Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Befragung der Bundesregierung
Das Thema der Kabinettsitzung, das der Chef des Bundeskanzleramtes mitgeteilt hat, ist den Fraktionen bekannt. Ich nenne es hier noch einmal: Privatisierung von Bundesbeteiligungen im Zeitraum von 1983 bis 1990.
Der Herr Bundesminister der Finanzen wird den Bericht geben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte ganz gern heute über das endgültige Ergebnis der Verhandlungen mit Moskau berichtet - Herr Präsident, wenn ich das kurz erwähnen darf - , aber das war nicht möglich, weil in einigen Details eine endgültige Regelung bis zum Mittag nicht erfolgen konnte und weil, wie ich glaube, eine Unterrichtung erst dann stattfinden kann, wenn endgültig alle Artikel geklärt sind. Ich wollte das den Kolleginnen und Kollegen nur zur Information mitteilen.
Ich freue mich über das große Interesse vor allem der SPD-Kollegen an der Privatisierungspolitik der Bundesregierung.
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Wir sind bei der Privatisierung weit über das eigentlich gesetzte Ziel hinaus erfolgreich gewesen. Seit 1983 wurde die Privatisierungspolitik ganz systematisch vorangetrieben und kann nun auch weitgehend erfolgreich abgeschlossen werden.
Einer der Wege hierzu ist die Reorganisation der Verlustkonzerne gewesen, die zunächst in einen guten Zustand versetzt wurden und dann verkauft werden konnten. Das gilt z. B. für die Salzgitter AG.
Der Beteiligungsbereich ist diversifiziert worden, und Beteiligungen sind veräußert worden. Aus einigen Unternehmen haben wir uns voll und ganz zurückgezogen. Das gilt für Veba, VW, Viag, für die Salzgitter AG und für die Deutsche Industrieanlagen GmbH.
Dann hat es weiter Teilprivatisierungen gegeben. Beispielsweise wurde bei der Industrieverwaltungsgesellschaft die Bundesbeteiligung auf 55 % des Grundkapitals verringert, bei der Treuarbeit AG auf 25,5 %, bei der Deutschen Lufthansa auf 51,62 % und bei der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank auf 51 %. Auch im Bereich der Deutschen Bundesbahn gab es eine Verringerung der Beteiligungen, so bei der Deutschen Verkehrskreditbank AG auf 75,1 % des Kapitals und bei der Schenker & Co. GmbH auf 77,5 % des Kapitals.
Die Privatisierung hat sich entgegen vielen Voraussagen auf die Unternehmen und ihre Beschäftigten deutlich vorteilhaft ausgewirkt. Es existieren heute sichere und auch in der Zukunft als sicher auszuweisende Arbeitsplätze. Auch für die Investoren haben sich die Aktien als interessante Anlage erwiesen. Erfreulich ist vor allen Dingen auch die rege Annahme der angebotenen Belegschaftsaktien und die damit verbundene Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand.
An Privatisierungserlösen sind dem Bundeshaushalt seit 1984 rund 9,4 Milliarden DM zugeflossen; das hat die Nettokreditaufnahme natürlich verringert. Die Sondervermögen Deutsche Bundesbahn, KfW und ERP konnten rund 0,5 Milliarden DM erzielen.
Von der ursprünglichen Linie der Erlösverwendung zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme sind wir beim Verkauf des Salzgitter-Konzerns abgewichen. Ich meine, es war eine richtige und gute Lösung, diese 2,5 Milliarden DM in die Deutsche Bundesstiftung Umwelt einzubringen, die sich diesem großen Thema dauerhaft widmet und durch die insbesondere - davon bin ich überzeugt - in den ersten Jahren auch gemeinsame deutsche Projekte, auch Projekte für die Verbesserung von Forschung und ähnlichem mehr in der DDR, finanziert oder angestoßen werden können.
Wir werden die erfolgreiche Privatisierungspolitik fortsetzen. Wir haben unsere Schulaufgaben gemacht, und ich glaube, die Erfolge, die wir hier gehabt haben, befähigen uns auch, die Herausforderung anzunehmen, die auf uns zukommt, nicht zuletzt mit der Tätigkeit der Treuhandanstalt und der Rechts- und Sachaufsicht, die das Finanzministerium hier gemeinsam mit den anderen Ministerien hat. Wir sind auch
das mit Energie angegangen. Vor allen Dingen haben wir qualifizierte Männer - Herrn Dr. Rohwedder und Herrn Dr. Odewald - dorthin geschickt. Ich glaube, die bisherige Konzeption bietet die Gewähr dafür, daß dieses wohl schwierigste Problem, vor dem wir uns sehen, in den nächsten Monaten und Jahren erfolgreich angepackt werden kann.
Danke schön, Herr Minister. - Ich habe drei Wortmeldungen vorliegen. Zunächst Herr von Waldburg-Zeil mit einer Frage.
Herr Bundesminister, ich wollte gerne fragen - aber wahrscheinlich müßte das Ihr Kollege vom Verkehrsministerium beantworten - , inwieweit die Privatisierungsbemühungen etwa auch im Bereich der Autobahnraststätten weiter gediehen sind. Meine Frage hat einen ganz konkreten Hintergrund: In meinem Wahlkreis wehren sich einige Gemeinden heftig gegen die Errichtung von Tank- und Rastanlagen, während auf der anderen Seite ein privates Unternehmen eine solche Möglichkeit anbieten würde. Nun gibt es Schwierigkeiten bei der Klärung der Frage, ob das als Ersatz für die ursprünglich gedachten Anlagen gestaltet werden könnte. Ich hielte das für eine gute Sache und wäre dankbar, wenn das Privatisierungskonzept auch in diesem Bereich griffe.
Ich bin darüber unterrichtet - ich bin allerdings nicht federführend; ich bitte um Verständnis - , daß das Verkehrsministerium hier auf dem Weg ist und daß auch für 1990 noch weitere Schritte vorgesehen sind,
Ist der Verkehrsminister vertreten? - Nein. Dann können wir jetzt keine Antwort bekommen.
Herr Lüder wollte eine weitere Frage stellen. Bitte.
Herr Bundesminister, Sie haben meines Erachtens zu Recht darauf hingewiesen, daß uns die Erfahrungen mit der Privatisierung legitimieren, auch die Zukunftsaufgaben in der heutigen DDR anzupacken. Ich will Sie jetzt nicht danach fragen - das habe ich schriftlich getan - , wie Sie das bewerten, was die Gewerkschaften vor zwei Stunden in Ost-Berlin an Kritik an der Treuhand geäußert haben, sondern die Frage muß - wenn ich das richtig sehe und meine Information zutreffend ist - lauten: Haben die Belegschaften nicht darunter gelitten, daß die Betriebe privatisiert worden sind? Und wäre dies dann auch der Maßstab, daß wir uns nicht nur darum bemühen, in den Ländern gemäß Art. 3 des Einigungsvertrages, also in der heutigen DDR, zu privatisieren, sondern auch darum, die Arbeitsplätze dort möglichst sicher zu halten, soweit das im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren ohne Subventionen geht?
Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, daß nur ein auf Dauer wettbewerbsfähiger Arbeitsplatz auch ein sicherer Arbeitsplatz ist und daß man mit Subventionen auf die Dauer Arbeitsplätze nicht hält, sondern gefährdet. Die Privatisierung hat sehr deutlich gezeigt:
Der Bund ist seiner Aufgabe nachgekommen. Er hat am Anfang sehr viel Geld in die Sanierung der Betriebe gesteckt; aber dann waren es Betriebe mit sicheren Arbeitsplätzen.
Ich meine, dieses Konzept muß auch für den Bereich der DDR gelten, wobei natürlich die Frage, welche Mittel für Sanierung aufgewendet werden können, genau geprüft werden muß. Das wird eine Hauptaufgabe der Treuhandanstalt sein. Hier geht es natürlich vor allen Dingen auch darum, wie die Treuhandanstalt strukturiert wird, wie ihre grundsätzliche Linie aussieht. Ich meine, das, was Herr Rohwedder und Herr Odewald in den letzten Tagen vorgelegt haben, überzeugt und ist der richtige Weg.
Sie wollen noch eine Zusatzfrage stellen? - Bitte schön, Herr Lüder.
Da es mir als Berliner auch um die Arbeitsplätze geht - im Rahmen der Wettbewerbsfähigkeit, und da gibt es ja auch Modelle - , ist die Frage: Wann werden nach Ihrer Kenntnis im Verwaltungsrat der Treuhandanstalt die Arbeitnehmerplätze besetzt?
Es gibt dazu Überlegungen. Wir können als Gesetzgeber und von der Politik her einen gewissen Einfluß auf den Verwaltungsrat nehmen, aber nicht auf den Vorstand. Ich meine, es ist Aufgabe des Verwaltungsrates, über den Vorstand zu befinden. Hier sollte nicht die Politik hineinregieren.
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- Ich bin darüber unterrichtet, daß es hier Vorstellungen gibt. Aber ich glaube, daß es nicht meine Aufgabe ist, das heute zu personalisieren.
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- Es wird jedenfalls rechtzeitig erfolgen.
Ich müßte den Minister jetzt dadurch retten, daß ich Ihnen, Herr Kollege Lüder, sage: Sie haben keine Zusatzfrage mehr.
Ich habe heute im Kabinett mit dem Arbeitsminister darüber gesprochen!
Herr Dr. Struck stellt die nächste Frage.
Herr Minister Waigel, vorausschickend, daß Sie mit mir sicherlich der Meinung sind, daß die Stärke der Opposition nicht von der Quantität, sondern von der Qualität der hier anwesenden Abgeordneten abhängt, möchte ich Sie fragen: Wann werden die Mittel aus dem Erlös des Verkaufes des Salzgitter-Konzerns an die Firma Preussag, die an die Deutsche Bundesstiftung Umwelt gehen sollen und in diesem Haushaltsjahr, wie Sie sagen, etwa 2,5 Milliarden DM betragen, eigentlich abgerufen? Rechnen Sie damit, daß es noch im Laufe des Jahres
1990 zu ersten Maßnahmen dieser neuen Stiftung kommt?
Daran anschließend die Frage: Haben sich eigentlich die zuständigen Gremien dieser Stiftung schon konstituiert?
Was Ihre Vorbemerkung anbelangt, möchte ich ausdrücklich bestätigen, daß mir die Repräsentanz des Kollegen Becker und des Kollegen Struck absolut ausreicht und mir lieber ist, als wenn noch mehrere dazukämen.
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Aber um die Frage ganz konkret zu beantworten: Wir sind im Augenblick dabei, alle Benennungen durchzuführen. Ich hoffe, daß das in Kürze erfolgen kann, so daß dann die Konstituierung stattfinden kann. Ich gehe davon aus, daß noch im Jahre 1990 die Möglichkeit besteht, Mittel zu verwenden. Ich glaube also, daß in den nächsten Wochen die endgültige Konstituierung aller Organe und damit natürlich auch die Besetzung durch qualifizierte Personen durchgeführt werden kann.
Sie wollen nachfragen? - Bitte schön, Herr Struck.
Herr Minister, wenngleich es nicht Ihre unmittelbare Zuständigkeit betrifft, möchte ich Sie fragen, ob Sie sich vorstellen können, daß mit den Mitteln dieser Deutschen Bundesstiftung Umwelt Maßnahmen z. B. für den Nationalpark Harz oder für den neuen Nationalpark Elbtalauen, also für die ehemaligen Grenzgebiete zur DDR, besonders gefördert werden könnten.
Eine Förderung kann grundsätzlich auch im Bereich der heutigen DDR geschehen, Herr Kollege. Wir haben dies bereits, bevor die deutsche Einheit aktuell war, in den Satzungszweck mit eingefügt, so daß dies jederzeit möglich ist.
Was allerdings mit dem Stiftungserlös und dem Stiftungskapital nicht erfolgen soll, ist die Finanzierung der Dinge, die ohnehin in Normalprogrammen des Bundes oder der Länder enthalten sind. Es soll also keine Komplementärfinanzierung sein, sondern eine ganz spezifische Anstoßfinanzierung vor allem für Dinge mit innovativem Charakter, die in den Normalhaushalten oder den Normalprogrammen nicht ohne weiteres abgewickelt werden können. Ausgeschlossen sind die von Ihnen genannten Projekte aber nicht.
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Herr Abgeordneter Wüppesahl hat sich als nächster zu diesem Thema gemeldet.
Herr Finanzminister, zu Beginn der Arbeit der Treuhand hatten Sie eine ähnliche Zuversicht ausgestrahlt, wie Sie es heute machen. Damals konnten Sie noch nicht formulieren, daß Sie diese Zuversicht aufgrund der positiven Ergebnisse der zurückliegenden Zeit ausstrahlen.
Weshalb Sie heute eine solche Zuversicht aufgrund der gemachten Erfahrungen ausstrahlen, ist mir unklar, und zwar nicht nur deshalb, weil an der Spitze der Treuhandanstalt ein gravierender Wechsel erfolgt ist, sondern vor allen Dingen deswegen, weil die augenblickliche Arbeit der Treuhand einen regelrechten Crash in der DDR-Wirtschaft hervorgerufen hat.
Daraus resultiert die Frage: Was veranlaßt Sie dazu, noch heute mit dieser Absolutheit auf die Privatisierung in einem so kurzen Zeitrahmen, wie ihn sich die Treuhand vorgenommen hat - natürlich hat sich ihn so auch die Bundesregierung vorgenommen - , zu setzen, obwohl Sie zur Zeit diesen Crash erleben und wir noch lange nicht am Tiefpunkt angekommen sind und obwohl die Experten zu Beginn dieser dynamischen Entwicklung, die wir alle im Grundsatz begrüßt haben, gesagt haben „Gucken Sie sich die Wirtschaft in Ruhe an; analysieren Sie, was sofort geändert werden kann und was Substanz hat; geben Sie Übergangszeiten, die sowohl für die DDR als auch für die Bundesrepublik verträglich sind"?
Noch eine Frage, weil das dann erledigt ist, Herr Präsident: Ist heute in der Kabinettsitzung über das Problem der Stasi-Akten gesprochen worden? Gab es dazu irgendwelche Beschlüsse?
Ich glaube, Herr Minister, das zweite Thema beschäftigt uns in dieser Woche zweimal unter unterschiedlichen Aspekten, so daß ich dazu Fragen von mir aus nicht zulassen sollte.
Herr Kollege Wüppesahl, ich gehe davon aus, daß Sie die Frage zum Zustand der Wirtschaft in der DDR in erster Linie an die dafür Verantwortlichen richten wollen. Nun haben Sie ja, wenn ich richtig informiert bin, politische Beziehungen zur PDS anzuknüpfen versucht. Insofern sollten Sie, glaube ich, alles daransetzen, denen, also Ihren künftigen Freunden, die mehr als 15 000 Tage Kommunismus praktiziert haben und den Zustand der Volkswirtschaft in der DDR damit herbeigeführt haben, die Verantwortung anzulasten, und Sie sollten weniger Mühe darauf verwenden, 50 Tage Soziale Marktwirtschaft für diese Probleme in Anspruch zu nehmen.
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In der Tat steht die Treuhandanstalt vor großen Problemen; das ist nie verschwiegen worden. 8 000 Betriebe in AGs und GmbHs umzuwandeln, 8 000 Eröffnungsbilanzen vorbereiten zu müssen, ein neues Steuersystem bei 8 000 Unternehmen einzuführen, den Liquiditätsbedarf im Juli bei Tausenden von Unternehmen mit Hilfe einer Liquiditätsumfrage zu sichern, das alles ist eine große Herausforderung.
Ich vertraue den Worten von Herrn Rohwedder und Herrn Odewald, völlig unabhängigen Persönlichkeiten, die die Schwierigkeiten nicht verschweigen, aber auch die Hoffnungen dargestellt haben, die bestehen, und die auch eine sehr differenzierte Darstellung der Situation sowie der Motivation, die es gibt, gegeben haben. Wir haben über die Liquidität, über das notwendige Kapital und sonstige Hilfen bisher das Mögliche getan. Wir werden das auch künftig tun.
Eines ist ganz sicher: daß die Betriebe künftig nicht so bestehen können wie jetzt, denn sonst wären sie auf dem europäischen und auf dem Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig. Je schneller es gelingt, sie an eine leistungsfähige Wettbewerbswirtschaft heranzuführen, desto besser ist es für die Menschen. Die Beschäftigten in der DDR stehen und standen vor folgender Alternative: entweder ein Chaos ohne Perspektive oder gewaltige Anpassungsprozesse mit Perspektive. Ich glaube, die Menschen sehen das auch so, und wir helfen ihnen in diesem schwierigen Übergang nach Kräften.
Darf ich eine Zusatzfrage stellen?
Ja, bitte schön, das habe ich allen erlaubt.
Wenn ich Sie recht verstanden habe, basiert Ihre Hoffnung, daß es zukünftig bessere Ergebnisse zu berichten gibt, auf der Lauterkeit, Seriosität und Unabhängigkeit der Herren Roh-wedder und Odewald. Das ist, so finde ich - ohne irgendeinen Abstrich an diesen Personen zum Ausdruck bringen zu wollen -, für das, worüber wir uns unterhalten, ein bißchen wenig. Sie haben das eben skizziert: 8 000 Betriebe, 8 000 Eröffnungsbilanzen. Hinzu kommt die Tatsache, daß wir jetzt schon 2 Millionen arbeitslose Menschen in der DDR haben. Könnten Sie vielleicht noch einige konkretere Angaben dazu machen, weshalb Sie - das war der zweite Kernbereich meiner Frage - diese Geschwindigkeit bei der von vielen zum großen Teil als notwendig erachteten Umstellung noch heute beibehalten wollen und nicht mehr Zeit für Übergangsmöglichkeiten einzuräumen bereit sind?
Ich möchte doch noch einfließen lassen, daß die Zusammenarbeit mit den PDS-Kollegen, die in Kürze in den Deutschen Bundestag einziehen, eigentlich recht gedeihlich ist und daß Sie dann sicherlich noch ganz andere Fragen gestellt bekommen.
Wenn die Polemik von einer Seite kommt, muß ich sie auch von der anderen Seite zulassen.
Ich bin Ihnen für die letzte Bemerkung sehr dankbar, weil sie uns von vornherein ermöglicht, auch auf diese Fragen politisch entsprechend einzugehen.
Es besteht heute Klarheit unter allen Beteiligten und Fachleuten, daß eine längere Übergangszeit noch viel teurer käme, weil die volkswirtschaftlichen Verluste noch viel länger fortgeführt würden. Wir haben zwischenzeitlich in fast allen Bereichen die Erkenntnis gewonnen: Je schneller die Einheit stattfindet, je schneller klare Kompetenzen gegeben sind, desto günstiger, billiger und effizienter wird es sein, denn es bestand auf der anderen Seite viel an Überforderung.
Meine Zuversicht oder mein differenzierter Optimismus knüpft sich nicht nur an zwei Personen, sondern auch an die Ergebnisse zweier Beratungsgesellschaften. Wir haben McKinsey und Berger eingeschaltet, und auf Grund von deren Gutachten ist die
Konzeption für die Treuhandanstalt erstellt worden. Wir bringen hier auch unsere eigenen Erfahrungen ein. Wir haben auch an Geldmitteln so viel wie möglich zur Verfügung gestellt, um Betriebsprüfer hinzuzuziehen, damit die DM-Eröffnungsbilanz rechtzeitig erstellt werden kann. Wir haben gerade in der letzten Woche auch noch mit den maßgeblichen Repräsentanten der deutschen Banken vereinbart, daß sie in einer beachtlichen Anzahl Topmanager aus ihrem Bereich zur Verfügung stellen, um in dieser schwierigen Phase drüben in der Treuhandanstalt unternehmerisch beratend tätig zu werden. Das ist das Menschenmögliche, was aus der Situation heraus von uns im Augenblick getan werden kann und getan wurde.
Herr Abgeordneter Becker ({0}).
Herr Minister, indem ich mich zunächst für die Freundlichkeiten, die mir hier heute erwiesen worden sind, bedanke, möchte ich Sie fragen, ob Sie vielleicht noch eine Freundlichkeit hinzufügen können, indem die Frage geprüft wird, ob die Deutsche Bundesstifung Umwelt möglicherweise helfen kann, ein Projekt zu fördern, das an der zukünftigen deutsch-polnischen Grenze liegt, und zwar in Muskau an der sächsisch-polnischen Grenze. Der dortige Park ist berühmt und bekannt, und da stellt sich die Frage, ob nicht hier ein Gemeinschaftsprojekt zwischen Deutschen und Polen entstehen kann, bei dem natürlich - wie immer - finanzielle Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen, daß das, was sich verschiedene Beteiligte auf beiden Seiten vorstellen, realisiert werden kann. Würden Sie die Prüfung dieser Frage freundlicherweise vielleicht in die Wege leiten?
Das will ich natürlich gerne tun, Herr Kollege Becker. Aber ich bitte um Verständnis dafür, daß bei der Begrenztheit der Mittel - wenn ich eine Rendite oder eine Möglichkeit des Erlöses von etwa 150 bis 200 Millionen DM pro Jahr vorsichtig einkalkuliere - natürlich auch die Zahl der Projekte begrenzt ist und daß wir jetzt nicht in einen Wettlauf von vielen Dingen kommen dürfen, die möglicherweise in andere Programme hineingehören. Ich muß das auch mit dem Vorbehalt versehen, daß natürlich die Organe der Stiftung darüber befinden und nicht ein Hineinregieren des Bundesfinanzministers erfolgen kann. Aber ich bin gern bereit, das aufzugreifen und den Organen der Stiftung dieses Anliegen mitzuteilen.
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Jetzt hat der Abgeordnete Rossmanith eine Frage.
Herr Bundesminister, die soeben vom Kollegen Wüppesahl angesprochene schwierige wirtschaftliche Situation in dem Gebiet der fünf neuen Länder ist sicherlich auch dadurch geprägt, daß die Investitionen nicht in dem Rahmen fließen, wie es erforderlich wäre, was wiederum daran liegt, daß die Grundstücksfragen noch nicht in dem Sinne geklärt werden konnten, wie dies für Investitionen erforderlich wäre.
Deutscher Bundestag - 11 Wahlperiode Rossmanith
Jetzt wird durch die Einigung am 3. Oktober eine Reihe von Liegenschaften auch in Bundesbesitz übergehen. Ich hätte an Sie die Frage, ob hier schon Kenntnis bzw. eine Inventarisierung dieser Liegenschaften und dieser Vermögen vorhanden ist und ob schon Vorkehrungen getroffen wurden, diese dann möglichst bald zu privatisieren, d. h. für wirtschaftliche Investitionen und wirtschaftliche Interessenten zur Verfügung zu stellen.
Herr Kollege Rossmanith, ich hoffe, daß wir mit den entsprechenden Regelungen im Einigungsvertrag, was die Investitionen anbelangt, nun doch die Rechtssicherheit erreicht haben, die keine Investitionen mehr verhindert. Es ist uns auch in dem Gespräch mit Banken und anderen gelungen, das deutlich zu machen. Diese neue Regelung ist nämlich mancherorts noch gar nicht bekannt und wird noch nicht realisiert. Es hat keinen Sinn, im alten Jammern oder Kritisieren, das man sich monatelang angewöhnt hat, fortzufahren, obwohl sich die rechtlichen Voraussetzungen in den nächsten Tagen nach Ratifizierung des Vertrages auf jeden Fall ändern werden.
Sehr schwer ist die Frage der Kataster und der genauen Festlegung von Grundstücken. Man muß wissen, daß dies drüben in der Vergangenheit nicht in der erforderlichen Weise fortgeführt wurde. Wir haben sehr viele Mitarbeiter aus dem Bereich des Bundesjustizministeriums - ich glaube, es sind etwa 100 - hinübergeschickt, um den Fragen der Grundbücher nachzugehen und das so voranzubringen - was 100 Leute überhaupt noch nicht vermögen - , daß daraus rechtsfähige Grundlagen entstehen, auf denen man das feststellen kann, was bei uns durch Kataster und Grundbucheintragungen selbstverständlich ist.
Wir sind also auf dem Wege. Aber das gehört zu den ganz schwierigen Aufgaben, wo manches nicht sofort festgestellt werden kann und wo noch viel Arbeit notwendig sein wird, um endgültige Rechtssicherheit zu erreichen. Nur, es gibt einen Vertrauensschutz der Erwerber und der Investoren, der genügt, um die Investitionen durchzuführen.
Nur eine Erläuterung: Ich dachte natürlich z. B. an die NVA, an Truppenübungsplätze und ähnliches. Ich bin der Meinung, da müßte eine Feststellung des Grundeigentümers leichter getroffen werden können.
In diesem Zusammenhang gibt es natürlich schwierige Fragen - gerade wenn ich an die Verhandlungen mit der Sowjetunion denke - , wo zunächst einmal alle Aktiva und Passiva, auch die Belastungen, einander gegenübergestellt werden müssen; denn das bleibt nicht ohne Auswirkungen auch auf mögliche Kosten und Folgelasten, die dann auf den Bund zukämen.
Das war offensichtlich alles, was von der Regierung zu diesem Thema zu berichten war und was dazu zu fragen war.
Gibt es Fragen zu anderen Themen? - Herr Becker, Bitte schön.
Meine Frage bezieht sich auf die Klage der acht Kollegen aus der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion beim Bundesverfassungsgericht: Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um außenpolitischen Schaden abzuwenden?
Welcher der Herren ist bereit, darauf eine Antwort zu geben? - Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Jahn.
Herr Kollege Becker, die Bundesregierung hat den Tatbestand, den Sie beschreiben, zur Kenntnis genommen. Wir sind über diesen Vorgang selbstverständlich nicht erfreut. Ich glaube, wir gemeinsam vertrauen darauf, daß das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung treffen wird, die wir aus unserem politischen Verständnis heraus für richtig halten.
Herr Becker, eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Ich möchte fragen: Halten Sie es nicht für erforderlich, daß die Bundesregierung insbesondere gegenüber Polen - aber nicht nur gegenüber Polen - noch einmal klarmacht, wie unsere Haltung dazu ist?
Die Bundesregierung hat es nie daran fehlen lassen, gerade gegenüber unseren polnischen Freunden zum Ausdruck zu bringen, daß wir das, was wir gemeinsam im Bundestag beschlossen haben, nämlich die Anerkennung der von Ihnen angesprochenen Grenze, nicht nur juristisch sehen, sondern daß wir auch vom Geiste dieser vertraglichen Bestimmungen, vom Geiste dessen, was wir hier beschlossen haben, weiterhin ausgehen können. Das wissen auch unsere polnischen Freunde.
Herr Wüppesahl hat eine Frage. Nachdem wir festgestellt haben, daß sie nicht in den Bereich der beiden Aktuellen Stunden oder anderer Themen der Tagesordnung fällt, kann er sie auch stellen.
Ich würde gerne wissen, ob im Kabinett über das Problem der Stasi-Akten gesprochen worden ist. Vieles spricht dafür, weil gestern Herr Schäuble in Berlin war und weil auch heute in Bonn Verhandlungen darüber stattgefunden haben; die Zeit drängt ja. Wenn darüber gesprochen wurde, möchte ich wissen, zu welchem Ergebnis Sie gekommen sind. Denn das Gesetz der Volkskammer hat nach wie vor Gesetzeskraft und schreibt eindeutige Verfahrensweisen vor, auch wenn sie aus der Sicht des Datenschutzes an einigen Stellen mit Sicherheit problematisch sind und Veränderungen auch wünschenswert sind. Zugleich sind im Innenausschuß des Deutschen Bundestages seitens des Staatssekretärs Neusel sehr deutliche Ausführungen darüber gemacht worden, was aus der Sicht der Bundesregierung essentiell als Zugriffsmöglichkeit für unsere Dienste auf die Stasi-Akten auf jeden Fall gewährleistet sein muß. Dieser Widerspruch ist bis heute nicht gelöst. Ich kann mir vorstellen, daß darüber heute gesprochen wurde.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger aus dem Innenministerium, bitte schön.
Herr Abgeordneter Wüppesahl, nach meiner Information ist das Kabinett nur dahin gehend in Kenntnis gesetzt worden, daß man in diesem Zusammenhang wegen einer Lösung auch mit den Vertretern in Ost-Berlin verhandelt und daß man hofft, noch im Laufe dieser Woche zu Ergebnissen zu kommen. Der Sachstand ist zu dem, was Staatssekretär Neusel nach Ihrer Darlegung im Innenausschuß gesagt hat, unverändert.
Herr Lüder, Sie möchten dazu eine Frage stellen? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, das Haus darüber zu informieren, daß Herr Staatssekretär Kroppenstedt in Anwesenheit des Kollegen Wüppesahl heute im Innenausschuß zugesagt hat, daß ein Briefwechsel, der zu Interpretationen kommen wird, vor Unterzeichnung dem Innenausschuß vorgelegt wird, so daß wir dort die Angelegenheit parlamentarisch beraten können?
Herr Spranger, bitte.
Ich habe keinen Anlaß, Ihre Information in Zweifel zu ziehen. Nur, Staatssekretär Neusel stünde dann nicht zur Verfügung, weil er heute in Ost-Berlin ist.
Gibt es weitere Fragen im Rahmen der Regierungsbefragung? - Bitte schön, noch einmal Herr Becker.
Ich möchte die Bundesregierung fragen, ob es, nachdem begrüßenswerter-weise Tiefflüge in Zukunft nur noch oberhalb von 300 m stattfinden sollen, auch Initiativen gibt, die militärischen Tiefflugübungen über dem Bundesgebiet ganz einzustellen.
Frau Parlamentarische Staatssekretärin Hürland aus dem Verteidigungsministerium, bitte schön.
Herr Kollege Bekker, militärische Übungen werden auch in Zukunft notwendig sein. Es ist ebenso notwendig, daß die Bundeswehr in Übung bleibt. Wenn Sie diese Übungen abschaffen wollen, müssen Sie eine andere politische Entscheidung herbeiführen, die zur Zeit nicht ansteht.
Wollen Sie nachfragen? - Bitte schön.
Dann möchte ich aber doch einmal fragen, ob es in Anbetracht der Entwicklung der politischen Lage in Mitteleuropa nun wirklich notwendig ist, über dicht besiedelten Gebieten in Mitteleuropa noch Tiefflugübungen dieser Art abzuhalten, oder ob man sie nicht woanders abhalten kann.
Herr Kollege Becker, wir exportieren sehr viele Tiefflüge ins Ausland. Wir muten unseren Soldaten und deren Familien ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft zu. Unsere Flieger sind oft mehr als 90 Tage im Jahr im Ausland im Einsatz, um die Bewohner der Bundesrepublik zu entlasten. Ich glaube, ein gewisses Maß an Belastung darf man auch den eigenen Bundesbürgern für ihre Sicherheit in Frieden und Freiheit - ich sage das gerade zu diesem Zeitpunkt noch einmal sehr gerne - zumuten.
Im übrigen gelten nach allgemeinen Regeln Flüge über 300 m nicht mehr als Tiefflüge.
Herr Abgeordneter Rossmanith, Sie wollten eine Frage stellen? Bezieht sie sich ebenfalls darauf oder auf einen anderen Bereich? - Auf denselben Bereich. Bitte schön.
Die Frage hat sich an sich erübrigt. Ich wollte die Frau Staatssekretärin nur fragen, ob es richtig ist, daß der Bundesminister der Verteidigung eine Anordnung erlassen hat, daß Flüge nur noch oberhalb von 300 m gestattet sind und daß oberhalb dieser Höhe nicht mehr von Tiefflug gesprochen werden kann.
Wollen Sie noch einmal etwas dazu sagen, obwohl es sich erübrigt hat?
Ich glaube allerdings, daß die Frage bereits beantwortet ist.
Selbstverständlich sind nach allgemeinen internationalen Standards Flüge über 300 m keine Tiefflüge mehr. Wir können uns da nicht ausklinken. Ich meine, daß das auch allgemeiner Wissensstand ist.
Aber darüber hinaus sind wir natürlich noch in Verhandlungen mit den Kanadiern und mit anderen NATO-Partnern, die sich dieser Regelung bisher leider noch nicht angeschlossen haben.
Meine Damen und Herren, dann stelle ich fest, wir sind am Ende der Regierungsbefragung. Ich danke den Beteiligten für die Mitwirkung und rufe den nächsten Tagesordnungspunkt auf:
Fragestunde
- Drucksache 11/7814 Wir sind im Hinblick auf den angekündigten Beginn der Fragestunde ein bißchen früh dran. Insofern sind Sie, glaube ich, damit einverstanden, wenn ich ein wenig großzügiger bin und, falls einer der Kollegen in Kürze hier eintrifft, dann seine Frage noch aufrufe. Ich bitte die Herrn Staatssekretäre, ebenfalls noch verfügbar zu bleiben. So ist beispielsweise gleich das Landwirtschaftsministerium an der Reihe, und Herr Gallus ist freundlicherweise da; aber der Fragesteller ist noch nicht anwesend. Ich nehme an, er wird gleich kommen.
Ich brauche den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz nicht aufzurufen, weil die Frage 2 von Frau Dr. Vollmer schriftlich beantwortet werden soll. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Vizepräsident Westphal
Ich stelle den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zurück und komme nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Pfeifer steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 5 der Abgeordneten Frau Walz auf:
Bis wann wird die Bundesregierung ihre Vorschläge zur Weiterentwicklung der Psychiatrie nach Vorlage des Berichts der Expertenkommission zur Reform der Versorgung im psychiatrischen und psychotherapeutischen/psychosomatischen Bereich dem Deutschen Bundestag vorlegen?
Herr Präsident! Frau Kollegin Walz, es wird von seiten der Bundesregierung angestrebt, ihre Stellungnahme zu den Empfehlungen der Expertenkommission zur Psychiatrie-Reform noch in diesem Herbst vorzulegen. Zur Zeit befindet sich der im Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit erarbeitete Entwurf in der Ressortabstimmung. Ich hoffe, daß diese Ressortabstimmung so abgeschlossen werden kann, daß wir sie noch im Herbst vorlegen können.
Frau Walz, eine Zusatzfrage?
Ich hätte die Bitte, daß vielleicht die Frage 6 ebenfalls noch beantwortet wird. Oder schließen Sie die Beantwortung der Frage 6 in Ihre Antwort mit ein? Hier geht es ja um die DDR.
Wenn wir uns einig sind, können wir das so machen, und Sie haben dann also mehr Zusatzfragen.
Ich rufe somit auch noch Frage 6 der Abgeordneten Frau Walz auf:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung auf Grund dieser Expertenvorschläge im Hinblick auf die Entwicklung der Psychiatrie in der DDR, vor allem der gemeindenahen Versorgung?
Für die notwendige Entwicklung einer modernen Psychiatrie in der DDR gelten ebenso wie hier die aus der Enquete „Psychiatrie" und der Auswertung der Modellprogramme der Bundesregierung erarbeiteten Grundsätze, die in den folgenden Jahren in die umzugestaltende Versorgungsstruktur der fünf neuen Länder einzubringen sind.
Jetzt sind Sie dran, Frau Walz, bitte schön.
Unter Einbeziehung der bisherigen Strukturen in der DDR, die mehr stationär als ambulant-gemeindenah orientiert waren?
Ja, Frau Kollegin Walz, aus dem, was ich eben formuliert habe, ergibt sich, daß wir sicherlich in der DDR strukturelle Veränderungen der anbietenden Versorgungsdienste ernsthaft ins Auge fassen müssen.
Keine weiteren Zusatzfragen, Frau Walz? - Das heißt also, für beide Fragen ist die Befragung zu Ende.
Danke schön, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung.
Dann kommen wir nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus will antworten.
Ich rufe Frage 3 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Wann wird die Bundesregierung die Fleischexporte sichergestellt haben, die notwendig sind, um die Kühlhäuser zu entlasten, damit die Fleischmengen, die durch den Weideabtrieb entstehen, aufgenommen werden können?
Herr Kollege Eigen, nach intensiven Verhandlungen, an denen Vertreter der Bundesregierung maßgeblich beteiligt waren, wurden am 7. September 1990 zwischen dem Ministerium für Außenwirtschaftsbeziehungen der UdSSR und dem Ministerium für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik eine Vereinbarung über den Kauf von Nahrungsmitteln aus der DDR getroffen.
Darunter fallen folgende Mengen an Fleisch, deren Lieferung bis spätestens Ende Juni 1991 abgeschlossen sein wird: 85 000 t knochenloses Kuhfleisch - das entspricht 120 000 t Fleisch mit Knochen - , 20 000 t Jungbullenfleisch, 100 000 t Schweinefleisch, 10 000 t Geflügelfleisch, 5 000 t Schaffleisch.
Mit den Lieferungen in die UdSSR wird sofort begonnen, so daß mit einer kurzfristigen Entlastung der Kühlhäuser zu rechnen ist.
Herr Eigen, Zusatzfrage, bitte.
Das ist genau die Intention meiner Frage. Daß diese Abschlüsse jetzt in Moskau geschafft worden sind, ist hervorragend. Meine Frage dazu: Ich habe gehört, daß die Transporte leider erst in der nächsten Woche abgehen sollen. Wir haben jetzt schon Schwierigkeiten mit den Kühlhauskapazitäten. Gibt es eine Möglichkeit, daß die Bundesregierung sicherstellt, daß der Abzug der Ware möglichst frühzeitig gelingt?
Herr Kollege, Sie wissen, daß die Verhandlungen sehr schwierig waren. Wenn ich „sofort" sage, heißt das, daß natürlich Vorbereitungen getroffen werden müssen, um damit beginnen zu können. Wir haben größtes Interesse daran, daß das auf dem schnellsten Weg erfolgt, wie ich gesagt habe, sofort; aber ich kann den Tag nicht sagen, etwa: Die Verhandlungen in Rußland sind jetzt abgeschlossen; am anderen Tag beginnen wir mit der Entleerung der Läger. Das muß doch auch von der Logistik her alles organisiert sein.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, bestehen angesichts der Tatsache, daß in der DDR noch 600 000
Kühe und 200 000 Färsen geschlachtet werden müssen, um die Milchproduktion an eine zukünftige Milchquote anzupassen, Chancen, weitere Lieferungen dort abzusetzen?
Herr Kollege, zunächst einmal, glaube ich, können wir alle froh sein, daß ein Abschluß in dieser Größenordnung möglich geworden ist. Wir werden in den nächsten Monaten zu tun haben, dieses Quantum an Fleisch, sowohl Rindfleisch wie Schweinefleisch, zu liefern. Dann muß man sehen, wie man, wenn dann noch Überschüsse da sind, andere Drittlandsgeschäfte machen kann. Vielleicht kann dieses Geschäft mit der UdSSR auch fortentwikkelt werden, aber dann nicht mehr auf der jetzigen Basis, sondern dann wäre die EG mit der Erstattung der Ausgleichsbeträge dran.
Ich rufe jetzt Frage 4 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Wann wird die Bundesregierung im Ministerrat in Brüssel Verhandlungen einleiten, die zu einer Beendigung der Preissenkungspolitik der Kommission der EG führen, da sonst der ländliche Raum tödlichen Schaden nehmen wird?
Herr Kollege Eigen, die gegenwärtige Entwicklung der Erzeugerpreise auf wichtigen Agrarmärkten ist unbefriedigend. Die Ursachen für das gedrückte Agrarpreisniveau sind vor allem eine wieder zunehmende EG-weite Überproduktion, deren Preissenkungseffekte zeitweilig durch Billigangebote aus der DDR verstärkt wurden, sowie bei Rindfleisch und Milch-Interventionsprodukten zusätzlich der spürbare Rückgang bei Verbrauch und Export.
Die Bundesregierung nutzt alle Möglichkeiten, um in der EG und in der Bundesrepublik Deutschland marktentlastende Maßnahmen zu erreichen. Häufig läßt sich aber über einzelne Maßnahmen nicht immer der notwendige Konsens mit den übrigen EG-Staaten und der EG-Kommission herstellen.
Angesichts der für die Milchwirtschaft und Milcherzeuger in der gesamten Europäischen Gemeinschaft gleichermaßen ungünstigen Preis- und Marktsituation hat die Bundesregierung die EG-Kommission aufgefordert, das ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium zur Marktstützung auszuschöpfen. Auch ist die EG-Kommission im Hinblick auf die Minderung des Angebotsdrucks bei Rindfleisch aufgefordert worden, Beihilfen für die private Lagerhaltung und erhöhte Ankäufe im Rahmen der Interventionsausschreibungen zuzulassen.
Falls die diesjährige EG-Getreideernte wieder über 160 Millionen t liegt, wird die Bundesregierung bei den nächsten Preisverhandlungen im Ministerrat eine Überprüfung darüber verlangen, ob die in dem Stabilisatorenkonzept enthaltenen Maßnahmen wie Förderung der Verfütterung von Getreide, gleichgewichtige Anwendung der Flächenstillegung und Extensivierung in allen EG-Staaten sowie die Förderung nachwachsender Rohstoffe wirkungsvoll zur Anwendung gelangt sind. Kommt diese Überprüfung zu einem negativen Ergebnis, so wird die Bundesregierung darauf drängen, daß die Stabilisatorenbeschlüsse insgesamt ausgesetzt werden.
Herr Eigen, Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, die Situation bei den Preisen ist nicht nur nicht befriedigend, sondern sie ist miserabel.
Angesichts dieser Tatsache und der Tatsache, daß wir dieses Problem nur mit einer Verminderung der Produktion und mit einer Erweiterung des Absatzes über nachwachsende Rohstoffe lösen können, sich aber in Brüssel in beide Richtungen praktisch nichts tut - denn es ist immer noch so, daß die Flächenstilllegung in anderen Ländern nicht oder nur sehr zögerlich durchgeführt wird; trotz zweimaliger Erhöhung der Zuschüsse in Frankreich gelingt es dort offensichtlich immer noch nicht, Flächen stillzulegen - , müßte die gesamte EG-Agrarpolitik doch neu überprüft werden - dies ist das Anliegen - , weil die Preise sonst immer noch weiter fallen. Denn in beide Richtungen, sowohl bei Anbaubeschränkung als auch bei mehr Absatz über nachwachsende Rohstoffe, tut sich bisher - ich will nicht sagen: nichts - herzlich wenig. - Fragezeichen!
Bitte schön.
Herr Kollege, ich kann bestätigen, daß das alles neu überdacht werden muß. Dabei muß ich in bezug auf den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen auf breiter Front zum jetzigen Zeitpunkt die größten Fragezeichen anbringen, weil das natürlich erheblich mehr kostet als ein konkretes Einsteigen in die Flächenstillegung in allen EG-Ländern. Es wäre natürlich vernünftig, wenn von den 9 Milliarden, die heute für den Ausgleich des Exports bezahlt werden, 5 Milliarden DM zur obligatorischen Stillegung von 5 Millionen Hektar Getreidefläche in Europa verwendet würden, wenigstens vorübergehend, bis wir bei den nachwachsenden Rohstoffen in der Situation sind, die Märkte zu entlasten. Das würde die Situation auch in bezug auf das GATT wesentlich erleichtern.
Aber da müssen die anderen erst einmal mitmachen. Jedermann weiß, daß sich die Franzosen bei der Zurücknahme ihrer Getreideexportpolitik sehr schwer tun, weil die Getreideindustrie in Frankreich, wie die Franzosen sagen, der zweitgrößte Devisenbringer ist.
Herr Eigen, noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, durch die Tatsache, daß der Weltmarktpreis für Getreide jetzt total zusammengebrochen ist - so werden z. B. für Weizen 14 DM pro Doppelzentner gezahlt - , werden auch die Entwicklungsländer massiv geschädigt, weil sie keine agrarische Infrastruktur aufbauen können. Das schadet also nicht nur uns, sondern auch den Armsten in der Welt.
Dadurch ist eine Situation entstanden, in der die Exporterstattungen so hoch sind, daß man, wie Sie richtig sagen, Flächen stärker stillegen kann. Und
man kann mit diesen Mitteln in die nachwachsenden Rohstoffe hineingehen. Gerade angesichts der Auseinandersetzungen im Nahen Osten wäre jetzt die Chance gegeben, in diesen Bereich massiv einzusteigen. Das würde auch der Atmosphäre gut tun, würde eine positive Maßnahme für den Umweltschutz sein. Diese Mittel werden falsch ausgegeben, wenn man den Weltmarktpreis damit künstlich drückt. Vielmehr sollten sie für mehr Flächenstillegung und für mehr nachwachsende Rohstoffe verwendet werden. Sind Sie da meiner Meinung?
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Das war aber gelungen, Herr Eigen. - Bitte.
Herr Kollege, ich stelle fest, daß wir fast gleicher Auffassung sind. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Ich würde der EG-Kommission sogar empfehlen - zur Zeit werden ja Überlegungen angestellt, ob die Getreideernte jetzt leicht über 160 Millionen t oder leicht darunter liegt; Sie wissen ja, daß sich daraus entsprechende Konsequenzen für das nächste Jahr ergeben - , sich im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden, also für die Bauern - die Preise sind niedrig genug -, und eine Feststellung der Getreideernte unter 160 Millionen t zu treffen, damit die Preise wenigstens im nächsten Jahr nicht weiter absinken.
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Danke schön. Damit ist dieser Geschäftsbereich erledigt.
Ich werde mir ernsthaft überlegen, ob ich für die Gestaltung des neuen Plenarsaals anregen kann, für die Fragestunde einen Bildprojektor zu haben, der für alle sichtbar - für die Regierung und für alle anderen - ein Fragezeichen an die Wand wirft.
({0})
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Probst steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 7 des Abgeordneten Bachmaier auf :
Seit wann liegen der Bundesregierung welche Informationen über die nukleare Zusammenarbeit zwischen Brasilien und dem Irak vor?
Bitte schön, Herr Probst.
Herr Kollege Bachmaier, Ihre Frage 7 beantworte ich wie folgt: Erste Hinweise auf eine nukleartechnische Zusammenarbeit zwischen Brasilien und Irak erhielt die Bundesregierung durch einen Bericht des Bundesnachrichtendienstes vom März 1984. Darin wird in noch sehr allgemeiner Form über die Lieferung von Natururan sowie von nicht näher spezifizierten Waren an Irak berichtet.
Spätere Hinweise lassen vermuten, daß Brasilien technische Hilfe bei der Abnahme bzw. Vorbereitung zur Inbetriebnahme des von Frankreich gelieferten
Forschungsreaktors OSIRIS bei Bagdad geleistet hat. Der Reaktor wurde jedoch bereits vor Inbetriebnahme 1981 durch einen israelischen Bombenangriff zerstört, so daß die unmittelbare Zusammenarbeit in diesem Bereich zum Erliegen gekommen sein muß.
Ferner soll Brasilien versucht haben, Verfahrenstechnik zur Aufbereitung von Uranerz zu Urandioxid - zu dem sogenannten yellow cake - nach Irak zu übertragen. Auch dieses Vorhaben wurde jedoch durch den damaligen Krieg zwischen Irak und Iran obsolet.
Über sensitives Know-how zur waffenfähigen Hochanreicherung von Uran verfügte Brasilien damals nicht.
Herr Bachmaier, eine Zusatzfrage.
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse aus neuester Zeit über eine brasilianisch-irakische Zusammenarbeit auf dem nuklearen Gebiet vor, und hat die Bundesregierung geprüft, ob hier möglicherweise Waren und Erkenntnisse aus dem deutsch-brasilianischen Nuklearabkommen eingeflossen sind?
Daß Waren eingeflossen sind, wurde in dem damaligen Bericht als wahrscheinlich erachtet. Aber die gelieferten Waren, vor allem auch die Lieferung von Uranerz, sind keine sensitive Angelegenheit und deshalb von uns auch nicht näher zu beachten.
Wir haben zu jeder Zeit darauf geachtet, daß die Verpflichtungen, die eingegangen worden sind - es ist ja ein trilateraler Vertrag, auch mit der Internationalen Atomenergiebehörde -, eingehalten wurden. Die Bundesregierung zweifelt bis heute nicht, daß diese Verpflichtungen wirklich eingehalten werden.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, was hat die Bundesregierung unternommen, um nachprüfbare Erkenntnisse dafür zu erhalten, ob Know-how und Materialien, die dem deutsch-brasilianischen Kooperationsvertrag entstammen, in die nukleare Zusammenarbeit zwischen Brasilien und Irak eingeflossen sind, bzw. welche nachprüfbaren Erkenntnisse hat die Bundesregierung insoweit aus möglichen Nachforschungen erlangt?
Sie hat keine nachprüfbaren Kenntnisse. Sie hat auch keine Veranlassung, daran zu zweifeln, daß sich die Brasilianer daran gehalten haben. Es gibt keine Hinweise, daß das nicht der Fall war.
Ich rufe Frage 8 des Abgeordneten Bachmaier auf:
Geht die Bundesregierung davon aus, daß im Rahmen des deutsch-brasilianischen Nuklearabkommens geschulte brasilianische Kerntechniker im Irak tätig waren bzw. nach wie vor tätig sind?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
17586 Deutscher Bundestag - 11 Wahlperiode Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Die Frage 8 beantworte ich wie folgt: Über eine Tätigkeit von im Rahmen des deutsch-brasilianischen Nuklearabkommens geschulten brasilianischen Kerntechnikern im Irak ist der Bundesregierung nichts bekannt.
Herr Bachmaier, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, in der brasilianischen Zeitung „Jornal do Brasil" ist Anfang dieses Monats berichtet worden, daß brasilianische Nuklearexperten noch zum Zeitpunkt der irakischen Invasion Kuwaits am 2. August 1990 im Irak an dem dortigen Atomprogramm gearbeitet hätten. Ist die Bundesregierung dieser Frage nachgegangen und mit welchen Ergebnissen?
Die Bundesregierung geht davon aus, daß Brasilien, das sich ja an dem Embargo gegen den Irak beteiligt, keinerlei Zusammenarbeit mehr auf dem Gebiete durchführt. Der brasilianische Kernenergierat hat sich in dieser Richtung bereits auch geäußert.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß brasilianische Atomtechniker in der Bundesrepublik auch in den sensitiven Bereichen der Urananreicherung und der Wiederaufbereitung ausgebildet worden sind und daß solche so ausgebildeten Wissenschaftler zu dem sogenannten autonomen Nuklearprogramm Brasiliens abgezogen worden oder abgewandert sind?
Natürlich sind die brasilianischen Techniker im Rahmen dieser Kooperation über das sogenannte Trenndüsen-Verfahren unterrichtet und auch dementsprechend geschult worden. Aber dieses Trenndüsen-Verfahren ist nicht automatisch sensitiv nutzbar. Über die Kooperation mit den Irakern auf diesem Gebiet liegt uns keine Kenntnis vor, die zu Mißtrauen Anlaß gibt.
Damit sind die Fragen zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie beantwortet. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen brauche ich nicht aufzurufen, weil die Fragen 9 und 10 des Herrn Abgeordneten Austermann Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien unterfallen und deshalb schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Eine mündliche Beantwortung der Frage 12 des Herrn Abgeordneten Stiegler und der Fragen 13 und 14 des Herrn Abgeordneten Pfuhl aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft entfällt, weil die Fragesteller um schriftliche Beantwortung ihrer Fragen gebeten haben. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rawe steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Frage 24 des Herrn Abgeordneten Stiegler soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 25 des Abgeordneten Kretkowski auf:
Aus welchen Gründen hat sich die Deutsche Bundespost TELEKOM bei der Bezeichnung ihrer Produktpalette für englischsprachige Bezeichnungen, wie PhoneLine, BaseLine oder ComfortLine entschieden?
Herr Präsident, wenn Sie erlauben und wenn der Kollege Kretkowski einverstanden ist, würde ich beide Fragen gern im Sachzusammenhang beantworten.
Der Abgeordnete ist einverstanden.
Ich rufe also auch Frage 26 des Herrn Abgeordneten Kretkowski auf:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß solche Bezeichnungen Markt- und Bürgernähe ausdrücken und ein Instrument zur Absatzförderung und Gewinnung neuer Kunden darstellen?
Herr Kollege Kretkowski, die Deutsche Bundespost TELEKOM hat mit Beteiligung und auf Empfehlung namhafter überregional tätiger Marktforschungs- und Werbeagenturen ihr Angebotprogramm in Produktgruppen eingeordnet, deren Namensfindung den Anforderungen des Marktes entsprechen soll. Die besondere Schreibweise soll die Eigenständigkeit und die Aufmerksamkeit der Kunden erhöhen. Nach Angaben des Unternehmens Deutsche Bundespost TELEKOM bezeugen Marktreaktionen, daß das Ziel, ihre Produkte am Markt einprägsam und mit hohem Aufmerksamkeitsgrad zu plazieren, erreicht wird.
Die von Ihnen angesprochenen Produktgruppen PhoneLine, BaseLine, FreeLine werden schon heute unmittelbar zur Deutschen Bundespost TELEKOM in Beziehung gesetzt. Die Deutsche Bundespost TELEKOM verwendet aber auch keineswegs ausschließlich englischsprachige Bezeichnungen. So werden andere Telephonapparate z. B. unter den Produktnamen „Berlin" , „Potsdam" oder „Wählscheibentelephon" angeboten.
Auf dem immer enger zusammenwachsenden internationalen Markt liegt in einer sinnvollen Verwendung der Begriffe verschiedenster Sprachen ein ausgewogenes Konzept, um das am Weltmarkt ausgerichtete Produktangebot der Deutschen Bundespost TELEKOM angemessen zu präsentieren.
Die Frage - die bei Ihnen mit anklingt - , ob damit ein Instrumentarium zur Absatzförderung und zur Gewinnung neuer Kunden gegeben ist, beurteilt die Bundesregierung so, wie Sie fragen: Das muß der Markt noch erweisen.
Herr Kretkowski zur ersten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat Ihr Minister als anerkannter Sinologe auch einmal prüfen
lassen, ob man nicht Begriffe aus der chinesischen Sprache zur Vermarktung der Postprodukte benutzen könnte?
Herr Kollege Kretkowski, wir beide wissen, daß es nicht Aufgabe meines Ministers und der Bundesregierung ist, hinsichtlich der Produktnamen des Unternehmens Deutsche Bundespost TELEKOM einzugreifen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kretkowski.
Ist der Bundespostminister denn bereit, Sprachschulungsprogramme zugunsten der Postkunden zu veranstalten, damit sie die Vermarktungsstrategie der Bundespost auch richtig verstehen können?
Herr Kollege, ich bitte um Nachsicht, daß ich Ihnen sagen muß: Sie haben offensichtlich nicht richtig zugehört. Das Unternehmen Deutsche Bundespost TELEKOM hat uns mitgeteilt, daß auf Grund der Einführung dieser Namen offensichtlich schon Markterfolge erzielt worden sind. Die Vermittlung kann also nicht so schwer sein.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Danke schön, Herr Staatssekretär Rawe, für die Beantwortung der Fragen.
Meine Damen und Herren, es kann sein, daß die Fragestunde eher beendet ist als vorgesehen. Ich wäre dankbar, wenn Sie sich darauf einstellen würden, daß wir anschließend mit der Aktuellen Stunde fortfahren. Das ist insbesondere eine Information für anwesende oder auch nicht anwesende Geschäftsführer.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Echternach steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 27 des Abgeordneten Jäger auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Raum. Die Frage wird entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Ich rufe Frage 28 des Abgeordneten Großmann auf :
Wieviel der 1990 von 0,2 Millionen auf 8,2 Millionen vervielfachten Mittel des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau für Öffentlichkeitsarbeit sind bisher ausgegeben worden?
Herr Kollege Großmann, der Zweckbestimmung des Haushaltstitels entsprechend hat das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau für Aufklärungsmaßnahmen und Beratung der Bevölkerung in aktuellen wohnungspolitischen Fragen von den zur Verfügung stehenden Mitteln in Höhe von 8 Millionen DM bis zum 1. September 1990 5 289 594,22 DM ausgegeben.
Der Zweckbestimmung des Haushaltstitels entsprechend hat das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau für die Unterrichtung der Öffentlichkeit über Angelegenheiten der Raumordnung, des Bauwesens und des Städtebaus von den zur Verfügung stehenden Mitteln in Höhe von 192 000 DM bis zum 1. September 1990 170 655,50 DM ausgegeben.
Zusatzfrage, Herr Großmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir und mit vielen anderen - auch in der Bevölkerung - der Meinung, daß es dringendere Aufgaben gäbe, die zu lösen sind, als eine kaum vertretbare Ausweitung des Haushaltstitels für Öffentlichkeitsarbeit im Bundesbauministerium?
Herr Kollege Großmann, ich glaube, daß die Bevölkerung eher der Auffassung ist, daß es notwendig ist, alle Anstrengungen zu konzentrieren, um die gegenwärtigen Engpässe am Wohnungsmarkt zu beseitigen. Für den Erfolg der wohnungspolitischen Offensive der Bundesregierung ist es wichtig, daß alle Bürger wissen, welche Möglichkeiten geboten werden, damit so die Mithilfe der Bürger erreicht wird.
Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß die gegenwärtige Wohnungsnot mit Broschüren zu bekämpfen ist?
Ich glaube, daß die Information der Bevölkerung wichtig ist, damit sie weiß, was beschlossen worden ist, damit sie die Einzelheiten kennt und diese Möglichkeiten dementsprechend nutzen kann.
Ich rufe die Frage 29 des Abgeordneten Großmann auf:
Wie hoch müßte der Haushalt des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sein, wenn die Ansätze für die Förderung von Investitionen zur Bekämpfung der Wohnungsnot die gleichen Steigerungsraten aufweisen sollten wie die Ansätze für die Herausgabe von Broschüren und Informationsblättern im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit?
Herr Kollege Großmann, die dem Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau im Haushaltsjahr 1990 zur Verfügung stehenden Mittel für die Unterrichtung der Öffentlichkeit über Angelegenheiten der Raumordnung, des Bauwesens und des Städtebaus wurden gegenüber dem Vorjahr nicht erhöht.
Die dem Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in diesem Jahr für Aufklärungsmaßnahmen und Beratung der Bevölkerung in aktuellen wohnungspolitischen Fragen zur Verfügung stehenden Mittel gab es im Vorjahr nicht. Sie wurden erstmalig 1990 im Zusammenhang mit den damaligen wohnungspolitischen Entscheidungen der Bundesregierung vom Deutschen Bundestag in den Haushaltsentwurf eingesetzt. Die Ansätze können
schon von ihrer Größenordnung her nicht miteinander verglichen werden.
Zusatzfrage, Herr Großmann.
Herr Staatssekretär, sie werden wahrscheinlich gemerkt haben, daß diese Frage einen ironischen Unterton hatte und daß wir damit die Frage stellen wollten, ob es nicht sinnvoll wäre, das Geld, das zur Verfügung steht, wirklich in den Wohnungsbau und in die Bekämpfung der Wohnungsnot zu stecken und nicht in die Öffentlichkeitsarbeit.
Von daher an Sie die Frage: Sind Sie bereit, bei den nächsten Haushalten das Gewicht etwas zu verlagern, d. h. die zur Verfügung stehenden Mittel, die angesichts der Aufgaben, die wir im deutsch-deutschen Bereich wahrzunehmen haben, immer knapper werden, nicht für Öffentlichkeitsarbeit, für bunte Broschüren, auszugeben, sondern für die konkrete Bekämpfung der Wohnungsnot?
Herr Kollege Großmann, ich habe eben schon deutlich gemacht, daß es diesen Gegensatz nicht gibt. Im übrigen ist Haushaltsgesetzgeber nicht die Bundesregierung, sondern der Bundestag. Der Bundestag hat nachträglich genau diese Mittel, die Sie jetzt kritisieren, nach eingehender Beratung in den Haushalt eingesetzt.
Er hat dann von der Bundesregierung eine Entsperrungsvorlage erbeten. Wir haben im Detail dargelegt, was wir tun wollen. Auf dieser Basis hat der Haushaltsausschuß des Bundestags die Mittel entsperrt. Er hat also die Bundesregierung beauftragt, in diesem Sinne tätig zu werden. Genau dies haben wir getan.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Großmann.
Aber Sie sind mit mir der Meinung, daß es, auch wenn Sie von „dem" Bundestag sprechen, eine qualifizierte Minderheit gab, die der Auffassung war, daß es nicht nötig ist, die Öffentlichkeitsarbeit zu verstärken, sondern daß es nötig wäre, die Mittel, die für den Wohnungsbau zur Verfügung stehen, zu verstärken?
Herr Kollege Großmann, im Parlament entscheidet die Mehrheit.
Da der Abgeordnete Müntefering nicht im Saal ist, werden seine Fragen 30 und 31 entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Reschke auf:
Hat das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau die CDU-Kreisverbände, denen das Infopaket „Bauen und Wohnen" zur Beratung und Verteilung zugesandt worden ist, darauf hingewiesen, daß dieses Informationsmaterial nicht zu Wahlkampfzwecken eingesetzt werden darf?
Herr Kollege Reschke, die Antwort lautet: Ja. Jede der versandten Broschüren enthält folgenden schriftlichen Hinweis - Reschke ({0}): Herr Präsident, Sie haben den Kollegen Müntefering übersehen.
Dann werde ich die Fragen 30 und 31 des Abgeordneten Müntefering nach den Fragen 32 und 33 aufrufen.
Die Antwort lautet: Ja. Jede der versandten Broschüren enthält folgenden schriftlichen Hinweis:
Diese Veröffentlichung des Bundesministeriums darf nicht während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Unabhängig davon, wann, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Bundesregierung zugunsten einzelner politischen Gruppen verstanden werden könnte.
Zusatzfrage, Herr
Reschke.
Ich möchte gerne wissen, unter welchen Voraussetzungen der Versand der Broschüren geschehen ist. Gab es da eine Gleichbehandlung aller Parteien? Ist das Angebot auch an andere Parteien gegangen? Welche Parteien haben dieses Schreiben noch bekommen? Ich denke da an die CSU, ich denke an die GRÜNEN, ich denke an die SPD. Sie haben im Ministerium sicherlich ein Postausgangsbuch; das müßte zu überprüfen sein.
Herr Kollege Reschke, alle Bürger können diese Schriften anfordern. Davon ist auch in großem Umfang Gebrauch gemacht worden. Auf Grund des erkennbaren Interesses an den wohnungspolitischen Beschlüssen und großer Nachfrage haben wir darüber hinaus an die Kreisverbände der CDU und CSU noch einmal gesondert einen Teil der Broschüren versandt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Reschke.
Warum haben Sie das Interesse nicht auch bei anderen Parteien vorausgesetzt und die Parteien wenigstens informiert?
Dieses Angebot gilt genauso für die Sozialdemokratische Partei. Wenn ich Ihre Frage so verstehen darf, daß Sie darum bitten, dann wird auch dieser Bitte entsprochen werden.
({0})
- Ich sage ja, wenn Interesse erkennbar ist, dann wird diesem Interesse auch Rechnung getragen. Es war bei den Parteien erkennbar, die ich genannt habe; dementsprechend ist darauf reagiert worden.
Herr Großmann, wollten Sie zu dieser Frage eine Zusatzfrage stellen? - Bitte schön, Herr Großmann.
Mir ist das immer noch nicht ganz klargeworden, Herr Staatssekretär. Es fällt doch wohl jedem auf, daß die Partei, der Sie angehören, vom Bundesbauministerium angeschrieben und gefragt worden ist, ob Interesse an diesen Broschüren besteht, daß aber alle anderen Parteien nicht angeschrieben worden sind. Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß das ein sehr seltsames Verfahren ist und daß man sich im Bundesbauministerium entweder darauf verständigen sollte, das allen Parteien gleichrangig anzubieten oder es eben keiner Partei anzubieten?
Herr Kollege Großmann, welche Schriften wir herausgeben, ist vielfältig publiziert worden. Wir haben im übrigen auch im Haushaltsausschuß ausdrücklich erklärt, wofür die Mittel im einzelnen eingesetzt werden sollen. Da war diese Konzeption für die Broschüren bereits deutlich angesprochen worden. Es gab ein ganz erhebliches Interesse an den Einzelheiten der wohnungspolitischen Beschlüsse aus den Reihen der Union. Wie gesagt, wir würden auch einer entsprechenden Bitte oder Aufforderung der anderen Parteien im gleichen Umfang Rechnung tragen.
Ich komme zur Frage 33 des Kollegen Reschke:
Welche Informationsmaterialien und wie viele Exemplare von diesen waren jeweils in den Informationspaketen enthalten?
Herr Kollege Reschke, die Informationspakete enthielten je 200 Exemplare der Broschüre „Der Weg zur eigenen Wohnung" und je 100 Exemplare der Broschüre „Das Programm für eine Million neue Wohnungen" .
Ich möchte dann, wenn Sie gestatten, Herr Präsident, meine Zusatzfragen stellen. Die erste Frage lautet wie folgt: War nicht erkennbar, daß von seiten der FDP Interesse an den wohnungspolitischen Beschlüssen der Bundesregierung bestand? Wie hoch ist die Zahl der Broschüren insgesamt, die an die CDU- und CSU-Kreisverbände gegangen sind?
An die CDU sind ungefähr 25 000 Broschüren
({0})
- 25 000 Broschüren; es waren etwa 250 Pakete -„Das Programm für eine Million neue Wohnungen" und round about 50 000 Broschüren „Der Weg zur eigenen Wohnung" gegangen.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage?
Ich hatte noch danach gefragt, ob das Interesse bei der FDP nicht erkennbar gewesen ist.
Bisher haben wir von dort eine direkte Anforderung nicht bekommen. Aber wir werden natürlich die FDP genauso behandeln, wie ich es eben angeboten habe und wie es selbstverständlich für alle politischen Parteien gilt. Wir würden auch Sie im gleichen Umfange bedenken, wenn entsprechende Wünsche geäußert werden.
Habe ich es richtig verstanden, daß nur die CDU/CSU-Kreisverbände Interesse an wohnungspolitischen Beschlüssen der Regierung gehabt haben und nicht die FDP?
Nein, da haben Sie mich mißverstanden. Ich habe gesagt, es gab gerade in diesen beiden Parteien ein gesteigertes Informationsinteresse. Aus diesem Grunde haben wir dementsprechend reagiert.
({0})
Herr Staatssekretär -
Augenblick, das geht nicht.
Nein, das tut mir leid.
Ich habe erst eine Frage gestellt.
Ich habe schon drei Fragen gezählt.
Ich versuche, mein Gedächtnis geradezubiegen. Ich muß ja die Antwort verstehen, Herr Präsident.
Ich glaube, ich habe recht. Das tut mir leid. - Herr Großmann hat noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es der deutschen Bevölkerung kaum zu erklären ist, wenn auf der einen Seite die Mittel für Öffentlichkeitsarbeit von 0,2 auf 8,2 Millionen DM aufgestockt werden und gleichzeitig ans Tageslicht kommt, daß das Bundesbauministerium 25 000 Broschüren an Parteigliederungen der CDU verschickt hat?
Herr Kollege Großmann, die Auflage der beiden Broschüren betrug über 700 000 bzw. 3 Millionen. Es handelt sich also um wenige Prozente, die auf diese Weise verbreitet worden sind. Das Gros ist über andere Institutionen oder direkt an die Bürger gegangen.
Dann komme ich jetzt zur Frage 30 des Abgeordneten Müntefering.
Welche Anforderung lag der Versendung des Infopakets „Bauen und Wohnen" an alle CDU-Kreisverbände durch das Referat Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zugrunde?
Herr Kollege Müntefering, die Antwort auf die Frage 30 lautet: Zahlreiche Anfragen haben ein besonderes Informationsinteresse der CDU-Mitglieder an den wohnungspolitischen Beschlüssen der Bundesregierung erkennen lassen. Diesem Wunsch nach besserer Unterrichtung hat das Bundesbauministerium Rechnung getragen.
Zusatzfrage, Herr Müntefering.
Ich verstehe ja, daß diese durch Ihre Beschlüsse nicht durchgeguckt haben. Aber ich will doch noch fragen: Waren es einzelne Mitglieder, die das angefordert haben, oder waren es die CDU-Kreisverbände?
Es war eine breite Resonanz, die sich aus vielfältigen Gesprächen und der Öffentlichkeitsarbeit insgesamt ergeben hat, die wir zur Zeit im breiten Umfang betreiben. Sie wissen, daß das Bundesbauministerium zur Zeit in der Bundesrepublik in vielen Städten Informationsstände z. B. auf Messen hat. Es hat eine vielfältige Reaktion und ein besonderes Interesse gerade aus den Kreisen der Unionsmitglieder gegeben.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Müntefering.
Ich finde das langsam ärgerlich. Aber ich frage nochmals: Bitte sagen Sie mir, haben alle CDU-Kreisverbände oder die Partei für alle das bei Ihnen schriftlich angefordert, und sind Sie bereit, mir diese Anforderungen zur Kenntnis zu geben?
Nein, das haben sie nicht. Ich habe doch erklärt, warum wir diese Broschüren so versandt hatten: nicht weil es konkrete Anforderungen der 250 Kreisverbände der CDU gegeben hätte. Es gab vielmehr ein gesteigertes Informationsinteresse der CDU-Mitglieder. Um die CDU-Mitglieder zu informieren, sind die Broschüren versandt worden.
Sie haben eine Zusatzfrage, Herr Reschke, bitte schön.
Herr Staatssekretär, in dem Schreiben Ihres Referats Öffentlichkeitsarbeit, unterzeichnet von einem Herrn oder einer Frau Lili, steht:
Als Anlage übersenden wir unser Infopaket „Bauen und Wohnen" zur Beratung und Verteilung.
Ich bin zwar kein Philologe, aber doch der deutschen Sprache mächtig. Sollen die CDU-Kreisverbände die Bürger über die Wohnungspolitik der Regierung beraten, und haben sie etwa auch noch Seminare durchgeführt?
Es geht darum, daß viele Mitglieder in der Lage sein wollen, Auskünfte zu diesem Fragenkreis zu erteilen. Denn Sie wissen, daß heute von den politischen Parteien erwartet wird, daß sie auf die anstehenden Probleme eine sachkundige Antwort geben können. Ansonsten ging es um die Verteilung an die Mitglieder der CDU.
Herr Großmann möchte noch eine Zusatzfrage stellen.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden: Auf der einen Seite sagen Sie, einzelne Mitglieder der CDU haben das Bundesbauministerium angeschrieben. Sie haben daraus erkannt, daß es Interesse gibt, und haben daraufhin allen Kreisverbänden insgesamt 25 000 Broschüren zur Verfügung gestellt. Das heißt also, ich muß davon ausgehen, daß ein Teil dieser Broschüren verschickt worden ist, ohne daß ein konkretes Interesse vorlag. Somit muß der Verdacht der Verschwendung von Steuergeldern aufkommen.
Herr Kollege Großmann, wir brauchten nicht unbedingt die Anforderungen an das Bundesbauministerium - wir bewegen uns ja nicht im luftleeren Raum -, denn wir spüren seit einer Reihe von Monaten ein gesteigertes Interesse an den wohnungspolitischen Beschlüssen der Bundesregierung.
({0})
Darauf haben wir reagiert.
({1})
Herr Abgeordneter Häuser.
Wie stellen Sie fest, ob ein gesteigertes Interesse besteht? Wie haben Sie das gemessen? Sind das 100 000 oder 50 000? Haben Sie das durch Handaufheben ermittelt?
({0})
Dadurch, daß wir immer wieder darauf angesprochen werden - sehr stark aus den Reihen der Unionsmitglieder - , was konkret beschlossen worden ist, um den Wohnungsbau anzukurbeln.
Herr Fellner, Sie hatten sich noch zu einer Zusatzfrage gemeldet.
Darf ich ergänzend fragen, Herr Staatssekretär: Was hätte es denn gekostet, wenn das Ministerium diese Broschüren an die interessierten Bürger direkt versandt hätte?
({0})
Sicher erheblich mehr, Herr Kollege Fellner.
25 000mal Drucksachenporto!
So hat das Porto, glaube ich, round about 2 000 DM für die 250 Informationspakete gekostet. Es wäre sonst wesentlich teurer geworden.
Jetzt rufe ich die Frage 31 des Abgeordneten Müntefering auf:
Wie hoch waren die Material- und die Versandkosten für diese Aktion?
Herr Kollege Müntefering, die Antwort lautet: Die Material- und Versandkosten betrugen 24 783,60 DM.
Eine Zusatzfrage, Herr Müntefering.
Bekommen Sie von den CDU-Kreisverbänden eine Spendenquittung?
Herr Kollege Müntefering, es handelt sich nicht um eine Spende, sondern wir sind dankbar, daß es eine breite Resonanz auf die wohnungspolitischen Beschlüsse und so die Möglichkeit der Umsetzung gibt. Wir brauchen die Mitwirkung der Bürger für die Umsetzung dieser Beschlüsse. Ohne die aktive Mitwirkung der Investoren, all der Bürger, die zum Aus- und Umbau vorhandener Gebäude, bei neuen Investitionen oder auch bei Bauerleichterungen und bei Erleichterungen im Baugenehmigungsverfahren ihren Beitrag leisten können, kann das wohnungspolitische Programm nicht schnell greifen, und deswegen sind wir gern bereit, überall, wo erkennbares Interesse vorhanden ist, diesem Interesse auch Rechnung zu tragen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Müntefering.
Sind Sie sich bewußt, daß solche Art von Wahlkampffinanzierung ohne direkte Anforderung, wie Sie eben bestätigt haben, im Widerspruch zu den höchstrichterlichen Entscheidungen steht?
Herr Kollege Müntefering, ich würde an Ihrer Stelle einmal die beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von 1977 und 1983 genau angucken. Damals, 1977, ist Ihnen und Ihrer Regierung bescheinigt worden, daß Sie in maßloser Weise Steuergelder für parteipolitische Zwecke eingesetzt haben, daß Sie gegen das Grundgesetz verstoßen haben, daß Sie auf diese Weise den Grundsatz der Chancengleichheit verletzt haben - und das bei einer Bundestagswahl, die mit einer hauchdünnen Mehrheit damals zu Ihren Gunsten entschieden worden ist.
Sie haben dann 1983 eine Retourklage in Karlsruhe zu starten versucht und haben die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung vor der Wahl 1983 zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde gemacht. Das Bundesverfassungsgericht hat bescheinigt, daß sich die Bundesregierung völlig im Rahmen der Verfassung gehalten hat.
({0})
Es hat Ihre Beschwerde voll zurückgewiesen. Insofern darf ich feststellen, daß wir uns nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts auf Ihre Klage hin im Rahmen der Verfassung bewegt und Sie gegen die Verfassung verstoßen haben. Wir halten uns weiter an die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts.
Das löst eine Reihe von Fragen aus; zuerst Herr Reschke.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, nachdem Sie eben bestätigt haben, daß die Mitglieder der CDU zur Beratung in der Lage sein müssen und daß 250 000 Pakete versandt worden sind, wie viele Kreisverbände die CDU hat?
Ungefähr so viele Kreisverbände, wie Pakete versandt worden sind.
Frau Rönsch, bitte schön.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für schädlich, wenn sich interessierte Bürger an ein Ministerium wenden und z. B. darüber Informationen haben wollen, wie man das Angebot von Wohnungen erweitern kann?
Ganz im Gegenteil, wir begrüßen dieses Interesse und sehen darin bereits einen Erfolg unserer Öffentlichkeitsarbeit.
Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, nachdem Sie auch ohne Anforderung den CDU-Kreisverbänden diese Borschüren haben zukommen lassen, daß Sie hier Parteiwerbung auf Kosten der Steuerzahler machen?
Kollege Stahl, ich muß das noch einmal zurückweisen. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, daß Ihre Bundesregierung damals Millionenbeträge, sogar zweistellige Millionenbeträge für parteipolitische Einwirkung auf den Wähler, die verfassungswidrig ist, eingesetzt hat. Damals haben Sie 22 Schriften im Wahlkampf 1976 verteilt, die zu 60 % - im Durchschnitt - nur an die Regierungsparteien gelangt sind, nur an SPD und FDP. Teilweise sind diese Schriften sogar zu drei Vierteln nur an die Regierungsparteien gelangt, und sie sind im Wahlkampf eingesetzt worden. Wir haben ausdrücklich nur wenige Prozent - 1,5, 2 oder 3 % -der Auflage an die politischen Parteien geleitet, weil es dort ein erkennbares Interesse gibt und wir daran interessiert sind, daß diesem Interesse auch Rechnung getragen wird.
({0})
Herr Stahl, das geht nicht. Wir müssen bei unseren Regeln bleiben. Zu Fragen anderer Abgeordneter hat man nur eine Zusatzfrage. Das gilt übrigens auch für Sie, Frau Rönsch.
Herr Lambinus hat sich noch gemeldet.
Herr Staatssekretär, wir reden nicht über das Jahr 1976, sondern über das Jahr 1990. Ich frage Sie, ob Sie ernsthaft die Behauptung auf stellen möchten, daß das unbestellte Versenden von Material an Parteigliederungen Ihrer Partei wenige Monate vor der Bundestagswahl mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes in Übereinstimmung zu bringen ist. Wollen Sie das wirklich ernsthaft behaupten?
Herr Kollege, dazu darf ich Ihnen sagen, daß nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes von 1977 die damalige Bundesregierung - ({0})
- Entschuldigung, darf ich einmal zu Ende sprechen? - Wenn Sie das Versenden von Material an politische Parteien monieren, darf ich Ihnen sagen, daß sich die damalige Bundesregierung mit den Bundesländern
abgestimmt hat - die Bundesregierung damals vertreten durch das Bundespresseamt, durch den Bundesjustizminister und durch den Bundesinnenminister - und daß man sich gemeinsam darüber einig war, daß es unbedenklich sei, wenn den Parteien Drucksachen zur Unterrichtung der eigenen Mitglieder gegeben werden. Insofern kann die Weitergabe von Informationsmaterial an die politischen Parteien nach der übereinstimmenden Auffassung von Bund und Ländern und der gemeinsamen Interpretation des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes nicht beanstandet werden.
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Herr Großmann ist der nächste Fragesteller. Bitte schön, Herr Großmann.
Herr Staatssekretär, es bleibt das nach wie vor sehr ungute Gefühl, daß Sie hier nicht diesen allgemeinen Empfehlungen gefolgt sind, es also nicht allen Parteien, sondern nur den CDU-Kreisverbänden - und auch denen nicht auf Anforderung - zugeschickt haben. Wenn man Broschüren nicht auf Anforderung verschickt, um die Mitglieder von Parteien zu informieren und einen bestimmten Informationsgrad sicherzustellen, dann hätte man sie logischerweise allen Kreisverbänden aller im Bundestag vertretenen Parteien zuschicken müssen. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß, weil dies nicht erfolgt ist, der ungute Verdacht bestehenbleibt, daß hier einseitig Regierungspolitik transportiert werden soll?
Herr Kollege Großmann, ich habe schon vorhin gesagt: Dieses Material steht allen Parteien zur Verfügung. Nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes von 1977 und 1983 ist das Abgrenzungskriterium in der Frage zulässiger Öffentlichkeitsarbeit und unzulässiger Wahlwerbung nicht etwa das Kriterium der Anforderung, sondern das entscheidende Kriterium ist, ob es sich um Informationen handelt
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oder ob es sich von der Aufmachung und vom Inhalt her um Werbung handelt, also etwa um einseitige Herausstellung einzelner Parteien, Herabsetzung der Opposition.
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Wenn Sie sich die beiden Schriften, um die es geht, einmal ansehen, werden Sie mir zugestehen müssen, daß es sich ausschließlich um Informationsbroschüren handelt, in denen das wiedergegeben worden ist, was Bundestag und Bundesregierung beschlossen haben.
Meine Damen und Herren, da ich schon eine ganze Reihe von Fragen zugelassen habe, lasse ich jetzt noch diese quer durch alle Fraktionen gehende Fragerunde zu. Dann ist aber Schluß. Wir haben hier einen fraktionslosen Abgeordneten unter uns; er hat auch noch das Recht, eine Frage zu stellen.
Herr Langner, bitte schön.
Herr Staatssekretär, würden Sie es begrüßen, wenn sich auch SPD-Kreisgeschäftsstellen und -Bezirksgeschäftsstellen für die aktuelle Wohnungsbaupolitik interessierten, und würden Sie ihnen diese informativen Broschüren gegebenenfalls auch zur Verfügung stellen?
Ich würde es sehr begrüßen und werte die vielen Fragen der sozialdemokratischen Kollegen als ein wachsendes Interesse dafür und hoffe, daß dies dazu führt, daß wir in nächster Zeit viele Anforderungen bekommen.
Je später die Kollegen kommen, um so mehr Fragen kommen noch dazu. Frau Kollegin Weyel ist jetzt die nächste.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie bei Frau Rönsch und bei Herrn Langner auf die Frage, wie Sie handeln, wenn Broschüren angefordert werden, geantwortet haben, frage ich Sie noch einmal: Sind diese Broschüren von den Kreisverbänden angefordert worden? Wenn nein und wenn sie nur zur Information dieser Kreisverbände verschickt wurden: Sind die Vorstände Ihrer Kreisverbände wirklich so groß, daß Sie 250 Broschüren benötigen, um sie zu informieren?
Wenn die Broschüren für alle gedacht sind, damit sie die Möglichkeit haben, sich tatsächlich über den Stand zu informieren und Anträge zu stellen, halten Sie es dann nicht für richtig, die Broschüren tatsächlich an alle Organisationen, nämlich in erster Linie an Mitglieder aller politischen Organisationen und aller Parteien und darüber hinaus insbesondere an Organisationen, die mit Wohnungsbau oder Mieten zu tun haben - also z. B. an die Mieterverbände - , in gleicher Menge zu schicken?
Frau Kollegin Weyel, ich sagte eben schon, daß das, was an die Kreisverbände der Union gegangen ist, ein kleiner Prozentsatz von weniger als 2 % bzw. weniger als 4 der Gesamtauflage ist. Selbstverständlich ist das Gros der Auflage an Institutionen gegangen, die bereits in starkem Maße bei der Beratung der Bevölkerung in diesen Fragen tätig sind. Insofern haben wir in dem gewünschten Sinne das Gros der Verteilung vorgenommen.
Ich nehme Ihre Frage aber gern zum Anlaß, um mich auch an die anderen politischen Parteien zu wenden. Wir werden sie in den nächsten Tagen ausdrücklich fragen, in welchem Umfang sie diese Broschüren haben wollen. Ich sage zu, daß wir sie dann in entsprechendem Umfang auch den anderen politischen Parteien zur Verfügung stellen.
Jetzt kommt die letzte Frage des Abgeordneten Wüppesahl. - Da der Kollege Wüppesahl nicht zuhört, beende ich diesen Teil der Fragestunde. Er kann sich nachher noch einmal melden.
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Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Häuser auf :
Vizepräsident Westphal
Beabsichtigt das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, auch allen Kreisverbänden von FDP, SPD, DIE GRÜNEN und anderen Parteien das Infopaket „Bauen und Wohnen" des Bundesministeriums zur Beratung und Verteilung zuzustellen?
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- Der Präsident paßt auf; die Fragesteller müssen auch ein bißchen aufpassen.
Herr Kollege Häuser, das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau stellt die Broschüren aus dem Informationspaket auf Anforderung jedem Bürger zur Verfügung.
Herr Häuser, bitte schön.
Machen Sie das nur auf Anforderung, weil kein gesteigertes Interesse bei den anderen Parteien vorhanden ist, oder unterstellen Sie einfach, daß nur einige Teile der anderen Parteien ein gesteigertes Interesse haben?
Es gab hier ein besonders starkes Interesse, auf das wir reagiert haben.
Ich habe eben schon Frau Kollegin Weyel zugesagt, daß wir uns nach dieser Fragestunde ausdrücklich an alle politischen Parteien wenden und fragen werden, in welchem Umfang wir ihnen Broschüren zusenden sollen.
Ist es nicht ein Unterschied, ob Sie sich jetzt erst an die Parteien wenden und danach fragen oder die Broschüren direkt verschicken? Oder verstehe ich das falsch?
Gelegentlich ist eine Fragestunde auch ganz hilfreich.
Herr Reschke hat dazu eine Zusatzfrage.
In dem ominösen Schreiben dieser Frau oder dieses Herrn Lili wird im letzten Satz die Möglichkeit der Nachbestellung angesprochen. Wieviel Nachbestellungen verzeichnet Ihr Postausgangsbuch?
Darauf kann ich im Moment keine Antwort geben. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen das schriftlich mitzuteilen, Herr Kollege.
Der Abgeordnete Wüppesahl hat eine Zusatzfrage. Bitte.
Herr Kollege Echternach, weil es offensichtlich Probleme bereitet, auf ernsthafte Fragen klare Antworten zu diesem eigentlich sehr deutlich auf dem Tisch liegenden Sachverhalt zu bekommen, stelle ich folgende Frage: Können Sie ausschließen, daß es in Ihrem Hause oder in der Bundesregierung insgesamt Überlegungen darüber gibt, wann man ohne Aufforderung an die Kreisverbände Finanzmittel überweist?
Diese Frage war wohl nicht ernst gemeint.
Herr Müntefering hat noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn ich bedenke, wie skeptisch sich die CSU in der Zwischenzeit zur offiziellen Wohnungs- und Mietenpolitik der Bundesregierung äußert, könnte es dann sein, daß die Kreisverbände der CSU die Programme inzwischen gelesen haben?
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Ich nehme an, Herr Kollege Müntefering, Sie kennen die beiden Schriften. In diesen beiden Schriften wird eine Übersicht über das gegeben, was die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat beschlossen haben. Genau darüber wollen wir unsere Mitbürger informieren, damit die Engpässe am Wohnungsmarkt möglichst schnell abgebaut werden.
Darf ich fragen, ob die Zusatzfrage des Abgeordneten Stahl noch steht?
({0}) - Aber er steht nicht.
Bitte schön, Herr Stahl.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie erklärt haben, daß Sie durch Einzelanfragen von CDU-Verbänden ein besonderes Interesse gespürt haben, möchte ich Sie fragen: Wie groß war die Zahl der Einzelanfragen von CDU-Kreisverbänden, und wie spürt die Bundesregierung eigentlich das Interesse für derartige Werbeschriften, wenn sie gar nicht angefordert worden sind? Wie hoch ist der Betrag, der damit eigentlich jedem CDU-Kreisverband zur Verfügung gestellt wurde? Ist es denn nicht so, daß Sie damit in einer schwierigen Situation von seiten der Bundesregierung sozusagen Bargeld an die CDU-Kreisverbände geben?
Herr Kollege, auch Ihr Kreisverband ist in der Lage, in gleichem Umfang Schriften anzufordern.
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Wenn Sie von Bargeld reden, so muß ich feststellen, daß Sie das gleiche „Bargeld" auch für Ihren Kreisverband oder Ihre Partei bekommen können. Insofern ist diese Unterstellung abwegig.
Diese Schriften sind keine Wahlpropaganda, sondern Broschüren, die über das Wohnungsprogramm der Bundesregierung und auch darüber informieren, wie Bürger die Chance erhalten, eine eigene Wohnung zu erwerben und welche staatlichen Hilfen dafür zur Verfügung stehen.
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Deswegen weise ich die Unterstellung zurück, daß es sich hier etwa um Wahlwerbung handele.
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Frau Rönsch stellt die nächste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß einzelne CDU- und CSU-Abgeordnete aus dem Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau diese Broschüren beim Bauministerium angefordert haben,
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um sie dann an Bürger weiterzugeben, und können Sie mir sagen, wie viele sozialdemokratische Kollegen gerade aus diesem Ausschuß auch eine Anforderung an das Bauministerium gerichtet haben, um so die Bevölkerung über die Initiativen zur Wohnungspolitik zu informieren?
Die Aussage in der ersten Frage kann ich bestätigen.
Zur zweiten Frage kann ich sagen: Für mich ist eine solche Reaktion bisher nicht erkennbar gewesen.
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Um so dankbarer bin ich für die heutige Fragestunde mit den vielen Fragen, die gerade zu diesen Broschüren gestellt worden sind, aus denen ich das Interesse der Sozialdemokraten entnehme, diese Schriften ebenfalls in größerem Umfange für die eigene Partei anzufordern.
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Meine Damen und Herren, die Fragestunde mag manchmal ein Vergnügen sein, aber irgendwo hat es auch seine Grenzen.
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Ich lasse jetzt noch die Zusatzfrage von Herrn Reschke zu, dann haben wir eine Frage von Herrn Häuser, und dann kommen wir zu anderen Themen.
Bitte schön, Herr Reschke.
Herr Staatssekretär, ich würde gern wissen, über welche wohnungspolitischen Beschlüsse der Bundesregierung/des Parlaments Sie in diesen Broschüren unterrichtet haben, wann diese Beschlüsse gefaßt worden sind und wann das Schreiben Ihres Referats Öffentlichkeitsarbeit herausgegangen ist. Hier steht nämlich nur „Datum des Poststempels" ; diesen habe ich natürlich nicht, weil ich kein Schreiben bekommen habe. Ich würde aber gern einmal die Zeiträume zwischen den Beschlüssen und dem Versand des Schreibens mit der Aufforderung an die CDU-Kreisverbände zum Anfordern kennen. Daran schließt sich die Frage an - ich habe die Beschlüsse einigermaßen im Kopf - : Warum haben Sie das nicht schon früher getan, sondern machen es jetzt im Wahlkampf?
Herr Kollege Reschke, die nötigen Mittel sind im Haushaltsausschuß im Dezember freigegeben worden. Daraufhin sind entsprechende Aufträge herausgegangen, um diese Schriften zu erstellen. Der Versand ist, glaube ich, im Laufe des August erfolgt.
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- Nein, bereits der Versand.
Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Häuser auf - das ist die letzte Frage in dieser Fragestunde - :
Wie teuer waren die Anzeigen in Tageszeitungen, in denen auf örtliche Informationsstände des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau aufmerksam gemacht wurde?
Herr Kollege Häuser, die Antwort lautet: Die Kosten der Anzeigen betrugen 212 683,48 DM.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Weil Sie vorhin gesagt haben, Sie hätten das gesteigerte Interesse der CDU-Mitglieder an den Info-Ständen festgestellt: Haben Sie die Leute, die sich an den jeweiligen Ständen informiert haben, immer gefragt, zu welcher Partei sie gehören?
Herr Kollege Häuser, wir bewegen uns ja nicht im luftleeren Raum, sondern wissen aus vielfältigen Kontakten und vielfältigen Reaktionen, daß es eben bei den CDU-Mitgliedern ein besonderes Interesse an den Beschlüssen der Bundesregierung gibt. Ich meine, das ist im politischen Raum auch gar nicht so verwunderlich.
Zweite Zusatzfrage.
Sie haben vorhin gesagt, daß es zwar das Verfassungsgerichtsurteil gebe, daß aber der Anteil, der an die CDU-Kreisverbände verschickt worden sei, nur eine Kleinigkeit sei, nur i oder 2 % ausmache. Meinen Sie, daß man ein Verfassungsgerichtsurteil bei Kleinigkeiten - wenn es um 1, 2 oder 3 % geht - nicht einzuhalten braucht? Ich will nur etwas lernen.
Was wir getan haben, bewegt sich voll im Rahmen der Verfassung
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und im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
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Augenblick! Zwischenrufe sind möglich, aber jetzt antwortet der Staatssekretär.
Im Rahmen des Entscheides von 1977 und des Entscheides von 1983
ist vom Verfassungsgericht ausdrücklich aufgezeigt worden, was zulässig und was unzulässig ist. Wir bewegen uns voll in dem Rahmen, den das Bundesverfassungsgericht aufgezeigt hat.
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Herr Großmann hat noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, ob geplant ist, vor den ersten gesamtdeutschen Wahlen auch den CDU-Kreisverbänden in der jetzigen DDR derartige Informationspakete ohne Anforderung zuzuschicken?
Ich weiß von einer solchen Absicht nichts. Sie wissen ja aus Ihrer Arbeit im Ausschuß, daß wir es in den noch getrennten Teilen Deutschlands mit zwei verschiedenen Aufgabenstellungen zu tun haben und daß von daher die Beschlüsse, die Bundestag und Bundesregierung Ende letzten Jahres getroffen haben, nur sehr begrenzt auch in der DDR wirksam sind.
Herr Müntefering zu einer Zusatzfrage.
Wie viele solcher Aktionen wie kürzlich in Frankfurt wird es vor der Bundestagswahl noch geben, bei denen die Bundesbauministerin, das Bauministerium in halbseitigen, teuren Anzeigen für sich Reklame macht?
Ich weiß nicht, welche Anzeigen Sie meinen. Wenn Sie mir diese Anzeige zur Verfügung stellen, bin ich gerne bereit, Ihnen dazu meine Meinung zu sagen. Mir ist von Reklameanzeigen nichts bekannt.
Herr Häfner möchte noch eine Zusatzfrage stellen.
Herr Staatssekretär, nach der großen Zurückhaltung der Fraktion DIE GRÜNEN spätestens zu dem Zeitpunkt, als sich das Thema in einer Endlosschleife bewegte, gestatten Sie mir bitte eine Frage, die den Versuch macht, das Thema zu einem fruchtbaren Ende zu bringen: Waren diese Broschüren auf Umweltschutzpapier gedruckt, oder auf welchem Papier waren sie gedruckt? In welchem Zeitraum pflegen solche Broschüren zu verrotten?
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Bei der letzten Frage muß ich mangels eigener Sachkunde passen. Aber wenn Sie es nicht selbst feststellen können, bin ich gerne bereit, Ihnen dazu eine entsprechende, umweltschutzmäßig abgesicherte Auskunft zu geben. Ansonsten gehe ich davon aus, daß Ihre Frage signalisiert, daß auch die GRÜNEN Interesse an dieser Broschüre haben. Ich will diesem Interesse gerne Rechnung tragen.
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Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, muß ich Ihnen noch eine amtliche Mitteilung verlesen: Es liegen zwei Gesetzentwürfe der Bundesregierung vor, die wegen der laufenden Beratungen in den Ausschüssen unter interfraktionellem Verzicht auf eine Fristeinrede heute überwiesen werden sollen, um noch in die Beratungen der Ausschüsse einbezogen werden zu können. Es handelt sich um den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Dauer des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes auf Drucksache 11/7840, der nur dem Verteidigungsausschuß zur federführenden Beratung überwiesen werden soll, und um den Entwurf eines Gesetzes zum Einigungsvertrag auf Drucksache 11/7841, der entsprechend dem bereits überwiesenen wortgleichen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen an dieselben Ausschüsse überwiesen werden soll. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nun den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf :
Aktuelle Stunde
Angebliche Verpflichtung ehemaliger StasiMitarbeiter durch den BND oder andere Dienste der Bundesrepublik Deutschland
Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung diese Aktuelle Stunde verlangt.
Das Wort hat zuerst der Abgeordnete Lutz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind schon recht ungewöhnliche, ja skandalöse Vorgänge, die uns veranlaßt haben, diese Aktuelle Stunde zu beantragen. Da behauptet der Innenminister der DDR und CDU-Ministerpräsidentenkandidat von Brandenburg, die Stasi spioniere noch immer in Bonn herum. Er setzt noch eines drauf mit der Behauptung, der BND tue das ja auch in Ost-Berlin.
Alles Unsinn, tönt es aus Bonn zurück. Natürlich stimmt angeblich auch nicht, daß westliche Geheimdienste aus den bewährten Stasi-Restbeständen ihre personellen Ressourcen verstärkten. Wenn schon, so heißt es, müßten es andere Dienste sein, die des Bundes seien es gewiß nicht. Nicht ein Stasi-Mitarbeiter sei verpflichtet worden. Man habe lediglich die „Quellen abgeschöpft". Offen bleibt, ob man, um abschöpfen zu können, mit erheblichem oder mit weniger erheblichem Bargeld auf Dauer oder nur zeitweise nachgeholfen hat. Bonn, dieses Kohl-Bonn, schreibt seine Satiren selber. Kein Kabarettist könnte so erfindungsreich sein.
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Man muß sich das einmal vorstellen: Da sind die Herren hüben wie drüben bald schon in einer Partei. Aber ihre Verbrüderung reicht doch nicht so weit, daß sie nicht versuchen würden, beim jeweils anderen die
Unterwäsche zu observieren. Oder: Da klagt der DDR-Kollege verschnupft, seine bewährten Fachkräfte würden unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel abgeworben. Die Parlamente können sich dann ihren Vers darauf machen.
Wer lügt denn da eigentlich? Herr Diestel, Herr Schäuble, Herr Stavenhagen oder alle miteinander? Oder hat nur den Diestel der Hafer gestochen? Oder hat die Presse gelogen? - Eine beliebte Politikerausrede. Aber in diesem Fall kann das nicht sein. Das Interview in der „Bunten" ist von Herrn Diestel Wort für Wort autorisiert worden.
Ich lasse mir ja gerade noch einreden, daß an diesem Weihnachten - weil es ein historisches Weihnachten sein wird - der Osterhase kommt; aber mein Vertrauen ist nicht grenzenlos.
Wenn ich einmal unterstelle, Bonner Minister würden sich nie getrauen, ihr Parlament arglistig zu täuschen, dann bleibt nur der Umkehrschluß, der Herr Diestel hätte diese Skrupel nicht.
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Dann aber stünde es schlecht um die moralische Reputation eines Mannes, den seine Parteifreunde in Ost und West für fähig halten, Brandenburg in eine demokratische Zukunft zu führen.
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Oder Herr Diestel hat schlicht gesponnen. Das würde eigentlich kein besseres Licht auf ihn, auf seine Partei und seinen Ministerpräsidenten werfen, der in Nibe-lungentreue bisher noch jeden Diestel-Skandal gedeckt hat.
Deshalb habe ich auch Hemmungen, Herrn Schäuble oder Herrn Stavenhagen mit Diestel zu vergleichen. Zur degoutanten Sondersorte von Politikern gehören die beiden Minister nicht.
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Wir hoffen sehr, daß diese Aktuelle Stunde zumindest für die Bundesregierung Anlaß ist, Licht in die merkwürdige Affäre zu bringen. Daß Sie mit Herrn Diestel Umgang pflegen, das bleibt dann immer noch Ihr Problem. Wenn wir alle miteinander nach gut 60 Minuten ein wenig mehr Licht in das Zwielicht brächten, das ein DDR-Innenminister um sich verbreitet, der die Stasi-Seilschaften immer wieder aktiv gefördert hat, dann hätte sich die Stunde gelohnt.
Ein Fall für christliche Nächstenliebe ist der DDR-Innenminister schon lange nicht mehr. Aber was, so frage ich, ist er dann eigentlich? Ich bin ganz sicher, daß viele in der Koalition sich ebenfalls schon längst ähnliche Fragen gestellt haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laufs.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung
hat unmißverständlich im Deutschen Bundestag und öffentlich erklärt, daß Wünsche von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern um Anstellungen oder Einstellungen bei den Nachrichtendiensten des Bundes ausnahmslos abgelehnt worden sind. Die Bundesregierung hat festgestellt, daß weder Angehörige des MfS der DDR angeworben wurden und werden, noch Gehälter zugesagt oder gezahlt worden sind.
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Es gibt auch keine Kooperationen, die über die Entgegennahme und Abschöpfung angebotener Informationen ehemaliger Stasi-Mitarbeiter hinausgehen. Es gibt also keine irgendwie geartete Mitarbeit.
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Andererseits ist es unstreitig, daß solche Informationsquellen genutzt werden müssen. Die Gewinnung von Erkenntnissen z. B. über den internationalen Terrorismus - es gab eine unglaubliche Kumpanei des früheren DDR-Regimes mit der RAF - gehört unverzichtbar zum Auftrag unserer Dienste. - Es geht hier nicht um schmutzige Unterwäsche von Herrn Diestel oder anderer Leute, Herr Kollege Lutz.
Wie anders wollen wir Terror und Gewalt von außen bekämpfen und den RAF-Sumpf trockenlegen? Oder soll man Hinweise mißachten, die zur Enttarnung von Agenten und Spionen führen? Selbstverständlich können für besonders wertvolle Informationen Honorare und Aufwandsentschädigungen gezahlt werden.
({2})
Das ist doch bekannt. Das hat doch nichts mit Gehaltszahlungen für Mitarbeiter zu tun. - Soweit zum Sachverhalt, der hinlänglich bekannt ist - auch der SPD!
Die SPD veranstaltet trotz besseren Wissens diese Aktuelle Stunde zu einem Thema, das den Eindruck erweckt, als könnten Mitarbeiter der Stasi, dieses Macht- und Folterinstruments der SED-Diktatur, nahtlos in die Dienste des Bundes überwechseln.
({3})
Diese Unterstellung ist ebenso abwegig wie unverschämt. Ich weise sie mit Nachdruck zurück.
({4})
In welchem beklagenswerten Zustand befindet sich diese Opposition,
({5})
der offenbar kein Mittel mies genug ist, um die Bundesregierung schlechtzumachen! Das üble Spiel ist doch der offensichtliche Versuch, den Haß der Menschen in der DDR auf ihre Stasi-Unterdrücker parteipolitisch auszuschlachten und auf die CDU zu lenken.
({6})
Wir können uns vorstellen, mit welchen üblen Enthüllungs- und Schmutzkampagnen wir in den kommenden Wochen noch überzogen werden.
({7})
Also, mit Satire, Herr Lutz, hat das, was Sie hier geboten haben, nun wirklich nichts zu tun.
({8})
Diese Aktuelle Stunde ist übrigens auch eine klägliche Begleitmusik zur Berufung unseres SPD-Kollegen Konrad Porzner zum neuen Chef des Bundesnachrichtendienstes. Das hätte er nicht verdient.
({9})
Seit 1978 wird die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste durch ein spezielles Organ des Deutschen Bundestages, die Parlamentarische Kontrollkommission, wahrgenommen. Dieser Kommission gehören auch Vertreter der SPD an. Sie haben dort Gelegenheit, Bedenken, Informationen, Fragen und alle Erfahrungen einzubringen, die zur Kontrolle der Nachrichtendienste erforderlich sind. In diesem Gremium erhalten sie von der Bundesregierung die geheimen Informationen, die sie brauchen, um die Arbeit der Dienste kritisch zu begleiten.
({10})
Sie können also die tatsächlichen Sachverhalte erfahren, und Sie kennen sie auch.
({11})
Es ist deshalb - ich kann es nicht anders bewerten - der Ausdruck eines destruktiven Wahlkampfes, wenn die SPD nunmehr unsere Nachrichtendienste einer falschen Zusammenarbeit verdächtigt.
({12})
Sie zerstört damit heranwachsendes Vertrauen in die soziale Rechtsstaatlichkeit in einem vereinigten Deutschland. Es ist übrigens dieselbe SPD, die sich noch in jüngster Vergangenheit mit den Spitzen der SED in gemeinsamen Kommissionen und zu gemeinsamen Strategiepapieren zusammenfand.
({13})
Es war die SED, die sich auf den menschenverachtenden Stasi-Apparat stützte.
Die SPD hat auf dem Weg zur deutschen Einheit schlimme Fehler gemacht. Wir bedauern, daß sie immer weitere hinzufügt.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Häfner.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesrepublik und die DDR haben sich lange Zeit wie feindliche Staaten gegenübergestanden, ideologisch und militärisch hochgerüstet. Schon wiederholte Besuche in der DDR konnten einen in den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit bringen. Der Post- und Telefonverkehr wurde ständig überwacht und abgehorcht. Hunderte, vielleicht Tausende von Agenten haben Liebesbriefe, private Post, gelesen. Diese sind in den Akten gelandet. Es wurden Dossiers angelegt und Berge von Material gesammelt.
Jetzt wird aus diesen beiden Ländern sozusagen an der Kante des Kalten Krieges durch die Vereinigung ein Land. Der Kalte Krieg ist zu Ende, und ich denke, nun sollte eigentlich auch die Spionage zu Ende sein, und zwar spätestens jetzt; sie hätte längst zu Ende sein müssen.
Aber wir haben immer wieder Hinweise darauf, daß die Apparate die Wirklichkeit nicht zur Kenntnis nehmen. Ich habe den Eindruck, sie haben immer schon Schwierigkeiten mit der Wirklichkeit gehabt; sie leben in einer Art Scheinwelt mit falschem Namen, f al-schen Pässen, falschen Identitäten, geheimen Orten, Codes, toten Briefkästen, verschlüsselten Zeichnungen usw. Ebenso verschlüsselt scheint ihnen die Wirklichkeit zu bleiben. Die Nachrichten hören sie nicht; die Zeitungen lesen sie nicht, oder sie landen nicht bei ihnen. Wahrscheinlich landen sie in toten Briefkästen.
Daß der Kalte Krieg zu Ende ist, kann man diesen Leuten offenbar nicht auf gewöhnlichem Weg mitteilen; sie hören nur auf Befehle. Die Frage ist, ob der Befehl, hier jegliche Spionagetätigkeit endgültig einzustellen, wirklich gegeben worden ist. Ich möchte auf diese Frage eine klare Antwort, und ich sage deutlich, das Dementi von Herrn Stavenhagen ist ein weiches Dementi, das noch nicht alles beantwortet, was wir wissen wollen.
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Wir wollen wissen, ob alle BRD-Agenten vom Territorium der DDR und umgekehrt abgezogen worden sind, ob sämtliche Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes und anderer westdeutscher Dienste in bezug auf das Gebiet der DDR, auf innerdeutschen Reiseverkehr, innerdeutschen Post- und Telefonverkehr usw. endgültig eingestellt sind. Wir wollen ebenfalls wissen - denn das ist auch ein Stück unserer Wirklichkeit; es geht nicht nur um die Stasi-Akten dort -, was mit diesen Akten und Dossiers geschieht. Ich will wissen, was mit meinen Briefen und Telefongesprächen geschieht. Vielen anderen wird es ebenso gehen. Ich möchte eine klare Auskunft der Bundesregierung hierzu; das gehört schon dazu.
Ich möchte noch ein zweites sagen; das ist ja schon angesprochen worden. Wir haben immer wieder Hinweise darauf, daß ehemalige hochrangige Angehörige der Staatssicherheit vom BND Übernahmeangebote bekommen, daß sie Geld dafür geboten bekommen, daß sie ihr Wissen offenbaren, und daß in diesem Zusammenhang auch schon Geldsummen gezahlt worden sind.
Es scheint so, als ob die Menschen, die über Jahre hinweg im Namen, im Auftrag und in engster Übereinstimmung mit den totalitären Machthabern der SED Menschen, Betriebe und Einrichtungen bespitzelt und alles fein sauber nach Ost-Berlin gemeldet haben, im vereinten Deutschland dafür auch noch honoriert werden.
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- Zum Beispiel aus der Innenausschußsitzung von heute morgen. Diese Frage von dieser Seite wundert mich sehr.
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- Da siehst du mal, wie gut unsere „Geheimdienste" funktionieren, daß wir wissen, was im Innenausschuß passiert - und dieses auf ganz legalem Wege.
({3})
Es ist doch lächerlich, hier zu dementieren, was schon die Zeitungen schreiben und was auch die Bundesregierung im Ausschuß erklärt.
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- Ich kann Ihnen auch die Summen nennen. Stellen Sie sich hier hin und sagen Sie, daß es nicht stimmt, was ich sage! Darauf bin ich gespannt.
Ich habe den Eindruck, daß diese Menschen, die sich in solcher Weise betätigt haben, hier auch noch honoriert werden, während viele andere, die laut oder verdeckt Widerstand geleistet oder Widerspruch geäußert haben, keinen Vorteil haben, sondern ins Rohr schauen, keine Arbeitsplätze finden oder ihre Arbeitsplätze verlieren und sehr um ihre Zukunft bangen. Das stimmt mich bedenklich in diesem vereinten Deutschland.
Dazu gehört auch Ihre Idee der Amnestie für Mitarbeiter der Staatssicherheit. Ich muß Ihnen ganz deutlich sagen: Wenn es tatsächlich so sein soll, daß z. B. Menschen, die hier für den Frieden demonstriert haben, in gewaltfreier, friedlicher Weise, die sich vor Kasernen gesetzt haben, vor Massenvernichtungswaffen, um zu protestieren weiterhin bestraft werden und nicht straffrei gestellt werden, und wenn sich auf der anderen Seite die Apparate sozusagen untereinander amnestieren, wenn Menschen, die mit kriminellen Mitteln für kriminelle Auftraggeber gearbeitet haben, straffrei gestellt werden sollen, dann zeigt das ein verkommenes Rechtsbewußtsein, daß mir wirklich unverständlich ist.
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Das reiht sich in eine Linie mit Ihrem seinerzeitigen Amnestie-Entwurf für Steuerhinterzieher. Ich kann nur sagen: Amnestie muß man entweder ehrlich meinen - dann hat das eine Befriedungsfunktion gerade für die, die individuell und nicht im Auftrag von kriminellen Machthabern für Frieden und anderes gekämpft haben - , oder man läßt es bleiben; denn so wird unsere Rechtsordung ausgehöhlt. - Das ist sowieso schon ein Stück weit der Fall.
Eines noch zur SPD: Mit der Zustimmung heute im Vermittlungsausschuß zu den Sicherheitsgesetzen ist ein Stück Ihrer Argumentation hier heute unglaubwürdig geworden;
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denn das heißt, daß die Bürger der DDR genau das, wogegen sie sich wehren und wogegen auch wir uns wehren, nämlich Überwachung, Bespitzelung, Austausch von Akten der Dienste untereinander, mit der Übernahme dieses Gesetzes auf DDR-Gebiet, die ja schon beschlossen ist, wieder bekommen. Das finden wir traurig.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in eindrucksvoller Weise demonstriert bekommen, daß man in fünf Minuten mehr leichtfertige üble Nachrede betreiben als widerlegen kann,
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mehr Verdächtigungen in haltloser Weise ausstreuen als widerlegen kann.
Der Staatssicherheitsdienst war in der DDR eine schreckenerregende Organisation: 86 000 Mitarbeiter, 500 000 freie Mitarbeiter, bezahlte Mitarbeiter; jeder weiß, was das bedeutet, in welcher Weise man Emotionen berührt, wenn man mit dem Stasi-Thema, ob es die Akten sind, ob es Mitarbeiter sind, umgeht.
Ich frage mich, Herr Kollege Lutz - damit meine ich Sie persönlich - , wie leicht Sie es sich eigentlich machen, hier mit diesen Emotionen zu spielen und sie zum Gegenstand von Wahlkampfargumentationen zu machen. Ich kann das überhaupt nicht begreifen. Ich finde das sehr schade.
Wir haben - ich will zu dem Thema selber sprechen: Gibt es Mitarbeiter, die unsere Dienste einstellen? - sehr frühzeitig in allen Gremien, auch in der Parlamentarischen Kontrollkommission, erklärt und darauf hingewiesen, daß es völlig unakzeptabel wäre, wenn ein Dienst der Bundesrepublik Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes beschäftigte. Wir haben bei all diesen Fragen die klare Erklärung bekommen - an der wird die Bundesregierung auch festhalten, und ich habe keine Veranlassung anzunehmen, daß sie davon abweicht - , daß es eine solche Mitarbeit nicht gibt. Ich will hier für meine Fraktion wiederholen, daß es von diesem Grundsatz mit unserem Wissen und Wollen kein Abweichen geben darf und kein Abweichen geben wird. Wir würden unsere Dienste, unsere Rechtsordnung in einer Weise diffamieren, wie sie nicht wiedergutgemacht werden kann.
Es gibt zwei Grenzgebiete, über die man reden muß. Wenn man also in den fünf Ländern der Noch-DDR einen Verfassungsschutz aufbauen will, dann möchte ich natürlich wissen, wie Sie dabei sicherstelDr. Hirsch
len, daß unter den Mitarbeitern, die Sie dafür anwerben, keine sind, die bisher schon tätig waren. Stellen Sie sich eine Regelanfrage vor? Wollen Sie die Akten des Stasi dafür auswerten? Wie wollen Sie das machen? Ich glaube, das ist ein Punkt, bei dem man sicher sein muß, daß hier nicht leichtfertig - nicht wissentlich, sondern unwissentlich - Leute beschäftigt werden, die in diesem Bereich nun wirklich nichts zu suchen haben.
Der zweite Punkt betrifft das Abschöpfen von aufkommenden Nachrichten. Wenn jemand kommt und sagt: „Herr Lehrer, ich habe eine tolle Information für Sie", dann gibt es natürlich wenige Nachrichtendienstler, wenige Polizeibeamte und auch ganz wenige „normale" Menschen, die dieser Versuchung widerstehen würden. Es ist schwierig, seinem Informationsbedürfnis nicht nachzugeben, wenn einer kommt und sagt: Ich weiß was, ich habe eine Information für Sie. Soll ich Ihnen mal was sagen? - Also, gut. Wenn einer dasitzt wie Bolle auf dem Milchwagen und jemand kommt und gibt eine Information,
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dann kann ich verstehen, daß man eine solche Information entgegennimmt.
Wir haben heute im Innenausschuß gehört, daß dafür gelegentlich auch ein Entgelt geleistet wird. Das würde ich dann nicht beanstanden, wenn es sich dabei um Informationen über die Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes in der Bundesrepublik handelt, um so Dingen auf die Spur zu kommen, die uns bisher nicht bekannt waren. Ich zögere, Herr Staatsminister, wenn gesagt wird: Es kann natürlich auch sein, daß der eine oder andere mal sein Gedächtnis auffrischt, also versucht, mal zurückzutelefonieren und nachzufragen, ob da noch irgend etwas ist. Wenn Sie diesen Weg gehen, dann wird die Unterscheidung zwischen dem Entgegennehmen von Informationen - was in Ordnung ist und von uns nicht beanstandet würde - und der vorsätzlichen, gezielten Benutzung solcher Quellen sehr schwierig. Wenn Sie diese Unterscheidung nicht glasklar, klipp und klar vornehmen und einhalten, werden Sie damit Schiffbruch erleiden.
Ich will also für unsere Fraktion noch einmal festhalten: Es darf kein bewußtes und gewolltes Zusammenarbeiten mit früheren Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes geben. Wir werden in keiner Weise irgendeine Nähe dulden und verlassen uns darauf, daß das auch die Position der Bundesregierung ist und bleibt.
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Das Wort hat der Staatsminister Dr. Stavenhagen.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Bis zu dem Beitrag des Kollegen Lutz war mir eigentlich nicht klar, was die Opposition mit dieser Aktuellen Stunde bezweckt. Seitdem der Kollege Lutz gesprochen hat, ist mir das klar: Es geht um Wahlkampf
in Brandenburg und nicht um Aufklärung von Fakten hier.
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Zunächst einmal möchte ich diese Gelegenheit nutzen, hier deutlich darauf hinzuweisen, daß ich es unerträglich finde, wenn unsere Dienste, die legitime Instrumente des demokratischen Staates sind und einer parlamentarischen Kontrolle unterliegen, die international vorbildlich ist, ständig mit einem Repressionsapparat gleichgesetzt werden, wie er in der DDR vorherrscht. Dies ist unerträglich!
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- Der Kollege Häfner hat das in vielen seiner Beiträge hier anklingen lassen.
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- Ja, ich habe den Kollegen Häfner zitiert, der das in seinem Beitrag hier gesagt hat.
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Ich sage aber auch, daß dieser Eindruck in der Öffentlichkeit, in der Presse wiederholt erweckt wird, und das finde ich unerträglich.
Daß die Opposition versucht, die Regierung zu kritisieren, ist ihr legitimes Recht. Daß sie dabei ständig auf den Mitarbeitern der drei Dienste in unerträglicher Weise herumhackt, ist nicht in Ordnung.
({4})
- Durch ihre Anschuldigungen - Herr Kollege Lutz hat ja von Satire und vielen anderen Dingen gesprochen - werden die Mitarbeiter der Dienste, die es schwer genug haben, in unerträglicher Weise benachteiligt. Ich finde das nicht in Ordnung.
({5})
Ich will konkret sagen
({6})
- einen Moment, Herr Kollege; seien Sie ganz ruhig - : Erstens. Wir haben schon im Februar, als die alte Regierung in der DDR noch am Ruder war und wir von den ersten freien Wahlen noch ein gutes Stück weg waren, einen erheblichen Teil der Aufklärung mit nachrichtendienstlichen Mitteln in der DDR eingestellt. Wir haben im Frühjahr den Rest eingestellt. Es ist nicht so, daß Sie das nicht wüßten; denn ich habe dazu nicht nur in der Parlamentarischen Kontrollkommission, sondern auch bei vielen anderen Gelegenheiten wiederholt Stellung genommen. Das ist eingestellt worden.
Umgekehrt allerdings haben wir sehr berechtigten Grund zu der Annahme, daß es hier Aktivitäten bis in die jüngste Zeit gab.
({7})
- Von der DDR in unsere Richtung. In welcher Weise, auf welche Aufträge und welche Befehle sich die Leute jeweils gestützt haben, ist etwas anderes.
Zweitens. Ich will gerne noch einmal das aufgreifen, was Kollege Hirsch mit großem Ernst vorgetragen hat. Ich teile uneingeschränkt seine Einschätzung - und wir haben dafür gesorgt und werden auch weiter dafür sorgen -, daß eine Einstellung von ehemaligen Mitarbeitern des Stasi oder vergleichbarer Dienste in unsere Dienste unerträglich wäre. Das wird nicht vorkommen.
Sie haben zwei Punkte angesprochen, nämlich einmal: Wie wird es mit den Landesämtern, wenn sie in der DDR errichtet werden? Natürlich werden die Länder das dort in ihrer Verantwortung tun. Aber im Sinne der engen Zusammenarbeit und der, glaube ich, sich sehr vertrauensvoll entwickelnden Zusammenarbeit dann auch mit den Ländern werden wir diese Position dort natürlich sehr deutlich machen. Ich habe überhaupt keinen Grund zu der Annahme, daß dieses Thema in den neu zu gründenden Ländern in der DDR anders gesehen wird. Für Bundesbehörden - das unterstreiche ich noch einmal mit großem Nachdruck - und für die Landesbehörden werden wir im Wege der Zusammenarbeit sicherstellen, daß es eine gleiche Regelung gibt.
Dann haben Sie in der Tat einen schwierigen Punkt angesprochen, nämlich: Wie ist es mit der Abschöpfung? Ja, es ist richtig - auch das ist nicht neu -, daß wir Informationen, die den Diensten von menschlichen Quellen, von Überläufern und anderen, zugänglich gemacht worden sind, natürlich genutzt haben. Wir hätten unsere Pflicht verletzt, wenn wir das nicht getan hätten.
Das hat dazu geführt, daß Verknüpfungen und Verwicklungen, die ich ganz unerträglich finde, mit dem internationalen Terrorismus deutlich geworden sind. Das hat dazu geführt, daß eine erhebliche Zahl von ehemaligen Agenten entdeckt und auch entsprechende Maßnahmen ergriffen werden konnten. Das hat dazu geführt, daß uns das ganze Ausmaß der Bespitzelung von Bundesbürgern, von dem wir im Grundsatz natürlich wußten, einmal deutlich wurde. Wir wußten das im Grundsatz, konnten uns aber nicht vorstellen, daß die blinde Sammlungswut so weit ging daß es nicht ein paar Tausende, sondern Millionen von Akten sind. Das betrifft nicht nur Politiker und Spitzenbeamte, sondern das ist ja breit gestreut in viele Bereiche des öffentlichen, aber auch des Wirtschaftslebens. Das ist unerträglich. Das haben solche Gespräche mit Menschen von drüben, die ihre Informationen angeboten haben, ergeben. Das ist ganz wichtig. Daraus konnten wir Schlüsse ziehen, die für die Zukunft wichtig sind.
Wenn hier schon Wahlkampf gemacht werden soll, hoffe ich doch, daß diese Aktuelle Stunde wenigstens dazu beiträgt, daß Sie von diesem Platz aus wirklich auch entgegennehmen: Erstens. Wir haben jegliche
nachrichtendienstliche Tätigkeit mit nachrichtendienstlichen Mitteln in der DDR eingestellt, und zwar im Frühjahr und nicht erst jetzt. Zweitens. Die Dienste stellen niemand ein, der in der Stasi tätig war. Drittens. Unsere Dienste unterscheiden sich fundamental vom früheren Repressionsapparat der DDR. Sie sind legitime Kinder der Demokratie unter parlamentarischer Kontrolle, unter klarer Aufsicht. Wir sollten diese klare Unterscheidung auch im Interesse der Mitarbeiter dieser Dienste einmal zur Kenntnis nehmen.
({8})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Sonntag-Wolgast.
Herr Präsident! Meine Kollegen und Kolleginnen! Sowohl bei Herrn Stavenhagen als auch bei Herrn Laufs habe ich den zwingenden Eindruck, daß sie sich auf eine andere Rede seitens der SPD eingestellt hatten und so leider gegen ein Phantom anargumentieren mußten.
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Zur Sache. In einem Interview mit dem „Neuen Deutschland" sagte Peter-Michael Diestel Anfang August - ich zitiere und wünsche Ihre Aufmerksamkeit - : „Es gibt Politiker in diesem Lande, die sehen hinter jedem Gullydeckel, der etwas schief liegt, ein Stasi-Büro und intakte Leitungen. " - So weit - so gut. Wer wollte zu solch einem flotten Satz nicht nikken, denn wir alle wollen zwar sachliche Aufarbeitung der Vergangenheit, aber eben keine Hysterie.
Jetzt aber betreibt der Herr Diestel selber eine Panikmache mit ganz anderen Vorzeichen. Er sagt, immer noch seien Agenten des BND in der DDR aktiv. Von Angst vor jedem schiefen Gullydeckel ist plötzlich nicht mehr die Rede. Die Kommentare der Bundesregierung sprachen eigentlich für sich. Von „stimmt nicht" bis „Unsinn" spannte sich der Bogen. Heute war der Herr Stavenhagen in der Wortwahl sehr viel dezenter.
Man könnte, meine ich, den Diestel-Ausspruch als Ausrutscher auf dem glatten Parkett der Profilsucht abtun, aber dafür ist die Sache leider zu ernst, meine Damen und Herren; denn dieser Noch-Minister der DDR schielt nicht nur nach dem Sessel des Ministerpräsidenten von Brandenburg, sondern er ist in seiner jetzigen Funktion - wohlgemerkt - für Aufklärung und nicht für Vernebelung zuständig. Er sollte lenken, aber es scheint, er läßt sich eher lenken, vor allen Dingen von seinen persönlichen Ambitionen.
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Wenn seine Position wackelt, dann hat er schnell eine spektakuläre Meldung aus dem Bereich innere Sicherheit bereit, wie wir es sattsam kennenlernen mußten. Seine Aufgabe aber wäre es - daher komme ich auf den Punkt zu sprechen, Herr Laufs - , behutsam, aber deutlich Signale für eine gründliche Reform des Verwaltungsapparats in einem freiheitlichen Rechtsstaat zu setzen. Ich sage das auch mit Rücksicht auf all
diejenigen, die jetzt in den Behörden der DDR um ihre Arbeit und ihre Zukunft bangen.
Auf erfahrene Mitarbeiter des heutigen öffentlichen Diensts der DDR können und wollen wir ja nicht verzichten, aber wir wissen auch, daß längst nicht alle dauerhaft weiterbeschäftigt werden. Der Staat kann in Zukunft nur dann Vertrauen für eine bürgernahe, humane und leistungsstarke Verwaltung schaffen, wenn er - etwa bei der Entscheidung über Entlassungen - fair und streng rechtsstaatlich vorgeht. Statt für all dies wichtige Vorarbeiten zu leisten, tobt sich Herr Diestel auf den falschen Kriegsschauplätzen aus.
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Daß er mangels Ortskenntnis bei den Bayreuther Festspielen mit seinem Hubschrauber auf dem falschen Platz landete, mag nicht so schwer wiegen,
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wohl aber seine unseriösen Behauptungen zu den Aktivitäten des BND und die Beispiele einer höchst umstrittenen Personalpolitik. Das alles wiegt schwer. Seine BND-These ist offenbar nichts weiter als der naßforsche Versuch, von eigenen Versäumnissen abzulenken. Diestel macht - das wissen wir - Verbeugungen vor den alten Apparatschiks der unseligen verflossenen Ära,
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statt im Sicherheitsapparat seines Ministeriums wirklich aufzuräumen. Mit Feuereifer und beschönigenden Worten stellt sich Diestel vor ehemalige SED- und Stasi-Mitarbeiter. Bei der Einlösung seines Versprechens, überkommene Strukturen und Apparate zu zerschlagen, zeigt er nur gebremsten Tatendrang.
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So traurig ist es.
Auch nach ernsthaften Versuchen, etwa den Polizeiapparat zu demokratisieren und jungen Ministerialen oder Polizisten Aufstiegschancen zu eröffnen, forscht man vergeblich. Der Innenminister übt sich in Eiertänzen und kalkulierten Medienauftritten, nicht aber, was bitter nötig wäre, in der Kunst der Vertrauenswerbung für einen öffentlichen Dienst, mit dem sich die Bürger der DDR nach 40 Jahren schlimmer Erfahrung endlich anfreunden könnten.
Eine Schlußbemerkung. Die „Süddeutsche Zeitung" notiert über Diestel - ich zitiere - : „Er verkörpert, von seinem unbändigen Ehrgeiz einmal abgesehen, ein ziemlich typisches Stück DDR." - Das ist wohl wahr. Aber, meine Damen und Herren, es ist genau das Stück DDR, von dem wir im geeinten Deutschland wirklich nichts mehr wissen wollen. Wir wollen nichts mehr von dieser trüben Mischung aus Doppelzüngigkeit und nur vorgetäuschtem Erneuerungsdrang wissen. Das brauchen wir nicht, das wollen wir nicht - weder im Westen noch im Osten.
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Nun erteile ich dem Abgeordneten Fellner das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die SPD von vornherein vorhatte, über das Thema zu reden, über das sie jetzt redet, war die Anmeldung des Themas natürlich völlig falsch. Ich wiederhole, unter welchem Stichwort Sie eine Aktuelle Stunde beantragt haben: „Angebliche Verpflichtung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter durch den BND oder andere Dienste der Bundesrepublik Deutschland. "
Diestel hat sich nie und nimmer zu der Frage geäußert, ob wir ehemalige Mitarbeiter des MfS in irgendeiner Form verpflichtet hätten. Dazu hat Diestel überhaupt nichts gesagt.
({0})
Wenn Sie diese Diskussion vorhatten, hätten Sie ein anderes Thema wählen müssen. Dann hätten wir uns gern damit auseinandergesetzt. Die Tatsache, daß Sie diese Überschrift gewählt haben, bestärkt mich in der Auffassung - ich sage das in aller Härte -, daß Sie doch die hinterhältige Absicht hatten, eine Verbindung herzustellen zwischen dem MfS in der DDR und Nachrichtendiensten in der Bundesrepublik Deutschland,
({1})
nach dem Motto, als ließe die Katze das Mausen nicht und übernähmen unsere Nachrichtendienste nahtlos Experten und Fachleute, die drüben in verbrecherischer Art und Weise einem Regime gedient und es gestützt haben, die uns wirtschaftlich geschadet haben, die Menschen ans Messer geliefert haben.
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Das unterstellen Sie in dem Titel.
Wenn Sie jetzt Wahlkampf in Brandenburg machen wollen, sind wir zur Not auch dabei, obwohl es für uns im Deutschen Bundestag eigentlich Wichtigeres zu tun gäbe. Herr Diestel wird nichts dagegen haben, wenn Sie ihn so ernst nehmen, daß Sie den Versuch, ihm etwas ans Bein zu schmieren, zum Anlaß für eine Aktuelle Stunde nehmen. Er wird nichts dagegen haben, sondern vielmehr registrieren, daß er als Ministerpräsidentenkandidat in Brandenburg wohl durchaus sehr ernst zu nehmen ist.
Es ist wirklichlich traurig, eine Aktuelle Stunde zu beantragen, die immerhin den Anspruch auf Aktualität erhebt, wenn man heute im Innenausschuß unter Tagesordnungspunkt 8 genau dieses Thema besprochen hat. Natürlich waren die GRÜNEN nicht dabei. Das ist ja auch nicht so wichtig; wenn man das Geschäft anderweitig betreibt, kann man auf Informationen jederzeit gut verzichten.
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- Passen Sie auf, der Diestel hat davon gesprochen, daß immer noch Agenten in den Ministerien der DDR sitzen. Daß die Leute sich nicht dadurch, daß wir ihnen keinen Auftrag mehr geben und veranlassen, daß sie
nicht mehr tätig sind, sofort in Luft auflösen können, ist möglicherweise auch Ihnen einsichtig. Ich glaube, der Vorgang ist so klar und so eindeutig geklärt, daß er uns überhaupt nicht im Grundsatz, geschweige denn aus Aktualitätsgründen hier die Zeit stehlen sollte.
Eine Frage bleibt natürlich, nämlich in welcher Form wir uns im Detail mit den Schwierigkeiten beschäftigen, die mit der grundsätzlichen Entscheidung zusammenhängen. Der Kollege Hirsch hat dazu einiges angemerkt. Man könnte das um die Frage ergänzen: Wie ist es eigentlich mit Doppelagenten, falls wir, was ich gar nicht zu hoffen wage, wirklich BND-Leute im MfS oder bei der Stasi gehabt haben sollten? Wie ist dieses Thema zu behandeln?
Ich werfe dem Kollegen Hirsch vor, daß er durch den Versuch einer differenzierenden Diskussion diese Aktion der SPD, die sie vorhatte, in unanständiger Weise aufgewertet hat.
Wir sollten das Thema durchaus ernsthaft untereinander diskutieren. Aber in dieser Form ist die SPD als Gesprächspartner für dieses Thema wirklich nicht geeignet.
Ich meine, die einzige Frage, die dann noch bleibt, ist die: Wo sind die Agenten, die gegen uns tätig gewesen sind? An welcher Stelle sitzen die? Das ist völlig unabhängig von der Frage, wie wir diese Personen strafrechtlich behandeln. Das ist ein Sonderthema.
Unabhängig davon möchte ich auf jeden Fall nicht, daß Leute, die jahrelang gegen uns spioniert haben, die - ich sage es noch einmal - Menschen ans Messer geliefert, ein verbrecherisches Regime an der Macht gehalten und uns unendlichen wirtschaftlichen Schaden zugefügt haben, an der Stelle sitzenbleiben können, wo sie jetzt sitzen.
Diese Frage bleibt unabhängig von aller strafrechtlichen Würdigung auf jeden Fall zu prüfen. Deshalb ist es gerechtfertigt, daß unsere Dienste natürlich mit den zur Verfügung stehenden Methoden versuchen, Einblick in die Strukturen dieses Regimes, in die Arbeitsweisen und auch in die personellen Verflechtungen des MfS zu gewinnen.
Es ist kein Anlaß für diese Aktuelle Stunde gegeben. Die Art und Weise, wie Sie es machen, rechtfertigt den Verdacht, daß es Ihnen in Wirklichkeit um unanständige Dinge geht. Ich bedaure dies persönlich.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Vollmer.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute morgen deswegen nicht im Innenausschuß sein können, weil ich gestern in der Normannenstraße bei den Besetzern war, mit denen ich diskutiert habe und die übrigens heute in den Hungerstreik getreten sind.
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Ich glaube, auch mancher schnelle Witz in dieser Diskussion würde Ihnen im Halse steckenbleiben, wenn Sie sich auch einmal auf dieses Gelände begäben. Es ist ein ungeheuer erschreckender Eindruck, den allein dieses Gelände vermittelt. Die Vorstellung, daß sich darin 160 km Akten mit höchstpersönlichen Daten befinden, vermittelt den Eindruck, daß da alle Phantasien des perfekten technischen Zugriffs auf das Leben von Menschen verwirklicht worden sind. Das hat etwas Faschistoides an sich.
Wenn man das sieht und sich die Situation von Menschen vorstellt, die wissen, daß ihre Akten da drin sind, dann weiß man, daß allein ein solches Gebäude mit diesem Inhalt eine unheimliche Angst hervorruft. Allerdings ruft es nicht nur Angst hervor, sondern auch Neugier. Die Angst ist bezogen auf diese Akten und ihren Inhalt, weil der Mensch darin in einer Nacktheit abgebildet ist, die, verbunden mit der Niedrigkeit der Beobachtung von sich selbst, schlecht auszuhalten ist.
Das ist ja offensichtlich auch der Grund, warum es, seitdem wir nun wissen, daß auch Politikerakten aus der Bundesrepublik und Akten von Bundesbürgern darin sind, das große Bestreben gegeben hat, das doch ganz dicht zuzumachen. Es hat Anweisungen vom Innenministerium gegeben, daß Akten, die hier angeboten würden, einfach vernichtet werden, was so überhaupt nicht geht. Es gab Versuche, mit diesem Archiv ähnlich umzugehen wie mit dem Document Center. Aus dem Verschließen dieser NS-Akten ist aber ein fauler innerer Friede geworden. Das zeigt eine gewisse Feigheit im Umgehen mit diesem Problem. Das kann kein Vorbild sein.
Dann gibt es auf der anderen Seite die Neugier. Die Neugier hat natürlich mit Herrschaftsinteresse zu tun, die Neugier an diesen Akten, die Neugier an ihren Informationen und auch die Neugier an den Informanten. Es ginge um die „Gewinnung von Erkenntnissen", heißt es, und Einstieg soll der Zugriff auf Erkenntnisse über den Terrorismus sein. Da sage ich aber ganz deutlich: Im übrigen ist bekannt, daß das BKA schon längst die Akten herausgeholt hat. Und Herr Diestel hat sich immer ganz gezielt dieser Akten bedient, wenn seine politische Lage schwierig war.
Ich glaube, es gibt nur eine wirkliche Lösung. Die Angst der Menschen kann man nur bändigen, wenn man die Neugier der Dienste bändigt.
({1})
Deswegen sage ich ohne jeden Vergleich zwischen MfS und Verfassungsschutz: Nachdem die DDR-Bürger die Stasi entmachtet haben, wäre es angebracht, daß auch wir uns überlegen, daß man in einer Demokratie keinen Verfassungsschutz braucht.
({2})
- Das ist kein Vergleich. Vielmehr geht es um die Grundlage von Demokratie und um die Bändigung der Angst von Menschen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Lüder.
Herr Präsident! Frau Kollegin Vollmer! Es ist ein wichtiges Thema, das Sie angesprochen haben und das heute auch Gegenstand der Regierungsbefragung war, nämlich das Thema, was und wie die Einigung hinsichtlich der Stasi-Akten aussieht. Wir haben es begrüßt, daß die Bundesregierung mit der Regierung der DDR darüber redet und uns im Innenausschuß auch zugesagt hat, daß wir das Protokoll darüber bekommen, bevor es unterschrieben wird; denn wir brauchen hier ein Konsensprinzip, da können wir nicht einfach darüber hinweggehen. Wenn manche in gutem Willen und in guter Absicht in den Einigungsvertrag aufgenommene Formulierung drüben mißverständlich angekommen ist, dann muß in dem Briefwechsel Klarheit geschaffen werden. Das wird auch so geschehen.
Das aber ist nicht das Thema der heutigen Aktuellen Stunde. Das Thema der Aktuellen Stunde sollte meines Erachtens auch nicht sein, daß wir Dienst und Dienst vergleichen; das haben Sie nicht getan, das will ich Ihnen auch nicht vorwerfen. Wir sollten aber auch Dienst und Dienst nicht im gleichen Atemzug nennen, weil Welten die Dienste voneinander trennen. Ich meine - das möchte ich zur Rede von Herrn Lutz noch nachtragen - , daß wir unterscheiden müssen im Hinblick auf das, was Kontrolle von Regierungstätigkeit heißt. Das ist eine Aufgabe, der wir uns alle verpflichtet sehen, die Opposition traditionellerweise vielleicht etwas mehr als die Regierung; aber Kontrolle ist unsere Aufgabe.
Zwischen Kontrolle und Aufnahme oder Echo für Vorwürfe, für Verdächtigungen oder für unbegründete Anwürfe ist für mich eine Grenze. Diese Grenze, Herr Lutz, haben Sie leider überschritten,
({0})
indem Sie hier Echo für das gegeben haben, was unterstellt wurde.
Ich freue mich - das darf ich ganz persönlich sagen - , daß der Kollege Diestel nicht Kollege im Deutschen Bundestag wird. Das erleichtert uns hier manches.
({1})
- Das war eine persönliche Bemerkung. Die werde ich wohl noch machen dürfen. Der Wahlkampf in Brandenburg muß in Brandenburg geführt werden. Wir brauchen uns hier mit Herrn Diestel genauso wenig auseinanderzusetzen, wie wir uns mit Herrn Stoiber auseinandersetzen. Sonst würde ich Ihnen empfehlen, Renate Schneider zu wählen, weil dann die FDP im Landtag von Brandenburg durch die Fraktionsvorsitzende Schneider für Vernunft sorgen wird.
- Das zu Brandenburg.
Jetzt zur Sache und zu dem, worum es hier geht. Ich halte es wirklich für wichtig, daß wir nicht Verdächtigungen streuen, daß wir nicht Verdächtigungen als Echo aufnehmen. Hier ist Schlimmes gesagt worden. Ich erinnere an den Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen" vom Montag, in dem Herr Reuth berichtete, was alles an Echo kam, was am Montag möglicherweise hätte im „Spiegel" stehen können und wie man dem nachgehen könnte. Damit sind wir in einer ganz
kritischen Phase, weil jeder jedem mißtraut. Wir sollten wenigstens sagen, daß wir jeder Frage nachgehen, aber nicht jedes Gerücht von uns aus weiterverbreiten dürfen.
Nach der dankenswerten Klarstellung durch Herrn Stavenhagen über das, was unsere Dienste tun und nicht tun - ich begrüße das, was Sie gesagt haben -, habe ich die Bitte, daß Sie auch bei der Bewertung dessen vorsichtig sind, was Ihnen die Informanten aus diesem Dienst geben. Die eigene Tätigkeit, das eigene kriminelle Verhalten muß die Zeugenaussage beeinflussen. Hier bitte ich sehr vorsichtig zu sein, wenn wir schon das aufnehmen, was wir zum Teil hören müssen. Glauben Sie bitte nicht sofort, sondern werten Sie sehr, sehr kritisch, mehr als bei dem, was wir sonst aus anderen Quellen erfahren.
Danke.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße außerordentlich, daß Herr Lüder eben persönlich bemerkt hat, er sei froh, daß der Herr Diestel als gegenwärtig amtierender CDU-Innenminister der DDR nach der Vereinigung dem Bundestag nicht angehören wird.
Ich glaube, es ist notwendig, in dieser Aktuellen Stunde einmal auf das hinzuweisen, was mit der Person des Herrn Diestel auch noch in diesen Tagen im Innenministerium der DDR verbunden ist. Wenn man die neuesten Meldungen liest, etwa was die 6 000 Offiziere angeht,
({0})
dann kommt man zu dem Schluß, daß es schon wichtig ist, hier darüber zu reden. Es wäre auch gut, wenn Sie klare Antworten gäben. Im übrigen bitte ich darum, genau zuzuhören. Der Kollege Lutz hat nichts behauptet. Sie haben ganz anders reagiert. Sie mußten natürlich von der eigentlichen Thematik ablenken.
({1})
Das ist Ihnen sicherlich nicht gelungen.
Tatsache ist, Herr Kollege Laufs, daß kein Tag vergeht, ohne daß in der Presse über die unglaublichen kriminellen Aktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit berichtet wird. Die Pflege und die Unterstützung gefährlichster und skrupellosester Terroristen von rechts und links, Mordanschläge auf ehemalige DDR-Bürger in der Bundesrepublik und die Überwachung eines ganzen Volkes sind nur einige der bisher bekanntgewordenen Untaten. Diejenigen, die das politisch zu verantworten haben, sind aus ihren Amtern in der DDR entfernt worden. Ihre Handlanger aber, die willfährigen und diensteifrigen Mitarbeiter, sind noch da. Sie haben Einfluß, und sie nutzen ihn tagtäglich. Sie verwischen die Spuren ihrer Verbrechen. Sie manipulieren. Sie lassen ganze Aktenberge verschwinden. Das geschieht Tag für Tag unter den Augen des politisch verantwortlichen DDR-Innenministers Diestel.
Es geht hier nicht um die Frage - auch das will ich hier ganz deutlich sagen -, ob der Bundesnachrichtendienst ehemalige Stasi-Mitarbeiter bei sich angestellt hat; davon hat hier keiner gesprochen. Es geht aber um die Frage, ob der Bundesnachrichtendienst den ehemaligen Stasi-Mitarbeitern, die dem Bund ihr Wissen anbieten - das haben etliche getan -, dabei hilft, sich einer gerichtlichen Klärung ihrer teils kriminellen Taten zu entziehen. Sie haben versucht, eine Antwort zu geben; mich hat sie so in der Form nicht befriedigt.
Hier muß z. B. - das sage ich ganz deutlich - nach dem Verbleib des Stasi-Oberst Schalck-Golodkowski gefragt werden; er erfreut sich offensichtlich einer besonders fürsorglichen Behandlung durch den Bundesnachrichtendienst. Dieser Mann, der in große Geldmanipulationen zum Vor-, aber auch zum Nachteil der DDR verwickelt ist, erfreut sich, wie es scheint, des besonderen Schutzes des BND, aber auch der bayerischen CSU, Herr Fellner, zu der er in der Vergangenheit sehr engen Kontakt unterhalten hat.
({2})
Es darf nicht wieder so sein wie schon einmal in der deutschen Geschichte, daß man die Kleinen fängt und die Großen laufenläßt.
Die Geburtsstunde eines vereinten Deutschlands darf nicht mit neuen Ungerechtigkeiten belastet werden. Ehemalige Verantwortliche der Stasi der DDR haben in politischen Funktionen nichts mehr zu suchen, sie dürfen nicht durch Dienststellen der Bundesrepublik gedeckt und geschützt werden.
({3})
Es ist ein Skandal, Herr Kollege Fellner, wenn der DDR-Innenminister Diestel Stasi-Offiziere mit führenden Aufgaben in seinem Ministerium beauftragt.
({4})
Es ist ein schier unglaublicher Skandal, wenn z. B. der ehemalige Chef der Volkspolizei und zeitweise SED-Innenminister in der Modrow-Regierung, Lothar Ahrend, von Innenminister Diestel mit dem Aufbau des Bundesgrenzschutzes in der DDR beauftragt wird.
Der Umgang, Kolleginnen und Kollegen, mit der Stasi-Hinterlassenschaft, seien es die Akten oder die ehemaligen Akteure
({5})
- darüber können wir noch reden - , muß absolut korrekt und rechtsstaatlich sein. Nur dann werden unsere Bürger unseres bald vereinten Deutschlands wieder Vertrauen, insbesondere im anderen Teil, in der Noch-DDR, in die Organe der inneren Sicherheit gewinnen.
({6})
Bevor ich dem Abgeordneten Clemens das Wort gebe, möchte ich mit aller
Deutlichkeit einmal darauf aufmerksam machen, daß es durchaus sinnvoll wäre, wenn man sich auch an das Thema hielte, zu dem die Aktuelle Stunde beantragt worden ist.
({0})
Es gehört schon sehr viel Phantasie dazu, einen Sachzusammenhang mit dem Antrag der SPD-Fraktion „Angebliche Verpflichtung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter durch den BND oder andere Dienste der Bundesrepublik Deutschland" in den Beiträgen zu erkennen. Ich wäre wirklich dankbar, wenn wir entweder die Themen anders formulieren oder wenn man sich entsprechend verhält. Wenn dies in den weiteren Beiträgen berücksichtigt würde, wäre ich Ihnen sehr verbunden.
Ich erteile nun dem Abgeordneten Clemens das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich ganz herzlich für diesen Hinweis; ich wollte gerade noch einmal das Thema zitieren, um einmal darzulegen, daß hier insbesondere von der SPD - von den GRÜNEN sind wir nichts anderes gewohnt - am Thema vorbeigeredet worden ist.
({0})
Von den GRÜNEN sind wir in der Tat nichts anderes gewohnt. Frau Vollmer hatte nichts Eiligeres als das zu sagen, was wir aus Ihren Wahlkampfprogrammen seit vielen Jahren kennen, nämlich daß Sie bei uns hier die Dienste und den Verfassungsschutz abschaffen wollen.
({1})
Jeder weiß, daß wir diese Dienste und den Verfassungsschutz zum Schutz unserer freiheitlichen Demokratie brauchen.
Aber lassen Sie mich ein ganz ernstes Wort zur SPD sagen. Ich bin sehr enttäuscht, daß mein Fußballkollege Günter Graf, den ich persönlich sehr schätze, nun wirklich mißbraucht worden ist, um hier einiges vorzutragen.
({2})
Ich muß auch ganz offen sagen: Mich wundert nicht, daß z. B. der Kollege Penner, den ich von seiner Einstellung her auch sehr schätze, hier nicht redet. Hier wurden einige Leute vorgeschickt, um Verdächtigungen auszusprechen, bei denen Sie genau wissen, daß sie nicht haltbar sind.
({3})
Die Bundesregierung hat auf eine Anfrage der GRÜNEN über zig Seiten sehr deutlich erklärt, daß es keinerlei Zusammenarbeit mit dem Stasi gibt, daß es keine Einstellung gegeben hat und daß es in Zukunft keine geben wird. Eigentlich ist damit alles klar. Trotzdem nutzen Sie die Institution der Aktuellen Stunde, um da nachzubohren. Da kann ich wirklich nur sagen: Wie schwer ist es eigentlich bei Ihnen - Sie haben keine Wahlkampfthemen - , wie schlecht ist es eigentlich um Sie als Opposition bestellt?
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- Sie brauchen nicht abzuwinken; man spricht davon, Sie seien „zahnlos". Ich meine, Sie hätten überhaupt keinen Zahn mehr im Mund. Wenn man das hier heute hört, kann ich nur sagen: Es ist schlimm.
Ich muß noch einmal ganz deutlich sagen: Es ist eine Wahlkampfposse, und ich fühle mich als Bundestagsabgeordneter eigentlich auch mißbraucht, weil hier der Bundestag mißbraucht wird, nämlich letzten Endes für einen Wahlkampf, der in Brandenburg stattfindet. Sie sprechen von Herrn Diestel, reden nicht vom Deutschen Bundestag.
({5})
Kurzum, ich kann nur noch einmal sagen: Der Präsident hat recht. Sie haben hier ein Thema falsch gestellt und haben es obendrein nicht behandelt.
({6})
Lassen Sie mich eines sehr deutlich sagen - das soll dann der Abschluß sein - : Die SPD ist nun wirklich nicht die Partei, die sich hier als Kritiker und Ankläger aufspielen kann. Waren Sie es nicht, die jahrelang - auch als Opposition - mit der SED drüben zusammengearbeitet haben? Haben Sie nicht mit den Kommunisten ein gemeinsames Strategiepapier erstellt?
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Das ist doch die entscheidende Frage. Auf einmal machen Sie eine Metamorphose durch, und nun stellen Sie sich hier hin, als ob Sie niemals etwas mit dem real existierenden Sozialismus und mit den Kommunisten zu tun gehabt haben.
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Kurzum: Sie versuchen doch, hier einen gewissen Eindruck im Rahmen des Wahlkampfes zu schinden, obwohl die Bürger ganz genau wissen, was Sie seinerzeit geleistet haben. Ich erinnere nur an die Bilder, wo der Herr Honecker zusammen mit
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Ihrem Herrn Lafontaine abgebildet war. Beide haben sie die rechte Hand gehoben. Sie haben also etwas eigenartig dagestanden.
({10})
Ich wollte Ihnen nicht nur Ruhe verschaffen, Herr Abgeordneter, sondern eigentlich meinen Appell wiederholen.
Vielen Dank, Herr Präsident. Aber ich muß hier ganz ehrlich sagen: Man kann ja auf einen Zwischenruf antworten, aber man merkt, wenn plötzlich so viele Zwischenrufe erfolgen, ist es etwas schwierig, darauf zu reagieren.
({0})
Ja, ja, die SPD weiß schon, warum sie hier jetzt so schreit. Sie weiß ganz genau, daß sie mit diesem Thema wirklich nichts erreichen kann.
Ich sage noch einmal: Man muß wirklich von den Kollegen der SPD enttäuscht sein - die da eigentlich ganz anders denken, die zu den Institutionen der Polizei und unseren Diensten eine sehr vernünftige Einstellung haben - , daß sie sich heute im Deutschen Bundestag dafür hergeben, solche Verdächtigungen auszusprechen,
({1})
obwohl die Bundesregierung sehr deutlich erklärt hat, daß in dieser Frage überhaupt kein Problem besteht. Mit Stasi-Mitarbeitern gibt es keine Zusammenarbeit.
Danke schön.
({2})
Nun erteile ich dem Abgeordneten Wüppesahl das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Diestel, Innenminister der Deutschen Demokratischen Republik - jedenfalls noch - , hat in der „Bunten" gesagt, er wisse - Zitat - „daß noch immer Agenten des Bundesnachrichtendienstes in Ost-Berliner Ministerien sitzen". Wer glaubt in diesem Hause eigentlich, daß das nicht stimmt?
({0})
Das Haus ist ausgesprochen ruhig, Herr Abgeordneter.
Es glaubt jeder in diesem Haus, daß das stimmt. Das zeigt ja diese Reaktion. Der Kern dieses Themas - das brauchen wir doch nicht semantisch an den Worten der Aktuellen Stunde aufzuhängen - ist doch die Frage, ob der Bundesnachrichtendienst noch auf dem Gebiet der DDR tätig ist.
({0})
Und das ist er! Wir müssen feststellen, daß Sie ehemalige MfS-Angehörige - die Wortwahl „Stasi-Mitarbeiter" ist ein bißchen zu eng - gegen Honorar Informationen abliefern lassen und Sie diese auch verarbeiten. Wir haben gleichzeitig im Innenausschuß - nachdem wir Ihnen das heute morgen wirklich aus der Nase ziehen mußten - zur Kenntnis gebracht, daß Ihnen nicht klar ist, ob diese Informanten nicht z. B. Telefonanrufe in die DDR tätigen, natürlich um weitere Informationen zu bekommen, die sie dem Bundesnachrichtendienst geben. Ob sie ihre vorhandenen Kontakte in der DDR entsprechend nutzen, ob die kontakteten alten Kolleginnen und Kollegen aus der Stasi, aus einem anderen Bereich des MfS oder aus einem ganz anderen Bereich kommen, ist völlig gleichgültig.
Die Kernthese, die in dieser Aktuellen Stunde heute herausgearbeitet werden sollte, ist bestätigt: Der Bundesnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland ist auf dem Gebiet der DDR tätig.
({1})
Insofern bedaure ich auch außerordentlich, daß die SPD in ihren Wortbeiträgen keine einheitliche Linie hat. Das Thema heute ist wirklich nicht, auf Herrn Diestel herumzukloppen. Das kann man bei einer anderen Gelegenheit machen. Interessant ist dabei, daß die CDU ihren Parteifreund nicht abdeckt, sondern ihn selber kritisiert. Bei der SPD ist natürlich im besonderen zu kritisieren, daß sie gerade heute im Vermittlungsausschuß diesem Sicherheitsgesetzespaket zugestimmt hat, womit z. B. die hier debattierten Sachen abgesegnet werden, zu denen auch noch Rechtsgrundlagen gegeben werden sollen. Jedenfalls ist dieses Paket ohne wesentliche Änderung für die nächste Lesung des Bundestages aufbereitet.
({2})
Das Faktum - das ist das einzig Entscheidende - bleibt: Der Bundesnachrichtendienst ist auf dem Gebiet der DDR tätig.
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- Das ist nicht meine Behauptung; das sind Tatsachen. Wenn Informanten, denen vielleicht noch Appetit gemacht wird, besonders viel Geld zu erhalten, oder denen gesagt wird: Die nächste Prämie wird höher ausfallen!, aus der Bundesrepublik Deutschland in die DDR telefonieren, dann ist das wie im Auftrag des Bundesnachrichtendienstes. Dafür brauche ich kein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zu begründen. Es ist faktisch dasselbe.
({4})
- Ja, die drei Minuten sind um. Aber auf Grund der Qualität der Ausführungen - Sie sehen es ja - habe ich einen Nachschlag verdient.
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Ich bin sicher, daß das Ihre Meinung ist, aber es ist nicht die Meinung des Präsidenten. Deswegen wäre ich sehr dankbar, wenn Sie die Zeitvorgabe berücksichtigten und die Sache mit einem Schlußsatz beendeten.
Dann will ich keinen unnötigen Streit hervorrufen.
({0})
Die entscheidende Aussage bleibt bestehen: Der Bundesnachrichtendienst - Herr Stavenhagen, das haben Sie auch mit Ihren semantisch-rhetorischen Tricks nicht beseitigen können - ist auf dem Gebiet der DDR tätig.
({1})
Nun erteile ich dem Abgeordneten Lutz das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Clemens, ich muß Sie übrigens davon in Kenntnis setzen, daß mein Kollege Penner bis jetzt im Vermittlungsausschuß tätig war. Er ist dann unmittelbar hierhergekommen und hält es für unhöflich, in einer Debatte zu sprechen, an der er selber nicht von Anfang an teilgenommen hat.
({0})
- Ja, er hat Stil.
Genau darum geht es auch heute. Sehen Sie, Sie können nicht einmal mehr lesen. In der Bezeichnung des Themas der Aktuellen Stunde, die wir beantragt haben, heißt es: angebliche Verpflichtung. Wir haben es uns nicht zu eigen gemacht. Wir haben nachforschen wollen, welchen Wahrheitsgehalt die Behauptungen des Herrn Diestel haben.
({1})
Sie hatten völlig andere Manuskripte geschrieben und wußten nicht mehr, was Sie dazu zu sagen hatten.
({2})
- Das überlassen Sie bitte uns.
({3})
- Sie müssen lernen, zuzuhören und dann auf das vorgetragene Argument einzugehen; das ist Parlamentarismus.
({4}) Darauf kommt es an.
Was haben Sie gemacht? Sie haben einen Kunstgriff gemacht. Herrn Diestel konnten oder wollten oder durften Sie nicht verhauen. Dann haben Sie plötzlich alle Behauptungen Diestels bei der SPD abgeladen.
({5})
Keine einzige dieser Behauptungen haben wir uns zu eigen gemacht. Wir haben auch keinen Grund, uns die Behauptungen des Herrn Diestel zu eigen zu machen. Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe: Wenn wir dem Bundesinnenminister und dem Staatsminister Glauben schenken - das wollen wir durchaus tun - , dann wird Herr Diestel mit seinen Vorwürfen nur noch zwielichtiger. Es kam uns darauf an, dies einmal darzustellen.
({6})
Dieser Herr Diestel ist aber Ihr Parteifreund, nicht unserer. Unsere Dienste haben keine Stasi-Fachleute eingekauft. Der BND hat die Regierung de Maizière nicht ausgeforscht. Was um alles in der Welt hat Herrn Diestel dann veranlaßt, eine solche Behauptung in die Welt zu setzen?
({7})
Ich finde, es war gut, daß auch andere Merkwürdigkeiten der Arbeit des Herrn Diestel zur Sprache gekommen sind, die Rückschlüsse auf die Tätigkeit des Herrn zulassen.
Nun könnte man sagen, das Problem Diestel löse sich spätestens mit dem 3. Oktober. Das ist aber leider nicht der Fall. Deshalb war es so wichtig, daß wir heute und hier darüber gesprochen haben.
({8})
Auch die noch viel fesselndere Frage, was eigentlich Herrn Diestel veranlaßt haben könnte, solche Verdächtigungen in die Welt zu setzen - sei es auch nur aus wahltaktischen Gründen -, ist unbeantwortet geblieben.
Ich finde, Sie haben gut daran getan, daß Sie Herrn Diestel heute nicht verteidigt haben. Nicht ein einziges Wort der Verteidigung habe ich hier gehört. Ich weiß auch, warum; denn jeder, der Herrn Diestel heute voreilig einen Persilschein ausgestellt hätte, könnte das bei der skandalträchtigen Amtsverwaltung dieses Herrn schon morgen bereuen.
Deutschland ist weiß Gott ein schwieriges Vaterland, und der Einheitsprozeß wird uns mit Gewißheit noch viele Probleme bescheren, an die wir heute vielleicht noch gar nicht denken können. Um so wichtiger wird es sein, daß der Start des neuen geeinten Deutschlands nicht von Skandalen geprägt und verdüstert wird und daß er vom DDR-Innenminister nicht mit behaupteten Skandalen befrachtet wird. Darauf kommt es uns an.
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Nun hat der Abgeordnete Zeitlmann das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich wirklich, ob wir drei Wochen vor der deutschen Wiedervereinigung nichts Wichtigeres zu tun haben, Herr Lutz, als der Frage nachzugehen, ob Sie Ihren Wahlkampf aus Brandenburg in den Bundestag verlagern. Sie haben bei Ihrer ersten Einlassung hier im Hohen Haus im Zusammenhang mit dem Interview, auf das Sie Bezug nehmen, Formulierungen wie - ich habe es mir genau mitgeschrieben - „skandalös", „Affäre" gewählt.
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Dann sagen Sie: Im Grunde ist es gar nicht so gemeint, und wir glauben der Regierung, daß sie eigentlich keine Verpflichtung ehemaliger Stasi-Leute vornimmt. Ich möchte Sie schon bitten, zumindest zur Kenntnis zu nehmen, was Herr Diestel gesagt hat. Er sagt: Umgekehrt weiß ich aber auch, daß noch immer Agenten des Bundesnachrichtendienstes in Ost-Berliner Ministerien unentdeckt sitzen. - Jetzt muß ich Sie ganz dumm fragen. Ich unterstelle einmal, daß beide Seiten Agenten beim jeweils anderen hatten. Sie haben genau gehört, daß die Tätigkeit eingestellt wurde. Erwarten Sie denn jetzt im Ernst, daß der Bundesnachrichtendienst seine Leute aufdeckt und sagt: „Das waren einmal unsere?" Herr Diestel mag durchaus recht haben, die mögen dort noch sitzen. Entscheidend ist doch, ob sie nach wie vor tätig sind. Damit ist noch mit keiner Silbe Ihre Vermutung bewiesen, die Sie hier aufstellen, die Diestel gar nicht erhoben hat,
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daß jetzt der BND Leute des Stasi-Apparats verpflichtet habe. Für diese Behauptung sind Sie zumindest hier im Haus auch nur den Ansatz eines Beweises schuldig geblieben.
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Sie müßten, wenn Sie schon Wahlkampf hierher verlagern, dann auch eine Änderung der Geschäftsordnung herbeiführen, um bei solchen, ich muß sagen: wirklich beschämenden Veranstaltungen des Parlaments die Öffentlichkeit auszuschließen. So einen Unsinn glaubt doch niemand. Sie hören klipp und klar: Keine Seite will eine Einstellung und Verpflichtung dieser Leute.
Allerdings muß man - dazu stehe ich auch - das Wissen abschöpfen.
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Man hat in der DDR Terroristen ermittelt und hat sie überstellt, und es wäre ja ein Hohn, wenn man das Wissen, was der Apparat hat, nicht abschöpfen würde, wenn es einem angeboten wird. Für wie dumm will man unser Volk halten, wenn man nicht einmal das an Informationen will, was möglich ist?
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Eine Verpflichtung oder Einstellung gibt es nicht, das haben Sie deutlich gehört. Das wollen Sie nur nicht zur Kenntnis nehmen.
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Sie wollen hier Wahlkampf machen. Dafür, finde ich, ist das Hohe Haus weiß Gott nicht der geeignete Platz.
Herzlichen Dank.
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Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Aktuellen Stunde und gleichzeitig am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf morgen, Donnerstag, den 13. September 1990, 9 Uhr ein und wünsche Ihnen einen angenehmen Arbeitstag.
Die Sitzung ist geschlossen.