Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 8 auf:
Aktuelle Stunde
Die Fraktion der SPD hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung diese Aktuelle Stunde zu dem Thema
Haltung der Bundesregierung in der Kohlerunde
beantragt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hauff.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor über 20 Jahren wollte schon einmal eine CDU-geführte Bundesregierung die deutsche Kohle kaputtmachen. Die Folge waren schwarze Fahnen an Rhein und Ruhr und eine lange schwelende Krise. Es waren damals Sozialdemokraten - Helmut Schmidt, Walter Arendt, Karl Schiller, Alex Möller - , die dann in der Großen Koalition dafür gesorgt haben, daß die deutsche Kohle wirklich Zukunft hat.
({0})
Diese Kohlevorrangpolitik haben sie mit gedanklicher Klarheit und mit festem politischen Willen begründet. Die Grundgedanken dieser Politik waren: Wir brauchen eine sichere Energieversorgung; dazu gehört auch der Schutz vor der Abhängigkeit vom Ausland, und nur die Kohle kann diesen Schutz bieten.
Zweitens. Deswegen hat die Nutzung der Kohle in unserer Energieversorgung Vorrang. Es ist ein Versicherungsbeitrag für die Zukunft.
Drittens. Kohlevorrang ist keine Schönwetterveranstaltung. Sie muß auch gegen Schwankungen der internationalen Energiepreise durchgehalten werden.
({1})
Die Kohle und die Kumpel brauchen Klarheit darüber, wo es langgeht. Es sind politische Entscheidungen, die hier gefordert sind.
Diese von Sozialdemokraten begründete Kohlevorrangpolitik hat sich in zwei Erdölpreiskrisen für unser Land hervorragend bewährt.
({2})
Herr Bangemann will jetzt diese Kohlevorrangpolitik kaputtmachen. Welch ein Niedergang von Karl Schiller zu Martin Bangemann, kann man da nur sagen!
({3})
Er hat überhaupt kein Gesamtkonzept. Er zerschlägt die bewährten Instrumente der Kohlevorrangpolitik,
({4})
und er treibt den Bundeskanzler in den Wortbruch; denn dieser hat 1984 wörtlich erklärt: „Das Schicksal der Bergleute war, ist und bleibt uns wichtiger als rein wirtschaftlich-fiskalisches Kalkül."
({5})
Der Bundeskanzler hat diese Aussage im Bundestagswahlkampf erneuert und bestätigt. Deswegen sagen wir zum Bundeskanzler: Sein Wort wird zum Betrug an den Bergleuten, wenn er jetzt nicht den Bundeswirtschaftsminister zur Vernunft ruft.
({6})
Wer angesichts der bestehenden Überkapazitäten im Verstromungsbereich und der sich abzeichnenden Entwicklung, daß diese sich noch weiter erhöhen, auf einer maximalen Nutzung der Kernenergie beharrt, der hat sich gegen die Kohle entschieden,
({7})
und das genau ist die Politik von Herrn Bangemann. Er betreibt eine Kernenergievorrangpolitik, und für die Kohle bleibt dann der Restbedarf. Damit zerstört Herr Bangemann den kohlepolitischen Konsens in diesem Land.
({8})
Wir Sozialdemokraten machen diese Antikohlepolitik nicht mit,
({9})
weil das unsere Energieversorgung unsicher macht. Das Wort von Herrn Bennigsen-Foerder ist richtig: „Die nächste Ölpreiskrise kommt bestimmt. " Dann werden wir eine erneute Debatte darüber haben, warum man die Kohle hat absaufen lassen, so wie Herr Bangemann es vorhat.
({10})
Wir machen diese Antikohlepolitik nicht mit, weil das notwendige Förderkapazitäten unwiederbringlich zerstört - das ist das Gegenteil von vorsorgender Politik - und weil die Politik von Herrn Bangemann zu sozialen Verwüstungen ganzer Regionen in unserem Lande führt.
Sie werden, Herr Bangemann, diese Politik nur gegen die Vernunft und gegen die Menschen durchsetzen können. Sie müssen mit unserem scharfen Widerstand rechnen. Wir fordern Sie auf, endlich ein Gesamtkonzept vorzulegen, bevor Sie an einzelnen Punkten meinen, Entscheidungen erzwingen zu können.
({11})
Das, meine Damen und Herren, ist der Grund, warum wir diese Aktuelle Stunde beantragt haben.
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lammert.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Beitrag des Kollegen Hauff war anzumerken, daß er am Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD nicht teilgenommen hat.
({0})
Aber er reichte nicht aus, um den Nachweis zu erbringen, daß dieser Parteitag gar nicht stattgefunden habe.
Die Kohlerunde, die heute von den Sozialdemokraten zur Diskussion gestellt wird, und der Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD stehen nicht nur zeitlich, sondern sachlich in einem Zusammenhang, über den wir heute morgen reden müssen.
({1})
Der Kollege Heinz-Werner Meyer, der, wenn ich die Meldung hier richtig verfolgt habe, auf der Rednerliste für den heutigen Vormittag nicht vorgesehen ist ({2})
ich ergänze gerne, daß Erwin Stahl aus einschlägigen Gründen auch nicht reden darf; sicherlich wird auch der Kollege Niggemeier diese Phalanx verhinderter Redner der SPD komplettieren; das werden wir ja alles im Laufe des Vormittags erleben - , hat in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der IG Bergbau und Energie an die Delegierten der nordrhein-westfälischen SPD appelliert - ich zitiere - , „nicht mit nicht konsensfähigen energiepolitischen Leitlinien die Kohlerunde in Bonn zu gefährden" .
Die Regierungspartei im Kohleland Nordrhein-Westfalen hat sich mit souveräner ideologischer Borniertheit über diesen Appell hinweggesetzt und mit ihren energiepolitischen Beschlüssen endgültig, ausdrücklich und ohne Rücksicht auf die Folgen für die Bergleute den Jahrhundertvertrag aufgekündigt; das ist der Sachverhalt, meine Damen und Herren.
({3})
- Dann werden Sie ja sicher, Herr Kollege Westphal, das alles zur großen Verblüffung der deutschen Öffentlichkeit geraderücken, weil wohl die gesamte Berichterstattung einschließlich Ihnen nahestehender Publikationsorgane mißlungen gewesen sein muß.
Meine Damen und Herren, das, was da in Bochum stattgefunden hat, ist ein spektakulärer Akt der politischen Selbstverstümmelung der Interessen des Kohlelandes Nordrhein-Westfalen und ein Verrat an den Interessen der Bergleute.
({4})
Sie kennen die Verträge; Sie kennen die Zusammenhänge; Sie wußten, was Sie beschlossen haben, als Sie in Grußworten den Bergleuten Ihre Solidarität versichert haben und in Beschlußtexten die Bergleute im Stich gelassen haben.
({5})
Meine Damen und Herren, der Bergbau steht, wie wir alle wissen, vor schwierigen Anpassungsproblemen, die sich sowohl aus strukturellen Absatzeinbußen wie aus den dramatischen Verschiebungen in den Preisniveaus der Primärenergieträger ergeben. Daraus resultieren erhebliche Folgekosten für die Stromverbraucher, aber eben auch für die öffentlichen Hände. Die Aufgabe der Kohlerunde muß es sein, drei jeweils für sich sicher berechtigte, aber miteinander nicht zu vereinbarende Positionen aufeinander zuzubewegen, wenn die Lösung zustande kommen soll, die wir alle gemeinsam im Kern sicher wollen.
Das ist einmal die Erwartung, daß die in den Verstromungsgesetzen niedergelegten Rechtsansprüche in vollem Umfang befriedigt werden sollen.
Das ist zweitens die Erwartung, daß der Kohlepfennig möglichst wieder gesenkt werden solle.
Das ist drittens die Erwartung, daß die Mengenvereinbarungen nach dem Jahrhundertvertrag, also für die Kohleverstromung, gehalten werden müssen.
Diese drei Positionen sind alle für sich gut begründet, aber sie sind, wie wir wissen, nicht gleichzeitig zu haben. Deswegen sage ich auch an dieser Stelle mit Nachdruck: Hier müssen sich alle Beteiligten bewegen, weil es Ergebnisse nur gibt, wenn es Mehrheiten gibt. Der Wirtschaftsminister hat sicher recht, wenn er darauf hinweist, daß es kaum Mehrheiten für eine Anhebung des Kohlepfennigs geben wird. Ich weise der Vollständigkeit halber darauf hin, daß es auch für
eine Senkung des Kohlepfennigs Mehrheiten geben müßte.
({6})
Deswegen bitte ich, nicht zu übersehen, daß hier Bewegungen nach der einen und nach der anderen Seite erforderlich werden.
Wer den Jahrhundertvertrag halten will - wir wollen das - und wer ihn verlängern will, der muß dafür sorgen, daß er auch gehalten werden kann. Deswegen verweise ich noch einmal mit Nachdruck auf die Überlegungen, die die nordrhein-westfälische Landesgruppe der CDU/CSU-Fraktion als Beitrag zur Konsensbildung vor einigen Wochen vorgelegt hat. Wir brauchen - insofern schließe ich mich dem Kollegen Hauff an - ein Gesamtkonzept, das unter Mitwirkung aller Beteiligten den Anpassungsbedarf ermittelt und darstellt. Hier müssen die Gewerkschaften wie die Bergbauunternehmen darstellen, welcher Anpassungsbedarf besteht.
({7})
- Ich rede, wie Sie wissen, immer gleichzeitig nach allen Seiten. Ich habe da überhaupt keine Probleme. Der Anpassungsbedarf muß also zusammenfassend dargestellt werden. Es muß deutlich gemacht werden, welcher Anpassungsbedarf unvermeidlich ist, in welchem Zeitraum das abgewickelt werden kann, was davon aus eigener Kraft möglich ist und wo öffentliche Hilfen unvermeidbar sind und gebraucht werden, um diesen Prozeß sozial verträglich abzuwickeln.
Wir stehen zu der Position, die wir im Kohle- wie im Stahlbereich immer bezogen haben.
({8})
Wir stehen zum Strukturwandel. Aber er muß unter Bedingungen stattfinden, die für die betroffenen Menschen und für die betroffenen Regionen zumutbar sind. Darum werden wir uns auch in den nächsten Wochen und Monaten bemühen.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Stratmann.
({0})
Liebe Mitbürgerinnen! Liebe Mitbürger! Das, was die Bundesregierung in dieser Woche gegen die heimische Steinkohle inszeniert, ist ein lange vorbereitetes und genau kalkuliertes Manöver, um gegen die heimische Steinkohle ein politisches Klima der Erpressung und Unterdrückung zu schaffen.
({0})
Wer vorrechnet, daß in der heimischen Steinkohle angeblich ein Kapazitätsabbau von 12 bis 15 Millionen t notwendig sei, was erklärtermaßen eine Vernichtung von Arbeitsplätzen in der Größenordnung von 30 000 Arbeitsplätzen in den Kohlerevieren bedeutet, und gleichzeitig begrüßt, daß im gleichen Zeitraum bis 1990 weitere drei Atomkraftwerke mit einer
Gesamtkapazität von 4 000 MW im Bau sind, hat nichts anderes im Sinn als politische Erpressung zugunsten der Atomenergie und gegen die heimische Steinkohle.
({1})
Rechnen wir die ca. 37 000 Arbeitsplätze im Stahlbereich hinzu, welche die Bundesregierung erklärtermaßen zusammen mit der Wirtschaftsvereinigung Eisen und Stahl vernichten will, so kommen wir in den Montanrevieren zu einer mittelfristig geplanten Vernichtung von Arbeitsplätzen in der Größenordnung von 67 000 Arbeitsplätzen - allein bei Kohle und Stahl! Wer das tut, ohne gleichzeitig ein Konzept zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen in der gleichen Größenordnung auf den Tisch zu legen - das tut die Bundesregierung nicht - , begeht nichts anderes als eine politische Geiselnahme, und das genau kalkuliert.
({2})
Es ist nach wie vor richtig, was wir seit Jahr und Tag hier sagen, daß wir einen großangelegten Prozeß der Verdrängung der heimischen Steinkohle durch die Atomenergie haben.
({3})
Zum Beweis: Wir haben heute bei den Energieversorgungsunternehmen eine Lagerhaltung an kontrahierter Steinkohle in der Größenordnung von 12 Millionen t Steinkohle. Wir haben gleichzeitig mehrere Beispiele dafür, daß Kommunen, die Heizkraftwerke auf der Basis heimischer Steinkohle bauen wollten, daran gehindert wurden, sei es durch die Wirtschaftsministerin in Niedersachsen, sei es durch die Interessen der Atomlobby. Wir haben ebenfalls bis 1990 - ich habe es dargestellt - den Ausbau der Atomenergie in der Größenordnung von 4 000 MW, d. h. etwa in der Größenordnung von 8 Millionen t heimischer Steinkohle.
Was die IG Bergbau unterstützt, was von der SPD, auch der SPD Nordrhein-Westfalen, vorliegt, nämlich ein Überbrückungskonzept, ist nichts anderes als ein Überbrückungskonzept, das man mit dem Titel „Kohlen für die Atomenergie" überschreiben könnte, ein Überbrückungskonzept, das den Ausbau der heimischen Atomenergie auf Kosten der heimischen Steinkohle sichert.
({4})
- Sie bieten in Ihrem Überbrückungskonzept die Vernichtung von 25 000 Arbeitsplätzen in der heimischen Steinkohle und einen Kapazitätsabbau von 11 Millionen t an.
({5})
Das schaffen Sie innergewerkschaftlich nur, weil Sie jede innergewerkschaftliche Opposition unterdrücken. Lafontaine hat recht, wenn er feststellt, daß die Freiheit der Meinungsbildung in der IG Bergbau und Atomenergie einem preußischen Kasernenhof gleicht.
({6})
- Herr Niggemeier, Ihr sogenanntes Presseorgan „Einheit" macht jedem Presseorgan einer Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands Ehre.
({7})
Wir fordern, innergewerkschaftliche Opposition zuzulassen, die auf den Verdrängungsprozeß Atomenergie gegen Steinkohle hinweist.
Wir fordern erstens bundesweit eine politische Kampagne, eine politische Offensive zum sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie.
({8})
Es ist ein Skandal, daß Wirtschaftsminister Jochimsen vor 14 Tagen gesagt hat: Wir brauchen einen neuen Konsens für eine Überbrückungszeit zur Tolerierung der Atomenergie. - Herr Jochimsen, nehmen Sie dazu Stellung. Es war ein Zitat Ihrer eigenen Worte.
Wir brauchen zweitens angesichts der Mehrheitsverhältnisse auf Bundesebene eine kommunalpolitische Offensive zum Ausstieg aus der Atomenergie. Es ist unverantwortlich, wenn sozialdemokratisch geführte Kommunen bei RWE und VEW den weiteren Ausbau der Atomenergie und bei RWE sogar den Ausbau der Plutoniumwirtschaft mittragen. Es sind Ihre Anträge auf der Hauptversammlung, es sind Ihre Anträge in den Energieversorgungsunternehmen. Nutzen Sie Ihre Möglichkeiten über die Kommunen bei den Energieversorgungsunternehmen: erstens den Ausbau der Atomenergie sofort zu stoppen, zweitens den Ausstieg aus der Atomenergie sofort einzuleiten
({9})
und drittens den Einfluß in den Energieversorgungsunternehmen dahin gehend zu nutzen, daß sofort mit dem Ausbau von kommunalen Heizkraftwerken auf der Basis heimischer Steinkohle begonnen wird.
({10})
Wir fordern mittelfristig, ein Subventionsumbaukonzept für die Kohlesubventionen, das sich strikt abgrenzt von einem Subventionsabbau, wie ihn die Bundesregierung plant. Die bei der Kohlesubvention heute gebundenen Mittel müssen mittelfristig umgeleitet, an die Kohleregionen gebunden und zum Aufbau einer Energiealternative genutzt werden: kommunale Heizkraftwerke auf der Basis heimischer Steinkohle sowie Ausbau erneuerbarer Energiequellen mit staatlicher Hilfe, mit staatlichen Subventionen in den Kohlerevieren.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist leider zu Ende.
Ich danke Ihnen.
({0})
Sie wissen, in der Aktuellen Stunde geht es nicht anders.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Beckmann.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können uns ja eigentlich nur darüber wundern, daß die SPD fragt, warum denn der schwierige Anpassungsprozeß in Nordrhein-Westfalen so langsam und so schwerfällig vorangeht. Wir wissen allerdings die Antwort: weil die SPD alles tut, um den notwendigen Strukturwandel zu verhindern, weil sie eher an Erhaltungssubventionen glaubt als an die Konzentration aller Kräfte auf neue Arbeitsplätze, weil sie dem technischen Fortschritt mißtraut und ihn unterminiert, weil sie die Arbeitsverhältnisse und vor allen Dingen das Image des Ruhrgebiets heruntergewirtschaftet hat.
({0})
Wenn das Herz der SPD im Revier schlägt, wie Herr Vogel auf dem Parteitag in Bochum gesagt hat, dann - das muß ich konstatieren - ist es nahe am Infarkt. Hier muß dringend ein Schrittmacher für Herrn Rau und Herrn Vogel gefunden werden, der die eigenen Kräfte stabilisiert und neues Blut in die gefährdete Region leitet. Alle beteiligten Wirtschaftskreise, auch die SPD, auch die IGBE, wissen, daß es einen Anpassungsbedarf bei Stahl und Kohle gibt.
Bei der Kohleverstromung haben sich weder die Bundesregierung noch die FDP-Wirtschaftsminister irgend etwas vorzuwerfen. Im Gegenteil: Die Wirtschaftsminister der letzten Jahre haben durch aktiven Einsatz und immerwährendes Drängen den Jahrhundertvertrag, der die Basis für die Lieferungen an die Elektrizitätswirtschaft bis 1995 darstellt, zustande gebracht. Der Hüttenvertrag, auch ein Verdienst der Wirtschaftsminister und ihrer Kohlepolitik, ist im Jahre 1985 bis zum Jahre 2000 erneuert worden. Er sichert den Absatz der Kokskohle an die Stahlindustrie.
Meine Damen und Herren, der Kohleabsatz im Wärmemarkt ist nun in den letzten Jahren bedauerlicherweise zurückgegangen. Das wissen wir. Wegen der Strukturschwierigkeiten in der Stahlindustrie ist auch der Kohleabsatz an die Stahlindustrie zurückgegangen. Unsere Mitgliedschaft in der EG verlangt, daß wir die Exportsubventionen für Kokskohlelieferungen an die europäischen Hüttenwerke schrittweise aufgeben. Dieser Anpassungsprozeß muß von der Kohlewirtschaft unter staatlicher Flankierung geleistet werden. Darüber sind sich die Kohlewirtschaft und die IGBE durchaus im klaren.
Schon in den vergangenen Jahren hat es einen gewaltigen Abschmelzungsprozeß bei der deutschen Kohle gegeben. Die Bundesregierung hat diese Umstrukturierung durch massive Hilfen flankiert und erleichtert. Es ist nun keine Rede davon, daß der Bund seine Solidarität mit dem Ruhrgebiet aufgebe. Er wird auch in Zukunft seine Verantwortung für die deutsche Kohle weiter übernehmen.
Meine Damen und Herren, durch den Verfall der Ölpreise ist der im Jahrhundertvertrag und im Dritten Verstromungsgesetz festgelegte Ölpreisausgleich in Größenordnungen hineingewachsen, die für die revierfernen Länder und die Stromverbraucher insgesamt eine kaum noch zu tragende Größenordnung erreicht haben.
({1})
Ich will hier einmal zitieren, was Herr Steinkühler am Donnerstag gesagt hat, als er zusammen mit unseBeckmann
rem Kollegen Hermann Rappe ein gemeinsames Konzept vorgelegt hat. Er hat die Arbeitsplätze, die in stromintensiven Betrieben gefährdet sind, betreffend, gesagt - ich zitiere - :
Besonders wichtig für den Fortbestand der rund 6 000 Arbeitsplätze in den Alu-Hütten sind wettbewerbsfähige und international vergleichbare Strompreise.
Das betonen diese beiden. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
({2})
Meine Damen und Herren, auch die Arbeitsplätze in anderen Branchen dürfen wir bei allem Wohlwollen für die schwierige Situation im deutschen Bergbau nicht aus dem Auge lassen.
Die revierfernen Länder dringen aus diesen Gründen verständlicherweise darauf, daß eine Änderung durchgesetzt wird. Hierfür, meine Damen und Herren, waren die Bochumer Beschlüsse der SPD nun wirklich wenig, wenig hilfreich. In dieser Verhandlungssituation, in der es um die Zukunft der deutschen Steinkohle geht, waren diese Beschlüsse eine Provokation der revierfernen Länder.
({3})
Ich kann dem nur zustimmen, was der Kollege Niggemeier vor wenigen Tagen zur Aufgabe des Konsenses Kohle-Kernenergie der Presse gegenüber gesagt hat. Er sagte nach einem Bericht der „Rheinischen Post" : Die Kernenergie hat der deutschen Kohle bisher keine Tonne Absatz weggenommen. Im Gegenteil, im Jahre 1976 haben wir bei einem Kernenergieanteil an der Stromversorgung von 13 % rund 28 Millionen t deutsche Kohle verstromt. Im Jahre 1986 waren es bei einem Kernenergieanteil von 29,3 % 41,7 Millionen t.
({4})
- Ihre These ist blanke Theorie und nur geeignet, die Menschen auf einen falschen Pfad zu bringen. Strukturelle Anpassung kann der deutschen Kohle niemand ersparen, auch die SPD nicht, die heute morgen diesen Antrag gestellt hat.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat der Minister für Wirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Professor Dr. Jochimsen.
Minister Dr. Jochimsen ({0}): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden hier heute über zweierlei, erstens über die Möglichkeiten zur Wiedererlangung eines gesamtstaatlichen energiepolitischen Konsenses und zweitens über die Zukunft der heimischen Steinkohle.
Ich lasse keinen Zweifel daran: Die Zukunft des deutschen Steinkohlebergbaus kann nur im gesamtstaatlichen Konsens gesichert werden. Nur wenn alle
Beteiligten, also die Bundesregierung, die Kohleländer, die Elektrizitätsunternehmen, die Bergbauunternehmen und die Gewerkschaften, an einem Strang ziehen, ist es möglich, die strukturell bedingten Überkapazitäten des deutschen Steinkohlebergbaus regional und sozial verträglich abzubauen. Es müssen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, und dazu brauchen wir die umfassende Hilfe der Bundesregierung, die wir bisher nicht bekommen haben.
({1})
Ich sage das hier so deutlich, damit nicht der Eindruck entsteht, wir hätten Interesse daran, Kohle ständig auf Halde zu fördern. Wir haben aber jedes Interesse daran, den Anteil der Kohle an der Sicherung der nationalen Energieversorgung mittel- und langfristig zu stabilisieren. Es kann und darf nicht angehen, daß der deutsche Steinkohlebergbau unter die Räder eines unkontrollierten Subventionsabbaus gerät, damit die „anvisionierte" Steuerreform finanziert werden kann
({2})
und damit ein Bundeswirtschaftsminister, Herr Kollege Beckmann, die Gelegenheit erhält, sich vor der eigenen Klientel zu profilieren.
({3})
Die Sicherung der nationalen Energieversorgung ist eine nationale Aufgabe. Bundesregierung, Bundesländer, Unternehmen und Gewerkschaften stehen in der Pflicht, als nationale Risikogemeinschaft alles in ihren Kräften Stehende zu unternehmen, um bruchartige Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft zu vermeiden.
Wer heute sagt, eine Risikoprämie für die sichere nationale Energieversorgung sei ihm zu teuer - und nichts anderes hat der Bundesminister für Wirtschaft vorgestern vor der Bundespressekonferenz und anschließend auf der Wirtschaftsministerkonferenz getan - , der muß sich fragen lassen, wie er denn einer möglichen Eskalation am Golf begegnen will.
({4})
Den Bergbauländern wird vorgehalten, sie verfolgten mit der zur Vermeidung solcher Risiken bisher von allen gemeinsam getragenen Kohlevorrangpolitik vorwiegend eigene regionalwirtschaftliche Interessen. Gemeinsam mit dem Bundeskanzler sind wir hier entschieden anderer Auffassung. Die Sicherung der nationalen Energieversorgung ist eine nationale Aufgabe und keine Schönwetterveranstaltung, die sich auch und gerade bei Ölpreisverfall und Dollarsturz bewähren muß.
Dessenungeachtet hat das Land Nordrhein-Westfalen mit seinem Kohledrittel in der Vergangenheit einen überproportionalen Beitrag für die nationale Energieversorgung erbracht. Wir werden dies auch in Zukunft tun.
Minister Dr. Jochimsen ({5})
Dennoch haben wir durchaus Verständnis dafür, daß sich in den revierfernen Ländern kritische Stimmen melden, die meinen, daß mit der Fortführung der Kohlevorrangpolitik und ihren Auswirkungen auf die Strompreise die nationale Solidargemeinschaft nicht überfordert werden dürfe.
Aber auch die Stromverbraucher in Nordrhein-Westfalen zahlen ihren Kohlepfennig, und sie bezahlen mehr als die Stromverbraucher in Bayern, Niedersachsen oder Baden-Württemberg. Ich bin dafür, daß alle Anstrengungen unternommen werden, damit weniger gezahlt werden muß. Aber dafür gibt es doch Instrumente, und zwar Instrumente, die der Bundesminister für Wirtschaft sofort nutzen könnte, beispielsweise die von der Elektrizitätswirtschaft jetzt vorgeschlagene Energieverbrauchsteuer. Ein Bundeswirtschaftsminister, der sich nicht mit einem Antikohlekurs vor seinen eigenen Parteifreunden profilieren müßte, hätte in der Tat das Konzept der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie genutzt. Und er hätte auch die Vorschläge des Kollegen Gerstein sowie den Vorstoß aller nordrhein-westfälischen CDU-Bundestagsabgeordneten genutzt. Statt dessen werden in den Revieren mit täglich neuen Horrorszenarien die Ängste geschürt.
({6})
Der Kollege Hoffmann und ich haben vorgestern auf der Wirtschaftsministerkonferenz einen in diesem Sinne kompromißfähigen Vorschlag gemacht. Unter Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Möglichkeiten wollen wir darauf hinwirken, daß die Belastung des Ausgleichsfonds einvernehmlich mit allen Beteiligten am Jahrhundertvertrag abgebaut wird. Allerdings haben wir dabei deutlich gemacht, daß auf keinen Fall das Mengengerüst des Jahrhundertvertrags angetastet werden darf
({7})
und daß dieses Mengengerüst nicht bloß, wie vorn Bundeswirtschaftsminister vorgeschlagen, soweit wie möglich erhalten bleiben soll.
Und wie hat der Bundeswirtschaftsminister seine Haltung begründet - auch Sie haben das ja eben getan -? Mit der Beschlußlage der SPD zur Kernenergie. Ich möchte Sie daran erinnern: Bereits im Jahre 1984 auf ihrem Essener Parteitag haben die Sozialdemokraten beschlossen, daß schnellstmöglich auf die Nutzung der Kernenergie verzichtet werden muß, weil ihre Risiken kaum zu verantworten und die Entsorgungsproblem weltweit ungelöst sind. Das hat damals weder die Bundesregierung noch die revierfernen Länder daran gehindert, mit uns gemeinsam die für die Sicherung der nationalen Energieversorgung unverzichtbare Kohlevorrangpolitik fortzusetzen. Damals - 1984, 1985 - ist das fortgesetzt worden.
Man hat auch wie selbstverständlich von Nordrhein-Westfalen die Sonderlast des Kohledrittels in Anspruch genommen.
({8})
Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hat die SPD in Nürnberg ihren Essener Beschluß bekräftigt und hinzugefügt, daß ein Umsteuern auf eine
Energieversorgung ohne Kernenergie innerhalb eines Jahrzehnts dann machbar ist, wenn dafür Mehrheiten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vorhanden sind. Ich füge hinzu: Nichts anderes haben die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten in Bochum bestätigt.
({9})
Allerdings, sie waren realistisch. Wir wissen, daß es die für ein Umsteuern erforderlichen Mehrheiten zur Zeit nicht gibt. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Bonner Regierungskoalition zur Zeit mit der Parole „Augen zu und durch" den Ausbau der Kernenergienutzung vorantreibt.
({10})
Die Landesregierung hat am 22. September 1987 ihren Bericht über einen möglichen Übergang zu einer Energieversorgung ohne Kernenergie verabschiedet und festgestellt, daß ein solcher Übergang technisch und wirtschaftlich wie auch ökologisch verträglich und mit Zugewinn für Innovation und Beschäftigung machbar ist. Dennoch hat die Landesregierung beschlossen, dazu beizutragen, einen nationalen energiepolitischen Konsens zu erreichen; denn in dem Bericht wird festgestellt - ich darf zitieren -:
Auch die politisch-gesellschaftliche Situation erfordert einen Konsens, bei dem die heimische Kohle und die rationelle Energieversorgung die zentralen Elemente bleiben müssen. In diesem Konsens kann bei Anlegung realpolitischer Maßstäbe auch die Kernenergie für eine Übergangszeit dann eine Rolle einnehmen, wenn anlagenspezifische Sicherheitsüberprüfungen dies zulassen und die Entsorgungsproblematik überzeugend gelöst ist.
Meine Damen und Herren, das zeigt, das Energieland Nordrhein-Westfalen ist unverändert bereit, an der Herstellung eines nationalen energiepolitischen Konsenses aktiv mitzuwirken. Ich möchte auch hier darum bitten, in der Energiepolitik zur redlichen Argumentation zurückzukehren. Zur Redlichkeit gehört die Feststellung, daß unsere Volkswirtschaft nach dem Ölpreisverfall für die Sicherung des heimischen Steinkohlenbergbaus 1987 10,7 Milliarden DM - ungefähr doppelt soviel wie 1984 - aufwenden muß. Wer diese Rechnung aufmacht, muß sich redlicherweise auch damit auseinandersetzen, daß die nationale Energiebilanz im vergangenen Jahr allein auf Grund des Ölpreisverfalls um mehr als 40 Milliarden DM entlastet wurde.
({11})
Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, Heinz-Werner Meyer, hat die aktuelle Scheindiskussion aufgedeckt, indem er sagte:
Die deutsche Kohle ist ohne die Kernenergie genauso lebensfähig wie mit der Kernenergie. Sie muß nur politisch gewollt werden, von allen.
({12})
Minister Dr. Jochimsen ({13})
Und damit auch von Ihnen hier im Deutschen Bundestag!
({14})
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Bangemann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nationale Energiepolitik ist nicht mehr möglich. Wir müssen zunächst einmal einen europäischen Rahmen für die Energiepolitik schaffen.
({0})
Die Bundesregierung hat diesen europäischen Rahmen geschaffen. Wir haben bei allen Hilfen, die wir für den Bergbau eingesetzt haben und einsetzen werden, niemals Schwierigkeiten mit der europäischen Kommission bekommen, weil dieser Rahmen geschaffen worden ist. Wir haben den Hüttenvertrag bis zum Jahre 2000 verlängert und damit einen wichtigen Absatzbereich für die Steinkohle gesichert. Wir haben die Regelung über das Anpassungsgeld für die Bergleute um weitere fünf Jahre verlängert. Wir haben im Rahmen der Kohlevorrangpolitik alles getan, was möglich war, um den gegenwärtig wichtigsten Absatzbereich der Steinkohle, den Einsatz für die Verstromung, zu erhalten. Der Vorwurf, daß die Bundesregierung die Vorrangpolitik aufgegeben habe, ist schon deshalb nicht richtig, weil die Fakten dagegen sprechen.
({1})
Aber von den Zahlen nimmt die Opposition keine Kenntnis; deshalb kann ich Ihnen einige Zahlen heute nicht ersparen.
Wir haben im Jahre 1982 39 Millionen t Steinkohleeinheiten, im Jahre 1986 42 Millionen t verstromt. Noch nie zuvor ist in der Bundesrepublik soviel Kohle verstromt worden, und dies, obwohl im gleichen Zeitraum auch die aus Kernkraftwerken kommende elektrische Leistung erhöht worden ist.
Der Ausbau der billigeren Kernenergie arbeitet nicht gegen die Kohle,
({2})
sondern macht den Einsatz der teureren heimischen Kohle finanzierbar.
({3})
Das, Herr Hauff und Herr Jochimsen, war der wesentliche Inhalt des energiepolitischen und kohlepolitischen Konsenses, nichts anderes.
({4})
Wenn Sie das heute vergessen machen wollen, weil Ihre Ausstiegsszenarien diesen Konsens aufgekündigt haben, dann ist das ein jämmerliches Bild. Wenn Sie sich das nicht von mir anhören wollen, dann darf ich den gerade von Herrn Jochimsen zitierten Herrn Meyer wörtlich zitieren:
Ausstiegsszenarien für die Kernenergie passen nicht in die Diskussion um die Zukunft der Kohle.
({5})
Das sagt der Vorsitzende der IGBE. Von diesem gemeinsamen Konsens haben Sie sich - allein aus parteipolitischen Überlegungen - schändlich davongestohlen. Und jetzt wollen Sie dafür die Bundesregierung verantwortlich machen!
({6})
Der Jahrhundertvertrag sieht einen steigenden Einsatz von Kohle für die Verstromung vor, und zwar auf etwa 43 Millionen t im Jahr 1995. Meine Damen und Herren, ich habe mich in allen Gesprächen, die ich bisher geführt habe, darum bemüht und werde mich in allen weiteren Gesprächen darum bemühen, dieses Mengengerüst zu erhalten. Ich habe das von Anfang an, bei jeder Vorlage des Energieberichtes, gesagt. Ich kämpfe darum.
({7})
- Nun hören Sie mir wenigstens einmal zu, Sie Kohleexperte!
({8})
Wenn Sie, Herr Professor Jochimsen, von Redlichkeit sprechen, so halte ich Ihnen entgegen: Sie wissen ganz genau, daß ich bei der Erarbeitung des Beschlusses der Länderwirtschaftsministerkonferenz nicht vorgeschlagen habe, das Mengengerüst „soweit wie möglich" zu erhalten. Ich habe das nicht vorgeschlagen. Ich habe vorgeschlagen, „vertragsgemäß" zu sagen. Aber die Mehrheit der Länderwirtschaftsminister hat dieses Wort nicht akzeptiert. Sie wissen das ganz genau. Aber Sie stellen sich hier hin und sagen, ich hätte vorgeschlagen: „so weit wie möglich" . Das ist Ihre Redlichkeit.
({9})
Die Position der Bundesregierung zum Steinkohlebergbau ist völlig unverändert. Verändert haben sich aber einige entscheidende Elemente. Der Weltmarkt für die Energie hat auf Grund der starken Ölpreissenkung ein völlig anderes Gesicht bekommen. Der Preisunterschied der deutschen zur Importkohle beträgt 160 DM bis 170 DM pro Tonne. Der Absatz von Kohle ist in den letzten drei Jahren trotz der Instrumente, die wir anwenden, stark zurückgegangen, seit 1985 um 12 Millionen Tonnen.
Wenn hier so getan wird, als ob ich ausrechnete, welche Überkapazität vorhanden ist, als ob ich das sozusagen politisch bestimmte, dann ist auch das völlig falsch. Jeder weiß, daß in den Gesprächen alle Beteiligten, die sich ernsthaft um eine Lösung bemühen - Voraussetzung ist zunächst einmal, daß man das will - , davon ausgehen, daß wir schon heute einen Kapazitätsüberhang von 6 Millionen Tonnen haben, von 80 Millionen Tonnen pro Jahr Förderkapazität aus gerechnet.
({10})
- Das ist kein Quatsch. Fragen Sie wieder den Herrn Mayer. Der hat das selber in den Gesprächen eingebracht.
({11})
- Nein. Er hat gesagt, wir haben schon heute einen Überhang von 6 Millionen Jahrestonnen.
({12})
Aber Sie nehmen das ja gar nicht zur Kenntnis, weil Sie nur Ihr parteipolitisches Süppchen kochen wollen,
({13})
auf dem Rücken der Leute im Ruhrgebiet. Das ist das Problem.
({14})
Nach den Angaben der IG BE haben wir einen Überhang von 6 Millionen Tonnen. Nach den Zahlen der deutschen Bergbauunternehmen, die wir lediglich zusammengestellt haben, ergibt sich, wenn man die finanzielle Förderung der Kohleexporte einstellt, ein weiterer Überhang von jährlich 6 bis 7 Millionen Tonnen. In dieser Höhe wird heute exportiert. Nun kann man zur Kohlesicherheit vieles sagen. Aber daß der Kohleexport zur Sicherung der deutschen Energie gehört, das kann man nicht behaupten.
({15})
Das sind noch einmal 7 Millionen jato. Dann sind Sie bei 13 Millionen Tonnen. Wenn Sie dann die Risiken einrechnen, die beim Stahlabsatz und beim Wärmemarkt unzweifelhaft vorhanden sind und die bis 1995 mit 2 Millionen Tonnen wirklich nicht zu hoch angesetzt sind, dann sind Sie bei 15 Millionen Jahrestonnen. Die Frage ist jetzt: Was machen wir mit dieser Überkapazität? Sollen wir das Geld in die Förderung von Kohle stecken, die auf Halde gehen muß, oder sollen wir einen Strukturwandel bei sozialer Flankierung begünstigen, der für die Betroffenen wie bei der Stahlindustrie auch akzeptabel wird, obwohl sie einen Arbeitsplatz verlieren? Ich weiß, daß viele Menschen einen Arbeitsplatz verlieren. Das ist eine fürchterliche Sache. Aber ich kann Arbeitsplätze nicht künstlich erhalten. Ich kann sie nicht erhalten, wenn sie soviel Geld kosten, daß man es nicht mehr bezahlen kann. Das ist das Problem.
({16})
Da sagen Sie: Das kann man auf andere Weise ausgleichen; man müßte versuchen, den Kohlepfennig so zu gestalten, daß nicht die Stromverbraucher so belastet werden, wie das heute der Fall ist. Ich bin für jeden vernünftigen Vorschlag dankbar. Aber ich weiß keinen besseren als den, den ich selber gemacht habe: den Kohlepfennig zu plafondieren, ihn vom Ölpreis unabhängig zu machen. Das hätte den großen Vorteil, daß auch die Stromversorgungsunternehmen mit einer festen Größe kalkulieren können. Ich finde dafür Mehrheiten. Herr Lammert, ich habe Ihre Rede im Wirtschaftsausschuß dabei. Ich könnte daraus zitieren. Ich kann jedes Wort unterschreiben. Aber bitte, berücksichtigen Sie die Ausgangslage, wenn Sie von Mehrheiten sprechen. Ich kann den Kohlepfennig per
Verordnung höchstens auf 4,5 % festsetzen. Das ist weniger, als wir heute haben. Ich brauche für jede andere Festsetzung - und wir müssen ihn jährlich festsetzen - eine Mehrheit. Darum geht es jetzt. Ich kämpfe um diese Mehrheit.
({17})
- Ich versuche die Länder dazu zu bringen, daß es diese Mehrheit gibt.
({18})
Dann werden solche Töne, wie sie hier von Herrn Jochimsen lautgeworden sind, in die Debatte eingeführt. Eine derart unsachliche und tendenziöse und wenig zur Lösung der Probleme beitragende Stellungnahme des Landeswirtschaftsministers, der eigentlich dafür zu sorgen hätte, daß seine heimische Kohleindustrie eine Zukunft hat: das ist ein Trauerspiel.
({19})
So wie wir das trotz Ihrer unsinnigen Reden bei der Stahlindustrie gelöst haben - ({20})
- Wir haben eine Lösung erreicht, bei der die Stahlindustrie, die IG Metall, die Bundesregierung und die Betroffenen mitmachen.
({21})
- Sie haben die Probleme in Nordrhein-Westfalen und im Saarland, weil Sie jahre- und jahrzehntelang dem Strukturwandel nicht gefolgt sind.
({22})
Sie wollen den bequemen Weg gehen, und damit ersparen Sie vielen Menschen scheinbar die Anpassung. In Wahrheit ist es so, daß die Anpassung eine Notwendigkeit ist, die erst dann menschlich erträglich gestaltet werden kann, wenn man sich ihr aktiv stellt. Aber das tun Sie nicht! Sie haben in den Kohleländern Haushaltsdefizite, die entstanden sind, weil Sie nicht den Strukturwandel begünstigt haben.
({23})
Sie lassen die Menschen auf Arbeitsplätzen sitzen, von denen Ihnen jeder heute sagt, daß diese Arbeitsplätze keine Zukunft haben.
({24})
Sie begründen menschliches Elend, und auf diesem menschlichen Elend wollen Sie Ihre politischen Geschäfte machen.
({25})
Das Wort hat der Abgeordnete Jung.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Heute morgen haben fast alle 24 Schachtanlagen im Ruhrgebiet über zwei Stunden stillgestanden. Überall im Ruhrgebiet haben Demonstrationen der Bergleute stattgefunden, und diese Demonstrationen haben sich gegen die Bundesregierung gerichtet.
({0})
Wir Sozialdemokraten sind solidarisch mit dem Kampf der Bergleute um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze.
({1})
Wenn Herr Bangemann ein gutes Gewissen hätte bei seiner Kohlepolitik, dann würde er noch heute in das Ruhrgebiet fahren und den Versuch unternehmen, den Bergleuten diese Kohlepolitik zu erklären. Ich befürchte aber, daß ihm dazu der Mut fehlen wird.
({2})
Meine Damen und Herren, wir haben Sie eindringlich davor gewarnt, als Sie in Ihre Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben haben, daß der Kohlepfennig auf eine neue Bemessungsgrundlage gestellt werden müsse, daß Sie damit den Jahrhundertvertrag aushebeln und daß damit die Kohlevorrangpolitik auf gegeben wird. Sie haben lauthals im Bundestag erklärt, der Jahrhundertvertrag sei der Eckpfeiler der Politik der Bundesregierung.
Ich sage dazu: Entweder Sie haben gar nicht gewußt, was Sie in die Koalitionsvereinbarung geschrieben haben, Sie haben nur ein kurzsichtiges Finanzkalkül verfolgt, und am Ende ist eine völlig andere Energiepolitik herausgekommen - das ist der klassische Fall, das Pferd vom Schwanz her aufzuzäumen - , oder aber, und das kommt der Wahrheit sehr viel näher, Sie haben es ganz genau gewußt und sind damit das Risiko eingegangen, daß Sie mit der Reduzierung des Kohlepfennigs den Jahrhundertvertrag aushebeln.
Die Quittung haben Sie jetzt in der sogenannten ersten Kohlerunde bekommen; denn die Kraftwerksbetreiber haben gezeigt, daß sie dieses Spiel nicht mehr mitspielen, offensichtlich weil sie das Vertrauen verloren haben, daß die Energiepolitik, insbesondere die Kohlepolitik, bei der Bundesregierung in guten Händen ist. Sie haben offensichtlich das Vertrauen verloren, daß sie sich auf die gesetzlichen Ansprüche stützen können und die Kohle weiter verstromen können.
Was bei Ihrer Politik am Ende herauskommt, hat jetzt die Landeswirtschaftsministerkonferenz sehr deutlich gezeigt. Indem Sie die Kohle gefährden, verfolgen Sie eine Kernenergie-Vorrangpolitik und die Strategie, daß der Restbedarf nicht mehr von der deutschen Kohle, sondern von der Importkohle gedeckt werden soll.
({3})
Im Innern Liberalismus und im Äußeren Freihandel, das ist Ihre Energiepolitik. Die sozialen Konsequenzen verweisen Sie an den Bundesarbeitsminister, wobei Sie noch nicht ein einziges Mal den Versuch unternommen haben, die volkswirtschaftlichen Kosten, die aus der zusätzlichen Arbeitslosigkeit resultieren werden, Ihrer Kohlepolitik gegenzurechnen. Ich sage hier - und das richtet sich an den Bundesarbeitsminister in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen - : Es hilft nichts, mit markigen Worten für die Kohle zu sprechen; Sie müssen Taten zeigen, und zwar am Kabinettstisch, und die 58 Bundestagsabgeordneten der CDU aus Nordrhein-Westfalen müssen in ihrer Fraktion Widerstand leisten, um die Kohlevorrangpolitik zu sichern.
({4})
Für uns ist die Kohlepolitik der eigentliche Sicherheitssockel. Wir haben es doch bei den zwei Ölkrisen erlebt, daß unsere volkswirtschaftliche Gesamtrechnung total durcheinandergebracht worden ist. Ich sage dazu: Eine Kohlevorrangpolitik kann man nicht zum Nulltarif haben. Wir wissen auch, daß die Bevölkerung dies akzeptiert, und zwar nicht nur in den Revierländern, sondern auch in den revierfernen Ländern.
({5})
Wir haben im Gegensatz zu Ihnen immer deutlich gemacht, wo unsere energiepolitischen Optionen liegen, nicht zuletzt auch in Nordrhein-Westfalen, was hier ständig zitiert worden ist. Wir haben ja nicht nur gesagt, daß wir aus der Kernenergie so bald wie möglich aussteigen wollen; wir haben auch sehr deutlich gesagt, daß wir die Kohlevorrangpolitik fortsetzen wollen. Wir haben insbesondere gesagt, daß wir das Überbrückungskonzept der IG Bergbau unterstützen. Das haben die CDU-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen nicht gesagt; in diesem Punkt folgen sie ihm nicht.
Wir wollen einen wachsenden Absatz der Kohle bei der Verstromung. Dazu muß der Kernenergieanteil an der Stromerzeugung reduziert werden. Das wäre ein Beitrag zur erhöhten Sicherheit. Das würde auch ein Beitrag zur Lösung des immer noch völlig offenen Entsorgungsproblems sein. Wir sagen dazu: Das wäre auch finanziell zu verkraften.
Ich sage schließlich: Dies würde dem ursprünglichen energiepolitischen Konsens entsprechen, wie er einmal bei der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms formuliert worden ist, nämlich Kohlevorrangpolitik und Kernenergie für den Restbedarf. Ich glaube, wenn man sich auf dieses einzige bislang vorliegende Gesamtkonzept einlassen würde,
({6})
dann würde man dem ursprünglichen energiepolitischen Konsens sehr viel näherkommen. Sie sollten
Jung ({7})
hier heute prüfen, ob man daraus nicht einen Minimalkonsens ableiten könnte.
({8})
Ich fordere Sie daher auf: Kehren Sie zurück zur Kohlevorrangpolitik!
({9})
Unterlassen Sie insbesondere den untauglichen Versuch, jeden Gesprächspartner einzeln über den Tisch ziehen zu wollen. Machen Sie vielmehr eine nationale Kohlerunde. Legen Sie einen Gesamtplan vor, damit man nach Lösungen suchen kann, die dann auch von allen Beteiligten getragen werden.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorgestern hat die saarländische Regierung eine enttäuschende Halbzeitbilanz vorgelegt.
({0})
Die saarländische Regierung glänzt auch heute in einer so wichtigen und für das Land bedeutenden Debatte durch Abwesenheit auf der Bundesratsbank.
Es ist zum wiederholten Male gesagt worden, die Bundesregierung habe den nationalen Konsens in der Kohlepolitik aufgekündigt. Durch ständiges Wiederholen wird eine solche Behauptung allerdings nicht richtiger, meine Damen und Herren.
Wir müssen doch einmal daran erinnern: Noch vor zwei Jahren war man in der Wirtschaftsministerkonferenz der Auffassung - alle Bundesländer waren sich darin einig - , daß Kohlepolitik nur dann erwartet werden könne, wenn auch andere Energienutzungen einschließlich der Kernenergie mitgetragen würden.
({1})
Der saarländische Wirtschaftsminister, der es ja eigentlich wissen müßte, hat sogar vorgerechnet, daß Strom aus heimischer Kohle billiger sei als Kernenergiestrom. Jeder Fachmann sagt, daß das Blödsinn ist. Wenn das nämlich so wäre, bräuchte die Kohle ja überhaupt keine Subventionen.
Derselbe Wirtschaftsminister stellt sich an dieses Pult - das war am 1. April; man beachte das Datum - und formuliert für sich einen neuen Konsens, der da lautet: Kohle und Ausstieg aus der Kernenergie. Wer diese Linie nicht mitträgt, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, er kündige den nationalen Konsens. So einfach ist das. Nur, hier muß wiederholt werden: Das Instrumentarium zur Stützung der Kohle - Hüttenvertrag, Kohlereserve, Jahrhundertvertrag - ist in einer breiten energiepolitischen Gemeinsamkeitsanstrengung aufgebaut worden. Davon kann aber heute leider nicht mehr die Rede sein.
Die Regierung des Kohlelandes Saarland mit 24 000 direkt von der Steinkohle abhängigen Arbeitnehmern ist doch - so sollte man meinen - auf diesen Konsens mehr als andere Regionen angewiesen. Und was tut sie? Sie übernimmt eine Vorreiterrolle bei der Zerstörung durch einseitige Aufkündigung und Ausstiegs-szenarien. Ja, diese Landesregierung hat sogar die Dreistigkeit, auf der gestern in Saarbrücken eröffneten Technologiemesse einen Stand zu betreiben, der gegen die Energiepolitik der Bundesregierung hetzt, meine Damen und Herren.
({2})
Nur, nach Ablauf dieser Woche sehen sich diese energiepolitischen Scharfmacher immer mehr von den Realitäten an die Wand gedrückt. Immer mehr werden sie mit der Erkenntnis konfrontiert, daß das Saarland keine autonomen energiepolitischen Ziele verfolgen kann, sondern sich im Interesse der Zukunftssicherung - auch und vor allem des Saarbergbaus - in einen gesamtstaatlichen energiepolitischen Rahmen fügen muß. Statt dessen isoliert sie sich jedoch.
Lafontaine stellte sich vorgestern in den Landtag und sagte, die Saarbergwerke könnten jährlich 10 Millionen t fördern. - Selbstverständlich, das ist technisch möglich. Die Landesregierung habe Vorschläge gemacht, wie das zu bewerkstelligen sei. Das können wir auch. Nur, er sagt nicht, an wen diese Kohle letztlich verkauft werden soll und wer das alles bezahlen soll. Er sagt kein Wort über die Tatsache, daß im deutschen Steinkohlebergbau ein Anpassungsbedarf besteht, der auch von der IG Bergbau anerkannt wird. Wir warten ja immer noch auf einen Redner von der IG Bergbau; er soll hier einmal vortragen, welche Vorstellungen sie hat.
({3})
Das Verhandlungssignal der IG Bergbau ist doch als Chance zu verstehen, in einer breiten Gemeinsamkeit auch über das Jahr 1995 hinaus rechtliche Rahmen festzulegen, die die Zukunft der deutschen Kohle langfristig sichern.
Wenn sich die saarländische Regierung hier nicht bewegt - so hört man es aus Gewerkschaftskreisen in diesen Tagen -, dann kommt der große Knall. Meine Damen und Herren, man gewinnt zunehmend den Eindruck: Letztlich geht es gar nicht mehr um die Sache. Hauptsache, diese Herren setzen ihre Ideologie durch.
({4})
Natürlich wissen wir auch, daß eine Anpassung für das Saarland im Vergleich zu den übrigen Kohlerevieren wirtschaftspolitisch relativ belastender ist, ausgehend von der Tatsache, daß 18 %aller in der Industrie Beschäftigten dieses Bundeslandes im Steinkohlebergbau arbeiten. Um so mehr müßte die Landesregierung doch den Konsens mit der Bundesregierung suchen und finden, da doch jetzt ein regelrechter Kraftakt notwendig wäre, jetzt etwas für die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen zu tun.
Lassen Sie mich zum Schluß - auch im Namen meiner übrigen drei CDU-Bundestagskollegen in der Fraktion, die aus dem Saarland kommen - sagen: Wir tragen Unbequemes und Notwendiges mit. Wir erwarten aber andererseits von der Bundesregierung auch, daß sie alles tut, um die Gestaltung einer langfristigen, vernünftigen, stetigen Kohlepolitik durch die öffentliche Hand zu ermöglichen. Wir wollen kein auf ein einzelnes Unternehmen bezogenes Konzept, sondern wir wollen schon ein Konzept für den gesamMüller ({5})
ten Wirtschaftsraum, für den gesamten Wirtschaftsbereich.
({6})
Ich glaube, die Zeiten der Glaubenskriege sind zu Ende. Wir müssen jetzt wirklich an die Arbeit gehen.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Blüm.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Kohle und Stahl sind in Bedrängnis.
({0})
- Ich weiß nicht, was es darüber zu lachen gibt. Daß Sozialdemokraten über die Feststellung einer Notsituation lachen, zeigt die ganze Erbärmlichkeit der Diskussion.
({1})
Aber die Ursachen sind unterschiedlich. Deshalb kann die Lösung auch nicht die gleiche sein. Aber eines haben sie gemeinsam, wenn die Lösung erfolgreich sein soll: daß wir es nur gemeinsam und nicht gegeneinander schaffen, daß Konsens und Kooperation das Lösungsmuster bilden, so wie wir es bei Stahl geschaffen haben.
({2})
- Wir haben es geschafft, daß der notwendige strukturelle Anpassungsprozeß ohne Massenentlassungen stattfindet. Das, finde ich, ist ein großer Erfolg zugunsten der Stahlkocher.
({3})
In diese Kooperation müssen die Länder eingebunden bleiben, auch die revierfernen Länder, an die ich mich hier wende. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Wir fordern die Solidarität auch der revierfernen Länder. Aber Sie, Herr Jochimsen, haben diesem Konsens heute keinen guten Dienst geleistet.
({4})
Ihr Beitrag erinnert mich an das Strickmuster Ihrer Landesregierung, die auf Kohle- und Stahlängste der Arbeitnehmer kein anderes Rezept hatte - jetzt zitiere ich aus dem Papier der Staatskanzlei - , „als die Proteste nach Bonn zu lenken" . Das ist Ihr einziges Rezept.
({5})
Wie erbärmlich muß eine Landesregierung sein, die Politik mit den Ängsten der Kolleginnen und Kollegen macht, der zur Lösung von Problemen nichts anderes einfällt, als „Proteste nach Bonn zu lenken".
({6})
Arme sozialdemokratische Partei, kann ich dazu nur sagen.
({7}) Es geht darum, den Menschen zu helfen.
({8})
Es geht nicht um kleinliche parteipolitische Vorteile, es geht nicht darum, wohin der Protest gelenkt wird, es geht darum, wo die Lösung gefunden wird. Das ist unsere Sorge.
({9})
Die Kohle hat es schwer, aber wir brauchen sie. Wir brauchen sie auch wegen unserer Energiesicherheit. Die weltweiten Vorräte an Öl und Erdgas betragen ein Fünftel der Vorräte, aber im Verbrauch dominieren Gas und Öl. Andererseits: Die Kohle verfügt über vier Fünftel in den Vorräten an Energie, im Verbrauch allerdings nur ein Drittel. Das zeigt das ganze Ungleichgewicht. Wir haben 24 Milliarden t Steinkohle unter unserer Erde, und es wäre kurzsichtig, sie absaufen zu lassen. Deshalb muß man eine Energiepolitik mit langem Atem und nicht von der Hand in den Mund treiben.
({10})
- Wenn Sie zustimmen, ist es doch gut. Das ist ein Sicherheitssockel für Generationen, und Energiepolitik muß man für Generationen und nicht aus dem Augenblick heraus betreiben. Deshalb braucht die Marktwirtschaft, die ihre Stärke in der Ermittlung des Bedarfes für den Augenblick hat, eine Korrektur über den Tag hinaus. Das verstehen wir unter Sozialer Marktwirtschaft.
({11})
Ich sagte, Kohle braucht die Hilfe. Die deutsche Kohle ist nicht von sich aus wettbewerbsfähig - das unterscheidet sie vom Stahl - , sie braucht Unterstützung. Die Unterstützung wird allerdings nur im Verbund mit der Kernenergie gelingen. Sonst wird die Kohleenergie zu teuer, sonst vernichtet sie Arbeitsplätze, und das kann doch wohl nicht der Sinn sein.
({12})
Deshalb bedanke ich mich bei der IG Bergbau für diesen Weitblick. Es wäre nicht Sinn der Solidarität, wenn durch hohe Energiepreise Arbeitsplätze in anderen Branchen vernichtet würden. Das wäre ein Energiesparprogramm durch Arbeitsplatzvernichtung, und das kann wohl nicht unser Programm sein.
Erst vor wenigen Tagen haben die IG Metall und die IG Chemie für die Aluminiumwirtschaft Stromverträge gefordert, die international vergleichbar sind. International wird Strom mit Kernenergie hergestellt. Deshalb gibt es keine international vergleichbaren
Strompreise ohne Kernenergie. Das ist die Wahrheit, und der Wahrheit muß man sich stellen.
({13})
Die SPD war lange Zeit auf dem gleichen Pfad. Dieser Zickzackkurs ist das einzig Zackige an der SPD. Soll ich das mal vorlesen? Johannes Rau 1986 - nicht Jahrhunderte zurück - : „Die gegenwärtig betriebenen Kernkraftwerke auf Uranbasis werden politisch nicht in Frage gestellt." Das war vor einem Jahr. Ein Jahr später: „Unser Nein zur weiteren Nutzung der Atomkraft gilt ohne Unterschied für alle Reaktortypen, auch für den THTR." Also für alle. Meine Damen und Herren, was ist das für eine Politik? Man reist im Ausland herum, bietet deutsche Kerntechnologie an, und zu Hause legt man sie still. Das kommt mir so vor wie ein Schuhverkäufer, der barfuß durch die Gegend läuft.
({14})
Meine Damen und Herren, natürlich gibt es im Wärmemarkt Verluste. Die kann man auch nicht politische wegreden, die gibt es.
({15})
Es gibt Verluste im Stahlmarkt, die man auch nicht politisch beseitigen kann. Wir wollen die Verstromungsmenge auf Dauer halten, nicht nur heute und morgen. Da verstehe ich die IG Bergbau, die eine langfristige Perspektive braucht, nicht nur eine Perspektive für das nächste und das übernächste Jahr. Deshalb können alle Anpassungsprozesse nicht von heute
({16})
- seien Sie doch nicht so aufgeregt! -({17})
auf morgen geschehen. Wir brauchen Zeit für die Anpassung. Nicht Strukturbruch kann das Rezept sein, sondern es muß ein Strukturwandel sein, der sozial gebändigt ist.
({18})
- Meine Damen und Herren, durch Schreien werden die Argumente doch nicht besser. Lautstärke ist nicht Argumentationsstärke.
({19})
Erstens brauchen wir Ersatzarbeitsplätze. Wer allerdings Ersatzarbeitsplätze sagt, der schafft sie nicht von heute auf morgen. Auch all Ihre Papiere schaffen sie nicht, denn dazu braucht man Zeit. Deshalb brauchen wir Zeit für den Anpassungsprozeß.
({20})
Ich war gestern abend in Aachen. In dieser Region gibt es, wenn der EBV zumachen muß, keine Ersatzarbeitsplätze. Deshalb braucht man dafür Zeit und kann die Bergleute nicht ins Bergfreie fallen lassen.
({21})
Wenn Sie schon mit dem Finger zeigen, lenken Sie ihn auf Ihre eigene Person. Fangen Sie doch einmal bei sich selber an.
({22})
- Ich zeige im Moment auf die Bergleute und sage: Denen muß geholfen werden; das ist mein Zeichen.
({23})
Zweitens. Es muß geprüft werden, wo übernommen werden kann. Da hat die IG Bergbau auch in der Vergangenheit große Solidarleistungen vollbracht. Es ist doch nicht selbstverständlich, daß, wenn ein Bergmann auf eine andere Zeche verlegt wird, alles sozial befriedet geschieht. Deshalb möchte ich von dieser Stelle der IG Bergbau meine hohe Anerkennung sagen, deshalb darf sie nicht im Regen stehenbleiben, und deshalb bedarf sie unserer Unterstützung.
({24})
Auch daß die IG Bergbau am Verbund mit der Kernenergie festgehalten hat, halte ich für Weitsicht und Verantwortung. Sozialverträglich: Mein Ziel wird es sein - das ist für mich in allen Lösungsversuchen die unveränderliche Konstante - : Kein Bergmann darf ins Bergfreie fallen. Das ist die unveränderliche Konstante. Alles - da bin ich völlig undogmatisch - muß auf dieses Ziel hin gerichtet werden.
Sagen Sie nicht, wir hätten nichts geleistet. Wir haben den Hüttenvertrag verlängert, in der EG die Fortführung der nationalen Kohlepolitik durchgesetzt und den Kohlepfennig erhöht. Martin Bangemann hat es in diesem Jahr nicht leicht gehabt, den Kohlepfennig auf die erforderliche Höhe zu bringen. Auch das muß anerkannt werden. Ich bin dafür, daß wir hier eine ehrliche Diskussion führen und nicht eine Diskussion, in der der Schwarze Peter zugeschoben wird. Das hilft den Bergleuten überhaupt nicht.
({25})
Ich schließe mit dem, womit ich begonnen habe. Wir brauchen Konsens, Kooperation mit allen Ländern - Herr Jochimsen, Sie sind eingeladen, außer Vorwürfen auch noch ein paar Beiträge dazu zu liefern ({26})
und die Rückkehr zu einer vernünftigen Energiemischung zu vollziehen. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist der Abschuß der Kohle.
({27})
Der Ausstieg aus der Kernenergie ist der Verrat an den Bergleuten; das halte ich einmal fest.
({28})
Wir brauchen Kooperation mit den Gewerkschaften, mit den Unternehmen. Die Bundesregierung jedenfalls reicht ihre Hand zu dieser Kooperation. Wir haben das bei Stahl geschafft, mit gutem Willen können wir es auch bei Kohle schaffen.
({29})
Das Wort hat der Abgeordnete Sellin.
Frau Präsidentin! Ich möchte mich als erstes mit dieser schönen Polemik von Herrn Blüm auseinandersetzen, Kernenergie würde den Abschuß der Kohle bedeuten.
({0})
Das ist ein schlichter Versuch, die Geschichte zu klittern; denn es gab tatsächlich einen Konsens zwischen CDU und SPD, der in diese Situation geführt hat, in der Sie jetzt sind. Wir haben Überkapazitäten an verschiedenen Energieanlagen. Dieser Konsens, in dem Sie auf Zuwachsraten in der Energiepolitik gesetzt haben, hat Sie dahin geführt, daß Sie heute zu viele Kernkraftwerke haben und daß Sie infolgedessen eine Vielzahl von stillgelegten Kohle- und Ölkraftwerken haben. Das ist die Situation.
({1})
Als zweites: Sie haben vorhin argumentiert, Herr Blüm, daß die Kernenergie billig sei. Das ist schlichtweg im internationalen Vergleich falsch.
({2})
Sehen Sie einmal in die „Wirtschaftswoche" vom 21. August. Ich empfehle Ihnen die Statistik auf Seite 78. Betrachten Sie einmal das Land Dänemark. Wenn man den Index zu Hilfe nimmt, hat die Bundesrepublik in der Statistik das Niveau 100 und Dänemark hat das Niveau 79. Ein Stichwort dabei: Dänemark lebt ohne Kernenergie, Dänemark setzt seit zehn, zwölf Jahren auf Energiespartechnologien, Dänemark setzt auf regenerative Energien und so weiter.
So sind SPD und CDU seit zehn, 15 Jahren nicht verfahren. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, daß sie heute mit der Infrastruktur, die sie gebaut haben, in der Klemme sitzen.
({3})
Wie Sie verfahren, entscheiden Sie einseitig zugunsten der Kernenergie und zu Lasten der Kumpel. Das ist das Problem. Die Redezeit ist zu Ende; es tut mir leid.
({4})
Er war so brav, daß ich es gar nicht zu sagen brauchte. Danke schön.
({0}) Das Wort hat der Abgeordnete Kraus.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal zu Ihrer Aussage, Herr Sellin, die Kernkraft sei insgesamt teurer als die Kohle. Ich habe Sie doch richtig verstanden? Wenn dem so ist, dann frage ich mich, warum wir uns überhaupt über das Problem des Kohlepfennigs unterhalten. Dann hätten beispielsweise wir in Bayern keine Schwierigkeiten mit dieser Problematik. Wir haben die von Ihnen für teuer gehaltene Kernenergie, und wir kommen damit eigentlich bestens zurecht.
Was uns mehr belastet, ist der Strompreis, der auch dadurch entsteht, daß wir einen Beitrag für die Kohle leisten müssen.
({0})
- Diese Sorgen sollten Sie sich gar nicht machen, Herr Stratmann. Die Stromunternehmen in Bayern werden sehr wohl wissen, warum sie heute noch so billig sein können, wie sie es sind. Daß sie es auch auf Dauer sein werden, davon sind wir überzeugt. Offenbar sind Sie es auch, sonst würden Sie es dem Stromverbraucher in Bayern nicht zumuten, einen Zuschlag auf den Preis zu zahlen, der dadurch entsteht, daß wir Kernkraft als Stromquelle einsetzen.
Ich darf für die CSU trotzdem sagen: Wir stehen zur deutschen Steinkohle, aber wir stehen nicht nur auf einem Bein. Wir wollen nicht nur die Kohle als Basis, sondern wir wollen in Zukunft auch die Kernenergie nutzen, und zwar deshalb, um die Sicherheit der deutschen Energiepolitik im nationalen und internationalen Rahmen insgesamt zu sichern. Wir brauchen, denken wir, beides: Wir brauchen die deutsche Steinkohle als unsere wichtigste heimische Energiequelle, und wir brauchen die Kernenergienutzung als umweltpolitisch und wirtschaftspolitisch vorteilhafte Energietechnologie.
Um im Bild zu bleiben: Das Standbein Steinkohle leidet an Blutarmut. Wir pumpen ungeheure Subventionen in diesen Bereich: 1987 ca. 9 Milliarden DM, fast doppelt soviel wie 1985.
({1})
Hinzu kommen jährlich nochmals 8 Milliarden DM Zuschüsse zur knappschaftlichen Rentenversicherung und Zuschüsse aus den Länderhaushalten.
({2})
- Das hat natürlich etwas damit zu tun, weil es mit Kosten und mit Belastungen zu tun hat. Man darf sich nicht hier hinstellen und sagen: Man kann die Kohlevorrangpolitik nicht zum Nulltarif haben. Deshalb nenne ich diese Zahlen, weil hier eine Verdummung der Leute stattfindet. Diese Riesensummen, die heute bereits durch den Steuerzahler und über den Kohlepfennig geleistet werden, muß man kennen. Es geht nicht an, daß man hier sagt: Die Kohlevorrangpolitik geht nicht zum Nulltarif. Wenn das ein Nulltarif ist, dann frage ich Sie: Was soll denn noch aufgewendet werden?
Wir kommen hier in Größenordnungen, die allmählich durchaus mit den Summen vergleichbar sind, die wir insgesamt etwa für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder ähnlich großer Probleme ausgeben.
Wir von der CSU sind der Meinung: Steinkohle
- ja, aber in einem vernünftigen Rahmen und so, daß
es für alle einigermaßen vertretbar bleibt und bleiben kann.
({3})
Wir in den revierfernen Ländern mußten über Jahrzehnte hinweg wesentlich höhere Strompreise bezahlen als die Stromverbraucher im Revier. Wir haben über die Kohleverstromung das Wirtschaftswachstum und den Wohlstand der Kohleländer mitfinanziert. Die revierfernen Länder tragen die Last der Investitionen, die notwendig waren, um durch den Einsatz der Kernenergie den Strompreis insgesamt zu senken. Die revierfernen Länder haben trotzdem zur Sicherung der deutschen Steinkohle im Jahrhundertvertrag hohe Verpflichtungen für die weitere Verstromung deutscher Steinkohle übernommen und über den Kohlepfennig Milliardenbeträge in die Revierländer fließen lassen.
({4})
- Dadurch, daß Sie das ständig bezweifeln, wird es ja nicht wahrer. Es ist nun einmal so, daß die revierfernen Länder natürlich den Hauptanteil an den Belastungen durch den Kohlepfennig tragen.
({5})
Die Tatsache, daß wir in der Lage sind, das zu bezahlen, beruht darauf, daß wir seinerzeit die richtigen Entscheidungen getroffen haben; Entscheidungen, die letztlich auch der Steinkohle helfen.
Wir sind also der Auffassung, daß die Politik, die wir Ihnen vorschlagen, sinnvoll ist: ein vernünftiges Nebeneinander, ein Konsens zwischen Steinkohle und Kernenergie. Damit erreichen wir beides: Wir können die Probleme sozial abfedern, wir können volkswirtschaftlich die Situation vertreten, und wir glauben, damit auch unseren Beitrag zur Sicherung der heimischen Energie leisten zu können.
Ich bedanke mich.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Menzel.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lammert, zunächst ein Wort zu Ihnen, der Sie ja angaben, über die Beschlüsse des SPD-Parteitages von Bochum Bescheid zu wissen: Lassen Sie sich sagen, daß die Resolution, die dort zur Energiepolitik verabschiedet wurde in den wesentlichen Teilen mit einer Resolution übereinstimmt, die im Rat meiner Heimatstadt Gelsenkirchen mit den Stimmen der CDU angenommen wurde. So sieht es an der Basis aus.
({0})
Heute morgen um 6 Uhr standen die Förderräder an der Ruhr still, und Hunderttausende von Menschen, nicht nur Bergleute, in den Bergbaurevieren haben in den letzten Wochen für den Erhalt der Arbeitsplätze im Bergbau und für eine Energiepolitik, bei der Kohle als eine sichere Energiequelle eine bedeutende Rolle behält, demonstriert.
Die Menschen wissen: Wenn der Bergbau stirbt, dann stirbt ihre Stadt. Sie wissen: Wenn die Schachtanlagen sterben, dann werden nicht nur im Bergbau Arbeitsplätze vernichtet.
({1})
Sie wissen, daß dann mindestens jeder vierte Arbeitnehmer in den Bergbaugemeinden arbeitslos sein wird. Sie wissen auch, daß dann jeder zweite männliche Jugendliche vergebens einen Ausbildungsplatz suchen wird.
({2})
Sie wissen, daß, wenn einmal eine Zeche abgesoffen ist, die Energiequelle Kohle, die einzige, die wir in bedeutendem Umfang besitzen, vernichtet ist. Sie wissen auch, meine Damen und Herren, weil sie alles noch in guter Erinnerung haben, welche Folgen die Abhängigkeit von Importenergien für uns alle hat. Das ist die Situation.
Die Menschen sind besorgt, weil Absatzverluste bei Stahl und die momentane Ölschwemme die Halden wachsen lassen. Aber das ist nicht neu. Eine solche Situation haben wir in den letzten 30 Jahren schon mehrmals gehabt. Neu an dieser Situation ist, daß die Bundesregierung die Sorgen der Menschen durch ihre Ankündigung, Kohlevorrangpolitik nicht mehr so weiterzumachen und weiterzubetreiben, wie sie bisher von allen Parteien verstanden wurde, noch verschärft.
({3})
Neu ist, daß der Bundeswirtschaftsminister mit allen Mitteln versucht, Förderkapazitäten in der Größenordnung von ca. 20 Millionen Tonnen ohne Rücksicht auf die Folgen für die Menschen in den Regionen stillzulegen.
({4})
Bisher haben die politisch Verantwortlichen, mögen sie Schiller oder Lambsdorff heißen, in schwierigen Situationen alle Betroffenen - das sind die Kohleländer; das ist der Verband der Bergbauunternehmen, und das ist die IG Bergbau und Energie - an einen Tisch geholt und um bestmögliche Lösungen gerungen. Nur auf diesem Wege war es möglich, Lösungen zu finden, die den Steinkohlebergbau als bedeutendste heimische Energiequelle der Volkswirtschaft erhielt, Lösungen zu finden, die die Verarmung der Region verhinderten, und Lösungen zu finden, die die notwendigen sozialen Anpassungen sozial verträglich machten.
Genau diesen Weg ist der Bundeswirtschaftsminister nicht mehr bereit zu gehen. Er hat die Kohlerunde nicht zusammengeholt. Er versucht, durch eine Salamitaktik sein Ziel, ca. 20 Millionen Tonnen Steinkohle zu vernichten, ohne Rücksicht auf die Folgen für Betroffene zu erreichen. Er versucht es damit zu begrünMenzel
den, daß die heimische Kohle für die Volkswirtschaft zu teuer sei. Richtig ist: Der Kohlepfennig mußte angehoben werden, um die heimische Kohle in den Kraftwerken wirtschaftlich einsetzen zu können. Aber das ist der Vertragsfall; das ist der Fall, für den das Instrumentarium Ausgleichsabgabe geschaffen wurde.
Wenn Sie heute behaupten, Herr Minister, der Preis könne der Volkswirtschaft nicht mehr zugemutet werden, dann lassen Sie sich sagen, daß im Jahre 1979 der Ausgleichsfonds fast genauso hoch war wie 1986, nämlich 6,7 Milliarden DM,
({5})
und daß wir damals noch 40 Milliarden DM zusätzlich für die Ölkosten entrichten mußten, die wir heute nicht mehr zu entrichten brauchen.
({6})
Kohlevorrangpolitik ist also keine Frage des Könnens; Kohlevorrangpolitik ist eine Frage des Wollens, meine Damen und Herren.
({7})
Es geht bei den anstehenden Entscheidungen nicht darum, ob eine Zeche geschlossen wird. Es geht darum, ob der heimische Steinkohlebergbau in einem Umfang erhalten bleibt, der ihn in die Lage versetzt, einen bedeutenden Teil unserer Energieversorgung zu sichern. Wer nicht bereit ist, jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen, verabschiedet sich aus der Energiepolitik.
Herr Minister, wir fordern Sie auf, sich von Ihrer unheilvollen Politik abzukehren.
({8})
Wir fordern Sie auf, unverzüglich die Kohlerunde einzuberufen. Wir fordern Sie auf, zu einer Energiepolitik zurückzukehren, die der Kohle einen bedeutenden Anteil an der Energieversorgung unseres Landes sichert.
({9})
Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Göhner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist mir zunächst einmal zwischenzeitlich ein aufrichtiges Bedürfnis, der SPD-Fraktion dafür zu danken, daß sie diese Aktuelle Stunde beantragt hat.
({0})
Die Aktuelle Stunde hat nämlich dazu geführt, daß in hervorragender Weise noch einmal deutlich gemacht werden konnte, wer den hier jetzt mehrfach beschworenen notwendigen Konsens in der Kohlevorrangpolitik wirklich aufgekündigt hat.
Herr Kollege Menzel, das ist natürlich richtig: Den Vorrang der Kohle muß man wollen. Aber im Sinne der Beschlüsse Ihrer Gewerkschaft, im Sinne dessen, was die Kollegen Meyer und Niggemeier in den letzten Tagen vielfach erklärt haben, ist dafür der Verbund von Kohle und Kernenergie
({1})
zwingend erforderlich. Wenn Sie dem eine Absage erteilen, dann ist das die Absage an die Kohlevorrangpolitik. Das stellen wir mit Bedauern fest.
({2})
- Herr Kollege Vogel, wenn Sie das bestreiten,
({3})
dann darf ich Ihnen auch hier noch einmal entgegenhalten, was Ihnen Ihr Fraktionskollege Niggemeier schon öffentlich entgegengehalten hat.
({4})
Ihre These, Kernenergie verdränge Kohle, ist nämlich nicht richtig. Jetzt zitiere ich Herrn Niggemeier wörtlich:
Im Gegenteil, im Jahre 1976 haben wir bei einem Kernenergieanteil an der Stromversorgung von 13 % rund 28 Millionen t deutsche Kohle verstromt, im Jahre 1986 waren es bei einem Kernenergieanteil von 29 % rund 41,7 Millionen t Kohle. Diese Zahlen beweisen nachdrücklich die Notwendigkeit eines Konsenses von Kohle und Kernenergie.
Der Kollege Niggemeier hat recht, meine Damen und Herren.
({5})
Wie sehr Sie bereit sind, auch die langfristige Zukunft der Steinkohle aufs Spiel zu setzen, hat hier heute noch einmal Herr Jochimsen demonstriert. Hier Jochimsen, Sie haben auf Ihrem Parteitag ja auch ausdrücklich Beschlüsse zur Hochtemperaturreaktorlinie und zum Reaktor in Hamm-Uentrop gefaßt. Es ist noch nicht sehr lange her, da haben Sie - Mai 1986 - der Öffentlichkeit erklärt, daß gerade dieser Hochtemperaturreaktor - und das stimmt heute noch - in der Tat zwingend erforderlich sei, um eine wichtige langfristige Zukunft der Steinkohle zu gewährleisten, nämlich die Kohleveredelung, die Kohlevergasung. Nach den heutigen Erkenntnissen brauchen wir nukleare Prozeßwärme von weit über 900° aus einer solchen Hochtemperaturreaktorlinie.
({6})
Jetzt sagen Sie plötzlich auch zu diesem Reaktor nein. Damit sagen Sie nein zu diesem Stück langfristiger Zukunft der Steinkohle, meine Damen und Herren.
({7})
Im Mai 1986, veröffentlicht nach Tschernobyl, haben Sie noch gesagt - ich zitiere wörtlich - ,
daß auch bei diesem Reaktorprototyp die Belange der Sicherheit vorbildlich berücksichtigt wurden.
Sie haben ausgeführt, das Verständnis für die Hochtemperaturtechnik müsse verbreitert und ihre nationale und internationale Markteinführung gefördert werden. Heute sagen Sie, wir müßten den Export die2086
ser Kernkraftanlagen verbieten. Das beschließen Sie auf Ihrem Parteitag.
({8})
Damit machen Sie eine Absage an Zukunftstechnologie. Selbst der Westdeutsche Rundfunk hat deshalb Ihre Beschlüsse zu Kohle und Kernenergie als einen Ausstieg aus der Zukunft bezeichnet.
Herr Jochimsen, Sie haben sich auf Parteitagsbeschlüsse Ihrer Partei 1984 berufen. Wenn Sie mit den Parteitagsbeschlüssen von Bochum genauso verfahren wie mit denen von 1984, indem Sie zwei Jahre später sagen, Sie wollten das zur Kohleveredelung, Sie wollten das exportieren, dann hätten wir ja noch ein Stückchen Hoffnung. Aber diese Hoffnung hat diese Aktuelle Stunde auch zerschlagen. Insbesondere der Beitrag des Kollegen Menzel hat doch deutlich gemacht, daß der Wunsch der IG Bergbau, des Kollegen Meyer, die Kohlefraktion müsse erneuert werden, leider von Ihnen eine Absage erfahren hat. Herr Meyer, ich fand sehr beachtlich, daß Sie ausdrücklich erklärt haben, daß die Kohleerklärung der nordrhein-westfälischen Landesgruppe der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion viele positive Ansätze enthalte.
Sie bietet
- so sagen Sie wörtlich eine gute Chance, die Kohlefraktion wiederzubeleben.
Ich wünschte mir, daß dies auf dieser Basis in der Tat möglich wäre. Sie machen in Ihren weiteren Erklärungen deutlich, daß dazu der Verbund von Kohle und Kernenergie gehört. Deshalb könnte ich nur wünschen, daß es doch noch eine Chance in Ihrer Partei und Ihrer Fraktion gebe, auf dieser Basis eine gemeinsame Kohlefraktion wiederherzustellen.
({9})
Sorgen Sie deshalb dafür, daß Ihre Absagen, die Sie diesen Überlegungen erteilen, wieder aufgehoben werden.
Ich habe mit Interesse gelesen, daß Sie auch noch Ihre Vertreter in den Aufsichtsratsgremien der Energieversorgungsunternehmen ersetzen, abberufen wollen, oder sie sollen zurücktreten, die Ihrer Energiepolitik nicht folgen. Ich bin sehr gespannt darauf, wenn Sie die Samtlebes und andere abberufen wollen; denn wenn Sie tatsächlich ernst meinen, was Sie in Ihren Parteitagsbeschlüssen dazu sagen, muß das ja wohl bedeuten, daß Sie z. B. über die VEW das Ende der Kernkraftwerke in Nordrhein-Westfalen einleiten wollen. Ich bin sehr gespannt, wie das im Konsens mit der IG Bergbau gelingen solle.
({10})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Roth.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Blüm! Ich wollte mich an Sie wenden.
Ich hätte vom Spitzenkandidaten der CDU in Nordrhein-Westfalen erwartet, daß er ein Wort zur Absenkung des Kohlepfennigs um nahezu 100 % sagt. Das ist der Schlag gegen die Kohle, der diese Woche geführt worden ist. Dagegen haben Sie nichts gesagt.
({0})
Meine Frage ist jetzt: Ist das Konzept, das Herr Bangemann am Montag und Dienstag vorgetragen und am Mittwoch bei der Wirtschaftsministerkonferenz vorgelegt hat, ein Konzept der Bundesregierung, hinter dem Sie stehen? Das ist doch die zentrale Frage.
({1})
Wer diese Frage nicht beantwortet, oder sie durch Nichtstun faktisch beantwortet, verläßt meines Erachtens die Kohlefraktion und ist Teilnehmer am Kampf gegen die deutsche Steinkohle. Das ist die Wahrheit.
({2})
Das wissen die demonstrierenden Bergleute von heute ganz genau, meine Damen und Herren.
Sie haben sich dabei an dem Legendenspiel gegen die Kohle beteiligt. Legende eins: Wer gegen Kernenergie sei oder für den schrittweisen Ausstieg, der sei auch gegen die Kohle. Das ist schlicht nicht wahr. Wer ist denn gegen den Kohlepfennig in der jetzigen Situation, sind es die süddeutschen, auf Kernenergie orientieren Kraftwerke oder sind es VEW und RWE, die vor allem Kohle verstromen?
({3})
Wahrheit ist: Die, die für Kernenergie sind, sind auch gegen die Kohle in diesen Tagen, gerade die süddeutschen Kraftwerke.
({4})
Legende zwei: Mischkalkulation. Sie wissen doch ganz genau - jedenfalls Sie, Herr Blüm, sollten es wissen - , daß die Braunkohle in der Bundesrepublik Deutschland der billigste Energieträger ist. Sie ermöglicht eine vernünftige Mischkalkulation und nicht der Kernstrom, vor allem nicht aus neuen Kernkraftwerken.
({5})
Oder Legende drei: Wir hätten natürliche Überkapazitäten in der Kohle. Nein, wir haben politische Überkapazitäten,
({6})
z. B. politisch verursacht durch die Beendigung der Wärmepolitik der Bundesregierung: Die Fernwärmeprogramme sind ausgelaufen; z. B. verursacht durch Ihre jetzige Entscheidung zum Kohlepfennig und durch Ihre politische Entscheidung zum Kohleexport. Das ist ja nicht natürlich entstanden, sondern das ist eine Entscheidung der Bundesregierung, die Kohleexportsubventionen auslaufen zu lassen. Und Sie, Herr Blüm, stimmen im Kabinett zu. Ist das wahr, oder ist das nicht wahr?
Oder eine weitere Legende: Das seien Erhaltungssubventionen. Das ist keine Erhaltungssubvention, sondern wir haben uns gemeinsam entschlossen, die deutsche Steinkohle für Notzeiten und Krisensituationen als nationale Reserve zu halten. Das ist keine Subventions-, sondern Sicherheitspolitik.
({7})
Wenn Sie den Begriff Subvention nehmen, dann müßten Sie logischerweise auch zur Bundeswehr sagen: Die Bundeswehr wird subventioniert. Das Argument ist in sich unlogisch.
({8})
Ich hätte von Ihnen, Herr Blüm, heute erwartet, daß Sie klar sagen: Ich bin für die Erhaltung des Kohlepfennigs in Höhe von 7,5 %; das ist mein Ziel als Spitzenkandidat. Das ist nicht geschehen.
({9})
Ich hätte von Ihnen neue Anstrengungen für den Wärmemarkt, ein neues Nah- und Fernwärmeprogramm erwartet. Das wäre konkret gewesen.
({10})
Ich hätte von Ihnen erste Konturen eines Programms für Ersatzarbeitsplätze erwartet. Das ist nicht geschehen. Wir haben nichts dazu gehört. Heute lesen wir in der Presse, daß im Rahmen der Subventionsstreichung die Regionalpolitik des Bundes abgebaut werden soll. Das ist Ihre konkrete Politik: Sprüche im Ruhrgebiet und nichts durchsetzen im eigenen Kabinett, Herr Blüm. Das ist unser Urteil.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Lattmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst dem Dank des Kollegen Göhner an die SPD für die Abhaltung dieser Aktuellen Stunde anschließen. Noch deutlicher konnte das nicht werden. Hier wurden mit hohlem Pathos Solidaritätsadressen an die streikenden Bergleute vorgetragen, aber deren Sprecher haben in dieser Debatte Redeverbot. Noch deutlicher konnte man es nicht machen.
({0})
Noch deutlicher war nicht zu machen, wie die Position der Bergleute in der SPD beurteilt wird.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zum Schluß dieser Debatte noch einmal für die CDU/ CSU zusammenfassen: Zur Kohlevorrangpolitik gibt es für uns auf Sicht überhaupt keine Alternative. Das sage ich auch als Vertreter eines revierfernen Landes. Egal, was Sie uns sonst unterstellen, aber daß wir bereit sein könnten, der einzigen nennenswerten nationalen Energiereserve das Wasser abzugraben, ist genauso absurd, wie wenn ein Reiter das Pferd unter sich erschießen wollte.
({2})
Das ist völlig absurd, und deshalb ist das überhaupt nicht unser Thema. Und weil wir für Kohle und Kohlevorrang eintreten, treten wir auch für den Jahrhundertvertrag ein. Niemand von uns hat ihn in Frage gestellt. Natürlich, dramatisch veränderte Bedingungen erfordern neue Überlegungen. Wer das tut, gefährdet den Vertrag doch nicht, sondern der versucht, ihn auf eine sichere und dauerhafte Grundlage zu stellen.
Nein, das Problem liegt in einem ganz anderen Bereich, und das hat diese Debatte sehr deutlich gemacht. Diese ganzen abstrusen Behauptungen hier will ich nur noch einmal an zwei Zahlen festmachen: Die deutsche Kraftwerkskohle kostet zur Zeit pro Tonne 260 DM. Die Importkohle - um das einmal in Vergleich zu setzen, und das ist das, Herr Sellin, worauf sich die Dänen im wesentlichen stützen - kostet 90 DM pro Tonne, also ein Drittel. Unsere Wettbewerber haben also hier einen Wettbewerbsvorteil, weil sie nicht auf teure deutsche Steinkohle zurückgreifen. Bei allem Wohlwollen gegenüber der deutschen Kohle muß man doch deutlich aussprechen, daß die Kohleverstromung angesichts dieser Preise für Importkohle, für Öl und andere Energieträger ein schweres Kostenhandicap für den deutschen Verbraucher ist.
Kohlevorrangpolitik - auch das muß in einer solchen Debatte klar sein - geht zu Lasten der deutschen Stromverbraucher in privaten Haushalten und in der Industrie. Hohe Stromerzeugungskosten belasten den Industriestandort Bundesrepublik in besonderer Weise, und für ein exportorientiertes Land wie die Bundesrepublik Deutschland ist das kein leichtes Problem. Ihr Beispiel, Herr Roth, mit der Braunkohle ist nun wirklich etwas merkwürdig, denn wenn Sie die Subventionen, die in diesen Bereich gehen, mit einbeziehen, dann stellt sich die Preisrelation ganz anders dar. Diese auf der einen Seite hohen Energiepreise sind nur deshalb erträglich, weil in einer Mischkalkulation teure Kohleenergie mit billigerer Kernenergie zusammengefaßt wird, so daß sie unter dem Strich zu einem halbwegs erträglichen Preis angeboten werden kann.
({3})
Das Schlimme ist, daß die Sozialdemokraten diesem Standbein der deutschen Steinkohle die Grundlage entziehen, daß sie diesen Stützbalken von einem Parteitag zum anderen immer mehr wegschlagen. Ohne bezahlbaren Strom - die Voraussetzung dafür ist, daß wir in dieser Mischkalkulation den Strom bezahlbar machen - droht auch, aber nicht nur, im deutschen Bergbau ein weiterer Verlust von Arbeitsplätzen. Die Ursache für diese Entwicklung liegt darin - das wurde mehrfach gesagt - , daß der Konsens in der Energieversorgung leichtfertig zerschlagen worden ist, nicht von uns, sondern von den Sozialdemokraten. Die ganzen Bekundungen, auch von Herrn Minister Jochimsen, daß der Konsens nötig ist, sind so
lange nichts wert, so lange Sie zu diesem Konsens nicht zurückkehren.
({4})
Einige von Ihnen haben das sehr deutlich begriffen. Sie sind ja hier schon zitiert worden. Deshalb kann man Sie nur auffordern: Folgen Sie diesen Realisten in Ihren Reihen, folgen Sie auch diesen Vertretern des deutschen Bergbaus! Folgen Sie nicht den linksgrünen Träumern, die zur Zeit bei Ihnen auf Parteitagen ja leider den Ton angeben! Kehren Sie zurück! Hören Sie auf, hier große Reden zu halten! Leisten Sie vielmehr einen konkreten Beitrag, um dem deutschen Steinkohlenbergbau zu helfen!
({5})
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir kommen zu Punkt 18 der Tagesordnung:
Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Wetzel und der Fraktion DIE GRÜNEN
Zivile und militärische Ziele bundesdeutscher Weltraumpolitik
- Drucksachen 11/515 ({0}), 11/797 Hierzu liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der SPD und DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 11/918 und 11/919 vor.
Im Ältestenrat ist für die Beratung ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. -Das Haus ist damit einverstanden. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Wetzel.
({1})
- Die noch Anwesenden mögen sich bitte auf ihre Plätze setzen. - Ich bitte, Platz zu nehmen.
Bitte, Herr Wetzel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einer Vorbemerkung beginnen. Es gehört zu den traurigsten Erfahrungen meiner kurzen Amtszeit als Abgeordneter, fast hilflos mit ansehen zu müssen, wie zukunftsbestimmende und enorm kostenaufwendige Entscheidungen der Bundesregierung am Parlament vorbei getroffen werden. Fragen Sie sich bitte selbst: Wann hatte dieses Parlament in dieser Legislaturperiode überhaupt die Gelegenheit, sich einmal sorgfältig von der Bundesregierung über Ihre Raumfahrtkonzeption informieren zu lassen? Wann wurden diesem Parlament von der Bundesregierung je Alternativen zu dieser Konzeption vorgelegt? Wann wurden diesem Parlament je die ins Haus stehenden Kosten für dieses Raumfahrtprogramm erläutert und abstimmungsfähig gemacht?
Statt dessen werden wir unter Zugzwang gesetzt. Am 21. Oktober 1987 - so hören wir - wird das Bundeskabinett eine abschließende Entscheidung über den Einstieg in das Raumfahrtprogramm der ESA treffen.
({0})
Rein finanziell würde dieser Einstieg nach den regierungsoffiziellen Aussagen bedeuten, daß die künftigen Bundeshaushalte mit wenigstens 30 Milliarden DM
({1})
- auf den Punkt, daß Sie das nicht glauben, komme ich später noch zu sprechen -({2})
belastet würden. „Wenigstens" sage ich deswegen, weil sie natürlich schließlich auch vom Kalkar- oder Wackersdorfsyndrom ergriffen werden; denn derartige Kostenvoreinschätzungen bei Großtechnologien sind in der Regel Jahr für Jahr weiter nach oben zu revidieren. Im Zweifelsfall werden wir es bis zum Jahr 2000 mit Kosten in der Gegend von 50 bis 60 Milliarden DM zu tun haben.
({3})
- Ihre Zwischenrufe sind hier so wie im Ausschuß, Herr Vosen.
({4})
Daß wir heute in diesem Parlament überhaupt über dieses Thema reden können, verdankt sich der Tatsache, daß wir GRÜNEN versucht haben, die Notbremse zu ziehen, und zu Beginn der Sommerpause eine Große Anfrage zur Raumfahrtkonzeption der Bundesregierung eingebracht haben.
({5})
Die Antwort auf diese Große Anfrage - wenn ich einmal das Gesamtresümee nach sorgfältiger Durcharbeit ziehe - läuft auf die Erklärung eines Verzichts der Bundesregierung auf Forschungs- und Technologiepolitik im Bereich der Raumfahrt hinaus. Der Informationswert der Antworten geht gegen Null. Es steht nichts Neues zu all den Fragen darin, die wir gestellt haben, nachdem sie im Forschungs- und Technologieausschuß schon einmal gestellt worden waren und seitens der Regierung höchst unbefriedigend beantwortet wurden.
Resümee: Nach wie vor gibt es kein schlüssiges Gesamtkonzept zur Raumfahrt. Ein Konzept hieße nach unserem Verständnis,
({6})
daß Planungen und forschungspolitische Strategien mit ausreichendem zeitlichen Verlauf unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit verhandelt werden, daß solide Kostenschätzungen von wirklich unabhängigen Experten eingeholt werden und daß eine Technikfolgenabschätzung durchgeführt würde.
({7})
Statt dessen wiederholen die Antworten der Bundesregierung nur die altbekannen Glaubenssätze zur Raumfahrt. Ich will die drei zentralen Glaubenssätze herausgreifen. Erstens wird behauptet, daß ein forschungspolitischer und technologiepolitischer Nutzen eintritt. Sie alle wissen, daß im Hause Riesenhuber einschließlich des Herrn Ministers seit geraumer Zeit tiefe Zweifel - gelinde ausgedrückt - am forschungs- und technologiepolitischen Nutzen des
ESA-Programms bestehen. Dem Minister ist vorzuwerfen, daß er die Ausarbeitung der Programme den potentiellen Betreibern überlassen hat, also vor allem MBB, Dornier und der DFVLR. Diese haben in den letzten Jahren eine Stimmung und Handlungszwänge geschaffen, so daß der Minister mitspielen mußte. Nicht das Bundesministerium für Forschung und Technologie betreibt Weltraumpolitik, sondern die Weltraumlobby über das BMFT. Zu deutsch: Der Schwanz wackelt mit dem Hund.
Die wachsende Priorität der Weltraumforschung muß dazu führen, daß viele andere Bereiche der Grundlagenforschung, insbesondere die unverzichtbare Forschung im Bereich der Zukunftssicherung, systematisch zurückgedrängt und vernachlässigt werden. Zudem ist der Nutzen der Weltraumforschung in Kreisen der Wissenschaft äußerst umstritten. US-amerikanische und bundesdeutsche Wissenschaftler sind sich in einer breiten Allianz einig, daß weder die Prioritätenverschiebung zugunsten der Weltraumforschung noch die Erwartungen an die neuartigen Vorhaben etwa im Bereich der Materialforschung oder der Kristallzüchtung gerechtfertigt sind. Wissenschaftler aus deutschen Großforschungseinrichtungen, z. B. Krupp-Isy, haben immer wieder darauf hingewiesen, daß in diesen Feldern neue Erkenntnisse nicht zu erwarten sind.
Auch die berühmten Spin-off-Effekte, die technologiepolitische Auswirkungen in Richtung auf die Schaffung neuer nützlicher Gebrauchswerte für den zivilen Konsum, sind höchst umstritten. Wir wissen inzwischen, daß wir keine Programme von der Größe des Programms „Man on the moon" brauchen, um in den Genuß neuer Beschichtungen für Bratpfannen zu kommen. Wir wissen aus US-amerikanischen Untersuchungen, daß die zivilen Möglichkeiten der Nutzung von Abfallprodukten der Raumfahrt auf der Direttissima, sprich: mit gezieltem forschungspolitischen Einsatz sehr viel billiger zu erzeugen sind, als wenn man erst Systeme in das Weltall schickt und dann darauf wartet, was davon für die zivile Nutzung wieder auf die Erde herunterfällt.
Auch die wirtschaftspolitischen Aspekte, die von den Anhängern der Raumfahrtpolitik gern als eine Pseudobegründung in den Vordergrund geschoben werden, sind unzutreffend. Daß die wirtschaftliche Leistungskraft und ein weiteres Wirtschaftswachstum vom Einstieg in die Raumfahrt abhängen, wird inzwischen sogar vom Deutschen Industrie- und Handelstag bestritten.
Auch das arbeitsmarktpolitische Argument ist nicht stichhaltig. Wenn sich - das ist eine der Antworten der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage - die Zahl der Beschäftigten von 1973 bis zum Jahre 1986 bei einem Einsatz von 13 Milliarden DM gerade einmal von 2 700 auf 5 700 erhöht hat, dann kann man, wenn man die verausgabten Mittel zur Zahl der zusätzlichen Arbeitsplätze in Relation setzt, Kosten pro Arbeitsplatz von 3 Millionen DM errechnen. Meine Damen und Herren, dieses Geld kann unter arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten sinnvoller ausgegeben werden. Wir haben es von der Größenordnung her gerade einmal mit der halben Zahl der Beschäftigten einer Zeche zu tun. Dafür pro Platz 3 Millionen
DM auszugeben bedarf einer besonderen Begründung, die Sie völlig schuldig geblieben sind.
({8})
Es ist jetzt die Frage zu stellen, warum Sie trotz wohlbegründeter Einwände den Einstieg in dieses Raumfahrtprogramm vornehmen wollen. - Ich sehe, es ist nur noch eine Minute Zeit.
({9})
- Das ist eine sehr unfreundliche Bemerkung.
({10})
Ich muß mich jetzt kurz entschließen, was ich Ihnen in dieser kurzen Zeit noch sagen möchte.
Ich möchte Sie bitten, daß Sie unserem Entschließungsantrag zustimmen. In diesem Entschließungsantrag formulieren wir sechs Punkte. Ich will sie kurz rekapitulieren.
Erstens. Wir möchten Sie bitten, die Bundesregierung mit uns zusammen aufzufordern, einen sofortigen und definitiven Verzicht auf das Hermes-Programm, die Ariane-V-Rakete und die Beteiligung am US-amerikanischen Columbus-Projekt zu erklären.
Zweitens. Wir möchten Sie bitten, die vorgesehenen Mittel umzuwidmen, und zwar zugunsten von Titeln zur Erforschung und Erhaltung der Umwelt und der Gesundheit, zur Technikfolgenbewertung, zur Friedens- und Konfliktforschung, zur Aufklärung über die sozialen und ökologischen Folgen der technischen Entwicklung.
Wir möchten Sie drittens bitten, die Mittel für eine Ariane-IV-Rakete davon auszunehmen, unter der Maßgabe, daß die beteiligten Industrieunternehmen ihr finanzielles Engagement erheblich verstärken und daß durch internationale Verträge sichergestellt wird, daß alle Länder, insbesondere die Länder der Dritten Welt, Zugang zu den Nutzungspotentialen erhalten.
({11})
Wir möchten Sie viertens darum bitten, endlich ein schlüssiges Konzept für eine zukünftige Weltraumpolitik vorzulegen einschließlich seriöser Kostenabschätzungen durch unabhängige Experten.
Wir möchten Sie fünftens bitten, eine Technikfolgenabschätzung und Bewertung dieses Projekts in öffentlicher Debatte vornehmen zu lassen.
Sechstens möchten wir Sie bitten, alle Anstrengungen zur Vereinbarung internationaler Vertragswerke über ein Verbot der militärischen Nutzung des Weltraums zu unternehmen.
({12})
Meine Damen und Herren, ich sehe, meine Redezeit ist abgelaufen. Ich komme zum Schlußsatz.
Wir fordern Sie auf: Bitte werden Sie Ihren Pflichten als Bürgervertretung gerecht! Machen Sie Gebrauch von Ihren parlamentarischen Befugnissen! Hindern Sie die Bundesregierung daran, nun auch im Weltall neue Subventionsruinen und neue außenpolitische Risiken zu errichten!
Ich danke Ihnen.
({13})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Rüttgers.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es wichtig, daß der Deutsche Bundestag im Vorfeld weitreichender Entscheidungen in der Raumfahrtpolitik Gelegenheit hat, seine Haltung gegenüber der Bundesregierung, aber auch gegenüber unseren Partnern in Europa und Übersee klarzustellen. Ich muß allerdings sagen: Als ich die Große Anfrage das erste Mal las, Herr Kollege Wetzel, war ich etwas enttäuscht. Denn man spürt aus den Fragen, daß es gar nicht um Sachaufklärung geht, sondern daß diese Fragen Ausdruck einer vorgefertigten Meinung sind.
({0})
Ihnen geht es mit dieser Großen Anfrage nur darum - das haben Sie durch Ihre Rede eben bestätigt -, ein Horrorgemälde von der Militarisierung des Weltraums zu zeichnen.
({1})
Was Sie suchen, ist ein Popanz, auf den Sie dann einschlagen können. Was mich aber besonders erschreckt, ist die Ideenlosigkeit, mit der Sie das machen. Es scheint immer dasselbe Bild durch: Jede Technik ist des Teufels, und hinter jedem Satelliten sitzt ein Militarist.
({2})
Ich hätte gedacht, daß Sie versuchen, uns in dieser Sache mit Sachargumenten weiterzuhelfen.
({3})
Als Sie sich mit dem europäischen Beitrag zur amerikanischen Raumstation Columbus befaßt haben, haben Sie gesagt: Hier wird militärisch geforscht. Das ist sehr schwierig. Aber ich frage Sie: Wo war Ihr Protest, als im Frühjahr westeuropäische Elemente und Instrumente in Quantenmodul an die sowjetische Raumstation Mir angedockt worden sind? Damals haben Sie geschwiegen. Das zeigt, daß es Ihnen nicht um eine ausgewogene Beurteilung der Raumfahrtaktivitäten geht.
Sie wissen genau wie wir, daß in der ESA-Konvention klar drinsteht, daß im Weltraum nur mit friedlichen Mitteln geforscht werden, daß Weltraumforschung nur zu friedlichen Zwecken erfolgen darf. Dabei bleibt es. Ich glaube, das sollten wir hier in dieser Diskussion nicht in Zweifel ziehen lassen.
Die CDU/CSU-Fraktion sagt ja zur Erforschung des Weltraums, weil wir davon überzeugt sind, daß diese Technologie für die Gestaltung unserer Zukunft notwendig ist. Es gibt einen forschungspolitischen, einen wirtschaftspolitischen und einen außenpolitischen Sinn, den wir mit unserer Konzeption für unser Land nutzbar machen wollen.
Niemand kann bestreiten, daß die Raumfahrt in den vergangenen Jahren für unser Wissen um das Universum, für unser Wissen um die Erde und für unser Wissen um das Sonnensystem revolutionäre Folgen gehabt hat. In der Astronomie und in der Astrophysik werden neue Horizonte erschlossen, vor allem wenn im kommenden Jahr das neue Weltraumteleskop gestartet wird. Auch in anderen Bereichen hat die Raumfahrt längst ihren Nutzen erwiesen. Die Satelliten haben eine weltweite Kommunikation ermöglicht. Jeder kennt die Direktübertragungen aus allen Teilen der Welt und verbindet das schon fast gar nicht mehr mit der Raumfahrt.
Die Deutsche Bundespost nimmt allein 1,5 Milliarden DM an Gebühren im Jahr durch Kommunikation via Satellit ein. Diese Zahl ist wichtig, wenn man über die Finanzierung von Weltraumaktivitäten redet. Satelliten haben uns aber auch eine neue Sicht des Planeten eröffnet. Bei der Wettervorhersage, bei der Umweltbeobachtung, bei der Navigation, bis hin zur Rüstungskontrolle und damit der Friedenssicherung greifen wir auf Informationen aus dem All zurück.
({4})
Bei den Transportsystemen für Satelliten und Raumsonden ist der Sprung zur kommerziellen Nutzung bereits gelungen. Hier hat Europa mit der Ariane eine hervorragende Wettbewerbsposition. Arianespace macht 1 Milliarde DM Umsatz im Jahr, und das sind 200 Millionen DM Aufträge an die deutsche Industrie ohne einen Pfennig Steuergeld.
Wir bejahen auch den Einstieg in die bemannte Raumfahrt, weil wir glauben, daß für die Forschung unter Schwerelosigkeit dieser Schritt notwendig ist. Wir wissen, daß man zu diesem neuen Zweig der Forschung unter Schwerelosigkeit heute noch nicht in allen Teilbereichen sagen kann, welche Ergebnisse und welche industriellen Anwendungen dadurch erzielt werden. Wenn man großzügig rechnet, haben wir bisher 800 Stunden Experimente unter Schwerelosigkeit im Weltraum durchgeführt. Das entspricht etwa vier Monaten Arbeitszeit eines einzelnen Wissenschaftlers in einem irdischen Labor.
Das Interesse der Industrie ist jedenfalls gestiegen. Daß man aber vor dem Hintergrund dieser Zahlen noch nicht von Ergebnissen sprechen kann, ist deutlich.
({5})
Sie alle wissen, auch Sie, Herr Catenhusen, daß z. B. die private Firma Intospace in Hannover gute Erfolge vorweisen kann. Sie kennen auch das konkrete Beispiel Osiris, in dem zwei deutsche Firmen mit der Hochschule Aachen an Superlegierungen aus dem Weltall für neuartige Turbinenschaufeln arbeiten.
Niemand kann heute vorhersagen, in welchem Bereich sich Schwerelosigkeitsforschung bei neuen Produkten und Verfahrenstechniken niederschlagen wird, welche weiteren Erkenntnisse in der biologischen, medizinischen oder pharmazeutischen ForDr. Rüttgers
schung zu erwarten sind. Hier kann man keine Prognose aufstellen, aber das gilt auch für andere Gebiete der Grundlagenforschung. Niemand kann heute sagen, wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen wird, ob sie sich auf die Kernfusion oder auf den solaren Wasserstoff gründen wird. Dennoch forschen wir in beiden Bereichen und versuchen, beiden Bereichen eine Chance zu geben.
Die wissenschaftliche Bedeutung der Weltraumforschung ist ebenso wie ihre technologische Breitenwirkung unbestreitbar. Ohne die Raumfahrt hätte es die rasante Entwicklung der Mikroelektronik nicht gegeben. Das gleiche gilt etwa für viele Bereiche der Medizintechnik.
Ich will nicht verkennen, daß die Entscheidung über das zukünftige ESA-Langfristprogramm nicht einfach ist. Der Grund liegt aber darin, daß wir in den 70er Jahren unsere Hausaufgaben nicht gemacht haben; denn damals haben SPD-geführte Regierungen heimlich den Ausstieg aus der nationalen Raumfahrtpolitik vorgenommen. Das kommt uns heute teuer zu stehen.
Wir wollen eine eigenständige europäische Weltrauminfrastruktur. Was wir da machen, ist vergleichbar mit dem, was im vergangenen Jahrhundert geschehen ist. Im vergangenen Jahrhundert haben die Menschen begonnen, unser Land von einem Agrarland in ein Industrieland umzuwandeln. Dazu haben sie Straßen und Schienen gebaut. Es war noch nicht bekannt, welche Güter über die Straßen und Schienen laufen würden, und dennoch war dies Voraussetzung für die Industrialisierung und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Deshalb brauchen wir auch die bemannte Raumfahrt. Wir haben mit der erfolgreichen D-1-Mission unsere Kompetenz auf diesem Gebiet bereits unterstrichen.
Es ist konsequent, diese Kompetenz mit einer Beteiligung am europäischen Raumstationsmodul Columbus zu sichern und auszubauen. Wir wären töricht, wenn wir diese Chance nicht nutzten. Dazu gehört auch, daß wir versuchen, einen eigenständigen Zugang zum Weltraum zu bekommen. Nur wenn wir die Shuttle-Technik beherrschen, wird es möglich sein, hier die angestrebte Autonomie zu realisieren.
({6})
Ich verkenne nicht, daß der Einstieg in die bemannte Raumfahrt viel Geld kostet. Aber wir wissen auch, daß die Aufwendungen, die zur Zeit zur Diskussion stehen, wenn sie nach dem ESA-Plan so beschlossen werden,
({7})
eine Größenordnung von ca. 0,1 % unseres Bruttosozialprodukts oder von gut 20 % des Forschungsetats ausmachen werden.
({8})
Von einer Konzentration der Mittel auf die Raumfahrt, von einer Gefahr der Unausgewogenheit kann also keine Rede sein. Die Raumfahrt ist für uns keine Frage des Presitiges; aber wir verkennen auch nicht, daß mit der Raumfahrt Menschen, vor allen Dingen junge Menschen, die Möglichkeit haben, sich mit Europa zu identifizieren. Europa besteht dann eben nicht nur aus Milchseen, Butterbergen und Stahlkrisen.
({9})
Europa steht dann auch für: Erfolge bei der friedlichen Erschließung des Weltraumes.
({10})
Meine Damen und Herren, die Raumfahrt wird in Zukunft weit stärker als bisher die Vorstellungswelt des Menschen beeinflussen. Sie wird uns neue Fragen stellen; sie wird neue Lösungen erfordern. Ich meine, Europa tut gut daran, diese Herausforderung anzunehmen.
Der amerikanische Astronom Carl Sagan hat dies einmal so formuliert:
Die Nationen, die Raumfahrt begonnen haben, haben das vor allem aus nationalistischen Gründen getan. Es ist eine kleine Ironie, daß jeder Raumfahrer ein Stück transnationaler Perspektive von der Erde als einer Welt aus dem Weltraum mitbringt.
Die CDU/CSU-Fraktion wird beide Entschließungsanträge - sowohl den der GRÜNEN als auch den der SPD - ablehnen, den Antrag der GRÜNEN deshalb, weil er, wie bereits ausgeführt, nur Ausdruck von vorgefertigten Meinungen ist; aus ihm läßt sich nicht erkennen, daß Sie sich mit diesen Fragen intensiv auseinandergesetzt haben.
({11})
Letztlich kommen Sie in dem Antrag nur zu dem Ergebnis: Auch hier muß ein Ausstieg durchgeführt werden.
Der Antrag der SPD scheint uns, lieber Herr Kollege Vosen, zu dünn zu sein,
({12})
einfach deshalb, weil es für uns selbstverständlich ist, daß wir uns weiter mit diesen Fragen der Raumfahrt auseinandersetzen. Wie Ihnen bekannt ist, werden wir das bereits in der nächsten Sitzung des Forschungsausschusses tun.
Von daher gesehen gibt es keinen Grund, hier solche Forderungen aufzustellen. Ich habe manchmal die Vermutung, Herr Kollege Vosen, daß Sie mit dem Antrag nur das mangelnde Ergebnis Ihrer Anhörung oder Ihre internen Schwierigkeiten überdecken wollten.
({13})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fischer ({0}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich zu den Ausführungen von Herrn Wetzel eine Bemerkung machen. Herr Wetzel, Sie von den GRÜNEN haben einen Entschließungsantrag eingebracht, und wir von der SPD haben einen Entschließungsantrag eingebracht.
({0})
Ich bitte aber das Haus, dem Entschließungsantrag der SPD und nicht dem der GRÜNEN zuzustimmen.
In Ihrem Antrag steht nämlich unter II. i : sofortiger und definitiver Verzicht bei Ariane V. Unter II. 3 steht: Weiterentwicklung Ariane IV. Was ist denn Ariane V? Nichts anderes als eine Weiterentwicklung von Ariane IV. Deshalb bitte ich also, unseren Antrag zu unterstützten.
({1})
- Ich habe jetzt keine Lust, auf Ihre Zwischenrufe zu reagieren. Gucken Sie sich Ihren Entschließungsantrag an! Ariane V ist eine Weiterentwicklung von Ariane IV und nichts anderes.
Die heute zur Diskussion vorgelegte Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der GRÜNEN zur Weltraumpolitik zeigt überdeutlich - das hat sich auch bei den Auseinandersetzungen in der Auschußsitzung gezeigt - , daß diese Regierung kein schlüssiges Weltraumkonzept vorgelegt hat. Es ist zu fragen, ob sie überhaupt eines hat. Die vorliegenden Antworten auf die, ich glaube, 84 Fragen sind ungenau, vage und nichtssagend. Darin heißt es nämlich
- ich zitiere einmal - : „Nach dem bisherigen Informationsstand nicht beantwortbar", „Bewertung noch verfrüht", „Entscheidung noch nicht getroffen" usw. Herr Minister Riesenhuber, wann endlich wollen Sie einmal entscheiden?, so fragen wir uns.
({2})
Ihre gesamte Weltraumzauderpolitik ist geprägt von Entschlußlosigkeit, Entscheidungsarmut und Konzeptionslosigkeit.
({3})
Herr Lenzer, jetzt bringe ich ein Zitat: Entschlußfreude und Entschiedenheit des Handels fehlen dem Minister;
({4})
so Ihr Weltraumexperte und ehemaliger Abteilungsleiter Wolfgang Finke; er ist ja dann auch gegangen worden.
({5})
Herr Riesenhuber, Ihren blumigen Ankündigungen und großmundigen Versprechungen in Rom im Januar 1985 ist bis auf den heutigen Tag nicht viel gefolgt. Nach fast zwei Jahren intensiver Diskussion über die Zukunft der Weltraumpolitik steht die Bundesregierung mit leeren Händen da, aber kosten soll dies Milliarden. Wie seriös ist eigentlich eine Politik, die sich großspurig mit der Steigerung der Ausgaben für Weltraumfahrt brüstet, der aber schon für 1988 allein 115,9 Millionen DM fehlen? Der Fehlbetrag bis 1991 - das haben wir auch in der Sitzung des Forschungsausschusses angesprochen - beläuft sich auf eine Summe von über 750 Millionen DM. Es ist uns die Auskunft gegeben worden: Für 1988 ist mit der ESA verhandelt worden, aber für die nachfolgenden Jahre noch nicht. Das heißt, dieser Fehlbetrag in Höhe von 750 Millionen DM, der sich von 1989 bis 1991 ergibt, ist noch nicht gedeckt. Keiner weiß, wie er gedeckt werden soll.
({6})
Herr Riesenhuber, wir Sozialdemokraten fordern deshalb von Ihnen, daß Sie, bevor Sie endlich auf der ESA-Konferenz in Den Haag am 9. und 10. November Ihre Politik erklären, hier im Plenum eine Regierungserklärung abgeben, in der Sie klar den Nutzen, die Kosten und die Finanzierung der zukünftigen Weltraumprojekte definieren.
Ich möchte einige Worte zu den drei Großprojekten Columbus, Ariane V und Hermes sagen. Was ist mit Columbus, mit dem europäischen Modul an die amerikanische Raumstation? Von einer Kostenexplosion bei Columbus zu sprechen ist sicherlich noch eine Untertreibung. Statt 26,3 Milliarden DM soll das Projekt, so wird gesagt, 54 Milliarden DM kosten. Wer garantiert denn eigentlich, daß diese ungeheuren Kosten nicht noch weiter steigen? Das Interesse der Franzosen an Columbus ist schon jetzt minimal, um nicht sagen gleich Null. Was passiert, wenn die Franzosen aussteigen? Wer übernimmt die Finanzierung der Differenz?
({7})
Es ist im übrigen auch einmal zu klären, was die Amerikaner überhaupt unter einer fairen Partnerschaft verstehen. Wer den Weinberger-Brief an seinen Ministerkollegen George Shultz gelesen hat, der muß erkennen, daß die USA weiterhin an der militärischen Option festhalten. Wir Sozialdemokraten haben in unserem Antrag aus der letzten Legislaturperiode
- Drucksach 10/1900 - , der im übrigen von der Regierungskoalition im Ausschuß abgelehnt worden ist
- die GRÜNEN waren in honoriger Gesellschaft; sie haben sich der Stimme enthalten - , ganz klar und eindeutig eine ausschließlich friedliche Nutzung der Raumstation gefordert. Ähnliche Bestimmungen enthält ja auch der ESA-Vertrag vom 27. Januar 1967. Es gibt mit Sicherheit auch noch Schwierigkeiten mit den anderen ESA-Partnerstaaten. Im übrigen sind ja auch neutrale Staaten wie Österreich, die Schweiz und Schweden Partner des ESA-Vertrages. Sie sollten nachher etwas dazu sagen, wie der Stand der Verhandlungen zwischen ESA und NASA ist.
Es ist mir daher auch unverständlich, welche Vorstellungen der forschungspolitische Sprecher der CDU/CSU, Herr Lenzer, von fairer Partnerschaft hat, wenn er auf einer Veranstaltung am 14. September 1987 sagt - ich zitiere - : Wir sind im Columbus-Wagen nur der Beifahrer, nicht der Fahrer.
({8})
Um bei dem Bild des Wagens zu bleiben: Mir kommt
es mehr wie eine Taxifahrt vor. Erst fordert der TaxiFischer ({9})
fahrer von seinem Fahrgast 25 DM, dann 50 DM, und anschließend fährt er, wohin er will. So sieht es zwischen ESA und NASA aus.
({10})
- Du fährst wahrscheinlich nicht Taxi, sondern du fährst mit dem Fahrdienst.
Ein weiterer Knackpunkt bei Columbus ist sicherlich die Bestimmung über die Programme. Während nach Ansicht der USA die alleinige Entscheidung bei der NASA liegen soll, gibt es inzwischen eine breite Allianz zwischen ESA-Staaten, Japan und Kanada gegen diese Vorschrift, nach der die NASA die Programme selbst bestimmen will. Unsere Haltung ist hier auch ganz klar und unmißverständlich. Wir wollen keine Fremdbestimmung bezüglich der Programmdefinition durch die NASA. Auch bei dem Technologietransfer zwischen den USA und den ESA-Staaten sollten wir uns keine Illusionen machen. Es handelt sich hierbei wie auch bei anderen Dingen um eine technologiepolitische Einbahnstraße.
Zu Ariane V: Nach dem erfolgreichen Start der letzten Ariane-Rakete soll nach dem derzeitigen Informationsstand Ariane V - auch zur Kostenminimierung für schwere Nutzlasten - gebaut werden. Wir Sozialdemokraten unterstützen dies. Aber wenn Arianespace immer wieder verkünden läßt, daß sie, wenn man die Entwicklungskosten nicht mit einrechnet, schwarze Zahlen schreibt und daß über 46 Aufträge vorliegen, wird man sich wohl fragen dürfen: Warum bleibt der Rückfluß der staatlich geleisteten Entwicklungskosten aus, oder warum sollte sich Arianespace nicht finanziell an der Weiterentwicklung beteiligen?
({11})
Zu Hermes: Die Kostenexplosion innerhalb eines Jahres ist auch hier nahezu abenteuerlich. Das Kuriose dabei ist: Hermes wird immer kleiner und bescheidener. Macht ein solcher Mini-Shuttle überhaupt noch einen Sinn? Dient es wirklich der europäischen Autonomie, ein System zu entwickeln, das schon jetzt überholt ist? Ist dann, wenn Hermes nicht gebaut wird, die viel beschworene deutsch-französische Freundschaft in Gefahr?
Warum wird nicht statt dessen die deutsche Idee „Sänger" mit wirklichem Engagement weiter verfolgt? Weil nach Jahren und nach Spacelab endlich mal wieder eine deutsche Idee in die ESA einzubringen wäre? Weil es bequemer ist, auf die Ideen anderer zu setzen? Ist es verwunderlich, daß es bei dieser Weltraumzauderpolitik der Bundesregierung oft zum Streit in der Frage der Systemführerschaft kommt und daß die Bundesrepublik dabei oft unterliegt? Ein Chef von MBB aus Bayern sagte klar und treffend - ich zitiere - : Die Deutschen dürfen in der Kooperation mit den Franzosen immer nur das Scheißhäusle bauen.
({12})
Wir brauchen endlich eine nationale Raumfahrtagentur; denn es ist eine wichtige Aufgabe, endlich die organisatorischen Voraussetzungen in der Bundesrepublik durch Zusammenfassung der bisher zersplitterten Aktivitäten - etwa 40 Institutionen sind davon betroffen - im Rahmen einer nationalen Agentur so zu gestalten, daß unsere weltraumpolitischen Ziele unter Wahrung der nationalen Interessen im europäischen Rahmen besser als bisher verfolgt werden können.
Wie können Sie eigentlich, Herr Minister, bei Ihrer eigenen Konzeptionslosigkeit bzw. mangelndem Durchsetzungsvermögen im Kabinett den Wissenschaftlern fehlende Managementerfahrung vorwerfen?
({13})
Wir brauchen endlich ein vernünftiges, langfristig ausgerichtetes Raumfahrtkonzept. Von der Zukunftsgestaltung in diesem wichtigen Bereich können wir uns nicht wie diese Bundesregierung verabschieden.
Zum Abschluß drei Forderungen:
Erstens. Die Ergebnisse der Definitionsphase für Columbus und Hermes müssen schnellstmöglich auf den Tisch. Dann werden wir unsere Entscheidungen treffen.
Zweitens. Wir sagen ja zur Weiterentwicklung der Ariane-Rakete unter den oben genannten Bedingungen.
Drittens. Wir erwarten, daß die deutsche Idee „Sänger" , eine voll wiederverwendbare, horizontal startende und landende Raumfähre, mit Engagement überprüft wird.
Viertens ist unser Wunsch: Unterstützen Sie unseren Entschließungsantrag!
({14}) Schönen Dank.
({15})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Timm.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Lothar Fischer, ich habe soeben den Eindruck gewonnen, daß du und deine Kolleginnen und Kollegen eigentlich viel intensiver daran interessiert sind, daß wir in der Raumfahrtpolitik weitermachen, und ich müßte dem Minister eigentlich empfehlen, daraus etwas zu machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da wir in der Bundesrepublik und in der ESA nur zivile Raumfahrtpolitik betreiben, darf ich zuerst sagen, daß ich natürlich auch nur über diesen Bereich sprechen kann.
Zum zweiten freue ich mich, feststellen zu dürfen, daß der Mensch aus der Raumfahrt - genauso wie auf der Erde aus der Arbeit - nach wie vor nicht wegzudiskutieren ist. Ich finde, das ist doch immerhin etwas Erfreuliches. Der Mensch wird überall gebraucht und ist nicht ersetzbar. Darüber hilft auch Besserwisserei oder, besser gesagt, die Vorwegnahme von Ergebnissen und Zielen der Raumfahrtpolitik, die ein schlechter Ratgeber ist, nicht hinweg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum einen kann die bisherige Entwicklung in der unbemannten Raumfahrt in der Bundesrepublik mit durchaus positiven Ergebnissen aufwarten. Ich meine, sie sind auch weitgehend unbestritten. Ein zweites: Die industriellen und kommerziellen Ansätze aus dieser Raumfahrtpolitik sind durchaus positiv verlaufen. Sie sind zwar klein, aber sie sind vorhanden. Ich sage, daß die Kompetenzen möglicher industriell und kommerziell nutzbarer Vorhaben in der bemannten Raumfahrt heute in Europa liegen und daß zu einem wesentlichen Teil die Bundesrepublik daran beteiligt ist. Das zeigt allein schon die Tatsache, daß die Vereinigten Staaten sehr bemüht sind, ein eigenes solches Konzept aufzustellen. Dazu gibt es sehr ansprechende Ausarbeitungen der NASA.
Wir befinden uns, wie gesagt, bereits mitten in der bemannten Raumfahrt und müssen deswegen nicht über den Einstieg sprechen. Es wurde zu Beginn dieser Runde eigentlich nur über den Ausstieg gesprochen. Ich meine, da wir mitten drin sind, sollten wir uns auch nur das vor Augen halten. Alle Kritiker stimmen nämlich in einem Punkt überein: Ganz endgültig wollen sie auch nicht heraus. Da ist ja irgend etwas; man könnte dort eine Tür zuschlagen, die dann nicht wieder zu öffnen ist, und wer tut das schon gerne?
Die Sorge um die Förderung anderer Technologiebereiche muß man sehr wohl auch unter dem Gesichtspunkt abklopfen, was eigentlich am eigenen Interessen für andere Bereiche dahintersteht.
({0})
- Die Weltraumindustrie auch; ich komme darauf nachher zurück, denn es ist nicht nur die Weltraumindustrie, es sind eben auch andere. Unter diesen Gesichtspunkten muß man natürlich die zu Recht vorgetragene Sorge beurteilen.
Es geht nach meiner Auffassung bei der zukünftigen Raumfahrtpolitik also um das Wie und um das Wieviel. - Wenn wir uns darüber einig sind, ist das schon sehr erfreulich. - Es geht vor allen Dingen um das vernünftige Konzept. Um das finanzielle Konzept natürlich auch. Man muß in logischen Schritten vorgehen. Es ist richtig, daß Entscheidungsreife gegeben sein muß; dazu ist noch konzeptionelle Regierungsarbeit erforderlich. Ich glaube, auch das ist unbestritten, Herr Minister.
({1})
Die Regierung hat sich in ihrer Beantwortung der vielen Fragen durchaus Zurückhaltung auferlegt;
({2})
es ist auch besser, daß man die Zurückhaltung dann anwendet, wenn sie tatsächlich angebracht ist.
Die immer wieder in Frage stehenden Milliarden
- es sind verschiedene Zahlen genannt worden, ich behalte die Zahl 30 Milliarden bis zum Jahr 2000 im Auge - kann man wirklich nicht der bemannten Raumfahrt anlasten. Es steckt ja sehr viel mehr darin: Es sollen mit diesen Mitteln sowohl nationale als auch internationale bemannte wie auch unbemannte Raumfahrtprojekte, wozu auch die Einrichtungen auf
der Erde gehören, sowie die Grundlagenforschung und die Technologieentwicklung, die zum Teil nicht nur der Raumfahrt dient, gefördert werden. Ich kann deshalb nicht erkennen, daß unsere Volkswirtschaft in ein gefährliches, weil vorgeblich einseitiges Forschungsfahrwasser gerät. Ich meine, daß die von uns konzipierten Mittel eine solche Aussage nicht rechtfertigen.
({3})
- Das ist richtig. Ich bin am Anfang kurz darauf eingegangen, daß im Augenblick noch sehr viel staatlich ist, aber die positiven Entwicklungen liegen eindeutig in Europa und in der Bundesrepublik, und die gilt es auszubauen.
({4})
- Das sind die, die wir zum Beispiel mit der SL-D 1-Mission begonnen haben.
({5})
- Ja, das ist eine Behauptung; ich kann darüber sprechen, weil ich das weiß.
Wir sind als rohstoffarmes Land auf Wissensentwicklung angewiesen. Wenn wir uns jetzt auf einem ganz bestimmten Gebiet der Wissensentwicklung Selbstenthaltung auferlegen, führt das nicht dazu, Erleichterung auf anderen Gebieten zu schaffen, sondern zum Gegenteil.
Wir halten die bemannte Raumfahrt und die Fortentwicklung der unbemannten Raumfahrt nicht auf. Die Frage ist eigentlich nur, ob wir in bezug auf eine solche Entwicklung einen einseitigen Verzicht üben sollten. Wer aber die zivile Entwicklung bei der zukünftigen Weltraumnutzung beeinflussen will, muß sich seine Kompetenz erhalten. Wer nicht kompetent ist, in einer Sache mitzureden, kann auch nicht dort gehört werden, wo er meint, er müsse gehört werden.
({6})
- Wir sollten überall da kompetent sein, wo wir als Staat, der auf Wissensentwicklung angewiesen ist, einen Nutzen für unsere Bürger daraus ziehen wollen.
Es ist doch unbestritten, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Weiterentwicklung der unbemannten Raumfahrt im kommerziellen und auch im wissenschaftlichen Teil zu fördern ist. Ich jedenfalls meine, daß das unbestritten sein sollte
({7})
und daß die Auftragssituation in diesem Bereich durchaus dafür spricht. Dazu wurde eben schon einiges von meinem Kollegen Fischer gesagt.
Damit sind wir bei der Frage, welche Elemente wir brauchen. Wir haben Ariane V als Trägersystem. Ariane V als Trägersystem wird in Europa benötigt, und zwar in erster Linie wegen der Konfiguration und der Lasten künftiger unbemannter Systeme. Deshalb ist dieses System in seiner Konzeption und in seiner
Definition auch am weitesten fortgeschritten und im Grunde entscheidungsreif.
Wir brauchen Ariane V darüber hinaus eventuell auch - bei entsprechendem Bedarf - für den bemannten Raumtransport. Dafür kann sie eines Tages auch zur Verfügung stehen.
Nicht unwichtig ist - vielleicht ist es sogar einer der wichtigsten Aspekte - : Wir brauchen ein solches System auch, um Antriebssysteme neuerer Art entwikkeln zu können, wenn wir nicht generell, wie einige es wünschen, aus der Raumfahrt auscheiden wollen. Ein zukünftiges Trägersystem wie die Ariane V ist für die europäische Raumfahrt die Grundlage der kommerziellen Unabhängigkeit in der Raumfahrt.
Das zweite Element ist Columbus. Columbus ist die logische Fortsetzung der bemannten Raumfahrt nach SL-D 1 und in absehbarer Zeit D 2, d. h. nach dem Spacelab-Programm. Es besteht aus vier Bausteinen. Ich habe manchmal den Eindruck, daß es zu viel vereinfacht, wenn man nur einen Teil davon anführt. Der eine Baustein ist das Labormodul - das ist das einzige, was an die Raumstation angeschlossen werden soll -, und der andere Baustein - das halte ich für das Wichtigste - ist der des „man tended free flyer" ({8}). Dadurch wird die Autonomie in der unbemannten und der bemannten Raumfahrtpolitik ermöglicht. Ich glaube, deswegen sollte es ein sehr positives Ziel der deutschen und der europäischen Raumfahrt sein.
Wir wissen, daß zu diesem Thema noch Verhandlungen im Sinne der ESA-Konvention zu führen sind. Die Ergebnisse dieser Verhandlungen müssen die Entscheidungskriterien für die weitere Entwicklung sein.
Das dritte Element sind der Raumtransporter und ein entsprechendes Gleitersystem.
({9})
Ich warne vor der Euphorie, in dieser Technik einen Schritt über zwei Generationen machen zu wollen. Es ist sehr verlockend, über „Sänger" und „Hotol" zu sprechen. Nur: Der Weg dorthin ist mir noch nicht so eindeutig bekannt, daß man schon sagen könnte: Wir machen nur das, nicht aber den Schritt, der naheliegend ist, um überhaupt erst einmal in ein solches System hineinzuwachsen. Das widerspricht jeder technischen Logik und jeder technologischen Möglichkeit. Solche Technologiesprünge sind nach meiner Auffassung von uns nicht zu leisten. Das würden wir teuer bezahlen.
Zusammenfassend und zum Abschluß möchte ich sagen: Die FDP befürwortet die Fortführung der raumfahrttechnischen Entwicklung. Wir erwarten, daß die Entscheidungskriterien umgehend vollständig aufgearbeitet werden. Das bedeutet den Abschluß der Verhandlungen über die Nutzung der Raumstation und die Vorlage eines entscheidungsreifen Konzepts für ein mögliches Raumtransportsystem.
Wir wollen keine Euphorie; das täte der Raumfahrtpolitik nicht gut. Wir wollen eine Beteiligung der Wirtschaft. Bereits heute sind zu 35 % mittelständische Unternehmen in der Bundesrepublik an der Produktion oder an der Umsetzung der zur Verfügung stehenden Mittel für die Produktion beteiligt.
({10})
Schließlich und endlich - das ist auch ein wichtiger Punkt - ist die europapolitische Bedeutung der Raumfahrt zu berücksichtigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Sinne stimmen wir den Entschließungsanträgen nicht zu. Der eine ist abzulehnen, weil er die Entwicklung grundsätzlich ablehnt,
({11})
und der andere ist nicht erforderlich, weil es eine Selbstverständlichkeit ist, daß eine Entscheidung nur getroffen werden kann, wenn alle Kriterien auf dem Tisch liegen.
Vielen Dank.
({12})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Bundesminister für Forschung und Technologie, Dr. Riesenhuber.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Diese Debatte finde ich wirklich interessant. Denn wenn ich hier von den normalen und rituellen Angriffen des Herrn Kollegen Fischer absehe, die ja völlig in Ordnung sind - das gehört zur Rolle der Opposition - , und auf die Sachsubstanz der Ausführungen eingehe, dann glaube ich, daß die Bewertung des Kollegen Timm den Kern trifft; nämlich daß sich hier doch in der Sache bei allen Vorbehalten hinsichtlich weiterer Prüfungen eine beachtliche Möglichkeit zu einem Konsens abzeichnet.
Dies nimmt nichts vorweg. Wir sind hier noch, wie zu Recht gesagt worden ist, in sehr schwierigen Verhandlungen und Prüfungen. Es ist eine Eigenheit solcher internationalen Verhandlungen, daß sie erst in der allerletzten Phase „dicht" werden. Aber es zeigt sich doch eine weitgehende Übereinstimmung - die GRÜNEN haben hier Kritik angemeldet; dazu werde ich vielleicht noch an einzelnen Punkten kommen - über die Grundlinien der Weltraumpolitik.
Dabei bauen wir auf Erfolgen bei Projekten auf, die wir in den letzten 20 oder 25 Jahren durchgeführt haben. Raumfahrt und Raumfahrttechnik haben in dieser Zeit völlig neue Möglichkeiten für die Wissenschaft eröffnet: die Möglichkeit des Blicks in den tiefen Raum, von dem ganz langwelligen bis zum ganz kurzwelligen, die Möglichkeit, in die Geschichte des Weltalls zu schauen, die Möglichkeit, Kommunikationstechniken per Satellit zu entwickeln - z. B. Satellitenfernsehübertragung und Satellitentelefon -, die Möglichkeit der Erdbeobachtung und der langfristigen Wettervorhersage, die Möglichkeiten, kommerziell nutzbare Dienste anzubieten.
Herr Wetzel hat darauf hingewiesen, daß wir mit den Entwicklungsländern zusammenarbeiten sollen. Ich möchte dies an einem Beispiel zeigen. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Indien intensiv im Bereich der Erdbeobachtung zusammen. Die Inder machen jetzt eine Erdbeobachtung, die es ihnen erlaubt, ihre Grundwasserreserven festzustellen, die es ihnen erlaubt, festzustellen, wo Wald weiter vernichtet wird, wo aber Aufforstungen Erfolg haben, die es ihnen erlaubt, Ernten vorherzusagen und damit Abhilfe gegen Mangel zu planen oder aber auch Infrastrukturen zu verbessern.
Wir haben hier einen Nutzen durch eine Vielfalt von Techniken. Dies wird weitergehen, wenn wir dies in der nächsten Generation von Techniken als Notfunk und als Verkehrsfunk einsetzen, wenn wie dies bei Umwelt und Klima einsetzen und wenn wir die Erdbeobachtung bei der Frage des Treibhauseffekts, der Klimaveränderungen und des Ozonlochs einsetzen.
({0})
- Sehr wohl! Ich bedanke mich für den Zwischenruf.
Das heißt also, von dem, was jetzt als Programm und als Vorschlag der ESA ansteht, ist dies unstreitig der größere Teil; die Raumfahrt ist der weitaus kleinere Teil. Nur über diesen haben wir hier zu streiten; das muß hier einmal klar gesagt werden. Wenn dies aber so ist, dann bin ich hier in einer reizvollen Lage. Die GRÜNEN werfen mir vor, ich ginge zu massiv heran; die SPD wirft mir vor, ich ginge zu vorsichtig heran.
({1})
Die Wahrscheinlichkeit, daß mein Weg richtig ist, ist damit außerordentlich groß. Das heißt, was wir hier machen, ist die präzise und sorgsame Vorbereitung in einem komplexen System.
Nun wird gesagt, dieses Konzept sei hier nicht deutlich zu erkennen. Ich muß Ihnen sagen: Zumindest seit fünf Jahren - über die Zeit davor will ich nichts sagen, auch nichts Unfreundliches - haben wir im Weltraum ein außerordentlich konsistentes und konsequentes Hinarbeiten auf das kohärente Konzept, das die ESA jetzt zum erstenmal vorgelegt hat. Es geht also nicht um die unverbundene Entwicklung von einzelnen Techniken oder Geräten, sondern um die Zusammenführung zu einer Strategie. Ob das finanzierbar ist, ob das alles schon jetzt, am 9. November, in jedem einzelnen Falle reif ist, müssen wir prüfen.
Ich habe schon im Sommer gesagt, daß wir - das ist heute diskutiert worden - bei Columbus sehen müssen, wie weit wir in Verträgen mit den amerikanischen Partnern wirklich eine Partnerschaft erreichen, die uns eine volle Nutzung dieser Infrastruktur, die Selbstbestimmung über unsere Themen und über die Verwendung der Forschungsergebnisse erlaubt.
Ich habe andererseits schon im Sommer gesagt - es ist an einer Stelle der Debatte angedeutet worden -, daß es sicher auch eine wesentliche Frage sein wird, ob Hermes nach der Umkonstruktion nach Challenger jetzt schon so reif ist, daß wir darüber abschließend entscheiden können, oder ob wir noch eine weitere Prüfungsphase einbringen müssen.
({2})
Dies bedeutet, daß wir, wie wir es immer getan haben, in einem Gesamtkonzept mit größter Sorgfalt auf das hingearbeitet haben, was jetzt zur Entscheidung ansteht.
Dabei ist das, was geschehen kann - Herr Timm hat es zu Recht gesagt -, nicht alles bemannte Raumfahrt. Weniger als die Hälfte des ESA-Programms betrifft die drei Großprojekte. So ist Ariane allein schon zum Transport von Satelliten und Sonden Mitte der 90er Jahre notwendig, um Konkurrenz zu bieten in sehr umstrittenen kommerziellen Weltmärkten. Daß Columbus bemannte, unbemannte und zeitweise bemannte Teile hat, hat Herr Kollege Timm zu Recht gezeigt. Das ist also die wirkliche Integration von hochentwickelten Automaten mit dem, was der Mensch beitragen kann und beitragen muß. Dies ist ein in der Sache begründetes Konzept. Daß wir dabei die langfristigen Möglichkeiten - Sie wiesen auf „Sänger" hin - nicht aus den Augen lassen, liegt auf der Hand.
Ich habe mich sehr gefreut, daß es vor wenigen Jahren möglich war, dieses Thema neu aufzugreifen, nachdem über sehr viele Jahre - es war nicht unsere Regierungszeit - von Deutschland nie prägende Systemvorschläge eingebracht worden waren. Wir haben dies jetzt angepackt, und wir werden es weiterbringen, aber nicht etwa in einer Art Hurra-Patriotismus.
({3})
- Dazu könnte ich Ihnen einiges erzählen, Herr Catenhusen, das die Debatte sprengt.
({4})
- Nun, dann kann ich es Ihnen sagen. Ich habe vor gut zwei Jahren der DFVLR einen entsprechenden Auftrag gegeben. Es war übrigens nicht die. Industrie, welche die Konzepte gemacht hat, sondern es waren die ESA und die DFVLR. Ich habe der DFVLR gesagt: Prüft sämtliche Rückkehrvehikel, die überhaupt in Frage kommen, sowohl die alten bis zu den Kapseln als auch die neuen bis zu dem amerikanischen „Orientexpreß" . Daraus ergab sich neben anderen Vorschlägen dieser Vorschlag zu „Sanger" , der früher schon längst gemacht worden war. Es war ein alter Vorschlag, den Sie liegengelassen haben, um den Sie sich niemals gekümmert haben. Sie haben überhaupt in den 70er Jahren die ganze Frage des Transports versacken lassen, so daß Europa es nur dem Engagement der Franzosen verdankt, daß wir hier überhaupt noch eine Rolle gespielt haben.
({5})
Wir haben das jetzt wieder aufgegriffen. Ich sage dies
so wegen Ihres Zwischenrufs. Ich könnte es auch bei
den anderen Punkten, die ich hier nur andeuten kann,
und vielleicht auch im Ausschuß im einzelnen durchdiskutieren.
({6})
Nun sagen Sie hier: Herr Stoltenberg. Ich habe hier immer gesagt, daß diese Großprojekte die Möglichkeiten des Forschungshaushalts übersteigen. Denn ich bin in einem mit vielen einig, die hier gesprochen haben; daß nämlich die vorrangigen Gebiete, die wir in den letzten Jahren in Abkehr von einer früheren Politik systematisch aufgebaut haben, nicht leiden dürfen.
({7})
Die Grundlagenforschung ist heute so hoch wie nie. Die war bei Ihnen immer bei vielleicht 25 %. Wir sind jetzt bei 37 %, wobei das ganz überwiegend staatliche Aufgaben sind. Umweltforschung, Gesundheitsforschung, Vorsorgeforschung, Klimaforschung, das alles haben wir gesteigert. Die Klimaforschung ist versechsfacht, die Gesundheitsforschung verdoppelt worden. Mit der Waldschadensforschung haben wir erst begonnen, mit der ökologischen Bodenforschung jetzt angefangen. Diese Gebiete dürfen jetzt nicht leiden. Sie waren bei Ihnen nicht vorhanden - aus Gründen, die ich jetzt nicht diskutieren will und bei denen ich keinesfalls in Unfreundlichkeiten geraten will.
({8})
Dies soll also nicht leiden. Wenn Sie sich den Beschluß vom Januar 1985 ansehen, erkennen Sie, daß die Bundesregierung - natürlich auch der Finanzminister - die Entscheidung getroffen hat, daß im Vorbereitungsprogramm die Hälfte der zusätzlichen Kosten für die beiden Großprojekte Columbus und Ariane vom Gesamthaushalt getragen werden.
({9})
Daraus ergibt sich ein Konzept, das nicht nur meinem Haus, sondern vielen Beteiligten neue übergreifende Möglichkeiten eröffnet, wobei wir aber die Kohärenz und die gemeinsame Strategie behalten müssen. Ich meine die Chance, auf neue Techniken und auf neue Möglichkeiten der Arbeit zu kommen. Ich denke an Möglichkeiten, Durchbrüche in Gemeinschaft mit anderen Völkern zu schaffen, z. B. weil wir es allein nicht können, weil es eine Nation überfordert. Ich betone auch die Aussicht - Kollege Timm wies darauf hin -, in einem Bereich der europäischen Zusammenarbeit sichtbare Erfolge vorzuzeigen. Die integrierende Kraft der Agrarpolitik ist begrenzt, aber für den Weltraum haben wir hier eine gemeinsame Strategie aufgebaut, von der jeder weiß, daß sie nur gemeinsam getragen werden kann und nur gemeinsam zum Erfolg führt.
({10})
Zur Zusammenarbeit mit den USA: Sie geht über die Technik hinaus. Wenn hier viele befürchten, daß der freie Austausch von Technik und Wissenschaft mit den USA leiden könnte: Hier haben wir einen Bereich, wo in Spitzentechnik zusammengearbeitet werden soll und wo nur aus der echten Gemeinschaft in der Arbeit Spitzentechnik entstehen kann, wo also Gemeinsamkeit und Freiheit sowie der Austausch von
Wissenschaft und Technik über den Ozean erreicht wird.
Als letztes halte ich für wichtig, daß wir bei dem, was an technischen Herausforderungen auf uns zukommt, nicht nur die Gefahren und Risiken sehen - wie wir diese aufarbeiten, das habe ich für einige Bereiche gezeigt. Wir sehen auch die Chance, mit sehr großen Herausforderungen fertig zu werden.
Eine Industrienation muß auch zeigen, daß sie vor hochkomplexen Problemen nicht resigniert, sondern sie erfolgreich bewältigt. Der Geist, aus dem so etwas geschieht - Herr Timm sprach von der Jugend - , der Geist, mit dem die Jugend spürt, wie Herausforderungen aufgegriffen und kompetent und verantwortlich bewältigt werden, macht für den Erfolg einer Industrienation mehr aus als Haushaltszahlen.
({11})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen. Wer für den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltung? - Mit der Mehrheit der Stimmen der Regierungsparteien bei Enthaltung der GRÜNEN und einigen Gegenstimmen ist der Antrag abgelehnt.
Dann kommen wir zum Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der SPD ist er bei zwei Enthaltungen abgelehnt.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({0}) zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen
Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1984 - Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes ({1})
sowie zu der
Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof
Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1986 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung ({2})
- Drucksachen 10/4596, 10/6138, 11/831 Berichterstatter:
Abgeordneter Sieler ({3})
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Beratung eine Stunde vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Wer wünscht das Wort? - Als Berichterstatter haben Sie das Wort, Herr Abgeordneter Sieler.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn zunächst ich als Jahresberichterstatter für das Entlastungsverfahren der Bundesregierung im Haushaltsvollzug 1984 das Wort ergreife, dann auch deswegen, weil das eine Frage ist, die zunächst das Parlament und erst in zweiter Linie die Bundesregierung beschäftigt. Es wäre deshalb auch nicht besonders glücklich gewesen, wenn zuerst die Regierung hier zu diesem Thema das Wort ergriffen hätte.
Am 10. Oktober 1986 hat der Bundesrechnungshof seine Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung mit der Bundestagsdrucksache 10/6138 dem Parlament zugeleitet. Der Bundesrechnungshof hat in bewährter Manier einen Bericht vorgelegt, der zwar sehr umfangreich, aber verständlich, übersichtlich und vor allen Dingen zeitnah Einnahmen und Ausgaben des Bundes, der Bundesunternehmen sowie bundesunmittelbarer Körperschaften und juristischer Personen des öffentlichen Rechts kritisch untersucht hat. Wir haben dabei - das sage ich mit allem Freimut - wiederum wertvolle und für unsere Tätigkeit wichtige Anregungen und Hinweise über den Umgang mit öffentlichen Geldern unter Beachtung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in öffentlichen Verwaltungen erhalten.
Der Rechnungsprüfungsausschuß hatte sich in der Folge - bedingt durch die in diesem Jahr beginnende Legislaturperiode - in einem Zeitraum von nur vier Wochen in insgesamt sechs Sitzungen mit den Prüfungsbemerkungen des Rechnungshofes und den betroffenen Häusern auseinanderzusetzen. Der Bericht des Rechnungsprüfungsausschusses über seine Beratungsergebnisse an den Haushaltsausschuß und an das Parlament gibt mir nun auch Gelegenheit, einmal ein Wort in eigener Sache zu sagen.
Meine Damen und Herren, meist parallel zum Plenum und weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit tagt und berät der Rechnungsprüfungsausschuß als Unterausschuß des Haushaltsausschusses. Er berät für das Parlament den umfangreichen Bericht über das Prüfungsergebnis des Rechnungshofes. Die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses werden - das ist nicht das erstemal, und so war es auch diesmal wieder - bei den Beratungen nicht selten außerordentlich gefordert. Man braucht also mitunter schon eine Portion Sitzfleisch, um das durchstehen zu können.
({0})
Während die meisten Kolleginnen und Kollegen den Beratungen des Plenums folgen können, erfahren die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses das Ergebnis der Plenarsitzungen meistens aus den Funk- und Fernsehnachrichten oder am nächsten Tag aus der Zeitung. Das ist leider so, aber das müssen wir über uns ergehen lassen. Nicht selten bleiben darum Petitionen und Vorgänge, die die Kollegen aus dem Rechnungsprüfungsausschuß wie alle anderen auf ihren Schreibtischen haben, unerledigt liegen und müssen dann zu einem anderen Zeitpunkt vom Tisch gebracht werden.
Sachkenntnis und die Bereitschaft, sich mit den Details des jeweiligen Vorgangs zu beschäftigen, zeichnen die Kolleginnen und Kollegen dieses Ausschusses aus. Das möchte ich an dieser Stelle einmal hervorheben.
({1})
Dies ist sicherlich auch der Grund dafür, daß dieser Ausschuß als wirkliches Kontrollorgan des Parlaments gegenüber der Regierung auch von der Exekutive anerkannt und manchmal, wie ich meine, sogar etwas gefürchtet wird.
Hervorheben möchte ich noch die gute Zusammenarbeit der Berichterstatter, aber auch das besonders kollegiale und gute, ja menschliche Klima in diesem Ausschuß.
({2})
Hierfür, meine Damen und Herren, gebührt ein besonderer Dank nicht nur den Mitgliedern im Ausschuß, sondern auch den Mitarbeitern dieses Ausschusses,
({3})
die in unauffälliger Weise und mit viel Fleiß - das möchte ich hier einmal ganz deutlich unterstreichen - die Arbeit, die wir zu erledigen haben, erst möglich machen.
Die Bedeutung dieser Tätigkeit für die Kontrollaufgabe der Legislative kann meines Erachtens gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Deshalb ist es auch ein bißchen bedauerlich, daß solche wichtigen Fragen, gerade was die Kontrollfunktion des Parlaments anbetrifft, immer ein bißchen an das Ende einer Parlamentsdiskussion gedrängt werden.
Meine Damen und Herren, unsere Arbeit wäre wahrscheinlich weniger wirksam und durchgreifend, wenn sie nicht durch sachliche und fachkundige Beratung und Begleitung des Rechnungshofes unterstützt würde. Die wertvollen Anregungen und Hinweise des Rechnungshofes sind aus der parlamentarischen Arbeit nicht wegzudenken und sind für uns unverzichtbar.
Der Rechnungshof hat in seinem Bericht für 1986 insgesamt 104 Beiträge aus seiner umfangreichen Prüfungstätigkeit herausgestellt. In 77 von den 84 Fällen, in denen Entscheidungen notwendigerweise erforderlich waren, hat sich der Ausschuß der Beurteilung und Bewertung des Bundesrechnungshofes rückhaltlos angeschlossen. Nur im Falle der Bundesstraße 317 im Raum Lörrach und Weil am Rhein folgte der Rechnungsprüfungsausschuß nicht dem Bundesrechnungshof, diese Straße als Bundesstraße wieder herabzustufen, weil angeblich oder tatsächlich die Merkmale für eine Bundesstraße nicht mehr vorhanden sind. Wir waren im Gegenteil der Meinung, daß der Bau dieser Straße nach jahrelangem Schwebezustand nicht wieder in Frage gestellt werden sollte.
Es bedurfte sicher nicht eines neuen Rechnungshofgesetzes, um das Prüfungsrecht des Rechnungshof es zu untermauern. Hervorzuheben ist jedoch, daß der Bundesrechnungshof in letzter Zeit öfter um Prüfungen und Klärungen von Problemen im staatlichen Bereich vom Haushaltsausschuß und damit vom Parlament gebeten worden ist, wo wir einen dringenden
Sieler ({4})
Aufklärungsbedarf sahen. Ein Beispiel aus jüngster Zeit möge das verdeutlichen.
Seit Jahren quälen wir uns und kämpfen wir im Haushaltsausschuß mit der Frage der Personalprobleme bei der Bundesanstalt für Arbeit. Zwischen dem sich aus dem rechnerischen Ergebnis des Personalbemessungssystems der Bundesanstalt für Arbeit ergebenden Mehrbedarf und den von der Selbstverwaltung für erforderlich gehaltenen Anhebungen der Planstellen für alle Arbeitsämter ergab sich regelmäßig und immer wiederkehrend bei unseren Haushaltsberatungen eine erhebliche Differenz. Auch vor Ort in ihren Wahlkreisen sind viele unserer Kolleginnen und Kollegen dieses Hohen Hauses mit den Problemen der Arbeitsbewältigung bei den Arbeitsämtern konfrontiert worden. So manche Klagen von Personalräten, die sich bitterlich über den Personalmangel in einer Reihe von Arbeitsämtern beklagt haben, klingen mir noch in den Ohren.
Aber hierzu auch eine kritische Anmerkung. Anhaltend hohe Arbeitslosigkeit, laufende Änderungen im Arbeitsförderungsgesetz - z. B. auch durch die Haushaltsstrukturgesetze, durch das sogenannte Beschäftigungsförderungsgesetz - und andere gesetzliche Vorschriften sowie die Übertragung zusätzlicher Aufgaben auf die Bundesanstalt für Arbeit haben in der Tat zu erheblichen personellen Engpässen und zu erheblichen Leistungsanforderungen an das Personal der Bundesanstalt für Arbeit geführt. Zeitverträge für Aushilfskräfte und organisatorische Umstellungen im Betrieb der Arbeitsämter haben diese Probleme leider verstärkt.
Die jährlich wiederkehrenden Personalanforderungen der Bundesanstalt für Arbeit, die letztlich auch in den Beratungen zum Haushalt des Bundesarbeitsministers eine wichtige Rolle gespielt haben, gaben schließlich den Ausschlag dafür, das Personalbemessungssystem der Bundesanstalt durch den Bundesrechnungshof auf seine Effektivität, auf seine Praktikabilität und auf seine Plausibilität hin überprüfen zu lassen. Dabei sollte insbesondere die Frage geklärt werden, ob das System den heutigen Anforderungen des Arbeitsmarktes und den besonderen Bedürfnissen der Bundesanstalt für Arbeit hinsichtlich der Verteilung des Personals auf die Ämter mit besonderen arbeitsmarktpolitischen Problemen tatsächlich gerecht wird.
Der Bundesrechnungshof nahm den Wunsch des Haushaltsausschusses auf, mußte jedoch sehr bald feststellen, daß bei der Bundesanstalt für Arbeit offensichtlich die Meinung über den Umfang und die Rechtmäßigkeit der Prüfung zwischen Verwaltung und Selbstverwaltung auseinander ging. Im Umgang mit dem Bundesrechnungshof offensichtlich ungeübt, entstanden Mißverständnisse, die bei der Bundesanstalt für Arbeit erst beseitigt werden konnten, nachdem der Haushaltsausschuß noch einmal mit allem Nachdruck das Prüfungsrecht des Rechnungshofes unterstrichen und bekräftigt hat.
Der uns vorliegende Bericht des Rechnungshofes über die Methoden zur Personalbemessung bei der Bundesanstalt für Arbeit gibt nach unserer Überzeugung wertvolle Anhaltspunkte für eine bedarfsgerechte Ausgestaltung der Personalbemessung. Das
Parlament wird dadurch auch in die Lage versetzt, objektiver, als das bisher der Fall war - und ich meine auch, etwas gerechter - , den Bedürfnissen der Bundesanstalt für Arbeit zu entsprechen und den Personalentscheidungen der Bundesanstalt in entscheidenden Bereichen zustimmen zu können. Unbestritten bleiben dabei das Selbstverwaltungsrecht und die Selbstverwaltungshoheit der Bundesanstalt für Arbeit, die in eigener Verantwortung all die Entscheidungen zu treffen hat, die im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung zu bewältigen sind.
Ein weiteres Beispiel zeigt, wie wichtig eigentlich diese Prüfungsaufgabe des Rechnungshofes und die Arbeit des Rechnungsprüfungsausschusses für die Bürger, aber auch für ihre individuellen Ansprüche sein können. In den Bemerkungen zu früheren Haushaltsjahren hat der Rechnungshof angeregt, zur besseren Überwachung des Beitragseinzugs in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten die Betriebsprüfung neu zu regeln. Insbesondere soll damit eine planmäßige Prüfung der Beitragsabführung für Arbeiter und Angestellte gesichert werden. Der Bundestag hatte sich dieser Anregung zwar nicht angeschlossen, aber den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ersucht, einer Neuregelung der Renten- und Krankenversicherungsträger hinsichtlich des Prüfungsdienstes für diese Bereiche die erforderliche Unterstützung zu gewähren. Der Bundesarbeitsminister hat daraufhin zugesagt, die bessere und intensivere Prüfung der Betriebe im Zuge der Einordnung des Rentenversicherungsrechts in das Sozialgesetzbuch bis 1985 zu regeln. Dies geschah leider nicht, so daß den Rentenversicherungsträgern seit Jahren erhebliche Beitragsausfälle entstanden sind. Im Gegenteil beabsichtigte der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, in einer gesetzlichen Neuregelung die Rentenversicherungsträger ganz von ihrer Prüfungspflicht nach der Reichsversicherungsordnung freizustellen und diese Aufgabe ausschließlich den Trägern der Krankenversicherung zu übertragen. Dieser Mangel, meine Damen und Herren, im Bereich der Betriebsprüfung führte seit Jahren zu erheblichen Einnahmeverlusten, die von maßgeblicher Seite, nämlich von den Rentenversicherungsträgern selbst auf mehr als eine Milliarde DM, also mehr als 1 000 Millionen DM, pro Jahr geschätzt werden.
Wir haben diesen Vorgang ausgiebig diskutiert und den Bundesarbeitsminister aufgefordert, umgehend gesetzliche Vorschläge zu unterbreiten, die eine Prüfungspflicht der Rentenversicherungsträger vorsehen, zugleich aber auch einer Mehrfachprüfung in den Betrieben entgegenwirken. Es macht keinen Sinn, daß einmal die Krankenkasse, 14 Tage später der Rentenversicherungsträger und vielleicht weitere 14 Tage später noch ein anderer im Betrieb jeweils die gleiche Prüfung durchführt.
An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig das beharrliche Drängen des Rechnungshofes sein kann. Es geht nicht nur darum, den Rentenversicherungsträgern den ihnen zustehenden Einnahmeanteil zu sichern, sondern auch darum, dem Versicherten seinen auf den Beitragsleistungen beruhenden Anspruch zu garantieren.
Sieler ({5})
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß endlich auch die Frage der Verjährung rückständiger Versicherungsbeiträge im Interesse der späteren Ansprüche der Versicherten von den Rentenversicherungsträgern geklärt werden muß. Es ist einfach unmöglich, daß diese Frage nach wie vor ungelöst ist.
Lassen Sie mich aus der großen Zahl der Prüfbemerkungen noch eine letzte Bemerkung zu den öffentlichen Bauten machen. Der Rechnungshof hat wiederholt den Einsatz der Mittel bei öffentlichen Baumaßnahmen kritisiert, weil Baumaßnahmen unter Nichtbeachtung von Verwaltungsrichtlinien in Zusammenarbeit mit den Länderbauverwaltungen durchgeführt worden sind und weil bei Grundstückskäufen in einer Reihe von Fällen Maßstäbe angelegt worden sind, die nicht dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und dem Gebot der Sparsamkeit beim Einsatz öffentlicher Mittel entsprachen.
Ich möchte mit allem Nachdruck Sie alle noch einmal auffordern, sich die Bemerkungen des Rechnungshofes und vor allen Dingen die Entscheidungen des Rechnungsprüfungsausschusses und des Haushaltsausschusses dazu gründlich anzusehen und mit dazu beizutragen, daß die Punkte, die vom Rechnungshof kritisiert worden sind, alsbald Beachtung finden.
Wir sind dem Bundesrechnungshof, meine Damen und Herren, sehr dankbar dafür, daß er neben der filigranen Detailarbeit zu den Ausgaben vieler Einzel- und Wirtschaftspläne auch kritische Anmerkungen zur Finanzwirtschaft des Bundes allgemein gemacht hat. Der Bundesrechnungshof weist mit Recht darauf hin, daß er zuletzt mit seinen Bemerkungen vom 11. Oktober 1985 auf die sich aus den steigenden Ausgaben für Zinsen ergebenden Probleme bei der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes aufmerksam gemacht hat. Der Bundesrechnungshof warnt vor einer Entwicklung, bei der die Zinsausgaben des Bundes nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zu den Gesamtausgaben und zu den Steuereinnahmen deutlich ansteigen und 1990 noch über dem Stand des Jahres 1985 liegen werden.
Kritisch bemerkt der Rechnungshof, daß bei Würdigung der Höhe der Kreditaufnahme 1983 nicht unberücksichtigt bleiben darf, daß die Senkung des Kreditbedarfes zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auf die Gewinnabführung der Deutschen Bundesbank zurückzuführen ist und daß diese Einnahmegröße unwägbar ist.
Alles in allem, meine Damen und Herren, darf ich als Jahresberichterstatter für diesen Ausschuß feststellen, daß der Bundesrechnungshof gute Arbeit geleistet hat.
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Dem Bundesrechnungshof und seinem Präsidenten, Dr. Zavelberg, und dem Vizepräsidenten Heuer gilt unser aller Dank für die engagierte Art und Weise, wie die Aufgabe in enger Kooperation mit dem Parlament gelöst worden ist. Der Dank gilt auch den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Bundesrechnungshofes. Ich
bitte die anwesenden Damen und Herren, dies ihren Mitarbeitern zu übermitteln,
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die einen erheblichen Anteil am Erfolg unserer Arbeit haben. Wir ermuntern den Bundesrechnungshof, in dieser Weise fortzufahren, als Partner des Parlaments und im Interesse unserer Bürger.
Der Haushaltsausschuß empfiehlt Entlastung der Bundesregierung durch Annahme der Beschlußempfehlung und ersucht die Bundesregierung, den Feststellungen und Bemerkungen des Haushaltsausschusses zukünftig Rechnung zu tragen.
Danke schön.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schroeder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann dem Kollegen Sieler nur beipflichten, daß im Rechnungsprüfungsausschuß in kollegialer und kooperativer Weise um der Sache willen zusammengearbeitet wurde. Der Bundesrechnungshof ist nicht nur ein Schwert gegen die Steuerverschwendung, sondern auch ein Garant für die Gleichmäßigkeit der Besteuerung in unserem Lande.
Bei den Feststellungen des Bundesrechnungshofes nimmt die Beachtung sparsamer Haushaltsführung durch Bundesverwaltungen, also die Prüfung der Ausgabenseite, einen breiten Raum ein. Gleichen Stellenwert hat jedoch auch die Beachtung der Grundsätze gleichmäßiger Besteuerung. In allen Jahren hat hier der Rechnungshof beachtliche Feststellungen geliefert, die zu lebhaften Erörterungen im Ausschuß und auch hier im Plenum geführt haben. Ich darf nur daran erinnern, daß im letzten Jahr fast die gesamte Entlastungsdebatte mit dem Thema der Erfassung privater Zinseinkünfte, also der Quellenbesteuerung, bestritten wurde. Ein anderes Thema war die Erfassung der Jahreswagen. Wir werden es vielleicht in einer anderen Weise hier wieder auf den Tisch bekommen. Ein weiterer Punkt war die Verzerrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch völlig unterschiedliche Betriebsprüfungsturnusse in einzelnen Bundesländern, insbesondere bei Großbanken. Hier sind einige Dauerthemen.
Auch in diesem Jahre sind dem Rechnungsprüfungsausschuß Feststellungen vorgelegt worden, wo hohe Steuerausfälle eingetreten sind. Ich erwähne hier die Besteuerung der Selbstnutzung aufwendig gebauter Zweifamilienhäuser. Hier sind in einzelnen Bundesländern auf Grund völlig unterschiedlicher pauschaler Regelungen der Oberfinanzdirektionen horrende Abweichungen in den Festsetzungen der Eigenmietwerte festgestellt worden. Eigenmietwerte häufig unter dem Wert der fremdvermieteten Wohnung oder teilweise sogar unter den Mietpreisen des sozialen Wohnungsbaus sind nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes keine Seltenheit. Mietwerte für eigengenutzte Wohnungen zwischen
Dr. Schroeder ({0})
2,60 DM und 4 DM in Millionenvillen sind unhaltbar.
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Es war der einheitliche Wille des Rechnungsprüfungsausschusses, daß das Bundesfinanzministerium im Benehmen mit den Länderfinanzministern dafür Sorge trägt, daß hier die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewahrt wird. Meine Fraktion erwartet, daß hier endlich Klarheit geschaffen wird, nachdem dieses Problem schon im Jahre 1983 vom Bundesrechnungshof aufgegriffen worden ist. Das darf nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden.
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Ich komme auf einen weiteren Aufgriff des Bundesrechnungshofs: Kostenanteil für die Privatnutzung betrieblicher oder beruflich genutzter Pkw. Auch hier ergeben sich ländermäßig erhebliche Abweichungen bei der Erfassung des Privatanteils.
Meine Fraktion redet nicht einer kleinkarierten Pfennigfuchserei das Wort bei der Erfassung von betrieblich genutzten Pkw für den privaten Bereich, aber hier gibt es ebenfalls so krasse Unterschiede, daß man die Augen nicht verschließen kann. Privatanteile von lediglich 20 % bei Betriebs-Pkw liegen deutlich neben der Wirklichkeit, wenn der Freiberufler oder Gewerbetreibende nach der besonderen Art seiner Tätigkeit den Beruf am Ort und nicht im Umherziehen ausübt. Hier ist schon im Interesse der gleichmäßigen steuerlichen Behandlung von Pkw-Kosten der Arbeitnehmer der Grundsatz einer gleichmäßigen Besteuerung stärker zu beachten.
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Ein Lehrstück dafür, daß sich der Staat möglichst nicht als Unternehmer betätigen, sondern auf seine eigentlichen Aufgaben beschränken soll, zeigen Feststellungen des Bundesrechnungshofs in einem Fall, in dem eine bundeseigene Obergesellschaft die Anteilsmehrheit an einem Produktionsbetrieb erwarb, in dem über ein Jahrzehnt Verluste von Hunderten von Millionen DM erwirtschaftet wurden. Diese Verluste wurden auf Grund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages von der bundeseigenen Obergesellschaft übernommen. Ganz offensichtlich wegen der Übernahme der Verluste durch den Bundeshaushalt und der Zuführung von über 1,3 Milliarden DM im Laufe der Jahre an Eigenmitteln des Bundes unterblieb über 15 Jahre hinaus eine geeignete Sanierung und eine Verbesserung der Organisation der Geschäftsführung in dem betroffenen Unternehmen. Neben der Belastung des Bundeshaushalts mit weit über 1 Milliarde DM bedeutet diese Bundessubventionierung auch eine schwere Wettbewerbsverzerrung gegenüber der Konkurrenz und einen Verstoß gegen die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft.
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Schuster, bleib bei deinen Leisten, kann man hier dem Staat zurufen.
Auf besonderes Interesse ist bei den Beratungen des Rechnungsprüfungsausschusses auch die Feststellung des Rechnungshofs gestoßen, daß die Bundesbauverwaltung umfangreiche Bauwerke für Bundesinstitutionen errichtet, die häufig mit modernsten technischen Einrichtungen, rechnergestützten Meß und Regelanlagen und komplizierten raumlufttechnischen Anlagen ausgerüstet sind. Die späteren Nutzer stehen häufig solchen Apparaturen der modernen Technik völlig hilflos gegenüber. Hier gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, die der Bundesrechnungshof aufgelistet hat und die bei uns im Ausschuß beschäftigt haben.
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Herr Kollege Esters, Ihre Zwischenfrage wäre sicherlich für die Öffentlichkeit von Interesse gewesen. Ich darf Sie bitten, künftig ans Mikrophon zu gehen.
Sie ist möglicherweise nicht angekommen, Herr Präsident. Ich möchte hierzu sagen: Mit ist bekannt, daß es Beanstandungen gab.
Die Bauverwaltung muß die später nutzende Behörde bereits bei der Stellung von Bauanträgen frühzeitig fachlich beraten und auf möglichen zusätzlichen Personalbedarf und Folgekosten für neuartige technische Dienste hinweisen. Wir erwarten, daß die Zusammenarbeit zwischen Bauverwaltung und späteren Nutzern deutlich verbessert wird, um kostenträchtigen Leerlauf zu vermeiden.
In den Bereich der Bauverwaltung fallen auch Feststellungen zum experimentellen Wohnungsbau. Bundesfinanzierte Modellvorhaben zur Erforschung neuer Erkenntnisse im Wohnungswesen und Städtebau, insbesondere auf den Gebieten flächen- und energiesparende Baumethoden, kostengünstige Familienheime , Eigentumsmaßnahmen im sozialen Wohnungsbau und Maßnahmen der Gruppenselbsthilfe, sind grundsätzlich begrüßenswerte Objekte. Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofs ist die Bundesfinanzierung jedoch häufig nicht zielgerichtet auf Forschungsmethoden verwendet worden, die auf die allgemeine Baupraxis übertragen werden können, sondern lediglich zur Schließung von Finanzierungslücken. Außerdem wurde mehrfach absolut unzulänglich abgerechnet.
Es besteht der Eindruck, daß mit großzügig gewährten Bundesgeldern unverantwortlich umgegangen wurde. Mit öffentichen Geldern darf nicht ins Blaue hinein experimentiert werden, und Spielwiesen für Architekten können damit auch nicht finanziert werden.
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Eine Fundgrube für Prüfungsfeststellungen ist auch der weite Bereich des Bundesministers der Verteidi2102
Dr. Schroeder ({1})
gung. Ein großer Beschaffungshaushalt verleitet gelegentlich zu Großzügigkeiten bei der Beschaffung und zu einem Aufwand bei der Ausstattung von Bundeswehreinrichtungen, die nicht immer den Grundzügen sparsamer Haushaltsführung entsprechen.
Meine Fraktion erwartet, daß Beanstandungen des Rechnungsprüfungsausschusses in Zukunft nicht nur als Sonntagslektüre gelesen, sondern beim Umgang mit Steuergeldern auch beachtet werden.
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- Auch werktags, Herr Kollege Bötsch. - Denn die Behandlung der Jahresrechnung 1984 im Rahmen der Entlastungsdebatte ist kein Schnee von gestern. Der Bund der Steuerzahler darf keine Chance haben, Jahr für Jahr ein Schwarzbuch mit sich ständig wiederholenden konkreten Beispielen für öffentliche Verschwendung herauszugeben.
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Es steht außer Frage, daß ohne das ständige Damoklesschwert des Bundesrechnungshofes und auch der Landesrechnungshöfe die Zahl der Verstöße gravierender sein würde. Deshalb gilt mein Dank - weitere Ausführungen wird nachher der Kollege Deres machen der schwierigen und wertvollen Arbeit des Bundesrechnungshofes. Ich bedanke mich auch für die kooperative Arbeit im Rechnungsprüfungsausschuß, bei den Mitgliedern der Bundesregierung für Aufklärung und Mithilfe, vor allen Dingen aber beim Ausschußvorsitzenden, dem Kollegen Dr. Friedmann.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Vennegerts.
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Das habe ich noch nie getan. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
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Diese Behörde wird von den meisten als unangenehm empfunden. Sie schaut uns auf die Finger, sie prüft, sie mahnt, und sie stellt unbequeme Fragen.
So muß sich der Bundespostminister die Frage des Bundesrechnungshofes gefallen lassen, ob es denn im Rahmen der Beschaffung des Fernmeldesatellitensystems „Kopernikus", dessen überhöhte Kosten Minister Schwarz-Schilling mit technologie- und beschäftigungspolitischen Vorteilen zu rechtfertigen versucht, Aufgabe der Deutschen Bundespost sei, industrie-, technologie- und beschäftigungspolitische Maßnahmen größeren Umfanges zu finanzieren. Diese Frage wurde gestellt. - Denn eine entsprechende Kostenerstattung wurde mit den eigentlich für diese Aufgaben zuständigen Bundesressorts nicht vereinbart.
Aber hier stellt sich schon die Frage nach den Grenzen der Tätigkeit des Bundesrechnungshofes. Rügt er
Vorgänge, die administrativ und politisch schon abgeschlossen sind, so bekennt man eilfertig Reue und die gute Absicht, sich in der Zukunft zu bessern, was in den meisten Fällen aber nicht geschieht. Das sind die Tatsachen.
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Legt er hingegen Widerspruch gegen ein laufendes oder zukünftiges Projekt ein, so setzt sich der jeweilige Minister in fast 100 % der Fälle unbeirrt dagegen durch. Ich möchte hier nur an die Begutachtung der Breitbandverkabelung durch den Bundesrechnungshof erinnern, der hier seinerzeit eine horrende Verschwendung von Steuergeldern bestätigt hatte. Trotzdem wird daran weitergewurschtelt.
Ich möchte an dieser Stelle nur auf folgendes hinweisen: Je weniger die politisch Verantwortlichen sich die Kritik und die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes zu eigen machen, je weniger sie diese Behörde ernst nehmen, desto mehr höhlen sie diese Funktion der Behörde im Rahmen staatlicher Gewaltenteilung aus,
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um so geringer wird das Interesse der Öffentlichkeit an seiner Arbeit, um so weniger wird der Bundesrechnungshof selbst ermutigt - das ist nämlich ganz wichtig: selbst ermutigt -,
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auch präventiv angelegte Prüfungsaufträge durchzuführen, also nicht nur dann in Aktion zu treten, wenn das Kind gewissermaßen schon in den Brunnen gefallen ist. Dann kann der Rechnungsprüfungsausschuß des Parlaments erst Stellung nehmen, wenn bereits einige Jahre vergangen sind und die Verantwortlichen entweder schon befördert oder im Ruhestand sind.
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Es gäbe in der Tat eine ganze Reihe lohnenswerter Prüfungsprojekte, die uns entweder noch ins Haus stehen oder aber gegenwärtig schon kräftig schieflaufen.
Als erstes denke ich da an das Raumfahrt-Traumprojekt des Herrn Ministers Riesenhuber, das uns, obwohl die Hälfte des Programms vor einigen Tagen gestrichen wurde, noch immer ca. 30 Milliarden DM kosten soll. Das wäre ein dankbares Objekt für eine Kosten-Nutzen-Analyse. Ich denke, da sollte man einmal anfangen.
Auch im Falle des Desasterprojekts Gorleben wäre es jenseits der Frage der gesellschaftlichen Verantwortbarkeit interessant zu untersuchen, inwieweit hier den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit entsprochen wird, so wie sie in § 7 der Bundeshaushaltsordnung festgelegt sind. Sowohl in der Theorie als auch in der jüngsten Praxis hat sich erwiesen, daß das ursprüngliche Ziel eines dauerhaft sicheren Endlagers nie erreicht werden wird, denn es fehlt sowohl das undurchlässige Deckgebirge als auch das wasserundurchlässige Salz.
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Trotzdem werden die Erkundung und die Arbeiten fortgesetzt, und dabei riskiert man Menschenleben. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Finanzaufwand von nahezu 1 Milliarde DM.
Es ließen sich noch viele Beispiele dieser Art aufzeigen. Ich denke, der Bundesrechnungshof sollte künftig in erheblich größerem Maße als bisher zur Prüfung laufender statt abgeschlossener Vorgänge eingesetzt werden.
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Er sollte ferner - dies als Anregung von seiten der GRÜNEN - vielleicht ab und an auch einmal die finanziellen Auswirkungen unterlassener Investitionen untersuchen.
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Jede Unterlassung im Umweltbereich, z. B. beim Waldsterben, wird zu Belastungen künftiger Bundeshaushalte in Milliardenhöhe führen.
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Rein rechnerisch und von der Seriosität des Haushalts her gesehen hatten wir 1984 - im Vergleich zu heute - noch relativ geordnete Verhältnisse, meine Damen und Herren. Die veranschlagte Nettokreditaufnahme in Höhe von rund 31,2 Milliarden DM wurde im Jahre 1984 in Höhe von rund 28,3 Milliarden DM in Ansprch genommen. Drei Jahre später, nämlich hier und heute, knobelt die Regierung immer noch herum, wie sie den Fehlbetrag von 19 Milliarden DM decken soll. Die geplante Nettokreditaufnahme für das Jahr 1987 ist schon jetzt um 7 Milliarden DM höher als vorgesehen. Es darf noch spektuliert werden, wie hoch die Verschuldung und damit auch die erhöhte Zinsbelastung am Jahresende sein werden.
Der Präsident des Bundesrechnungshofes hat dem Minister Stoltenberg geholfen, als er vor dem Finanzausschuß alle unzureichend ausgeschöpften Einnahmequellen des Staates aufzählte, z. B. die bisher kaum kontrollierte Besteuerung der Zinsen.
Allerdings, meine Damen und Herren, ein befürchtetes Entgleisen des Bundeshaushalts 1988 kann auch der Bundesrechnungshof nicht verhindern, hat er doch keinen Einfluß auf politische Entscheidungen.
Ich bin der Meinung, daß die Arbeit des Bundesrechnungshofes nicht erschwert werden darf, im Gegenteil. Deshalb halte ich es trotz des von Minister Stoltenberg verordneten Sparkurses für unverantwortlich, daß die anderen Fraktionen - außer den GRÜNEN - die im Haushaltsjahr 1988 für die Begleichung von Telefongebühren benötigten Mittel für den Bundesrechnungshof gekürzt haben. Das fand ich überhaupt nicht nett von Ihnen. Ein starker, leistungsfähiger Bundesrechnungshof kann nur zum Nutzen des Parlaments und der Regierung sein.
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Das Wort hat der Abgeordnete Zywietz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einem Bonmot, das mir zu Ohren kam, zufolge bleibt in Bonn - vielleicht müßte ich aus aktuellem Anlaß sagen: auch in Kiel - nichts geheim, außer einem Plenarbeitrag am Freitag um die Mittagszeit. Es ist erfreulich, daß dem offensichtlich nicht ganz so ist.
Die Sache, die wir hier zu behandeln haben, ist ja auch nicht unangenehm. Es geht ja um Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1984, um keine Belastung jedweder Art. Es geht - vom Volumen her gesehen - um recht wichtige Dinge, nämlich um die Entlastung hinsichtlich eines Etats in der Größenordnung von 250 Milliarden DM. Es geht auch um Grundlagen, die wir in den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes geboten bekommen, wie wir die Wirtschaftlichkeit im Gesamtbereich des Verwaltungskörpers und damit im Umgang mit den Steuergeldern der Bürger verbessern können.
Das Ganze wird ja in einer Weise dargeboten, die ich eigentlich als sehr interessant empfinde, interessant deshalb, weil uns auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes die Möglichkeit gegeben ist, uns mit dem politischen oder mit dem verwaltungsmäßigen Innenleben der Bundesrepublik zu beschäftigen. Das ist in der Tat eine spannende Lektüre. Würde das in Buchform erscheinen und als Taschenbuch auf der zur Zeit gerade laufenden Buchmesse angeboten werden, so könnte ich mir denken, daß das ein Renner werden könnte. Viele würden sich wundern, wieviel Interessantes in diesem Bericht festzustellen ist, wenn man unser staatliches Gefüge quasi aus der Innenansicht in sich aufnimmt.
Die Sache verdient also, so meine ich, in mehrfacher Beziehung unsere Aufmerksamkeit. Einmal geht es darum, mit Hilfe des Berichts des Bundesrechnungshofs, bei der Durcharbeitung des Berichtes im Rechnungsprüfungsausschuß die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsführung festzustellen. Das ist ja nicht unwichtig. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, sagt der Volksmund.
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Zweitens geht es darum, den wirtschaftlichen Umgang mit Steuergeldern, so gut er auch immer sein mag, weiter zu verbessern. Was gut ist, hat meistens auch in sich noch die Möglichkeit, ein Stück besser gemacht zu werden. Diese Wirtschaftlichkeit der Verwaltung ist uns ein gewichtiges Anliegen. All das kann nur vor dem Hintergrund der guten Vor- und Zuarbeit des Bundesrechnungshofes geschehen. Ihm an dieser Stelle zu danken ist mir wirklich aus Überzeugung ein sehr herzliches Anliegen.
({1})
Es gibt vielfältige Hinweise auf Verbesserungen in der Zukunft. Es ist der entscheidende Punkt, die Vergangenheit nicht nur abzuhaken, sondern konstruktive Schlüsse daraus zu ziehen und Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Gestatten Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, nur einen ganz kurzen Anriß eines Grobvergleiches auch mit Arbeitsmethoden und -abläufen aus der Wirtschaft zu geben. Ich weiß sehr wohl - vielleicht kommt dieser Einwand - , das ist nicht so einfach vergleichbar. Das ist schon richtig. Ich
hatte das Vergnügen, mich - bis zum Frühjahr - in den letzten vier Jahren im Bereich der sogenannten freien Wirtschaft zu bewegen, auch in dem Bereich der Finanzkontrolle, der hier angesprochen ist. Es gibt doch ein paar Augenfälligkeiten. In einem Unternehmen wird der Jahresabschluß - das ist eine sehr heiße Zeit - um die Jahreswende aufgestellt, und unternehmensintern wird das Ergebnis im Januar/ Februar festgestellt. Die mit der Wirtschaftsprüfung beauftragten Gesellschaften sind im Herbst schon sehr heiß dabei, parallel mitzuarbeiten, und nach meinen Erfahrungen ist, wenn wir hier z. B. einen Abschluß für 1984 vor Augen haben, Ostern 1985 das Grundgerippe eines Wirtschaftsprüfungsberichtsetats für die Geschäftsführung eines Unternehmens, einer GmbH oder Aktiengesellschaft, da, und spätestens im Sommer des Jahres findet die Gesellschafterversammlung und damit die Entlastung der Geschäftsführung statt. Für das, was dort also in einem halben Jahr läuft - zugegeben unter einigen anderen Aspekten - , brauchen wir zweieinhalb Jahre.
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- Richtig. Aber wir brauchen zweieinhalb Jahre, und das ist auch bei allem berechtigten Lob für den Rechnungshof, auch für unsere eigene Arbeit, immer noch ein Grund, darüber nachzudenken, wie wir zumindest die Entlastung zeitnäher gestalten können. Es mag manchen längergedienten Experten hierzu geben. Vielleicht wäre eine gewisse Trennung gut: Was für die Entlastung eines Haushaltes nötig ist, sollte stärker von dem getrennt werden, was man für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung in Kontinuität sicherlich zu erledigen hat.
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Wir sind sozusagen in dem Marathon eines Haushaltszyklus, der alles in allem vier Jahre in Anspruch nimmt, also den Zeitraum einer ganzen Legislaturperiode: Von 1984, vorbereitet im Jahre 1983 mit dem Beschluß des Haushaltes, bis zum Abschluß im Herbst 1987. Das ergibt im Grunde genommen eine Planungsabwicklung und einen Entlastungszeitraum von vier Jahren. Ich glaube, daß dieser Zeitraum ein wenig zu lang ist. Es erscheint mir schon der Mühe der Edlen wert, darüber nachzudenken.
Ich glaube, hier muß angesetzt werden; denn ich halte es auch nicht für gut, daß beispielsweise diese Beratung über die Bemerkungen 1986 und die Entlastung für 1984 sozusagen in der Öffentlichkeit von der Darlegung und der Veröffentlichung des Berichts 1987 überholt wird. Hier findet geradezu eine gewisse Überlappung und Überrollung statt.
Wir haben uns bei der Novellierung des Gesetzes für den Bundesrechnungshof dafür eingesetzt, den Präsidenten auf Vorschlag des Parlaments zu wählen, was nicht Gesetz geworden ist. Aber er sollte immerhin durch das Parlament gewählt werden. Wir hätten auch gerne gewollt, daß er hier einen Bericht gibt. Wenn das aber schon hier nicht geschieht, muß nicht unbedingt der Substitut die Pressekonferenz sein. Ich könnte mir einen Bericht vor dem Haushaltsausschuß vor der Veröffentlichung des schriftlichen Berichts durchaus als eine adäquate Vorgehensweise vorstellen - wenn nicht vor dem Plenum, dann vor dem Haushaltsausschuß. Man sollte nicht das Plenum durch die Presse ersetzen, damit wir als Haushälter dann nicht aus den Medien entnehmen müssen, womit wir uns eigentlich vorrangig zu beschäftigen hätten.
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Ich bin offen genug, um eine Sache, die mir - wenn ich so sagen darf - als „neuem Alten" durch den Kopf ging, hier etwas ungeschützt für die weitere Erörterung anzubieten. Denn es muß uns bei diesen Berichten und der Entlastung darum gehen - das scheint mir wichtig zu sein - , den Rechnungshof noch stärker - ich betone „noch", denn stark ist er schon - zum sichtbaren Partner des Parlaments zu machen. Durch eine solche Berichterstattung im Haushaltsausschuß und zusätzlich durch die eine oder andere Sache wäre noch besser sichtbar zu machen, daß er die Hilfseinrichtung für die Verwaltungskontrolle des Parlaments ist. Das mag sogar so weit gehen, daß man auch in unserem Haushaltsausschuß einmal über die Sitzordnung nachdenken sollte. Die Exekutive mit ihren Beamten ist neben dem Vorsitzenden plaziert, der Rechnungshof sitzt ein bißchen zu sehr am Katzentisch. Ihn aus dieser Hintergrundrolle auch optisch ein bißchen mehr in den Vordergrund zu rücken schiene mir ein kleines Zeichen dafür zu sein, wie wir die Arbeit inhaltlich und auch optisch strukturell einordnen.
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An einem besteht kein Zweifel: Diese Arbeit ist die wichtigste Grundlage für unsere Entlastungs- und Kontrollarbeit. Das soll auch gewürdigt und sichtbar gemacht werden.
Ich möchte noch einmal betonen: Ich bin voller Respekt für den Rechnungshof.
Ich möchte eine weitere Anmerkung machen.
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- Sehr gut. Nicht nur wegen des Zwischenrufes, Herr Kollege Friedmann, sondern auch, weil ich Ihre Lenkung der Arbeit im Rechnungsprüfungsausschuß wirklich mit Bewunderung verfolgt habe, möchte ich nicht nur dem Bundesrechnungshof, sondern auch dem Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses danken.
({7})
Viel Zeit habe ich nicht mehr, doch einen Punkt möchte ich noch erwähnen. Wir sprechen von Bemerkungen des Rechnungshofes. Aus den Gesprächen mit dem Rechnungshof ist mir deutlich geworden, daß die Arbeit sehr viel umfänglicher ist, als sie sich in diesen Bemerkungen ausdrückt. Es ist schwer nachzuvollziehen, nach welchen Kriterien diese Bemerkungen ausgewählt worden sind. Man sollte auch darüber nachdenken, aus den Bemerkungen so etwas wie einen Jahresbericht zu machen. Jedem, der den
vorliegenden Bericht durchblättert, fällt auf, daß er Bemerkungen über die Einzelpläne der meisten Ministerien enthält, aber z. B. keine Bemerkungen über den Bundestag, das Kanzleramt und den Bundesrat. Ich frage mich: Ist da nichts zu bemerken? Es ist also eine gewisse Auswahl getroffen. So weit, so gut. Die Finanzkontrolle konzeptioneller noch etwas zu verdichten scheint mir ebenfalls wichtig zu sein.
Das rote Licht leuchtet. Ich hatte mir noch vorgenommen, die Fallgruppen und die Einzelfälle, aus denen wir lernen können, aus meiner Sicht etwas anzureichern. Das muß ich mir hier versagen. Von den Kolleginnen und Kollegen ist dazu schon einiges dargelegt worden. Ich erwähne nur drei Stichworte. Wir bringen zur Kenntnis, und wir machen sichtbar, wo Dinge nicht ganz in Ordnung sind oder wo sie zu verbessern sind. Aber die Konsequenz aus dieser Kenntnisnahme, der Brückenschlag zur Verbesserung ist, glaube ich, noch nicht ganz vollzogen. Ich weiß als Nichtjurist, daß es Stichworte wie Haftung und Staatshaftung gibt. Auf Anfrage ist mir aber vom Wissenschaftlichen Dienst gesagt worden: Ja, das gibt es im Grundsatz. Wenn man fragt, was das in der Praxis heißt, hört man: In der Praxis findet das kaum oder gar nicht statt. - Das ist eine nicht voll zufriedenstellende Schlußfolgerung aus der Fülle der berechtigten Anmerkungen, die wir zur Kenntnis nehmen.
Ich habe auch festgestellt, daß eine bestimmte Aktionslinie verstärkt werden muß. Ich denke etwa an Umplanungen von Grundstücken - von Aktiva würde man wirtschaftlich sprechen -, wenn gekaufte Teilflächen für Straßenplanungen oder andere Zwecke, die dann geändert werden, nicht mehr benötigt werden. In solchen Fällen wird dann festgestellt: Wir brauchen die Grundstücke nicht mehr für diesen Zweck. Dann muß auch in diesem Bereich so etwas wie eine Privatisierungswelle stattfinden, um sich von Aktiva zu trennen, die für einen anderen Zweck gedacht waren, als sich im nachhinein dargestellt hat.
Ich möchte es bei diesen Anmerkungen bewenden lassen. Ich möchte dem Rechnungshof noch einmal Dank sagen für diese Zuarbeit und für die Grundlagen zu Hinweisen, die ich auf der einen oder anderen Seite zur Fortentwicklung und zur Fortschreibung gegeben zu haben glaube.
Ich stelle den Antrag auf Entlastung. Ich wünsche mir auch in Zukunft den Bundesrechnungshof als einen selbstbewußten Mahner und Partner an der Seite des Parlaments, um die Ordnungsmäßigkeit und - immer stärker werdend - vor allem auch die Wirtschaftlichkeit, die ökonomische Sinnhaftigkeit des Verwaltungshandelns zu kontrollieren und zu verbessern.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kühbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht einmal das schlechte Gewissen treibt die Regierung hier ins Haus. Daß Staatssekretär
Voss vom Finanzministerium die ganzen Prügel abbekommt, geschieht ihm vielleicht auch recht;
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denn er hätte ja dafür sorgen können, daß seine Kollegen, die diese Prügel hätten abbekommen müssen, hier anwesend sind.
Ich will mich zu zwei Punkten äußern, die die Haushaltsführung im Verteidigungsbereich betreffen. Wenn man in die umfangreichen Unterlagen schaut, stellt man fest, daß im Verteidigungsbereich offensichtlich der Überfluß an Geld zu Übermut führt, zu Planungsvorhaben, von denen der Kollege Friedmann zum Schluß unserer Beratungen über den Verteidigungsbereich festgestellt hat: Es sind 700 Millionen DM in den Sand gesetzt worden.
Ich will das an zwei Punkten deutlich machen, bei denen, glaube ich, im vorhinein Kontrolle und Mitwirkung des Rechnungshofs bis hinein in die Rüstungsfirmen angebracht gewesen wären.
Man hat im Verteidigungsbereich beispielsweise Überlegungen angestellt, ein Landesystem nationaler Art für 88 Flugplätze sowie zehn Flugzeugsysteme anzuschaffen.
Mitten im Planungsverfahren stellte man fest, daß das ja nicht mit der NATO konform entwickelt sei. Dann hat man zu reduzieren begonnen, soweit es noch zu reduzieren war. Heute stellen wir fest: Dieses Landesystem ist an 12 Flugplätzen installiert, in zwei Flugzeugsystemen implantiert, wird aber bis heute nicht genutzt.
Der Rechnungshof kommt zu dem Schluß: Mindestens 300 Millionen DM sind umsonst verausgabt worden, und wir sind immer noch dabei, innerhalb der NATO konzeptionell ein durchgängiges System zu entwickeln, das vielleicht im Jahre 1995 und dann wahrscheinlich für alle Flugführungssysteme greifen wird.
Im Verteidigungsbereich wird in einer Brigade von einem Oberinspektor eifersüchtig darüber gewacht und genau darüber Buch geführt, ob denn nicht zuviel an Briefpapierkosten, an Portokosten, an anderen Kleinstausgaben entsteht, aber von den militärischen Planern werden, weil eben nicht entsprechend koordiniert und kontrolliert wird, 300 Millionen DM buchstäblich umsonst ausgegeben, also verschleudert.
Etwas anderes ist, wie der Rechnungshof festgestellt hat, bei der Beschaffung von U-Booten passiert. Es handelt sich um eine Ausgabe, die, wenn ich es richtig addiert habe, in die Milliarden geht.
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Bei der ersten Überprüfung der zugelaufenen U-Boote stellte man fest, daß die Zusammenarbeit zwischen Schiff und Waffensystem nicht gewährleistet war. Man mußte bereits bei der Inbetriebnahme der ersten U-Boote an die nächste Kampfwertsteigerung herangehen. Es ist also festzustellen, daß wir ein großes Waffensystem angeschafft haben, das nachgerüstet werden mußte, damit es seine Aufgabe erfüllen kann.
Da aber im Haushalt Finanzenge herrschte, wurden von den 18 vorhandenen U-Booten nur 12 nachgerüstet, so daß wir die Situation haben, daß eigentlich sechs U-Boote untauglich - bezogen auf die Aufgabenstellung - in der Nordsee herumschwimmen.
Bei der Nachrüstung der 12 U-Boote wiederum stellte man fest - das hat der Rechnungshof herauskristallisiert -, daß man für den Einbau der Waffensysteme in einem Jahr offensichtlich zuviel Geld hatte. Das hat dann dazu geführt, daß man, ohne daß von den Nachrüstungsfirmen Leistungen erbracht wurden, über 30 % Vorauszahlungen getätigt hat. Das geschah, ohne daß auch nur eine Dienstleistung erbracht bzw. eine Hardware erstellt war. Es wurde also vom Konto Verteidigungsministerium auf das Konto Privatfirma Geld übertragen, nur weil der Jahresschluß drohte.
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- Ja, das kann man auch als Werftenhilfe bezeichnen. Die Firmen waren offensichtlich aber noch nicht pleite.
Ich will darauf hinweisen, daß man offenbar dort im Verteidigungsbereich, wo es um Millionenbeträge geht, sehr großzügig mit den Geldern umzugehen bereit ist. Das muß die Regierung doch nachdenklich in der Hinsicht machen, daß wir heute um so kritischer in Großprojekte hineinzuleuchten haben.
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Man soll auch einmal etwas Positives sagen. Ich bedanke mich bei den vielen Beamten in der Bundeswehrverwaltung und im Bundeswehrbereich, die penibel auf den Pfennig gucken. Ich bedanke mich überhaupt nicht bei den Militärs, die , je höher ihre Ränge sind, um so großzügiger mit komplexen Waffensystemen und Ausgaben umzugehen bereit sind.
Eine Schlußbemerkung: Wer sich an die im vergangenen Jahr an dieser Stelle teilweise erbitterte Diskussion über die Frage, ob wir nun die Zinsen an der Quelle besteuern sollen oder mit Kontrollmitteilungen arbeiten sollen, erinnert, der wird angesichts der Information, die ich hier vorliegen habe, Herr Kollege Deres, heute feststellen müssen, daß ich wohl doch recht gehabt habe, daß dies eine erhebliche Einnahmequelle für den Bund sein dürfte. Ich wollte Ihnen das nicht noch einmal vorhalten, was von Ihrer Seite zur Stützung der Bundesregierung hier an Abwehrfront aufgebaut worden ist. Aber wenn es hilft, daß man nach einem Jahr zu einem gemeinsamen Ergebnis kommt, Herr Kollege Voss, dann wünsche ich mir, daß wir bei den 2,4 Millionen Selbständigen und deren privat genutzten Kraftfahrzeugen - Herr Kollege Schröer hat dazu schon etwas gesagt - zum gleichen Ergebnis kommen und, wie ich vermute, zu Steuergerechtigkeit und Steuermehreinnahmen von über 2 Milliarden DM. Vielleicht ist Ihr Haus ähnlich hilfreich bei der Frage der Erschließung von Steuern, die dem Bund, den Ländern und Gemeinden zustehen, und nicht großzügig im Verzicht, so wie es offensichtlich die Maxime des Hauses Stoltenberg ist, wenn bei den Kleinen penibelst zugegriffen, aber dann, wenn es um Großbeträge geht, großzügig darüber hinweggesehen wird.
In diesem Sinne und trotz allem wird die SPD der Entlastung der Bundesregierung zustimmen. Aber, Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn in Zukunft diejenigen, die ein schlechtes Gewissen haben müßten, hier zumindest am Tisch säßen.
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Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Herrn Dr. Voss.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kühbacher, um auf die Prügel einzugehen, die Sie zu Beginn Ihrer Ausführungen hier angesprochen haben: Da halte ich es mit dem Sachsenspiegel, der, wenn ich recht informiert bin, ja aus Ihrem Lande kommt und in dem es heißt: Wen es trifft, den trägt's.
Im übrigen bin ich der Meinung, daß die Bundesregierung im Haushaltsjahr 1984, über das wir hier debattieren, ihre Pflicht getan hat und daß mir Kritik in dem Maße, wie Sie es angesprochen haben, Herr Kollege Kühbacher, nicht gerechtfertigt erscheint.
Wenn sich in diesen Tagen und Wochen, meine Damen und Herren, der Haushaltsausschuß mit der Aufstellung des Bundeshaushaltes 1988 und auch mit dem Finanzplan bis 1991 befaßt und dann heute dieser Bundestag über die Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1984 beschließt, dann wird daraus deutlich, welch langen Zeitraum Haushaltspolitiker im Blick haben müssen. Von der mittelfristigen Planung bis zur abschließenden Entlastung der Exekutive vergehen zur Zeit volle acht Jahre oder zwei Legislaturperioden - vier Jahre in die Zukunft und vier Jahre in die Vergangenheit. Sie, Herr Kollege Zywietz, haben das eben hier angesprochen. Ich meine auch, daß dieser Zeitraum sehr lang ist.
Ich darf Ihnen sagen, daß wir mit gutem Erfolg dabei sind, ein automatisches Buchungssystem aufzubauen. Dadurch werden wir in der Lage sein, die Zeiträume erheblich zu verkürzen. Das würde etwa heißen, daß wir zur Vorlage bereits im Frühjahr des kommenden Jahres statt - wie jetzt - am Ende des Jahres in der Lage wären. Ich meine, dadurch wird Zeit eingespart und alles etwas zeitnäher. Das kann dem Verfahren nur dienlich sein.
Überwiegend Vergangenheit ist inzwischen bereits der Haushalt 1987, dessen bisheriges Ergebnis wir bei der Beratung über den Haushalt 1988 natürlich berücksichtigen. Vergangenheit ist auch das Haushaltsjahr 1986, für das wir die aufbereitete Rechnungslegung in wenigen Wochen veröffentlichen können. Für das Haushaltsjahr 1985 hat der Bundesrechnungshof Anfang dieser Woche seine Bemerkungen als Grundlage für das parlamentarische Kontrollverfahren vorgelegt.
Für das Haushaltsjahr 1984 soll heute ein politischer Schlußstrich gezogen werden, wobei gewonnene Erfahrungen, meine Damen und Herren Kollegen, und Erkenntnisse natürlich weiter verfolgt werParl. Staatssekretär Dr. Voss
den müssen. Der Kollege Sieler hat eben bereits das Beispiel der Ermittlung des Personalbedarfs der Bundesanstalt für Arbeit angesprochen. Aus Zeitgründen will ich hier nicht auf weitere Beispiele eingehen.
Lassen Sie mich nur noch sagen, der Bundeshaushalt 1984 war der erste Haushalt, den die jetzige Koalition mit jedem der 7 000 Einzeltitel von der Pike auf eigenverantwortlich aufgestellt und durchgeführt hat. Für den Haushalt 1983 hatten wir, wie Sie ja wissen, noch einen Entwurf, der allerdings in wesentlichen Bereichen durch die Ereignisse überholt und von daher nur begrenzt verwendungsfähig war.
Finanzpolitisch war der Haushalt 1984 ein voller Erfolg. Die Steigerungsrate der Ausgaben lag mit 2 weit unter der Zunahme des nominalen Bruttosozialprodukts von 5,3 %. Dies war nicht immer so, meine Damen und Herren. Sie wissen, daß zu Zeiten Ihrer Regierung zuweilen das Gegenteil der Fall war.
Die Nettokreditaufnahme blieb mit 28,3 Milliarden DM deutlich hinter dem Vorjahresergebnis von 31,5 Milliarden DM und noch deutlicher hinter dem Haushaltssoll von 33,6 Milliarden DM zurück. Dies war nicht zuletzt ein Erfolg sparsamer Haushaltswirtschaft von Regierung und Verwaltung.
Ich erwähne die Sparsamkeit der Verwaltung aus zwei Gründen, meine Damen und Herren. Zum einen möchte ich die vielen tausend öffentlichen Bediensteten, die im Rahmen der parlamentarischen Ermächtigungen im Einzelfall über das Geld des Steuerzahlers verfügen, ausdrücklich ermuntern, im pflichtgemäßen Bemühen um Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht nachzulassen.
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Zum anderen möchte ich einem Eindruck entgegentreten, der in der Öffentlichkeit durch eine manchmal etwas zu pointierte und zu knappe Berichterstattung der Medien über die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes entstehen kann. Unsere öffentliche Verwaltung geht - von Ausnahmen natürlich abgesehen - nicht leichtfertig, sondern ordnungsgemäß und sparsam mit dem Geld des Steuerzahlers um.
Ich weiß mich in dieser Einschätzung in voller Übereinstimmung mit dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes. Alle ausländischen Beobachter, die sich über das deutsche Haushaltssystem informieren, sind von der Verläßlichkeit und dem Verantwortungsbewußtsein der öffentlichen Bediensteten und der Effektivität der öffentlichen Verwaltung insgesamt beeindruckt.
Dennoch gibt es im Einzelfall auch bei uns Fehler und Versäumnisse im Haushaltsvollzug. Sie müssen unnachgiebig aufgedeckt und abgestellt werden, meine Damen und Herren.
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Vor dem Hintergrund dieses Erscheinungsbildes der öffentlichen Verwaltung hält die Bundesregierung die Schaffung neuer Straftatbestände nicht für geboten. Trotz der zahlreichen einzelnen Kritikpunkte verbleibt allgemein der Eindruck, daß ein subjektives Verschulden in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht vorliegt. Insbesondere prüfen auch die Ressorts in verstärktem Umfange Fragen des Regresses in den vorn Bundesrechnungshof aufgeworfenen Fällen. Die vorhandenen Möglichkeiten des Straf- und des Disziplinarrechts haben sich als ausreichend erwiesen.
Der Bundesrechnungshof ist eine leistungsfähige und leistungswillige Institution. Durch seine Präsenz und seinen intensiven Kontakt mit der Verwaltung hilft er, viele Fehler zu vermeiden. Wenn es sein muß, scheut er sich aber auch nicht, die kleinen und großen Sünden beim Namen zu nennen und dem Parlament vorzutragen.
Mit dem Haushaltsausschuß und seinem Rechnungsprüfungsausschuß hat der Deutsche Bundestag Gremien, die über die Parteigrenzen hinweg - das will ich ausdrücklich unterstreichen - mit Fleiß und Engagement der vorgetragenen Kritik nachgehen. Diese Gremien stellen sicher, daß die Bemerkungen des Rechnungshofes nicht als geduldiges Papier zu den Akten gehen, sondern die notwendigen Konsequenzen auslösen. Ich danke allen Kollegen der Ausschüsse und ihren Mitarbeitern ebenso wie dem Bundesrechnungshof für die deutliche, aber faire und konstruktive Kritik, die sie am Bundeshaushalt 1984 geübt haben.
Im Namen der Bundesregierung bitte ich das Hohe Haus um Entlastung für das Haushaltsjahr 1984.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Deres.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Später als gewohnt beraten wir in diesem Jahr diesen Bericht und auch spät am Freitag mittag. Ich sage das in unsere eigene Fraktion hinein: Ich möchte darum bitten, wenn schon der letzte Tagesordnungspunkt der Beratung der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes dient, dann sollte man nicht versuchen, einen zusätzlichen Punkt noch vor diese Beratung zu schieben. Das ist für uns Rechnungsprüfer unzumutbar, wenn wir an die Arbeit des ganzen Jahres denken. Wenn wir auch in diesem Jahr durch die Bundestagswahl usw. nicht viel Zeit hatten, so haben wir doch, meine ich, mit Fleiß an diesem Werk gearbeitet. Die Intensität der Beratungen hat darunter auch nicht gelitten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, einige Leitpunkte möchte ich hier noch einmal kurz anschneiden. Wir haben uns sehr viel Sorgen um die Frage der Personalbemessung gemacht. Wir wissen, in welchen Schwierigkeiten wir stecken. Wir wollen zu diesem Thema eines sagen: Wir wollen nicht nur die wirtschaftliche und kostengünstige Personallösung haben, sondern wir wollen auch menschliche und soziale Aspekte berücksichtigt sehen. Ich will einmal als Beispiel nennen, daß wir uns ja auch darüber verständigen konnten - gegebenenfalls natürlich unter Kostengesichtspunkten gesehen - , daß die Arbeit zum Menschen gebracht wird und nicht durch Konzentration die Arbeit immer weggeholt wird. Ich meine, daß wir auch das im Auge behalten sollten.
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Meine Damen und Herren, ich will einmal das Wort von der Bunkermentalität hier in den Raum stellen. Wenn gewisse Fragen vom Rechnungshof und vom Rechnungsprüfungsausschuß angesprochen werden, dann bitte ich die Häuser, Ämter und Anstalten darum, offen und ehrlich Antwort zu stehen. Erst dann wird eine Prüfung sinnvoll und effektiv.
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Wenn eine Bundesanstalt einen hohen Selbstverwaltungsanteil hat, dann sollte sie sich diesen Prüfungen nicht sperren, sondern sich ihnen öffnen, um die Sache so einfacher zu machen.
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Ich möchte auch einmal mit Blick auf viele Berichte in den Medien sagen: Wir fühlen uns nicht dafür zuständig, die Regierung und die Verwaltung pauschal schlechtzumachen. Was wir aber wollen, das sagen wir sehr deutlich: Wir wollen zunächst einmal Fehler aufdecken, den Sünder ertappen und den potentiellen Täter abschrecken. Das ist unsere Zielrichtung. Wir wollen dabei sehen, daß das Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit beachtet wird.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, gutes Geld soll man schlechtem nicht nachwerfen. Wenn Fehlprojekte laufen, der Rechnungshof davon erfährt und es sich abzeichnet, daß das Projekt nicht gelingen kann, dann muß auch der Mut zum Rigorosen vorhanden sein, gegebenenfalls ein Projekt zu stoppen und es nicht irgendwie zu Ende zu führen; denn es kann nicht sein, daß wir dauernd Geld nachpumpen, um das schlecht verwandte Geld irgendwie zu retten.
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Meine Damen und Herren, auch ein weiteres Thema ist uns sehr angelegen: Wir wollen darauf drängen, daß von der öffentlichen Hand mehr Wettbewerb beachtet wird. Das gilt auch für unsere Sondervermögen wie Bundespost und Bundesbahn. Wir haben wieder einige Beispiele in diesem Bericht. Ich bin der Meinung, daß Wettbewerb zu wirtschaftlichem Arbeiten, zu wirtschaftlichen Ergebnissen führt.
Mit Blick auf die Bautätigkeit, die das Parlament in den nächsten Monaten hier entwickeln wird, Herr Präsident, erlaube ich mir einmal darauf hinzuweisen, daß der Baubereich in jedem Prüfungsbericht angesprochen ist. Wenn ich also daran denke, daß wir uns hier demnächst vor großen Bauaufgaben und Bauvorhaben sehen, dann möchte ich heute leicht mahnend sagen: Hoffentlich finden wir uns als Parlament im Rechnungsprüfungsausschuß nicht mit groben Entwicklungen wieder. Hier sollte von vornherein darauf geachtet werden, daß wir ein gutes Beispiel abgeben.
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Meine Damen und Herren! Auch ich möchte abschließend sagen, daß wir dem Bundesrechnungshof, dem Herrn Präsidenten und seinen Mitarbeitern, für die gute Zusammenarbeit recht herzlich danken. Auch die Häuser haben kooperativ mitgetan. Sie haben sich natürlich auch gewehrt - das ist ihr gutes Recht - und ihre Meinung vertreten, aber wir sind im letzten über die Parteigrenzen hinweg doch immer zu guten Ergebnissen gekommen. So soll es im Rechnungsprüfungsausschuß auch bleiben. Ich wünsche uns für den nächsten Bericht wieder eine gute Zusammenarbeit.
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Meine Damen und Herren! Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung?
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Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen.
Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 9 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Buschbom, Eylmann, Geis, Helmrich, Hörster, Dr. Hüsch, Dr. Langner, Marschewski, Sauter ({1}), Seesing, Dr. Stark ({2}), Weiß ({3}), Dr. Wittmann und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Funke, Irmer, Kleinert ({4}) und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs
- Drucksache 11/898 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({5}) Finanzausschuß
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Beratung eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Langner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohe Steuerlast, komplizierte Gesetze, viele und lange Prozesse, Ärger für die Steuerpflichtigen und bei Finanzämtern und Finanzgerichten - wie kann man da Abhilfe schaffen?
Im Jahre 1975 wurde der Versuch gestartet, mit Hilfe eines Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs die bereits damals vorhandene Prozeßflut beim höchsten deutschen Gericht in Steuersachen einzudämmen. Dieses Entlastungsgesetz, das anfänglich auf fünf Jahre befristet war, wurde seitdem zweimal zeitlich verlängert und läuft jetzt erneut zum Ende des Jahres aus. Eine routinemäßige Verlängerung der Geltungsdauer des BFH-Entlastungsgesetzes ist nun aber keineswegs von den Koalitionsfraktionen mit diesem Antrag beabsichtigt. Vielmehr soll dies die letzte Überbrückungsmaßnahme sein vor einer durchgreifenden Reform des finanzgerichtlichen Verfahrens.
Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat im Juli einen Bericht vorgelegt, der neben einer Analyse der Situation in der Finanzgerichtsbarkeit Vorschläge für eine neue Finanzgerichtsordnung enthält. Zur Zeit wird im Bundesjustizministerium, aber auch innerhalb der Koalitionsparteien intensiv an einer solch umfassenden Novelle gearbeitet.
Dadurch, daß wir die Geltungsdauer des BFH-Entlastungsgesetzes nur noch um die kurze Zeitspanne von zwei Jahren verlängern, ist der Zeitrahmen für die Verabschiedung einer neuen Finanzgerichtsordnung gesetzt. Spätestens also zum 1. Januar 1990 muß eine neue Finanzgerichtsordnung in Kraft treten. Eine nochmalige Verlängerung des Entlastungsgesetzes ist jetzt allerdings geboten.
Zwar ist das anfängliche Ziel, die Belastung des Bundesfinanzhofes abzubauen oder jedenfalls einzudämmen, nicht in dem erhofften Maße erreicht worden, doch wäre ohne die in dem Entlastungsgesetz getroffenen Maßnahmen der Geschäftsanfall beim Bundesfinanzhof noch besorgniserregender angestiegen, als dies ohnehin schon der Fall ist.
Einige Zahlen hierzu: Die Neueingänge bei den Finanzgerichten stiegen von 13 525 im Jahre 1970 auf 60 365 im Jahre 1986. Das entspricht einer Steigerung um 346 %. Diese extreme Erhöhung wirkte sich zwangsläufig auch auf den Bundesfinanzhof aus. Beim Bundesfinanzhof stiegen im Vergleichszeitraum die Eingänge von 2 223 auf 3 209, d. h. um 44 %. Zur Zeit sind bei den Finanzgerichten cá. 100 000 und beim Bundesfinanzhof ca. 5 400 unerledigte Verfahren anhängig. Für die Erledigung der Klageverfahren benötigen sowohl die Finanzgerichte als Tatsacheninstanz als auch der Bundesfinanzhof als Revisionsinstanz durchschnittlich jeweils 30 Monate. Das heißt: Eine rechtskräftige Entscheidung gibt es oft erst nach fünf Jahren. Rechnet man dann noch die Vorlaufzeit im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren hinzu, so dauert es viele Jahre bis zu einem rechtskräftigen Steuerbescheid. Das ist nicht nur für die Steuerbürger unzumutbar. Auch der Steuerfiskus hat einen Nachteil davon: Im Moment sind etwa 7 Milliarden DM im Streit, die vorerst nicht an den Fiskus gezahlt werden.
Die Belastung der Finanzgerichte ist allerdings nicht mit einer weiteren Vermehrung der Richterstellen abzubauen. Das wäre der falsche Weg. Kein Land der Welt hat so viele Richter wie die Bundesrepublik Deutschland. Die Zahl der Richter an den Finanzgerichten stieg von 1970 bis 1986 von 252 auf 482; sie hat sich also fast verdoppelt. Ähnlich sieht es beim Bundesfinanzhof aus. Ihm gehörten 1970 42 Richter an; 1986 waren es schon 54. Und nachdem noch in diesem Jahr ein 10. Senat gebildet worden ist, sind gegenwärtig 60 Richter beim Bundesfinanzhof tätig.
Der Abbau der Geschäftsbelastung muß woanders ansetzen. Es sagt meines Erachtens sehr viel über unser Steuersystem aus, daß 67 %, also rund zwei Drittel aller steuerrechtlichen Literatur auf der Welt in deutscher Sprache erscheint. Diese Spitzenstellung ist nicht Ausdruck besonderer wissenschaftlicher Kreativität. Wir haben uns diese Spitzenstellung - gerade wir Abgeordnete als Gesetzgeber sind hier angesprochen - mit komplizierten und kompliziertesten Steuergesetzen erobert.
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- Da haben Sie ja während Ihrer Regierungszeit Großes geleistet, Herr de With.
Schon Albert Einstein meinte vor Jahrzehnten, daß die Einkommensteuerberechnung für ihn als Mathematiker zu hoch sei; das könne er nicht, dazu müsse man Philosoph sein. Die Kompliziertheit folgt natürlich zum einen aus der richtigen Bemühung, möglichst gerechte Gesetze zu machen. Aber oft sind die Gesetze auch schlecht formuliert. So schreibt Professor Tipke in seinem Standardlehrbuch zum Steuerrecht z. B. über das Anrechnungsverfahren im Körperschaftsteuerrecht - ich zitiere - :
Den Vorschriften über das Anrechnungsverfahren liegt zwar eine systematische Konzeption zugrunde, sie sind aber so kompliziert und in einer so ungelenken Sprache abgefaßt, daß sie aus sich selbst kaum verständlich sind. Wer sich einarbeiten will, ist auf außergesetzliche Informationsquellen angewiesen. Dem Gesetzestext selbst kann sich mit Erfolg nur zuwenden, wer sich diesen Inhalt bereits anderweitig angeeignet hat.
Das war eine Reform des Jahres 1974.
So ist denn auch nicht verwunderlich, daß es in Deutschland genausoviele finanzgerichtliche Verfahren gibt wie in den USA mit einer vierfach höheren Bevölkerungszahl. Und in Großbritannien mit der gleichen Bevölkerungszahl gibt es nur ein Viertel soviel.
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In Zahlen heißt das etwa: im letzten Jahr rund 2 400 000 Einsprüche allein gegen Besitz- und Verkehrsteuern. Davon sind dann rund 53 000 Verfahren zu den Finanzgerichten gelangt.
Wir müssen auf zwei Wegen zu einem Abebben dieser Prozeßflut kommen. Der erste ist eine neue Finanzgerichtsordnung und hierbei insbesondere eine Beschleunigung und Verbesserung des Verfahrens. Der zweite ist aber auch eine Vereinfachung des Steuersystems.
Die Entlastungsvorschriften, die das jetzt letztmalig fortzuschreibende BFH-Entlastungsgesetz bereits enthält, sind bei einer FGO-Novelle in Dauerrecht zu überführen, soweit sie sich bewährt haben und den Rechtsschutz in Steuersachen nicht unverhältnismäßig einengen. Gleiches gilt für die Maßnahmen, die durch das Gesetz zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit eingeführt worden sind.
Wir werden auch neue Beschleunigungsvorschriften prüfen. Ich glaube nicht, daß der Vorschlag des Deutschen Steuerberaterverbandes, die Kammern zu verkleinern, sehr viel bringt, zumal sehr viele Beförderungsstellen neu einzurichten wären. Ich fürchte auch, daß eine dreistufige Gerichtsbarkeit nicht einzuführen ist. Die Länder können das kaum finanzieren. Einen gewissen Charme hätte ein finanzge2110
richtlicher Amtsrichter wegen seiner Bürgernähe sehr wohl. Aber er könnte heute kaum die umfassende Materie des Steuerrechts judiziell bewältigen. Es würde in der Praxis oftmals schon am letzten Stand der Literatur fehlen. Ich glaube, man kann auch in einer zweistufigen Finanzgerichtsbarkeit schneller ein rechtskräftiges Urteil erwarten, wenngleich mich ein kürzlich in der Literatur angeführtes Beispiel zur Milch-Garantiemengen-Verordnung nicht unbedingt überzeugt hat.
Ich habe eine Abneigung gegen solche Entlastungsvorschläge, die zurückweisende Entscheidungen ohne Begründung oder z. B. mit der formelhaften Begründung „Aus den zutreffenden Gründen der ersten Instanz" vorsehen. Wenn sich ein Richter seine Entscheidung überlegt hat, dann kann er sie auch zu Papier bringen.
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Der Bürger oder das Amt, dessen Rechtsmittel keinen Erfolg gehabt hat, möchte wissen, warum es keinen Erfolg gehabt hat.
Die eigentliche Wurzel des Übels, über das wir heute reden, ist und bleibt die Kompliziertheit des Steuerrechts und die zu hohe Belastung der Steuerbürger. Finanzpsychologisch ruft die steuerliche Überbelastung Steuerwiderstand hervor. Und komplizierte, nicht verstehbare Steuergesetze provozieren Rechtsmittel.
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Die seit 1982 durchgeführten Steuerrechtsänderungen sind Schritte zu einem gerechteren Steuersystem. Die Entlastung durch die Erhöhung der Kinderfreibeträge war z. B. ein erster richtiger Schritt. Zum 1. Januar 1988 folgt eine weitere Entlastung und zum 1. Januar 1990 die große Entlastung, die u. a. bewirken wird, daß 500 000 gering verdienende Mitbürger überhaupt nicht mehr steuerpflichtig sein werden. Die Entlastung im mittleren Bereich durch den sanft ansteigenden linearprogressiven Tarif wird darüber hinaus ein entscheidender Schritt zur Vereinfachung sein.
Meine Damen und Herren, wir haben in diesen Tagen viele öffentliche Diskussionen über die Streichung oder Kürzung von Steuervergünstigungen geführt. Das erinnert mich an die Diskussion, die wir in der Agoniephase der sozialliberalen Koalition 1981/82 über die Grunderwerbsteuer hatten. Damals lag ein systematisch wirklich guter Reformvorschlag aller Länder vor, und die Lobby hier in Bonn versuchte, dies zu Fall zu bringen. Es ist gelungen, aus diesem Gesetzentwurf ein gutes Gesetz zu machen. Mit einer radikalen Steuersatzsenkung von 7 % auf 2%, also auf weniger als ein Drittel, auf der einen Seite und dem Streichen der unsystematischen Befreiungstatbestände auf der anderen Seite, wurde
({4})
ein einfaches Gesetz, ein gutes Gesetz, ein gerechtes Gesetz geschaffen, das akzeptiert worden ist und mit dem unterdessen in der Praxis alle einverstanden sind. Man kann die Vorgänge schneller und mit weniger Beamten abwickeln. Die Änderung ist neutral für das Steueraufkommen gewesen. So wird sich auch manches von dem, was heute als Dampf produziert wird, verflüchtigen, wenn die Bürger erst einmal merken,
({5})
daß die Steuerreform sie im eigenen Portemonnaie entscheidend entlastet und daß das Steuerrecht sehr viel einfacher sein wird. Dann wird es im Zeitablauf so etwas wie eine ausgleichende Gerechtigkeit geben. Weil die Sozialdemokratische Partei in diesem Sommer durch sich überschlagende und demagogisch überzogene Beispiele gegen diese Steuerreform angekämpft hat, weiß der Bürger sehr gut, daß die Sozialdemokraten gegen die Reform sind. Wenn er am eigenen Portemonnaie in den nächsten Jahren - in einem ersten Schritt nach dem 1. Januar 1988 und stärker nach dem 1. Januar 1990 - spüren wird, daß dies eine gute Reform ist, dann wird er sich daran erinnern.
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist die List der Geschichte: Demagogie hat immer einen Bumerangeffekt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum eigentlichen Thema zurückkommen. Als der junge Goethe 1772 nach Wetzlar zum Reichskammergericht kam, fand er, sage und schreibe, 16 000 Rückstände vor, darunter Verfahren, die schon 100 Jahre währten. Er verließ, wie wir wissen, die Stätte mit Grausen, kritisierte oft und viel, und wir finden in „Auerbachs Keller" einen Spruch, der besagt:
Dankt Gott mir jeden Morgen, daß ich nicht brauch' fürs Römische Reich zu sorgen!
Wir lächeln und schmunzeln darüber. Wie sieht es heute aus? Der Volksmund sagt noch immer, spätes Recht sei halbes Recht.
({0})
Das Bundesverfassungsgericht hat im Juni dieses Jahres gegenüber einem Land, nachdem die Hauptsache für erledigt erklärt war, entschieden, daß dieses Land die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, weil ein Finanzverfahren praktisch fünf Jahre in den Akten lag, ohne daß etwas getan worden ist. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat gesagt, daß bei einem Verfahren, das elf Jahre währt, nicht mehr davon gesprochen werden könne, daß Recht gewährt werde. Das sei Rechtsverweigerung.
({1})
Nach der Begründung des Entwurfs, den CDU/CSU und FDP vorlegen, dauerte 1986 beim Bundesfinanzhof in München ein Revisionsverfahren mit Sachentscheidung im Schnitt drei Jahre und zwei Monate. Rechnet man die Vorverfahren hinzu, dann ist ganz sicher, daß wir uns in manchen Verfahren nicht nur
bedenklich jener Elfjahresgrenze nähern, sondern sie vielleicht überschritten haben.
({2})
Es bleibt nur abzuwarten, was passiert, wenn mehrere derartig betroffene Steuerbürger nach Straßburg gehen.
Die Eingänge beim Bundesfinanzhof nehmen weiter zu, die Rückstände auch, wie wir wissen. Das haben Sie gesagt, Herr Langner. Wir wissen auch - das will ich kurz noch antippen - , daß eine weitere Lawine auf uns zukommt. Denn die Zahl der Einsprüche bei den Besitz- und Verkehrsteuern betrug 1978 bei den Finanzämtern noch 1 586 000. 1986 war die Zahl bereits auf knapp 2,4 Millionen gestiegen.
({3})
Deswegen sind sich alle Sachkundigen darüber einig - das ist auch die öffentliche Meinung - , daß es im Kern keine Gerichtsbarkeit gibt, die derart überlastet ist wie die Finanzgerichtsbarkeit. Was bedeutet das? Nicht nur Ärger für die Rechtsuchenden, sondern - auch darauf hat Herr Langner hingewiesen - auch verminderte Steuereinnahmen. Man kann darüber rechten, ob wegen der vielen Rechtsmittel sechs, sieben oder acht Milliarden DM hängen. Auf jeden Fall hängt eine übergroße Zahl. Ich frage mich schon jetzt, ob die Finanzminister und -senatoren nicht gut beraten wären, einen Teil des Geldes für eine Verstärkung der Mannschaft einzusetzen, ehe sie Jahr für Jahr auf die Rückläufe warten.
Was soll nun mit der hier in Rede stehenden Vorlage wirklich Durchgreifendes geschehen? Die Koalitionsfraktionen schlagen schlicht und einfach vor, daß das Auslaufdatum um zwei Jahre verlängert wird. Sie tun das erst heute, obwohl der geschilderte Zustand seit langem bekannt ist. Die Bundesregierung bzw. der Bundesminister der Justiz kannte das Auslaufdatum ebenso wie wir alle. Trotzdem schieben sie dieses Gesetz jetzt hastig den Fraktionen zu. Warum? Einmal sehr wahrscheinlich, um den Anschlußtermin zum 1. Januar 1988 noch zu erreichen. Denn die Zeit drängt.
({4})
Zum zweiten aber wohl, um dem Bundesrat zu entgehen. - Ich zitiere Sie auch noch, Herr Kleinert. - Denn der Bundesrat hatte beim letzten Mal folgende Entschließung gefaßt:
Der Bundesrat hält es für dringend erforderlich, nunmehr von zeitlich begrenzten Entlastungsgesetzen abzugehen und eine umfassende und dauerhafte Neuordnung des Verfahrensrechts vorzunehmen.
Was haben Sie, Herr Kollege Kleinert, erwähnt? Nicht
nur Ihr Unbehagen darüber, daß nichts geschieht. Sie
haben schlicht und einfach gesagt: Das nächste Mal sollte etwas Gescheiteres geschehen.
({5})
Was liegt nun an Gescheiterem vor? Es ist, wie gesagt, bloß eine Verlängerung um zwei Jahre. Drei Jahre wurden verschenkt, und das, obwohl es seitdem eine intensive Fachdiskussion gab, der Rechtsausschuß 1984 einstimmig dazu aufgefordert hatte, die Übergangszeit von drei Jahren zu nutzen, und seit Juni dieses Jahres der Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Finanzgerichtsbarkeit" vorliegt, einer Arbeitsgruppe, die der Bundesminister der Justiz allerdings erst mit Schreiben vom 3. November letzten Jahres einberufen hatte.
Das ist ein Trauerspiel für den Rechtsuchenden, ein Trauerspiel für die Staatsfinanzen und auch ein Trauerspiel für diesen Staat und erneut ein Verdikt über die Entscheidungsfähigkeit dieser Koalition.
Wenn Herr Langner des langen und breiten darauf hinweist, daß der Kern des Ärgers in der Schwierigkeit unserer materiellen Gesetze liege, findet er überall Zustimmung.
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Nur, Herr Langner, Sie wissen ebensogut wie ich, daß es bloße Illusion wäre, zu glauben, dies würden wir in zwei bis drei Jahren beseitigen, so daß man die Verfahrensbestimmungen nicht ändern müßte. Solange ich im Bundestag sitze, schon eine ganze Weile, sind die Vorschriften nicht einfacher, sondern komplizierter geworden. Ich sage frank und freimütig: bei allen Regierungen. Deswegen müssen wir uns ernsthaft überlegen, was zu tun ist.
Auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion 1985 hatte die Bundesregierung noch herablassend erklärt:
Die von der Bundesregierung für erforderlich gehaltenen Maßnahmen zur Entlastung der Gerichte sind in dem Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung enthalten, der dem Deutschen Bundestag vorliegt.
Aber dieselbe Bundesregierung hat keinen Finger krummgemacht, um die Verwaltungsprozeßordnung auch nur einer ernsthaften Beratung zuzuführen.
Natürlich wissen wir Sozialdemokraten auch, daß es nicht einfach ist, wirklich einschneidende strukturelle Änderungen zu bringen. Sie tun möglicherweise den Verbänden weh, und auf jeden Fall kostet es Geld. Bei allen Bemühungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat diese selbst eingesehen - das haben Sie nicht zitiert, Herr Langner - , daß durch bloße Änderung des Prozeßrechts auf die Dauer keine Abhilfe geschaffen werden kann.
Ein Vorschlag hat allerdings Gewicht und sollte hier diskutiert werden, wenn er auch von der Arbeitsgruppe nicht zu einem konkreten „Wie " ausgestaltet wurde: Wenn 1986 30,6 % aller durch den Bundesfinanzhof erledigten Verfahren unzulässig waren und wenn - das ist noch wesentlicher - , bezogen auf die von den Steuerpflichtigen eingelegten Rechtsmittel, sogar mehr als 35 % als unzulässig verworfen werden
mußten, wird deutlich, daß auch hier angesetzt werden muß.
Das heißt mit anderen Worten, es muß ernsthaft geprüft werden - ich weiß, daß ich damit nicht überall Beifall finde -, ob die Zahl derer, die Rechtsmittel zum Bundesfinanzhof einlegen dürfen, derzeit etwa 90 000 Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, nicht einschneidend verringert werden sollte. Nur so kann ein Potential von Rechtsvertretern entstehen, die sachkundig genug sind, die Hürde der Zulässigkeit zu überspringen. Man muß sich auch vergegenwärtigen, was es für die Rechtsuchenden bedeutet, wenn ein rundes Drittel wegen Unzulässigkeit abgeschmettert wird. Das kostet Geld.
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Jene Arbeitsgruppe hat auch darin übereingestimmt, daß „eine Vermehrung der Richterzahl bei den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit notwendig ist, um die Geschäftslage in der Finanzgerichtsbarkeit zu normalisieren, insbesondere die Rückstände abzubauen und die Verfahrensdauer auf ein angemessenes Maß zu reduzieren" . Bedauerlich ist allerdings, daß sie keinen konkreten Entscheidungsvorschlag unterbreitet hat. Sie sagt nicht, wie das, was sie für richtig hält, aussehen soll.
Es ist nun müßig, darüber zu spekulieren, warum sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe so zurückgehalten hat. Sie hat lediglich gemeint, eine dritte Instanz solle nicht eingeführt werden. Dennoch meine ich, wir kommen nicht darum herum, zu prüfen, ob es nicht doch richtig wäre, an eine wie auch immer geartete dritte Instanz heranzugehen. Ich erinnere daran, daß schon im ursprünglichen Entwurf der Finanzgerichtsordnung eine dritte Instanz eingebaut war, daß dieser Deutsche Bundestag die dritte Instanz beschlossen hatte und daß die dritte Instanz wohl erst auf Betreiben der Finanzminister und -senatoren im Vermittlungsausschuß gefallen ist.
Im übrigen darf ich noch einmal sagen: Wo die dritte Instanz angesiedelt wird, beispielsweise als zweite Verwaltungsinstanz bei der Oberfinanzdirektion, in Form eines Amtsrichters oder bei den Finanzgerichten, die jetzt schon im Kern Oberverwaltungsgerichte sind,
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ist mir persönlich gleichgültig. Aber mir kann keiner einreden, daß eine dritte Instanz für den Bundesfinanzhof nicht entlastend wirken würde. Das lehrt alle Erfahrung aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
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Gefordert ist deswegen ein Druck auf die Finanzminister und -senatoren, nicht immer und überall die Feder zu führen. Das soll durchaus mit Ernst verstanden werden. Wenn ich heute höre, daß bei dem Verteidigungsminister im letzten Jahr so mir nichts, dir nichts 300 Millionen DM in den Sand gesetzt wurden - ich weiß natürlich, daß das nicht dasselbe Geld sein kann - , dann frage ich mich, ob es nicht vernünftiger wäre, in unseren Ländern noch ein paar Richter einzustellen, damit auf unterer Ebene besser gesiebt wird als bisher. Es ist doch ein Unding, daß man beim obersten Gericht demnächst im Durchschnitt dreieinhalb Jahre auf jede Entscheidung warten muß, und daß der Bürger zu fürchten hat, daß es in Zukunft vom ersten Verfahrensgang an bis zum Abschluß fast immer acht bis zehn Jahre dauern wird. Das ist unerträglich.
Wir Sozialdemokraten werden uns am Ende der Verlängerung des Entlastungsgesetzes einer weiteren Verlängerung nicht verschließen, weil in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit einfach nichts anderes möglich ist.
Ich mache hier aber ebenso unmißverständlich - und ich hoffe auch hier auf Zustimmung - eines klar: Wir werden einen Entschließungsantrag einbringen mit einer Fristsetzung, bis zu der durchgreifende strukturelle Änderungsvorschläge zur dauerhaften Entlastung der Finanzgerichtsbarkeit dem Deutschen Bundestag vorgelegt werden müssen.
Zum Schluß sage ich: Ich kann nur hoffen, daß sich die Bundesregierung nach Ablauf von zwei Jahren nicht wieder - ich zitiere gern, wie Sie wissen - Schillers Wort nachsagen lassen muß: Ich habe hierzu bloß ein Amt und keine Meinung.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ebermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bekanntlich wurde 1975 das Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofes und 1978 das berühmte Gesetz zur Entlastung der Finanzgerichtsbarkeit beschlossen. Wie wir alle wissen, kam 1983 das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte an der Finanzgerichtsbarkeit hinzu. 1985 wurde das Gesamtwerk durch ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofes vervollständigt.
Heute liegt uns das Gesetz zur Verlängerung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofes bis 1989 vor. Ich prognostiziere - und ich nehme darauf hohe Wetten an, ausdrücklich: hohe Wetten - , daß wir im Jahre 1989 ein Gesetz zur Verlängerung des Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofes verabschieden werden.
({0})
- Hohe Wetten, habe ich gesagt. - Alles, was bisher in diesen sechs Gesetzen versprochen wurde, war ja eine Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren. Dabei herausgekommen ist, daß vor dem gesamten Reformpaket 3 200 unerledigte Verfahren beim Bundesfinanzhof lagen, daß nach dem ersten Reformschub die Zahl der unerledigten Fälle auf 4 067 anstieg und daß mit Abschluß des Reformwerks die Zahl der unerledigten Fälle auf über 5 000 angewachsen ist. Die Wartezeit bis zur Erledigung zählt nun in Jahren und demnächst in Jahrzehnten. Es ist einigermaßen bekannt, daß vor der großen Reform jährlich 13 500 Fälle an die Finanzgerichte herangetragen
wurden; im Moment sind es noch 60 000 in jedem Jahr. Das ist eine gute Vervierfachung nach der Vereinfachung.
Alles in allem werden ja bedauerlicherweise im Moment nur 41 Steuern erhoben, die Gott sei Dank durch 120 Steuergesetze abgesichert sind. Diese wiederum werden durch 178 Verordnungen und 42 Durchführungsbestimmungen vervollständigt.
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Das alles ist aber eigentlich nur der Stoff für Erstsemester. Die Richtlinienbände sind ja der eigentliche Genuß, wobei ich übrigens enttäuscht bin, daß der Richtlinienband für die Grundsteuer mit mickrigen 39 Seiten auskommt. Dagegen bin ich voll beeindruckt von dem Richtlinienband für die Einkommensteuer, der mittlerweile auf 496 Seiten angeschwollen ist. Auch der Richtlinienband für die Lohnsteuer mit 239 Seiten und der für die Körperschaftsteuer mit 179 Seiten sind beeindruckend.
({2})
Allerdings, diese Richtlinienbände selber ermöglichen überhaupt keinen Einblick in die steuerliche Situation, denn diese Richtlinien kann man bekanntlich nur verstehen, wenn man die jährlich mehr als 1 000 dazu herausgegebenen Verwaltungsanweisungen im Kontext bearbeitet.
Was soll man da machen? Das ist ganz klar: Wer hier für eine dramatische Vereinfachung plädiert, richtet ein arbeitsmarktpolitisches Debakel weit oberhalb der Stahl- und Werftenkrise an, denn 90 000 Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind allein am Bundesfinanzhof zugelassen. Dazu kommen die Beschäftigten bei außerordentlichen Rechtsbehelfsverfahren,
({3})
die Finanzbeamten und die Verwaltungsangestellten, die Richter und die Angestellten bei den Gerichten sowie die Beschäftigten in der Steuergewerkschaft und die hauptamtlichen Mitarbeiter im Deutschen Steuerberaterverband e. V., ganz zu schweigen von den Setzern und Druckern für die Steuer- und Richtlinienbände, die ja jährlich neu modifiziert werden müssen.
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Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als weitere Arbeitsplätze zu schaffen und die dritte Gerichtsebene mit den mindestens 409 Einzelrichtern zu schaffen.
Nun gibt es da einen erheblichen Einwand des Bundesministers der Justiz. Er sagt zu den dringend erforderlichen 409 Einzelrichtern der dritten Ebene - ich zitiere - , der Einzelrichter werde als Berufsanfänger allein vor nicht immer einfachen Entscheidungen stehen und nicht in einem Spruchkörper integriert sein. Das werde die Qualität der Rechtsprechung vermindern. Es werde nicht möglich sein, ausreichend qualifizierten Richternachwuchs zu gewinnen. - Das ist ungerecht. Da quält sich ein junger Mensch so durch das Jurastudium, und dann wird ihm bescheinigt, er komme nicht mal in der untersten Ebene der Finanzgerichtsbarkeit zurecht. Natürlich würden diese 400 Einzelrichter, weil Berufsneulinge, so viele Fehlurteile sprechen, daß geradezu eine Massierung neuer Richterstellen in der gehobenen Finanzgerichtsbarkeit für die Revisionsverfahren erforderlich würde, was wir aber doch wollen. Denn wenn die Lösung darin bestünde, keine weiteren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu ergreifen, dann bliebe nur eines, nämlich alle Gesetze, Verordnungen, Durchführungsverordnungen, Richtlinien und Verwaltungsanweisungen zu einer großen Altpapiersammlung zu tragen, den mehreren hunderttausend Menschen, die damit beschäftigt waren, irgendwie eine sinnvollere Beschäftigung zu vermitteln oder zuzusichern und das Steuerrecht so zu vereinfachen, daß sich jeder Mensch auskennt und daß nicht derjenige vom Staat betrogen wird, dem das Geld für juristische Beratung fehlt.
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Da ich ausschließe, daß diese Möglichkeit jemals ernsthaft erwogen wird, bin ich sicher, daß es im Jahre 1989 eine hochbrisante Beratung geben wird, deren Titel ich hier noch einmal verkünden möchte. Es wird um ein Gesetz zur Verlängerung des Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofes gehen. Ich werde diese Rede kein zweites Mal halten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir können die zweite Rede wohl auch missen, Herr Ebermann.
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Der Fehler ist, daß hier allseits gefordert ist, was ich früher auch schon einmal gefordert habe, nämlich daß etwas Gescheites geschehen soll und daß keiner etwas dazu gesagt hat. Ich habe die Absicht, Ihnen einiges dazu zu sagen. Daß wir aber so lange gewartet haben, hat einen ganz weisen Grund: Wenn uns der Bundesfinanzhof, insbesondere sein Präsident, wortreich darlegt, was durch Schaffung eines zusätzlichen Senates und was durch dieses segensreiche Entlastungsgesetz alles an Erleichterung erzielt werden wird, dann müssen wir als Parlamentarier zunächst einmal sehen, wie sich das in der Praxis entwickelt, bevor wir hergehen und solch ein Gesetz zeitlich verlängern.
Wir mußten nun allerdings feststellen - die Zahlen sind hier mehrfach genannt worden - , daß die erhoffte Entlastung nicht eingetreten ist. Aus den ebenfalls bereits dargestellten Gründen ist es unerträglich, daß die Verfahren auch nur gleich lange dauern wie zur Zeit schon. Deshalb müssen wir das allerdings zunächst noch einmal verlängern. Vor die Frage gestellt, die vorher zwischen den Fraktionen und dem Ministerium der Justiz besprochen worden ist, ob wir
Kleinert ({1})
um ein Jahr verlängern, um etwas mehr Druck auf eine wirklich neue Regelung auszuüben, oder um zwei Jahre, haben wir uns dafür entschieden, den Vorschlag mit den zwei Jahren zu unterstützen, damit wirklich etwas Grundlegendes und Vernünftiges geschehen kann und Herr Ebermann nicht Recht behält mit seiner aus der Vergangenheit durchaus ableitbaren, wie ich gern zugebe, Vermutung, daß wir das Ding noch einmal verlängern werden.
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Herr Professor Wieacker, einer unserer großen Rechtshistoriker, hat einmal in einem Vortrag über die Ursachen des Untergangs des Römischen Reiches die Vermutung geäußert, daß ständige Steuerüberhebung und damit parallel wachsender Unwille, Steuern zu zahlen, woraus weitere Steuerübererhebungen zwangsläufig resultierten, die Römer dermaßen von ihrem Staat entfernt haben, rein gefühlsmäßig, daß sie unter dem Ansturm der Germanen völlig widerstandslos zusammengebrochen sind. Das ist eine sehr interessante historische Betrachtung. Ich bin also etwas weiter zurückgegangen als Herr de With, um hier auch einmal in die Tiefen unserer Bildung zu greifen.
Wir haben wirklich alle Ursache, den Dingen auf den Grund zu gehen und hier nicht an der Oberfläche und schon gar nicht an der Verlängerung einer solchen angeblichen Entlastung kleben zu bleiben. Ich glaube, es zeichnet sich da einiges ab - da stimme ich ganz Herrn Langner zu - bei der Steuerreform, die jetzt begonnen wird und die meiner Meinung nach nach der Einführung der Mehrwertsteuer, die eine sehr segensreiche und sehr durchdachte Reform war, abgesehen von kleineren Dingen, von denen hier einige angedeutet worden sind, daß nämlich diese Steuerreform erstmals diesen Namen wirklich verdienen wird, mit der Einführung der linearen Progression. Daß hier Vereinfachung und Gerechtigkeit Hand in Hand gehen, ist etwas, was man gar nicht hoch genug schätzen kann. Dagegen muß man dann allerdings auch ganz bewußt auf eine Reihe von Ausnahmen verzichten, wie das z. B. bei der Grunderwerbssteuer schon einmal vorexerziert worden ist.
Es wird den meisten Steuerzahlern entschieden lieber sein, in einem klaren, einfachen und deshalb schnelleren Verfahren etwas weniger Steuern als jetzt zu zahlen, als sich in einem sehr komplizierten Verfahren wenigstens einen Teil der überhobenen Steuern über Ausnahmeregelungen wieder hereinholen zu müssen. Dazu gibt es so lehrreiche Entscheidungen, wie z. B. folgende: „Eine Flügeltür zwischen häuslichem Arbeitszimmer und privaten Wohnräumen sowie die einheitliche Ausstattung von Arbeitszimmer und angrenzenden privaten Wohnräumen ({3}) sind für sich allein kein ausreichendes Indiz für die Annahme einer schädlichen privaten Mitbenutzung des häuslichen Arbeitszimmers". Diese Art Entscheidungen erreichen uns von der ohnehin so überlasteten Finanzgerichtsbarkeit.
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Es ist natürlich reiner Unfug, sich in solchen Details zu
ergehen und immer wieder Rechtsprechung, einschließlich BFH, zu solchen aberwitzigen Fragen zu produzieren und den Bürger, der seiner Steuerlast über dieses häusliche Arbeitszimmer etwas ausweichen will, auf diesen Rechtsweg zu verweisen.
Ich nehme den Hinweis von Herrn Langner auf, daß die Bevölkerungsgruppe, die die meisten dieser Prozesse anstrengt, die Lehrer sind. Erstens haben sie anscheinend gelegentlich etwas Zeit dafür, und zweitens sind sie wohl in besonderem Maße mit diesem häuslichen Arbeitszimmer befaßt, und darum haben wir da eine so ungewöhnlich interessante Rechtsprechung.
Es gibt auch eine Entscheidung, daß ein kleiner Fernseher im Arbeitszimmer nicht schädlich ist, ein größerer aber sehr wohl. Wir sollen nun bei Leuten für Entlastung sorgen, die so etwas nicht schlichtweg ein für allemal so entscheiden, daß das Arbeitszimmer zulässig ist oder nicht. Ich bin dafür: Wenn wir mit der linearen Progression und der Absenkung der gesamten Kurve zum Wohle aller, was häufig verkannt wird - durch die Absenkung des Höchststeuersatzes, da liegt nämlich die eigentliche Bedeutung - , da eine Entlastung schaffen, sollten wir den Spuk mit dem häuslichen Arbeitszimmer mal beseitigen. Denn diejenigen, die am dringendsten einen Raum notwendig hätten, um sich zurückzuziehen und in Ruhe zu arbeiten,
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sind die Eltern mit vielen Kindern, die ihnen überall zwischen den Beinen herumlaufen und auch nicht gerade geräuscharm sind. Diese haben aber nicht das Geld, um sich ein Arbeitszimmer einzurichten, und können es demzufolge auch nicht von ihrer Steuer absetzen. Nach den Einrichtungskosten wird übrigens nicht gefragt, es wird alles bedenkenlos in jeder Höhe anerkannt, wenn nur diese gemeinsamen Teppichböden etc. nicht vorhanden sind. Ich meine, wir sollten so etwas streichen und an dieser wie einigen anderen Stellen zur Vereinfachung beitragen.
Weiterhin möchte ich sagen: Ich bin der Meinung, daß wir unbedingt zu einer Verzinsung und zwar wechselseitig - der Schulden beim Finanzamt, die am Ende eines Steuerstreits festgestellt werden, kommen müssen, damit man nicht aus Gründen der Zinsersparnis einen Nutzen im Führen eines Steuerstreits sehen kann und dieses Argument entfällt. Wenn wir das machen, müssen wir nach den Zahlen, die wir derzeit auf dem Tisch haben, natürlich auch zu einer Verjährungsregelung kommen; denn es ist nicht angängig, daß man nach zwölf Jahren eine Zinsrechnung bekommt, mit der man in dieser Höhe nicht gerechnet hat und die zum Teil ruinös sein kann.
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Eine solche Verjährungsregelung würde andererseits einen sehr heilsamen Druck auf die Geschwindigkeit der amtlichen Vorgänge ausüben - das liegt wohl nahe - , bis zur Amtshaftung hin.
Die Idee, daß man hier arbeitsmarktpolitisch etwas tun könnte, ist interessant. Ich behaupte nach wie vor, daß ein Arbeitsplatz im öffentlichen Bereich zwei Arbeitsplätze in der privaten Wirtschaft vernichtet, weil
Kleinert ({7})
nämlich einschließlich der Umverteilungskosten diese Mittel von den wenigen Leuten aufgebracht werden, die gegen Geld nachgefragte Güter in unserer Volkswirtschaft erzeugen und von denen eine Fülle von Leuten leben, die sich als tertiären Sektor bezeichnen, wohinter sie verbergen, daß ihre Tätigkeit nicht unbedingt nachgefragt wird, schon gar nicht gegen kostendeckende Preise.
Im übrigen meine ich: Der Vorschlag, eine weitere Instanz einzuführen, ist aus den Gründen, die auch das Bundesjustizministerium schon dargelegt hat, nicht gut. Es wird übersehen, daß im Steuerverfahren der Sachverhalt in aller Regel unstreitig ist - im krassen Gegensatz zu den Verfahren vor den ordentlichen Gerichten - und daß es sich lediglich um die Rechtsanwendung handelt. Deshalb besteht kein Bedarf für einen weiteren Ausbau der Gerichtsinstanzen.
Tatsächlich sollte man - das ist mein Vorschlag zur Sache - die früheren Steuerausschüsse im Einspruchsverfahren wiederbeleben, und zwar in der Form, daß ein verantwortlicher und vergleichsabschlußberechtigter Vertreter des Finanzamtes zur Stelle ist, in geeigneten Fällen auf Antrag einer Partei auch eine mündliche Verhandlung stattfindet und daß man sich vergleichsweise einigen kann. Es gibt dazu Einwände, die sich darauf stützen, der Staat könne nicht auf einem ihm gesetzmäßig zustehenden Anspruch vergleichsweise verzichten. Das ist eine völlig skurrile Idee, wenn man sich den Kuhhandel am Abschluß jeder Betriebsprüfung ansieht. Dort wird laufend auf rechtlich einwandfreie Ansprüche verzichtet, nur um die Prüfung irgendwie zum Abschluß zu bringen. Das findet aber zwischen ausgebufften Betriebsprüfern und ausgebufften Finanzvorständen größerer Unternehmen statt, nicht aber zwischen dem Finanzamt und dem kleinen Steuerzahler. Deshalb brauchen wir einen Steuerausschuß mit sachverständigen Beisitzern, vor dem verglichen werden kann. Dann bekommt der Sachbearbeiter nach drei oder vier Monaten seine Entscheidung wieder zurück und sieht, daß ihm seine Rechthaberei nichts genützt hat und daß er nicht die Chance hat - wie es heute ist - , Rechthaberei auf Kosten des Steuerzahlers - nicht nur desjenigen, der im Einzelfall betroffen ist, sondern der Gesamtheit der Steuerzahler, die das Verfahren bezahlen müssen - bis zum Bundesfinanzhof hochzutreiben und damit diese Belastung, die dort existiert, herbeizuführen.
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Die sozialdemokratischen Gedanken, immer mehr Gerechtigkeit erzwingen zu wollen, z. B. mit dem, was Herr Kühbacher vorhin wieder über die Quellensteuer gesagt hat, halten wir allerdings für den nächsten Anfall von Kompliziertheit und Ungerechtigkeit obendrein. Wenn man nämlich nicht bereit ist, die vom Staat zu vertretende Inflationsquote bei der Verzinsung von Geldvermögen und Kapital abzuziehen, dann darf man das gar nicht tun, insbesondere nicht gegenüber den Inhabern kleiner Sparkonten; die Großen zahlen nämlich sowieso, weil sich da die Dinge leichter und mit geringerem Aufwand nachprüfen lassen. Das ist ein ungeeigneter Vorschlag.
Wir werden die Diskussion mit allen in diesem Haus führen. Ich bedanke mich ausdrücklich für das Angebot der Sozialdemokratie, mit in die Beratungen einzutreten. Wir werden mit dem Ziel einer wirklichen Revitalisierung des Einspruchsverfahrens und einer Entlastung der Gerichte vorab in diese Diskussion gehen. Es geht nicht nur um den reinen Entlastungseffekt, sondern es geht um das, was ich eingangs gesagt habe, nämlich darum, das Verhältnis des Bürgers zum Finanzamt zu verbessern, vernünftiger zu gestalten und von der jetzigen Rechthaberei beiderseits wegzukommen.
Ich danke Ihnen.
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Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache * ). Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur Verlängerung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofes an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Oberweisung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 14. Oktober 1987, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.