDU/CSU-regierten Länder eben schlicht auf der Strecke bleiben. Das ist es.
({8})
Sie mußten Ihre Mehrheiten in der Partei sichern. Das hat ein paar hundert Millionen DM gekostet. So ist es gewesen.
({9})
Daß Sie die nicht-CDU/CSU-regierten Länder außen vorgelassen haben, ist auch ganz bewußt geschehen. Das wissen wir ja.
Ich habe hier bereits am 9. September zu dem Thema Stellung genommen. Als ich gesagt habe:
Föderalismus heißt auch die Existenz der Stadtstaaten sichern
- da ist aus der CDU/CSU der Zuruf gekommen: Die müssen richtig wählen!
Laut Protokoll ein Zwischenruf.
({10})
- Das haben sie gemacht: 23 % CDU. Das haben sie gemacht.
({11})
Was ich aber damit sagen will, ist ja: Es zeigt, welcher Gedanke hinter all der Kungelei steckt, die hier vonstatten gegangen ist. Wir teilen die Republik nicht nach Arm und Reich, sondern wir teilen sie nach Schwarz und Rot. Die Schwarzen bekommen Geld und die Roten nicht. So ist es. Das ist das Problem.
({12})
Meine Damen und Herren, ich lege Ihnen von der CDU/CSU-Fraktion ans Herz - die FDP hat sich ja überhaupt nicht eingeschaltet in die ganze Debatte - : Sie können das so nicht machen. Das kann vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand haben. Die Bundesrepublik und auch die Steuerkasse sind doch keine Selbstbedienungsläden für CDU/CSU-regierte Länder.
({13})
- Ich muß Ihnen sagen: Die ganze Zurückhaltung hat nichts gebracht.
Ich will Ihnen jetzt an einem Beispiel einmal demonstrieren, wie - ich möchte das Wort gerne aufgreifen
- zurückhaltend z. B. die Bremer gewesen sind.
({14})
Wir sind ja nicht darauf aus, unbedingt wieder nach Karlsruhe zu gehen. Es ist ein Armutszeugnis für die gesamte Politik in der Bundesrepublik, für uns, wie aber auch für Sie, wenn wir wichtige politische Entscheidungen dauernd dort ausfechten müssen.
({15})
- Ja, dann müssen Sie aber auch einmal kompromißfähig sein
({16})
und nicht glauben: Wir beschließen mit Mehrheit und die anderen haben es zu fressen.
({17})
- So lebt eine Demokratie nicht, junger Mann.
Jetzt einmal zu zwei Punkten: Sie haben uns - ich beziehe mich jetzt auf den Beschluß des Finanzausschusses - einen Nachteilsausgleich gewährt für die Jahre 1983 bis 1985 in Höhe von 200 Millionen DM verteilt auf zwei Jahre. Richtig nachgerechnet sind es eigentlich 260 Millionen DM. Eigentlich müßten Sie auch 260 Millionen DM hineinschreiben. Es gab einmal eine Phase, da hat uns der Bundesfinanzminister gefragt, ob wir auch mit 200 Millionen DM zufrieden wären. Das war 1986. Damals wollte er ein Vorschaltgesetz machen. Dann haben wir gesagt: Wenn wir das Geld sofort kriegen, sind wir mit 200 Millionen DM
Präsident des Senats Wedemeier ({18})
einverstanden, denn dann sparen wir ja für zwei, drei Jahre Zinsen. Das hat nicht geklappt, weil die CDU das nicht wollte. Jetzt kriegen wir aber nicht die 260 Millionen DM, die uns eigentlich zustehen, sondern nur noch 200 Millionen DM, und wir bekommen das Geld später.
Dann ziehen Sie das mit heran - da hat der Pförtner beim Bundesverfassungsgericht wirklich recht ({19})
und sagen: Weil ihr einen Nachteilsausgleich für die Jahre 1986 und 1987 bekommt, erhaltet ihr keine Beträge für die eingetretene Haushaltsnotlage. Nun muß man sich einmal folgendes vorstellen: Wir mußten in den Jahren 1983 bis 1985 260 Millionen DM aufnehmen, weil wir, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, bei den Bundesergänzungszuweisungen in verfassungswidriger Weise benachteiligt worden sind. Wir mußten damals also zusätzlich 260 Millionen DM an Krediten aufnehmen. Jetzt bekommen wir von den 260 Millionen DM nur 200 Millionen zurück. Wir müßten sie ja eigentlich gleich wieder den Banken zurückgeben, die uns diese 260 Millionen DM damals vorgeschossen haben. Jetzt kommen Sie aber, Herr Vorsitzender, und sagen: Nein, das verbessert eure Einnahmesituation. Deshalb bekommt ihr keine Beträge für den Haushaltsnotstand. Ich kenne eine ganze Reihe von Mitgliedern der CDU-Fraktion - es sind nicht nur Bremer - , die sagen, daß dies eindeutig verfassungswidrig ist. Ein Jurist, der es wirklich ehrlich meint mit seinem Beruf, der muß das auch zugeben.
({20})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Präsident des Senats Wedemeier ({0}): Ja.
Bitte schön, Herr Dr. Grünewald.
Stimmen Sie mir zu, daß die Vorabbeträge, die Sie für den Nachteilsausgleich und auch für die Kosten der politischen Führung bekommen, bei einer Gesamtbetrachtung zumindest temporär zu einer Entlastung des Haushalts in Bremen führen werden,
({0})
und finden Sie dann nicht, daß es gerecht ist, daß wir Ihnen zugesagt haben, insoweit schon für das Jahr 1989 eine neue Überprüfung vorzunehmen?
Präsident des Senats Wedemeier ({1}): Sie wissen doch genau, daß das, was Sie hier sagen, verfassungsrechtlich nicht haltbar ist. Das wissen Sie doch ganz genau.
({2})
Es verbessert die Haushaltslage Bremens überhaupt
nicht, weil wir damals nicht 200 Millionen DM, sondern 260 Millionen DM aufnehmen mußten. Sie haben uns in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Sie wissen, was Sie hier falsch machen. Sie können wegen der fünf zitierten Stellen nur nicht anders. Es darf an keiner Ecke irgend etwas an dem Kompromiß geändert werden, der im CDU-Präsidium ausgehandelt worden ist. Deshalb müssen Sie sich dieser Argumentation, die Sie doch gar nicht tragen können, wenn Sie ernst genommen werden wollen, leider anschließen. Das ist doch Ihr Problem.
({3})
Wir haben ja - lassen Sie mich in der Beantwortung Ihrer Frage fortfahren - auch in diesem Punkt wieder Kompromißfähigkeit bewiesen. Wir wollten nicht unbedingt nach Karlsruhe. Das ist auch nicht unser Anliegen.
({4})
- Ja, das muß man ja. - Wir haben angeboten, daß wir, wenn Sie das, was Sie hier sagen, wenigstens mit Wirkung ab 1989 jetzt im Gesetz festschreiben, in der Sache nicht nach Karlsruhe gehen. Das wird hier alles ignoriert.
({5})
Herr Neumann, Herr Hinrichs, die in Ihrer Fraktion ja auch für Bremen gekämpft haben und die diese Angebote ja auch gemacht haben, werden von Ihnen auch ignoriert.
({6})
Da kann passieren, was will, da können Kompromißangebote gemacht werden, so viele Sie wollen: Sie wollen nichts, weil Sie nicht mehr können. Der Bundesgesetzgeber hat sich vom CDU-Präsidium lähmen lassen.
({7})
Ich denke, das ist einmalig in der Bundesrepublik.
Wir haben im Bundesrat angeboten: Wenn ihr die Einwohnerwertung wenigstens zwischen 140 und 145 anhebt, dann sind wir zufrieden. Es ist zwar nicht das, was wir erwartet haben; man kann ja auch nicht immer bekommen, was man erwartet; das wissen wir alle. Es gibt keine Kompromißfähigkeit mehr auf Ihrer Seite - das ist das Problem - , weil Sie unbedingt eine völlig unsinnige Steuerreform durchsetzen wollen, die die Gemeinden und die Länder ausblutet. Das ist der Grund.
({8})
Die Gelegenheit, das durchzusetzen, haben einige CDU-regierte Länder - da muß ich dem Kollegen Albrecht in der Tat ein Kompliment machen - ganz geschickt genutzt, indem sie gesagt haben: mit uns nicht; wenn, dann müßt ihr das teuer bezahlen. Und es ist teuer bezahlt worden, und zwar zu Lasten der Gemeinsamkeit, die man hier hätte erreichen können.
Präsident des Senats Wedemeier ({9})
Ein letztes Wort: Was mich verbittert, Herr Bundesminister, Sie sollten auch nach dem Urteil in Karlsruhe der ehrliche Makler zwischen den Beteiligten sein.
({10})
Natürlich brauchen die beteiligten Länder einen ehrlichen Makler. Das hätten nur Sie sein können. Aber auch Sie haben sich nicht als solcher betätigt, sondern auch Sie haben sich diesem Diktat unterworfen und unterschreiben das, was da ausgehandelt worden ist, obwohl das - das wissen wir doch - , was hier heute beraten werden soll, nicht Ihrer Meinung entspricht.
Meine Damen und Herren, wenn Sie so mit den Ländern umgehen - das, was Sie hier machen, wirkt sich ja alles auf Menschen aus - , wenn wir hier weniger Geld haben, dann wundern Sie sich nicht über das, was draußen bei den Wahlen am Ende passiert.
({11})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Dr. Stoltenberg.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den aufschlußreichen Tatbeständen dieser Debatte gehört, daß keiner der leidenschaftlichen, zum Teil - auch das muß man sagen - auch polemischen Kritiker des vorliegenden Entwurfes einmal auf die zugrunde liegenden Zahlen eingegangen ist. Wir reden über Finanzausgleich. Es hätte der Klärung der Sachverhalte gedient, wenn schon früher die Kritik nicht mit willkürlichen, in vielen Fällen auch - bei Herrn Wedemeier und Herrn Dohnanyi - nachweislich falschen Behauptungen begründet wäre, sondern mit einem Vergleich der Zahlen der Vorlage, über die heute abgestimmt wird.
({0})
- Ich möchte jetzt einmal zu den Tatsachen kommen, Herr Kollege Vogel.
Nach den jüngsten Berechnungen im Bundesfinanzministerium ist es so, daß die durch die heute zur Entscheidung anstehende Vorlage zehn von elf Ländern eine finanzielle Besserstellung erfahren - alle die, die hier wild polemisiert und sich beschwert haben - , während ein einziges Bundesland schlechter gestellt wird. Das einzige Bundesland, das gegenüber geltendem Recht - dies ist eine Konsequenz der Entscheidung des Verfassungsgerichts - finanziell verliert, ist Bayern. Bayern hat in dem Ausschuß des Bundesrates der Vorlage zugestimmt.
({1})
- Wir korrigieren jetzt, was in sozialdemokratischer Regierungsszeit lange hingenommen wurde,
({2})
wie vieles, über das Sie sich hier beschweren, Herr Apel. ({3})
Was macht es denn für einen Sinn, daß Sie hier leidenschaftlich Beifall klatschen, wenn sich Herr Posser über die angebliche Ungerechtigkeit der Kohlelast und darüber beschwert, daß allein der Bund die Heizölsteuer bekommt, und die Sozialdemokraten 1971 die Zweckbindung für die Kohle aufgehoben haben?
({4})
Das ist doch alles in höchstem Grad absurd und unredlich. Sie sind damals Mitglied des Deutschen Bundestages gewesen, Herr Apel.
Aber ich möchte jetzt zur Sache zurückkommen. Bayern verliert gegenüber dem bisherigen Rechtszustand im Jahr 1988 321 Millionen DM. Das ist Ausdruck der Tatsache, daß Bayern durch eigenständige Wirtschaftskraft eine insgesamt erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung aufweist und sich in seiner Finanzkraft gebessert hat. Daß wir daraus die Konsequenz ziehen, zeigt schon diese Zahl. Es war unser Bestreben, die Urteilsgründe des Bundesverfassungsgerichts in allen Diskussionen und Entscheidungen ernst zu nehmen. Alle anderen zehn Länder gewinnen.
Nach diesen merkwürdigen verbalen Exzessen von der Bundesratsbank will ich jetzt doch einmal die Zahlen für die einzelnen Länder nennen.
({5})
- Also, ich muß Sie wirklich bitten, Herr Vogel, hier zu den Mindestformen des Anstandes zurückzukehren. Es ist unerhört, was Sie hier machen!
({6})
Ich muß Ihnen das wirklich sagen.
Herr Bundesminister, ich möchte den Versuch unternehmen,
({0})
die notwendige Ruhe im Haus wieder herzustellen.
({1})
- Das gilt auch für den Abgeordneten Roth.
Meine Damen und Herren, der Redner fährt jetzt fort.
Wissen Sie, was aus Ihren Worten spricht, ist der blanke
Haß. Ich mißbillige ganz entschieden, was Sie hier machen. Ganz entschieden!
({0})
- Ich glaube, Sie sind an der Reihe, Herr Kollege Vogel, hier eine klarstellende Äußerung zu machen.
({1})
Ich komme jetzt zur Debatte und zu den Zahlen zurück. Die Zahlen erregen Sie wahrscheinlich auch. Baden-Württemberg wird gegenüber geltendem Recht um 41 Millionen DM besser gestellt, Hessen um 71 Millionen DM, Niedersachsen um 24 Millionen DM jährlich, Nordrhein-Westfalen um 300 Millionen DM, Rheinland-Pfalz um 62 Millionen DM, das Saarland um 87 Millionen DM, Schleswig-Holstein um 80 Millionen DM, die Hansestadt Bremen um 134 Millionen DM ohne den Nachteilsausgleich, der befristet ist,
({2})
und Hamburg um 65 Millionen DM.
Ich weiß natürlich, meine Damen und Herren, aus den intensiven Gesprächen, die ich seit dem letzten September immer wieder mit den Finanzministern der Länder und auch mit vielen Ministerpräsidenten geführt habe - natürlich nicht nur, Herr Wedemeier, mit denen der CDU/CSU, sondern auch mit denen sozialdemokratisch geführter Länder, damit hier keine Legendenbildung betrieben wird - , daß fast alle Länder - das galt für unionsgeführte genauso wie für SPD-geführte Länder - viel weitergehendere Vorstellungen an die Neugestaltung des Finanzausgleichs zu ihren Gunsten hatten.
Nur, dies ging innerhalb der Länder nicht auf. Es sind Forderungen gestellt worden, die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht gedeckt werden. Es sind auch hier mit großer Polemik Behauptungen gegen uns aufgestellt worden, die im Bereich der Länder selber überhaupt keine Unterstützung gefunden haben. In den Gesprächen, an denen ich teilgenommen habe, - ich habe meine Mitarbeiter noch einmal gefragt; sie bestätigen das -,
({3})
ist die von Herrn von Dohnanyi erneut mit dem Vorwurf verfassungswidrigen Verhaltens gegen uns vorgetragene Behauptung, die Nicht-Anhebung der Einwohnerwertung sei ungerecht, von keinem einzigen Land außerhalb Hamburgs und Bremens politisch oder verfassungsrechtlich unterstützt worden, weder von CDU-geführten noch von SPD-geführten Ländern. Auch das sollten Sie fairerweise hier sagen, Herr von Dohnanyi, wenn Sie uns und mich persönlich in dieser massiven Weise attackieren.
({4})
Wir haben immer wieder interne Gespräche mit allen Ländern geführt. Aber es gab kein Einvernehmen unter den Ländern. Herr Wedemeier, es ist nicht richtig, wenn Sie gesagt haben, die Länder hätten sich im
Bundesrat am 10. Juli in der ersten Stellungnahme geeinigt.
({5})
- Ich habe das mitgeschrieben aus Ihrer Rede. Ganz unmittelbar, bevor ich das Wort nahm, haben Sie das gesagt - vielleicht in freier Rede.
Die Länder haben sich nicht geeinigt. In entscheidenden Fragen gab es eine Kampfabstimmung, und zwar nicht nach parteipolitischen Fronten. Eine Reihe der von der Union geführten Länder, die finanzstärkeren, haben mit Nordrhein-Westfalen die finanzschwachen Länder überstimmt. Daß diese Mehrheitsbildung als ungerecht empfunden wurde, will ich Ihnen jetzt einfach einmal mit einem Zitat aus dem amtlichen Protokoll des Bundesrates verdeutlichen. Der sozialdemokratische Finanzminister des Saarlandes, der Kollege Kasper, hat als sozialdemokratischer Minister diese Mehrheitsentscheidung als eine bittere Ungerechtigkeit für das Saarland bezeichnet.
({6})
Ich zitiere, weil das einmal wirklich die Dinge richtigstellt, die hier alle behauptet werden. Er hat gesagt:
Völliges Unverständnis müssen wir jedoch bekunden, wenn solche Bemühungen - das ist das Ergebnis der Beratungen des Finanzausschusses - darin enden, daß die im Gesetzentwurf der Bundesregierung erzielten und, wie ich schon aufzeigte, noch unzureichenden Verbesserungen der Finanzausstattung des Saarlandes wieder halbiert werden.
Herr Posser, wenn Sie - ich hab Ihnen das schon einmal in einem persönlichen Gespräch gesagt -, hier als Anwalt der Gerechtigkeit auftreten, dann muß ich Sie fragen: Wie konnten Sie es am 10. Juli vertreten, die Schwächsten in ihrer Gemeinschaft - das Saarland, SPD-regiert, Niedersachsen, Schleswig-Holstein - gegenüber den Entwürfen der Bundesregierung schlechterzustellen?
({7})
({8})
Wenn hier schon von Kungelei geredet wird - das tue ich hier normalerweise mit Blick auf Länder nicht; aber Sie haben ja die Vokabel verwandt -,
({9})
dann möchte ich sagen: Einiges, was hier auf Kosten des Saarlandes und der anderen finanzschwachen Länder geschehen ist, würde eher diesen Ausdruck verdienen, als das, was wir in diesem Zusammenhang verhandelt haben. Weil dies in den Konsequenzen für das Saarland und andere finanzschwache Länder nicht annehmbar war, haben wir in der Tat - das ist wahr - im Sommer, im September und Oktober, in vielen Einzelgesprächen festzustellen versucht, ob es eine gerechtere Lösung gibt.
({10})
- Ja, das Saarland kommt viel besser weg; ich sage Ihnen das gleich. Das Saarland kommt jetzt in der anstehenden Lösung wesentlich besser weg, Herr Kollege, und es erzielt eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem, was am 10. Juli mit den Stimmen Nordrhein-Westfalens vorgesehen wurde. Insofern ist Ihr ironisch gemeinter Zwischenruf in der Sache durchaus zutreffend.
Wir haben in vielen Gesprächen nicht nur mit unionsgeführten Ländern versucht, einen breiteren Konsens zu erzielen. Es ist nicht richtig, wenn hier gesagt wurde, Herr Wedemeier, daß das vorliegende Ergebnis im Präsidium der CDU ausgehandelt wäre. Das Präsidium der CDU hat darüber geredet, weil das auch ein Forum ist, in dem Verantwortliche des Bundes und der Länder sich treffen. Ich lege aber Wert auf die Feststellung, daß die abschließenden Erörterungen für die Vorbereitung des hier zu entscheidenden Konzepts unter Ländern selbst geführt worden sind. Ich sage „unter Länder" ; ich sage nicht „unter allen Ländern".
({11})
- Ja, genauso wie die Mehrheit am 10. Juli unter Ländern ausgehandelt wurde, genauso ist auch dies gewesen; damit hier nicht ein falscher Zungenschlag in die Diskussion hineinkommt.
Herr Minister, Sie gestatten eine Zwischenfrage des Abgeordneten Koschnick?
Ja, bitte sehr.
Herr Bundesminister, Sie sagten eben, unter Ländern sei das Ergebnis ausgehandelt worden. Sie sagen also nicht: mit Beteiligung des Bundes. Genau das hat Ihnen das Bundesverfassungsgericht vorgeworfen, daß Sie nicht Makler sein dürfen, sondern daß wir einen Vorschlag der Bundesregierung brauchen, um eine Lösung zu kriegen.
Das ist aber ein Mißverständnis, Herr Kollege Koschnick. Der Vorschlag der Bundesregierung ist der Gesetzentwurf, den wir im Mai dieses Jahres nach siebenmonatigen Gesprächen mit den Ländern eingebracht haben. Dieser Gesetzentwurf ist von einer Mehrheit im Bundesrat in seiner Stellungnahme so behandelt worden, daß unerträgliche Nachteile, nicht vertretbare Nachteile für besonders schwache Länder entstanden wären. Deswegen hat die Bundesregierung, nachdem sie ihre Gegenäußerung zu der Initiative des Bundesrates abgegeben hat, eine ganze Reihe von Gesprächen geführt, um festzustellen, ob unter ihrer Mitwirkung eine ausgewogenere Lösung möglich ist. Daß aber nach diesen Erörterungen abschließend noch einmal Ländervertreter miteinander gesprochen haben, ist in der Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland in Ordnung.
Ich möchte mich jetzt der Sache zuwenden, Herr Kollege Apel, weil ich die mir noch zur Verfügung stehende Redezeit auch brauche, um auf - ({0})
- „der Sache" heißt: wieder in meinem Gedankengang, wenn ich das hier vielleicht präzisieren darf.
Ich will hier auch ein Zweites sagen. Der Herr Kollege, der Herr Bürgermeister von Dohnanyi hat mit großer Leidenschaftlichkeit gesagt, ich würde die Chancen in Norddeutschland zerstören. Anschließend hat der Kollege Struck erklärt, daß eine große Anzahl von sozialdemokratischen norddeutschen Abgeordneten aus Niedersachsen dem Antrag der SPD nicht zustimmen,
({1})
aber statt dessen dem von Herrn Dohnanyi in so massiver Weise kritisierten Vorschlag, der jetzt zur Abstimmung steht, nicht widersprechen werden.
({2})
- Ich habe das so verstanden, daß hier eine Stimmenthaltung beabsichtigt ist. Ich verstehe diese Haltung der norddeutschen Kollegen aus Niedersachsen. Wenn ich es nicht ganz richtig gesagt habe, wäre ich dankbar, wenn Sie es klarstellen würden.
Herr Kollege Stoltenberg, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß ich für die Reihe der niedersächsischen Abgeordneten folgendes erklärt habe. Wir werden uns bei dieser Abstimmung über den Gesetzentwurf, der uns jetzt vom Finanzausschuß vorgelegt worden ist, der Stimme enthalten;
({0})
aber wir werden natürlich dem Entschließungsantrag
der SPD-Bundestagsfraktion zum Finanzausgleich zustimmen. Wollen Sie das bitte zur Kenntnis nehmen.
Gut, ich bedanke mich für die Richtigstellung. Es gibt einen Entschließungsantrag, es gibt aber auch konkrete Anträge Ihrer Fraktion. Das sind wieder zwei Dinge, nicht wahr; darauf hatte ich mich bezogen.
Nun will ich, weil der Herr von Dohnanyi hier so als der große Anwalt von Norddeutschland aufgetreten ist, Sie darauf hinweisen, daß nach einer Berechnung meiner sachkundigen Mitarbeiter die zur Abstimmung gestellten Anträge folgendes bedeuten. Sie bedeuten eine Verschlechterung gegenüber der Vorlage des Finanzausschusses für Niedersachsen dauerhaft um 208 Millionen DM im Jahr, im Jahr 1987 einmalig um 608 Millionen DM, und sie bedeuten eine dauerhafte Verschlechterung für Schleswig-Holstein von 56 Millionen DM, woraus man erkennen kann, daß die Sozialdemokraten wirklich nicht die Anwälte Norddeutschlands sind, meine Damen und Herren.
({0})
Ich will es kurz und deutlich sagen: Die Strukturprobleme Hamburgs und Bremens haben sicherlich allgemeine Ursachen; sie sind aber auch das Ergebnis einer verfehlten Politik des sozialdemokratischen SeBundesminister Dr. Stoltenberg
nats, insbesondere in Hamburg und auch in Bremen; das ist meine Überzeugung.
({1})
Es hat keinen Sinn, Herr Bürgermeister von Dohnanyi,
({2})
durch persönliche Attacken oder zugespitzten Verbalradikalismus diesen Sachverhalt Ihrer Verantwortung für schwere Fehlentwicklungen in Hamburg hier vertuschen zu wollen.
({3})
Auch das will ich in aller Deutlichkeit sagen.
Im übrigen möchte ich unterstreichen, daß sich die Bundesregierung in allen ihren Gesprächen
({4})
vom vergangenen September bis in die letzten Wochen hinein bei der Beteiligung an der Suche nach Ausgleichs- und Kompromißlösungen immer an die Grenzen gehalten hat, die das Urteil des Bundesverfassunsgerichts gesetzt hat. Für uns war hier nach unserem Verfassungsverständnis und Rechtsverständnis in der Auslegung des Urteils die deutliche Grenze gegeben.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß einzelne Länder ankündigen, sie wollten bei einer entsprechenden Entscheidung im Bundestag und im Bundesrat erneut zum Bundesverfassungsgericht gehen. Das hat natürlich auch die Gespräche schon im letzten Jahr erschwert. Nach der ersten Erörterung, die ich im September des vergangenen Jahres in Braunschweig mit der Finanzministerkonferenz der Länder hatte, wurde anschließend auf der Pressekonferenz vor den Fernsehkameras von dem Repräsentanten eines Bundeslandes gesagt: Wenn die drei Forderungen nicht erfüllt werden, die wir gestellt haben, gehen wir zum Verfassungsgericht. Und die Antwort eines anderen Kollegen war: Wenn diese drei Forderungen erfüllt werden, gehen w i r zum Verfassungsgericht.
Ich gebe einmal zu bedenken, ob jetzt nicht doch der Zeitpunkt gekommen ist, in dem politische Entscheidungen, die, wie ich hier dargestellt habe, für alle Länder gegenüber geltendem Recht - mit Ausnahme der Sondersituation Bayerns - einen finanziellen Vorteil bringen, als befriedigend anerkannt werden könnten. Ich gebe zu bedenken, ob es nicht richtiger wäre, bestimmte Punkte, die man ändern möchte, nach einer gewissen Zeit als Novelle in die Gesetzgebung hier einzubringen,
({5})
weil es, Herr Kollege Apel, im Grunde doch ein erheblicher Pluspunkt war, daß die Länder und auch der Gesetzgeber über 40 Jahre lang die Fragen des Länderfinanzausgleichs im Kompromißwege regeln konnten, ohne das höchste Gericht zu bemühen. Es wäre gut, wenn diese Tradition in der Entwicklung der Länderbeziehungen oder des Bundesgesetzes über den Länderfinanzausgleich mit Zustimmung der Länder wieder entstehen könnte. Aber das ist eine
Erwägung, bei der ich selbstverständlich die verfassungsmäßigen Rechte eines jeden respektiere.
Ich möchte zum Schluß noch einmal auf Ihren Punkt, Herr Kollege Posser, die Kohlelasten, eingehen. Wir haben das im Bundesrat diskutiert, aber ich will hier noch einige Sätze dazu sagen.
Die sorgfältige Analyse des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ergibt zunächst einmal, daß bei den Bundesergänzungszuweisungen Sonderlasten über die hervorgehobene Berücksichtigung der Kosten politischer Führung hinaus nur dann geltend gemacht werden können, wenn alle vergleichbaren Sonderlasten einbezogen werden. Dies hat uns veranlaßt, mit Zustimmung des Deutschen Bundestages zu sagen: Eine objektive Bewertung aller regionalen Sonderlasten in zehn Ländern der Bundesrepublik Deutschland ist praktisch nicht möglich. Wir haben dafür bei den meisten Ländern, auch bei sozialdemokratisch regierten Ländern, Verständnis gefunden. Deshalb wählen wir den Weg der Orientierung an der Finanzkraft als den anderen Weg, den das Verfassungsgericht vorgegeben hat.
Deswegen ist in diesem Zusammenhang das Thema der Sonderlasten Kohle für Nordrhein-Westfalen - aus Ihrer Sicht verständlicherweise leider - nicht zu entschieden. Der Versuch freilich, Herr Posser, erneut durch einen Entschließungsantrag, diesmal der sozialdemokratischen Fraktion, dem Bund - das ist die Tendenz, auch wenn es „verhandeln" heißt - weitere erhebliche Belastungen aus der Kohlepolitik zusprechen zu wollen und das Land zu entlasten, begegnet zwei grundsätzlichen Bedenken.
Das eine: Dies ist die Gefährdung der Kohlevorrangpolitik. Der Bund hat seine Ausgaben für die Kohle in den letzten Jahren um Milliarden gesteigert. Er geht an den äußersten Rand des Vertretbaren, auch im Hinblick auf andere regionale Belange, Sorgen und Probleme in vielen Teilen der Bundesrepublik. Wenn ernsthaft versucht wird, ein Ergebnis zu erzielen, bei dem vom Bund weitgehend oder ganz die Kohlelasten Nordrhein-Westfalens übernommen werden sollen, ist die Kohlepolitik in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr finanzierbar.
Das zweite: Der energie- und kohlepolitische Konsens, den wir erhalten und wieder festigen wollen, setzt voraus, daß die sozialdemokratische Partei eine Energiepolitik konzeptionell entwickelt und bejaht, die ein vertretbares Maß an friedlicher Nutzung der Kernenergie einbezieht,
({6}) weil wir sonst keine Preise mehr erreichen,
({7})
die den Standort Bundesrepublik Deutschland für Investitionen und Arbeitsplätze attraktiv erhalten. Wir können vor allem in Norddeutschland - das ist ein Punkt, Herr von Dohnanyi, wo Sie Ihre Haltung ändern müssen, wenn Sie norddeutsche Interessen vertreten wollen - nicht allein auf der Basis immer teurer werdender Kohle unsere Energie-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktprobleme lösen. Wir brauchen eine Kombination von Kohle und Kernenergie vor allem in
den revierfernen Gebieten, wenn wir erträgliche Energiepreise und Standortentscheidungen für arbeitsplatzschaffenden Investitionen sichern sollen.
({8})
Herr Kollege Posser, wer den Bund - das gilt auch für viele andere Wünsche, auch außerhalb Nordrhein-Westfalens ({9})
stärker in die Mitfinanzierung bestimmter Aufgaben hineinbringen will, wer die Ausgleichsfunktion des Bundes stärken will, muß dem auch bei Entscheidungen über die Finanzausstattung und die Steuerverteilung Rechnung tragen. Die Steueranteile des Bundes sind seit 1982 deutlich zurückgegangen, und zwar vor allem auf Drängen der Länder. Ich muß hier sagen: aller Länder, gerade auch der finanzschwachen Länder. Ob das eine kluge Politik war, weiß ich nicht. Aber es geht nicht an, daß der Bund heute noch einen Steueranteil von 45 % unseres gesamten Steueraufkommens hat und dann gleichzeitig alle regionalen Probleme entscheidend mitgestalten soll. Auch darauf möchte ich Sie aufmerksam machen.
({10})
Wer wie die Länder - wir haben Ihnen hier in dem einen oder anderen Punkt Konzessionen gemacht - mehr von den Gesamteinnahmen haben will, muß auch eine größere regionale Mitverantwortung bejahen. Wir leisten hier für das Zustandekommen eines Ergebnisses zum Länderfinanzausgleich über höhere Bundesergänzungszuweisungen noch einmal einen Beitrag eigentlich mehr im Interesse der Befriedung unter den Ländern. Ich glaube deshalb, daß man dem Deutschen Bundestag die Annahme dieses Gesetzes empfehlen kann.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Apel.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Stoltenberg, wenn Sie eine, wie ich zugebe, lebhafte Debatte - es geht schließlich auch um etwas - als Exzeß bezeichnen, dann macht das für mich nur deutlich, daß, je schwächer Sie politisch werden, um so mieser Ihr verbaler Stil im Deutschen Bundestag wird.
({0})
Wenn wir über Exzesse reden, dann sollten Sie dieses Wort dann benutzen, wenn Sie als Landesvorsitzender der CDU Schleswig-Holsteins mit Ihren Kollegen vor Ort reden.
({1})
Das inzwischen vorliegende Protokoll des Finanzausschusses sagt zweierlei aus.
({2})
Erstens. Der Abgeordnete Glos erklärt: Beim Zustandekommen des Koalitionskompromisses ist hinter den Kulissen „hart gerungen worden".
Zweitens. Der Abgeordnete Dr. Grünewald wird in diesem Protokoll zitiert, daß man insofern „ergebnisorientiert" verhandelt und auch beschlossen habe.
({3})
Damit ist doch wohl eindeutig klar, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, daß das, was hier vorgelegt wird, das Ergebnis von Parteienschacher ist und in der Tat nichts mit dem zu tun hat, was das Verfassungsgericht von uns verlangt.
({4})
Das Verfassungsgericht hat den Gesetzgeber, d. h. den Bundesrat und den Bundestag, aufgefordert, eine konstruktive, eine aktive Rolle zu spielen. Wir werden durch Ihren Parteienschacher und nach Ablehnung unserer Anträge zu Statisten degradiert. Das wollen Sie für verfassungsfest halten? Das glauben Sie doch wohl selbst nicht.
({5})
Ein Zweites: Das Verfassungsgericht hat von uns als dem Gesetzgeber gefordert, daß es objektive, nachvollziehbare Kriterien gibt, nach denen die Neuordnung des Finanzausgleiches stattfinden soll. Es kann doch überhaupt nicht die Rede davon sein, daß das, was Sie hinter verschlossenen Türen beschlossen haben, objektiv und nachvollziehbar ist. Nein, Sie haben bewußt und gewollt in Kauf genommen, daß einige der Bundesländer, die obendrein auch noch sozialdemokratisch regiert sind, benachteiligt werden. Das ist Ihre Strategie.
Herr Kollege Stoltenberg, wenn Sie hier vorlesen, daß neun von zehn Bundesländern Vorteile aus dieser Regelung bekämen, so kann ich Ihnen nur sagen: Sie verfahren einmal mehr nach Gutsherrenart. - Es geht nicht darum, ob hier irgendwo kleine Millionenbeträge verteilt werden, es geht um die Frage, ob dieses Haus dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts genügt. Das ist doch die Frage.
({6})
Da stelle ich ausdrücklich fest, daß der Bundesminister der Finanzen das, was die Koalition uns heute vorlegt, und was dann wohl auch im Bundesrat beschlossen werden wird, soeben als verfassungsfest bezeichnet hat. Ich sage Ihnen ganz offen, Herr Kollege Dr. Stoltenberg: Ich nehme das nicht übermäßig ernst. Sie haben uns ja bereits in Ihrer Amtszeit einen Gesetzentwurf zur Beschlußfassung vorgelegt - das war die Zwangsanleihe - , bei dem wir Ihnen in der ersten Lesung gesagt haben, er sei verfassungswidrig, während Sie gemeint haben, er sei verfassungsfest. Das Verfassungsgericht hat Ihnen eine juristische Ohrfeige gegeben. Sie werden diese juristische Ohrfeige auch diesmal bekommen.
({7})
Da fragen wir uns natürlich langsam: Welches Rollenverständnis hat eigentlich der Bundesminister der Finanzen? Ich kann nur mit einem der Redner der Bundesratsbank - ich glaube, es war Herr Bürgermeister Wedemeier - sagen, Ihre Rolle wäre es gewesen, hier nicht einem Koalitionskompromiß, einem CDU-Kompromiß nachzulaufen und ihm zuzustimmen, sondern notfalls auch zu sagen: Ich als Hüter der Bundesfinanzen und auf unsere Bundesverfassung, auf das Grundgesetz, vereidigt, erkläre: So geht es nicht, liebe Freunde, so können wir nicht miteinander umgehen, so zerstören wir die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in unserem Lande. - Kein Wort. Sie ducken sich weg.
({8})
Wenn Sie hier über das Saarland reden, so kann ich nur sagen: Es ist doch einigermaßen erstaunlich, daß dieses Ergebnis an einem Land, das Sie - wenn wir schon mal über Vergangenheit reden - über Jahrzehnte regiert haben und wo Sie uns eine Erblast hinterlassen haben, die kaum bewältigbar ist,
({9})
mit seinen unglaublichen Problemen, obwohl Sie 600 Millionen DM draufpacken, spurlos vorbeigeht.
({10})
Das wollen Sie als faire Regelung zugunsten des Saarlandes bezeichnen? Ich kann nur sagen: Schämen Sie sich mit einer solchen Argumentation!
({11})
Eine letzte Bemerkung: Wir haben Ihnen einen Antrag zur Kohlepolitik, zur Finanzierung der Kohlelasten in Nordrhein-Westfalen vorgelegt. Dieser Antrag ist einstimmig - einstimmig! - im Bundesrat angenommen worden. Wir legen Ihnen diesen Text wortgleich vor. Nun wird der Landesvorsitzende aus Nordrhein-Westfalen und Bundesarbeitsminister - und die Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen - beweisen können, was er von seinem eigenen Land hält,
({12})
dem er helfen will, bei dem er verbal immer an der Spitze steht, aber dann, wenn es darauf ankommt, nicht mit von der Partie ist. Sie, die Abgeordneten von Nordrhein-Westfalen, werden auch daran gemessen, wie Sie sich zu dieser Entschließung verhalten.
({13})
Sollten Sie, wie wir gehört haben, mit Nein stimmen, dann haben Sie jedes Recht verloren, sich in Nordrhein-Westfalen bei den Kumpels hinzustellen und ihnen Hilfe zu versprechen. Dann weiß man endgültig, was man von Ihnen in Nordrhein-Westfalen zu halten hat, nämlich nichts.
({14})
Meine Damen und Herren, wegen der Bedeutung der Abstimmungen sowohl zum Kohleantrag als auch zu dem vorliegenden Gesetzentwurf über die Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs werden wir namentliche Abstimmung beantragen, damit nachlesbar ist, wie jeder Abgeordnete sich entschieden hat.
Dieses ist eine große Chance für Sie, deutlich zu machen, daß Sie es ernst meinen mit der Kohle, ernst meinen mit dem Verfassungsauftrag, der auch für Sie gilt.
Schönen Dank.
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Jung ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn meiner kurzen Ausführungen erlauben Sie mir die Bemerkung, daß ich wie jedes Mitglied des Deutschen Bundestages bundesweit dem Allgemeinwohl verpflichtet bin, daß ich mir auch darüber im klaren bin, daß die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes damals in weiser Voraussicht der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag diese gesamtstaatliche Aufgabe eines möglichst gerechten Länderfinanzausgleichs übertragen haben.
Meine Damen und Herren, haben Sie bitte trotzdem Verständnis dafür, daß zu diesem wichtigen Thema auch einmal ein Abgeordneter aus einem sogenannten Zahlerland etwas sagt. Ich erlaube mir die Frage: Was wollten wir heute eigentlich diskutiert haben, wenn es diese Zahlerländer nicht gäbe, wenn es bei diesem Länderfinanzausgleich nicht auch eine sogenannte Einnahmeseite gegeben hätte?
({0})
In der Bevölkerung des Landes, aus dem ich komme, nämlich Baden-Württemberg, gibt es drei ganz einfache finanzpolitische, geldsachenmäßige Grundsätze. Der erste Grundsatz ist Ihnen bekannt: „Spare, spare, Häusle baue!" Man könnte auch sagen: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.
Der zweite Grundsatz lautet: Über Geld redet man nicht, Geld hat man. Der dritte Grundsatz lautet: Wer Geld anschafft, der bestimmt.
({1})
Ich will das überhaupt nicht in irgendeiner großartigen Weise als einer der Großkopfeten aus Baden-Württemberg in bezug auf Finanzdinge gesagt haben, sondern ich will das ganz einfach deshalb sagen, weil diese Grundsätze natürlich seit Jahren in der Landesregierung von Baden-Württemberg angewendet werden.
Viele Ländervertreter, die wir heute gehört oder schon im Finanzausschuß gesprochen haben, hätten gut daran getan, sie hätten diese einfachen finanzpolitischen Grundsätze in der Politik der vergangenen Jahre in ihren Ländern angewandt.
({2})
Meine Damen und Herren, Ihnen ist bekannt, daß sechs sogenannte Nehmerländer drei Zahlerländern gegenüberstehen. In diesem Kreis der Zahlerländer hat Baden-Württemberg allein im vergangenen Jahr
Jung ({3})
2,3 Milliarden DM finanziert. Das entspricht rund 62 % des gesamten Finanzausgleichs.
({4})
Vor diesem Hintergrund ist es natürlich zunächst einmal nicht einfach, allen Wünschen gerecht zu werden. Trotzdem glaube ich sagen zu können, daß der gefundene Kompromiß zum Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern sowohl die Interessen der finanzstarken als auch die Interessen der finanzschwachen Länder berücksichtigt.
Insgesamt ist festzustellen, daß sich der Bund und die Länder nicht aus ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung herausstehlen, sondern daß im Gegenteil die Finanzzuweisungen an die finanzschwachen Länder aufgestockt werden. Allein durch die Erhöhung der Bundesergänzungszuweisungen steigen diese Zuwendungen an die finanzschwachen Länder im kommenden Jahr um 616 Millionen DM.
Bei diesen Neuregelungen im Finanzausgleich - das will ich insbesondere an die Oppositionsseite des Deutschen Bundestages richten - werden insbesondere die SPD-geführten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Saarland, Hamburg und Bremen besonders begünstigt. Die Zuweisungen an diese vier Länder werden für das Jahr 1987 um 502 Millionen DM, für das Jahr 1988 um 519 Millionen DM aufgestockt. Das sind rund 80 % bzw. rund 52 % der gesamten Umschichtungsmasse. Dies zeigt, daß über Parteigrenzen hinweg ein ehrlicher und fairer Kompromiß gefunden wurde. Die heute gehörte Kritik von der SPD kann eigentlich nur noch einen parteipolitischen Hintergrund haben.
Meine Damen und Herren, bei kritischer Würdigung des gefundenen Kompromisses sage ich ja zur gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundes und der finanzstarken Länder, ich sage ja zu einer besseren Finanzausstattung der finanzschwachen Bundesländer, ich sage ja zur hälftigen Berücksichtigung der Gemeindesteuern und deshalb auch ein eindeutiges Ja zu diesem Achten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Selbstverständlich werden wir diesem gefundenen, guten Kompromiß zustimmen.
({5})
Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen.
Ich schließe die Aussprache.
Nach § 31 unserer Geschäftsordnung wünscht der Abgeordnete Graf Lambsdorff eine Erklärung zur Abstimmung abzugeben.
Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Was ich hier sage, sage ich auch für die Kollegen der FDP-Fraktion aus dem Bundesland Nordrhein-Westfalen: Wir sind der Meinung und sind dieser Meinung schon immer gewesen - hier wird ja ein Brief zitiert - , daß die Lasten der Kohlepolitik von allen Bundesländern, nicht nur von den Kohleländern getragen werden sollten. Insofern, Herr Apel, stimmen wir mit Ihnen überein.
Wir sind aber nicht der Meinung, daß dies durch einen Beschluß des Bundesrates zu Lasten Dritter, nämlich des Bundes, einfach schlicht auf den Bund in vollem Umfang abgewälzt werden kann. Das kann nicht der Weg sein, und deswegen werden wir dieser Entschließung nicht zustimmen.
({0})
Ich teile Ihnen noch mit, daß der Abgeordnete Rainer Funke aus Hamburg eine schriftliche Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben hat *).
Ich komme nun zu den Abstimmungen. - Ich darf Sie herzlich bitten, Platz zu nehmen; wir sind noch längst nicht bei den namentlichen Abstimmungen, sondern bei anderen Abstimmungen. Dazu ist es hilfreich, wenn die Kollegen ihre Plätze eingenommen haben.
Wir kommen zuerst zur Einzelberatung und Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in der Ausschußfassung.
Ich rufe den Art. 1 auf. Hierzu liegen auf den Drucksachen 11/1417 bis 11/1423 Änderungsanträge der Fraktion der SPD vor.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 11/1417? Ich bitte um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 11/1418? Ich bitte um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Der Änderungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wer für den Änderungsantrag auf Drucksache 11/1419 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wenn ich nach denen ginge, die ordentlich auf ihren Plätzen sitzen, würde die Mehrheit ganz woanders liegen.
({0})
Wer für den Änderungsantrag auf Drucksache 11/1420 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer für den Änderungsantrag auf Drucksache 11/1421 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer für den Änderungsantrag auf Drucksache 11/1422 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
*) Anlage 2
Vizepräsident Westphal
Wer für den Änderungsantrag auf Drucksache 11/1423 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer für Art. 1 in der Ausschußfassung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Dann ist Art. 1 mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. 2 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer diesen aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch diese Vorschriften sind mit der gleichen Mehrheit angenommen worden.
Dann können wir in die
dritte Beratung
eintreten und kommen zur Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD verlangt hierzu gemäß § 52 der Geschäftsordnung namentliche Abstimmung. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Ich darf Sie alle darauf aufmerksam machen, daß es wenig sinnvoll ist, den Saal zu verlassen; denn wir haben sofort im Anschluß eine weitere namentliche Abstimmung und danach noch drei weitere Einzelabstimmungen.
Ist noch ein Mitglied im Haus, das an der Abstimmung teilnehmen will und dies noch nicht getan hat?
- Das scheint nicht der Fall zu sein.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ich kann die Abstimmung schließen.
({1})
- Noch nicht? ({2})
Also, ich glaube, länger dürfen wir die Kollegen nicht warten lassen.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung werden wir Ihnen später mitteilen, wenn es vor Schluß der Sitzung kommt. Sonst werden Sie es im Protokoll nachlesen können *).
({3})
- Ich wäre für Aufmerksamkeit dankbar, weil wir mit den Abstimmungen sofort fortfahren können.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/1424. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksasche 11/1425 ab. In diesem Antrag geht es um Kohle. Hier ist namentliche Abstimmung verlangt.
) Ergebnis Seite 3301 D
Ich eröffne die namentliche Abstimmung. - Meine Damen und Herren, ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir uns in der zweiten namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/1425 befinden.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das in dieser Abstimmung seine Stimme abzugeben wünscht? - Alle haben vom Abstimmungsrecht Gebrauch gemacht. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen *).
Ich gehe davon aus, daß wir die Beratung fortsetzen können.
({4})
Ich darf Sie noch einmal darum bitten, Ihre Plätze einzunehmen. Dann geht es mit den Abstimmungen besser. Das gilt für alle Kollegen, auch für die, die im Gang stehen.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern.
Der Ausschuß empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/1404, diesen Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Ausschußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Diese Beschlußempfehlung des Ausschusses ist mit großer Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 24 c, Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD betreffend Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern.
Der Ausschuß empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/1404, den Antrag der Fraktion der SPD für erledigt zu erklären. Wer stimmt für die Ausschußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie sind einverstanden, wenn ich sage: Wir kommen jetzt zum Ende, und Sie lesen die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen im Protokoll. - Ich sehe keinen Widerspruch.
Endgültiges Ergebnis
der namentlichen Abstimmung
über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf
eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes
über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern
({5})
Abgegebene Stimmen 345 und 12 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 204 und 8 Berliner Abgeordnete
nein: 124 und 4 Berliner Abgeordnete
enthalten: 17
*) Ergebnis Seite 3304 A
Vizepräsident Westphal
Ja
CDU/CSU
Austermann
Bauer
Bayha
Dr. Becker ({6}) Dr. Biedenkopf
Biehle
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen Borchert Breuer
Carstens ({7}) Carstensen ({8}) Clemens
Dr. Czaja
Dr. Daniels ({9}) Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Doss
Dr. Dregger
Echternach
Eigen
Engelsberger
Dr. Faltlhauser
Dr. Fell Fellner Fischer ({10})
Dr. Friedmann
Dr. Friedrich
Fuchtel
Ganz ({11})
Frau Geiger
Geis
Dr. Geißler
Dr. von Geldern Gerstein
Gerster ({12})
Gröbl
Günther Harries
Frau Hasselfeldt Haungs
Hauser ({13}) Hauser ({14}) Hedrich
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Hörster Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({15}) Dr. Hornhues
Dr. Hüsch
Dr. Jahn ({16})
Jung ({17})
Jung ({18})
Kalb
Dr.-Ing. Kansy
Dr. Kappes
Frau Karwatzki
Klein ({19})
Kolb
Kossendey
Kraus
Krey
Kroll-Schlüter
Dr. Kronenberg
Lamers
Dr. Langner
Lattmann
Dr. Laufs
Frau Limbach Link ({20}) Link ({21}) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold ({22}) Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle Magin
Marschewski
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner Müller ({23})
Müller ({24})
Nelle
Neumann ({25})
Dr. Olderog Oswald
Pesch
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pinger
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rauen
Rawe
Reddemann Repnik
Dr. Riesenhuber
Frau Roitzsch ({26}) Roth ({27})
Rühe
Dr. Rüttgers Sauer ({28})
Sauer ({29}) Sauter ({30})
Dr. Schäuble Scharrenbroich Schartz ({31}) Schemken
Scheu
Schmidbauer
Dr. Schneider ({32}) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder ({33}) Schulhof f
Dr. Schulte ({34}) Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Spilker
Dr. Sprung
Dr. Stark ({35})
Dr. Stercken Dr. Stoltenberg Strube
Frau Dr. Süssmuth
Susset
Tillmann
Dr. Uelhoff Dr. Unland Frau Verhülsdonk
Vogt ({36})
Dr. Voigt ({37})
Dr. Vondran Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiß ({38}) Werner ({39})
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wilz
Wimmer ({40})
Windelen
Frau Dr. Wisniewski
Dr. Wittmann
Dr. Wörner
Zeitlmann
Zink
Berliner Abgeordnete
Buschbom Feilcke
Kalisch
Dr. h. c. Lorenz
Lummer
Dr. Pfennig Schulze ({41})
Straßmeir
SPD
Dr. Jens FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg ({42}) Eimer ({43})
Dr. Feldmann
Frau Folz-Steinacker
Gries
Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Heinrich
Dr. Hirsch Dr. Hitschler Dr. Hoyer Irmer
Kleinert ({44})
Dr. Graf Lambsdorff Mischnick Neuhausen
Nolting
Paintner
Richter
Frau Dr. Segall
Frau Seiler-Albring
Dr. Solms Dr. Thomae Timm
Dr. Weng ({45}) Wolfgramm ({46}) Frau Würfel
Zywietz
Nein
SPD
Bahr
Becker ({47}) Frau Becker-Inglau Frau Blunck
Dr. Böhme ({48}) Brandt
Buschfort
Frau Conrad
Frau Dr. Däubler-Gmelin Diller
Frau Dr. Dobberthien
Duve
Erler
Esters
Fischer ({49}) Frau Fuchs ({50})
Frau Fuchs ({51}) Gerster ({52}) Gilges
Frau Dr. Götte Großmann Grunenberg Frau Hämmerle Hasenfratz Heistermann Heyenn
Dr. Holtz
Horn
Ibrügger
Jahn ({53})
Jung ({54}) Jungmann
Kiehm
Klein ({55}) Kolbow
Koltzsch
Lennartz
Leonhart
Lohmann ({56})
Lutz
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Menzel
Dr. Mertens ({57}) Meyer
Müller ({58}) Müntefering
Nagel
Nehm
Dr. Niese
Niggemeier Dr. Nöbel
Frau Odendahl Oesinghaus Paterna
Pauli
Dr. Penner Dr. Pick
Porzner
Purps
Reschke
Reuter
Rixe
Roth
Schanz
Scherrer
Schluckebier Schreiner
Schröer ({59}) Frau Seuster Singer
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl ({60})
Frau Steinhauer Stiegler
Frau Dr. Timm Toetemeyer Urbaniak
Voigt ({61}) Vosen
Waltemathe Weiermann Westphal
Frau Weyel Dr. Wieczorek Wiefelspütz
von der Wiesche
Dr. de With Wittich
Zander
Vizepräsident Westphal
Zeitler Zumkley
Berliner Abgeordnete
Dr. Mitzscherling Wartenberg ({62})
FDP Funke
DIE GRÜNEN
Frau Beck-Oberdorf Brauer
Ebermann
Frau Eid
Frau Flinner
Frau Garbe
Frau Hillerich
Hoss
Frau Kelly
Kleinert ({63}) Dr. Knabe
Frau Krieger
Dr. Mechtersheimer Frau Nickels
Frau Oesterle-Schwerin Frau Rust
Frau Saibold Frau Schoppe Stratmann
Frau Teubner Frau Unruh
Volmer
Wetzel
Frau Wollny
Berliner Abgeordnete Frau Olms
Enthalten
SPD
Andres
Börnsen ({64}) Frau Bulmahn
Dr. Emmerlich Ewen
Frau Faße
Frau Ganseforth
Dr. Gautier
Dr. Hauchler
Frau Dr. Niehuis Oostergetelo
Rappe ({65}) Schmidt ({66}) Schütz
Seidenthal
Würtz
Vizepräsident Westphal
Endgültiges Ergebnis
der namentlichen Abstimmung
über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD
auf Drucksache 11/1425
Abgegebene Stimmen 360; davon
ja: 149
nein: 211
Ja
SPD
Andres
Bahr
Becker ({67})
Frau Becker-Inglau
Frau Blunck
Dr. Böhme ({68}) Börnsen ({69}) Brandt
Dr. von Bülow
Frau Bulmahn
Buschfort Frau Conrad
Frau Dr. Däubler-Gmelin Diller
Frau Dr. Dobberthien Duve
Dr. Emmerlich
Erler
Esters
Ewen
Frau Faße
Fischer ({70})
Frau Fuchs ({71})
Frau Fuchs ({72})
Frau Ganseforth
Dr. Gautier Gerster ({73})
Gilges
Frau Dr. Götte Großmann Grunenberg
Frau Hämmerle Hasenfratz
Dr. Hauchler Heistermann
Heyenn
Dr. Holtz Horn
Huonker Ibrügger Jahn ({74})
Dr. Jens
Jung ({75}) Jungmann
Kiehm
Klein ({76})
Kolbow
Koltzsch Koschnick Lennartz Leonhart Lohmann ({77})
Lutz
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Menzel
Dr. Mertens ({78}) Meyer
Dr. Mitzscherling
Müller ({79}) Müntefering
Nagel
Nehm
Frau Dr. Niehuis Dr. Niese Niggemeier
Dr. Nöbel
Frau Odendahl Oesinghaus Oostergetelo Paterna
Pauli
Dr. Penner Dr. Pick
Porzner
Purps
Rappe ({80}) Reschke
Reuter
Rixe
Roth
Schanz
Scherrer Schluckebier Schmidt ({81}) Schreiner
Schröer ({82}) Schütz
Seidenthal Frau Seuster Singer
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl ({83}) Frau Steinhauer Stiegler
Dr. Struck Frau Dr. Timm Toetemeyer Urbaniak
Vahlberg
Voigt ({84}) Vosen
Waltemathe Wartenberg ({85}) Weiermann Westphal
Frau Weyel Dr. Wieczorek Wiefelspütz
von der Wiesche Dr. de With Wittich
Würtz
Zander
Zeitler
Zumkley
DIE GRÜNEN
Frau Beck-Oberdorf Brauer
Ebermann Frau Eid
Frau Flinner Frau Garbe Frau Hillerich
Hoss
Frau Kelly Kleinert ({86}) Dr. Knabe
Frau Krieger
Dr. Mechtersheimer Frau Nickels
Frau Oesterle-Schwerin Frau Olms
Frau Rust
Frau Saibold Frau Schoppe Stratmann
Frau Teubner Frau Trenz Frau Unruh Volmer
Wetzel
Frau Wollny
Nein
CDU/CSU
Austermann
Bauer
Bayha
Dr. Becker ({87}) Dr. Biedenkopf
Biehle
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen Borchert Breuer
Buschbom Carstens ({88})
Carstensen ({89}) Clemens
Dr. Czaja
Dr. Daniels ({90}) Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Doss
Dr. Dregger
Echternach
Eigen
Engelsberger
Dr. Faltlhauser
Feilcke
Dr. Fell
Fellner
Fischer ({91})
Dr. Friedmann
Dr. Friedrich
Fuchtel
Ganz ({92})
Frau Geiger
Geis
Dr. Geißler
Dr. von Geldern Gerstein
Gerster ({93})
Gröbl
Dr. Grünewald Günther Harries
Frau Hasselfeldt Haungs
Hauser ({94}) Hauser ({95}) Hedrich
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Hörster Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({96}) Dr. Hornhues
Dr. Hüsch
Dr. Jahn ({97}) Dr. Jenninger Jung ({98}) Jung ({99}) Kalb
Kalisch
Dr.-Ing. Kansy Dr. Kappes
Frau Karwatzki Klein ({100}) Kolb
Kossendey
Kraus
Krey
Kroll-Schlüter Dr. Kronenberg Lamers
Dr. Langner
Lattmann
Dr. Laufs
Frau Limbach Link ({101}) Link ({102}) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold ({103}) Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Lummer
Maaß
Frau Männle Magin
Marschewski
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner
Müller ({104}) Müller ({105}) Nelle
Neumann ({106})
Dr. Olderog
Oswald
Pesch
Pfeffermann
Pfeifer
Dr. Pfennig
Dr. Pinger
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rauen
Rawe
Reddemann
Repnik
Dr. Riesenhuber
Frau Roitzsch ({107}) Roth ({108})
Rühe
Dr. Rüttgers
Sauer ({109}) Sauer ({110}) Sauter ({111}) Dr. Schäuble Scharrenbroich Schartz ({112}) Schemken
Scheu
Schmidbauer
Dr. Schneider ({113}) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder ({114}) Schulhoff
Dr. Schulte
({115}) Schulze ({116}) Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Vizepräsident Westphal
Spilker
Dr. Sprung
Dr. Stark ({117}) Dr. Stercken
Dr. Stoltenberg Straßmeir Strube
Frau Dr. Süssmuth Susset
Tillmann
Dr. Uelhoff Dr. Unland Frau Verhülsdonk
Vogt ({118})
Dr. Voigt ({119}) Dr. Vondran
Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiß ({120}) Werner ({121})
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wilz
Wimmer ({122})
Windelen
Frau Dr. Wisniewski
Dr. Wittmann
Dr. Wörner Zeitlmann Zink
FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg ({123}) Eimer ({124})
Dr. Feldmann
Frau Folz-Steinacker Funke
Gries
Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Heinrich
Dr. Hirsch
Dr. Hitschler Dr. Hoyer Irmer
Kleinert ({125}) Dr. Graf Lambsdorff Mischnick Neuhausen
Nolting
Paintner Richter
Frau Dr. Segall
Frau Seiler-Albring
Dr. Solms
Dr. Thomae Timm
Dr. Weng ({126}) Wolfgramm ({127}) Frau Würfel
Zywietz
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 9. Dezember 1987, 14 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.