Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/30/1990

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung erweitert werden. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunkteliste aufgeführt: 1. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit ({0}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinien 65/65/EWG und 75/319/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel und zur Festlegung zusätzlicher Vorschriften für homöopathische Arzneimittel Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 81/851/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel und zur Festlegung zusätzlicher Vorschriften für homöopathische Tierarzneimittel - Drucksachen 11/7136, 11/8302 -Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über bestimmte Arbeitsverhältnisse hinsichtlich der Arbeitsbedingungen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über bestimmte Arbeitsverhältnisse im Hinblick auf Wettbewerbsverzerrungen Vorschlag für eine Richtlinie zur Ergänzung von Malinahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Zeitarbeitnehmern - Drucksachen 11/8091 Nr. 2.28, 11/8318 -Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung ({3}) des Rates über die tierseuchenrechtlichen Bedingungen für das Inverkehrbringen von Tieren und Erzeugnissen tierischen Ursprungs innerhalb der Gemeinschaft, soweit für sie nicht anderweitige Gemeinschaftsregelungen gelten - Drucksachen 11/6941 Nr. 9, 11/8328 -Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung ({5}) Nr. 283/72 betreffend die Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems - Drucksachen 11/7609 Nr. 28, 11/8330 2. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({6}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung ({7}) des Rates über Kontrollen und Sanktionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrar- und Fischereipolitik - Drucksachen 11/7609 Nr. 26, 11/83313. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({8}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung ({9}) des Rates mit tierseuchenrechtlichen Vorschriften für die Vermarktung von Tieren und anderen Erzeugnissen der Aquakultur - Drucksachen 11/6941 Nr. 7, 11/8332 -Aktuelle Stunde: Haltung der Bundesregierung zur Anwendung der Bestimmungen des Einigungsvertrages über den Vertrauensschutz im Handel zwischen der früheren DDR und Osteuropa 8. Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" hier: Rahmenplan 1991 his 1994 und Sonderrahmenplan 1988 bis 1993 - Drucksache 11/7977 -9. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beteiligung der Soldaten und der Zivildienstleistenden ({10}) - Drucksachen 11/7323, 11/7550, 11/8336 - Zugleich soll von der Frist für den Beginn der Beratung, soweit es zu einzelnen Punkten der Tagesordnung erforderlich ist, abgewichen werden. Außerdem ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 6 i zusammen mit Zusatzpunkt 8 nach Tagesordnungspunkt 16 aufzurufen und mit einer Redezeit von 30 Minuten zu beraten. Sind Sie damit einverstanden? - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist dies beschlossen. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. Oktober 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der 18502 Deutscher Bundestag - Wahlperiode - Präsidentin Dr. Süssmuth sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache 11/8154 - aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({11}) - Drucksache 11/8324 Berichterstatter: Abgeordnete Vogel ({12}) Voigt ({13}) bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({14}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 11/8342 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Struck Frau Vennegerts Roth ({15}) Dr. Weng ({16}) ({17}) b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 9. Oktober 1990 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über einige überleitende Maßnahmen - Drucksache 11/8153 -Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({18}) - Drucksache 11/8261 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Struck Frau Vennegerts Roth ({19}) Dr. Weng ({20}) ({21}) Im Ältestenrat ist für die Beratung eine Stunde vereinbart worden. - Auch dazu sehe ich keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Vogel.

Friedrich Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002378, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Leider gibt die Tagesordnung nur wenig Zeit, den Vertrag über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu würdigen. Er hätte, wie ich meine, eine ausführliche Würdigung verdient. ({0}) Die Schlüsselworte des Vertrags heißen „befristeter Aufenthalt" und „planmäßiger Abzug" . In Art. 4 des Zwei-plus-Vier-Vertrags vom 12. September 1990 ist zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR vereinbart worden, daß der Abzug der sowjetischen Streitkräfte bis zum Ende des Jahres 1994 vollzogen sein wird. Der Vertrag vom 12. Oktober 1990 füllt aus, was im Zwei-plus-Vier-Vertrag vereinbart worden ist. Er schafft für den befristeten Aufenthalt der sowjetischen Streitkräfte eine neue völkerrechtliche Grundlage, und zwar unter Wahrung der deutschen Souveränität, und regelt den Abzug nach Maßgabe eines mit der deutschen Seite abgestimmten Gesamtabzugsplans. Auch der Vertrag über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen ist Ausdruck der qualitativ neuen Beziehungen unserer beiden Staaten zueinander. Auch dieser Vertrag soll einen Beitrag leisten zum „Aufbau einer gerechten und dauerhaften Friedensordnung in Europa". So steht es ausdrücklich in der Präambel. Meine Damen und Herren, aus den zahlreichen Einzelregelungen des Vertrages möchte ich zwei herausgreifen, die mir für die Bevölkerung im Aufenthaltsgebiet der sowjetischen Truppen besonders wichtig erscheinen. Das eine sind die Vereinbarungen in Art. 7 über den Flugbetrieb der sowjetischen Streitkräfte, der auf der Grundlage der unbestrittenen deutschen Souveränität organisiert wird. Die täglichen Flugzeiten der sowjetischen Militärflugzeuge sollen an die für die Bundeswehr geltenden angeglichen werden. Es wäre - vor allen Dingen für die Kollegen aus den neuen Bundesländern - nützlich und empfehlenswert, sich den Inhalt des Art. 7 Abs. 3 genau anzusehen, weil dort sehr genau aufgeführt ist, wie die Flugzeiten geregelt sind. Aus den Einzelregelungen ergibt sich - darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen - , daß die Flugruhe an Wochenenden und Feiertagen ab sofort gilt und daß die Tiefflugregeln denen über dem westlichen Bundesgebiet entsprechen. Die Regelung für Überschallflüge bedeutet eine erhebliche Lärmminderung im Aufenthaltsgebiet. Die zweite Regelung, auf die ich hinweisen möchte, betrifft den Umweltschutz. Nach Art. 13 des Vertrages arbeiten die deutschen Behörden und die Dienststellen der sowjetischen Truppen „in vollem Umfang in Fragen des Umweltschutzes und der Umweltvorsorge auf der Grundlage der deutschen Gesetze zusammen". Die Einsetzung einer entsprechenden Arbeitsgruppe auf Expertenebene im Rahmen der vereinbarten Gemischten Deutsch-Sowjetischen Kommission soll die Berücksichtigung der Umweltgesetze der Bundesrepublik Deutschland sicherstellen. Zum Abschluß möchte ich noch auf Art. 2 Abs. 4 des Vertrages aufmerksam machen. Danach unterstützen die deutschen und die sowjetischen Behörden „in jeder Weise", wie es dort wörtlich heißt, „die Aufrechterhaltung wohlwollender Beziehungen zwischen der Bevölkerung, den staatlichen Stellen und den nichtstaatlichen Organisationen der Bundesrepublik Deutschland und den sowjetischen Truppen und ihren Dienststellen" . Wir wissen, daß sich sowohl die deutsche Bevölkerung als auch die sowjetischen Offiziere und Soldaten im Stationierungsgebiet, d. h. im Gebiet der fünf neuen Bundesländer, erst einmal mit der inzwischen veränderten Situation auf beiden Seiten zurechtfinden müssen und daß es in diesem Prozeß des Sich-Zurechtfindens eine ganze Reihe von Vogel ({1}) Schwierigkeiten gibt. Beide Seiten werden sich bemühen müssen, aufeinander zuzugehen und einander zu verstehen. Sicherlich wäre den Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages zu empfehlen, in ihre Besuche auch Besuche der sowjetischen Garnisonen einzubeziehen. ({2}) Es sollten möglichst viele Kontakte geknüpft werden, vor allen Dingen auch auf persönlicher Ebene. Es liegt in unserem Interesse, im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, daß die sowjetischen Militärangehörigen, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren, freundschaftliche Gefühle zu Deutschland und den Deutschen bewahren. Dies wird für die künftige Gestaltung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion von Bedeutung sein. ({3}) Meine Damen und Herren, die CDU/CSU sagt ja zu dem Abzugsvertrag. Sie dankt allen, die an der Ausarbeitung dieses Vertrages beteiligt gewesen sind - die nähere Befassung mit diesem Vertrag macht deutlich, daß auch hier eine immense Arbeit geleistet worden ist - , und stimmt dem Ratifizierungsgesetz zu. Ich möchte zum Schluß noch auf den sehr engen Zusammenhang mit dem Überleitungsgesetz hinweisen, das wir unter b dieses Tagesordnungspunkts behandeln. Ich bedanke mich. ({4})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster hat das Wort der Abgeordnete Herr Voigt.

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die SPD wird den beiden uns heute zur Beratung vorliegenden Verträgen zustimmen. Sie sind aus unserer Sicht eine sinnvolle und auch notwendige Ergänzung der multilateralen Regelungen in den Zwei-plus-Vier-Vereinbarungen. Auf Grund dieser Vereinbarungen war es erforderlich, eine rechtliche Grundlage für den Abzug der sowjetischen Truppen und für ihren zeitweiligen Aufenthalt zu schaffen. Dem in dem Abkommen vom 9. Oktober vorgesehenen finanziellen deutschen Beitrag zur Stationierung und zum Abzug der sowjetischen Truppen stimmen wir ebenfalls zu, denn dies ist eine in diesem Zusammenhang erforderliche und unabweisbare Leistung. Ich möchte aber gleich darüber hinaus sagen, daß es wichtig ist, daß die in diesem Vertrag vorgesehenen Maßnahmen zum Wohnungsbau innerhalb der Sowjetunion und für die Umschulung von Soldaten, die bisher in der DDR Dienst getan haben, gleichzeitig einen Fingerzeig für die Zukunft geben, nämlich daß die deutschsowjetischen Beziehungen in Zukunft primär auf dem Ausbau der zivilen Kooperation basieren sollen. Ich möchte darüber hinaus auch besonders an die Kollegen der CDU/CSU gerichtet, sagen: Es kann nicht dabei bleiben, daß wir eine umfangreiche finanzielle Zusammenarbeit nur mit der Sowjetunion vereinbaren. Diese finanzielle Zusammenarbeit muß durch eine umfangreiche Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich mit Polen ergänzt werden. Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, als würden Deutsche und die Völker der Sowjetunion zu Lasten Polens zusammenarbeiten. Insofern sind die Klärung der Grenzfrage und die ökonomische Zusammenarbeit mit Polen, aber natürlich auch mit der Tschechoslowakei und mit Ungarn unabdingbar erforderlich. Zweitens. Ich stimme zu, daß hier durch unsere Diplomaten eine gute Leistung erbracht worden ist. Jetzt ist es wichtig, daß die gute Zusammenarbeit zwischen Diplomaten und Politikern ergänzt wird durch eine gute Zusammenarbeit zwischen deutschen Bürgern und sowjetischen Bürgern, solange sich sowjetische Bürger noch in den Ländern Ostdeutschlands aufhalten. Zu dieser guten Zusammenarbeit gehört auch, daß wir die Menschenrechte und die sozialen Rechte der sowjetischen Soldaten mit vertreten. Ich kann nicht umhin, zu sagen, daß die menschenrechtliche Lage vieler sowjetischer Soldaten nicht akzeptabel ist. Für mich zumindest ist es selbstverständlich, daß, wenn sich sowjetische Soldaten über ihre menschenrechtlichen Bedingungen bei uns als deutschen Politikern beschweren, wir uns dann auch zum Anwalt ihrer Menschenrechte machen. Denn auf deutschem Boden sollten wie auch anderswo keine Menschenrechte verletzt werden. Insofern dürfen wir auch künftig bei Übergriffen von sowjetischen Behörden gegenüber sowjetischen Soldaten darüber nicht hinwegsehen. Drittens. In dem Vertrag sind, besonders in Art. 7, Regelungen vorgesehen, in denen das deutsche Recht einschließlich des Arbeits- und Sozialrechts für deutsche Arbeitnehmer bei den sowjetischen Streitkräften festgelegt ist. Es gibt auch sehr präzise Regelungen für Tiefflugübungen. Ich darf hinzufügen: Ich wünschte mir, daß entsprechende Regelungen jetzt auch mit unseren westlichen Alliierten getroffen werden. ({0}) Denn manches, was in diesem Vertrag mit der Sowjetunion vorgesehen ist, ist zwar dadurch zeitbedingt, daß die sowjetischen Truppen spätestens nach vier Jahren abziehen werden, aber vieles ist jetzt doch auch beispielhaft für eine Neuregelung der Rechtsverhältnisse mit unseren westlichen Alliierten. Das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut kann so nicht aufrechterhalten werden. Die Verträge müssen neu ausgehandelt werden, und manches, was wir jetzt mit den Sowjets erreicht haben, ist auch vorbildlich für die Regelung unserer Beziehungen mit der westlichen Seite. Viertens. Die sicherheitspolitische Substanz der vorliegenden Verträge ist bereits im Zwei-plus-VierAbkommen in der Sache geregelt. Aber jetzt geht es darum, daß, ausgehend von den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und diesen beiden Verträgen, wir uns nicht nur um eine Reform der NATO, nicht nur um eine Intensivierung und Institutionalisierung des KSZE-Prozesses bemühen, sondern daß wir ange18504 Voigt ({1}) sichts des Zerfalls der Organisation des Warschauer Vertrages und des RGW auch dazu beitragen müssen, daß Osteuropa nicht in einen neuen sicherheitspolitischen Nationalismus verfällt; das könnte nämlich eine Ursache für neue Kriegsgefahren und Spannungsgefahren werden. Wenn man das vermeiden will, muß neben der Institutionalisierung des KSZE-Prozesses gleichzeitig eine neue kooperative Politik der NATO mit den osteuropäischen Staaten unter Einschluß der Sowjetunion gesucht werden. Die Entsendung von Botschaftern zur NATO kann nur ein Anfang sein. Die NATO muß sich jetzt nicht nur bei einer neuen Strategie bewähren, sie muß sich auch in einem neuen - ich sage bewußt: sicherheitspartnerschaftlichen - Verhältnis zu den osteuropäischen Nachbarn Deutschlands und der NATO bewähren. Insofern ist das Konzept der Sicherheitspartnerschaft, das wir immer vertreten haben, aktueller als je zuvor: aktueller im Bereich der Wirtschaftspolitik, aktueller im Bereich der Sicherheitspolitik. Fünftens. Einen Punkt möchte ich hier noch erwähnen, den ich bereits im Auswärtigen Ausschuß angesprochen habe, wo meine Fragen nicht beantwortet wurden und offensichtlich nicht beantwortet werden konnten, obwohl der Minister da war, die beiden Staatssekretäre da waren und der zuständige Referent auch da war. Es handelt sich um die Frage, ob in den Regelungen des Vertrages, die von den Rechten der sowjetischen Truppen sprechen, auch identische Regelungen für die Institution des KGB vorgesehen sind. In Art. 2 des Begleitgesetzes und in Art. 1 des Vertrags selber ist von „Liegenschaften" die Rede. Die Frage ist: Was geschieht mit den Liegenschaften, die der KGB hat? Ich sage dies aus besonderem Anlaß; ich habe dies auch schon im Auswärtigen Ausschuß gesagt. Die Regierung de Maizière, nicht etwa die Regierung Modrow, hat im Frühsommer dieses Jahres allein im Bereich Karlshorst dem KGB ungefähr 100 Liegenschaften schriftlich überlassen. In der Nachfolge ist jetzt der Bundesfinanzminister, Herr Waigel, CSU, und die Bundesregierung Kohl zuständig. Die Frage bleibt: Bleiben diese Liegenschaften in der Verfügung des KGB? Überläßt die Bundesregierung damit etwas dem KGB? Darf der KGB weiter Spionagetätigkeit gegen die Bundeswehr und die Bundesrepublik Deutschland betreiben? Diese Frage habe ich gestellt. Mir ist eine Antwort zugesagt worden; ich habe bisher keine erhalten. ({2}) Diese Fragen sind aber legitim und wichtig. ({3}) - Es ist schon sehr interessant, Herr Reddemann, daß Sie diese Fragen als unverschämt zurückweisen. Das zeigt die Doppelmoral der CDU - wie auch bei Diestel - in solchen Punkten. ({4}) Vorletzter Punkt. In dieser Situation stellt sich nicht nur die Frage nach den künftigen sicherheitspolitischen Strukturen in Europa - wie gesagt, der NATO, aber einer neuen NATO - und dem kooperativen Verhältnis mit Osteuropa, die Frage nach der KSZE und anderen Bereichen. In gewisser Weise stellt sich auch die Frage der Öffnung der EG gegenüber Nordeuropa und Osteuropa. Auch dies ist eine Frage, bei der die CDU und der Bundeskanzler in letzter Zeit bedauerliche Positionen eingenommen haben, Positionen, die ich überhaupt nicht akzeptieren kann. ({5}) Naturgemäß muß die EG für Mitglieder aus Nordeuropa und auch Osteuropa offen sein, wenn diese Staaten politisch und auch ökonomisch dazu bereit und fähig sind. Schließlich: Darüber hinaus muß in dieser Debatte auch geklärt werden, wie die CDU nun eigentlich zu dem deutsch-polnischen Grenzvertrag steht. ({6}) Denn es kann nicht angehen, daß wir die deutschsowjetischen Fragen alle klären, aber die deutsch-polnischen Fragen offenhalten wollen. Das wäre eine Erinnerung an die schlimmsten Phasen deutscher Geschichte. ({7}) Deshalb muß jetzt geklärt werden, ob die CDU die Regelungen der Minderheitenrechte - die auch ich wünsche - zur Vorbedingung für den Abschluß eines Grenzvertrages macht. Das wäre ganz schlimm; das wäre ein schlimmes Signal. Deshalb erwarte ich gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Klärung dieser Frage in dieser Debatte. Die Schaffung eines gemeinsamen Europas - das haben die Sozialdemokraten immer gesagt - setzt gute deutsch-sowjetische Beziehungen voraus. Sie setzt die Aufrechterhaltung des Prozesses unserer Integration in Westeuropa voraus. Sie setzt die Intensivierung und Fortsetzung unserer Beziehungen über den Atlantik hinweg voraus. Aber sie setzt auch ein Netzwerk der konstruktiven und kooperativen Beziehungen mit allen osteuropäischen Nachbarn, der Sowjetunion, Ungarn, der Tschechoslowakei und auch den übrigen Staaten des ehemaligen - so muß man ja bald sagen - Warschauer Vertrages voraus. Dieses Gesamtkonzept der europäischen Beziehungen hat mit diesem Vertragswerk seinen Ausgangspunkt genommen. Nur wenn die deutsch-sowjetischen Beziehungen in dieses Gesamtkonzept eingebunden werden, wird es zu einer gesamteuropäischen Friedensordnung kommen können. Danke. ({8})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Feldmann.

Dr. Olaf Feldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erleben in diesem Jahr eine der aufregendsten und erfreulichsten Etappen der europäischen Geschichte. In der Mitte Europas konnte sich nach mehr als 40 Jahren unser geteiltes Land wiedervereinigen, friedlich und mit Zustimmung aller Nachbarn. Und das Schönste: Die deutsche Einheit ist zu einem gesamteuropäischen Impuls geworden. Auf deutschem Boden vollzieht sich ein wichtiger Schritt der Überwindung der Ost-West-Konfrontation. Viele unserer Visionen und Utopien sind bereits heute Gegenstand der Tagespolitik. Eine europäische Friedensordnung ist kein unerreichbares Traumziel mehr. Sie ist eine konkrete Aufgabe geworden. Diese Chance ist das Ergebnis der Politik der Entspannung, des Ausgleichs und der Vertrauensbildung, die wir oft auch gegen Widerstände durchgesetzt haben. Den Durchbruch hat Außenminister Genscher geschafft. ({0}) Das vorliegende Vertragswerk charakterisiert die auf diesem Weg bereits erreichten Fortschritte in besonders eindrucksvoller Weise. - Herr Kollege Voigt, wir sollten diesen Vertrag nicht überfrachten. Was Sie soeben zum Schluß noch vorgetragen haben ({1}) - es ist in der Sache richtig -, ({2}) ist einfach eine Überfrachtung dieser heutigen Debatte. Dieses Abkommen - das wissen Sie auch - ist in der Geschichte ohne Beispiel. Es verdient Würdigung in sich und an sich. Beide Seiten investieren mit diesem Abkommen in eine gemeinsame Zukunft in einem geeinten Europa. Dieses Abkommen markiert deutlich die Abkehr von der Konfrontation hin zur Kooperation. Dieses Abkommen verwischt auch die Grenzen zwischen den einst feindlichen Bündnissen NATO und Warschauer Pakt. Erstmals stehen sowjetische Truppen auf NATO-Territorium - das mit Billigung aller. Vorneverteidigung und Abschreckung haben ihren Sinn verloren. Dieses Vertragswerk geht in seiner sicherheitspolitischen Bedeutung über die bisher in Rüstungskontrollverhandlungen erreichten Fortschritte weit hinaus. Gorbatschow, meine Damen und Herren, hat seinen Worten Taten folgen lassen. Die Bereitschaft der Sowjetunion, ihre Truppen aus Deutschland planmäßig abzuziehen, ist ein überzeugender Beweis für die Glaubwürdigkeit der neuen sowjetischen Außenpolitik. Sie ist aber auch ein Vertrauensbeweis für das vereinte Deutschland. Die Bundesrepublik hat sich dieses Vertrauen durch eine aktive, konstruktive und verläßliche Außenpolitik erworben. Die FDP und der Außenminister sind dafür Garanten. ({3}) Wir wissen, mit welchen wirtschaftlichen und sozialen Problemen der Abzug für die Sowjetunion verbunden ist. Hierzu war politischer Mut notwendig. Die umfassende Hilfe, die wir mit diesem Abkommen leisten, ist Ausdruck unserer Bereitschaft, größere politische Verantwortung zu übernehmen. Sie ist ebenfalls ein Beitrag zur Lastenteilung im Atlantischen Bündnis, den auch unsere Partner nicht gering schätzen sollten. Wir Deutschen haben ein vitales Interesse am Erfolg der Demokratisierung und der marktwirtschaftlichen Reformen in der Sowjetunion. Dies liegt auch im Interesse Europas und der westlichen Allianz. Es ist gewiß nicht einfach, Schatten der Vergangenheit zu verdrängen. Herr Kollege Vogel, auch wir wollen, daß der befristete Aufenthalt der sowjetischen Truppen zur Vertrauensbildung zwischen unseren beiden Ländern beiträgt, so wie Sie es angesprochen haben. Gelingen kann dies natürlich nur in einer Atmosphäre guten Willens und des gegenseitigen Verständnisses auf beiden Seiten. Hierbei sind die vier Jahre natürlich auch eine Chance. ({4}) - Dem stimme ich natürlich voll zu, Herr Kollege. Noch ein Wort zu den sowjetischen Streitkräften in Deutschland: Nie zuvor sind sich Streitkräfte, die bisher Gegner waren, unter solchen Umständen begegnet wie jetzt die Bundeswehr und die Sowjetarmee. Unser Modell der Inneren Führung, das sich in vielfacher Hinsicht bewährt hat, könnte zum Anschauungsobjekt für die Demokratisierung der Sowjetarmee werden. Ein demokratisches Europa braucht demokratische Armeen. ({5}) - Reduzierte Armeen, kleine Armeen; aber zumindest demokratische Armeen mit demokratischer Grundstruktur. Die FDP-Fraktion stimmt den vorliegenden Verträgen zu und dankt allen, die daran mitgewirkt haben. Vielen Dank. ({6})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kottwitz.

Almut Kottwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 begrüßt den vereinbarten Abzug der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der ehemaligen DDR als einen ersten, wichtigen Schritt zur vollständigen Entmilitarisierung Mitteleuropas. ({0}) Viele Regelungen dieses Vertrages finden unsere Zustimmung. So sind z. B. die Rechte der Bundesrepublik in vielen Punkten besser und präziser formuliert als im NATO-Truppenstatut, z. B. die Regelung der Manövertätigkeit und des Flugbetriebes. Bis zu einer endgültigen Einstellung von Manövern wären entsprechende Regelungen auch für die Tätigkeit der US-Truppen auf bundesdeutschem Gebiet wünschenswert. Wenn unsere Fraktion in ihrer Mehrheit den zur Debatte und Abstimmung stehenden Gesetzentwürfen heute dennoch nicht zustimmen kann, ({1}) sondern sich der Stimme enthalten wird, so liegt das im wesentlichen an zwei Gründen: Zum einen ist der Rückzug der sowjetischen Truppen ein einseitiger Truppenrückzug. Im Gegenzug wäre eine Vereinbarung über den schrittweisen Rückzug der alliierten Truppen vom Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik ein friedenssichernder Beitrag gewesen. ({2}) Der historische Umbruch in Osteuropa, die Auflösung alter Feindbilder, der Quasi-Zusammenbruch des Warschauer Paktes, dies alles rechtfertigt nicht länger eine Präsenz der Westalliierten in der Bundesrepublik. Wir nehmen allerdings die warnenden Stimmen vor einem deutschen Sonderweg sehr ernst. Deshalb muß ein gleichgewichtiger vollständiger Abzug aller alliierten Truppen im Rahmen der Schaffung eines gesamteuropäischen politischen Sicherheitssystems erfolgen. Die Beschränkung auf den Abzug der sowjetischen Truppenkontingente vom Gebiet der ehemaligen DDR rechtfertigt die Befürchtung, daß das entstehende militärische Vakuum durch NATO-Truppenkontingente gefüllt wird und sich die NATO-Grenze nach Osten verschiebt. Das ist kein guter Beginn von Abrüstungs- und Sicherheitspolitik in einem vereinten Deutschland. ({3}) Neben diesen Bedenken hindert uns noch ein zweiter Tatbestand an der Zustimmung zu diesen Gesetzentwürfen: Sie alle kennen die Berichte, in denen immer neue, schwerwiegende ökologische Folgen der sowjetischen Militärpräsenz auf dem Gebiet der ehemaligen DDR bekanntwerden. Dieses wichtige Thema wird im Vertrag völlig unzureichend und unverbindlich abgehandelt. Die Absichtserklärung in Art. 13 und die Einsetzung einer entsprechenden Arbeitsgruppe auf Expertenebene bleiben angesichts der Problemdimensionen völlig unzureichend. Manöverschäden größten Ausmaßes, gefährliche Altlasten, ungesicherte Munitionsbestände: Die Liste der umweltzerstörenden und -gefährdenden Folgen ist lang, der Sanierungsbedarf erheblich. Die Sanierung der von militärischen Folgelasten betroffenen Objekte, Liegenschaften und Gebiete ist zweifellos nur mit einem sehr erheblichen Kostenaufwand zu leisten. Der schlichte Satz im Gesetzentwurf: „Die Höhe dieser Kosten ist zur Zeit noch nicht bezifferbar, ... " ist bestimmt richtig. Warum die Höhe der Kosten aber von der Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen deutscher Behörden und sowjetischer Truppen abhängig sein soll, ist mir nicht einsichtig. Hier hätte eine möglichst konkrete Bestandsaufnahme der vorliegenden Schäden erfolgen müssen, ebenso wie konkrete Angaben über die zu erwartenden Kosten. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie diese konkreten Angaben so schnell wie möglich einholt und der Öffentlichkeit bekanntmacht. Gemeinsam mit den neuen Bundesländern und unter Einbeziehung der Umwelt- und Ökologiegruppen aus der ehemaligen DDR müssen möglichst bald Schritte zur Sanierung der von militärischer Nutzung betroffenen Gebiete eingeleitet werden. Diese Aufgabe stellt sich übrigens nicht nur auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Auch hier in der BRD waren und sind die Militärs für Umweltschäden größten Ausmaßes verantwortlich. Nun zu einem letzten Punkt, der Regelung über die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut. Nach Art. 8 des Abkommens vom 9. Oktober 1990 wird die SDAG Wismut mit Wirkung zum 1. Januar 1991 eingestellt. Das bedeutet freilich nicht, daß die SDAG Wismut nicht als Firmenkonsortium fortbestehen kann. Umweltminister Töpfer hat verkündet, daß die Uranlieferungen in die UdSSR ab 1. Januar 1991 eingestellt werden. Wir fragen die Bundesregierung: Wird der Uranabbau insgesamt definitiv gestoppt, oder hält sich die Bundesregierung eine Hintertür für weitere Urangeschäfte offen? Von der Einstellung der Lieferungen und der Uranförderung war nirgendwo die Rede. Interuran hat bereits einen Vertrag mit Wismut abgeschlossen, in dem sie sich bereit erklärt hat, das Uran der früheren DDR außerhalb des Comecon zu vermarkten. Bundesdeutsche Energieversorgungsunternehmen überlegen bereits, langfristige Lieferverträge aufzukündigen und auf Uran aus Osteuropa umzuschwenken. ({4}) Die GRÜNEN/Bündnis 90 setzen sich dafür ein, daß die Einstellung der Geschäftstätigkeit der SDAG Wismut klar definiert wird. Die Klärung dieser wichtigen Frage darf nicht einer allgemeinen Arbeitsgruppe der SDAG-Aktionäre überlassen werden. Ich komme zum Schluß. Wir hoffen, daß sich der befristete Aufenthalt der sowjetischen Truppen bis zum endgültigen Abzug tatsächlich zu einer vertrauensbildenden Maßnahme auch zwischen den Menschen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken gestaltet. Nur das Vertrauen der Menschen untereinander wird die treibende Kraft sein zum Aufbau einer dauerhaften und gerechten Friedensordnung in Europa und in der Welt. Ich danke Ihnen. ({5})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Kaufmann.

Dr. Sylvia Yvonne Kaufmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001075, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heute zur Debatte stehenden Ratifizierungsgesetze über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen sowie die damit zusammenhängenden finanFrau Dr. Kaufmann ziellen Beiträge der Bundesrepublik halten wir für außerordentlich bedeutsam. Beide Verträge sind notwendige Konsequenz der deutschen Einheit, da frühere Abkommen zwischen der DDR und der Sowjetunion per 3. Oktober dieses Jahres erloschen und entsprechend Art. 4 Abs. 1 des Zwei-plus-Vier-Vertrages neue völkerrechtliche Grundlagen zwischen der Bundesrepublik und der UdSSR zu schaffen waren. Hervorzuheben ist, daß beide Seiten die getroffenen umfassenden vertraglichen Regelungen als vertrauensbildende Maßnahme und als Grundlage qualitativ neuer Beziehungen zueinander betrachten. Nur dann, wenn diese beiden Vertäge und auch die anderen beiderseitigen Vereinbarungen in diesem Sinne nicht nur den Buchstaben nach eingehalten, sondern wirklich mit Leben erfüllt werden, kann sich, so denke ich, das deutsch-sowjetische Verhältnis künftig auf neue Weise fruchtbringend entwickeln. Wir sind uns aber auch bewußt, daß dies allein nicht ausreicht. Neue europäische Sicherheitsstrukturen, der Aufbau einer gerechten und dauerhaften Friedensordnung - davon spricht auch die Präambel des Vertrages über die Modalitäten des sowjetischen Truppenabzugs - müssen dafür den Rahmen bilden. Es bleibt allerdings festzustellen, daß für die Bundesregierung in dieser Hinsicht noch enormer Handlungsbedarf besteht. Ich bezweifle sehr, daß sie dem tatsächlich gerecht werden wird, und zwar einfach deshalb, weil sie die NATO trotz des offensichtlichen Zerfalls des Warschauer Vertrages nicht in ihren Grundstrukturen verändern möchte, geschweige denn die NATO als eine im Kalten Krieg entstandene und längst überholte Blockstruktur zur Disposition stellt. ({0}) Wir können davon ausgehen, daß der nun beginnende Abzug der sowjetischen Streitkräfte von deutschem Boden mit vielerlei Problemen verbunden sein wird. Für besonders wichtig halte ich die Frage, in welchem Klima dieser Abzug erfolgt. Siegerstimmung oder antisowjetische „Russen raus"-Rufe, die im Ostteil dieses Landes bedauerlicherweise anzutreffen sind, halte ich für untragbar und sehr gefährlich. ({1}) Es gilt, Anfängen zu wehren. Es müssen unbedingt alle Voraussetzungen für eine würdevolle Rückkehr der Angehörigen der sowjetischen Streitkräfte in ihre Heimat geschaffen werden. Politische Sensibilität und viel Einfühlungsvermögen auf seiten der Bundesregierung, der zuständigen Stellen und Personen der verschiedensten Bereiche sind notwendig. Wir schlagen daher vor, außer der gemischten Kommission auch auf Länderebene und in den Territorien paritätische Kommissionen zu bilden, die vor Ort im oben genannten Sinne konkret wirksam werden. Neue Wege beim Zusammenleben mit den sowjetischen Bürgern und Bürgerinnen sind zu beschreiten und ihre Integration in das gesellschaftliche Leben am Stationierungsort zu fördern, damit wirklich freundschaftliche Beziehungen zwischen den Menschen beider Länder wachsen können. Ich weiß, wovon ich spreche; denn die früher üblichen organisierten Freundschaftstreffen haben, wie heute sehr deutlich zu spüren ist, nur sehr wenig dazu beigetragen. ({2}) Meine Damen und Herren, ich kann Frau Kottwitz nur zustimmen: Der Abzug der sowjetischen Truppen kann nur ein erster Schritt zur Entmilitarisierung Deutschlands sein. Wir gehen davon aus, daß nun auch ein schrittweiser Abzug der westlichen alliierten Truppen aus Deutschland erfolgen muß. Vielen Dank. ({3})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen, Herr Genscher.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten zwölf Monaten der zu Ende gehenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestages sind wir alle Zeugen und auch Mitwirkende atemberaubender Ereignisse geworden, mit denen unser Land und ganz Europa in eine neue historische Phase eintreten. Der Kalte Krieg ist endgültig vorüber. Die deutsche Einheit ist wiederhergestellt. Wir sind dabei, die Teilung unseres Kontinents zu überwinden. Was wir und was unsere westlichen Partner schon vor mehr als 20 Jahren als oberstes Gesetz genannt haben, wird Wirklichkeit: die Schaffung einer gerechten und dauerhaften Friedensordnung in ganz Europa. Der Westen hat bei seinen Gipfelbegegnungen dieses Jahres, beim Europäischen Rat in Dublin, beim NATO-Gipfel in London und beim Weltwirtschaftsgipfel in Houston, seine vorausschauende und kooperative Haltung erweitert und hat deutlich gemacht, daß bei der umfassenden Aufgabe einer gemeinsamen Zukunftsgestaltung in Europa die Sowjetunion voll einbezogen werden muß. Die sowjetische Führung ihrerseits hat erkannt, daß europäische Einheit und deutsche Einheit zusammengehören. All jene, die den deutschen Einigungsprozeß unterstützt und gefordert haben, dürfen sicher sein, daß die Hoffnungen, die sie damit verbunden haben, nicht enttäuscht werden. Wir, die Bundesrepublik Deutschland, haben die deutsch-sowjetischen Beziehungen auf eine neue Grundlage gestellt: mit dem Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit, den der Bundeskanzler und Präsident Gorbatschow unterzeichnen werden, ferner mit dem Vertrag über die Entwicklung einer umfassenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik. Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzuges der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist von großer Bedeutung für die deutsch-sowjetischen Beziehungen und für die künftige Entwicklung in Europa. Er ist ein gemeinsamer deutsch-sowjetischer Beitrag zu Sicherheit und Stabilität und zu einem friedlichen und partnerschaftlichen Zusammenleben der Völker. ({0}) Die sowjetischen Truppen in den fünf neuen Bundesländern und in den östlichen Stadtbezirken von Berlin - noch heute etwa 380 000 Mann, zusammen mit den Familienangehörigen etwa 600 000 sowjetische Bürger - werden bis Ende 1994 in ihre Heimat zurückgekehrt sein. Noch vor einem Jahr hätte niemand in diesem Hohen Hause vorauszusagen gewagt, daß wir heute ein solches Zustimmungsgesetz beraten werden. ({1}) Ich frage mich, wie die Besetzung in diesem Hohen Hause gewesen wäre, wenn vor einem Jahr eine Regierungserklärung zum Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus Deutschland abgegeben worden wäre. ({2}) Ich sage das, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit wir uns gelegentlich wieder bewußt werden, welche Schritte wir in Wahrheit tun, was sich in Europa grundlegend verändert hat und welchen Beitrag unser großer östlicher Nachbar dazu leistet. ({3}) Der befristete Aufenthalt der sowjetischen Truppen und ihre planmäßige etappenweise Heimkehr erfolgen im gegenseitigen Einvernehmen. Für die verbleibende Zeit ihrer Anwesenheit in der Bundesrepublik Deutschland sind die sowjetischen Soldaten und Bürger Gäste auf unserem Territorium; sie sind keine Besatzungstruppen. Sie haben sich zur Achtung unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung und zur Befolgung unserer Gesetze verpflichtet. Das, Herr Kollege Voigt, ist auch die Antwort auf die Frage, die Sie gestellt haben: Niemand steht außerhalb unserer Gesetze, in welcher Funktion immer er sich auf deutschem Boden aufhält. ({4}) Es ist bezeichnend für den neuen und guten Stand der deutsch-sowjetischen Beziehungen, daß es gelungen ist, diesen wichtigen Vertrag innerhalb kurzer Zeit fertig zu verhandeln. Er enthält eine Fülle von detaillierten Regelungen für alle mit dem Aufenthalt und dem Abzug der sowjetischen Truppen zusammenhängenden Fragen. Es ist nur natürlich, daß bei einer so komplexen Materie nicht alle Fragen voll in unserem Sinne geregelt werden konnten. Dennoch war für uns unverzichtbar, daß Todesurteile sowjetischer Militärbehörden nicht auf deutschem Boden vollstreckt werden. Wir werden darüber hinaus in Gesprächen mit der sowjetischen Seite darum bemüht bleiben, zu erreichen, daß sowjetische Militärbehörden auf unserem Territorium auch keine Todesurteile verhängen. Die Verhandlungen haben in einer aufgeschlossenen und von beiderseitigem Verständnis geprägten Atmosphäre stattgefunden. Der Geist, der diese Verhandlungen geleitet hat, muß auch die praktische Durchführung dieses Vertrages bestimmen. Wir wollen - wie es in der Präambel des Vertrages heißt -, daß der befristete Aufenthalt sowjetischer Truppen und ihr endgültiger Abzug aus dem Aufenthaltsgebiet zu einer vertrauensbildenden Maßnahme zwischen Deutschland und der Sowjetunion, zwischen deutschen und sowjetischen Bürgern wird. Beide Seiten haben sich verpflichtet, sich bei der Durchführung des Vertrages gegenseitig zu unterstützen und eng zusammenzuarbeiten. Die qualitativ neuen Beziehungen zwischen unseren Staaten und Völkern müssen sich auch bei der Bewältigung dieser Aufgabe bewähren. Seit dem 3. Oktober dieses Jahres sehen sich die sowjetischen Bürger in ihrem Aufenthaltsgebiet einer ihnen noch weitgehend fremden Rechts-, Wirtschafts-und auch Gesellschaftsordnung gegenüber. Die Umstellung darauf wird nicht leicht sein. Die sowjetischen Soldaten und ihre Familienangehörigen bedürfen in dieser für sie neuen Lage persönlicher und menschlicher Zuwendung und Unterstützung von allen Seiten. ({5}) Ich denke, daß wir hier gemeinsam eine wichtige Aufgabe deutschsowjetischer Verständigung sehen sollten. Auch das kann zu einer vertrauensbildenden Maßnahme zwischen Deutschen und Bürgern der Sowjetunion werden. Es wird auch notwendig sein, daß die Führung der sowjetischen Streitkräfte ihren Soldaten bei der Einstellung auf diese neue Umgebung zur Seite steht. Es wird von beiden Seiten ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und Verständnis verlangt, damit Anpassungsschwierigkeiten rasch überwunden werden können. Wir dürfen diese Frage nicht in die Hand der falschen Leute geraten lassen. Das könnte für die deutsch-sowjetischen Beziehungen Gift sein. ({6}) Wir möchten, daß die sowjetischen Bürger unser Land mit guten Erinnerungen verlassen können. Die Bundesregierung ist bei der Durchführung dieses Vertrages zu enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit allen sowjetischen Stellen bereit. Wir wollen Probleme, die auftauchen, gemeinsam lösen. Außenminister Schewardnadse und ich haben verabredet, daß wir uns dieser so wichtigen Aufgabe für die deutsch-sowjetischen Beziehungen gemeinsam annehmen werden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend einen zweifachen Dank sagen: zum einen an die sowjetische Regierung für ihr Einverständnis, die bis zum 2. Oktober 1990 vereinbarten VertragsbeBundesminister Genscher Stimmungen mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 durch einen Notenwechsel anzuwenden, um einen rechtlosen Zustand zu vermeiden; zum anderen den Mitgliedern des Hohen Hauses, aber auch dem Bundesrat für die Bereitschaft zu einem beschleunigten Zustimmungsverfahren, damit die Ratifizierung dieses für uns und für die deutsch-sowjetischen Beziehungen so wichtigen Vertrages noch in dieser Legislaturperiode stattfinden kann. Ich danke Ihnen. ({7})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Roth ({0}).

Adolf Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001889, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das zweite Ratifizierungsgesetz, der Entwurf zum deutsch-sowjetischen Überleitungsabkommen, behandelt vorrangig die finanziellen Aspekte im Zusammenhang mit dem befristeten Aufenthalt und dem bis spätestens 1994 vorgesehenen endgültigen Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland. Es geht dabei um Finanzierungsbeiträge und um Zinsaufwendungen in einer Gesamthöhe von 13,5 Milliarden DM. Das ist bei angespannter Haushaltslage sicherlich eine beträchtliche Summe. Aber ich denke, dieses Geld ist gut angelegt; denn 1994 werden nach 50 Jahren keine sowjetischen Soldaten mehr auf deutschem Boden stehen. Der Vertrag mit der Sowjetunion und das Abkommen über die Finanzfragen schaffen in der Substanz einen fairen Interessenausgleich zwischen den beiden Partnern im Zusammenhang mit der Verwirklichung unserer nationalen Einheit. Diese und die weiteren Abmachungen sind wichtige Elemente der umfassenden Neugestaltung unserer Beziehungen zur Sowjetunion. Sie bringen Zuversicht und Hoffnungen für die Menschen beider Staaten und für die Völker Europas. Unter Einschluß des Zivilpersonals und der Angehörigen werden bis spätestens 1994 rund 600 000 Sowjetbürger Deutschland verlassen. Unser Dank gilt dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow, der durch seine mutige Politik der Öffnung und der Umstrukturierung dies mit ermöglicht hat. Ich bitte Sie aber um Verständnis, wenn ich an dieser Stelle und bei diesem Ratifizierungsgesetz auch einen Dank an den Bundesfinanzminister Theo Waigel und an seinen Staatssekretär Horst Köhler ausspreche. ({0}) Das Abkommen und die Finanzleistungen der Bundesrepublik Deutschland sind zugleich ein wichtiger Beitrag für die marktwirtschaftlichen Reformen in der Sowjetunion, die auch ausdrücklich angesprochen sind. Gerade wir Deutschen haben ein elementares Interesse am Fortgang und Erfolg dieser wirtschaftlichen Erneuerung. Die 13 Milliarden DM sind deshalb auch eine Investition in unsere gemeinsame friedvolle Zukunft. Sie helfen, Brücken für breite Felder einer engeren Zusammenarbeit in Europa zu bauen. ({1}) Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Abkommens möchte ich auf den Ausschußbericht verweisen. Es geht um einen Finanzbeitrag aus dem Bundeshaushalt in Höhe von 12 Milliarden DM, wobei der Schwerpunkt mit 7,8 Milliarden DM beim vorrangig anzugehenden Wohnungsbauprogramm im europäischen Teil der Sowjetunion liegt, um dort Wohnraum für die abziehenden Soldaten zu schaffen. Insgesamt sind rund 72 000 Wohnungen vorgesehen. Wir werden uns an der Finanzierung etwa hälftig beteiligen. 3 Milliarden DM wird der Beitrag zu den Aufenthaltskosten in den Jahren 1991 bis 1994 betragen, wofür eigens ein D-Mark-Überleitungsfonds geschaffen worden ist. 200 Millionen DM werden unser Beitrag für die Ausbildung und Umschulung der abziehenden Soldaten sein. Ich glaube, an diesem Punkt wird deutlich, wie wichtig die künftige Zusammenarbeit auch auf ökonomischem Gebiet sein wird. Schließlich darf ich darauf verweisen, daß die 1 Milliarde DM, die für die Deckung der tarifgemäß abzurechnenden Transportkosten im Zusammenhang mit dem Abzug der sowjetischen Streitkräfte aufzubringen sind, auch in unserem eigenen Interesse liegt, und zwar nicht nur, um auf diese Weise etwaige Verzögerungen im technischen Ablauf zu vermeiden, sondern auch, um die Belastungen der Umwelt und Schäden an der Verkehrsinfrastruktur in den östlichen Bundesländern so gering wie möglich zu halten. Meine Damen und Herren, 3 Milliarden DM zinslos bundesverbürgter Finanzkredit mit einer Laufzeit von fünf Jahren werden uns darüber hinaus in den nächsten Jahren mit 1,5 Milliarden DM Zinsbelastungen in Anspruch nehmen. Dafür sind Verpflichtungsermächtigungen eingestellt. Über die politische Bewertung dieses Abkommens hinaus ist es für uns als Haushaltsgesetzgeber bedeutsam, daß es sich bei diesem Vertragswerk um eine abschließende Regelung mit verbindlichem Finanzrahmen handelt. Es werden gemäß Art. 5 Umschichtungen im Rahmen der Gesamtsumme möglich sein, allerdings nicht zu Lasten des Wohnungsbauprogramms, für dessen Abwicklung eine Kommission die Verantwortung tragen wird. Über die Feststellung und Verwertung von Vermögenswerten, die der Sowjetunion aus den Liegenschaften des derzeitigen Aufenthaltsgebietes zuzurechnen sind, wird eine paritätisch besetzte Kommission nach Beendigung des Truppenabzugs befinden. Soweit die Restwerte höher sind als die festgestellten Schäden und Altlasten, stehen die Verwertungserlöse dann der Sowjetunion zu. Die Fraktion der CDU/CSU verkennt nicht die Schwierigkeiten, die mit der Umsetzung dieses bedeutsamen Abkommens verbunden sind, namentlich in den die Wirtschaft betreffenden Passagen der Art. 6 und 8. Im Blick auf die grundlegende Neugestaltung unserer Beziehungen zur Sowjetunion nach der Vollendung der deutschen Einheit betrachten wir jedoch das Erreichte mit großer Genugtuung. Wir bewerten die Ergebnisse uneingeschränkt positiv und danken den beiden Regierungen. Roth ({2}) Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Ratifizierungsgesetz zu. ({3})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Kamilli.

Karl August Kamilli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR über die Bedingungen des befristeten Aufenthaltes und die Modalitäten des planmäßigen Abzuges der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sowie das Abkommen über einige überleitende Maßnahmen sind Teil eines Vertragswerkes, das Deutschland nach nunmehr 45 Jahren endlich wieder zu einem souveränen Staat werden läßt. Darüber sind wir Sozialdemokraten froh. ({0}) Ich möchte deshalb noch einmal bekräftigen, was der Bundesaußenminister sagte: Es sind eigentlich Sternstunden deutscher Politik und Geschichte, die durch diese Abkommen, die wir vor halbleerem Hause und ziemlich emotionsfrei behandeln, markiert werden. ({1}) Daher gilt mein Dank eigentlich all jenen, die das Abkommen möglich gemacht haben. Ich möchte hier vor allen Dingen Willy Brandt nennen, der durch seine neue Ostpolitik die Grundlagen hierfür gelegt hat. Ich möchte Helmut Schmidt nennen, der mit seiner Bemühung, die Schlußakte von Helsinki durchzusetzen, einen Prozeß der Öffnung in Gang setzte und die Abgrenzungsstrategie der ehemaligen DDR-Führung durchbrach. ({2}) Ich denke auch - das ist schon oft erwähnt worden - an Michail Gorbatschow, der verhinderte, daß Panzer erneut die deutsche Geschichte, d. h. die Entwicklung in der DDR bestimmen. Ich denke ferner an die Bürgerbewegungen in der DDR, die letztlich das möglich gemacht haben, was geschehen ist. ({3}) In diesem Zusammenhang möchte ich auch der Bundesregierung meinen Dank aussprechen. Sie hat die sich bietenden Möglichkeiten entschlossen für die Vollendung der staatlichen Vereinigung genutzt. Unsere Kritik an der Art und Weise, wie dies geschah, bleibt allerdings bestehen. ({4}) Ebenso kann ich mich nicht damit einverstanden erklären, wie diese Abkommen zustande gekommen sind. Der Chef des Bundeskanzleramts hat empfohlen - so hieß es in einem ersten Entwurf zu den Abkommen mit der Sowjetunion - , Vertreter aus der DDR grundsätzlich nicht an den Verhandlungen mit der Sowjetunion zu beteiligen. ({5}) Das Auswärtige Amt und Herr Genscher sind dieser Empfehlung vorbehaltlos gefolgt. Nun sind sowohl der Stationierungsvertrag als auch das Abkommen über einige überleitende Maßnahmen eine durchaus fleißige Arbeit vieler Beamter, die juristische, finanzielle und praktische Fragen regeln. Aber die Hauptsache, nämlich wie die Umsetzung in die Praxis erfolgen soll und was für den Fall eintritt, wenn die Vertragsbedingungen von einer Seite nicht eingehalten werden, ist völlig ungenügend behandelt. Gerade in diesem entscheidenden Punkt, der das Verhältnis zwischen den sowjetischen Truppen und der Bevölkerung berührt, ergeht man sich weitgehend in Unverbindlichkeiten. Genau hier aber liegen die Schwierigkeiten. Von ihnen hat man sich offenbar im Auswärtigen Amt nur unscharfe Vorstellungen machen können. Ich weiß als Vorsitzender des Ausschusses für Abrüstung und Verteidigung der Volkskammer, wovon ich spreche; denn wir haben gerade diesen Komplex sehr ausführlich behandelt. Ich hatte genügend Gelegenheit, die Probleme, die mit diesem Thema in Zusammenhang stehen, zu studieren. ({6}) - Nein. Ich habe die Menschen dort vermutlich besser kennengelernt als Sie. Die Probleme sind nicht klein; es fängt an bei den finanziellen und materiellen Problemen und geht hin bis zu psychologischen, rational kaum zu erfassenden. Natürlich müssen wir in diesem Zusammenhang auch über Geld reden. Grundsätzlich ist das, was wir für diesen Zweck ausgeben, gut angelegt. Das ist die Meinung der Sozialdemokraten schlechthin. Wir wären jedoch eine schlechte Opposition, wenn wir den Finger nicht auf jeden einzelnen Posten legten. Wir möchten z. B. anmahnen, daß die Länder und Gemeinden, wie im Gesetzentwurf niedergelegt, durch die Ausführung des Gesetzes nicht mit Kosten belastet werden. ({7}) Wir möchten gesichert haben und werden unser besonderes Augenmerk darauf legen, daß die Räumung der freiwerdenden Objekte, die sehr häufig tatsächlich in einem äußerst problematischen Zustand sind, und ihre Übergabe in einer Art und Weise erfolgt, daß eine weitere Nutzung dieser Objekte umgehend möglich wird. Wir möchten weiter dafür sorgen, daß die Unterkünfte der abziehenden Truppen der Sowjetunion mit unserer Hilfe durch die Bevölkerung genutzt werden können. Hierzu wurde schon einiges Wesentliche gesagt. Ganz besonders wenden wir uns der Problematik der Ausbildung und Umschulung der sowjetischen Soldaten zu. In Art. 4 Abs. 3 des Abkommens betreffend einige überleitende Maßnahmen heißt es dazu, daß „alle Programme und Projekte für die Ausbildung und Umschulung ... in der Regel auf dem Gebiet der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken durchgeführt" werden. Hier hätte das Abkommen nach unserer Meinung ergänzt werden müssen; denn gerade auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stehen an sich genügend Kapazitäten für die Umschulung zur Verfügung. Wir haben genügend russisch sprechende Lehrer. Wir haben Unternehmen, die die Umschulung in Gang setzen können, und wir hätten auch Kapazitäten, um die demobilisierten Soldaten für den Zeitraum der Umstellung unterzubringen. Das hätte einen zweifachen positiven Effekt: Wir hätten den Abzug der sowjetischen Truppen in die Sowjetunion verzögern und hätten damit die Unterbringungsprobleme verringern können. Vor allen Dingen könnten wir die abziehenden sowjetischen Soldaten zu Botschaftern des neuen Deutschlands machen, vielleicht auch zu Botschaftern der Marktwirtschaft, wenn ihnen das besser gefällt. ({8}) - Ich meine das Deutschland, dem wir alle angehören. Eine gemischte Arbeitsgruppe, wie sie in Art. 4 Abs. 5 anvisiert wird, reicht für meine Begriffe allein nicht aus, um alle Einzelheiten für die Durchführung der Ausbildungs- und Umschulungsprogramme zu klären. Hier sollten jeweils Regierungsbeauftragte eingesetzt werden, die, mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet, in der Lage sind, schnell, unbürokratisch und kurzfristig tätig zu werden, und zwar bei allen anstehenden Fragen, die sich aus der Umsetzung des Gesetzes ergeben. Eine gemischte Arbeitsgruppe könnte darüber hinaus regelmäßig, möglichst einmal pro Monat, tagen. Dies kann in gesonderten Vereinbarungen noch festgelegt werden. Auch sollte das Parlament regelmäßig über den Fortgang der Arbeiten informiert werden. Gestatten Sie mir abschließend noch einige Worte zu Art. 8 des Gesetzes bezüglich einiger überleitender Maßnahmen. Sie betreffen die Einstellung der Geschäftstätigkeit der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut mit Wirkung vom 1. Januar 1991. Zum anderen beziehen sie sich auf die Arbeit einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der Aktionäre der SDAG hinsichtlich der Regelung jener Fragen, die mit der Einstellung der Geschäftstätigkeit zusammenhängen. Wohlgemerkt, es geht um die Einstellung der Geschäftstätigkeit der SDAG. Obwohl Umweltminister Töpfer schon vor geraumer Zeit die Stillegung des Uranabbaus in Aussicht stellte, ist bis zum heutigen Datum nichts Genaues darüber bekannt, wie die Stilllegung erfolgen soll. Es gibt ebensowenig Angaben darüber, was die in Art. 8 genannte gemeinsame Arbeitsgruppe der Aktionäre der SDAG regeln wird, welche Geschäfte weitergeführt bzw. von der Bundesrepublik übernommen werden sollen. Ich bin von Beruf Geophysiker und kenne die Wismut nur als einen nach außen völlig abgeschotteten Firmenkomplex. Alles, was dort geschah, unterlag einer vollständigen Geheimhaltung. Die Offenlegung aller Probleme ist deswegen ein dringendes Gebot. Ich glaube, hier ist die Bundesregierung ganz entscheidend gefordert. Es erhebt sich z. B. die Frage, ob die Bundesregierung mit der Wismut, nachdem in den alten Bundesländern der Uranabbau in Menzenschwand ausgelaufen ist und die Uranverarbeitung in Eilweiler beendet werden mußte, eine Kompensation für Uranabbau und Verarbeitung schaffen will. Ich denke, hier ist die Bundesregierung Antworten schuldig geblieben, zumal für die Bürgerinnen und Bürger in der Umgebung der Wismut viele Probleme ungelöst sind. Die Wismut bedeutet nicht nur Umwelt- und Gesundheitsbelastungen, sondern auf der anderen Seite natürlich auch Arbeitsplätze. Bemüht sich die Bundesregierung, dies in Zeiten des Wahlkampfes vielleicht lieber unausgesprochen zu lassen? Diese Frage stellt sich für mich. Wir Sozialdemokraten werden darauf achten, daß die Öffentlichkeit über alle Schritte der Regierung informiert wird. Meine Damen und Herren, die Zukunft der Beziehungen zur Sowjetunion wird in einem starken Maße von der Art und Weise beeinflußt werden, wie wir diese verbleibenden vier Jahre nutzen und wie wir in diesen verbleibenden vier Jahren die Beziehungen zwischen den sowjetischen Streitkräften und der Bevölkerung gestalten werden. Wir Sozialdemokraten werden unser Möglichstes tun, ein gutes Fundament für diese Beziehungen zu legen. Danke. ({9})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Staatssekretär Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende Abkommen mit der Sowjetunion zu überleitenden Maßnahmen regelt die finanziellen Fragen abschließend. Dies ist für eine solide Finanzpolitik wichtig. Das Überleitungsabkommen ist Bestandteil des umfassenden deutsch-sowjetischen Vertragswerkes, zu dem auch der Vertrag über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen gehört. Die Verträge über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit und über die Entwicklung einer umfassenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik sollen in Kürze unterzeichnet werden. Zusammen mit dem Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland leistet dieses Vertragswerk einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der Teilung Deutschlands. Nach dem Überleitungsabkommen wird die Bundesrepublik für die Jahre 1991 bis 1994 einen Finanzrahmen von insgesamt 12 Milliarden DM aus dem Haushalt bereitstellen sowie der UdSSR einen zinslosen Kredit in Höhe von 3 Milliarden DM mit einer Laufzeit von fünf Jahren ermöglichen. Der Kollege Roth hat bereits auf die Kosten von 1,5 Milliarden DM an Zinsen hingewiesen. Das Abkommen legt fest, daß mit der Auszahlung der vereinbarten Beträge die deutschen Leistungen für den befristeten Aufenthalt und den Abzug der sowjetischen Streitkräfte erbracht sind. Der deutsche Finanzbeitrag im Zusammenhang mit dem Abzug der sowjetischen Truppen ist damit klar kalkulierbar. Das Überleitungsabkommen schafft aber auch die Voraussetzungen dafür, daß die sowjetischen Streitkräfte bis spätestens Ende 1994 das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit einer positiven Perspektive verlassen können. Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt des Abkommens bei dem Wohnungsbauprogramm für die zurückkehrenden sowjetischen Soldaten und ihre Familien, für das in Art. 3 des Abkommens der größte Teil des Finanzbeitrages, nämlich 7,8 Milliarden DM, vorbehalten sind. Die Verwirklichung dieses Wohnungsbauprogramms sowie die ebenfalls vorgesehene deutsche Finanzhilfe von 200 Millionen DM für Ausbildungs-und Umschulungsprogramme - der Kollege Roth hat auch darauf schon hingewiesen - werden die Rückkehr der Soldaten in ihre Heimat erleichtern. Durch den vorgesehenen Einsatz eines Lenkungsausschusses für den Wohnungsbau und einer gemischten deutsch-sowjetischen Arbeitsgruppe für das Ausbildungsprogramm sind wirksame Vorkehrungen für den zweckgerichteten Einsatz des deutschen Finanzbeitrages getroffen worden. Auch das ist sehr wichtig. Beim Wohnungsbauprogramm werden wir bestrebt sein, die vorgesehenen Mittel zweckgerichtet einzusetzen und damit den Bau möglichst vieler Wohnungen zu ermöglichen. Dabei muß verhindert werden, daß wertvolle Mittel irgendwo versickern. Wir streben auch an, Baukapazitäten in den beigetreten fünf Bundesländern hierfür zu nutzen. ({0}) Insgesamt leistet die Bundesregierung mit den Abkommen einen weiteren konkreten Beitrag im Rahmen der internationalen Bemühungen, der Sowjetunion bei der Überwindung ihrer wirtschaftlichen Probleme zu helfen. Ich danke Ihnen. ({1})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Vertragsgesetzentwurf auf den Drucksachen 11/8154 und 11/8324. Ich rufe das Gesetz mit seinen Art. 1 bis 6, Einleitung und Überschrift auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das Gesetz ist bei einigen Enthaltungen aus der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS und bei einer Enthaltung aus der CDU/CSU-Fraktion angenommen. Wir kommen dann zur Abstimmung über den Vertragsgesetzentwurf auf den Drucksachen 11/8153 und 11/8261. Ich rufe das Gesetz mit seinen Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das Gesetz ist bei einigen Enthaltungen aus der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und einer Enthaltung aus der CDU/CSU-Fraktion angenommen. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ehmke ({1}), Heistermann, Horn, Erler, Fuchs ({2}), Gerster ({3}), Dr. Klejdzinski, Kolbow, Koschnick, Leonhart, Steiner, Zumkley, Dr. von Bülow, Gansel, Dr. Götte, Kühbacher, Leidinger, Nagel, Opel, Dr. Scheer, Schulte ({4}), Voigt ({5}), Wiefelspütz, Walther, Dr. Ahrens, Dr. Struck, Dr. Hauchler, Börnsen ({6}), Dr. Niehuis, Würtz, Faße, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Überprüfung und Aufhebung des SoltauLüneburg-Abkommens zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Lippelt ({7}) und der Fraktion DIE GRÜNEN Überprüfung und Aufhebung des SoltauLüneburg-Abkommens - Drucksachen 11/5665, 11/6804, 11/7958 Berichterstatter: Abgeordnete Heistermann Kossendey Hierzu liegen Änderungsanträge vor. Zu einem dieser Änderungsanträge ist namentliche Abstimmung verlangt worden. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung 30 Minuten vorgesehen. Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist dies beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Heistermann.

Dieter Heistermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000854, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Verteidigungsausschuß hat in der Sitzung vom 20. Juni 1990 den Antrag der SPDFraktion vom 14. November 1989 zur Überprüfung und Aufhebung des Soltau-Lüneburg-Abkommens mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP abgelehnt. Ziel unseres Antrages war es, mittelfristig die Reduzierung und längerfristig die Beendigung aller militärischen Übungen der britischen Rheinarmee auf dem Gebiet des Soltau-Lüneburg-Abkommens herbeizuführen. In seiner Beschlußempfehlung fordert der Verteidigungsausschuß die Bundesregierung zum 1 000. Mal auf, den jetzt entstandenen Handlungsspielraum gegenüber Großbritannien zur weiteren Verringerung der Belastungen für die Bevölkerung aus militärischen Übungsaktivitäten zu nutzen. Der betroffenen Bevölkerung hängt diese Beschwichtigungsformel zum Halse heraus. ({0}) Diese haben sie in all den Jahren dutzendweise schlucken müssen. Ich möchte nicht verschweigen, daß zumindest eine wichtige Forderung des SPD-Antrages übernommen wurde. Sie besagt, daß Ausbildungs- und Übungsmaßnahmen der britischen Rheinarmee wie bei den übrigen NATO-Partnern in das System der dafür vorbehaltenen Einrichtungen und Truppenübungsplätze verlegt werden sollen. Aus der Sicht der Sozialdemokraten läßt sich dennoch nur ein negatives Fazit ziehen. Die von der Regierungskoalition verabschiedete Beschlußempfehlung ({1}) bleibt nämlich weit hinter den detaillierten Forderungen des SPD-Antrages zurück. Wieder einmal wird den berechtigten Forderungen weiter Bevölkerungsanteile in der Region Soltau/Lüneburg, die seit Jahren durch militärische Übungen in fast unerträglichem Maße in Mitleidenschaft gezogen werden, nicht Rechnung getragen. Wieder einmal werden - und dies ist angesichts der augenblicklichen, aus der Auflösung des Ost-West-Konflikts hervorgegangenen Möglichkeiten um so betrüblicher - wertvolle Chancen verspielt. Ich frage Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition: Wie läßt es sich miteinander verbinden, daß auf der einen Seite um Verständnis für militärischen Übungsbetrieb geworben wird, während auf der anderen Seite die Interessen der Menschen in unverantwortlicher Weise übergangen werden? ({2}) Was hindert Sie eigentlich daran, die Interessen der deutschen Bevölkerung gegenüber der britischen Rheinarmee zu vertreten? Dafür gibt es keine nachvollziehbaren Gründe. ({3}) Sie wissen, die Region Soltau/Lüneburg ist, militärisch gesehen, besonders belastet. ({4}) Keiner anderen Region im Bundesgebiet wird auch nur annähernd eine solche Fülle an militärischer Gesamtbelastung auferlegt. ({5}) - Dann ziehen Sie wenigstens die Konsequenzen, Kollege Nolting. ({6}) Von den Truppenübungsplätzen Munster-Süd, Munster-Nord und Bergen gehen Gefährdungen für die Bevölkerung aus, welche die Grenze zum Unerträglichen hin überschreiten, sei es durch Scharfschießen, sei es durch massiven Verkehr mit Kettenfahrzeugen. Wie lange wollen Sie es dulden, daß der einzige militärische Übungsraum in Europa, der zivil bewohnt wird, in unverantwortlicher Weise weiter so genutzt wird? ({7}) Wollen Sie der Bevölkerung weiterhin zumuten, daß Panzerkolonnen bei Tag und Nacht Ortschaften durchfahren, daß weite Teile der Naturschutz- und Fremdenverkehrsgebiete unter riesiger Staubentwicklung von den Ketten der Panzer in wahre Mondlandschaften verwandelt werden, daß Kanonendonner die Gebäude in weitem Umkreis erzittern läßt und daß Tiefflugübungen die Lärmbelastung drastisch erhöhen? Die Bundesregierung verweilt seit Jahren in unverantwortlicher Abwartehaltung. Wen wundert es da, daß sich die Menschen im Raum Soltau/Lüneburg im Stich gelassen fühlen? Wir brauchen durchgreifende Maßnahmen, die diesen unhaltbaren Zustand endlich beenden. Vergessen wir nicht, das Soltau-LüneburgAbkommen ist ein Produkt des Kalten Krieges. Was liegt näher, als von den Produkten des Kalten Krieges Abschied zu nehmen? ({8}) Unser Antrag zur Überprüfung und letztendlichen Aufhebung des Soltau-Lüneburg-Abkommens wollte diesem Ziel gerecht werden. Er war das Ergebnis eines intensiven Meinungsaustauschs mit den betroffenen Bürgern und Bürgerinitiativen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder bereits Ende September eine Bundesrats-Initiative des Landes Niedersachsen mit dem Ziel der Aufhebung des Soltau-Lüneburg-Abkommens angekündigt hat. Ich erwähne hier: Erfreulich ist, daß auch die CDU-Opposition im niedersächsischen Landtag eine Bleichlautende Forderung erhoben hat. ({9}) Warum, frage ich Sie, schließt sich die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP dieser Forderung eigentlich nicht an? Reden Sie in Niedersachsen anders als hier im Deutschen Bundestag? Ich appelliere an die niedersächsischen Freien Demokraten und Christdemokraten, hier so abzustimmen, wie die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten es von Ihnen erwartet. ({10}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte abschließend die Bitte an Sie richten, der Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses in ihrer jetzigen Fassung nicht zuzustimmen und sich dem Antrag der SPD-Fraktion anzuschließen. Die soeben wiedererlangte Souveränität, zu der das SoltauLüneburg-Abkommen teilweise in krassem Widerspruch steht, eröffnet uns in den Verhandlungen mit den britischen Streitkräften vollkommen neue Chancen, und diese gilt es zu nutzen. Deshalb stellen wir auf Drucksache 11/8361 einen Änderungsantrag zur Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses. In ihm wird die Bundesregierung aufgefordert, von der Regierung des Vereinigten Königreichs eine Überprüfung des Soltau-Lüneburg18514 Abkommens mit dem Ziel seiner Aufhebung zu verlangen. Die Ausbildungs- und Übungsvorhaben der britischen Rheinarmee sind danach unverzüglich in das System der dafür vorbehaltenen Einrichtungen und Truppenübungsplätze einzugliedern. Der von der Koalition eingebrachte Antrag, der nur die Verringerung der militärischen Belastungen zum Ziel hat, reicht bei weitem nicht aus. ({11}) Sie springen mit diesem Antrag wieder zu kurz. Ich denke, daß die Bevölkerung im Raum SoltauLüneburg vor dieser Bundestagswahl auch noch einmal zur Kenntnis nehmen wird, wie Sie zu Hause reden und wie Sie hier abstimmen. ({12}) Wir möchten Ihnen aber die Chance geben, von Ihrem unglücklichen Antrag abzukommen. Deshalb sollte die Initiative der SPD-Fraktion Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dazu ermutigen, eine konstruktive Lösung anzustreben und zu ermöglichen. Ich bitte Sie also, dem Antrag der SPD-Fraktion zuzustimmen. ({13})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Hedrich. ({0})

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Heistermann, daß Sie ausgerechnet in solchem Zusammenhang den niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder zitieren, der ja Herrn Honecker als einen besonders ehrenwerten Mann bezeichnet hat, ({0}) finde ich äußerst merkwürdig. Das würde ich mir doch verkneifen. ({1}) Auf der anderen Seite, lieber Herr Kollege Heistermann besteht, glaube ich, Übereinstimmung darüber, daß die Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses vom 20. Juni dieses Jahres ({2}) den politischen Entwicklungen der letzten Wochen entsprechend interpretiert werden muß. ({3}) Erstens. Die Zügigkeit der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen erlaubt und erfordert eine raschere Umsetzung der vollständigen Wiederherstellung der deutschen Souveränität. Zweitens. Dies läßt keinen Raum mehr für Sonderrechte alliierter Truppen. Dies gilt insbesondere für das Soltau-Lüneburg-Abkommen. In diesem Zusammenhang hatten wir durchaus Verständnis für die Vereinbarung zwischen der britischen und der deutschen Regierung, in beschränktem Maße Tiefflüge unter 300 Metern zuzulassen. Dies war wegen der Dislozierung in den Golf erforderlich und eine einmalige Ausnahmegenehmigung. Ansonsten begrüße ich mit Nachdruck die Mitteilung des britischen Botschafters Sir Christopher Mallaby, daß die Royal Air Force der von Bundesverteidigungsminister Dr. Stoltenberg bekanntgegebenen neuen Mindestflughöhe Rechnung tragen wird. Drittens. Ich nutze die Gelegenheit, als Niedersachse und Abgeordneter aus der Lüneburger Heide ({4}) unseren Verbündeten für ihren Beitrag zur Friedenssicherung im Rahmen des NATO-Bündnisses Dank zu sagen. ({5}) Mancher Zeitgenosse hat in dieser Frage ein sehr, sehr kurzes Gedächtnis. Viertens. Britische Streitkräfte sind auch in der Zukunft bei uns willkommen. Dies gilt vor allem für den Landkreis Celle. Ich wiederhole hier meinen schriftlichen Vorschlag an das Bundesverteidigungsministerium, bei der Reduzierung der britischen Streitkräfte dieselben in Bergen-Hohne zu konzentrieren. ({6}) Bei einer wahrscheinlichen Rückführung der holländischen Truppen in die Heimat wäre die technische Infrastruktur dafür mehr als günstig. Dies gilt nicht zuletzt auch für ein ausreichendes Angebot an Wohnungen für die Familien. Eine solche Zusammenziehung würde auch den Vorstellungen der Bundesregierung entsprechen, die übenden Verbände weitestgehend auf die Truppenübungsplätze zu verweisen. ({7}) Fünftens. Ein solches Vorgehen macht die Beibehaltung des Soltau-Lüneburg-Abkommens überflüssig. Die Bevölkerung in Soltau-Fallingbostel und in den benachbarten Landkreisen hat einen Anspruch darauf, daß die Phase der Belastung, die sie gut dreißig Jahre durch Einsicht in die Notwendigkeit getragen hat, nunmehr beendet wird. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion geht deshalb davon aus, daß die Bundesregierung mit diesem Ziel unverzüglich Verhandlungen mit der Regierung des Vereinigten Königreiches führen wird. Ich bedanke mich. ({8})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster hat der Abgeordnete Herr Lippelt das Wort.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Beschlußempfehlung, die uns heute vorliegt, ist überholt. Wir Dr. Lippelt ({0}) brauchen nicht mehr, wie es dort heißt, in Erwartung der Zwei-plus-Vier-Gespräche unsere Entscheidung zu treffen. Das Ergebnis der Zwei-plus-Vier-Gespräche liegt vor! ({1}) Es beinhaltet zusammen mit den Zahlen für die NVA in etwa die Halbierung der Truppenstärken. Es liegt auch - Herr Hedrich, viel weitergehend, als Sie im Moment die Engländer zitieren - der Kabinettsbeschluß der englischen Regierung vom 25. Juli vor, demzufolge die britische Rheinarmee in der Bundesrepublik bis 1995 von derzeit 57 000 auf 20 000 bis 25 000 Mann verringert werden soll. ({2}) Da ist es nun wirklich an der Zeit, die größte Anomalie unter den militärischen Belastungen, die wir in der Bundesrepublik haben, zu beenden, ({3}) nämlich einen von Zivilbevölkerung - etwa 26 000 Menschen - bewohnten Truppenübungsplatz, 40 Kilometer lang, 10 Kilometer breit, wo Menschen wohnen, wo sie arbeiten, wo sie auf den Straßen Panzern begegnen, wo es zu schweren Unfällen kommt, denn Panzer sind dort Verkehrsteilnehmer. Die Prozedur hierfür liegt vor. Art. 82 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut besagt, daß jederzeit auf Antrag einer Seite die Vertragspartner innerhalb von drei Monaten zusammenkommen müssen, um Beschwernisse abzustellen. Deshalb: Machen Sie Gebrauch davon, und stellen Sie dieses Beschwernis eines bewohnten Truppenübungsplatzes ab! ({4}) Meine Damen und Herren, auch die Koalitionsparteien sollten sich dazu durchringen, unserem Änderungsantrag zu folgen; denn dieser folgt wiederum nur dem Antrag der FDP-Fraktion aus dem niedersächsischen Landtag, ({5}) dem ersten Antrag, den die FDP gestellt hat, nachdem sie von den weichen Bänken der Regierung auf die harten Bänke der Opposition gewechselt ist. ({6}) - Darauf komme ich gleich. - Ich zitiere jetzt aus diesem Antrag. Der Antrag lautet: „Die Politik der Landesregierung ist künftig konsequent danach auszurichten, daß militärische Belastungen drastisch reduziert werden. Die Planungen der bisherigen Landesregierung" - damit war die alte Regierung Albrecht gemeint - „sind weiter zu intensivieren. " Es ist also weiterzugehen, als Sie, die Sie noch auf dem Stand von Albrecht sind, es wollen. Deshalb wird in Punkt 3 speziell dazu aufgefordert, bei der Bundesregierung darauf hinzuwirken, zügig Verhandlungen mit dem Ziel der Kündigung des Soltau-LüneburgAbkommens aufzunehmen. ({7}) Da haben Sie das Wort „Kündigung", um das Sie hier immer herumeiern. ({8}) Nun kann man ja sagen: Kaum wechselt die FDP die Seite, schon nimmt sie den Mund voll. ({9}) Man kann auch sagen: Im Land reden Sie so, in Bonn reden Sie anders. ({10}) Ich will das gar nicht, sondern ich sage: Die FDP in Niedersachsen, also vor Ort, kennt die Verhältnisse genau und weiß genau, was die Leute wollen. Deshalb ist sie realistisch. Hier im Bundestag schweben Sie in Zwängen und im Wolkenkuckucksheim. ({11}) Eine Schlußbemerkung: Man kann auf Parteitagen gegen den Jäger 90 sein und ihn hier weiter am Leben erhalten. Man kann auf Parteitagen für einen Zivildienst von neun Monaten sein und hier für 15 Monate stimmen. ({12}) Man kann vor Ort für die Kündigung des Soltau-Lüneburg-Abkommens sein und hier dagegen stimmen. Ich sage mit Gorbatschow: Aller guten Dinge sind drei, und wer die dritte Chance verpaßt, den bestraft das Leben. ({13})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Nolting.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als FDP-Bundestagsfraktion fordern wir seit langem die Aufhebung des Soltau-Lüneburg-Abkommens. Es ist für uns nicht länger akzeptabel, daß ein ganz normales Siedlungsgebiet als militärischer Übungsraum genutzt wird. ({0}) Angesichts der Veränderungen der sicherheitspolitischen Lage in Europa können wir heute feststellen: Das Soltau-Lüneburg-Abkommen hat keine Zukunf t. ({1}) Bereits vor zwei Jahren hat der niedersächsische Landtag mit sehr breiter Mehrheit eine Resolution verabschiedet, in der es unter anderem heißt: Die nur noch von den britischen Truppen in Anspruch genommenen Sonderrechte sind auch bei Bejahung des NATO-Auftrages auf Dauer nicht vertretbar. ({2}) Es muß erreicht werden, daß die Ausbildungs-und Übungsmaßnahmen der britischen Rheinarmee wie bei den übrigen NATO-Partnern in das System der dafür vorbehaltenen Einrichtungen und Truppenübungsplätze eingegliedert oder in weniger belastete Regionen verlegt werden. Meine Damen und Herren, dieser Beschluß wurde von der FDP Niedersachsens nachhaltig unterstützt. Als FDP-Bundestagsfraktion fühlen wir uns heute in der Kontinuität dieser Resolution. Deshalb haben wir wesentliche Bestandteile dieses Beschlusses in unseren Entschließungsantrag aufgenommen. ({3}) - Wir geben uns eben nicht mehr damit zufrieden, Herr Kollege Lippelt, nur die Bürger in der Lüneburger Heide zu entlasten und statt dessen die Bewohner irgendeiner anderen Region zu belasten. ({4}) Wir sagen generell - wenn Sie zustimmen, um so besser - : keine dauerhaften Übungsräume mehr außerhalb von Truppenübungsplätzen. ({5})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Nolting, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lippelt?

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn es nicht angerechnet wird.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Nein. - Bitte sehr.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Nolting, würden Sie mir dann doch erklären, wieso das Ausnutzen von Handlungsräumen, wie es hier in der Beschlußempfehlung heißt - das ist dort ja bewußt gesagt worden, um Anträge abzuwehren, die auf Kündigung zielten - , dasselbe wie die klare Forderung Ihrer Kollegen in Niedersachsen nach Kündigung sein soll? In welcher Kontinuität stehen Sie da? Machen Sie mir das einmal klar!

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe gerade gesagt, daß für uns Siedlungsräume als militärische Übungsräume nicht mehr akzeptabel sind. ({0}) Wir werden deshalb Verhandlungen führen müssen, in deren Rahmen wir hier dann Ergebnisse vorlegen werden, und wir erwarten - da sind wir, glaube ich, alle einig - , daß dies innerhalb der nächsten sechs Monate geschehen wird, wie es auch in unserem Entschließungsantrag zum Ausdruck gebracht wird. Um dieses Ziel zu erreichen, Herr Kollege Lippelt, ist die Situation jetzt besonders günstig; denn auf die Veränderung der sicherheitspolitischen Lage habe ich bereits hingewiesen. Durch die Verkleinerung der Bundeswehr auf 370 000 Mann ergibt sich darüber hinaus die Möglichkeit, daß Truppenübungsplätze aufgegeben werden können, die dann den Briten zur Verfügung gestellt werden können. Vielleicht ist Ihre Frage damit beantwortet.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Nolting, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Heistermann?

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn es nicht angerechnet wird.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Nein. - Bitte.

Dieter Heistermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000854, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Nolting, können Sie mir den Sachzusammenhang zwischen der eben von Ihnen dargelegten Grundsatzposition und der Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses erklären, in der Sie dem Haus empfehlen - ich zitiere wörtlich - , „ ... zur weiteren Verringerung der Belastungen für die Bevölkerung aus militärischen Übungsaktivitäten zu nutzen"? Hier ist nicht mit einem Wort von Kündigung oder Aufhebung des Soltau-Lüneburg-Abkommens die Rede. Wie können Sie eigentlich der Bevölkerung gegenüber das vertreten, was Sie hier erklärt haben? ({0})

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Heistermann, ich trage hier die Position der FDP-Bundestagsfraktion vor. Wir haben einen Entschließungsantrag vorliegen. Der Kollege von der Union hat sich in ähnlicher Weise wie ich zum Soltau-Lüneburg-Abkommen geäußert. Dies wird hier zu Protokoll genommen, und wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie genau so verfährt, wie die Sprecher der Koalitionsfraktionen es hier vortragen. ({0}) Meine Damen und Herren, ich habe auf die Verringerung der Bundeswehr hingewiesen. Außerdem wird die britische Rheinarmee um ca. 50 % verringert; Herr Kollege Lippelt, Sie haben es erwähnt. Vor dem Hintergrund der Reduzierung auch der anderen alliierten Truppen erwarten wir eine Überprüfung der weiteren Notwendigkeit aller Übungsplätze in Deutschland. Mit der vorliegenden Beschlußempfehlung soll die Bundesregierung aufgefordert werden, in diesem Sinne tätig zu werden und uns innerhalb von sechs Monaten - ich habe vorhin darauf hingewiesen - zu berichten. Ich bin zuversichtlich, daß dieser Bericht nicht nur Absichtserklärungen, sondern bereits Ergebnisse enthalten wird. Meine Damen und Herren, die Opposition stellt hier überholte, ich möchte sogar sagen, veraltete Anträge zur Abstimmung. Im SPD-Antrag ist davon die Rede, daß - jetzt zitiere ich - „die Verlegung der Übungen auf dafür geeignete Truppenübungsplätze innerhalb der nächNolting sten zehn Jahre" erreicht werden soll. Ich muß Ihnen dazu sagen: Solche Zeitachsen sind für uns keinesfalls akzeptabel. Wir wollen das Ziel bedeutend früher erreichen. Wir halten deshalb überhaupt nichts davon, eine Überprüfung, wie von SPD und GRÜNEN gefordert, des Soltau-Lüneburg-Abkommens analog Art. 82 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut zu verlangen. Hier soll der NATO-Generalsekretär als Schiedsrichter angerufen werden ({1}) und eine Empfehlung aussprechen, an die sich beide Seiten halten müssen. - Herr Kollege Weng, vielleicht können Sie den Zwischenruf wiederholen. ({2}) Die FDP-Bundestagsfraktion hält diesen Weg für falsch, denn dies wäre ein bürokratischer, vor allen Dingen zeitraubender Weg mit ungewissem Ausgang, der den Menschen in der Lüneburger Heide überhaupt nichts bringt.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Nolting, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Koschnick zuzulassen?

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn es nicht angerechnet wird, Herr Präsident.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Selbstverständlich nicht. - Bitte sehr!

Hans Koschnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001185, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Nolting, wären Sie bereit, sich von Ihrem Fraktionsgeschäftsführer unseren Antrag geben zu lassen? Sie zitieren hier einen falschen Antrag.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, ich zitiere keinen falschen Antrag. Herr Kollege Heistermann hat ausdrücklich den Antrag von 1989 erwähnt, und darauf habe ich mich jetzt in meiner Rede bezogen. Da müssen Sie sich bitte an Ihren eigenen Redner wenden. Dieser hat sich ausdrücklich auf diesen Antrag bezogen, und diesen habe ich jetzt hier zitiert. Herr Kollege Koschnick, es tut mir wirklich ausdrücklich leid. Ich habe ausdrücklich dazu gesprochen. ({0}) Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, daß wir mit unseren Vorstellungen schneller zum Ziel kommen werden, wenn wir den Briten eine gute Alternative zum Übungsraum Soltau/Lüneburg zur Verfügung stellen und dann das Abkommen einvernehmlich aufgehob en werden kann. Deshalb bitte ich Sie im Interesse der betroffenen Menschen im Raum Soltau/Lüneburg um Zustimmung zur Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses, und ich bitte Sie, den Antrag der GRÜNEN heute hier abzulehnen. Vielen Dank. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schumann.

Prof. Dr. Michael Schumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002115, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS hält es für einen Anachronismus, Teilen der Bevölkerung derartig schwerwiegende Belastungen durch militärische Übungsaktivitäten weiterhin zuzumuten, und spricht sich für eine entsprechende Überprüfung und Kündigung des Soltau-Lüneburg-Abkommens aus. ({0}) Die sicherheitspolitische Lage rechtfertigt zudem weder Sonderrechte für britische Truppen noch überhaupt die Anwesenheit ausländischer Streitkräfte auf deutschem Boden. Solange jedoch ausländische Truppen noch in Deutschland stationiert sind, sollte der Bundestag generell auf eine deutliche Einschränkung militärischer Übungsaktivitäten und auch Übungsterritorien drängen. Sie werden verstehen, daß ich bei dieser Gelegenheit die Möglichkeit nutze und einige Bemerkungen zu der analogen Situation in den neuen Bundesländern mache. Ich bin Abgeordneter aus dem Bundesland Brandenburg. Auch dieses Bundesland ist mit militärischen Übungsterritorien übersät, und manch ein Brandenburger kommt sich so vor, als würde er auf einem bewohnten Schießplatz leben. Die Menschen, meine Damen und Herren, sind über diese Situation und über die anhaltenden Tiefflüge in diesen Gebieten außerordentlich aufgebracht. Ich möchte hier sagen, daß ich es als unsere gemeinsame Pflicht ansehe, dafür zu sorgen, daß die Menschen ihren berechtigten Protest nicht an die falsche Adresse richten. Verantwortlich für diese Situation sind nicht die ausländischen Militärangehörigen, sondern ist die Politik des Kalten Krieges. Diese Situation ist ein Relikt des Kalten Krieges, das heute keinerlei Existenzberechtigung mehr hat. ({1}) Gefordert, meine Damen und Herren, ist die Bundesregierung, durch zügige Verhandlungen mit allen Stationierungsstreitkräften einer Situation abzuhelfen, die für erhebliche Bevölkerungsteile in Ost und West unerträglich geworden ist. Ich danke Ihnen. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, als letzter Redner hat Staatsminister Schäfer das Wort.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige kurze Bemerkungen zu der Debatte um Soltau/ Lüneburg machen. Zunächst einmal wird hier eine Kulisse aufgebaut, Herr Kollege Heistermann, die so nicht stimmt. Sie haben die Bemühungen der Bundesregierungen über Jahre hinweg, mit den Briten weiterzukommen, völlig verschwiegen. Sie haben auch verschwiegen, daß die britische Armee im Lauf der letzten Jahre auf Grund unseres Drängens eine ganze Reihe von Verbesserungen vorgenommen hat. Und, Herr Kollege Heistermann, an Sie und auch Herrn Lippelt, der davon gesprochen hat, Parteien nähmen den Mund gelegentlich voll, gerichtet: Ihre Partei nimmt ihn immer voll. Ich habe Sie vor Ort vermißt, um mit den Briten einmal zu sprechen. ({0}) Die Kollegen, die hier so große Töne spucken, hätte ich gern einmal im Gespräch mit den Vertretern der Britischen Rheinarmee gesehen. Dann wären sie wohl wesentlich milder, wesentlich umgänglicher und wesentlich verständnisvoller aufgetreten.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Minister, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Heistermann zuzulassen?

Not found (Gast)

Nein, das bin ich nicht; Herr Kollege Heistermann, nach Ihrer Rede nicht. Ich habe Ihre Rede mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Ich kann nur sagen: Das, was Sie hier gesagt haben, war viel zu einseitig, als daß es lohnte, die Polemik jetzt noch fortzusetzen. ({0}) Aber, meine Damen und Herren, ich darf Ihnen sagen, daß natürlich vollkommen richtig ist, was der Kollege aus Brandenburg gesagt hat. ({1}) - Ach, Herr Kollege, durch Ihr Geschrei wird Ihr politischer Beitrag hier nicht besser. Das kennen wir schon seit langem. Es lohnt nicht zuzuhören. Er hat heute völlig zu Recht gesagt: Es hat sich die Situation völlig verändert. Dies gilt auch für den Soltau-Lüneburger Raum. Es ist richtig, daß neu verhandelt werden muß. Ich darf Ihnen ankündigen, daß die Gespräche seitens der Bundesregierung mit den Verbündeten und unter Einbeziehung der Ländervertreter am 5. November dieses Jahres erfolgen werden. Nachdem wir entgegen all der Unkenrufe erreicht haben, daß der Abzug der sowjetischen Streitkräfte bis Ende 1994 stattfinden wird, ({2}) und nachdem es dank unserer Verhandlungen zu einer ganz erheblichen Abrüstung kommen wird, werden wir auch das Soltau-Lüneburg-Problem vernünftig lösen. Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nach § 30 unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Abgeordneten Heistermann das Wort.

Dieter Heistermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000854, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer, darf ich Sie davon unterrichten, daß ich mich als Mitglied des Unterausschusses „Militärischer Fluglärm/Truppenübungsplätze " seit Gründung dieses Ausschusses speziell um das Soltau-Lüneburg-Abkommen kümmere, daß ich in vielen Veranstaltungen vor Ort den Bürgern Rede und Antwort gestanden habe? Wenn Sie sich hier für die Behauptung, daß ich dort nicht vor Ort gewesen wäre, nicht entschuldigen, werde ich weitere Schritte gegen Sie einleiten. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Zu einer persönlichen Erklärung nach § 30 der Geschäftsordnung erteile ich Dr. Lippelt das Wort.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatsminister, ich bin nicht so ehrpusselig und will von Ihnen keine Zurücknahme. Ich möchte aber, daß Sie zur Kenntnis nehmen, daß mit den Liaison-Offizieren in der Lüneburger Heide von sämtlichen Bürgerinitiativen permanent gesprochen wird, daß mit ihnen von den GRÜNEN gesprochen wird, daß ich selber ihre Beschwerden nicht nur dem Commander Rheinarmee persönlich überbracht und erläutert habe, sondern auch mit den Attachés der britischen Botschaft über viele Beschwernisse gesprochen habe. Es ist also vielleicht ein bißchen aus dem hohlen Bauch geredet, wenn Sie meinen, uns zur Abwehr unserer Argumente einmal schnell so kommen zu müssen. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, nachdem mir keine weiteren Wünsche zur Abgabe persönlicher Erklärungen mehr vorliegen und die Redezeit verbraucht ist, kommen wir zur Abstimmung. ({0}) Es handelt sich um die Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/7958. Hierzu liegt auf Drucksache 11/8351 ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 vor. Die Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 hat hierzu namentliche Abstimmung verlangt. ({1}) - Wir haben uns an sich darauf verständigt, zunächst einmal über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und dann über den Antrag der SPD abstimmen zu lassen. ({2}) - Ich bleibe bei dem vorgesehenen Verfahren. Das Verfahren ist bekannt und eingeübt. Ich bitte also, mit der namentlichen Abstimmung zu beginnen und eröffne die Abstimmung. Ich mache das Haus darauf aufmerksam, daß anschließend noch zwei weitere Abstimmungen - allerdings keine namentlichen Abstimmungen - stattfinden, die auch kontrovers zu sein scheinen. Meine Damen und Herren, ich frage, ob sich noch jemand im Saal befindet, der noch nicht abgestimmt hat. - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich schließe Vizepräsident Cronenberg die Abstimmung. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung gebe ich später bekannt *), damit wir nun mit den weiteren Abstimmungen fortfahren können. Ich bitte die Plätze einzunehmen. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über einen weiteren Änderungsantrag. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8361 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltung? - Dann ist dieser Antrag mit der Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt. ({3}) - Eine Gegenstimme bei der FDP; das ist richtig. Das kann auch im Protokoll festgehalten werden. Der Abgeordnete Neuhausen hat dagegengestimmt. ({4}) - Entschuldigung: Zwei; auch der Abgeordnete Funke. Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden, daß wir mit dem nächsten Tagesordnungspunkt fortfahren. Bestehen dagegen Bedenken? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich jetzt zwischendurch den Tagesordnungspunkt 3 a bis 3 q auf: a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Der entwicklungspolitische Beitrag zur Lösung von Bevölkerungsproblemen in den Ländern der Dritten Welt - Drucksache 11/7956 - b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Pinger, Hedrich, Feilcke, Frau Fischer, Höffkes, Niegel, Graf Huyn, Dr. Kronenberg, Dr. Kunz ({5}), Frau Männle, Dr. Pohlmeier, Seesing, Frau Rönsch ({6}), Schreiber, Graf von Waldburg-Zeil, Frau Augustin, Schemken, Rossmanith, Lowack und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hoppe, Frau Folz-Steinakker, Frau Walz, Frau Seiler-Albring, Dr. Solms, Timm, Bredehorn, Dr. Feldmann, Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Hoyer, Irmer, Kohn, Dr.-Ing. Laermann, Nolting, Ronneburger, Zywietz und der Fraktion der FDP Entwicklungspolitischer Beitrag zu Versöhnung, Frieden und Wiederaufbau in Nicaragua - Drucksache 11/6936 - c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Augustin, Austermann, Dr. Blank, Breuer, Carstensen ({7}), Feilcke, Dr. Friedrich, Fuchtel, Gerstein, Dr. Götz, Dr. Grünewald, Günther, Harries, Hedrich, Frau Dr. Hellwig, Herkenrath, Hinsken, Dr. Hoffacker, Hornung, Dr. Jobst, Jung ({8}), Kalisch, Dr.-Ing. ') Ergebnis Seite 18537 Kansy, Kittelmann, Krey, Dr. Kunz ({9}), Lowack, Magin, Marschewski, Oswald, Regenspurger, Frau Rönsch ({10}), Rossmanith, Roth ({11}), Ruf, Sauer ({12}), Sauter ({13}), Frau Schätzle, Scharrenbroich, Schartz ({14}), Schemken, Schmidbauer, Schneider ({15}), Schulhoff, Schulze ({16}), Spilker, Susset, Dr. Uelhoff, Frau Verhülsdonk, Graf von Waldburg-Zeil, Werner ({17}), Wilz, Frau Dr. Wisniewski und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hoppe, Frau Folz-Steinacker, Frau Walz, Frau Seiler-Albring, Dr. Solms, Timm, Dr.-Ing. Laermann, Bredehorn, Dr. Feldmann, Dr. Hitschler, Dr. Hoyer, Irmer, Kohn, Nolting, Ronneburger, Zywietz, Wolfgramm ({18}) und der Fraktion der FDP Verstärkte Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern im Energiesektor als Beitrag zur Lösung der weltweiten Umweltprobleme - Drucksache 11/7108 - d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({19}) zu dem Antrag der Fraktion der SPD Entwicklungspolitik in Afrika - Drucksachen 11/784, 11/3456 - Berichterstatter: Abgeordnete Toetemeyer Graf von Waldburg-Zeil e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({20}) zu dem Antrag der Abgeordneten Toetemeyer, Westphal, Dr. Ehmke ({21}), Bahr, Bindig, Brück, Duve, Gansel, Dr. Glotz, Großmann, Dr. Hauchler, Dr. Holtz, Koschnick, Luuk, Dr. Niehuis, Dr. Osswald, Renger, Schanz, Dr. Scheer, Schluckebier, Dr. Soell, Stobbe, Dr. Timm, Verheugen, Voigt ({22}), Wieczorek-Zeul, Wischnewski, Würtz, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Mitbestimmung im Deutschen Entwicklungsdienst - Drucksachen 11/4170, 11/5963 - Berichterstatter: Abgeordnete Feilcke Toetemeyer f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({23}) zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Sofortige Einstellung der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit mit El Salvador zu dem Antrag der Fraktion der SPD Zur Lage in El Salvador zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Vizepräsident Cronenberg Rückkehr zum Friedensprozeß in El Salvador - Drucksachen 11/5453 ({24}), 11/5969, 11/5973, 11/7134 - Berichterstatter: Abgeordnete Frau Folz-Steinacker Hedrich Frau Luuk Volmer g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({25}) zu dem Antrag des Abgeordneten Volmer und der Fraktion DIE GRÜNEN Einstellung des integrierten Entwicklungsvorhabens Bondoc/Philippinen - Drucksachen 11/6199, 11/7488 - Berichterstatter: Abgeordnete Höffkes Schanz Volmer h) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({26}) zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Knabe und der Fraktion DIE GRÜNEN Maßnahmen zum Schutz der Yanomami-Indianer in Brasilien - Drucksachen 11/6277, 11/7695 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Pohlmeier Voigt ({27}) i) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({28}) zu dem Antrag der Fraktion der SPD Entwicklungszusammenarbeit mit Vietnam zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Augustin, Austermann, Carstensen ({29}), Feilcke, Frau Geiger, Glos, Dr. Grünewald, Frau Dr. Hellwig, Herkenrath, Höffkes, Hornung, Kittelmann, Krey, Dr. Kronenberg, Lenzer, Magin, Nelle, Dr. Olderog, Dr. Pohlmeier, Frau Rönsch ({30}), Ruf, Sauer ({31}), Sauter ({32}), Frau Schätzle, Schartz ({33}), von Schmude, Schneider ({34}), Schreiber, Dr. Schroeder ({35}), Schwarz, Spilker, Dr. Stark ({36}), Dr. Stercken, Graf von Waldburg-Zeil, Frau Dr. Wisniewski und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hoppe, Dr. Feldmann, Frau Folz-Steinacker, Dr. Hoyer, Irmer, Nolting, Ronneburger, Frau Walz, Bredehorn, Kohn, Dr.-Ing. Laermann, Frau Seiler-Albring, Dr. Solms, Timm und der Fraktion der FDP Entwicklungszusammenarbeit mit Vietnam - Drucksachen 11/6734, 11/7060, 11/7968 - Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Pinger Schanz j) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({37}) zu dem Antrag der Abgeordneten Brück, Bindig, Bernrath, Esters, Großmann, Dr. Hauchler, Dr. Holtz, Kißlinger, Klose, Luuk, Dr. Niehuis, Niggemeier, Oostergetelo, Dr. Osswald, Schanz, Schluckebier, Schröer ({38}), Terborg, Toetemeyer, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Änderung der EG-Nahrungsmittelhilfepolitik - Drucksachen 11/5656, 11/8058 - Berichterstatter: Abgeordnete Brück Dr. Pohlmeier k) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({39}) zu dem Antrag der Abgeordneten Bindig, Brück, Dr. Hauchler, Dr. Holtz, Luuk, Dr. Niehuis, Dr. Osswald, Schanz, Schluckebier, Toetemeyer, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Erfolgskontrolle in der Entwicklungspolitik - Drucksachen 11/5666, 11/8059 - Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Niehuis Dr. Pinger 1) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({40}) zu dem Antrag der Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil, Dr. Pinger, Feilcke, Frau Fischer, Hedrich, Höffkes, Dr. Kronenberg, Dr. Kunz ({41}), Frau Männle, Dr. Pohlmeier, Frau Rönsch ({42}), Schreiber, Frau Augustin, Austermann, Börnsen ({43}), Breuer, Carstensen ({44}), Dr. Fell, Francke ({45}), Fuchtel, Frau Geiger, Dr. Grünewald, Frau Dr. Hellwig, Herkenrath, Hinsken, Hornung, Dr. Jobst, Dr.-Ing. Kansy, Dr. Kappes, Kossendey, Lenzer, Frau Limbach, Maaß, Magin, Marschewski, Müller ({46}), Nelle, Oswald, Pesch, Pfeffermann, Regenspurger, Ruf, Sauter ({47}), Frau Schätzle, Schartz ({48}), Schemken, Schmidbauer, von Schmude, Dr. Schroeder ({49}), Schulhoff, Schulze ({50}), Schwarz, Dr. Schwörer, Spilker, Dr. Stercken, Susset, Dr. Uelhoff, Wilz, Frau Dr. Wisniewski und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Hoppe, Bredehorn, Dr. Feldmann, Frau Folz-Steinacker, Dr. Hitschler, Dr. Hoyer, Irmer, Kohn, Nolting, Richter, Ronneburger, Frau Dr. Segall, Frau Seiler-Albring, Dr. Solms, Frau Walz, Zywietz und der Fraktion der FDP Ein gemeinsamer deutscher Beitrag für eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit durch Entspannung zwischen Ost und West - Drucksachen 11/7473 ({51}), 11/8082 -

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Abgeordnete Dr. Hauchler Graf von Waldburg-Zeil m) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Niehuis, Bindig, Brück, Großmann, Dr. Hauchler, Dr. Holtz, Kolbow, Luuk, Dr. Osswald, Schanz, Schluckebier, Toetemeyer, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Grundbildung in der Entwicklungszusammenarbeit - Drucksachen 11/7468, 11/8083 - Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Niehuis Graf von Waldburg-Zeil n) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({1}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hauchler, Bindig, Brück, Dr. Holtz, Kolbow, Luuk, Dr. Niehuis, Schanz, Schluckebier, Toetemeyer, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Entwicklungspolitik in gesamtdeutscher Verantwortung - Drucksachen 11/7387, 11/8084 - Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Hauchler Graf von Waldburg-Zeil o) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vierten AKP-EWG-Abkommen von Lomé vom 15. Dezember 1989 sowie zu den mit diesem Abkommen im Zusammenhang stehenden Abkommen - Drucksache 11/8014 Beschlußempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({2}) - Drucksache 11/8325 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Pohlmeyer Frau Wieczorek-Zeul Frau Kottwitz ({3}) p) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Entwicklungspolitik und Hermes-Bürgschaften gegenüber der Volksrepublik China - Drucksache 11/8187 - q) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Kelly und der Fraktion DIE GRÜNEN Keine Aufhebung der 1989 beschlossenen Deckungssperre für Hermes-Bürgschaften gegenüber der VR China - Drucksache 11/8277 Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Debattenzeit von einer Stunde vor. Gibt es dagegen Bedenken? - Das ist nicht der Fall. Dann kann ich die Aussprache eröffnen. Zunächst hat der Abgeordnete Graf von Waldburg-Zeil das Wort.

Alois Waldburg-Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002413, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, daß am Ende dieser für unser Vaterland so schicksalhaften Legislaturperiode noch eine entwicklungspolitische Debatte geführt wird, die das breite Spektrum des Interesses des Deutschen Bundestages in diesem Bereich dokumentiert. Uns allen ist klar, daß in den ärmsten Ländern dieser Welt Angst umgeht, Angst davor, daß nach der Vereinigung Deutschlands, die ja Vorbote der Vereinigung Europas ist, das Interesse an der Dritten Welt abflauen, wenn nicht gar erlöschen könnte. Jeder, der in dieser Zeit reist oder Gespräche führt, fühlt das. Der Antrag „Ein gemeinsamer deutscher Beitrag für eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit durch Entspannung zwischen Ost und West" will darauf aufmerksam machen, daß diese Entwicklung in Europa nicht nur Risiken, sondern auch enorme Chancen für die Länder der Dritten Welt mit sich bringt. Erstens. Die Überlagerung vieler interner Zwiste in der Dritten Welt durch den Ost-West-Konflikt hat ganz wesentlich dazu beigetragen, daß Krieg, Bürgerkrieg und Waffenkäufe alle Bemühungen zur Entwicklung zunichte machten. Wenn Ost und West nun dieselben Energien einsetzen wie früher, um Konflikte zu schlichten, dann ist das die größte Chance für eine erfolgreiche Entwicklungspolitik. Denken wir nur über die Chancen nach, die etwa Angola nach Beendigung seines Bürgerkriegs hätte! Zweitens. Die Teilung der Welt hat dazu geführt, daß in manche Länder nur östliche, in manche nur westliche Hilfe gelangt ist. Nach Beendigung der deutschen Teilung bietet sich beispielhaft die Chance zur Überwindung dieser Situation. Denken wir an Vietnam! Die Bemühungen, Menschenrechte künftig zu achten, eine Destabilisierung der Region zu vermeiden und durch Schritte auf die soziale Marktwirtschaft zu z. B. im landwirtschaftlichen und mittelständigen Bereich desolate Wirtschaftssituationen zu verbessern, eröffnen für das vereinte Deutschland große Möglichkeiten, an Vertrauen anknüpfend diese Schritte hilfreich zu begleiten. Drittens. In der Folge der europäischen Veränderungen weht ein Wind des Wandels durch die Länder der Dritten Welt. So, wie Diktatur, Planwirtschaft und Einheitsparteien in Europa als zukunftslos demaskiert wurden, verlieren sie nun auch in Asien, in Afrika und in Lateinamerika an Glaubwürdigkeit, Legitimität und Interesse. Daß man solchen Wandel in erfolgreiche Entwicklung ummünzen kann, dafür können und wollen wir nicht nur Beispiel geben, sondern auch Hilfestellung. Ich sehe es z. B. als hoffnungsvoll an, wenn eine von der SWAPO geführte Regierung in Namibia die Verfassung achtet, mit einer pluralistischen Volksvertretung arbeitet und marktwirtschaftliche Wirtschaftspo18522 litik betreibt. Das vereinigte Deutschland kann diesen Prozeß besonders glaubwürdig begleiten, und es muß auch helfen, ihn einzuleiten: im Nord-Süd-Konflikt des Sudan und im Tutsi-Hutu-Konflikt in Burundi, um nur zwei von sehr vielen Beispielen aufzugreifen. Viertens. Wir müssen alles Erdenkliche tun, um Waffenlieferungen in Krisengebiete zu verhindern. ({0}) Fünftens. Wenn das Bruttosozialprodukt im vereinigten Deutschland durch Wachstumsimpulse steigt - dasselbe gilt für das größere Europa -, wird der für Entwicklungspolitik aufzuwendende Anteil steigen und nicht sinken. Sechstens. An diesem geschichtlichen Wendepunkt verbessern sich die Chancen in all den Sektoren, zu denen heute beraten wird. Um nur einige aus den zahlreichen Anträgen zu nennen: beim entwicklungspolitischen Beitrag zu Versöhnung, Frieden und Wiederaufbau in Nicaragua und El Salvador, bei der Zusammenarbeit im Energiesektor zugleich als Lösungsbeitrag zu weltweiten Energieproblemen - dies wurde letzte Woche intensiv beraten -, bei der Lösung von Bevölkerungsproblemen, wobei mir eine Formulierung, die Böckle, Hemmer und Kötter in einer jüngst veröffentlichten kleinen Broschüre gebraucht haben, besonders gut gefällt: „Weniger Menschen durch weniger Armut, nicht: weniger Armut durch weniger Menschen.", die Änderungen der EGNahrungshilfepolitik, das Thema Erfolgskontrolle, das der Grundbildung, wobei die Erwachsenenbildung in Ländern mit hohem Analphabetismus nicht vernachlässigt werden darf, sondern insbesondere bei der Nutzung von Radioschulen verstärkt werden sollte - ich verweise auf die hervorragenden Pilotprojekte von Pater Tattenbach in Costa Rica und Guatemala -, und schließlich das 4. AKP-Abkommen von Lomé, wozu ich noch anmerken möchte, daß Verschiebungen von bilateraler zu europäischer Hilfe dringendst des Beschleunigungsprozesses der parlamentarischen Kontrolle bedürfen. Der erstgenannte Antrag, begleitet vom Antrag „Entwicklungspolitik in gesamtdeutscher Verantwortung" , den wir mittragen, und der Verlauf der Debatte sollen dokumentierten, daß der Deutsche Bundestag die Verantwortung, die Deutschland aus der Vereinigung zuwächst, annimmt. Die entwicklungspolitischen Wandlungsprozesse in Europa begünstigen eine neue Qualität der Nord-Süd-Zusammenarbeit. Nutzen wir diese Chance! ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Brück.

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meiner ersten Rede vor dem Deutschen Bundestag vor fast genau 23 Jahren begründete ich eine Große Anfrage, übrigens der CDU/CSU und der SPD, zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung. In dieser ersten Rede sagte ich: ... wir müssen endlich sowohl draußen in den Entwicklungsländern als auch bei uns zu Hause mit der Meinung aufräumen, daß man nur mit der Fahne mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz in den Entwicklungsländern winken müsse, und schon würden wir mit dem Scheckbuch zurückwinken. Heute, in meiner letzten Rede vor dem Deutschen Bundestag, kann ich mit großer Freude feststellen: Niemand kann draußen in der Welt mehr mit der Fahne mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz winken. ({0}) Es gibt sie nicht mehr. Sie ist in der Rumpelkammer der Geschichte verschwunden, höchstens vielleicht noch im Museum zur Erinnerung an ein schlimmes Stück deutscher Geschichte zu sehen. Das, was ich damals sagte, sagte ich, weil ich mich als junger Abgeordneter darüber ärgerte, daß wir wegen der deutschen Frage erpreßbar waren, daß wir unsere Hilfe für die Länder der Dritten Welt nicht nur nach entwicklungspolitischen Gesichtspunkten gestalten konnten, sondern sie auch gewährten, um die Hallsteindoktrin durchzusetzen. Ich wollte uns auf der einen Seite in unserer Entwicklungspolitik ein Stück freier machen, und ich wollte auf der anderen Seite die Entwicklungsländer nicht dadurch überfordern, daß wir von ihnen ständig ein Bekenntnis zur deutschen Wiedervereinigung verlangten; sie hatten auch damals ihre eigenen Sorgen. Ich wollte, daß wir die Dimensionen richtig sehen. Ich sagte in dieser ersten Rede, daß ich bei allem Respekt für die Entwicklungsländer nicht daran glaube, daß die deutsche Wiedervereinigung im Tschad oder in Burundi entschieden werde. Sie werden verstehen, daß ich jetzt mit Genugtuung feststelle, daß es so war. Obwohl die Hallstein-Doktrin sehr bald aufgegeben wurde, obwohl die DDR von vielen Ländern in dieser Welt anerkannt wurde - nicht nur von solchen in der Dritten Welt - , obwohl es diplomatische Beziehungen vieler Staaten zur DDR gab, gibt es den Staat DDR nicht mehr. Ich sage das nicht, um recht behalten zu haben. Ich sage es vielmehr, um Lehren für die Zukunft ziehen zu können. Manches, was es an diplomatischen Spielereien in dieser Welt gibt, erweist sich in der Praxis als völlig sinnlos. Die deutsche Einheit ist entstanden, weil es den Wandel in ganz Europa gegeben hat, weil es den Wandel in der Sowjetunion gegeben hat, weil es Michail Gorbatschow gibt. Ich sage das, damit man sich davor hütet, Entwicklungspolitik unter kurzfristigen Gesichtspunkten zu sehen, sie manchmal sogar als außenpolitischen Schlagstock zu nutzen. Entwicklungspolitik war nie dazu geeignet, und sie ist nicht dazu geeignet. Ich sage das auch deshalb, weil wir jetzt vor der Frage stehen: Was machen wir mit den entwicklungspolitischen Projekten der früheren DDR, die es fast nur in den sogenannten Bruderländern der DDR gibt? Ich weiß, daß die Antwort auf diese Frage nicht leicht ist. Es ist wie fast überall mit der DDR: Selbst als jemand, der diesem Land nie viel zugetraut hat, muß man immer wieder mit Überraschung feststellen, daß vieles noch schlimmer ist, als man befürchtet hat. Wenn man nur ein bißchen am Lack kratzt, dann wird die schreckliche Wahrheit sichtbar. So ist es auch mit der Entwicklungshilfe der DDR, mit diesem konfusen Konglomerat von Ideologieexport, Weltmachtpolitik, Sicherung der eigenen Rohstoffversorgung und Förderung des Exports der eigenen Produkte - manches getarnt mit dem Mantel der Hilfe für die Rohstoffe produzierenden Länder. Man bezahlte ihnen höhere Preise, als sie auf dem Weltmarkt üblich waren. Dafür aber verlangte man dann für die eigenen Produkte oft noch minderer Qualität höhere Preise, als sie auf dem Weltmarkt üblich waren. Ich habe mir aber nie große Sorgen bei dem Versuch der DDR gemacht, die kommunistische Ideologie in die Dritte Welt hinauszutragen, weil ich das Wort unter afrikanischen Vätern kannte, das da lautet: Willst du, daß dein Sohn ein Kommunist wird, dann schick' ihn in den Westen zum Studium. Willst du, daß er ein Kapitalist wird, dann schick' ihn in den Osten zum Studium. Ich weiß, welche Schwerstarbeit die Beamten des BMZ leisten müssen, die sich jetzt damit befassen, wie wir die DDR-Projekte in der Dritten Welt fortsetzen können. Trotzdem fordere ich die Bundesregierung auf, von diesen Projekten so viele wie möglich fortzuführen. Es müssen ja nicht gerade die Projekte der Stasi sein - denn auch solche hat es gegeben - , bei denen man die Diktatoren in Afrika lehrte, wie man Staatssicherheit mit deutscher Gründlichkeit à la DDR macht. Ich will begründen, warum ich trotz aller Schwierigkeiten dafür bin, daß wir möglichst alle Projekte fortführen. Da ist zuerst die Sicht der Entwicklungsländer. Krankenhausprojekte sollten nach meiner Ansicht fortgeführt werden. Schulprojekte sollten fortgeführt werden - mit anderen Inhalten natürlich. Ich nenne dies nur als Beispiel; diese Beispiele stehen für andere. Ich füge hinzu: Wir sollten auch deshalb möglichst viele Projekte fortführen, weil es um unser Ansehen, um das Ansehen Deutschlands geht. Für viele Menschen in der Dritten Welt war der Unterschied zwischen der Bundesrepublik und der DDR sowieso nie ganz zu verstehen. In einigen Jahren wird man sich kaum noch an die DDR erinnern. Es wird in der übrigen Welt nur noch Deutschland geben. Wenn ich den Bundeskanzler, der in den letzten Monaten so oft von unserem Vaterland spricht, damit für meine Forderung gewinnen kann, dann sage ich: Es geht um das Ansehen unseres Vaterlandes in der Welt. Das gilt übrigens auch für Projekte in Kuba, wo die Bundesregierung sehr zögert. Wenn sie den Menschen zugute kommen, sollten wir sie fortsetzen, auch wenn Kuba eine der letzten kommunistischen Diktaturen geblieben ist; denn ich bin mir sicher: Es wird sie nicht mehr lange geben. Aber die Menschen, denen wir helfen wollen und denen wir helfen müssen, werden bleiben. Noch einmal: Niemand wird in einigen Jahren sagen: Die DDR hat uns im Stich gelassen. Vielmehr wird man sagen: Deutschland hat uns im Stich gelassen. Die Bundesregierung ist nicht immer so pingelig, wenn es um die Zusammenarbeit mit Diktaturen geht, auch nicht mit kommunistischen Diktaturen. Dazu gibt es das Beispiel Chinas: Als im vergangenen Jahr der Freiheitskampf in China von den kommunistischen Machthabern blutig niedergeschlagen wurde, hat der Deutsche Bundestag einstimmig seine Empörung ausgedrückt und Sanktionen beschlossen. Jetzt wollen die Koalitionsparteien die Sanktionen aufheben, obwohl sich nichts geändert hat. Wir Sozialdemokraten machen da nicht mit. ({1}) Wir stehen zu den Beschlüssen des vergangenen Jahres. Ich will nicht verhehlen, daß beim Lesen meiner Rede von vor 23 Jahren im Protokoll des Deutschen Bundestages ein bißchen Resignation aufgetaucht ist, und zwar deshalb, weil wir über viele Probleme in unserer Entwicklungspolitik, über die ich damals sprach, auch heute noch diskutieren, weil wir sie noch immer nicht gelöst haben. Ich sprach damals z. B. von einer Durchforstung unserer Entwicklungsprojekte - Durchforstung, das war damals der Begriff. Heute haben wir einen Antrag zur notwendigen Evaluierung der deutschen Entwicklungsprojekte vorliegen, einen Antrag meiner Fraktion, der in den Ausschußberatungen die Zustimmung auch aller anderen Fraktionen gefunden hat. Ich halte diese Evaluierung für dringend erforderlich. Resignation hat mich offen gestanden auch befallen, als ich kürzlich in einer Zeitung die Überschrift eines Berichtes über die zweite Konferenz über die am wenigsten entwickelten Staaten in Paris las. Die Überschrift lautete: „UNO konstatiert Verschlimmerung des Elends". Dann stellt man sich schon einmal die Frage: War eigentlich alles umsonst, was wir in den vergangenen Jahren getan haben? Ich glaube das nicht, auch wenn ist fest davon überzeugt bin, daß wir vieles anders machen müssen, als wir es in der Vergangenheit gemacht haben. Vielleicht ist dabei hilfreich, daß der Ost-West-Konflikt zu Ende gegangen ist. Vielleicht können wir uns mehr den Aufgaben zuwenden, die der Nord-Süd-Konflikt für uns bereithält. ({2}) Wir müssen unsere Hilfe qualitativ und quantitativ verbessern. Wir müssen wissen, daß wir den Frieden in der Welt nur sichern, wenn wir den Nord-Süd-Konflikt überwinden, so wie wir dabei sind, den Frieden in Europa mit der Überwindung des Ost-West-Konflikts zu sichern. Vielleicht haben wir ihn auch schon gesichert. Den Menschen in der Dritten Welt muß man aber auch sagen, daß wir ihnen bei der Entwicklung ihrer Länder zwar helfen können, daß sie ihre Länder jedoch nur selber entwickeln können. Sie sollten dabei aus der Fehlentwicklung in Mittel-und Osteuropa lernen. Nur wo Freiheitsrechte garantiert sind und genutzt werden, können Menschen als Freie und Gleiche leben und Demokratie praktizieren. Nur wo soziale Grundrechte verwirklicht sind, können Freiheitsrechte und politische Teilhaberechte von allen wahrgenommen werden. Nur wo die Respektierung von Freiheitsrechten und politischen Teilhaberechten freien Meinungsstreit und politisches Engagement erlaubt, können Menschen ihr Recht auf ausreichende Ernährung, Wohnung, Arbeit und Bildung geltend machen. Nur zusammen ermöglichen diese Menschenrechte ein menschenwürdiges Leben. ({3}) Ich freue mich, daß ich an dieser Stelle auch von Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion Beifall erhalten habe. Denn die vier letzten Sätze sind Zitate aus dem neuen Grundsatzprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. ({4}) Ich sage sehr deutlich: Mit Diktatur kann man keinen Fortschritt erzielen, mit Ungerechtigkeit auch nicht. Wer die ungerechte Verteilung des Reichtums in manchen Ländern der Dritten Welt sieht, den kann nur Empörung packen. Untersuchungen der Weltbank zu Beginn der 80er Jahre haben ergeben, daß diejenigen Entwicklungsländer, die sich auf jahrzehntelange Entwicklungsbemühungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, landwirtschaftliche und politische Reformen stützen konnten, in den 70er Jahren die größten Entwicklungserfolge erzielen konnten. Deshalb ist es auch gut, daß wir hier einen Antrag zur besseren Grundbildung vorliegen haben. Nur wer lesen und schreiben kann, kann sich aus dem Elend erlösen. Nur wer lesen und schreiben kann, kann an der Macht teilhaben. Das lehrt ja auch unsere europäische Geschichte. Herr Präsident, meine Damen und Herren, das Ende des Ost-West-Konflikts hat Entwicklungspolitik ein Stück freier gemacht. Denn auch nachdem die Hallstein-Doktrin längst verschwunden war, spielte der Ost-West-Konflikt in unserer Entwicklungspolitik immer noch eine Rolle. Ich möchte, daß die Entwicklungspolitik noch ein bißchen freier wird, nämlich frei von den auch immer noch hinter den Entwicklungspolitiken der westlichen Länder stehenden Exportinteressen. Diese sind bei allen vorhanden, bei den einen ein bißchen mehr, bei den anderen ein bißchen weniger. Aber noch einmal: Sie sind bei allen vorhanden, auch bei uns. Dieses Stück Freiheit, das wir mehr haben wollen für die Entwicklungspolitik, kann diese nur dann gewinnen, wenn wir in Europa die Entwicklungspolitik auf die Gemeinschaft übertragen. Dann kann es aber nicht mehr vorwiegend um nationale Exportinteressen bei der Entwicklungspolitik gehen, weil ja zumindest europaweit ausgeschrieben werden muß. So hoffe ich auch, daß wir unsere Nahrungsmittelhilfe von den eigenen Interessen befreien können. Dazu liegt ein Antrag meiner Fraktion vor, der auch die Zustimmung der anderen Fraktionen in den Ausschußberatungen gefunden hat. Nahrungsmittelhilfe darf nicht mehr länger ein Instrument zur Beseitigung der Überschüsse in den Industrieländern und damit auch bei uns in Europa sein; ({5}) sie muß vielmehr zu einem Instrument zur Förderung der Nahrungsmittelproduktion in den Ländern der Dritten Welt werden. Wenn ich einen Vergleich wagen darf: Nahrungsmittelhilfe wirkt nur wie Schmerztabletten; sie beseitigt die Symptome, nicht die Ursache. Aber wir müssen an die Ursache herangehen, und die Ursache heißt in diesem Fall: eine zu geringe Nahrungsmittelproduktion in den Ländern der Dritten Welt selbst. Wir verabschieden heute auch das Ratifikationsgesetz zum neuen Abkommen mit den AKP-Staaten. Das neue Abkommen hat Fortschritte zu verzeichnen, aber es weist auch Mängel auf. Trotzdem stimmen wir Sozialdemokraten zu, auch deshalb, weil es in manchen Teilen beispielhaft für die Zusammenarbeit mit den Ländern der Dritten Welt ist. Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich selbst hatte in den vergangenen 25 Jahren hier im Deutschen Bundestag das Glück, mit der Entwicklungspolitik und der Europapolitik in Politikbereichen arbeiten zu dürfen, in denen es oft Übereinstimmung zwischen Regierung und Opposition gab, wer immer auch regierte, wer immer auch opponierte. So hat der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit - das möchte ich hier und heute unterstreichen - oft Leitlinien für die Regierungsarbeit erstellt. Man hat sich zusammengerauft und Kompromisse gefunden, ohne die Demokratie ja auch nicht möglich wäre. Natürlich hat man auch gestritten, denn ohne Streit wäre Demokratie auch nicht möglich. Das Parlament hat wesentliche Beiträge für die deutsche Entwicklungspolitik geleistet. Ich bin sicher, daß dies auch in der nächsten Legislaturperiode so sein wird. Ich werde dann nicht mehr dabeisein. Ich wünsche denjenigen, die die Politik hier im Deutschen Bundestag Weitergestalten, eine glückliche Hand. Ich wünsche das mit dem Gruß, mit dem sich viele Menschen in meinem saarländischen Wahlkreis, aber auch in anderen deutschen Bergbaurevieren täglich grüßen. Ich sage: Glück auf! ({6})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das ganze Haus, Herr Abgeordneter Brück, wünscht Ihnen eine angenehme Zeit danach. Nun hat das Wort die Abgeordnete Frau Walz.

Ingrid Walz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002426, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Legislaturperiode geht zu Ende, nicht nur die Ära Brück. Es waren vier Jahre, die nicht nur von den großen historischen Ereignissen bestimmt waren, sondern zumindest am Anfang der Legislaturperiode auch geprägt waren von unseren alltäglichen Sorgen und auch von unserem alltäglichen Kleinkrieg. Unversehens sind wir nun in den Mahlstrom der Geschichte geraten, sowohl was unsere eigene Vergangenheit, als auch was unsere eigene Zukunft beFrau Walz trifft, aber auch die Vergangenheit und die Zukunft der Welt. Zu Ende gegangen ist auch das von der UN ausgerufene Jahrzehnt der Entwicklung. Doch das Leben vieler Menschen im Süden ist weiterhin von Armut, Unterernährung und Perspektivlosigkeit bestimmt. Zu Ende gegangen ist auch der Alptraum von einer möglichen Zerstörung der Welt als Folge des OstWest-Konfliktes. Die Angst der Menschen vor der atomaren Vernichtung ist geringer geworden. Doch an ihre Stelle - das merken wir täglich - tritt die Drohung, die Spannung zwischen Arm und Reich könnte zu einem Nord-Süd-Konflikt führen, der nicht mehr nur allein Sache von wohlmeinenden Entwicklungspolitikern oder einer wohlmeinenden Entwicklungspolitik sein würde. Elend, Umweltzerstörung, Klimarisiken und Übervölkerung sind die neuen Gefahren für den Weltfrieden. Sind wir uns dessen bewußt - ich frage dies sehr bang nach vielen Wahlveranstaltungen - , oder befinden wir uns im Auge des Hurrikans und weigern uns, den Treibhauseffekt, das Ozonloch und das Klopfen der Armen an unsere Tür zu sehen und zu hören? ({0}) - Ich glaube kaum, daß man diesen feinen Unterschied machen kann. Die Erkenntnis bleibt uns nicht erspart, meine Damen und Herren, wir als eines der wohlhabendsten Länder der Welt werden nicht nur aus Nächstenliebe, sondern aus Eigennutz zur Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern in weit stärkerem Maße bereit sein müssen. Und dabei kann es nicht nur um Almosen und Moral, aber auch nicht allein um Wirtschaftsmärkte gehen. Wir müssen bewußte Partnerschaften zwischen Menschen und Ländern anstreben in der Gewißheit, daß wir nur diese eine Welt haben. Unausweichlich steht die Menschheit vor der schicksalhaften Frage, ob sie der zunehmenden Bedrohung ihrer Existenz angesichts der globalen Umweltgefahren tatenlos zusehen oder durch konsequentes Handeln zu einer Chance des gemeinsamen Überlebens nutzen will. ({1}) Überholte Patentrezepte der Vergangenheit und Vorstellungen von der Schaffung einer sogenannten Weltwirtschaftsordnung mit ihren dirigistischen und planwirtschaftlichen Instrumenten verbieten sich eigentlich von selbst. ({2}) Sie haben sich nämlich allesamt als Irrwege erwiesen, wie wir sie jetzt in den RGW-Staaten als kostspielige Irrtümer erleben. Das planwirtschaftliche Denken und fehlende Eigenverantwortung, Subsidiarität und Elemente Sozialer Marktwirtschaft haben viele Entwicklungsländer in ähnliche Schwierigkeiten gebracht. Ich denke hierbei an Vietnam und Nicaragua. Wir sollten uns also davor hüten, die Dritte Welt mit unseren Umweltproblemen, aber auch mit gescheiterten sozialistischen Ordnungsvorstellungen zu schädigen. Dies setzt bei uns nicht nur Erkenntnis und Weitsicht, sondern auch bei den Entwicklungsländern Einsicht voraus. In der Dritten Welt muß ein Selbstbewußtsein - ich sage ganz bewußt: Selbstbewußtsein - für nötige Eigenanstrengungen wachsen. Unlängst hat es Julius Nyerere so formuliert. Falls diese Erkenntnis greift, muß unsere Entwicklungszusammenarbeit sich auf wichtige Schlüsselbereiche konzentrieren. Wir können nicht mehr mit der Gießkanne über die Länder der Dritten Welt gehen. Ich nenne hier einige wichtige Bereiche: Der Schuldenerlaß, auch als Gegenleistung für mehr Umweltschutz, genügt auf Dauer nicht, um in der Dritten Welt zu einer tragfähigen Entwicklung zu kommen. Die Stärkung des privaten Sektors und die damit verbundene Eigenkapitalbildung - das ist das Interessante daran - sind die entscheidenden Voraussetzungen dafür, und dazu gehört eine bessere Bildung und eine bessere berufliche Ausbildung, die in vielen Ländern fehlt. Denn nur dann können Menschen - das haben Sie auch gesagt, Herr Brück - über sich und damit über die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Länder selbst bestimmen. Ich finde Ihren Antrag zur Grundbildung gut. Wir haben ihn gemeinsam getragen. Die Entwicklung einer ökologischen und sozialen Marktwirtschaft setzt zuvor die Einsicht in die Schädlichkeit von regelnden und reglementierenden Eingriffen des Staates voraus, in den Ländern der Dritten Welt, aber auch bei uns, denn auch hier in den Industrieländern steht der Abbau von Perfektionismus zur Diskussion. Die Menschen in der Dritten Welt brauchen für ihre Produkte einen gerechten Preis, denn nur so können sie sich weiter entwickeln, und nur so können sie auch ihre Schulden zurückzahlen. Die im Augenblick vor sich hinschlingernden Gatt-Verhandlungen - anders kann ich es nicht nennen - dürfen nicht zum Offenbarungseid werden. Lomé IV ist ein gutes Beispiel; es kann ein gelebtes Beispiel dafür sein. Meine Damen und Herren, das ökologische Schlüsselproblem - das wissen wir alle - ist das enorme Bevölkerungswachstum. Es ist im Grunde die entscheidende Ursache dafür, warum sich die Armut in den Entwicklungsländern weiter verschärft und zur Übernutzung der natürlichen Ressourcen führt. Maßnahmen der Familienplanung allein genügen jedoch nicht. Erforderlich sind vielmehr ein integrierter bevölkerungspolitischer Ansatz, eine wirtschaftliche und soziale Grundsicherung, über die wir nachdenken sollten, die schrittweise Änderung ungerechter Einkommensverhältnisse sowie bessere Bildungschancen und der Blick auf die zentrale Rolle der Frau im Entwicklungsprozeß. Das hat nichts mit Emanzipation zu tun, es hat auch nichts mit unserem Kampf für Gleichberechtigung hier zu tun, sondern es hat etwas mit der Erkenntnis zu tun, daß bei einem weiteren ungebremsten Bevölkerungswachstum, wie der Weltbevölkerungsbericht beschreibt, die Erde als Lebensraum für Menschen unbewohnbar wird. Auch dazu liegen Anträge vor. 18526 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 233. Sitzung. Bunn, Dienstag, den 30. Oktober 1990 Meine Damen und Herren, wir halten die Energiesicherung und die Umorientierung bei uns und in der Dritten Welt nicht nur auf Grund der drohenden Klimakatastrophe für unumgänglich, sondern auch für den unverzichtbaren Teil einer ökologisch tragfähigen wirtschaftlichen Entwicklung. Dabei spielen Länder wie China und Indien mit ihrer großen Bevölkerung die wichtigste Rolle. Deshalb müssen wir gerade diesen Ländern helfen - wir kommen nachher bei den Hermes-Bürgschaften noch darauf - , umweltverträgliche Energien einzusetzen. Von der Frage der Energiesicherung und ihres Angebots hängt es ab, ob die Menschen in den ländlichen Gebieten bleiben, denn die Situation in den riesigen Ballungsgebieten hat inzwischen, wie wir wissen, katastrophale Ausmaße angenommen. Meine Damen und Herren, ich muß zum Schluß kommen: Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen können am Ende dieser Legislaturperiode eine positive Bilanz vorweisen: Erfolge im Bereich der Abrüstung und beim KSZE-Prozeß, weitere Schritte auf dem Weg zur europäischen Integration, die Vollendung der deutschen Einheit sowie ein anhaltender wirtschaftlicher Aufschwung. Dieser anhaltende wirtschaftliche Aufschwung, meine Damen und Herren, neben der Sicherung des Friedens in Europa, wird uns erlauben, unseren Beitrag zur Entwicklung der Dritten Welt zu leisten. Ich danke Ihnen. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Volmer. Volmer ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die entwicklungspolitische Diskussion der letzten Jahre ist gekennzeichnet durch einen dualen Entwicklungsbegriff. Auf der einen Seite definieren wir Entwicklung in den Industriestaaten als ungehemmtes Wachstum und auf der anderen Seite Entwicklung in den sogenannten Entwicklungsländern als nachholende Industrialisierung, neuerdings ein wenig ökologisch abgefedert und durch internationale Sozialhilfe begleitet. Diesen dualen Entwicklungsbegriff lehnen die GRÜNEN und das Bündnis 90 ab. Wir treten für einen globalen, einheitlichen Entwicklungsbegriff ein. Wir streiten und wir setzen uns ein für eine ökologisch-solidarische Weltwirtschaft, deren Hauptziel es ist, unter Berücksichtigung der ökologischen Belastbarkeit unseres Globus die Lebenschancen in allen Regionen der Erde auf möglichst hohem Niveau aneinander anzugleichen. Dies bedeutet logisch: Wenn wir die Lebenschancen der Völker der Dritten Welt sichern wollen und wenn wir die Umwelt global schützen wollen, dann müssen wir notwendigerweise mit unserem Lebensstandard herunter. Zunehmend wird die Weltwirtschaft zum Nullsummenspiel; ({1}) Wohlstandsgewinne in der Dritten Welt können nicht mehr aus Wachstum finanziert werden, sondern auch wir müssen zu Verzicht bereit sein. In diesem Sinne haben wie GRÜNEN/Bündnis 90 ein Außenwirtschaftsprogramm entwickelt, an dem meines Erachtens die entwicklungspolitische Diskussion in den nächsten Jahren nicht wird vorbeigehen können. Dieses Programm ist gekennzeichnet durch einige Maximen, die ich Ihnen kurz darstellen möchte. Wir meinen, Grundlage einer gerechten und solidarischen Weltwirtschaft müßten sein: die eigenständige Entwicklung durch Regional- und Binnenorientierung, der Erhalt des ökologischen Gleichgewichts, Solidarität und Ausgleich der Entwicklungschancen, dies auch als entscheidender Beitrag zur Friedenssicherung, Demokratisierung der Weltwirtschaft, Sicherung der Menschenrechte und die Verbesserung der Lebenssituation der Frauen. Meines Erachtens muß jede Entwicklungspolitik diesen Maximen untergeordnet werden. Die klassische Projektpolitik als strategischer Ansatz für Entwicklung ist gescheitert. Die Rahmenbedingungen für Entwicklung müssen in den Vordergrund der Diskussion der 90er Jahre gerückt werden. Entwicklungspolitik im klassischen Sinne muß dem untergeordnet werden. In diesem Sinne einige Ausführungen zu einzelnen Punkten: Die Ökologieproblematik ist nicht nur durch Appelle an die Betroffenen in den Drittweltländern zu lösen, sondern wir müssen nach wir vor Transfers leisten, und zwar in erheblich stärkerem Maße als bisher. So fordern wir GRÜNEN/Bündnis 90 beispielsweise, daß wir jährlich 1 % des Bruttosozialprodukts in einen internationalen Umweltfonds einzahlen, der von den Vereinten Nationen kontrolliert wird und der dazu dienen soll, Konversionsprozesse in Drittweltländern zu finanzieren, um etwa von einer CO2-emittierenden Produktion und Konsumtion - begleitend zu dem Verzicht auf CO2-Emissionen bei uns, den wir genauso anstreben. Wir sind gezwungen, kräftig zu finanzieren und ganz entscheidende Transfers zu leisten, wenn wir vermeiden wollen, daß unser friesischer Freund Jan Jans Müntinga demnächst im Wasser steht oder daß Länder wie Bangladesch von der Bildfläche verschwinden. Ein zweiter Punkt, warum eine gerechte und solidarische Weltwirtschaft, eine ökologische Weltwirtschaft, unausweichlich ist, ist, daß sie die einzige Möglichkeit zur langfristigen Friedenssicherung ist. Wir sehen zur Zeit, daß sich die Kriegsgefahr von der Ost-West-Achse auf die Nord-Süd-Achse verschiebt. Die Irak-Krise, ist nur ein erster bizarrer Ausdruck dafür. Weitere Konflikte werden folgen, wenn wir dem nicht durch eine Änderung der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen vorbeugen. In diesem Sinne lehnen wir es ab, wenn bundesdeutsche Entwicklungsprojekte in den Zusammenhang militärischer Strategien gesetzt werden, wie es z. B. bei dem Bondoc-Projekt auf den Philippinen der Fall ist. Volmer Ein ganz wichtiger Punkt jeder Entwicklungspolitik und jeder Weltwirtschaftspolitik ist der aktive Kampf für die Durchsetzung der Menschenrechte. Wir meinen., daß die Zusammenarbeit mit Vietnam aufgenommen werden sollte, daß gleichzeitig aber die Zusammenarbeit mit El Salvador gestoppt werden muß. Wir bestehen darauf, daß die Sanktionen China gegenüber aufrechterhalten bleiben. Es geht doch nicht an, daß der Massenmord an der Bevölkerung gerade dadurch bestraft wird, daß die Chinesen ein Jahr lang auf ihre U-Bahn in Schanghai verzichten müssen. Das ist die Politik der Bundesregierung. Wir haben gesagt: Entwicklungsprojekte müssen gestoppt werden. - Nun - nach einem Jahr - soll die Förderung aufgenommen werden, d. h. ein Jahr Verzicht auf eine U-Bahn als Preis für den Massenmord an über 3 000 Leuten. ({2}) Das kann doch wohl nicht Ihre Politik sein. Wir wollen, daß die Sanktionen aufrechterhalten bleiben, bis sich in China Entscheidendes in Richtung auf die Beachtung der Menschenrechte tut. ({3}) Insgesamt gesehen hat die Bundesregierung herumgeeiert und eine äußerst inkonsistente und inkonsequente Politik betrieben, was Sanktionen angeht. Bei der Südafrika-Debatte wurde betont, daß Sanktionen unter keinen Umständen irgendeinen Sinn haben können. Bei der Irak-Politik wird nun zu Sanktionen gegriffen, was wir begrüßen. Aber dies heißt im Rückblick auf die Südafrika-Diskussion, daß man auch da andere Entscheidungen hätte treffen müssen. Manchmal sind ja auch weniger einschneidende Methoden geeignet, um Schlimmstes zu verhindern. Wenn die Bundesregierung nicht drei Augen bei der Exportpolitik zugedrückt hätte, dann hätten bestimmte Giftgasanlagen gar nicht in den Irak exportiert werden können, und die Eskalation des Konflikts wäre wahrscheinlich ausgeblieben. Ich komme zum letzten wichtigen Punkt, zur Bevölkerungspolitik und zur Situation der Frauen im Entwicklungsprozeß. Ich glaube nicht, daß Armut eine Konsequenz des Bevölkerungswachstums ist, sondern ich denke, daß das Bevölkerungswachstum eine Folge von Armut ist. Dem ist nicht durch technokratische Mittel der Familienplanung, die meistens auch frauenfeindlich sind, beizukommen, etwa dann, wenn Frauen mit allen möglichen technischen Mitteln, Kontrazeptiva usw., traktiert werden. Das mag es auch geben, wenn die Frauen es wünschen. Im wesentlichen kommt es darauf an, die Lebenssituation der Frauen weltweit zu verbessern. Es gilt, nicht nur ihre Grundbildung zu verbessern, sondern ihnen auch Zugang zu Ressourcen, zu Technologien, zu Know-how und zu gehobenen gesellschaftlichen Positionen zu verschaffen. Eine nachhaltige Entwicklung wird nicht möglich sein gegen die Hälfte der Menschheit oder ohne die aktive Beteiligung der Hälfte der Menschheit. ({4}) Ein letztes Wort zur Weltmachtrolle der Bundesrepublik, die hier in der letzten Zeit intensiv diskutiert worden ist. Deutschland ist eine bestimmte Position im wirtschaftlichen Bereich zugewachsen. Wir meinen nicht, daß Deutschland diese wirtschaftliche Macht in politische Macht ummünzen sollte. Wir sind der Ansicht, es sollte freiwilliger Machtverzicht geübt werden. Hoheitsrechte müssen nach unten, in die Regionen, und nach oben, an die Vereinten Nationen, abgetreten werden. Wir wollen die Maximen der Außenpolitik umkehren: Wir wollen nicht mehr eine internationale Politik im nationalen Interesse, sondern wir möchten eine nationale Politik im internationalen Interesse. Danke. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Fischer.

Dr. Ursula Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000557, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist angesichts der Fülle an Problemen, die den Anträgen und Beschlußempfehlungen unter Punkt 3 der Tagesordnung innewohnen, schwer, sich in nur fünf Minuten zu äußern. In einer Welt, in der das Wachstum der Bevölkerung den lebensbedrohenden Verfall ökologischer Systeme mit sich bringt, ist eine Stabilisierung der Bevölkerungszahl die einzig vertretbare Strategie. Die Zuwachsraten bis zum Jahr 2000 sind hinlänglich bekannt. Die Frage ist: Wie soll diese Stabilisierung erreicht werden? Wirtschaftswachstum senkt nur dann die Geburtenrate, wenn die große Masse der Bevölkerung eines Landes auch spürbaren Anteil daran hat. Die Gleichstellung der Frau ist auch für mich von besonderer Bedeutung. Ihr fällt die Schlüsselstellung zu. Das bedeutet für Männer aber sehr viel: den Verzicht auf liebgewordene Privilegien. In acht von neun Kulturkreisen werden Söhne gegenüber Töchtern bevorzugt.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Abgeordnete Dr. Fischer, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Rönsch zu beantworten?

Dr. Ursula Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000557, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja, natürlich.

Hannelore Rönsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001870, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Dr. Fischer, halten Sie es für eine Stabilisierung der Bevölkerung in der Dritten Welt, wenn die DDR in der Vergangenheit in großem Umfang Waffenexporte betrieben hat, und was haben Sie persönlich dagegen getan?

Dr. Ursula Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000557, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Darauf wäre ich sowieso noch zu sprechen gekommen. Ich habe mich bemüht, auch in den letzten fünf Monaten, eine vollständige Auflistung dieser Sachen 18528 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 233. Sitzung. Bonn, Dienstag. den 30. Oktober 1990 - auch was die Angelegenheit der Stasi und was die Waffenlieferungen betrifft - zu erhalten. Mir ist es nicht gelungen, eine solche Aufstellung zu erhalten. Eine komplette Aufstellung über entwicklungspolitische Sachen in der DDR habe ich nicht bekommen, obwohl mir dies versprochen worden ist. Ich hatte mit Minister Ebeling einen Termin vereinbart. Er ist dann krank geworden, und es ist nie dazu gekommen. Alles kam nur bröckchenweise. Ich habe daran sehr großes Interesse. Wenn Sie darüber mehr Informationen haben, dann wäre ich darüber sehr erfreut. Dann könnten wir uns wahrscheinlich darüber auch differenzierter unterhalten. Dafür gibt es ja auch andere Beispiele. ({0}) - Genauso ist es. Ich meine, man muß sich schon differenzierter über solche Dinge unterhalten. Dazu bin ich selbstverständlich jederzeit bereit. Aber mir fehlen da einfach Informationen. Das ging dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Bundestag offensichtlich genauso. An der letzten Ausschußsitzung konnte ich teilnehmen.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Rönsch, bitte sehr.

Hannelore Rönsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001870, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich wollte auch wissen, was Sie in der Vergangenheit - nicht in den letzten fünf Monaten - dagegen getan haben.

Dr. Ursula Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000557, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich habe in einem Entwicklungsland als Kinderarzt gearbeitet. Ich habe versucht, den Kindern wirklich das zu geben, was ich geben konnte. Ich weiß nicht, ob Sie in der Dritten Welt gearbeitet haben. An Waffenexporten war ich nicht beteiligt. Mir war leider darüber - wie Ihnen wahrscheinlich auch - zu wenig bekannt. ({0}) Das muß ich Ihnen wirklich so sagen. Aber ich bin gerne bereit, wenn wir mehr Informationen haben, daß wir uns darüber wirklich handfest unterhalten. Aber es muß eben Informationen auf beiden Seiten geben.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Dr. Fischer, der Abgeordnete Dr. Weng würde auch gerne eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie bereit, diese zu beantworten?

Dr. Ursula Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000557, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Natürlich. Aber meine Rede darf ich irgendwann auch noch halten?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Aber selbstverständlich. Ich rechne Ihnen, Frau Dr. Fischer, das auch nicht auf die Zeit an. Sie können also ganz beruhigt sein. Sie können die Zwischenfrage auch verweigern. Es ist Ihr gutes Recht, eine Zwischenfrage zu verweigern. Die Entscheidung liegt ausschließlich bei Ihnen.

Dr. Ursula Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000557, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich verweigere mich ganz selten. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bitte sehr, Herr Dr. Weng.

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin, wenn ich Ihre erneute Äußerung über Ihr persönliches Engagement und Ihren persönlichen Einsatz, den Sie hier schon mehrfach geschildert haben, ({0}) zugrunde lege, und wenn ich mir die Situation der früheren DDR in der Welt vor Augen halte, dann erlauben Sie mir die Frage: Warum haben Sie sich ausgerechnet bei der Partei engagiert, die an all dem, was in der DDR und durch die DDR geschehen ist, schuld gewesen ist?

Dr. Ursula Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000557, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich befürchte, daß die Beantwortung ein abendfüllendes Programm wäre. Auch darüber würde ich mich wirklich sehr gerne einmal persönlich und sehr lange mit Ihnen unterhalten. Vielleicht kommt man dann über irgendwelche Punkte näher an etwas heran. Ich müßte Ihnen dann meine ganze Geschichte erzählen. Ich müßte Ihnen die Geschichte meiner Großmutter erzählen, die während der Kriegszeit als Kommunistin verfolgt wurde. Ich selber bin keine Kommunistin. Aber auch darüber müßte man sich unterhalten. Da sind nämlich auch sehr viele falsche Dinge in manchen Köpfen. Ich meine damit nicht unbedingt Sie, Herr Weng. ({0}) Ich sage das wirklich nur ganz sachlich. Es gehört mehr dazu, um sich damit auseinanderzusetzen. Das können wir hier jetzt zwar machen, aber dann würde die ganze Debatte geschmissen. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bitte schön, Frau Abgeordnete, nun fahren Sie bitte in Ihrer Rede fort.

Dr. Ursula Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000557, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Die Gleichstellung der Frau ist von besonderer Bedeutung. Ihr fällt eine Schlüsselstellung zu. Das bedeutet aber für die Männer sehr viel - ich möchte dies noch einmal betonen - , nämlich den Verzicht auf liebgewonnene Privilegien. In acht von neun Kulturkreisen werden Söhne gegenüber Töchtern bevorzugt. Gesetze verbieten Frauen Landbesitz. Religion, Sitten und Bräuche versperren Aufstiegschancen und gleichberechtigte Bildungsmöglichkeiten. Gebildete Frauen greifen allerdings häufiger zu Verhütungsmitteln. Dazu kann man ganz unterschiedlich stehen, habe ich mir sagen lassen. Der Teufelskreis von Unterernährung und Unterdrückung des weiblichen Geschlechts muß durchbrochen werden. Das trifft besonders für Schwarzafrika zu. Nur wenn Reichtum einerseits und partriarchalische Macht andererseits aufgegeben werden und wenn wirtschaftliches Wachstum und demokratische Rechte nicht einer Minderheit vorbehalten bleiben, wird sich die ohnehin krisenhafte Entwicklung nicht noch weiter zuspitzen. Eine derartige Neuverteilung des Entwicklungsspielraums zwischen Mann und Frau, zwischen reich und arm und zwischen Nord und Süd - die, wenn es nicht am Willen mangelte, sehr wohl erreichbar wäre - brächte auch das wirksamste Mittel gegen den Anstieg der Weltbevölkerung - das ist sehr entscheidend für mich - über jedes angemessene Maß hinaus. Mir und meiner Gruppe geht deshalb der Antrag der CDU/CSU-, der SPD- und der FDP-Fraktion zur Bevölkerungsproblematik in den Ländern der Dritten Welt nicht weit genug, weil er die Frauenpolitik zwar im Blick hat, aber die Stellung der Männer in dieser Welt nicht berücksichtigt und nicht klarstellt und auch andere Ursachengefüge ebenfalls keine Berücksichtigung finden. Aber ich sollte mich auf die Beschlußempfehlung eines gemeinsamen deutschen Beitrags für eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit durch Entspannung zwischen Ost und West und den Antrag „Entwicklungspolitik in gesamtdeutscher Verantwortung" konzentrieren. Die Sorge der sogenannten Dritten Welt, daß die Ost-West-Entspannung die Entwicklungshilfe der Industrieländer zurückgehen läßt, halte ich für berechtigt. Der Feststellung, daß die Überwindung des OstWest-Konflikts auch die Entwicklungschancen der Dritten Welt verbessert, kann ich so absolut nicht folgen. Angesichts der Entwicklungstendenzen in den letzten zehn Jahren frage ich, ob diese Hoffnung wirklich begründet ist. Ich möchte es gern glauben. Ich dagegen befürchte eher eine Abkapselung Europas, um den Wohlstand zu sichern, wenn ich die Sensibilisierung großer Teile der Bevölkerung für diese Problematik nüchtern betrachte. Ich halte es für möglich, daß die Überwindung des Ost-West-Konflikts die Chancen der Dritten Welt verbessert, aber automatisch passiert da natürlich nichts. Es ist mir nicht ganz klar, ob die Beschlußempfehlung wirklich in Richtung praktischer Schritte geht. Ich habe vorhin gerade gesagt, daß mir bestimmte Detailkenntnisse, was die Entwicklungspolitik der ehemaligen DDR betrifft, fehlen. Nun kann ich mir allerdings gut vorstellen, wie schwer es war, alle Informationen zu erhalten. Der Handel der ehemaligen DDR mit den Entwicklungsländern zeigte anteilmäßig, gemessen am Gesamthandelsumsatz und auch absolut, eine rückläufige Tendenz. Er konzentrierte sich eindeutig auf einige wenige Länder bei extrem niedrigem Anteil der LDCs. Die Struktur des Außenhandels war durch die Dominanz von Rohstoffimporten usw. bestimmt. Das wurde hier schon gesagt; das muß ich zum Teil bestätigen. Trotzdem: Objektive und subjektive Voraussetzungen spielten in der Entwicklungspolitik der ehemaligen DDR oft keine Rolle. Vor Ort in Nicaragua ging es mir ganz ähnlich. Dort hatte ich von der Entwicklungspolitik der BRD gegenüber der sandinistischen Regierung ähnliche Eindrücke. Die weitreichende Abschottung großer Teile der Bevölkerung der ehemaligen DDR ist an dieser Stelle ebenfalls zu nennen. Das hat im Prinzip nur Negatives gebracht. Trotzdem wurde von Entwicklungshelfern Beachtliches geleistet. Unter der Überschrift „Bonn führt DDR-Entwicklungshilfe nur zum Teil fort" wird in der FAZ festgestellt, daß die Bundesregierung nur einen kleinen Teil der Entwicklungshilfe der ehemaligen DDR fortführt. Die Beteuerungen unseres Ministeriums damals gingen in eine ganz andere Richtung. ({0}) Es wurde gesagt, daß der größte Anteil aller Entwicklungshilfeprojekte übernommen wird. Es gab ja auch Diskussionen um Vietnam. ({1}) - Natürlich. Im Programm ist z. B. das „Krankenhaus der Freundschaft" in Hanoi. Da werden Sie mir sicher recht geben, daß das Entwicklungshilfe war. ({2}) - Es gibt mehrere. Ich kann Ihnen meine Liste geben, was ich weiß. Das ist allerdings nicht allzuviel. ({3}) - Wir können uns darüber länger unterhalten. Die Entwicklungshilfe in der ehemaligen DDR wurde als Mittel der Systemauseinandersetzung begriffen. So schätze ich das ein. Ich sehe das umgekehrt - j eden-falls vor der Wende - für die BRD in vielen Teilen leider genauso. Deswegen bin ich der Meinung: Es muß - möglichst überparteilich - ein neuer entwicklungspolitischer Ansatz geschaffen werden. ({4}) Es gäbe zu diesen Themen noch sehr, sehr viel zu sagen. Aber leider ist meine Redezeit abgelaufen. Danke. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dr. Warnke.

Dr. Jürgen Warnke (Minister:in)

Politiker ID: 11002428

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst die Gelegenheit wahrnehmen, den Mitgliedern des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit am Ende dieser Legislaturperiode zu danken für den Beitrag des Parlaments zur Herausbildung der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Ich danke ganz besonders denjenigen, die mit Ablauf dieser Legislaturperiode aus dem Parlament ausscheiden. Stellvertretend für sie alle möchte ich Sie, verehrter Herr Kollege Brück, nennen. Sie haben nicht nur 23 Jahre lang im Parlament mitgewirkt, sondern Sie haben auch acht Jahre als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, während vier Minister dieses Haus leiteten, für Kontinuität in der Leitung gesorgt und waren der ruhende Pol in diesem Ministerium. Dafür auch persönlich ein herzliches Wort des Dankes. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen am Beginn des neuen Jahrzehnts vor neuen Herausforderungen. Wir stehen vor neuen Chancen in der Entwicklungszusammenarbeit. Wir sehen: Es war richtig, daß wir in den 80er Jahren die Entwicklungszusammenarbeit ausgerichtet hatten auf die Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten, rechtsstaatlichen Formen, marktwirtschaftlicher Ordnung im Innern der Entwicklungsländer und einer friedensbewahrenden Politik nach außen. Es ist natürlich überhaupt keine Rede davon - hier ist eben das Wort „Systemauseinandersetzung" gefallen - , daß wir uns jetzt umorientieren müßten. Diese unsere Zielsetzung hat sich insbesondere in Mittel-und in Osteuropa durchgesetzt. Das macht die Großartigkeit dieser friedlichen Revolution aus, und auf diesem Wege werden wir in den 90er Jahren weiterfahren. ({1}) So wie sich diese Linie gegenüber Nicaragua und Chile bestätigt hat, so wird es unser Ziel sein, sie gegenüber El Salvador und gegenüber Kuba zum Erfolg zu bringen. ({2}) Es gehört zu dem Unvorstellbaren, was uns in den letzten zwölf Monaten widerfahren ist, daß sich auch in der Republik Südafrika ein Weg abzeichnet, das Gift der Apartheid auf friedliche Weise zu überwinden. ({3}) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es gehörte zu den tragischen Widersprüchen unserer Politik, daß wir zur Durchsetzung von freiheitlichen Entwicklungen Sanktionen mit in Kauf nehmen mußten, die ausschließlich auf dem Rücken der Armsten des schwarzen Bevölkerungsteils ausgetragen wurden und die durch die Begrenzung des Wirtschaftswachstums in Südafrika auf jährlich 1 % bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum von rund 3 % in den letzten Jahren Zehntausende von Arbeitsplätzen vernichtet haben, und das in einer Zeit, in der Hunderttausende neuer Arbeitsplätze gebraucht worden wären. ({4}) In bezug auf Südafrika ebenso wie auf China kann ich nur sagen: Das Mindeste, das wir in diesem Zusammenhang zum Ausdruck bringen können, ist, daß wir uns der Tragik bewußt sind und daß wir Sanktionen nicht mit Genugtuung anwenden, weil sie sich in ihren Auswirkungen gegen die Menschen richten. Ich habe die Hoffnung, daß wir sie in Südafrika bald aufheben können. Auf dem Weg dahin ist die Bundesregierung nicht tatenlos geblieben. Wir haben mit einem geeigneten Träger, der das Vertrauen auch der großen Organisationen der Schwarzen genießt, die Zusammenarbeit beim Wohnungsbau für die schwarze Bevölkerung bereits in diesem Jahre aufgenommen. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Minister, ich gehe davon aus, daß Sie bereit sind, eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Brück zu beantworten.

Dr. Jürgen Warnke (Minister:in)

Politiker ID: 11002428

Selbstverständlich.

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, daß sich die Sanktionen gegen die Menschen richten. Bedeutet das denn nicht für Sie, daß Sie auch alle Entwicklungsprojekte der früheren DDR, die entwicklungspolitisch sinnvoll sind, beispielsweise in Kuba weiterführen müssen? Es geht ja dort um die Menschen, und wenn es sich um ein Krankenhaus handelt, dann muß man das doch weiterführen. ({0})

Dr. Jürgen Warnke (Minister:in)

Politiker ID: 11002428

Herr Kollege Brück, ich bin mir bewußt, daß hier ein Spannungsverhältnis besteht, und wollte mit meinen Worten unterstreichen, daß solche Sanktionen nicht mit Lust gefordert werden können, wie ich es manchmal in den Untertönen einiger parlamentarischen Debattenbeiträge wahrzunehmen meine. ({0}) Das ist der springende Punkt. Sie haben ja auch in Ihrem Beitrag, Herr Kollege Brück, China angesprochen. Unsere Politik zielt auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen, der sozialen und der politischen Lebensbedingungen und Entfaltungsmöglichkeiten der Menschen auch in China. Gerade das ist der Hintergrund der Wiederaufnahme unserer Zusammenarbeit mehr als ein Jahr nach den Ereignissen auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Die U-Bahn in Shanghai ist das beste Beispiel dafür; dort wäre es nicht zu verantworten, Millionen von Menschen, und zwar Arbeiterinnen und Arbeiter, täglich stundenlangen Zeitverlusten, aber auch einer massiv ansteigenden Gefährdung der Umwelt durch die Belastungen auszusetzen, die mit dem gegenwärtigen Zustand des Transportwesens in Shanghai verbunden sind. Wir glauben - das ist die Entscheidung auf Grund der Einschätzung der Lage im ausgehenden Jahr 1990 - , daß unser Wort zugunsten von Menschenrechten und Demokratie in China gewichtiger wird, wenn es aus der Kooperation kommt und nicht aus der Konfrontation. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Minister, lassen Sie eine weitere Zwischenfrage zu?

Dr. Jürgen Warnke (Minister:in)

Politiker ID: 11002428

Ja, sicher.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bitte sehr!

Prof. Dr. Uwe Holtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000948, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, meinen Sie nicht auch, daß die halbe Millarde Mark für die Volksrepublik China, wenn schon überhaupt, dann entwicklungspolitisch sinnvoller eingesetzt werden könnte als dafür, die Urbanisierung etwa in Shanghai noch zu fördern?

Dr. Jürgen Warnke (Minister:in)

Politiker ID: 11002428

Von der Förderung der Urbanisierung kann überhaupt keine Rede sein, ({0}) sondern es ist davon die Rede, daß dort in einer für uns unvorstellbaren Belastung der Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung tagaus, tagein Transportwege von Stunden in Kauf genommen werden müssen ({1}) unter der Belastung mit Stickoxiden, die aus dem Massentransportmittel Omnibus dort heute kommen, und daß es für uns nicht angeht, uns einzusetzen für moderne, leistungsfähige Massentransportsysteme im eigenen Land zum Wohle der eigenen Bevölkerung und sie den Menschen in der Dritten Welt zu verweigern. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den Chancen und Herausforderungen, die sich uns in den 90er Jahren eröffnen, gehört die Möglichkeit, dem Bevölkerungswachstum eine entwicklungsverträglichere Richtung und eine Begrenzung des mit der Entwicklung nicht zu vereinbarenden exzessiven Zuwachses zu geben. Die Menschen in der Dritten Welt sind in den letzten Jahren dazu bereiter geworden. Wir werden ab nächstem Jahr die Mittel, die wir dafür zur Verfügung stellen, steigern, damit ein Scheitern der Entwicklungserfolge vergangener Jahrzehnte verhindert wird, das aus der Übervölkerung von Ländern insbesondere in Schwarzafrika, aber auch in Lateinamerika und in Südostasien heute droht. ({3}) - Die Bundesregierung wird die Mittel dafür erhöhen, und ich gehe auf Grund der heutigen Antragslage davon aus, daß wir das gemeinsam so beschließen werden. Die Bewahrung der Schöpfung ist jene Herausforderung der 90er Jahre, bei der wir den Anspruch der Menschen in der Dritten Welt auf Steigerung ihrer wirtschaftlichen Verfügungsmasse auf einen Nenner zu bringen haben mit der Erhaltung einer lebenswerten und lebensfähigen Umwelt. Die Bundesrepublik Deutschland hat in den letzten beiden Jahren im Rahmen ihrer Entwicklungshilfe bereits 2,5 Milliarden DM für den weltweiten Umweltschutz aufgebracht. Sie ist damit international der Spitzenreiter in der Verknüpfung von Entwicklungshilfe und Schutz der Umwelt. Wir werden diesen Weg in den 90er Jahren in der Erkenntnis weitergehen: Weltweite Umweltbewahrung hat einen hohen Preis, aber wir werden an der Leistung gemessen werden, die wir zur Erhaltung der Schöpfung vollbracht haben, und nicht daran, in welchem Prozentsatz das real verfügbare Einkommen in den elf alten Bundesländern in den 90er Jahren gewachsen ist. Ich gehe davon aus, daß wir heute das Abkommen von Lomé ratifizieren. Wenn gefragt wird: „Wie verhält sich die Bundesrepublik des vereinten Deutschlands gegenüber den Entwicklungsländern?", dann ist hier eine schlüssige Antwort: Nach dem Fall der Mauer hat dieses Parlament entschieden, daß wir uns mit rund 6 Milliarden DM an Lomé IV beteiligen, als Bundesrepublik Deutschland derjenige Partnerstaat sind, der den größten Anteil übernimmt. Wir ratifizieren es heute und bekräftigen damit unsere Fähigkeit und unsere Bereitschaft, die finanziellen Anforderungen der deutschen Einheit mit wachsenden weltweiten Leistungen in der Entwicklungshilfe zu vereinbaren. Wenn hier gefragt worden ist: „Wie wird es mit den Projekten der früheren DDR weitergehen?", dann ist die Antwort der Bundesregierung klar: Wir übernehmen und führen all das fort, was Hilfe zur Selbsthilfe beinhaltet, all das, was mit den Grundlagen der deutschen Entwicklungspolitik vereinbar ist. Natürlich gibt es vieles im Bereich des Gesundheitswesens, der Berufsausbildung, des Umweltschutzes und der Forstentwicklung, wo die ehemalige DDR Sinnvolles geleistet hat. Wir wissen, daß wir durch die Übernahme unseren Partnern in den Ländern der Dritten Welt beweisen: Die Deutschen auf dem Weg zur Einheit bleiben sich ihrer Verantwortung gegenüber den Entwicklungsländern bewußt. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Irmer, die Debattenzeit ist deutlich überschritten. Sie ist schon eine Stunde länger als vorgesehen. Ich bitte, ein bißchen daran zu denken, daß es sehr knapp wird. Zu einer Kurzintervention erteile ich der Abgeordneten Frau Walz das Wort.

Ingrid Walz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002426, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich will zum Schluß jetzt nicht noch unfreundlich werden, aber die Anträge und die Debattenbeiträge der beiden Fraktionen der GRÜNEN und der SPD lassen bei mir einen ziemlich fatalen Eindruck, wenn nicht gar den Eindruck von Doppelzüngigkeit zurück. Auf der einen Seite weisen sie immer wieder auf die Notwendigkeit der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und auf die besondere Verantwortung der Industrieländer bei der Entwicklung der Dritten Welt hin. Andererseits: Wollen sie die katastrophale Umweltsituation in der Volksrepublik China nun nicht zur Kenntnis nehmen? ({0}) Dieses riesige Land mit seinen 1,2 Milliarden Menschen stellt durch seinen unzureichenden Umweltschutz nicht nur eine Gefahr für das Leben der eigenen Bevölkerung dar, sondern wird durch das gewaltige Ausmaß der Umweltbelastung auch zur weltweiten Bedrohung. 18532 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 233. Sitzung Bonn, Dienstag, den 30. Oktober 1990 Trotz der kritischen Menschenrechtssituation, die wir ja alle sehen und beklagen, haben wir keine andere Alternative ({1}) das ist der Fakt -, als unserer ökologischen Verantwortung durch konsequenteres Handeln gerecht zu werden. ({2}) Dazu gehört - ich darf Ihnen die Projekte in Erinnerung rufen - z. B. ein öffentliches Nahverkehrssystem, das wir hier so dringend fordern, dazu gehört auch eine Abfallbeseitigungsanlage z. B. in Peking, ({3}) dazu gehören auch umweltfreundliche Kraftwerke. Meine Damen und Herren, das sieht in der Zwischenzeit die ganze Welt einschließlich EG und UN so, nur Sie nicht. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Pinger.

Prof. Dr. Winfried Pinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001719, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens erforderte eine scharfe internationale Reaktion. Als Bundesrepublik Deutschland haben wir uns daran beteiligt. Die Bundesrepublik Deutschland gehörte aber auch zu denjenigen Gebern, die die Sanktionen am längsten aufrechterhalten haben. Jetzt zeigt die konstruktive Haltung Chinas im Kambodscha-Konflikt und insbesondere im Irak-Konflikt, daß sich die derzeitigen Machthaber um eine Öffnung ihres Landes und eine internationale Zusammenarbeit bemühen. Dies gibt uns die Zuversicht, daß wir auf die verantwortlichen Politiker in China bei dieser Zusammenarbeit zur Verbesserung der Menschenrechtssituation einwirken können, nachdem sich das Sanktionspotential erschöpft hat. Wir jedenfalls werden uns mit der jetzigen Menschenrechtslage in China nicht abfinden. Der Antrag der Koalition beschränkt deshalb die künftigen Projekte auf grundbedürfnisorientierte Vorhaben sowie auf die Gewährung von Hermes-Krediten, letztes hat auch die SPD nicht in Frage gestellt. Das Interesse an China von Ministerpräsidenten SPD-regierter Länder geht übrigens deutlich über unseren Antrag hinaus. Dafür haben wir Belege. ({0}) Die Bundesregierung wird jedenfalls den Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen insgesamt verstärkt fortsetzen. Es ist sehr zu begrüßen, daß sie dem neuen Generalsekretär von Amnesty International zugesagt hat, daß deren Ermittlungsergebnisse vor allen Regierungsverhandlungen eingeholt und zum Gegenstand der jeweiligen Erörterungen im Zusammenhang mit Entwicklungspolitik gemacht werden. Der Staatssekretär Repnik hat sich darum besonders bemüht. ({1}) Meine Damen und Herren, mit den insgesamt 17 Vorlagen, die heute zur Abstimmung stehen, verdeutlichen wir die entwicklungspolitischen Schwerpunkte, die wir in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode gesetzt haben, und zwar meist in breiter parlamentarischer Übereinstimmung, was die grundlegenden Zielsetzungen und Maßnahmen angeht. Deshalb war es dann ja auch möglich - das ist durchaus kein Wunder - , einer Passage aus dem Grundsatzprogramm der SPD zuzustimmen. Ich will vier Schwerpunkte nennen: Erstens. Ein viel deutlicherer Akzent ist auf dem Gebiet des Umweltschutzes in der Dritten Welt gesetzt worden. Hierzu gehört die massive sektorale Zuweisung von Finanzmitteln, z. B. zum Schutz des tropischen Regenwalds. Zu nennen ist aber auch die Verbindung von Schuldenerlaß und Umweltschutz. Nicht zuletzt ist die Umweltverträglichkeitsprüfung in allen Feldern der Projektplanung und Projektumsetzung praktisch eingeführt worden. Zweitens. Die Förderung von Frauen in den Entwicklungsländern ist in der Projektplanung viel stärker zum Tragen gekommen. Angesichts der Bedeutung der Frauen in den Entwicklungsländern für Einkommen und Ernährungssicherung für die Familie war dies allerdings überfällig. Auch auf diesem Feld haben wir weitestgehende Gemeinsamkeit im Parlament. Drittens. Den wahrscheinlich bedeutendsten Durchbruch für eine neue Entwicklungspolitik haben wir unter dem Stichwort „Armutsbekämpfung durch Selbsthilfe" erreicht. Damit haben wir ja auch den richtigen Ansatz für den Kampf gegen die Bevölkerungsexplosion und den richtigen Ansatz für den Kampf gegen die Umweltzerstörung, die ja weitestgehend auf der Armut beruht. Im BMZ wurde eine besondere Einheit für dieses Thema geschaffen. Das Ergebnis, das unter Federführung von Karl Osner formuliert worden ist, ist beeindruckend, wird damit doch bewiesen, in welcher Weise gerade auch ärmste Bevölkerungskreise in der Lage sind, durch produktive Tätigkeit und in Selbsthilfe ihre Lage zu verbessern. Meine Damen und Herren, daß diese Anstrengungen auch international anerkannt werden, hat sich auf der letzten Weltbanktagung gezeigt, auf der der deutsche Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dr. Warnke, gebeten wurde, im Entwicklungskomitee das Einführungsreferat zu den wichtigen Themen „Armutsbekämpfung durch Selbsthilfe" und „Frauenförderung in der Dritten Welt" zu halten. - In der Zwischenzeit gibt es eine ganze Reihe von Entwicklungsprojekten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, in der die neuen Akzente verwirklicht werden. Ich will dazu allerdings noch einige Klarstellungen vornehmen: Partizipation der Bevölkerung wird als wichtiges Kriterium herausgestellt. Genauer betrachtet, ist Beteiligung aber zuwenig. Es geht ja doch nicht darum, daß die betroffenen Menschen bei unseren Projekten mitreden können. Es müßten eigentlich die Projekte der Bevölkerung selbst sein, an denen wir uns im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe beteiligen. Das scheint mir auch nicht nur eine semantische Frage zu sein, sondern da bedarf es eines noch intensiveren Umdenkungsprozesses; wie gesagt, wenn es um Armutsbekämpfung durch Selbsthilfe geht. ({2}) Konkret heißt dies: Träger der Projekte darf weder eine staatliche deutsche Durchführungsorganisation noch insbesondere eine staatliche Stelle des Entwicklungslands sein. Träger müssen die Menschen selbst sein, ({3}) also ihre eigenen Selbsthilfeeinrichtungen, ihre eigenen Selbstverwaltungsorganisationen. Viertens. In den letzten zwölf Monaten ist uns mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt worden: Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungshilfe bringen nichts, wenn die politischen Rahmenbedingungen die Privatinitiative, politische und wirtschaftliche Freiheit, Wettbewerb um die besseren politischen Ideen und um die besseren Produkte am Markt nicht zulassen. Was die Bedeutung der Rahmenbedingungen angeht, sind wir mit den GRÜNEN einig. Ob wir in dieselbe Richtung gehen, ist die andere Frage. ({4}) Das spektakuläre Versagen des real existierenden Sozialismus macht klar: Entwicklung ist nicht möglich, wo zentralistische Planung, wo Staatswirtschaft und politische Unterdrückung herrschen. ({5}) Werden wir, so frage ich, daraus die notwendigen Schlüsse ziehen, oder werden wir aus falsch verstandenen außenpolitischen Rücksichten auf falsche Freunde auch in Zukunft Gelder in bodenlose Fässer sozialistischer Mißwirtschaft schaufeln? Wollen wir dies nicht, so müssen wir das herkömmliche Quotensystem aufgeben. ({6}) Wir dürfen uns nicht mehr in das starre Schema einer Rahmenplanung pressen lassen. ({7}) Dagegen muß flexibel denjenigen Ländern geholfen werden, die reformbereit sind und für Strukturanpassungen dann besonderer und massiver Hilfe bedürfen. Abschließend möchte ich festetellen: Die 80er Jahre waren für die ärmsten Länder Schwarzafrikas das verlorene Jahrzehnt. Wenn wir endlich und radikal die Konsequenzen aus früheren Fehlentwicklungen und falscher Entwicklungspolitik ziehen, und zwar national wie international, könnten die 90er Jahre auch für diese ärmsten Länder ein gewonnenes Jahrzehnt werden. Nicht Pessimismus oder gar Resignation, lieber Alwin Brück, sondern Hoffnung und Optimismus könnten dann die Entwicklung bestimmen. ({8})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, ich habe noch zwei Kurzinterventionen vorliegen, die ich zulasse. Dann kommen wir zur Abstimmung. Es handelt sich um über 20 Vorlagen, über die abzustimmen ist. Abgeordneter Brück, Sie haben das Wort.

Alwin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000276, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegin Walz hat die Aufhebung der Sanktionen gegenüber China damit begründet, daß es dort Probleme gebe und daß die Umwelt geschädigt sei. Frau Kollegin Walz, ich frage Sie: Haben Sie das bei Ihrer Entscheidung im vergangenen Jahr nicht gewußt? Da war doch die gleiche Situation. Wir haben uns alle voller Empörung im vergangenen Jahr zu diesen Sanktionen entschlossen, weil wir ein Zeichen gegen die dortige Diktatur setzen wollten, die einen Aufstand blutig niedergewalzt hatte. ({0}) An dieser Situation hat sich nichts geändert; gar nichts hat sich geändert. Herr Kollege Pinger hat gesagt, wir könnten unsere Politik gegenüber China deshalb ändern, weil sie sich im Golf so verhalten haben, wie sie sich verhalten haben. Lieber Kollege Pinger, wir machen doch Sanktionen gegenüber dem Irak, weil dort die Menschenrechte verletzt werden. Ist es nicht ein falsches Signal an Saddam Hussein, wenn wir bei China schon nach einem Jahr weich werden? Der braucht doch nur abzuwarten. Der sagt: Einmal werden die ganz schnell in den Knien weich werden, dann, wenn es um ihre Exportinteressen geht. Es ist genau das falsche Signal. Überlegen Sie sich deshalb Ihre Entscheidung! ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Irmer das Wort.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich hatte vorher dem Bundesminister eine Frage stellen wollen, und zwar insbesondere deshalb, weil wir im Anschluß hieran eine europapolitische Debatte führen werden. Ich muß sagen: Ich bedauere es ganz außerordentlich, daß die Entwicklungsfonds nach dem Lomé-Abkommen nach wie vor nicht in den europäischen Haushalt eingestellt sind, daß das Europäische Parlament hiermit also der Möglichkeit beraubt ist, haushaltsmäßig auf die Entwicklungsfonds Einfluß zu nehmen. Das Parlament hat das Recht, zu überprüfen und Entlastung zu erteilen; dazu ist es auch verpflichtet. Es wäre dringend an der Zeit, daß dies dadurch ergänzt wird, daß die Entwicklungsfonds in den europäischen Haushalt eingestellt werden. Ich bitte die Bundesregierung, alles zu tun, damit dies beim nächsten Mal endlich gelingt. Vielen Dank. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur Abstimmung. Zunächst stimmen wir über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Drucksache 11/7956 unter Punkt 3 a ab: Entwicklungspolitischer Beitrag zur Lösung von Bevölkerungsproblemen der Dritten Welt. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der SPD, der CDU/ CSU und der FDP bei Enthaltung der Gruppe der PDS und gegen die Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 angenommen worden. Wir kommen zu 3 b, Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 11/6936: Entwicklungspolitischer Beitrag zur Versöhnung, Frieden und Wiederaufbau in Nicaragua. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Gruppe der PDS angenommen worden. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 c, Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 11/7108: Verstärkte Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern im Energiesektor als Beitrag zur Lösung der weltweiten Umweltprobleme. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Zwei Enthaltungen aus der PDS-Gruppe. Damit ist dieser Antrag mit der Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 d, Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Drucksache 11/3456 zum Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/784 zur Entwicklungspolitik in Afrika. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 3 e, Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Drucksache 11/5963 zu dem Antrag betreffend Mitbestimmung im Deutschen Entwicklungsdienst. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/4170 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung, den Antrag der Fraktion der SPD abzulehnen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 f, Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Drucksache 11/7134 zu drei Anträgen zu El Salvador. Hierzu liegen Änderungsanträge vor. Ich lasse zunächst einmal über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 abstimmen. Dieser liegt Ihnen auf Drucksache 11/8327 vor. Wer diesem Änderungsantrag auf Drucksache 11/8327 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Änderungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion der SPD abgelehnt worden. Wir kommen nunmehr zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf der Drucksache 11/8362. Wer diesem Änderungsantrag der SPD zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Änderungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS abgelehnt worden. Der Ausschuß empfiehlt unter dem Buchstaben A seiner Beschlußempfehlung, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 11/5973 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer dieser Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung des Ausschusses mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen weiter unter Buchstabe B, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/5453 ({0}) abzulehnen. Es handelt sich um die sofortige Einstellung der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit mit El Salvador. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN abzulehnen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der SPD-Fraktion ist diese Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen. Der Ausschuß empfiehlt des weiteren unter Buchstabe B, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/5969 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden, wobei sich die Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und die Gruppe der PDS enthalten haben. Tagesordnungspunkt 3 g, Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Drucksache 11/7488. Hier handelt es sich um die Einstellung eines Entwicklungsvorhabens auf den Philippinen. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/6199 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen worden. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 h, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 11/7695. Der AusVizepräsident Cronenberg schuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/6277 zum Schutz der Yanomami-Indianer in Brasilien in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer dieser Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen nunmehr zu Tagesordnungspunkt 3 i, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Drucksache 11/7968 zur Entwicklungszusammenarbeit mit Vietnam. Der Ausschuß empfiehlt unter Buchstabe A seiner Beschlußempfehlung, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 11/7060 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer dieser Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist diese Beschlußempfehlung bei Enthaltung der Gruppe der PDS vom übrigen Haus angenommen worden. Der Ausschuß empfiehlt unter Buchstabe B, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/6734 für erledigt zu erklären. Wer dieser Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist diese Beschlußempfehlung bei Enthaltung der Gruppe der PDS und der Fraktion der GRÜNEN angenommen worden. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 j, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Drucksache 11/8058, Änderung der EG-Nahrungsmittelhilfepolitik. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/5656 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses, den SPD-Antrag anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 k, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Drucksache 11/8059. Es handelt sich um eine Erfolgskontrolle in der Entwicklungspolitik. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/5666 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer der Beschlußempfehlung, den SPD-Antrag anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen aus der Gruppe der PDS ist diese Beschlußempfehlung angenommen worden. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 1, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Drucksache 11/8082, deutscher Beitrag für eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit durch Entspannung zwischen Ost und West. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 11/7473 ({1}) in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist diese Beschlußempfehlung mit der Koalitionsmehrheit bei unterschiedlichem Stimmverhalten - Enthaltungen und Ablehnung - der PDSGruppe, bei Enthaltung der SPD-Fraktion und gegen die Stimmen der GRÜNEN angenommen worden. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 m, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Drucksache 11/8083, Grundbildung in der Entwicklungszusammenarbeit. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der SPD auf Drucksache 11/7468 anzunehmen. Wer dieser Beschlußempfehlung des Ausschusses nachzukommen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, der GRÜNEN und der CDU/CSU bei unterschiedlichem Abstimmungsverhalten der Gruppe der PDS und mit je einer Enthaltung aus den Fraktionen der FDP und der CDU/CSU angenommen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 3 n, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Drucksache 11/8084. Es handelt sich um die Entwicklungspolitik in gesamtdeutscher Verantwortung. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/7387 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer also dieser Empfehlung zu folgen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der SPD bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN, einer Enthaltung aus der Fraktion der CDU/CSU, geschlossenem Abstimmungsverhalten der FDP-Fraktion und unterschiedlichem Abstimmungsverhalten in der Gruppe der PDS angenommen worden. Tagesordnungspunkt 3 o. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzesentwurf zum Vierten AKP-EWG-Abkommen von Lomé. Es liegt Ihnen auf den Drucksachen 11/8014 und 11/8325 vor. Ich rufe das Gesetz mit seinen Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. ({2}) - Das ist ein gesundheitspolitisches Problem. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist dieses Gesetz mit den Stimmen der FDP, der CDU/CSU und der SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE GRÜNEN mit einer Zustimmung aus der Gruppe der PDS und einer Enthaltung aus der Gruppe der PDS angenommen worden. Dann kommen wir zu Tagesordnungspunkt 3 p, zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 11/8187, Entwicklungspolitik und Hermes-Bürgschaften gegenüber der Volksrepublik China. Hierbei hat zu einer persönlichen Erklärung die Abgeordnete Frau Kelly um das Wort gebeten. Ich erteile der Abgeordneten das Wort.

Petra Karin Kelly (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich werde gegen diesen Antrag stimmen, weil ich nicht einsehen kann, 18536 Deutscher Bundestag - î ï. Wahlperiode Frau Kelly warum die vom Bundestag am 15. und 23. Juni 1989 einstimmig gefaßten Beschlüsse revidiert werden sollen. Wir haben mit diesen Beschlüssen im Juni 1989 richtig gehandelt; denn sie waren die einzig mögliche Antwort auf die Unmenschlichkeit der alten Männer der größten kommunistischen Partei der Welt, die ihre Demokratie fordernde Jugend in einem blutigen Massaker von Panzern niederwalzen und mit Maschinengewehren zusammenschießen ließen. Ich lehne diesen Antrag ab, weil ich seit Juni 1989 die unglaubliche Propagandalüge verfolgt habe, welche die greise Garde um Deng Xiaoping aufgebaut hat, um ihre mörderischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht nur in China, sondern auch in Tibet zu vertuschen und zu leugnen. Ich kann diesem Antrag auch deshalb nicht zustimmen, weil er jenen idealistischen jungen Menschen in den Rücken fällt, die sich in China gewaltfrei für die überfällige Demokratisierung eingesetzt haben, obwohl sie ahnten, daß ihr starrsinniges Regime eher über Leichen gehen würde, als politische und gesellschaftliche Veränderungen zuzulassen. Ich stimme gegen diesen Antrag, weil es mich erschreckt und traurig macht, daß die Regierungsparteien auf der einen Seite kompromißlos und mit Recht die Garantie der Menschenrechte im Irak und in Kuwait einfordern, auf der anderen Seite aber angebliche chinesische Bemühungen auf erneute Öffnung im wirtschaftlichen und außenpolitischen Bereich als Rechtfertigung einsetzen, um die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit China auszudehnen und Hermes-Bürgschaften wieder zu gewähren - offensichtlich nur, weil eigene Wirtschaftsinteressen dies geraten erscheinen lassen. Ich stimme diesem Antrag nicht zu, weil er kein einziges Argument und keinen einzigen Hinweis enthält, woraus ersichtlich würde, was sich denn eigentlich in China zugunsten der Menschen verändert haben soll. Gerade um die Menschen und um ihre garantierten Menschen- und Bürgerrechte muß es jedoch gehen, wenn von positiven Veränderungen in China gesprochen wird. Ich lehne diesen Antrag ab, weil es in China auch nach dem Massaker vom Sommer 1989 Terrorwellen von Verhaftungen, Folterungen und Hinrichtungen gegeben hat. Nach Berichten von Amnesty International in London und Asia Watch in Washington D. C. wurden im September 1990 an einem einzigen Tag 64 Menschen hingerichtet. Beide Organisationen gehen von mindestens 500 Hinrichtungen allein in diesem Jahr aus. Ich stimme diesem Antrag auch deshalb nicht zu, weil ich es als zynisch empfinde, wenn ein menschenverachtendes Regime mit neuerlicher Unterstützung dafür belohnt werden soll, daß es das Völkerrechtsverbrechen der irakischen Invasion Kuwaits wie fast alle anderen Regierungen verurteilt hat. Ich stimme gegen diesen Antrag, weil die frühere Zusammenarbeit mit China, auf die sich Minister Warnke nun beruft, der Bundesregierung zu keiner Zeit mehr Einflußmöglichkeiten gebracht hat, wenn es um die Einforderung von Menschenrechten in China geht. Ich lehne diesen Antrag nicht zuletzt auch deshalb ab, weil er nicht den Forderungen der chinesischen Demokratiebewegung entspricht, die soeben erneut festgestellt hat, daß sie den von mir und meiner Fraktion eingebrachten Antrag, die gegenüber der Volksrepublik China beschlossenen Sanktionen nicht zu lockern, voll und hundertprozentig unterstützt, weil es um die Menschenrechte in China heute genauso schlecht bestellt ist wie früher. Ich stimme schließlich gegen diesen Antrag, weil er die anvisierte Wiederaufnahme von Wirtschaftsbeziehungen an keine Bedingungen geknüpft hat und damit nichts anderes als eine Ermutigung zur Fortsetzung der Unterdrückungspolitik und zur Verletzung von Menschenrechten in China ist. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich lasse nunmehr über den Antrag der Fraktionen CDU/CSU und FDP auf Drucksache 11/8187 abstimmen. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei drei Enthaltungen aus der CDU/CSUFraktion und einer Enthaltung aus der PDS-Gruppe ist dieser Antrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 3 q, Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/8277: Keine Aufhebung der 1989 beschlossenen Deckungssperre für Hermes-Bürgschaften gegenüber der VR China. Wer diesem Antrag der GRÜNEN auf Drucksache 11/8277 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? -Bei einer Enthaltung aus der PDS-Gruppe und 5 Enthaltungen aus der CDU/CSU-Fraktion ist dieser Antrag abgelehnt worden. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Beratung des Tagesordnungspunktes 3 um folgenden Zusatzpunkt zu ergänzen. Es handelt sich um die Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Festhalten an den Beschlüssen des Deutschen Bundestages vom 15. und 23. Juni 1989 zu China - das ist die Drucksache 11/8353 - und um die Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu dem Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Konzepts für die Förderung von Frauen in den Entwicklungsländern, Drucksache 11/8366. Ich muß zunächst einmal fragen, ob das Haus damit einverstanden ist, daß das auf die Tagesordnung gesetzt wird. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen worden. Dann rufe ich diesen Zusatzpunkt jetzt auf: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Festhalten an den Beschlüssen des Deutschen Bundestages vom 15. und 23. Juni 1989 zu China - Drucksache 11/8353 und Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche ZuVizepräsident Cronenberg sammenarbeit ({0}) zur Unterrichtung durch die Bundesregierung - Drucksache 11/6126 Bericht über die Umsetzung des Konzepts für die Förderung von Frauen in den Entwicklungsländern - Drucksache 11/8366 Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der SPD auf Drucksache 11/8353. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei vier Enthaltungen aus der CDU/CSU-Fraktion und bei einer Enthaltung aus der Gruppe der PDS abgelehnt worden. Ich lasse jetzt über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf Drucksache 11/8366 abstimmen. Wer dieser Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen der SPD, der CDU/CSU und der FDP bei Enthaltung der Gruppe der PDS und der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 angenommen worden. - Wir sind damit am Schluß dieses Tagesordnungspunktes. Ich komme nunmehr auf den Tagesordnungspunkt 2 zurück und gebe das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8351 bekannt. Abgegebene Stimmen: 509; ungültig: keine; mit Ja haben gestimmt: 210; mit Nein haben gestimmt: 290; 9 Abgeordnete haben sich enthalten. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 507; davon ja: 210 nein: 288 enthalten: 9 Duve Egert Dr. Ehmke ({1}) Dr. Ehrenberg Dr. Emmerlich Esters Ewen Frau Faße Fischer ({2}) Frau Fuchs ({3}) Frau Ganseforth Gansel Dr. Gautier Frau Dr. Götte Graf Haar Frau Hämmerle Frau Dr. Hartenstein Hasenfratz Dr. Hauchler Häuser Heimann Heistermann Heyenn Ja SPD Frau Adler Andres Bahr Becker ({4}) Frau Becker-Inglau Bernrath Bindig Dr. Böhme ({5}) Börnsen ({6}) Brück Büchler ({7}) Dr. von Bülow Frau Bulmahn Buschfort Catenhusen Conradi Dr. Diederich ({8}) Diller Hiller ({9}) Horn Huonker Jahn ({10}) Jungmann ({11}) Frau Kastner Kiehm Kißlinger Dr. Klejdzinski Kolbow Koltzsch Kretkowski Kühbacher Kuhlwein Leidinger Leonhart Lohmann ({12}) Lutz Frau Matthäus-Maier Menzel Meyer Müntefering Nagel Nehm Frau Dr. Niehuis Dr. Nöbel Dr. Osswald Paterna Pauli Peter ({13}) Pfuhl Dr. Pick Poß Purps Frau Renger Reschke Reuter Rixe Schäfer ({14}) Schanz Schluckebier Schmidt ({15}) Schmidt ({16}) Dr. Schmude Schütz Frau Schulte ({17}) Seidenthal Sielaff Singer Frau Dr. Skarpelis-Sperk Frau Dr. Sonntag-Wolgast Dr. Sperling Steiner Frau Steinhauer Stiegler Dr. Struck Frau Dr. Timm Urbaniak Verheugen Dr. Vogel Voigt ({18}) Waltemathe Wartenberg ({19}) Frau Dr. Wegner Weiermann Frau Weiler Frau Weyel Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspütz von der Wiesche Wimmer ({20}) Dr. de With Wittich Zander Zeitler SPD ({21}) Amende Frau Barbe Bogisch Dr. Botz Frau Dräger Frau Fritsch Gutzeit Hacker Dr. Heltzig Dr. Kalz Frau Krehl Kuessner Frau Dr. Lucyga Dr. Misselwitz Dr. Richter ({22}) Seeger Schemmel Dr. Schnell Schröder Schwanitz Schultze Sorge Dr. Stephan Stockmann Thierse Frau Uecker Voigtländer Weis Weißgerber FDP Funke Neuhausen DIE GRÜNEN Frau Beck-Oberdorf Brauer Eich Frau Flinner Frau Garbe Frau Hensel Frau Hillerich Hoss Kleinert ({23}) Dr. Knabe Dr. Lippelt ({24}) Meneses Vogl Frau Rock Frau Rust Frau Saibold Frau Schilling Frau Schmidt ({25}) Such Frau Teubner Frau Vennegerts Frau Dr. Vollmer Volmer Weiss ({26}) Frau Wollny DIE GRÜNEN ({27}) Dr. Dörfler Schulz Gruppe der PDS ({28}) Frau Dr. Bittner Frau Deneke Vizepräsident Cronenberg Frau Fache Frau Dr. Fischer Dr. Friedrich ({29}) Frau Dr. Fuchs Dr. Heuer Dr. Keller Dr. Klein Frau Ostrowski Dr. Riege Frau Dr. Schönebeck Dr. Schumann ({30}) Dr. Schumann ({31}) Dr. Seifert Frau Stolfa Frau Wegener Fraktionslos Dr. Briefs Frau Unruh Wüppesahl Nein CDU/CSU Frau Augustin Austermann Dr. Bauer Bayha Dr. Becker ({32}) Dr. Blank Dr. Blens Böhm ({33}) Börnsen ({34}) Dr. Bötsch Bohl Bohlsen Breuer Brunner Bühler ({35}) Buschbom Carstens ({36}) Carstensen ({37}) Dr. Czaja Dr. Daniels ({38}) Frau Dempwolf Deres Dewitz Dr. Dollinger Doss Dr. Dregger Echternach Eigen Engelsberger Eylmann Feilcke Fellner Fischer ({39}) Francke ({40}) Dr. Friedrich Fuchtel Ganz ({41}) Geis Gerster ({42}) Glos Dr. Grünewald Günther Dr. Häfele Hames Frau Hasselfeldt Haungs Hauser ({43}) Hauser ({44}) Freiherr Heereman von Zuydtwyck Frau Dr. Hellwig Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Hörster Dr. Hoffacker Dr. Hornhues Hornung Frau Hürland-Büning Graf Huyn Dr. Hüsch Jäger Dr. Jahn ({45}) Dr. Jobst Jung ({46}) Jung ({47}) Kalb Kalisch Dr.-Ing. Kansy Keller Klein ({48}) Dr. Köhler ({49}) Kossendey Kraus Krey Kroll-Schlüter Dr. Kronenberg Dr. Kunz ({50}) Lattmann Dr. Laufs Frau Limbach Link ({51}) Link ({52}) Lintner Dr. Lippold ({53}) Louven Lowack Lummer Maaß Frau Männle Magin Dr. Mahlo Marschewski Dr. Meyer zu Bentrup Michels Dr. Möller Müller ({54}) Müller ({55}) Nelle Dr. Neuling Neumann ({56}) Dr. Olderog Oswald Pesch Petersen Pfeffermann Dr. Pfennig Dr. Pohlmeier Dr. Probst Rauen Rawe Reddemann Repnik Dr. Riedl ({57}) Dr. Riesenhuber Frau Rönsch ({58}) Frau Roitzsch ({59}) Dr. Rose Rossmanith Roth ({60}) Ruf Sauer ({61}) Sauer ({62}) Sauter ({63}) Frau Schätzle Scharrenbroich Scheu Schmidbauer Frau Schmidt ({64}) Schmitz ({65}) von Schmude Dr. Schneider ({66}) Schneider ({67}) Freiherr von Schorlemer Schreiber Dr. Schroeder ({68}) Schulhoff Dr. Schulte ({69}) Schulze ({70}) Schwarz Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer Dr. Sprung Dr. Stavenhagen Dr. Stercken Dr. Stoltenberg Straßmeir Strube Frau Dr. Süssmuth Susset Tillmann Dr. Uelhoff Dr. Unland Frau Verhülsdonk Vogel ({71}) Dr. Vondran Dr. Waffenschmidt Dr. Warnke Dr. Warrikoff Werner ({72}) Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms Wilz Wimmer ({73}) Frau Dr. Wisniewski Wissmann Dr. Wittmann Dr. Wulff Zeitlmann Zink CDU ({74}) Frau Dr. Ackermann Albrecht Bauer Becker Frau Dr. Bergmann-Pohl Frau Brudlewsky Creter Dehnel Dr. Dorendorf Ehlers Dr. Fiedler Dr. Fischer Dr. Geisler Göttsching Dr. Goldhahn Gries Haschke, G. Haschke, U. Holz Hönicke Frau Jaffke Dr.-Ing. Jork Dr. Kleditzsch Klinkert Dr. Koch Köhler Koslowski Dr. Krause Krause Dr.-Ing. Krüger Frau Landgraf Leja Frau Martini zum Berge Frau Michalk Nitsch Frau Nolte Nowack Dr. Paar Frau Pfeiffer Frau Priebus Rau Rauber Frau Rehm Reichenbach Rother Dr. Scharf Frau Dr. Schmidt Dr. Schmidt Schneider Schwalbe Frau Tamm Thees Toscher Unger Wagner Dr. Wieczorek Wonneberger Zimmermann DSU ({75}) Dr.-Ing. Schmiele Steiner Dr. Walther FDP Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum Bredehorn Cronenberg ({76}) Eimer ({77}) Dr. Feldmann Gallus Genscher Gries Grünbeck Grüner Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann Heinrich Dr. Hirsch Dr. Hitschler Hoppe Dr. Hoyer Irmer Kleinert ({78}) Kohn Lüder Mischnick Nolting Paintner Richter Rind Schäfer ({79}) Frau Dr. Segall Frau Seiler-Albring Dr. Solms Dr. Thomae Vizepräsident Cronenberg Frau Walz 'Dr. Weng ({80}) Wolfgramm ({81}) Frau Würfel FDP ({82}) Annies Dr. Bohn Felber Lehment Dr. Ortleb Dr. Wöstenberg Dr. Zirkler Zschornack Damit ist dieser Antrag abgelehnt worden. Ich kann nunmehr, nachdem ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekanntgegeben habe, über die Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses auf Drucksache 11/7958 abstimmen lassen. Hierzu liegt Ihnen auf Drucksache 11/8360 ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vor. Wer diesem Änderungsantrag auf Drucksache 11/8360 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen. Wir kommen nunmehr zur Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses auf Drucksache 11/7958 mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer dieser Beschlußempfehlung mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Es gibt keine Enthaltungen. Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. Damit haben wir den Tagesordnungspunkt 2 erledigt, und ich kann den Tagesordnungspunkt 4 aufrufen: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({83}) zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zu den Beziehungen zwischen den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zu der auf der Madrider Tagung des Europäischen Rates beschlossenen Regierungskonferenz zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Enthalten SPD Dr. Apel Grunenberg Dr. Haack Niggemeier Sieler ({84}) Stahl ({85}) Dr. Wernitz FDP Frau Folz-Steinacker DIE GRÜNEN Frau Wilms-Kegel Entschließung zu der Regierungskonferenz im Rahmen der Strategie des Europäischen Parlaments im Hinblick auf die Europäische Union zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Strategie des Europäischen Parlaments im Hinblick auf die Schaffung der Europäischen Union zu dem Antrag der Fraktion der SPD Demokratisierung der Europäischen Gemeinschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Stärkung der Rechte und Befugnisse des Europäischen Parlaments - Drucksachen 11/4229, 9/680, 9/742, 10/358 Nr. 1, 11/6120, 11/6896, 11/4228, 11/6471, 11/6479, 11/7729 - Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Hellwig Brück Frau Kottwitz b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({86}) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung zur Sondersitzung des Europäischen Rats am 28. April 1990 in Dublin - Drucksachen 11/7077, 11/7675 - Berichterstatter: Abgeordnete Kittelmann Frau Wieczorek-Zeul Irmer c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung vom 29. Mai 1990 - Drucksache 11/7997 - aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({87}) - Drucksache 11/8340 - Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Fell Dr. Wieczorek bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({88}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 11/8341 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Struck Dr. Schroeder ({89}) ({90}) 18540 Deutscher Bundestag - 11 . Wahlperiode - 233 Sitzung. Bonn, Dienstag, den 30. Oktober 1990 Vizepräsident Cronenberg Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({91}) zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Die Gemeinschaft und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung: Vorschlag für einen Beschluß des Rates über den Abschluß des Übereinkommens zur Gründung einer Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung - Drucksachen 11/8091 Nr. 2.35, 11/7609 Nr. 8, 11/8340 - Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Fell Dr. Wieczorek d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({92}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung 45. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäischen Gemeinschaften ({93}) - Drucksachen 11/6855, 11/8018 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schwörer e) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäischen Gemeinschaften ({94}) - Drucksache 11/7887 Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({95}) Auswärtiger Ausschuß Finanzausschuß Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuß Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Debattenzeit von einer Stunde vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann darf ich dies als beschlossen feststellen und Herrn Professor Dr. Wulff das Wort erteilen. Herr Professor, Sie haben das Wort.

Prof. Dr. Otto Wulff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002574, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Europa-Debatte gibt mir Veranlassung, auf die aktuelle Lage einzugehen. Namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüße ich das Ergebnis des europäischen Gipfels in Rom, wonach ab 1994 die europäische Währungsunion ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur europäischen Gemeinschaft werden soll. Wir sind dem Bundeskanzler dafür dankbar, daß er einmal mehr entscheidend dazu beigetragen hat, daß nach der deutschen Einheit die Weichen gestellt wurden, um gemäß unserer Verfassung auch die europäische Einigung zu vollenden. Die europäische Währungsunion spielt dabei eine herausragende Rolle. Der europäische Integrationsprozeß darf sich nicht mit dem europäischen Binnenmarkt begnügen. Er verlangt vielmehr, daß sich parallel dazu die politische Union und die europäische Währungsunion entwickeln. ({0}) Gewiß, Großbritannien hat zu unserem Bedauern noch nicht den in Rom avisierten Weg zur Währungsunion beschritten. Doch nach den vergleichsweise milden Einwänden der britischen Regierung bin ich davon überzeugt, daß auch Großbritannien dem von den übrigen elf gefaßten Beschluß in nicht allzu ferner Zeit folgen wird und die von den übrigen Europäern formulierte Politik als realitätsbezogen bewertet. Die von allen Europäern mit großer Zustimmung begleitete Entscheidung der Briten, dem europäischen Währungssystem beizutreten, belegt den stets bewundernswerten Pragmatismus angelsächsischer Politik, Gründe dann zu akzeptieren, wenn sie vernünftig sind. Als Europäer wünschen wir, eben weil wir die Einheit Europas wollen, daß sich Großbritannien der europäischen Währungsunion nicht verschließt; denn ohne Großbritannien bleibt die Einheit Europas unvorstellbar, und ohne Großbritannien wäre Europa nicht das, was wir von ihm erhoffen. Währungsunion bedeutet aber auch - darüber müssen wir uns klar sein - , daß die europäische Gemeinschaft ohne eine starke und unabhängige europäische Zentralbank auf schwachen Füßen steht. ({1}) Die Unabhängigkeit dieser Bank und eine strikte Disziplin der öffentlichen Haushaltspolitik garantieren schließlich die Solidität des ganzen Unternehmens. Sie wird geringer sein, wenn nicht in den kommenden Jahren ein hoher Grad an wirtschaftspolitischer Übereinstimmung, insbesondere eine ausreichende Anpassung der Währungsstabilität der EGLänder, erreicht wird, bevor die endgültigen Schritte zur Schaffung einer gemeinsamen Zentralbank gemacht werden. Währungspolitische Verantwortung, meine Damen und Herren, ist unteilbar. Im Gegensatz zum Gouverneur der Bank von England bin ich der Meinung, daß wir ab 1994 eine europäische Zentralbank nötig haben und realisieren können, ({2}) und zwar ähnlich organisiert und mit den gleichen Kompetenzen ausgestattet, wie wir dies von der Deutschen Bundesbank kennen. ({3}) Wie anders kann man währungspolitische Stabilität gewährleisten, wenn beispielsweise nationale Regierungen im Hinblick auf unverantwortliche Wahlversprechen eine Wirtschafts- und Finanzpolitik betreiDr. Wulff ben, die mit der Stabilität einer Währung nichts zu tun hat? ({4}) Gewiß, bislang hat das bewährte und vertrauenswürdige System des Wechselkursmechanismus auf Basis der Deutschen Mark in den EG-Staaten für eine doch anerkennenswerte Stabilität gesorgt, und der an der D-Mark festgemachte Kurs war entscheidend beteiligt an den bemerkenswerten antiinflatorischen Erfolgen einiger EG-Länder. Aber eben doch deshalb, weil eine Deutsche Bundesbank in ihrer unabhängigen Position Stabilitätspolitik betreiben konnte. ({5}) Der ECU ist letztlich keine Währung, sondern eine Verrechnungseinheit. Mag sein, daß er eine zukünftige Währung sein und so heißen wird. Aber eine Währung ist er bis heute noch lange nicht. Ist die Ansicht des belgischen Finanzministers eigentlich so abwegig, wenn er in diesem Zusammenhang darauf hinweist, daß es auch nicht im Interesse der Deutschen sein kann, wenn sie mit einer starken Mark alleine die Last des Managements einer internationalen Reservewährung tragen müssen? Nein, meine Damen und Herren, wir wollen eine europäische Währung, die von allen Europäern in ihrer Stabilität mitverantwortlich gestützt wird und die nicht mehr durch nationale Alleingänge gefährdet werden darf. Dies zu gewährleisten bleibt in Zukunft das Europäische Parlament aufgefordert. Es wird am ehesten in der Lage sein, die europäische Verantwortung deutlich zu machen und verbindliche Entscheidungen nationaler Regierungen einzufordern. Wer die europäische Währungsunion und die politische Union will, muß die Kompetenz des Europäischen Parlaments erweitern und seine Rechte gegenüber nationalen Parlamenten stärken. Eine anderen Weg gibt es meines Erachtens nicht. ({6}) Dem Deutschen Bundestag stehen in den kommenden Jahren wichtige Entscheidungen bevor. Ich bin sicher, daß er sie im Sinne unserer europäischen Verantwortung treffen und die europäische Einheit stärken wird, auf die nicht nur die Europäer, sondern auch viele Menschen in allen Teilen der Welt so dringend warten. Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, zum Abschluß meiner letzten Rede im Deutschen Bundestag noch eine persönliche Bemerkung. Weil ich gern wieder in meinen erlernten Beruf zurückkehren möchte, habe ich mich bereits vor einem Jahr dazu entschieden, nicht mehr für den 12. Deutschen Bundestag zu kandidieren. Ich werde also dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören und deshalb, mit einer Reihe von Ihnen, keine politischen Entscheidungen des Parlaments mehr mittragen können. 21 Jahre lang habe ich dem Deutschen Bundestag angehört, und es war eine schöne, interessante und zufriedenstellende Zeit. Es gab Begegnungen mit Menschen, auf die ich nicht verzichten möchte. Viele leben nicht mehr. Es gab und gibt Freundschaften mit Kollegen in allen Fraktionen. Dafür bin ich dankbar und dafür danke ich Ihnen heute ganz besonders. Ich danke insbesondere auch meinen Freunden in der Fraktion, die mir lange Jahre mit Sympathie zur Seite gestanden und mich auch mit Kritik begleitet haben. Meine Damen und Herren, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland wurde bei aller Heftigkeit der Wahlkämpfe und der politischen Gegnerschaft der demokratisch parlamentarischen Kräfte, die zu keiner Zeit die Legitimität auch noch so richtungweisender Entscheidungen in Frage stellten, stets von ungeschriebenen Voraussetzungen bestimmt, die rechtlich nicht fixiert sind, Voraussetzungen, die ich mit Toleranz, Respekt und „daß der andere wohl doch recht haben könnte" umschreiben möchte. Gäbe es diese Voraussetzungen nicht oder würden sie nicht praktiziert, so wäre eine Verfassung wohl zum Scheitern verurteilt. Würden sich die Voraussetzungen ändern, so änderte sich wohl auch die Verfassungswirklichkeit. In diesem Augenblick denke ich daran, daß ich mich stolz und glücklich fühle, noch eine Zeit erlebt zu haben, wo ich vor einem gesamtdeutschen Parlament sprechen kann. Ich habe das, meine verehrten Freunde im Parlament, vor einigen Jahren nicht für möglich gehalten. Um so mehr bewegt mich das in diesem Augenblick. Ich wünsche Ihnen allen im nächsten Bundestag viel Glück, Zufriedenheit und beste Gesundheit, und ich bitte Sie herzlich: Behalten Sie den Präsidenten der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in guter Erinnerung! Herzlichen Dank. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Auch Ihnen, Professor Wulff, für die „Zeit danach" alles Gute von diesem Platz aus! Frau Wieczorek-Zeul, Sie haben das Wort.

Heidemarie Wieczorek-Zeul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002503, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Professor Wulff! Ich darf Ihnen auch für die Zeit der Zusammenarbeit in europapolitischen Fragen sehr herzlich danken. Wir waren da in vielen Punkten oft einer Meinung, aber auch da, wo es unterschiedlich war, ist das in einem Geist von Kooperation ausgetragen worden. Ihnen wünschen wir alles Gute für die weitere Arbeit. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte an Sie appellieren, mit dazu beizutragen, daß die Geschäftsordnungsvoraussetzungen dafür geschaffen werden, daß der Deutsche Bundestag noch in dieser Legislaturperiode, d. h. heute oder spätestens morgen, seine Stellungnahme zu dem EG-Kommissionsdokument zur Einbeziehung der ehemaligen DDR in die Europäische Gemeinschaft abgibt. Wenn es so wäre, daß dieses Dokument nicht mehr auf die Tagesordnung käme, hätte der Deutsche Bundestag eine große Chance verpaßt, und es wäre ein Armutszeugnis, wenn wir zu dieser wichtigen Frage, die so praktische Auswirkungen für die Menschen im Gebiet der ehemaligen DDR und auch für uns selbst hat, nicht Stellung nehmen würden. Es wäre unserer parlamentarischen Verantwortung unwürdig, und deshalb appelliere ich an die Fraktionen dieses Hauses, dafür zu sorgen, daß dieser Punkt noch zur Abstimmung auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages gesetzt wird. ({1}) Ich möchte zweitens der Kommission sehr herzlich für das danken, was sie an konstruktiver Arbeit auch mit diesem Dokument gemacht hat, und möchte auch dem Europäischen Parlament und seiner parlamentarischen Begleitung sehr herzlich danken, denn sie haben sehr viele Gelegenheiten gehabt, rechtliche und praktische Verzögerungen einzubauen. Sie haben das nicht getan. Sie haben damit die deutsche Vereinigung sehr konstruktiv begleitet. Es dürfen durch die deutsche Vereinigung keine Verzögerungen beim europäischen Integrationsprozeß kommen. Das heißt aber auch, daß wir kritisch bewerten müssen, daß jetzt der Termin der Wirtschafts- und Währungsunion, der zweiten Stufe, unnötigerweise um ein Jahr verzögert worden ist. Die Haltung des deutschen Finanzministers erweckt bei uns den Eindruck und muß auch bei unseren europäischen Nachbarn den Eindruck aufkommen lassen, daß sie, nachdem sie sich bei der deutschen Vereinigung europäisch konstruktiv verhalten haben, jetzt ihre Schuldigkeit getan hätten und gehen könnten. Ich möchte Sie daran erinnern, liebe Kolleginnen und Kollegen, Daten haben reale und symbolische Bedeutung für den europäischen Integrationsprozeß, z. B. Binnenmarkt 92. Das ist eine Signalwirkung. Ein solcher Termin kann nicht verschoben werden. Ähnliches hätte auch für den Bereich der zweiten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion gelten müssen. Dazu wird der Abgeordnete Norbert Wieczorek anschließend in der Debatte Stellung nehmen. Auch zur politischen Union, denke ich, kann man das Ergebnis des EG-Sondergipfels vom Wochenende nur als mager und unbefriedigend bezeichnen. Ich will daran erinnern, daß die EG-Kommission einen Vorschlag vom 21. Oktober 1990 vorgelegt hat, in dem der Eindruck erweckt wird, daß die Rechte des Europäischen Parlaments bei der Verwirklichung der politischen Union eher zurückgedrängt als verstärkt werden, und das kann ja wohl nicht Sinn der Sache sein. Welches ist denn dann bitte die Position der Bundesregierung in diesen Fragen? Mit welchen konkreten Vorschlägen geht sie in diese Debatte und die anschließende Regierungskonferenz im Dezember diesen Jahres? Zweitens. Die Kommission schlägt vor, wie auch wir, daß die Sicherheitspolitik Teil der politischen Union sein soll. Dazu liegt im Dokument der Kommission der Vorschlag vor, Waffenproduktion und -handel in die Regeln des Gemeinsamen Marktes einzubeziehen. Welche Position bezieht dazu die Bundesregierung? Das kann ja wohl nur dann wahrgenommen werden, wenn gleichzeitig eine Regelung mit aufgenommen wird, daß eine strikte Begrenzung und Einschränkung von Waffenexporten in der Europäischen Gemeinschaft mitverwirklicht wird. Welche Position gibt es da auf seiten der Bundesregierung? Schließlich: Ich denke, daß die mittel- und osteuropäischen Länder ein Recht darauf haben, auch die Perspektive der Mitgliedschaft in einer künftigen gröBeren Europäischen Gemeinschaft zu haben. Wir haben jetzt zum mehrfachen Mal die Position des Bundeskanzlers gehört, der ihnen diese Perspektive verweigern will. Wir halten das für unakzeptabel und meinen, eine gefestigte politische Union sollte in den Verträgen mit Ost- und Mitteleuropa auch die Perspektive der Mitgliedschaft von Ungarn, der CSFR oder Polen in der Europäischen, der größeren Europäischen Gemeinschaft eröffnen. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich im zweiten Teil noch zu zwei Komplexen Stellung nehmen, die in dem Dokument der Einbeziehung des Gebiets der ehemaligen DDR in die Europäische Gemeinschaft bedeutend sind: Das sind einmal die Außenhandelsregelungen und zweitens die Regelungen bei den Beihilfen. Bei den Außenhandelsregelungen ist es so, daß die mittel- und osteuropäischen Länder von der deutschen Einheit dramatisch betroffen werden. In der ehemaligen DDR waren 1,8 Millionen Arbeitsplätze vom Export abhängig. Dieser ging zu zwei Dritteln in die Länder des RGW. Wenn nach den Veränderungen, die jetzt stattgefunden haben, praktisch das gesamte Gebiet des vereinten Deutschland und die Außenhandelsregelungen der bisherigen DDR dem EGAußenhandelsregime unterzogen würden, würde das bedeuten, daß es in den ost- und mitteleuropäischen Ländern dramatische Entwicklungen ökonomischer Art gäbe. Die Fortsetzung des Demokratisierungsprozesses in diesen Ländern hängt aber entscheidend von ihrer wirtschaftlichen Entwicklung ab. Es darf nicht so sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß die ost- und mitteleuropäischen Länder ökonomisch dafür bestraft werden, daß sie durch ihre Demokratisierung die deutsche Vereinigung überhaupt erst möglich gemacht haben. ({3}) Deshalb schlagen wir in unserem Antrag, den wir Sie mit zu verabschieden bitten, vor, daß es entgegen dem Kommissionsvorschlag eine zweijährige Zollaussetzung gegenüber den ost- und mitteleuropäischen Ländern geben soll und daß Vereinbarungen aufgenommen werden, die anschließend Assoziierungsabkommen mit diesen Ländern vorsehen, so daß es in diesen Ländern eine wirtschaftliche Unterstützung des Reformprozesses und keine Destabilisierung durch die deutsche Vereinigung gibt. Letztlich greife ich den Punkt der Beihilferegelung auf: In den Texten, die wir nachher verabschieden wollen, die einvernehmlich im Auswärtigen Ausschuß beschlossen worden sind, wird dazu gefordert, daß es eine Beihilfefreiheit im Rahmen einer Übergangsregelung für das Gebiet der DDR geben müsse. Die Bundesregierung - das muß man sagen - hat sich geFrau Wieczorek-Zeul genüber der EG-Kommission mit dieser Forderung nicht durchgesetzt, d. h. die Gewährung von Beihilfen, auch steuerlichen Erleichterungen für Betriebe im Gebiet der ehemaligen DDR steht unter dem Genehmigungsvorbehalt der EG-Kommission. In Brüssel liegt jetzt ein Vorschlag der Bundesregierung vor, wie solche Beihilfen aussehen sollen, aber die EG-Kommission weigert sich, diese Beihilfen zu genehmigen, solange sich die Bundesregierung nicht auf die Position der EG-Kommission bewegt, die Zonenrandförderung im Zeichen des Abbaus von Beihilfen zu beseitigen. Es ist den wenigsten klar, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß über die Frage, welche Investitionsmöglichkeiten und welche Möglichkeiten zur Schaffung von Arbeitsplätzen im Gebiet der ehemaligen DDR es gibt, auf Grund dieses Dokuments, das die Einbeziehung des Gebiets der ehemaligen DDR in die Europäische Gemeinschaft vorsieht, mittlerweile in Brüssel entschieden wird. Wir appellieren in dem Antrag, den wir zur Abstimmung eingebracht haben, auch an die Bundesregierung, jetzt alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um Regelungen durchzusetzen, die Investitionen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Gebiet der ehemaligen DDR ermöglichen, damit weiterer Arbeitslosigkeit auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vorgebeugt wird. Wir sollten in diesen Fragen größtmöglichen Druck auf die EGKommission ausüben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, dieses Dokument der EG-Kommission hat mindestens die Tragweite des Dokuments der EG-Kommission zur Frage der Erweiterung der EG um Spanien und Portugal. Insofern hätte es diese Vorlage verdient, in einer ausführlicheren Debatte und in besserer Kenntnis aller Abgeordneten dieses Hauses behandelt zu werden. Deshalb appelliere ich noch einmal an Sie: Tragen Sie dazu bei, daß wir heute, jedoch spätestens morgen im Deutschen Bundestag darüber abstimmen können. Wir würden einer wichtigen Aufgabe - für deren Erfüllung wir im Deutschen Bundestag Sorge zu tragen haben - , die sowohl im Interesse der Menschen im Gebiet der ehemaligen DDR als auch im Interesse der Menschen in der alten Bundesrepublik liegt, nicht gerecht, wenn wir uns ihr aus Gründen der Geschäftsordnung oder aus anderen Gründen nicht stellen würden. Ich danke Ihnen. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Abgeordneten Irmer das Wort gebe, möchte ich Sie kurz über den weiteren Ablauf der Verhandlungen informieren. Wir haben jetzt noch etwa 50 Minuten Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt, woraus Sie ersehen mögen, wie sich die Bonner Stunde verlängert hat. Nach Behandlung dieses Tagesordnungspunktes treten wir in eine 20minütige Pause ein. Die Sitzung wird dann mit der Fragestunde und mit einer Aktuellen Stunde fortgesetzt. ({0}) - Frau Kollegin Weyel, das ist soeben zwischen den Fraktionen vereinbart worden. ({1}) - Mir ist mitgeteilt worden, daß eine interfraktionelle Vereinbarung getroffen worden sei, daß wir 20 Minuten Pause machen. ({2}) - Entschuldigung, wenn Sie sagen: mit dem Ziel, die Fragestunde um 14 Uhr beginnen zu lassen, dann hat jemand, um es mit Verlaub zu sagen, nicht ordentlich gerechnet. Das ist so gut wie ausgeschlossen; das muß man sehen. Herr Abgeordneter Rüttgers, vielleicht können Sie uns noch einmal über den Inhalt der interfraktionellen Vereinbarung unterrichten. Ich halte das deswegen für wichtig, damit das Haus und auch die Kollegen draußen wissen, wie es nun weitergeht.

Dr. Jürgen Rüttgers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001899, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Die Bitte war, daß nach Abschluß dieses Tagesordnungspunkts eine kurze Mittagspause eingelegt wird, so daß wir exakt um 14 Uhr mit der Fragestunde fortfahren können. Im Anschluß daran soll die Aktuelle Stunde stattfinden, und danach soll Punkt 5 der Tagesordnung aufgerufen werden.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Dann bleibt es bei dem, was ich gesagt habe, nur mit dem Unterschied, daß die Mittagspause nicht 20 Minuten, sondern nach dem jetzigen Stand der Dinge wahrscheinlich nur 10 Minuten dauern wird. Das heißt: Die Fragestunde beginnt um 14 Uhr; daran anschließend wird die Aktuelle Stunde durchgeführt. Nun hat der Abgeordnete Irmer das Wort.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Europäerinnen und Europäer! Auch ich möchte, selbst wenn es Redezeit kostet, dem Herrn Kollegen Professor Wulff herzlich für die Zusammenarbeit in den letzten Jahren danken und ihm alles Gute wünschen. Ich möchte in diese Worte auch den Kollegen Alwin Brück mit einbeziehen, der uns ja gleichfalls verläßt, der aber nachher hoffentlich noch zu uns sprechen wird. ({0}) - Aber nicht in dieser Debatte. - Auch der Kollege Brück ist ein glühender Europäer und hat den Unterausschuß in den ersten Jahren dieser Wahlperiode mit Klugheit, Umsicht und auch europäischer Härte geleitet, wenn es notwendig war. Auch Ihnen, Herr Brück, vielen herzlichen Dank. ({1}) Meine Damen und Herren, in europapolitischen Diskussionen der letzten Jahre wurde öfters die Frage gestellt: Wie sieht es denn mit der deutschen Einheit aus? Wir haben diese Frage immer dahin gehend beantwortet, daß wir gesagt haben: Die deutsche Einheit kann nur im Zusammenhang mit der europäischen Einigung verwirklicht werden. Diese Antwort war damals richtig, und, so behaupte ich, sie ist nach wie vor richtig, denn die deutsche Einheit wäre nicht zustande gekommen, wenn wir über die letzten Jahrzehnte hin18544 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 233. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 30. Oktober 199n weg unseren Nachbarn und Partnern nicht bewiesen hätten, daß man uns vertrauen kann, daß wir nicht zu nationalen Alleingängen neigen und daß wir bereit sind, Souveränitätsrechte auf übergeordnete, übernationale Organisationen zu übertragen. ({2}) Dies hat erst das Klima des Vertrauens geschaffen, in dem unsere Nachbarn, unsere Partner, der deutschen Einheit zustimmen konnten. Wenn hier ein Vertrauensvorschuß an uns gegeben worden ist, dann können wir den am besten dadurch rechtfertigen, daß wir jetzt unsere Bemühungen verstärken, den europäischen Einigungsprozeß weiterzuführen. Es gilt nach wie vor das Wort des Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher, der gesagt hat: „Deutsche Politik ist um so nationaler, je europäischer sie ist. " Verehrte Frau Kollegin Wieczorek-Zeul, es ist doch nicht richtig, daß der deutsche Bundesfinanzminister gebremst hätte, ({3}) als es darum ging, die zweite Stufe der Wirtschafts-und Währungsunion terminlich festzusetzen. ({4}) Es ist doch in erster Linie die eiserne Lady gewesen, die da gebremst hat. In diesem Punkt stimme ich allerdings zu: Die eiserne Lady muß geknackt werden. Ich empfehle dem Bundeskanzler dringend, das nächstemal einen Schraubenschlüssel mitzunehmen. Es muß ja nicht gerade ein Schneidbrenner sein. ({5}) Meine Damen und Herren, diese Bremserrolle muß überwunden werden. Es ist richtig, was Professor Wulff gesagt hat: Ohne eine Wirtschafts- und Währungsunion hat die Europäische Union als solche keine Zukunft. Ebensowenig hat aber die Europäische Union eine Zukunft, ohne daß ihr zusätzliche Kompetenzen im außen- und sicherheitspolitischen Bereich übertragen werden. Deshalb ist die zweite Regierungskonferenz, die im Dezember stattfinden wird, in meinen Augen noch wichtiger als die erste. Die Deutschen, die jetzt ihre Souveränität nach vielen Jahrzehnten erstmals wiedererlangt haben, wissen vielleicht besser als manche andere, daß wahre Souveränität heute in dem Willen und in der Fähigkeit besteht, eigene Hoheitsrechte auf übernationale Organisationen zu übertragen. Das Festhalten an dem traditionellen Souveränitätsbegriff führt doch in die Irre. Es ist doch im Interesse des Überlebens, der Wahrung der eigenen Interessen, des Dienstes am Frieden in der Welt und ohne die Übertragung gemeinsamer Kompetenzen auf die Europäische Union gar nicht denkbar, daß die einzelnen Mitgliedstaaten diese Rollen noch isoliert für sich betreiben. Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang gilt: Die Europäische Union darf sich nicht als Club mit geschlossenen Türen präsentieren. Wir müssen für weitere beitrittswillige Länder offen sein, und ich betone ausdrücklich: Dies gilt insbesondere für Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn. ({6}) Es darf nicht angehen, daß der jetzt endlich überwundene Eiserne Vorhang an der Elbe durch einen goldenen Vorhang an Oder und Neiße ersetzt wird. Wir müssen - von der Gemeinschaft und von der Bundesrepublik Deutschland aus - alles tun, um das Wohlstandsgefälle zwischen Ost und West zu überwinden. Meine Damen und Herren, die Europäische Union ist aber - und auch hier erwarten wir einen Durchbruch von der Regierungskonferenz im Dezember - auf Dauer nicht vorstellbar, ohne daß sie parlamentarisch organisiert wird. Ich möchte hier eine Warnung aussprechen: Wir haben uns als Deutscher Bundestag immer dafür ausgesprochen, Befugnisse von der nationalen Ebene nach Europa zu übertragen. Damit haben wir als Abgeordnete auch unser Einverständnis erklärt, daß uns selbst parlamentarische Rechte weggenommen werden. Aber wir haben dies nicht getan, damit diese Rechte auf der europäischen Ebene nicht bei einem Parlament ankommen, sondern statt dessen beim Ministerrat steckenbleiben. Die Warnung, die ich aussprechen möchte, ist folgende: Wir sollten nicht mehr bereit sein, nationale Befugnisse und Rechte nach Europa zu übertragen, solange nicht gewährleistet ist, daß dort ein europäisches Parlament mit vollen gesetzgeberischen Rechten ausgestattet wird. Der Zustand, wie er im Augenblick herrscht, ist unerträglich. Ich schließe mit den Worten: Die Europäische Union wird parlamentarisch und demokratisch sein, oder sie wird nicht sein. Vielen Dank. ({7})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Frau Abgeordnete Kottwitz.

Almut Kottwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Entwicklungen in Osteuropa machen eine gesamteuropäische Integration möglich und nötig. Bundeskanzler Kohl hat sich nun wiederholt gegen eine Ausweitung der EG ausgesprochen. Dieses arrogante Verhalten gegenüber Polen, Tschechoslowaken und den anderen Staaten, die den Beitritt wünschen, wird von uns aufs schärfste verurteilt. Die Gefahr ist groß, jetzt ein Europa der unterschiedlichen Klassen entstehen zu lassen: im Zentrum die reiche EG, des weiteren die EFTA-Staaten und an der Peripherie die Länder Mittel- und Osteuropas. Das muß verhindert werden. ({0}) - Sie sind auch reich, aber bilden noch immer erst die zweite Klasse. Wir fordern die Öffnung der EG für alle beitrittswilligen Länder. Die Beitrittsmodalitäten müssen in multilateralen Verhandlungen festgemacht werden, damit die beitrittswilligen Länder ihren Interessen mehr Gewicht verleihen können und ihre Positionen gegenüber der starken EG gemeinsam vertreten können. Radikale Reformen der EG sind erforderlich, damit beitrittswillige Staaten sich an gesamteuropäischen Strukturen orientieren können. Die Kommission will die alten Strukturen erhalten, auch dann, wenn 24 Staaten oder mehr am Ratstisch sitzen. Wenn die EG so bleibt, wie sie jetzt ist, dann bedeutet ihre einfache Erweiterung ohne grundlegende Reformen keinen Schritt in Richtung einer solidarischen Gestaltung einer europäischen Wirtschaftsordnung. Eine solidarische europäische Wirtschaftsordnung hätte beispielsweise zum Ziel, daß die Unterschiede in den Lebenslagen der west-, mittel- und osteuropäischen Völker im Sinne eines solidarischen Ausgleichs in einer gemeinsamen ökologischen Umorientierung beseitigt werden, daß die europäischen Völker in ihrer Arbeits- und Lebensweise einen entscheidenden Beitrag zur Abwehr der Klimakatastrophe leisten sowie daß durch einen gesamteuropäischen Abrüstungs-, Konversions- und Friedensprozeß die notwendigen Ressourcen verfügbar gemacht werden. Was die EG jetzt braucht, ist eine Neufassung der Verträge. Allerdings: In den sich jetzt abzeichnenden Eckpfeilern einer Politischen Union finden wir eher eine institutionelle Entdemokratisierung. So soll das Initiativrecht bei der Kommission bleiben und das Parlament schlicht konsultiert werden. Das Argument, anders wäre es zu kompliziert, zeigt den Unwillen, sich ernsthaft mit Demokratisierung zu beschäftigen. Wenn die Kommission ernsthaft vorschlägt, der Rat solle eine Entscheidung des Europäischen Parlaments mit einfacher Mehrheit - nicht mehr wie bisher einstimmig - verwerfen können, dann spricht das für sich. Das Europäische Parlament bleibt ein unbedeutender, dafür aber sehr teurer Politzirkus. Da dieses zentralistische Institutionsgefüge der EG kein Modell für Gesamteuropa sein kann, müssen die Römischen Verträge neu bestimmt werden, und die EG muß demokratisiert werden. Die Römischen Verträge sind neu zu fassen auf die im Weltmaßstab definierten Ziele der ökologischen Verträglichkeit, des sozialen Nutzens, des Friedens und der Bindung der Zuständigkeiten der EG an die Prinzipien der Dezentralisierung. Zur grundlegenden Demokratisierung der Europäischen Gemeinschaft gehören folgende Punkte: Dem Europäischen Parlament müssen tatsächliche parlamentarische Befugnisse eingeräumt werden, d. h. legislatives Entscheidungsrecht neben dem Ministerrat bei allen Rechtsakten, vollständiges Haushaltsrecht, Ernennungs- und Abberufungsrecht für die Kommission. Die Bundesregierung ist bei ihrer Mitwirkung im Ministerrat bei legislativen und haushaltsrechtlichen Entscheidungen an vorherige Entscheidungen des Bundestags und - soweit Länderkompetenzen berührt sind - des Bundesrats zu binden. Dazu ist eine kontinuierliche Unterrichtung des Deutschen Bundestags und des Bundesrats im Vorfeld der Beratungen im Ministerrat unabdingbar. Niemand kann behaupten, daß das unmöglich sei. Ein Blick in unser Nachbarland Dänemark lehrt das Gegenteil. Nennen Sie mir Argumente, die dagegen sprechen, daß der Bundestag dies als einen Schritt in Richtung demokratisches Europa beschließt. Der politische Entscheidungsprozeß auf EG-Ebene ist für ein direkt demokratisches Eingreifen der Bürgerinnen und Bürger zu öffnen. Als Beispiel nenne ich den Fall, daß durch Unterschriftensammlung die parlamentarische Behandlung einer Frage oder eine Anhörung möglich wird. Ein Gremium der Regionen Europas ist auf EGEbene einzurichten, das über spezifische Kompetenzen verfügt. Dazu ist eine kritische Überprüfung der Regelungsbefugnis der EG hinsichtlich der Breite und Tiefe ihrer Kompetenzen nötig mit dem Ziel der Rückverlagerung an die Mitgliedstaaten der Regionen. Meine Damen und Herren, auf dem Gipfeltreffen am Wochenende sind bekanntlich einige weitreichende Beschlüsse gefaßt worden. Der Termin 1. Januar 1994 zur Realisierung des zweiten Schritts der Wirtschafts- und Währungsunion steht somit fest. Das rasche Drängen in diese Richtung bedeutet, daß den Ländern mit schwachen Währungen harte Anpassungsprozesse verordnet werden. Dabei muß die Dominanz der Bundesbank und der D-Mark durch die Wirtschafts- und Währungsunion nicht gebrochen werden. Es besteht die Möglichkeit, daß sich die Bundesbank an die Spitze der Zentralbank setzt. Aber das weitere rasche Verfolgen des Ziels der Wirtschafts-und Währungsunion bedeutet für die beitrittswilligen Länder Osteuropas neue Mauern und geschlossene Türen. Wesentliche Schritte zur Konkretisierung der Politischen Union sind am Wochenende nicht getroffen worden. Über die Form dieser Union besteht weiterhin keine Einigung. Von uns werden militärische, sicherheitspolitische Bündnisse in allen Bereichen abgelehnt. Wenn die Inhalte einer Politischen Union so unklar sind, sollten vielleicht Überlegungen, die Umweltpolitik in den Vordergrund der Europäischen Union zu stellen, die Tagesordnungen zukünftiger Gipfel beherrschen. Ich danke Ihnen. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Kaufmann.

Dr. Sylvia Yvonne Kaufmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001075, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige kurze Bemerkungen zu diesem sehr umfangreichen Tagesordnungspunkt machen. Erstens. Der Auswärtige Ausschuß bekräftigt in seiner Beschlußempfehlung die Notwendigkeit des europäischen Einigungsprozesses und der Überwindung der Teilung Europas. Dem kann ich nur zustimmen; ich denke, es gibt keinen Abgeordneten hier m Saal, der diesen Gedanken nicht unterstützt. Wenn ich mir aber z. B. die ersten beiden Abschnitte der Beschlußempfehlung zur Schaffung der Politischen Union oder auch die Ergebnisse des Gipfeltreffens vom Wochenende anschaue, dann wirkt die oben ge18546 nannte Aussage doch mehr als fraglich. Frau Wieczorek-Zeul hat vorhin bereits darauf hingewiesen, daß mit den gravierenden Änderungen in Osteuropa und der Aufhebung des Ost-West-Konflikts im politischen Bereich die Spaltung Europas natürlich längst nicht überwunden ist. Die ökonomische Spaltung Europas, also das enorme wirtschaftliche Gefälle zwischen Ost und West, wird nicht nur sehr lange Zeit erhalten bleiben, sondern sie stellt meines Erachtens sogar politischen Sprengstoff für die Zukunft Europas dar. Ich kann einfach nicht verstehen, warum die Bundesregierung dieser Tatsache so wenig Rechnung trägt. Wie soll denn Deutschland zur vielbeschworenen Brücke zwischen Ost- und Westeuropa werden, wenn einseitig nur Kurs auf eine Politische Union, auf eine Wirtschafts- und Währungsunion Westeuropas genommen wird? Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß ähnlich wie der Osten Deutschlands auch der Osten Europas Armenhaus bleiben und zur ökonomisch abhängigen Region der entwickelten Industriestaaten des Westens degradiert werden soll. ({0}) Zweitens. Ich unterstütze den vorliegenden Entschließungsantrag der Abgeordneten Frau Kottwitz und der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90; denn angesichts der neuen Situation in Europa steht die Reformierung der Europäischen Gemeinschaft auf der Tagesordnung. Die EG muß jetzt auf gesamteuropäische Strukturen vorbereitet werden. Selbstverständlich gehört dazu ihre umfassende Demokratisierung, z. B. die Öffnung der politischen Entscheidungsprozesse auf EG-Ebene für ein direktes demokratisches Eingreifen der Bürgerinnen und Bürger. Drittens. Bei der Durchsicht der Drucksachen fällt auf, daß sie älteren Datums sind. Was ist aber mit jüngsten Entscheidungen des Europäischen Parlaments, zu denen noch vor Ablauf dieser Legislaturperiode des Bundestages Handlungsbedarf besteht? Konkret meine ich die Entschließung vom 24. Oktober, in der sich das Europa-Parlament mit überwältigender Mehrheit für einen Beobachterstatus für 18 Abgeordnete der Volkskammer ausgesprochen hat. Ich frage daher die Bundesregierung und die Fraktionen des Bundestages, wie sie dazu stehen und ob sie bereit sind, sehr schnell - das geht ja wohl praktisch nur noch bis morgen - eine positive Entscheidung in dieser Richtung herbeizuführen. Wir jedenfalls sind der Meinung, daß die Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR gerade durch Abgeordnete der ehemaligen DDR im Europa-Parlament vertreten werden müssen, weil sie am besten die Probleme der neuen Bundesländer kennen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({1}) '

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Beckmann.

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte einen einzelnen Aspekt aufgreifen, zumal Frau Staatsministerin Dr. Adam-Schwaetzer gleich im Zusammenhang für die Bundesregierung sprechen wird. Mir geht es um die Regelung der Sprachenfrage innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Im 45. und im 46. Integrationsbericht wird ausgeführt, daß die von uns geforderte Gleichbehandlung der deutschen Sprache mit Französisch und mit Englisch bisher trotz nachdrücklichem Interesse der Bundesregierung nicht erreicht wurde. Insbesondere für die deutsche Wirtschaft entstehen dadurch ganz erhebliche Wettbewerbsnachteile. Die Bundesregierung sieht sich großen Schwierigkeiten gegenüber. Bei unseren Gesprächen mit dem Ratssekretariat, aber auch mit der Kommission wurde uns zugesagt, die Mängel möglichst schnell durch personelle und organisatorische Maßnahmen zu beheben. Man weist dabei aber auch immer gleichzeitig darauf hin, daß die Durchführung oft an den noch zu schaffenden haushaltsmäßigen Voraussetzungen scheitere. Für unsere Ohren jedenfalls klingt dabei immer wieder durch, daß die Bereitschaft zur wirklichen Gleichstellung der deutschen Sprache mit Französisch und Englisch einfach fehlt. In dieser Situation, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist die Bundesregierung für die Unterstützung dankbar, die sie in dieser Angelegenheit durch den Deutschen Bundestag erhält.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Kottwitz?

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Ja, bitte sehr.

Almut Kottwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß dann ein Land wie Portugal, das eh schon benachteiligt ist, auch eine Gleichstellung hinsichtlich der Sprache haben müßte? Denn die Deutschen haben ohnehin einen Überschuß in sämtlichen Handelsbilanzen, und gerade im Moment wäre es doch angesagt, daß wir auf diesem Gebiet etwas zurückhaltender sind.

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Verehrte Frau Kollegin, ich habe hier nicht die Probleme anderer Mitgliedsstaaten zu lösen, sondern die Situation der Bundesregierung und der Bundesrepublik Deutschland zu erörtern. Meine Damen und Herren, die Entschließung des Bundestages vom Mai 1990 zur Gleichstellung der deutschen Sprache als Amtssprache in den europäischen Gremien hat uns den Rücken gestärkt. ({0}) Das Engagement des Deutschen Bundestages für die deutsche Sprache findet auch in der Entschließung zum 45. Integrationsbericht seinen Ausdruck. Ich versichere Ihnen, die Bundesregierung wird die deutschen Sprachbelange in Brüssel weiterhin mit Nachdruck verfolgen. Wir werden jeden Einzelfall eines Verstoßes gegen die Sprachenregelung gegenüber den zuständigen EG-Dienststellen weiterhin aufgreifen. Parl. Staatssekretär Beckmann Vielen Dank. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Fell.

Dr. Karl H. Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000531, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich auf einen Punkt aus dem gesamten Tagesordnungspunkt konzentrieren, der in der heutigen Debatte bereits in anderem Zusammenhang eine Rolle gespielt hat, nämlich die Frage: Was leisten wir im Rahmen der europäischen Integration gerade mit dem Blick auf die mittel- und osteuropäischen Staaten? Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüße ich, daß wir in diesem Zusammenhang das Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung heute ratifizieren. Wir freuen uns, daß damit die organisatorischen Voraussetzungen für die Unterstützung des notwendigen Wiederaufbauprozesses in Osteuropa geschaffen werden. Wir stimmen mit einem weinenden und einem lachenden Auge zu, weinend, weil wieder beträchtliche Finanzierungsmittel zur Verfügung gestellt werden müssen: für das Grundkapital rund 521 Millionen DM, wenn ich die Ecu gleich umrechne, für das Haftkapital rund 1,2 Milliarden DM. Natürlich können wir das verkraften, aber es bedeutet, daß wir auch das in unsere Gesamtfinanzierungsrechnung einbeziehen müssen. Lachend stimmen wir zu, weil die Finanzierungsmöglichkeiten der Bank genutzt werden sollen, um politischen Pluralismus, marktwirtschaftliche Entwicklung und privatwirtschaftliches Handeln zu fördern. Das nämlich sind die Grundlagen für die Wohlstandsentwicklung auch der einzelnen Menschen. Dies ist uns wichtig und wesentlich. Die bisher unter der Kommandowirtschaft lebenden und leidenden Menschen müssen möglichst rasch die Vorteile marktwirtschaftlicher Entwicklung erfahren können. Uns allen ist doch klar: Gerade marktwirtschaftliche Ordnung bedarf dabei solider Finanzierungsgrundlagen, und sie werden mit der großzügigen Eigenkapitalausstattung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung geschaffen. Für uns in Deutschland bedeutet das Mittragen der Bank zugleich, daß wir einen Teil unserer Dankesschuld denjenigen gegenüber abtragen können, die einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung des Ost-West-Gegensatzes in Europa geleistet und damit Voraussetzungen für die Vollendung der deutschen Einheit geschaffen haben. Gleichwohl unterstreichen wir das Votum des federführenden Finanzausschusses, wonach sichergestellt werden muß, daß die Bank den ihr für ihre Arbeit gesteckten Rahmen auch korrekt einhält. Das Ziel, den wirtschaftlichen Fortschritt und Wiederaufbau der mittel- und osteuropäischen Staaten zu unterstützen, die sich den Grundsätzen des Pluralismus, der Marktwirtschaft und des privatwirtschaftlichen Handelns verpflichtet haben, soll die Bank in dem festgelegten Aufgabenkatalog herbeiführen helfen, und das heißt, die Bank soll den Übergang zur Marktwirtschaft fördern, die Rahmenbedingungen für wettbewerbsorientierte privatwirtschaftliche Tätigkeiten verbessern und insbesondere kleine und mittlere Betriebe unterstützen. Sie soll Infrastrukturmaßnahmen finanzieren, soweit diese zur Entf altung der privaten und unternehmerischen Initiativen notwendig sind. Sie soll technische Hilfe leisten, die Entwicklung von Kapitalmärkten anregen und unterstützen und schließlich im Rahmen ihrer Tätigkeit eine ökologisch auch langfristig unbedenkliche Entwicklung fördern. Daß die Bank dabei mit dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbankgruppe zugehörigen Institutionen und anderen interessierten Organisationen zusammenarbeiten soll, versteht sich für uns von selbst. Wir halten für richtig, daß insgesamt allenfalls 40 % der herauszugebenden Finanzierungsmittel staatlichen Bereichen zum Aufbau einer marktwirtschaftlich orientierten Infrastruktur zur Verfügung stehen sollen. Aber es bleibt ein Punkt, der uns besonders bewegt. Die Bank soll nämlich keine europäische Überbank sein. ({0}) Sie darf sich nicht Funktionen anmaßen, die ihr nicht zustehen. Die noch zu schaffende Europäische Zentralbank wird die wesentlichen Aufgaben für das Europäische Währungssystem zu erfüllen haben. Äußerungen des frisch gekürten Präsidenten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, wonach diese Bank die Europabank sei, haben Veranlassung zur Nachdenklichkeit gegeben. ({1}) Wir bitten die Bundesregierung deshalb nachdrücklich, in den künftigen Verhandlungen zur Ausgestaltung der Organisation dieser Bank sicherzustellen, daß die Aufgabenteilung beachtet wird. Für uns gehört dazu - darin stimmen wir mit der Opposition dankenswerterweise überein - , daß die Kostenstrukturen der Bank auf ein Minimum beschränkt bleiben. Die Bank braucht weder übermäßig Personal noch ein umfangreiches Zweigstellennetz. Sie kann sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben bestehender Institutionen bedienen, und sie kann, ähnlich wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau in der Bundesrepublik, die Finanzierungsmittel über die bestehenden Bankorganisationen an die Kreditnehmer durchleiten. Für uns ist nicht die Schaffung einer Institution zur bestmöglichen Finanzierung verdienter Mitarbeiter der Regierungen entscheidend, die aus anderen Funktionen freigestellt werden. Entscheidend ist für uns allein, daß der Wiederaufbau und die marktwirtschaftliche Entwicklung in den mittel- und osteuropäischen Staaten gelingen. Deshalb wünschen wir der Bank erfolgreiches Wirken in diesem Sinne. Wir stimmen dem Ratifizierungsgesetz betreffend die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zu und hoffen, daß damit ein wesentlicher Baustein für ein großes, gemeinsames Europa gelegt wird. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wieczorek.

Dr. Norbert Wieczorek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002502, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mit einer gewissen Freude dem Kollegen Wulff und auch Ihnen, Herr Irmer, zugehört, was Ihren Einsatz zur europäischen Währungsunion angeht. Ich hätte mir nur gewünscht, daß ein Vertreter des Finanzministeriums das hier gesagt hätte; denn da hat man manchmal ein bißchen Zweifel. Ich finde, daß wir gerade in der Zeit, in der die politischen und wirtschaftlichen Strukturen in Teilen Mittel- und Osteuropas im Umbruch begriffen sind, um so stärker die westeuropäische Integration, die EG-Integration, vorantreiben müssen. Das heißt in diesem Fall: weiterer Ausbau der Kooperation im Hinblick auf eine Politische Union und im Bereich der Wirtschaft im Hinblick auf eine Währungsunion, die ja die gemeinsame Wirtschaftsunion - nicht im Sinne der Krönungstheorie, sondern im Sinne des Parallelansatzes - erst zur Vollendung bringt. Gerade auch im Interesse der sich jetzt reformierenden Länder im Osten Europas liegt es, wenn die Europäische Gemeinschaft ihren Zusammenhalt stärkt und wenn sie ihre Wirtschaftskraft stärkt; denn nur über eine starke EG wird es möglich sein, diesen Ländern mit Taten und nicht nur mit Worten zu helfen. Dazu zählen nicht nur Kredite, sondern auch Handels-und Investitionsaktivitäten, das heißt: Öffnung unserer Märkte und das Verständnis, daß die östlichen Nachbarn genausowenig wie die fünf neuen Bundesländer nicht nur Absatzmärkte darstellen; dazu zählt auch die Hilfestellung beim Ausbau des Handels und der Wirtschaftsaktivitäten zwischen diesen Ländern unter den Bedingungen marktwirtschaftlichen Handelns. Die Idee einer osteuropäischen Zahlungsunion ist zu prüfen. Vielleicht können wir das demnächst einmal tun, Kollege Fell. Die Voraussetzungen für eine Fortentwicklung der Währungsunion sind zumindest bei den Teilnehmern des europäischen Wechselkursmechanismus so gut wie nie zuvor. Ich lasse Großbritannien einmal außen vor. Wir freuen uns darüber, daß sie beigetreten sind; aber sie sind - nach dem bisherigen Stand jedenfalls - nur halbherzig beigetreten. Wir begrüßen es an sich, aber es ist zuwenig. Gerade der europäische Wechselkursmechanismus hat dazu beigetragen, daß sich die wirtschaftspolitischen Philosophien, die Haushaltspolitiken, die Inflationsraten einander sehr angenähert haben. Die Gelegenheit nicht beim Schopfe zu fassen hieße, leichtfertig zu handeln. Wir bedauern daher sehr, daß durch einige Töne und - ich betone - auch Papiere aus der Bundesbank und auch von dieser Bundesregierung der Eindruck entstehen konnte und entstanden ist, daß die Bundesrepublik ihre Verpflichtung zur Fortentwicklung der europäischen Einigung in diesem Punkt nicht so ganz ernst nimmt; dies ist noch ausgesprochen höflich ausgedrückt. Besonders verwundern muß dabei, daß die mißratene, weil übereilt und falsch angelegte, wirtschaftliche Einfügung der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik als Argument dafür herhalten muß. Ich frage mich, wo denn alle diese lauten Kritiker, die jetzt sagen, die Voraussetzungen für die europäische Einigung seien im wirtschaftlichen Bereich noch nicht erfüllt, in diesem Frühjahr und Sommer gewesen sind, ({0}) als nun wirklich zwei völlig unterschiedliche wirtschaftliche Systeme unter völlig divergierenden Voraussetzungen wirtschaftlich zusammengebracht wurden. Zu Recht muß daher jetzt der Eindruck entstehen, daß der nächste Schritt der europäischen währungspolitischen Einigung von diesen Kritikern im Grunde genommen nicht gewollt ist. ({1}) Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie bei der anstehenden Regierungskonferenz am Ende dieses Jahres eine positivere Haltung einnimmt. Es ist notwendig - Frau Wieczorek-Zeul hat schon darauf hingewiesen - , einen festen Zeitpunkt für die nächsten Schritte zu setzen; denn wie das Datum 31. Dezember 1992 für den neuen gemeinsamen Markt wird auch nur ein festes Datum für die Einführung der Währungsunion die notwendigen Entscheidungen und Aktivitäten im öffentlichen, aber auch im privaten Bereich mit sich bringen. Es muß eine feste Verpflichtung zu einer Veränderung des europäischen Vertrages geben, damit nach Ratifizierung die Länder, die die wirtschaftlichen Voraussetzungen bereits erfüllen, mit der Einführung einer gemeinsamen Währung beginnen können. Ich füge hinzu, daß dann, wenn ein Land der EG - weil es entweder nicht kann oder nicht will - den Prozeß einer Vertragsänderung mutwillig behindert, die Alternative einer freiwilligen Lösung von einigen europäischen Ländern, die ihre Wirtschaftspolitiken bereits aufeinander abgestimmt haben, nicht vergessen werden sollte. ({2}) Ich erspare mir jetzt Bemerkungen darüber, wie man mit eisernen Ladys umgeht. Ich glaube, wir haben es begriffen. Wir sind uns im übrigen bei den Voraussetzungen für eine Währungsunion und ihre Zentralbank in den Grundzügen einig. Es muß ein föderatives System sein. Die Bank, aber auch die sie tragenden nationalen Zentralbanken müssen unabhängig von Weisungen der Regierungen und Parlamente sein. Die Wahrung der Währungsstabilität muß im Vordergrund stehen. Das Bundesbankgesetz gibt übrigens in § 12 und - ich betone - nochmals in der Begründung zu § 3 gute Hinweise darauf, wie denn dieser Begriff der Sicherung der Währungsstabilität zu verstehen ist. Ich darf für die, die es nicht in Erinnerung haben, anmerken: Darin steht auch etwas über Vollbeschäftigung und außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Der frühere Gesetzgeber war an dieser Stelle ganz intelligent. ({3}) - Aber das ist 1956 beschlossen worden. Dabei muß sich die EZB allerdings der Kritik des Europäischen Parlaments im Rahmen einer BerichtsDr. Wieczorek pflicht stellen. Das ist ebenso wie die gegenseitige, nicht stimmberechtigte Teilnahme an den Sitzungen von Kommission, Ecofin und Bank eine notwendige Maßnahme der demokratischen Legitimierung. Es ist auch richtig, daß die Aufgabe der Wechselkursintervention bei der Europäischen Zentralbank liegt. Ebenso muß aber die Entscheidung über das Wechselkursregime, das Wechselkurssystem, bei der Kommission, bei Ecofin und beim Europäischen Parlament liegen. Auch unser Bundesbankgesetz hat diese Machtteilung zwischen Regierung, Parlament und Zentralbank mit Absicht so konstituiert. Es muß klar sein, daß die Haushaltsdefizite nicht über die Zentralbank finanziert werden dürfen. Es muß ebenso klar sein, daß es eine haushaltspolitische Kooperation geben muß. Ich möchte an dieser Stelle aber hinzufügen, daß ebenso Spielraum für eigene haushaltspolitische Gestaltung bei den einzelnen Ländern der EG verbleiben muß. Wir haben doch in der Bundesrepublik - etwa mit den Absprachen im Finanzplanungsrat - gute Erfahrungen gemacht. Auch wenn die richtige Regelung, daß die EG für die einzelnen EG-Länder nicht als Garant auftritt, in der Praxis Tests ausgesetzt sein dürfte und nicht unbedingt ziehen wird, so möchte ich doch darauf hinweisen, daß die Bonität der einzelnen Länder ein entscheidender Faktor in der haushaltspolitischen Disziplin sein wird. Übertrieben übernationale Bindungen und Verpflichtungen für die nationalen Haushalte können den ganzen Prozeß gefährden. Hier muß mit Augenmaß gehandelt werden. Ich habe manchmal den Verdacht, daß hier Forderungen gestellt werden, die selbst von den Fordernden nicht ganz ernst genommen werden. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß es Ideen gab, daß die Kommission Haushalte genehmigen sollte. Wer so etwas fordert, will verhindern, daß die Vertragsänderung ratifiziert wird. Dafür gibt es zwei andere Beispiele: Wenn ich mir den Bericht der Bundesregierung ansehe und dabei die Forderung finde, daß alle Länder der EG am gemeinsamen Wechselkursmechanismus des EWS mit enger Bandbreite teilnehmen müssen, bevor die zweite Stufe der Währungsunion gestartet werden kann, dann habe ich den deutlichen Eindruck, hier will man die Einführung dieser zweiten Stufe bewußt verhindern; denn jedem in diesem Hause ist doch klar, daß es mindestens ein, wenn nicht zwei EG-Länder gibt, die dies aus wirtschaftlichen Gründen im Moment gar nicht machen können. Wir Sozialdemokraten jedenfalls sind dafür, diese europäische Währungsunion als Teil der weiteren Fortentwicklung der wirtschaftlichen und politischen Einigung Westeuropas auf solider Basis nicht nur in Worten, sondern auch in Taten in Angriff zu nehmen. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch kurz etwas zur Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sagen. Ich bin mit dem Kollegen Fell weitgehend einer Meinung - Sie haben das auch in unserem Bericht gesehen - : Wir begrüßen die Einrichtung dieser Bank, weil sie einen vernünftigen Sinn erfüllen kann. Wir bedauern, daß, nicht zuletzt aus der Bank selbst heraus, Irritationen im Hinblick auf den Anspruch der Bank, im Hinblick auf die Kostengestaltung, einschließlich der Personalkosten - da besonders bei den Spitzengehältern - , und im Hinblick auf die Art und Weise, wie die Bank geführt werden soll, entstanden sind. Wir halten die gefundenen Satzungsregelungen, die sich weitgehend an der Asiatischen Entwicklungsbank ausrichten, für vernünftig. Wir sind allerdings auch dafür, daß die Entwicklung der Bank auch in ihrem Inneren kritisch zu begleiten ist. Es muß sicher sein, daß diese Bank den Charakter einer Entwicklungsbank erhält und ausbaut und daß sie sich nicht als kommerzielle Investmentbank mißversteht. Auf dieser Grundlage können wir der Errichtung dieser Bank aus guten Gründen zustimmen. Ich danke Ihnen. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Frau Staatsministerin Dr. Adam-Schwaetzer.

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemeinsam mit der Verwirklichung der deutschen Einheit ist die europäische Einigung in den vergangenen Monaten kräftig vorangetrieben worden. Ich freue mich, daß ich in dieser Debatte in vielen Bereichen Übereinstimmung in der europapolitischen Grundkonzeption zwischen der Bundesregierung und der stärksten Oppositionspartei feststellen kann. Ich denke, daß dies eine gute Basis für die europapolitische Zukunftsgestaltung sein wird. Der Europäische Rat in Rom vom letzten Wochenende hat wichtige Weichenstellungen für die Zukunft gegeben. Wir werden eine „transatlantische Erklärung" verabschieden, die unsere besonderen Bindungen zu den beiden befreundeten Staaten Nordamerikas festschreibt. Für die Sowjetunion und andere Staaten Mittel-und Osteuropas sind Maßnahmen zur Unterstützung der schwierigen wirtschaftlichen Umgestaltung eingeleitet worden. Im Golf-Konflikt wollen die Staaten der EG durch verstärkten Druck auf den Irak die widerrechtliche Besetzung Kuwaits auf politischem Wege weiterhin beenden helfen. Hier ist die internationale Solidarität besonders wichtig, um ganz deutlich zu machen, daß ein Aggressor keine Chance auf Erfolg haben darf. Der Europäische Rat hat auch die Schwerpunkte unserer Europapolitik bestätigt. Dies gilt besonders für die Regierungskonferenzen zur Politischen Union und zur Wirtschafts- und Währungsunion. Wir wollen den schnellen Abschluß beider Konferenzen. Wir wollen den Weg der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union vollenden. Ziele der Bundesregierung auf dem Weg zur politischen Union sind vor allem die Ausweitung der Rechte des Europäischen Parlaments. Wir denken hier an eine eigene Gesetz18550 gebungskompetenz und an ein eigenes Initiativrecht. ({0}) Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik werden immer notwendigere Bestandteile der Umgestaltung zur politischen Union. Dabei darf die Europäische Gemeinschaft allerdings nicht zu einer Ersatz-NATO werden. Exportkontrollen und gemeinsame Rüstungsproduktion, Frau Wieczorek-Zeul, bedürfen sicherlich unserer Einflußnahme, damit in diesen Bereichen, vor allem beim Rüstungsexport, endlich eine restriktive Politik bei all unseren Partnern durchgesetzt werden kann. ({1}) Eine stärkere politische Union bedeutet größeren Freiraum für regionale Strukturen sowie deren Aufrechterhaltung und Fortentwicklung im größeren europäischen Rahmen. Die Bundesregierung legt deshalb im Einklang mit den Ländern Wert darauf, daß in den europäischen Verträgen künftig das Prinzip der Subsidiarität festgeschrieben wird. In Brüssel sollen nur solche Entscheidungen und Maßnahmen getroffen werden, die auf Gemeinschaftsebene besser als auf den Ebenen der einzelnen Mitgliedstaaten zu verwirklichen sind. Nur ein föderales Europa ist bürgernah und lebt in der Vielfalt seiner Traditionen und Erfahrungen. Auch mit den Schlußfolgerungen zur Wirtschafts-und Währungsunion gibt der Europäische Rat Positionen wieder, die die deutsche Bundesregierung zuvor mitformuliert hatte. Das betrifft insbesondere das Postulat einer offenen marktwirtschaftlichen Ordnung, die Preisstabilität und Wachstum, Beschäftigung und Umweltschutz miteinander vereint. Das betrifft aber auch die zukünftige europäische Zentralbank, die die ungeteilte Verantwortlichkeit für die Geldpolitik ausübt und deren vorrangige Aufgabe die Sicherung der Preisstabilität ist. Diese Institution sowie die Mitglieder ihres Rates dürfen nicht weisungsabhängig sein. ({2}) Mit der Entscheidung, die zweite Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Januar 1994 beginnen zu lassen, folgt der Europäische Rat einer Position, die unter anderem auch von der Bundesregierung schon zuvor eingenommen wurde. Für uns war es von Anfang an besonders wichtig, für diesen Schritt einen festen Zeitpunkt festzulegen. Wichtig ist allerdings auch die in Rom getroffene Feststellung, spätestens drei Jahre nach Eintritt in die zweite Phase, also noch im Jahre 1996, Vorkehrungen für den Einstieg in die dritte und damit endgültige Phase zu treffen. Mit den in den Schlußfolgerungen genannten Voraussetzungen für den Eintritt in die zweite Stufe kann sich die Bundesregierung voll identifizieren. Dies schließt aber nicht aus, daß der eine oder andere Mitgliedstaat für den Fall, daß er eines oder mehrere der Kriterien für den Eintritt in die Stufe 2 nicht erfüllen kann, zeitlich begrenzte Übergangsregelungen in Anspruch nehmen kann. Einem Europa der zwei Geschwindigkeiten erteilen wir mit dieser Konzeption eine klare Absage. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, daß nach den Römischen Verträgen allen demokratischen Staaten Europas - damit ist nicht nur Westeuropa gemeint - der Beitritt zur EG freisteht. In der Konzeption der Römischen Verträge heißt es ja auch „Europäische Gemeinschaft" und nicht „Westeuropäische Gemeinschaft" . Deshalb werden wir die Europäische Gemeinschaft für alle Staaten offenhalten, die sowohl den erreichten Integrationsstand wie auch das Ziel einer Europäischen Union zu akzeptieren bereit sind. Die Europäische Gemeinschaft als die erfolgreichste demokratische Staatengemeinschaft war und ist Hoffnungsträger für die Menschen in Mittel- und Osteuropa. Diese Hoffnungen dürfen wir nicht enttäuschen. ({3}) Wer die europäische Friedensordnung mitgestalten soll, dem darf umgekehrt nicht die künftige Teilhabe an der Europäischen Gemeinschaft verwehrt werden. Darauf zu achten ist auch Bestandteil unserer europäischen Friedensverantwortung. Die heutige Europäische Gemeinschaft ist attraktiv, aber nicht exklusiv. Offenheit und vertiefte Integration sind kein Gegensatz. Darauf lege ich besonderen Wert. Sie sind zwei Wege zum Ziel des einen Europas, die wir parallel vorantreiben müssen. Wir müssen sie gleichzeitig gehen, um anzukommen. Seit dem 3. Oktober 1990 sind die fünf neuen Bundesländer und Ost-Berlin Teil der Europäischen Gemeinschaft. Frau Kaufmann, die Frage der Delegation der Volkskammerabgeordneten in das Europäische Parlament ist gelöst. Die Präsidentin des Deutschen Bundestages muß nach dem Beschluß des Europäischen Parlamentes dem Parlament nun noch die Namen der Abgeordneten nennen, die ja in der Volkskammer bestimmt worden sind, damit die Kollegen ihre Arbeit dort aufnehmen können. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Wieczorek-Zeul?

Not found (Gast)

Ja, bitte.

Heidemarie Wieczorek-Zeul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002503, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsminister, sehe ich das richtig, daß Sie der Auffassung sind - ist das die Position der Bundesregierung -, daß die in der Volkskammer benannten Abgeordneten ins Europäische Parlament delegiert werden sollen? Wäre es nicht eigentlich das richtige Verständnis von parlamentarischer Verantwortung, wenn die Abgeordneten, die in den Deutschen Bundestag gewählt werden, vom Deutschen Bundestag ins Europäische Parlament delegiert werden? Denn das ist doch die Praxis, die in Präzedenzfällen geübt wurde. Es kann doch wohl nicht sein, daß dort bis 1994 Abgeordnete vertreten sind, die praktisch keinerlei parlamentarischen Bezug mehr haben.

Not found (Gast)

Frau Kollegin Wieczorek-Zeul, ich halte mich an das, was die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Abgeordneten der Volkskammer in Übereinstimmung, wenn auch getrennt, in der Zusatzvereinbarung zum Einigungsvertrag beschlossen haben und dessen Interpretation, die wir gemeinsam im Ausschuß Deutsche Einheit festgelegt haben. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Frau Staatsministerin, es gibt Wünsche nach weiteren Zwischenfragen. Wollen Sie sie zulassen?

Not found (Gast)

Bitte, wenn ich anschließend noch ein Wort zu den technischen Fragen der Eingliederung der fünf neuen Bundesländer in die EG sagen darf.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Frau Wieczorek-Zeul.

Heidemarie Wieczorek-Zeul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002503, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen bekannt, daß dieser Punkt offensichtlich umstritten ist? Denn sonst würde sich der Ältestenrat in dieser Woche nicht mit diesen Fragen beschäftigen.

Not found (Gast)

Frau Abgeordnete Wieczorek-Zeul, mir ist bekannt, daß es da offensichtlich zusätzliche Fragen gibt, die mich nach dem, was wir im Bundestagsausschuß Deutsche Einheit parallel zu den Verhandlungen, die dort geführt wurden, im Hintergrund vereinbart und einvernehmlich bekanntgegeben haben, etwas erstaunen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Frau Staatsministerin, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Frau Dr. Kaufmann? - Bitte.

Dr. Sylvia Yvonne Kaufmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001075, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sie sagten, die Frage sei gelöst. Die Zwischenbemerkung macht deutlich, daß das Problem offenbar nicht gelöst ist. Stimmt es denn - so wie ich es vorhin gesagt habe -, daß in dieser Frage noch eine Beschlußfassung des Bundestages notwendig ist?

Not found (Gast)

Frau Abgeordnete, dies wird unterschiedlich gesehen. Nach unserer Interpretation der Zusatzvereinbarung zum Vertrag zur deutschen Einheit ist dies nicht der Fall. ({0}) Um auf die Fragen, die notwendigerweise gelöst werden müssen, damit die Regeln der Europäischen Gemeinschaft in den fünf neuen Bundesländern angewendet werden können, zurückzukommen, ganz kurz zu den vorgesehenen Maßnahmen: Die Gründungsverträge der drei Gemeinschaften und auch etwa 80 des sekundären Gemeinschaftsrechts gelten schon jetzt unverändert. Für Bereiche, in denen das EGRecht wegen der völlig anderen wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in der ehemaligen DDR noch nicht anwendbar ist, gelten bis Ende dieses Jahres zunächst vorläufige Ausnahmeregelungen. Wir hoffen, daß das Paket der Maßnahmen zur endgültigen Formulierung der Übergangsregeln bis Ende dieses Jahres verabschiedet werden wird und in nationales Recht umgesetzt worden ist. Wir halten das Vorschlagspaket der Kommission, das weitgehend mit uns abgestimmt worden ist, insgesamt für ausgewogen und geeignet, die zügige und harmonische Einbeziehung der neuen Bundesländer in die EG zu bewirken. Es bestehen sogar gute Aussichten, noch gewisse Verbesserungen, die die Entschließung ebenfalls anregt, zu erreichen. Dies gilt insbesondere für den Vertrauensschutz für RGW-Länder; darüber werden wir ja heute noch debattieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft, dem Europäischen Parlament und insbesondere der Kommission möchte ich auch bei dieser Gelegenheit erneut für ihr großes Verständnis und ihre umfassende Unterstützung danken. Ohne die Sympathie, die Begleitung und die Kooperationsbereitschaft all dieser Institutionen und der Menschen in diesen Institutionen wäre es nicht möglich gewesen, die Fragen der deutschen Einheit und die Fragen der Eingliederung der neuen fünf Bundesländer in die EG so umfassend und zu unser aller Zufriedenheit zu lösen. Ich danke Ihnen. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zu Tagesordnungspunkt 4 a: Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 11/7729. Es handelt sich um die Stärkung der Rechte und Befugnisse des Europäischen Parlaments. Die Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 verlangt hierzu getrennte Abstimmung. Wer stimmt für I erster Spiegelstrich der Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/7729? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Spiegelstrich ist angenommen. Wer stimmt für I zweiter Spiegelstrich der Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/7729? Ich bitte um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dies ist gegen die Stimmen der GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS angenommen. Wer stimmt für I dritter bis fünfter Spiegelstrich sowie für II und III der Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/7729? Ich bitte um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich stelle fest, daß damit die Beschlußempfehlung insgesamt angenommen ist. Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8345 zu den EG-Vorlagen ab, die in der Beschlußempfehlung genannt sind. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD abgelehnt. Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 4 b, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 11/7675. Das Vizepräsidentin Renger ist die Erklärung der Bundesregierung zur Sondersitzung des Europäischen Rates. Der Ausschuß empfiehlt, den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/7077 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist gegen die Stimmen der GRÜNEN/Bündnis 90 und der PDS angenommen. Tagesordnungspunkt 4 c: Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Vertragsgesetzentwurf zu dem Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Das sind die Drucksachen 11/7997 und 11/8340. Ich rufe das Gesetz mit seinen Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift mit der vom Ausschuß empfohlenen Änderung auf. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Im übrigen haben wir die EG-Vorlage auf den Drucksachen 11/8091 Nr. 2.35 und 11/7609 Nr. 8 zur Kenntnis zu nehmen. Das ist hiermit geschehen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4 d und stimmen über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 11/8018 ab. Das ist der Integrationsbericht. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen von PDS und GRÜNEN/Bündnis 90 ist die Beschlußempfehlung angenommen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4 e. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Integrationsberichts der Bundesregierung auf Drucksache 11/7887 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen die freudige Mitteilung zu machen, daß wir jetzt in die Mittagspause eintreten, die bis 14 Uhr dauert. Danach folgen die Fragestunde, die Aktuelle Stunde und dann Tagesordnungspunkt 5. Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, wir fahren in den Beratungen fort. Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 11/8298 -Die Dringliche Frage der Frau Abgeordneten Matthäus-Maier auf der Drucksache 11/8370 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Wimmer steht zur Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe Frage 1 des Abgeordneten Sielaff auf: Kann die Bundesregierung Auskunft über die zukünftige Aufgabenstellung des „Instituts für Konversion der Streitkräfte ({0})" ({1}) geben, das zum 3. Oktober 1990 in den Verantwortungsbereich des Bundesministeriums für Verteidigung überführt worden ist, und stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, daß angesichts der zu erwartenden Reduzierungen bei der Bundeswehr Planungs- und Koordinierungsbedarf für die Umstellung bisher militärisch-orientierter Einrichtungen und Arbeitsplätze in zivile Projekte und Aufgaben besteht?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Sielaff, die zivilberufliche Qualifizierung ehemaliger NVA-Soldaten, die nicht in die Bundeswehr übernommen werden, wird nach den Regelungen des Einigungsvertrages auf der Grundlage des Arbeitsförderungsgesetzes durchgeführt. Bei der Einrichtung und Durchführung der Maßnahmen ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und dem Bundesminister der Verteidigung vereinbart. Einer wissenschaftlichen Begleitung dieser Qualifizierungsmaßnahmen bedarf es nicht. Insoweit besteht auch kein Bedarf an dem Fortbestehen des Instituts für Konversion der Streitkräfte. Die Auflösung der Einrichtung an der ehemaligen Militärakademie in Dresden erfolgt zum 31. Dezember 1990, spätestens jedoch zum 31. März 1991. Die entsprechende Entscheidung wird in Kürze getroffen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Kollege, Sie haben eine Zusatzfrage.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wer diese Aufgaben wahrnimmt, welche Institute beispielsweise an der Konversion arbeiten?

Not found (Staatssekretär:in)

Das gehört zum Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung, soweit es sich um Angehörige der Streitkräfte handelt und die Berufsqualifikation, Weiterbildung und ähnliche Maßnahmen anbetrifft. Insoweit gehört das zur Zuständigkeit unseres Hauses. Für weitere Bereiche ist der Bundesminister für Arbeit zuständig.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich weiß nicht, ob Sie die Frage richtig verstanden haben. Es geht nicht um Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, sondern es geht um die Aufgaben dieses Institutes. Danach habe ich direkt gefragt, und darauf sind Sie kaum eingegangen. Meine Frage: Können Sie mir sagen, wo ich etwas über die Erfolge von Untersuchungen zur Konversion des Bundesministers der Verteidigung erfahren kann? Wie kann ich mich sachkundig machen, zu welchem Ergebnis das Bundesministerium bereits gekommen ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, wenn Sie entsprechende Fragen haben, stehen wir gerne zur Verfügung. ({0}) - Wenn es detaillierte Fragen zu den Ergebnissen gibt und die entsprechenden Fragen auch spezifiziert sind, stehen wir dem Kollegen Sielaff mit einer weiteren Unterrichtung gerne zur Verfügung.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, ich bitte wirklich, daß diese Frage noch einmal genau durchgelesen wird. Vielleicht bekomme ich dann schriftlich eine Antwort auf meine Frage statt eine Antwort auf etwas, was ich nicht gefragt habe.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich glaube, die Bitte nimmt der Herr Staatssekretär entgegen, und er wird entsprechend darauf antworten. Ich rufe Frage 2 der Abgeordneten Frau Schmidt ({0}) auf: Warum kündigt der Sprecher der Luftwaffe an, daß die von US-Botschafter Walters verbindlich versprochene Einstellung der Luftbetankungsmanöver über bewohnten Gebieten wie z. B. über Nürnberg nur vorübergehend Gültigkeit haben soll, und von wem wird künftig die Überwachung des Luftraums bei militärischen Flügen der NATO-Verbündeten vorgenommen werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Der Sprecher der Luftwaffe hat in seinem Interview nur den Sachverhalt zur Luftbetankung über der Bundesrepublik Deutschland dargestellt und nicht zu den Äußerungen des amerikanischen Botschafters Stellung genommen, die ihm zu diesem Zeitpunkt auch nicht bekannt waren. Im übrigen hat der amerikanische Botschafter selber gegenüber der Presse richtiggestellt, daß die Luftbetankungsübungen im Raume Nürnberg nur bis zum Abschluß der derzeit laufenden Untersuchungen über eine mögliche Verlagerung des Übungsgebietes ausgesetzt werden. Dies entspricht dem derzeitigen Sachverhalt. Zu der Frage der Überwachung des Luftraumes ist mitzuteilen, daß die Überwachung wie bisher durch die für den jeweiligen Luftraum zuständige zivile oder militärische Flugsicherungsstelle erfolgt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schmidt.

Renate Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002016, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie, damit die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die von Nürnberg, erfahren, was in Zukunft geschehen soll, uns nicht einmal folgende Frage beantworten: Werden diese Lufttankmanöver eingestellt oder nicht?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Kollegin, ich habe zum Ausdruck gebracht, daß wir uns, nachdem wir die vorher getroffenen Maßnahmen bereits für einige Zeit durchgeführt haben, in einer weiteren Überprüfung befinden. Sie werden daraus schließen können, daß wir uns intensiv darüber Gedanken machen, ob der bisherige Zustand nicht fortbestehen kann, damit die Bevölkerung von Nürnberg und in anderen Gebieten auf Dauer nicht nachteilig tangiert wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.

Renate Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002016, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, bis wann werden diese Untersuchungen dann letztlich abgeschlossen sein, und wie werden die Bürgerinnen und Bürger endlich einmal verläßlich Auskünfte darüber bekommen können, ob tatsächlich Lufttankmanöver stattgefunden haben, was ja bisher immer teilweise abgestritten worden ist, oder nicht?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann nicht sagen, daß wir Dinge, die sich über dem Luftraum von Nürnberg zugetragen haben, abgestritten haben. Sie wissen, daß Sie immer eine zutreffende Antwort von uns bekommen haben. ({0}) Was den weiteren Fortgang der Untersuchungen betrifft, so kann ich das exakte Datum, wann diese Untersuchungen beendet sein werden, nicht angeben. Aber ich bin gerne bereit, dem noch nachzugehen und Ihnen dann auch eine präzise Antwort zukommen zu lassen. ({1}) - Präzise und schnell.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Die Frage 3 des Abgeordneten Schwalbe und die Frage 4 der Abgeordneten Frau Schmidt ({0}) werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Stiegler werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Die Frage 8 des Abgeordneten Zierer wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Die Frage 9 des Abgeordneten Lowack wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Voss steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Lüder auf: Nachdem festgestellt worden ist, daß in den ostdeutschen Bundesländern das bisher in der DDR geltende Grunderwerbsteuergesetz noch bis Jahresende fortgilt, so daß Grunderwerb, auch wenn er zu Investitionen notwendig ist, nicht wie im alten Bundesgebiet mit 2 % , sondern mit 7 % Grunderwerbsteuer belegt wird, frage ich, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, in Übereinstimmung mit den Wünschen der Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft festzulegen, daß für Grunderwerb in allen deutschen Bundesländern ab Herstellung der staatlichen Einheit der Bundesrepublik Deutschland der einheitliche Grunderwerbsteuersatz von 2 % zur Anwendung kommt? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege Lüder, im Einigungsvertrag vom 31. August 1990 ist vereinbart worden, daß das Recht der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Besitz- und Verkehrsteuern im Gebiet der früheren DDR am 1. Januar 1991 in Kraft tritt. Zu diesen Steuern gehört auch die Grunderwerbsteuer. In den neuen Ländern ist deshalb noch bis zum 31. Dezember 1990 das Grunderwerbsteuergesetz der früheren DDR anzuwenden, das einen Steuersatz von 7 vorsieht. Ich beabsichtige allerdings, mich mit den neu beigetretenen Bundesländern in Verbindung zu setzen, um prüfen zu lassen, ob eine Herabsetzung des Steuersatzes von 7 v. H. auf 2 v. H. aus sachlichen Billigkeitsgründen möglich ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lüder.

Wolfgang Lüder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001390, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, das Grunderwerbsteuerrecht sieht ja vor, daß sich der Grunderwerbsteuerbetrag nach dem Steuersatz richtet, der bei Wirksamwerden des Vertrages besteht, d. h. wenn in den ostdeutschen Bundesländern jetzt eine Investition beim Liegenschaftsamt beantragt wird und später auf dieser Liegenschaft eine Baulichkeit errichtet wird, unterliegt der gesamte Wert dem Steuersatz. Das bedeutet, daß die 7 % Grunderwerbsteuer z. B. auch auf den Grundpreis eines Hotels, das erst im Jahre 1991 errichtet wird, bezogen wird, selbst wenn im Jahre 1990 schon mit der Investition begonnen wird, wie es die Bundesregierung wünscht. Sind Sie bereit, die Andeutung, die Sie eben in bezug auf Ihre Verhandlungen machten, auch darauf zu erstrecken, daß Investitionsvorhaben, die jetzt schon in Angriff genommen werden, von dieser Ermäßigung, wenn sie vereinbart wird, umfaßt werden?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Das will ich gerne tun, Herr Kollege Lüder. Ihre Darstellung ist richtig. In der ehemaligen DDR gilt das Grunderwerbsteuerrecht, das wir bis Anfang der 80er Jahre auch in der Bundesrepublik gehabt haben. Das heißt, es gilt ein Grunderwerbsteuerrecht mit sehr, sehr vielen Ausnahmen. Das macht die Praktikabilität etwas schwierig. Von daher war es, glaube ich, ein richtiger Schritt, in der Bundesrepublik auf das jetzige Grunderwerbsteuersystem überzugehen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.

Wolfgang Lüder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001390, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, die Informationen, die Sie gegeben haben, den acht Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft, die das damalige Finanzministerium der DDR - mit Kopie an Ihr Haus - am 5. September 1990 mit der gleichen Bitte angeschrieben haben, ebenfalls zugänglich zu machen?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege Lüder, ich gehe davon aus, daß dies den Spitzenverbänden nicht verborgen bleiben wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe Frage 11 des Abgeordneten Lüder auf: Wenn die Bundesregierung keine Möglichkeiten sieht, wie hoch schätzt die Bundesregierung den Schaden, der durch grunderwerbsteuerbedingte Verzögerungen von Investitionen in den ostdeutschen Bundesländern eintreten kann? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege Lüder, ich gehe davon aus, daß privatrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bei den Kaufverhandlungen genutzt werden, um wirtschaftlich unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden. Deshalb dürften sich Verzögerungen von Investitionen in den neuen Bundesländern nicht in nennenswertem Umfang durch die bis zum 31. Dezember 1990 geltende grunderwerbsteuerliche Regelung ergeben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lüder.

Wolfgang Lüder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001390, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, was empfehlen Sie aber dann denjenigen Investoren, die in den ostdeutschen Bundesländern investieren und ihre Verträge bereits abgeschlossen haben, diese Verträge aber nicht mehr ändern können?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege Lüder, diejenigen, die bereits Verträge grunderwerbsteuerlicher Art abgeschlossen haben, waren offensichtlich aus anderen Überlegungen damit einverstanden, einen Satz von 7 % zu zahlen. Denn es kann ja durchaus sein, daß sich in der weiteren Entwicklung die Grundstückspreise nach oben bewegen. Es kann auch sein, daß es aus Konkurrenzverhältnissen angezeigt ist, jetzt schnell zu kaufen anstatt zuzuwarten und damit die Gefahr einzugehen, daß jemand einem das Objekt vor der Nase wegschnappt. Wer also jetzt bereits gekauft hat, für den lagen, so glaube ich, Umstände vor, die ihn zum schnellen Handeln zwangen. Hier sehe ich nicht unbedingt einen Handlungsbedarf. Aber in den Fällen, die Sie in Ihrer ersten Frage angesprochen haben, sieht es ja etwas anders aus. Da bin ich, wie gesagt, bereit, mich mit den fünf neuen Bundesländern in Verbindung zu setzen, um zu sehen, ob man hier eine Regelung erzielen kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lüder.

Wolfgang Lüder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001390, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, da es ja auch Investoren gibt, die ganz schlicht der Empfehlung der Bundesregierung und von uns allen gefolgt sind und gleich nach Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion Investitionen vereinbart haben - ohne den spekulativen Aspekt, den Sie soeben angenommen haben - , frage ich: Was empfehlen Sie diesen Investoren, die unserem gemeinsamen Wunsch gefolgt sind und am 1. Juli 1990 die Verträge abgeschlossen haben in der Hoffnung darauf, daß unser Grunderwerbsteuerrecht ab Herstellung der Einheit Deutschlands gilt, und die jetzt überfahren worden sind von einer Neufassung des Grunderwerbsteuerrechts hin zur alten Regelung? Denn am 1. Juli konnte man nicht davon ausgehen, daß das deutsche Steuerrecht ab dem 3. Oktober nicht mehr gilt.

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege Lüder, zumindest ab diesem Zeitpunkt, den Sie genannt haParl. Staatssekretär Dr. Voss ben, war es für jeden klar. Im Einigungsvertrag ist ja diese Regelung erzielt worden. ({0}) - Nein, im Einigungsvertrag. Infolgedessen war es zumindest ab diesem Zeitpunkt für jeden klar. Wer dann gehandelt hat, hat ja im klaren Bewußtsein der Rechtslage gehandelt. Also hier sehe ich keinen Grund zum Handeln unsererseits, da die Gründe, die ich Ihnen eben genannt habe - Konkurrenz oder die Befürchtung, daß sich die Grundstückspreise nach oben bewegen - , auch eine Rolle spielen. Hier, meine ich, ist daher kein Handlungsbedarf gegeben. Aber, wie gesagt, in den anderen Fällen besteht die Bereitschaft, die ich Ihnen eben genannt habe.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Danke sehr, Herr Staatssekretär. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Der Parlamentarische Staatssekretär, Herr Echternach, steht zur Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Seifert auf. Wie steht die Regierung zu dem Vorschlag, Menschen mit Behinderungen einen Mietzuschuß zu gewähren, um ihnen das Wohnen auch in Innenstadtbereichen oder anderen Gegenden ihrer Wahl zu ermöglichen?

Jürgen Echternach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000429

Herr Abgeordneter Dr. Seifert, ein Mietzuschuß in Form von Wohngeld wird vom 1. Januar 1991 an auf Grund des Wohngeldgesetzes allen Haushalten gewährt, deren Einkommen nicht ausreicht, die Kosten für eine angemessene und familiengerechte Wohnung selbst zu tragen. Für die Höhe des Mietzuschusses im Einzelfall ist neben dem Einkommen und der Haushaltsgröße die tatsächlich gezahlte Miete maßgeblich. Schwerbehinderte können je nach Grad der Behinderung bei der Einkommensermittlung bestimmte Freibeträge absetzen. Das hierdurch verminderte Einkommen führt zu einem im Vergleich zu anderen Wohngeldempfängern höheren Zuschuß.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Könnten Sie sich vorstellen, daß trotzdem bundesweit eine Regelung eingeführt wird, die etwa so wie die Regelung in der ehemaligen DDR aussieht? Dort war es so, daß maximal 5 % , in einigen Orten 7 % des Familienbruttoeinkommens an Miete zu zahlen war. Der Rest war Zuschuß. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß man das nettobezogen macht oder vielleicht auf 10 % geht. Aber könnten Sie sich vorstellen, daß man so etwas einführen würde? Denn dies könnte garantieren, daß Menschen mit Behinderung beispielsweise auch in teuren Innenstädten wohnen könnten?

Jürgen Echternach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000429

Herr Kollege Dr. Seifert, Sie müßten hier unterscheiden. Da ist zum einen die objektgebundene Förderung, die die Länder nach ihren eigenen Förderprogrammen gestalten, wobei durchaus auch dafür Sorge getragen werden kann, daß behindertengerechte Wohnungen auch in Innenstadtnähe erstellt werden, und zwar durch bauliche Gestaltung genauso wie durch eine entsprechende mietpreisrechtliche Ausrichtung der Förderrichtlinien. Darauf hat der Bund keinen Einfluß; der Bund gibt den Ländern Finanzhilfen, und die Länder selbst stellen insofern ihre eigenen Förderprogramme auf. Davon losgelöst zu sehen ist die individuelle Hilfe, die wir über das Wohngeld gewähren und bei der der Grad der Behinderung durchaus einen Einfluß auf die Höhe des Wohngeldes hat. Beide Instrumente in Kombination miteinander können für Behinderte die Wahl einer Wohnung in Innenstadtnähe und eine tragbare Belastung sicherstellen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Würde das auch auf den freifinanzierten Wohnungsmarkt einen Einfluß haben, oder wie sieht das aus? Gesetzt den Fall, jemand kennt oder hat eine Wohnung, die zwar nicht behindertengerecht gebaut, aber für ihn speziell nutzbar ist, und die kommt auf den freien Wohnungsmarkt. So etwas ist ja durchaus möglich. Würde das dann auch zutreffen, oder gilt das nur für den sozialen Wohnungsbau?

Jürgen Echternach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000429

Nein, Herr Kollege, das Wohngeld gilt für alle Wohnungen, auch für freifinanzierte Wohnungen. Es würde es insofern auch im freifinanzierten Wohnungsbau den Behinderten erleichtern, sich durch einen erhöhten Wohngeldzuschuß eine angemessene Wohnung zu leisten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gibt es dazu noch Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall. Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Die Fragen 12 und 13 des Abgeordneten Dr. Daniels ({0}) werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Geldern steht zur Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe Frage 14 des Herrn Abgeordneten Eigen auf: Welche Auswirkungen haben die Vorschläge der EG-Kommission für die GATT-Verhandlungen auf die Einkommen der bäuerlichen Familien in der Bundesrepublik Deutschland und in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, der von der EG-Kommission im Rahmen der GATT-Verhandlungen vorgeschlagene Abbau des Stützungsniveaus um 30 % würde zu einem Rückgang der landwirtschaftlichen Einkommen in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft füh18556 ren. Das Ausmaß der zu erwartenden Einkommenseinbußen läßt sich zur Zeit nicht quantifizieren. Bislang sind nur Eckdaten für Produktgruppen, noch nicht die zu erwartenden Änderungen der verschiedenen Stützungsmaßnahmen bekannt. Außerdem ist zu berücksichtigten, daß Erzeugerpreise und Einkommen nicht nur vom Stützungsniveau, sondern in sehr starkem Maße auch von der Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf dem EG-Binnenmarkt und auf dem Weltmarkt abhängen werden. Folgende Aussagen können allerdings getroffen werden: Der vorgeschlagene Stützungsabbau bezieht sich auf das Stützungsniveau von 1985/86, das innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren, also bis 1995/96, um 30 % verringert werden soll. Durch die Stabilisatorenbeschlüsse vom Februar 1988 und die Mengenreduktion hat die Gemeinschaft bereits einen erheblichen Teil - etwa die Hälfte - dieses Stützungsabbaus realisiert. Der verbleibende Stützungsabbau verteilt sich über die Jahre 1991/92 bis 1995/96. Dementsprechend würden bei einer derartigen Beschlußfassung Preise und Einkommen allmählich sinken. Der Abbau der Stützung um einen bestimmten Prozentsatz führt im übrigen zu einem wesentlich geringeren Rückgang der Erzeugerpreise, da der Abbau nur auf den Betrag der Preisstützung, nicht jedoch auf das bisherige Preisniveau zu beziehen ist. So führt ein Stützungsabbau um 2 % z. B. bei Getreide zu einer Preissenkung von 1 %. Letzte Bemerkung: Falls im Rahmen der GATTVerhandlungen die Zustimmung zu einem Stützungsabbau unvermeidlich werden sollte, wird sich die Bundesregierung mit Nachdruck dafür einsetzen, entstehende Einkommensverluste im Rahmen EG-einheitlicher Programme auszugleichen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, erster Punkt: Wie kann es angehen, daß die Kommission dem Ministerrat eine Vorlage unterbreitet, wobei die Kommission bzw. der Ministerrat über die Auswirkungen dessen, was vorgeschlagen wird, nicht unterrichtet wird oder nicht in Kenntnis ist? Sie haben das eben so ausgeführt! Sie haben gesagt: Wir wissen selbst noch nicht, wie sich das auswirken wird.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Ja, das ist auch einer der bekannten Kritikpunkte. - Wir erwarten einen geänderten Kommissionsvorschlag, in dem die Auswirkungen sowohl von Stützungsabbauschritten als auch von Ausgleichsmaßnahmen genau spezifiziert sind. Eine Beschlußfassung ist bekanntlich deswegen bisher nicht erfolgt, weil wir mit dem gegenwärtigen Stand des Kommissionsvorschlages nicht einverstanden sind.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage, bitte.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Kalkulationen, die im Ministerium in der Frage, wie weit sich der Stützungsabbau in bezug auf den Preisabbau auswirkt, angestellt worden sind, sind ja deswegen auch nur vage, weil man, wie gesagt, von der Kommission Endgültiges über die Auswirkungen nicht erfahren hat. Meine große Sorge ist - und dazu bitte Ihre Antwort -, daß, wenn die Drittlandabsicherung nicht ausreichend ist, alle anderen Maßnahmen Unsinn sind, weil die exportierende Wirtschaft des Auslandes immer in die EG hineinexportieren will, weil es hier ein zahlungskräftiges Publikum gibt und man hier die Ware nicht nur abnimmt, sondern auch bezahlt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Kollege, keine Rede! Wir sind in der Fragestunde.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich frage Sie, . . .

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

In Kürze, wenn ich bitten darf!

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

... Herr Staatssekretär: Wie stehen Sie dazu, und wie stehen Sie dazu, daß sich eine solche Veränderung auf die Landwirtschaft der ehemaligen DDR, der jetzigen fünf Länder, auswirkt, wo neue landwirtschaftliche Betriebe gerade erst gegründet werden sollen und jetzt infolge der GATT-Verhandlungen derartig in Not geraten werden?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Der Herr Staatssekretär gibt jetzt eine kurze Antwort.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, das war nun wirklich eine etwas unübersichtliche Fragestellung, außerdem spekulativ. ({0}) Ich sage noch einmal und ohne die Antwort auf Ihre zweite, schriftlich gestellte Frage nach dem inneren Stützungsniveau der Gemeinschaft vorwegnehmen zu wollen, daß wir, u. a. auch wegen einiger der Punkte, die Sie aufgeführt haben, mit dem gegenwärtigen Kommissionsvorschlag nicht einverstanden sind und ihn so auch nicht für akzeptabel halten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe jetzt Frage 15 des Herrn Abgeordneten Eigen auf: Sind die Vorschläge der EG-Kommission, das Stützungsniveau für Agrarprodukte um 30 % zu senken, noch mit dem Vertrag von Rom zu vereinbaren, in dem die Landwirtschaft der Europäischen Gemeinschaften die Präferenz für die Erzeugung von Nahrungsmitteln für die Verbraucher der Europäischen Gemeinschaften gesichert bekam? Herr Staatssekretär. Dr. von Geldern: Parl. Staatssekretär: Frau Präsidentin! Herr Kollege Eigen, seit Beginn der UruguayRunde ist es zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission unbestritten, daß die bewährten Elemente der gemeinsamen Agrarpolitik nicht zur Disposition stehen. Zu diesen Elementen gehört die Gewährung einer ausreichenden Gemeinschaftspräferenz. Der Abbau des internen Stützungsniveaus ist grundsätzlich ohne Einfluß auf die gegenüber Drittländern wirkende Gemeinschaftspräferenz. Entscheidend ist, daß der Außenschutz der Gemeinschaft nicht stärker abgebaut wird, als eventuell das interne Stützungsniveau gesenkt wird. Deshalb fordert die Bundesregierung nachhaltig, daß die Gemeinschaftspräferenz ausreichend erhalten bleibt und daß für den Fall einer drohenden Störung des EG-Marktes durch Importe die erforderlichen Schutzmaßnahmen auch in Zukunft ergriffen werden können.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zu dieser Aussage: Werden Sie das auch in den Verhandlungen in der Europäischen Gemeinschaft durchhalten? Die entscheidende Frage ist nämlich, ob das Absicherungsniveau nach außen ausreichend gestaltet ist. ({0})

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Hier sind wir einer Meinung. Das ist die zutreffende Beschreibung der Verhandlungsposition der Bundesregierung.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Sie haben noch eine Frage, Herr Kollege Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wird erwogen, mit der Kommission in eine Diskussion über die Frage der Gestaltung des Vertrages von Rom und darüber, ob die Dinge, wie sie jetzt geschehen, damit noch in Einklang zu bringen sind, einzutreten?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Das war der Ausgangspunkt Ihrer zweiten Frage, Herr Kollege Eigen. Ich habe, nachdem ich betont hatte, daß wir uns in dieser Sache, was die Gemeinschaftspräferenz betrifft, auch mit der Kommission einig sind, keinen Anlaß, die Römischen Verträge als in Frage gestellt oder verletzt zu bezeichnen. Aber natürlich haben wir am Ende der Verhandlungen, im Lichte des Ergebnisses, auch zu prüfen - und das halte ich für ganz normal -, ob dieses Ergebnis mit der Absicht der Römischen Verträge vereinbar ist oder nicht. Ich habe bisher keinen Grund, daran zu zweifeln. Aber wir werden das Ergebnis abwarten müssen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Herr Staatssekretär Dr. Tegtmeier steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe Frage 16 des Herrn Abgeordneten Hönicke auf : Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für erforderlich, um eine Kündigungswelle für Ärzte in Ambulatorien und Polikliniken zu vermeiden und so zu verhindern, daß die ambulante Versorgung der Bevölkerung gefährdet wird? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Präsidentin! Ich bitte darum, die beiden von Herrn Abgeordneten Hönicke eingebrachten Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen, wenn der Fragesteller damit einverstanden ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Sind Sie einverstanden, Herr Kollege? ({0}) - Dann rufe ich auch Frage 17 des Herrn Abgeordneten Hönicke auf: Welche Fördermöglichkeiten sieht die Bundesregierung bei der Schaffung von Praxisräumen und der Finanzierung von Praxiseinrichtungen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, Minister Seiters hat am 18. Oktober 1990 darauf hingewiesen, daß der Einigungsvertrag die rechtlichen Voraussetzungen für den Fortbestand der Polikliniken und Ambulatorien in den fünf neuen Ländern bis zum Ende des Jahres 1995 schafft. Minister Seiters hat gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, daß willkürliche Kündigungen in keiner Weise gerechtfertigt sind. Polikliniken und Ambulatorien haben die berechtigten Belange der Mitarbeiter auf der Grundlage der im Einigungsvertrag getroffenen Regelungen zur Behandlung des Personals im öffentlichen Dienst zu berücksichtigen. Die Weiterbeschäftigung von qualifiziertem Personal ist - lassen Sie mich das unterstreichen - zur Aufrechterhaltung der gesundheitlichen Versorgung unverzichtbar. Die Bundesregierung geht davon aus, daß sowohl diese Hinweise als auch etwa die Bemühungen des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung über die Außenstelle in Berlin dazu führen werden, daß Kündigungen vermieden werden, die zu einer Gefährdung der ambulanten Versorgung der Bevölkerung führen würden. Die Bundesregierung hat zwei Programme geschaffen, die die Niederlassung von Ärzten in den fünf neuen Ländern begünstigen. Sowohl das ERP-Kreditprogramm für Investitionen privater gewerblicher Unternehmer und Angehöriger freier Berufe als auch das Eigenkapitalhilfeprogramm zur Förderung selbständiger Existenzen können von niederlassungswilligen Ärzten in den fünf neuen Ländern genutzt werden. Bis Ende des Jahres stehen hierfür ausreichende Mittel zur Verfügung, da das Volumen der Programme mehrfach auf zur Zeit 7,5 Milliarden DM aufgestockt wurde. Darüber hinaus wird zur Zeit geprüft, ob weitere Förderungsmöglichkeiten geschaffen werden sollten. Nun zu Ihrer Frage zur Bereitstellung von Praxisräumen - das stellt in der Tat einen Engpaß dar, Herr Abgeordneter - : Die Bundesregierung hat keine Möglichkeiten, Praxisräume in den fünf neuen Ländern zu schaffen. Hierfür sind die Kommunen zuständig. Die Bundesregierung hat deshalb an die Kommunen appelliert - und ich wiederhole das von dieser Stelle aus -, auf Grund der im Einigungsvertrag vorgesehenen Förderung der Niederlassung in freier Praxis den Ärzten und Zahnärzten hierbei behilflich zu sein.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hönicke? ({0}) Frau Kollegin Dräger, eine Zusatzfrage, bitte schön. 18558 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 233: Sitzung. Bonn, Dienstag, den 30. Oktober 1990

Heidrun Dräger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000415, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie Sie wissen, ist es bereits zu zahlreichen Kündigungen gekommen. Können Sie mir konkret sagen, wie hoch der prozentuale Anteil der gekündigten Ärzte und Krankenschwestern ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, Frau Abgeordnete. Wir haben keinen umfassenden Überblick über ausgesprochene Kündigungen. Wir gehen allerdings davon aus, daß bereits ausgesprochene Kündigungen auf Grund der Hinweise, die erfolgt sind, überprüft werden. Wir wissen, daß das Problem der Ambulatorien und Polikliniken sehr komplex ist, denn es handelt sich hier nämlich um einen Sachverhalt, der nicht nur den medizinisch-ärztlichen Bereich, sondern auch weitere Leistungen - etwa Sozialberatungen - betrifft. Ich kann Ihnen keine konkreten Zahlen nennen, möchte aber noch einmal unterstreichen, daß unser ganzes Bemühen darauf gerichtet ist, ungerechtfertigte Kündigungen zu vermeiden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Kollege Peter.

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß die Zahl der niedergelassenen Ärzte, die ja bisher bei unter 1 000 liegen dürfte, ausreichend ist, um Versorgungslücken zu schließen die durch die Auflösung von Polikliniken in der Trägerschaft von Betrieben entstehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich scheue mich, dazu eine Wertung abzugeben, Herr Abgeordneter. Ich kann nur berichten, daß das Interesse der Ärzteschaft, sich niederzulassen, groß ist, daß aber der vom Abgeordneten Hönicke bereits angesprochene Tatbestand, daß nicht genügend Praxisräume bereitgestellt werden können, im Augenblick der entscheidende Engpaß zu sein scheint. Es kommt ein zweiter Tatbestand hinzu, den man noch nicht abschließend bewerten kann: Die Bereitschaft, sich niederzulassen, ist bei Ärzten im fortgeschrittenen Alter ebenfalls zurückhaltend einzuschätzen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage, bitte.

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie sind die Überlebenschancen von Polikliniken, die sich in betrieblicher Trägerschaft befinden, bei denen die Kosten ja Gemeinkosten des Unternehmens darstellen, zu beurteilen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, wenn Sie gleichzeitig den Hinweis geben könnten, wie sich die kommunalen Einrichtungen in den fünf beigetretenen Ländern etwa zu der Frage der Kindergärten oder der sozialen Betreuungseinrichtungen stellen, dann ließe sich diese Frage sehr viel leichter beantworten. Ich kann das im Augenblick nicht hinreichend einschätzen, kann Ihnen aber versichern, daß die gesamten Aspekte, die damit zusammenhängen, Gegenstand von Erörterungen und auch Erwägungen sind. Welche Schlußfolgerungen daraus zu ziehen sein werden, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Kollege Wüppesahl.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, die Zahlen über entlassene Ärzte und Krankenschwestern, die Sie zur Zeit nicht nennen können, interessieren nicht nur die Fragesteller. Werden dazu überhaupt Erhebungen angestellt, und, wenn ja, werden sie noch vor dem 3. Dezember bekanntgemacht?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, daß es eine der ersten Aufgaben der neu zu bildenden Landesregierungen sein wird, diesen Sachverhalt nicht nur von den aktuellen Probleme her aufzugreifen, sondern auch Lösungen zu finden. Ich glaube, das Problem, das angesprochen worden ist, ist im Kern eine Frage, die nicht nur auf den ärztlichen Bereich zielt, sondern insbesondere auch auf den Bereich des nichtmedizinischen Personals. Ich darf Ihnen dazu eine Größenordnung nennen. Das medizinische Personal umfaßt etwa 20 800 Personen, der nichtmedizinische Bereich mehr als das Fünffache, nämlich etwa 120 000 Personen. Da taucht exakt die Frage auf, welches Spektrum diese Einrichtungen in Zukunft wahrzunehmen haben bzw. was in kommunale Verantwortung übernommen und von dort finanziert wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage, bitte.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Ich muß meine erste Frage im Kern wiederholen, wenngleich ich Ihnen dankbar dafür bin, daß Sie konzeptionelle Ausführungen dazu gemacht haben, wie Sie an dieses Problem herangehen. Aber es bleibt natürlich die Frage: Erheben Sie überhaupt Zahlen über die arbeitslos gewordenen Ärzte und Ärztinnen und das übrige Personal in diesem Bereich, und, wenn ja, wann werden diese Zahlen bekanntgemacht werden? Hier ist natürlich der Stichtag 2. Dezember relevant.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, mir sind keine Erhebungen dazu bekannt. Ich werde Ihre Frage zum Anlaß nehmen, das bei den Gesprächen mit den neu gebildeten Landesregierungen und den zuständigen Personen aufzugreifen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner.

Ottmar Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da die Bundesregierung angeblich keine Zahlen über die entlassenen Ärzte kennt, ist es zulässig, daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, daß die Bundesregierung, wenn überhaupt, nur positive Zahlen kennt?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, diese Schlußfolgerung können Sie nicht ziehen, Herr Abgeordneter. Die Bundesregierung ist daran interessiert - und hat das wiederholt zum Ausdruck gebracht -, daß oberste Richtschnur eine hinreichende und qualifizierte gesundheitliche Versorgung in den Beitrittsgebieten ist. Vor diesem Hintergrund hat sie klar und deutlich erklärt, daß Kündigungen, die ausgesprochen sind, nicht ihre Zustimmung finden, wenn dieser Versorgungsauftrag gefährdet wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Amling.

Max Amling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000034, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin, ich danke Ihnen schön, daß ich wunschgemäß als letzter fragen darf, weil meine Frage an den Herrn Staatssekretär von der Frage 17 etwas abweicht. Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, ihren Einfluß geltend zu machen und darauf hinzuwirken, daß das Bundestagspräsidium seine seit 18 Jahren hartnäckig verfolgte Weigerung aufgibt und meinem Fraktionskollegen Egon Lutz vor seinem Ausscheiden aus dem Hohen Haus wenigstens noch einen Ordnungsruf honoris causa erteilt? ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Wenn Sie Glück haben, kriegen Sie jetzt einen Ordnungsruf, Herr Kollege. ({0}) Diese Frage kann natürlich nicht an die Regierung gerichtet werden. Da das Präsidium jetzt nicht zusammentritt und die amtierende Präsidentin Ihnen noch keine Auskunft geben kann, werde ich Ihnen die Antwort schriftlich mitteilen. ({1})

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Präsidentin, ich kann mich dem nur anschließen. Ich bedanke mich, daß Sie mir die Beantwortung der Frage abgenommen haben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Diese Kooperation ist zuweilen erlaubt. Dann rufe ich Frage 18 des Herrn Abgeordneten Wüppesahl auf: Welche Rechtfertigung sieht die Bundesregierung in der nach dem Gesundheits-Reformgesetz vorgesehenen Regelung, wonach für ambulante Badekuren eine Kürzung von Tagegeldzuschüssen vorgesehen ist, während aber für stationäre Kuren alle Kosten von der Krankenkasse übernommen werden, und worin sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit einer vom Gesundheits-Reformgesetz vorgesehenen Ungleichbehandlung von ambulanten und stationären Kuren hinsichtlich ihrer Bezuschussung? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich bitte wiederum um gemeinsame Beantwortung der beiden Fragen.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Habe ich dann trotzdem vier Zusatzfragen?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ja, natürlich, das ist doch bekannt, Herr Abgeordneter. Ich rufe also zusätzlich Frage 19 des Herrn Abgeordneten Wüppesahl auf: Ist der Bundesregierung bekannt, und was gedenkt sie dagegen zu unternehmen, daß der Tagegeldzuschuß bei der ambulanten Badekur im Gegensatz zu der stationären Kur nach dem Gesundheits-Reformgesetz einer Kürzung unterliegt, die dazu führt, daß die Frage, ob eine stationäre oder eine ambulante Kur angetreten wird, nicht nach der medizinischen Indikation, sondern nach finanziellen Gesichtspunkten entschieden wird, und worin sieht die Bundesregierung die nach dem GesundheitsReformgesetz vorgesehene Notwendigkeit einer Kürzung von Tagegeldzuschüssen bei ambulanten Badekuren, während bei stationären Kuren alle Kosten von der Krankenkasse übernommen werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, für ambulante Badekuren und stationäre Vorsorgeoder Rehabilitationsmaßnahmen gelten unterschiedliche medizinische Voraussetzungen. Beiden Behandlungsformen liegen unterschiedlich schwere Krankheitsbilder zugrunde. Deshalb ist eine unterschiedlich hohe Kostenübernahme durch die Krankenkassen gerechtfertigt. Es gibt keine sachliche Notwendigkeit, die für nicht medizinische Leistungen - also: Unterbringung in einer Pension, in einem Gasthaus oder in einem Hotel - entstehenden Kosten einer ambulanten Badekur nur deswegen von der Krankenkasse her zu bezahlen, weil bei einer medizinisch notwendigen Unterbringung in einer Klinik oder einer anderen Einrichtung auch die Kosten der Unterbringung von ihr getragen werden. Eine Ungleichbehandlung der Versicherten entsteht dadurch nicht, denn bei gleichem medizinischen Sachverhalt werden alle Versicherten gleichbehandelt. Um die Ziele des Gesundheits-Reformgesetzes zu erreichen, wurden die Zuschüsse der Krankenkassen zu den sonstigen Kosten bei ambulanten Badekuren auf einen vertretbaren und für alle Krankenkassen gleichen Umfang begrenzt. Ihnen ist bekannt: Soweit Krankenkassen schon bislang keinen höheren Zuschuß als 15 DM täglich vorgesehen haben, ist insofern ohnehin keine Änderung eingetreten. Auch bei stationären Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen trägt die Krankenkasse nicht die vollen Kosten. Die Versicherten haben für jeden Tag der stationären Behandlung 10 DM selbst zu tragen. Bei der üblichen Kurdauer von vier Wochen handelt es sich um eine Eigenleistung von 280 DM. Ob medizinische Maßnahmen ambulant oder stationär zu erbringen sind, richtet sich allein nach medizinischen, nicht nach Kostengesichtspunkten. Durch die stets einzuholende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist sichergestellt, daß allein nach medizinischen Gesichtspunkten die jeweils erforderliche Leistung von der Krankenkasse erbracht wird. Die Notwendigkeit einer Kürzung der Zuschüsse zu den nicht medizinischen Kosten für Badekuren ergibt sich aus der Zielsetzung des Gesundheits-Reformgesetzes. Danach waren auch in diesem Bereich Einsparungen erforderlich. Aber es bestand keine Notwendigkeit, deswegen etwa bei stationären Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen für die Versicherten über einen Eigenanteil von 10 DM täglich hinausgehende Zuzahlungen einzuführen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Kollege Wüppesahl, das Haus würde sich sehr freuen, wenn Sie nur kurze Fragen stellen würden.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Mache ich, wie üblich, Frau Präsidentin: konzentriert, präzise und umfassend. Herr Staatssekretär, wenn es wirklich nur medizinische Gründe sind, die herangezogen werden, um die Entscheidung zu treffen, ob stationäre oder ambulante Kuren durchgeführt werden können, würde ich gern wissen, ob der Bundesregierung bekannt ist - und was sie dagegen zu unternehmen gedenkt, falls sie überhaupt entsprechenden Handlungsbedarf er18560 kennt - , daß seit Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes die Zahl der ambulanten Vorsorge- und Rehabilitationskuren im Vergleich zu den vorhergehenden Jahren um durchschnittlich mehr als 40 % zurückgegangen ist.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, dies kann ich nicht unbedingt als eine Folge der ergriffenen Maßnahmen bezeichnen, sondern ich hatte Ihnen gesagt, daß die Entscheidung über stationäre oder ambulante Kuren eine Frage des Medizinischen Dienstes ist. Die Frage der tatsächlichen Inanspruchnahme ist dann eine individuelle Entscheidung des Versicherten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zwischenfrage, Herr Kollege Wüppesahl.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Es bleibt natürlich bei dem eben von mir festgestellten Rückgang der Anzahl der in Anspruch genommenen Kuren. Daraus ergibt sich die zweite Fragestellung: Wie plant die Bundesregierung zu verhindern, daß im Bereich der gesundheitsorientierten Versorgung qualifiziertes Fachpersonal entlassen werden muß, weil es in den zumeist wirtschaftlich nur wenig entwickelten und monostrukturierten Kurortregionen keine neuen Erwerbsmöglichkeiten mehr findet?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich glaube, dies ist eine Frage, die von den Einrichtungen mit Blick auf die Akquisition in Richtung dieses Personenkreises mit beantwortet werden müßte. Das wäre nicht Aufgabe der Bundesregierung. Die Finanzierung im Bereich des Gesundheitssystems kann nicht unter dem Gesichtspunkt bestimmter regional relevanter Beschäftigungs- und Arbeitsmarkteffekte erfolgen. Das geschieht auf einem anderen Feld. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Es hat einen Anpassungsprozeß im Bereich des Kur- und Bäderbetriebs gegeben. Das ist überhaupt keine Frage. Aber dies kann nicht handlungsleitend für die Maßnahmen sein, die im Bereich der Finanzierung des Gesundheitswesens erforderlich waren.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Dritte Zusatzfrage, Herr Kollege Wüppesahl.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Dazu gäbe es sicherlich viel zu sagen. Aber dazu besteht jetzt nicht die Gelegenheit. Ist der Bundesregierung bekannt - und was gedenkt sie dagegen zu tun -, daß nach dem Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes ganzen Gruppen von gesundheitlich Gefährdeten und Kranken, insbesondere älteren Mitbürgern mit geringen Einkünften, die nicht in der Lage sind, die nach dem neuen Recht fälligen finanziellen Eigenleistungen aufzubringen - im besonderen im Bereich der ambulanten Kuren - , die für ihr Krankheitsbild und -stadium zuträglichste Behandlung vorenthalten wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich vermag das, bezogen auf die Personengruppen, nicht in diesem Umfang zu erkennen. Mir sind auch Einzelheiten dazu nicht bekannt. Wenn Sie dazu über entsprechende Unterlagen verfügen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sie uns zur Verfügung stellten. Ich möchte noch einmal betonen, daß es eine Reihe von Krankenkassen gegeben hat - auch vor dem Gesundheits-Reformgesetz - , bei denen es überhaupt keinen Zuschuß zu den ambulanten Badekuren gegeben hat.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Letzte Zusatzfrage.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Zu der vorletzten Frage von mir und zu Ihrer Antwort: Diese arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkte sind natürlich auch ein Feld für die Bundesregierung, nicht nur eine Fragestellung für die betroffenen Kommunen, vor allem wenn qualifiziertes Fachpersonal freigesetzt wird, wie die Sprachregelung regierungsamtlich lautet. Deshalb folgende Frage zu dem Problemkomplex: Wie erklärt sich die Bundesregierung, daß viele mittelständische Anbieter von speziell gesundheitsorientierten Leistungen um ihre Existenz ringen, daß sogar Kurmitteleinrichtungen bereits gezwungen sind, ihr umfassendes Angebot zu reduzieren, und daß mithin die Basis kurörtlicher Versorgung akut in Gefahr gebracht wird?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Bitte eine kurze Antwort, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, man kann dies nicht isoliert beantworten. Sie wissen, daß die Bundesregierung auf anderen Feldern, die sich regional sehr positiv auswirken, erhebliche Anstrengungen unternimmt. So sind im Bereich der Promovierung ambulanter sozialer Dienste, wenn Sie an den Sektor der Pflege denken, arbeitsmarktlich positive Effekte zu verzeichnen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß es hier, wenn man in diesem Bereich aufgeschlossen ist, ein sinnhaftes Zusammenwirken qualifizierten Personals des einen Bereichs mit dem anderen Sektor geben könnte.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lambinus.

Uwe Lambinus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001271, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Bundesregierung nicht beabsichtigt, meinen Fraktionskollegen Max Amling als dienstältestem Schriftführer des Bundestages anläßlich seines bevorstehenden Ausscheidens aus demselben mit einer angemessenen Feier zu verabschieden, ({0}) und glaubt die Bundesregierung wirklich, eine solche Weigerung nur mit dem Hinweis auf einen Einwand des Bundes der Steuerzahler gegen eine solche Abschiedsfeier vor der Öffentlichkeit glaubhaft vertreten zu können?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, damit ist diese Vorstellung nun wirklich beendet. Wir kommen jetzt zur sachlichen Frage. Wehe, Sie bringen das noch einmal! Dann entziehe ich Ihnen beim ersten Satz das Wort. Bitte schön, Herr Peter. Zur Sache, ja?

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. Ich will auch nicht für den Herrn Kollegen Amling eine ambulante Badekur beantragen, ({0}) sondern möchte fragen, ob Ihnen, Herr Staatssekretär, im Zusammenhang mit ambulanten oder stationären Kuren Auswirkungen auf den Bereich der Müttergenesungskuren bekannt sind bzw. ob Sie bereit sind, solchen Auswirkungen auf den Bereich der Müttergenesungskuren nachzugehen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, mir sind diese Sachverhalte im einzelnen nicht bekannt. Ich bin aber sehr aufgeschlossen, dem nachzugehen, vor allem dann, wenn Sie mir nähere Hinweise übermitteln können.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weiteren Zusatzfragen. Schönen Dank, Herr Staatssekretär, für Ihre ausführlichen Antworten. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Jahn steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 20 des Herrn Abgeordneten Müntefering: Bereitet die Bundesregierung eine Änderung des Mietrechtes vor, um das Unterlaufen des Mieterschutzes bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen durch die Bildung von sog. „Bruchteilseigentum" zu verhindern?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Müntefering, nach den Beobachtungen der Bundesregierung hat sich die Zahl der Fälle, in denen der Mieterschutz durch die Bildung von „Bruchteilseigentum" unterlaufen wurde, nicht so entwickelt, daß deswegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Änderung des Mietrechts vorbereitet werden müßte. Die Bundesregierung wird aber, entsprechend einem Wunsch aller Fraktionen im Rechtsausschuß des Bundestages, die Entwicklung im Hinblick darauf weiter beobachten, ob gesetzliche Regelungen notwendig werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müntefering.

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Haben Sie eine Vorstellung, Herr Staatssekretär, wie viele solcher Fälle es gibt, und ist eigentlich die Zahl der betroffenen Menschen entscheidend, wenn Sie das Mietrecht zum Nutzen der Mieter verbessern wollen?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Müntefering, Sie werden mir darin zustimmen, daß der Gesetzgeber, bevor er tätig wird, einen Überblick über die gesamten Zahlen haben muß. Wir haben deshalb die einzelnen Bundesländer angeschrieben. Nicht alle haben bis heute geantwortet. Aus dem Material, das uns bisher vorliegt, können wir einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ersehen. Im übrigen erhofft sich die Bundesregierung weitere Erkenntnisse zur Bildung von Bruchteilseigentum an Wohnungen mit anschließender Kündigung der Mieter von einem Forschungsprojekt des Bundesministers für Raumodnung, Bauwesen und Städtebau über die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage.

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben auf meine erste Frage gesagt, daß die Ihnen vorliegenden Erkenntnisse für eine Initiative nicht ausreichten. Welche Erkenntnisse liegen Ihnen denn vor, welche Meldungen haben Sie denn?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Müntefering, ich bin gerne bereit, das, was die einzelnen Länder bis zum heutigen Tage vorgetragen haben, Ihnen schriftlich mitzuteilen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Müntefering auf: Bereitet die Bundesregierung eine Änderung des Mietrechts vor, um sicherzustellen, daß Mieter von Wohnungen, die in Bauherren- oder Erwerbermodellen errichtet und über Zwischenvermieter vermietet wurden, nicht willkürlich und ohne jeden Mieterschutz gekündigt werden können?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Müntefering, entgegen Ihrer Annahme darf auch bei Bauherren- und Erwerbermodellen dem Mieter nicht ohne weiteres „willkürlich und ohne jeden Mieterschutz gekündigt werden". Gegenüber einer Kündigung durch den gewerblichen Zwischenvermieter hat der Mieter den vollen Kündigungsschutz, da zwischen beiden Parteien ein Wohnraummietverhältnis besteht. Es wird aber zu Recht gefragt: Was geschieht, wenn der Zwischenvermieter durch Konkurs oder Kündigung des Hauptmietvertrags wegfällt? Auch dazu will ich Stellung nehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und verschiedener Oberlandesgerichte kann der Untermieter, der auf Räumung in Anspruch genommen wird, dem Eigentümer den Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegensetzen, „soweit dem Untermieter gegenüber einer Kündigung des Untervermieters Schutzrechte aus den §§ 556a, 556b BGB zustehen würden, es sei denn, daß dem Untermieter bei Abschluß des Untermietvertrags bekannt war, daß sein Vermieter nicht Wohnungseigentümer ist" . So lautet einer der ersten Leitsätze des Bundesgerichtshofs. Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - das gebe ich Ihnen zu - ist in der Rechtswissenschaft und -praxis umstritten, da sie dem Mieter nur einen eingeschränkten Schutz gegen Räumungsansprüche des Eigentümers zugesteht. Nun hat aber das Oberlandesgericht Hamm zwischenzeitlich die Frage des Kündigungsschutzes bei Bauherrenmodellen dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Die Bundesregierung möchte dieses Urteil abwarten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müntefering.

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wird denn die Miet- und Mieterschutzpolitik in der Bundesrepublik Deutschland von Gerichten gemacht oder von der Bundesregierung?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Müntefering, die Bundesregierung hält den Kündigungsschutz der Mieter für wichtig und unverzichtbar. Sie mißbilligt scharf alle Umgehungen dieser Schutzvorschriften. Wenn gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, dann handelt die Bundesregierung. Wenn aber ein Streit zur Zeit vor einem der höchsten Gerichte ausgetragen wird, dann, meine ich, sollten wir das Urteil abwarten. Ich gehe davon aus, daß dieses Urteil in nächster Zeit gefällt wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte.

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn Sie die sachliche Notwendigkeit sehen, im Interesse der Mieter hier zu einer Verbesserung des Mieterschutzes zu kommen, weshalb sind Sie dann nicht bereit, in diesem Stadium die entsprechenden Vorschläge zu machen und dafür zu sorgen, daß die Mieter nicht darauf angewiesen sind, ob das Gericht nun zu ihren Gunsten entscheidet oder nicht?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Müntefering, wenn die Bundesregierung eine sachliche Notwendigkeit zum Handeln, auch im Mietrecht, gesehen hat, dann hat sie stets gehandelt. ({0}) Das können Sie auch an den vielen in dieser Wahlperiode verabschiedeten Gesetzen erkennen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Marschewski auf: Hält die Bundesregierung es entgegen der ausdrücklichen Meinung des Deutschen Bundestages für wirklich notwendig oder insbesondere für zeitgemäß, für die Richter an den Obersten Gerichtshöfen des Bundes die Dienstzeit über das 65. Lebensjahr hinaus auszudehnen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Marschewski, die gesetzliche Altersgrenze für die Richter an den Obersten Gerichtshöfen des Bundes ist Ende 1985 von der Vollendung des 68. Lebensjahres auf die Vollendung des 65. Lebensjahres herabgesetzt worden. Die Bundesregierung hält diese Regelung nach wie vor für richtig. Dies gilt auch im Hinblick darauf, daß ab 1. Januar 1992 den Bundesbeamten die Möglichkeit eingeräumt worden ist, auf Antrag über das vollendete 65. Lebensjahr hinaus bis zum vollendeten 68. Lebensjahr im Amt zu bleiben. Diese Neuregelung trifft Vorsorge für Nachwuchsprobleme bei der zu erwartenden demographischen Entwicklung. Nachwuchsprobleme dieser Art bestehen an den Obersten Gerichtshöfen des Bundes nicht. Die Bundesregierung schließt allerdings nicht aus, daß die Frage eventuell neu überdacht werden muß im Hinblick auf die Erweiterung der Jurisdiktion der Obersten Gerichtshöfe des Bundes durch die Wiedervereinigung, insbesondere dann, wenn, aus welchen Gründen auch immer, von einer Vergrößerung der Zahl der Senate abgesehen werden sollte. Die Überlegungen hierzu sind nicht abgeschlossen. Berücksichtigt werden müßte, daß ein Hinausschieben der Altersgrenze, wenn dies auch Richtern ermöglicht werden sollte, mit Rücksicht auf die richterliche Unabhängigkeit nicht in das Ermessen der Dienstbehörde gestellt werden dürfte.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Marschewski.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da die Auffassung des Deutschen Bundestags völlig eindeutig ist: Ist der Bundesregierung ein Schreiben des Vereins der Bundesrichter und Bundesanwälte beim BGH, genau vom 17. Oktober 1990, bekannt, in dem folgendes steht - ich darf zitieren: Der Bundesminister der Justiz hält eine Regelung für realisierbar, die es den Bundesrichtern erlaubt, auf Antrag ab dem 63. Lebensjahr in den Ruhestand zu treten und auf Antrag bis zum 67. Lebensjahr im Dienst zu bleiben. Dem Antrag muß jeweils entsprochen werden. Falls Sie das nicht kennen oder das der Bundesregierung nicht bekannt ist: Sind Sie bereit, das zu dementieren?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Marschewski, ich gehe davon aus, daß dieses Schreiben im Bundesjustizministerium angekommen ist. Mir persönlich ist dieses Schreiben nicht bekannt. Aber was ich zu diesem Thema zu sagen habe, habe ich eben mit der Beantwortung Ihrer ersten Frage zum Ausdruck gebracht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe Frage 23 des Abgeordneten Marschewski auf: Ist es richtig, daß die Bundesregierung dem Vorschlag „Sympathie" entgegenbringt, den Bundesrichtern zu gestatten, auf Antrag bis zum 67. Lebensjahr im Dienst zu bleiben?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Marschewski, der Bundesregierung ist bekannt, daß unter Richtern an den Obersten Gerichtshöfen des Bundes der Vorschlag erörtert wird, das Hinausschieben der Altersgrenze auf Antrag bis zum 67. Lebensjahr zu ermöglichen. Es hat dazu ein Gespräch auch im Bundesjustizministerium mit der Arbeitsgemeinschaft der Vereine der Bundesrichter an den Obersten Gerichtshöfen des Bundes gegeben. Dabei wurde deutlich gemacht, daß die Bundesregierung nur und erst dann in eine Prüfung dieses Fragenkreises eintreten würde, wenn es das einhellige Petitum der gesamten Richterschaft aller Obersten Gerichtshöfe wäre, die Altersgrenzen zu ändern. Ich glaube, daß die letzte Äußerung Sie etwas mehr befriedigt als die Beantwortung der ersten Frage.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Sie haben eine Zusatzfrage, Herr Kollege Marschewski.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das letzte ist sicherlich der Fall, Herr Staatssekretär. Dennoch die Frage: Wird die Bundesregierung in diesem Fall rechtzeitig das Parlament informieren?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Sie können davon ausgehen - dies ist eine Frage in der Federführung des Rechtsausschusses - , daß der Rechtsausschuß rechtzeitig beteiligt wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Danke schön, Herr Staatssekretär. Damit ist die Fragestunde beendet. Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Aktuelle Stunde hat das Wort nach § 32 der Geschäftsordnung, Erklärung außerhalb der Tagesordnung, Herr Abgeordneter Dr. Schumann erbeten. Bitte sehr.

Prof. Dr. Michael Schumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002115, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen eine Erklärung der Abgeordneten der PDS des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zu bringen. Die illegalen Finanzoperationen des Schatzmeisters der PDS, die ohne Wissen und Billigung des Parteivorstands, der Parteibasis und der parlamentarischen Vertreter der PDS vollzogen wurden, stellen einen eklatanten Vertrauensbruch dar. ({0}) Erst nach der Moskau-Reise des Parteivorsitzenden und Leiters der Abgeordnetengruppe im Bundestag, Gregor Gysi, ({1}) stand für uns die Rechtswidrigkeit des Geldtransfers fest, konnten wir das Ausmaß des politischen Schadens einschätzen. Die aus einer fehlerhaften Beurteilung der politischen Situation und einem unseres Erachtens falschen Parteiverständnis erwachsenen Finanzmanipulationen des ehemaligen stellvertretenden Parteivorsitzenden Wolfgang Pohl und seines Mitarbeiters Langnitschke haben der Glaubwürdigkeit der Partei und ihrer Parlamentarier schweren Schaden zugefügt. Weitere personelle und organisatorische Konsequenzen halten wir für unabdingbar. ({2}) Wir verurteilen jeglichen ungesetzlichen Umgang mit dem Vermögen von Parteien. Wir setzen uns im Interesse von Recht und Gesetz und im Interesse unserer Wähler für die rückhaltlose vollständige Aufklärung des Tatbestands ein. ({3}) Als Abgeordnete der PDS stehen wir für Offenheit und Ehrlichkeit in unserer Partei. ({4}) Nur auf diesem Wege kann die PDS aus ihrer Krise herausgeführt und ihr Erneuerungsprozeß fortgesetzt werden. ({5}) Die Parlamentarier der PDS-Gruppe verwahren sich allerdings gegen alle Versuche, ({6}) das rechtswidrige Handeln einzelner Parteifunktionäre pauschal zu verallgemeinern und derart PDSMitglieder und Sympathisanten, Mitglieder des Bundestages oder die gesamte Partei zu diskriminieren oder gar zu kriminalisieren. Gerade jene Politiker, die durch ihr Auftreten bei PDS-Mitgliedern Angst vor vollständiger Enteignung oder Parteiverbot schürten, sollten die Gelegenheit nutzen, solche Befürchtungen auszuräumen. ({7}) Sie täten der Demokratie in diesem Lande wirklich einen guten Dienst, wenn Sie das einmal deutlich sagten! ({8}) Ich teile Ihnen weiter mit, daß die PDS-Abgeordneten im Deutschen Bundestag nach eingehender Diskussion Gregor Gysi als Leiter ihrer Gruppe ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Ich danke Ihnen. ({9})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir treten nunmehr in die Behandlung des Zusatztagesordnungspunktes 7 ein: Aktuelle Stunde Bewertung der Unregelmäßigkeiten im Umgang mit den Vermögenswerten der PDS/SED und Maßnahmen der Bundesregierung zur zukünftigen Verhinderung von Unregelmäßigkeiten im Umgang mit dem Vermögen der ehemaligen DDR-Parteien Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu diesem interfraktionell geänderten Thema verlangt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Erklärung von Herrn Schumann war nun wirklich eine glatte Zumutung. ({0}) Wir sind von Ihnen ja allerhand gewohnt. Wir haben in den letzten Monaten gelernt: Sie haben von dem alten Unrechtsstaat alles übernommen: das Geld, das Vermögen, das Personal, die Mitglieder; nur eines haben Sie nicht übernommen: die Verantwortung für 40 Jahre Unrecht und Mißwirtschaft. - Das muß endlich einmal auf den Tisch! ({1}) Angst vor Enteignung, meine Damen und Herren? - Da kann man ja nur entweder lachen oder wirklich traurig sein. Jedermann und jeder Bürger in den fünf neuen Bundesländern und in den elf alten Bundesländern erwartet von Ihnen, meine Damen und Herren von der SED/PDS: Wenn Sie nur einen Funken von Glaubwürdigkeit im Leibe haben, geben Sie dieses Geld, das Sie den Menschen in 40 Jahren gestohlen haben, zurück, damit dort die Länder aufgebaut werden können. ({2}) Aber, meine Damen und Herren, wir sollten über der SED/PDS nicht die Blockparteien vergessen! ({3}) Sie als Ost-CDU, Ost-Liberale und die anderen Blockparteien haben 40 Jahre lang mit dazu beigetragen, daß dieses Regime aufrechterhalten werden konnte. ({4}) Sie haben sich maßlos bereichert, ein milliardenschweres Vermögen angehäuft, wertvolle Häuser, Grundstücke, Hotels, Unternehmen. Wir erwarten von Ihnen, meine Damen und Herren von den ehemaligen Blockparteien, daß Sie dieses Vermögen endlich an die Menschen in den fünf neuen Bundesländern zurückgeben. ({5}) Sie sagen, meine Damen und Herren, Sie könnten gar nicht mehr darüber verfügen. Die Geldschiebereien der SED/PDS zeigen, daß man offensichtlich sehr wohl verfügen kann. Nun unterstelle ich Leuten wie Herrn Solms ganz sicher nicht, ({6}) daß sie solche kriminelle Energie an den Tag legen. Aber was sagen Sie, Herr Solms, denn dazu, daß Sie dieses Vermögen dauernd nutzen? Das ist doch wohl Vermögen! Sie sitzen in den Parteihäusern. ({7}) Sie haben noch das Personal. Sagen Sie uns hier doch einmal: Wer bezahlt denn das Personal der Ost-FDP in den fünf neuen Bundesländern? ({8}) Dann, meine Damen und Herren, immer die Devise: sich möglichst klein rechnen und nichts wissen. - Ich habe die Einziehung des Unrechtsvermögens von SED/PDS, Ost-Liberalen und Ost-CDU und der anderen Blockparteien zum erstenmal im Februar diesen Jahres gefordert. Daran schließt sich eine unendliche Geschichte an von Bagatellisieren, von Schönen, von Arm-Rechnen. Da kommen einem ja fast die Tränen. Mir ist ganz schnell das hereingereicht worden, was Sie, Herr Solms, ich glaube, um 13 Uhr, in einer Pressekonferenz als Bilanz vorgestellt haben. Dort steht z. B. folgender Posten: Der Wert der Beteiligung - der tatsächliche Wert nach einem Gutachten - beträgt 109 Millionen. Nach Ihrer eigenen Einschätzung liegt er zwischen 20 und 30 Millionen. Nur: In der Bilanz ist der Buchwert mit 150 000 Mark angesetzt. ({9}) Wenn das so weitergeht, werden Sie sich noch so arm rechnen, daß Sie etwas herauskriegen, und nicht abgeben müssen, meine Damen und Herren! ({10}) Ich sage Ihnen: Trennen Sie sich endlich freiwillig von diesem Vermögen. Bisher sieht alles danach aus, als wollten Sie das monate- und jahrelang hinausschieben. Allein im dritten Nachtragshaushalt 1990 wurden soeben 162 zusätzliche Beamtenstellen geschaffen, um die Eigentumsverhältnisse der SED/PDS und der ehemaligen Blockparteien und Massenorganisationen in der ehemaligen DDR zu klären. Allein die Personalkosten für diese Beamten betragen über 13 Millionen DM. Da sich das über Jahre hinziehen wird, wird es sehr teuer werden. Meine Damen und Herren von den ehemaligen Blockparteien: Ersparen Sie uns dieses monatelang andauernde Trauerspiel. Wenn Sie sich nicht länger dem Verdacht aussetzen wollen, die Parteifinanzen der CDU und der FDP mit dem Unrechtsvermögen der ehemaligen Blockparteien Ost-CDU und Ost-Liberale zu sanieren, dann sagen Sie hier heute, an diesem Pult, klipp und klar, daß Sie, Herr Gysi, auf das Unrechtsvermögen der SED/PDS verzichten - das habe ich bei Herrn Schumann vermißt -, ({11}) daß Sie, Parteivorsitzender Helmut Kohl, auf das Unrechtsvermögen der Ost-CDU verzichten ({12}) und daß Sie, Parteivorsitzender Graf Lambsdorff, auf das Unrechtsvermögen der Ost-Liberalen verzichten. Dieses Vermögen kann für die ehemalige DDR eingesetzt werden. Diese Chance haben Sie heute. ({13})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rühe.

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gysi, es gibt im Deutschen ein geflügeltes Wort, das ich etwas verändern möchte: Mein Name ist Gysi, ich weiß von nichts. ({0}) Wenn man sich an die letzte Woche und an die Debatte erinnert, wohlwissend, daß man nur fünf Minuten reden konnte, erkennt man, daß Sie nichts gesagt haben, um eine Lüge jedenfalls im Bundestag zu vermeiden. Ich empfehle jedem, das, was er in der letzten Woche gesagt hat, noch einmal nachzulesen. Heute ist klar, daß unsere Sorge berechtigt war, daß alles geschehen muß, um der SED/PDS sofort das Handwerk zu legen. Ich hoffe, daß Ihnen endgültig der Wähler bei den Wahlen am 2. Dezember das Handwerk legen wird. Aber es ist gar keine Frage: Sie sind ein Krebsgeschwür der deutschen Demokratie angesichts dessen, was sich hier ereignet hat. ({1}) Aber darüber sind wir uns alle einig. Der eigentliche Zweck Ihrer Initiative, Frau Matthäus-Maier, bestand darin, uns und die FDP in diese Angelegenheit hineinzuziehen. Da machen wir nicht mit. ({2}) - Warten Sie ab. Ich sage gleich etwas zu dem „Erbe".

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, wir haben eine Aktuelle Stunde. Sie können sich ja zu Wort melden.

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich sage gleich noch etwas zu dem „Erbe". Ich möchte eines persönlich sagen: Wenn Sie jemandem glauben können, dann doch mir. ({0}) - Entschuldigen Sie: Ein Gutteil der Schwierigkeiten, die ich in den vergangenen Monaten mit den Kollegen von der Ost- CDU gehabt habe und die nicht verborgen geblieben sind - ich erinnere mich an ein Gespräch mit dem früheren Generalsekretär Kirchner, der fast in Ohnmacht gefallen ist, als ich ihm meine Position eröffnet habe -, ({1}) geben mir die Möglichkeit, sehr klar darzulegen, worum es sich handelt. Was wir nicht mitmachen, ist, daß wir mit Frau Däubler-Gmelin all die Dinge besprechen, woraufhin Sie sagen, jetzt seien Sie zufrieden, dadurch werde volle Transparenz hergestellt, und daß Sie dann hingehen und verleumden. Das machen wir nicht mit, Herr Vogel. So geht es nicht. ({2}) Wir werden morgen die Eröffnungs- und Schlußbilanz gemäß dem Einigungsvertrag vorlegen. ({3}) Wir werden das Testat eines Wirtschaftsprüfers dabeihaben, obwohl das vom Einigungsvertrag nicht vorgeschrieben ist. Ich will Ihnen eine Zahl sagen, und zwar so, wie sie von den Wirtschaftsprüfern ermittelt worden ist und wie sie das Testat bekommen wird, weil Sie wieder vom Milliardenvermögen gesprochen haben. ({4}) - Hören Sie doch einmal einen Augenblick zu. Das kann man doch alles überprüfen. Sie bekommen den vollständigen Bericht in die Hand. Als Eigentum der Partei an Immobilien sind 1,5 Millionen DM festgestellt. ({5}) -Doch nicht von mir! Die eine Hälfte stammt vom Bauernbund, die andere Hälfte von der CDU, ganze sechs Objekte. ({6})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, ich möchte um Ruhe bitten, damit wir die Aktuelle Stunde, wie es üblich ist, in Ruhe abwickeln können.

Volker Rühe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001897, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich finde das, was hier von Ihnen veranstaltet wird, schon unglaublich. - Im übrigen wird in diesem Bericht bestätigt, daß sich die allermeisten Objekte - auch diejenigen, die Sie hier genannt haben - nicht im Besitz befinden, sondern daß sie zur Nutzung übergeben worden sind. Deswegen möchte ich das, was ich schon immer gesagt habe, noch einmal erklären. Erstens. Wir verzichten auf die Dinge, die in unserem Eigentum sind ({0}) - Moment, sie gehören uns ja schon gar nicht mehr! -, ({1}) und zwar jetzt und für die Zukunft. Zweitens. Wir verzichten auch auf Ansprüche, die sich aus Nutzungsrechten an Objekten, bei denen es im Zusammenhang mit den Nutzungsrechten zu Investitionen gekommen ist, herleiten könnten. Mit dem dritten Punkt, Herr Vogel, greife ich etwas auf, worüber wir in der letzten Woche hier debattiert haben. - Da wir uns im Zuge der Erarbeitung dieses Berichts auch um die Mieten gekümmert haben ({2}) - Entschuldigung, ich bin doch auf das eingegangen, was Sie in der letzten Woche gesagt haben -, die noch nicht von der Treuhandanstalt angehoben worden sind, ({3}) habe ich einen Brief an die Treuhandanstalt gerichtet mit der Forderung, die Mieten für die Objekte, die von der CDU genutzt werden, marktgerecht festzulegen. ({4}) - Das ist überhaupt nicht „höchste Zeit" ! Lassen Sie mich ein Letztes sagen, Frau Matthäus-Maier. Dabei geht es um die Barmittel dieses Jahres. Da sollte jede Polemik aufhören. Wir haben bei den Volkskammerwahlen rund 40 der Stimmen bekommen und dafür eine Wahlkampfkostenerstattung in Höhe von 23,5 Millionen Mark ({5}) erhalten. Sie haben rund 20 % der Stimmen bekommen und dafür eine Wahlkampfkostenerstattung in Höhe von 12 627 670 Mark ({6}) erhalten. ({7}) Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, es sei ein Skandal, daß diese Mittel vorhanden seien, dann muß ich Ihnen entgegenhalten: Das entspricht dem Ausgang der Wahlen. Wenn Sie solche Kostenerstattungen haben wollen wie wir, dann müssen Sie in diesen Bereichen besser abschneiden. ({8}) Wir werden uns nicht gefallen lassen, daß Sie trotz dieser totalen Transparenz und trotz der Feststellung - bei der ich bleibe, daß wir keinerlei Vorteile haben wollen, keine Mark, keinen Pfennig, finster entschlossen sind, angesichts fehlender anderer Möglichkeiten, sich in Szene zu setzen, zu versuchen, uns in dieses Gemisch von SED und PDS hineinzurühren. Das werden wir uns nicht gefallen lassen. Wenn Sie noch einen Funken Anstand haben, dann lesen Sie morgen erst einmal den Bericht, den wir vorlegen werden. ({9})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordneter Ullmann. ({0})

Dr. Wolfgang Ullmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002354, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Versuch, die PDSMillionen der Treuhandverwaltung, der sie zu unterstellen waren, zu entziehen, ist ein Skandal für die politische Öffentlichkeit, eine Provokation für den Bundestag, dem die Gruppe der PDS angehört, und eine tiefe Gefährdung des vertrauensvollen Miteinanders dieses Parlaments. ({0}) Es handelt sich um eindeutige Verstöße gegen geltendes Recht, und zwar auch nach dem 3. Oktober, weil die entsprechenden Paragraphen des Parteiengesetzes der ehemaligen DDR in Anlage 2 des Einigungsvertrages als fortgeltendes Recht enthalten sind. Daß dieses Gesetz berechtigt ist, ist nach der Vermischung von Volks-, Staats- und Parteieigentum im Zeichen der SED-Herrschaft wohl jedem Mann und jeder Frau deutlich. ({1}) Meine Damen und Herren, vor allem meine Kolleginnen und Kollegen von der PDS! Was ich bei diesem Vorgang am meisten bedauere, ist die völlige Gefährdung der Glaubwürdigkeit des Erneuerungsprozesses in dem Bereich der ehemaligen DDR. Ich schäme mich nicht, einmal gesagt zu haben, daß ich mich niemals schämen werde, mit den erneuerungswilligen Kräften der PDS bei dieser Erneuerung zusammenzuarbeiten. ({2}) Ich kann in diesem Moment leider nur meine tiefe persönliche Enttäuschung der Öffentlichkeit und leider auch Ihnen hier bekanntgeben. Ich appelliere an Sie, diesem Zustand, daß Sie laut der letzten mir hier zugereichten Pressemitteilung noch immer über ein Parteivermögen von vermutlich 4 Milliarden Mark verfügen, endlich ein Ende zu machen. Ich appelliere dringend an Sie, die Linie vom Dezember 1989 zu verlassen, die Erneuerung auf alle möglichen politischen Bereiche zu erstrecken, nur nicht auf den des Vermögens. Die Erneuerung der PDS wird so lange nicht glaubwürdig sein, wie an dieser Stelle kein klarer Strich gezogen ist. ({3}) In diesem Zusammenhang appelliere ich an Sie, endlich Ihre Schulden gegenüber der SPD zu begleichen. Ich muß - leider ist Herr Rühe weggegangen - auch darüber reden, was ich empfinde ({4}) - um so besser - , wenn ich an den Palästen der ehemaligen oder noch existierenden Parteien in Berlin vorbeigehe. Herr Rühe, wie ernst nehmen Sie uns eigentlich, wenn Sie von einem Vermögen von 1,5 Millionen DM hier in diesem Hause zu sprechen wagen und ich den Palast am Platz der Akademie in Berlin sehe? ({5}) Als ehemaliger Naumburger weiß ich genau, daß es ein Schloß Burgscheidungen mit einem erheblichen Park gibt. Ich frage mich: Wie kommen Sie auf Ihre 1,5 Millionen DM? ({6}) Ich frage weiter: Wie ist es zu erklären, daß die CDU dafür gesorgt hat, daß im Finanzausschuß der Volkskammer und im Finanzministerium der ehemaligen DDR-Regierung so regiert und so verhandelt worden ist, daß dieses Land schwersten Schaden erlitten hat? Ich kann nur sagen: Ich kann dem Bundeskanzler nicht vertrauen, wenn er sogenannte Vertrauensleute in die Treuhandgesellschaft setzen will, solange nicht der Prozeß gegen Schalck-Golodkowski endlich eröffnet ist. ({7}) Meine Damen und Herren Abgeordneten, der Bundespräsident hat heute bei seinem Empfang für die neuen Abgeordneten des erweiterten Bundestages seine Hilfe angeboten. Ich frage mich - angesichts des schweren Schadens für das Ansehen der Demokratie in diesem neuen vereinigten Deutschland -, ob man nicht, wie in einer Diskussion im Rahmen der Fraktion DIE GRÜNEN schon einmal erwogen wurde, den Bundespräsidenten bitten muß, eine unabhängige Expertenkommission einzusetzen, ({8}) die das Thema der Chancengleichheit und der Vermögensverhältnisse der Parteien so behandelt, daß die Öffentlichkeit endlich jene Transparenz erhält, die über die bloßen Erklärungen und Sonntagsreden hinausgeht, so wie sie es verdient, wenn sie denn als politische, demokratische Öffentlichkeit ernst genommen wird. ({9})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verwahre mich allmählich gegen die laufende Vermischung von Anwürfen gegen die Blockparteien und gegen die PDS; ({0}) denn es ist anmaßend, die Rolle der Blockparteien so zu beurteilen, als wären sie geradezu nur die Handlanger der PDS gewesen. ({1}) Meine Damen und Herren, es ist nicht Ihre Aufgabe, derart über so etwas zu urteilen. - Das ist das erste. Als zweites werde ich Ihnen sagen: Ich halte es für eine gewaltige Zumutung, daß Sie sich, wenn Ihnen alle Unterlagen aufgedeckt werden, beschweren. Schließlich sind in der unabhängigen Regierungskommission zwei Mitglieder der SPD, die die Berichte seit 30. Juni vorliegen haben und die Sie hätten informieren können. ({2}) Daraus geht eindeutig hervor, Herr Vogel, daß sich nahezu alle Vermögensgegenstände, insbesondere die Immobilien, nicht im Eigentum der Blockparteien befinden, sondern in Staatseigentum, und nur zur Verfügung gestellt waren, und zwar in aller Regel gegen Miete bzw. gegen andere Nutzungsentgelte. Ich will das einmal für die beiden Parteien, die sich mit uns vereinigt haben, erläutern. Die Mitarbeiter haben in mehr als 500 Geschäftsstellen gearbeitet. Genau fünf der 500 Geschäftsstellen befinden sich im Eigentum der Parteien. ({3}) Alle anderen sind entweder gemietet oder vom Staat gegen Nutzungsentgelt zur Verfügung gestellt; sie sind eindeutig nicht Eigentum der Parteien. Kein Mensch bei uns erhebt darauf Anspruch. Ich habe - wie letzte Woche in der Aktuellen Stunde hier zugesagt - heute öffentlich die Bilanz über dieses Vermögen vorgelegt. Aus dieser Bilanz geht hervor, daß sich das Vermögen zum 12. August auf einen Betrag von rund 19 Millionen DM belaufen hat. ({4}) Nun komme ich zu der Frage, die Frau Matthäus-Maier angesprochen hat, nämlich was mit den Betrieben ist, die in der Holding zusammengefaßt sind. Wir haben sie - was bilanztechnisch richtig ist - mit der Stammeinlage von 150 000 DM in die Bilanz eingestellt. Aber natürlich ist das erläuterungsbedürftig. Ich habe der Presse gegenüber dargelegt, daß es darüber ein Gutachten gegeben hat, nach dem sich die Substanzwerte auf mehr als 100 Millionen DM belaufen. Nur: Diese Betriebe befinden sich alle in der Reprivatisierung; sie verbleiben nicht im Besitz der Parteien. ({5}) - Den Erlös erhält die Treuhandanstalt. Wenn etwas übrigbleibt, dann bekommt das die Treuhandanstalt. Die Treuhandanstalt hat diese Betriebe zur Verwaltung. Wir besitzen sie doch überhaupt nicht. Wir haben auch gar keinen Einfluß darauf. Ich verwahre mich dagegen, daß Sie als Parteivorsitzender, Herr Vogel, wider besseres Wissen laufend so tun, als wäre das alles Parteivermögen. Das ist nicht der Fall. Das Reinvermögen beträgt rund 19 Millionen DM. Ich habe Frau Däubler-Gmelin angeboten, daß sie uns einen Sachverständigen - aber bitte wirklich einen Sachverständigen - schickt, der alle Unterlagen einsehen kann. Es wird nichts verdeckt. Es wird alles offengelegt. Wir haben bei dieser Angelegenheit überhaupt kein schlechtes Gewissen. Ich sage Ihnen abschließend: Es wird Ihnen nicht gelingen, daraus ein Wahlkampfthema zu machen. Ganz im Gegenteil: Daß diese Bilanzen nun auf den Tisch kommen, wird zur Wahrheitsfindung beitragen. ({6}) Ich will noch etwas zum Schluß sagen. Sonst werfen Sie uns vor, wir hätten diesen großen Apparat im Wahlkampf genutzt. Meine Damen und Herren, die beiden Parteien LDP und NDPD haben am Anfang des Jahres 3 180 hauptamtliche Mitarbeiter unterhalten. Heute sind es noch 260. ({7}) Glauben Sie, daß die Entlassung von nahezu 3 000 hauptamtlichen Mitarbeitern ein Akt gewesen ist, der den Wahlkampf fördert oder unterstützt? Ganz im Gegenteil: Viele sind zusammen mit ihren Verwandten und mit ihren Ortsgruppen aus den Parteien geschlossen ausgetreten, nachdem sie entlassen worden sind. Das wußten wir. Trotzdem haben wir diesen Prozeß durchgeführt, weil wir es politisch für notwendig gehalten haben und weil das auch der zukünftigen Gestaltung der Parteien förderlich ist. Nein, meine Damen und Herren, die Legende vom Milliardenvermögen der Blockparteien wird nun endgültig beendet. ({8}) Wir legen die Bilanzen auf den Tisch, und Sie werden sich daran zu halten haben, in Zukunft nur noch die Wahrheit zu sagen; denn Ihnen stehen sämtliche Unterlagen zur Verfügung. Ich bitte, Einblick zu nehmen und nicht den Einblick zu verweigern, damit Sie Ihre falschen Behauptungen weiter verbreiten können. Vielen Dank. ({9})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gysi.

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die hier von Dr. Ullmann formulierte Empörung und Enttäuschung kam meinem Eindruck nach wirklich echt und glaubwürdig herüber. Deshalb muß ich dazu sagen - das gilt übrigens nicht für alle Beiträge, die gehalten worden sind -, ({0}) daß es mir genauso ging und daß es mir auch nicht so wichtig ist, ob Herr Rühe mir das glaubt oder nicht glaubt. Wahrscheinlich darf er mir das gar nicht glauben. Mir ist vielmehr wichtig, daß es innerhalb unserer Mitgliedschaft eine gleiche Enttäuschung gab. In der Partei gab es glücklicherweise überhaupt keine Stimme, die die Vorgänge etwa rechtfertigt. Sie sieht sie genauso als Skandal an wie ich auch. ({1}) Aber ich will auch deutlich sagen, daß daraus natürlich sehr viele Konsequenzen zu ziehen sind. Ich sehe darin auch eine Gefährdung des Erneuerungsprozesses. Ich sehe auch die Notwendigkeit zu einem deutlichen Schnitt und zur unverzüglichen Aufklärung. Da sich die Bundesregierung dazu entschlossen hat und da auch wir uns dazu entschlossen haben - wer die letzten Tage verfolgt hat, weiß das - , glaube ich, daß ein interessanter Wettbewerb entsteht, wer diesbezüglich schneller ist - wir sind auf jeden Fall entschlossen -, ({2}) wenn auch sämtliche Unterlagen inzwischen bei den Ermittlungsbehörden und bei der Untersuchungskommission liegen. Das ändert übrigens nichts an der Tatsache, daß immerhin Schnitte vollzogen worden sind, die wir inzwischen als nicht ausreichend bezeichnen, aber immerhin, sie wurden bei uns im Unterschied zu anderen Parteien vollzogen. Ich muß in diesem Zusammenhang rechtlich etwas aufklären: Sie machen immer den Unterschied zwischen Eigentum und anderem Vermögen. Ich kenne das andere Vermögen: Das sind Rechtsträgerobjekte. Diese werden bei der PDS immer hübsch mitgezählt; das sind auch bei uns überwiegend Rechtsträgerobjekte. Man kann sie nicht einfach aus der Bilanz herauslassen; denn man verfügt über Rechtsträgerobjekte wie Eigentümer. ({3}) Das ist meines Erachtens nicht vertretbar. Man muß also beide Rubriken heranziehen und in eine Bilanz und damit auch in Entscheidungen zu diesen Fragen einbeziehen. Ich halte dies für dringend erforderlich. Ich muß genauso klar sagen, daß uns natürlich deutlich geworden ist, wie weit es mit der Erneuerung ist, wie weit altes Denken noch verbreitet ist und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Nur, Sie müssen einfach wissen: Bestimmte Äußerungen, die hier gemacht werden, werden von den Bürgerinnen und Bürgern in der DDR wesentlich ernster genommen als hier. ({4}) - Ich kann Ihnen erklären, wo das ist, und Sie werden den psychologischen Unterschied sehr wohl feststellen. - Wenn Sie ständig eine Atmosphäre schaffen, bei der sehr viele glauben müssen, daß es in Richtung Verbote oder anderes geht, ({5}) dann tragen Sie mit die Verantwortung für Überlegungen, die sich daran anknüpfen. ({6}) Das ist keine Frage der Schuld, aber man trägt bei den Dingen, die man tut, die Verantwortung eben auch für die Folgen und Konsequenzen. Ich will Ihnen folgendes sagen: Auch Ihr Verhalten ist nicht sonderlich moralisch, wenn Sie einerseits von der PDS als Partei Eigentum verlangen und wenn Sie andererseits behaupten, das sei alles unrechtmäßig erworben; man muß sich in diesem Punkt schon entscheiden. ({7}) Ich sage Ihnen genauso deutlich, daß sich dieses Thema schon deshalb wenig für den Wahlkampf eignet, weil wir gerade diesbezüglich weiß Gott nicht in das Land der Moral vorgestoßen sind. ({8}) Obwohl ich Vergleiche nicht besonders mag, frage ich mich, wann hier bei einem Finanzskandal jemals gefordert wurde, daß sich eine Partei anschließend auflöste. Wenn so verfahren worden wäre, gäbe es in diesem Bundestag kaum noch welche. ({9}) Deshalb halte ich diese Forderung für völlig albern. Vielmehr geht es darum, aufzuklären, neue Tatsachen zu schaffen, Entscheidungen zu treffen und nicht billig bestimmte Dinge und Erscheinungen, die im Rahmen eines Erneuerungsprozesses als Krise, als Rückschlag entstehen, zu nutzen und zu glauben, daraus selber irgendwelche Vorteile erzielen zu können, die so nicht zu erzielen sind. Ich finde, die Saubermänner sind in diesen Fragen nicht gerade die Altparteien in der Bundesrepublik. Ich bin sehr dafür, daß wir uns größte Mühe geben, diesbezüglich so schnell wie möglich eine der saubersten Parteien zu sein. ({10}) Ich glaube, so schwer wird das nicht sein. Danke. ({11})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fellner.

Hermann Fellner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin als Gemütsmensch bekannt. Deshalb fällt es mir wirklich sehr schwer, auf die Äußerungen des Herrn Gysi hin zu sagen, was Sache ist und wie er wirklich qualifiziert werden muß; man war ja fast zu Tränen gerührt. Herr Gysi, es stört mich besonders, daß Sie die Unverschämtheit besitzen, sich hier als Opfer darzustellen. Sie haben das schon getan, als der notwendige Polizeieinsatz erfolgte, um aufzudecken, was Sie getrieben haben. Schon da haben Sie sich als Opfer und die anderen als die Lumpen dargestellt. Ich muß sagen, das ist wirklich Methode. Sie beherrschen das ganz gut, und Sie haben da nichts verlernt. Wir kennen diese Methode. Wir kennen auch Ihre Methode der Selbstbezichtigung. Sie haben immer jemanden hinstellen lassen, der büßen muß, der sich bekennen muß. Die anderen haben derzeit ihre Schweinereien ungeniert weitertreiben können. ({0}) Darum nehme ich auch das, was Herr Schumann hier zelebriert hat, nicht ernst. Es geht nicht darum, daß irgendein gutmütiger Mensch ein fehlerhaftes Parteiverständnis gezeigt hätte. Es geht auch nicht darum, daß er die politische Situation falsch eingeschätzt hätte; auch das offenbart wohl, in welcher Denkweise die Damen und Herren verhaftet sind. Es geht vielmehr schlicht und einfach darum, daß sie gegen Gesetze verstoßen haben. Auch die Räuberpistole, die uns Herr Gysi präsentieren wollte, zeigt ja einen eindeutigen Gesetzesverstoß. Er hätte nicht verfügen dürfen. Auch wenn er gemeint hätte, sozusagen einen anständigen Schuldner darstellen zu müssen und den Partnern in der Sowjetunion noch das geben zu müssen, was ihnen zusteht, hätte er es ohne die Zustimmung der Treuhandanstalt nicht tun dürfen. Wir sollten über das hinaus, was zur PDS zu sagen ist, bei diesem Thema wirklich ernsthaft diskutieren, was noch zu tun ist. Ich bin als CSU-Abgeordneter hier wahrlich völlig frei, die Position darzustellen. ({1}) - Ich sage, ich bin völlig frei und unbefangen. ({2}) - Liebe Frau Matthäus-Maier, darum sollten Sie das, was ich hier sage, auch ernst nehmen. Ich habe bei Ihrer Rede Beifall geklatscht, ({3}) weil Sie das, was zur PDS zu sagen ist, ganz gut klassifiziert und qualifiziert haben. Sie haben unseren Beifall bekommen, und Sie würden ihn auch künftig bekommen, wenn Ihre innere Erregung, die Sie gezeigt haben, wirklich aus tiefstem Herzen gekommen wäre. Aber Sie sind dann nach dieser Erregung sehr schnell wieder flach geworden ({4}) und haben gezeigt, worauf es Ihnen in Wirklichkeit ankommt, nämlich darauf, hier ein bißchen Material für den Alltagswahlkampf zu gewinnen. ({5}) Frau Matthäus-Maier, es ist wahrlich zu billig, das, was wir jetzt bei der PDS erleben, mit dem gleichzustellen, was Sie sonst an den Altparteien ärgert; das ist wirklich zu billig. Wenn Sie ernsthaft diskutieren wollen, dann sollten wir uns darüber unterhalten, ob das, was jetzt gesetzlich institutionalisiert ist, ausreicht ({6}) oder ob wir auch als Parlament mehr tun müssen. Ich habe nie eine große Begeisterung für Kommissionen, die irgendwo schweben, gehabt. ({7}) Ich bin zwar kein Mann, der übermäßig viel für Bürokratie übrig hätte, aber ich lobe mir doch eine ordnungsgemäße Behörde mit einem Verantwortlichen an der Spitze, der seine Aufgabe wirklich erfüllt und ihr nachkommt, und zwar mit entsprechender parlamentarischer Begleitung. Wenn wir also etwas tun wollen, dann sollten wir darüber reden. Vor allen Dingen meine ich, daß es im Falle der PDS jetzt wirklich angebracht wäre, daß jemand einmal eine Verfügungsbeschränkung über alles, worüber sie verfügt, erläßt. Es wäre wirklich angebracht, daß man nicht sozusagen im Einzelfall die Verfügung überprüft. ({8}) - Ich betone ausdrücklich, daß ich auf diese Differenzierung Wert lege. Denn alle Parteien außer der PDS haben gezeigt, daß sie gewillt sind, das, was gesetzlich vorgegeben ist, auch einzuhalten. Nur die PDS hat versucht, an diesen Vorschriften vorbei Geld auf die Seite zu bringen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen letzten Gedanken vortragen. Ich meine wirklich, daß wir uns bei diesem Verhalten der PDS allmählich darüber klarwerden sollten, daß es vielleicht leichtsinnig war, den Herren hier in diesem Parlament so einfach einen Sitz zuzuweisen. Ich hoffe, daß wir das nicht einmal sehr bereuen. Daneben glaube ich auch, daß es ein Fehler ist, immer von den Verbrechen der Stasi und des MfS zu reden, Ich denke, man muß vielmehr über den Auftraggeber reden, und das war die SED. ({9}) Ich frage die PDS wirklich, wenn sie mit denen nichts zu tun haben will, was sie denn nun dazu bewegt, die Tradition dieser Partei fortzuführen. Wenn es nur das Vermögen ist, dann sollen sie wissen, daß es ihnen genommen werden wird. Wenn es die Ideen sind, dann sollten sie sich dazu bekennen. Dann haben sie aber hier nichts zu suchen; dann sind sie eine Verbrecherorganisation, wie es die SED gewesen ist. ({10}) Ich meine, daß wir die Dinge beim Namen nennen müssen, weil es einfach schlimm ist, daß sich die Herren hier so präsentieren können und die übrigen Parteien in diesem Hause beschimpfen und meinen, von dem ablenken zu können, wofür sie stehen und was sie zu verantworten haben. Danke schön. ({11})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Frau Abgeordnete Fuchs.

Anke Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Fellner, ich glaube, wir trauen uns zu, die Kommunisten politisch zu bekämpfen. ({0}) Dann sind sie bald aus dem Parlament heraus, und damit haben wir dieses Problem gelöst. Ansonsten stimmen wir Sozialdemokraten mit Ihnen überein. Für mich ist interessant, daß Sie hier alle nichts wissen. Keiner hat etwas gewußt. Die FDP rechnet sich arm, die CDU rechnet sich arm, die PDS rechnet sich arm. ({1}) Ist es denn nicht wahr, daß die Union-BetriebsGmbH, also ein Projektträger, wie ich gerade gelernt habe, 36 Handelseinrichtungen, 16 Produktionsbetriebe, 5 Zeitungsverlage, 4 Buch- und Kunstverlage, das Hotel „Russischer Hof" in Weimar, ein Übersetzungsbüro, 4 Ferienheime, 4 Bungalows, 2 Kinderheime, diverse Häuser besitzt? Ist das nicht alles CDUVermögen, meine Damen und Herren? ({2}) Und da tun Sie so, als ob es das gar nicht sei. Ich finde das geradezu grandios. ({3}) Und gewußt hat keiner etwas. Herr de Maizière hat nichts gewußt. Das war ja ein komisches Land, wo man diese ganzen vielen Vermögen den Parteien zuschusterte. Die Parteien vereinigten sich, und nun weiß gar keiner mehr, was eigentlich los ist. Nein, meine Damen und Herren, wer Vertrauen in die Demokratie mit uns zusammen organisieren will, der muß sich dieses Themas anders annehmen, als Sie es, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, tun wollen. ({4}) Wir werden Sie beim Wort nehmen. Herr Rühe ist weg, aber ich habe mit der Geschäftsführerin ausgemacht, daß ich ihn dennoch beschimpfen darf, mit Verlaub. Wir werden es nicht zulassen, daß Herr Rühe so tut, als ob nur so ein paar Millionen da sind, die sie abgeben, sondern wir erwarten, daß das, was im Einigungsvertrag vereinbart worden ist, auch durchgeführt wird. Darum geht es doch. ({5}) Es ist seitdem nichts geschehen, meine Damen und Herren. Es geht nicht nur um das zentrale Vermögen, das man, etwas famos ausgedrückt, als Bankguthaben bezeichnen könnte, sondern es geht doch auch um die Frage des dezentralen Vermögens; was gibt es denn da alles an Häusern und Beschäftigten und an Zeitungen, und was gibt es denn für Betriebe, und wer bekommt denn eigentlich die Gewinne aus den Betrieben, wenn sie privatisiert sind? Nein, meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten werden zusammen mit der CSU und zusammen mit den GRÜNEN darauf Wert legen, daß dies alles ordentlich aufgearbeitet wird, denn sonst entsteht kein Vertrauen in die Demokratie. ({6}) Aber rührend fand ich ja dann doch die Krokodilstränen von Herrn Gysi. ({7}) Meine Damen und Herren, wenn sich die SED aufgelöst hätte und die PDS hätte gesagt: Wir fangen neu an, dann hätte man sagen können: Okay, wollen wir mal sehen, was aus ihnen wird. Aber diese Krokodilstränen und dann auch noch sotto voce vorgetragen, so als ob sie die Schuldigen einer schrecklichen Geschichte seien, von der niemand etwas gewußt hat! Das rührt mich wirklich zu Tränen. An diese VorFrau Fuchs ({8}) gänge hätten Sie kerniger herangehen und sich zu der Verantwortung bekennen müssen, die Sie hier mitbernommen haben. ({9}) Sie haben heute hier gesagt: Angst vor Enteignung! Das heißt, Sie wollen das Vermögen immer noch nicht an das Volk zurückgeben, wie es eigentlich richtig wäre! ({10}) Ich fasse zusammen und sage: Keiner hat etwas gewußt, Herr de Maizière hat nichts gewußt, Herr Kohl hat nichts gewußt, Herr Gysi hat nichts gewußt. ({11}) Deswegen sage ich: Es gibt sie noch, meine Damen und Herren, die alte Kumpanei zwischen den Vertrauensanwälten de Maizière und Gysi. ({12}) Ja, es gibt sie, die Nachlaßgemeinschaft des Stalinismus, die aus CDU, Kommunisten und FDP besteht, meine Damen und Herren! ({13}) - Dieses Widerliche werden wir erst aus dem politischen Alltag verbannen, wenn Sie bereit sind, auch wirklich die Konsequenzen zu tragen. ({14})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, ist es denn nicht möglich, daß man mit Ruhe noch eine Worterteilung vornehmen kann? - Herr Schreiner, so geht es eben nicht. Das Wort hat der Abgeordnete Bohl. ({0})

Friedrich Bohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000230, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Fuchs, was Sie hier gesagt haben, haben Sie mit Sicherheit auch im sächsischen Wahlkampf schon zum Besten gegeben. ({0}) Sie haben ja gesehen, daß das ungemein erfolgreich für die CDU war. Also wiederholen Sie es möglichst häufig. Die Menschen in der ehemaligen DDR und in der Bundesrepublik sehen darin nur, wie unglaubwürdig die Politik der SPD ist. Das ist die Wirklichkeit. ({1}) Es wäre alles sehr viel glaubwürdiger, was die SPD hier vorträgt, wenn sie 1987, als sie das gemeinsame Papier mit der SED verabschiedet hat, einmal diese Punkte alle angesprochen hätte. Damals hat sie es nicht getan; damals ist sie mit der SED eine unheilvolle Kumpanei eingegangen. ({2}) Dafür sollten Sie sich heute noch entschuldigen. ({3}) Herrn Gysi hat es beliebt, die Dinge so darzustellen: Onkel Gregor erzählte seine Märchen. ({4}) Ihn als Saubermann zu bezeichnen würde ungefähr so viel bedeuten, wie Machiavelli zum Vorreiter der Barmherzigkeit in der Politik zu machen. Herr Gysi, das ist alles sehr unglaubwürdig, aber ich möchte mich eigentlich mit Ihnen gar nicht auseinandersetzen. Ich möchte eigentlich einmal fragen, Herr Fraktionsvorsitzender Vogel ({5}) - sehr schön, daß Sie sich so melden; es freut mich, daß Sie noch zuhören können -, ob es eigentlich nicht doch bedauerlich ist, daß die Gemeinsamkeit der Demokraten, die wir in dieser Frage auch gegenüber der SED/PDS haben, ({6}) so mißbraucht und versucht wird, sie umzufunktionieren und damit die Solidarität der Demokraten aufs schwerste beschädigt wird. Das ist die Wirklichkeit. ({7}) Wenn wir von Ihnen, sehr eindrucksvoll von Herrn Westphal vorgetragen, hören, daß wir die Probleme, die sich aus den 40 Jahren bei Ihnen mit Ihrer Partei und sicherlich auch mit der CDU ergeben haben, in einer ganz besonderen Atmosphäre und gegenseitigem Respekt diskutieren sollten, dann finde ich das eigentlich sehr gut. Aber wenn Sie sozusagen versuchen wollen, die Fehler aus der Vergangenheit der CDU, ({8}) als sie eine Blockpartei war, hier ständig uns in die Schuhe zu schieben, dann werden wir die Dinge, die 1946 von Ihren SPD-Mitgliedern betrieben wurden, auf den Tisch bringen. ({9}) Es ist doch so: Als Jakob Kaiser, der 1947 noch frei gewählter Vorsitzender war, abgesetzt wurde, ({10}) war die SPD mit Grotewohl, Fechner und anderen schon längst mit der KPD im Bett und hat zusammen die SED gebildet. Das ist die Wirklichkeit. ({11}) Das muß jetzt einmal aufgearbeitet werden, weil es ganz entscheidend ist, daß sich die SPD, bevor sie moralischen Anspruch hat, hier mit dem Finger auf andere in alten Blockparteien zu zeigen, erst einmal für das Versagen ihrer eigenen Parteifreunde im Jahre 1946 angemessen entschuldigt. Das verlangen wir von Ihnen. ({12}) Wenn Sie das noch so schmerzt: Bevor Sie hier Verbrechen der SED zur Sprache bringen, fordere ich von Ihnen, daß die SPD-geführten Länder endlich die Zahlungen an die Erfassungsstelle in Salzgitter wieder aufnehmen. Bis zum heutigen Tage tun sie das nicht. ({13}) Wir brauchen von Ihnen keine Belehrungen; ({14}) wir sind eine Partei, die die Dinge vernünftig aufarbeitet. Wir haben nicht die Absicht, wie Sie das hier heute tun wollen, eine Wahlkampfveranstaltung durchzuführen. Das ist ein Ausdruck der Tatsache, daß Sie kein Wahlkampfthema haben, weil Ihre ganze Wahlkampfstrategie kläglich gescheitert ist, und deshalb suchen Sie Ausweichthemen. Das ist die Wirklichkeit. ({15}) Daß Sie bei dieser Beschreibung des Tatbestandes unter Nennung des Namens Lafontaine, sehr geehrter Herr Vogel, auch noch freudig nicken, ist für mich keine Überraschung. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({16})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ullmann.

Dr. Wolfgang Ullmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002354, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bohl, Sie haben uns auf die Solidarität der Demokraten angesprochen. Darauf lasse ich mich immer ansprechen. Aber diese Solidarität der Demokraten hat eine moralisch-politische Qualität. ({0}) Und auf dieses Niveau kommen wir nicht mit Wahlkampfwitzeleien, wie Sie sie soeben angeboten haben. ({1}) Herr Fellner von der CSU hat Frau Matthäus-Maier Flachheit vorgeworfen und hat sich hier als Gemütsmensch präsentiert. Ich hoffe, sein Gemüt hat auch noch andere Seiten als die hier gezeigten. ({2}) Aber was die Sache anbelangt, Herr Fellner, so kann ich nur sagen: Das Gesetz, das Sie fordern, hat die Volkskammer beschlossen, und die Koalition, die damals regierte und die von Ihrer Partei mitgetragen wurde, hat genau die Durchführung verhindert. ({3}) Im übrigen kann ich nur sagen: Mich befremdet es - ich habe ganz klare Forderungen gestellt -, warum es keiner von Ihnen für nötig gehalten hat, entweder zu zeigen, daß die Forderungen falsch sind, oder zu sagen, wie man sie durchsetzen kann. Ich bin auch enttäuscht, Herr Gysi, daß Sie heute nicht hierhergekommen sind und gesagt haben: Das und das geben wir dahin ab. Die Herren von der FDP und der CDU sollten doch endlich mit ihren Rechenkunststücken aufhören. Vor allen Dingen sollten sie damit aufhören, uns Prüfungsverfahren anzubieten, die so aussehen, daß eine herrschende Majorität sich selbst prüft. Daraus kann natürlich nichts werden. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lüder.

Wolfgang Lüder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001390, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Ullmann, es kann ja wohl kein Rechenkunststück sein, wenn wir das tun, was hier in diesem Hause, vom Bundesrat und von der Volkskammer mit ordentlichen Mehrheiten beschlossen worden ist, was Recht und Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland ist, nämlich Rechnung zu legen, Zahlen vorzulegen und zur Prüfung zu unterbreiten. ({0}) Dieses „Rechenkunststück" zu nennen und dann zu sagen: Es hilft doch nichts, wenn es dann die Mehrheit prüft, heißt, ein Kernstück der Zusatzvereinbarung zum Einigungsvertrag in Frage zu stellen ({1}) und die zu diffamieren, die sich an Recht und Gesetz halten, nämlich CDU/CSU und FDP. ({2}) Schon in der letzten Woche ging es allein um die Frage, wie weit man unter dem Vorwand des Aufspießens von Brunnenvergiftung durch die PDS und Gesetzeswidrigkeiten der PDS versuchen will, den Brükkenschlag zu gesetzestreuen Parteien zu finden. Diesen Versuch können Sie auch heute nicht erfolgreich unternehmen. Liebe Frau Fuchs, Sie können doch nicht von arm, arm, arm reden, wenn hier gesetzmäßig die Unterlagen zur Prüfung vorgelegt worden sind. Solms hat Wort gehalten. Der tut Ihnen weh. Das verstehe ich. ({3}) Das nimmt Ihnen ein Argument weg. Aber wir bleiben bei den Unterlagen, die korrekt vorgelegt worden sind, jetzt korrekt geprüft werden können, so daß das dann auch nachgeprüft werden kann, nicht mehr und nicht weniger. ({4}) Aber ich halte es nach wie vor für unerträglich, wenn Sie diesen Vorgang der gesetzmäßigen Überprüfung vorhandener Vermögen, der übrigens auch DGB-und FDGB-Vermögen betrifft - und der DGB ist gleichermaßen gesetzestreu wie CDU/CSU und FDP - , in einen Topf mit dem werfen wollen, ({5}) was von der PDS hier gemacht worden ist. Dieses führt uns alle weg von der notwendigen Gemeinsamkeit, die wir hier brauchen. Meine Damen und Herren, in der letzten Woche habe ich mich gefragt, wie es der Kollege Gysi geschafft hat, durch Filibustern zu vermeiden, auch nur ein Wort zu der kriminellen Affäre zu sagen. Über eine Seite nur der Filibusterei mit Präsident Westphal umfaßt das Protokoll. Sie können es nachlesen. Heute haben wir die Erklärung: Aus der Selbstkritik von Herrn Schumann, die für mich als Berliner Beobachter von DDR-Prozessen seit über 30 Jahren von Tonfall, Inhalt und Art her allzu bekannt ist, haben wir erfahren, warum letzte Woche vermieden worden ist, hier zur Sache Stellung zu nehmen, nachdem auch der letzte Rettungsanker in Moskau nichts mehr rettete. ({6}) Verehrter Herr Kollege Gysi - ich spreche Sie jetzt auch als Anwaltskollege an; wir gehören ja wohl bald derselben Kammer an, wenn nicht jetzt schon - , wer die Gefahr sieht, vom Rechtsstaat rechtsstaatlich verfolgt zu werden und dann betrügt und unterschlägt, der darf als Rechtsanwalt nicht den Versuch unternehmen, dieses Verhalten als rechtmäßig zu verteidigen. Dieser Verteidigungsversuch geht in die Irre und beweist nur, daß Sie noch nicht auf dem Weg sind, den unsere Strafprozeßordnung vorsieht. ({7}) Meine Damen und Herren, nur in einem hat der Kollege Gysi recht: Er hat davon gesprochen, daß die PDS keine ausreichenden Schnitte an dem Geschwür vorgenommen habe, das an ihr sichtbar geworden ist. Nun müssen wir alle wissen: Die medizinische Grunderkenntnis lehrt, daß nicht ausreichende Schnitte, mit denen versucht wird, ein Krebsgeschwür zu beseitigen, für den Patienten tödlich sind, und das ist eine Chance für die Demokratie. ({8})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Spranger. ({0})

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rechtsgrundlagen zur Behandlung des Vermögens der Parteien und Organisationen der früheren DDR nach dem Parteiengesetz und nach dem Einigungsvertrag sowie die Errichtung und die Befugnisse der unabhängigen Kommission und auch der Treuhandanstalt wurden ja in der Aktuellen Stunde der vergangenen Woche hier bereits dargelegt. Danach trägt die Bundesregierung erst seit dem 3. Oktober dieses Jahres eine Verantwortung für die Durchsetzung der Ziele des DDR-Parteiengesetzes. ({0}) Innerhalb der Bundesregierung hat der BMI am 11. Oktober die Federführung übernommen. ({1}) Die treuhänderische Verwaltung der Vermögen sowie ihre Rückführung und Verwertung wurden der Treuhandanstalt übertragen. Die übrigen Aufträge zur Erfassung und rechtlichen Bewertung der Vermögen sind in der Hand der unabhängigen Kommission verblieben. Sie untersteht nunmehr und auch nur der Rechtsaufsicht der Bundesregierung. Fachliche Weisungen zur Aufgabenerledigung können dem Gremium somit nicht erteilt werden. Die dem BMF unterstellte Treuhandanstalt hat bei jeder Erkenntnis über vorhandene Vermögensbestände umgehend die notwendigen Sicherungsmaßnahmen, etwa durch Ausbringung eines Arrests im Ausland, ergriffen. Ich nenne hier beispielhaft die Einschaltung norwegischer und niederländischer Gerichte zur Fixierung von SED/PDS-Konten. Die erste Bestandsaufnahme der Bundesregierung über die früheren Aktivitäten der Kommission hat ergeben, daß bisher lediglich ein Bericht an die Volkskammer vorliegt, der im wesentlichen die Mitteilungen der Partei- und Massenorganisationen über die Selbsteinschätzung ihrer Vermögen zusammenfaßt. Dieser Sachstand macht es nach Auffassung der Bundesregierung unabdingbar erforderlich, zunächst einen schlagkräftigen Ermittlungsapparat aus im Wirtschafts- und im Wirtschaftsstrafrecht erfahrenen Beamten, Staatsanwälten und Verwaltungsjuristen sowie auch Betriebswirten und Wirtschaftsprüfern zu schaffen, der alsbald - breit gefächert - den Vermögensbestand erfassen und den vielfältigen Vermögensbewegungen nachspüren kann. Komplexität, Schwierigkeit und Einmaligkeit der Aufgabe verlangen einen breiten Personalbestand mit attraktiver finanzieller Dotierung. Die Bundesregierung hat hierzu gegenüber dem Haushaltsausschuß unverzüglich Vorschläge entwickelt, die noch in den Dritten Nachtragshaushalt Eingang fanden. Dieser Apparat soll als Unterbau der unabhängigen Kommission die laufenden Geschäfte führen. Mit dieser Maßnahme wird der wichtigste Beitrag dafür geleistet, die Voraussetzungen für eine möglichst lückenlose Ermittlung der Vermögensbestandteile und Vermögenszuführungen zu schaffen. Auf dieser Basis wird dann auch die umfassende Durchsetzung der Sicherungsmaßnahmen gewährleistet. Der BMI wird auch für eine möglichst schnelle und effiziente Arbeitsfähigkeit der Geschäftsstelle sorgen. Andererseits bleibt festzuhalten: Die Parteien und Organisationen haben eine Vermögensübersicht der unabhängigen Kommission einzureichen und ihr gegenüber Rechnung über alle Vermögensbewegungen seit dem 8. Mai 1945 zu legen. Jegliche Vermögensveränderungen ohne Zustimmung der Treuhandanstalt rechtfertigen strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Untreue, da gegen die mit der treuhänderischen Verwaltung verbundenen Verfügungsbeschränkungen verstoßen wird. Die Bundesregierung hat selbstverständlich auch die Vorbereitungen zu den ihr übertragenen weiteren Aufgaben, die Ergänzung der unabhängigen Kommission um sechs Mitglieder und die Schaffung einer internen Verfahrensordnung für das Gremium, vorangetrieben. Es werden hier Gespräche mit den Fraktionen des Bundestages geführt. Priorität müssen weiterhin die dargestellten personellen Maßnahmen genießen, die die umgehende rasche Erfassung und Sicherung der Vermögenswerte ermöglichen. Die Bundesregierung sieht in der Rückführung der Vermögen an die Berechtigten eine wichtige, dringende und bedeutsame Aufgabe. Die aktuellen Ereignisse um das SED/PDS-Vermögen machen das besonders drastisch deutlich. Die Bundesregierung verurteilt das Verhalten der SED-PDS im Umgang mit den Vermögenswerten auf das schärfste. Die PDS hat damit in eklatanter Weise gegen die ihr obliegenden gesetzlichen Pflichten zur vollständigen Rechenschaftslegung über sämtliche Vermögenswerte zur Vorlage einer Vermögensübersicht nach dem Stand vom 7. Oktober 1989 sowie zur Angabe der seitherigen Vermögensveränderungen, die ihr gegenüber der unabhängigen Kommission obliegen, verstoßen. Ich fand die Erklärungen der Abgeordneten Gysi und Schumann schlichtweg unerträglich. Ich frage mich, für wie dumm Sie eigentlich die Menschen in Deutschland halten, wenn Sie meinen, das, was hier in einer beispiellosen Heuchelei vorgetragen wurde, könnte Ihnen irgend jemand abnehmen. ({2}) Inwieweit hierdurch Straftatbestände wie z. B. Untreue, Unterschlagung oder anderes mehr verwirklicht worden sind, muß den laufenden und von den zuständigen Staatsanwaltschaften noch einzuleitenden Ermittlungen vorbehalten werden. Durch die oben erwähnten organisatorischen Maßnahmen der Bundesregierung wird die Kommission erstmals effektiv in der Lage sein, die ihr eingeräumten Rechte zur Durchführung ihrer Aufgaben insbesondere auch zur Vorbeugung gegen weitere, künftige Unregelmäßigkeiten mit Nachdruck wahrzunehmen. ({3})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schultze.

Christian Friedrich Schultze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002105, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was wir vorige Woche und am Wochenende in Sachen SED-PDS erlebt haben, ist nur eine weitere Schreckensmeldung über die Nachlaßverwalter des Erbes von Honecker, Mielke und ihren Helfern in der ehemaligen SED und den angeschlossenen alten Parteien. Mittlerweile sind es der schlimmen Enthüllungen so viele, die wir im Laufe des vergangenen Jahres ertragen mußten, daß manche nur noch resigniert die Achseln zucken. ({0}) Aber, meine Damen und Herren, mich und viele meiner Freunde treibt es um. Millionen Bürgerinnen und Bürger dieses Landes empfinden Trauer und Wut wie wir angesichts der vermeintlichen Ohnmacht, mit der wir diesen konspirativen Machenschaften von Modrow/Gysi GmbH & Co KG gegenüberstehen. ({1}) Nun war dieser in der vergangenen Woche aufgedeckte Skandal nur eine der Manipulationen, die seit Herbst vorigen Jahres von den Erben des SED-Unrechtsregimes zur Rettung ihres Imperiums vorgenommen wurden. Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, als die Herren Gysi und Modrow auf dem Sonderparteitag der SED im Dezember 1989 in Berlin ihrem Parteivolk dringend nahelegten, ihren Machtapparat nicht aufzulösen und sich keinen neuen Namen zuzulegen. ({2}) Sie sagten ganz offen, daß dann das SED-Imperium nicht mehr zu retten sei. Solche Wandlungen und Wendungen waren für später geplant, wie wir nun mittlerweile wissen. Spätestens als in der damaligen DDR dank dem Einschreiten von Michail Gorbatschow klar wurde, daß es bei uns keine chinesische Lösung zur Niederschlagung des friedlichen Volksaufstandes geben würde, waren sich viele Profis in der SED darüber einig, daß ihre Pläne zur Erhaltung ihrer Macht und ihres Einflusses nun umgesetzt werden müßten. Nachdem Modrow in die Übergangsregierung gebracht worden war, konnte man mit diesem Erneuerungswerk beginnen. Zuerst wurde versucht, die Stasi in ein Amt für Verfassungsschutz umzuwandeln. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie Herr Gysi auf der berühmt-berüchtigten Kundgebung im Januar im Treptower Park in Berlin vehement dafür eintrat. Sodann wurden auf dubiose Weise aus Parteibetrieben zunächst Volkseigene Betriebe, dann GmbHs oder Genossenschaften gemacht. Damit war dieser gewaltige Teil des SED-Imperiums „erneuert" und das dem Volk geraubte Vermögen auf die alten Seilschaften verteilt, die ja auch gleich damit begannen, die Kräfte des Herbstes in rechtswidrigen Praktiken auf die Straße zu setzen. ({3}) Danach begannen die Manipulationen mit der D-Mark im Zuge der Währungsumstellung, von denen wir nur eine Kostprobe dank des mutigen Einsatzes von Politikern und Beamten der Rechtspflege in Berlin bewiesenermaßen nun auf dem Tisch haben. Meine Damen und Herren, diese Partei und ihr Vorsitzender, Herr Gysi, der in fröhlicher und frecher Hemdsärmeligkeit - um nicht zu sagen: Schamlosigkeit - linke Projekte verkauft, behaupten wieder einmal, jetzt beginne die Erneuerung wirklich. Man darf gespannt sein, welcher Coup es beim nächstenmal sein wird, mit dem das Volk erneut und zum vieltausendstenmal betrogen werden soll. Diese Partei redet links und denkt und lebt rechts. ({4}) Dies ist aber nicht das Schlimmste für mich. Wieder reden wir nur über Geld und Macht. Worüber wir aber in Zukunft mehr miteinander reden müssen - Herr Ullmann, Sie haben heute davon glücklicherweise angefangen - , sind die Menschen und die Grundwerte, die uns in unserem Zusammenleben wieder leiten müssen. Die Zerstörung von Bürgersinn, Zivilcourage und Hoffnung ist die schlimmste Last, die uns die Kommunisten hinterlassen haben. ({5}) Es ist eine Last, an der unsere Generation und unsere Kinder noch lange zu tragen haben werden. Wir müssen dieses schlimme Erbe mutig und zielstrebig aufarbeiten, und wir müssen diese Partei politisch bekämpfen. Deshalb rufe ich alle Mitbürgerinnen und Mitbürger in den alten Bundesländern, besonders aber auch in den neuen Bundesländern auf: Wo auch immer Sie tätig sein werden, lassen Sie sich zukünftig von den SED-Erben und ihren modernen Führern nicht mehr belügen und betrügen. Helfen Sie mit, wo auch immer Sie tätig sein mögen, daß mit diesem Spuk der Vergangenheit endlich ein Ende gemacht wird und daß wir schnell in Frieden und ohne Mißtrauen und ohne Haß das Werk des Wiederaufbaus in unserem nun vereinigten Deutschland vollbringen können! Danke schön. ({6})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmiele.

Dr. Joachim Schmiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002028, Fraktion: Gast (Gast)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem ich hier von der PDS nach altem stalinistischem Muster drei Stunden lang Kritik und Selbstkritik gehört habe, ({0}) darf ich meine Gefühle schildern. Aufgeregt bin ich zum einen, weil es mein erster Auftritt ist, zum anderen bin ich aufgeregt, weil ich wütend bin: wütend darüber, daß es dieser Partei PDS wieder einmal gelungen ist, das Volk zu bestehlen. Herr Gysi, ich bin von Ihnen und Ihrer Partei enttäuscht und gleichzeitig nicht enttäuscht. Warum? - Weil die alten Verhaltensweisen aus vergangenen Zeiten wiederzuerkennen sind. Es sind die gleichen Mitglieder, ein wenig ausgedünnt, aber um so besser funktionierend, leider im negativen Sinne. ({1}) - Das ist genau die Lüge des Jahrhunderts. ({2}) Heute hat sich der Begriff der Seilschaften eingebürgert. Eine Seilschaft ist eine kleine Gruppe, die gemeinsam durch dick und dünn geht. Das trifft für Ihre Ableger in der Wirtschaft zu, aber nicht für die Partei selber. Eine so große Seilschaft gibt es nicht. Dieser Begriff suggeriert, daß wir es nur mit kleinen Gruppen innerhalb Ihrer Partei zu tun haben. Das ist aber bei der durchtrainierten Gesamtmannschaft der PDS verharmlosend. Herr Gysi, ich fordere Sie daher auf: Geben Sie ein Zeichen für die ewig Gestrigen, lösen Sie die Partei auf, und stellen Sie die Gelder für die Entschädigung der Opfer des SED-Regimes zur Verfügung! ({3}) Dies gilt übrigens für jede Summe, ob sie nun gestern 2 Milliarden betrug, heute 4 Milliarden beträgt und morgen vielleicht 30 Milliarden betragen wird. Ich glaube Ihnen sowieso keine Summe mehr, die Sie nennen. ({4}) In Voraussicht dieser Machenschaften hat die DSU in der Volkskammer das Parteienenteignungsgesetz eingebracht. Wäre es durchgekommen, hätten wir heute hier nicht darüber verhandeln müssen. Dies wurde leider von allen Parteien abgelehnt, auch von der SPD. ({5}) Das muß ich ganz deutlich sagen. Bei der Ablehnung ging es auch um das Vermögen der Gewerkschaften, das ebenfalls nicht rechtmäßig ist. ({6}) Dies muß auch hiermit im Zusammenhang genannt werden. ({7}) Hätte man, wie gesagt, dem Gesetzesantrag der DSU damals stattgegeben, wären wir heute um eine Diskussion ärmer, aber um eine oder zwei Stunden reicher. Ich kann nur wiederholen: Die alten Parteivermögen sind moralisch nicht zu rechtfertigen ({8}) - ich betone: für keine Partei - und sollten für einen Neuanfang vollständig in eine Stiftung oder eine ähnliche Einrichtung eingebracht werden. ({9}) Von der CDU haben wir hier ja schon gehört, daß es in dieser Form passiert. ({10}) Von der PDS erwarte ich so etwas noch. ({11}) - Ich habe besser zugehört als Sie. ({12}) - Ja, gut. Auch der Hinweis auf die Mitgliedsbeiträge überzeugt bei solchen Parteivermögensbilanzen nicht, ({13}) da der Verbrauch durch die riesigen Parteiapparate hier ist der von der PDS natürlich der größte gewesen - wesentlich stärker als das Aufkommen durch die Mitgliederbeiträge war. Das möchte ich hier noch einmal ganz deutlich gesagt haben. ({14}) Versteckte Kosten für die Betriebsparteisekretäre und ihren Mitarbeiterstab sind nicht eingerechnet. Nun abschließend noch ein Wort zur SPD: Der Ostteil Ihrer Partei ist die Ehe mit den Kommunisten freiwillig eingegangen. ({15}) Die Konsequenzen - ({16}) - Das ist völlig egal. Geschichte kann erlesen werden. Auch Sie waren zu dieser Zeit noch recht jung, denke ich. ({17}) - Ja, alles klar. - Die Konsequenzen müssen Sie tragen. Auch das Schielen der Gewerkschaften auf das neue Vermögen ist unmoralisch wie das Vermögen selbst und ist abzulehnen. Hier bitte ich die SPD noch einmal ganz ausdrücklich, ihr unterschiedliches Verhalten in bezug auf das Vermögen der Gewerkschaften und auf das Vermögen der Parteien zu überdenken und hier eine deutliche Stellungnahme abzugeben. ({18})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Struck.

Dr. Peter Struck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002278, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was wir eben erlebt haben, grenzte teilweise an ein Schmierentheater. Da denke ich zunächst an den Beitrag des Herrn Gysi, ({0}) der nicht anders zu qualifizieren ist. Aber ich muß sagen, daß auch der Beitrag des Kollegen Bohl nicht gerade dazu angetan war, die Würde des Parlaments zu betonen. Das war schlichter, reiner Wahlkampf. ({1}) Einige Aspekte, um die es tatsächlich geht, müssen wir hier noch einmal anführen. Erstens ist natürlich das, was von seiten der PDS inzwischen der Öffentlichkeit bekannt geworden ist und was sicherlich auch noch kommen wird, nur die Spitze eines Eisberges und der Ausdruck kriminellen Handelns. Davon können Sie sich überhaupt nicht distanzieren, Herr Kollege Gysi. Ich persönlich sage hier: Mir können Sie nicht erzählen, daß Sie etwa nichts davon gewußt hätten. Das glaube ich Ihnen einfach nicht, und ich denke, die Mehrheit der Bevölkerung tut das auch nicht. ({2}) Aber, meine Damen und Herren, es wird natürlich versucht, sich hinter diesem PDS-Skandal zu verstekken und zu sagen - da spreche ich jetzt die Kollegen von CDU und FDP an - , man habe nichts zu verbergen. Meine Damen und Herren, das lassen wir Ihnen natürlich auch nicht durchgehen, ({3}) und Gesundrechnereien von Herrn Rühe und von Herrn Solms machen wir hier nicht mit. ({4}) Es bleibt festzuhalten: Ein Herr Götting und ein Herr Wünsche, die ja wohl mit ihren Parteivorgängern mitgemacht haben, tragen mit die politische Verantwortung dafür, daß 40 Jahre lang Menschen in der DDR ausgebeutet wurden. Nun stehlen Sie sich nicht aus der Verantwortung! ({5}) - Nun kommen Sie mir doch nicht mit diesen alten Kamellen, mit Grotewohl usw. ({6}) Was Sie hier versuchen, ist doch nur, davon abzulenken, daß Sie sich nach wie vor weigern, das widerrechtlich erworbene Geld Ihrer Vorgänger herauszurücken. Darum geht es doch. ({7}) Ich möchte jetzt einmal ein Wort zur aktuellen Finanzsituation sagen. Wir haben uns in der letzten Woche darüber unterhalten, welche Probleme wir haben werden, die finanziellen Kosten der Einigung aufzubringen, und wir haben das beklagt. Jetzt hören wir hier, daß es nicht nur eine Partei wie diese dort gibt, die über Vermögen von zig Milliarden verfügt, sondern wir hören jetzt auch, daß die CDU und die FDP über Vermögen verfügen, das nicht zur Aufbringung dieser Kosten verwandt werden soll. Unsere Kinder und Enkelkinder müssen die Zinsen dafür bezahlen, daß wir im Augenblick nicht in der Lage sind, an Ihr Geld heranzukommen, weil Sie es nicht herausrücken wollen. Das muß hier einmal festgestellt werden. ({8}) Nun ein persönliches Wort an Herrn de Maizière, weil er hier vorn sitzt. Ich möchte einmal wissen: Was machen Sie in dieser Bundesregierung? Warum äußern Sie sich nicht einmal zu diesem Thema? ({9}) Dann sagen Sie und auch der alerte Herr Krause doch endlich: Was haben Sie eigentlich getan in der Zeit von der Regierungsübernahme an in dem Gebiet der ehemaligen DDR bis heute, um dieses Problem zu lösen? Sie haben überhaupt nichts getan. Ich kann auch verstehen, warum Sie nichts getan haben. Sie haben deshalb nichts getan, weil es sozusagen an Ihr eigenes Fell geht. ({10}) Nun fordere ich Sie auf: Stellen Sie sich hier hin und sagen Sie: Die CDU Deutschlands wird auf das widerrechtlich erworbene Vermögen rückhaltlos verzichten und es dem deutschen Staat zur Verfügung stellen. ({11})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Struck, zur Aufklärung: Herr de Maizière ist hier seit langem als Redner gemeldet. ({0}) Das Wort hat Herr Abgeordneter de Maizière. ({1}) de Maiziére ({2}): Ich habe nicht die Absicht, Wahlkampf zu machen. Ich habe als Ministerpräsident der DDR am 1.Juni 1990 eine Untersuchungskommission berufen. Die Berufung erfolgte auf der Grundlage der von der Volkskammer am 31.Mai 1990 beschlossenen §.§. 20 a und 20b des Parteiengesetzes, die im übrigen Gesetzesinitiative der CDU-Fraktion waren. Die Berufung der Kommission nach Verabschiedung des Gesetzes am 31. Mai erfolgte deswegen erst am 1. Juni, weil insbesondere die Fraktionen der SPD und des Bündnisses die entsprechenden Vertreter nicht benannt hatten. ({3}) Ein erster Bericht der Untersuchungskommission ist von mir am 22.Juli der Volkskammer vorgetragen und dort breit erörtert worden. Ein weiterer Zwischenbericht ist dem Deutschen Bundestag bis zum 15.Januar 1991 zuzuleiten; vergleiche insofern Einigungsvertrag, Anlage 2, Kapital 2, Abschnitt 3, Buchstabe c, mit Ihren Stimmen so beschlossen. ({4}) Die in Buchstabe d geforderte Übertragung der Eigentumswerte, insbesondere der Liegenschaften, an die Treuhandanstalt ist erfolgt. Eine Angabe über den Wert ist aus einem bestimmten Grund nicht möglich. Einheitswerte, also steuerliche Bemessungsgrundlage, werden Sie nicht interessieren. Bruttowerte, wie sie bis dahin im Bilanzwesen der volkseigenen Wirtschaft ausgewiesen waren ({5}) - Herr Vogel, unterbrechen Sie mich nicht; ich komme noch zu Ihren Fragen -, werden Sie nicht interessieren, sondern es werden Sie die Werte interessieren, die nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten als Verkehrswerte anzusehen sind. ({6}) - Diese müssen ermittelt werden, und zwar von demjenigen, der dafür von der Treuhandanstalt eingesetzt ist. ({7}) Nach dem Bericht vom 22. Juli hat mir der Vorsitzende der Kommission mitgeteilt, daß er zur Beurteilung vieler Fragen eines bundesdeutschen Juristen bedürfe. Ich habe daraufhin den Ministerialrat und früheren Berliner Oberstaatsanwalt Herrn Volker Kähne, der, soviel ich weiß, Ihrer Partei angehört, als beratenden Mitarbeiter dorthin berufen. ({8}) Er ist inzwischen auch von der Bundesregierung als Vertreter dort berufen worden. Mehrfach führte mir darüber hinaus der Vorsitzende der Kommission, Herr Reinecke, Klage darüber, daß die Kommissionsarbeit schwer in Gang komme, denn nach dem Selbstverständis der Kommission konnten Beschlüsse nur gefaßt werden, wenn alle Mitglieder anwesend waren. Auch hier war zu verzeichnen, daß mehrere Sitzungen nicht zu Ergebnissen führen konnten, weil die Vertreter von Bündnis 90 und SPD es nicht für notwendig erachteten, zu diesen Sitzungen zu erscheinen. ({9}) Das führte letztendlich dazu, daß Vertreter von ihren Parteien zurückbeordert wurden und neue Vertreter berufen werden mußten. Das Parteiengesetz sieht sowohl die Erfassung als auch die treuhänderische Verwertung der Vermögenswerte aller Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR, die am 7. Oktober bestanden haben, vor. Damit ist die rechtliche Grundlage zur Sicherung dieser Vermögenswerte erfolgt. Die jetzt aufgedeckten Dinge sind maßgeblich mit durch diese Kommission und den Herrn Kähne aufgedeckt worden. ({10}) de Maiziére Ich will ein Letztes zu den Vorhaltungen hinsichtlich 16 Produktionsbetrieben, Zeitungsverlagen etc. sagen. Richtig, 16 Produktionsbetriebe standen in Rechtsträgerschaft der CDU. Sie sind inzwischen auf der Grundlage der Reprivatisierung der 72er Betriebe an die Berechtigten zurückgegangen. ({11}) 5 Zeitungsverlage sind tatsächlich im Eigentum der CDU gewesen. Es handelt sich um die, die die CDU 1945 erworben hatte. Ihr Geschrei ist doch so zu verstehen, daß Sie Ihre Verlage, wie den Berliner Verlag, 1946 freiwillig in die SED mit eingebracht haben. ({12})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, die Aktuelle lebhafte Stunde ist beendet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes zu den Beschlüssen des Deutschen Bundestages vom 21. Januar 1988 gemäß den Anträgen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Einsetzung eines Untersuchungsausschusses der Fraktion der SPD Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und zu dem Beschluß vom 25. Januar 1989 gemäß dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und der Fraktion DIE GRÜNEN Erweiterung des Untersuchungsauftrages für den 2. Untersuchungsausschuß - Drucksache 11/1680, 11/1683 ({0}), 11/3911, 11/7800 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Friedrich Dr. Soell Weiss ({1}) Im Ältestenrat ist für die Beratung eine Stunde vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Friedrich.

Dr. Gerhard Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002657, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im August dieses Jahres konnten unsere Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von der Fraktion der GRÜNEN der Versuchung nicht mehr widerstehen: Noch bevor der Entwurf des Schlußberichts des 2. Untersuchungsausschusses dem Ausschuß selbst vorlag, haben sie in langen Presseerklärungen die Medien über ihre VersiDn des Ermittlungsergebnisses unterrichtet. Leider handelt es sich dabei nicht um die einzige Verletzung von geschriebenen oder ungeschriebenen Spielregeln während der Arbeit des Untersuchungsausschusses. Wir haben immer wieder festgestellt, daß die Strategie von SPD und GRÜNEN auch während der etwa zweijährigen Beweisaufnahme im Zweifel nicht so sehr der Suche der Wahrheit galt als dem Bemühen, Schlagzeilen zu produzieren. Meine Damen und Herren, dieser Alleingang vor der abschließenden Bewertung des Ermittlungsergebnisses durch den Ausschuß selbst signalisierte uns von der Koalition, daß die ursprünglich verabredeten Verhandlungen über einen möglichst gemeinsamen Bericht nicht mehr erwünscht waren. Ich gebe allerdings zu, daß die SPD wahrscheinlich ohnehin nicht mehr verhandlungsbereit und verhandlungsfähig war. Schließlich hatte sie einen Fraktionsauftrag zu erfüllen, der sicher lautete, den Ausstiegsbeschluß des Parteitags von Nürnberg zu untermauern, auf keinen Fall aber ihn in Frage zu stellen. Wenn ich sehe, wie systematisch die letzten Anhänger der Kernenergie in der Fraktion der SPD bei den Nominierungen der letzten Monate in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurden, dann habe ich ohnehin manchmal Zweifel, ob die Kollegen der SPD noch mit der notwendigen Unabhängigkeit zum Thema Kernenergie Stellung nehmen können. ({0}) Typisch für die Ausschußarbeit war nicht nur der Versuch, sozusagen den Schlußpunkt im Alleingang zu setzen, kennzeichnend waren auch die wenigen Zeilen, die es auf Grund dieser voreiligen abschließenden Bewertung in Presseerklärungen im August gab. Meine Damen und Herren, wir alle waren manchmal etwas frustriert, wenn wir beobachteten, daß sich die Stühle für die journalistischen und sonstigen Beobachter in den hinteren Ausschußreihen Schritt für Schritt geleert haben. ({1}) Keinem Abgeordneten macht es persönlich Spaß, Herr Kollege Weiss, in einem Ausschuß zweimal pro Woche ganztags zu sitzen, wenn man weiß, daß Ganze interessiert eigentlich niemanden mehr. ({2}) Herr Kollege Bachmaier, persönlich war das ein gemeinsames Frustrationserlebnis. Politisch war das für uns kein Frustrationserlebnis; ({3}) denn das Desinteresse der Medien nach der Aufgeregtheit um die Jahreswende 1987/88 ({4}) zeigt eigentlich, daß der Ausschuß nicht die Funktion erfüllt hat, die Sie ihm zuerkennen wollten. ({5}) Meine Damen und Herren, ich darf an die Schlagzeilen im Januar 1988 erinnern. Da sprach z. B. der „Spiegel" unter der Überschrift „Selbstmord des Atoms" in seiner Titelgeschichte vom größten Skandal in der Geschichte der westdeutschen Atomindustrie. ({6}) Wenn ich die damaligen Umfragen mit den heutigen Umfragen vergleiche, stelle ich eigentlich fest: Die Akzeptanz der Kernenergie ist besser geworden. ({7}) Ich kann deshalb auch feststellen, daß Sie in diesem Ausschuß eine politische Niederlage erlitten haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Redezeit gibt keine Chance, hier im Detail zusammenfassend die Ermittlungsergebnisse wiederzugeben. Ich habe mir mit dem Kollegen Harries die Themen aufgeteilt. Ich bin zeitlich nur zu wenigen, aus meiner Sicht aber wichtigen zusammenfassenden Wertungen in der Lage. Nicht erst seit dem Reaktorunglück von Tschernobyl ist uns bewußt, daß die Antwort auf die Frage, ob wir die friedliche Nutzung der Kernenergie verantworten können, entscheidend davon abhängt, wie wir die Sicherheit dieser Anlagen beurteilen. Ich selbst habe hier schon öfter auch zum Problem der Wirkung schwach radioaktiver Strahlen gesprochen, und das hat ja auch bei der Abfallproblematik eine Rolle gespielt. Diese Diskussionen sind sicherlich sinnvoll, aber sie sollten nicht von der Feststellung ablenken, daß entscheidend ist, ob diese Reaktoren so sicher sind, daß größere Unglücke, also die Freisetzung einer größeren Menge von Radioaktivität, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. ({8}) Die Kernenergie hat unbestreitbare Vorteile in Sachen Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Luftreinhaltung. Entscheidend - ich wiederhole es - sind aber die Sicherheitsfragen. Da macht es sich die SPD immer wieder sehr leicht. ({9}) Sie sagt, Kollege Reuter: Nach diesem Unglück in Tschernobyl müssen wir in Deutschland die Reaktoren abschalten. ({10}) Herr Kollege Reuter, das kommt mir so vor, als wenn jemand einen Trabi auf technische Mängel untersucht und dann sagt: Den BMW, der daneben steht, müssen wir auch aus dem Verkehr ziehen. - Wenn wir unseren Reaktorbauern und ihren technischen Leistungen gerecht werden wollen, dann müssen wir unsere Kernkraftwerke untersuchen. ({11}) Der Ausschuß hat - das war für mich eine wichtige Sache - Störfälle im Kernkraftwerk Biblis Block A zum Anlaß genommen, die Sicherheitstechnik unserer Kernkraftwerke zu untersuchen. Wir im Umweltausschuß wußten schon vorher, daß das Ereignis nicht darum bedeutsam war, weil etwas Radioaktivität durch den Kamin entwichen ist, sondern auf Grund zweier anderer Umstände. Erstens. Es kam Kühlmittel aus dem Containment, dem Sicherheitsbehälter, hinaus in den Ringraum, obwohl nach unserem Sicherheitskonzept das Containment eine ganz wichtige Barriere darstellen soll. Zum zweiten - auch das hat das Bundesumweltministerium schon vor den öffentlichen Diskussionen in internen Aktenvermerken festgestellt - : Es gab eine Kombination von technischen Fehlern und menschlichen Fehlern. Die Betriebsmannschaft hat auf einen an sich relativ unbedeutsamen technischen Fehler dadurch reagiert, daß sie selbst die Schleuse durch das Containment geöffnet hat. Deshalb war es wichtig, diesen Fall zu untersuchen. Ich teile auch die Auffassung der Oppositionsfraktionen, daß es durchaus einmal wichtig war, sogenannte kritische Wissenschaftler anzuhören und die amtlichen Sachverständigen diesen „kritischen Wissenschaftlern" gegenüberzustellen. Als Ergebnis möchte ich festhalten, daß wir eine Bestätigung der Einschätzung der amtlichen Sachverständigen und des Bundesumweltministeriums gefunden haben, nämlich dahin gehend, daß wir Ende 1987 - damals war das, glaube ich - von einem Kernschmelzunfall, dem sogenannten GAU, weit entfernt waren. Ich habe keine Zeit, auf den schillernden Begriff des „kritischen Wissenschaftlers" im Detail einzugehen, obwohl das sehr reizvoll wäre. Nur soviel: Mich haben diese Leute deshalb nicht überzeugt, weil sie die Antwort auf die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit weitere technische Pannen zum sogenannten GAU geführt hätten, eigentlich nicht gegeben haben. ({12}) Sie haben immer gesagt, Herr Kollege Weiss: Was nicht ausgeschlossen ist, muß man als richtig unterstellen. Das ist die richtige Fragestellung, wenn man die Sicherheit eines Kernkraftwerkes im Genehmigungsverfahren überprüft. Das ist auch die richtige Fragestellung, wenn die Notwendigkeit einer Nachrüstung überprüft wird. ({13}) - Sofort, Herr Kollege Weiss. Wenn man aber die in der Öffentlichkeit gestellte Frage beantworten muß: Was hätte sich daraus entwickeln können?, dann muß man Wahrscheinlichkeitserwägungen anstellen. Gutachter haben vor dem öffentlichen Bekanntwerden des Ereignisses die Nachrüstungsproblematik untersucht. Nachher kamen die Fragen in der Öffentlichkeit. Deshalb ist der Vorwurf im Bericht der SPD ungerechtfertigt, daß sie sich sozusagen vorher und nachher widersprochen hätten. Es ging um unterschiedliche Fragestellungen, was man zur Kenntnis nehmen muß.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Bitte, Herr Abgeordneter Weiss.

Michael Weiss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002462, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Friedrich, Sie haben bemängelt, daß von den von Ihnen als kritische Wissenschaftler bezeichneten Menschen keine quantifizierbaren Wahrscheinlichkeitsabschätzungen über mögliche Eintrittswahrscheinlichkeiten der von ihnen untersuchten Szenarien vorgelegt worden seien. Sie haben sie in Gegensatz zu den amtlichen Gutachtern gestellt. Ich frage Sie umgekehrt: Welche quantifizierten Wahrscheinlichkeitsberechnungen haben denn die amtlichen Untersuchungen ergeben? Ich meine damit nicht bloß im Sinne von unwahrscheinlich - allgemein hineingeschrieben -, sondern beziehe mich darauf, daß Sie quantifizierte Wahrscheinlichkeiten dafür verlangt hatten, daß dieses Szenario nicht eintrete.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, eine Frage muß kurz sein.

Dr. Gerhard Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002657, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Weiss, ich kann Ihnen das nur an einem Beispiel erläutern, bei dem man etwas nicht nur theoretisch, sondern im praktischen Versuch untersucht hat: Wir haben uns immer wieder gefragt, ob bei einem Austreten von Kühlmitteln in Form von Dampf im Ringraum die sogenannten Armaturen, sozusagen die Schaltstellen für den Gebäudeabschluß, noch funktionieren. Die amtlichen Sachverständigen haben das im praktischen Test erprobt und festgestellt: Trotz hoher Temperatur, trotz Feuchtigkeit funktionieren die Gebäudeabschlußarmaturen weiter. ({0}) - Es gibt keine Wahrscheinlichkeitsuntersuchungen, die Sie als Mathematiker lieben, der Sie, so glaube ich, sind, sondern das waren praktische Versuche, die mich noch mehr überzeugen als irgendeine theoretische Berechnung, Herr Kollege Weiss. Ich möchte wiederholen: Gewisse Unterschiede vor und nach den öffentlichen Diskussionen hängen damit zusammen, daß die Sachverständigen unterschiedliche Fragen zu beantworten hatten. Der Ausschuß hat sich weiter mit dem Komplex befaßt, der mit den Stichworten Schmiergelder, Abfallfässer und Verdacht eines Verstoßes gegen den Atomwaffensperrvertrag zusammenhängt. Unsere Betroffenheit, die Dramatik der nächtlichen Sondersitzung des Umweltausschusses sind aus heutiger Sicht damit erklärbar, daß wir auf Grund der Belege für immer neue Unregelmäßigkeiten das Vertrauen in einige Hanauer Nuklearfirmen total verloren hatten. ({1}) Deshalb hielten wir damals fast nichts mehr für völlig unmöglich. Heute wissen wir, daß das, was selbst noch in einem ersten Entwurf des Untersuchungausschußberichtes als konkreter Verdacht bezeichnet wurde, eine rein journalistische Spekulation war. ({2}) Die Journalistin Spill hat selber - laut unseren Unterlagen - von einem „Versuchsballon" gesprochen. Herr Kollege Reuter, weil Sie mich so anschauen: Derjenige, der auf diesen Versuchsballon hereingefallen ist, ist Ihr früherer Fraktionskollege Hauff gewesen. Weil das alles so schön in sein Weltbild hineingepaßt hat, hat Herr Kollege Hauff plötzlich sogar „Beweise" für diese journalistischen Spekulationen gefunden. Die Uhr blinkt; ich komme zum Schluß und lasse einiges aus.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Sie haben noch eineinhalb Minuten, Herr Abgeordneter.

Dr. Gerhard Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002657, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Entsprechend der schon seit langem erkennbaren Strategie nimmt die SPD den „Fässerkomplex" zum Anlaß, auch wegen einer nicht gesicherten Entsorgung das Abschalten unserer Kernkraftwerke zu fordern. Ich muß deshalb an dieser Stelle nochmals klarstellen, daß wir uns mit dem Gesamtkomplex der Entsorgung von nuklearen Abfällen überhaupt nicht beschäftigt haben. Die eigentlichen Probleme liegen woanders. Es ist z. B. das Problem der noch nicht gesicherten und noch nicht eingerichteten Endlager. In diesem Zusammenhang stellt die SPD fest, die Bundesregierung habe sich hier erhebliche Versäumnisse anzulasten. ({0}) - Das, Herr Kollege Reuter, stellt die Tatsachen wirklich auf den Kopf. Die Wahrheit ist, daß die SPD seit Jahren hier an diesem Pult, hier in Bonn Endlager fordert und daß sie vor Ort Endlager verhindert. Das weiß am besten der Kollege aus Niedersachsen, der mich jetzt gerade anschaut. Herr Kollege, Sie wissen doch selbst, daß zumindest die Absprache der rot-grünen Koalition in Niedersachsen, das Endlager Konrad in Niedersachsen zu verhindern, bei Ihnen wider besseres Wissen zustande gekommen ist. Die SPD hat durch dieses Verhalten in Niedersachsen gezeigt, daß sie eigentlich selbst kaum mehr Wert darauf legt, zu beweisen, daß sie in der Lage ist, in diesem Lande auch für unangenehme Dinge Verantwortung zu übernehmen. ({1}) Das muß man aber, wenn man irgendwann einmal wieder als Regierungspartei in Betracht kommen will. Vielen Dank. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Bachmaier.

Hermann Bachmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000072, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Friedrich, daß Ihnen die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses nicht in den Kram passen, das ergibt sich von selbst. Daß Sie aber so extrem weggehört haben, als unbestreitbare Fakten zutage traten, dazu gehört schon ein erhebliches Maß an Talent. Meine Damen und Herren, der Atomskandal-Untersuchungsausschuß hat ein beachtliches Stück Arbeit geleistet. Auch wenn die Bewertungen oft weit auseinandergehen, darf man sicherlich feststellen: Dieser Untersuchungsausschuß hat in den zweieinhalb Jahren seiner Arbeit einen ganz erheblichen Bereich der Nutzung der Kernenergie auf den Prüfstand genommen und die damit in Zusammenhang stehenden Risiken und Gefahren trotz vieler die Arbeit oft erschwerender Auseinandersetzungen letztlich doch recht gründlich untersucht. Deshalb sollte am Beginn unserer heutigen abschließenden Diskussion auch der Dank an all diejenigen stehen, die ein erkleckliches Stück Arbeit und oft ein erhebliches Maß an Freizeit in diesen Ausschuß investiert haben. ({0}) Das sind vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung des Bundestags und all diejenigen, die uns von verschiedensten Positionen aus zugearbeitet haben und die oft wesentlich mehr geleistet haben als das, wozu sie verpflichtet sind. In 72 Beweisaufnahmesitzungen haben uns 99 Zeugen und Sachverständige Rede und Antwort gestanden. Rund 1 600 Aktenordner und Einzelbände wurden beigezogen und ausgewertet. Ausgehend vom sogenannten Hanauer Nuklearskandal und dem damals geäußerten Verdacht, deutsche Firmen hätten im Jahre 1987 waffenfähiges spaltbares Material illegal nach Libyen oder nach Pakistan geschafft, wurde das gesamte internationale und nationale Kontroll- und Überwachungssystem für Kernmaterialien und Kerntechnologien bis hin zu den Gefahren und Risiken legaler und illegaler Nuklearexporte untersucht. - Davon haben Sie überhaupt nicht gesprochen, Herr Friedrich. Außerdem sind wir den Spuren eines der wohl schwersten Störfälle in einem deutschen Kernkraftwerk nachgegangen, der sich im Jahre 1987 in Biblis ereignete, um uns mit Hilfe äußerst kontroverser wissenschaftlicher Gutachten ein Bild von der Sicherheit deutscher Kernkraftwerke machen zu können. ({1}) Die außergewöhnliche Bandbreite der Untersuchungsaufträge und die Komplexität der Untersuchungsgegenstände sind allerdings nur eine Erklärung für die lange Dauer des Untersuchungsverfahrens. Mit ursächlich dafür, meine Damen und Herren, waren auch die sehr geringe Bereitschaft der Bundesregierung - um das hier einmal zu sagen -, dem Ausschuß die für seine Untersuchungen notwendigen Akten rechtzeitig zur Verfügung zu stellen, sowie die ständigen Kontroversen im Ausschuß selbst über Rechts- und Verfahrensfragen, die letztlich sogar dazu führten, daß ein hochkarätiges wissenschaftliches Gutachten zu der Frage erstellt wurde, was der Ausschuß tun dürfe und was er zu unterlassen habe. Schon die Benennung des Ausschusses konnte nie einvernehmlich geklärt werden. Während die Koalitionsmehrheit immer einengend vom sogenannten Transnuklear-Untersuchungsausschuß sprach, ({2}) haben wir Sozialdemokraten es uns nie nehmen lassen, entsprechend der Reichweite der Untersuchungsaufträge vom Atomskandal-Untersuchungsausschuß zu sprechen, um nichts zu verniedlichen. Wir sollten uns wirklich ernstlich Gedanken darüber machen, ob es der Aufgabe und der Funktion und damit letztlich auch dem Ansehen eines parlamentarischen Untersuchungsgremiums entspricht, lediglich verlängerter Arm der im Parlament herrschenden Mehrheitsverhältnisse zu sein. Unter der mangelnden Unabhängigkeit und unter dem oft zutage getretenen mangelnden Aufklärungswillen hat die Arbeit auch unseres Untersuchungsausschusses ganz erheblich gelitten. ({3}) Es ist höchste Zeit, meine Damen und Herren, daß die Tätigkeit der Untersuchungsausschüsse rechtlich klarer geregelt wird. Die Rechte der Minderheit dürfen z. B. bei der Frage, wann welche Zeugen vernommen werden, nicht mehr den Mehrheitsinteressen der Koalitionsparteien untergeordnet werden. Dies ist der entscheidende Grund dafür, daß Untersuchungsausschüsse oft nur unzureichend und oft nur viel zu spät Aufklärung schaffen können. Letztlich hat sich aber die Beharrlichkeit derjenigen gelohnt, die Licht in das Dunkel der Gefahren und Risiken bei der Nutzung der Kernenergie bringen wollten. Trotz aller Widrigkeiten wurde ein weites Feld nuklearer Aktivitäten in unserem Lande gründlich untersucht. Obwohl es bei den bisweilen tagelangen Vernehmungen von Zeugen und Sachverständigen oft auch nachdenkliche Gesichter bei Ihnen, meine Damen und Herren, gab, ({4}) 18582 Deutscher Bundestag - 11 . Wahlperiode - 233 Sitzung Bonn Dienstag den 30 Oktober 1990 die die weitere Nutzung der Kernenergie offensichtlich kompromißlos bejahen, wird es kaum verwundern, daß der Ausschuß in seiner Bewertung heute zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Lassen Sie mich die aus meiner Sicht wesentlichen Ermittlungsergebnisse kurz hervorheben. Für den konkreten Verdacht, deutsche Firmen hätten im Jahre 1987 zum Waffenbau geeignetes Nuklearmaterial illegal nach Libyen oder Pakistan geschafft, hat der Ausschuß keine tatsächlichen Anhaltspunkte gefunden. Zu Besorgnis Anlaß geben müssen allerdings die vom Ausschuß festgestellten Fehlreaktionen der verantwortlichen hessischen Politiker Wallmann und Weimar, die trotz anderweitiger Absprachen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft Vertreter der mit den Hanauer Nuklearbetrieben verflochtenen Gesellschaften RWE und Degussa vorab informierten und damit die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft erheblich erschwerten. Die Schmiergeldaffäre um die Firma Transnuklear hat gezeigt, daß Schmiergeldzahlungen an Mitarbeiter praktisch aller deutschen Kernkraftwerke an der Tagesordnung waren und sich auch Strahlenschutzbeauftragte in den Kernkraftwerken empfänglich dafür zeigten. ({5}) Dadurch werden - auch dies muß man sagen - diese Mitarbeiter erpreßbar und zum schwer kalkulierbaren Sicherheitsrisiko. Der sogenannte Fässerskandal hat sich als groß angelegtes Betrugsmanöver unter Verletzung zahlreicher Vorschriften des Atomrechts erwiesen. Mit ursächlich dafür waren aber auch fehlende Abfallbehandlungs-, Zwischen- und Endlagerungsmöglichkeiten für radioaktive Abfälle in der Bundesrepublik. Die internationale Kernmaterialüberwachung, meine Damen und Herren, durch IAEO und Euratom, kann eine Abzweigung spaltbaren Materials nicht verhindern, allenfalls nachträglich entdecken. Es ließe sich noch viel zu den Mängeln auch der internationalen Überwachung sagen; aber die knappe Zeit verbietet mir das. Der Schutz von Kernmaterialien vor illegalem Zugriff liegt ausschließlich in unserer nationalen Verantwortung und trotz der davon ausgehenden zusätzlichen Gefahren und Risiken vor allem bei den Betreibern kerntechnischer Anlagen sowie den Beförderern radioaktiver Stoffe. Insbesondere bei den zahlreichen Transporten ist die Gefahr der Entwendung von Kernmaterial, der Sabotage oder von Anschlägen besonders groß. ({6}) Während wir in fast allen Lebensbereichen modernste Datenverarbeitungstechnologien einsetzen und geradezu besessen alle Daten über uns und unsere Mitmenschen zusammentragen, haben wir bis zum heutigen Tage kein nationales Bilanzierungs- und Informationssystem über die bei uns lagernden Kernmaterialien. Derzeit ist es den Behörden nicht möglich, sich einen schnellen und zuverlässigen Überblick darüber zu verschaffen, wo und in welchen Mengen sich in der Bundesrepublik spaltbares Material befindet. In Fällen, in denen radioaktive Materialien abhanden gekommen sind, und insbesondere auch bei möglichen nuklearen Erpressungen könnte sich dieser Mangel ganz schnell als ein außerordentlich schweres Versäumnis erweisen. Das Risiko könnte leicht tödlich werden. Die vom Ausschuß untersuchten, verharmlosend so genannten „besonderen Vorkommnisse" im Kernkraftwerk Biblis vom 16. auf den 17. Dezember 1987 waren der Vorläufer eines schweren Störfalls, Herr Friedrich. Ursächlich hierfür war eine außergewöhnlich gefährliche Kombination von technischem Versagen und menschlichem Fehlverhalten. Gerade auch die Untersuchung dieses Störfalls und seine Behandlung durch die zuständigen Aufsichtsgremien hat mit kaum zu überbietender Deutlichkeit offenbart, daß wir diese Technologie trotz aller Sicherheitsvorkehrungen letztlich doch nicht beherrschen. Wer hätte es vor diesem Störfall für möglich gehalten, daß eine anscheinend gut geschulte Betriebsmannschaft 15 Stunden lang über mehrere Schichten hinweg die Alarmanzeigen für ein nicht geschlossenes Ventil des Primärkühlkreislaufes schlicht ignoriert hat? Aber bitte ignorieren Sie diesen Störfall nicht; denn sonst könnte das Risiko leicht noch etwas größer werden. ({7}) Gerade auch das gestrige Urteil - davon haben Sie auch nicht geredet - des Landgerichtes Hanau gegen die drei kriminellen Nuklearexporteure, deren Machenschaften wir auch im Untersuchungsausschuß gründlich unter die Lupe genommen haben, macht nochmals deutlich, daß das System unserer Ausfuhrkontrollen schwerwiegende und unverantwortliche Mängel aufwies und meines Erachtens auch noch heute aufweist. ({8}) Nur so ist es erklärbar, daß es skrupellose Geschäftemacher immer wieder wagen, illegale Exporte nuklearer und anderer Massenvernichtungstechnologien in Krisengebiete zu riskieren. Lücken im Außenwirtschaftsrecht, schwer anwendbare Strafvorschriften und unzureichende Sanktionen, unzulängliche personelle und sachliche Ausstattung der Kontrollbehörden sowie fehlende Sensibilität in vielen Bereichen der Administration und bei den für die Ziele des Nichtweiterverbreitungsvertrages politisch Verantwortlichen haben die tödlichen Geschäfte erst ermöglicht. Hier ist Mitverantwortung angesagt, meine Damen und Herren. ({9}) Dabei hat zumindest das zuständige Wirtschaftsministerium - dies hat der Herr Bundeswirtschaftsminister im Ausschuß sogar unumwunden eingeräumt - spätestens seit Beginn der 80er Jahre um die vielfältigen Schwachstellen unserer Ausfuhrkontrollen gewußt. Hätte man rechtzeitig die Konsequenzen gezogen und frühzeitige Hinweise entsprechend ernst genommen, dann wären wir heute nicht mit so makabBachmaier ren Exporten nach Libyen, Pakistan und in den Irak konfrontiert. ({10}) Dies ist die bittere Folge der Versäumnisse, die wir aufgeklärt haben. Davon ist bei Ihnen natürlich auch nicht die Rede. Herr Präsident, ich habe mich mit Herrn Reuter verständigt, daß ich noch zu Ende vortragen kann. Mit der Zeit kommen wir dann hin. Aber auch der legale Export nuklearer Technologien und nuklearen Know-hows ist gefährlich und risikoträchtig. So will die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit Brasilien hartnäckig fortsetzen, obwohl der brasilianische Präsident jüngst eingestehen mußte, daß das brasilianische Militär konkrete Pläne zum Bau einer Atombombe zumindest verfolgt hat, und obwohl sich Brasilien weiterhin weigert, den Nichtweiterverbreitungsvertrag zu unterzeichnen. ({11}) - Herr Dr. Friedrich, Sie waren auch da, als es vor einem Jahr hier im Bundestag um die Verlängerung des Abkommens mit Brasilien ging. Sie wissen, wir wollten dieses Abkommen kündigen, und zwar fristgerecht. ({12}) Aber der von uns geäußerte Verdacht einer militärischen Nutzung der Kernenergie in Brasilien wurde damals von den Koalitionsfraktionen noch in Bausch und Bogen verworfen. ({13}) Hohn und Spott haben Sie über uns gießen wollen. Meine Damen und Herren, zu lange schon wurden die Risiken und Gefahren, die von der Kernenergie ausgehen, verniedlicht und auf angeblich vernachlässigbare statistische Größen reduziert. Die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses hat gezeigt, daß in Betriebshandbüchern, Gesetzen, Verordnungen, internationalen oder zwischenstaatlichen Verträgen und Übereinkünften nicht vorgesehene Ereignisabläufe sehr schnell zu harter und brutaler Wirklichkeit werden können. Die Untersuchungen dieses Ausschusses haben gezeigt, daß in weiten Teilen der Wissenschaft, der Administration und der verantwortlichen Politiker sowie der Wirtschaft ein oft erschreckender Mangel an Sensibilität für die Gefahren der Kernenergie besteht. Die Fülle der Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses bestärkt mich persönlich - bestärkt uns - in der Überzeugung, daß die immer wieder beschworene Trennung zwischen militärischer und friedlicher Nutzung der Kernenergie eine blanke Fiktion ist, die es in der Wirklichkeit überhaupt nicht gibt. ({14}) Beide Anwendungsbereiche, meine Damen und Herren, sind nicht selten die jeweils unterschiedlichen Seiten derselben Medaille. Unsere Untersuchungserkenntnisse bestärken uns in der Überzeugung, daß die Gefahren und Risiken der Atomenergie nicht beherrschbar sind und wir daher gut beraten wären, schnellstmöglich auf diese Technologie zu verzichten. Dies ist für uns das zwingende Ergebnis auch der Arbeit dieses Untersuchungsausschusses. ({15}) - Herr Harries, wenn Sie mitmachen, geht es. Wir sind gerne bereit, dieses Ziel wesentlich schneller zu verwirklichen. Herzlichen Dank. ({16})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Timm.

Jürgen Timm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002329, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 21. Januar 1988 wurde der 2. Untersuchungsausschuß durch den Bundestag eingesetzt. Er sollte tatsächliche und vermutete Vorkommnisse im Bereich der Nukleartechnik und des Handels sowie der Zusammenarbeit im nukleartechnischen Bereich untersuchen. Der heute zu diskutierende Bericht - das ist schon genannt worden - ist ausgesprochen umfangreich. Gleichwohl, Herr Bachmaier, ist die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht zu einer von der Opposition angestrebten Gerichtssitzung gegen die Kernenergie im allgemeinen geworden, auch nicht zu einer solchen gegen die Kernenergiewirtschaft und die Kernenergiepolitik der Bundesregierung. Auch ist der Ausschuß nicht zu einer Enquete-Kommission zur Kernenergiefrage umfunktioniert worden, wie es der Einsetzungsantrag der SPD-Fraktion in einigen grundsätzlichen Fragen vorsah. Der Untersuchungsausschuß hat seine Arbeit letztendlich vorangetrieben und abgeschlossen, ({0}) ohne von den gestellten Untersuchungsaufgaben z. B. in der engen Sache der Hanauer Nuklearbetriebe und ihrer Arbeit erheblich abzuweichen. Deshalb enthält selbst der Berichtsteil der SPD-Fraktion z. B. keine eigenen Untersuchungen zur Entsorgungsfrage; Sie sind zu diesem Thema überhaupt nicht gekommen. ({1}): Weil keine eigene Beweisaufnahme stattgefunden hat! Wer hat die verhindert? Die Ausschußmehrheit! ) - Herr Weiss, das ist überhaupt nicht weiter betrieben worden, weil das Interesse nicht mehr vorhanden war. ({2}) Das ist doch immerhin bemerkenswert. ({3}) Versuche, mindestens für große Teilbereiche, z. B. für den Verfahrensteil, zu einem gemeinsamen Bericht zu kommen, mußten, Herr Kollege Bachmaier, u. a. an der Besetzung des Vorsitzes im Ausschuß durch die SPD scheitern. Als Vorsitzender so arg in die eigene Fraktionsstrategie eingebunden oder angekettet zu sein - sozusagen der Kettenhund der SPD ({4}) und politische Ideologien einbringen zu wollen ist für die objektive Bewertung der Arbeitsergebnisse ungeeignet. ({5}) In einer besonderen Situation befand sich auch der Kollege Reuter als Obmann. Wir mußten ihn als Abgeordneten aus der Nachbarschaft von Hanau des öfteren direkt zum Jagen tragen. ({6}) - Wir haben alle Möglichkeiten versucht, Sie von der Lethargie, die Sie manchmal befallen hat, zu befreien, um in diesem Ausschuß mit der Arbeit voranzukommen. ({7}) Aber ich verkenne nicht die Schwierigkeiten in der Aufgabe, wenn es um die Beschäftigten in Ihrem Wahlbereich geht; dafür habe ich volles Verständnis. Der Arbeit im Ausschuß war es ebenfalls wenig förderlich, was von der SPD und von den GRÜNEN als sogenannte Sachverständige bestellt worden war. Über den Sinn oder Unsinn eines solchen eingebrachten angeblichen Sachverstandes könnte man sehr lange sprechen. Bezeichnend war jedenfalls, daß sich einige von ihnen lang und breit über die Hanauer Anlagen, über die Produktionsstätten und den Plutoniumbunker der Bundesregierung - an jeder Ecke mußte mindestens ein Dieb stehen, aber offensichtlich nur im Schießschartenformat - ausgelassen haben, ohne jemals selber dort gewesen zu sein. ({8}) - Das Huhn weiß aber zumindest, wie es das Ei legen muß. ({9}) Das ist ein gutes Beispiel für „business as usual", für „Sachverständige vom Hörensagen". Die vielfältigen Aussagen dieser Leute mit ihren ideologisch verfärbten Ansprüchen haben in der Sache nichts gebracht; sie haben uns im Gegenteil in der Arbeit ausschließlich behindert. Sie machen wegen der Überbewertung speziell in Ihrem Bericht, Herr Kollege Bachmaier, vieles unverwertbar. Zu kritisieren ist auch das Verfahren bei der Berichtserstellung, das durch den Vorsitzenden stark parteiisch beeinflußt worden ist. Es gibt leider doch nicht den unbeeinflußten Vorentwurf eines Berichtes des Sekretariats, ({10}) auf den sich die SPD zu Beginn ihres Berichtes bezieht. Alle Vorentwürfe tragen merklich den Einfluß des Vorsitzenden und damit auch seine Billigung - davon gehen wir aus - , bevor sie mit unangemessener Verspätung an die übrigen Berichterstatter ausgehändigt worden sind. Das war der Grund, warum wir so uns einer unheimlich umfangreichen Arbeit unterziehen mußten. Es war unumgänglich, in mühevoller Kleinarbeit alle Berichtsteile bis hin zum Verfahrensteil, der eigentlich unstrittig zwischen uns hätte sein sollen, aus objektiven, vervollständigenden, den Aktenstand richtig auswertenden, Zitate nicht tendenziös, sondern vollständig wiedergebenden und Zeugenaussagen richtig wiedergebenden Gründen umzuschreiben. Bei der Arbeit im Untersuchungsausschuß haben wir Aspekte und Erscheinungsformen bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie untersucht. Die sechs Bereiche umfaßten die Fässer mit nuklearem Abfall, die Schmiergeldzahlungen in diesem Zusammenhang, die Spaltstoffflußkontrolle, den physischen Schmutz - dabei ging es im wesentlichen um den Plutoniumbunker - , die Nuklearexportpolitik und den Proliferationsverdacht. Es stellte sich alsbald heraus, daß bei der Behandlung von Abfällen aus kerntechnischen Einrichtungen und deren Einbringung in Fässer zur Endlagerung Handhabungen erfolgten, die außerhalb jeder Ideologie der Kernpolitik strafrechtlich zu bewerten waren. Die Strafverfolgungsbehörden haben bei der Aufdeckung ganze Arbeit geleistet. Wir konnten uns von Anbeginn an voll darauf verlassen. Die Schmiergelder wurden nachweislich nicht gezahlt, um nukleare Materialien etwa für militärische Zwecke abzuzweigen; dazu waren weder physikalische noch technische, noch tatsächliche Voraussetzungen gegeben. ({11}) - Das ist ja bekannt; sonst brauchte doch kein Richter und kein Staatsanwalt etwas dagegen zu unternehmen. Die zum Teil falsch deklarierten Fässer enthielten keine relevanten Mengen von Nuklearstoffen, die Mensch und Umwelt gefährden konnten. ({12}) Die Beurteilungen, nach denen die geringen Stoffmengen aus den Abfällen hätten herausgelöst und militärisch verwertet werden können, gehören in den Bereich der Fabel; das ist eindeutig herausgekommen. ({13}) Aber eines machen die Vorgänge in jedem Fall deutlich: An das verantwortliche Personal, das in solchen Bereichen tätig ist, müssen höchste charakterliche und Zuverlässigkeitsanforderungen gestellt werden. Die Spaltstoffflußkontrolle und der physische Schutz bei der Produktion und Lagerung von nuklearen Materialien haben sich im Laufe der Untersuchungen als voll ausreichend und sicher herausgestellt. Die Opposition kam da zu anderen Schlüssen; das ist auch logisch. Denn bei den von der SPD vorgeschlagenen Sachverständigen für diese Bereiche konnte man nichts anderes erwarten. Nur hatten alle objektiv gesehen Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Kontrollmechanismen in der Bundesrepublik und der Handhabung der Nuklearexportpolitik. Andere Sachverständige konnten durchaus nachweisen, daß gerade in der Bundesrepublik die Materialflußkontrollen besonders sorgfältig durchgeführt wurden und werden. Interessant ist die Tatsache, daß sich die Sachverständigen vornehmlich Gedanken um jene Zeit gemacht haben, in der die nukleartechnische und wissenschaftliche Verantwortung z. B. bei den SPD-Forschungsministern Hauff und Matthöfer lag. ({14}) Festzuhalten ist aber, daß die einschlägigen Bestimmungen der Nuklearexportpolitik insbesondere nach dem Ende der sozialliberalen Regierungszeit ständig verschärft worden sind. Ganz ausgeprägt und deutlich ist dies letztlich auch in der Erklärung unseres Außenministers vom 25. August 1990 vor der Vierten Überprüfungskonferenz des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, ({15}) in der er die neuen Verschärfungen des Außenwirtschaftsrechts, die ja in der Zwischenzeit schon Platz gegriffen hatten, und die neue verschärfte Ausfuhrverpflichtung für Nukleargüter in Nicht-Vertragsstaaten mit der internationalen Überwachung, d. h. dem „full-scope safeguard", erklärt und als Festschreibung für die neue Bundesrepublik Deutschland dargestellt hat. Die Bundesrepublik steht damit an der Spitze der internationalen Schutzbestimmungen und Schutzmöglichkeiten. Inwieweit daraus Konsequenzen für die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit im internationalen Bereich gezogen werden müssen, wird uns die Zukunft sicherlich noch zeigen, z. B. auch bei Brasilien. Es hat sich herausgestellt, daß wir in die neue brasilianische Verfassung und in die Staatsführung unter Präsident Collor zu Recht Vertrauen gesetzt haben; denn Präsident Collor hat bewiesen, daß er bereit und in der Lage ist, den Militärs das „atomare Spielzeug" wegzunehmen. ({16}) - Ich habe nie etwas anderes gesagt, hier nicht und auch im Ausschuß nicht.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Timm, darf ich Sie einmal unterbrechen? - Herr Abgeordneter Bachmaier, haben Sie es nicht als wohltuend empfunden, daß kein einziger Zwischenruf angebracht wurde, als Sie sprachen? ({0}) - Einen Moment. Das gleiche gilt für Sie, Herr Weiss. Sie sprechen gleich nach dem Herrn Abgeordneten Timm. Wie würden Sie empfinden, wenn Sie immer wieder gestört würden? ({1}) Bitte schön, Herr Timm. ({2})

Jürgen Timm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002329, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe eben davon gesprochen, daß die politische Führung in Brasilien bereit und in der Lage war, den Militärs das gefährliche atomare Spielzeug wegzunehmen. Dieser Vorgang beweist aber auch wieder, daß es falsch ist, sich, aus welchen Gründen auch immer, aus der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zurückzuziehen. Wenn man Einfluß nehmen und die richtige Entwicklung mit beeinflussen will, dann darf man sich dieser Aufgabe schlicht und ergreifend nicht entziehen. In einem Erweiterungsauftrag wurde dem Untersuchungsausschuß auch aufgegeben, sich mit den Vorkommnissen im Kernkraftwerk Biblis Block A von 1987 zu befassen. Die Untersuchung der Probleme um den Kernkraftwerksblock haben zwar ergeben, daß eine Gefahr außerhalb der technischen Beherrschbarkeit bei Störfällen oder gar eine GAU-Schwelle zu keiner Zeit bestanden haben, Herr Kollege Bachmaier. Die FDP-Position ist aber nachdrücklich bestätigt worden, daß Bestandsschutz bei Reaktoren, die nicht bis in die letzte Konsequenz heutigen Sicherheitsanforderungen genügen, seine Grenzen hat. Richtigerweise hat der Bundesumweltminister seine Überlegungen zur Verbesserung des Sicherheitsstandards unverzüglich durchgesetzt. Wir haben im Untersuchungsausschuß zwar verschiedene Aspekte der Kernenergie behandelt, in der Beurteilung aber keine Hinweise darauf erkannt, daß die friedliche Nutzung der Kernenergie in der Zukunft nicht möglich sein könnte. Ich komme zum Schluß. Wir haben festzustellen, daß es immer wieder ausreichend kriminelle Kapazität gibt, die über alle Gesetze, Überwachungen und Moral hinweg versucht, aus reiner Profitgier Handel mit verbotenen Waren zu betreiben, und die verantwortungslosen Ideologien und Militärs zum Bau von Waffen verhelfen will. Die FDP verurteilt das aufs schärfste. Unsere Industrie und unser Handel beschädigen sich selbst mit solchen Vorhaben. ({0}) Die Bundesregierung ist gut beraten, alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten bei der Bekämpfung solcher Machenschaften auszuschöpfen. Die Unterstützung meiner Fraktion hat sie dabei. Danke schön. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weiss.

Michael Weiss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002462, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die hier angesetzte Debattenzeit zeigt eigentlich deutlich, daß die anstehenden Probleme doch nicht hinreichend ernst genommen werden. 60 Minuten für einen Bericht mit 1420 Seiten, das sind 2,4 Sekunden pro Seite, und ich muß jetzt in 7 Minuten pro Minute zu 200 Seiten reden. ({0}) Zusammenfassend kann zu den Ergebnissen des 2. Untersuchungsausschusses gesagt werden: Letztlich sind alle Argumente, die seit Jahren von seiten der Antiatombewegung und von seiten der GRÜNEN gegen die Atomenergie vorgetragen worden sind, doch bestätigt worden. Denn, die notwendige Zuverlässigkeit der Betreiber kann eben nicht gewährleistet werden, Stichwort Schmiergeld. Die Weiterverbreitung von Nuklearwaffen kann eben nicht wirkungsvoll verhindert werden. Die Unvollständigkeit der Kernmaterialüberwachung, NTG, das gestrige Urteil des Landgerichts Hanau beweisen das. Der notwendige Schutz von Mensch und Umwelt kann auch nicht gewährleistet werden; Stichworte: umweltgefährdende Atommüllbeseitigung in Mol, Fässerskandal, Biblis. Gerade der Fässerskandal zeigt eigentlich eindeutig, daß die bundesdeutsche Atomindustrie als Auftraggeber der Transnuklear die wirtschaftlichen Interessen deutlich höher bewertet hat als den Schutz von Mensch und Umwelt vor Radioaktivität. Weil eben in Belgien geringere Umweltschutzbestimmungen galten, weil kurzerhand ein nicht unerheblicher Teil des radioaktiven Abfalls unter Inkaufnahme erheblicher Umweltgefährdungen in einen Fluß gekippt wurde, weil das belgische Atomforschungszentrum unrealistisch hohe Volumensreduktion versprochen hatte und weil in Mol auch Problemabfälle zur Konditionierung angenommen worden sind, die dort gar nicht behandelt werden konnten, genau deshalb war das „Atomklo" Mol bei der deutschen Atomindustrie so beliebt. Transnuklear und das belgische Atomforschungszentrum in Mol vermischten oder vertauschten die angelieferten Atomabfälle mit plutoniumhaltigem Fremdabfall oder ließen nicht behandelbare Atomabfälle einfach verschwinden. Das war möglich, weil Ausgangs- und Eingangskontrollen in den bundesdeutschen AKW völlig fehlten. Ich denke, die bundesdeutsche Atomindustrie muß gewußt oder zumindest geahnt haben, was in Mol vor sich geht. Denn die vertraglich zugesicherten Volumenreduktionsfaktoren waren so hoch, daß sie gar nicht hätten eingehalten werden können. Erklärungen aus der Industrie, Mol sei deshalb ausgewählt worden, weil es günstige Konditionierungsgebühren angeboten habe, sind wenig glaubwürdig. Denn die günstigen Preise sind wohl aufgewogen worden durch die Schmiergelder in Höhe von knapp 14 Millionen DM, die an die für Transnuklear in Mol tätige Firma Smet-Jet gezahlt worden sind. Entscheidend für die Wahl von Mol dürfte vielmehr die „Beseitigung" problematischer Abfälle und die starke Verringerung des Mülls gewesen sein, die in bundesdeutschen Anlagen nicht möglich gewesen wäre. Darin liegt zumindest auch ein mögliches Motiv für die Schmiergeldzahlungen an Smet-Jet. Der Fässerskandal zeigt, daß es eben nicht möglich ist, die Atomwirtschaft in Deutschland effizient zu kontrollieren. Auch die zwischenzeitlich eingeleiteten Maßnahmen bieten keine Gewähr dafür, daß sich Vergleichbares nicht anderswo wiederholt. Deshalb muß letztlich die Produktion von Atommüll eingestellt werden. ({1}) Die Ergebnisse des Ausschusses belegen aber auch, daß eine Weiterverbreitung von Nuklearwaffen nicht wirkungsvoll verhindert werden kann, solange mit sensitiven Anlagen und sensitiver Technologie umgegangen wird. Der Export einer Tritiumgewinnungsanlage nach Pakistan durch die NTG beweist, daß es effiziente Kontrollen nicht gab. Und das Landgericht Hanau hat in der Begründung zu seinem gestrigen Urteil der Bundesregierung vorgeworfen, skrupellose Geschäftemacher geradezu ermuntert zu haben, Pakistan mit allem auszustatten, was zum Bau einer Atombombe notwendig ist. Höhere Strafen, so sagte das Gericht, konnten deshalb nicht verhängt werden, weil das Bundesamt für Wirtschaft sich so exportfreundlich verhalten hat. Die Bundesregierung bzw. frühere Bundesregierungen haben es nicht nur unterlassen, Nuklearexporte wirkungsvoll zu kontrollieren, sie haben es auch durch Unterbieten von Lieferauflagen ermöglicht, daß Atomanlagen außerhalb der Überwachung der IAEO betrieben werden konnten. Eine besonders negative Rolle spielte dabei der frühere Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff, der bei einem persönlichen Besuch bei Castro Madeiro in Argentinien eine Verringerung der Überwachungsauflagen für den Fall zugesagt hatte, daß die KWU den Auftrag erhalten würde. Damit, so meine ich, hat sich Graf Lambsdorff eindeutig für eine Schwächung des internationalen Kontrollregimes eingesetzt und zuWeiss ({2}) mindest den Geist des Atomwaffensperrvertrags verletzt. ({3}) Ähnliches ließe sich auch zu Brasilien sagen. Hier hat die Bundesregierung immer behauptet, es gäbe kein auf den Bau einer Atombombe hin ausgerichtetes militärisches Atomprogramm in Brasilien. Mittlerweile ist klar, es gab ein geheimes Projekt der Streitkräfte zur Atombombenherstellung, und darüber hinaus haben die Brasilianer den Irak mit gereinigtem Uranoxid versorgt. Wohlgemerkt: Es war immer eine Grundlage des deutsch-brasilianischen Atomgeschäftes, daß in der Verfassung stehe, daß die Brasilianer auf Atomenergienutzung verzichtet hätten, und daß es keine Anzeichen für ein militärisches Programm gebe. Trotzdem gab es dieses Programm, und Sie haben sich geweigert, einer Kündigung des Vertrages zuzustimmen. Aber Sie sehen doch, auf welche Art und Weise Sie einfach Fehleinschätzungen begehen. Sonst hätten Sie damals schon davon ausgehen müssen, daß das Material in Brasilien militärisch mißbraucht wird. ({4}) Ich meine, nach Presseberichten sollen bundesdeutsche Firmen Ringmagneten für den Atombombenbau in den Irak geliefert haben. Das zeigt deutlich, daß die Kontrollen zu lasch waren. Ich bezweifle auch, ob ein effizientes System der Kontrolle von Nuklearexporten überhaupt möglich ist. Die Bundesregierung hat ja nicht einmal einen Überblick, wo im Lande mit sensitiven Technologien umgegangen wird und wo sensitive Anlagen bzw. Anlagenteile hergestellt werden können. ({5}) Anders als z. B. im Bereich der Überwachung des staatlichen Alkoholmonopols, wo jede Destillationsanlage erfaßt und vom Zoll plombiert wird, gibt es eine derartige Erfassung bei sensitiver Atomtechnologie nicht. Das beweist, daß die Bundesregierung die Gefahren der Schwarzbrennerei von Schnaps höher einschätzt als die Gefahren der Weiterverbreitung von Atomwaf f en. ({6}) Wir können auch heute nicht feststellen, daß eine Lieferung von spaltbarem Material nach Pakistan - diese Vermutung war ja der aktuelle Anlaß für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - nicht stattgefunden hat. Der Ausschuß hat zwar keine Beweise für diese Behauptung gefunden, es muß aber auch festgestellt werden, daß es niemand zwangsläufig merken muß, wenn eine solche Lieferung stattfindet. Die internationale Überwachung ist zwangsläufig lückenhaft, und weder die PTB noch der Zoll und erst recht nicht das Bundesamt für Wirtschaft hätten Verschiebungen von spaltbarem Material bemerken müssen. Deshalb gibt es eigentlich nur eine Konsequenz: den Umgang mit spaltbaren Materialien und sensitiver Technologie einzustellen, d. h. aus der Atomenergie auszusteigen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Harries.

Klaus Harries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000814, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Vorsitzender! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit Ihnen, Herr Bachmaier, bin ich ohne Einschränkung der Auffassung, daß der 2. Untersuchungsausschuß nützliche und gute Arbeit geleistet hat. Wir haben termingerecht prüf- und bedenkenswerte Ergebnisse und Vorschläge erarbeitet. Es war überhaupt nicht zu erwarten, daß es gelingen würde, einen einvernehmlichen Bericht vorzulegen. ({0}) Das ändert aber nichts an der Richtigkeit meiner positiven Eingangsbemerkung. ({1}) Meine Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich den Mitarbeitern des Sekretariats und den Mitarbeitern der Fraktionen, auch unserer Fraktion, für das danken, was sie über zweieinhalb Jahre geleistet, gearbeitet haben. Sie haben uns beraten, und sie haben uns bei dieser positiven Arbeit sehr geholfen. ({2}) Meine Damen und Herren, unser Ausschuß ist auch niemals an echten oder vermeintlichen Klippen endgültig hängengeblieben. Es ist uns immer gelungen, - und ich meine, da hat jedes Mitglied, jeder Kollege, jede Kollegin, mitgeholfen - , Klippen rechtzeitig zu erkennen und zu umschiffen. Das darf man, meine ich, auch einmal sagen. Es ging oft heiß her, aber es ist uns immer gelungen - und da haben Sie gewisse Weichen gestellt, Frau erste Vorsitzende - , diese Klippen zu umgehen. ({3}) Ich meine aber - und ich glaube, auch da könnten wir uns sofort verständigen - , daß es gut wäre, wenn es diesem Bundestag noch gelänge, ein Gesetz über die Arbeit der Untersuchungsausschüsse zu erreichen. Vielleicht ist das morgen noch möglich. Meine Damen und Herren, bei meinen Ausführungen will ich mich auf zwei Themen der Untersuchungsaufträge beschränken. Einmal will ich kurz über die Kernmaterialüberwachung reden und dann über die Problematik - Sie haben es hier sehr kritisch angesprochen - der legalen und illegalen Nuklearexporte. Wir wissen, daß die Kernmaterialüberwachung international und auch bei uns durch IAEO und EURATOM erfolgt. Inspektoren überprüfen alle kerntechnischen Anlagen. Und das funktioniert. Technische Geräte messen und beobachten zusätzlich. Der Umfang dieser Kontrolle durch Personen und durch Technik wird anschaulich wenn man sich vergegenwärtigt, daß ein Viertel der gesamten internationalen Kontrolle weltweit auf die Bundesrepublik Deutschland entfällt. ({4}) Einige Bemerkungen zu Einzelheiten: Der sogenannte Plutonium-Bunker in Hanau, meine Damen und Herren, in dem die Rohstoffreserven der Bundesrepublik lagern, hat seinen aufgebauschten und, wie ich meine, auf Unkenntnis beruhenden Schrecken nun weiß Gott durch unsere Untersuchungen, durch die Besichtigung voll verloren. Er ist nämlich nur mit Inspektoren der internationalen Behörden begehbar. Er kann nicht entleert werden, ohne daß man es sieht und merkt. Auch Teile sind praktisch überhaupt nicht entwendbar. Die Überwachung funktioniert hervorragend. Die Mol-Fässer sind angesprochen worden: Ich beschränke mich auf die Feststellung, daß es in diesen Mol-Fässern - das Versäumnis, die Fehler liegen woanders - niemals signifikante Mengen von Plutonium gegeben hat, die technisch und von den menschlichen Eingriffsmöglichkeiten jemand in die Lage versetzt hätten, zu einer signifikanten Menge zur Herstellung einer großen oder auch nur kleinen Bombe zu kommen. Auch das ist in sich zusammengefallen, dieser Popanz besteht nun wirklich nicht mehr. Meine Damen und Herren, wir haben lange über die sogenannten MUF-Mengen diskutiert. Dabei handelt es sich um Werte - ich darf das ablesen - , die als Folge von Meßungenauigkeiten bei der Mengenbilanzierung entstehen und die auch weder praktisch noch von der Signifikanz der Menge her jemanden in die Lage versetzen, zu einer Bombe, zu einer militärischen Nutzung zu kommen. ({5}) Auch die immer wieder zitierten und von uns geprüften terroristischen Gewaltanwendungen sind praktisch nicht möglich. Die Zeugen und die angehörten sachverständigen Zeugen haben auch das ganz eindeutig bestätigt. Einige Sätze, meine Damen und Herren, zu dem sogenannten Flaggentausch, der uns auch sehr beschäftigt hat: Hier werden eingegangene Safeguards-Verpflichtungen durch Verkäufernationen und Käufernationen ausgetauscht. Der Rohstoff Uran ist Gegenstand des Vertrages. Das Käuferland B tritt an die Stelle des Verkäuferlandes A, die Flagge wird ausgetauscht. Meine Damen und Herren, das sind keine Manipulationen, um militärische Zwecke zu erreichen, sondern das sind handelspolitische Vorgänge, die im Grunde auch - und ich meine, davon sollten wir alle überzeugt sein - der Sicherheit dienen. Trotz dieser positiven Ergebnisse bezüglich der Kernmaterialüberwachung sagen auch wir ohne jede Einschränkung: ({6}) Die Sicherheitsmaßnahmen müssen ständig verbessert, müssen natürlich neuen technischen Möglichkeiten angepaßt werden. Die IAEO braucht mehr Geld für mehr Inspektoren. Hier dürfen Haushaltsmittel, auch anderer Länder, nicht gesperrt werden. ({7}) Aber nur durch internationale Zusammenarbeit kommt man zu diesem notwendigen Ergebnis. Auch Technik entwickelt sich weiter. Die Technik muß verbessert werden. Es ist alles in allem eine notwendige Maßnahme, um bei der nicht überall vorhandenen Akzeptanz der Kernenergie hier einen Beitrag zur Sachlichkeit zu leisten. Meine Damen und Herren, ich komme zum letzten Komplex, den ich hier ansprechen möchte, nämlich zur Exportproblematik. Wir in der Bundesrepublik bekennen uns zur friedlichen Nutzung der Kernenergie. Wir sehen aber auch, daß sich die Nationen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie in dazu geeigneten Staaten bekennen und darin ein zulässiges Mittel zur Lösung des weltweit bestehenden und immer akuter werdenden Energieproblems sehen. Ich nenne hier nur ganz kurz die Stichworte Klimaveränderung und Tropenwälder, damit jedem deutlich wird, daß weltweit auch im Zusammenhang mit der Kernenergie umgedacht werden muß. ({8}) Die friedliche Nutzung der Kernenergie ist keine Erfindung der CDU. Sie war und ist bisher übereinstimmende Politik aller Bundesregierungen gewesen, gleich welcher Zusammensetzung. Der Grundsatz der friedlichen Nutzung der Kernenergie gilt - ich habe es gesagt - weltweit. Weltweit gilt aber auch die erklärte Politik, die Zahl der Länder, die Atomwaffen herstellen können, zu begrenzen. Ich sage ausdrücklich: Verbote, Einschränkungen bei der Genehmigung und mehr Sensibilität sind unverzichtbar und müssen auch bei uns, beim Bundesamt für Wirtschaft - darüber sind wir uns vollständig einig - in Genehmigungsvorgänge einfließen. Das in der Vergangenheit gelegentlich ja doch vorhandene - ich sage einmal - Nebeneinander und nicht Miteinander zwischen Ministerien - auch zu Ihrer Zeit, meine Damen und Herren - muß beseitigt werden. In diese Richtung haben wir nicht nur die Weichen gestellt, sondern dieses Miteinander wird inzwischen auch praktiziert. Ein Problem bei unseren Exporten von Nuklearstoffen liegt ganz sicher darin, daß wir nur darauf bestanden haben, unser Material der Kontrolle der IAEO durch Vertrag mit dem Käuferland, mit dem zu beliefernden Land zu unterstellen. Das war eine EinHarries schränkung, die jedoch internationalem Brauch entsprach. ({9}) Hier ist es meines Erachtens richtig und notwendig, daß man zu „full-scope safeguards", also auch zur Überwachung der Ressourcen kommt, die in anderen Ländern vorhanden sind, die auch von anderen Ländern geliefert worden sind oder die durch eigenes Fachwissen und durch eigene Entwicklung gekennzeichnet sind. Ich danke der Bundesregierung und dem Bundesaußenminister und dem Bundesforschungsminister und dem Entwicklungsminister ausdrücklich dafür, daß sie auf der Konferenz in Brasilien, auf der über den NV-Vertrag diskutiert wurde, die Weichen in die richtige Richtung gestellt haben. Ich sage auch, daß die Arbeit dieses Ausschusses mitgeholfen hat, die Sensibilität in diesem unverzichtbaren Punkt wirklich zu begründen und zu erweitern. ({10}) Wir sind genauso entsetzt wie Sie, meine Damen und Herren, über das, was in Libyen, dem Irak, in Pakistan und Brasilien geschehen ist. Da gibt es gar keine Unterschiede, oder sie werden hier aufgebauscht. Es geht darum, daß wir die richtigen Konsequenzen daraus ziehen. ({11}) Das ist geschehen, das haben wir gemacht. Insofern sind wir ganz auf dem richtigen Weg. Meine Damen und Herren, die allgemeine Verantwortung, die besteht, ist so groß, daß wir hier nicht nur mit Ernst, sondern auch mit Verantwortung bei der Arbeit gewesen und zu dem Schluß gekommen sind: Die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses bieten keinen Anlaß, aus der Kernergie auszusteigen. Aber die Verantwortung von uns allen hat nicht etwa heute aufgehört, sondern sie dauert an und fordert uns auch in der Zukunft. Ich bedanke mich. ({12})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Reuter.

Bernd Reuter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann zunächst feststellen, daß sich der Beitrag des Kollegen Harries sehr wohltuend von den Beiträgen der Kollegen Dr. Friedrich und Timm, die wir vorher gehört haben, abgehoben hat. Ich kann, auch wenn ich zu einer anderen Schlußbewertung komme, zunächst einmal feststellen, daß die Bundesregierung und auch die in den Ländern mit den Genehmigungen befaßten Ministerien aus dem Atomskandal nichts gelernt haben, denn erneut liegt eine Meldung vor: Weimar gestattet Bau von Anlagen für Plutoniumverarbeitung - 5. Teilgenehmigung für frühere ALKEM. Sensibilität ist bei Ihnen nicht feststellbar. ({0}) Der Wille zur Aufklärung und zur sachgerechten Beantwortung der in den Untersuchungsaufträgen aufgeworfenen Fragen war, wenn wir ehrlich sind, ({1}) praktisch nur bei den Oppositionsfraktionen vorhanden. CDU/CSU und FDP haben es allein darauf angelegt, die Ermittlungstätigkeit des Ausschusses zu behindern und zu verzögern. Ich erinnere nur daran, daß Sie es mit Ihrer Verfahrensmehrheit geschafft haben, über ein halbes Jahr hinweg die Vernehmung des früheren Bundeswirtschaftsministers Graf Lambsdorff über seine Verwicklungen im Atomgeschäft zu verhindern, und das, obwohl mehrere Beweisbeschlüsse des Ausschusses und zahlreiche Anträge der Oppositionsfraktionen auf Vernehmung dieses Zeugen vorlagen. ({2}) - Sie waren doch nicht der Motor dieses Ausschusses, Sie waren der Bremser, Herr Kollege Timm. ({3}) Sie waren sich darüber hinaus nicht zu schade, die Bundesregierung zur Verweigerung der Herausgabe von Akten oder zur ausufernden Geheimeinstufung von Unterlagen anzuhalten ({4}) und Privatpersonen zur gerichtlichen Anfechtung von Beschlüssen des Ausschusses zu ermutigen. ({5}) Ich frage mich, wie es mit der Gewaltenteilung hier in diesem Hause eigentlich bestellt ist, wenn Sie den Versuch machen, die Bundesregierung von allen Vorwürfen reinzuwaschen. Im Falle des AtomskandalUntersuchungsausschusses kommt die Interessenverquickung von Bundesregierung und Mehrheitsfraktionen mit der Nuklearindustrie noch erschwerend hinzu. ({6}) Die Taktik, die Aufklärungsarbeit intern zu boykottieren und nach außen hin die Bedeutung des Ausschusses herabzuwürdigen, ist nicht aufgegangen. Auch in dem langwierigen Streit um die Rechtmäßigkeit des Untersuchungsauftrags mußten die Mehrheitsfraktionen schließlich klein beigeben. Ich persönlich bin mit den Ergebnissen, die dieser Untersuchungsausschuß erbracht hat, durchaus zufrieden, ({7}) auch wenn sie bei allseitiger Mitwirkung in erheblich kürzerer Zeit hätten erreicht werden können. Ich kann aus der Fülle des Materials hier nur einige wenige Punkte ansprechen, meine Damen und Herren. Der eigentliche Atomskandal war zu einem gro18590 ßen Teil ein Skandal Wallmann/Weimar. Denn diese hessischen Weltpolitiker waren dem Verdacht, spaltbares Material sei zum Waffenbau nach Libyen oder Pakistan geschafft worden, nicht gewachsen. Sie reagierten auf die von Journalisten in die Welt gesetzten Berichte hektisch, hilflos und inkompetent. ({8}) Daß das bei Herrn Wallmann kein einmaliger Ausrutscher war, haben wir bei der Milde-Wallmann-Abhöraffäre gesehen, die wir jetzt in Hessen weiter erleben. Meine Damen und Herren, als Transnuklear-Affäre verbleiben die Zahlung hoher Schmiergelder und Verstöße gegen das Atomrecht bei Beförderung und Lagerung nuklearer Abfälle. Aber diese Vorgänge wären - das haben die Untersuchungen des Ausschusses eindeutig belegt - besser als Atomindustrieskandal zu bezeichnen. Wer nämlich versucht, einzelne Mitarbeiter der Firma Transnuklear als schwarze Schafe herauszugreifen, betreibt eigentlich das Spiel der Atomlobby. Empfänger von Schmiergeldern, darunter Strahlenschutzbeauftragte und Sicherheitsbeauftragte, befanden sich in fast allen deutschen Kernkraftwerken. Vieles deutet darauf hin, daß derartige Zahlungen in der Branche üblich sind. Damit sind aber an wichtigen Stellen in der Kernenergieindustrie sitzende Personen potentiell erpreßbar. Welche Sicherheitsrisiken damit verbunden sind, ist offensichtlich und in hohem Maße auch für uns beängstigend. Meine Damen und Herren, nicht nur ein lascher Umgang mit Gesetzesvorschriften wird an den Vorgängen deutlich, die wir untersucht haben, sondern auch ein gravierendes Defizit bei der staatlichen Überwachung von Nuklearabfällen. Diese fand praktisch nur auf dem Papier statt. Hinzu kamen verschiedene Rechtsunsicherheiten im Atomrecht, z. B. bei der Abgrenzung zwischen Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen. Unser Bundesumweltminister handelte immer wieder erst, als das Kind bereits in den Brunnen gefallen war, ({9}) als die skandalösen Zustände offenkundig geworden waren. Wieder einmal standen bei Ihnen die Öffentlichkeitswirkungen im Vordergrund, nicht aber tatsächli che Verbesserungen, die zwingend notwendig gewesen wären. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Genehmigungen nach dem Atomgesetz sind nun nicht mehr erforderlich, wenn Material wie in dem vorliegenden Fall nach Mol geschafft wird. Man hat einfach die Gesetze vereinfacht, um gewisse Dinge leichter passieren zu lassen. ({10}) Der Versuch des Bundesumweltministers, sich weiterhin als Verfechter einer scharfen Linie gegenüber der Atomindustrie aufzuspielen, wirkt hierbei geradezu lächerlich. Einen der Schwerpunkte der Ausschußarbeit bildete die Untersuchung illegaler und legaler Nuklearexporte aus der Bundesrepublik Deutschland in Länder, die den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet haben. Danach kann die Fiktion nicht aufrechterhalten werden, die zivile und die militärische Nutzung der Kernenergie könnten voneinander getrennt werden. Diese Fiktion ist aus unserer Sicht nicht mehr aufrechtzuerhalten. ({11}) Andere Erkenntnisse aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses kann ich hier nur stichwortartig ansprechen. Die technischen Risiken des Betriebs von Kernkraftwerken, die sich natürlich nicht nur auf russische Reaktoren beschränken, haben sich bei dem Störfall vom Dezember 1987 im Kernkraftwerk Biblis gezeigt. Die Kombination von technischem Versagen und menschlichem Unvermögen kann auch bei uns zur Katastrophe führen. ({12}) Biblis bildet ein gutes Beispiel dafür, daß dann, wenn Unregelmäßigkeiten im Betriebsablauf vorkommen, nicht allein Sicherheitserwägungen, sondern auch wirtschaftliche Zwänge und Produktionsdruck für das Verhalten der Betriebsmannschaften maßgeblich sind. Wir können nicht bereit sein, diese Risiken zu akzeptieren. Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuß hat Sachverhalte zutage gefördert, die eine Fülle von Material über die Schwächen der Kernenergienutzung darstellen. Das augenzwinkernde Zusammenwirken von Behörden und Nuklearindustrie bei Genehmigungsverfahren haben wir offengelegt, ({13}) ebenso die verharmlosende Sprache in der Diskussion. Ich möchte einmal entlarvend feststellen: Da wird der Unfall in Biblis als „besonderes Vorkommnis" bezeichnet. Da erklärt die Bundesregierung die Entwicklung eines U-Boot-Antriebs durch die brasilianische Marine zu einer nicht militärischen Nutzung der Kernenergie. Da wird wie selbstverständlich jede nukleare Zusammenarbeit mit dem Apartheid-Regime in Südafrika abgestritten, obwohl laufend Exportgenehmigungen erteilt werden. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, manchmal denke ich, daß Ihnen der Blick für die Realität verstellt war. ({14}) Der Bericht des 2. Untersuchungsausschusses darf nicht in der Schublade verschwinden. Der neue Bundestag, der am 2. Dezember gewählt wird, muß nach meinem Dafürhalten diesen Bericht wieder aus der Schublade holen. Denn eines ist doch klar und mit Sicherheit nachvollziehbar - das hat die Arbeit des Atomskandal-Untersuchungsausschusses auch gezeigt - : Es wäre dringend geboten, bald aus der Nutzung der Kernenergie auszusteigen. Schönen Dank. ({15})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, wir kommen nun, da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des 2. Untersuchungsausschusses auf Drucksache 11/7800. Es handelt sich nur um eine Kenntnisnahme. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist diese Kenntnisnahme erfolgt. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 6 sowie die Zusatzpunkte 1 bis 6 auf: 6. Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank - Drucksache 11/8015 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({0}) - Drucksache 11/8339 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Solms Dr. Wieczorek ({1}) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung einer Repräsentativstatistik über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt ({2}) und des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke ({3}) - Drucksache 11/7768 Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({4}) - Drucksache 11/8306 Berichterstatter: Abgeordnete Wartenberg ({5}) Frau Dr. Vollmer Dr. Blens Dr. Hirsch ({6}) c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes - Drucksache 11/7665 -Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({7}) - Drucksache 11/8343 Berichterstatter: Abgeordnete Huonker Rind Frau Will-Feld ({8}) d) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bausparkassen - Drucksachen 11/7424, 11/8089 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({9}) - Drucksache 11/8322 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Grünewald Huonker ({10}) e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Wertpapier-Verkaufsprospekte und zur Änderung von Vorschriften über Wertpapiere - Drucksache 11/6340 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({11}) - Drucksache 11/8323 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Fell Dr. Wieczorek ({12}) f) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung der Ausgabe von Schuldverschreibungen - Drucksache 11/5830 - aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({13}) - Drucksache 11/8181 - Berichterstatter: Abgeordnete .. . bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({14}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 11/8182 Berichterstatter: Abgeordnete Diller von Schmude Dr. Weng ({15}) Kleinert ({16}) ({17}) g) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften ({18}) - Drucksache 11/6341 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({19}) - Drucksache 11/8321 18592 Deutscher Bundestag - 11.Wahlperiode Wahlperiode - 233 Sitzung. Bonn, Dienstag, den 30 Oktober 1990

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Abgeordnete Dr. Faltlhauser Huonker ({0}) h) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Gebühren für die Benutzung von Bundesfernstraßen mit schweren Lastfahrzeugen - Drucksache 11/8011 - aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr ({1}) - Drucksache 11/8203 ({2}) - Berichterstatter: Abgeordneter Rauen bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 11/8300 Berichterstatter: Abgeordnete Purps Windelen Zywietz ({4}) j) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Änderung vom 19. Januar 1989 des Übereinkommens vom 3. September 1976 über die Internationale Seefunksatelliten-Organisation ({5}) - Drucksache 11/6554 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Post und Telekommunikation ({6}) - Drucksache 11/8199 Berichterstatter: Abgeordneter Börnsen ({7}) ({8}) k) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes - Drucksache 11/7102 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit ({9}) - Drucksache 11/8276 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Saibold ({10}) 1) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({11}) zu dem Antrag der Abgeordneten Odendahl, Dr. Penner, Kastning, Dr. Böhme ({12}), Kuhlwein, Dr. Niehuis, Rixe, Weisskirchen ({13}), Duve, Bernrath, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Leseverhalten und Lesekultur zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über Maßnahmen im Bereich des Buches - Drucksachen 11/3286, 11/5005, 11/7175 Berichterstatter: Abgeordnete Daweke Weisskirchen ({14}) Neuhausen m) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({15}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Miltner, Daweke, Graf von Waldburg-Zeil, Frau Hasselfeldt, Frau Pack, Harries, Nelle, Oswald, Schemken, Gerster ({16}), Dr. Blank, Dr. Blens, Clemens, Fellner, Dr. Hüsch, Kalisch, Dr. Kappes, Krey, Dr. Laufs, Frau Limbach, Neumann ({17}), Dr. Olderog, Regenspurger, Frau Dr. Wisniewski, Weiß ({18}), Zeitlmann, Magin und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Neuhausen, Richter, Dr. Thomae, Dr.-Ing. Laermann, Kohn, Timm und der Fraktion der FDP Auftrag der politischen Bildung in der Demokratie zu dem Antrag der Fraktion der SPD Politische Bildung - Drucksachen 11/1689, 11/1573, 11/7988 - Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Wisniewski Duve Richter Frau Dr. Vollmer n) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit ({19}) zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Nichtbeachtung der Richtlinien über die Gleichbehandlung von Mann und Frau ({20}) - Drucksachen 11/2098, 11/8143 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Schmidt ({21}) Vizepräsident Cronenberg o) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({22}) zu dem Antrag der Abgeordneten Ewen, Faße, Büchner ({23}), Buschfort, Egert, Graf, Haack ({24}), Dr. Hauchler, Heistermann, Hiller ({25}), Kißlinger, Dr. Klejdzinski, Kolbow, Dr. Kübler, Leidinger, Müller ({26}), Müller ({27}), Müntefering, Dr. Niehuis, Opel, Reimann, Reuter, Scherrer, Schütz, Seidenthal, Dr. Skarpelis-Sperk, Stiegler, Terborg, Tietjen, Wimmer ({28}), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Reisen und Behinderte - Drucksachen 11/7425, 11/8213 ({29}) - Berichterstatter: Abgeordneter Ewen p) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({30}) Sammelübersicht 185 zu Petitionen - Drucksache 11/8220 - q) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({31}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung ({32}) des Rates zur Einführung der endgültigen Marktordnung für den Güterkraftverkehr - Drucksachen 11/7115 Nr. 2.13, 11/8258 Berichterstatter: Abgeordneter Weiss ({33}) r) Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses ({34}) Übersicht 18 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht - Drucksache 11/8262 - Berichterstatter: Abgeordneter Hirsch s) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung ({35}) zu dem Antrag der Abgeordneten Vosen, Vahlberg, Fischer ({36}), Bernrath, Bulmahn, Catenhusen, Ganseforth, Grunenberg, Lohmann ({37}), Nagel, Seidenthal, Dr. Skarpelis-Sperk, Stahl ({38}), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Informationstechnik 2000 zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Zukunftskonzept Informationstechnik Drucksachen 11/2592, 11/5436, 11/8271 - Berichterstatter: Abgeordnete Maaß Vahlberg Dr.-Ing. Laermann Frau Rust t) Beratung der Beschlußempfehlungen und des Berichts des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung ({39}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm für Forschung und technologische Entwicklung - im Bereich der Informationstechnologie ({40}) - im Bereich der Kommunikationstechnologien ({41}) - im Bereich der Prüf- und Meßverfahren ({42}) - im Bereich der Meereswissenschaft und -technologie ({43}) - im Bereich der Biotechnologie ({44}) - im Bereich der nichtnuklearen Energien ({45}) - im Bereich der Umwelt ({46}) - im Bereich der Agrar- und agrarwirtschaftlichen Forschung ({47}) - im Bereich Biomedizin und Gesundheitswesen ({48}) - im Bereich der Biowissenschaften und -technologien für die Entwicklungsländer ({49}) - im Bereich Humankapital und Mobilität ({50}) - im Bereich der allgemeinrelevanten Telematiksysteme ({51}) - im Bereich industrieller und Werkstofftechnologien ({52}) - Drucksachen 11/7732 Nr. 34, 36 bis 44, 11/7755 Nr. 3.11, 11/7884 Nr. 2.7 und 2.8 Berichterstatter: Abgeordnete Lenzer Dr.-Ing. Laermann ZP1 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie Frauen und Gesundheit ({53}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung 18594 Deutscher Bundestag - 11 Wahlperiode Vizepräsident Cronenberg Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinien 65/65/EWG und 75/319/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel und zur Festlegung zusätzlicher Vorschriften für homöopathische Arzneimittel Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 81/851/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel und zur Festlegung zusätzlicher Vorschriften für homöopathische Tierarzneimittel - Drucksachen 11/7136, 11/8302 Berichterstatter: Abgeordneter Jaunich ZP2 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({54}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über bestimmte Arbeitsverhältnisse hinsichtlich der Arbeitsbedingungen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über bestimmte Arbeitsverhältnisse im Hinblick auf Wettbewerbsverzerrungen Vorschlag für eine Richtlinie zur Ergänzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Zeitarbeitnehmern - Drucksachen 11/8091 Nr. 2.28, 11/8318 Berichterstatter: Abgeordneter Fuchtel ZP3 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({55}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung ({56}) des Rates über die tierseuchenrechtlichen Bedingungen für das Inverkehrbringen von Tieren und Erzeugnissen tierischen Ursprungs innerhalb der Gemeinschaft, soweit für sie nicht anderweitige Gemeinschaftsregelungen gelten - Drucksachen 11/6941 Nr. 9, 11/8328 Berichterstatter: Abgeordneter Müller ({57}) ZP4 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({58}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung ({59}) Nr. 283/72 betreffend die Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinbeziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informationssystems - Drucksachen 11/7609 Nr. 28, 11/8330 - Berichterstatter: Abgeordneter Susset ZP5 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({60}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung ({61}) des Rates über Kontrollen und Sanktionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrar- und Fischereipolitik - Drucksachen 11/7609 Nr. 26, 11/8331 Berichterstatter: Abgeordneter Bayha ZP6 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({62}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung ({63}) des Rates mit tierseuchenrechtlichen Vorschriften für die Vermarktung von Tieren und anderen Erzeugnissen der Aquakultur - Drucksachen 11/6941 Nr. 7, 11/8332 Berichterstatter: Abgeordneter Bredehorn Ich teile dem Haus mit, daß wir jetzt viele Vorlagen ohne Aussprache zu behandeln haben. Wir werden also allerhand Abstimmungen durchzuführen haben. Wir kommen zunächst zur Einzelberatung und Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank. Es handelt sich um die Drucksachen 11/8015 und 11/8339. Zu diesem Tagesordnungspunkt haben die Abgeordneten Lüder ({64}) und Dr. Hirsch eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben. *) Ich nehme an, daß es sich um Erklärungen aus der Sicht Berlins zu dieser Frage handelt. Ich komme nun zur Abstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift mit der vom Ausschuß empfohlenen Änderung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit sind die aufgerufenen Vorschriften mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP, GRÜNEN/Bündnis 90 und einigen Stimmen aus der SPD-Fraktion bei unterschiedlichem Stimmverhalten bei der Gruppe der PDS angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP mit Ausnahme des Abgeordneten Lüder, der SPD und der GRÜNEN/Bündnis 90 sowie einigen Stimmen aus der Gruppe der PDS angenommen worden. *) Anlage 2 Vizepräsident Cronenberg Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 6 b. Herr Abgeordneter Such hat gebeten, eine Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung abgeben zu dürfen. Herr Abgeordneter Such hat das Wort.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Volkszählungsgegner und als Zwangsgeldzahler kann ich dieses Gesetz über den Mikrozensus nur ablehnen. ({0}) - Wenn ich „Zwangsgeldzahler" sage, dann habe ich das auch bezahlt. ({1}) Genau dieses Zwangsgeld drohen Sie wiederum den Menschen an, die sich weigern, an diesen Erhebungen teilzunehmen. Insofern zwingen Sie Menschen zu Aussagen, die sie freiwillig gar nicht machen wollen. Und was ist mit Aussagen, die nicht freiwillig gemacht werden? Sie entsprechen in vielen Fällen nicht unbedingt der Wahrheit. Das heißt, es ist nicht zu erwarten, daß die Befragungen ein den Tatsachen entsprechendes Ergebnis bringen. Insofern ergibt sich eigentlich überhaupt keine Veranlassung, solche Befragungen in dieser Art und Weise durchzuführen. Ich glaube auch, daß es Sinn dieser Befragungen ist, ein Ergebnis zu bekommen, wie Sie es wünschen. So werden auch die entsprechenden Fragen gestellt. Wenn Sie wirklich Politik für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande machen wollten, würden Sie z. B. nicht fragen, welchen Beruf jemand ausübt oder welche Wohnung er hat. Vielmehr würden Sie danach fragen müssen, welchen Beruf er vielleicht ausüben möchte und welche Wohnung er bewohnen möchte. Dann machte man Politik für die Bürgerinnen und Bürger. ({2}) Das ist mit diesen Befragungen nicht möglich. Darüber hinaus habe ich erhebliche Zweifel, ob hier die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes eingehalten werden. Wir wissen, daß die Technik immer weiter fortschreitet und daß man Datenabgleiche durchführen kann, die kaum noch kontrollierbar sind. Es ist nicht vorauszusehen, in welchen Kanälen diese Daten landen, die ja anoym erhoben werden sollen. Auch besteht durchaus die Gefahr, daß die Daten öffentlich gemacht werden und daß diejenigen Personen, die befragt worden sind, reidentifiziert werden können. ({3}) Aus diesem Grunde muß ich insbesondere als kritischer Polizist, der mit solchen Dingen in der Praxis zu tun hatte, sagen, daß es nicht hinzunehmen ist, Befragungen der Bevölkerung in dieser Form durchzuführen. Daher kann man dieses Gesetz nur ablehnen. Ich danke Ihnen. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, nun kommen wir zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mikrozensusgesetzes und des Bundesstatistikgesetzes. Es handelt sich um die Drucksachen 11/7768 und 11/8306. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Eine Enthaltung bei der Gruppe der PDS. Dann ist das mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Keine Enthaltung. Dann ist das mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. Ich lasse nunmehr über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8373 abstimmen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist dieser Antrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt. Nun kommen wir zu Tagesordnungspunkt 6 c: Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes, Drucksachen 11/7665 und 11/8343. Ich rufe die Artikel 1 und 2, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann sind die aufgerufenen Vorschriften mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Enthaltung der Gruppe der PDS und der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 angenommen worden. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen ist das Gesetz angenommen worden. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6 d: Einzelberatung und Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bausparkassen, Drucksachen 11/7424, 11/8089 und 11/8322. Ich rufe die Artikel 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den auf gerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? Vizepräsident Cronenberg Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPDFraktion und einigen Stimmen der Gruppe der PDS bei Enthaltungen in der Gruppe der PDS und der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 angenommen worden. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist das Gesetz mit der gleichen Mehrheit wie bei der zweiten Beratung angenommen worden. Tagesordnungspunkt 6 f: Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der Ausgabe von Schuldverschreibungen, Drucksachen 11/5830 und 11/8181. Ich rufe die Artikel 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind bei Enthaltung der Gruppe der PDS und der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Mit den gleichen Mehrheiten wurde das Gesetz angenommen. Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 6e: Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über Wertpapiere, Drucksachen 11/6340 und 11/8323. Ich rufe die Artikel 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit sind die aufgerufenen Vorschriften bei einigen Enthaltungen in der Gruppe der PDS mit Zustimmung der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen worden. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie bei der zweiten Beratung wurde auch dieses Gesetz angenommen. Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 6 g: Einzelberatung und Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Durchführung versicherungsrechtlicher EG-Richtlinien, Drucksachen 11/6341 und 11/8321. Ich rufe die Artikel 1 bis 6, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit sind die aufgerufenen Vorschriften mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei einigen Stimmenthaltungen und einigen Gegenstimmen in der Gruppe der PDS und bei Gegenstimmen der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist das Gesetz mit den gleichen Mehrheiten angenommen worden, wobei alle drei Abstimmungsmöglichkeiten in der Gruppe der PDS zu verzeichnen waren. Wir kommen nunmehr zu Tagesordnungspunkt 6 h: Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Änderungsgesetzentwurf über Gebühren für die Benutzung von Bundesfernstraßen mit schweren Lastfahrzeugen, Drucksachen 11/8011 und 11/8203 ({0}). Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Keine. Damit sind die aufgerufenen Vorschriften mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Keine. Damit sind die aufgerufenen Vorschriften mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS angenommen worden. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 6j: Abstimmung über den Vertragsgesetzentwurf zur Internationalen Seefunksatelliten-Organisation, Drucksachen 11/6554 und 11/8199. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann sind diese Vorschriften bei einigen Enthaltungen aus der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS angenommen worden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das Gesetz ist mit den Stimmen der SPD-Fraktion und der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und bei unterschiedlichem Stimmverhalten der Gruppe der PDS angenommen worden. Wir kommen nunmehr zu Tagesordnungspunkt 6 k: Einzelberatung und Abstimmung über den von der Vizepräsident Cronenberg Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes, Drucksachen 11/7102 und 11/8276. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer diesen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit gegen die Stimmen der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 bei Enthaltung der Fraktion der SPD sowie Zustimmung, Gegenstimmen und Enthaltungen aus der Gruppe der PDS angenommen worden. Wer nun dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Das Gesetz ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie in der zweiten Lesung angenommen worden. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6 1: Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft auf Drucksache 11/7175 zu dem Antrag der Fraktion der SPD über Leseverhalten und Lesekultur und zu dem Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen im Bereich des Buches, Drucksachen 11/3286 und 11/5005. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung des Abgeordneten Ullmann ist die Beschlußempfehlung angenommen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6 m: Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Innenaus) schusses auf Drucksache 11/7988 zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP über den Auftrag der politischen Bildung in der Demokratie und zu dem Antrag der Fraktion der SPD über politische Bildung, Drucksachen 11/1689 und 11/1573. Dazu hat nach § 31 unserer Geschäftsordnung Frau Abgeordnete Hillerich das Wort.

Imma Hillerich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000902, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte kurz darlegen, weshalb meine Fraktion, Die GRÜNEN/Bündnis 90, der Beschlußempfehlung des Innenausschusses zur politischen Bildung nicht zustimmen kann ({0}) - das muß keine persönliche Erklärung sein; Sie kennen offenbar die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages nicht - und wir einen Änderungsantrag hierzu einbringen. Wir können erstens nicht zustimmen, weil die zur Abstimmung vorliegende Beschlußempfehlung eine konsequenzenlose und beschämende Beerdigung des Themas „Politische Bildung" in dieser Legislaturperiode darstellt. Damit, eine Beschlußempfehlung zu verabschieden, in der die Bundesregierung auf gefordert wird, bis zum 1. November 1990 -das ist übermorgen! - einen umfassenden Bericht über den Stand und die Perspektiven der politischen Bildung in der Bundesrepublik zu erstatten, macht sich der Deutsche Bundestag nur lächerlich. Außerhalb des Hohen Hauses nennt man so etwas Selbstverarschung. Wir können zweitens nicht zustimmen, weil der Inhalt dieser Beschlußempfehlung, aber auch die Art und Weise ihres Zustandekommens zeigt, daß der Innenausschuß mit diesem Thema offensichtlich überfordert ist. Äußerst bedauerlich finde ich es, daß nicht einmal die SPD hieraus die erforderlichen Konsequenzen gezogen hat, sich für eine andere politische Zuständigkeit für die politische Bildung, nämlich die des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft, einzusetzen. Wir können drittens nicht zustimmen, weil sich mit dieser Beschlußempfehlung unsere Befürchtung bestätigt, daß politische Bildung weiterhin auf einen engen, institutionenfixierten Begriff des Politischen beschränkt bleiben soll, obwohl wir doch alle wissen, daß politische Bildung nur dann zur Demokratiefähigkeit unserer Gesellschaft beitragen kann, wenn sie sich den Herausforderungen und Problemen menschlichen, gemeinschaftlichen Überlebens und Zusammenlebens umfassend stellt. Dazu gehören mehr denn je die Herausforderungen durch die ökologische Krise, durch die Risiken der Technikentwicklung, durch die Frauenemanzipation, der endlich eine Emanzipation der Männer von überkommenen Rollen folgen muß, aber auch die Herausforderung durch das Zusammenleben mit Menschen unterschiedlicher nationaler und kultureller Herkunft. - Nichts davon steht in der Beschlußempfehlung des Innenausschusses! Wir können viertens nicht zustimmen, weil in der Beschlußempfehlung die politische Bildung auf kognitive Wissensvermittlung reduziert wird. Das ist die Methode des Nürnberger Trichters, deren pädagogische Wirkungslosigkeit schon seit langem nachgewiesen ist. Gerade politische Bildung muß handlungsorientiert sein, d. h. sie muß Kenntnisse und Wissen und persönlichen Zugang zur Politik in der Erprobung sozialen und politischen Handelns vermitteln. Wir können fünftens nicht zustimmen, weil trotz ausführlicher Anhörung der Träger der politischen Bildung und ausführlicher Erörterung der Strukturprobleme in der Bundeszentrale für politische Bildung in dieser Beschlußempfehlung keinerlei Konsequenzen gezogen werden im Hinblick auf die nach wie vor unbefriedigende Förderstruktur in der politischen Bildung und im Hinblick auf eine effiziente und regierungs- wie parteipolitisch unabhängige Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung. In unserem Antrag haben wir derartige Konsequenzen gezogen, und deshalb stellen wir ihn jetzt als Änderungsantrag zur Abstimmung. Ich möchte insbesondere die Fraktion der SPD um ein überlegtes Abstimmungsverhalten hinsichtlich unseres Änderungsantrags bitten. ({1}) Immerhin gibt es Übereinstimmungen bei der Forderung nach der Öffnung der politischen Bildung gegenüber der beruflichen Bildung sowie bei der Forderung nach sozialer Absicherung der Teilnahme an anerkannten Veranstaltungen der politischen Bildung durch einen bundesweit geltenden Freistellungsanspruch für zehn Tage im Jahr. Unseren Vorschlägen zu einer effizienten Gestaltung der Förderstruktur politischer Bildung durch eine Unterscheidung zwischen Trägerförderung einerseits und innovativer Projektförderung andererseits sowie zur staats- und parteifernen Reorganisation der Bundeszentrale für politische Bildung sollten Sie sich zumindest nicht verschließen. Zur Erinnerung: Im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft haben Sie sich enthalten. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Der Ausschuß empfiehlt Ihnen unter I die Annahme einer Entschließung. Hierzu liegt auf Drucksache 11/8308 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wer für diesen Änderungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Weiterhin liegt hierzu ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8348 vor. Wer für diesen Änderungsantrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen! - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei unterschiedlichem Stimmverhalten der SPD und der PDS-Gruppe sowie bei Zustimmung der Fraktion DIE GRÜNEN abgelehnt worden. Wir stimmen nun über Abschnitt I der Beschlußempfehlung ab. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Der Ausschuß empfiehlt weiter, die Anträge der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP sowie der SPD auf den Drucksachen 11/1689 und 11/1573 für erledigt zu erklären. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Empfehlung stattgegeben worden. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6 n: Beschlußempfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit auf Drucksache 11/8143. Es handelt sich um die Entschließung des Europäischen Parlaments über Probleme der Gleichbehandlung von Mann und Frau, - Drucksache 11/2098 Die Abgeordnete Frau Dr. Enkelmann hat hierzu um eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung gebeten. Frau Dr. Enkelmann, Sie haben das Wort.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten abgeben. Die Umsetzung der EG-Richtlinie über die Gleichbehandlung von Frau und Mann ist dringend notwendig. Aber nur Kenntnisnahme durch die Bundesregierung allein reicht nicht aus. Wesentliche Schlußf orderungen sind erforderlich. Trotz der Gleichbehandlungsgarantie nach Art. 3 des Grundgesetzes existieren real umfangreiche Benachteiligungen von Frauen in der Arbeitswelt, in der Gesellschaft, in der privaten Sphäre, aber auch in den Medien. Von bestimmten Äußerungen in diesem Parlament ganz abgesehen. Die Arbeitswelt ist ausschließlich an der männlichen Erwerbsbiographie orientiert, an der männlichen Arbeitskraft ohne familiäre Belastungen. Es geht um die Handhabung von Auswahlkriterien. In den neuen Bundesländern zeigt sich ganz deutlich, daß Frauen, vor allen Dingen mit kleinen Kindern und Haushalt, bei der Vergabe von Arbeitsplätzen benachteiligt werden. Außerdem wird der weibliche Lebenszusammenhang in der Arbeitswelt ungenügend berücksichtigt. Das wirkt diskriminierend. Nach wie vor sind berufstätige Frauen doppelt belastet. Allein mit Appellen zur Bewußtseinsänderung von Männern ist dieses Problem nicht zu lösen. ({0}) Indirekte Diskriminierung besteht ganz offenkundig bei der Entlohnung. Seit Jahren beklagen die Gewerkschaften ein durchschnittliches Einkommensdefizit bei Frauen gegenüber den Männern von 30 %. Dieses Problem ist nur mit einer grundsätzlichen Absage an patriarchalisch geprägte Entlohnungsnormen lösbar. ({1}) Notwendig ist die Neubewertung von sogenannten Frauenberufen und -tätigkeiten. Wenn das Europäische Parlament fordert, die Schutzvorschriften möglichst rasch im Hinblick auf das Problem der Vermeidung der indirekten Diskriminierung zu revidieren, reicht keine Kenntnisnahme. Konkrete Schlußfolgerungen und Gesetzesvorlagen sind dringend erforderlich.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Verehrte Frau Dr. Enkelmann, ich möchte Sie ungerne unterbrechen. Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie keinen Debattenbeitrag liefern würden, sondern eine Erklärung zur Abstimmung abgäben. Ich habe Verständnis dafür, daß dieses Ritual erst eingeübt werden muß. Doch ich wäre Ihnen schon dankbar, wenn Sie ein bißchen Rücksicht darauf nähmen.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Nur noch zwei Sätze: Wir denken an ein Antidiskriminierungsgesetz. Aus den genannten Gründen lehnen wir die Beschlußempfehlung ab. Danke.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Die SPD-Fraktion hat darum gebeten, eine getrennte Abstimmung vorzunehmen. Wer für Nr. I der Beschlußempfehlung stimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Dann ist Nr. I mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen. Wer stimmt für II der Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist II der BeschlußVizepräsident Cronenberg empfehlung mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, DIE GRÜNEN, CDU/CSU und FDP bei unterschiedlichem Stimmverhalten der PDS-Gruppe angenommen worden. Wir kommen nunmehr zu Tagesordnungspunkt 6o, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 11/8213 ({0}). Es handelt sich um Reisen für Behinderte. Hierzu hat der Abgeordnete Dr. Seifert um das Wort zu einer Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung gebeten. Herr Dr. Seifert, Sie haben das Wort.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie können sich sicherlich vorstellen, daß ich einer solchen Beschlußempfehlung sehr gern zustimmen würde. Das geht aber leider nicht, weil sich die Vorlage in allgemeinen Absichtserklärungen erschöpft und in diesem Zusammenhang sogar noch hinter der Vorlage vom 19. Juni diesen Jahres zurückbleibt. Das finde ich sehr bedauerlich. Ich frage Sie: Was ist denn „der erforderliche Umfang", in dem beispielsweise die Transportsysteme auszubauen sind? Der erforderliche Umfang heißt alles. Jedes Fahrzeug muß so ausgerüstet sein, daß es der Mensch, der behindert ist, jederzeit frei benutzen kann, so daß er nicht durch irgendwelche Voranmeldungen schon wieder diskriminiert wird. Das gleiche trifft zu für die ungenügende Einbeziehung der Behindertenvertretungen. Auch das ist eben nur eine unverbindliche Absichtserklärung: daß sie eventuell einbezogen werden könnten oder sollten. Ich bin der Meinung - ich bitte Sie dringend, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das in Zukunft doch noch irgendwie mit einzubauen - , daß Behindertenvertreter in die Planung, Projektierung, Entwicklung und Ausführung aller Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang notwendig sind, verbindlich einbezogen werden müssen. ({0}) Deshalb, wie gesagt, kann ich dem nicht zustimmen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/7425 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer dieser Empfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP bei unterschiedlichem Stimmverhalten der PDS-Gruppe angenommen worden. Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 6 p, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 11/8220. Es handelt sich um die Sammelübersicht 185. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Fraktion der SPD und der Koalitionsfraktionen bei unterschiedlichem Stimmverhalten der PDS-Gruppe und Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN angenommen worden. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 6 q, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr auf Drucksache 11/8258: Vorschlag für eine EG-Verordnung zur Einführung der endgültigen Marktordnung für den Güterkraftverkehr. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung offensichtlich einstimmig angenommen worden. Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 6 r, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 11/8262. Es handelt sich um eine Übersicht über Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Fraktion der SPD und der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN und der PDS-Gruppe angenommen worden. Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 6 s, und zwar zuerst zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8376. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8376? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei unterschiedlichem Stimmverhalten der PDS-Gruppe abgelehnt worden. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung auf Drucksache 11/8271 zum Antrag der Fraktion der SPD über Informationstechnik 2000 und zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung über ein Zukunftskonzept zur Informationstechnik. Das liegt Ihnen auf den Drucksachen 11/2592 und 11/5436 vor. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD abzulehnen. Wer stimmt der Beschlußempfehlung des Ausschusses, den SPD-Antrag abzulehnen, zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag der SPD-Fraktion gemäß der Ausschußempfehlung abgelehnt worden. Weiterhin empfiehlt der Ausschuß nach Kenntnisnahme der Unterrichtung die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für die Annahme der Entschließung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist diese Entschließung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Gruppe der PDS, der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE GRÜNEN angenommen worden. Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8374 ab. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Entschließungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen und der SPD abgelehnt worden. Vizepräsident Cronenberg Wir kommen nunmehr zu Tagesordnungspunkt 6 t, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung auf der Drucksache 11/8272. Es handelt sich um Vorschläge des Rates über Programme für Forschung und technologische Entwicklung. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Wir kommen nunmehr zum Zusatztagesordnungspunkt 1, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu zwei EG-Richtlinien über Arzneimittel und Tierarzneimittel auf Drucksache 11/7136 und Drucksache 11/8302. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt gegen diese Beschlußempfehlung? - Wer enthält sich? - Dann ist diese Beschlußempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Stimme des Abgeordneten Such bei Enthaltung des Rests des Hauses angenommen worden. Wir kommen nunmehr zum Zusatztagesordnungspunkt 2, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu drei EG-Richtlinien auf dem Gebiet des Arbeitsrechtes; Drucksachen 11/8091 und 11/8318. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD, der GRÜNEN/Bündnis 90 und der PDS-Gruppe angenommen worden. Wir kommen zum Zusatztagesordnungspunkt 3, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Drucksache 11/8328: Vorschlag für eine EG-Verordnung zu tierseuchenrechtlichen Fragen. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/8328 einstimmig angenommen worden. Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 4, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf der Drucksache 11/8330: Verordnungsvorschlag zu Unregelmäßigkeiten und Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der Agrarpolitik. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen nunmehr zum Zusatztagesordnungspunkt 5, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Drucksache 11/3181. Hier handelt es sich um einen Verordnungsvorschlag über Kontrollen und Sanktionen in der Agrar- und Fischereipolitik. Wer der Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen zum Zusatztagesordnungspunkt 6, zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Drucksache 11/8332. Es handelt sich um einen Verordnungsvorschlag mit tierseuchenrechtlichen Vorschriften für die Vermarktung von Tieren und anderen Erzeugnissen der Aquakultur. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 8 auf: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Vennegerts und der Fraktion DIE GRÜNEN Exportgenehmigungspraxis der Bundesregierung - Drucksache 11/6869 Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8372 und ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8384 vor. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß es eine Runde mit maximal Zehn-Minuten-Beiträgen gibt. Ist das Haus damit einverstanden? - Dann kann ich das so als beschlossen feststellen. Zunächst erteile ich im Sinne einer Kurzintervention der Abgeordneten Frau Vennegerts das Wort.

Christa Vennegerts (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002365, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht hier um die Begründung unserer Großen Anfrage. Im Augenblick bemüht sich die Bundesregierung - allen voran der Außenminister - , vor der Weltöffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als hätte sie aus Rabta und weiteren Exportskandalen Konsequenzen gezogen. Das ist nicht der Fall. Bei unserer Anfrage kam es uns vor allen Dingen darauf an, wenigstens etwas Licht in das Dunkel staatlich genehmigter Rüstungsexporte zu bringen. So wollten wir wissen, wie groß der Anteil der Rüstungsexporte am Gesamtexport ist und wie sich dieser in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat. Wir haben danach gefragt, in welche Länder und in welche Erdteile die Exporte genehmigt wurden. Zu all diesen Fragen ist die Bundesregierung die Antwort schuldig geblieben. Es ist ein Unding, daß interessierte Bürger und Bürgerinnen, die sich über den Umfang bundesdeutscher Waffenexporte informieren wollen, vornehmlich auf ausländische Quellen angewiesen sind. ({0}) Selbst in den USA, die Sie sonst immer als Vorbild nehmen, hat der Kongreß die Regierung verpflichtet, erstens Transaktionen, die über eine bestimmte Wertgrenze hinausgehen, dem Kongreß zur Entscheidung vorzulegen, und zweitens jährlich über alle Transaktionen im Kongreß Bericht zu erstatten. In der Regierung herrscht nach wie vor der Grundsatz vor, „daß Angaben zu Rüstungsexporten nur ein begrenztes Maß an Publizität vertragen" . Das ist ein Zitat. Das Ungeheuerliche an dem Vorgang ist, daß unsere Große Anfrage, die wir im März dieses Jahres gestellt haben, bis heute nicht beantwortet worden ist. Woran, bitte schön, liegt das wohl? Die Bundesregierung und das Bundesamt für Wirtschaft haben Verlängerung mit einem open-end-Termin beantragt. Erst hieß es, Ende August bekämen wir Antwort. Jetzt weiß ich überhaupt nicht mehr, wann wir Antwort bekommen. Die Fragen waren gar nicht so schwierig. Die Begründung ist: Es müßte zwischen den Ressorts abgestimmt werden. Da frage ich: Zwischen welchen Ressorts? Handelt es sich vielleicht um das Auswärtige Amt und das Bundeswirtschaftsministerium? Gibt es da einen Dissens in der Veröffentlichung irgendwelcher Zahlen? Höchstwahrscheinlich; ich vermute es. Jedenfalls halte ich es für einen absoluten Hammer, daß bis heute nicht einmal ein Datum genannt wird, bis wann wir die Antwort erhalten. Ich wünsche der Regierung, daß sie endlich einmal zu einer Einigung zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Auswärtigen Amt kommt, damit wir eine Antwort bekommen. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun kommen wir zu der vereinbarten Runde. Zunächst hat der Abgeordnete Kittelmann das Wort.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits am 1.Juni 1990 hatte sich der Deutsche Bundestag in einer ausführlichen Debatte mit Fragen der Exportgenehmigung für sensible Güter befaßt. Mit der anschließend erfolgten Verschärfung des Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetzes hat die Bundesregierung, vor allem aber der Deutsche Bundestag die Antwort auf einzelne Umgehungen der Gesetzesvorlage gegeben. Ich wiederhole gerne das, was ich in der damaligen Debatte gesagt habe: Mit diesem neuen Gesetz verfügt die Bundesregierung über die weitreichendste und umfassendste Exportkontrolle. ({0}) Insofern wäre die Debatte über die Große Anfrage der GRÜNEN an sich überflüssig. ({1}) - Weil Sie Ihren Antrag im Januar gestellt haben und die Verschärfung des Gesetzes ja inzwischen eingetreten ist. Wir haben vier-, fünfmal darüber diskutiert. Dies, um Ihr „Wie bitte?" zu erklären. Allerdings hätten auch wir die Beantwortung der Großen Anfrage gerne gesehen. Dazu brauche ich nichts weiter auszuführen. Trotz der wenig bekannten Tatsache, daß der Anteil der Kriegswaffenexporte am Gesamtexport der Bundesrepublik bei gerade 0,3 % liegt ({2}) und nur einige wenige schwarze Schafe die gesetzlichen Vorschriften übertreten, wird in manchen politischen Kreisen beständig suggeriert, die deutsche Exportwirtschaft sei in Gänze kriminell. Dies ist sicherlich von der Wahrheit weit entfernt. Auch Schuldzusprüche wie die des Landgerichts Hanau vom gestrigen Tage lassen törichte Verallgemeinerungen nicht zu. Ich möchte das Präsidium auf einen Kommentar des Herrn von Sternburg, den er gestern in der ARD gesprochen hat, hinweisen ({3}) und darf den Kommentar dem Präsidium übergeben, damit es einmal überprüft, ob nicht die Grenzen dessen, was sich ein deutsches Parlament bieten lassen muß, bei weitem überschritten worden sind. ({4}) Die Rigorosität, mit der die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen die neuen Gesetze ausgestaltet haben, stößt auch auf die unbedingte Zustimmung der amerikanischen Administration. Ich bemerke dies, weil häufig gesagt wurde, gerade dort gäbe es Unzufriedenheit. Das Inkrafttreten dieses Gesetzes wird die letzten Irritationen, die nach den weitgehenden Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung noch bestehen, restlos beseitigen. Wir unterstützen die Bundesregierung rückhaltlos, wenn sie für die kommende Legislaturperiode weitere drastische Verschärfungen ankündigt. ({5}) Jegliche Umgehung des geltenden Rechtes ist zu verurteilen und konsequent zu verhindern. In diesem Zusammenhang begrüßen wir aber auch die Haltung der führenden deutschen Wirtschaftsverbände, die sich zur Selbstkontrolle verpflichtet haben und diese auch praktizieren. Darüber hinaus fordert die CDU/CSU die Bundesregierung auf, weiterhin auf eine EG-weite Regelung der Rüstungsexportpraxis zu drängen. Im Einzelfall ist es schwer zu unterscheiden, für welchen Zweck eine bestimmte Technologie eingesetzt wird. Das ist häufig mit einem Küchenmesser vergleichbar: Man kann es gebrauchen, um Lebensmittel zu schneiden, man kann damit aber auch einen Menschen bedrohen oder sogar verletzen. Je komplizierter die Technologie wird, desto schwieriger wird es für die Kontrollbehörden, ein bestimmtes Exportgeschäft zu bewerten. Darum haben die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen einen erheblichen Ausbau des Bundesamtes für Wirtschaft in Eschborn ermöglicht. Mit modernster Datenverarbeitung und qualifizierten Fachleuten soll so sichergestellt werden, daß möglichst niemand mehr durch das Kontrollnetz schlüpfen kann. Es bleibt auch unsere Aufforderung bestehen, daß Anträge auf Erteilung der entsprechenden Exportgenehmigung zügig behandelt werden müssen. Eine Wettbewerbsverzerrung wegen fehlender Ausstattung oder Überlastung der zuständigen Verwaltungen ist unzumutbar. Ich hoffe, daß durch die neue Praxis eine Kritik, wie sie das Landgericht im Hanauer Urteil übt, in Zukunft überflüssig wird. Wirklich entscheidend sind aber die Verschärfungen, die im Kriegswaffenkontrollgesetz vorgesehen sind. Durch eine sehr weite Fassung der strafbaren Handlungen wird gewährleistet, daß Verstöße gegen Sinn und Wortlaut der Gesetze mit aller Härte geahndet werden. Die neuen Bestimmungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes legen fest, daß Aktivitäten deutscher Staatsbürger, deutscher Unternehmen und ihrer Tochterunternehmen im In- und Ausland unter Strafe gestellt werden, wenn sie zur Produktion, zur Entwicklung oder zum Handel mit atomaren, biologischen oder chemischen Waffen beitragen. Weil dieses Verbot unabhängig vom Ort der Handlung gilt, werden damit alle Aktivitäten deutscher Staatsbürger im In- und Ausland erfaßt. In diesem Punkt sind bestenfalls noch die amerikanischen Kontrollvorschriften mit der Reichweite der deutschen Bestimmungen vergleichbar. Eine Strafbarkeit der Aktivitäten amerikanischer Staatsbürger gibt es aber nur dann, wenn damit gegen Lizenzbestimmungen verstoßen wird. In Japan wird die Lieferung sensitiver Güter geregelt. In Frankreich kontrollieren nur Militärpersonen. In Großbritannien kennt man ebenso wie in der Schweiz keinerlei Beschränkungen der Aktivitäten. Mit der Verschärfung des Kriegswaffenkontrollgesetzes wurde etwas Neues und Richtungsweisendes in dieser Frage geschaffen. Damit wird die fahrlässige Begehungsweise ebenso unter Strafe gestellt wie leichtfertige, also grob fahrlässige Beihilfe, Handlungen, die nicht unerheblich zur Produktion, zum Handel und zur Entwicklung von atomaren, biologischen und chemischen Waffen beitragen. In keinem anderen westlichen Industrieland wird die fahrlässige Begehungsweise unter Strafe gestellt. In der Schweiz und in Großbritannien existieren keinerlei Verbote des Transfers von Technologien und technischen Unterlagen. In den übrigen westlichen Industriestaaten gelten lediglich die COCOM-Regelungen für den Ost-West-Handel. Mit dem neuen Außenwirtschaftsgesetz wird ermöglicht, daß Aktivitäten deutscher Staatsbürger im Zusammenhang mit Auslandsprodukten im Rüstungsbereich und vor allen Dingen in der Raketentechnologie im Ausland unter Genehmigungsvorbehalt stehen. Wenn hier illegale Handlungen verfolgt werden können, hat die Bundesrepublik erneut international eine Vorbildfunktion. Die neuen Bestimmungen im Außenwirtschaftsund im Kriegswaffenkontrollgesetz sorgen dafür, daß der Datenaustausch zwischen den verschiedenen Strafverfolgungs- und Zollbehörden verbessert wird. Damit werden vorhandene Daten besser für die Strafverfolgung eingesetzt werden können. Dies ist die wirksamste Kontrolle gegen Gesetzesverstöße. Meine Damen und Herren, wenn es uns gelingen sollte, darüber hinaus zu einer Zusammenarbeit aller Industriestaaten in Ost und West zu kommen, würde die Wirkung unserer Gesetze noch verstärkt werden. Im Interesse der Verhinderung von Geschäften mit Rüstungstechnologie brauchen wir jetzt ein dem COCOM ähnliches System in Nord-Süd-Richtung. Damit muß verhindert werden, daß diejenigen Staaten moderne Technologie erhalten, die sie zur Produktion von Waffen mißbrauchen wollen. Sollten einzelne Unternehmen dennoch gesetzeswidrig Technologie liefern, sind sie nach dem Außenwirtschafts- und dem Kriegswaffenkontrollgesetz von höheren Strafen bedroht. ({6}) Wir haben damit Kontrollen geschaffen, die einsetzen, bevor überhaupt ein Exportgeschäft beginnen kann. Ich denke, nach der Verwirklichung der vorliegenden Gesetzentwürfe müssen weitere Schritte unternommen werden. Zunächst müssen sich die Staaten der Europäischen Gemeinschaft einig werden. Ich habe bereits in meiner Rede am 23. Juni letzten Jahres bei der ersten Lesung der Gesetzentwürfe zur Verschärfung des Kriegswaffenkontrollgesetzes ausgeführt, daß die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Forderung der Bundesregierung an die EG-Kommission, sie solle einen Verordnungsentwurf für den Export chemischer Vorprodukte vorlegen, unterstützt. Hier kann man nicht stehenbleiben. Die EG-Kommission muß auch für den Export sensibler Technologien klare Richtlinien vorgeben. Ich bitte die Vertreter der Bundesregierung, in diesem Sinne weitere Forderungen aufzustellen. Wir haben ab 1. Januar 1993 den gemeinsamen Binnenmarkt. Am 1. Januar 1994 soll die zweite Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion in Kraft treten. Damit wird immer klarer: Es handelt sich bei dieser Frage über die deutsche Regelung hinaus um eine europäische Frage. Die CDU/CSU hat darüber hinaus mehrfach geäußert, daß es von erheblicher Bedeutung ist, daß andere Exportländer ihre Kontrollen ergänzen und eine enge Abstimmung mit den Kontrollinstanzen vornehmen. Die von uns vorgeschlagene Richtung darf auch nicht an über die EG hinausgehenden Bereichen haltmachen. Wir denken an das bei den Vereinten Nationen vorgesehene Register über internationale Waffenexporte und -importe. Dies alles kann aber nicht ausreichen. Am Ende der Entwicklung muß ein globales Regime zur Ächtung von Waffenexporten in Spannungsgebiete stehen. Dies wäre nicht nur im Interesse der westlichen Staaten. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß auch die ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes bereit sind, sich diesem Kontrollregime anzuschließen. Dabei ist es so gut wie sicher, daß auch die Sowjetunion langfristig dazu bereit sein wird, weil ihr von einem irakischen Diktator zumindest genauso viele Gefahren drohen wie den Staaten der westlichen Welt. Erfreulicherweise wurde dieses Thema auch auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Houston von Bundeskanzler Kohl bereits angesprochen. Dies war nur ein erster Schritt. Aber ich gehe davon aus, daß sich die nächsten Weltwirtschaftsgipfel dieses Themas weiter annehmen werden. Lassen Sie mich abschließend feststellen: Die Bundesrepublik und die von der CDU/CSU mitgetragene Bundesregierung halten an einer äußerst restriktiven Rüstungsexportpolitik fest. Wir haben durch eine nachhaltige Verschärfung des Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollrechts die Kontrollen nachhaltig verschärft und dafür gesorgt, daß Gesetzesverstöße schärfer geahndet werden. Damit wurden nachhaltige Konsequenzen aus den bekannten illegalen Geschäften mit der Rüstungstechnologie gezogen. Die Bundesrepublik Deutschland wird mit ihrer verschärften Exportkontrolle und ihren Strafbestimmungen ihrer Verantwortung für Frieden und Sicherheit gerecht. Ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bevor ich dem Abgeordneten Gansel das Wort gebe, muß ich dem Abgeordneten Schreiner für den Zwischenruf „Parlamentarischer Cheflügner" und dem Abgeordneten Dr. Friedrich für den Zwischenruf „Verleumder" einen Ordnungsruf erteilen. Nun hat der Abgeordnete Gansel das Wort.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kennzeichnet den parlamentarischen Stil der Bundesregierung, daß die Große Anfrage der GRÜNEN nach so langer Zeit immer noch nicht beantwortet ist. ({0}) Jede dieser Fragen ist berechtigt. Wir hätten sie durch 50 weitere Fragen ergänzen können. ({1}) Wir haben unsere Fragen in den Fragestunden gestellt. Da mußte die Regierung sofort antworten. Aber sie hat die Fragen nur ausweichend und verharmlosend beantwortet. Es ist der gleiche Stil, der dazu geführt hat, daß Bundeskanzler Kohl und die Minister Waigel, Stoltenberg und Genscher, die alle Zeit hatten, mit den Rüstungslobbyisten zu sprechen, keine Zeit für die Parlamentsdebatte über das U-Boot-Geschäft mit Südafrika hatten und hier nicht anwesend waren. Es ist der gleiche Stil, der sich auch darin zeigt, daß nach Maßnahmen gegen kritische Journalisten gerufen wird, die die Geschäfte mit dem Tod aufs Korn nehmen. Dieser Beitrag von Herrn Kittelmann ist typisch für einen solchen Stil. ({2}) Statt dessen müssen Maßnahmen ergriffen werden, den Händlern des Todes das Handwerk zu legen. ({3}) Zur Sache zehn Bemerkungen. Erstens. Die Bundesregierung, die bei der mehrfachen Ablehnung des Gesetzentwurfs der SPD-Fraktion zur Sicherung der Kriegswaffenkontrolle erklärte, die Bundesrepublik besitze die strengsten Gesetze zur Kontrolle von Rüstungsexporten, ist nach der Affäre um die libysche Giftgasfabrik Rabta durch die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik und durch die Regierung der Vereinigten Staaten gezwungen worden, selbst zur Verschärfung der Gesetzgebung initiativ zu werden. Sie hat ihren Gesetzentwurf, der von den Regierungsfraktionen verwässert worden war, in der von ihr vorgeschlagenen Fassung nur auf Grund des Einspruchs der Mehrheit der SPD-geführten Länder im Bundesrat durch das Parlament bringen können. ({4}) Zweitens. Auch nach der Neufassung des Außenwirtschaftsgesetzes und des Kri egswaffenkontrollgesetzes bleiben die Rüstungsexportkontrollen weitmaschig. Es gibt ein Gesetzgebungsdefizit und ein Verwaltungsvollzugsdefizit. Schlimmer aber ist, daß die Bundesregierung nicht aufgehört hat, Waffenexportskandale zu verharmlosen und Exportgenehmigungen für Spannungsgebiete zu erteilen, z. B. für Südkorea, für Israel und für Saudi-Arabien. ({5}) Solche Genehmigungen sind Ende letzten Jahres im Bundessicherheitsrat erteilt worden. Nun gab es vor wenigen Tagen Aufsehen über ein neues beabsichtigtes Waffengeschäft mit Saudi-Arabien. Nachdem Bundesverteidigungsminister Stoltenberg einen Anruf des Bundeskanzlers erhalten hatte, hat er erklärt, die Bundesregierung sei nicht bereit, Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien zu genehmigen. Der Botschafter Saudi-Arabiens in der Bundesrepublik zeigte sich darüber mit Recht verletzt. Er erklärte nämlich, daß in den fünf Jahren seiner Amtszeit ein solcher Antrag für Waffenwünsche Saudi-Arabiens an die Bundesregierung gar nicht gerichtet worden sei, allerdings - ich zitiere - seien von deutscher Seite vor einem Monat Waffen angeboten worden, und zwar nicht aus ehemaligen DDR-Beständen. Wer sagt nun die Wahrheit? ({6}) Drittens. Die SPD-Fraktion wird eine Grundgesetzänderung, die den Einsatz von Bundeswehreinheiten auf Antrag und unter Verantwortung des UN-Sicher18604 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 233. Sitzung. Bonn Dienstag den 30. Oktober 1990 heitsrates ermöglichen kann, nur dann in Erwägung ziehen, wenn im Grundgesetz gleichzeitig ein möglichst generelles Verbot des Waffen- und Rüstungsexports verankert wird. Die SPD wird es nicht zulassen, daß bei internationalen Konflikten deutsche Soldaten die Suppe auslöffeln müssen, die deutsche Waffenexporteure vorher eingebrockt haben. ({7}) Viertens. Die Bundesregierung trifft für die Kuwait-Krise eine Mitverantwortung. Der Überfall Saddam Husseins auf Kuwait ist nur möglich geworden, weil der Irak das Risiko militärischer Gegenmaßnahmen in Anbetracht der abschreckenden Wirkung seiner weitreichenden Raketen und Giftgasbestände als relativ gering kalkulieren konnte. Die Bundesregierung hat seit 1984 Informationen über die Beteiligung Deutscher und deutscher Firmen bei der Giftgasproduktion und Raketenentwicklung im Irak gehabt, und zwar durch befreundete Geheimdienste, aber auch durch Anfragen im Parlament von Petra Kelly und von seiten der SPD-Fraktion. Die Bundesregierung hat alle Warnungen in den Wind geschlagen. Sie hat keine wirksamen Gegenmaßnahmen gegen die illegalen Geschäfte getroffen. Ermittlungen der zuständigen Oberfinanzdirektion und der Staatsanwaltschaft sind nicht unterstützt worden. Mit dieser Taktik der öffentlichen Verharmlosung hat die Bundesregierung in Kauf genommen, die Händler des Todes zu ermutigen. Fünftens. Für die Folgen der verantwortungslosen Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung müssen jetzt auch noch die deutschen Steuerzahler aufkommen. Die Bundesregierung beteiligt sich nach dem Gespräch zwischen Bundeskanzler Kohl und USAußenminister Baker in Oggersheim nicht nur mit 3,3 Milliarden DM am militärischen Engagement der USA, sondern für Auftragsausfälle für zivile Exporte in den Irak und für öffentliche Bürgschaften für zivile und strategische Projekte im Irak, nämlich Straßen und Flugplätze, werden im Zusammenhang mit dem UN-Embargo Entschädigungs- und Bürgschaftsansprüche in der Größenordnung von mehreren Milliarden DM auf die Bundesrepublik zukommen. Sechstens. Im Zusammenhang mit der U-Boot-Affäre hat das Bundeswirtschaftsministerium drei Gutachten anfertigen lassen, die die Frage klären sollten, ob Mitglieder und Mitarbeiter der Bundesregierung verpflichtet seien, die Staatsanwaltshaft bei Verdachtsmomenten für Verstöße gegen Kriegswaffenkontrollgesetz und Außenwirtschaftsgesetz zu informieren. Die Bundesregierung hat sich dabei für die Auffassung entschieden, daß eine Pflicht zur Information der Staatsanwaltschaft nur dann besteht, wenn es sich um schwere Verstöße handelt. Man kann das Aufatmen der Bundesregierung über diese Gutachten noch heute im Echo hören. Die SPD-Fraktion fordert die Bundesregierung auf, durch Erlaß alle ihre Mitglieder und Mitarbeiter anzuweisen, bei jedem Verdacht illegaler Rüstungsgeschäfte unverzüglich die Staatsanwaltschaften zu informieren und Straftaten zur Anzeige zu bringen. Das ist wohl das mindeste, was man verlangen kann! ({8}) Siebtens. Nachdem das Landgericht Kiel in der Begründung zu seinem Gerichtsbeschluß festgestellt hat, daß die Bundesregierung für das illegale U-Boot-Geschäft mit Südafrika den Rüstungslobbyisten grünes Licht gegeben hat, hat nun auch das Hanauer Landgericht in dem Verfahren wegen illegaler Lieferungen für den Bau einer Atombombe in Pakistan festgestellt - ich zitiere die „Frankfurter Rundschau" von heute, und die „Süddeutsche Zeitung" berichtet in gleicher Weise - , bei den Exportgenehmigungen sei vermutlich dem Druck von Lobbyisten wie dem CDUBundestagsabgeordneten Richard Bayha nachgegeben worden. Die Bundesregierung muß sich deshalb vorwerfen lassen, an illegalen Rüstungsexportgeschäften im Filz von politischen Beziehungen beteiligt zu sein. Auf die Anklagebank gehören nicht nur die Exporteure, sondern auch die verantwortlichen Regierungsmitglieder und mitverantwortlichen Politiker. ({9}) Achtens. Wir sind auch deshalb immer gegen Rüstungsexporte in Entwicklungsländer, Spannungsgebiete und Militärdiktaturen vorgegangen, weil wir gesagt haben: Im Bereich des Verzichts auf Rüstungsexporte haben wir die Chance, Konversion zu lernen, ohne daß unsere eigene Sicherheit gefährdet wird. Diese Chance, Konversion zu lernen, haben Sie verpaßt, meine Damen und Herren von der Regierungsbank. ({10}) Jetzt, wo es darum geht, bis 1995 500 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, die im Rahmen der Abrüstung im militärisch-industriellen Bereich verlorengehen, haben Sie noch nicht einmal das Rezept, was Sie hätten lernen können, hätte man die 20 000 oder 30 000 Arbeitsplätze im Rüstungsexportbereich rechtzeitig umgestellt. ({11})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Gansel, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klein zuzulassen?

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Immer. Herr Klein muß immer lernen und darf deshalb auch immer fragen. ({0}) - Herr Präsident, können Sie dem Herrn einen Ordnungsruf geben?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich weiß nicht, was er gesagt hat. ({0}) Vizepräsident Cronenberg - Das, Herr Abgeordneter, Fellner, ist insbesondere nach der Wiederholung einen Ordnungsruf wert. ({1})

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Jetzt darf Herr Klein seine Frage stellen.

Hans Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001114, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Gansel, zu gütig, darf ich zunächst sagen. - Sind Sie bereit zuzugestehen, daß es erst der Politik dieser Bundesregierung gelungen ist, politische Verhältnisse in Europa mit zu erwirken, vor deren Hintergrund Konversion möglich ist?

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Klein, Sie haben ({0}) den Kern nicht verstanden. ({1}) Der Kern unseres Anliegens war, im Bereich des Verzichts auf Rüstungsexporte in Spannungsgebiete und Entwicklungsländer, an den 20 000, 30 000 Arbeitsplätzen, die davon abhängig sind, durch eine Umstellung auf zivile Produktion rechtzeitig für den voraussehbaren Fall zu lernen, daß es eines Tages in Europa zur großen Abrüstung kommt. Jetzt ist diese Chance da, vor allem durch die Veränderungen in Osteuropa, in der DDR, durch die Politik Gorbatschows. Und auch Sie haben mit all Ihren Fehlern nicht verhindern können, daß die Abrüstung endlich kommt. ({2}) Jetzt wissen Sie nicht, was man wirtschaftspolitisch zu unternehmen hat, um die entfallenden Arbeitsplätze umzugestalten und zu sichern. Dafür tragen Sie auch eine wirtschaftspolitische Verantwortung. ({3}) Ich darf zu den mir verbleibenden zwei Minuten zurückkehren, Herr Präsident, ({4}) und neuntens sagen: Natürlich brauchen wir auch internationale Vereinbarungen. Es wird wichtig sein, sicherzustellen, daß vor allen Dingen aus den NATOStaaten nicht noch Waffen und Waffentechnologien geliefert werden. Es wäre doch ein moralischer und militärischer Wahnsinn, durch Rüstungszufuhr die militärischen Bedrohungsanlagen erst zu schaffen, vor denen man sich dann mit neuen Rüstungen wieder schützen will. ({5}) Deshalb - zehntens - ist es so wichtig, daß wir eine Politik der Nichtweitergabe von konventionellen Waffen, ({6}) aber vor allen Dingen von Waren - „Gütern" mag man ja nicht sagen - und Know-how für die Entwicklung und Produktion von biologischen, chemischen und atomaren Waffen betreiben. Das ist unser vordringlichstes Sicherheitsinteresse. Deshalb haben wir heute den Antrag eingebracht, der Bundestag möge beschließen, die Bundesregierung aufzufordern, bis zu präziseren gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Regelungen keine Waffen und Rüstungsgüter in Staaten außer denen zu exportieren, mit denen wir verbündet sind. Das sind die NATO-Staaten. Auch in diesen Staaten muß der Endverbleib sichergestellt sein. Nur diese Politik wird unseren politischen Interessen, unseren wirtschaftlichen Interessen und auch unseren moralischen Interessen gerecht. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friedrich.

Dr. Michael Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000594, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN und das mir vorliegende spärliche statistische Material - ich gestehe, es war sehr kompliziert, an entsprechende Zahlen heranzukommen, insbesondere zu den letzten Jahren und insbesondere aus Quellen der Bundesrepublik - legen die Vermutung nahe, daß es - um es einmal ganz vorsichtig auszudrücken - auch in der zweiten Hälfte der 80er Jahre zumindest zu keiner Trendwende beim Export von Rüstungsgütern gekommen ist, im Gegenteil. ({0}) Ich vermute, dort, wo der Rüstungsindustrie Appetit gemacht worden ist - und das ist bereits mehrfach angesprochen worden; ich denke auch an das Jäger90-Projekt - , ist auch - darüber darf man sich nicht wundern - kräftig zugebissen worden. ({1}) - Zu dem, was Sie da hören wollten, hatten Sie sicherlich in der Aktuellen Stunde Gelegenheit, Auskunft zu bekommen. Trotz Außenwirtschaftsgesetz und trotz Kriegswaffenkontrollgesetz, beide gedacht als Exportsperren gegen die Lieferung bundesdeutscher Rüstungsgüter in fast alle Welt, wird weiterhin in Milliardenhöhe exportiert. Das Gefährliche: Zunehmend wird Hochtechnologie exportiert. Das ist schlichtweg friedensgefährdend, egal, in welche Gebiete. ({2}) - Ich gehe darauf ein: Leider hat es auch in der DDR Waffenexporte gegeben. Das ist mir sehr wohl beDr. Friedrich ({3}) kannt, und das hat mich schmerzlich berührt. Aber ich glaube, man müßte doch die Dimensionen etwas auseinanderhalten. ({4}) Ich spreche hier eindeutig von Hochtechnologieexporten. Wir als PDS haben diese Waffenexporte eindeutig verabscheut und verurteilt. Ich spreche hier aber zu einer Großen Anfrage der Fraktion der GRÜNEN und nicht zu den Waffenexporten der SED. ({5}) - Hören Sie doch bitte zu. ({6}) Ich meine, es gibt hier selbstverständlich massive Rüstungsexportinteressen. Ich verweise hier nur stellvertretend auf drei führende Hochtechnologiekonzerne der Bundesrepublik - die Namen lasse ich jetzt weg -, die sich weiterhin achtbar im vorderen Feld der weltgrößten 50 Konzerne mit Rüstungsproduktion tummeln. Nach der Entwicklung zu urteilen sieht es ganz und gar nicht so aus, als würde sich das in absehbarer Zeit ändern. Es wird deutlich - gerade die Bonner U-Boot-Affäre hat das illustriert - , wie machtlos die Bundesrepublik doch eigentlich gegenüber den von ihr selbst illegalisierten Rüstungsexporten in Spannungsgebiete faktisch ist. Ich meine, gerade jetzt, da Deutschland eine Großmacht ist - das ist ganz objektiv so -, ist es schon sehr bedenklich, wenn bisherige Hemmungen gegen ein militärisches Engagement im Ausland - auch das kam vorhin schon zur Sprache - schrittweise abgebaut werden, sei es auch nur gegen ein Engagement im Rahmen von UNO-Friedenstruppen beispielsweise im Golfkonflikt. Es ist dem Bundeskanzler schon zuzustimmen, wenn er in seiner Regierungserklärung vom 4. Oktober 1990 bemerkt, daß dem vereinten Deutschland jetzt eine sehr viel größere Verantwortung in der Völkergemeinschaft zuwächst, nicht zuletzt eben auch zur Wahrung des Weltfriedens und zur Lösung der globalen Menschheitsprobleme. Bei der Wahrnehmung dieser Verantwortung sollten jedoch, meine ich, militärische und rüstungspolitische Komponenten unbedingt ausgespart bleiben. Statt dessen aber wird von der Regierung offen über neue verfassungsrechtliche Voraussetzungen nachgedacht, wie man nun schließlich doch Schritte hin zu einem militärischen Engagement außerhalb des NATO-Bereichs unternehmen könnte. Damit können wir uns nicht einverstanden erklären, so sehr wir sonst auch für eine konstruktive Verfassungsdiskussion eintreten. Wir setzten uns statt dessen ausdrücklich für eine klare und dauerhafte Absage an jegliches militärisches Engagement außerhalb der NATO ein. Vor allem aber setzen wir uns für ein umfassendes, sofort wirksames, vor allem aber generelles Exportverbot für jegliche Rüstungsgüter und für jegliche kriegstaugliche Waren ein, ganz egal, ob das offensive oder defensive Rüstungsgüter sind - ich habe ohnehin Probleme mit der Unterscheidung - , und ganz egal, wohin. Es ist bekannt: Wir sind für ein europäisches Sicherheitskonzept, das auch die Sowjetunion einschließt und die Blockstrukturen möglichst schnell überwindet. Wir sind gegen jeden Versuch, an Stelle der früheren Ost-West-Konfrontation jetzt etwa eine Bedrohung aus dem Süden als Begründung für neue Feindbilder und Hochrüstungen zu konstruieren. Das ist für uns mit drei Erfordernissen verbunden: erstens mit der tatsächlichen und ehrlichen Abrüstung der eigenen Streitkräfte und der Entmilitarisierung wirklich in allen Bereichen der eigenen Gesellschaft. Dazu bedarf es, so denke ich, gesamtgesellschaftlicher Strategien und breiter demokratischer Mitwirkung. Beides ist zu entwickeln. Dazu gehört beispielsweise auch die Förderung einer wirklichen Friedenskultur, etwa das Verbot von kriegs- und gewaltverherrlichenden Filmen, Büchern und anderen Produkten der Massenkommunikation. ({7}) Zweitens. Wir sind für die Ächtung von nationaler Überheblichkeit, von Militarismus, von Rassismus sowie von wirtschaftlichem und politischem Expansionsdrang. Ich meine, besonders gegenüber den Ländern der Dritten Welt oder, besser gesagt, der ZweiDrittel-Welt muß ein wirklich partnerschaftliches Verhältnis entwickelt werden, das bisherige Diskriminierung und Ausbeutung beendet und zumindest zum Teil wiedergutmacht. ({8}) - Es wäre gut, wenn Sie einmal mit neuen Argumenten kommen würden. - Das mindeste wäre ein sofortiger vollständiger Schuldenerlaß für die ärmsten Länder der Welt. Ich meine, das hat natürlich sehr wohl etwas mit der Rüstungsexportpolitik und mit der Rüstungsproduktion zu tun. Drittens und letztens. Wir sind für die wirksame Verbindung von radikaler Konversion mit umfassenden Umweltschutzprogrammen. Hinsichtlich der Konversion erinnere ich an unsere Initiative eines Konversionsgesetzes noch in der Volkskammer; diese Initiative konnte leider nicht zu Ende geführt werden. Wir bleiben bei unserem Standpunkt: Wenn Abrüstung sozial verträglich, ökonomisch effektiv und ökologisch sinnvoll verwirklicht werden soll, bedarf es einer gesetzlichen Regelung, bedarf es staatlicher Förderung und bedarf es regionaler und kommunaler Verantwortlichkeit dafür. Ich meine abschließend, die konventionelle, vor allem aber die Hochtechnologierüstung muß entscheidend zurückgedrängt werden. Hier müssen wirklich noch tiefe Einschnitte erfolgen. Ansonsten wird sich der Rüstungswettlauf auf Hochtechnologiegebiet Bahn brechen, und das hauptsächlich zuungunsten der Zwei-Drittel-Welt. Danke. ({9})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Grünbeck. ({0})

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben offensichtlich eines gemeinsam: Wir erwarten heute von der Bundesregierung eine Antwort darauf, warum die Anfrage der GRÜNEN noch nicht beantwortet ist. Ich glaube, eines müssen wir auch feststellen, und ich bin Ihnen allen, verehrte Kollegen, dafür dankbar: daß wir dieses Thema mit der notwendigen Sensibilität diskutiert haben. Hier bitte ich kleine Ausnahmen nachzusehen. Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik Deutschland ist ein bedeutendes und ein großes Exportland, aber keine Großmacht; davon würden wir uns stark distanzieren. Aber wer heute weltweit exportieren will, wie es die bundesdeutsche Wirtschaft macht, braucht Vertrauen in dieser Welt. Dieses Vertrauen hat seine Grenzen; wir dürfen nicht alle Exporte ungehindert möglich machen. Deshalb ist es richtig, daß die Kontrolle verschärft worden ist. Manche Unternehmen klagen über zu viele Kontrollen, weil es teilweise auch zu Wettbewerbsverzerrungen kommt, wenn andere Staaten im Wettbewerb nicht die gleichen Kontrollen haben wie wir. Ich glaube auch, daß umständliche und zeitaufwendige Genehmigungsverfahren manchmal in der ganzen Exportlandschaft nicht zu begrüßen sind. ({0}) Allerdings sind die Geschäfte der Rüstungsindustrie und mit Rüstungsgütern besonders scharf zu kontrollieren. Hier besteht, glaube ich, Einvernehmen zwischen allen Fraktionen. Dabei ist klar, daß bei Rüstungsgeschäften besonders unerwünscht ist, daß bestimmte Unternehmen - von insgesamt einer Million Unternehmen, die exportieren, sind es wenige einzelne - in schmieriger und schmutziger Art und Weise illegale Geschäfte machen, Kontrollen umgehen oder Genehmigungen erschwindeln. Deshalb war es richtig, daß wir das Außenwirtschaftsrecht, die Ausfuhrkontrollen verschärft haben ({1}) und seit 1989 der Forderung unseres Bundesaußenministers nachgekommen sind, auch die Strafen zu erhöhen. Das war dringend notwendig. ({2}) Meine Damen und Herren, der Wirtschaftsminister hat entsprechende Maßnahmen getroffen. ({3}) Das Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn ist personell verstärkt worden. Die Instrumente für die Kontrolle wurden durch die Möglichkeiten der Datenverarbeitung und der modernen Kommunikation erweitert. Die Frage ist: Wie weit kann man die Kontrolle effizient gestalten? Denn eines muß man heute ja sehen, meine Damen und Herren: Nicht mehr der Waffenexport als solcher ist das eigentliche Thema, sondern viel wichtiger sind heute die Frage der Blaupausen, die Frage der Mitwirkung von Wissenschaftlern und die Frage der Mitwirkung von Firmen in den betreffenden Ländern. ({4}) Das müssen wir festhalten. Dennoch glaube ich, das Amt in Eschborn darf nicht zu einem Amt gegen die Wirtschaft werden, sondern muß ein Amt für die Wirtschaft sein. Die Wirtschaft muß kontrolliert und vor Schaden bewahrt werden. Das ist ein Vertrauensauftrag, den wir Parlamentarier zu erfüllen haben. Der Anteil des Rüstungsexports am Bruttosozialprodukt ist unbedeutend. Er ist kleiner als 1%. ({5}) Der gesamten deutschen Wirtschaft kann aber durch diese 1 % ein enormer Schaden zugefügt werden. Den gilt es zu verhindern. ({6}) Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich wiederhole den Vorschlag, den ich im Wirtschaftsausschuß unterbreitet habe. Wir als federführender Ausschuß sollten uns einmal nach Eschborn begeben und uns mit den Menschen, die die Verantwortung haben, unterhalten, über Verbesserungsvorschlage diskutieren und möglicherweise neue Vorschriften entwikkeln. Die Fortschreibung der Kontrollen und der Genehmigungsverfahren muß auf der Tagesordnung bleiben. ({7}) Lassen Sie mich noch eines sagen. Die Bundesrepublik hat weltweit ein hohes Ansehen. Das verdanken wir zum großen Teil auch dem Wirken unseres Außenministers und dem Wirken unseres Wirtschaftsministers. Dieses Vertrauen darf nicht gefährdet werden. ({8}) - Das ist ja Ihre Sache. ({9}) - Lassen Sie mich doch meine Schwerpunkte vortragen. Illegale Geschäfte im Rüstungsbereich gefährden dieses Vertrauen. Ich bedaure eigentlich, daß kein Kollege der CSU anwesend ist; denn der Staat sollte sich generell aus den Beteiligungen an Rüstungsbetrieben zurückziehen. Das kann man nur fordern. ({10}) Ich möchte die Bayerische Staatsregierung von dieser Stelle aus bitten, darauf hinzuwirken, daß die Anteile an MBB privatisiert werden und daß dadurch kein Minister mehr im Kabinett sitzt, der gleichzeitig im Aufsichtsrat von MBB seine Geschäfte besorgt. ({11}) 18608 Deutschei Bundestag - 11. Wahlperiode Grünbeck Die Verquickung ist schädlich. ({12}) Sie hat auch nichts genützt. Selbst unter der Kontrolle der Staatsregierung waren doch über Tochter- und Beteiligungsgesellschaften Geschäfte der MBB möglich, die unseren Beifall nicht finden. ({13}) Hier sind Solidarität mit dem Bundeskanzler, ({14}) Solidarität mit dem Außenminister und Solidarität mit dieser Regierung mehr gefragt als wirtschaftliche Interessen der Bayerischen Staatsregierung. Deshalb bleiben für uns Liberale zwei Forderungen bestehen: erstens Rückzug aus den Beteiligungen durch Privatisierung, zweitens Fortschreibung der Maßnahmen zur Kontrolle der Rüstungswirtschaft. ({15}) Lassen Sie mich ein Letztes sagen, Herr Kollege Gansel, weil wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. ({16}) Sie sagen, die Bundesrepublik möge nicht mehr in das Rüstungsgeschäft eingreifen, und wir sollten die Rüstungsindustrie in andere Bereiche umstrukturieren. ({17}) Ich stimme Ihnen da vollkommen zu, wenn ich Sie nur um eines bitten darf: daß Sie das gleichzeitig auch mit den Gewerkschaften und den Betriebsräten abstimmen. ({18}) Ich muß Ihnen dazu sagen: Ich bin ganz böse attakkiert worden, als ich bei MBB diese Geschichte angeleiert habe. Meine Damen und Herren, es kann doch nicht wahr sein: Die Rüstungsindustrie hat modernste Maschinen, sie hat ein hochintelligentes Personal, sie hat eine moderne Infrastruktur in der ganzen Kommunikation; warum soll sie denn nicht in der Lage sein, Umwelttechnologien, Verkehrstechnologien, Gesundheitstechnologien zu entwickeln und sich langsam aus der Rüstungsindustrie zurückzuziehen? ({19}) Das ist der erste Punkt.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Grünbeck, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gansel zuzulassen?

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, aber sicher.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bitte sehr.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, sind Sie bereit, in Erwägung zu ziehen, daß eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, daß sich die Rüstungsunternehmen umstellen, darin besteht, daß ihnen das Ausweichen in den Rüstungsexport verwehrt wird, und daß es deshalb sinnvoll ist, auch um Konversion, die nötig ist, jetzt möglich zu machen, ein Verbot von Rüstungsund Waffenexporten in Staaten außerhalb der NATO zu verhängen?

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darauf komme ich bei der Beantwortung der zweiten Frage, Herr Gansel. Im Grunde genommen wäre ich ganz gern dieser Meinung; nur sage ich Ihnen eines: Wenn Sie in Ihrem Antrag fordern - ich darf das wörtlich verlesen - „Bei Exporten in NATO-Staaten muß der Endverbleib in diesen Staaten sichergestellt werden" , dann möchte ich Sie bitten, der Regierung Vorschläge zu machen, wie das denn gehen soll. Sie kennen genausogut wie ich oder noch besser als ich die französische oder die englische Struktur der Waffenexporte. Da werden wir bei unseren NATO-Partnern auf Widerstand stoßen. Aber ich bin glücklich darüber, daß unser Außenminister die Aktivitäten, die auf diesem Felde ja im Gange sind, voll unterstützt und zum großen Teil selbst initiiert. Wenn Sie seine UNO-Erklärung nachlesen, werden Sie spüren, daß das so ist. Deshalb wollen wir, daß wirklich Praktikables geschieht. Aber es muß auch in den Betrieben akzeptiert werden. Da habe ich noch ab und zu meine Sorgen, daß dies wirklich gehen könnte.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Die Abgeordnete Frau Vennegerts möchte auch gern eine Zwischenfrage stellen.

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber sicher.

Christa Vennegerts (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002365, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, da Sie Ihren Minister Genscher erwähnt haben - ({0}) - Er ist insofern ein guter Mann, als er vor der UNO eine richtige Erklärung abgegeben hat, in der er sich stark für die Konversion ausgesprochen hat. Ich frage Sie: Warum ist dann mit Zustimmung nicht nur der CDU und der FDP, sondern auch der SPD im Einigungsvertrag mit einem Handstreich das Amt für Konversion, das es in der ehemaligen DDR gegeben hat, abgeschafft worden, obwohl Minister Genscher gesagt hat, daß ein Amt für Konversion notwendig ist, das in ein gesamteuropäisches Konversionsamt einfließen soll? Das kann ich nicht verstehen.

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine verehrte Kollegin, ich glaube, innerhalb unseres Landes, bei unserer Bevölkerung, aber auch in der ganzen Welt hat unser Außenminister auf dem Gebiet der Friedens-, Entspannungs- und Abrüstungspolitik ein Vertrauen, das wir hier im Parlament nicht in Zweifel ziehen sollten. ({0}) Meine Damen und Herren, wir sind bereit, diesen Weg weiterzugehen. ({1}) Auf die Frage nach der Friedens- und Entspannungspolitik muß die konsequente Abrüstungspolitik als Antwort kommen. Da haben Sie uns immer an Ihrer Seite. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun hat die Frau Abgeordnete Vennegerts das Wort.

Christa Vennegerts (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002365, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der Verschärfungen des Außenwirtschaftsgesetzes besteht nach wie vor ein unüberbrückbarer Widerspruch zwischen der Behauptung der Bundesregierung, eine restriktive Rüstungsexportpraxis zu betreiben, und dem tatsächlichen Ablauf. Ich werde dies an Beispielen verdeutlichen: erstens am Beispiel der Unterstützung des irakischen Terrorregimes durch BND und GSG 9, zweitens am Beispiel der staatlichen Rüstungsexportförderung durch Hermes-Bürgschaften, drittens am Beispiel des Transfers von Rüstungsgütern aus internationaler Koproduktion und viertens an dem skandalösen Zusammenspiel von Rüstungsschiebern und der Exportadministration, speziell dem Bundesamt für Wirtschaft. Allen Fällen ist gemeinsam, daß sie sich nicht auf Einzelpersonen mit hoher krimineller Energie beziehen, sondern daß staatliche Stellen entweder selbst die treibende und unterstützende Kraft hinter den Rüstungstransfers sind oder doch zumindest das politische Klima für eine solche Praxis schaffen. Meine Damen und Herren, wenn der Diktator Saddam Hussein nicht nur gegenüber den angrenzenden Staaten eine tödliche Gefahr bedeutet, sondern auch im Inneren seine Gegner mit modernsten Methoden zu bekämpfen versteht, dann verdankt er dies u. a. der Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst und der Anti-Terror-Einheit GSG 9. Der frühere Chef des BND, Boge, hat der irakischen Regierung Unterstützung bei der Terroristenbekämpfung zugesagt. ({0}) Über eine Hamburger Vermittlerfirma wurden insgesamt acht GSG-9-Ausbilder zur Ausbildung im Irak eingesetzt. Das große Geschäft war aber nicht Ausbildung. Bestandteil des Vertrages ist die Verpflichtung der Hamburger Firma, dem Irak die für die Ausbildung notwendigen Ausrüstungen und Materialien zu liefern. Im Vertrag steht auch, die Lieferungen dürften nicht unter 10 Millionen DM betragen. Laut Vertrag fließen 40 % des Gewinns aus den Rüstungslieferungen an die GSG-9 Ausbilder. Die Gewinnvereinbarung gilt auch für alle Anschlußverträge, die von den Irakern in einem Zeitraum von fünf Jahren nach Beendigung des Vertrages erteilt werden. Maschinengewehre und Pistolen, Präzisionsgewehre, ABC-Schutzmasken und Panzerabwehrwaffen sollten geliefert werden, und für 2,5 Millionen DM ist auch geliefert worden. Ein weiteres beschämendes Beispiel für die Unterstützung von Rüstungsexporten stellt die Gewährung von Hermes-Bürgschaften durch die Bundesregierung dar. Ob U-Boote für Argentinien und Ecuador, Minenräumboote für Saudi-Arabien, Panzer für die Türkei, in allen Fällen hat die Bundesregierung staatliche Ausfuhrbürgschaften gewährt. Im Mai dieses Jahres sind noch Exportbürgschaften für den Bau von 16 Flugzeugunterständen in Kuwait bewilligt worden. Die sind natürlich jetzt gestoppt worden; aber man muß sich einmal vor Augen halten, was da eigentlich abläuft. ({1}) Wir halten diese Praxis für völlig unakzeptabel und mit Ihrem Anspruch einer restriktiven Waffenexportpolitik unvereinbar. ({2}) Wir haben deshalb im Rahmen des 3. Nachtragshaushalts den Antrag eingebracht, daß für den Export von Rüstungsgütern nicht länger Ausfuhrbürgschaften übernommen werden dürfen. Am Abstimmungsverhalten können Sie erkennen, wie ernst es den Koalitionsfraktionen mit einer restriktiveren Exportpraxis tatsächlich ist. Die CDU/CSU und auch die FDP haben den Antrag abgelehnt - leider. Meine Damen und Herren, was nützen die besten Gesetze, wenn bundesdeutsche Firmen diese durch Koproduktion mit Firmen im Ausland umgehen können und wenn die Bundesregierung diese Praxis nicht nur duldet, sondern geradezu fördert? Ich hatte im September bereits auf die Panzerabwehrraketen Hot, Milan und das Luftabwehrsystem Roland hingewiesen, die sich im Besitz der irakischen Armee befinden und aus der Gemeinschaftsproduktion von MBB und Aérospatial entstammen. Der Irak ist auch im Besitz der Exocet, einer von Aérospatial hergestellten und zur Schiffsbekämpfung eingesetzten Rakete. MBB liefert den Suchkopf und weitere Teile dafür. Die Rakete hat ihre tödliche Wirkung während des Falklandkrieges bewiesen, als argentinische Streitkräfte sie gegen britische Flugzeugträger einsetzten. ({3}) Der Irak hat die Rakete im Krieg gegen den Iran eingesetzt und wird sicher nicht zögern, sie gegen eine westliche Armada einzusetzen. Man kann den amerikanischen und europäischen Marinesoldaten nur wünschen, daß sie die laut Firmenprospekt „gefechtserprobte Genauigkeit" dieser Rakete nie kennenlernen, und wenn doch, dann sollen sie und ihre Angehörigen wissen, an welche Firmen und an welche Regierung sie sich halten können. ({4}) Trotz dieser Fakten hat die Bundesregierung bis heute nichts gegen internationale Waffenkoproduktionen unternommen. Die Richtlinien der Bundesregierung für Waffenexport geben dem Kooperationsinteresse der Rüstungsfirmen Vorrang - so steht dort - vor den rüstungsexportpolitischen Grundsätzen. Zwar will die Bundesregierung nicht auf Einwirkungsmöglichkeiten bei Exportvorhaben von Kooperationspartnern verzichten und behält sich in jedem Fall zur Durchsetzung ihrer rüstungsexportpolitischen Ziele vor, bestimmten Exportvorhab en des Kooperations18610 Deutscher Bundestag - 11 .Wahlperiode 233 Sitzung. Bonn Dienstag, den 30 Oktober 1990 partners im Konsultationswege entgegenzutreten. Das hört sich ja nett an, aber ich frage Sie: Wann hat sie das denn einmal gemacht? Die Raketen Hot, Milan, Roland, das Kampfflugzeug Alpha Jet sind deutsch-französische Koproduktionen, und in keinem Fall hat die Bundesregierung dem Export, z. B. in den Irak, widersprochen. ({5}) Die Tatsache, daß Rüstungskooperationen zur Umgehung von Exportbeschränkungen mißbraucht werden, hat den US-Senat schon vor Jahren zur deutlichen Kritik an der damals sozialliberalen Bundesregierung veranlaßt: ({6}) „Westdeutschland umgeht seine eigenen Vorschriften durch Koproduktion von Waffen mit anderen NATO-Ländern." Wir GRÜNE fordern eine sofortige Kündigung aller Rüstungskooperationsabkommen ({7}) Nur so ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, daß Rüstungsexporte nicht länger unkontrolliert über ausländische Kanäle erfolgen. Nun zum letzten Punkt, den Mauscheleien zwischen Exportunternehmen und dem Bundesamt für Wirtschaft. Gestern hat das Landgericht Hanau - Herr Kittelmann hat sich darüber aufgeregt - die Urteile gegen den Manager und andere Beteiligte gesprochen. Nicht verurteilt wurden jene Beamte, die diese Geschäfte erst ermöglicht haben. So hat ein Referatsleiter des Bundesamts für Wirtschaft bei seiner Vernehmung gestanden, er habe dem Hauptangeklagten empfohlen, die Tritiumanlage für Pakistan als „Schwerwasserreinigungsanlage" zu deklarieren, damit der Export genehmigungsfähig sei. Das Auswärtige Amt hat vor dem Export gewarnt und von einer Genehmigung abgeraten. Das Bundeswirtschaftsministerium hielt gleichwohl an der Genehmigung fest. In ungewöhnlich scharfen Worten haben die Hanauer Richter dem Bundesamt für Wirtschaft vorgeworfen, sein Wächteramt mißzuverstehen, indem es sich als Bundesamt f ü r Wirtschaft und nicht gegen Wirtschaft verstehe. Die GRÜNEN verlangen einen sofortigen Stopp aller Kriegswaffen-, Rüstungs- und Atomexporte. Wir freuen uns, daß die SPD bzw., wie ich gelesen habe, jetzt am Wochenende Hans-Jochen Vogel sich dieser von Kirchen, Dritte-Welt-Initiativen, der Friedensbewegung und den GRÜNEN erhobenen Forderung jetzt endlich anschließt. Allerdings werden wir Sie gleich bei der Abstimmung daran messen, was wir vcn diesen Aussagen zu halten haben, denn es ist uns - für Sie dummerweise - eingefallen, daß es namhafte Mitglieder der SPD-Fraktion gegeben hat, die sich vor Jahren für den Export des Kampfpanzers Leopard 2 an Saudi-Arabien ausgesprochen haben. ({8}) und jene, die das kritisiert haben, wurden damals mit Fraktions- und Parteiausschluß bedroht. ({9}) Die Exportförderer von damals - ich nenne keine Namen - sitzen noch in den Reihen der SPD. ({10}) Insofern werden wir Sie an der Umsetzung messen und nicht nur an Worten. ({11}) - Was wahr ist, ist wahr, lieber Herr Kollege, und das muß auf den Tisch. Da kann man auch die SPD nicht nur schonen. Die Bundesregierung hat trotz der Tag für Tag stattfindenden Exporte bis heute keine wirklich wirksamen Schritte zur Verhinderung vorgenommen. Was muß eigentlich noch passieren, frage ich Sie damit diese Geschäfte mit dem Tod, an dem sich einige wenige - nicht, Herr Grünbeck, Ihr vielbeschworener Mittelstand - eine goldene Nase verdient haben, eingestellt werden? ({12})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Vennegerts, würden Sie eine Frage des Abgeordneten Gansel beantworten?

Christa Vennegerts (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002365, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr gerne, liebend gern.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die seinerzeitige sozialliberale Bundesregierung, unterstützt von der CDU/CSUFraktion, den Export von Leo-2-Panzern nach SaudiArabien befürwortete, daß dieser Export aber am Widerstand der SPD-Bundestagsfraktion ({0}) und Teilen der FDP-Bundestagsfraktion gescheitert ist und daß der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt durch den Botschafter in Riad noch im Juni 1982 hat mitteilen lassen, ({1}) daß aus diesen Gründen ein Export von Leo 2 nach Saudi-Arabien nicht in Frage kommt? ({2})

Christa Vennegerts (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002365, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich nehme das gerne zur Kenntnis, lieber Kollege Gansel, nur muß ich dazu sagen: Ursprünglich haben Sie sich dafür stark gemacht, ({0}) und dann haben Sie die Kehrtwende vollzogen. Wenn aus dem Saulus ein Paulus wird, kann ich das nur begrüßen. Ich hoffe, das ist bei unserem Antrag dann auch so. Aber ursprünglich war es ein Irrweg. Aber wenn man den berichtigt, ist es in Ordnung. ({1}) - Nein, ich sage, daß Sie sich jetzt - ({2}) - Ja. Ihrer persönlich nicht.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun wollen wir das nicht in ein vertrauliches Zwiegespräch ausarten lassen. Frau Abgeordnete, fahren Sie fort.

Christa Vennegerts (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002365, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Von beschwichtigenden Worten lassen wir GRÜNE uns nicht einlullen, auch nicht wenn hier vorne gesagt worden ist: Jetzt haben wir doch das Außenwirtschaftsgesetz verschärft. Die Praxis läuft anders weiter. Es wird wegen der Irak-Export-Geschichte bisher gegen über hundert Firmen ermittelt. Ich denke, Sie haben heute alle eine große Chance, nämlich Ihren Worten Taten folgen zu lassen und für unseren Antrag „Verbot aller Rüstungsexporte" zu stimmen. Da wünsche ich mir von der SPD keine Enthaltung, sondern Zustimmung, wenn ich Ihren Vorsitzenden Vogel, den ich auch sonst ernst nehme, in dieser Frage ernst nehme. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Beckmann.

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! In der Großen Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN wird eine Vielzahl grundsätzlicher wie auch detailbezogener Fragen zur Exportgenehmigungspolitik und -praxis der Bundesregierung aufgeworfen. Die Beantwortung dieser Fragen hat sich nicht zuletzt deshalb verzögert, weil die jüngste Entwicklung im Nahen Osten, insbesondere die krisenhafte Entwicklung nach der Invasion des Irak in Kuwait, eine aktualisierte Prüfung und eine erneute Prüfung der Beantwortung erforderlich machten. Die Entwicklung im Nahen Osten ist nach wie vor im Fluß. Die Situation hat sich in den vergangenen Wochen erheblich verschärft. Eine möglichst umfassende und zeitnahe Antwort, die diese Entwicklung einbezieht, hielt die Bundesregierung in dieser zur Debatte stehenden Thematik für eher geboten als eine möglichst schnelle Antwort. Ich möchte zu den Schwerpunkten der Großen Anfrage aus Sicht der Bundesregierung gern Stellung nehmen. Lassen Sie mich zunächst einmal die Grundsätze der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung und auch die Ausfuhrgenehmigungspraxis darlegen. Entsprechend den politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern verfolgt die Bundesregierung im Vergleich zu den übrigen Industrieländern bekanntermaßen eine restriktive Ausfuhrgenehmigungspraxis. Die Anforderungen an die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen sind international als besonders streng anerkannt. Die in der Großen Anfrage anklingende Unterstellung, daß die Genehmigung von Rüstungsexporten einen Stellenwert in der Außenwirtschaftspolitik der Bundesregierung haben könnte, etwa im Sinne von Exportförderung, ist ganz entschieden zurückzuweisen. Der Kollege Grünbeck hat eben schon mit Recht auf den geringen Anteil der Rüstung in unserer Exportstatistik hingewiesen. Die nach dem Außenwirtschaftsgesetz zu schützenden Belange der Sicherheit, des friedlichen Zusammenlebens der Völker und der auswärtigen Beziehungen haben für uns klare Priorität. Meine Damen und Herren, als Konsequenz aus dem Umfang und dem Ausmaß der in den letzten Jahren bekanntgewordenen illegalen Beteiligung deutscher Firmen an Rüstungsprojekten - ich nenne als Stichworte nur einmal die Beteiligung der Firma Imhausen an der Giftgasanlage in Rabda und die Vorwürfe illegaler Rüstungslieferungen nach Irak - hat die Bundesregierung eine umfassende Reform des gesamten Ausfuhrkontrollsystems eingeleitet. Ich will an dieser Stelle nicht auf die Vielzahl der neuen Regelungen im Detail eingehen - wir haben kürzlich hier im Hohen Hause darüber debattiert -, will aber beispielhaft erwähnen das Verbot der Beteiligung von Deutschen an ABC-Projekten im In- und Ausland durch Änderung des Kriegswaffenkontrollgesetzes, die Genehmigungspflicht für die Beteiligung Deutscher an anderen sensitiven militärischen Produkten im Ausland, z. B. im Raketenbereich, und letztlich auch die wirklich drastische Erhöhung des Strafrahmens und die Erweiterung der genehmigungspflichtigen Ausfuhren.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Staatssekretär, der Abgeordnete Walther möchte gern eine Zwischenfrage stellen.

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Bitte schön!

Rudi Walther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nachdem ich hier die guten Absichten der Bundesregierung vernommen habe, möchte ich mich auf das beziehen, was Frau Kollegin Vennegerts vor kurzem gesagt hat, und möchte Sie fragen, ob die Bundesregierung auch bereit ist, die bestehenden Rüstungskooperationsabkommen mit Frankreich und Großbritannien zu kündigen, weil nämlich die Beispiele, die die Frau Kollegin Vennegerts hier genannt hat, Ausfluß dieser beiden Rüstungskooperationsabkommen sind. ({0})

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Herr Kollege Walther, im Augenblick ist an eine Kündigung dieser Abkommen nicht gedacht. ({0}) Sie wissen, wie sehr wir im Bündnis auf eine Kooperation gerade bei den noch laufenden und geplanten Rüstungsprojekten angewiesen sind. Allein schon aus Haushaltsgründen ist diese Kooperation notwendig; denn sie ist billiger. Das wissen Sie als Vorsitzender des Haushaltsausschusses doch wirklich am besten. ({1}) Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist entschlossen, die Neugestaltung des Ausfuhrrechts konsequent fortzusetzen. Sie wird zusätzlich zu dem bereits umgesetzten umfangreichen Reformpaket die Zuverlässigkeitsprüfung verschärfen und auch in der neuen Legislaturperiode zur konsequenten Weiterentwicklung des Ausfuhrkontrollsystems beitragen. Ich denke, es ist völlig richtig, was Kollege Grünbeck hier eben gesagt hat: Es kann nicht hingenommen werden, daß der gute Ruf der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Wirtschaft durch Handlungen einzelner Firmen Schaden nimmt. ({2}) Meine Damen und Herren, die meisten der neuen Regelungen im Außenwirtschaftsrecht sind einseitig und auf nationaler Ebene eingeführt worden. Wettbewerbsnachteile der Wirtschaft und Einschränkungen für deutsche Staatsbürger im Vergleich zu der Situation in anderen westlichen Ländern haben wir in diesem Bereich bewußt hingenommen. Ebenso klar ist aber auch, daß sich die Bundesregierung weiter für eine möglichst abgestimmte Haltung und die Einführung vergleichbarer Kontrollen im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und in anderen westlichen Ländern intensiv einsetzen wird. Ein Wort noch zur Transparenz der Ausfuhrgenehmigungen - eine Frage, die Sie, Frau Kollegin Vennegerts, ja hier und in den Ausschüssen auch immer wieder stellen. ({3}) Ich glaube, daß dieser durch die Fraktion DIE GRÜNEN wiederholt vorgetragene Vorwurf, die Bundesregierung verschweige mit ihrer Veröffentlichungspraxis einen wesentlichen Aspekt ihrer Außenpolitik, nicht zutrifft, ({4}) und weise ihn mit Entschiedenheit zurück. ({5}) Zum einen - das habe ich schon erläutert - stellen Rüstungsexporte für die Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern kein Mittel der Außenpolitik und der Außenwirtschaftspolitik dar. Zum anderen hat die Bundesregierung Informationsbegehren von Mitgliedern des Deutschen Bundestages zu Rüstungsexporten in der Vergangenheit, soweit es ihr rechtlich möglich war, bestmöglich beantwortet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Vennegerts?

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Ich bitte darum, Herr Präsident.

Christa Vennegerts (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002365, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Herr Staatssekretär. Auch wenn Sie unsere Anfragen, wie Sie sagen, meistens beantworten - wie auch immer - : Glauben Sie nicht, daß die bundesdeutsche Öffentlichkeit genauso wie die US-Bürgerinnen und -Bürger ein Anrecht darauf hat, zu erfahren, welche Exportpraxis die Bundesregierung in diesem hochsensiblen Bereich tätigt? Warum werden Sie da nicht tätig?

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Frau Kollegin Vennegerts, es muß natürlich darauf hingewiesen werden, daß bei der Auskunftserteilung stets auch die Grenzen des Datenschutzes zu beachten sind, die durch die Vorschriften des Strafgesetzbuches und des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie des Statistik- und des Außenhandelsstatistikgesetzes gezogen sind. Weil diese Frage immer wieder kommt, darf ich die Vorschriften nennen, um die es sich handelt, damit das nachgelesen werden kann. Es handelt sich um die §§ 203 ff. des Strafgesetzbuches, um § 16 des Bundesstatistikgesetzes und § 11 des Außenhandelsstatistikgesetzes sowie um § 30 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Ich wäre wirklich froh, wenn der eine oder andere, der sich mit dieser Materie beschäftigt, diese Vorschriften verinnerlichen würde. ({0}) - Aber selbstverständlich. Sie sind zur Initiative aufgefordert. Diese Vorschriften sind auch von der Bundesregierung - wie von jedem Bürger - zwingend zu beachten. Deswegen konnte die Bundesregierung die Antworten und Berichte zum Teil eben nur in vertraulichen Sitzungen der jeweiligen Ausschüsse geben, sofern firmenspezifische oder personenbezogene Auskünfte gegeben wurden. Wir sind auch in Zukunft jederzeit zu derartigen vertraulichen Unterrichtungen bereit. Die Bundesregierung hat in ihre Reformüberlegungen zur Ausfuhrkontrollpolitik auch die Frage der Transparenz der Ausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern einbezogen. Sie wird ländermäßig gegliederte Zahlen der Exportgenehmigungswerte zur Verfügung stellen. Die Bundesregierung ist auch bereit, die in der Anfrage erbetenen Angaben über die Werte für das Jahr 1989, bezogen auf die Abschnitte A und E der Ausfuhrliste, den Vorsitzenden der zuständigen Ausschüsse mitzuteilen. Aber auch hierbei müssen selbstverständlich die Bestimmungen der einschlägigen Gesetze zum Schutze persönlicher und firmenindividueller Verhältnisse gewahrt werden. Lassen Sie mich zum Schluß noch einige Worte zum Register der Vereinten Nationen über den internationalen Waffentransfer sagen. Die Bundesregierung sieht die Bekanntgabe von länderspezifischen Angaben von Rüstungsexportgenehmigungen auch als einen Beitrag im Hinblick auf die Bemühungen der Vereinten Nationen zur Schaffung von mehr Transparenz im internationalen Waffentransfer. Für die Einrichtung eines Registers über internationale Waffenexporte und -importe hat sich die Bundesregierung in den Vereinten Nationen seit langem nachdrücklich eingesetzt. ({1}) Sie unterstützt alle diesbezüglichen konkreten Schritte, die vom Generalsekretär der Vereinten Nationen eingeleitet werden. Sie beteiligt sich auch aktiv an der Ausarbeitung einer Studie, die bis zum Herbst 1991 an die Generalversammlung der Vereinten Nationen weitergeleitet werden soll. Für die Einführung eines Registers ist aber auch eine ausreichende Mehrheit in der Generalversammlung erforderlich. Die Bundesregierung jedenfalls wird nicht nachlassen, sich für eine solche Mehrheit kräftig einzusetzen. Vielen Dank. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90. ({0}) - Herr Abgeordneter, seien Sie so nett und erklären Sie, was Sie zu machen beabsichtigen, weil wir eine Geschäftsordnung haben, nach der wir uns richten. - Eine Erklärung zur Abstimmung für die Fraktion.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der SPD-Fraktion möchte ich darauf hinweisen, daß das, was mit dem Antrag der GRÜNEN beantragt wird, nur realisierbar wäre, wenn hier eine Gesetzesvorlage vorhanden wäre, weil hier ein generelles Verbot gefordert wird. Der SPD-Antrag beschränkt sich dagegen auf das, was die Bundesregierung im Rahmen der jetzt bestehenden Gesetze sofort durchsetzen könnte, nämlich einen Verzicht auf Genehmigungen für Waffen- und Rüstungsexporte an Staaten außerhalb der NATO im Rahmen ihrer Ermessensausübung. Deshalb haben wir diesen Antrag heute eingebracht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 - ({0}) - Frau Vennegerts, auch genau zu diesem Thema?

Christa Vennegerts (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002365, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nur ganz kurz zum SPD-Antrag, zur Abstimmung meiner Fraktion.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zum Abstimmungsverhalten Ihrer Fraktion? .({0})

Christa Vennegerts (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002365, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie kennen die Geschäftsordnung nicht, Herr Bohl. Ruhe! ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Für Ruhe sorgen muß ich hier oben, Frau Abgeordnete!

Christa Vennegerts (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002365, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, ich danke Ihnen. Zum Antrag der SPD. Wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten, weil es nicht ausreichend ist, nur einen Kriegswaffen-und Rüstungsexportstopp für Staaten außerhalb der NATO vorzusehen. Wir wollen einen generellen Stopp von Rüstungs-, Kriegswaffen- und Atomexporten. Selbstverständlich geht auch das, Herr Gansel, weil wir, wenn wir das fordern, die Bundesregierung gleichzeitig dazu auffordern, die betreffenden Gesetze zu ändern. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt sind wir aber bei der Abstimmung, und zwar über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 auf Drucksache 11/8372. Wer dafür stimmt, den bitte ich ums Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD abgelehnt. Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8384. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Also bei spiegelbildlich umgekehrtem Abstimmungsverhalten ist dieser Antrag abgelehnt, d. h. mit der Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS. Ich rufe damit Tagesordnungspunkt 9 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil, Oswald, Daweke, Schemken, Dr.-Ing. Kansy, Magin, Schwarz, Seesing, Jäger, Nelle, Frau Augustin, Dr. Blank, Börnsen ({0}), Carstensen ({1}), Fuchtel, Ganz ({2}), Dr. Grünewald, Günther, Hedrich, Frau Dr. Hellwig, Herkenrath, Hinsken, Hornung, Jung ({3}), Keller, Krey, Frau Limbach, Lowack, Maaß, Regenspurger, Frau Rönsch ({4}), Ruf, Frau Schätzle, Spilker, Dr. Uelhoff, Frau Dr. Wisniewski und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Neuhausen, Dr. Thomae, Dr.-Ing. Laermann, Nolting, und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ({5}) - Drucksache 11/7940 - a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({6}) -Drucksache 11/8282 - Berichterstatter: Abgeordnete Graf von Waldburg-Zeil Frau Odendahl Neuhausen Wetzel Vizepräsident Westphal b) Bericht des Haushaltsausschusses ({7}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 11/8286 Berichterstatterinnen: Abgeordnete Frau Dr. Wegner Frau Rust Frau Männle Frau Seiler-Albring ({8}) Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung 30 Minuten vorgesehen. - Ich höre dagegen keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Graf von Waldburg-Zeil.

Alois Waldburg-Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002413, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der wichtigen zwölften BAföG-Novelle mit der Beseitigung der Benachteiligung von Geförderten aus Familien mit mittlerem Einkommen im Frühjahr folgt heute eine kleine 13. Novelle, die zum einen Korrekturen im Zusammenhang mit der deutschen Einheit enthält, zum anderen die Förderung des Besuchs von berufsqualifizierenden Berufsfachschulklassen auch für die Klasse 10, und zwar rückwirkend vom 1. August 1990 an. Damit wird Wünschen vor allem des Freistaats Bayern, aber auch des Landes Baden-Württemberg Rechnung getragen, deren Schüler nach Absolvierung der neunjährigen Hauptschule bereits mit der Klasse 10 mit dem Besuch solcher Schulen beginnen und die nach Eröffnung dieser Möglichkeiten durch die zwölfte Novelle andernfalls gegenüber den Schülern benachteiligt worden wären, die bei einer zehnjährigen Hauptschule erst mit der Klasse 11 beginnen. Diese kleine Novelle scheint mir beispielhaft anzuzeigen, wie die tradierte Kulturhoheit unserer Länder, die nach der Vereinigung mit den fünf neuen Ländern noch an Gewicht gewinnt, von der Bundesrepublik respektiert wird. Die große Stärke des Bildungsföderalismus ist der Reichtum an versuchten Wegen, der Persönlichkeitsentfaltung von Kindern und jungen Menschen bestmöglich zu dienen. ({0}) - Nein, eben die Unterschiedlichkeit macht es aus. Bei jedem Versuch, einen wichtigen Politikbereich in Beachtung sich vollziehender Veränderung bestmöglich zu gestalten, gibt es eben unterschiedliche Lösungsansätze. Man kann den Standpunkt vertreten, mehr Bildung und mehr Erziehung sei eine Frage der Menge der Zeit, die hierfür investiert werde. Das ist Ihre Auffassung. Man kann aber auch ein Konzept persönlichkeitsbezogener qualitativer Anpassung an unterschiedliche Bildungslebensläufe verfolgen. Ein Beispiel dafür ist eben diese Diskussion um die neunjährige oder zehnjährige Hauptschule. Ich zum Beispiel kenne aus der Elternarbeit viel Zustimmung, vor allem im ländlichen Raum, zu einer raschen Heranführung an Berufsbildung mit der Möglichkeit, sich für allgemeinbildende Abschlüsse nachzuqualifizieren. Übrigens werden wir in die bildungspolitische Debatte noch eine ganze Reihe anderer unterschiedlicher Punkte auch zwischen den neuen und den alten Ländern bekommen, etwa in der Frage: Zwölf Jahre oder 13 Jahre zum Abitur? Es hat einige Zeit den Anschein gegeben, als wenn sich aus dem Zusammenwachsen Europas eine starke Vereinheitlichungstendenz ergeben würde, so wie in der Landwirtschaft bei der Traktorensitzverordnung oder bei der Karamelbonbonverordnung. Seit der deutschen Präsidentschaft - deshalb ein bildungspolitisches Dankeschön an den Bundeskanzler - ist dieser gefährliche Irrweg für die Bildungspolitik versperrt. Für ein vielfältiges und reiches Bildungswesen wäre die Vereinheitlichung tödlich gewesen. Die seither gefahrene Linie der Anwendung des Prinzips größtmöglichen Vertrauens hat den richtigen Weg zu einer reich gegliederten europäischen Bildungslandschaft eröffnet, in der unsere Kulturhoheit den angestammten Platz behalten kann. Nun verkenne ich nicht, daß es Probleme gibt, wenn Inhalte und Abschlüsse zu stark voneinander abweichen. Zu diesem Zweck gibt es die Kultusministerkonferenz und die für Abstimmungsprozesse von der Enquete-Kommission Bildung 2000 so empfohlene Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung. Der beste Weg aber ist der des vertrauensvollen Abstimmungsprozesses, der bei dieser Novelle beschritten wurde, nicht der neuer Bundes- oder gar Europakompetenzen. Ich danke Ihnen. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Odendahl.

Doris Odendahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001632, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Druckerschwärze der 12. BAföG-Novelle ist kaum getrocknet, sie ist kaum ein Vierteljahr in Kraft, die BAföG-Ämter sind gerade dabei, die Durchführung umzusetzen, da kommt schon die nächste Reparatur dieses Dauerreparaturwerkes. ({0}) Diese endlose BAföG-Geschichte zeigt auch die bildungspolitische Kurzatmigkeit und gleichzeitig die Parteilichkeit von Regierung und Koalition. ({1}) Nach dem Kahlschlag der Regierungskoalition war eine grundlegende Reform des BAföG notwendig geworden. Der BAföG-Beirat hat solche Maßnahmen als Ergebnis seiner Untersuchungen vorgetragen. Auf Grund des ihm auferlegten engen finanziellen und gestalterischen Spielraums hat der Beirat eine Reform innerhalb des BAföG gewählt, die am schnellsten und am einfachsten durchzuführen war. Gleichzeitig wurden aber Fragen aufgeworfen, die nur durch weitere Untersuchungen und die Möglichkeit einer Neugestaltung der Ausbildungsförderung zu klären waren. Deshalb hat die SPD-Fraktion vor einem Jahr den Antrag gestellt, den Beirat mit der Untersuchung der Voraussetzungen für eine Neugestaltung des BAföG zu beauftragen. Dieser Antrag wurde mit der Stimmenmehrheit der Regierungskoalition abgelehnt. Zur Erinnerung: Gemäß dem SPD-Antrag sollte der BAföG-Beirat bei seinen Vorschlägen auch die konkrete Gestaltung einzelner in der geltenden Ausbildungsförderung problematischer Bereiche behandeln, u. a. die Förderung des Berufsgrundbildungsjahres in der 10. Klasse, das zur Sekundarstufe II gehörte. Noch vor wenigen Monaten haben also CDU/CSU und FDP es abgelehnt, sich mit solchen Fragen zu befassen. ({2}) Heute haben wir genau zu diesem Punkt einen Gesetzentwurf von Ihnen auf dem Tisch. Das leitet über zu der Frage der Parteilichkeit. Tatsache ist, daß es in der Bundesrepublik kaum noch Länder gibt, die keine zehnjährige Schulpflicht haben. Bayern ist eines dieser Länder. ({3}) Damit nun auch Bayerns Schüler und Schülerinnen in den Genuß der endlich wieder eingeführten Förderung schulischer Berufsausbildung kommen können, muß flugs ein Änderungsgesetz beschlossen werden. ({4}) Daß es aber in anderen Bundesländern Ausbildungsgänge gibt, die zu einem Berufsabschluß und zu einem Schulabschluß führen, wie z. B. in Nordrhein-Westfalens Kollegschulen, fiel dabei unter den Tisch. Diese Kollegschüler und -schülerinnen sollten nicht unter diese Regelung fallen. Auch der Anspruch der Schülerinnen und Schüler in den neuen Bundesländern fiel bei der jetzt geplanten 13. Novelle ebenfalls unter den Tisch. ({5}) Auch in diesen fünf Ländern gibt es Ausbildungsgänge, die die berufliche und die allgemeine Bildung miteinander verbinden und zum Abschluß führen. Wir freuen uns, daß die von der SPD initiierte Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft den Gesetzentwurf jetzt korrigiert. In den neuen Ländern ist nicht nur Beratungsbedarf bei der Einführung des BAföG vorhanden. Es gibt ganz unterschiedliche Ansprüche, weil den jungen Menschen dort andere Bildungswege angeboten wurden. Nachdem der Bildungsminister inzwischen kundgetan hat, daß er von Föderalismus im Bildungsbereich wenig hält, muß doch gefragt werden, wie die Bundesregierung das Bund-Länder-Verhältnis in Zukunft föderativ gestalten will, wenn nun die Kulturhoheit der Länder über das BAföG entweder gekappt oder gar gehätschelt wird. Beides ist möglich. Ihr größtes Versäumnis bei der 12. BAföG-Novelle ist die allgemeine Schülerförderung ab Klasse 11. ({6}) Daß hier weiterer sozialer Sprengstoff liegt, hat der BAföG-Beirat eindringlich gezeigt. Sie hätten ja auch in Karlsruhe besser dagestanden, wenn Sie auf die Sozialleistung „Schülerförderung" hätten verweisen können. Denn auch die Karlsruher Richter mußten feststellen, daß die Belastungen von Familien mit Kindern in Ausbildung nicht adäquat berücksichtigt wurden. Leider wird mit der 13. BAföG-Novelle wieder einmal nur ganz kleinkariert gekleckert. ({7}) Man sieht: Die Bundesregierung versucht zwar, den BAföG-Kahlschlag aufzuforsten. Aber was sie erreicht, meine Damen und Herren, ist kein neuer Wald, sondern nur undurchdringliches Gestrüpp, ({8}) also wieder einmal - und dazu gratuliere ich Ihnen - eine Reparatur der Reparatur. ({9})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Timm. ({0})

Jürgen Timm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002329, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich habe eine Reihe von Jahren in der Schul- und Bildungspolitik Erfahrungen gesammelt und mache das auch noch in der Gemeinde, falls Sie wissen, wie das geht. An diesem Thema war ich allerdings nur mittelbar beteiligt. Wenn ich trotzdem hier spreche, dann, um meinem hochverehrten Kollegen Friedrich Neuhausen, der bereits am letzten Freitag in diesem Hause seine Abschiedsrede gehalten hat, diese unerwartete neue Aufgabe abzunehmen. Sie werden dafür sicherlich Verständnis haben, wenn ich das übernehme. ({0}) Aber das Thema bietet bei der Behandlung ja auch sonst Freude. Nachdem das 12. Änderungsgesetz ein Erfolg war, wird jetzt mit dem 13. Gesetz eine weitere Anpassung an die seit der 12. Novellierung durch Einigungsvertrag und Aufhebung der alliierten Vorbehaltsrechte eingetretenen Entwicklungen erreicht. Ich verstehe, Frau Kollegin Odendahl, nicht, daß Sie meinen, darin sei Parteilichkeit enthalten und das sei Aus18616 druck einer Kurzatmigkeit. Im Prinzip sind Sie doch dafür. ({1}) - Sie haben das doch auch erreicht. Meine Fraktion stimmt dem von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Gesetzentwurf und der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu. Sein Ziel ist die Gleichstellung der Schülerinnen und Schüler berufsqualifizierender Berufsfachschulklassen, die entsprechend der Gesetzeslage ihres Bundeslandes neun Pflichtschuljahre absolviert haben und nun diese weiterführende Ausbildung beginnen, mit denen, die das nach zehnjähriger vorangegangener Schulzeit tun. In der Ausschußberatung ist der Entwurf ergänzt worden; er ist nicht korrigiert worden, Frau Kollegin. Die Ergänzungen sichern die beabsichtigte rückwirkende Geltung des Gesetzes, d. h. die genannten Schülerinnen und Schüler erhalten die Förderung ab Beginn des Schuljahres 1990. Außerdem wird eine aufgrund der 12. Änderung des Berufsausbildungsförderungsgesetzes notwendig gewordene Konsequenz im Hinblick auf die Verlängerung der Förderung bei Pflege und Erziehung eines Kindes bis zu fünf Jahren im Zusammenhang mit den Regelungen für die Förderung von Zweitausbildungen gezogen. Eine weitere Ergänzung betrifft schließlich die Erleichterung von Abschlagszahlungen bzw. die Ausweitung des Zeitraumes dieser Zahlungsmöglichkeit von vier auf acht Monate. Diese Regelung bezieht sich auf die bereits in Ausbildung befindlichen Schüler und Studierenden in den neuen Bundesländern und soll einen geordneten Gesetzesvollzug im kommenden Jahr sicherstellen. Soweit die Gesetzesvorlage. Die Beschlußempfehlung des Ausschusses bittet die Bundesregierung darüber hinaus schließlich um Prüfung der Situation von Schülerinnen und Schülern in doppelt qualifizierenden Bildungsgängen, und zwar ebenfalls im Hinblick auf die Entwicklung in den fünf neuen Bundesländern. Die Gesetzesvorlage schließt sich insgesamt an die mit der vorausgegangenen 12. Novellierung des BAföG erreichten wesentlichen Verbesserungen der Förderung von Schülern und Studierenden an. Für beides gilt unser Dank allen Beteiligten und Verantwortlichen, insbesondere dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft. Vielen Dank. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hillerich, die ich hier schon einmal verabschiedet habe; aber Sie kommt noch einmal wieder.

Imma Hillerich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000902, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Lieber Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stimmt; ich habe am vergangenen Freitag gedacht, ich hielte meine letzte Rede. Damals hatte ich aber noch nicht die Tagesordnung für diese Sitzungswoche gelesen. Somit habe ich, haben Sie, haben wir miteinander heute doch noch einmal das Vergnügen. ({0}) - Und wechselseitig. Zum 13. BAföG-Änderungsgesetz: Meine Fraktion, DIE GRÜNEN/Bündnis 90, hat diesem Gesetzentwurf im Ausschuß zugestimmt, und wir werden dies auch hier tun, weil es sich um eine überfällige Ausweitung der Ausbildungsförderung für Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulabschluß handelt. Von unserer Zustimmung unberührt bleibt aber unsere Kritik an der Beschränkung des BAföG nur auf die Berufsschülerinnen und Berufsschüler, die nicht bei ihren Eltern wohnen. Wir fordern nach wie vor die Wiederaufnahme der Ausbildungsförderung des Bundes für alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II zumindest aus einkommensschwachen Familien. Wir stimmen also diesem Gesetzentwurf zu, auch wenn wir seinen Anlaß für unbefriedigend halten. Ich möchte hier ganz offen sagen, daß wir die Tatsache, daß in einigen Bundesländern noch immer nicht die Konsequenz eines mindestens zehnjährigen allgemeinbildenden Schulbesuchs für alle Jugendlichen gezogen worden ist, kritisieren. Dies ist gerade in den Bundesländern der Fall, deren regierenden Parteien oder Koalitionen immer noch die Gesamtschule als zumindest wählbare Schulform verhindern. In diesen Bundesländern wird wider besseres Wissen mit der neunjährigen Hauptschule eine Schulform künstlich am Leben erhalten, die inzwischen überall, auch dort, wo es immer noch kein Gesamtschulangebot gibt, rapide sinkende Anmeldezahlen zu verzeichnen hat, weil die meisten Eltern inzwischen bessere Bildungschancen für ihre Kinder wünschen. ({1}) Wir GRÜNEN sind uns auch mit unseren Freundinnen und Freunden aus dem Bündnis 90 in den neuen Bundesländern darin einig, daß, wenn es schon eine Schulpflicht geben muß - wir sähen die Schulpflicht gerne durch ein umfassendes Recht auf Bildung und durch eine staatliche Pflicht zur Bereitstellung und Gewährleistung von Unterricht ersetzt - , sich der Schulbesuch auf eine Dauer von zehn Jahren für alle Jugendlichen in den alten und neuen Bundesländern erstrecken muß. Schulabgänge nach acht Schuljahren halten wir für indiskutabel, auch in den neuen Bundesländern. Bei der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu diesem BAföG-Änderungsgesetz ist auch uns GRÜNEN/Bündnis 90 wichtig, daß doppelt qualifizierende Bildungsgänge, z. B. die in den neuen Bundesländern bisher mögliche Berufsausbildung mit Abitur, erhalten und in die Förderung einbezogen werden. Zugleich möchte ich damit den Wunsch und die Aufforderung an die bildungspolitisch Verantwortlichen in Bund und Ländern verbinden, doppelt qualifizierende berufliche und schulische Bildungsgänge so weiterzuentwickeln, daß zum einen die bundesweite Geltung und Verbreitung solcher Bildungsmöglichkeiten erreicht wird, damit dies nicht nur von Reformversuchen einzelner Bundesländer abhängt. Zum anderen - dies gilt vor allem für die neuen Bundesländer - sollen durch doppelt qualifizierende Bildungsgänge keine Barrieren und Hierarchien zwischen den Ausbildungsberufen errichtet bzw. erhalten werden. Es soll also nicht nur für sogenannte berufliche Eliteausbildungen, sondern für alle Berufsausbildungen die Verbindung von allgemeiner und beruflicher Bildung geben. Andernfalls würde der Chancengleichheit und der Durchlässigkeit in unserem Bildungswesen ein Bärendienst erwiesen. Ich danke Ihnen. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Fache.

Sabine Fache (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000512, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes könnte man, oberflächlich gesehen, zunächst zustimmen, weil damit mehr Jugendliche als bisher in den Gesetzesbereich einbezogen werden. Schüler, die in den Ländern mit neunjähriger allgemeinbildender Schulpflicht bereits in der zehnten Jahrgangsstufe eine berufsqualifizierende Berufsfachschulklasse besuchen, können somit nach BAföG gefördert werden. Dabei kann man natürlich nicht unerwähnt lassen, daß in den neuen Bundesländern noch eine zehnjährige Schulpflicht besteht, die wir auch weiterhin befürworten. Leider haben auch in diesem Jahr einige tausend Schüler die Schule in diesen neuen Ländern nach der 8. oder 9. Klasse ohne Abschluß vorzeitig verlassen. Im September 1990 waren davon noch 3 200 ohne Ausbildungsplatz und Arbeit. Diese Zahlen waren ursprünglich noch höher. Ein Teil der betroffenen Schüler ging wieder an die Schule zurück, um der Arbeitslosigkeit auszuweichen. Ich erwähne das, weil in der Diskussion um neue Schulsysteme vor allem hinsichtlich der umstrittenen Gründung von Hauptschulen die Lösung der genannten Probleme nicht allein durch die erweiterte Ausbildungsförderung erreicht werden kann. Ich bin auch sicher, daß die meisten Eltern in den neuen Bundesländern die Hauptschule nicht annehmen werden. Eine Gruppe von Schülern - es gibt Abgänger aus der 7. und 8. Klasse - wird von dieser Gesetzesänderung noch nicht erfaßt. Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben. Trotz der genannten positiven Akzente dieser Vorlage kann ich nicht verhehlen, daß wir Abgeordneten der Gruppe der PDS doch einige grundsätzliche Bedenken gegen die BAföG-Regelung haben. In § 24 des BAföG ist festgelegt, daß das Einkommen des Ehepartners oder der Eltern angerechnet wird, und in § 26 heißt es, daß das vermögensteuerliche Einkommen der Eltern oder des Ehepartners zur Berechnung herangezogen werden. Der Auszubildende ist damit auf die Eltern angewiesen. Nach unserer Meinung bedarf BAföG für eine wirklich freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes unabhängig von den Eltern einer prinzipiellen Überarbeitung. Wir unterstützen deshalb das vom Linken Jugendring erarbeitete vierteilige Modell zur Ausbildungsförderung. Es sieht erstens ein elternunabhängiges Grundstipendium, zweitens Sozialstipendienhilfe, drittens Leistungsförderung und viertens günstige Kredite vor. Unter Buchstabe b der Beschlußempfehlung wird die Bundesregierung dringend gebeten, dafür zu sorgen, daß Bildungslehrgänge, die sowohl zu einem Berufsabschluß als auch zu einem schulischen Abschluß führen, z. B. die Berufsausbildung mit Abitur - BmA - , nach BAföG gefördert werden können. Diesem Antrag möchten wir unsere Zustimmung nicht verweigern. Unbedingt möchte ich jedoch dazu bemerken, daß die Festlegungen im Einigungsvertrag hier nicht greifen. Viele Betriebe kündigten bereits die Ausbildung; das private Handwerk hält sich zurück. Im Land Thüringen werden zwölf berufliche Gymnasien als Modellversuche entwickelt. Die Schüler erreichen zwar ein vollwertiges Abitur, aber eine Berufsausbildung ohne Abschluß. Das ist zwar eine begrüßenswerte Initiative, wird aber dem ursprünglichen Anliegen der Berufsausbildung mit Abitur nicht mehr gerecht. Ich denke, daß neben der Zuerkennung von Ausbildungsförderung für die Schüler zusätzliche materielle Anreize für die Betriebe durch die Bundesregierung geschaffen werden müßten, um die Berufsausbildung mit Abitur zu erhalten. Übrigens rechnet die DAG-Jugend im nächsten Jahr mit bis zu 50 000 Jugendlichen ohne Lehr- und Ausbildungsplatz. Einem Drittel aller Schulabgänger - 18 000 - wurde in diesem Jahr gekündigt; 3 200 haben bis heute noch keinen Ausbildungsplatz. Ich glaube, daß die Äußerungen von Staatssekretär Dr. Lammert in der vergangenen Woche doch sehr zweckoptimistisch waren. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Hilsberg.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zahl der Anwesenden ist nicht sehr groß. Obwohl ich noch nicht lange hier bin, habe ich doch immerhin eines gelernt: Es kann dann nur um Bildungspolitik gehen. Natürlich ist es zu begrüßen, daß nun in den neuen Ländern auch die Studenten mit mehr Finanzen ausgestattet werden. Aber erstens empfinde ich dies als selbstverständlich, auch wenn es nicht selbstverständlich ist, daß wir hier wieder einen festgeschriebenen Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland in der BAföG-Regelung haben. Zweitens verstehe ich nicht, wieso gerade die CDU, die vorgibt, die Familie sozusagen auf Händen zu tragen ({0}) - aber sie gibt es eben vor; das ist der Punkt -, hier nun durch eine solche grundsätzliche BAföG-Regelung Konfliktpotential in die Familien trägt. Allerdings bedauern viele Studenten in der ehemaligen DDR den Verlust ihrer Unabhängigkeit. Drittens gibt es eine ganze Reihe von Problemen, an die ich hier einmal anknüpfen möchte. Es gab bisher in der ehemaligen DDR für Schülerinnen und Schüler der erweiterten Oberschule und für Studierende eine einkommensunabhängige finanzielle Förderung, billige Wohnheimplätze und Verpflegung. Unter der Regierung von de Maizière wurde dann eine Übergangsregelung beschlossen, die auf der Beibehaltung der bisherigen Lebenshaltungskosten Studierender beruhte. Im Einigungsvertrag wurde festgelegt, daß bis 1991 das BAföG mit Übergangsbestimmungen für die fünf neuen Bundesländer gelten soll. Damit entfällt allerdings in den neuen Ländern die Schülerförderung, was von den betroffenen Schülern mit Sicherheit nicht zu den Segnungen der Demokratie gezählt werden wird. ({1}) Damit können wir uns nicht zufriedengeben, denn die SPD ist der Auffassung, daß die Herstellung von Chancengleichheit Ziel der Ausbildungsförderung war und bleiben muß. Dazu gehört auch weiterhin die allgemeine Schülerförderung ab Klasse 11. ({2}) Zwar werden die fortfallenden Schülerstipendien durch Kindergeldzahlungen und andere Transferleistungen ersetzt; andererseits gibt es aber keine Landesschülerförderung in den neuen Bundesländern. ({3}) In wirtschaftlichen Krisenzeiten - diese haben wir zur Zeit in Ostdeutschland - ist eine gute schulische Bildung eine Voraussetzung für eine gesicherte Zukunft. ({4}) Es würde den neuen Bundesländern helfen, über Studierende den dringend notwendigen Nachwuchs an Hochschulabsolventen auszubilden. Die dafür notwendige Förderung der Schulausbildung ist jedoch eine Aufgabe in der Verantwortung des Bundes. Sie kann nicht den neuen Bundesländern allein aufgebürdet werden; sie haben eh schon übergenug zu tragen. Ich weiß nicht, ob es der Unkenntnis der Verhältnisse in der ehemaligen DDR oder möglicherweise der politischen Absicht der CDU zu verdanken ist, daß jemand, der drei Jahre bei der Armee als Unteroffizier gedient und eine dreijährige Ausbildung hinter sich hat, in den Genuß der rein staatlichen Förderung kommt, dagegen ein Jugendlicher, der nur eineinhalb Jahre NVA-Grundwehrdienst hinter sich hat, nicht. Letzterer brauchte elterliche Unterstützung, der „Dreijährige" dagegen nicht. Im Gegenteil, letzterer konnte sparen und geht gut besattelt in das Studium. Ich denke, hier muß eine Lösung gefunden werden. Es sind immerhin mehrere denkbar, und wir sind zur Mitarbeit bereit. ({5}) In den neuen Bundesländern besteht die Gefahr, daß die Abiturklassen an Berufsschulen verschwinden. Das ist aber ein wichtiger Bildungsweg, der erhalten werden sollte. Entscheidend dafür ist hier ebenfalls die Einbeziehung in die Schülerförderung. Die Beschlußempfehlung des Bildungsausschusses ermöglicht es, für diese doppeltqualifizierenden Ausbildungsgänge die Förderung zu sichern. In den neuen Bundesländern muß außerdem sichergestellt werden, daß es in der Übergangszeit bei Wohnheimen und Mensen keine Preissteigerungen gibt, und daß sich einkommensabhängige Förderung und die Übernahme der Steuergesetzgebung nicht nachteilig auswirken. Es reicht nicht, BAföG auch in den neuen Bundesländern zu übernehmen. Fragen der Gestaltung einer gesamtdeutschen Ausbildungsförderung im Hinblick auf den europäischen Binnenmarkt, den Familienlastenausgleich, elternunabhängige Förderung, Förderung des zweiten Bildungsweges oder der Weiterbildung sind ungeklärt. Deshalb, so denken wir, sollte unverzüglich der BAföG-Beirat beauftragt werden, Vorschläge zur Durchführung und Finanzierung einer neugestalteten gesamtdeutschen Ausbildungsförderung sowie für Übergangsbestimmungen vorzulegen. Ich danke Ihnen. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Herr Dr. Lammert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Graf von Waldburg-Zeil und die Kollegin Odendahl haben zwar mit unterschiedlicher Begeisterung, aber jeweils zutreffend darauf hingewiesen, ({0}) daß mit der 12. BAföG-Änderung eine grundlegende Veränderung der allgemeinen Förderungsbedingungen hier verabschiedet worden ist, mit der die Studienfinanzierung und die Schülerförderung für einen erheblich erweiterten Kreis von Berechtigten auf eine neue Grundlage gestellt worden sind. Zutreffend ist auch darauf hingewiesen worden, daß wir nach vergleichsweise kurzer Zeit diese Bestimmungen novellieren, um damit weitere Fördermöglichkeiten zu eröffnen. Ich vermute, daß, wenn das hier schon mit kritischem Unterton angemerkt worden ist, solange eine Lücke zwischen den öffentlichen Ansprüchen auf Ausbildungsförderung auf der einen Seite und den Ansprüchen auf Ruhestandsbezüge auf der anderen Seite, jedenfalls was öffentliche Kassen betrifft, besteht, im Deutschen Bundestag Reformbedarf angemeldet wird, vermutlich von den Fraktionen besonders heftig, die die kurzfristige Reform heute beklagen. Die Bundesregierung hatte bei den Beratungen in den Ausschüssen zum 12. BAföG-Änderungsgesetz ausdrücklich eine Prüfung der Frage zugesichert, die heute zentraler Gegenstand dieser Änderung ist, nämlich der Frage der Einbeziehung auch von Schülern an Berufsfachschulen ab der 10. Klasse, wobei es, Frau Kollegin Odendahl, natürlich unzutreffend ist, daß es inzwischen kaum noch Bundesländer mit einer neunjährigen Schulpflicht gäbe. Die Wahrheit ist: Acht Bundesländer haben neun Jahre Schulpflicht und nur drei haben zehn Jahre Schulpflicht. Das Verhältnis von Ausnahme und Regel ist also umgekehrt zu der Situation, die Sie Ihrer Argumentation zugrunde gelegt haben. Ich denke, es ist auch vernünftig, daß der Ausschuß der Anregung gefolgt ist, bei dieser Gelegenheit eine Reihe anderer kleiner zusätzlicher Änderungen in den Ausbildungsförderungsbestimmungen vorzunehmen, die sich zum einen aus dem Einigungsvertrag und der inzwischen vollzogenen Wiederherstellung der deutschen Einheit ergeben, zum anderen aus naheliegenden Anschlußregelungen, etwa der vorhin vom Kollegen Timm zu Recht dargestellten Einbeziehung auch der Fördermöglichkeiten für ein Zweitstudium, wenn es vorher Betreuungszeiten für Kinder oder Familienangehörige gegeben hat. Was im übrigen, Herr Kollege Hilsberg, Förderungsmöglichkeiten für Schüler und Studenten in den neuen Bundesländern betrifft, kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, daß bis auf ganz wenige Ausnahmen, die ich gern Punkt für Punkt auch hier im Plenum vortragen würde, sich für die Schüler und die Studenten in den neuen Bundesländern weder eine Benachteiligung gegenüber ihren Kollegen in den alten Bundesländern noch eine Schlechterstellung gegenüber dem bisherigen DDR-Recht ergibt. In den wenigen Fällen, in denen es durch zum Teil schwer nachvollziehbare, um nicht zu sagen: willkürliche Zuschlagregelungen eine Besserstellung gegeben haben mag, hätte ich erhebliche Zweifel daran, ob irgend jemand hier in diesem Hause ernsthaft einen Antrag einbringen wollte, diese auf Dauer auch für die Zukunft festzuschreiben. Daß es überhaupt - etwa bei der Studentenförderung - noch keine identischen Sätze gibt, hängt mit der in diesem Hause ganz unbestrittenen Festlegung zusammen, daß wir bedarfsorientiert fördern wollen und fördern müssen, also die tatsächlichen Lebenshaltungskosten der Förderung zugrunde legen müssen. Ausschließlich daraus ergibt sich der Unterschied in der Förderhöhe, was im übrigen implizit bedeutet, daß, sobald es hier identische Bedarfssätze bzw. identische Lebenshaltungskosten gibt, wir selbstverständlich auch zu identischen Fördersätzen kommen werden. Was im übrigen die besondere Frage doppelt qualifizierender Abschlüsse angeht, Frau Kollegin Odendahl, hat die Bundesregierung gerade vor wenigen Wochen einen Verordnungsentwurf dem Bundesrat zugeleitet, der sicherstellen soll, daß beispielsweise für Kollegschüler in Nordrhein-Westfalen zwei Jahre eine Förderung erfolgen kann, um insofern jedenfalls für den beruflich qualifizierenden Teil dieser Ausbildung eine Gleichbehandlung sicherzustellen. Herr Präsident, da ich nicht ganz sicher bin, ob Ihre wohlwollende Neigung zur Verabschiedung von Kollegen sich auf mich erstrecken könnte, will ich vorsichtshalber darauf hinweisen, daß ich beim nächsten Tagesordnungspunkt noch mindestens eine weitere Rede halten möchte. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wer weiß denn, wie Bochum wählt? Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen in der Gruppe der PDS sind diese Vorschriften angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Mit der gleichen Mehrheit wie eben bei der zweiten Lesung ist der Gesetzentwurf nun angenommen worden. Der Ausschuß für Bildung und Wissenschaft empfiehlt weiterhin die Annahme einer Entschließung. Wer für diese Beschlußempfehlung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Dann ist diese Beschlußempfehlung einstimmig angenommen worden. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 10 auf: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Verlängerung befristeter Dienstverhältnisse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern - Drucksache 11/7984 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({0}) - Drucksache 11/8304

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Abgeordnete Graf von Waldburg-Zeil Frau Odendahl ({0}) Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung 30 Minuten vorgesehen. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Frau Dr. Wisniewski möchte gern als Berichterstatterin zunächst eine Korrektur mitteilen.

Prof. Dr. Roswitha Wisniewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Vorlage Drucksache 11/8304 muß es auf Seite 7, Zeile 8 heißen: „Arbeitszeit um mindestens ein Fünftel" statt „Arbeitszeit auf höchstens vier Fünftel". Auf Seite 10, Zeile 2 muß es noch einmal heißen: „Arbeitszeit um mindestens ein Fünftel". Danke schön.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ist das Teil eines zu beschließenden Textes?

Prof. Dr. Roswitha Wisniewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, das ist die Beschlußempfehlung.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Nun haben Sie das Wort in der Aussprache, die ich hiermit eröffne. Bitte schön, Frau Dr. Wisniewski!

Prof. Dr. Roswitha Wisniewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident! Der vorliegende Gesetzentwurf nimmt Korrekturen am geltenden Recht vor, mit denen insbesondere Frauen verbesserte Möglichkeiten eingeräumt werden sollen, um eine wissenschaftliche Tätigkeit auch dann ausüben zu können, wenn sie durch Familienpflichten besonders in Anspruch genommen sind und deshalb nur halbtags berufstätig sein können. Bisher läßt das Hochschulrahmengesetz Verlängerungen der Dienstverhältnisse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Beamten- oder Angestelltenverhältnis vor allem dann zu, wenn sie aus familiären oder arbeitsmarktpolitischen Gründen beurlaubt waren. Bei Teilzeitbeschäftigung ist das bisher nicht möglich. Die von der CDU/CSU seit langem vertretene Auffassung stellt sich immer mehr als richtig heraus, daß Teilzeitarbeit und übrigens vor allem bei Wiedereingliederungsmaßnahmen auch Teilzeitausbildung in ganz besonderer Weise geeignet sind, das Problem der Vereinbarkeit von beruflicher Tätigkeit einerseits und Kinder- und Familienpflege andererseits zu lösen. Das gilt vor allem auch für die Betreuung von alten, kranken oder behinderten Angehörigen, womit besonders viele Wissenschaftlerinnen in den Jahren der Qualifikation durch Promotion und Habilitation belastet sind. Die mit diesem Gesetzentwurf eröffnete Möglichkeit, auch befristete Teilzeitarbeitsverhältnisse im Bereich der Wissenschaft aus familiären oder aus arbeitsmarktpolitischen Gründen zu verlängern, ist daher sehr zu begrüßen und ein positiver frauen- und familienpolitischer Beitrag in dieser Legislaturperiode.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Hillerich?

Prof. Dr. Roswitha Wisniewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte schön, Frau Hillerich.

Imma Hillerich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000902, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Kollegin Wisniewski, wenn Sie schon so lange die Möglichkeit der Teilzeitarbeit für Frauen begrüßen, weshalb wollen Sie dann den Wissenschaftlerinnen, die jetzt schon an der Hochschule auf der Basis von Teilzeitverträgen arbeiten, die Möglichkeit der Fristverlängerung nicht zugestehen?

Prof. Dr. Roswitha Wisniewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darauf kommen wir gleich, Frau Hillerich. - Aus rechtlichen Gründen, wie Sie wissen. Ebenso erfreulich ist es unter frauenpolitischen Gesichtspunkten, daß für die Frauenbeauftragten der Hochschulen eine angemessene Verlängerung vorgesehen wird, damit sie in ihrer wissenschaftlichen Weiterqualifikation nicht behindert werden. Eine solche Regelung ist in der Tat notwendig, wenn das Bemühen um die verbesserte Repräsentanz von Frauen in höheren beruflichen Positionen, wozu die Frauenbeauftragten beitragen sollen, nicht ins Leere laufen sollen. Zu Recht wird darauf bestanden, daß die Frauenbeauftragten an Hochschulen dem wissenschaftlichen Personal angehören sollen. Damit ist aber die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers gegeben, die Bedingungen für die Möglichkeit, wissenschaftlich zu arbeiten, auch tatsächlich zu schaffen. Dasselbe gilt für alle, die in Schwerbehindertenvertretungen oder in Personalvertretungen Aufgaben für die Gemeinschaft wahrnehmen. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Bundesrates darüber hinaus wesentliche Bereicherungen vorgeschlagen. So gelten die vorgeschlagenen Änderungen über befristete Dienst- und Arbeitsverhältnisse auch für das Personal an Forschungseinrichtungen und für Ärztinnen und Ärzte mit befristeten Arbeitsverhältnissen, die sich in der Weiterbildung befinden. Weitere Ergänzungen betreffen den Nachteilsausgleich bei der Hochschulzulassung. Hier ist das Wichtige, daß nun auch Frauen, - es werden jedenfalls im wesentlichen Frauen sein - , die ein Kind unter 18 Jahren oder einen pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen betreut oder gepflegt haben, in den Genuß des Nachteilsausgleichs kommen werden. Gerade dieser Vorschlag ist ein besonders wesentlicher Beitrag zur Gleichbewertung der Familientätigkeit mit Leistungen im öffentlichen Dienst für die soziale Gemeinschaft. ({0}) Die Regelungen über die Verlängerungsmöglichkeiten der befristeten Arbeitsverhältnisse können aus rechtlichen Gründen erst für Verträge gelten, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen werden, Frau Hillerich. ({1}) Aber es ist bei gegenseitigem Einvernehmen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite selbstverständlich möglich, im Einzelfall, z. B. durch einen neuen Vertragsabschluß, auch für bestehende Arbeitsverhältnisse die neuen Regelungen fruchtbar werden zu lassen. Somit ist es keineswegs notwendig, eine ganze Wissenschaftlerinnengeneration von den neuen Regelungen auszuschließen, wie die SPD meint. Es handelt sich bei diesem Gesetz in der Tat um einen wichtigen Beitrag zur Frauenförderung. Der Gesetzentwurf ist meines Erachtens ein erneuter Beleg dafür, daß die Anerkennung der Familienarbeit in ihrem gesellschaftlichen und öffentlichen Wert langsam, aber deutlich Fortschritte macht. Schließlich hat die Bundesregierung als einen deutschlandpolitischen Beitrag vorgesehen, daß bei den Aufgaben der Hochschulen gemäß § 2 als Abs. 7 aufgenommen wird, daß die Zusammenarbeit der Hochschulen in der ehemaligen Bundesrepublik und in der ehemaligen DDR dazugehören soll. Das ist wichtig wegen der Folgen, die daraus erwachsen können. Deswegen unterstützt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dieses Anliegen mit Nachdruck. Wir werden dem Gesetzentwurf und der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zustimmen. Die Anträge der SPD-Fraktion lehnen wir ab. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Odendahl.

Doris Odendahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001632, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat in lobenswerter Initiative einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Verlängerung der befristeten Dienstverhältnisse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht, wenn sie wegen der Betreuung und der Pflege eines Kindes oder eines pflegebedürftigen Angehörigen teilzeitbeschäftigt sind. Solche Regelungen gibt es bisher nur für diejenigen, die aus den genannten Gründen beurlaubt sind. Der Gesetzentwurf des Bundesrates ist deshalb so lobenswert, weil er die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Ansätzen ermöglicht. ({0}) Er kommt als dringendes Anliegen insbesondere von allen Frauenbeauftragten der Hochschulen. Da Kindererziehung und -pflege immer noch vor allem in den Händen der Frauen und Mütter liegen, ist der vorgelegte Gesetzentwurf gleichzeitig ein Schritt zur Gleichstellung von Frauen im Wissenschaftsbereich. ({1}) Die Erfahrung hat gezeigt, daß Appelle an den guten Willen und einzelne Förderungsmaßnahmen und Modellversuche nicht ausreichen, um die Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen im Wissenschaftsbereich herzustellen. Deshalb drängt die WRK in einer Entschließung auch darauf, bei jüngeren Bewerberinnen für die Besetzung von Professorenstellen durch geringere Stundenzahl oder flexible Teilzeitarbeit auf ihre familiären Verpflichtungen Rücksicht zu nehmen. Deshalb ist der Gesetzentwurf des Bundesrates betreffend die Verlängerung befristeter Dienstverhältnisse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen so wichtig. ({2}) Dadurch wird die Verlängerung befristeter Dienstverhältnisse bei der Erziehung von Kindern ermöglicht. Damit ist eine Barriere angesprochen, die für Frauen besonders hoch aufgebaut wurde; die Geburt und die Erziehung von Kindern. Frauen wird der Zugang zu qualifizierter Berufstätigkeit erschwert, da sie kaum Entlastung von ihrer Aufgabe bei der Erziehung von Kindern haben. Es gibt fast keine Betreuungsangebote für die Kinder. Arbeitszeiten sind mit der Sorge für Kinder oft unvereinbar. Altersgrenzen bei der Förderung wissenschaftlicher Projekte lassen eine Kinderpause nicht zu. Bei diesen kinderunfreundlichen Bedingungen setzt man bei Männern voraus, daß sie die Betreuung ihrer Kinder allein ihren Frauen überlassen. Strukturelle Maßnahmen müssen also auch Männern die Möglichkeit bieten, ihren Anteil als Väter bei der Erziehung ihrer Kinder zu übernehmen. Die Bundesrats-Initiative enthält diese Möglichkeit. Der vom Bundesrat vorgelegte Gesetzentwurf sieht auch vor, daß Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zur Wahrnehmung bestimmter Funktionen - Frau Kollegin Wisniewski hat es angesprochen - ganz oder teilweise freigestellt werden - wie Frauenbeauftragte, Personalratsmitglieder, Schwerbehindertenvertretungen - , ihre Dienstverhältnisse ebenfalls verlängern können. Dieser Vorstoß ist insbesondere im Hinblick auf die seit Jahren an den Hochschulen arbeitenden Frauenbeauftragten wichtig. Dieses Amt erfordert einen sehr großen Arbeitseinsatz. Es wird in einigen Fällen von Wissenschaftlerinnen wahrgenommen, die in befristeten Dienstverhältnissen stehen. Von Betroffenen und Frauenorganisationen im Hochschulbereich wird immer wieder kritisiert, daß es unzureichend sei, Frauen von anderen Dienstaufgaben freizustellen, ohne ihnen die Verlängerung ihrer Verträge anzubieten. Das ist eine ganz berechtigte Kritik. Hier ist das Beispiel Bayerns zu erwähnen; auch einmal ein gutes Beispiel. Das bayerische Hochschullehrergesetz kennt bereits die Verlängerungsmöglichkeit für Frauenbeauftragte, und zwar für Beamtinnen und Angestellte. Wenn nun der Vorschlag der Bundesregierung Gesetz wird, Frau Kollegin, wird die bayerische Regelung für die Frauenbeauftragten, die im Angestelltenverhältnis stehen, vorübergehend, nämlich für zirka fünf Jahre, unzulässig. ({3}) Die SPD hat in Bund und Ländern ein Hochschulstrukturprogramm initiiert, in dem der Förderung von Wissenschaftlerinnen große Bedeutung beigemessen wird, und entsprechende Anträge im Bundeshaushalt dazu eingebracht. Nicht ohne Stolz können wir darauf verweisen, daß neben anderen Forderungen dieses Strukturprogramms die besondere Förderung von Wissenschaftlern in die beiden zwischen Bund und Ländern vereinbarten Sonderprogramme aufgenommen wurden. Leider strafen nun Bundesminister Möllemann und die Regierungskoalition ihre großen Worte und hehren Absichten zur Förderung von Wissenschaftlerinnen Lügen und konterkarieren mit ihrer Stellungnahme und Entscheidung zum vorgelegten Gesetzentwurf des Bundesrates gleichzeitig das zweite Hochschulsonderprogramm mit seinem auf Frauenförderung ausgelegten Sonderteil. ({4}) Zu der vom Bundesrat beabsichtigten Regelung, auch für teilzeitbeschäftigte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Verlängerung von Verträgen zu ermöglichen, forderte Minister Möllemann in seiner Stellungnahme, solche Verlängerungsmöglichkeiten nur für Verträge, die nach Inkrafttreten des Gesetzes - das ist der Punkt, Frau Kollegin - abgeschlossen werden, zuzulassen. Damit kommen Wissenschaftlerinnen erst in vier oder fünf Jahren in den Genuß der Möglichkeit zur Vereinbarung von Familie und Beruf. ({5}) Der Bildungsminister, der im Anpreisen seiner Frauenförderung nicht zurückhaltend ist, schließt dadurch nahezu eine ganze Wissenschaftlerinnengeneration aus, ({6}) nämlich alle die, die seit 1985 auf Grund des Zeitvertraggesetzes solche Beschäftigungsyerhältnisse eingehen mußten. Die Regierungskoalition ist im Ausschuß diesem Votum gefolgt. Dabei haben Sie unisono den Hinweis der WRK, der Frauenbeauftragten an Hochschulen und vieler anderer Gremien und Institutionen auf die Dringlichkeit frauenfördernder Maßnahmen in den Wind geschlagen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Wisniewski?

Doris Odendahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001632, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber gern, wenn es mir nicht angerechnet wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte, Frau Professorin Wisniewski.

Prof. Dr. Roswitha Wisniewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Odendahl, stimmen Sie mir zu, daß es, wie ich schon andeutete, natürlich möglich ist, jeden verdienten Mitarbeiter, den man gerne behalten möchte, in diese Regelung einzubeziehen, sobald das Gesetz in Kraft ist?

Doris Odendahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001632, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann verstehe ich überhaupt nicht, Frau Kollegin, warum Sie herbeigeeilt sind, um mit Ihrer Stimme die Mehrheit im Ausschuß gegen die Streichung des entsprechenden Artikels zu ermöglichen. ({0}) Die vom Minister formulierte und von der Ausschußmehrheit übernommene Ergänzung des § 57 f HRG, daß die Neuregelung erstmals auf Arbeitsverträge anzuwenden ist, die nach Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen werden, bedeutet faktisch ein Hinausschieben des Inkrafttretens bis in das Jahr 1995. Es bedeutet auch, daß teilzeitbeschäftigte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegenüber beurlaubten weiterhin benachteiligt sind. ({1}) Denn der vorgelegte Gesetzentwurf modifiziert nur schon vorhandene Regelungen. Die Begründung hält näherer Überprüfung nicht stand. Denn es sind zumal öffentliche Arbeitgeber betroffen. Aber auch andere Arbeitgeber müssen mit arbeitsrechtlichen Änderungen, die für bestehende und künftige Arbeitsverhältnisse gelten, immer wieder rechnen. Auch an Hochschulen mit vielen Drittmittelbeschäftigten könnten solche Probleme gelöst werden. Eine Verlängerung wegen Teilzeitbeschäftigung kann doch nicht problematischer sein als eine Verlängerung wegen Beurlaubung. Um den Frauen und Männern sofort die Möglichkeit zu bieten, ihre wissenschaftliche berufliche Tätigkeit und die Kindererziehung sowie die anderen angesprochenen gesellschaftlichen Aufgaben zu vereinbaren, stellt die SPD-Bundestagsfraktion den Antrag, die Verlängerungsmöglichkeit auch auf bestehende Verträge anzuwenden. ({2}) Deshalb muß der zweite Halbsatz - zu dem Sie beigeholfen haben, Frau Wisniewski - des ersten Satzes in § 57 in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung gestrichen werden. Der Deutsche Bundestag sollte bei dieser Frage der erklärten Absicht des Gesetzentwurfs des Bundesrats folgen und dem Änderungsantrag der SPD zustimmen, der in der Frage des Inkrafttretens der Zielsetzung des Bundesrates gerecht wird. Mit dieser Zielsetzung wurde auch ein Entschließungsantrag der SPD-Fraktion vorgelegt, der die Bundesregierung auffordert, so schnell wie möglich Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, daß wissenschaftliche berufliche Tätigkeit und die Wahrnehmung von gesellschaftlichen und familiären Aufgaben miteinander vereinbar sind. Sollte nun jedoch dieser Gesetzentwurf durch die Einschränkungen des Bildungsministers und der Regierungskoalition verwässert werden, so müßte, meine Damen und Herren, ausgerechnet der von einer Illustrierten erkorene männlichste Minister mit dem Preis der „Sauren Zitrone" für die Frauenförderung ausgezeichnet werden. ({3})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Laermann.

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf des Bundesrates, der hier zur Abstimmung steht, sieht eine Ergänzung der Regelungen über die Verlängerungsmöglichkeiten von befristeten Dienstverhältnissen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor. Die Gründe sind hier schon wiederholt gesagt worden. Ich brauche das nun nicht zu wiederholen. Wir begrüßen ausdrücklich, daß eine solche Regelung vorgenommen wird und daß sie dann auch in den Ländern umgesetzt wird. Denn meine persönlichen beruflichen Erfahrungen sind leider nicht so, daß ich sagen könnte: Wir waren ja frei, die Dinge so zu gestalten, wie sie individuell vernünftig waren; wir waren zu sehr an Restriktionen, an Regelungen, an gesetzliche Vorschriften gebunden. Ich hoffe, daß sich das mit diesem Gesetz, das wir heute hier verabschieden werden, verändern wird. Ich begrüße ausdrücklich, daß nun auch Teilzeitbeschäftigte, d. h. auch die wissenschaftlichen Angestellten mit befristeten Arbeitsverträgen, in vollem Umfang einbezogen werden, also auch das aus Drittmitteln finanzierte Personal, die aus Drittmitteln finanzierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. ({0}) Es ist nämlich ganz wichtig, das festzustellen, denn inzwischen ist die Personalsituation an vielen Universitäten und Hochschulen so, daß ein Großteil der Mitarbeiter aus Drittmitteln finanziert wird. Leider Gottes ist dies so. Die Zahl der Planstellen sinkt bei zunehmenden Studentenzahlen. Das Defizit muß mit Drittmitteln ausgeglichen werden. Liebe Frau Odendahl, nun wird von seiten der SPD und der GRÜNEN/Bündnis 90 kritisiert und daraus der Vorwurf abgeleitet, die Regierungskoalition und der Bildungsminister verhinderten die Frauenförderung ({1}) dadurch, daß die Regelungen für Teilzeitbeschäftigte erst ab Inkrafttreten des Gesetzes gelten sollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, erst einmal stellen wir fest: Wir sind in dem, was an Maßnahmen vorgesehen ist, einig. Der einzige Kritikpunkt, der offenbar jetzt hier hochstilisiert wird, ist der, daß die Vorschriften für die teilzeitbeschäftigten wissenschaftlichen Angestellten erst mit Inkrafttreten des Gesetzes und nicht rückwirkend gelten sollen. Hier wird vom Konterkarieren des ersten und zweiten Bildungsprogramms gesprochen. Ich weiß nicht, was daran konterkariert ist. Wir müssen uns - darauf will ich nun eingehen, verehrte Frau Kollegin Odendahl - mit diesem Vorwurf und den Fakten wirklich auseinandersetzen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Würden Sie trotzdem vorher eine Frage von Frau Odendahl gestatten?

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Odendahl.

Doris Odendahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001632, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, könnten Sie mir die Frage beantworten, warum Sie, wenn Sie in der Absicht mit uns einiggehen und wenn Sie auch die Hochschulsonderprogramme in der Frauenförderung bejahen, ausdrücklich von Ihrer Seite her eine Ergänzung des § 57 anbringen wollen, was ja im Gesetzentwurf des Bundesrats nicht vorgesehen war? Welchen Sinn macht das aus Ihrer Sicht?

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Odendahl, Ihr Ansatz greift ja nicht nur für Frauen, sondern er greift für alle. Es sind alle Teilzeitbeschäftigten beiderlei Geschlechts betroffen. Das ist die erste Feststellung. Das zweite: Es muß Ihnen daran gelegen sein, daß diese Umsetzung ohne Irritationen erfolgt. Die Drittmittelverträge - ich habe darauf hingewiesen - sind ja an Projektlaufzeiten gebunden. Wenn dieses geändert wird, bin ich mit Ihnen der Meinung, daß wir das dann voll durchziehen können, wie sie es sich hier vorgestellt haben. Nur: Jetzt, in diesem Zustand, in dieser Situation, können Sie das nicht auf Projektmittelbeschäftigte beziehen. Das ist ein Großteil derjenigen, die hier angesprochen und betroffen sind. Da gibt es befristete Laufzeiten, und innerhalb dieser Laufzeiten ist das abzuwickeln. Wenn es nicht abgewickelt wird, sind die bis dahin nicht vergebenen Finanzmittel verfallen. Ich bin mit Ihnen in einem Boot: Lassen Sie uns das sofort in der nächsten Legislaturperiode angehen, die Bedingungen für die Vergabe von Drittmitteln zu verändern! Dann sind wir auch frei. Das liegt nämlich nicht bei den Hochschulzentralverwaltungen, sondern das liegt dann bei den einzelnen Instituten. ({0}) Glauben Sie mir: Ich weiß, wovon ich rede. ({1}) - Wissen Sie eigentlich, welche Schwierigkeiten es da gibt? Auch das möchte ich in meine Antwort einbeziehen, Frau Kollegin Odendahl. Ich habe meiner Sekretärin die Möglichkeit geschaffen, um 9 Uhr den Dienst zu beginnen, während die offizielle Dienstzeit um 7 Uhr 30 beginnen sollte, weil sie dann nämlich vor Dienstbeginn noch ihre Kinder zur Schule bringen kann. ({2}) Wissen Sie, was da passierte, welchen enormen bürokratischen, administrativen Aufwand ich betreiben mußte, damit ich überhaupt die Genehmigung bekam, die Dienstzeiten innerhalb eine großen Systems zu verändern? Das sind Hemmnisse, hinsichtlich derer ich wirklich dafür bin, daß wir individuell die Möglichkeit - ({3}) - Nein, nein, ich spreche von der Situation von Mitarbeiterinnen und Wissenschaftlerinnen an Hochschulen und Hochschulinstituten; darum geht es eben. Was wir tun können und müssen, sollten wir tun. Dabei dürfen wir aber bitte schön die restriktiven administrativen Hemmnisse nicht aus dem Auge verlieren. Ich bin mit Ihnen sofort dabei, sie zu verändern, wenn wir sie verändern können, und das dann so auszuweiten. Wenn Sie aber sagen, es handele sich darum, daß eine ganze Generation von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen ausgeschlossen wird, dann frage ich Sie, wieso Sie von fünf Jahren reden. Das verstehe ich überhaupt nicht. Die Zeitverträge, die wir haben, erstrecken sich zum größten Teil, wenn es Drittmittelprojekte sind - ich sage noch einmal: das ist der größte Teil - allenfalls über einen Dreijahreszeitraum und kaum darüber hinaus. Bei Angestellten auf Planstellen sind es vier Jahre, und dann haben wir ohnedies die Möglichkeit, neue Prognosen zu stellen. ({4}) - Bitte, da sitzt ein Vertreter einer Landesregierung, der Ihnen das wird bestätigen können. Bei neuen Prognosen haben wir die Möglichkeit, immer noch um ein oder zwei weitere Jahre zu verlängern. ({5}) Wir machen davon immer dann, wenn es sich um solche Situationen handelt, Gebrauch. Deshalb können Sie nicht sagen, wir schlössen eine Generation von Wissenschaftlerinnen aus. ({6}) - Ich widerspreche nachdrücklich. Der Ansatz, der hier gefunden worden ist, ist vernünftig. Lassen Sie uns die übrigen Bedingungen, die hier noch mit eine Rolle spielen, verändern! An der Stelle sind wir uns dann sicherlich einig, daß wir sofort auch die rückwirkende Möglichkeit in Angriff nehmen. Bis jetzt aber würde sich das nur zum Nachteil der betroffenen Teilzeitbeschäftigten auswirken. Das können Sie nicht wollen. Ich will es nicht, und weil ich die Verhältnisse aus eigener persönlicher Erfahrung kenne, stimme ich und stimmt meine Fraktion dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zu. Wir lehnen Ihren Änderungsantrag ab. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hillerich.

Imma Hillerich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000902, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der zur Debatte und zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf ist einerseits ein erfreuliches und andererseits ein ärgerliches Beispiel für die Rolle der Bundesregierung und der sie stützenden Koalitionsmehrheit im Bildungsföderalismus. ({0}) Erfreulich ist, daß die vom Land Nordrhein-Westfalen ausgehende Initiative des Bundesrates - man muß ja einmal betonen, daß es von Länderseite ausging - von der Regierungsmehrheit unterstützt und durch weitere nötige Verbesserungen angereichert wird. Teilzeitarbeitende Wissenschaftlerinnen - es sind vor allen Dingen Frauen - werden hierdurch bezüglich der Verlängerungsmöglichkeiten ihrer Arbeitsverträge endgültig gleichgestellt. Ihre Beteiligungschancen an den Selbstverwaltungsaufgaben der Hochschulen werden verbessert. Mindestens ärgerlich aber ist, daß die Bundesregierung und die Koalitionsmehrheit die Verlängerungsmöglichkeit für befristete Teilzeitverträge erst den Verträgen zugestehen will, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen werden. So steht es in der Stellungnahme der Bundesregierung, und so hat es die Koalitionsmehrheit mit Unterstützung von Frau Professor Wisniewski beschlossen. Damit ist es auch offenbar Ihr Wille, diese Möglichkeit erst für künftige Arbeitsverträge überhaupt zuzulassen.. Wir haben im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ausführlich erörtert, daß mit der Fristverlängerungsmöglichkeit für schon geltende Teilzeitverträge keine unzumutbaren Belastungen für die Länder als Arbeitgeber verbunden sind und dies auch keine Mehrkosten verursacht. Herr Professor Laermann, wenn Sie es problematisieren, daß davon Drittmittelprojekte betroffen sind, dann sage ich Ihnen: Selbstverständlich müssen sich die Drittmittelprojekte auf diese Verlängerungsmöglichkeit einstellen, damit Frauen, die darin arbeiten, ({1}) ihre Berufstätigkeit mit ihrer Familientätigkeit vereinbaren können. Ob Sie das jetzt oder erst in fünf Jahren machen, Sie müssen es auf jeden Fall machen. ({2}) Sie verweigern offenbar die Bereitschaft, das jetzt schon zu tun. Die Weigerung von Bundesregierung und Koalitionsmehrheit, die Fristverlängerung den Wissenschaftlerinnen jetzt schon zu ermöglichen, beruht auf purer Kleinlichkeit und auf nichts anderem. Mit dieser kleinlichen Weigerung wird den heute schon teilzeitarbeitenden Wissenschaftlerinnen nicht nur die Möglichkeit der Verlängerung ihrer Arbeitsverträge und damit der Einkommenssicherung vorenthalten, sondern auch die Möglichkeit der eigenen Weiterqualifizierung. Genau damit konterkarieren die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen nachhaltig die von Minister Möllemann lauthals verkündete Frauenförderung an Hochschulen. Denn es geht darum, den jetzt befristet und teilzeitbeschäftigten Wissenschaftlerinnen in mit ihrer Familienarbeit verträglicher Weise die Weiterqualifizierungsmöglichkeiten zu eröffnen, die sie benötigen, um Promotions- und Habilitationsvorhaben oder Forschungsprojekte abschließen zu können und sich damit für die Stellen bewerben zu können, die demnächst auf Professorenebene frei werden. Hinzu kommt, daß viele der betroffenen Wissenschaftlerinnen sich bisher, weil Frauen im Mittelbau und Lehrkörper der Hochschulen so rar sind, zur Absicherung einer wenigstens minimalen Interessenvertretung für Frauen in häufig unzumutbar starker Belastung an den Selbstverwaltungsaufgaben in den Hochschulgremien beteiligen müssen. Auch hier werden Frauen an Hochschulen also vorerst keine Entlastung erfahren, weil die Bundesregierung und die Koalitionsmehrheit sich beim Abbau der Frauenbenachteiligung offenbar auf das Bewegungsmodell der Echternacher Springprozession - ein Schritt vor, zwei Schritte zurück - festgelegt haben. ({3}) Die Benachteiligung von Frauen an Hochschulen würde durch die von der SPD und auch von uns geforderte Änderung zwar nicht aufgehoben - dazu bedarf es weit mehr und konsequenterer Frauenförderungsmaßnahmen; wir haben dazu ein ganzes Bündel im Schlußbericht der Enquete-Kommission „Bildung 2000" vorgeschlagen ({4}) einschließlich der konsequenten Quotierung aller Stellen für wissenschaftliches Personal -, aber die Frauenbenachteiligung würde zumindest ein Stück weit gemildert. Daß die Bundesregierung - der Herr Minister ist leider nicht da, ({5}) aber Herr Dr. Lammert als Vertreter der Bundesregierung ist anwesend - und Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen, sich dem verweigern, das werden sich hoffentlich nicht nur diejenigen Frauen, denen Sie damit in den Rücken fallen, für ihre Wahlentscheidung im Dezember merken. Die GRÜNEN/Bündnis 90 werden Änderungsantrag und Entschließungsantrag der SPD-Fraktion zustimmen ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Fache.

Sabine Fache (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000512, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Herstellung der deutschen Einheit sind große Anforderungen an Bildung und Wissenschaft verbunden. Dabei geht es für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unter anderem darum, gleiche Chancen für die Arbeit, aber auch in den Lebensverhältnissen zu sichern. Das Hochschulrahmengesetz enthält mit der Novellierung von 1985 durch das Zeitvertragsgesetz Vorschriften über Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal. Diese Bestimmungen werden laut Einigungsvertrag erstmals in den neuen Bundesländern auf Arbeitsverträge angewandt, die drei Jahre nach dem 3. Oktober 1990 abgeschlossen werden. Damit soll die Hochschulpersonalstruktur der ehemaligen DDR den Strukturen der BRD angepaßt werden. Für uns entstehen nun allerdings einige grundsätzliche Fragen, die gerade der vorliegende Gesetzentwurf zur Verlängerung befristeter Dienstverhältnisse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern deutlich macht. Das Gesetz zeigt nur einen Problembereich auf, nämlich die Benachteiligung von Frauen in der Wissenschaft - auch Ärztinnen in der Weiterbildung -, die doch wohl zum größeren Teil die Betreuung von Kindern oder den Pflegeaufwand für sonstige Angehörige zu leisten haben, und dies bisher zum Nachteil ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Gerade die Kontinuität des wissenschaftlichen Arbeitens und Forschens sowie die Qualifizierung an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist aus unserer Sicht mit der Vielzahl befristeter Arbeitsverträge und dem Andrang des akademischen Nachwuchses in Frage zu stellen. Hier sind grundsätzlich durch das Bildungsministerium für die Zukunft Überlegungen anzustellen, ob mit der jetzigen Regelung über die beachtliche Anzahl von Zeitverträgen der Ausbildung und Forschung an den genannten Einrichtungen bei weiter steigenden Studentenzahlen Rechnung getragen werden kann oder ob nicht insbesondere auch durch Aufstockung von Stellen die Anforderungen eher realisiert werden können. Dem Grundanliegen des Gesetzentwurfes betreffend die Verlängerung befristeter Dienstverhältnisse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern können die Abgeordneten der PDS folgen. Zu unterstützen ist das Anliegen der Regierung nach bundeseinheitlichen Regelungen für die Verlängerung von Dienstverhältnissen der genannten Gruppe aus den schon erwähnten Gründen. Natürlich wird deutlich, daß es bei diesem Gesetz in erster Linie um die berufliche Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Wissenschaft geht. Deutlicher gesagt: Es geht um die Verbesserung des Beschäftigungsverhältnisses von Wissenschaftlerinnen. Durch dieses Gesetz wird sicher auch die Motivation von Frauen für wissenschaftliche Arbeit gesteigert. Wir schließen uns aber der Forderung an, daß dieses Gesetz nicht nur für neu abzuschließende Verträge, sondern auch für geltende Verträge Gültigkeit erlangt. Wir unterstützen deshalb das Anliegen der SPD und des Bündnisses 90/GRÜNE, die geplante Einschränkung zurückzuweisen, die einen Teil der Wissenschaftlerinnen mit Zeitverträgen ausgrenzen würde. Es wurde auch im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft nicht deutlich, warum die Vertreter der Bundesregierung diesem Anliegen nicht zustimmten. Die CDU versprach im Wahlkampf auch zu den Landtagswahlen, daß sie Frauenförderung betreiben wolle, und nun hemmt der Bund dieses Bestreben. Aus unserer Sicht billigt dieser Gesetzentwurf den betroffenen Personen nur zu, die für die wissenschaftliche Arbeit verlorene Zeit, maximal zwei Jahre, nachgereicht zu bekommen. Immerhin ist dies ein erster Schritt für die Hochschul- und Forschungslandschaft der ehemaligen BRD. Denn in der ehemaligen DDR konnten Assistentinnen mit befristeten Verträgen ihre Qualifikationszeit selbstverständlich um die Zeit ihres Schwangerschaftsurlaubs und des Mütterjahres verlängern. Jedoch bleibt für uns die Hauptfrage: Warum müssen Hochschulen und Forschungseinrichtungen in diesem Maße mit befristeten Arbeitsverträgen hantieren? Darum können wir diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung nicht geben. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Herr Dr. Lammert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001274

Herr Präsident! meine Damen und Herren! Wir verhandeln hier über einen Gesetzentwurf des Bundesrats, der sowohl in seinem ursprünglichen Kernanliegen wie auch in den ergänzenden Vorschlägen, die die Bundesregierung in die Beratung des Ausschusses eingebracht hat, offensichtlich auf eine breite Zustimmung hier im Deutschen Bundestag gestoßen ist. ({0}) - Frau Kollegin Odendahl, Sie müssen überhaupt keine Sorge haben, daß ich diesen einen Punkt nun etwa auslassen würde. ({1}) - Eben drum. Insofern besteht kein Grund zur Nervosität. ({2}) Wir werden also bis zur Abstimmung das, was in diesem Punkt an Meinungsverschiedenheiten besteht, sicher in aller Offenheit miteinander austragen. Nun hat die Kollegin Hillerich in Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf vorhin von „erfreulichen" und „ärgerlichen" Tatbeständen gesprochen. Ich will diese Terminologie gerne aufgreifen, denn zunächst, denke ich, können wir einmal festhalten, daß es sich um einen Gesetzentwurf handelt, der von allen Fraktionen des Hauses als erfreulich bewertet wird. Es handelt sich im übrigen, was besonders erfreulich ist, Frau Kollegin Odendahl, auch keineswegs um ein Sonderanliegen der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Vielmehr geht der Gesetzentwurf auf eine gemeinsame Initiative von Bund und Ländern in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung zurück, so daß schon von der Entstehung dieses Anliegens her niemand den Verdacht von Meinungsverschiedenheiten oder gar von Richtungskämpfen im Zusammenhang mit der Frauenförderung haben muß. Daß sich dieser Gesetzentwurf in der Ausschußfassung im übrigen deutlich vom ursprünglichen Gesetzentwurf unterscheidet, gehört, denke ich, Frau Kollegin Hillerich, immer noch zu den erfreulichen Tatbeständen der Beschlußempfehlung des Ausschusses, denn hier ist wiederum mit großer Übereinstimmung allgemein akzeptiert worden, daß wir auf Empfehlung der Bundesregierung in diesen Gesetzentwurf nun auch eine Vorschrift aufnehmen, nach der die Verlängerungsmöglichkeiten für das wissenschaftliche Personal auch auf befristete Arbeitsverhältnisse von Ärztinnen und Ärzten in der Weiterbildung ausgedehnt werden. Erfreulich, denke ich, ist doch sicher auch, daß wir den Gesetzentwurf insofern verbessert haben, daß er nicht nur für das wissenschaftliche Personal an Hochschulen, sondern auch für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gilt. Schließlich wird doch niemand unerfreulich nennen wollen, daß wir über den Vorschlag des Bundesrats hinaus nun auch eine Änderung beim Nachteilsausgleich bei der Hochschulzulassung eingeführt haben, um sicherzustellen, daß die Regelung, die es bislang für Wehrdienst- und Zivildienstleistende gab, nun auch für diejenigen Personen gelten soll, die Betreuungs- und Pflegeaufgaben für Kinder oder pflegebedürftige sonstige Angehörige haben. All dies ist grunderfreulich. Jetzt gibt es einen einzigen Streitpunkt, und dieser Streitpunkt betrifft die Frage, ob dies außer für neue auch für bereits geltende Arbeitsverträge zur Anwendung kommen soll. Diesen Punkt hat die Kollegin Hillerich vorhin als ärgerlich bezeichnet. Die Opposition macht ihn insgesamt zur Grundlage für die Frauenfreundlichkeit oder -unfreundlichkeit dieses Gesetzentwurfs. Nun muß ich zwei Anmerkungen zu dieser Argumentation schon vortragen dürfen. Erstens. Wir reden über die Veränderung eines Zeitvertragsgesetzes, das, als es 1985 verabschiedet wurde, im großen Einvernehmen für künftige Arbeitsverträge beschlossen worden ist. ({3}) Auch die Opposition hat damals keinen Antrag gestellt, zu einer anderen Regelung bezüglich geltender und künftiger Arbeitsverträge zu kommen. ({4}) Zweitens, Herr Kollege Kuhlwein, kann keine Rede davon sein, daß damit die Verbesserungen um vier oder fünf Jahre verschoben würden. ({5}) Die Wahrheit ist: Für jeden Arbeitsvertrag, der nach der Verabschiedung dieses Gesetzes abgeschlossen wird, gilt ab sofort die Verbesserung der Frauenfördermöglichkeiten, die wir heute mit deutlicher Mehrheit beschließen werden. ({6}) - Je heftiger die Einwände werden, desto deutlicher wird die Mehrheit. Drittens schließlich: Das die Überlegung, neue Regelungen für die Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse auch für bereits geltende Arbeitsverträge einzuführen, mindestens eine verfassungsrechtliche Prüfung erfordert, das, bitte schön, wird man doch bei ernsthafter Behandlung einer ernsthaften Materie nicht als ärgerlich bezeichnen dürfen, sondern als angemessen bezeichnen müssen. Die Opposition hat nicht einmal den Versuch gemacht, darzustellen, daß eine eigene verfassungsrechtliche Prüfung zu einem positiven Ergebnis geführt habe. Deswegen ist es grundvernünftig, der Beschlußempfehlung zu folgen, die der Ausschuß nach einmütigen Beratungen im Ausschuß - an dieser Stelle mit Mehrheit - dem Plenum heute vorgelegt hat. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Vizepräsident Westphal Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe Art. 1 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 11/8355 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Also: Mit einem Ohr im Sand haben Sie die Mehrheit erhalten. ({0}) - Wir haben ja hier oben gezählt. - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. ({1}) Wer stimmt für den Art. 1 in der Ausschußfassung mit der Berichtigung, die vorhin von Frau Professor Wisniewski vorgetragen worden ist? Ich bitte um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Ist das Enthaltung bei der Fraktion der SPD? ({2}) - Früher machten wir das mit Handaufheben. ({3}) Der Art. 1 ist mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen und bei Enthaltung der SPD-Fraktion sowie gegen die Stimmen der GRÜNEN und der Gruppe der PDS angenommen. Ich rufe Art. 2 und 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung einschließlich der vorgetragenen Berichtigung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen in der Gruppe der PDS sind diese Vorschriften angenommen worden. Das war die zweite Beratung. Sie ist damit abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Gruppe der PDS ist dieses Gesetz angenommen worden. Des weiteren ist über einen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8356 abzustimmen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Entschließungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 11 a bis 11 e auf: 11. a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Rechtspflege-Vereinfachungsgesetzes - Drucksache 11/3621 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({4}) - Drucksache 11/8283 Berichterstatter: Abgeordnete Buschbom Kleinert ({5}) ({6}) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Entlastung der Zivilgerichte - Drucksache 11/4155 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({7}) - Drucksache 11/8283 Berichterstatter: Abgeordnete Buschbom Kleinert ({8}) ({9}) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ({10}) - Drucksache 11/7030 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({11}) - Drucksache 11/8275 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Hüsch Wiefelspütz ({12}) c) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit - Drucksache 11/7903 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({13}) - Drucksache 11/8273 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Hüsch Wiefelspütz ({14}) d) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Pick, Frau Dr. Däubler18628 Vizepräsident Westphal Gmelin, Bachmeier, Dreßler, Klein ({15}), Schmidt ({16}), Schütz, Singer, Stiegler, Wiefelspütz, Dr. de With, Kretkowski, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung und des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ({17}) - Drucksache 11/1704 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({18}) - Drucksache 11/7866 Berichterstatter: Abgeordnete Buschbom Dr. Pick ({19}) e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung - Drucksache 11/6007 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({20}) - Drucksache 11/8307 Berichterstatter: Abgeordnete Eylmann Kleinert ({21}) Wiefelspütz ({22}) Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Beratung 45 Minuten vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch dazu. Dann ist das so beschlossen. ({23}) Ich eröffne die Aussprache. - Ich wäre dankbar, wenn die Kollegen, die nur zur Abstimmung gekommen sind, ihre Plätze einnähmen. - Es gibt einen schönen Spruch, der heißt: Wenn Sie nichts zu tun haben, dann tun Sie das nicht hier! ({24}) Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Eylmann.

Horst Eylmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000508, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur einige Worte zur Novellierung der Bundesnotarordnung sagen. Den Anstoß zu dieser Novellierung gab das Bundesverfassungsgericht. Es forderte vor vier Jahren eine gesetzliche Grundlage für das Auswahlverfahren bei der Vergabe von Notarstellen. Wir haben uns in dem vorliegenden Gesetzentwurf dafür entschieden, bei der Bestellung neuer Notare nach dem Leistungsprinzip vorzugehen, also offene Stellen auszuschreiben und sie an den qualifiziertesten Bewerber zu vergeben. Das bedeutet im Bereich des Anwaltsnotariats eine Änderung der bisherigen Vergabepraxis. Dort hat man bislang einen Anspruch darauf, Notar zu werden, wenn man eine 12- oder 15jährige Wartezeit als Rechtsanwalt vorweisen kann. Infolgedessen ist in diesem Bereich diese Änderung kontrovers diskutiert worden. Zuweilen wurde der Verdacht geäußert, im Interesse der jetzigen Stelleninhaber solle jüngeren Bewerbern der Zugang zum Notariat erschwert werden. Davon kann natürlich keine Rede sein. Wir konnten aber nicht die Augen davor verschließen, daß angesichts der Anwaltsschwemme einerseits und der sinkenden bzw. stagnierenden Zahl der Notariatsgeschäfte andererseits die bisherige Regelung dazu führen würde, mehr Notare zu bestellen, als es den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege entsprechen würde. Die Aufgabe dieses Grundsatzes, daß nämlich letztlich die Nachfrage nach notariellen Dienstleistungen die Zahl der Notare bestimmt, hätte aber die Stellung des Notars als Inhaber eines öffentlichen Amtes in Frage gestellt. Wenn man also nun nicht jedem geeigneten Bewerber nach Ablauf einer Wartefrist den Anspruch zubilligen will, zum Notar bestellt zu werden, erscheint es gerecht, unter mehreren Bewerbern denjenigen vorzuziehen, der am fähigsten erscheint. Um möglichst vielen jüngeren Bewerbern eine Chance zu geben, haben wir allerdings im Zuge der Ausschußberatungen den Gesetzentwurf in zwei Punkten geändert: Zum einen haben wir klargestellt, daß zu den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege auch die Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufes zählt und ebenso das Interesse von Rechtsuchenden zu berücksichtigen ist, in angemessener Nähe notarielle Leistungen in Anspruch zu nehmen. Die Landesjustizverwaltungen sollen also die Zahl der Notarstellen nicht nur nach der Zahl der in einem bestimmten Bezirk anfallenden Notariatsgeschäfte bestimmen. Zum anderen haben wir auch noch eine Altersgrenze für Notare eingeführt, die uns mit der Vollendung des 70. Lebensjahres angemessen festgelegt zu sein scheint. In den letzten Tagen ist noch überlegt worden, für die fünf neugebildeten Bundesländer, in denen auf der Grundlage der weiter geltenden DDR-Verordnung über die Tätigkeit von Notaren das Nur-Notariat eingeführt ist, das Anwaltsnotariat zuzulassen. Obwohl sehr zweifelhaft erscheint, ob das Nur-Notariat den alten Rechtstraditionen in diesen Gebieten entspricht und auch die stark angestiegene Nachfrage nach notariellen Dienstleistungen erfüllen kann, erschien es uns nicht angemessen, diese schwierige und auch in ihren Konsequenzen weitreichende Frage unter Zeitdruck in wenigen Tagen zu entscheiden. Ich lasse aber keinen Zweifel daran, daß die CDU/CSUFraktion dieses Problem sofort nach der Bundestagswahl wiederaufgreifen wird. ({0}) - Mit der Tendenz, wenn es nach mir ginge, das Anwaltsnotariat zuzulassen. Ich glaube, daß sich die Nur-Notare in Bayern und Nordrhein-Westfalen, die sich im Augenblick für die Beibehaltung des NurNotariats sehr stark machen, keinen Gefallen tun; denn es geht nicht nach der Meinung der Notare in Bayern und Nordrhein-Westfalen, sondern mich interessiert nach der Wahl die Stellungnahme der Kollegen aus den fünf neuen Bundesländern. Diese Meinung hat dann für mich ein stärkeres Gewicht. Wir haben am Ende unserer Beratungen noch die Möglichkeit genutzt, mit dieser Novelle eine gesetzlich einwandfreie Grundlage für das Führen von Fachanwaltsbezeichnungen zu schaffen. Auch hier war die gesetzliche Grundlage nach einer Entscheidung des BGH notwendig. Da inzwischen ein weitgehender Konsens über den Nutzen solcher Fachanwaltsbezeichnungen besteht, erschien es uns richtig, im Vorgriff auf die für die nächste Wahlperiode anstehende große Reform des anwaltlichen Berufsrechts die gesetzliche Regelung für das Führen von Fachanwaltsbezeichnungen vorzuziehen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Wiefelspütz.

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten in einer verbundenen Debatte mehrere Gesetzentwürfe, die die Rechtspflege zum Gegenstand haben. Bei diesen Gesetzentwürfen handelt es sich sicherlich nicht um rechtspolitische Großvorhaben. Gleichwohl sind sie wichtig. Justizpolitische Reformvorhaben mit größerer Tragweite sind zur Zeit nicht mehrheitsfähig. Weil das so ist, sollten kleinere Reformschritte nicht auch noch scheitern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zunächst einige Bemerkungen zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung machen. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist seit Jahren eine „Wachstumsbranche". Die Bedeutung dieses Teils unserer Justiz und auch ihre Belastung nehmen ständig zu. Mittelpunkt des vorgelegten Gesetzentwurfs zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung ist die Überführung des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 in Dauerrecht. Daneben werden einige weitere verfahrensrechtliche Maßnahmen getroffen. Auch sie sollen die Verfahren verbessern und beschleunigen sowie die Gerichtsbarkeit entlasten. Nach zwölfjähriger Erfahrung mit dem Entlastungsgesetz ist es nun wirklich an der Zeit, daß dieses Gesetz in Dauerrecht übergeführt wird, zumal sich die rechtspolitischen Blütenträume in Sachen Verwaltungprozeßordnung in Wohlgefallen aufgelöst haben. Der Gesetzentwurf nimmt vor allem die Regelungen über den Gerichtsbescheid und über die Berufungszurückweisung durch Beschluß auf. Er übernimmt des weiteren die Zulassungsberufung in Verfahren mit geringem Streitwert. Aus dem Entlastungsgesetz greift der Entwurf schließlich Erleichterungen für die Begründung gerichtlicher Entscheidungen und die im Jahre 1985 eingeführte erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte bei technischen Großvorhaben auf. Von den übrigen verfahrensrechtlichen Maßnahmen möchte ich hervorheben die vereinfachten Möglichkeiten zur Abwicklung von Massenverfahren, die Erweiterung der Befugnisse des die Verhandlung vorbereitenden Richters, die Möglichkeit, Fristen für bestimmte Prozeßhandlungen zu setzen bzw. verspätetes Vorbringen zurückzuweisen. Der Entwurf findet auch unsere Zustimmung. ({0}) Einen weiteren Schwerpunkt dieser Beratung bilden der Entwurf der Bundesregierung für ein Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz und der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Entlastung der Zivilgerichte. Beide Gesetzentwürfe haben das Ziel, dem im letzten Jahrzehnt drastisch gestiegenen Geschäftsanfall in Zivilsachen Rechnung zu tragen. In den Beratungen des Rechtsausschusses wurden beide Gesetzentwürfe insoweit zusammengeführt, als die Regelungen aus dem Entwurf des Bundesrates teilweise in den Entwurf des Rechtspflege-Vereinfachungsgesetzes eingearbeitet wurden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin der Überzeugung, daß wir mit den heute zu beschließenden gesetzlichen Änderungen dem Reformdruck, der sich aus der Belastung unserer Zivilgerichte ergibt, nicht in ausreichendem Maße Rechnung tragen. Ich stelle dies mit Bedauern fest. Wir werden nicht umhinkönnen, die knappe Ressource Rechtsprechung neu zu ordnen. Kein mit der Bundesrepublik Deutschland vergleichbarer Rechtsstaat beschäftigt so viele Richterinnen und Richter wie unser Land. Nach den Signalen, die wir aus den Bundesländern erhalten, wird es kaum zusätzliche Personaleinstellungen geben. Gleichzeitig wächst die Belastung der Richterinnen und Richter weiter. Bei dieser Sachlage, deren Entwicklung sich in den kommenden Jahren nicht ändern wird, besteht erheblicher Handlungsbedarf. Das heißt im Klartext: durchgreifende Entlastung der Zivilgerichte durch eine Strukturreform, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ob Bundesregierung und Bundestag in der nächsten Legislaturperiode die Kraft dazu haben, werden wir sehen. Zumindest die kleinen Schritte, die wir heute zustande bringen können, sollten wir gemeinsam gehen. Die vorliegende Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses ist mit weitgehender Übereinstimmung der SPD-Bundestagsfraktion erarbeitet worden. Wir stimmen der Erhöhung der Berufungs-, Revisions- und Beschwerdesumme zu. Wir sind für die vorgeschlagenen Verfahrenserleichterungen, für eine zweckmäßigere Gestaltung des Beweisrechts und vor allem für die Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung. Insbesondere die Einführung des vollstreckbaren Anwaltsvergleichs bedeutet eine wichtige weitere Stärkung der anwaltlichen Möglichkeiten, streitige Verfahren ohne Einschaltung der Prozeßgerichte zu beenden. Dies hat auch seinen Niederschlag in gebührenrechtlichen Regelungen gefunden. Ich möchte hervorheben, liebe Kolleginnen und Kollegen, daß wir in einem wichtigen Punkt mit der CDU/CSU und der FDP nicht übereinstimmen. Die SPD-Fraktion hat sich nach durchaus kontroversen Beratungen in den eigenen Reihen für eine Anhebung der für die Zuständigkeit des Landgerichts maßgeblichen Streitwertgrenze von 5 000 DM auf 8 000 DM ausgesprochen. Die im Entwurf vorgesehene Anhebung auf lediglich 6 000 DM ist, wie ich finde, weiße Salbe und führt uns nicht weiter. Insbesondere führt das nicht zu einem nennenswerten Entlastungseffekt. Wir sind der Auffassung, daß die spürbare Anhebung der Streitwertgrenze eine geeignete, ja notwendige Maßnahme zur effektiven Entlastung ist. Vielleicht wäre sogar eine Anhebung auf 10 000 DM sachgerecht gewesen. Außerdem ist die mit der Anhebung der Wertgrenze verbundene Stärkung der Amtsgerichte das richtige justizpolitische Signal für die Zukunft. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich bislang mit ihrer Auffassung nicht durchsetzen können. Wir werden gleich einen Änderungsantrag stellen und werden sehen, welchen Erfolg er haben wird. Ich bedaure, daß die von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Einführung einer obligatorischen Rechtsbehelfsbelehrung in der Zivilprozeßordnung und in dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine Mehrheit im Rechtsausschuß gefunden hat. Wie in den übrigen Prozeßordnungen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Finanzgerichtsbarkeit, die Sozialgerichtsbarkeit und die Arbeitsgerichtsbarkeit ist auch und gerade im Bereich der Zivilprozeßordnung und der freiwilligen Gerichtsbarkeit die obligatorische Rechtsbehelfsbelehrung sinnvoll und geboten. Lassen Sie mich zum Schluß noch einige Bemerkungen zur Änderung der Bundesnotarordnung machen. Die Änderung der Bundesnotarordnung ist mit Rücksicht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juni 1986 geboten. Herr Eylmann hat darauf zu Recht hingewiesen. Auswahlmaßstäbe und das Auswahlverfahren für die Vergabe von Notarstellen bedürfen danach einer gesetzlichen Grundlage. Durch die vorliegende Änderung der Notarordnung werden die gesetzlichen Grundlagen für den Zugang zum Notaramt hinsichtlich der Auswahlkriterien bei mehreren Bewerbern ergänzt und präzisiert. Die Steuerung des Zugangs zum Anwaltsnotariat fast ausschließlich über die Erfüllung einer Wartezeit wird beseitigt. Für das Auswahlverfahren wird die Ausschreibung vorgeschrieben. Für die Ausübung des Notaramtes wird eine Altersgrenze von 70 Jahren eingeführt. Auf der Grundlage des Regierungsentwurfs hat es zwischen den Koalitionsfraktionen und der SPD-Bundestagsfraktion intensive Beratungen auf der Ebene der Berichterstatter gegeben. Wir haben uns einigen können. Der Gesetzentwurf hat deshalb auch die Zustimmung der SPD-Bundestagsfraktion. Ein allerletztes Wort. Zu den möglichen Änderungsanträgen zur Bundesnotarordnung im Hinblick auf das Nur-Notariat in den neuen Bundesländern will ich hier nur kurz anmerken: ({1}) Herr Kleinert, Sie haben, glaube ich, recht damit, daß Sie den angekündigten Antrag nicht eingebracht haben, weil wir doch wohl eine sorgfältige Beratung brauchen. ({2}) Ich sichere Ihnen aber zu, daß wir dies zu Anfang der kommenden Legislaturperiode sehr zügig machen können. Wir haben uns in der Sache noch nicht festgelegt. Ich bin im übrigen sehr überrascht, wie blitzschnell ein Änderungsantrag, der erst seit wenigen Tagen vorliegt, über das gesamte Bundesgebiet Resonanz gefunden hat und daß hier in Bonn Rückmeldungen der einen oder anderen Art zu vermelden waren. Ich bin erstaunt, wie gut diese Verbindungen laufen. Ich sage noch einmal: Wir sind nicht festgelegt. Wir werden auf diese allerdings wichtige und notwendig zu lösende Frage gerne zurückkommen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert ({0}).

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erfreulicherweise haben wir uns über, wie ich meine, doch nicht ganz so unerhebliche Dinge schließlich einigen können. Es sind Dinge, die man einer breiteren Öffentlichkeit nicht so ohne weiteres darstellen kann, die aber nichts mehr und nichts weniger betreffen als einen schnelleren und besseren Rechtsschutz für die Bürger, die Rechtsschutz bei unseren Gerichten suchen. Deshalb heißt das ja auch Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz. Es soll einfacher werden. Es gibt eine Methode, es immer einfach zu machen: Das ist die, alle Jahre wieder die Streitwertgrenzen zu erhöhen, bis wir unauffällig an dem Punkt angekommen sind, an den uns die Sozialdemokraten - ich weiß gar nicht so genau, ob sie dazu noch heute stehen - Anfang der 70er Jahre einmal bekommen wollten, als sie nämlich die Dreistufigkeit des Gerichtsaufbaus erstrebten. Wenn wir mit den Streitwertgrenzen immer höher gehen, landen wir zwangsläufig bei der Dreistufigkeit. ({0}) Einige haben das gesehen; andere tun so, als wäre das alles gar nicht gewollt. Auch wir haben es gesehen. Wir möchten mehr rechtsmittelfähige Urteile und öfter die Entscheidung des Kollegialgerichts, als das bei der Dreistufigkeit der Fall wäre. Deshalb hat es mit den Justizministern der Länder, die an höhere Streitwerte, zum Teil sehr dramatische - nicht nur an die von Herrn Wiefelspütz genannte Zahl, sondern bis zu 10 000 DM - , gedacht hatten, einen Kompromiß auf die unterste mögliche Grenze gegeben. Wir haben seit zwei Jahren über diese Dinge verhandelt. Insbesondere wir haben gesagt - hier darf ich unbescheidenerweise sagen: ich habe gesagt - : Wir möchten bei dieser Gelegenheit versuchen, von der Automatik der phantasielosen Streitwertgrenzerhöhungen abzukommen. Es sollte vielmehr am Anfang etwas getan werden, was den Kleinert ({1}) Gerichten Entlastung verschafft. Deshalb haben wir den hier bereits erwähnten Anwaltsvergleich eingeführt. ({2}) Dieser Anwaltsvergleich ist eine große Chance für außergerichtliche Streiterledigungen. Es wäre ohne die Möglichkeit der Vollstreckbarkeitserklärung unvollkommen gewesen. Er wäre im übrigen auch ohne die Möglichkeit der Vollstreckbarkeitserklärung durch den Notar unvollkommen gewesen; denn diese ist zu anderen Dienstzeiten erhältlich als die Vollstreckbarkeitserklärung durch das Gericht. Wie weit sich das auch auf den Bereich des NurNotariats auswirkt, will ich angesichts der skurrilen Streitigkeit der letzten Tage, die Herr Wiefelspütz durch die Blume angesprochen hat, hier nur andeuten und in Frage stellen. Wir jedenfalls glauben: Die Vollstreckbarkeit ist das Entscheidende, um die Parteien dazu zu bringen, sich zu vergleichen, wenn sie also anschließend zur Vollstreckung des Vergleichs nicht doch auf das gerichtliche Verfahren verwiesen sind. Da es mit Gebührenänderungen verbunden ist, die den Anreiz geben sollen, auf den Prozeß zu verzichten und den Vergleich zu suchen, ist sinnvoll, ist immer verlangt worden, ist aber gar nicht das Entscheidende. Viel wichtiger ist, was der Anwalt seinem Mandanten über den Sinn und Nutzen dieses Vergleichs sagen kann, nämlich daß er noch am gleichen Tag oder am nächsten Tag einen vollstreckbaren Titel in der Hand hat. Deshalb freuen wir uns so sehr darüber, daß wir im Einverständnis mit allen Fraktionen hier zu einem Versuch kommen, wirkliche Entlastung für die Gerichtsbarkeit zu schaffen und nicht immer wieder an Symptomen herumbasteln zu müssen. Das ist jedenfalls unsere Hoffnung. ({3}) Man kann es nur versuchen; wir wollen es jedenfalls versuchen. Die Bundesnotarordnung ist hier von den beiden Vorrednern erwähnt worden. Ich glaube, wir haben einen Weg gefunden, den jungen Kollegen nicht den Zugang zum Anwaltsnotariat zu versperren. Wir haben in der Begründung der Berichterstatter deutlich darauf hingewiesen, daß wir das Interesse des rechtsuchenden Publikums im Auge haben und daß wir möchten, daß dieses rechtsuchende Publikum in netter, angenehmer und entgegenkommender Form behandelt wird - bei aller Korrektheit der Auseinandersetzung über die Sache zwischen den Parteien mit dem Rat des objektiven Notars. Das bringt uns aber noch lange nicht dazu, darüber zu schweigen, daß wir heute keinen Antrag zur Lage des Notariats in den neuen Bundesländern stellen können. Wir sind der Meinung, das dort klassische Anwaltsnotariat hätte wiederhergestellt werden müssen. Dieses ist durch eine Fülle hier in der Kürze der Zeit nicht darstellbarer Vorgänge zunächst nicht geschehen. Wir stehen nicht an zu erklären, daß wir alle Justizminister der neuen Länder in diesem Bund bitten, von weiteren Notarzulassungen abzusehen, bevor auch noch das Argument der Verstopfung als letztes aller unsachlichen Argumente hinzukommt, wenn es darum geht, dort das publikumsfreundlichere und den besonderen Anforderungen in der DDR besser gewachsene Anwaltsnotariat einzuführen. ({4}) Wir freuen uns im übrigen, daß es uns gelungen ist, ganz zum Schluß doch Einigkeit über die dringend begehrte Rettung der schon eingeführten Fachanwaltsbezeichnungen herzustellen. Das weitere wird insofern in Zukunft zu regeln sein. Aber die Kollegen, die sich vorbereitet hatten, sollen jetzt auch ihr Recht bekommen, und zwar so, wie sie sich darauf eingerichtet haben. Daran - wie an den anderen Dingen auch - haben wir alle zusammen mitgearbeitet. Ich glaube nicht, Herr Wiefelspütz, . . .

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter!

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

... so gut wir auch miteinander gearbeitet haben, daß Sie recht haben, wenn Sie glauben, uns würde der Mut zu einem ganz großen Schritt fehlen. Ich glaube vielmehr, viele kleine Schritte der Art, wie wir sie heute zu verabschieden haben, werden uns eher in eine gute Zukunft . . .

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter!

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

... der Rechtsprechung und der Rechtsberatung im Lande führen als die Idee, man könne hier irgendwann etwas revolutionär verändern. Wir wollen kleine, aber vernünftige Schritte,

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, hören Sie doch einmal auf!

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

... und davon haben wir heute sehr viele getan. ({0}) - Herr Präsident.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Diese Nichtberücksichtigung finde ich nicht anständig von Ihnen.

Detlef Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001121, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Sie sind der letzte, den ich nicht berücksichtigen würde.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das haben Sie aber eine Weile lang getan. ({0}) Das Wort hat die Abgeordnete Frau Teubner.

Maria Luise Teubner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002308, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In dieser rechtspolitischen Debatte geht es darum, eine ganze Sammlung von Vorlagen noch abzuräumen. Dabei geht schon einmal etwas unter, was eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdiente. Das ist der Grund, warum ich mich als Ökologin in diesem erlauchten Kreis von Rechtsgelehrten einmische. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ginge es allein nach dem Willen von CDU/CSU und SPD, könnte die gesamte Bevölkerung dort oben auf der Zuschauerbank Platz nehmen. ({0}) Denn wie sie dort oben keine Gelegenheit mehr haben, in die Debatte und die Beschlüsse hier unten einzugreifen, so soll die Bevölkerung allgemein möglichst wenig am Bau- und Planungsgeschehen teilhaben können. Nur trauen sich die Regierungsparteien selbstverständlich nicht, mit einem Streich alle Beteiligungsrechte im Planungsverfahren entfallen zu lassen. ({1}) Zur Anwendung kommt vielmehr die schon so oft erfolgreich angewandte Salamitaktik, zu der letztendlich auch der jetzt anstehende Gesetzentwurf zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung zählt. Erlauben Sie mir, Ihnen die letzten vier Scheiben der Salami kurz zu beleuchten und eine davon hier besonders zu betrachten. Die erste Salamischeibe war die Novellierung des Baugesetzbuches. Danach kann die Verwaltung viel mehr Ausnahmen von Festsetzungen der Bebauungspläne erteilen als früher. Das stärkt die Exekutive, die Verwaltung, und schwächt die Volksvertretung. ({2}) Dort, wo es keine Bebauungspläne gibt, ist der Ermessungsspielraum der Exekutive beträchtlich ausgeweitet worden. Die zweite Salamischeibe war das sogenannte Wohnungsbauerleichterungsgesetz. Es führte im Bau- und Planungsrecht im wesentlichen Regelungen ein, die die Regierungskoalition beim Baugesetzbuch nicht mehr hineinbekommen hatte. Auch an dieser Stelle wurde an den demokratischen Eingriffsrechten der Bevölkerung ganz massiv gedreht. Die Bürgerbeteiligung kann nun in einigen Fällen völlig entfallen. Widersprüche und Anfechtungsklagen haben keine aufschiebende Wirkung mehr. Die dritte Salamischeibe ist der sogenannte Vorhaben- und Entschließungsplan im Baurecht der neuen Bundesländer, der Alt-DDR. Auch hier gibt es eine Einschränkung der Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung in unseres Erachtens undemokratischer Weise. Nun hauptsächlich zur vierten Salamischeibe, nämlich der heute abend anstehenden Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung: Nachdem die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger und sogar der Gemeinderäte im Bauplanungsrecht erheblich beschnitten worden sind, werden jetzt auf der Gerichtsebene, d. h. da, wo man klagen kann, die Daumenschrauben weiter angezogen. ({3}) Wer gegen Großprojekte klagt, soll vor Verwaltungsund Oberverwaltungsgerichten weniger Erfolgsaussichten, also weniger Rechtsschutz haben; und das geht so: Zum Beispiel sieht der Gesetzentwurf vor, daß ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid über eine Klage entschieden und eine Berufung durch Beschluß zurückgewiesen werden kann, wenn das Gericht der Auffassung ist, daß eine Sache keine besonderen Schwierigkeiten aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Dabei muß das Gericht nicht - wie bisher - einstimmig zu der Auffassung gelangen, sondern es genügt schon eine einfache Mehrheit. Diese Regelung ist in der Tat eine Beschleunigung von Verwaltungsverfahren; denn sie schafft die Möglichkeit, daß über eine Klage gegen technische Großbauvorhaben - sofern die Revision vom Oberverwaltungsgericht überhaupt zugelassen wurde - erst beim Bundesverwaltungsgericht entschieden wird, ohne daß es in einer anderen Instanz überhaupt zu einer mündlichen Verhandlung gekommen ist. Das Bundesverwaltungsgericht prüft dann nur noch, ob Rechtsfehler vorliegen. Eine Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen, eine erneute Beweisaufnahme und die Einholung weiterer Gutachten sind dort nicht möglich. Dadurch werden die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen technische Großvorhaben - Sie wissen alle, von welcher Art von Großvorhaben ich hier rede - ganz erheblich eingeschränkt. Das ist die weitestgehende Beschränkung der Rechtsmöglichkeiten seit Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsordnung überhaupt. ({4}) In der Begründung des Entwurfs wird auf diese Änderung gegenüber dem geltenden Recht nicht mit einem einzigen Satz hingewiesen. Wir gehen davon aus, daß genau diese Möglichkeit, künftig auch Klagen gegen technische Großvorhaben durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung abzuweisen, mit der hier vorliegenden Gesetzesänderung beabsichtigt ist. Für Klagen gegen Atomkraftwerke, sonstige kerntechnische Anlagen, gegen Großkraftwerke, Freileitungen, Müllverbrennungsanlagen, Abfalldeponien, gegen den Bau und die Erweiterung von Flughäfen, Autobahnen, Eisenbahntrassen und Binnenwasserstraßen wird es damit künftig nur noch eine einzige gerichtliche Tatsacheninstanz geben. Während bei Klagen gegen weniger bedeutsame Vorhaben, etwa bei Klagen gegen eine normale Baugenehmigung, auch künftig drei Instanzen gegeben sind, wird gerade bei bedeutsamen Vorhaben der Rechtsschutz verkürzt. Ich muß leider auch meine Rede ein bißchen verkürzen und will deswegen nur noch kurz auf die Frage der Massenverfahren eingehen. Für sogenannte Massenverfahren, wenn nämlich über 50 Bürger und Bürgerinnen gegen dasselbe Vorhaben klagen, werden Sonderregelungen geschaffen, die das Ganze „vereinfachen" sollen, die unseres Erachtens aber auch zu einer entscheidenden Einschränkung des Rechtsschutzes führen. Es ist völlig richtig, daß die Verwaltungsgerichte in den letzten Jahren immer mehr zu tun haben. Aber warum? Weil technische Großvorhaben und Planungen vielfach gegen die betroffenen Bürger und Bürgerinnen durchgesetzt werden sollen. ({5}) Ich bin beim letzten Satz, Herr Präsident. Diese Bürger und Bürgerinnen machen dann eben auch massenhaft von den bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch. Dem kann man nicht durch eine technokratische Verkürzung der gerichtlichen Verfahren entgegenwirken. Das ist der falscheste und undemokratischste Weg. Man muß die Bürgerinnen und Bürger vielmehr rechtzeitig an solchen Verfahren beteiligen. ({6}) Das wäre unseres Erachtens der richtige Ausweg, um sich gegen die Überflutung der Gerichte mit Ansprüchen zu wehren. Vielen Dank. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Professor Heuer.

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Hauptbegründung für das Gesetz zur Vereinfachung der Rechtspflege und andere Vorschriften ist die Überlastung der Gerichte. Es werden überzeugende Belege für diese Belastung gegeben, und es wird eine Reihe von Maßnahmen dagegen vorgeschlagen - darauf ist heute schon Bezug genommen worden - , wie die Erhöhung von Berufungs-, Revisions- und Beschwerdesummen, die Verfahrensvereinfachung bei Rechtsstreitigkeiten mit geringem Streitwert, die Anhebung der maßgeblichen Streitwertsummen für die Landgerichte, die Erweiterung des schriftlichen Verfahrens und anderes. Es geht um eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Justiz durch Rationalisierung, aber auch um eine Einschränkung der Möglichkeiten der rechtsuchenden Bürger. Die Regierung hat in der Stellungnahme zum Bundesratsentwurf auf die Frage aufmerksam gemacht, ob der Bundesratsentwurf nicht den Rechtsschutz insbesondere der sozial schwächeren Kreise zu weitgehend mindere. Wir sehen Handlungsbedarf; wir teilen aber andererseits die Bedenken, die hinsichtlich des Rechtsschutzes erhoben worden sind. Wir wirken erst sehr spät hier mit. Wir werden uns deshalb der Stimme enthalten. Wir unterstützen den Entwurf der SPD zur obligatorischen Rechtsbehelfsbelehrung. Wir halten sie gerade im Interesse der Bürger der ehemaligen DDR für außerordentlich notwendig. Sie haben besondere Schwierigkeiten, sich in der Masse des Rechts zurechtzufinden. Es hat in vielen Fällen ein hohes juristisches Niveau; das kritisiere ich nicht. Aber es ist für unsere Bürger außerordentlich schwer, sich darin zurechtzufinden. Wir hatten eine solche obligatorische Rechtsbehelfsbelehrung. Ich bitte Sie, zu prüfen, ob nicht gerade im Interesse der Bürger der ehemaligen DDR eine solche Rechtsbehelfsbelehrung vorgenommen werden sollte. Ich möchte noch auf einen weiteren Gegenstand eingehen. Für diese Bürger, denen gegenüber wir durch die Wahl vom 18. März dieses Jahres in besonderer Weise verpflichtet sind, ergibt sich durch die zunehmende Zahl von Konflikten, durch Arbeitslosigkeit, Konkurs und wachsende Kriminalität eine schwierige Lage. In dieser Lage ist für uns die Frage der Weiterbeschäftigung der bisherigen Richter bedeutsam. Wir sind keineswegs dagegen, diese Richter daraufhin zu überprüfen, ob sie geeignet sind. Es gab dazu die Bildung von Richterwahlausschüssen. Wir halten das für notwendig. Wir bedauern es aber sehr, daß in Teilen der Presse Stimmung gegen das Zustandekommen der Richterwahlausschüsse gemacht worden ist. Ich begrüße sehr die sachliche Stellungnahme des Staatssekretärs Herrn Kinkel aus dem Bundesjustizministerium im Rechtsausschuß am 14. Oktober dieses Jahres. Diese Richterwahlausschüsse sind in einer sehr schwierigen Prozedur von den Fraktionen unseres Parlaments im Rechtsausschuß gemeinsam beraten worden. Etwa ein Drittel der Bewerber aus der Justiz sind vom Rechtsausschuß der Volkskammer abgelehnt worden. Ich meine, es hat eine sorgfältige Prüfung stattgefunden. Wir billigen es nicht, daß in der Presse gegen diese Arbeit Stimmung gemacht worden ist. Ich meine, daß in den Richterwahlausschüssen jeweils nur eine Minderheit gewählte Richter und Staatsanwälte sind. Die Richter, die hier bestätigt werden, werden nur Richter auf Probe und Richter auf Zeit. Wir sehen überhaupt keine Gefahr darin, diese Richter zu überprüfen und dann weiterhin zu beschäftigen. Wir halten es, auch weil es Bürger dieses Teiles Deutschlands sind, für sehr gut und sehr wichtig, daß wir einen großen Teil dieser Richter, die unbelastete Richter sind, weiter beschäftigen. Ich halte es auch für unaufrichtig, daß in der Bundesrepublik Deutschland, einem Land, das die Nazi-Richter fast vollständig übernommen hat, manche sich sperren, unbelastete Richter aus der ehemaligen DDR zu übernehmen. Ich glaube, das hängt mit der Einstellung zum öffentlichen Dienst überhaupt zusammen. Es gab eine Erklärung des Bundesinnenministeriums vom 10. September, daß sämtliche Funktionäre der SED im Zweifel als nicht verfassungsmäßig anzusehen seien. Ich sehe darin Erscheinungen eines Berufsverbots und meine, man sollte eine individuelle Prüfung durchführen. Ich unterstütze die Bemerkung von Graf Lambsdorff, der für eine individuelle Beurteilung ist und erklärt hat, Schuld sei ein individueller Tatbestand, nicht eine Kollektivveranstaltung.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter!

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Darf ich noch eine letzte Bemerkung machen. Der Abgeordnete Brück hat erklärt, in einigen Jahren werde sich niemand mehr an die DDR erinnern. Ich meine, die Pariser Kommune hat nur 72 Tage gedauert, die 48er Revolution war 1871 zu Ende, aber wir sprechen auch heute noch von ihr. Je brutaler heute der Sieger auftritt, desto mehr wird das Bestreben wachsen, ein gerechtes, ausgewogenes Bild dieser DDR zu gewinnen. 18634 Deutscher Bundestag 11 .Wahlperiode 233 Sitzung.Bonn den 30. Oktober 1990

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, das geht doch nicht.

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ein Bild der Fehler und auch des Unrechts und des schließlichen Scheiterns, aber auch der Idee, der Hoffnung und der Anstrengung von Millionen, die eine bessere Gesellschaftsordnung schaffen wollten, des Leides, aber auch der Solidarität. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, hören Sie bitte! Ihre Redezeit ist weit überschritten. Ich möchte bitten, daß Sie jetzt Ihre Rede beenden. ({0})

Prof. Dr. Uwe Jens Heuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000891, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Was haben Sie gegen mich? Lesen Sie meine Bücher, dann können wir diskutieren.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Einen Augenblick, die Debatte wird an anderer Stelle fortgesetzt. ({0}) Herr Buschbom ist der nächste Redner.

Helmut Buschbom (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000314, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf das letzte nicht eingehen. Meine Familie ist dort geprügelt worden. Die Leute richten sich alle selber. Ich habe mich mit vier Vorlagen von Gesetzen zu befassen, die unseren stark belasteten Gerichten die Arbeit etwas erleichtern sollen. Zunächst möchte ich Sie im Auftrage des Berichterstatters von zwei Vorlagen meines sehr geschätzten Kollegen Günther Hüsch bitten, den Beschlußempfehlungen zu den Berichten des Rechtsausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und dem von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit zuzustimmen. Der Rechtsausschuß hat beide Vorlagen mit den Stimmen der Kollegen der CDU/CSU, der FDP und der SPD beschlossen. Die vorgeschlagenen Regelungen entsprechen den Vorstellungen der betroffenen Gerichte. Sie sind sachgerecht und geeignet, ihre für unseren Rechtsstaat notwendige Arbeit zu erleichtern. Ich komme nun zu der Beschlußempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses zu dem von Kollegen der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der ZPO und des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Der Rechtsausschuß empfiehlt gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte, entsprechend zu beschließen, weil die beabsichtigte Einführung einer obligatorischen Rechtsmittelbelehrung in der ZPO und im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wegen fehlender Systematisierung der etwa 20 bestehenden befristeten Rechtsmittel unterschiedlicher Art zur Zeit nicht erreichbar ist, das im Zivilprozeß bestehende Prinzip der Parteienherrschaft berühren und Schwierigkeiten bei der Vollstreckbarkeit getroffener Entscheidungen bereiten wird. ({0}) Nunmehr wende ich mich der Beschlußempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Rechtspflege-Vereinfachungsgesetzes und dem vom Bundesrat vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Zivilgerichte zu. Hier lohnt sich zunächst ein Rückblick. In seiner 77. Sitzung am 15. Januar 1982 hatte schon der 9. Deutsche Bundestag die erste Lesung einer Vorlage des Bundesrates vorgenommen, der beantragt hatte, zur Entlastung der Zivilgerichte die Streitwertgrenze für die Amtsgerichte von 3 000 auf 6 000 DM, die Berufungssumme für die Landgerichte von 500 auf 1 000 DM und die Beschwerdesumme von 100 auf 200 DM zu erhöhen. Ich hatte damals als Berichterstatter zum allererstenmal in diesem Hause dazu zu sprechen. Ich habe mir heute - das ist das letzte Mal - denselben Anzug vorgeholt und habe festgestellt, daß er noch paßt. Nur das Haupt ist in den Jahren etwas ,,bereifter" geworden. ({1}) - Und auch bemooster. Der Rechtsausschuß hatte damals eingehend rechtsstaatliche Ermittlungen angestellt und am 30. September 1982 dem Plenum empfohlen, die Streitwertgrenze für die Amtsgerichte von 3 000 auf 4 500 DM zu erhöhen und im übrigen die Vorlage des Bundesrates abzulehnen, was geschehen ist. Herr Kollege, mit dem Klügerwerden habe ich so meine Hemmungen; auch Alter schützt vor Torheit nicht. ({2}) Die rechtstatsächlichen Ermittlungen des Rechtsausschusses haben ergeben, daß die Eingänge in Zivilstreitigkeiten von 1983 bis 1988 gestiegen sind, bei den Amtsgerichten um 7,1 %, bei den Landgerichten um 12 %, und zwar bei den Landgerichten die erstinstanzlichen Verfahren um 6,7 %, die Berufungsverfahren um 38 % - siehe, siehe - und die Beschwerdeverfahren um 17,9 %. Bei den Oberlandesgerichten stiegen die Eingänge bei der Berufung um 14,9 % und bei den Beschwerden um 29 %. Beim BGH stiegen die Revisionen um 20 % und die Beschwerden um 40 %, ein erheblicher Anstieg. Im Jahre 1989 war ein weiteBuschbom res Ansteigen der Zivilstreitigkeiten allerdings nicht mehr zu verzeichnen. Die Berichterstatter haben die Entwürfe der Regierung und des Bundesrates zusammengeführt, sich mit berufsständischen Vertretern beraten und intensive Kontakte zum Ministerium und zum Bundesrat unterhalten. Um Eingriffe in die Struktur der Zivilgerichte möglichst gering zu halten und die gebotene Entlastung der Landgerichte, Oberlandesgerichte und des BGH herbeizuführen, schlägt der Rechtsausschuß nunmehr vor, die Streitwertgrenze bei den Amtsgerichten von 4 500 auf 6 000 DM, die Berufungssumme für die Landgerichte von 500 auf 1 200 DM, die Revisionssumme für den Bundesgerichtshof von 40 000 auf 60 000 DM und die Beschwerdesumme lediglich für selbständig angreifbare Kostenentscheidungen von 100 auf 200 DM zu erhöhen sowie in Wohnraummietsachen - das ist wichtig - die Berufung ohne Rücksicht auf den Streitwert stattfinden zu lassen, wenn das Amtsgericht von Entscheidungen der Obergerichte abgewichen ist und seine Entscheidung auf solcher Abweichung beruht. Dieser Vorschlag entspricht den Vorstellungen des Bundesrates nicht in vollem Umfang, dürfte jedoch dessen Billigung finden. Im übrigen sollten die weiter empfohlenen Maßnahmen zur Vereinfachung und Erleichterung der Zivilverfahren beschlossen werden. Ich nenne insbesondere die vorgesehene Regelung für Bagatellsachen, für die Wertgrenze bei schriftlichen Verfahren, für die Versäumnisverfahren, Beweis-, Sachverständigen-und Mahnverfahren sowie den Anwaltsvergleich, über den meine Vorredner schon ausführlich gesprochen haben. Ich bin mir im klaren, daß damit das Problem unserer aufwendigen Zivilgerichtsbarkeit keineswegs gelöst ist. Befriedigende Antworten dürften - insbesondere unter Berücksichtigung der Verfahrensverhältnisse unserer hinzugekommenen fünf neuen Länder - nicht vor zehn Jahren zu erwarten sein. Die Zahl der Richter läßt sich nicht mehr beliebig vermehren. Ich meine, wir haben viel zu viele. Daher sollten bei zukünftigen Überlegungen zur Strukturänderung der Ziviljustiz erwogen werden, ob wegen der im Verhältnis zu den Amtsgerichten wesentlich geringeren erstinstanzlichen Arbeitsergebnissen der Landgerichte diese entweder nur noch in handels-, wirtschaftsrechtlichen und vergleichbar schwierigen Verfahren nach dem Vorbild der Handelskammern erstinstanzlich tätig werden sollten, ({3}) oder ob diese Verfahren als Kammerverfahren den Amtsgerichten zugeführt werden und über Berufungen gegen Urteile der Amtsgerichte wie in Familiensachen die Oberlandesgerichte entscheiden. ({4}) - Ich glaube, daß ich hier mit meinem Kollegen Hüsch nicht im Einklang stehe, vielleicht auch nicht mit Herrn Kollegen Kleinert. Aber ich bin nun ein alter Praktiker, und ich sehe, wohin der Wagen läuft. Ich denke, es wird nicht anders gehen. ({5}) Zum Schluß erlauben Sie mir noch einige Bemerkungen zu Art. 8 a der Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/8283. Es handelt sich hier um die Überleitung der Zuständigkeit der Obersten Rückerstattungsgerichte auf den Bundesgerichtshof. Das vorgeschlagene Gesetz enthält die Verfahrensvorschriften zur Erledigung der noch etwa 70 in den ehemaligen Westzonen und Berlin ({6}), d. h. der Bundesrepublik ohne die ehemalige DDR, anhängigen Rückerstattungsverfahren, auf deren nahtlosen Übergang von den gemischt alliiert-deutschen Revisionsgerichten auf den Bundesgerichtshof die Vertreter der drei Westmächte nach der Suspendierung der alliierten Vorbehaltsrechte mit dem Ablauf des 2. Oktober gedrungen haben. Die Übertragung dieser Verfahren auf den Bundesgerichtshof ändert nichts an den bisherigen Verfahrensgrundsätzen und dem alliierten und deutschen materiellen Rückerstattungsrecht wie es bisher anzuwenden war. Erlauben Sie mir zum Schluß noch eine persönliche Bemerkung: Daß mir heute diese Erläuterung in Rückerstattungssachen als Berichterstatter des Rechtsausschusses obliegt, entbehrt nicht eines eigenen persönlichen Reizes. Im Jahre 1952, also nun schon vor 38 Jahren, wurden mir Justizverwaltungsaufgaben für die Einrichtung des Obersten Rückerstattungsgerichtes für Berlin übertragen. Ab 1954 habe ich diesem Gericht sieben Jahre angehört, um anschließend der erstinstanzlichen Rückerstattungsbehörde in Berlin bis zur Annahme meines Bundestagsmandats im Juni 1981 vorzustehen. Fast 30 Jahre gehörten meine richterlichen Aufgaben, mein richterliches Engagement der Rückerstattung von Vermögensgegenständen, die in der NS-Zeit rassisch, religiös oder politisch Verfolgten diskriminierend entzogen worden waren. Heute, nach weiteren fast zehn Jahren, am Ende meiner parlamentarischen Tätigkeit, schließt sich der Kreis: ein letzter Dienst den Kindern und Enkeln von Verfolgten. Sie, meine lieben Kollegen und Zuhörer, werden verstehen, daß mich das innerlich nicht unberührt läßt. Es ist mir eine Ehrenpflicht, zu danken all den Angehörigen der Bundesregierung, des Bundesrates und des Rechtsausschusses, die den Berichterstattern hier hilfreich zur Seite gestanden haben. Sie haben vortreffliche Dienste geleistet. Dank gebührt auch den Gerichten, denen es trotz ihrer Mehrbelastungen noch immer gelingt, die ihnen zugewiesenen Verfahren allgemein in angemessener Zeit zu erledigen. Dank gilt meinen Kollegen, die mich kollegial, freundschaftlich, in Menschlichkeit hier die Jahre begleitet haben. Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, der Beschlußempfehlung zuzustimmen. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Lieber Herr Kollege Buschbom, damit geht nun der aktive Teil eines Le18636 Vizepräsident Westphal bens im Dienste des Rechts zu Ende, für den - ich hoffe, daß auch Sie so empfinden - die drei Legislaturperioden hier die Krönung gewesen sind. Uns alle wohl berührt Ihr Hinweis darauf, daß dieser Dienst für das Recht in besonderer Weise den Verfolgten gegolten hat, um ihnen Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zukommen zu lassen. Wir haben Grund, Ihnen allen zu danken und Ihnen einen guten Weg nach der Tätigkeit im Bundestag zu wünschen. Alles Gute! ({0}) Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.

Hans A. Engelhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000472

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Buschbom, ich möchte Ihnen auch meinerseits sehr herzlich für Ihre Arbeit danken; - denn soweit ich es über die Jahre verfolgen konnte, weitestgehend, nun schon über acht Jahre, aus dem Ministeramte heraus, waren Sie einer derjenigen, mit denen in der Rechtspolitik zusammenzuarbeiten immer eine Freude und ein Vergnügen war, aber darüber hinaus auch ein Kollege, wo ein Wort das andere gab und über die rein sachliche Arbeit hinaus immer das allerbeste Einvernehmen vorhanden war. Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, daß jetzt, zum Ende der Legislaturperiode hin, noch drei wichtige, dringend notwendige rechtspolitische Vorhaben verabschiedet werden können. In dem Zusammenhange gilt mein ganz besonderer Dank Ihnen für die engagierte und zügige Beratung der Entwürfe in den Ausschüssen, voran im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages. Sie haben hier rechtspolitisch wichtige Akzente gesetzt und die Entwürfe in wichtigen Punkten noch angereichert. Die Bundesregierung begrüßt die von Ihnen gesetzten Schwerpunkte nachdrücklich. Ohne das ganz besondere Engagement der Mitglieder des Rechtsausschusses, die mit einer so stark gestiegenen Anzahl von federführend zu betreuenden, aber auch mitberatend zu betreuenden Vorhaben in dieser Legislaturperiode zu tun hatten, wäre es nicht möglich gewesen, so weit zu kommen. Der Einsatz hat sich aber rentiert. In der Verwaltungsgerichtsordnung, in der Zivilprozeßordnung haben wir jetzt das mit den Mitteln des Prozeßrechts Mögliche getan, um Rechtsstreitigkeiten zu bewältigen, und zwar innerhalb einer angemessenen Zeit. Besonders wichtig ist dabei, daß wir das Augenmerk nicht nur auf die Streitentscheidung, sondern in ganz besonderer Weise auf die Streitbeilegung ohne Rechtsstreit und ohne Richter gerichtet haben. Das ist ein wichtiger Punkt; der Herr Kollege Kleinert hat ja dazu bereits Ausführungen gemacht. Es ist ein zentraler Punkt, bei dem man einmal versucht, auf einem anderen Wege etwas für die Entlastung der Gerichte zu tun. Nun sind solche Regelungen natürlich wichtiger denn je; Gerichtsverfahren dauern nach wie vor viel zu lange. Der Aufbau einer rechtsstaatlichen Rechtspflege in der ehemaligen DDR trägt natürlich zu einer zusätzlichen Arbeitslast bei. Dem Bürger muß künftig schneller zu seinem Recht verholfen werden, und zwar auch unter den zusätzlich erschwerten Rahmenbedingungen. Ich meine, daß Änderungen im Prozeßrecht alleine nicht weiterhelfen. Ich bin mit Ihnen, Herr Kollege Wiefelspütz, der Auffassung, daß natürlich gerade auch im Rechtsstaat die Rechtsgewähr eine Ressource ist, die ihrer Natur nach beschränkt ist. Wir alle wissen in der Tat, wie Sie ausgeführt haben, daß wir mit das Land mit den meisten Richtern sind. Aber dennoch glaube ich, daß es von seiten der Länder notwendig ist, gerade auch in dieser Situation dafür Sorge zu tragen, daß bei den Gerichten die notwendige Anzahl von Richterinnen und Richtern vorhanden ist, um dem Bürger schnellstmöglich zu seinem Recht zu verhelfen. Wir müssen zusätzlich versuchen, durch verbesserte Organisationsformen und durch verbesserten Technikeinsatz noch vorhandene Reserven zu mobilisieren. Gerade auf dem Gebiete der Informations- und der Kommunikationstechnik ist viel zu tun. Ich habe rechtstatsächliche Untersuchungen auf den Weg gebracht, die kurz vor dem Abschluß stehen und interessante Vorschläge versprechen. Ich glaube, daß wir uns hier auf einem guten und richtigen Weg befinden. Meine Damen und Herren, mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung kommt der Gesetzgeber einer Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach. Der Entwurf enthält die verfassungsrechtlich gebotene gesetzliche Regelung des Verfahrens für die Bestellung von Notaren und die Kriterien für die Auswahl unter mehreren Bewerbern. Darüber hinaus schafft er für die Beschränkung der Urkundstätigkeit auf den Amtsbereich eine gesetzliche Grundlage. Ich meine, es ist gut, daß das Gesetz auch vorab die für die gesamte Rechtsanwaltschaft wichtigen Fachanwaltsbezeichnungen, die in der Anwaltschaft unumstritten sind, bringt. Die gesamte Neuordnung des anwaltlichen Berufsrechts wird eine der vordringlichen Aufgaben der nächsten Legislaturperiode sein. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über die Gesetzentwürfe. Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Rechtspflege-Vereinfachungsgesetzes, Punkt 11 a der Tagesordnung. Das sind die Drucksachen 11/3621 und 11/8283. Ich rufe Art. 1 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist bei einigen Enthaltungen in der Gruppe der PDS und bei Gegenstimmen bei den GRÜNEN und in der Gruppe der PDS Art. 1 in der Ausschußfassung angenommen. Ich rufe Art. 2 in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegt auf der Drucksache 11/8303 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wer für diesen Änderungsantrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Vizepräsident Westphal Dann ist dieser Änderungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Wer für Art. 2 in der Ausschußfassung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion der SPD ist Art. 2 mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Ich rufe Art. 3 bis 11, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und Gegenstimmen sind diese Vorschriften mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen und mit Zustimmung der SPD angenommen worden. Jetzt treten wir in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen in der Gruppe der PDS und Gegenstimmen bei den GRÜNEN und der PDS ist dieser Gesetzentwurf mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen und der SPD angenommen worden. Jetzt kommt die Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Zivilgerichte, Drucksachen 11/4155 und 11/8283. Der Gesetzentwurf ist teilweise in den gerade angenommenen Entwurf eines RechtspflegeVereinfachungsgesetzes eingegangen. Der Ausschuß empfiehlt im übrigen die Ablehnung. Ich rufe daher den Gesetzentwurf mit den Art. 1 bis 14, Einleitung und Überschrift auf. Wer diesen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist abgelehnt, und das sogar noch einstimmig. ({0}) Ab und zu gibt es auch noch etwas Komisches. Aber es ist rechtlich in Ordnung, und es unterbleibt nach § 83 Abs. 3 der Geschäftsordnung die dritte Beratung. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 11 b und damit zur Abstimmung über das von der Bundesregierung eingebrachte Vierte Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung. Es handelt sich um die Drucksachen 11/7030 und 11/8275. Ich rufe Art. 1 bis 23, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen bei der Gruppe der PDS und bei Gegenstimmen der Gruppe der PDS und der GRÜNEN/Bündnis 90 sind die Vorschriften angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen angenommen worden. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 11 c und damit zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit. Es handelt sich um die Drucksachen 11/7903 und 11/8273. Ich rufe Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS sind die Vorschriften angenommen worden. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS ist dieser Gesetzentwurf mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen und der SPD angenommen worden. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 11 d und damit zur Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung und des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Dazu liegen die Drucksachen 11/1704 und 11/7866 vor. Der Ausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich rufe Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 11 e und damit zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung. Es handelt sich um die Drucksachen 11/6007 und 11/8307. Ich rufe Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen der GRÜNEN/Bündnis 90 und der Gruppe der PDS sind die aufgerufenen Vorschriften mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen und der SPD angenommen worden. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Vizepräsident Westphal sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Der Gesetzentwurf ist mit der gleichen Mehrheit angenommen worden. Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozeßordnung und anderer Gesetze - Drucksache 11/5462 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({1}) - Drucksache 11/8274 Berichterstatter: Abgeordnete Hörster Dr. Pick ({2}) Hierzu liegen Änderungsanträge und ein Entschließungsantrag vor. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung 30 Minuten vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Marschewski.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade angesichts des soeben verabschiedeten Pakets im Rahmen der Rechtspolitik muß ich feststellen, daß die Rechtspolitik dieser Bundesregierung außergewöhnlich erfolgreich war. ({0}) Das sollten Sie, meine Damen und Herren von der SPD, akzeptieren. Das gilt nicht nur für den gerade beschlossenen Bereich, das gilt z. B. auch für den Bereich des soeben vom Vermittlungsausschuß beschlossenen Umwelthaftungsrechts oder für den Bereich des Embryonenschutzgesetzes. ({1}) - Das ist das, was wir, gnädige Frau, in der letzten Woche beschlossen haben. Das gilt auch für den Bereich der Verbraucherkredite. Ich finde, daß wir dem Plenum jetzt hier ganz wichtige Punkte zur Abstimmung unterbreiten. ({2}) Wir legen in diesem Gesetz fest, daß wir erstens den Verbraucherschutz entscheidend verbessern, daß wir zweitens mehr Rechtsklarheit schaffen und daß wir drittens den Kreditgeber verpflichten, erheblich größere Sorgfalt als bisher anzuwenden. Nun könnte man vielleicht annehmen, wir hätten einfach die EG-Richtlinie umgesetzt und europäisches Recht nachvollzogen. Meine Damen und Herren, wir haben dies eben nicht getan. Wir haben uns ernsthaft Gedanken darüber gemacht, wie es möglich ist, in Not geratenen Schuldnern zu helfen. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit möchte ich auf ein paar wichtige Punkte dieses Gesetzes eingehen. Zunächst einmal haben wir die Kredite zum Zweck der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit, soweit sie den Betrag von 100 000 DM Nettokredit nicht übersteigen, in den Schutzbereich dieses Gesetzes einbezogen. Wir wollten dabei den Gewerbetreibenden helfen, wir wollten die Handwerker unterstützen, wir wollten die Landwirte unterstützen. ({3}) Wir wollten letzten Endes die Angehörigen freier Berufe, insbesondere in der Phase der Existenzgründung bei Abschluß von Kreditverträgen oder Kreditvermittlungsverträgen schützen. Ein weiterer Bereich ist nicht ganz unwesentlich. Auch das im Konsumgüterbereich immer häufiger vom Verbraucher in Anspruch genommene Finanzierungsleasing unterfällt künftig den Regelungen des Verbraucherkredits. Damit wurde den tatsächlichen Entwicklungen im Konsumgüterbereich Rechnung getragen, weil sich das Finanzierungsleasing als alternative Finanzierungsform zum herkömmlichen Kredit längst etabliert hat. Ein Weiteres haben wir getan, und da befanden wir uns vielleicht ein wenig in Erweiterung zu dem, was Sie, Herr Minister, vorgeschlagen haben. Wir haben entgegen dem Regierungsentwurf das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Verträgen über die Lieferung in Teilleistungen oder über wiederkehrende Leistungen, abgeleitet vom bisherigen Abzahlungsgesetz, beibehalten. Ein wichtiger Punkt - hier ist natürlich etwas Rechtsphilosophie und Rechtstechnik dabei - , ein Eckpunkt, meine Damen und Herren, ist die Anrechnung von Teilleistungen in § 10 Abs. 3 des Verbraucherkreditgesetzes. Wir haben gemerkt, daß die Verschuldungsspirale immer heftiger wurde und dem Schuldner letzten Endes kaum eine Chance übrig blieb, die Hauptforderung zu tilgen oder auch nur teilweise zu tilgen. Deswegen schreibt die Anrechnungsvorschrift des § 10 Abs. 3 nunmehr vor, daß Teilleistungen des Verbrauchers zunächst auf die Kosten der Rechtsverfolgung und dann auf den übrigen geschuldeten Betrag und zuletzt auf die Zinsen anzurechnen sind. Dies stärkt insbesondere die Position des Schuldners und schützt ihn - ich darf das so sagen - vor Kredithaien. Das war letztlich der Sinn und Zweck dieses Gesetzes. ({4}) Wir haben mit diesem Gesetzentwurf - das muß man sicherlich feststellen - die Position des Schuldners erheblich verbessert. Nur eines, meine Damen und Herren, ist auch klar: Der Schuldner selbst trägt letzten Endes die Verantwortung dafür, daß er Schulden aufnimmt. Ich weiß, daß es Konsumzwang und Konsumdruck gibt; ich kenne die Werbemethoden der Wirtschaft. Aber wir können natürlich nicht das Wort dafür reden, daß jeder Schuldner einen Vormund zur Seite gestellt bekommt, der ihn vor Schaden bewahrt. Die einfache Grundwahrheit bleibt bestehen das sollte jedem klargemacht werden -, daß man nicht mehr Geld ausgeben kann, als man zur Verfügung hat. ({5}) - Damit haben Sie, Herr Kollege de With, ja beträchtliche Erfahrungen. Die SPD-Fraktion hat nämlich in ihren 13 Jahren Regierungszeit das Gegenteil getan. Deshalb würde ich da einmal zuhören, und zwar vor allen Dingen dann, wenn ich jetzt kurz begründe, warum wir den Entschließungsantrag der SPD ablehnen und warum wir uns gegen den Änderungsantrag der SPD-Fraktion aussprechen. Ich weiß natürlich - falls Sie, Frau Kollegin Däubler-Gmelin, von diesen Dingen überhaupt Kenntnis besitzen -, daß § 15a, den Sie beantragen, sicherlich überlegenswert ist. Darüber kann man nachdenken. Ich darf aber auch hinzufügen, daß wir der Meinung sind, daß bei Einführung dieses § 15a, Herr Kollege Professor Pick, Abgrenzungsprobleme auftreten. Jetzt würde das Ganze doch mehr im Eilverfahren gemacht werden. In der nächsten Wahlperiode oder wann auch immer werden wir Zeit haben, ({6}) über diesen Problembereich etwas intensiver nachzudenken. Ein Punkt, meine Damen und Herren, war Diskussionspunkt im Rechtsausschuß. Dazu liegen entsprechende Schreiben vor, z. B. des Präsidenten Geiger des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Es ging um die Frist der Inkraftsetzung dieses Gesetzes. Wir haben darüber diskutiert, ob es wirtschaftlich vernünftig sei, das Gesetz am 1. Januar 1991 in Kraft zu setzen. Ich muß Ihnen dazu sagen: Wir meinen, daß das notwendig ist, denn gerade die Kollegen aus den fünf neuen Bundesländern haben glaubhaft dargelegt, daß es nötig ist, einen wirksamen Verbraucherschutz zu beschließen. Meine Damen und Herren, in den fünf neuen Bundesländern werden insbesondere die Frauen an den Türen, aber auch andere zunehmend mit unseriösen Geschäftspraktiken konfrontiert, und dem müssen wir einfach, so meine ich, ad hoc entgegenwirken. ({7}) Wenn die Kreditwirtschaft meint, sie könne dies nicht schaffen, so bitte ich sie wirklich um Verständnis: Man wußte sehr rechtzeitig, daß wir etwas vorhatten und was wir konkret vorhatten. Ich bin selbst Mitglied eines Verwaltungsrates und eines Kreditausschusses einer Sparkasse. Ich meine, dies sei in kurzer Zeit regelbar. Meine Damen und Herren, zum Schluß: Wir haben erneut Wort gehalten. Wir haben das, was der Bundeskanzler gesagt hat, befolgt. Wir haben gesagt: Schuldnerschutz ist letzten Endes Bürgerschutz. Wir vertreten die Auffassung, daß es ein Geschäft mit einem in Not geratenen Schuldner in Zukunft nicht mehr geben darf, und dies - da bitte ich um Verständnis - ab sofort. Ich darf Ihnen herzlich danke sagen für das Zuhören am heutigen Abend. ({8})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pick. ({0})

Prof. Dr. Eckhart Pick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001715, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Marschewski, Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich Ihrer rechtspolitischen Bilanz nicht ganz zustimmen kann. Es zeigt sich auch an diesem Beispiel hier, daß die CDU eher getragen als agierend mit diesem Thema umgegangen ist. ({0}) Wir behandeln in der Tat ein wichtiges Gesetz, das Regelungen zum Schutze der Verbraucherinnen und Verbraucher enthält und das insofern eine zentrale Frage des Schuldnerschutzes ist. Von der Einbringung im Oktober 1989 bis heute ist dieser Gesetzentwurf fast ein Jahr in den Gremien unterwegs gewesen, bis er jetzt das Ende des Gesetzgebungsverfahrens erreicht hat. Wir können feststellen, daß die parlamentarische Beratung dieses Themas von Anfang an von der Öffentlichkeit sehr aufmerksam begleitet worden ist. Dies war nötig, und ich finde, das hat diesem Entwurf auch gutgetan. Die öffentliche Diskussion durch Organisationen, die sich kraft Amtes mit dem Problem der Überschuldung befassen müssen - ich denke an Wohlfahrtsorganisationen, an die Kommunen, an die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände und an die Kreditinstitute -, zeigt, daß es sich hier um ein Kerngebiet des Verbraucherschutzes handelt, ich sage einmal: eine Magna Charta des Verbrauchers mit der Zielrichtung - da gebe ich Ihnen recht - , die Verschuldung und Überschuldung, soweit es möglich ist, zu verhindern. Es waren im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens auch Interessenkonflikte offenzulegen, und der Gesetzgeber mußte diese lösen. In der Tat haben wir sehr oft abwägen müssen. Eines möchte ich auch feststellen: Wir wissen am Ende der Beratungen mehr als am Anfang über den Umfang des modernen Schuldenturms. Unsere Ahnungen und Befürchtungen sind im Grunde von der Realität übertroffen worden. Ich erinnere an die Kleine Anfrage der SPD vom 24. März 1988, in der wir bereits auf die Bedeutung der Schuldnerberatung hingewiesen haben. Wir haben schließlich mit unserem Antrag „Schuldenberatung und Schuldenbereinigung für Verbraucher" im Oktober 1988 ein Gesamtkonzept vorgelegt, das von der Vermeidung oder mindestens Verminderung der Überschuldung durch entsprechende gesetzliche Vorschriften über eine abgesicherte Schuldenberatung bis zu einem Privatkonkurs mit möglicher Restschuldbefreiung reicht. ({1}) Ich denke, meine Damen und Herren, auf diese Weise muß das Problem der Überschuldung angegangen werden. Ich glaube, Einzelmaßnahmen sind eben unzureichend. Die Bundesregierung hat es „geschafft", dieser Tage den Abschlußbericht zum Forschungsvorhaben „Überschuldungssituation und Schuldnerberatung in der Bundesrepublik Deutschland" vorzulegen. Ich kenne ihn noch nicht im einzelnen, aber ich habe der Verlautbarung des Bundesjustizministers entnommen, daß 1989 in der Bundesrepublik 9,7 Millionen Haushalte - das sind 35 % aller Haushalte - verschuldet sind, während 1,2 Millionen Haushalte überschuldet sind. Wer von Überschuldung spricht, der spricht von einer ausweglosen Überschuldung und einer ausweglosen finanziellen Situation. Sie, Herr Bundesminister, sagen in Ihrer Presseerklärung wörtlich - ich zitiere - : Knapp die Hälfte der überschuldeten Familien und Personen ist mit unter 20 000 DM überschuldet. Ich finde, daß ist etwas vornehm ausgedrückt, denn muß man umgekehrt sagen: Offenbar ist über die Hälfte dieser Personen mit über 20 000 DM überschuldet. ({2}) Das gibt die Dimension dann doch etwas präziser wieder. ({3}) Was dies bedeutet, kann nur der ermessen, der sich mit den einzelnen Fällen beschäftigt. Das heißt, der wachsende Schuldenberg ist nicht mehr abzutragen. Es ist lebenslange Überschuldung mit tiefgreifender Zerstörung familiärer und sozialer Bindungen die Folge. Solche Konstellationen bedürfen nicht nur rechtlicher und ökonomischer Beratung, sondern vor allem sozialer, und zwar ganzheitlicher Hilfestellung. ({4}) Von daher, Herr Marschewski widerspreche ich Ihnen doch etwas. Ich finde, es ist mehr als dünn, was die Bundesregierung zustande gebracht hat. ({5}) Von den Fraktionen, die diese Koalition tragen, haben wir im Gegensatz dazu zu diesem Problem sogar gar nichts gehört, denn diese haben auf dieses Problem mit Sprachlosigkeit reagiert. Ich habe von Ihnen bisher keine Vorstellungen gehört, wie man dem Problem des modernen Schuldturms begegnen will. ({6}) Ich behaupte auch: Wenn die Richtlinie zum Verbraucherkredit durch die EG nicht gekommen wäre, dann hätte sich die Bundesregierung an der Lösung der Probleme ebenfalls mit einer Null-Lösung beteiligt. Die Bundestagsfraktion der SPD - ich sage das sehr deutlich - stimmt diesem Gesetz nicht mit Begeisterung, sondern nur mit Bedenken zu. Ich sage auch ganz offen, daß, wenn man das so will, unsere Zustimmungsrate bei knapp über 50 % liegt. Das heißt mit anderen Worten: Dieses Gesetz wird von uns gerade noch mitgetragen. Für uns war die Überlegung entscheidend, daß letztlich ein kleiner Fortschritt in Richtung Schuldnerschutz zu erkennen ist. Wir hätten uns gewünscht, daß neben den zweifellos vorhandenen Verbesserungen, die wir durch die Beratungen erreicht haben, noch einige andere Änderungen eingeführt worden wären. Ich erkenne auch an, daß es in einer sehr kollegialen Weise möglich war, diese Problematik mit dem Mitberichterstatter, Herrn Hörster, zu erörtern. Aus unserer Sicht sind einige begrüßenswerte Ergänzungen hinzugekommen. Die Existenzgründungskredite bis 100 000 DM fallen jetzt unter den Anwendungsbereich des Gesetzes, ebenfalls - das ist schon gesagt worden - die Leasingverträge und auch, zumindest in einigen Bereichen, die grund-pfandrechtlich gesicherten Kredite. Für uns ist eine entscheidende Verbesserung gegenüber dem alten § 11 Abs. 3 des Entwurfs erreicht worden, nämlich der Möglichkeit, den Vertragszins bis zur Höhe einer vertragsmäßigen Erfüllung verlangen zu können. Das wäre in der Tat ein Rückschritt hinter die bisherige Rechtsprechung gewesen. Wir sind froh, daß das nicht erfolgt ist. ({7}) Wir haben 20 Änderungsanträge eingebracht. Davon sind einige im Laufe des Verfahrens berücksichtigt worden, die meisten jedoch nicht. Wir hätten uns gewünscht, daß die Bagatellgrenze noch etwas heruntergesetzt worden wäre. Wir hätten gern die Wuchergrenze gesetzlich umschrieben gehabt. Für uns ist auch der Verzugszins zu hoch. Wir hätten gern nur 2 % über dem Diskontsatz gehabt. Auch beim Datenschutz hätte es Verbesserungen geben können. Wir bringen heute zwei Änderungsanträge ein. Einmal geht es uns um das Widerspruchsrecht des Kreditnehmers gegen eine Kündigung des Kredits; denn wir sehen ihn in einer vergleichbaren Lage wie etwa den Mieter und den Arbeitnehmer. Zum zweiten finde ich - Herr Marschewski, Sie haben darauf hingewiesen - , daß das Problem der Mithaftung vermögensloser Familienangehöriger - der Frau oder des Mannes und insbesondere auch von Kindern - ein unerträglicher Zustand ist. ({8}) Ich glaube, hier ist der Gesetzgeber in der Tat gefordert, di esem Unwesen gegenzusteuern. ({9}) Das Wichtigste, meine Damen und Herren, ist, daß wir in unserem Entschließungsantrag ein Gesamtkonzept anmahnen, was aus unserer Sicht bedeuten muß, daß neben den Vorschriften, die die Überschuldung möglichst verhindern sollen, einmal eine abgesicherte Schuldenberatung stehen und zum anderen die Möglichkeit eines Privatkonkurses mit Restschuldbefreiung bei entsprechendem Verhalten bestehen muß. Wir sind froh, Herr Marschewski, daß es möglich ist, dieses Gesetz zum 1. Januar 1991 in Kraft zu setzen. Ich denke, insbesondere die Menschen in der DDR, die hierin nicht erfahren sind, müssen vor allerlei Menschen geschützt werden, die sich als BeutelDr. Pick schneider, als Kredithaie oder andere unfreundliche Zeitgenossen bezeichnen lassen. Vielen Dank. ({10})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Funke.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch das nunmehr vorliegende Verbraucherkreditgesetz wird der Kreditnehmer erheblich besser geschützt als bisher. Das gilt für alle Kreditverhältnisse, insbesondere für den Kontokorrentkredit, für den Überziehungskredit, für Finanzierungs-Leasings-Verträge, für Kreditverträge auf Grund von Kreditkarten, die ja besonders verlockend sind, aber auch für Realkredite bis hin zum finanzierten Ehevermittlungsvertrag. In das Gesetz sind auch die dem Abzahlungsgesetz unterworfenen Finanzierungen und kreditierten Dienstleistungen mit einbezogen worden. Lediglich Minimalkredite von unter 400 DM sind ausgenommen. Der Verbraucher wird in einer Vertragsurkunde über die Kosten des Kredits und die Gesamtbelastung besser informiert. Der Verbraucher hat ein Widerrufsrecht, so daß er sich rechtzeitig und gründlich überlegen kann, ob er sich durch die Kreditaufnahme nicht übernimmt. Mit den neuen Vorschriften über die Verzugszinsen und die Zinseszinsberechnung sowie deren Beschränkung und der Veränderung der Tilgungsreihenfolge werden dem Schuldner Erleichterungen eingeräumt, wenn er, was wir nicht hoffen wollen, in Verzug gerät. Zu Recht ist die Mehrheit des Rechtsausschusses davon ausgegangen, daß durch dieses Verbraucherkreditgesetz nicht die gesamte Überschuldungsproblematik von vielen Hunderttausenden von Haushalten erledigt werden kann. Sie, Herr Professor Pick, haben ja die Zahl von 1,2 Millionen Haushalten in der bisherigen Bundesrepublik Deutschland erwähnt. Hinzu kommen dann noch die Haushalte in der DDR. Aber wir sind schon der Meinung, daß dies eben nicht allein hier geregelt werden kann, sondern daß Regelungen im Insolvenzrecht vorgesehen werden müssen, in der Konkursordnung, die ja novelliert werden soll. Der Bundesjustizminister hat dankenswerterweise einen entsprechenden Entwurf vorgelegt, schon vor geraumer Zeit, vor mehr als einem Jahr. Das Bundeskabinett hat sich auf Grund von Vorhaltungen oder Einschränkungen der Kollegen von Herrn Bundesjustizminister Engelhard bislang noch nicht dazu verstehen können, diesen als Kabinettsvorlage zu verabschieden. Ich halte das für sehr bedauerlich, ({0}) und zwar deswegen, weil die Überschuldungsproblematik, die vorhanden ist, hier nicht gelöst werden kann. Ich hoffe, daß wir da in der nächsten Legislaturperiode vorankommen und daß insbesondere der Bundesarbeitsminister und der Bundesfinanzminister ihre Bedenken hintanstellen; denn wir brauchen endlich ein modernes Konkursrecht. ({1}) Erfreulich ist weiterhin, daß das Gesetz stärker als bisher den Verbraucher von den Kredithaien schützt, indem bei ungünstigen Umschuldungen der Provisionsanspruch des Kreditmaklers verfällt. Ich hoffe, daß sich die Kreditnehmer auf diese Weise verstärkt nicht mehr unseriösen Kredithaien ausliefern, sondern mehr denn je zu seriösen Bankinstituten gehen und dort ihre Sorgen in Ruhe besprechen. Bei diesem Gesetz, das ja auch die EG-Richtlinie ausfüllt, ist eine Reihe von Verbesserungen durch den Rechtsausschuß vorgenommen worden, so im Bereich der Existenzgründungsdarlehen und des Konsumentenleasings. Natürlich sind nicht alle Wünsche erfüllt worden, von welchen Seiten auch immer sie gekommen sind. So hatten wir - im Gegensatz zur SPD, aber auch im Gegensatz zur CDU - gewünscht, daß das Gesetz erst am 1. April 1991 in Kraft treten solle, weil wir der Auffassung sind, daß die Kreditverträge bei den Kreditinstituten und auch beim Versandhandel und damit natürlich auch die EDV-Programme umgestellt werden müssen. ({2}) - Das ist doch nicht wahr, Herr Kollege Dr. Wittmann. Erkundigen Sie sich bitte einmal bei den Sparkassenverbänden und beim Bundesverband Deutscher Banken. Das ist Ihnen heute noch einmal durch die Schreiben sehr deutlich geworden. ({3}) Wir haben uns nicht durchsetzen können. Ich akzeptiere aber die Mehrheitsentscheidung. Deswegen werden wir nicht gegen das Gesetz stimmen. Wir wollen dieses Verbraucherkreditgesetz; es ist eine gute Sache. Deswegen stimmen wir diesem Gesetz trotz dieser kleinen Macken zu. Vielen Dank. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Herr Abgeordneter Häfner.

Gerald Häfner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000775, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr und mehr wird unsere Gesellschaft bei allem Reichtum zu einer sozial kalten Gesellschaft, zu einer Zweidrittelgesellschaft: Manchen geht es immer besser, aber viele Menschen können dabei nicht mithalten und verschulden sich; sie verschulden sich in dramatischem Ausmaß. Sie wissen, daß plötzliche Arbeitslosigkeit Menschen blitzartig in die Situation bringen kann, schon ihre Miete in bestimmten Städten nicht mehr zahlen zu können, geschweige denn die Lebenshaltungskosten aufbringen zu können. Das Gesamtvolumen aller Verbraucherkredite in der Bundesrepublik ist in den Jahren von 1970 bis 1988 von 30 auf 214 Milliarden DM angewachsen, 18642 Deutschet Bundestag - 11. Wahlperiode Häfner und es steigt ständig weiter. Jeder zweite Haushalt mußte schon Anfang der 80er Jahre auf Kredite zurückgreifen. Die Zahlen der Verbraucherverbände belegen, daß auch diese Zahl extrem im Steigen begriffen ist. Dabei ist der moderne Schuldturm weit gnadenloser als die Strafjustiz; denn immerhin können sogar Schwerverbrecher damit rechnen, irgendwann einmal wieder frei zu sein, während für viele Schuldner und deren Familien genau dieses nicht gilt. Kaum volljährig gewordene Kinder oder auch Jugendliche, die sich für den Kredit ihrer Eltern verbürgen, müssen damit rechnen, bis an ihr Lebensende an die Banken abzuzahlen; mit Zinsen und Tilgung ein Vielfaches der ursprünglichen Kreditsumme. Solche Fälle sind bei weitem keine Randerscheinung. Schon in jedem fünften Kreditvertrag sind derartige Klauseln enthalten. Die Bundesregierung hat dieses Problem viele Jahre lang verschlafen. Bereits 1984 hat der Bundesrat - Herr Pick hat darauf hingewiesen - eine gesetzliche Regelung verlangt. Passiert ist gar nichts. Erst als die EG-Kommission eine Regelung bis 1. Januar 1991 zwingend verlangt hat, ist ganz kurz vor Toresschluß der Bundesjustizminister, und zwar sehr langsam, noch in Bewegung gekommen. Auch der von ihm jetzt vorgelegte Gesetzentwurf regelt nur, was durch die EG-Norm ausdrücklich verlangt wird. Bedenkt man die eklatanten Mißstände, so ist es eine bruchstückhafte Gesetzesbastelei und - Sie werden mir das nachsehen, Herr Funke - weit weniger ein Verbraucherschutz- als vielmehr ein Bankenschutzgesetz. ({0}) Der rechtliche Schutz von Familienangehörigen, die sich oft in Unkenntnis der wirtschaftlichen Folgen als Bürgen und Mitschuldner verpflichten, bleibt weiterhin ausgeklammert. Nichts ändert sich dadurch an dem unwürdigen Zustand eines Lebens entlang der Pfändungsfreigrenzen unterhalb des Existenzminimums. Ich will mir nicht verkneifen, bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, daß sich der Rechtsausschuß in seiner letzten Sitzung geweigert hat, die Pfändungsfreigrenzen zumindest auf Sozialhilfeniveau heraufzusetzen. ({1}) - Die Regierungskoalition und damit die Mehrheit im Ausschuß - . Die Pfändungsfreigrenzen liegen weit unterhalb des Sozialhilfesatzes. Was das für uns bedeutet, wissen wir. Schlimme Folgen wird das auch für die Menschen in der DDR haben, die sich in hohem Maße verschulden, weil sie die Situation und die Folgen gar nicht einschätzen können, und denen von Kredithaien und Banken manchmal das Blaue vom Himmel herunter versprochen wird. Das Gesetz enthält auch keine Regelungen, die den allgemeinen, oft nicht vom Betroffenen zu vertretenden und vielfach unvorhergesehen eintretenden Risiken wie Arbeitslosigkeit, Ehescheidung und vieles andere mehr Rechnung trügen. Er enthält auch keine Sozialklausel. Das Verbot der Kündigung durch den Kreditgeber im Falle einer unverschuldeten Notlage ist das mindeste, was von einem Gesetz verlangt werden kann, das für sich in Anspruch nimmt, einen effektiven Verbraucherschutz im Kreditbereich sicherzustellen. Der Justizminister ignoriert die Wirklichkeit des Lebens. In wirtschaftsliberaler Illusion geht er davon aus, daß man Geld einfach haben muß. Wenn man es nicht hat, ist man selber schuld. Die Banken können nach wie vor fast unbegrenzt Kredite verteilen, deren Rückzahlungsrisiko allein Sache des Schuldners bleibt. Die bundesdeutschen Kreditinstitute können mit diesem Gesetz zufrieden sein, die Verbraucher nicht. Die Sanktionen für Formmängel wurden gegenüber dem Abzahlungsgesetz erheblich entschärft. Die Mißachtung der Preiswahrheit bei Nicht- oder Falschangabe wird praktisch völlig risikolos gestellt. Auch die üppige Regelung für Verzugszinsen von 5 % folgt weit mehr den Interessen der Banken als denen der Schuldner. Meine Damen und Herren, dieses Gesetz geht zu Lasten der Schwachen in der Gesellschaft, denen unsere Banken in Ausnutzung einer Notlage oft unverantwortlich hohe Kredite einräumen, die sie dann nie mehr zurückzahlen können. Die Banken sind dabei fein heraus; die Menschen, die Betroffenen, tragen die Folgen. Wir GRÜNEN sehen uns deshalb nicht in der Lage, einem derart unzureichenden Gesetz unsere Zustimmung zu erteilen. Wir meinen, daß insbesondere im Hinblick auf die Menschen in den neu hinzugekommenen Bundesländern ein solches Gesetz abgelehnt und ein wirklicher Schutz von Verbrauchern im Kreditbereich durch ein neues Gesetz sichergestellt werden muß. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesjustizminister Engelhard.

Hans A. Engelhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000472

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Häfner, Sie haben - wie schon so häufig - eine Reihe von Anwürfen, die säuberlich vorbereitet waren, vom Blatt abgelesen, was natürlich von der Wirkung etwas wegnimmt. Das darf ich Ihnen in diesem Zusammenhang vielleicht sagen. Wir hatten bei der Vorbereitung des Verbraucherkreditgesetzes eine Reihe von Schwierigkeiten zu überwinden. Ich meine aber, daß dieses Gesetz zu einem richtigen Zeitpunkt kommt. Im Zusammenhang mit dem Forschungsvorhaben, das ich gemeinsam mit dem Familienministerium in Gang gebracht habe, haben wir zur Verschuldungsund Überschuldungssituation in der Bundesrepublik einige wenige Zahlen gehört. In der Tat: 1,2 Millionen Haushalte sind überschuldet, und zwar im Gebiet der alten Bundesrepublik. Es ist wichtig, daß wir jetzt dieses Gesetz haben; denn es besteht die große Gefahr und es ist zu befürchten, daß diese Entwicklung durch den Einigungsprozeß verstärkt wird. Die Bürger in den neuen Bundesländern sind mit den Verlockungen des Konsums auf Kredit noch -

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Häfner?

Hans A. Engelhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000472

Ja, bitte.

Gerald Häfner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000775, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, da Sie es vorhin in so charmanter Weise vermieden haben, den Inhalt meiner Rede zu würdigen, und statt dessen darauf hingewiesen haben, daß ich abgelesen hätte, möchte ich Sie folgendes fragen: Trügt der Schein, täuscht mich der Eindruck, daß Sie Ihre Rede im Moment vorlesen, oder reden Sie frei? ({0})

Hans A. Engelhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000472

Herr Kollege Häfner, ich habe von gewissen Anwürfen und Attakken gesprochen, die abgelesen nicht so wirken. Ich habe dies auch frei gesagt. Das übrige jetzt abzulesen nehme ich in Anspruch. ({0}) Meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern sind mit dem Konsum auf Kredit und seinen Bedingungen noch kaum vertraut. Sie haben noch wenig Ahnung von dem breiten Angebot von Finanzdienstleistungen. Ich meine, daß gerade diese Bevölkerungsschichten des Schutzes bedürfen, damit ihr Start in die Freiheit und das Leben in einer sozialen Marktwirtschaft nicht zu einem Fehlstart wird. Deswegen meine ich, daß genau jetzt der richtige Zeitpunkt ist, daß wir rechtlich nicht mit leeren Händen dastehen, sondern über ein Gesetz verfügen, das Antworten und Hilfe gibt. Ich möchte dem Deutschen Bundestag, dem Rechtsausschuß und seinen Mitgliedern ausdrücklich dafür danken, daß auch hier noch im letzten möglichen Moment gehandelt werden konnte und wir in dieser Legislaturperiode dieses Gesetz heute verabschieden können. Das Gesetz wirkt in erster Linie präventiv. Dem Verbraucher soll bei Vertragsschluß ermöglicht werden, alle Kosten und Belastungen so klar vor Augen zu haben, um überhaupt in der Lage zu sein, die Erwägung anzustellen, ob er sich die Kreditaufnahme leisten kann oder nicht. Für die Fälle aber, in denen ein Verbraucher in Zahlungsschwierigkeiten gerät, mildert das Gesetz die Folgen ab. Ich meine, wir sind uns alle einig - das ist im Grunde mit das Kernproblem - , daß am Verzug nicht verdient werden darf. Wenn jemand mit der Rückzahlung in Verzug gerät, wird er sicher seine Schulden tilgen müssen. Aber es darf nicht dahin führen, daß daran von anderen noch verdient wird. ({1}) Eines muß klar gesagt werden - und auch ich will das, weil es bereits angesprochen wurde, wiederholen - : Eine gänzliche Bereinigung von Verbraucherinsolvenzen kann mit den Mitteln des Darlehensrechts nicht bewirkt werden. Das muß im Rahmen des Insolvenzrechts geschehen. Der Entwurf meines Ministeriums dazu liegt auf dem Tisch. Schwierige Abstimmungen mit anderen Kollegen haben es nicht dahin kommen lassen, daß wir uns diesem zentralen Thema noch in dieser Legislaturperiode zuwenden konnten. Das wird ein Thema der nächsten Legislaturperiode sein. Die Restschuldbefreiung ist ein Thema dieses Entwurfs. Es ist ein zentrales Thema, das für die überschuldeten Haushalte eine Antwort gibt. Bis dahin wird man warten müssen. Aber für die Fälle der Verschuldung und hin zur Überschuldung bringt das heute zu verabschiedende Verbraucherkreditgesetz eine klare, richtige und gute Antwort. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozeßordnung und anderer Gesetze. Ich rufe Art. 1 in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 11/8357 und 11/8359 vor. Wer stimmt dem Änderungsantrag auf Drucksache 11/8357 zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt. Wer stimmt dem Änderungsantrag auf Drucksache 11/8359 zu? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Eine Enthaltung. Mit Mehrheit abgelehnt. Wer stimmt für Art. 1 in der Ausschußfassung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist Art. 1 in der Ausschußfassung mit Mehrheit angenommen. Ich rufe die Art. 2 bis 10, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Dann ist dem mit Mehrheit zugestimmt. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist mit Mehrheit in der dritten Lesung angenommen. Es ist noch über einen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8358 abzustimmen. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist dieser Entschließungsantrag mit Mehrheit abgelehnt. Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vizepräsident Stücklen Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes und des Straßenverkehrsgesetzes - Drucksache 11/8003 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({0}) - Drucksache 11/8319 Berichterstatter: Abgeordnete Opel Schulhoff ({1}) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung besonders schadstoffarmer Personenkraftwagen mit Dieselmotor - Drucksache 11/8004 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({2}) - Drucksache 11/8320 Berichterstatter: Abgeordnete Opel Schulhoff ({3}) Ich bin informiert, daß die von den Fraktionen vorgesehenen Redner ihre Reden zu Protokoll geben.*) Der amtierende Präsident ist damit einverstanden. Damit entfällt die Aussprache. Wir kommen zuerst zur Einzelberatung und Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 11/8003 und 11/8319. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Mit Mehrheit sind die Art. i bis 3 angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Mit Mehrheit ist dieser Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über den Gesetzentwurf auf den Drucksachen 11/8004 und 11/8320. Ich rufe die Art. i und 2, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Eine Enthaltung. Damit sind die aufgerufenen Vorschriften mit Mehrheit angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung *) Anlage 3 ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Eine Enthaltung. Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({4}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Scheer, Horn, Dr. Ehmke ({5}), Bahr, Dr. von Bülow, Fuchs ({6}), Büchner ({7}), Erler, Gansel, Heimann, Heistermann, Hiller ({8}), Ibrügger, Dr. Klejdzinski, Opel, Dr. Soell, Stobbe, Verheugen, Voigt ({9}), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Abrüstung und Sicherheit 1990 - Drucksachen 11/6309, 11/8039 - Berichterstatter: Abgeordnete Lamers Dr. Scheer Frau Beer b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({10}) zu dem Antrag der Fraktion der SPD Weltweites Chemiewaffenverbot: Notwendige Initiativen nach der Pariser Konferenz - Drucksachen 11/4054, 11/8068 - Berichterstatter: Abgeordnete Lummer Dr. Scheer Frau Beer c) Beratung der Unterrichtung durch die Delegation der Interparlamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die Interparlamentarische Abrüstungskonferenz vom 21. bis 25. Mai 1990 in Bonn - Drucksache 11/7733 Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Auswärtiger Ausschuß ({11}) Verteidigungsausschuß d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie der Veränderungen im militärischen Kräfteverhältnis ({12}) 1989 ({13}) - Drucksache 11/7994 Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Auswärtiger Ausschuß ({14}) Verteidigungsausschuß Haushaltsausschuß In der Aussprache hat sich Herr Abgeordneter Ronneburger zu Wort gemeldet. Die anderen von den Fraktionen vorgesehenen Redner geben ihre Reden zu Protokoll. Sie sind damit einverstanden? - Das ist mit der erforderlichen Mehrheit so beschlossen. *) *) Anlage 4 Vizepräsident Stücklen Herr Abgeordneter Ronneburger, Sie haben das Wort.

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dieser Rede - meiner vermutlich letzten im Plenum des Deutschen Bundestages ({0}) bin ich in besonderer Weise auf Ihr Wohlwollen angewiesen, um das ich hiermit bitten möchte. Der erste Grund dafür bezieht sich auf den zeitlichen Ablauf, den zweiten Grund werden Sie am Schluß meiner Bemerkungen unschwer erkennen können. Zu dem aufgerufenen Tagesordnungspunkt beginne ich mit einem Zitat, das mehr als alles andere, was ich mir vorstellen kann, die rasante Entwicklung in den vergangenen Jahren - speziell im vergangenen Jahr - deutlich macht und das auch zeigt, warum eigentlich ein nicht unerheblicher Teil der Vorlagen, die wir heute beraten, durch den Zeitablauf und durch die tatsächliche Entwicklung bereits überholt worden ist. Am 7. und 8. Juni waren die Außenminister der NATO in Turnberry zusammen. Sie bezogen sich damals auf das Ziel, „eine neue europäische Friedensordnung zu schaffen, gegründet auf Freiheit, Recht und Demokratie". Sie erklärten dazu: „In diesem Geist reichen wir der Sowjetunion und allen anderen europäischen Ländern die Hand zu Freundschaft und Zusammenarbeit. " Deutlicher kann man kaum ausdrücken, was sich in der Welt, was sich in Europa, was sich auch in unserem Lande in dieser Zeit verändert hat. ({1}) Heute haben wir gemeinsam das Glück, auf das wohl erfolgreichste Jahr jener Nachkriegszeit zurückblicken zu können, die damit auch ihr Ende findet. Das vereinte Deutschland ist frei von C-Waffen. Die Genfer Abrüstungskonferenz, deren Hauptziel ein weltweites C-Waffenverbot ist, endete im August dieses Jahres mit der Annahme der weit entwickelten Fortschreibung des Vertragsentwurfs. Die nächste Sitzung beginnt nach einigen Zwischensitzungsperioden am 21. Januar nächsten Jahres. Doch weiter: Es gibt keine Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden. Kurzstreckenraketen werden nicht modernisiert. Die VKSE-Verhandlungen sind auf weiten Strecken trotz ihres Fortschrittes von der positiven politischen Entwicklung überholt worden. Die in Konturen sichtbare europäische Friedensordnung ermöglicht die Verminderung um rund 1 Million Soldaten auf deutschem Boden bis 1994. Ende des Jahres 1994 wird es 40 % weniger deutsche Soldaten geben als heute und fast nur die Hälfte der Großbewaffnung. Diese Reduzierung auf eine Friedenspräsenz von 370 000 Mann erlaubte die Reduzierung der Grundwehrzeit auf zunächst 12 Monate und die Absenkung der Altersgrenze der Pflicht zur Ableistung des Wehrdienstes von 28 auf 25 Jahre. Je nach zukünftiger Struktur, Gesamtumfang und künftigen Jahrgangsstärken ist eine weitere Reduzierung bei differenzierter Weiterbildung in speziellen Bereichen denkbar, die auch im angestrebten Zivilberuf von Nutzen sein kann. Für uns alle ist es ein Glück, sagen zu können: Wir sind dabeigewesen. ({2}) Ich will an diesem Abend und in dieser Aussprache - wenn man es denn so nennen kann - überhaupt nicht werten und abwägen, wer mehr oder wer weniger dabeigewesen ist. Aber vielleicht darf ich für meine Fraktion und vor allen Dingen für den Bundesaußenminister in aller Bescheidenheit feststellen: Ja, wir waren dabei. ({3}) Die Notwendigkeit von deutschen Streitkräften auch in der Zukunft wird heute kaum mehr bestritten. Vielmehr erhalten diese deutschen Streitkräfte in der Forderung aller, auch der osteuropäischen Nachbarn, nach Integration des einigen Deutschlands in der NATO und der WEU und Beteiligung an den Friedenstruppen der UNO eine eindeutige Bestätigung ihres Auftrages, den souveränen Staat Deutschland zu schützen und gemeinsam mit unseren Partnern den Frieden zu sichern. Stand die Bundeswehr vor einigen Jahren wegen der beabsichtigten zunehmenden Inanspruchnahme der verfügbaren Zeit der Wehrpflichtigen der kleineren Jahrgänge noch vor erheblichen Akzeptanzproblemen, weil auch die Intensität der empfundenen Bedrohung nachgelassen und einer optimistischen Erwartung für die Zukunft Platz gemacht hatte, so findet sie, ausgenommen bei kleineren Gruppen, heute rundum Zustimmung. Der immer vorhandene, aber oft geleugnete grundlegende Unterschied zwischen Streitkräften in der Demokratie und unter der Diktatur des real existierenden Sozialismus wird eben heute unmittelbar erlebt. Strukturfragen der Bundeswehr sind von der unabhängigen Kommission für die künftigen Aufgaben der Bundeswehr, die sich auf unsere Anregung hin am 7. September konstituiert hat und ihre Arbeit bis Ende des nächsten Jahres abgeschlossen haben will, zu beantworten. Weitere Fortschritte auf dem Weg zu einer Sicherung friedlicher Entwicklungen erfordern aber auch von der NATO Reformen in Struktur, Ausrüstung und Strategie. ({4}) Meine Damen und Herren, falsch erscheint mir jedoch der Vorschlag in einer Presseverlautbarung des Präsidiums der NATO-Versammlung, in der es heißt: Die traditionelle Unterscheidung der NATO von Angelegenheiten „innerhalb " und „außerhalb des Bündnisbereiches " muß aufgegeben werden, und die NATO-Charta muß dann dahin gehend geändert werden, daß eine Erweiterung der Rolle der NATO vorgesehen wird zur Abschreckung von Konflikten nicht nur in Europa, sondern auch überall dort, wo die Sicherheit der Bündnismitglieder durch einen Konflikt bedroht wird. Die jüngsten Ereignisse 18646 Deutscher Bundestag - 11 Wahlperiode - so heißt es in dieser Erklärung im Persischen Golf zeigen, daß die wirtschaftliche Stabilität der NATO-Staaten leicht durch Entwicklungen außerhalb Europas gefährdet werden kann. Ich sage, hier werden Aufgaben der NATO mit Aufgaben der UNO verwechselt. ({5}) Im übrigen dürfen die Aktions- und Reaktionsmuster aus dem ehemaligen Ost-West-Konflikt nicht als Erfolgsrezept auf den völlig anders gelagerten NordSüd-Konflikt übertragen werden. Wichtig ist, aus der europäischen und vor allem aus der sicherheitspolitischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte und der Überwindung der Spaltung Europas und Deutschlands jetzt die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Weichen für weitere Jahrzehnte des Friedens zu stellen. Wir haben heute Rückblick auf eine erfolgreiche Politik auf all diesen Gebieten zu halten. Wir haben auch Rückblick auf die sowjetische Führung unter Präsident Gorbatschow zu halten, der den Umgestaltungs-, Abrüstungs- und Veränderungsprozeß in Mittel- und Osteuropa ermöglicht und die Hand genommen hat, die die NATO ausgestreckt hat. Es ist nun an uns, neben dem Festhalten an Grundsätzen wie Demokratie, Bewahrung des Rechts und Freiheit des Individuums die Visionen für die Zukunft zu realisieren. So wie einst nach dem Zweiten Weltkrieg die Vision des friedlichen, vereinten und demokratischen Europa unter dem Schutz der NATO und mit dem Startschuß Marshall-Plan in die Realität umgesetzt wurde, so müssen wir in partnerschaftlicher Weise die Sicherheit aller Staaten des KSZE-Prozesses mit gesamteuropäischen Sicherheitsstrukturen gewährleisten und mit einem Hilfsprogramm für Mittel- und Osteuropa das weitergeben, was westlichen Staaten Europas einst als Hilfe unserer amerikanischer Freunde gewährt wurde. ({6}) Wenn wir Sicherheitspolitik und verringerte Streitkräfte im europäischen Auftrag noch stärker als Ausdruck unseres Bekenntnisses wofür und nicht wogegen interpretieren, so werden wir Instabilitäten an unseren Flanken mit stabilisieren können. Die politischen Komponenten müssen verstärkt werden, und es müssen in Zusammenarbeit mit neuen Staaten und in neuen Formen mit den Staaten des bisherigen Warschauer Paktes im Rahmen des KSZE-Prozesses tragfähige kooperative Sicherheitsstrukturen in Europa entwickelt werden. Meine Damen und Herren, wir sind auf einem guten Wege. Lassen Sie uns auf diesem Weg gemeinsam weiter vorangehen. ({7}) Jetzt, Herr Präsident, kommen einige persönliche Bemerkungen, bei denen ich wiederum in besonderer Weise auf Ihr Wohlwollen angewiesen bin. Min leeve Herr Präsident! Leeve Makers! 18 Johr lang hebb ik davon dröömt, eenmal in dit Hoge Huus een Reed op plattdüütsch to holln. Un hüüd is dat nu so: Wenn dat hüüd nix ward, dann ward dat überhaupt nix mehr. ({8}) Un so mook ik Se beten, hebbt Se Verständnis daför, dat ik disse Gelegenheit nutzen do. Ik sto hier hüüd abend mit em Geföhl von grote Dankbarkeit in't Harten, Dankbarkeit daför, dat wi dat erreicht hebbt, wat in dat letzte Johr möglich worn is: De Mur is wech, de Frieheit dehnt sich ut. Wi kött toröckblicken und kött seggen, dat wör nich umsonst, wat wi al tosamen hier mokt hebbt. ({9}) Un ik wil gor nich verschwiegen: For mi persönlich, na so veel Johrn Düütschlandpolitik, is dat een bewegende Oogenblick to seggn, wi hebbt dat erreicht, woför wi so lange Johrn uns insett hebbt. Ik bin ober ook dankbar för manche Früündlichkeit un Hölp, nich blot von mien Kollegen, de mit mi tosa-men up desölbe Siet von det Hoge Huus sitten, sondern veel Früündlichkeit un Hölp ook ut de annern Fraktionen von unsen Bundestag. Ik hebb veel to danken an Se al, an unse Mitarbeiter ook hier un in unse Fraktion, in unse Büros. Hier is veel, wofür ik von Harten dankbor bin. Un dankbor bin ik ok för manche Früündschaft, de länger holln ward als mien Gegenwart hier in't Parlament. De Johrn, op de ik nu toröckkieken do, wern nich immer licht, doch ik mok se nich missen op mien Levenswech. Un dorom sech ik in disse Moment: Vergeten Se den Buurn ut Tetenbüll nich Blicks am 3. Dezember. Ik war mit alle goode Wünsche an de denken, de in de nächste veer Johrn hier ihrn Arbeit don för unser Land, för Frieden un Frieheit. Ik dank se al. ({10})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war die Abschlußrede unseres Kollegen Ronneburger, der dem Deutschen Bundestag vier Legislaturperioden angehört hat. Er hat seine Abschiedsworte in Platt gehalten. Sie nehmen es vermutlich einem aus Bayern stammenden Präsidenten nicht übel, wenn er sagt: Ich habe nicht alles verstanden, aber es war großartig. ({0}) Herr Abgeordneter Ronneburger, ich wünsche Ihnen alles Gute, vor allen Dingen Gesundheit. Und vergessen Sie dieses Haus nicht ganz. Ich habe die gleiche Absicht. Wir können die nicht allein lassen; wir müssen schon nach dem Rechten sehen. ({1}) Nun erteile ich das Wort der Frau Staatsministerin Dr. Adam-Schwaetzer.

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die vorbereitete Rede zu Protokoll zu geben. Aber ich möchte auch die Gelegenheit wahrnehmen, dem Kollegen Ronneburger für seine Arbeit zu danken, die er in den vergangenen vier Legislaturperioden geleistet hat. Wir stehen ja am Ende einer Legislaturperiode, wo eine ganze Reihe von Kollegen ihre parlamentarische Arbeit abschließen; am Ende einer Legislaturperiode, die für uns alle viele unerwartete und glückliche Ereignisse gebracht hat. Uwe Ronneburger hat sie mit heißem Herzen und kühlem Kopf nicht nur miterlebt und mitbegleitet, sondern auch mitgestaltet. Als stellvertretender Vorsitzender des innerdeutschen Ausschusses genauso wie als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses hat er diese Politik maßgeblich mitbestimmt. Für seine Hartnäckigkeit, seine Unbeirrbarkeit, aber auch die Tatsache, daß er vom Zeitgeist nie angekränkelt war, möchte ich ihm herzlich Dank sagen und für die Zukunft alles Gute wünschen. Ich denke, ich tue das auch in Ihrem Namen. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Vorlagen. Zu Tagesordnungspunkt 14 a haben wir zunächst die Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 11/8039. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/6309 abzulehnen. Wer stimmt diesem Beschlußantrag, den Antrag abzulehnen zu? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einige Enthaltungen. Damit ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen. Wir kommen nun zu Punkt 14b und damit zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 11/8068. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/4054 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist die Beschlußempfehlung mit Mehrheit angenommen. Wir kommen jetzt zur Beratung der Unterrichtung durch die Delegation der Interparlamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die In-terp arlamentarische Abrüstungskonferenz im Mai 1990 in Bonn sowie zur Beratung des Jahresabrüstungsberichts 1989; das sind die Punkte 14c und d der Tagesordnung. Der Altestenrat schlägt die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 11/7733 und 11/7994 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Sind Sie damit einverstanden? - Es ist so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Müntefering, Pfuhl, Vahlberg, Conradi, Dr. Jens, Dr. Kübler, Menzel, Paterna, Reschke, Reuschenbach, Bulmahn, Dr. Schnell, Dr. Kübler, Bernrath, Kretkowski, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Verbesserung des gewerblichen Mieterschutzes - Drucksache 11/8211 - Die dafür vorgesehenen Redner der Fraktionen haben sich bereit erklärt, ihre Ausführungen zu Protokoll zu geben. Sind Sie damit einverstanden. - Das ist mit der erforderlichen Mehrheit so beschlossen *) Wir kommen daher zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/8211. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Antrag der SPD ist mit Mehrheit abgelehnt. Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf: a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Garbe, Frau Saibold, Frau Flinner, Frau Schoppe, Kreuzeder und der Fraktion DIE GRÜNEN Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln und ihr Gefahrenpotential für die Gesundheit - Tragen Kinder das größte Risiko? - Drucksachen 11/5379, 11/7662 - b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Garbe, Kreuzeder, Frau Flinner und der Fraktion DIE GRÜNEN Schaffung eines Pestizid-Vorsorgegesetzes - Drucksache 11/7776 - c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Laufs, Carstensen ({1}), Dörflinger, Eylmann, Dr. Friedrich, Biehle, Dr. Göhner, Harries, Dr. Lippold ({2}), Dr. Müller, Seesing, Sauter ({3}), Schmidbauer, Susset, Weiß ({4}), Repnik und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Baum, Frau Dr. Segall, Wolfgramm ({5}), Bredehorn, Heinrich, Grünbeck, Dr. Hirsch und der Fraktion der FDP Gewässerschutz und Pflanzenschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Kiehm, Blunck, Dr. Hauff, Roth, Schäfer ({6}), Lennartz, Bachmaier, Bernrath, Conrad, Conradi, Fischer ({7}), Dr. Hartenstein, Jansen, Koltzsch, Dr. Martiny, Menzel, Müller ({8}), Reimann, Reuter, Dr. Schöfberger, Schütz, Stahl ({9}), Waltemathe, Weiermann, Adler, Kißlinger, Müller ({10}), Oostergetelo, Pfuhl, Sielaff, Wimmer ({11}), Weyel, Wittich, Dr. Böhme ({12}), Schmidt ({13}), Dr. Klejdzinski, Dr. Hauchler, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Grundwasser- und Trinkwassergefährdung durch Pflanzenbehandlungsmittel zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Garbe, Frau Flinner, Kreuzeder und der Fraktion DIE GRÜNEN Schutz des Grund- und Trinkwassers vor Pestiziden *)Anlage 5 Vizepräsident Stücklen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Maßnahmen der Gemeinschaft zum Schutz von Süß-, Küsten- und Meerwasser vor der Verunreinigung durch Nitrate aus diffusen Quellen - Drucksachen 11/1135, 11/2082, 11/2109, 11/4337 Nr. 27, 11/8184 Dazu hat sich die Frau Abgeordnete Bittner zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Dr. Ingrid Bittner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000188, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Pestizide und deren Rückstände im Trinkwasser und in Lebensmitteln, eine schreckliche Vorstellung. Sie sind von der Bundesregierung ausdrücklich zugelassen. Diese chemischen Wirkstoffe wurden vor 20 bis 40 Jahren entwickelt, und man ging damals davon aus, daß sie für den Menschen unschädlich seien. Inzwischen gibt es aber Erkenntnisse, daß sich Pestizide und auch Schwermetalle in Gemüsen anreichern, und dadurch ergeben sich Gefahren bei der Ernährung der Kinder. Es wird von erhöhtem Krebsrisiko, besonders für Leberkrebs bei Kindern, gesprochen. Weiterhin wissen wir nicht, was für Wirkungen diese Stoffe, die praktisch im Organismus nicht abgebaut werden können, z. B. auf menschliche Eizellen haben. Bei Meeressäugetieren und Fischen in stark belasteten Meeren, z. B. der Ostsee, wurden Tiere mit geschädigtem Immunsystem, deformierten Flossen und Skeletten und verminderter Brutzahl beobachtet. Das könnte eine ernste Warnung für die Menschheit sein. Europa ist gefragt. ({0}) Alle logischen Schlußfolgerungen zu diesem Thema können nur sein, den gesundheitlichen Schutz des Menschen vor wirtschaftliche Erwägungen zu stellen. Wenn man es denn genau beobachtet, führt - ({1}) - Ja, und? Die SED hat große Umweltsünden begangen. ({2}) Sie haben da ganz recht. Das ist völlig meine Meinung. ({3}) Ein großer Schaden bestand darin, daß man die Zahlen, die man sehr wohl erhoben hat, einfach nicht veröffentlicht hat. Man hat darüber Doktorarbeiten anfertigen lassen. ({4}) - Ja, aber dadurch, daß uns diese Zahlen zum größten Teil nicht bekannt waren, haben wir immer gutgläubig - ({5}) - Ich kann Ihnen nur eines sagen: Die Kinderärzte in dem Land waren sich schon lange bewußt, daß die Bronchitis etwas mit Umweltbelastung zu tun hatte. Wir konnten es aber an Hand von Werten nicht beweisen. ({6}) - Das kann sein. Wenn man es jedenfalls genau betrachtet und längerfristig beobachtet, können besonders durch Vernachlässigung des Umweltschutzes Gesundheitsschäden und dadurch wiederum erhebliche Mehrkosten entstehen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Ingrid Bittner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000188, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Abgeordnete, bitte sehr.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Abgeordnete, meinen Sie, daß auch Kohl pestizidanfällig ist?

Dr. Ingrid Bittner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000188, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Nein, bestimmte Kohlsorten sind ganz schön widerstandsfähig. ({0}) Dem Antrag der GRÜNEN, ein Pestizid-Vorsorgegesetz zu schaffen, stimmt die PDS deshalb rückhaltlos zu. Besonders wichtig erscheint mir der Gedanke der Rückholbarkeit der angewendeten Pestizide. Nur Stoffe, die auf bestimmte Art wieder aus dem Grundwasser herausgeholt werden können, dürfen in Zukunft zum Einsatz kommen. Die Umweltämter müssen erweiterte Kontrollbefugnis haben. Es war z. B. ein Fehler in der DDR, daß der Rat des Kreises sowohl für die Plankennziffern der landwirtschaftlichen Produktion als auch für die Reinhaltung der Gewässer verantwortlich war. ({1}) - Doch, die Umweltleute haben versucht, dagegen etwas zu unternehmen. Sie haben protestiert, aber sie hatten keinen Erfolg. ({2}) - Ich? Ich habe immer Einsicht in die Notwendigkeit gehabt. Wenn man mir gesagt hat, es muß mehr proFrau Dr. Bittner duziert werden, habe ich das auch geglaubt. So war es. ({3}) - Sie brauchen als Westleute gar nicht arrogant zu sein. ({4}) Auch Ihre Umweltschutzsünden zeigen sich, nur nicht so grob und so schmutzig wie in der DDR. ({5}) Sie zeigen sich in Form der Blechlawine, die sich jetzt über uns ergießt. Unsere Luftschadstoffwerte sind schlechter als je zuvor, obwohl unsere Betriebe geschlossen sind. ({6}) - Stimmt ganz genau. ({7}) Das Käuferverhalten muß sich ändern, und zwar meines Erachtens durchaus durch Subventionierung der Landwirtschaft, besonders von ökologischem Landbau. Der Bauer muß angeregt werden, biologisch-ökologisch verantwortungsvoll zu produzieren, und der Käufer muß auch einmal einen kleinen Apfel kaufen und nicht bloß die riesigen Äpfel nach EGNorm. ({8}) Man könnte sich auch eine generelle Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel, die von chemisch behandelten Flächen stammen, vorstellen. Die Extensivierung der Landwirtschaft kann eine weitere Hilfe zur Verbesserung des Bodens und besonders zur Verminderung der Nitratbelastung sein. 60 % der eingesetzten Pestizide könnten schon eingespart werden, wenn die Landwirtschaft nicht gezwungen ,wäre, aus Rentabilitätsgründen auf Menschen, nä auf Mitarbeiter, zu verzichten und deshalb die chemischen Insektenbekämpfungsmittel und Unkrautvertilgungsmittel einzusetzen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende. Aber vorher ist noch um eine Zwischenfrage gebeten worden. Sind Sie damit einverstanden?

Dr. Ingrid Bittner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000188, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ja, gern.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Hannelore Saibold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001915, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Abgeordnete, irgendwie bewundere ich ja Ihren Mut, wenn Sie hier solch einen Beitrag liefern. Ich möchte Sie gerne fragen, ob Sie heute zufällig im neuen „Stern" die Aufnahmen über die DDR und über die Umweltschäden, die dort eingetreten sind, gesehen haben.

Dr. Ingrid Bittner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000188, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich habe heute nicht zufällig den „Stern" gelesen, aber ich habe mich, soweit mir das zugänglich war, über unsere Bodenbelastung und über unsere Gewässerbelastung informiert. Ich weiß sehr gut, daß die Elbe der schmutzigste Fluß ist und daß die Verunreinigung sicherlich zu 70 % durch Lasten unseres ehemaligen Landes verursacht wird. Mir ist das sehr wohl bewußt. ({0}) In der DDR wurde in den letzten Jahren - besonders seit 1970 - vorwiegend auf Verschleiß produziert; auch Filter u. ä. wurden nicht eingesetzt. In meiner ganz unmittelbaren Nähe wurde zwar der Schornstein gebaut, der sehr hoch sein sollte, um den Schadstoff weit wegzupusten, aber er wurde nicht angeschlossen. ({1}) - Ich möchte Ihnen eines sagen -

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Abgeordnete Bittner, Ihre Redezeit ist zu Ende. ({0})

Dr. Ingrid Bittner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000188, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Haben Sie nun eine Anfrage, oder haben Sie keine Anfrage? Sonst muß ich meine Rede beenden. Ich wollte Ihnen eigentlich noch einen Schlußsatz sagen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Abgeordnete Bittner, dieses rote Lichtchen dort bedeutet, daß die Redezeit zu Ende ist. ({0})

Dr. Ingrid Bittner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000188, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Na gut. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Frau Abgeordnete Blunck.

Lieselott Blunck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000207, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle sind sich einig: Das 18650 Deutscher Bundestag -11. Wahlperiode- 233. Sitzung. Bonn, Dienstag., den 30. Oktober 1990 Mittel Nummer eins zum Leben, das Trinkwasser, soll sauber sein. ({0}) Pflanzenbehandlungsmittel, Schwermetalle und hohe Nitratwerte haben dort nichts zu suchen. ({1}) Aber im Grund- und sogar im Trinkwasser wurden schon 40 verschiedene Unkrautvernichter oder deren giftige Abbauprodukte entdeckt. Das ist u. a. die verheerende Folge des Einsatzes immer neuer, immer anderer, immer wirksamerer Pflanzenschutzmittel oder Pflanzenbehandlungsmittel. Dabei geht es mir nicht nur um die Gefährdung der Gesundheit der Menschen, sondern auch um die verheerenden Folgen und um die Auswirkungen, die dieser Einsatz von Pflanzenbehandlungsmitteln auf die Tier- und Pflanzenwelt hat. ({2}) Ich denke, das Problem wird noch zusätzlich - wir haben hier von meiner Vorrednerin Beispiele gehört - in der ehemaligen DDR verschärft. Es ist überhaupt nicht gut, wie Sie damit umgegangen sind. Ich denke, die Bundesregierung ist aufgefordert, ganz entschieden gegen diese Ausnahmegenehmigungen anzugehen. Die Bundesregierung ist aufgefordert, die Aufbringung der nicht zugelassenen Pflanzenbehandlungsmittel, die jetzt in der ehemaligen DDR eingesetzt werden, zu verbieten. Wenn man hier steht, kommt man sich eigentlich wie Don Quixote vor, der gegen Windmühlenflügel kämpft, weil wir schon so unendlich lange und schon so unendlich oft und immer wieder konkrete Maßnahmen vorgeschlagen haben. ({3}) Ich muß sagen: Der Herr Töpfer bündelt diese konkreten Maßnahmen, schreibt sie sich dann auf sein eigenes Banner und trägt das dann immer sehr medienwirksam vor sich her. ({4}) Nur, umsetzen kann oder darf oder will - vielleicht trifft auch alles zusammen zu - er es nicht, ({5}) denn offensichtlich findet die Chemielobby, die Agrarlobby beim Kanzler immer noch wesentlich mehr Gehör als die Frauen mit den kleinen Kindern, ({6}) als die Schwachen, als die Alten und als die Kranken. ({7}) Sonst wäre es unerklärlich, warum wir die Anwendung von schwer abbaubaren Pflanzenschutzmitteln noch nicht verboten haben. Sonst wäre auch nicht erklärlich, warum wir immer noch Pflanzenschutzmittel aufbringen dürfen, bei denen die Analysemethoden fehlen. Sonst wäre auch nicht erklärlich, warum wir im Pflanzenschutzgesetz nicht endlich das Vorsorgeprinzip durchgesetzt haben. Wir sind im Gegensatz zu den GRÜNEN nicht der Meinung, daß es ein Extragesetz dazu geben muß, sondern der Meinung, daß im Pflanzenschutzgesetz der Vorsorgegedanke verankert werden sollte. ({8}) Wenn ich den Vorsorgegeganken erwähne, dann heißt das immer, für etwas zu sorgen, bevor etwas passiert. ({9}) Ich mache Ihnen den Vorwurf: Sie reden immer darüber. Der Herr Töpfer macht wirklich wunderbare Presseerklärungen; nur würde ich gerne Taten von Ihnen sehen. Ich würde gerne sehen, wo die Sanierungskonzepte sind. Sie sind nicht vorhanden. Ich würde gern all die Wasserwerke kennenlernen, die die scharfen EG-Bestimmugen einhalten können. ({10}) Wissen Sie, da ist nichts! ({11}) Man sollte Wasser mit Genuß trinken können. Das zu machen ist in vielen Orten in Deutschland nicht möglich. Wir müssen die „gute fachliche Praxis" in der Landwirtschaft genau definiert und nicht nur angerissen haben. Wir brauchen auch endlich eine eindeutige Zuständigkeit. Ich denke, einen Teil dieser Probleme gibt es auch deshalb, weil es ein Schwarze-PeterSpiel ({12}) zwischen dem Gesundheitsminister, ({13}) dem Umweltminister und dem Landwirtschaftsminister gibt. Ich möchte gern, daß das Pflanzenschutzgesetz endlich in die Verantwortung des Umweltministers kommt. ({14}) Dort ist es sehr viel besser aufgehoben. Vielen Dank. ({15})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Frau Abgeordnete Garbe.

Charlotte Garbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000635, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Antwort auf unsere Anfrage „Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln und ihr Gefahrenpotential für die Gesundheit - Tragen Kinder das größte Risiko?" ist in sich widersprüchlich und darum wenig glaubhaft. Denn auf der einen Seite ist zu lesen, in der Bundesrepublik Deutschland seien keine Pflanzenschutzmittel zugelassen, für die nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis das Risiko einer erbgutverändernden, krebserzeugenden, die Fruchtbarkeit oder irreversibel das Nervensystem schädigenden Wirkung für den Menschen - nach sachgerechter Anwendung - angenommen werden kann. Auf der anderen Seite wird zugegeben, daß vier Herbizidwirkstoffe nach EG-Kriterien als möglicherweise krebserzeugend für den Menschen eingestuft würden, ({0}) daß für einige Pestizidwirkstoffe das Auftreten möglicherweise krebserzeugender Abbauprodukte diskutiert wird, daß allein ca. 5 000 Haus- und Wasserwerksbrunnen mit Atrazin und einem möglicherweise krebserzeugenden Abbauprodukt belastet sind, ({1}) daß insgesamt bis zu 20 % der Wasserwerke nicht die Grenzwerte für Pestizide im Trinkwasser einhalten können, daß inzwischen bekannt ist, daß bis zu 90 % der ausgebrachten Pestizide schon wenige Stunden später in die Luft übergehen können, und daß im Regenwasser vielfach die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung überschritten werden. All diese Tatsachen und Widersprüche belegen eines, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: daß nämlich die Prüfverfahren und der Stand der Wissenschaft bei weitem nicht ausreichen, um die Wirkung und das Verhalten von Pestiziden exakt beurteilen zu können. Es gibt weitere Bereiche, Herr Staatssekretär Pfeifer - das wollte ich eigentlich Frau Ministerin Lehr mit auf den Weg geben -, ({2}) die zeigen, wie Unwissenheit als Beleg für Ungefährlichkeit mißbraucht wird, z. B. was die mögliche Kombinationswirkung betrifft. Die Bundesregierung versteigt sich in ihrer Antwort sogar zu der Behauptung, daß die Pestizidrückstände in Nahrungsmitteln auf Grund des strengen Lebensmittelrechts weit unterhalb der gesetzlich festgelegten Höchstmengen lägen. ({3}) Diese Auskunft ist in ihrer Absolutheit falsch, wie die Ergebnisse eines bundesweiten Lebensmittel-Monitorings belegen. Es wurde von Ihrer Fachbehörde, dem Bundesgesundheitsamt, erstellt. Zwischenergebnisse zeigen deutlich die Vergiftungslage der Nation, verehrte Kolleginnen und Kollegen. In 47 % der untersuchten Äpfel, in 69 % der untersuchten Salatköpfe, in 80 % der untersuchten Erdbeeren wurden Pestizide nachgewiesen. ({4}) In fast jedem fünften Apfel, in jedem dritten Kopfsalat und in jeder zweiten Erdbeere ist mehr als ein Giftstoff enthalten. Bei 3,5 % der Äpfel, bei ca. 6 % der Salatköpfe und bei 6,2 % der Erdbeeren wurden sogar Höchstmengen überschritten. Trotz dieser Belege, beseelt von dem Dogma, eine Landwirtschaft ohne Gifte sei nicht möglich, weist die Ministerin Lehr bezüglich des ökologischen Landbaus darauf hin, Lebensmittel aus dem ökologischen Landbau seien nicht besser als Agrarprodukte aus der konventionellen chemieintensiven Landwirtschaft. ({5}) Zu dieser Antwort ist zweierlei zu sagen. Zum einen ist es eine wohlverdiente schallende Ohrfeige für den Umweltminister Töpfer und insgesamt für die katastrophale Umweltpolitik der Bundesregierung. ({6}) Umweltgifte wie z. B. Schwermetalle, PCBs, Dioxine, Pestizide usw. werden in erschreckendem Maße breit in die Umwelt verteilt. Giftstoffe machen nun einmal nicht halt vor ökologisch bewirtschafteten Flächen, liebe Kollegen und Kolleginnen. Zum anderen aber ist diese Antwort nicht mehr als eine billige Agitation für die industrialisierte, chemisierte Landwirtschaft. Es werden die Giftstoffe weiterhin in einer Menge von bis zu 30 000 Tonnen pro Jahr in die Umwelt verspritzt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller?'

Charlotte Garbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000635, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, gern.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Bitte sehr.

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, sollte man, wenn Sie diese Schadstoffe erwähnen, nicht darauf hinweisen, daß nicht alle diese Schadstoffe allein von der Landwirtschaft kommen, sondern daß Industrie, Verkehr, Haushalt usw. daran mindestens genauso beteiligt sind, so daß man nicht nur der Landwirtschaft den Schwarzen Peter zuschieben darf?

Charlotte Garbe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000635, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir haben hier Maßnahmenkataloge vorgelegt, wonach in den Kaufhäusern, in den Läden keine Pestizide für Vorgärten mehr ausgegeben werden dürfen. ({0}) - Ich rede hier speziell von Pestiziden. Ich erwähne speziell diese Anfrage. Das ist mein Punkt. Selbstverständlich kommen die anderen Schadstoffe hinzu. Die Summation und die Kombination machen die Sache noch um einiges gefährlicher. Verehrte Kollegen und Kolleginnen, wir fordern eine Landwirtschaft, die im Einklang mit der Natur und der Umwelt steht. Diese Wende ist nicht mehr aufschiebbar. Wir brauchen die Wende für gesunde Lebensmittel, für den Schutz unseres Grundwassers vor Nitrat und Pestiziden, für sauberes Trinkwasser, für das Überleben der Nordsee, für das Ende des Artensterbens, für gerechte Einkommen in der Landwirtschaft. Wir brauchen die Wende für unsere Kinder, für die Gesundheit unserer Kinder. ({1}) Wenn Sie zu dieser Entscheidung und Einsicht nicht fähig sind, verehrte Kollegen und Kolleginnen, sollten Sie zumindest die Notwendigkeit von drastischen Verschärfungen bei der Zulassung von Pestiziden anerkennen. „Greenpeace" hat die Forderungen in einem Konzept für ein Pestizid-Vorsorgegesetz ausgeführt, und fast 400 000 Menschen haben diese Forderungen mit ihrer Unterschrift unterstützt. Die Grundpfeiler des Gesetzes sind folgende: keine Zulassung von Pestiziden, von denen zu befürchten ist, daß sie ins Grundwasser gelangen; ({2}) ein sofort vollziehbarer Widerruf der Zulassung von Pestiziden, die ins Grundwasser gelangen; ({3}) keine Zulassung bzw. Rückruf von Pestiziden, für die es keine praktikable Nachweismethode gibt; Hersteller bzw. Vertreiber haften für die Sanierung der verschmutzten Grundwasservorkommen, wenn ein Pestizid trotz vorschriftsmäßiger Anwendung ins Grundwasser gelangt; Methoden für eine solche Sanierung sind Voraussetzung für eine Zulassung; die Bundesregierung erhält den Auftrag, entsprechende Bestimmungen EG-weit einzufordern, damit EG-Recht nicht zu einer Verminderung des Umweltschutzes hierzulande führt. Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich möchte meine letzte Rede hier im Bundestag mit einer inständigen Bitte schließen. ({4}) Verehrte Kollegen und Kolleginnen, nehmen Sie die Warnungen der Arzteinitiative, des Kinderschutzbundes und der Toxikologen ernst: Die ungeborenen und die geborenen Kinder sind besonders empfindlich. Sie sind durch zigtausend unsichtbare Gifte in unserer Umwelt auf das äußerste bedroht. Wir brauchen die Wende, wir brauchen eine verantwortbare Chemiepolitik, und wir brauchen eine verantwortbare Landwirtschaftspolitik. Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, für die Geduld und auch für Ihre Hilfe. Ich wünsche mir und Ihnen, daß in der nächsten Legislaturperiode nur noch weise Entscheidungen und Beschlüsse zum Wohl der Umwelt und zum Wohl der Menschen dieses Hohe Haus verlassen mögen. ({5}) Herzlichen Dank. ({6})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, auch Frau Garbe hat, wie sie mitgeteilt hat, ihre letzte Rede in dieser Legislaturperiode gehalten. Ich bedanke mich für Ihre gewissenhafte Mitarbeit, Frau Abgeordnete Garbe, und wünsche Ihnen alles Gute. Wir werden uns das noch von draußen anschauen. Nun darf ich zu § 31 der Geschäftsordnung Frau Saibold das Wort erteilen. Ich mache darauf aufmerksam, daß das keine Debatte sein kann. Es kann nur zur Abstimmung gesprochen werden. Wenn Sie zur Abstimmung sprechen wollen, bitte sehr.

Hannelore Saibold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001915, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zu den Punkten, die zur Abstimmung stehen, noch einmal erklären und begründen, warum ich hier speziell für unseren Antrag stimme ({0}) bzw. warum ich der Beschlußempfehlung nicht zustimmen kann. Es geht gerade um die Kinder. Bei der Pestizidbelastung tragen die Kinder das größte Risiko. Sie tragen es nicht nur bei den Pestizidrückständen in den Lebensmitteln. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Wir haben eine ganze Reihe von Risiken, die auf die Kinder, auf unsere Nachkommen, auf unsere Zukunft einwirken. Diese muß man einmal im Zusammenhang sehen. Wir debattieren hier immer über einzelne Faktoren. Heute haben wir nur die Pestizide als Tagesordnungspunkt. Wir haben aber die Belastungen - dies sollten Sie bitte im Hinterkopf haben - von Tschernobyl, wir haben die höchsten Leukämieraten bei den AKWs, wir haben giftige Sandkästen, wir haben Gifte in den Schulen und in den Kindergärten. Wir haben Innenraumbelastungen durch Chemikalien, die im Haushalt zugelassen sind. ({1}) Die Wissenschaftler haben gerade festgestellt, daß durch Blei in der Luft ganze Kindergenerationen, die in Großstädten aufgewachsen sind, Schäden in bezug auf Intelligenz und in bezug auf motorische Beeinträchtigungen davontragen können. Das wurde jetzt erst am 29. Oktober veröffentlicht. Hinzu kommen die Luftbelastung insgesamt, die Belastungen des Trinkwassers und der Lebensmittel. Sie müssen sich einmal den Komplex vorstellen, der hier zusammenwirkt! ({2}) Heute geht es nur um Pestizide. Ich bitte Sie, auf Grund dieser Gesamtbelastung, über die wir immer nur an einzelnen Punkten debattieren, mir heute wenigstens in diesem Bereich zuzustimmen. Denn Sie dürfen nicht vergessen: Wir versprühen in der Bundesrepublik über ein Pfund pro Kopf an Pestiziden, an Stoffen, die nicht einmal im Kriegsfall eingesetzt werden dürften. ({3}) Es ist kein Wunder, daß die Ei- und die Samenzellen heute schon hochgradig mit Umweltgiften aller Art belastet sind und daß die Muttermilch eigentlich in den Giftschrank gehörte. Das sind Alarmzeichen allerhöchster Stufe. Wir beachten sie fast nicht. Wir brauchen uns nicht zu wundern, daß gerade in der Bundesrepublik festgestellt wurde, daß in den letzten fünf Jahren die Konzentration von Schädlingsbekämpfungsmitteln im Babyfett enorm zugenommen hat und daß selbst bei Babys, die noch nicht gestillt und auch noch nicht gefüttert wurden, bereits PCB gefunden wird. Wenn man diese ganze Situation betrachtet, dann wird vielleicht das Ausmaß der Belastung für die Kinder klar. Hier geht es auch um die Einhaltung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit, so daß endlich gehandelt werden muß. Ein ganz winziger Schritt dazu ist die Zustimmung zu diesem PestizidVorsorgegesetz. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Wir müssen dringend handeln, wenn wir uns nicht versündigen wollen, indem wir diese Situation nicht zur Kenntnis nehmen und nichts tun. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.' ) Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/7776. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Mit Mehrheit abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 11/8184. Der Ausschuß empfiehlt unter Nr. I seiner Beschlußempfehlung, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP auf Drucksache 11/1135 in der Ausschußfassung anzunehmen. Wer stimmt dafür? - Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Mit Mehrheit angenommen. Der Ausschuß empfiehlt unter Nr.II seiner Beschlußempfehlung, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/2082 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Nr. II der Beschlußempfehlung ist mit Mehrheit angenommen. Weiterhin empfiehlt der Ausschuß unter Nr. III die Ablehnung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/2109. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - ) Zu Protokoll gegebene Reden siehe Anlage 6 Bei einer ganzen Reihe von Enthaltungen ist die Beschlußempfehlung unter Nr. III angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuß unter Nr. IV die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Keine Gegenstimme. - Wer enthält sich? - Die Beschlußempfehlung unter Nr. IV ist mit großer Mehrheit angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 6i und Zusatztagesordnungspunkt 8 auf: 6. i) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände ({0}) - Drucksache 11/6764 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1}) - Drucksache 11/8301 Berichterstatter: Abgeordneter Sauter ({2}) ({3}) ZP8 Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" hier: Rahmenplan 1991 bis 1994 und Sonderrahmenplan 1988 bis 1993 - Drucksache 11/7977 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuß Meine Damen und Herren, ich habe Wortmeldungen vorliegen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Häuser.

Gerd Jürgen Häuser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000780, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde zu dem spannenden Thema Wasserverbandsgesetz reden. Erstens. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Uns ist diese Entscheidung wahrlich schwergefallen, wie Sie an unserem Verhalten im Ausschuß ersehen konnten. Aber wer Politik verantwortungsvoll gestalten will - dies wollen und tun wir immer - , muß seine Position bis zur Entscheidung ständig überprüfen und dabei die Argumente aller Beteiligten würdigen. Dies haben wir getan. Wer uns auch nur den Hauch eines Vorwurfs machen sollte, der hat weder die Demokratie noch die Aufgaben in diesem Hause begriffen. Aber lassen Sie mich auf die Gründe unserer Entscheidung kommen. Auch wir sind der Auffassung, daß es dringend notwendig ist, das Wasserverbandsgesetz zu verabschieden. Wir verkennen nicht die Probleme und Schwierigkeiten, die sich bei der notwendigen Gründung der Wasser- und Bodenverbände in den neuen fünf Bundesländern durch die derzeit herrschende Rechtsunsicherheit ergeben. Auch für uns ist es ein unerträglicher Zustand, daß die geltende Rechtsverordnung auf Gesetzen des Jahres 1937 basiert, mit der Folge, daß viele Bestimmungen mit dem Grundgesetz nicht mehr in Einklang stehen. Soweit können wir uns auch der Auffassung von Herrn Staatssekretär Eisenkrämer anschließen. Aber dies war - außer der deutschen Einigung - schon seit 40 Jahren der Fall. Der Gesetzentwurf - ich wiederhole mich - war schon seit über vier Jahrzehnten überfällig. ({0}) Deshalb bleibt nur noch das Argument der Probleme und Schwierigkeiten in den neuen Bundesländern. Dagegen war abzuwägen, ob die neuen gesetzlichen Vorschriften der Zielsetzung eines ökologischen und demokratischen Wasserverbandsgesetzes unter Berücksichtigung der Belange der Länder und der Kommunen sowie der Verbände entsprechen. Eine solche Abwägung ist aber nur möglich, wenn genügend Zeit zur Beratung gegeben ist und wenn eine Anhörung der betroffenen Verbände erfolgt. Dies ist nicht geschehen, so daß erhebliche Zweifel an der Einhaltung der vorgenannten Zielsetzung angebracht sind. Insbesondere die Argumente des BUND sind unserer Auffassung nach nicht genügend gewürdigt worden und hätten mit den Vertretern des Verbandes diskutiert werden müssen. Ich werde einige Beispiele geben. Der BUND empfiehlt, in Ergänzung zu § 1 des Entwurfs einen zusätzlichen Abs. 3 einzufügen, der auf die landesrechtlichen Bestimmungen verweist. Dies erfolgt in Übereinstimmung mit dem Bundesrat. Die Bundesregierung hält dies dagegen für überflüssig. Die zwangsweise Heranziehung nach § 9 des Entwurfs betrachtet der BUND als einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, und er ist der Auffassung, daß dies nur auf eine Ausnahme beschränkt sein kann. Auch dies hält die Bundesregierung für überflüssig. Ähnliches gilt für die Vorschläge des BUND zu den §§ 10, 15 bis 17, 20, 52 usw. ({1}) - Das ist prima! Es wundert mich aber, daß Sie das so schnell verstehen. ({2}) Des weiteren spricht sich der BUND für die Einbeziehung der Naturschutzbehörden und der Verbände bei der Verbandsschau gemäß § 45 aus. Alle diese Vorschläge sind meines Erachtens wichtig und hätten diskutiert werden müssen. Dies war nicht möglich. Es ist von der Bundesregierung sowie von den Koalitionsparteien verhindert worden. Deshalb war dieser Gesetzentwurf für uns nicht verabschiedungsreif. Hinzu kommt verstärkend, daß auch das Votum der kommunalen Spitzenverbände fehlte. Wir haben nichts über Durchsetzbarkeit und über Kosten gehört. Ich lege als Kommunalpolitiker darauf besonderen Wert. Unter Würdigung dieser Argumente hätte dieser Gesetzentwurf zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich abgelehnt werden müssen. Aber das Argument der Rechtsunsicherheit und der sich daraus ergebenden immensen Schwierigkeiten bei der dringend notwendigen Bildung von Wasser- und Bodenverbänden in den fünf neuen Bundesländern war für uns so schwerwiegend, daß wir uns nur der Stimme enthalten. Wir wollen damit dokumentieren, daß wir die Verabschiedung zwar für notwendig halten, aber erhebliche Bedenken sowohl hinsichtlich des Verfahrens als auch teilweise hinsichtlich des Inhalts des Gesetzes haben. ({3}) - Der Inhalt war kaum mitberaten worden! Zum zweiten eine kurze Anmerkung über die Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. - Ich werde mich angesichts der Zeit - es ist gleich 23 Uhr - kurz fassen und nur ein paar Bemerkungen über die Einbeziehung der fünf neuen Bundesländer in die Förderung machen. Erstens. Nach unserer Auffassung ist die Entschuldung der landwirtschaftlichen Unternehmen dringend geboten, ({4}) insbesondere für Fehlinvestitionen, die auf Entscheidungen der SED und der anderen Blockparteien zurückgehen. Ohne eine solche Entschuldung ist die notwendige Entflechtung der Landwirtschaft fast unmöglich. Sollten dazu die Mittel der Treuhand nicht ausreichen, muß der Bund weitere Mittel zur Entschuldung bereithalten. Zweitens. Damit die neuen landwirtschaftlichen Betriebe überhaupt eine Chance haben und die notwendigen Komplementärmittel aufbringen können, muß ein Finanzierungskonzept für die Betroffenen schnellstmöglich erstellt werden, zumal uns allen bekannt ist, daß die Komplementärmittel nur über Fremdfinanzierung bereitgestellt werden können. Ich will auch noch auf folgendes hinweisen - damit kein falscher Eindruck entsteht - : Wir Sozialdemokraten sind für Gleichbehandlung sowohl der Einzelbauern als auch der Gruppenlandwirtschaft, als auch der Genossenschaften. In Zukunft muß jedoch darüber nachgedacht werden, meine Damen und Herren, ob nicht Förderobergrenzen eingeführt werden sollten. ({5}) - Nein, sie sind nur teilweise eingeführt, aber nicht, was den Bereich der Genossenschaften betrifft. Des weiteren muß nach meiner Auffassung überprüft werden, ob nicht durch gezielte Fördermaßnahmen die Dörfer wieder belebt werden können, das Dorf wieder in den Mittelpunkt gerückt werden kann. Da gibt es die Dorferneuerung. Die halte ich für sehr gut und für wichtig. ({6}) Der weitere Bereich ist der, die Größe der Genossenschaften der Größe der Dörfer anzugleichen, um so eine Identifizierung der Leute zu erreichen. Wo sie arbeiten und wo sie wohnen, das muß übereinstimmen. Das ist ein typisches Beispiel für den Ostblock, nämlich dafür, was versäumt wurde, was zerschlagen worden ist und was wiederhergestellt werden muß. Im Laufe der Beratungen werden wir darauf zurückkommen. Vielen Dank. ({7})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sauter ({0}).

Franz Sauter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001926, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben noch zwei Tagesordnungspunkte kurz zu beraten, einmal das Wasser- und Bodenverbandsgesetz und zum anderen das Thema: Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz" und den dazugehörenden Sonderrahmenplan. Ich will zum ersten Teil nicht mehr allzuviel anmerken. Die Notwendigkeit ist klar. Wir haben ein Gesetz, das noch Vorschriften aus dem Jahre 1937 enthält. ({0}) Demokratie hat es damals nicht gegeben. Deshalb war es zwingend geboten, eine Änderung vorzunehmen. Der andere Punkt ist der, daß die Aufgaben der Wasser- und Bodenverbände erweitert worden sind, daß wir, verehrte Frau Flinner, auch zusätzliche Aufgaben im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes wahrnehmen. ({1}) - Nein, das ist zwingend geboten. Das dritte ist - das halte ich für ganz wichtig -, daß wir die Möglichkeit eröffnen, im Gebiet der neuen Länder dieses Wasser- und Bodenverbandgesetz einzuführen und dort eine solide Rechtsgrundlage zu schaffen. Von daher ist diese Notwendigkeit gegeben. Das zweite: Das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" hat sich in fast 20 Jahren bewährt. Wir haben seit Bestehen dieses Gesetzes für den ländlichen Raum viele Milliarden DM - wenn ich es richtig weiß, fast 40 Milliarden DM - zur Verfügung gestellt. Ich denke, daß es die Aufgabe auf der nächsten Sitzung des Planungsausschusses sein wird, der zum erstenmal in neuer Zusammensetzung mit den Freunden aus den neuen Ländern zusammentreten wird, gemeinsam zu überlegen, wie wir dieses Gesetz auch auf die neuen Länder anwenden können. Die Aufgabenstellung des Gesetzes ist erweitert worden. Ich denke, daß wir in diesem Hohen Hause Einvernehmen darüber erzielen können, daß wir nicht nur einzelbetriebliche Förderung durchführen und die wichtige Ausgleichszulage verstärkt einsetzen, sondern daß wir dieses Gesetz auch anwenden, um mengenbegrenzende Maßnahmen durchzuführen. Ich füge hinzu: Die Bundesrepublik Deutschland ist das einzige Land, das diese Maßnahme bisher konsequent durchgeführt hat. Ich fordere von dieser Stelle aus noch einmal alle anderen EG-Partner auf, daß sie diesem Beispiel folgen und ein bißchen mehr Solidarität bei der Beseitigung der Überschüsse an den Tag legen, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Eine schwierige Aufgabe wird sein, von den Ländern, die neu hinzugekommen sind, die Komplementärmittel zu bekommen. Ich denke, daß wir hier einen vernünftigen Kompromiß finden müssen. Ich will daran erinnern, daß wir die klassischen Aufgaben, die bisher dem Gemeinschaftsaufgabengesetz zugewiesen waren, nämlich vor allen Dingen den ländlichen Raum zu stärken, gerade auch in den neuen Ländern, die hinzugekommen sind, wahrnehmen müssen, damit wir verhindern, daß eine Landflucht auch in der früheren DDR stattfindet. Junge Menschen müssen auf dem Land bleiben können; die Attraktivität des ländlichen Raumes muß gestärkt werden. Ich denke, daß dieses eine gemeinsame wichtige Aufgabe ist. Herr Präsident, weil heute abend viele Abschiedsreden gehalten worden sind und da auch ich dem nächsten Parlament nicht mehr angehören werde, möchte ich die Gelegenheit nutzen, dem künftigen Bundestag alles Gute zu wünschen. ({2}) Wir haben schwierige agrarpolitische Aufgaben zu bewältigen. Dafür bedarf es vieler Gemeinsamkeiten. Ich will stellvertretend für alle den Ausschußvorsitzenden Rudi Müller erwähnen, der - ({3}) - Der hört gar nicht zu. Ich will, stellvertretend für alle Kolleginnen und Kollegen, Sie, verehrter Herr Vorsitzender des Ausschusses, erwähnen und Ihnen herzlichen Dank für die loyale und konstruktive Zusammenarbeit sagen, die ich auch dem künftigen Parlament wünsche. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Auch Ihnen, Herr Abgeordneter Sauter für Ihre Mitwirkung im Deutschen Bundestag, für Ihren Fleiß und Ihre Gewissenhaftigkeit herzlichen Dank. Sie haben dem kommenden Parlament alles Gute gewünscht. Ich darf Ihnen persönlich zum Abschied der laufenden Legislaturpe18656 Vizepräsident Stücklen riode alles Gute und Gesundheit wünschen, und immer: Kopf hoch! ({0}) Das Wort hat Frau Abgeordnete Flinner.

Dora Flinner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000562, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das neue Wasserverbandsgesetz, das in dieser Woche im Schnellverfahren verabschiedet wird, kann nur als unausgereift bezeichnet werden. Auch wenn die Notwendigkeit besteht, in den neuen Bundesländern möglichst bald für rechtliche Grundlagen zu sorgen, darf diese Eile nicht zu derartig unausgereiften Ergebnissen führen. ({0}) Die Beratungen im Landwirtschaftsausschuß ließen viele Fragen offen. Unter dem Druck der Eile konnte die Behandlung nur oberflächlich bleiben. Es ist doch sehr verwunderlich: Als die GRÜNEN in der letzten Legislaturperiode die Vorlage eines Gesetzentwurfes über Wasser- und Bodenverbände beantragt hatten, war keine Eile geboten. Jetzt aber wird durch die zügige Behandlung eine Beteiligung der neuen Bundesländern bei der Entscheidung praktisch verhindert. In der Wahrung und Erweiterung demokratischer Rechte hat das neue Wasserverbandsgesetz gegenüber der alten Rechtsgrundlage keine Verbesserung gebracht. Nach wie vor ist es möglich, Wasser- und Bodenverbände, die in Selbstverwaltung öffentliche Aufgaben übernehmen können, von Amts wegen zu gründen oder Bürgerinnen und Bürger gegen ihren Willen zur Mitgliedschaft heranzuziehen, ohne den Betroffenen ausreichende Widerspruchsrechte einzuräumen. Auch zukünftig sollen nach dem Gesetz Wasser- und Bodenverbände nicht in hinreichender Weise auf die Ziele des Landschafts- und Naturschutzes verpflichtet sein; denn weder den Naturschutzbehörden noch den anerkannten Naturschutzverbänden wird Einfluß eingeräumt. Die GRÜNEN hatten im Landwirtschaftsausschuß beantragt, den Mängeln des Gesetzes mit Änderungsvorschlägen entgegenzuwirken. Dieser Versuch wurde mit Billigung der SPD abgeblockt. Was mich sehr enttäuscht - damit spreche ich Sie, Herr Sauter als Berichterstatter, an - , ist die Tatsache, daß in der Bundestagsdrucksache der Beitrag der GRÜNEN überhaupt nicht gewürdigt, ja nicht einmal erwähnt ist. In dem Bericht über die Ausschußberatung wird noch nicht einmal erwähnt, daß von den GRÜNEN maßgebliche Gesetzesänderungen beantragt wurden. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, zum wievielten Male wir heute über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" reden. Wer meint, mit der häufigen Behandlung würde die Sache besser, der irrt allerdings. Konzepte, die falsch sind, werden doch um nichts besser, auch wenn sie noch so oft besprochen, gedruckt oder geplant werden. Die agrarpolitischen Zielsetzungen sind gleich geblieben. Die sogenannten Verbesserungen der Produktions- und Arbeitsbedingungen haben zu den Agrarfabriken und zu den Belastungen von Boden, Wasser und Nahrungsmitteln geführt. Unverändert ist die Entwicklung zu beobachten, daß die Flächenstillegung zwar durchgeführt wird - Deutschland führt dabei in Europa -, ({1}) daß sie ihre Ziele aber weit verfehlt; denn obwohl bei uns mehr als 51)/0 der Anbaufläche stillgelegt ist, gibt es einen Mehrertrag beim Getreide von etwa 1 % - und das trotz des ungünstigen Wetters in diesem Jahr. Das sollte sehr zu denken geben, meine Herren von der CDU. Daß die Flächenstillegung keine Vorteile für den Naturschutz bringt, sondern sogar ökologisch bedenklich und insgesamt schädlich ist, wissen wir schon lange. Auch daran hat sich leider nichts geändert. Meine Damen und Herren, ganz schlimm finde ich es, daß die Landwirte in immer stärkerem Maße aus der Landwirtschaft herausgedrängt werden. Wenn hier die Umschulung der Landwirte auf eine außerlandwirtschaftliche Erwerbstätigkeit vorangetrieben wird, so bedeutet das, daß die Regierung darauf aus ist, die Zahl der Bäuerinnen und Bauern weiter drastisch zu verringern. ({2}) Das müssen Sie den Menschen auf dem Lande, den Menschen im ländlichen Raum aber auch laut und deutlich und ehrlich sagen. Aber das kann doch nicht Ziel und Zweck der Landwirtschaftspolitik sein! Wenn es auf Ihren Informationsblättern heißt „Politik für unsere Bauern", dann erwarte ich etwas anderes als nur Programme zum Ausstieg aus der Landwirtschaft. ({3}) Andernfalls wäre das so, als förderte etwa der Bundesbildungsminister den Ausstieg aus der Bildung. Nein, meine Damen und Herren, wir brauchen eine andere Agrarpolitik und eine andere Gemeinschaftsaufgabe, und zwar für eine bäuerlich-ökologische Landwirtschaft, für eine Politik, die den Bäuerinnen und Bauern und dem ländlichen Raum wirkliche Chancen zur Entwicklung und zum Überleben gibt. Ich danke schön. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.*) *) Zu Protokoll gegebene Reden siehe Anlage 7 Vizepräsident Stücklen Wir kommen zur Einzelberatung und zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Wasserverbandsgesetzes. Ich rufe auf die §§ 1 bis 82, Einleitung und Überschrift, in der Ausschußfassung. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen! - Mit Mehrheit sind die §§ 1 bis 82 angenommen worden. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen! - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung mit Mehrheit angenommen worden. Wir kommen zum Bericht der Bundesregierung über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" auf Drucksache 11/7977. Interfraktionell ist vorgeschlagen, den Bericht an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 9 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beteiligung der Soldaten und der Zivildienstleistenden ({0}) - Drucksachen 11/7323, 11/7550 Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses ({1}) - Drucksache 11/8336 Berichterstatter: Abgeordnete Ganz ({2}) Steiner ({3}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die von den Fraktionen vorgesehenen Redner wollen ihre Ausführungen zu Protokoll geben. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen. *) Eine Reihe von Abgeordneten haben eine Erklärung zu § 31 unserer Geschäftsordnung abgegeben. Auch diese sind im Protokoll nachzulesen.* *) Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Beteiligungsgesetzes. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen sind die aufgerufenen Vorschriften in zweiter Lesung angenommen. Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen. Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß dieser unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 31. Oktober 1990, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.