Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/26/1987

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Zusatzpunkt 7 der Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde Notwendige Konsequenzen aus der Raserei auf deutschen Straßen und aus der erschrekkenden Zunahme von Massenunfällen Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema verlangt. Interfraktionell ist Einvernehmen darüber erzielt worden, daß die Dauer der Aussprache in der Aktuellen Stunde auf 35 Minuten beschränkt werden soll. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weiss.

Michael Weiss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002462, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der letzten Woche hat der „Spiegel" unter dem Titel „Rennbahn Deutschland - Ein Volk fährt Amok" wegen der zunehmenden Raserei auf den deutschen Straßen Alarm geschlagen. Die Massenunfälle der letzten Zeit und die im letzten Jahr nach fünf Jahren des Rückgangs erstmalig wieder gestiegenen Zahlen von Verkehrstoten belegen deutlich, daß für die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag eigentlich Handlungsbedarf bestünde. ({0}) Man versucht jedoch meistens, sich selbst mit der fadenscheinigen Ausrede zu betrügen, man habe ja einiges erreicht, weil die Zahl der Verkehrstoten in den Jahren zuvor beständig abgenommen habe. Aber der Rückgang in den Jahren vor 1986 hat im wesentlichen zwei Ursachen: Die eine ist die Bußgeldandrohung für Gurtmuffel, und die andere ist die Verbesserung des Rettungswesens. Übrigens führen gerade das verbesserte Rettungswesen und die Fortschritte in der Medizin dazu, daß die Statistik verfälscht wird. Der schnellere Transport von Schwerverletzten ins Krankenhaus und die fortschreitende Kunst der Ärzte, den Tod um einige Wochen hinauszögern zu können, beschönigen die Zahl der Verkehrstoten. Wer nämlich nicht innerhalb von 30 Tagen an den Folgen eines Unfalls stirbt, wird überhaupt nicht als Unfalltoter gezählt. Die einzig sinnvolle Meßlatte des Verkehrssicherheitsstandards ist deshalb die Gesamtzahl der Unfälle, und diese ist in den letzten fünf Jahren kontinuierlich gestiegen. ({1}) Eine wesentliche Ursache dafür ist sicher die Geschwindigkeit. Diese hat sich auf den bundesdeutschen Autobahnen, wie der „Spiegel" zu berichten weiß, von 1981 bis 1986 im Durchschnitt von 121,6 auf 127,4 km/h erhöht, ({2}) also etwa um 5 %. In ihrer Vorlage zu einem europaweiten Tempolimit weist die EG-Kommission an Hand verschiedener Untersuchungen nach, daß eine Erhöhung der Geschwindigkeit um 1 % zu einer Zunahme der Zahl der Verkehrstoten um etwa 4 % führt. Die oben angeführte Erhöhung der Geschwindigkeit auf bundesdeutschen Straßen um rund 5 % hat also zu einer realen Zunahme der Zahl der Verkehrstoten um 20 % im gleichen Zeitraum geführt. Nur die höhere Gurtanlegequote und die bessere medizinische Versorgung verdecken in der Statistik diese Unfallopfer. Man kann es sich nicht so einfach machen. Mir erscheint es manchmal so, als ob die Bundesregierung das vermeintliche Recht aller Rennsäue im Straßenverkehr auf freie Entfaltung ihres Geschwindigkeitsrausches immer noch wichtiger nimmt als das Leben und die Gesundheit der übrigen Verkehrsteilnehmer. ({3}) In den Beratungen des Verkehrsausschusses haben die Koalitionsfraktionen die EG-Vorlage abgelehnt, obwohl diese nur ein relativ harmloses Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen und 90 km/h auf Landstraßen vorgesehen hatte. Alle Tatsachen, die die Notwendigkeit eines Tempolimits belegen könnten, werden konsequent ignoriert. Im Jahre 1986 hat es fast 9 000 Verkehrstote auf bundesdeutschen Straßen gegeben. Das, meine Damen und Herren, ist Gewalt, und zwar menschenverachtende Gewalt gegen Personen. ({4}) Da muß man auch einmal sagen: Solange die Bundesregierung nicht bereit ist, daraus die nötigen Konse1360 Weiss ({5}) quenzen zu ziehen, muß sie sich vorwerfen lassen, ein ungeklärtes Verhältnis zur Gewalt gegen Menschen zu haben. Meine Damen und Herren, wir GRÜNEN fordern ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf anderen Straßen. Das wäre ein echter Beitrag zur Verkehrssicherheit, weil eine solche Maßnahme ein gleichmäßigeres Tempo ermöglicht und viele Überholmanöver und Spurwechsel überflüssig macht, die sehr oft Anlaß zu Unfällen mit Personenschäden sind. Neben diesen Verkehrssicherheitsargumenten gibt es eine Reihe weiterer guter und wichtiger Argumente für ein Tempolimit. Dazu gehören die geringere Schadstoffbelastung der Luft - nicht nur unsere Wälder haben das dringend nötig - , weniger Verkehrslärm, geringerer Kraftstoff- und damit geringerer Energieverbrauch und nicht zuletzt eine verbesserte Konkurrenzfähigkeit der Deutschen Bundesbahn, die dann auch ohne teure, unwirtschaftliche und umweltunverträgliche Hochgeschwindigkeitsstrecken hinsichtlich der Reisezeit eine echte Alternative zum Auto darstellen könnte. ({6}) Eine gute Bahnpolitik ist immer noch die beste Verkehrssicherheitspolitik, die es gibt. Meine Damen und Herren, Herr Verkehrsminister, die Argumente sind klar und eindeutig. Es muß gehandelt werden. Tun Sie es, tun Sie es bald! Danke schön. ({7})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es muß als erstes festgestellt werden: Die Deutschen sind kein Volk von Rasern. Es besteht deshalb kein Anlaß, alle Kraftfahrer in unserem Lande zu diskriminieren. Die große Mehrheit unserer Verkehrsteilnehmer fährt verkehrsgerecht. Das hat der Großversuch 1985 gezeigt, in dem festgestellt wurde, daß die Durchschnittsgeschwindigkeit auf unseren Autobahnen 112 und bei den Pkws 128 km/h betrug. Wenn wir schon von Geschwindigkeit reden, sollten wir doch feststellen, worauf es ankommt, nämlich auf die angepaßte Geschwindigkeit. Sicher: Die Verbesserung der Verkehrssicherheit bleibt eine zentrale Aufgabe, sie ist eine Daueraufgabe, und sie hat auch bei uns einen hohen Stellenwert. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung betont, daß die Verkehrssicherheit weiter verbessert werden muß. Es muß aber auch deutlich herausgestellt werden: Dieser Bereich ist kein Feld für Ideologen, und dieser Bereich ist nichts für Aktionismus aus politischer Effekthascherei. ({0}) Meine Damen und Herren, es ist unbestreitbar, daß große Fortschritte im Bereich der Verkehrssicherheit erreicht werden konnten. Das war möglich durch eine gemeinsame Politik, das war möglich durch gemeinsame Anstrengungen. Hier haben auch unsere Verbände und die ehrenamtlichen Mitarbeiter in diesen Verbänden einen entscheidenden Anteil. Wir haben doch große Erfolge erzielt, daß wir von 1970 mit 19 200 Verkehrstoten bis 1985 auf 8 300 Verkehrstote heruntergekommen sind. ({1}) Ich sage auch: Trotz der Erfolge ist das Unfallgeschehen schrecklich. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt leider Raser. Die Raserei ist mit eine Hauptursache der schweren Verkehrsunfälle. Deshalb muß auch deutlich gemacht werden: Das Recht auf Raserei gibt es nicht. Wer Kraftproben auf dem Asphalt macht, handelt unverantwortlich. Diesen Rasern muß selbstverständlich das Handwerk gelegt werden, indem eine stärkere Überwachung durch die Polizei erfolgt, indem technische Überwachungen eingesetzt werden. Der Ahndungsrahmen muß stärker ausgeschöpft werden, und ich bin dafür, daß auch das Instrument des Fahrverbots stärker eingesetzt wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei dem Ruf nach einem Tempolimit, der immer wieder erklingt, muß doch einmal deutlich gemacht werden: Es ist ein Unsinn, wenn man behauptet, es gäbe auf deutschen Straßen die freie Fahrt. Auf 97 % unserer Straßen haben wir ein Tempolimit. Was die Sicherheit unserer Autobahnen anbelangt: Die Sicherheit auf deutschen Autobahnen hat einen hohen Stellenwert. Obwohl 27 % des Verkehrs auf deutschen Autobahnen abgewickelt wird, haben wir dort nur 4 % der tödlichen Unfälle. Tempolimit hat offenbar für manche den Rang eines Evangeliums. Für manche ist der Ruf nach Tempolimit die Alibifunktion für mangelndes Umweltschutzkonzept. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich immer wieder diese Forderung höre, dann muß ich doch feststellen, daß Schein und Wirklichkeit gerade bei denjenigen, die es lauthals fordern, weit auseinandergehen. Mancher, der es fordert, sollte sich an die eigene Brust klopfen, wie er denn auf Autobahnen fährt. Ich könnte einige Namen gerade von Kollegen der Opposition angeben, aber ich will mir das heute versagen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Nutzen einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf unseren Autobahnen ist noch nie bewiesen worden. ({2}) Aber die Nachteile haben wir alle schon erfahren, nämlich die Staus, die Unaufmerksamkeit, die dann zu gedankenlosem Fahren führt. Verbote, meine Damen und Herren, die nicht nötig sind, werden als Schikane empfunden, und sie führen auch dazu, daß sie nicht eingehalten werden. Die Massenunfälle auf unseren Autobahnen geben auch keine Begründung für ein Tempolimit. Die Unfälle wären bei einem allgemeinen Tempolimit nicht verhindert worden. Ursache war die nicht angepaßte Geschwindigkeit. ({3}) - Herr Hauff, ich möchte nicht wissen, wie schnell Sie auf Autobahnen fahren! Sie können lachen, wie Sie wollen. Um weitere Fortschritte auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit zu erreichen, ist folgendes notwendig: erstens verstärkte Anstrengungen zur Durchsetzung bestehender Geschwindigkeitsbeschränkungen, zweitens weitere Anstrengungen zur Verfestigung der Beachtung einer angepaßten Geschwindigkeit, drittens vor allem mehr Sicherheitsbewußtsein vor allem bei jungen Menschen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man die Bedingungen auf den Autobahnen überall hätte, hätten wir in unserem Land 6 000 Verkehrstote weniger. Deshalb meine ich, daß dem Straßenausbau, dem Straßenneubau und dem Radwegebau große Bedeutung zukommt. ({4}) Wir brauchen, um die Verkehrssicherheit zu verbessern - und das wollen wir alle - , verantwortungsbewußte Kraftfahrer. Dafür muß die Öffentlichkeit mobilisiert und sensibilisiert werden. ({5})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Antretter.

Robert Antretter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000042, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Jobst, ich muß Ihnen gleich am Anfang sagen: Peinlicher hätte man diese Debatte zu dem dramatischen Thema für die Koalitionsfraktionen nicht eröffnen können, als Sie dies heute getan haben. ({0}) Überhöhte Geschwindigkeit und Alkoholeinfluß sind die häufigsten Ursachen für schwere und tödliche Unfälle. Gegen beide Hauptursachen tut die Bundesregierung nichts. ({1}) Im Gegenteil: Herr Verkehrsminister, Sie reden die Gefahr noch herunter. Das beginnt schon bei der Wortwahl, deren auch Sie sich befleißigt haben, Herr Kollege Jobst. Herr Verkehrsminister, Sie sprechen nicht von überhöhter Geschwindigkeit, Sie sprechen nicht von Raserei, sondern Sie sprechen von nicht angepaßter Geschwindigkeit. Das wird fortgeführt durch so kernige und völlig falsche Sprüche wie „Unsere Autobahnen sind die sichersten Straßen" . Dabei wissen Sie doch genau, daß es nicht so ist. Ihre eigene Behörde, die Bundesanstalt für Straßenwesen, hält es seit Jahren schwarz auf weiß fest: Die Autobahnen anderer Länder, z. B. der Niederlande, Großbritanniens und der Schweiz, sind auf Grund der dort gefahrenen niedrigeren Geschwindigkeiten erheblich sicherer. ({2}) Das setzt sich fort in so fatalen Äußerungen wie, Tempobegrenzungen seien nicht der richtige Weg, weil sie doch nicht eingehalten würden. Ein offener Aufruf zum Rechtsbruch! Das setzt sich aber auch fort in so falschen Äußerungen wie: „Ein Tempolimit auf Autobahnen hilft nicht, weil dann der Verkehr zum Teil auf die Bundesstraßen ausweichen würde. " Sie wissen genau, Herr Verkehrsminister, daß darin zwei falsche Schlüsse liegen: Erstens. Wenn man z. B. die Vorschläge der EG zum Tempolimit umsetzen würde, bliebe ja immer noch genug Abstand zur jetzt erlaubten Geschwindigkeit auf Landstraßen. Im übrigen läßt sich ja die Höchstgeschwindigkeit auf den Landstraßen doch auch herabsetzen, z. B. auf 80 km/h. ({3}) Zweitens. Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat nachgewiesen, daß mit jeder Erhöhung des Geschwindigkeitsniveaus auf den Autobahnen auch das Geschwindigkeitsniveau auf den nachgeordneten Straßen steigt, besonders auf den Landstraßen. Das Herunterreden gipfelt schließlich in Äußerungen wie der Ihren, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte, der Sie meinen, wenn man schon tagsüber auf einigen Autobahnstrecken die Geschwindigkeit begrenze, dann sollte man die Geschwindigkeitsbegrenzung nachts aufheben. Dabei ist doch hinlänglich nachgewiesen, lieber Herr Kollege Dr. Schulte, daß gerade nachts zu schnell gefahren wird und deshalb dann ein besonders großes Risiko besteht. Zwischen 0 und 4 Uhr passieren die schwersten Unfälle. Während im Durchschnitt 27 Tote auf 1 000 Unfälle kommen, sind es in dieser Zeit doppelt so viel, nämlich 54 Tote. Schon haben sich entsprechende neue Unfalltypen gebildet, die immer nach demselben Schema ablaufen, beispielsweise der Disko-Unfall: Ein Jugendlicher mit Führerschein stopft nach dem Disko-Besuch sein Auto mit Jugendlichen voll, die noch keinen Führerschein haben, fährt mit Vollgas los, trotz Dunkelheit, trotz Nässe oder Winterglätte, trotz unübersichtlicher Straßen und trotz Alkoholgenusses. Meine Damen und Herren, der tödliche Unfall ist dann doch vorprogrammiert, und die Hauptleidtragenden sind häufig die Mitfahrer. Ich meine, wir müssen schnellstens wieder weg von dieser Raserei, von diesen Treibjagden auf unseren Straßen, die ein Ergebnis der sogenannten geistigmoralischen Wende sind. ({4}) In Zeiten der Regierungsverantwortung der SPD galt das Motto: Der Mensch hat Vorfahrt. Damit haben wir kontinuierlich von Jahr zu Jahr die Zahl der Verkehrsunfalltoten verringert. Jetzt heißt das Motto: Freie Fahrt für freie Bürger, und die Zahlen der Unfallopfer steigen wieder beängstigend an. ({5}) Die Schizophrenie im Denken der jetzigen Koalition zeigt sich in diesem Zusammenhang besonders deutlich. Die vernünftigen Vorschläge der EG-Kommission zur Geschwindigkeitsbegrenzung werden von der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien abgelehnt, und zwar nach dem Motto: Wie schnell wir fahren, geht Brüssel gar nichts an. Erinnern Sie sich: Als wir, die Opposition, vor Jahren aufgefordert haben, strengere Abgasgrenzwerte für die Autos, notfalls auch gegen Brüssel, durchzusetzen, was möglich gewesen wäre, weil die Gesundheit der Bundesbürger auf dem Spiel steht, hat die Bundesregierung nach dem Motto vorgeschoben: Wie sauber wir fahren, muß Brüssel entscheiden. ({6}) Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam Schluß machen mit der unverantwortlichen Raserei auf unseren Straßen! Schließen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sich unserer Forderung nach einem Tempolimit an. Denken Sie, damit es Ihnen leichter fällt, dem Rasen ein Ende zu setzen, an zwei Dinge: ({7}) Erstens. Ein Tempolimit ist keine Frage der Ideologie. ({8}) Auch in Ihren Reihen gibt es Leute, die das erkannt haben. Frau Ministerin Süssmuth ist z. B. für Ihre Fraktion vorangegangen und hat am letzten Wochenende auf dem Evangelischen Kirchentag in Frankfurt ein Tempolimit gefordert. Zweitens. Bedenken Sie, Sie haben sich in der vorigen Legislaturperiode auch jahrelang gegen das von der früheren sozialliberalen Koalition vorbereitete Bußgeld für das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes gewehrt. Sie haben sich so lange gewehrt, bis die wachsende Zahl der Unfallopfer Sie in eine Zwangslage brachte. Machen Sie nicht noch einmal den Fehler. Laden Sie sich nicht noch einmal die Verantwortung für Zigtausende von unnötigen Unfallopfern auf! Vielen Dank. ({9})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gries.

Ekkehard Gries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000726, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin versucht, Herr Kollege Antretter, schnell darauf zu antworten und zu sagen, daß man nicht nur auf den Straßen, sondern offensichtlich auch im Parlament rasen kann. ({0}) Ich bin also gegen die Raserei auf der Straße, ich bin aber auch gegen die politische Raserei, wenn man den Boden der Tatsachen verläßt. Ich meine dies hier sehr ernst. Ich finde, daß fast 9 000 Tote und 450 000 Verletzte pro Jahr ganz einfach zu viel sind. Es ist gar nicht angemessen, hier zu polemisieren, und wir haben das im Verkehrsausschuß auch nicht getan. Es ist in der Tat jeder einzelne zuviel, aber man kann auch nicht glauben, daß man das mit flotten Sprüchen wegbekommt. ({1}) Sie wissen, daß ich im Verkehrsausschuß neu bin. Ich nehme ganz bewußt hier die Gelegenheit wahr, deutlich zu machen, daß meine und auch die Position der FDP nicht die ist, die hier so umschrieben wird: Freie Fahrt für freie Bürger. Das ist der Sache gar nicht angemessen, sondern wir suchen nach sachgerechten Lösungen und nehmen das Problem weiß Gott ernst. Aber es ist auch nicht für parteipolitische und ideologische Planspiele geeignet. Ich habe den Eindruck, daß das immer wieder versucht wird. Das bringt uns nicht weiter, und es ist auch einfach unangemessen, blauäugig zu glauben, daß es eine heile Verkehrswelt gebe. ({2}) In einer Gesellschaft, die so verdichtet ist wie unsere, in einer Gesellschaft, die so mobil ist wie unsere, in einer Gesellschaft, die so hoch motorisiert ist, muß jeder bei realistischer Einschätzung ehrlich genug sein, daß das den Preis fordert. Da darf man sich nichts vormachen. ({3}) Was wir gemeinsam tun müssen, ist, diesen Preis so niedrig wie nur möglich zu halten, und auf dem Wege ist einiges erreicht worden. Wenn die Zahl der Verkehrstoten in wenigen Jahren halbiert worden ist, dann ist das ein Erfolg. Dann sind die 9 000 immer noch zuviel, nämlich 9 000 zuviel, aber es sind auch 9 000 Verkehrstote weniger. Das muß man einfach sehen, wenn man die Dinge richtig angehen will. Das, was wir tun müssen - es ist hier angeschnitten worden - ist, auf das Verantwortungsbewußtsein, auf die Disziplin des Verkehrsteilnehmers einzuwirken. Was wir tun müssen, ist zu informieren und aufzuklären - ich gehe weiter, das gehört auch dazu -, auch zu kontrollieren. Das ist doch eigentlich ein ganz entscheidender Punkt. Es sind nicht die fehlenden Gesetze, sondern es ist ganz einfach die fehlende Kontrolle des Vollzugs der bestehenden Gesetze. Deshalb sind wir auch von seiten der Liberalen dagegen, diese Augenblicksnachrichten überzubewerten. Lassen Sie sich doch nicht permanent nur durch die Medien auf solche Probleme heben, obwohl die Fakten es nicht hergeben, nach neuen Gesetzen, neuen Verordnungen, höheren Strafen und Tempolimits zu rufen. Das ist ja alles gar nicht notwendig, wenn die bestehenden Gesetze, auch die bestehenden Einschränkungen des Verkehrs eingehalten würden. Man muß diese Diskussion hier einmal an den Fakten messen. Es haben sich zwar 1986 die Zahlen durchaus beängstigend, negativ verändert, aber in den ersten vier Monaten 1987 haben sich die Dinge wieder ganz anders dargestellt: daß es in den ersten vier Monaten 1983 11 % weniger Tote gibt, daß 3 weniger Verkehrsverletzte zu verzeichnen sind. Wir können alle doch nur hoffen, daß sich dieser - ich sage jetzt es einmal, obwohl es vielleicht makaber klingt - positive Trend fortsetzt. Wir sollten alles tun, damit wir dies verstärken können. ({4}) Ich will das in ein paar Stichworten sagen: Wir verstärken dies durch eine verstärkte Aufklärung, durch eine sehr aktivierte und intensivierte Verkehrssicherheitspolitik mit all den Beteiligten, den vielen Ehrenamtlichen, den Verbänden, aber auch durch unsere Politik, dadurch, daß wir an die Länder appellieren - wir haben den Minister ja schon aufgefordert, auch den Kontakt zu seinen Kollegen in den Ländern zu suchen - , daß Kontrollen durchgeführt werden. Sie bekommen doch nicht einen Toten weniger, wenn Sie ein Verkehrsschild, das ein Tempolimit gebietet, aufstellen, wenn Sie nicht dafür sorgen, daß schon bestehende Tempolimits und andere Vorschriften eingehalten werden. Das heißt, der Bund muß gemeinsam mit den Länder aktiv werden. Wir werden, glaube ich, auch mit der Wirtschaft gemeinsam Entwicklungen verfolgen und fördern müssen, die die Technik am Auto, auch die Technik der Straße verbessern. Hier ist noch so viel nachzuholen. Ich persönlich bin der Meinung, daß man schon jetzt für Lkws, die gefährliche Güter transportieren, für Omnibusse ABS-Systeme einführen, von Gesetzes wegen erzwingen müßte. Ich bin der Auffassung, daß wir beim privaten Pkw-Verkehr auch nicht eine Diskussion wie beim Katalysator führen sollten, sondern daß vorher, auch auf Initiative der Wirtschaft, der Verbände und der Privaten, zu einem mehr oder weniger überschaubaren Zeitpunkt Neuwagen mit ABS-System eingerichtet werden. Wenn es richtig ist - und ich zweifle nicht daran - , daß das Nichteinhalten von Abständen im Augenblick die häufigste Unfallursache ist und auch am stärksten gestiegen ist - wie nach dem Bericht des Ministers erkennbar - , dann ist natürlich die Frage eines so verbesserten Bremssystems wie ABS ein ganz entscheidender Faktor. ({5}) - Nein, das ist eben nicht so. Technik führt nicht immer automatisch zu größeren Gefahren. Ich meine, daß ein ganzes Bündel von Maßnahmen angezeigt ist - Aufklärung, Kontrolle, Verbesserung der Technik - und die Möglichkeit eröffnet, hier auf dem Feld der Verkehrssicherheit weiterzuarbeiten. Ich glaube, daß wir das hier unpolemisch und aus der Sachkunde der jeweiligen Fraktionen heraus gemeinsam tun sollten. Was die FDP dazu tun kann, wird sie gern tun. Vielen Dank. ({6})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Verkehr.

Dr. Jürgen Warnke (Minister:in)

Politiker ID: 11002428

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Unfälle, die uns betroffen machen - die Nebelzusammenstöße dieses Winters, die dreifache Auffahrserie von Allershausen, aber auch die erschütternden Nachrichten vom Tod junger Menschen bei der Heimfahrt von der Diskothek am Wochenende - fordern Konsequenzen von Regierung, Verwaltung und Gesetzgeber. ({0}) Nur, nichts von alledem wird durch die Einführung einer allgemeinen Höchstgeschwindigkeit auf den Autobahnen geändert. Deshalb ist eine solche Forderung nicht sachgerecht, nicht hilfreich und wird von der Bundesregierung nicht in Betracht gezogen. ({1}) Das Schicksal der Toten dieser Unfälle kann und muß uns in der Tat Mahnung und Verpflichtung sein, ({2}) das Notwendige zu tun. Nie darf es Instrument werden für ideologische Auseinandersetzung oder für Diffamierung des politischen Gegners. ({3}) Wir haben in den Jahren 1984 und 1985 in der Tat den niedrigsten Stand tödlicher Verkehrsunfälle verzeichnet. Wir haben im vergangenen Jahr 1986 ein Steigen festgestellt. In diesem Jahr sind die Zahlen wieder rückläufig. Ich stimme Ihnen, Herr Kollege Gries, zu: All dies ist nicht der springende Punkt. Jeder Tote im Verkehr ist ein Mensch zuviel, der sein Leben gelassen hat. Für uns ist die Frage: Was ist jetzt zu tun? Erstens. Wir müssen gezielt an den Ursachen ansetzen. Das heißt, Unfallschwerpunkte müssen entschärft werden. Das rechtliche Instrumentarium steht bereit: Überholverbote, örtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen. Wir müssen es erweitern und durch den Einsatz moderner Technik wirksamer gestalten - ich nenne z. B. die Wechselverkehrszeichen -. Wir müssen dies sicher in enger Zusammenarbeit mit den Bundesländern tun. In der Länderverkehrsministerkonferenz werden diese schrillen Töne, die wir heute von der SPD zu hören bekommen haben, von den sozialdemokratischen Ministern und Senatoren nicht vorgetragen. ({4}) Zweitens. Um bei der Einhaltung der Verkehrsregeln für den notwendigen Nachdruck zu sorgen, ist eine Überprüfung des Verwarnungs- und Bußgeldkatalogs eingeleitet. Verkehrsteilnehmer, die Fußgänger gefährden oder unverantwortlich schnell fahren - wenn Sie das in dem gängigen Wort „Rasen" ausdrücken wollen, ist dagegen nichts einzuwenden -, müssen und werden spürbarer als bisher angefaßt werden. Andere Vorschriften im Bußgeldkatalog, die sich als nicht notwendig erwiesen haben, werden wir streichen. Wir wollen dem Bürger helfen und ihn nicht schikanieren. Drittens. Wir werden dafür sorgen, daß bestehende Geschwindigkeitsbegrenzungen besser eingehalten werden. Hier ist in der Tat bessere polizeiliche Kontrolle notwendig. Das ist nach unserer Verfassungsordnung ein Feld der Zusammenarbeit mit den Ländern, die hier ganz entscheidende Verantwortung tragen. Aber ich sage auch: Es ist ein Skandal, wenn Polizeikapazitäten gerade in verkehrsreichen Zeiten mehr und mehr durch Einsätze gegen reisende Gewalttäter gebunden werden ({5}) und dort fehlen, wo sie gebraucht werden, um das Leben unserer Mitbürger zu schützen. ({6}) Viertens. Wir werden das Verkehrssicherheitsprogramm fortführen. Wir werden die technischen Vorschriften für Kraftfahrzeuge verbessern, Nebelleuchten verbindlich vorschreiben, ebenso Blockierverhinderer für Lastwagen und Busse, und wir werden auch die Fahrlehrerausbildung besser gestalten mit dem Ziel, neben der Vermittlung der Kenntnis von Vorschriften und Fahrtechnik die Schärfung des Verantwortungsgefühls gerade der jungen Menschen, die eben einen personellen Unfallschwerpunkt bilden, schon während der Ausbildung sicherzustellen. ({7}) Hier bin ich eigentlich bei dem entscheidenden Punkt: ({8}) Verkehrsaufklärung und Verkehrserziehung behalten ihren hohen Stellenwert. Die Bundesregierung setzt hier einen Schwerpunkt ihrer Bemühungen um ein Mehr an Verkehrssicherheit, gemeinsam mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat, mit den Verkehrswachten und mit den Automobilklubs. Alkohol am Steuer und - ich sage es ganz bewußt - nicht angepaßte Geschwindigkeit, zu geringe Abstände, all das sind Verhaltensweisen, die ganz entscheidend zu den schweren Unfällen beitragen und eben nur über die Steigerung des Könnens als Fahrer, aber auch über die Schärfung des Verantwortungsbewußtseins geändert werden können. Ohne das ist alles, worum wir uns hier in der Verkehrssicherheit bemühen, nichts. Wir haben gute Ansatzpunkte. Unsere deutschen Landsleute haben ihr Fahrverhalten grundsätzlich geändert; auch das wollen wir einmal sagen. Diejenigen, die schon vor 30 Jahren ihren Führerschein gehabt haben, mögen sich einmal erinnern: Es galt uns als Traum, wenn von den Straßen Amerikas oder Großbritanniens berichtet wurde, daß die Vorfahrt, das Einfädeln dort mit einem freundlichen Wink gestattet wurde. All dies ist heute auch auf deutschen Straßen in einem hohen Maße Wirklichkeit geworden. Mit Schlagzeilen wie „Ein Volk fährt Amok" wird man den deutschen Autofahrern heute wirklich nicht gerecht. ({9}) Meine Damen und Herren, der Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung ist ein Leitmotiv dieser Bundesregierung Helmut Kohl. Nirgendwo wird er deutlicher spürbar als in der Frage des verantwortlichen Verhaltens im Straßenverkehr. Deshalb werden wir auch an diesem Punkt weiterarbeiten, um die Sicherheit auf den deutschen Straßen weiterhin zu erhöhen. ({10})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Börnsen ({0}).

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Bundesverkehrsministers haben ganz deutlich gezeigt, daß die Bundesregierung auf die Verkehrslage gezielt und sachgerecht antwortet und sehr wohl weiß, wie man Verkehrspolitik umsichtig betreibt. Der Zeitpunkt und das Thema dieser Aktuellen Stunde vermitteln den fatalen Eindruck, daß nicht aus eigenem Antrieb gehandelt worden ist, sondern daß man sich zum verlängerten Arm der veröffentlichten Meinung macht. ({0}) Der Effekt, nicht die Sache scheint im Mittelpunkt zu stehen. Niemand verschweigt, kaschiert oder beschönigt, daß wir im vergangenen Jahr eine Zunahme, eine erschreckende Zunahme von Verkehrsunfällen gehabt haben, Verkehrsunfälle, bei denen viele Tausende von Menschen zu Schaden gekommen sind. Und jeder, der zu Schaden gekommen ist, verdient unsere Betroffenheit und unser Mitgefühl ({1}) und auch, daß wir entsprechend, vernünftig handeln. Aber wer daraus die These entwickelt, wir seien ein Volk von Rasern und Verkehrsrowdies, der diskriminiert seine Mitbürger, der will etwas völlig anderes als eine Verbesserung der Verkehrssicherheit. ({2}) Wer fair bilanziert, darf nicht vergessen, daß wir bereits im ersten Quartal dieses Jahres einen drastischen Rückgang an Verkehrsunfällen haben. Wer fair registriert, darf nicht außer acht lassen, daß wir seit mehr als 16 Jahren eine deutliche Verringerung von getöteten und verletzten Menschen auf unseren Straßen haben, daß mehr als die Hälfte aller Menschen wieder in die Lage versetzt worden ist, aus dem VerDeutscher Bundestag -- 11. Wahlperiode Börnsen ({3}) kehrsgeschehen gut herauszukommen. Obwohl sich der Kfz-Bestand in den letzten 16 Jahren fast verdoppelt hat, hat sich die Anzahl der Verkehrstoten mehr als halbiert. ({4}) Das ist der Erfolg einer Verkehrserziehung, einer Verkehrspolitik, die auf Vernunft, auf Aufklärung und auf den mündigen Bürger setzt. Und sicher hat nicht nur diese Regierungskoalition, sondern auch eine vorangegangene ihren Anteil daran. Aber das ist der richtige Weg, zu mehr Einsicht zu kommen, ({5}) zu mehr Einsicht, zur Rücksicht im Verkehrsverhalten zu erziehen. Die Rechtsgrundlage, die wir haben, ist im Grundsatz richtig. Sie ist dort zu modifizieren, wo der Raser nur durch deutlichere Maßnahmen zur Räson gebracht werden kann. Sie ist dort zu ergänzen, wo man feststellt, daß die bisher bestehenden Gesetze nicht konsequent genug umgesetzt worden sind, wo die polizeiliche Kontrolle noch zu fehlen scheint. Und sie ist auch dort zu ergänzen und zu verändern, wo man feststellt, daß das Prinzip der Strafe eher verstockt macht. Warum, so frage ich mich, muß man nur durch Minuspunkte erziehen wollen? Kann man nicht auch Pluspunkte, einen Bonus in Flensburg als vernünftige Ergänzung mit einbeziehen, durch Anerkennung den belohnen, der zum Sicherheitstraining geht, durch Anerkennung den belohnen, der sich durch Nachschulung und Weiterbildung als Verkehrsteilnehmer ernst nimmt? Das ist auch ein möglicher Weg, zu mehr Verständnis, mehr Disziplin und mehr Sicherheit zu kommen: Gut-Punkte als Belohnung. Der Raser sollte die Peitsche erhalten. Aber auch die Werbung, die zur Kraftmeierei und zur überzogenen Lust am Rasen anhält, sollte in manchen Bereichen die Knute erhalten. ({6}) Ich komme zum Ende. Ich glaube, die These, man könne durch ein Tempolimit zu mehr Verkehrsdisziplin kommen, ist völlig unrichtig. Das muß man doch zugeben, wenn man weiß, daß auf unseren Autobahnen mehr Sicherheit herrscht als auf allen anderen Straßen, und wenn man weiß, daß in den europäischen Ländern, in denen es ein Tempolimit gibt - sei es in Frankreich, in Italien oder in Belgien - , auch im vergangenen Jahr die Anzahl der tödlichen Verkehrsunfälle um bis zu 18 % zugenommen hat. Nicht die Drosselung, nicht die Gleichmacherei verbessert die Verkehrssicherheit, sondern die Vernunft, die Erziehung zur Einsicht in ein faires Verkehrsverhalten. Danke schön. ({7})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer ({0}).

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine solche Debatte, wie wir sie heute morgen führen, wäre in keinem anderen Parlament einer Demokratie möglich. Hier treten die Ideologen der Ideologie „Freie Bürger fordern freie Fahrt" ans Pult und warnen vor Ideologen. ({0}) Worum geht es im Ernst? Es geht darum, zu bewerten und zu untersuchen, ob eine Geschwindigkeitsbegrenzung einen Beitrag zu drei Zielen leisten kann: Verkehrssicherheit, Umweltschutz, Energieeinsparung. Alle drei Ziele sprechen für eine Tempobegrenzung. Zur Verkehrssicherheit. Herr Verkehrsminister, nehmen Sie doch die Zahlen Ihrer eigenen Bundesbehörden zur Kenntnis! Während des Großversuches hinsichtlich der Einführung von Tempo 100 hat die Bundesanstalt für Straßenwesen das Unfallgeschehen untersucht. Ergebnis: Die Zahl der Unfälle auf den Untersuchungsstrecken, auf denen Tempo 100 galt, nahm um 23,2 % ab. ({1}) Herr Kollege Gries, während auf Teilstrecken in Hessen Tempo 100 bzw. Tempo 120 eingeführt war - was der neue Ministerpräsident Wallmann als erste Maßnahme zurückgenommen hat - , hat man das Unfallgeschehen auf diesen Teilstrecken mit Tempolimit untersucht. Ergebnis: Die Zahl der Unfälle ging zwischen 10 % und 22 % zurück. Entsprechend sank die Zahl der Leichtverletzten auf Bundesautobahnen um 27 % bis 47 %. Die Zahl der Unfälle mit Toten und Schwerverletzten ging um bis zu 58 % zurück. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Tempobegrenzung und der Reduzierung der Zahl von Unfällen und damit der Rettung von Menschenleben. ({2}) Jeder, der sich hier hinstellt und sagt: Ein Verkehrstoter ist zuviel und gleichzeitig sagt: Weiterhin Freiheit des Rasens bis Freiheit zum Tode, der ist in bezug auf seine Argumente nicht ernst zu nehmen, der heuchelt, meine Damen und Herren. ({3}) Zweitens. Auch das Argument des Umweltschutzes spricht für das Tempolimit. Die Wahrheit ist: Das Waldsterben nimmt zu. 1985 waren 52 % des Waldes geschädigt. Heute - 1986 - sind es 54 %. ({4}) Die Wahrheit ist: Das Konzept der Bundesregierung zur Luftverbesserung im Straßenverkehr ist gescheitert. - Ich kann mir vorstellen, daß Sie nicht gerne zuhören. - Heute sind die Stickoxid-Emissionen, die wesentliche Ursache für das Waldsterben, ({5}) jährlich um 44 000 t höher als zu Beginn des Tempolimits 1984. Selbst bei pessimistischer Berechnung könnten wir mindestens 78 000 t Stickoxid-Emissio1366 Schäfer ({6}) nen pro Jahr einsparen, wenn wir denn ein Tempolimit hätten. ({7}) - IFEU-Gutachten vom Februar 1987! Der Anteil der im Verkehrsbereich anfallenden Stickoxid-Emissionen ist so hoch wie nie zuvor. Die Pkw belasten die Umwelt mit jährlich über 1,5 Millionen t Stickoxid. Der Anteil an Stickoxid-Emissionen aus dem Verkehr war noch nie so hoch wie heute. Ihr Konzept der laschen Einführung der Grenzwerte im Straßenverkehr bei Pkw ist gescheitert. Ganze 530 000 Pkw sind mit dem Dreiwegkatalysator ausgestattet, ganze 530 000, knapp 2 % des Pkw-Bestandes. Sie täuschen die Öffentlichkeit, wenn Sie damit kommen: Annähernd drei Millionen Pkw sind schadstoffarm. Wenn Sie alle Pkw - wir haben über 20 Millionen - durch Erklärungen von heute auf morgen ohne technische Veränderungen als schadstoffarm erklären, haben Sie auf dem Papier eine große Umweltentlastung, in Wirklichkeit nicht. Genauso sieht es aus. Knappe 2 % mit Dreiwegkatalysator! ({8}) Der Anteil des Verkehrs an der Schadstoffbelastung nimmt zu. Hier, meine Damen und Herren, hilft unbestritten ein Tempolimit. Es hilft unbestritten. Die Debatte, die wir hier führen, läßt sich an Provinzialität nicht überbieten. ({9}) Die EG-Kommission schlägt einheitlich 120 km/h vor, EG-weit. ({10}) Sie kennen unsere Position. ({11}) Wir würden die EG-Position 120 km/h als eine wichtige erste Maßnahme unterstreichen. Sie sind allein in ganz Europa, Sie, Herr Mischnick, von der FDP, Herr Jobst von der CSU sowieso. Von Herrn Warnke will ich gar nicht reden, weil er wirklich so denkt, wie er gesprochen hat. Wo ist der Umweltminister? Wo sind die Umweltpolitiker der Koalitionsfraktionen? Man kann die Argumente nicht wechseln. Herr Umweltminister Töpfer beschwört in klugen Reden, Umweltvorsorge sei das Gebot der Umweltpolitik überhaupt. Dem stimmen wir zu. Nur, wenn es dann zum Schwur kommt, wie beispielsweise beim Tempolimit, schweigt sich der Umweltminister Töpfer aus. Wo sind die Kollegen Umweltpolitiker von den Koalitionsfraktionen? ({12}) Bei einer gemeinsamen Zusammenkunft ({13}) von Umweltpolitikern des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments sagt Töpfer, Tempolimit sei allenfalls eine Frage der Verkehrssicherheit. Aber da das nicht in sein Ressort fällt, schweigt er sich dazu aus, ({14}) glänzt er durch Untätigkeit. Ich sage Ihnen: Ein Umweltminister, der es ernst meint mit dem Kampf gegen das Waldsterben, der muß hier im Deutschen Bundestag auch für die Maßnahme Tempolimit eintreten, der muß auf den Rat seiner Parteifreunde von den Waldbesitzervereinigungen hören, der muß auf den Rat seiner Parteifreunde hören, die im Schwarzwald und anderswo leben und sehen, wie der Wald weiter stirbt, und wissen, daß eine Tempobegrenzung eine schnelle und wirksame Maßnahme ist. ({15}) Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Ich weiß, daß die Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung unpopulär ist. Das weiß ich. Ich weiß aber auch, daß Umweltpolitiker, nein, Politiker insgesamt - dazu gehört schon von Amts wegen der Umweltminister - , die das Wort Verantwortung in ihren Taten auch verdienen wollen, das umweltpolitisch als notwendig und richtig Erkannte durchsetzen müssen, dafür werben müssen, dafür streiten müssen, auch wenn es nicht populär ist. Wir werden einst nicht daran gemessen, ob wir Populäres oder Unpopuläres unternommen haben. Wir werden vielmehr daran gemessen, ob wir unserer Verantwortung gegenüber der notleidenden Natur und damit der nach uns folgenden Generationen gerecht werden. Leider, sage ich, ist Herr Töpfer heute nicht nur nicht anwesend, er wird auch dem Anspruch nicht gerecht,

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluß! Ihre Redezeit ist längst überschritten, über eineinhalb Minuten.

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- Umweltvorsorge zu betreiben. Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Geduld. ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Jung ({0}).

Michael Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001039, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemeinsam ist uns natürlich die Betroffenheit über die Opfer im Straßenverkehr. Aber wenn wir dies als gemeinsame Aufgabe sehen, dann ist es doch notwendig, daß wir aus der Diskussion den Zungenschlag herauslassen, wie ich ihn eben habe hören müssen. ({0}) Wenn der Kollege Weiss von menschenverachtender Gewalt spricht oder davon, wir hätten ein ungeklärtes Verhältnis zur Gewalt, dann kann ich nur sagen: Sie Jung ({1}) und Ihre Fraktion sind die letzten, die diese Worte gegenüber anderen in den Mund nehmen dürften. ({2}) Das gilt genauso für das, was der Kollege Antretter hier gesagt hat: peinliche Debatte. Peinlich ist allenfalls Ihr Versuch, aus der Gemeinsamkeit, die wir bisher in der Frage der Bekämpfung der Ursachen gehabt haben, herauszukommen und hier in Polemik zu machen, die der Sache nicht angemessen ist. ({3}) Formulierungen wie: die Treibjagd sei ein Resultat der Wende, oder: wir würden die Gefahr herunterreden oder zum Rechtsbruch auffordern, sind dem Thema nicht angemessen. Ich habe gewisses Verständnis für schärfere Wortwahl bei der Opposition. Das sollte aber keine Grundlage sein, sich aus der sachlichen Mitarbeit herauszuziehen und nur der Polemik willen hier so vorzutragen. ({4}) Was der Kollege Schäfer zum Schluß gesagt hat, verwundert mich besonders. Er nimmt das Wort in den Mund, hier würden einige nur kluge Reden halten. Herr Kollege, Sie wären wesentlich glaubwürdiger, wenn nur 10 % von dem, was Sie hier gefordert haben, in der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung, als Sie noch die Mehrheit hatten, angepackt worden wäre. ({5}) Das ist das, was wir heute immer hören. Heute, wo Sie in der Opposition sind, wissen Sie alles besser. Wo waren denn Ihre Taten, als Sie in der Regierungsverantwortung waren? Gerade was die Bereiche Katalysator und schadstoffarme Pkw angeht, sind es unbestreitbare Erfolge der Regierung Helmut Kohl. Hier sind wir beispielhaft innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Schauen Sie sich nur die Diskussion um die Bleifrei-Tankstellen an, wo wir in anderen Ländern Probleme haben, während wir in der Bundesrepublik vorbildlich auf die Vernunft und die Einsicht der Bundesbürger gesetzt haben - im Gegensatz zu Ihnen, die Sie auch in dieser Frage versagt haben, als Sie noch Regierungsverantwortung in der Bundesrepublik Deutschland hatten. Meine Damen und Herren, eben wurde auch gesagt, was die Zahlen angehe, würden wir uns selbst betrügen. Dies ist falsch; die bisherigen gemeinsamen Bemühungen im Bereich der Verkehrssicherheit, die von der SPD mitgetragen worden sind, waren erfolgreich. Ich wiederhole noch einmal eine sehr deutliche Zahl: Die Zahl der Verkehrstoten ging in der Bundesrepublik von über 19 000 im Jahre 1970 auf 8 400 im Jahre 1985 zurück. Und jetzt hören Sie gut zu: Das ist der höchste Rückgang innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, also auch gegenüber den Staaten, die Tempolimits haben. Ich komme darauf noch zurück. 1986 war, wie wir wissen, ein Anstieg zu verzeichnen, der sich jedoch in den ersten vier Monaten dieses Jahres nicht fortgesetzt hat, denn die Zahl der Getöteten ist in den ersten vier Monaten dieses Jahres um 205 oder 8,8 % zurückgegangen. Die Aufgabe ist selbstverständlich noch groß, aber schnelle Gesetzesänderungen oder Geschwindigkeitsbeschränkungen lösen dieses Problem nicht. Ich sage noch einmal mit Nachdruck, daß gerade die Autobahnen ({6}) auch im europäischen Vergleich die sichersten Autostraßen sind, Herr Kollege Weiss, auch im Vergleich zu Staaten mit Tempolimit. Ich will Ihnen das an Hand einiger Zahlen deutlich machen, nämlich aus einer Statistik der europäischen Verkehrsminister aus dem Jahre 1984. Danach betrug die Zahl der Toten je 1 000 Unfälle mit Personenschaden auf Autobahnen in der Bundesrepublik Deutschland 45, in Großbritannien - mit Höchstgeschwindigkeit 112 - 49, in der Schweiz 71, in den Niederlanden 85, in Italien 118 und in Frankreich - mit Höchstgeschwindigkeit 130 -119. Dies zeigt, daß wir hier in der Tat erhebliche Erfolge erzielt haben, die wir auch weitergeben müssen. Wir möchten - und das mache ich mit besonderem Nachdruck deutlich - die Aufklärung intensivieren, und zwar, wenn ich das am Schluß noch sagen darf, insbesondere in der Zielgruppe der Jüngeren, von 18 bis 24, wo besonders viele betroffen sind. Diese Gruppe liegt in der Tat über dem Durchschnitt, und da stellt sich eine besonders wichtige Aufgabe. Wir müssen aber auch sehen, daß wir hier ein großes Engagement und Erfolge derjenigen haben, die im Bereich der Verkehrserziehung ehrenamtlich tätig sind und denen unser ausdrücklicher Dank gilt. Wir haben auch technische Möglichkeiten, die wir stärker nutzen müssen, ob es nun um die Verbesserung des Verkehrsfunks geht oder um technsiche Fortschritte im Auto. Damit auch eine andere Zeitung zitiert wird, mache ich ausdrücklich auf den Aufsatz in der FAZ vom 26. Mai aufmerksam.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluß!

Michael Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001039, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluß, Herr Präsident. Dies ist eine wichtige Aufgabe für die Zukunft. Meine Damen und Herren, wir sind kein Volk der Raser, und es ist auch falsch, daß der tödliche Temporausch Suchtgefahr Nr. 1 der Deutschen ist. Wir müssen an die unbestreitbaren Erfolge anknüpfen und politische Effekthascherei unterlassen, die hier genauso unverantwortlich ist wie bei anderen Themen, über die wir gesprochen haben. ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet. Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, darf ich folgende Amtliche Mitteilung verlesen: Im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause wegen der vorgesehenen Haushaltsberatungen keine Fragestunden und keine Aktuellen Stunden stattfinden Präsident Dr. Jenninger sollen. Sind Sie mit diesem Vorschlag einverstanden? Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Sitzung des Europäischen Rates am 29./30. Juni 1987 in Brüssel - Drucksache 11/523 Im Ältestenrat ist vereinbart worden, für die Beratung einen Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vorzusehen. - Ich sehe, das Haus ist damit einverstanden; dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Hellwig.

Dr. Renate Hellwig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle, ob Baden-Württemberger, ob Bayern, Schleswig-Holsteiner oder Nordrhein-Westfalen, sind Deutsche. Das ist für uns so selbstverständlich, daß sich die meisten von Ihnen wundern werden, warum ich es an den Anfang meiner Rede stelle. Es ist jetzt erst rund 150 Jahre her, da galten diejenigen Preußen, Hessen oder Bayern, die sich als Deutsche bezeichneten, als idealistische Traumtänzer, die den Boden der Realität verlassen hatten. Deutschland war ein Traum, keine Realität. ({0}) Diesen Traumtänzer-Deutschen des Jahres 1837 ist es ebenso ergangen wie den Traumtänzer-Europäern des Jahres 1987, ({1}) zu denen auch ich mich gerne zählen lasse. Hätte es damals diese deutschen Traumtänzer nicht gegeben und wären sie nicht mit großer Zähigkeit diesen deutschen Weg gegangen, wir könnten uns heute nicht in diesem Bundestag so selbstverständlich als Deutsche empfinden und danach handeln. Es mag für uns Deutsche eine etwas schmerzliche Erkenntnis sein, aber kaum haben wir die Aufgabe unserer Einigung gelöst, schon stellt sich die nächste, die der europäischen Einigung. Die heutigen deutschen „Realisten" werden wohl so lange auch in diesem Bundestag von den heutigen europäischen „Utopisten" geplagt werden, bis sie sich dazu aufgerafft haben, ihren notwendigen Beitrag für die Schaffung der Europäischen Union zu erbringen. So wie damals die undeutsche Kleinstaaterei zwischen den großen Nationalstaaten Frankreich, Rußland und England nicht mehr ins Geschichtsbild paßte, so paßt heute das zersplitterte Europa nicht mehr zwischen die Weltmächte USA und UdSSR. Wir heutigen Deutschen, die wir so stolz sind auf unser Nachkriegswirtschaftswunder, auf unsere stabile D-Mark, auf unsere Exportüberschüsse, unseren Lebensstandard, ja selbst unser überdurchschnittliches Umweltbewußtsein, ({2}) müssen uns möglichst offen, schonungslos und realistisch eingestehen, daß wir weltpolitisch nur eine kleine Mittelmacht sind, deren Stimmengewicht im Weltkonzert längst nicht so bedeutend ist, wie wir es gerne hätten. ({3}) - Ja, die deutschen Realisten sind noch nicht da. ({4}) Auch bei den anderen europäischen Mittelmächten, selbst in Frankreich und England, nimmt die Zahl derjenigen zu, die erkennen, daß nicht ihre Nationale Gloire oder ihre Splendid Isolation die Zukunftsperspektive für ihre Kinder ist, sondern das Haus Europa. Wenn Herr Gorbatschow vom gemeinsamen Haus Europa spricht, so sieht er die UdSSR als Haupt- und uns Ost- und Westeuropäer als Untermieter. Nur als geeintes Westeuropa werden wir den Anspruch erheben können, gleichberechtigter Hauptmieter zu sein, ({5}) und zwar einer, der zudem für die osteuropäischen Untermieter bessere Mietbedingungen heraushandeln kann. Dabei dürfen wir niemals vergessen, wir sehr wir auf den Schutz des Hausnachbarn USA angewiesen sind, ich sage hier: zumindest so lange, bis wir Westeuropäer dank unserer politischen Einigung, unseren Schutz, notfalls selbst in die Hand nehmen können. ({6}) - Das kommt auf uns an. Die Europäische Politische Union werden wir jedoch nur verwirklichen können, wenn wir im grauen Alltag innereuropäischer Meinungsverschiedenheiten dieses gemeinsame Ziel nie aus den Augen verlieren. Das gilt auch für den Brüsseler Gipfel der nächsten Woche, am 29. und 30. Juni. Ich begrüße es, daß der Deutsche Bundestag durch die heutige Debatte Gelegenheit nimmt, seinerseits ein Signal gen Brüssel zu senden. Der Antrag der SPD-Fraktion macht deutlich, daß sich die Bundesregierung in wesentlichen Punkten ihrer Verhandlungsposition auf eine breite, auch von der großen Oppositionsfraktion gestützten Mehrheit im Deutschen Bundestag berufen kann. Dies wird unsere Verhandlungsposition stärken. ({7}) - Vielen Dank. Zwei Signale sollten von dieser Debatte ausgehen: Erstens. Die Fraktionen im Deutschen Bundestag, leider noch mit Ausnahme der GRÜNEN, unterstützen und befürworten nach wie vor die Schritte zur politischen Einigung Europas, insbesondere auch die sich durch die Einheitliche Europäische Akte verbessernFrau Dr. Hellwig den Möglichkeiten für die Schaffung des gemeinsamen Binnenmarktes. Zweitens. Im Zuge dieses Einigungsprozesses werden wir Deutsche unseren Standpunkt und unsere Vorstellungen über das Wie dieser Einigung ebenso frei und nachdrücklich vertreten wie die anderen Mitgliedstaaten. Daß wir alle dabei kompromißfähig sein und bleiben müssen, ist wohl selbstverständlich. Die auf Grund der Einheitlichen Akte wieder mögliche Mehrheitsentscheidung im Ministerrat ist dabei für alle ein heilsamer Zwang. Im Antrag der SPD-Fraktion sind die beiden Schwerpunkte des Gipfels der nächsten Woche deutlich angesprochen, nämlich die notwendigen Entscheidungen zur Agrarpolitik und zur Finanzierung der EG-Haushalte für 1986 und 1987 sowie möglichst auch für die Folgejahre. Ich stelle fest, daß sich Regierungsfraktionen und SPD-Fraktion hinsichtlich des Agrarbereichs in zwei Punkten einig sind: erstens bei der Ablehnung einer sogenannten Fettsteuer und zweitens beim Drängen auf geeignete Maßnahmen zum Abbau der Überschüsse der landwirtschaftlichen Produktion als Voraussetzungen für eine mittelfristige Garantie angemessener Preise für die landwirtschaftlichen Produkte. Wie sehr allerdings gerade bei der Lösung des zweiten Problems der Teufel im Detail steckt, hat die gestrige dreistündige Debatte zum Agrarbericht gezeigt. Immerhin bestand zumindest in einem Punkt weitgehend Einigkeit, nämlich darin, daß der seit einigen Jahren nur mühsam aufhaltbare Preisverfall unaufhaltsam weitergehen und durch noch so kostspielige Stützungsmaßnahmen nicht zu vermeiden sein wird, wenn die Überschußproduktion nicht abgebaut werden kann. Einige Mitgliedstaaten in Europa sehen gerade in diesem Preisverfall das geeignete Mittel, Überschüsse abzubauen. Wir Deutsche bevorzugen demgegenüber Strukturmaßnahmen, wie Flächenstillegungen, Pensionierungsmöglichkeiten für ältere Landwirte oder direkte Einkommensübertragungen als eine Art Entgelt für Umweltpflegeleistungen, um den Produktionsdruck auf die Landwirte zu mindern. Wir werden unsere Vorstellungen jedoch nur mit Hilfe der notwendigen Mehrheit im Ministerrat durchsetzen und auch diese Mehrheit nur gewinnen können, wenn wir kompromißfähig sind. Das gilt nicht nur für die Agrarpolitik. Auch das weitere Ziel in dem Antrag der SPD, nämlich den Binnenmarkt möglichst fristgerecht bis 1992 durchzusetzen - in diesem Ziel sind sich zumindest die großen Fraktionen einig, wobei ich die FDP in diesem Sinne als mit-große Fraktion ansehe -, ({8}) wird noch harte Anforderungen an die Kompromißfähigkeit dieses Bundestages stellen. Ich greife in diesem Zusammenhang nur die auch in Ihrem Antrag genannten Beispiele der hohen Standards in den Bereichen Gesundheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz auf. Wie schmerzlich ist es doch für uns, zu erleben, daß weder Frankreich noch England noch Italien bereit sind, auf unsere Superautoabgasnormen einzuschwenken und auch in ihren Ländern für alle Autoklassen den Katalysator zur Pflicht zu machen. Mir ist sehr wohl bewußt, welchen Zorn in diesen Tagen so mancher Italien- oder Frankreich-Urlauber empfindet, wenn er mit seinem KatAuto vergeblich Tankstellen mit bleifreiem Benzin sucht. ({9}) - Wenig Tankstellen und dann kein Benzin, das stimmt. ({10}) Allerdings nehme ich an, daß sich unsere Nachbarn jetzt sehr beeilen werden, diese Panne auszumerzen, um die begehrten deutschen Urlauber nicht auf Dauer etwa an Österreich oder die Schweiz zu verlieren. Auch der zweite Schwerpunkt des Gipfels der nächsten Woche, die Finanzierung der EG, ist noch weit von einer Lösung entfernt. Das liegt gewiß nicht nur an unserer von den anderen Mitgliedstaaten so bezeichneten deutschen Sparsamkeit. Wir wissen, daß wir als Land mit großer Wirtschaftskraft auf Grund unserer Finanzforderungen in der Agrarpolitik, der wünschenswerten gemeinsamen Technologiepolitik und des großen Wohlstandsgefälles in der EG auch in den kommenden Jahren immer höhere Beiträge für die Gemeinschaft werden leisten müssen. Wir können allerdings mit Recht erwarten, daß sich nicht nur wir, sondern auch die anderen Mitgliedstaaten, in denen das Pro-Kopf-Einkommen über dem Durchschnittseinkommen in der EG liegt, stärker als bisher an der EG beteiligen. Daß die Kommission einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt hat, ist für uns ein großer Erfolg. Es gibt also Probleme genug. Packen wir sie an! Je länger wir sie vor uns her schieben, desto größer werden sie. Auch Schuldzuweisungen im Deutschen Bundestag schwächen nur unsere deutsche Verhandlungsposition. Ich beantrage namens meiner Fraktion Überweisung des SPD-Antrags an den Auswärtigen Ausschuß. Wir sollten uns im Unterausschuß „Europa" zu gemeinsamen Formulierungen durchringen. Wir, die CDU/CSU-Fraktion, sehen durchaus die positiven Aspekte großer Gemeinsamkeiten in europäischen Fragen. Ich könnte mir vorstellen, daß es uns vor zukünftigen Gipfeln sogar gelingt, jeweils gemeinsam einen Antrag zu erarbeiten, ({11}) der dann auch gleich verabschiedet werden kann. Für die deutsche Sache in Europa wäre das ein zusätzlicher Gewinn. Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({12})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Antretter.

Robert Antretter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000042, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Parlamentarische Geschäftsführerin Roitzsch, ich möchte Ihnen namens meiner Fraktion das aufrichtige Bedauern aussprechen, daß die CDU/CSU-Fraktion nicht in größerer Zahl die Gelegenheit wahrgenommen hat, ({0}) die hervorragende Rede unserer Kollegin Dr. Hellwig mit anzuhören. Sie hätte es verdient. ({1}) Jedenfalls bedaure ich das, und ich möchte Sie bitten, dieses Bedauern Ihrer Fraktion zu übermitteln, und das mit einem herzlichen Glückwunsch an Frau Dr. Hellwig für ihre Rede verbinden. ({2}) Ich hoffe, es schadet ihr nicht zu sehr. ({3}) Wieder einmal stehen wir vor einer Sitzung des Europäischen Rats, die den entscheidenden Durchbruch bringen soll. Wieder einmal erwarten wir, daß die zwölf Staats- und Regierungschefs ihre Pflicht erkennen, ihre Aufgaben wahrnehmen und in der politischen Praxis auch ernst nehmen. Wir erwarten, daß sie endlich die wesentlichen Integrationsziele, die jetzt in der Einheitlichen Akte verabschiedet und verbindlich festgelegt sind, in Angriff nehmen und realisieren. Mit einem Wort: Wir erwarten, daß in Brüssel mehr herauskommt als drei Wochen vorher beim Treffen der Regierungschefs in Venedig. Diese Begegnung markierte nämlich den absoluten Tiefpunkt in der 13jährigen Geschichte der Weltwirtschaftsgipfel. Es gibt kein einziges greifbares Ergebnis. Es gab zwar viel Kooperationsrhetorik, doch Wille und Bereitschaft zur Kooperation von seiten der Bundesregierung waren nicht erkennbar. So wurde Venedig zu einem reinen Fernsehspektakel auf relativ geringem Unterhaltungsniveau. Es ist allerdings zu befürchten, daß uns in Brüssel ein europäischer Krisengipfel ins Haus steht. Die Staats- und Regierungschefs werden einen riesigen Berg von ungelösten Problemen vorfinden und bewältigen müssen, einen Berg von Altlasten, den sie schon seit Jahren in fahrlässiger Weise vor sich hergeschoben haben. Durch eigene Fehler und Versäumnisse haben sie jetzt ein Problempaket geschnürt, das einen wirklichen Kraftakt der Gemeinsamkeit verlangt. Gefordert ist die Neuentdeckung europäischer Solidarität, damit die EG nicht vollends zahlungsunfähig wird. Es ist schlimm, daß ausgerechnet die deutsche Bundesregierung durch die nicht gelösten Agrarprobleme die Finanzkrise im wesentlichen zu verantworten hat. Ein europapolitisches Konzept, eine Definition des Gemeinschaftsinteresses sind bis heute nicht erkennbar. Es zeigt sich jedoch, daß die EG den Herausforderungen dieser großen Aufgaben, die vor ihr stehen, in keiner Weise gewachsen ist. Das ist um so gefährlicher, als die Bundesregierung ab dem 1. Januar 1988 die EG-Ratspräsidentschaft übernimmt. Sie beharren auf einer unsinnigen Agrarpreispolitik, die den Bauern nichts bringt, und schaffen jetzt ein Schlupfloch, um über die Kredite der Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung das Faß ohne Boden der Agrarpreissubventionen finanziell nachzufüllen. Sie versuchen, sich mit diesem Trick der politischen Verantwortung für die verfehlte Agrarpolitik zu entziehen, die Sie bei der Vorlage eines Nachtragshaushalts hätten übernehmen müssen. Dabei fehlen bereits heute 12 Milliarden DM in der EG-Kasse des Jahres 1987. Sie sagen nur, was Sie nicht wollen. Sie sind aber nicht fähig, ein sinnvolles Verhandlungspaket zu schnüren. Sie haben sich in Brüssel politisch in unerträglicher Weise isoliert. Auch in bezug auf die Vorschläge zur Finanzreform der EG betreiben Sie ein unehrliches Spiel. Statt zu Vorschlägen der EG-Kommission Stellung zu beziehen, die zum Ziel haben, die immer wiederkehrenden Finanzkrisen ein für allemal zu beenden und zu sagen, welche finanziellen Leistungen damit verbunden sind, sprechen Sie von einer Anhebung der EG-Zuweisungen von 1,4 auf 1,6 %, wohl wissend, daß 1,7 % nötig sind, um das aktuelle EG-Haushaltsdefizit zu decken. Es steht zu befürchten, daß Sie dann irgendwann die EG verantwortlich machen werden, wenn Sie mit Ihrem ungedeckten Scheck der Steuersenkung nicht mehr zu Rande kommen. Auch bei der von der Kommission vorgeschlagenen Erhöhung der Strukturfonds lavieren Sie. Die drastische Aufstockung ist aber dringend notwendig, um insbesondere für Portugal und Spanien einen finanziellen Ausgleich zu schaffen. Sie haben vollmundig die EG-Erweiterung propagiert. Der Handelsüberschuß der Bundesrepublik mit Spanien hat sich seit der Erweiterung um 24,4 % erhöht, und dies bei insgesamt rückläufigem Gesamtexport. Aber Sie weigern sich, der Verdoppelung der Fondsmittel zuzustimmen. Man kann von den EG-Partnern nicht erwarten, daß sie der Bundesrepublik den großen Markt für Exporte liefern, wenn sie selbst keinerlei Ausgleich für diesen Binnenmarkt erhalten. Für die SPD-Bundestagsfraktion ist die drastische Aufstockung der Fonds eine Frage der Solidarität und der Glaubwürdigkeit. Allerdings verlangen wir, daß bei einer Reform der Fonds Krisenregionen in der Bundesrepublik nicht aus der Liste der Empfänger gestrichen werden. Wenn die Bundesregierung diese Forderung nicht aufnimmt, wird sie in eine ähnliche Sackgasse geraten wie bei der Agrarpolitik oder wie beim Katalysator-Auto. Die tatsächlichen deutschen Interessen bleiben dann auf der Strecke. Ein Verhandlungspaket für den Europäischen Rat müßte aber gerade die wirklichen deutschen Interessen beinhalten, verbunden mit Zugeständnissen in anderen Feldern an die EG-Partner. Zu diesen wirklichen deutschen Interessen gehört eben nicht das Festklammern an einem überlebten Agrarpreiskonzept, sondern die Forderung nach höchsten harmonisierten sozialen Umwelt- und Verbraucherstandards. Wir fordern deshalb: Die Bundesregierung muß ihr Konzept zur Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft und die finanziellen Konsequenzen offenlegen. Wir brauchen eine starke EG, damit sich Europa selbst behaupten kann. Wir unterstützen deshalb prinzipiell die Vorschläge des EG-Kommissionspräsidenten Jacques Delors zur Vollendung des Binnenmarkts und zur Finanzreform. Voraussetzung für das Funktionieren der EG ist, daß mit der verschleppten Finanzkrise Schluß gemacht wird, eine neue Finanzordnung verwirklicht und die Agrarpreispolitik reformiert wird. Die Strukturfonds müssen deutlich aufgestockt werden. Das duale System muß aber beibehalten werden. Bei der Verwirklichung des Binnenmarkts müssen hohe gemeinsame Umweltschutznormen verwirklicht werden, und die Interessenvertretung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen muß ausgeweitet statt eingeschränkt werden. Beim Stichwort Binnenmarkt und Binnenmarktentwicklung haben wir auch davon Notiz zu nehmen, daß die ungleiche Entwicklung die Massenarbeitslosigkeit in Europa keineswegs abbaut. Daß sich seit 1979 die Arbeitslosigkeit fast verdreifacht hat, ist eine empörende Tatsache. Über 17 Millionen Menschen leben derzeit ohne Erwerbsarbeit in den EG-Ländern. Der Anteil arbeitsloser Jugendlicher beträgt nach wie vor rund 40 %. Angesichts der bedrohlichen Stahlkrise und der verzweifelten Situation der betroffenen Stahlarbeitnehmer und ihrer Familien müssen auf dem Gipfel dringend notwendige Grundsatzentscheidungen getroffen und konkrete Schritte eingeleitet werden.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stratmann?

Robert Antretter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000042, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte Sie herzlich bitten, davon abzusehen. Ich bin von 20 Minuten Redezeit ausgegangen. Diese mußte ich in Kürze auf 10 Minuten reduzieren und komme kaum noch zum Ende. Ich bitte um Verständnis, Herr Kollege. Schließlich, meine Damen und Herren, muß sich der Gipfel auch mit dem Thema Friedens- und Entspannungspolitik befassen. Wir verlangen von der Bundesregierung, daß nach dem Spektakel um die doppelte Null-Lösung konstruktive Vorschläge für eine bessere Europäische Politische Zusammenarbeit gemacht werden. ({0}) Abrüstung und Sicherheit in Europa müssen zu einem Konzept der Entspannungspolitik zusammengefaßt werden. Wir wollen, daß das Rahmenabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Comecon endlich unter Dach und Fach kommt, damit auch der Ausbau bilateraler Beziehungen zwischen den Staaten der Gemeinschaft und Osteuropas möglich wird. Die Initiativen Gorbatschows bedürfen einer europäischen Antwort. Wir unterstützen alles, was den Dialog mit und die Freiheit in den Völkern Osteuropas voranbringen kann. Wir Sozialdemokraten haben immer wieder Vorschläge gemacht, um die Selbstbehauptung Europas zu erreichen. Beispielsweise ist unser Konzept zur Schaffung einer chemiewaffenfreien Zone in Europa umsetzbar, und unser Konzept des atomwaffenfreien Korridors bedeutet eine Chance der Vertrauensbildung, die zur notwendigen zweiten Phase einer aktiven Entspannungspolitik führen kann. Meine Damen und Herren, für die Europäische Gemeinschaft ist 1987 ein Entscheidungsjahr. 30 Jahre nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge muß es nun gelingen, einen Durchbruch zu schaffen, um auf den historischen Weg von der Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen Union zu kommen. Der Wille zur Europäischen Gemeinschaft ist bei den Bürgerinnen und Bürgern Europas vorhanden; die oftmals kleinkarierte Realität europäischer politischer Tagesarbeit stößt aber auf allgemeines Unverständnis. Hier müssen wir ansetzen, wenn wir eine politische Gemeinschaft bilden wollen. Der bevorstehende Gipfel ist insofern eine neue Chance, und der vorliegende Antrag der SPD ist eine gute Unterstützung dafür. Vielen Dank. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Irmer.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei den Kollegen von der SPD-Fraktion ausdrücklich dafür bedanken, daß sie damit einverstanden gewesen sind, diesen Antrag nicht als Entschließungsantrag einzubringen, sondern an den Ausschuß zu verweisen. Ich halte dies für ausgesprochen sachgerecht. Zum einen hätten wir sonst technische Probleme gehabt, denn der Antrag wurde ja sehr kurzfristig vorgelegt. Zum anderen halte ich dieses Verfahren aber auch von der Sache her für richtig, denn es ist ja nicht damit getan, der Bundesregierung jetzt in einem Entschließungsantrag eine Empfehlung mit auf den Weg zu geben, wie sie sich nach unseren Vorstellungen auf dem Gipfel verhalten sollte, sondern es kommt darauf an, daß wir zwar jetzt in der Debatte der Bundesregierung sagen, was wir uns vorstellen, dann aber auch das, was in Ausführung des Gipfels geschehen wird, hier sehr kritisch und mit sehr konstruktiven Beiträgen regelmäßig verfolgen. Man kann ja gar nicht erwarten, daß der Gipfel die ganzen Probleme, die in Ihrem Antrag angesprochen sind, löst, sondern der Gipfel kann nur der Einstieg sein. Dort wird ein erstes Gespräch über die Lösung dieser Probleme stattfinden. Wir haben in diesem Zusammenhang etwas getan, was ich für ganz wichtig halte: Wir haben einen Unterausschuß EG-Fragen gegründet, und er wird jetzt die Aufgabe haben, ständig zu verfolgen, was im Rat und was in der EG insgesamt weiter geschieht. Meine Damen und Herren, der Gipfel findet zu einer Zeit statt, in der auf der einen Seite die Chancen, auf der anderen Seite aber auch die Gefahren der europäischen Entwicklung so deutlich sind, wie es, so glaube ich, selten zuvor der Fall gewesen ist. Die Finanzkrise ist zweifellos nicht ohne eine gleichzeitige Lösung der Agrarkrise zu überwinden, und da gibt es natürlich in dem Antrag, der von Ihnen vorgelegt worden ist, ein paar Punkte, mit denen ich so nicht einverstanden sein könnte; das können wir im Ausschuß dann ja ausräumen. Ich habe z. B. gesehen, daß Sie eine Reform und Modernisierung der gemeinsamen Agrarpolitik fordern, allerdings ohne detailliert zu sagen, wie das nun laufen soll. ({0}) Es kann die Reform sicherlich nicht so aussehen, daß Preissenkungen eintreten, die lediglich die kleinen und die mittleren bäuerlichen Betriebe treffen - genau die, deretwegen wir diese ganze Agrarpolitik eigentlich gemacht haben. Es ist in Ihrem Antrag beispielsweise auch vom Währungsausgleich nicht die Rede. Ich halte es in der Tat für nicht hinnehmbar, daß kleine und mittlere Betriebe in der Bundesrepublik die Leidtragenden dafür sind, daß man auf europäischer Ebene nicht in der Lage ist, die finanziellen und die Agrarprobleme zu lösen. Wir werden über den Währungsausgleich sprechen müssen. Ich bin im Prinzip auch dagegen. Aber fragen wir uns doch einmal, woran es liegt. Es liegt doch daran, daß wir mit dem Europäischen Währungssystem noch nicht so weit gekommen sind, wie wir es eigentlich wollten; es liegt daran, daß die gemeinsame europäische Währung bisher noch Zukunftsmusik ist. Deshalb meine ich, daß wir an der Verwirklichung dieser gemeinsamen europäischen Währung in Zukunft energisch arbeiten müssen. Meine Damen und Herren, ich habe auch von den Chancen gesprochen. Es ist in der Tat ein glückliches Zusammentreffen, daß just am 1. Juli dieses Jahres die Einheitliche Europäische Akte in Kraft tritt. Wir können sie nicht bejubeln; das ist sicherlich nicht die Endlösung. Wir hatten uns mehr vorgestellt und mehr gewünscht. Auf der anderen Seite muß man sagen, daß diese Einheitliche Europäische Akte die Chance beinhaltet, jetzt einige Probleme zu lösen, an die man sich vorher überhaupt nicht herangewagt hat. Wenn die Mehrheitsentscheidung im Rat - ich bitte die Bundesregierung, insbesondere darauf zu achten - in Zukunft regelmäßig durchgesetzt wird, werden wir gewisse Probleme, die wir früher hatten, nicht mehr haben. Die Gemeinschaft wäre doch nicht in einem teilweise so beklagenswerten Zustand, wenn wir schon früher die Mehrheitsentscheidung gehabt hätten. Ich bitte in diesem Zusammenhang die Bundesregierung ganz herzlich: Wir erwarten von Ihnen, daß es ein deutsches Veto im Ministerrat in Zukunft nicht mehr geben wird. ({1}) Wir wollen den Binnenmarkt verwirklichen. Wir bitten die Bundesregierung, auch hier ganz strikt darauf zu achten, daß die Frist 1992 eingehalten werden kann. Es ist ganz selbstverständlich, daß die ärmeren Länder einen Ausgleich dafür brauchen, daß sie von den Vorteilen dieses Binnenmarktes nicht in gleicher Weise profitieren können, wie das uns möglich ist, weil wir andere Wirtschaftsstrukturen haben. Deshalb müssen selbstverständlich diese Fonds aufgestockt werden. ({2}) - Soweit wie möglich; das setzt aber die Finanzreform und auch die Agrarreform voraus, das ist ein Gesamtpaket. ({3}) - Das kann man jetzt nicht in Prozenten sagen. ({4}) Es ist selbstverständlich so, Herr Kollege, daß die Gemeinschaft eine Solidargemeinschaft sein muß. Jedes Mitglied muß das Gefühl haben und muß davon überzeugt sein, daß nicht nur die anderen, sondern auch es davon Vorteile haben. Weiterhin möchte ich die zunehmende Attraktivität erwähnen, die die EG auf beitrittswillige Länder ausübt, und insbesondere die Rolle, die sie international wird spielen müssen und spielen können, auch in Richtung auf unsere östlichen Nachbarn. Als Einstimmung auf die heutige Debatte habe ich gestern abend in der ungarischen Botschaft eine Pianistin gehört. Das war wunderschön zum Ausspannen von dieser Hektik. ({5}) Wie könnte es in der ungarischen Botschaft in Bonn anders sein: Sie spielte Beethoven, BartOk und Liszt. Es war nicht nur ein sehr schöner Abend mit Kessel-goulasch und allem, was dazugehört, ({6}) sondern es wurde auch ein ernstes Problem angesprochen, und das möchte ich hier erwähnen. ({7}) - Jetzt hören Sie mir doch bitte einmal zu, sonst kann ich den Gedanken gar nicht zu Ende bringen. - Es wurde folgendes Problem angesprochen: Die Ungarn möchten gerne die Visumpflicht abschaffen; wir möchten das auch. Jetzt gibt es einige Nachbarn in Westeuropa, in der EG, die sagen: Da gibt es Sicherheitsprobleme. Meine Damen und Herren, die Beziehungen zum RGW und bilateral zu den einzelnen Ländern wurden hier erwähnt. Ich finde es großartig, daß sich die östliche Seite jetzt öffnet und daß sie endlich bereit ist, die EG anzuerkennen. Dann machen wir aber bitte nicht so einen Unsinn, ({8}) daß wir dann, wenn die Ungarn schon vorschlagen, den Visumzwang abzuschaffen, künstliche Hindernisse aufbauen. Das muß doch nun wirklich nicht sein. Meine Damen und Herren, wenige Sätze noch an die Adresse der Bundesregierung. Ich stelle zu meinem großen Bedauern fest, ohne daß ich hier Schuldzuweisungen vornehmen will, daß die Deutschen in den Augen der anderen westeuropäischen Partner zunehmend in eine Isolation geraten sind. Man kann davor nicht die Augen verschließen. Wenn Sie mit Freunden aus den EG-Ländern sprechen, dann hören Sie: Mein Gott, ihr Deutschen, was macht ihr denn schon wieder? - Sie haben Angst, daß diese Neutralismusdebatte, die bei uns manchmal geführt wird, wirklich ernst zu nehmen sei. Sie haben Angst, daß wir möglicherweise lediglich Mitglieder auf Zeit seien - mit einem Kündigungsrecht. Die Kündigungsfrist beträgt nicht gerade zwei Wochen; hier war gerade von Mieten die Rede. Es gibt also keine außerordentliche Kündigung; aber man könnte sich sagen: Aha, die Deutschen betrachten das hier nur als eine Option; sie haben noch eine andere Option, nämlich ihre Wiedervereinigung oder ihren Neutralismus. Meine Damen und Herren, ich appelliere an uns alle: Hören wir doch endlich auf, so zu sprechen, daß bei unseren westlichen Nachbarn und Partnern dieser Eindruck entstehen kann. Solche Äußerungen, wie sie neulich im Zusammenhang mit der Abrüstungsdebatte zur Wiedervereinigung fielen, sind wirklich nicht hilfreich und können nur dazu dienen, im Westen Irritationen hervorzurufen. ({9}) Damit, meine Damen und Herren, muß Schluß sein. Ich möchte jetzt einen positiven Aspekt anführen. Aber ich glaube, Herr Präsident, meine Redezeit ist fast abgelaufen.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Sie haben noch eine Minute.

Ulrich Irmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000996, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Worauf es jetzt ankommt, ist folgendes. Wir müssen auf dem Weg zur Europäischen Union energisch weitergehen. Wir müssen hier alle Politikbereiche mit einbeziehen. Die Einheitliche Europäische Akte gibt jetzt erstmals formal der EG eine Zuständigkeit auch für die Außenpolitik. Wer aber will Außenpolitik betreiben, ohne die Sicherheitspolitik und auch die Verteidigungspolitik letzten Endes mit einzubeziehen? Wir müssen uns auch einmal überlegen, ob denn unsere institutionellen Strukturen noch in Ordnung sind. Ist es richtig, daß wir bei der WEU die Verteidigung haben, beim Europarat die schönen Dinge des Lebens - als da sind Kultur, Umwelt und dergleichen - , daß aber bei der EG die Gefahr gegeben ist, daß sie zum Schuttabladeplatz für alle Müll- und Problembereiche wird? Das kann doch wohl nicht sein. Wir müssen die EG aus diesem Image herausheben. ({0}) Wir müssen mit der EG das verbinden, was wir uns als Europäische Union vorstellen, die wir alle wollen. Ich rege an, daß die Bundesregierung in Vorbereitung auf die deutsche Präsidentschaft im nächsten Jahr vielleicht wieder eine solche Initiative startet, wie es seinerzeit Bundesaußenminister Genscher gemacht hat. Die Genscher-Colombo-Initiative hat letzten Endes dazu geführt, daß wir jetzt die Einheitliche Europäische Akte haben. Es wäre ein guter Anlaß für die deutsche Bundesregierung, eine solche Initiative im Halbjahr der Präsidentschaft von sich aus zu starten. Das, was Bundesaußenminister Genscher damals sagte, ist nach wie vor gültig: Wir wollen Europa jetzt! Vielen herzlichen Dank. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Stratmann.

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Liebe Mitbürgerinnen! Liebe Mitbürger! Wenn der Präsident der EG-Kommission, Jacques Delors, in diesem Saal wäre und das offenkundige Desinteresse des Deutschen Bundestags an der aktuellen Situation der EG wahrnehmen könnte ({0}) - ich beziehe uns ein -, würde er den Eindruck, den er jüngst über den Zustand der EG öffentlich äußerte, nur bekräftigen, nämlich: Die EG steht am Rande einer Krise. Das eigentlich Krisenhafte sind nicht die Streitigkeiten über die ungelösten Probleme einer ausstehenden Agrarreform und die Löcher im EGHaushalt, sondern viel krisenhafter ist, daß die Dimensionen der Krise und die Ursachen der Krise weder erkannt werden noch in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielen. Ganz anders als alle anderen Fraktionen im Bundestag - inklusive des Antrags der SPD - sind wir, DIE GRÜNEN, der Meinung, daß es gerade das Ziel des EG-Binnenmarkts 1992 und die Entwicklung in den letzten Jahren in dieser Richtung sind, die die eigentliche Ursache für die aktuellen Probleme der EG darstellen. Ich möchte das an Beispielen deutlich machen. Im Jahreswirtschaftsbericht der EG-Kommission 1986 ist das Nord-Süd-Gefälle dargestellt worden. Im Zuge einer Liberalisierung des EG-Binnenmarkts wird es nicht etwa abgebaut, sondern es nimmt gerade im Zuge einer Liberalisierung zu. Den Kollegen von der SPD möchte ich sagen, daß sie sich folgende Frage stellen müssen. Auf der einen Seite wird die Tendenz zum EG-Binnenmarkt ausgebaut, aber auf der anderen Seite findet das statt, was sie beklagen, nämlich ein zunehmendes Nord-SüdGefälle. Das steht doch in einem erkennbaren und darstellbaren Zusammenhang. Das ist dargestellt im Jahreswirtschaftsbericht der EG-Kommission. ({1}) - Frau Wieczorek-Zeul, wenn Sie sagen „Ja, logisch", dann müssen Sie Konsequenzen daraus ziehen. Sie können nicht auf der einen Seite das NordSüd-Gefälle beklagen und auf der anderen Seite die Ursache geradezu bekräftigen, nämlich die Hinwendung zum EG-Binnenmarkt. In der „Wirtschaftswoche" von dieser Woche wird dargestellt, daß die Bundesrepublik Deutschland, obwohl sie in einer Dimension von 8 Milliarden DM größter Nettobeitragszahler ist, gleichzeitig der größte Nutznießer ist. ({2}) - Eine Sekunde noch. Ich hatte vor wenigen Wochen mit dem Kollegen Wolfgang Roth eine Diskussion vor der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände und dem Bundesverband der Deutschen Industrie. Dort erklärte der Kollege Roth: Auf der einen Seite sind wir als SPD für den EG-Binnenmarkt; andererseits ist offenkundig, daß die Bundesrepublik der größte Kriegsgewinnler an diesem EG-Binnenmarkt ist. - Das ist ein Zitat von Wolfgang Roth. Das ist daran abzulesen, daß die Außenhandelsüberschüsse der Bundesrepublik Deutschland im EG-Handel 1984 26 Milliarden DM, 1985 31 Milliarden DM und 1986 51 Milliarden DM betrugen. Das bezieht sich allein auf den EG-Handel. Das hat negative Konsequenzen für die anderen Staaten und führt zu Aufwertungstendenzen der D-Mark. Das führt zu faktischen Zinserhöhungen und zu Kapitalabflüssen aus den anderen EG-Staaten in die Bundesrepublik. Das wird durch die Hochzinspolitik der Deutschen Bundesbank unterstützt. Die Deutsche Bundesbank betreibt, unterstützt von der Bundesregierung, exakt dasselbe, was sie in den letzten Jahren gegenüber den USA mit Recht immer kritisiert hat, nämlich eine Hochzinspolitik. Frau Hellwig!

Dr. Renate Hellwig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn wir uns darin einig sind, daß dieses große Wohlstandsgefälle innerhalb der Europäischen Gemeinschaft beklagenswert ist und wir das beheben wollen: Können Sie mir darin zustimmen, daß gerade der Binnenmarkt, verbunden mit einer solidarischen Haushaltspolitik in der EG, besser geeignet ist, das Gefälle zu überwinden? Ich nehme nur das Modell Deutschland: Glauben Sie etwa, daß innerhalb Deutschlands der Ausgleich zwischen armen und reichen Regionen sozusagen leichter stattfinden würde, wenn wir noch die kleinstaatlichen Grenzen hätten, oder ist es nicht gut, daß wir sozusagen ein Binnenmarkt sind, und gilt nicht das gleiche Gesetz dann auch für den größeren Raum des europäischen Binnenmarktes?

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Hellwig, wir GRÜNEN haben nie gesagt - das ist auch meine Antwort auf Ihre Frage - , daß wir grundsätzlich gegen eine Ausweitung des Binnenmarktes sind. In der Geschichte kam es zur Ausweitung des Binnenmarktes der deutschen Kleinstaaten, zum Zollverein usw. und dann zu einem deutschen Markt. Auch wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Ausweitung des Binnenmarktes. Entscheidend sind die Modalitäten, unter denen sie erfolgt. Da sagen wir: Die Modalitäten, die in der Einheitlichen Europäischen Akte festgeschrieben sind, die in den letzten Jahren Praxis geworden sind, führen eben nicht zu einem regionalen Ausgleich, sondern führen erkennbar - ich habe das doch dargestellt, lesen Sie den Jahreswirtschaftsbericht der EG-Kommission - zu einer Verstärkung der regionalen Ungleichgewichte. Das als Antwort. Da ich nur fünf Minuten Redezeit habe, möchte ich mich in den verbleibenden Minuten nicht weiter auf eine Kritik an der augenblicklichen Entwicklung konzentrieren, sondern unsere Alternativen darstellen. ({0}) Der bevorstehende EG-Gipfel stellt - darin stimmen wir alle überein - auch eine Chance für eine grundsätzliche Wende in der bisherigen EG-Politik dar. Wir GRÜNEN sagen: Statt der Verwirklichung des Binnenmarktes in dem mittelfristigen Zeitraum bis 1992 wollen wir einen ökologischen und demokratischen Umbau der EG und der EG-Institutionen. Wir lehnen die Europäische Gemeinschaft nicht dogmatisch ab, im Gegensatz zu dem, was Sie, Frau Hellwig, in Ihrem Beitrag gesagt oder vermutet haben, und wir streben mittelfristig eine europäische Kooperation der Regionen an, Stichwort: Europa der Regionen. Für diesen ökologischen und demokratischen Umbau schlagen wir fünf Strukturelemente einer europäischen Reformpolitik vor. Erstens. Hauptkrisenherd ist die völlig verfahrene EG-Agrarpolitik. Wir fordern die Harmonisierung von EG-Normen, um einen ökologischen Umbau der europäischen Agrarwirtschaft durchzusetzen. Stichworte dazu: Es muß durch einheitliche EG-Normen auf höchstem Standard, auch Umweltstandards, eine ökologische Intensivierung der Landwirtschaft erreicht werden. Die Überproduktion hat zur Ursache, daß eine Konzentration in der Landwirtschaft eingetreten ist und staatlich und europäisch gefördert wird. Infolgedessen haben wir eine Konzentration, eine „Industrialisierung" der Landwirtschaft und zunehmenden Chemieeinsatz mit den entsprechenden ökologischen Folgen. Deswegen müssen Standards für eine ökologische Intensivierung eingeführt werden, die den Chemieeinsatz, die Konzentration und Zentralisierung der Landwirtschaft umkehren. Stichworte dazu - gestern in der Agrardebatte ist es dargestellt worden -: höhere Preise für eine Grundmenge in der landwirtschaftlichen Erzeugung, Bestandsobergrenzen in der Viehhaltung, Mengenbegrenzung der landwirtschaftlichen Produktion, insbesondere im agrarindustriellen Bereich, Rückführung des Chemieeinsatzes - genau deswegen Harmonisierung von EG-Normen auf höchstem Standard - , Abbau der massiven Subventionierung, insbesondere der EG-Agrarindustrie. 75 % der Agrarsubventionen kommen nicht den landwirtschaftlichen Betrieben zugute, sondern dem nachgeschalteten agrarindustriellen Komplex. Das zweite Strukturelement: Wir brauchen EG-Initiativen zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. Das möchte ich auch wieder an die Adresse der SPD sagen: Was in der Bundesrepublik gilt - das setzt sich auch bei Ihnen zunehmend durch - , gilt auf europäischer Ebene genauso. Nicht eine wachstumsorientierte Politik und deswegen EG-Binnenmarktorientierung sind gefordert, sondern massive EGMaßnahmen zur Arbeitszeitverkürzung. Wenn es möglich ist, im Stahlbereich Produktionsquoten durchzusetzen, Preisregulierungen vorzunehmen, wenn das auch im Agrarbereich möglich ist, dann ist es doch selbstverständlich im EG-Bereich möglich, sich gleichzeitig auf eine europäische Arbeitszeitordnung zu einigen - ich will jetzt nicht in den Tarifbereich hineindirigieren -, nach der beispielsweise in gleichen Schritten die Überstunden, die überall in den EG-Staaten geleistet werden, abgebaut werden. Also zweites Strukturelement: EG-Initiativen zur Arbeitszeitverkürzung sind dringend notwendig. Drittes Element: Abbau der Handelsüberschüsse. Um die immensen Handelsüberschüsse der Bundesrepublik innerhalb der EG abzubauen, ist es notwendig, diejenigen, die von diesen Handelsüberschüssen profitieren, ökonomisch zu bestrafen, z. B. indem wir ein Instrument einbauen, durch das die Bundesrepublik, Frankreich, die Niederlande und andere Staaten, die Handelsüberschüsse haben, ihre Beitragszahlungen an den EG-Haushalt an ihren Handelsüberschüssen orientieren müssen, also dafür negativ sanktioniert werden. Gleichzeitig könnte durch diese Abzüge von den Handelsbilanzüberschüssen der EG-Haushalt aufgefüllt werden. Das entspricht in der Tendenz auch der Forderung von Delors, daß man die Beitragszahlungen am Bruttosozialprodukt der EG-Mitgliedsstaaten orientiert. Gleichzeitig könnten diese Abzüge vom Handelsbilanzüberschuß zweckgebunden zur Aufstockung des Regional- und des Sozialfonds eingesetzt werden. Allerdings dient die heutige Struktur des Regionalfonds keineswegs der regionalen Autonomie der jeweiligen Krisenregionen, sondern ist so ausgestaltet, daß auch - Beispiel: Andalusien in Spanien, Kriesenregionen in Griechenland und Portugal - die europäische Regionalpolitik einen Korridor für Exportinteressen der bundesdeutschen, der französischen und der niederländischen Konzerne darstellt.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Oostergetelo?

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, Sie haben die hohen Kosten im Agrarbereich zu Recht angesprochen. Ich frage Sie: Wenn Sie das durch gestaffelte Preise regeln wollen, wie wollen Sie das kontrollieren? Ist hier nicht eine zusätzliche Einkommensquelle durch Einkommensübertragungen sinnvoller?

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, das ist deswegen nicht sinnvoller, weil Sie soziale und ökologische Probleme durch Ihre Vorschläge im Antrag nicht lösen können. Wenn Sie auf der einen Seite für Flächen- oder Betriebsstillegungen mit Einkommensausgleich plädieren, haben Sie zwar keine ökologischen Folgeschäden bei den stillgelegten Flächen, aber die Chemisierung, die Konzentration in den nicht stillgelegten Betrieben und Flächen geht weiter. Das heißt, was Sie vorschlagen, ist lediglich eine soziale und ökologische Makulatur. Es ist kein Ansetzen an den Ursachen der Agrarkrise. ({0}) Lassen Sie mich, weil die Zeit drängt, einen vierten Punkt nennen, der ein Strukturelement eines ökologischen und demokratischen Umbaus der EG-Institutionen sein muß. Wenn auf der einen Seite - außer von den GRÜNEN von allen Fraktionen im Bundestag - ein Ausbau des Europäischen Währungssystems gefordert wird, dann sagen wir, es muß gleichzeitig dafür Sorge getragen werden, daß die europäische Geldpolitik demokratisch kontrolliert und vereinbart wird. Es darf nicht möglich sein, daß die Deutsche Bundesbank per Hochzinspolitik Druck auf die Wirtschaftspolitik der ökonomisch schwächeren Staaten ausübt, sondern hier muß eine demokratische Vereinbarung zwischen den nationalen Zentralbanken in Sachen Geld- und Zinspolitik stattfinden.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist leider abgelaufen.

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Darf ich noch zwei Sätze sagen?

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Bitte sehr, gern.

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Zu einem letzten, dem fünften Strukturelement: Ein demokratischer Umbau, der gleichzeitig die parlamentarischen Rechte - und das sind die Rechte des EG-Parlaments - auf Kosten der EG-Bürokratie stärkt, ({0}) auch die Rechte von Regionalparlamenten gegenüber Landesexekutiven stärkt, muß das Ziel sein. Wir haben überhaupt nichts davon, wenn die Bayerische Staatsregierung, die hessische Landesregierung etc. in der Einheitlichen Europäischen Akte mehr Rechte bekommen, sondern die Länderparlamente oder die Regionalparlamente in der Bundesrepublik müssen mehr Rechte bekommen. Das heißt, wir brauchen einen Umbau in Richtung auf eine Dezentralisierung, auf eine europäische Kooperation der Regionen und auf eine Stärkung der parlamentarischen Rechte im europäischen Rahmen. Danke schön. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich erteile das Wort der Frau Staatsministerin beim Bundesminister des Auswärtigen, Frau Dr. Adam-Schwaetzer.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Montag und Dienstag tritt in Brüssel der 36. Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft zusammen. Er wird entscheidende Bedeutung für die Weiterentwicklung der Gemeinschaft haben. Die Gemeinschaft muß hier die Weichen für die gemeinsame Entwicklung stellen. Stillstand oder ein Zurück in Renationalisierung darf es nicht geben und wird es mit uns nicht geben. ({0}) Die Bundesregierung wird mit der notwendigen Aufgeschlossenheit realistisch und konstruktiv unter gleichzeitiger Wahrung deutscher Interessen diese Öffnung in die Zukunft mitgestalten. ({1}) Die Situation in der Gemeinschaft ist durch verschiedene Problemfelder gekennzeichnet. Erstens. Die Einheitliche Europäische Akte tritt am 1. Juli in Kraft. Sie soll zügig umgesetzt werden. Das bedeutet u. a. einen neuen Aufbruch zur Vollendung des Binnenmarkts, damit ein freier Austausch von Waren und Dienstleistungen ohne nationale Schranken endlich verwirklicht werden kann. Das bedeutet eine verstärkte gemeinsame Anstrengung in der Forschung und in der Technologie zur Verwirklichung einer Technologiegemeinschaft in Europa. Bei der Verwirklichung dieser Ziele wird es entscheidend auf die Überwindung nationaler Eigensüchteleien auf allen Seiten ankommen. Es wird uns alle noch sehr viel Kraft und auch in diesem Bundestag sicherlich noch viele Debatten kosten. Zweitens. Die Einheitliche Europäische Akte gibt dem Rat den konkreten Auftrag, bis Mitte 1988 über einen Gesamtvorschlag zur Verbesserung der Strukturfonds zu beschließen. Damit ist das Thema des Wohlstandsgefälles innerhalb der Europäischen Gemeinschaft angesprochen. Die starken Industriestaaten des Nordens, die bereits 30 Jahre die Vorteile des Gemeinsamen Markts spüren, haben eine Verantwortung für die Entwicklung der später hinzugekommenen schwächeren Staaten. ({2}) Diese später hinzugekommenen Staaten können der Verwirklichung des Binnenmarkts nur dann zustimmen, wenn ihnen flankierende Hilfe gewährt wird. Drittens. Die vorhandenen Eigenmittel der Gemeinschaft werden in diesem Jahr ausgeschöpft sein. Die künftige Finanzierung der Gemeinschaft muß sichergestellt werden. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Rat in Fontainebleau vor drei Jahren den Auftrag erteilt, die Finanzfragen insgesamt erneut zu prüfen. Viertens. In diesem Jahr haben sich die Agrarpreisverhandlungen als besonders schwierig erwiesen. Sie konnten immer noch nicht abgeschlossen werden. Damit ist klar: Der Problemberg ist groß. Die Außenund die Fachminister - in verschiedenster Zusammensetzung - haben die anstehenden Themen in den vergangenen Monaten mehrmals beraten. Dabei hat sich herausgestellt, daß die Positionen der Mitgliedstaaten noch sehr weit auseinanderliegen. Die Außenminister werden sich am Wochenende erneut treffen, um die Probleme für die Staats- und Regierungschefs zu sortieren, damit die Fragestellung am Montag klar ist und Entscheidungen, soweit möglich und erforderlich, getroffen werden können. Die Europäische Kommission hat im Februar ein Vorschlagspaket zu den meisten anstehenden Themen vorgelegt. Dieses - auch „Delors-Paket" genannt - soll nach den Vorstellungen des belgischen Vorsitzes den Europäischen Rat fast ausschließlich beschäftigen. Der belgische Premierminister Martens hat zur Vorbereitung eine Rundreise durch die Hauptstädte unternommen. Das macht schon klar, welche Bedeutung auch die Präsidentschaft dem Europäischen Rat in der nächsten Woche zumißt. Gestern war das Gespräch mit dem Bundeskanzler. Auch dabei hat sich abgezeichnet, daß von dem Treffen am Montag und Dienstag in einer ganzen Reihe von Einzelfragen noch keine konkreten Antworten erwartet werden können, aber daß es notwendig und wichtig ist, Orientierungen für eine allerdings noch sehr intensive weitere Arbeit in den kommenden Monaten zu geben. Dies dürfte wohl die realistische Beurteilung der Lage sein. Nach unserer Auffassung müssen allerdings konkrete Vorgaben der Staats- und Regierungschefs in den offenen agrarpolitischen Fragen getroffen werden. Hier hat sich gezeigt, daß die Landwirtschaftsminister dringend der flankierenden Unterstützung bei der Lösung ihrer Probleme bedürfen. Die Bundesregierung hat in mehreren Gesprächsrunden ihre Konzeption für den Europäischen Rat und die darüber hinaus folgenden Diskussionen und notwendigen Entscheidungen festgelegt. Schon heute läßt sich sagen, daß die Bundesregierung mit ihrem europapolitischen Gesamtkonzept in Brüssel konstruktive Beiträge leisten wird, damit die Europäische Gemeinschaft mit ihren drängenden aktuellen Problemen fertigwerden und mittelfristig weitere Fortschritte machen kann. Zu diesem Gesamtkonzept gehören eine Reihe von Maßnahmen: Erstens. Wir sind entschlossen, den einheitlichen Binnenmarkt bis 1992 zu vollenden. Hier werden auch in unserer eigenen Präsidentschaft zu Beginn des Jahres 1988 weitere Vorschläge und Fortschritte zu machen sein. Die deutsche Delegation hat ihren Willen zur Vollendung des Binnenmarktes erst in den letzten Tagen wieder auf dem Verkehrsministerrat bewiesen, als es um die Liberalisierung des Luftverkehrs in der Gemeinschaft und damit, meine Damen und Herren, um billigere Flugtarife ging, die allen Verbrauchern zugute kommen können. Zweitens. Wir sind bereit, der Gemeinschaft weitere Eigenmittel zur Verfügung zu stellen, die dann diszipliniert verwendet werden müssen. Drittens. Wir sind bereit, an der Formulierung eines gerechteren Finanzierungssystems mitzuwirken. Dabei gibt es dann keinen Platz mehr für Ausgleichszahlungen an einzelne Mitgliedstaaten. Viertens. Wir sind bereit, die Strukturfonds effizienter zu machen und mit höheren Mitteln auszustatten, damit die Gemeinschaft die Selbsthilfemaßnahmen der schwächeren Mitgliedstaaten wirkungsvoller unterstützen kann. Fünftens. Wir halten Fortschritte in der Währungspolitik für wichtig. Die Deutsche Bundesbank hat die private Verwendung der ECU in der Bundesrepublik Deutschland in diesen Tagen zugelassen. Wir halten das für einen ganz wichtigen Schritt, auch wenn davon vielleicht nicht in so hohem Maße Gebrauch gemacht werden wird. Wir hoffen, damit zu erreichen, daß andere Mitgliedstaaten, die noch Sonderregelungen auf dem Kapitalmarkt für nötig halten oder sich dem Europäischen Währungssystem noch nicht voll angeschlossen haben, bald die fehlenden Schritte nach vorn tun. Die Bundesregierung wird in vielen Bereichen eine auf die Zukunft orientierte Linie in der Erwartung vertreten, daß auf dem Europäischen Rat auch die Nöte unserer Landwirtschaft anerkannt und berücksichtigt werden. Meine Damen und Herren, wir brauchen Verständnis für die großen Sorge und Unsicherheit, die heute im ländlichen Raum bei uns herrschen. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, treten in Ihrem Antrag für zusätzliche direkte Einkommensübertragungen an die Landwirte ein. Das ist sicher richtig, aber es ist nicht genug. Die Markt- und Preispolitik ist für die Einkommen der Landwirte immer noch äußerst wichtig. Denn: Von den Landwirten hängen nicht nur ihre Familien, sondern auch viele Gewerbetreibende auf dem Lande ab. Wir werden darauf achten, meine Damen und Herren, daß die Landwirte nicht den Preis für die Stabilitätspolitik und die stabile Währung in der Bundesrepublik zu zahlen haben. ({3})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Wieczorek-Zeul?

Not found (Gast)

Herr Präsident, im Interesse der anderen Kollegen, die ja auch alle noch reden wollen - wir haben ja heute ein gedrängtes Programm - , bitte ich doch darum, daß wir versuchen, es vielleicht hinterher oder im Ausschuß zu klären. ({0}) - Keine Zwischenfragen.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Frau Kollegin, Sie haben jetzt nicht das Wort. - Bitte, fahren Sie fort, Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Der Antrag der Fraktion der SPD in der heutigen Debatte, meine Damen und Herren, zeigt, daß es in der Europapolitik weitgehende Übereinstimmung über die Parteigrenzen hinweg gibt. Deshalb hoffen wir, daß wir den Antrag im Unterausschuß für Europafragen miteinander konstruktiv diskutieren können, damit wir in der Zukunft gemeinsame Positionen vertreten können. Meine Damen und Herren, es ist mit Blick auf die Zukunft der Gemeinschaft wichtig, mit einer klaren Definition, wie die Bundesregierung sie in ihrem Gesamtkonzept vorgenommen hat, Schritte zur Gestaltung unserer Präsidentschaft im ersten Halbjahr 1988, aber auch zur weiteren Gestaltung des Weges hin zu einer Europäischen Union zu tun, zu deren Verwirklichung wir mit unserer aktiven Politik beitragen werden. Vielen Dank. ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Es ist beantragt worden, den Antrag auf Drucksache 11/523 an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 a und b auf. a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN Maßnahmen gegen Luftverschmutzung - Drucksache 11/305 - b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Programm zur Verminderung der Schadstoffemissionen bei einer Stromversorgung ohne Atomenergie - Drucksache 11/306 Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0}) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Forschung und Technologie Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Zu Punkt 30 a liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der SPD sowie der GRÜNEN auf den Drucksachen 11/559 und 11/560 vor. Im Ältestenrat ist eine gemeinsame Beratung dieser Tagesordnungspunkte mit Beiträgen bis zu 15 Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Brauer.

Hans Jochim Brauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000248, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Tschernobyl, Rheinvergiftung, verstrahltes Molkepulver: Das waren die letzten Schlagzeilen. Vom Waldsterben spricht schon lange niemand mehr. Der Wald siecht dahin und stirbt leise. Dabei sind die sterbenden Bäume nur das deutliche Zeichen tiefgreifenden Leidens der komplexen Lebensgemeinschaft Wald. Die Selbststeuerung dieses Ökosystems ist zusammengebrochen. Was dort in der Bodenbiologie und in der Bodenchemie vor sich geht, ist erst in Anfängen erforscht. Jedenfalls müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß die Naturverjüngung aufgehört hat, auch dann, wenn wir mit Hilfe des Kalkens zu reparieren versuchen. Mit Zorn oder mit Resignation nehmen das Waldsterben nur noch die unmittelbar Betroffenen wahr: die Waldbesitzer, die Forstleute, einige Wissenschaftler und Naturfreunde. Wenn sie sich an die Öffentlichkeit wenden - wie jüngst die Waldbesitzer - , so werden sie nur am Rande beachtet. Ich möchte diese Gelegenheit so unmittelbar vor der Sommerpause, in der viele Bürgerinnen und Bürger in die Ferien fahren, dazu nutzen, aufzufordern, mit offenen Augen durch die Wälder zu gehen, betroffen zurückzukehren, voller Engagement für die Rettung der Wälder. Wir - damit meine ich ganz besonders die politisch Verantwortlichen - dürfen das Wort Waldsterben nicht wie eine Selbstverständlichkeit völlig emotionslos verwenden, als ob wir uns damit abgefunden hätten, das Sterben einfach zur Kenntnis nehmend. Die ökologische Katastrophe wütet weiter, schlimmer, tödlicher denn je. Trotz klimatisch optimaler Bedingungen hat sich das Waldsterben ausgedehnt. Wie konnte das geschehen? Hat die Politik versagt? Haben die Menschen in diesem Lande versagt, weil sie uns nicht genügend eingeheizt haben? Haben hier vielleicht auch die GRÜNEN versagt, trotz ihrer mehr als 80 Anfragen, Anträge und Gesetzentwürfe? Ich will versuchen, Antworten zu geben. Daß das Waldsterben kein Thema mehr ist, akzeptiert ist, ist die Folge eines kollektiven Verdrängungsprozesses. Damit dieser Prozeß leichter, widerstandsloser vor sich gehen konnte, boten Regierung und Elektrizitätsversorgungsunternehmen Beruhigungsmittel an. So wurden unter großem deklamatorischem Aufwand Gesetze und Verordnungen erlassen, die die Gifte des Straßenverkehrs und der Kraftwerke mindern sollten. Sie sind bis zum heutigen Datum für die Luftreinigung so gut wie wirkungslos geblieben, weil sie durch mancherlei Kompromisse und Ausnahmeregelungen aufgeweicht und mit viel zu langen Übergangsfristen versehen wurden. Aber sie haben in den Köpfen der Menschen gewirkt, haben sie glauben gemacht, die Politiker und die Wirtschaft hätten alles im Griff. Ich möchte diese Täuschungspolitik an einem aktuellen Beispiel deutlich machen. Gestern wurde in einer Feierstunde die Entschwefelungsanlage von Buschhaus in Betrieb genommen. Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich sicherlich, wie Sie am 31. Juli vor drei Jahren aus dem Sommerurlaub hierher geholt wurden, weil die Bundesregierung einem beinahe einstimmigen Beschluß dieses Hauses, Buschhaus nur mit Entschwefelungsanlagen in Betrieb gehen zu lassen, nicht folgen wollte. Schon damals wurden zwischen der Landesregierung Niedersachsen und der Bundesregierung Ausnahmegenehmigungen ausgehandelt. Diese Ausnahmegenehmigung gestattet dem gleichen Betreiber, in zwei benachbarten Kesseln den Grenzwert bis 1993 - also noch sechs weitere Jahre lang - nicht nur um das Doppelte, sondern sogar um den zwölffachen Wert zu überschreiten. Statt 400 Milligramm Schwefeldioxid pro Kubikmeter Abgas dürfen dort über 5 000 Milligramm pro Kubikmeter herausgeblasen werden. ({0}) Das ist die sogenannte Luftreinhaltepolitik dieser Regierung: in der Öffentlichkeit mit Entschwefelungserfolgen prahlen, die Bevölkerung damit ruhigstellen und in Wirklichkeit die Luft weiter verpesten, in der Hoffnung, es merkt niemand. ({1}) Ein zweites aktuelles Beispiel der letzten Tage. Der Bund für Umwelt und Naturschutz hat eine bundesweite Umfrage zu den Sanierungsfristen durchgeführt, um festzustellen, wie viele nachträgliche Anordnungen zur Schadstoffminderung nach der neuen TA Luft, Teil 4, ergangen sind. Das Ergebnis: Die Mehrzahl der nachträglichen Anordnungen sind zu den in der TA Luft festgestellten Terminen noch gar nicht erlassen worden. Den Gewerbeaufsichtsämtern fehlen die Beamten, um den Vollzug durchzuführen. Da wundert es überhaupt nicht, wenn der Wald stirbt. Die Übergangsfristen sind viel zu lang. So viel Zeit bleibt nicht mehr. Jedenfalls glaubte auch in diesem Beispiel die Bevölkerung, die neuen Verordnungen würden das Waldsterben schon verhindern. Schnelles Handeln ist erforderlich. Die Sofortmaßnahme ist das Tempolimit 80/100. ({2}) In den Mitteilungen der EG-Kommission heißt es dazu: Aus Untersuchungen geht hervor, daß eine Senkung der durchschnittlichen Fahrgeschwindigkeiten in der Gemeinschaft auf 100 km/h die Stickoxidemissionen um rund 300 000 t verringern würde. Die EG-Kommission beruft sich dabei auf den Großversuch Tempolimit der Bundesregierung. Die EGKommission schlägt das Tempolimit vor. Wer lehnt ab? Der Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages. ({3}) - Die Mehrheit, gut. ({4}) - Der Einwand ist ganz wichtig. Wir wissen ja, wo die Mehrheit liegt. Eine schallende Ohrfeige für die Glaubwürdigkeit der Umweltpolitik und des Umweltschutzes dieser Bundesregierung, Kredit europaweit verspielt! Was aber noch schlimmer ist: Nach den Jahren 1984/85, als die deutschen Autofahrer aus Gründen des Umweltschutzes und zur Erhaltung des Waldes langsamer fuhren, wird jetzt nach der Weigerung der Bundesregierung - ich erinnere da auch an das, was Herr Wallmann in Hessen getan hat, nämlich die Versuche zum Tempolimit sofort wieder aufzuheben - wieder gerast. Sämtliche Prognosen der Bundesregierung über die Abnahme der Stickoxidemissionen aus Pkw, dem Waldkiller Nr. 1, wurden über den Haufen geworfen. Die Stickoxide - wir haben es heute morgen schon gehört - haben 1986 entgegen allen Prognosen sogar noch um 4 % zugenommen. Es darf wieder gerast werden, nach dem Motto: sportliches Fahren mit umweltfreundlichen Autos. Dabei bringt das bedingt schadstoffarme Auto soviel wie nichts. Wir werden dazu noch einige Initiativen starten. Meine Damen und Herren, wie Sie aus unserem umfangreichen Maßnahmenkatalog sehen können, gehört das Tempolimit zu der wichtigsten Sofortmaßnahme. Das fordern die Waldbesitzerverbände ebenso wie die gesamten Umweltorganisationen. Greifen Sie aus dem umfangreichen Maßnahmenkatalog soviel heraus, wie Sie wollen! Tun Sie das dem Wald zuliebe! Sonst werden wir weiter feststellen müssen: Jeder tote Baum ist nichts anderes als eine Bankrotterklärung dieser Luftreinhaltepolitik. Seien Sie nicht die Totengräber! Zum Schluß möchte ich noch auf einen Entschließungsantrag eingehen, der unseren Anträgen zugeBrauer fügt worden ist. Wir haben damit ein umfassendes Dieselkonzept vorgelegt. Durch die Zunahme des Schwerlastverkehrs werden die Lkws in wenigen Jahren den Hauptanteil der Schadstoffbelastung ausmachen. Neben den Stickoxyden werden Ruß und Partikel herausgeblasen, die krebserregend und erbgutverändernd wirken. Dies gilt es soweit wie möglich zu begrenzen. ({5})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Schmidbauer.

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Vorlagen der GRÜNEN machen deutlich, daß sie ihrer sich selbst auferlegten Aufgabe, Wegweiser und Gestalter einer umweltfreundlichen Politik zu sein, noch immer nicht entsprechen. Herr Kollege Brauer, mit Alles-oder-nichts-, Jetzt-oder-nie-Strategien helfen Sie dem Wald ganz bestimmt nicht. Sie verstehen es zwar immer noch, mit Vehemenz Ihre Werbetrommel zu rühren. Doch die Slogans von gestern wirken heute abgegriffen, ({0}) und Ihre Aussagen lassen immer noch den notwendigen Sachverstand vermissen. Resümee: Nichts Neues an der grünen Front, das einen konstruktiven Beitrag zu einer aktiven Umweltpolitik leisten könnte. Dies ist für uns nichts Überraschendes. Ich nehme die in den Ansätzen konstruktive Zusammenarbeit einiger aus. Ich gehe davon aus, daß diese Anträge, die vorliegen, etwas veraltet sind und daß Sie vielleicht in der nächsten Zeit - Sie haben das angekündigt - neuere konstruktivere Anträge vorlegen wollen. Aber offenbar - und dies wird heute deutlich - setzen Sie Ihre Politik der letzten vier Jahre fort. Ich erinnere an Ihre Notprogramme nach Ihren sofortigen Notprogrammen gegen das Waldsterben und die Luftverunreinigungen, deren Unzulänglichkeiten bald deutlich wurden. Statt gemeinsam nach praktikablen Lösungen zu suchen, beharren Sie auf sehr fragwürdigen Einzelmaßnahmen und utopischen Konzepten. Mit einer anderen Sofortmaßnahme - ich erinnere an den Entwurf zur Änderung des Benzinbleigesetzes - sollte die Einführung von bleifreiem Benzin im nationalen Alleingang bis zum 1. Juli 1984 erreicht werden. Dieser Entwurf verstieß gegen bestehendes EG-Recht und war - und dies war Ihnen auch klar - nicht durchsetzbar. ({1}) Noch ein Notprogramm aus Ihrem Katalog: Im Mai 1983 forderten Sie die unverzügliche Stillegung atomtechnischer Anlagen. Am 14. November 1983 wollten Sie bestimmte Kohlekraftwerke stillegen. Am 3. Oktober 1984 machte ein Stufenplan das Rennen. Mittlerweile sind Sie wieder bei Ihren Forderungen vom Mai 1983 angelangt. Nichts könnte Ihre Konzeptionslosigkeit deutlicher machen und Ihre umweltpolitischen Forderungen verdeutlichen. ({2}) Der Reigen Ihrer Maßnahmen ist sehr bunt. Auch bei der Einführung des schadstoffarmen Autos hatten Sie angeblich die bessere, schnellere und daher effektivere Alternative. Sie wollten im Mai 1983, mit viel Getöse übrigens, in einem Notprogramm schwedische Abgaswerte festgeschrieben wissen. Wenig später haben Sie erkannt, daß die Bundesregierung neue Abgasgrenzwerte festgelegt hat, die um das Vierfache schärfer waren als ihr damaliger Antrag und die auch so realisiert wurden. Schnell haben Sie daraufhin Ihr Notprogramm geändert, stiegen auf neue Werte um und waren damit Ihrer Meinung nach wieder an der Spitze der Umweltbewegung. Ich erinnere gerne, Herr Kollege Brauer, an Ihre Ausführungen eben zum Tempolimit. Monatelang haben Sie behauptet, daß damit eine Emissionsminderung bei Stickoxiden um 400 000 Tonnen jährlich möglich wäre. Als Fachleute dies nachgemessen haben, hat sich herausgestellt, daß überhaupt nur ein Zehntel dessen möglich war, was Sie uns hier weismachen wollten. Auch hier wurde deutlich, daß Ihre Vorschläge nicht das hielten, was Sie uns versprochen haben. Das interessiert Sie im übrigen auch heute herzlich wenig. In Ihren Anträgen, die wir heute vorliegen haben, werden erneut überholte Forderungen formuliert. Eine andere bewegende Idee, die Sie hatten: In einem Programm gegen Luftbelastung und Waldsterben - auch dies war wieder ein Notprogramm - wollten Sie umgehend das Bundes-Immissionsschutzgesetz mit dem Ziel novellieren, den Schwefelgehalt im leichten Heizöl von 0,3 auf 0,1 Prozentpunkte zu begrenzen. Nachdem die Bundesregierung dieses dann 1984 im Verordnungsentwurf vorgelegt hat, nämlich den Schwefelgehalt zu halbieren, sind Sie sofort von Ihrem eigenen Antrag abgegangen und haben den Wert weiter verschärft; Sie haben sofort den fünffach schärferen Grenzwert, also 0,06 Prozentpunkte, gefordert. Im übrigen taucht dies heute wieder auf, nur haben Sie bemerkt, daß dies, was das Konstruktive der Politik anlangt, bereits überholt ist. Dies zeigt in erschreckendem Maße, daß Sie weder über den notwendigen Sachverstand verfügen noch daß Sie - und das ist viel entscheidender - ein schlüssiges Umweltschutzkonzept vorlegen oder gar ein solches haben. Wir sind bei der Bewältigung der Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben des Umweltschutzes ein gutes Stück vorangekommen. Im Rahmen einer Gesamtkonzeption sind durch eine stufenweise drastische Emissionsminderung aller vom Menschen in die Atmosphäre eingebrachten Stoffe bereits meßbare Erfolge erzielt worden. Unsere Luft wird sauberer. Wir wissen, dies geht nicht von heute auf morgen, aber es ist gewährleistet, daß unsere Umweltpolitik den langen Atem hat, den sie zur wirksamen Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen braucht. Unsere breit angelegte konsequente Vorsorgepolitik setzt an den Quellen der Luftverunreinigung an und betrifft alle Verursacher. Zu diesem Maßnahmenbündel gehören die Großfeuerungsanlagen-Ver1380 ordnung, das Bundes-Immissionsschutzgesetz, die Technische Anleitung Luft und die Einführung des schadstoffarmen Autos. Die 1983 verabschiedete Großfeuerungsanlagen-Verordnung zeigt heute beachtliche Erfolge. Das Ergebnis für den Umweltschutz ist sehr beachtlich. ({3}) - Lesen Sie doch mal nach, und quatschen Sie nicht so dazwischen. Oder reden Sie von hier aus, und beweisen Sie mal das Gegenteil. ({4}) Die Schwefeldioxidemissionen werden bis 1988 um 60 % vermindert. Sie haben Buschhaus angesprochen. Natürlich erinnern wir uns an diesen Eiertanz. Ich empfehle Ihnen, da mal hinzugehen. Nehmen Sie die Landesregierung Nordrhein-Westfalen mit. ({5}) Sie werden feststellen, daß wir in kürzerer Zeit, als die Großfeuerungsanlagen-Verordnung vorschreibt, einen Schwefeldioxidabscheidungsgrad von 97,5 % heute erreicht haben. Der Eiertanz von damals ist nicht aufgegangen. Und Sie stehen heute hier und behaupten wieder das Gegenteil. ({6}) - Wie hoch ist der Wert? Der ist 400 mg. Wissen Sie, was in Buschhaus erreicht wird? ({7}) - Da täuschen Sie sich. Ich habe Ihnen eben den Abscheidungsgrad gesagt. Ich darf Ihnen weiter sagen, daß ein Wert, der unter dem liegt, der in der Großfeuerungsanlagen-Verordnung steht, eingehalten wird. Eine blitzsaubere Anlage, wie heute die Zeitung schreibt. Erinnern Sie sich mal an Ihr BuschhausGetöse hier von dieser Stelle aus. Heute müssen Sie sich sagen lassen - ({8}) - Ihnen habe ich gesagt: Nehmen Sie den Herrn Rau mit, damit er Ibbenbüren ebenso rasch sauber macht, wie dies in Buschhaus in Niedersachsen gelungen ist. ({9}) Aber da wir gerade bei Nordrhein-Westfalen sind: Da gab es so eine wunderschöne Pressenotiz. Da Sie heute in Ihrem Antrag die GroßfeuerungsanlagenVerordnung und ihre Werte kritisieren, sollten Sie sich einmal mit Herrn Farthmann unterhalten, der bereits heute dabei ist, an den Werten herumzuoperieren und zu sagen: Die müssen wir wohl nicht alle so einhalten. - Über die Sachlichkeit lassen wir mit uns reden, aber nicht darüber, daß Sie in Bonn Dinge fordern, die dann in Nordrhein-Westfalen hintergangen werden. Wir haben das ja schon sehr oft erlebt: Während der Herr Hauff hier redete, wurde in Nordrhein-Westfalen mancher Betrieb bei Werten eingeweiht, zu denen auch Sie damals in der Fraktionssitzung entsprechende Äußerungen gemacht haben.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäfer?

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber freilich.

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schmidbauer, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß die von Ihnen eben vorgenommene Zitierung unseres Antrags falsch ist? Es heißt dort: Die auf freiwilliger Basis abgeschlossenen zusätzlichen Emissionsminderungspläne - wie sie beispielsweise das Land NRW vorgelegt hat - sollen von allen Bundesländern eingeführt werden. Dies ist die Forderung unseres Antrages.

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich sagte doch eben, daß Sie auf die angebliche fortschrittliche Rolle Nordrhein-Westfalens hinwiesen. Ich habe Sie eben darauf aufmerksam gemacht, daß in Nordrhein-Westfalen bereits gültige freiwillige Vereinbarungen wieder eingesammelt und Fristen nicht eingehalten werden. ({0}) - Herr Hauff, ich habe Ihnen eben den Herrn Farthmann zitiert. Sie können in der Presse nachlesen: Es geht dabei um ein Braunkohlekraftwerk, wo derzeit zwischen Landesregierung und Betreiber dieser Anlage diskutiert wird und der Herr Farthmann entsprechende Äußerungen gemacht hat. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lennartz?

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jetzt leider nicht. ({0}) Herr Kollege Lennartz, gerne, aber jetzt bitte nicht - wenn ich fertig werden will. Schließlich darf ich auf den vierten Punkt in unserem Umweltpaket hinweisen, nämlich die europaweite Einführung des schadstoffarmen Autos und des bleifreien Benzins. Gegen erheblichen Widerstand haben wir hier die Weichen für eine nationale und europaweite Senkung der Stickoxid- und Kohlenwasserstoffemissionen gestellt. So werden bis Mitte der 90er Jahre jährlich 50 % weniger Stickoxide und 60 weniger Kohlenwasserstoffe emittiert. Welche Hartnäckigkeit und Zähigkeit hier notwendig waren, kann nur der ermessen, der an diesem europäischen Ringen teilgenommen hat. Manches Mal hätte ich mir gewünscht, daß die Opposition hier konstruktiv mitgeholfen und nicht kleinkariert kritisiert hätte, was alles vielleicht nicht gehe. Sie war damit auch nicht hilfreich in den Bemühungen, europaweit die Dinge voranzubringen. Meine Freunde, daß es inzwischen in der Bundesrepublik Deutschland gelungen ist, dieses Konzept umzusetzen, zeigen auch die Neuzulassungen. Gefördert durch steuerliche Anreize fahren heute in der Bundesrepublik Deutschland über 2,4 Millionen schadstoffarme Fahrzeuge ({1}) - warten Sie doch den Satz ab; Herr Kollege Hauff, Sie sind heute so ungeduldig; ist es Nervosität? -, davon sind ca. 950 000 Fahrzeuge mit ungeregeltem Katalysator und über 550 000 Fahrzeuge mit einem Drei-Wege-Katalysator. Ich finde, das ist für den Anfang ein gutes Ergebnis. Ich stimme Ihnen zu, noch zuwenig. Wir können zufrieden sein und auf diesem Weg weitermachen mit dem Wunsch und der Überzeugung, daß andere und möglichst alle europäischen Länder durch unser Beispiel ermutigt werden und ihm nacheifern. Der grenzüberschreitenden Luftverunreinigung muß ein grenzüberschreitendes zunehmendes Umweltbewußtsein der Europäer folgen, damit sich möglichst rasch die Luftqualität in Europa insgesamt verbessert. In diesem Zusammenhang ist auch das Beispiel der Einführung bleifreien Benzins zu nennen. Herr Kollege Hauff und andere haben, wie sie von dieser Stelle aus immer wieder betont haben, nicht daran geglaubt, daß sich das in der Bundesrepublik Deutschland sehr rasch vollziehen würde. Tatsächlich entstand in kurzer Zeit ein flächendeckendes Netz von Tankstellen, die bleifreies Benzin anbieten. Rund 13 000 Tankstellen führen bleifreies Benzin; das ist weit mehr als die Hälfte aller Tankstellen in der Bundesrepublik. Im Mai 1987 lag der Anteil des bleifreien Benzins am Gesamtabsatz bei ca. 28 %; beim bleifreien Normalbenzin betrug der Anteil mehr als 30 %. Auch im europäischen Ausland nimmt das Angebot ständig zu, natürlich nicht in ausreichendem Maße. Das wissen auch wir. Ich bitte alle, die mithelfen können, daran mitzuwirken, daß es möglichst bald dazu kommt, daß europaweit bleifrei getankt werden kann. Auf Grund einer weiteren Initiative der Bundesrepublik Deutschland wird es möglich sein, in der Bundesrepublik ab 1988 verbleites Normalbenzin zu verbieten. Wir hoffen, daß die formelle Verabschiedung der Richtlinie rasch erfolgen kann, und begrüßen in diesem Zusammenhang die bereits am Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedete Änderung des Benzinbleigesetzes mit dem Ziel, Anfang des Jahres 1988 verbleites Normalbenzin zu verbieten. Diese Entscheidung, so finde ich, stellt ein weiteres wichtiges Etappenziel dar. Wir verkennen nicht, daß es Punkte gibt, die wir besser regeln müssen. Ich erinnere an die Festlegung von Partikelgrenzwerten auf europäischer Ebene. Ich befinde mich, so denke ich, in Übereinstimmung mit allen im Parlament vertretenen Fraktionen, wenn ich sage, daß es nicht ausreicht, einen Grenzwert von beispielsweise 1,5 Gramm oder 1,6 Gramm pro Test vorzuschlagen; wir müssen vielmehr erreichen, daß wir europaweit auf einen Grenzwert von 0,8 Gramm pro Test kommen. Auch in diesem Zusammenhang bitte ich alle, daran mitzuwirken, daß wir das möglichst rasch realisieren können. Ich möchte dem Umweltminister für seine Bemühungen danken, auf diesem Gebiet ein Stück voranzukommen und die Europäer zu sensibilisieren. Ich finde, die Bundesrepublik ist auch in dieser wichtigen Aufgabe auf diesem wichtigen Feld Schrittmacher und Zugpferd. Wir wissen, daß die Positionen der Mitgliedstaaten sehr weit auseinanderklaffen, und wir wissen, daß es schwierig werden wird. Gerade am Beispiel der Dieselfahrzeuge, der schweren Nutzfahrzeuge wird deutlich, wie schwierig es ist, solche Dinge europaweit umzusetzen, wenn es darum geht, geltende EG-Richtlinien zu verändern. Trotz vieler Rückschläge und Bremseinlagen kristallisiert sich immer deutlicher heraus, daß wir in der Tat auf dem Weg sind, eine gemeinsame Europapolitik zu bekommen. Daß oft zunächst nur eine Einigung auf dem kleinsten Nenner möglich ist, ist durch die verschiedenen Positionen und Prämissen in den zwölf Partnerländern bedingt. Doch dies wird sich allmählich ändern. Zug um Zug wird es uns gelingen, aus der Europäischen Gemeinschaft eine wirkliche Umweltgemeinschaft zu machen. Zahlreiche positive Entscheidungen sind ermutigende Zeichen auf diesem Weg. So hat der EG-Umweltministerrat im März 1987 eine EG-weite Herabsetzung des Schwefelgehalts bei leichtem Heizöl und Dieselkraftstoff beschlossen. Das bedeutet für die Bundesrepublik Deutschland eine Herabsetzung der Grenzwerte um ein Drittel. Diese Maßnahme wird insbesondere zu einer Immissionsentlastung in smoggefährdeten Gebieten führen. Wir verkennen nicht, daß wir in unseren Anstrengungen im Bereich der Luftreinhaltepolitik nicht nachlassen dürfen. Ich fasse zusammen: Die Luftqualität wird besser. Das bestätigt unseren Kurs. Die Bundesregierung und die Mehrheitsfraktionen im Deutschen Bundestag werden ihr Luftreinhaltekonzept, das in ein ökologisch-ökonomisch sinnvolles Rahmenprogramm eingebettet ist, weiter verfolgen. Die Probleme sind - national wie global - gewaltig. Es gilt in der Tat, keine Zeit zu verlieren. ({2})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Lennartz. ({0})

Klaus Lennartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001319, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Bei der Drucksache 11/306, dem Programm der GRÜNEN zur Verminderung der Schadstoffemissionen bei einer Stromversorgung ohne Atomenergie, handelt es sich, meine Damen und Herren, um eine Art Scriptum in memoriam für Joschka Fischer, also um das sogenannte Fischer-Papier, das im vergangenen Jahr nach Tschernobyl vorgelegt worden ist. In wichtigen Detailfragen falsch gerechnet und zum Teil mit haarsträubenden und kontraproduktiven Lösungsvorgängen weist uns dieses grüne Papier den Weg in ein Labyrinth energiepolitischer Denkfehler. ({0}) Grundlegender Irrtum ist, daß ein Sofortausstieg aus der Atomenergie möglich sein soll. ({1}) Technisch ist der Sofortausstieg wohl machbar; ({2}) denn wir haben heute Überkapazitäten im Kraftwerksbereich. Doch wirtschafts- und fiskalpolitisch, betriebs- und volkswirtschaftlich ist und bleibt der Sofortausstieg eine Utopie. ({3}) Wer wird von heute auf morgen, sofort, umgehend 70 Milliarden DM Entschädigungsforderungen oder auch mehr auf den Tisch legen können? Heute oder morgen alle Atomkraftwerke abschalten - dieser Plan scheitert an einer winzigen Kleinigkeit, meine Damen und Herren von den GRÜNEN: an den wirklichen, demokratischen Mehrheitsverhältnissen in dieser Republik. Wir Sozialdemokraten haben in Nürnberg darauf hingewiesen, daß bei einer gemeinsamen nationalen Kraftanstrengung aller am Energieproduktionsprozeß Beteiligten der Ausstieg ein Jahrzehnt dauert. Allerdings - das muß hinzugefügt werden - haben die Sozialdemokraten immer von einem geordneten Rückzug aus der Atomenergie gesprochen. Meine Einschätzung ist, daß die Auffassung von GRÜNEN und Sozialdemokraten über die Bedeutung des Wortes „geordnet" recht verschieden sein dürften. Aber, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, geordnet darf auch nicht bewegungslos heißen, wie das bei Ihnen der Fall ist. Auch ohne Ausstieg aus der Atomenergie können Schadstoffemissionen beachtlich gesenkt werden. Ich vermisse, daß Sie in Ihrem Papier auf die Punkte inhaltlich noch einmal eingehen. Wir Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen haben mit dem Emissions-minderungsplan bewiesen, daß schon heute, erst recht aber in den nächsten Jahren Kraftwerksemissionen wesentlich unter die vom Bund vorgeschriebenen Mengen gesenkt werden können. Hier, Herr Kollege Schmidbauer, komme ich auf Ihre Aussage zurück, die Sie zu Herrn Farthmann zu den Braunkohlenkraftwerken gemacht haben. Sie unterliegen wiederum, wie so häufig, einem Irrtum. Es gab ein Gespräch mit einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Dabei wurde erörtert, ob es vielleicht sinnvoll wäre, bei den Altanlagen auf die Einhaltung der nicht zwingenden Vorschrift der Umweltministerkonferenz zu verzichten. Nur, der Minister hat vorgestern erklärt, daß bei allen Anlagen, Neu- wie Altanlagen, die Emissionsgrenzwerte bei Stickoxid von 200 mg eingehalten werden müssen, daß es davon keine Ausnahme gibt. Das wird das Unternehmen auch schaffen. Ich darf Sie daher um eins bitten: Versuchen Sie auch hier nicht, durch Halbinformationen eine Täuschung herbeizuführen, die uns energiepolitisch keinen Schritt weiterbringt. Akzeptieren Sie bitte, daß Nordrhein-Westfalen hier freiwillig Grenzwerte vorgelegt hat, die unter den Emissionsgrenzwerten des Bundes bleiben, und daß diese Grenzwerte auch eingehalten werden. ({4}) Wir brauchen einen Einstieg in die Zukunftstechnologien. Dieser Einstieg in die Zukunftstechnologien ist nur möglich durch den Ausstieg aus der Atomenergie. Das ist die Grundannahme, von der wir ausgehen müssen. ({5}) Wir brauchen Gewerkschaften, Betriebsräte, Arbeitnehmer, Energiewirtschaft, Unternehmen, Kommunen, Wissenschaft und die Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik, die das Umsteuern in der Energiepolitik mittragen. Hier frage ich Sie von der CDU/ CSU: Wann kommt Ihre Aussage zu dem Mittragen dieser sinnvollen Energiepolitik? Alles das ist Originalton Nürnberg, millionenfach verbreitet und klipp und klar formuliert; viel klarer, als es manchen lieb ist. Man muß es nur lesen und verstehen. Nächster grüner Irrtum: Es ist sozialdemokratische Politik - erinnern Sie sich bitte an die Ölkrisen -, unser Land unabhängig von Energieimporten zu halten. Wir wollen nur so wenig Öl wie nötig. Auf Atomstromimporte aus Frankreich und Kohleimporte aus Südafrika können wir verzichten. Das wollen wir nicht. ({6}) Ich stelle fest, meine Damen und Herren von den GRÜNEN: Sie wollen auf heimische Kohle verzichten. Sie rütteln mittlerweile gemeinsam mit der Bundesregierung am Jahrhundertvertrag. ({7}) Sie wollen mehr Importkohle als Ersatz für heimische Kohle, als ob das der sauberste Wunderstoff wäre. Lesen Sie bitte Ihren eigenen Antrag nach! Ich habe das Gefühl, Sie haben ihn nicht gelesen, und wenn Sie ihn gelesen haben, haben Sie ihn nicht verstanden. Sie dürfen nicht nur die Buchstaben aneinanderreihen, Sie müssen auch verstehen, was Sie geschrieben haben. ({8}) Sie wollen mehr Öl, und Sie wollen mehr Gas. Wir sagen dazu: Das ist der falsche Weg. Den gehen wir Sozialdemokraten nicht mit. Wir haben nicht nur in Nürnberg die Zielmarken für eine neue, aber auch realistische Energiepolitik gesetzt. Das Energiewirtschaftsgesetz muß erneuert werden. Die Tarifordnung und die Stromerzeugung unterliegen heute anderen Bedürfnissen als in den 30er Jahren. Herr Kollege Baum, Energie und Strom müsLennartz sen eingespart und rationeller verwendet werden. Die SPD ist die Energiesparpartei. ({9}) Gemeinsam mit Ihnen, Herr Kollege Baum, haben wir in den 70er Jahren unter einer sozialliberalen Verantwortung als erste Industrienation gezeigt, wie das geht, was Energieeinsparen ist, wie das in der Realität gemacht wird. Meine Damen und Herren, eine umweltfreundliche Kohlevorrangpolitik muß her, die das Energiesystem auch dazu nutzt, betriebs- und volkswirtschaftlich sinnvolle und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Energietechnologien der Zukunft - Sonnenenergie, Photovoltaik und Wasserstoffproduktion - müssen stärker als bisher gefördert werden. Bei der Wasserstofftechnologie darf es sich nicht wiederholen, was wir bei Entstickungs- und Entschwefelungstechnologien erlebt haben, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland Verfahren entwickeln, daß die Patente in die USA und nach Japan verkauft werden, weil der Markt hier noch nicht reif ist, und wir nach zehn Jahren die gleichen Patente überteuert wieder nach hier zurückholen und bezahlen müssen. Wir müssen davon ausgehen - die Zahlen kennen Sie -, daß bis zum Jahre 2000, 2005, 2010 eine erhebliche Nachfrage nach Energie vorliegen wird. Nur, wir müssen dafür sorgen, daß die Energienachfrage durch eine saubere, durch eine umweltfreundliche Energie gedeckt werden kann. Hier setzen wir auf die neuen Technologiearten. Die Bundesrepublik Deutschland muß umweltpolitisch und wettbewerbspolitisch das Energieland der Zukunft werden, allein schon aus wettbewerbsmäßigen Gründen. ({10}) Meine Damen und Herren, die richtige Energiepolitik ist die beste Umweltpolitik. Wir fordern Sie auf, bei dieser Energiepolitik, bei dieser Umweltpolitik mitzumachen. Schönen Dank. ({11})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Baum.

Gerhart Rudolf Baum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000111, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Meine Bewertung des Antrags der GRÜNEN unterscheidet sich gar nicht sehr von dem, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Lennartz. DIE GRÜNEN haben im Grunde auch schon alle Antworten bekommen. Sie haben ja die Anfragen schon früher gestellt, die Bundesregierung hat Ihnen geantwortet. Wenn sie, Herr Kollege Brauer, sich hier wundern, daß das Waldsterben nicht mehr so öffentliches Thema ist, wie das in der Vergangenheit der Fall war - wie ich es mir eigentlich auch heute noch wünschen würde -, dann müßten Sie sich doch eigentlich einmal fragen, ob das nicht auch an Ihrem Verhalten liegt, ({0}) Themen immer so hochzupushen, Katastrophenszenarien dort aufzubauen, wo sie gar nicht bestehen. ({1}) - Das ist natürlich eine Katastrophe, aber die Molke ist keine Katastrophe, mit Verlaub gesagt. Sie hat die Öffentlichkeit zeitweise genauso intensiv beschäftigt wie das Waldsterben. Wir müssen dazu kommen, die Gewichte wieder richtig zu setzen, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. ({2}) Es ist nicht alles eine Katastrophe. Wenn Sie die Bevölkerung mit Katastrophenszenarien überziehen, ({3}) dann kommen Sie zu einem Prozeß der Abstumpfung, und Sie schaden dem Umweltschutz. Wir dürfen den Umweltschutz nicht in einem Auf und Ab hektischer Bewegungen machen, sondern wir müssen kontinuierlich daran arbeiten. Luftreinhaltung ist notwendig. Hier drohen in der Tat Katastrophen; ich denke z. B. an die Ozonschicht. Das ist ein wichtiges Thema. Das darf nicht durch ständige neue hektische Diskussionen über Punkte verwässert werden, die lange nicht so wichtig sind. Sie haben die Molke heute wieder erwähnt. Sie ist damit überhaupt nicht zu vergleichen. Wir haben außerdem noch einen Einwand gegenüber Ihrer Politik, der aus unserer Sicht sehr schwer wiegt. Wenn Sie sich jetzt einmal ansehen, wie die Maßnahmen wirken, die die Bundesregierung beschlossen hat - TA Luft, Großfeuerungsanlagen-Verordnung - , so werden Sie sehen, daß das alles einen sehr hohen Investitionsaufwand erfordert. ({4}) Die erste Stufe der Entschwefelung bis 1988 kostet die deutsche Stromwirtschaft etwa 13 Milliarden DM. ({5}) Die gesamte Großfeuerungsanlagen-Verordnung kostet - alles eingerechnet, auch die Entstickung -, auf zehn Jahre bezogen, etwa 28 Milliarden DM. Das sind erhebliche Aufwendungen, und die kann sich nur eine funktionierende Wirtschaft leisten. Wenn die GRÜNEN gleichzeitig ein distanziertes Verhältnis zur Marktwirtschaft haben - das stellen wir ja immer wieder fest - , dann sind Ihre Umweltschutzforderungen auf Sand gebaut. Sie werden nur bei einer funktionierenden, auf richtiges Wachstum setzenden volkswirtschaftlichen Entwicklung überhaupt die Mittel haben, das zu tun, was hier geschieht. Sie können Forderungen aufstellen, soviel Sie wollen; Sie müssen uns aber auch einen realistischen Weg zeigen. Wir haben diesen realistischen Weg beschritten, weil wir unbeirrt an der freien Wirtschaftsordnung festhalten; sie ist die wirkungsvollste, die es auf der Welt gibt. Schauen Sie in die Tschechoslowakei, schauen Sie in die DDR: Dort passiert sehr wenig auf dem Felde des Umweltschutzes, weil die Leute kein Geld haben. Die GRÜNEN müssen auch ihr Verhältnis zur Technik revidieren. Es herrscht in Ihren Reihen eine Technikfeindlichkeit. ({6}) Wir können die Umweltprobleme nur mit einer Fortentwicklung modernster Technologien lösen; nur dann ist das überhaupt möglich. Buschhaus hat das gezeigt. Diese ganzen Katastrophendiskussionen, die wir im Sommer 1984 über Buschhaus geführt haben, Ihre Befürchtungen und Ihre Schwarzmalerei, das alles hat sich doch nicht bestätigt. Pünktlich, ein Jahr vor der gesetzlichen Frist, ist die Entschwefelung in Buschhaus in Betrieb gegangen. Die Investitionen sind getätigt worden. Der Bund hat seinen Anteil geleistet. Die Dreckschleudern, die alten Kraftwerke, werden stillgelegt. Die Arbeitsplätze sind gesichert. Das ist wirklich realistische, erfolgreiche Umweltpolitik, zu der wir stehen! ({7}) - Herr Brauer, ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie in der Lage wären, sich zu überwinden und einmal festzustellen, daß diese Volkswirtschaft in zehn Jahren allein auf Grund der Großfeuerungsanlagen-Verordnung 28 Milliarden investiert. Bringen Sie doch einmal eine Anerkennung dafür über Ihre Lippen! Bei allem, was noch fehlt, ist das doch immerhin etwas.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brauer? - Bitte schön, Herr Brauer.

Hans Jochim Brauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000248, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Zum Problem Buschhaus: Da ist es doch so, daß zwar diese Entschwefelungsanlage ein Jahr vorher eingebaut wird, daß aber durch die vorhin erwähnten Ausnahmeregelungen in den Jahren bis 1993 in zwei anderen Kesseln viel mehr Schwefeldioxid - 60 000 t mehr - draufgelegt wird, als die gesetzlichen Vorschriften es vorsehen. Nehmen Sie das so zur Kenntnis, oder wie stehen Sie dazu?

Gerhart Rudolf Baum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000111, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich nehme nur zur Kenntnis, Herr Kollege Brauer, daß wir uns über die Problematik von Buschhaus, über die Problematik der dort verfeuerten Kohle und über die strukturpolitische Bedeutung von Buschhaus, immer im klaren waren. Wir haben eine besondere Situation, und es gab und gibt einen Plan über die Entschwefelung von Buschhaus, den wir hier beschlossen haben, und der wird strikt eingehalten. ({0}) - Er wird strikt eingehalten, und es wird jedes Jahr weniger, sehr viel weniger, als wenn die alten Anlagen noch weiter betrieben werden würden. ({1}) - Ich habe jetzt auch keine Zeit, hier auf Einzelheiten einzugehen. Ich möchte das sagen, was ich vorbereitet habe. Wir haben also eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Sie beruht ja im übrigen, meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, auf Vorarbeiten, die die alte Koalition geleistet hat. Wir haben uns damals ja bereits intensiv über die Großfeuerungsanlagen-Verordnung und über die TA Luft unterhalten, und ich würde an Ihrer Stelle einen Teil dieses Erfolges ruhig auch noch auf das eigene Konto buchen und die Bundesregierung jedenfalls nicht so pauschal angreifen. Das waren doch gemeinsame Bemühungen! Ich frage mich auch - wir haben das hier letztens schon diskutiert - , warum wir, Herr Kollege Lennartz, in der Energiepolitik nicht zu einem Konsens zwischen den Parteien, die in den Ländern und im Bund Regierungsverantwortung tragen, zurückkommen. Nordrhein-Westfalen hat erhebliche Probleme auf dem Energiesektor. Wir haben das Problem der Kohle, auch der Braunkohle; wir haben Umweltprobleme. Es gibt das Diskussionsthema „Brüter" . Wir haben eine Kernenergiediskussion, und wir diskutieren über alternative Energien. Warum gelingt es nicht, den alten Konsens wieder zu beleben? Warum können wir in diesem Land, in dem eng verflochtenen Wirtschaftsraum Bundesrepublik Deutschland, nicht zu einer gemeinsam abgestimmten Energiepolitik kommen? Das würde natürlich bedeuten, daß Sie Ihr unrealistisches Ausstiegsszenario Kernenergie aufgeben, das Sie ja selber unter zahlreiche Vorbehalte gestellt haben. Natürlich stehen auch unsere Parteitagsbeschlüsse unter dem Vorbehalt, daß wir eine Mehrheit bekommen; so war das immer. Aber warum schreiben Sie das ausdrücklich hinein? Weil Sie unsicher sind! Sie machen einen besonderen Vorbehalt, weil Sie es eben doch nicht so versprechen können, und deshalb sollten Sie, so meine ich, noch einmal darüber nachdenken. Wir werden ja jetzt eine Anhörung haben, und wir werden Gelegenheit haben, zu dieser Anhörung auch die Gewerkschaften einzuladen und ihre Meinung zu erfahren. Ich möchte Sie wirklich bitten, gemeinsam mit uns zu überlegen. Ansätze gibt es ja in der Wirtschaftsministerkonferenz - ich sage es einmal vorsichtig - : gewisse gemeinsame Elemente der Energiepolitik, auch des Energieeinsparens. Das leidet jetzt natürlich unter der Preissituation, die Leute verbrauchen zuviel Energie. Bestimmte Maßnahmen, Investitionsentscheidungen und Entscheidungen der Verbraucher gefallen uns ganz und gar nicht. ({2}) Was ist mit dem Energiewirtschaftsgesetz? Ich bin ja sehr Ihrer Meinung, aber dann wirken Sie bitte auch einmal auf die Wirtschaftsminister Ihrer Bundesländer ein. Die sitzen alle miteinander und sind sehr skeptisch gegenüber den Forderungen der Umweltpolitiker. Hier, meine ich, sollten Bund und Länder gemeinsam vorangehen, jedenfalls mehr Gemeinsamkeiten entwickeln, als das bisher möglich war. Wir haben Fortschritte gemacht, ich will sie gar nicht aufzählen. Für mich ist die Debatte über ein Tempolimit aus Umweltschutzgründen beendet. Warum sollen wir sie ununterbrochen wiederholen? Wir haben sie hier geführt, wir haben die Argumente ausgetauscht und die Gutachten untersucht. Ob sich aus der Verkehrslage, aus VerkehrssicherheitsgrünBaum den etwas anderes ergibt, ist heute hier nicht unser Thema. Wir haben auf unseren Straßen über 1 Million Katalysatorautos, davon 600 000 nach den strengen USGrenzwerten; das ist ein Fortschritt. Der Anteil des bleifreien Benzins wird ansteigen. Der Bundesregierung ist es gelungen, das bleihaltige Normalbenzin vom Markt zu nehmen; es wird in Kürze vom Markt genommen werden, eine alte Anregung des Kollegen Grüner - das darf ich hier einmal sagen - , der das immer vertreten hat, schon im Wirtschaftsministerium. Wir haben das Problem des Dieselfahrzeugs in der Koalitionsvereinbarung behandelt, wie wir überhaupt in der Koalitionsvereinbarung der Luftreinhaltung einen Schwerpunkt eingeräumt haben. Wir wollen verstärkte nationale und internationale Anstrengungen zum Schutz der Atmosphäre; wir diskutieren ja das Problem der Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Ich bin der Meinung, daß man sehr schnell die Spraydosen vom Markt nehmen sollte, die Fluorchlorkohlenwasserstoffe enthalten. Das, was die Industrie anbietet, die Abschaffung bis 1990, dauert etwas zu lange. Die Amerikaner haben das schneller gemacht. Wir müssen sehen, daß wir bei Großkühlanlagen, in denen Fluorchlorkohlenwasserstoffe verwendet werden, die Recyclingangebote nutzen. In der Tat: Es kommt hier auf die Bundesregierung ein Entscheidungs- und Handlungsbedarf zu. Herr Wallmann und ich waren, als wir diese Vereinbarung ausgehandelt haben, der Meinung, daß wir in diesem Punkte, so sehr wir auch an Europa gebunden sind und diese Europa-Bindung akzeptieren, möglichst viel national tun wollen. Was irgendwie geht, wollen wir national tun. Ich bin zufrieden, daß die Regierungschefs auf dem Gipfel in Venedig auch für diesen Punkt, Schutz der Ozonschicht, ihre Verantwortung anerkannt haben. Das ist ein Thema, das weltweite Behandlung auf höchster Ebene erfordert. Nur müssen jetzt Taten folgen, Absichtserklärungen reichen nicht. ({3}) Die Regierungschefs der Industrienationen müssen sich jetzt im Zuge der nächsten Sitzungen so, wie sie das in der Währungspolitik und auf anderen Gebieten tun, intensiv auch den globalen Umweltproblemen zuwenden. Wir haben vereinbart, daß wir die Wirkung der CO2-Emissionen stärker erforschen wollen. Wir, die Koalitionsfraktionen, haben gemeinsam - im wesentlichen auf Initiative des Kollegen Laufs - eine Enquete-Kommission zu diesem Thema beantragt, Stichwort: Treibhauseffekt. Wir wollen mit Ländern der Dritten Welt zur Verhinderung der Rodung der Regenwälder zusammenarbeiten. Wir sind der Meinung, daß die Abgasreduktion bei Kleinfeuerungsanlagen noch weiter vorangetrieben werden muß. Auch zu einer besseren Wärmenutzung müssen wir kommen. Wir wollen die Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes über verbindliche Luftreinhaltepläne verschärfen, insbesondere in bezug auf besonders belastete Gebiete. Wir wollen die Fernwärmeversorgung in Ballungsgebieten ausweiten, eine stärkere Abwärmenutzung bei Industriean lagen erreichen, den Schwefelgehalt im leichten Heizöl und im Dieselkraftstoff reduzieren und eine weitere Verminderung der Emissionen aus dem Kraftfahrzeugverkehr durch das nationale Verbot des verbleiten Normalbenzins und durch eine Reduzierung der Partikelemissionen aus Dieselkraftfahrzeugen erreichen. Der Diesel ist keineswegs das umweltfreundliche Fahrzeug, wie das eine Zeitlang in der Öffentlichkeit den Eindruck gemacht hat. Wir wollen insbesondere bei den Nutzfahrzeugen, die offenbar stark zuzunehmen scheinen, wenn man über die deutschen Straßen fährt, sowohl die gasförmigen Emissionen wie die Partikel reduzieren. Die zugelassenen Werte in Amerika, insbesondere in Kalifornien, liegen weit unter den deutschen und unter den europäischen Zahlen. Ich möchte die Bundesregierung bei ihrem Bemühen unterstützen, zum schadstoffarmen Lkw zu kommen und noch sehr viel intensiver dafür zu sorgen, daß wir eine Emissionsreduzierung beim Lkw erreichen. Wir wollen die Rußfilter bei Stadtlinienbussen und Lkw-Verteilerfahrzeugen ab 1. Oktober 1988 obligatorisch machen. Wir werden uns dem Problem der Kraftstoffdämpfe bei der Betankung von Fahrzeugen widmen. Wir wollen die Maßnahmen zur Bekämpfung des Waldsterbens fortschreiben. Herr Kollege Schäfer, ich sehe noch nicht, daß wir genügend Erkenntnismaterial haben, um die Großfeuerungsanlagen-Verordnung oder die TA Luft heute fortzuschreiben. Wir haben die Bundesregierung aber gebeten bis Ende 1987 bzw. Mitte 1988 einen Erfahrungsbericht vorzulegen. Dann werden wir uns darüber unterhalten und entscheiden, ob diese Verordnungen den gewünschten Zweck erzielen. Wenn das nicht der Fall ist, wird sich meine Fraktion für weitere Maßnahmen aussprechen. Wir haben die Zusammenarbeit mit der DDR intensiviert. Sie wissen, daß ein Umweltabkommen paraphiert worden ist. Wir wollen eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Staaten des Warschauer Pakts, insbesondere mit der CSSR, auf diesem Gebiet. Das alles sind die Absichten, die wir haben. Meine Damen und Herren, Sie müssen diese Absichten in ein gemeinsames Bild mit den Maßnahmen bringen, die bereits beschlossen sind und jetzt umgesetzt werden. Ich bin der Meinung, die Luftreinhaltepolitik der Bundesrepublik Deutschland ist bei allen Schwächen und Mängeln, die man nicht in kurzer Zeit beseitigen kann, auf einem gutem Wege. Wir stehen in der Umweltschutzpolitik vor sehr vielen Problemen. Wir können nur schrittweise vorgehen. Das, was wir tun können, tun wir, und zwar national wie international. Wir unterstützen weiterhin die Politik der Bundesregierung. ({4})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Daniels ({0}).

Dr. Wolfgang Daniels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000353, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Baum, Sie sprachen von den finanziellen Belastungen der Industrie und müßten doch eigentlich wissen, daß Umweltschutzmaßnahmen volkswirtschaftlich billiger sind, Dr. Daniels ({0}) daß Ökologie Langzeitökonomie ist. Deswegen sollten wir diesen Aspekt in den Vordergrund stellen. ({1}) Sehr geehrte Mitbürger! Das in unserem Antrag geforderte Programm zur Verminderung der Schadstoffemissionen unterstellt einen kurzfristigen Ausstieg aus der Atomenergie. Daß dieser Sofortausstieg nicht nur wegen des unverantwortlichen Betriebsrisikos und der nicht gelösten Entsorgung zwingend notwendig ist, sondern technisch umsetzbar und umweltverträglich ist, möchte ich bei dieser Gelegenheit erläutern. Selbstverständlich ist es aus dem Blickwinkel des Umweltschutzes nicht vertretbar, wenn der kurzfristige Ausstieg mit einer wesentlichen Erhöhung anderer Schadstoffemissionen gekoppelt ist. Insoweit finde ich es verwerflich, daß die GRÜNEN - wie immer wieder auch von den Damen und Herren des Regierungslagers betont wird - als „Waldmörder" verunglimpft werden. Selbst eine Studie, die im Auftrag der Bundesregierung erstellt wurde, kommt zu dem Schluß, daß auf der Datenbasis von 1985 - das ist soeben schon erwähnt worden - mit der Stillegung aller Atomkraftwerke die Überkapazitäten im Kraftwerksbereich zwar verringert, aber noch nicht einmal abgebaut werden. Negative Folgen einer zusätzlichen Schwefeldioxid- und Stickoxidbelastung durch die Stillegung von Atomkraftwerken können durch eine intelligente Nutzung des vorhandenen Kraftwerkparks ausgeglichen werden. Das läßt sich detailliert nachweisen. Vor allem folgende Maßnahmen müssen ergriffen werden: erstens eine andere Arbeitsausnutzung der bestehenden Kraftwerke, vor allem in Richtung eines Mehreinsatzes von nahezu schwefelfreiem Erdgas in Gaskraftwerken, und das Zumischen von Erdgas in Heizöl- und Steinkohlekraftwerken, ({2}) zweitens der vorübergehende Einsatz - das möchte ich hier betonen - von schwefelarmer Importkohle statt Ruhrkohle bis die Kohlekraftwerke mit Entschwefelungs- und Entstickungsanlagen ausgerüstet sind ({3}) - dies ist, Herr Lennartz unter Einhaltung des Jahrhundertvertrags möglich - , drittens das Zurückfahren von Schmelzfeuerungen und das Hochfahren von Trockenfeuerungsanlagen bei den Steinkohlekraftwerken und viertens der Verzicht auf extrem schwefelhaltige Braunkohle bis zur Installation einer effektiven Rauchgasreinigung. Dies sind nur einige Punkte aus unserem Antrag. Wenn die Industrie selbst in diese Richtung denken würde, gäbe es sicher noch eine Reihe weiterer Maßnahmen, die den GRÜNEN bisher noch nicht bekannt sind. Neben Schwefel- und Stickoxiden darf aber auch die Emission von Kohlendioxid bei jeder fossilen Verbrennung nicht außer acht gelassen werden. Gerade der Anstieg des CO2 in der globalen Atmosphäre kann, wenn das so weiter geht, zu einer Klimakatastrophe beitragen. Aber auch diverse Kohlenwasserstoffe greifen nicht nur die Ozonschicht an, sondern behindern die Wärmeabstrahlung in den Weltraum nachhaltig; das ist der sogenannte Treibhauseffekt. Neben der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas spielen bei diesem Effekt die Waldrodungen in den Tropen eine entscheidende Rolle. Jährlich werden ca. 120 000 Quadratkilometer Waldfläche gerodet; ({4}) das entspricht fast der Hälfte der Fläche der Bundesrepublik. Dieser Treibhauseffekt kann nur entschärft werden, wenn alle wesentlichen Ursachen reduziert werden. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft hat in einem Gutachten gefordert, bis spätestens in 50 Jahren die heutigen Emissionsraten auf ein Drittel zu vermindern. Dazu müssen nach Meinung der GRÜNEN folgende Maßnahmen ergriffen werden: Erstens. Es muß ein realisierbares Maßnahmenpaket zur Energieeinsparung und zur stärkeren Nutzung der erneuerbaren Energien bis zum Jahre 2000 aufgestellt werden. 25 % Einsparung und 11 % erneuerbare Energien sind dabei seriöse Annahmen. Die CO2-Emission würde dadurch in der Bundesrepublik um 30 % gesenkt. Zweitens. Die Fluorchlorkohlenwasserstoffe, die sogenannten FCKW, aus 450 Millionen Spraydosen müssen reduziert werden. Sie emittieren jährlich 27 000 Tonnen Spurengase in dieser Republik. Hierbei ist es wichtig zu wissen, daß ein Fluorchlorkohlenwasserstoffmolekül einen Erwärmungseffekt hat, der 10 000 Kohlendioxidmolekülen entspricht. Auch deshalb fordern die GRÜNEN ein Verbot der FCKW-Produktion. ({5}) Nun wird behauptet, daß sich bei dem sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie eine höhere Kohlendioxidemission ergeben würde und daß nur durch den Ausbau der Atomenergie der Treibhauseffekt bekämpft werden könnte. Tatsächlich gehen aber alle Szenarien, die eine wachsende Atomenergienutzung ausweisen, von steigendem Verbrauch fossiler Energieträger aus. Umgekehrt beschreiben nur solche Energieszenarien eine Energieversorgung mit sinkendem Verbrauch an fossilen Energieträgern, die von einer Beendigung der Atomenergienutzung ausgehen. Das heißt, auch die Bundesregierung plant bisher nicht im entferntesten, mittelfristig wirksam die Kohlendioxidemissionen zu vermindern. Das wird auch an der unverhohlenen Freude über die gegenwärtig niedrigen Energiepreise, die die Energieverschwendung anheizen, erkennbar. Als einzig gangbarer Weg kann nur die effiziente und intelligente Nutzung der vorhandenen Energiequellen dem Problem der drohenden Klimakatastrophe gerecht werden. Meine Damen und Herren, die GRÜNEN haben mit diesem Antrag erneut bewiesen, daß sie als einzige sinnvolle und tragbare Alternativen zu der unverantwortlichen menschen- und naturverachtenden Politik der Bundesregierung aufzeigen. Dr. Daniels ({6}) Danke schön. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Hartenstein.

Dr. Liesel Hartenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000815, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte über Luftverschmutzung kann und konnte eigentlich nur einen Sinn haben, wenn sie mit der ehrlichen Absicht geführt wird, eine nüchterne Bilanz zu ziehen und die Tatsachen beim Namen zu nennen. Das ist, fürchte ich, nicht gelungen; denn seitenlange Leistungskataloge und schön gefärbte Bilder einer fernen Reinluftzukunft im Jahre 2000 sind dafür nicht sehr hilfreich. Was zählt, ist allein die Realität, und diese Realität zeigt heute, daß die Politik der Bundesregierung zur Minderung der Luftverschmutzung ihr Klassenziel eben nicht erreicht hat. Was die Schadstoffemissionen aus dem Straßenverkehr betrifft, so hat sie es sogar meilenweit verfehlt. ({0}) Welche vollmundigen Ankündigungen haben wir doch gehört! Beispiel Nummer 1: Ab 1. Januar 1986 werden die Schadstoffe im Kraftfahrzeugabgas um 90 % gesenkt und Katalysatoren bei Neuwagen verbindlich vorgeschrieben. „Dieser Stichtag ist unumstößlich", Originalton Zimmermann. Die Worte sind verhallt, Taten blieben aus. Beispiel Nummer 2: Die neuen US-Abgasgrenzwerte sollen für alle Autos gelten. Fehlanzeige: Der schwächliche luxemburgische Kompromiß über Eurogrenzwerte reicht nicht im entferntesten an die US-Grenzwerte heran. Er hat dazu geführt, daß wir heute - wir haben es schon gehört - kaum 2 To aller Pkw mit einem geregelten Drei-Wege-Katalysator haben. Beispiel Nummer 3 - ich muß noch einmal darauf zurückkommen - : Ein Tempolimit, wie es die SPD forderte, ({1}) wurde unter anderem damit abgelehnt, daß mit einer Umrüstungsquote von 20 % , Herr Schmidbauer, für Altfahrzeuge für 1985 und 1986 zu rechnen sei und dadurch eine Schadstoffminderung von 140 000 t eintrete. Wo sind denn die 20 % umgerüsteter Fahrzeuge? Ich sehe sie nicht. ({2}) Zwar sind 2,4 Millionen Kraftfahrzeuge als schadstoffarm zugelassen, davon sind aber zwei Drittel Dieselfahrzeuge, die in den Genuß der Steuervergünstigung kommen, ohne daß sie ein Gramm weniger Gifte ausstoßen. Auch von den übrigen als schadstoffarm anerkannten Pkw sind viele ohne jede technische Verbesserung zu dem Etikett „umweltfreundlich" gekommen. Mit solchen Zahlen, meine Damen und Herren, betrügt man sich selbst. Man täuscht die Bürger und man hilft der Umwelt nicht. ({3}) Alle regierungsamtlichen Prognosen haben sich auf Grund der eingetretenen Entwicklungen als falsch erwiesen und müssen somit kassiert werden. Am 1. Juli zeigte sich Zimmermann noch überzeugt, daß das schadstoffarme Auto eine große Zukunft vor sich habe. Immer noch fahren 23 Millionen nichtentgifteter Altfahrzeuge auf unseren Straßen. Von den 2,8 Millionen Neuzulassungen im Jahre 1986 besitzen nur 10 % eine Abgasreinigung nach US-Norm. Von einem Siegeszug des umweltfreundlichen Autos kann da keine Rede sein. Übrigens, eine schwerwiegende Folge der EG-Abgasbeschlüsse darf nicht unerwähnt bleiben. Wer die Grenzwerte so hoch drückt wie in Luxemburg 1985, der drückt die Technologie herunter. ({4}) Er vergräbt und verschüttet innovatorische Impulse, und er bremst die Kreativität unserer Ingenieure. Er bremst die Kreativität in der Umwelttechnik. Damit erweist er nicht nur der Umwelt, sondern auch der Wirtschaft einen Bärendienst. Warum sollen sich die Ingenieure denn bemühen, neue hochwirksame Reinigungstechniken zu entwickeln, wenn sich der Gesetzgeber mit einer primitiveren, aber wirkungsloseren Entgiftungstechnik zufriedengibt. Nein, der Katalog angeblicher Leistungen in der Luftreinhaltepolitik ist eher eine Chronik des Versagens, insbesondere im Kraftfahrzeugbereich. ({5}) Meine Damen und Herren, wir verkennen keineswegs, sondern begrüßen es, daß die Rauchgasentschwefelung im Bereich der öffentlichen Kraftwerke erhebliche Fortschritte gemacht hat. Nicht zufriedenstellend dagegen sind die Entwicklungen im industriellen Bereich, vor allem bei kleineren Feuerungsanlagen; denn dort läßt die TA Luft immer noch diverse Schlupflöcher für Umweltsünder offen. Die Politik muß sich doch daran messen lassen, ob sie den tatsächlichen Herausforderungen gewachsen ist. Hier lautet die Antwort leider: Nein. Denn Faktum ist doch: Das gesamte Waldsterben ist nicht gestoppt. Was sich in unseren Wäldern abspielt, ist eine schleichende Tragödie mit allen schlimmen Folgen: Bodenerosion, Klimaveränderung, Gefährdung der Wasserversorgung, Verschwinden von Tier-und Pflanzenarten. Faktum ist doch: Die Luftverschmutzung bedroht weiter massiv unsere Gesundheit. ({6}) Sie verursacht Entwicklungsstörungen bei Kindern und treibt die Zahl der Atemwegserkrankungen in die Höhe. ({7}) Faktum ist doch: Sie zerstört unersetzliche Kulturdenkmäler und verursacht jährlich volkswirtschaftli1388 che Schäden in Milliardenhöhe. Wir zahlen unentwegt drauf. Das sollten sich auch die Ökonomen einmal durch den Kopf gehen lassen. ({8}) Meine Damen und Herren, was wir gebraucht hätten und heute noch dringender denn je brauchen, ist ein Bündel rasch wirkender Maßnahmen und ein geschlossenes Luftreinhaltekonzept. Das haben Sie bis heute nicht zustande gebracht. Die SPD-Fraktion hat schon vor vier Jahren, im April 1983, ein umfassendes Maßnahmenprogramm vorgelegt und inzwischen zahlreiche weitere Anträge zur Luftreinhaltung eingebracht. Sie haben alles abgelehnt und statt dessen Flickschusterei betrieben. Die Quittung dafür wird nicht ausbleiben. Wir fragen Sie, Herr Minister Töpfer: Sind Sie bereit, in Brüssel einen neuen Vorstoß zur Durchsetzung der US-Grenzwerte zu unternehmen? Was werden Sie tun, um die Umrüstung des Altwagenbestands endlich voranzubringen? Wie sieht die überfällige Planung für die Abgasentgiftung der Nutzfahrzeuge aus? Apropos Tempolimit: Wir würden uns damit endlich den EG-Partnern anschließen, die dies schon lange fordern, ({9}) und damit einen Stolperstein für künftige Verhandlungen aus dem Weg räumen. Unbedingt notwendig ist auch eine Neuorientierung in der Verkehrspolitik, die z. B. die Massengüter auf die Schiene bringt. Unbedingt notwendig sind auch konsequente Energieeinsparmaßnahmen. Es kann übrigens nicht angehen, Herr Kollege Baum, Kohlevorrangpolitik und Kernenergiepolitik gegeneinander auszuspielen. Die Alternative kann ja nicht sein: Weniger Kernenergie oder mehr Luftverschmutzung? Was wir wollen und was wir machen können, ist weniger Luftverschmutzung und weniger Kernenergie mit der Tendenz gegen Null. ({10}) Die Bürger wissen in ihrer großen Mehrheit heute, daß Wohlstand nicht in erster Linie mit schnellem Fahren und hohem Energieverbrauch umschrieben ist. Dazu gehören eben auch der Schutz der menschlichen Gesundheit, die Bewahrung unserer Landschaft, die Erhaltung unserer Kulturgüter und der Schutz unseres Waldes. Die Technik kann uns dazu dienen und helfen, wenn wir bereit sind, sie in der richtigen Weise einzusetzen. Danke schön. ({11})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt sicher überhaupt keine Diskussion darüber: Das Waldsterben ist und bleibt leider nach wie vor eine der zentralen ökologischen Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben. ({0}) Diese Feststellung hat die Bundesregierung über alle Zeit leider vornehmen müssen. Wir haben uns für die Tatsache, daß wir auf die ökologischen Probleme des Waldsterbens immer und immer wieder und zu allen Zeiten hingewiesen haben, des öftern harte Kritik gefallen lassen müssen, weil man immer glaubte, der Hinweis auf Waldsterben sei nichts anderes als ein Entlastungsangriff für die Kernenergie. Auch das sollte hier noch mal in Erinnerung gerufen werden. Ich habe Ihnen genau und sehr intensiv zugehört. Deswegen ist mir zunächst einmal aufgefallen, was in den Beiträgen der Oppositionsparteien bei der Diskussion über diesen Ausstiegspfad eigentlich nicht erwähnt worden ist. Nicht erwähnt worden ist, daß die verstärkte Nutzung von Kohle mit einer ganzen Menge zusätzlicher ökologischer Probleme außerhalb der Luftbelastung verbunden ist. Kein Mensch hat vom Braunkohletagebau und den vielen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, gesprochen. Nicht gesprochen worden ist - jedenfalls habe ich es nicht gehört - von dem CO2-Problem. ({1}) - Ja nun! Ich habe mich bemüht. Nicht davon gesprochen hat zumindest die SPD. Das unterstreiche ich deswegen, weil ich mich noch sehr genau daran erinnere - es ist ja erst wenige Tage her - , daß der Abgeordnete Hauff an anderer Stelle gesagt hat: Wer CO2-Probleme nennt, hat nichts anderes damit im Sinn, als wiederum einen Entlastungsangriff für Kernenergie zu fahren. Das hat er in aller Öffentlichkeit so gesagt. ({2}) Nichts gehört habe ich zum Import von Schadstoffen. Nichts gehört habe ich über die Erschöpfbarkeit von Ressourcen. Wo eigentlich sind denn all diese Stichworte bei denen geblieben, die einmal unter Gesichtspunkt „Ein Planet wird geplündert" angetreten sind? ({3}) Wo eigentlich ist denn auf diese ganzen Zusammenhänge auch bei diesen Themen heute aufmerksam gemacht worden? ({4})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hauff?

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Ja. Ich habe es gern, wenn Herr Hauff versucht, hier zu dementieren.

Dr. Volker Hauff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würden Sie mir freundlicherweise mitteilen, wo und wann ich das gesagt haben soll?

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Das kann ich Ihnen ganz genau mitteilen. Das haben Sie bei der Diskussion auf dem Evangelischen Kirchentag in meiner Nachbarschaft genau so gesagt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hauff?

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Ja.

Dr. Volker Hauff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Sie darauf hinweisen, Herr Minister Töpfer, daß das falsch zitiert ist und daß ich, was Sie freundlicherweise bei denen, die dort anwesend waren, nachfragen wollen, in dem Zusammenhang von Fluorkohlenwasserstoffen und nicht vom CO2-Problem gesprochen habe?

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Ich komme auf die Fluorchlorkohlenwasserstoffe gleich zurück. ({0}) - Nein, nein, ich habe Sie nicht falsch zitiert. ({1}) - Aber ich habe gehört, was Sie gesagt haben, das ist zumindest außerordentlich überzeugend. Aber, wie gesagt, ich komme auf die Fluorchlorkohlenwasserstoffe zurück. - Dies ist die Situation, die ich zunächst einmal festhalten möchte, nämlich das, was hierzu nicht gesagt worden ist. Und jetzt will ich Ihnen noch ein paar Zahlen nennen, auch für die Frau Abgeordnete Hartenstein: 1982 gab es in der Bundesrepublik Deutschland an SO2Emissionen 2,9 Millionen Tonnen - 1982! Im Jahre 1988 werden wir genau noch 1,4 Millionen Tonnen SO2 haben. Das ist nicht eine Prognose, sondern eine Rechnung. Und 1993 werden wir noch eine Million Tonnen S02 haben. ({2}) Das ist, wenn man die Grundrechenarten richtig beherrscht, nur noch rund ein Drittel - und das innerhalb von zehn Jahren! ({3}) Ein weiteres Beispiel: Wir haben 1982 insgesamt 7 000 Tonnen Bleiemission gehabt. Gegenwärtig haben wir bereits 800 Tonnen verkehrsbedingte Bleiemission weniger und hätten, wenn jeder die Angebote bleifreien Benzins nutzt, der sie heute nutzen kann, schon 2 000 Tonnen weniger - und das deswegen, weil es 1982 0 % Angebot an bleifreiem Benzin gegeben hat und jetzt bereits 25 % bleifrei fahren. Das ist eine Entlastung der Umwelt und zugleich eine ganz massive der Gesundheit, Frau Abgeordnete Hartenstein. Und ich frage einmal: Warum erwähnen Sie das z. B. nicht? Der Herr Abgeordnete Daniels sagt hier, wir haben gegenwärtig 27 000 Tonnen Fluorchlorkohlenwas serstoffe. Richtig! Und jetzt füge ich Ihnen folgende Zahlen hinzu: Wir haben 1976 insgesamt 53 000 Tonnen Fluorchlorkohlenwasserstoffe in Spraydosen gehabt. Das ist bis 1986 auf diese 27 000 Tonnen halbiert worden. Und das, was wir jetzt in Gesprächen mit der chemischen Industrie erreicht haben, ist, daß diese 27 000 Tonnen bis zum Jahre 1990 „weggebracht" werden. ({4}) Ich werde mich am 8. Juli wieder mit der chemischen Industrie treffen, damit wir den Termin 1990 möglicherweise noch um ein Jahr vorverlegen können. ({5}) Das ist keine Ankündigung - nicht, daß Sie mich da falsch verstehen -, aber wir werden uns darum bemühen. Aber selbst wenn wir auch diese 27 000 Tonnen „erst" 1990 weghaben, dann ist das eine große Leistung. Denn wo sonst in Europa, bitte schön, gibt es ein Land, das dieses Problem überzeugender, schneller und nachhaltiger in den Griff bekommen hat als die Bundesrepublik Deutschland. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sellin?

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Ja, selbstverständlich.

Peter Sellin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002159, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Können Sie zugeben, daß diese Stoffe auch als Kälteschutzmittel, in bestimmten Produktionsprozessen der Industrie, der Automobilindustrie beispielsweise, vermehrt eingeführt werden und Ihre Planungen bisher nichts vorsehen, diese Stoffe dort zurückzudrängen?

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Herr Abgeordneter, ich habe zunächst einmal das aufgegriffen, was Ihr Fraktionskollege Daniels hier gesagt hat. Und das sind Zahlen, die einen Hintergrund haben müssen. Die Frage ist nämlich: Woher kommen wir bei den 27 000 Tonnen? Von den 56 000 Tonnen. Und wo enden wir im Jahre 1990? Bei Null. Das ist der zentrale Punkt. Und der Herr Abgeordnete Baum hat bereits gesagt, daß es mit Blick auf Schäume und Kühlmittel die erste Notwendigkeit gibt, das Recycling und die Beseitigungsfähigkeit zu verbessern. Und dann werden wir auch da weitergehen. ({0}) - Also, entschuldigen Sie, ich habe, glaube ich, Ihre Frage ganz nachhaltig beantwortet. ({1}) Meine Damen und Herren, deswegen bin ich in der sehr guten Lage, darauf hinweisen zu können, daß die Luftreinhaltepolitik der Bundesregierung außerordentliche, in Zahlen nachvollziehbare Erfolge gehabt hat. Und ich bin mit Herrn Baum gern der Meinung, daß die Voraussetzungen schon in den 70er Jahren mitgelegt worden sind, aber umgesetzt worden ist es in den 80er Jahren, meine Damen und Herren. Das belegen diese Zahlen, die ich hier darzustellen versucht habe. Meine Damen und Herren, da ist gesagt worden: Dies zieht alles nicht. Wir haben immerhin 1974 die erste TA Luft bekommen. Und jetzt dürfen Sie zweimal raten, wann sie zum ersten Mal novelliert worden ist. Sie ist in ihrem Immissionsschutz-Teil zum ersten Mal 1983 und im Emissionsschutz-Teil zum ersten Mal 1986 novelliert worden. Ich habe Respekt vor all denen, die in den Ländern und in der Industrie intensiv daran mitgearbeitet haben, um das zu erreichen, was da erreicht werden konnte. Und das umfaßt eben alle die Bereiche, die uns bedeutsam erscheinen. Schwermetalle, kanzerogene Stoffe usw. sind in der TA Luft als neue Stoffe berücksichtigt. Und wir haben mit der Luftreinhaltepolitik, meine Damen und Herren, ein faszinierendes Programm „Arbeit und Umwelt" umgesetzt. ({2}) Denn da werden über die GroßfeuerungsanlagenVerordnung und über die TA Luft etwa 50 Milliarden DM investiert. Nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes sind das 70 000 Arbeitsplätze, die allein durch die Luftreinhaltepolitik dieser Bundesregierung neu geschaffen werden. ({3}) Das sind Impulse für Arbeit und Umwelt. Der Unterschied unseres Programms „Arbeit und Umwelt" zu dem Ihren, meine Damen und Herren von der SPD, besteht darin, daß sich dieses Programm über das finanziert, was in der Marktwirtschaft richtigerweise zur Finanzierung herangezogen wird, nämlich über Marktpreise, weil von ihnen auch Signale zum Sparen und zum vorsichtigen Umgang mit kostbaren Ressourcen ausgehen. Wir brauchen dann keine staatliche Umverteilung. ({4}) Meine Damen und Herren, es ist auch aufzugreifen, daß ein solcher Kraftakt nur von einer leistungsfähigen Wirtschaft gemacht werden kann. Warum diskutieren wir denn gegenwärtig über die Schwierigkeiten beim Zusammenwirken mit der DDR? Doch nicht deswegen, weil wir unseren Kollegen in der DDR darstellen müssen, daß von SO2 und NOx Probleme für die menschliche Gesundheit oder für die Umwelt ausgehen. Das wissen die alle. Wir diskutieren vielmehr deswegen mit ihnen - daher sind wir interessante Partner in der bilateralen Verhandlung mit den Ländern im Osten - , weil bei uns die umweltentlastenden Technologien entwickelt werden und weil bei uns das Geld dafür vorhanden ist, sie auch umzusetzen. Das ist doch der zentrale Punkt gewesen. Arbeit, Umwelt, wirtschaftliche Stabilität bilden für uns keinen Gegensatz, sondern sie sind wichtige, aufeinander bezogene Größenordnungen. Nur dort, wo wirtschaftliche Stabilität herrscht, werden wir uns auch in dieser Geschwindigkeit und in dieser Nachdrücklichkeit entsprechend fortentwickeln. Meine Damen und Herren, wenn es denn einen Kritikpunkt an dieser Luftreinhaltepolitik gibt, dann ist das etwas, was Sie gar nicht angesprochen haben, was ich hinzusetzen möchte. Wir haben in den letzten Jahren den ordnungspolitischen Rahmen dafür geschaffen, aber wir sollten in der Zukunft - mehr noch als in der Vergangenheit - die Bereitschaft zeigen, diesen ordnungspolitischen Rahmen durch die Kreativität des Wettbewerbs ausfüllen zu lassen. Wir sollten den Mut haben, auch im Umweltschutz, in der Luftreinhaltung, mehr an marktwirtschaftlichen Elementen mit hineinzunehmen, nicht weil wir vor staatlichen Entscheidungen ausweichen wollten, sondern weil ich nach wie vor davon überzeugt bin, daß der freie Wettbewerb eher einen technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Entlastung der Umwelt bringt, als die Bürokratie in ihren Amtsstuben. Das ist mein Punkt. ({5}) - Wissen Sie, Frau Abgeordnete, wenn der einzige Vorwurf, den Sie in bezug auf meine Rede machen können, darin besteht, es seien schöne Worte, dann kann ich mit dem Vorwurf wirklich leben. Das ist wirklich noch zu ertragen. ({6}) Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Weil ich für diese marktwirtschaftliche Öffnung bin, bin ich auch für flexible Lösungen, wie sie auch in Nordrhein-Westfalen - etwa vom Regierungspräsidenten in Düsseldorf - einmal gefunden worden sind. Warum denn nicht? Ich sage das hier an dieser Stelle auch. Wenn es denn möglich sein sollte, bei einer bestimmten Anlage nur 220 oder 250 Milligramm bei NOx einzuhalten, dieses aber an anderer Stelle mit weniger Geld kompensieren zu können: Warum sollen wir das denn nicht machen? Was ist denn daran so schlimm? Entscheidend ist doch die Entlastung bei NOx und nicht die Tatsache, daß wir einem Prinzip gefolgt sind. Das müssen wir vielleicht auch einmal gemeinsam tragen. Ich weiß, daß viele der Kollegen, die in Nordrhein-Westfalen die Verantwortung haben, dies ganz genauso sehen und daß sie auch glücklich darüber wären, wenn wir etwas mehr Flexibilität mit hineinbringen würden. ({7}) - Ja, das wollte ich gerade sagen. - Als wir damals die Möglichkeit der Kompensation in die TA Luft aufgenommen haben, ist das heftig bekämpft worden. Wir sollten - wenn es denn geht - darüber nachdenken, hier auch Weiteres zu tun. Meine Damen und Herren, insgesamt kann ich festhalten: Die Luftreinhaltepolitik der Bundesregierung hat sich weiß Gott ein Lob verdient; sie hat keine Kritik verdient. Die Luftreinhaltepolitik der Bundesregierung ist noch nicht am Ende. Wir werden sie nachhaltig voranbringen. Nur, ich wäre herzlich dankbar, wenn das, was in Anwesenheit von Europa-Abgeordneten - ({8}) - Herr Abgeordneter Schäfer, ich habe hier eine Redezeit von 15 Minuten, ({9}) und ich werde sie einhalten. Ich antworte hier auf insgesamt sechs oder sieben Wortmeldungen, und Sie wissen es. ({10}) Sie können da ganz gewiß sein: Ich bin Ihren Fragen bisher noch nie aus dem Weg gegangen. ({11}) - Das ist aber erfreulich. ({12}) - Ich will Ihnen das gerne in der verbleibenden Minute beantworten. ({13}) Wenn der Herr Präsident es ermöglicht, daß ich antworten kann, will ich das gerne in der verbleibenden Minute tun.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Minute und eine halbe haben Sie noch.

Prof. Dr. Klaus Töpfer (Minister:in)

Politiker ID: 11002335

Ich will Ihnen das eine sagen. Wissen Sie, wo Energieeinsparung passiert ist? Energieeinsparung ist ab 1973 passiert. Man muß sich das klarmachen. Seit 1973 gibt es keinen Anstieg der Primärenergienachfrage in der Bundesrepublik Deutschland. ({0}) - Das ist eine erfolgreiche Politik der Sozialdemokraten, sagen Sie. Ich will Ihnen sagen, woraus es resultiert, daß das ab 1973 nicht passiert ist. Denn just zu diesem Zeitpunkt, 1973, ist durch den Ölpreisschock eine ganz andere Preissituation bei der Energienachfrage eingetreten. ({1}) Es hat sich gezeigt, daß der Marktpreis der zentrale Ansatz für Sparen gewesen ist. ({2}) Und dahin müssen wir doch wohl kommen. ({3}) Wir brauchen keine wie auch immer geartete Dekretierung. ({4}) Wenn Sie einen zusätzlichen Bereich wollen: Im letzten Jahr, 1986, hatten wir ein Bruttosozialproduktswachstum von 2,4 % und einen Zuwachs der Stromnachfrage von 0,6 %. Es ist uns geglückt, eine Entkoppelung von wirtschaftlichem Wachstum und Energienachfrage zu bekommen. ({5}) Das ist eine Tatsache, die über Jahrzehnte hinweg als ehernes Gesetz angesehen worden ist. ({6}) - Insofern kann ich nur festhalten, meine Damen und Herren: Offenbar ist eine Antwort auf eine Sparfrage für die SPD-Fraktion nur dann eine Antwort, wenn sie mit staatlichem Dirigismus zu tun hat. ({7}) Für uns ist die Antwort auch dann gegeben, wenn der Markt dasselbe geleistet hat. Ich danke Ihnen sehr herzlich. ({8})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zunächst zu Punkt 30 a der Tagesordnung, und zwar zu den hierzu vorliegenden Entschließungsanträgen der Fraktion der SPD sowie der Fraktion der GRÜNEN. Die Antragsteller haben beantragt, die Entschließungsanträge auf den Drucksachen 11/559 und 11/560 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Verkehr, den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und den Ausschuß für Forschung und Technologie zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Die Überweisung ist so beschlossen. Zu Punkt 30b der Tagesordnung schlägt der Ältestenrat vor, die Vorlage an die in der gedruckten Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Kann ich Ihr Einverständnis feststellen? - Ja, das ist der Fall. Die Überweisung ist beschlossen. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 8 zur Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 11. Oktober 1985 zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie-Agentur ({0}) - Drucksache 11/466 - a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({1}) - Drucksache 11/540 - Berichterstatter: Abgeordnete Feilcke Dr. Hauchler b) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 11/546 Berichterstatter: Abgeordnete Esters 1392 Deutscher Bundestag - 1 1. Wahlperiode Vizepräsident Westphal Borchert Frau Seiler-Albring ({3}) Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Der Ausschuß empfiehlt, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich rufe das Gesetz mit seinen Artikeln 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist das Gesetz mit großer Mehrheit angenommen worden. Ich rufe nun Punkt 31 der Tagesordnung auf : a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({4}) - Drucksachen 11/285, 11/372 - aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({5}) - Drucksache 11/547 - Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Spöri Uldall bb) Bericht des Haushaltsausschusses({6}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 11/548 Berichterstatter: Abgeordnete Roth ({7}) Dr. Weng ({8}) Dr. Struck Frau Vennegerts ({9}) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({10}) zu dem Antrag der Fraktion der SPD Für eine gerechte und beschäftigungswirksame Steuerpolitik - Drucksachen 11/16, 11/550 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Spöri Uldall Hierzu liegen Entschließungsanträge der Fraktion der SPD sowie der Fraktion der GRÜNEN auf den Drucksachen 11/549 und 11/556 vor. Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Beratung dieser Tagesordnungspunkte 90 Minuten vorgesehen. - Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch. Ich darf aber darauf aufmerksam machen, daß wir uns alle freuen würden, wenn sie nicht unbedingt ganz ausgeschöpft würden. Wenn man zur jetzigen Uhrzeit 90 Minuten dazurechnet, dann weiß man, wie spät es dann sein wird. - Es ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Uldall.

Gunnar Uldall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Mit dem Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz führt die Bundesregierung ihre Politik zum Abbau der Steuerlast konsequent fort. Nach dem Beschluß von 1986 und 1988, die Entlastung um etwa 20 Milliarden DM vorzunehmen, folgt jetzt eine weitere Senkung um über 5 Milliarden DM. Das ist ein weiterer wichtiger Zwischenschritt für die große Steuerreform im Jahre 1990. Mit der Anhebung des Grundfreibetrages und der Abflachung des Tarifes sowie mit der verbesserten Sonderabschreibung für die kleinen und mittleren Betriebe passen sich die Maßnahmen nahtlos in unsere langfristig angelegte Finanzpolitik ein. Es ist insgesamt ein sozial ausgewogenes Steuersenkungsprogramm, das die Bezieher unterer Einkommen stärker entlastet als die Bezieher höherer Einkommen. Es ist falsch, immer nur einzelne Punkte herauszugreifen, immer nur einzelne Einkommensvergleiche zu nehmen. Es kommt darauf an, eine Betrachtung der Zahlen insgesamt vorzunehmen. Wenn ich die Entlastung in der unteren Proportionalzone mit den Entlastungen in der oberen Proportionalzone vergleiche, dann kann ich feststellen, daß bei der Steuerentlastung 1986 und 1988 sowie mit der jetzt anstehenden weiteren Entlastung in der unteren Proportionalzone bei einem Beitrag von 5,9 % zum Steueraufkommen insgesamt eine Entlastung von 7,7 % erzielt wird, während bei der oberen Proportionalzone bei einem Beitrag von 17,5 % zum Steueraufkommen eine Entlastung von nur 4,9 % vorgenommen wird. Mir ist es völlig schleierhaft, wieso die Sozialdemokraten in diesem Zusammenhang von einer nicht sozial ausgewogenen Entlastung sprechen können. Ebenso unbegründet ist die Behauptung der Sozialdemokraten, daß die Staatsverschuldung gefährlich ansteigen werde. Seit 1981 ist die Nettoneuverschuldung der öffentlichen Haushalte von 4,9 % des Bruttosozialprodukts auf 2,2 % im Jahre 1986 gesunken. Wir sind also jetzt erst unter unserer Regierung, aus diesem gefährlichen Bereich herausgekommen, Herr Spöri. ({0}) Es ist schließlich auch ein wesentlicher Unterschied, ob Sie eine Neuverschuldung zulassen, um damit zusätzliche Ausgaben zu tätigen, wie es die Sozialdemokraten getan haben, oder ob Sie eine höhere Neuverschuldung zulassen, um das Geld an die Bürger zurückzugeben. ({1}) Im übrigen klingen die Klagen wenig glaubwürdig bei einer Partei, die bisher immer nur das Wort vom Kaputtsparen gekannt hat und die Regierung ständig aufgefordert hat, höhere Schulden zu machen. Die Sozialdemokraten wollen mit ihren Vorwürfen nur verbergen, daß sie die Partei der Steuererhöhung sind. In der Regierungszeit der Sozialdemokraten in den 70er Jahren war die Steuerlast für die Bürger so hoch wie noch nie, und das, obwohl damals die Neuverschuldung permanent gestiegen ist. ({2}) Diese Tatsache, Herr Spöri, zeigt auch, daß die Vorstellung falsch ist, man könne allein mit höheren Steuern die Staatsfinanzen sanieren. ({3}) Das ist weit gefehlt. Die Erfahrung lehrt, daß für Steuersenkungen Geld immer nur in begrenztem Umfange vorhanden ist. Wer warten will, bis die Staatstöpfe so voll sind, daß man eine Steuersenkung allein aus dem Überschuß finanzieren könnte, wird eine Steuersenkung nie durchführen können. Er schätzt die Ausgabefreudigkeit von Regierung und Parlamentariern falsch ein. Nur durch Ausgabendisziplin ist eine Steuerreform zu finanzieren. ({4}) Meine Damen und Herren, deswegen ist es auch so, daß diese Steuerreform eine breite Zustimmung bei den Fachleuten findet, die die langfristige Bedeutung eines solchen Projektes richtig einschätzen können. ({5}) Ich verweise auf die Veröffentlichung im „Handelsblatt" über das Ifo-Institut, die geschrieben haben, das gesamte deutsche Entlastungspaket für die kommenden drei Jahre sei deutlich größer dimensioniert als die Entlastungen in den USA und Japan. Besser als ihr Ruf sei vor allem die Reform des Einkommensteuertarifs. Hier seien zwar die Senkungen der tariflichen Steuersätze bei weitem nicht so spektakulär wie in den USA, doch die Abschaffung des Steuerbauches im mittleren Einkommensbereich komme der Mehrheit der Steuerzahler zugute. Gestern hat das Hamburger Weltwirtschaftsarchiv, ein renommiertes Haus, geschrieben: ({6}) Die geplante Steuerreform 1990 zusammen mit den Steuersenkungen 1986 und 1988 ist vielmehr eine wichtige Voraussetzung für mehr Wachstum und Beschäftigung. Deswegen kann ich nur sagen: Dies ist der richtige Weg, den wir eingeschlagen haben. Wir werden uns auch nicht durch die Verteilungskämpfe aus der Ruhe bringen lassen, die zwischen den Ministerpräsidenten und der Bundesregierung natürlich einsetzen werden. Es ist doch ganz logisch, daß ein Ministerpräsident auch die Interessen seines Landes im Auge behalten muß. Aber wir lassen uns von diesem Weg der Steuerreform nicht abbringen. ({7}) Wir brauchen die Steuerreform, weil wir eine zu hohe Steuerlast haben und das Geld in den Taschen der Bürger besser aufgehoben ist als im Säckel des Staates. ({8}) Kein Arbeitnehmer wird seine volle Leistung erbringen, um dann rund 60 Pfennig für Steuern und Abgaben bei jeder zusätzlich verdienten Mark an den Staat abzuführen. Was wir aber brauchen, sind motivierte Arbeitnehmer. Nur so meistern wir die Herausforderungen eines technologischen Wettkampfes zwischen der Bundesrepublik und anderen Staaten. ({9}) Wir brauchen die Steuerreform, um den mittelständischen Betrieben verbesserte Möglichkeiten zur Kapitalbildung zu bieten. Als entscheidendes Mittel ist hier die Begradigung des Tarifverlaufes zu nennen. Sie wird nach mehreren Zwischenschritten 1990 vollendet sein und ist damit allen Spezialregelungen vorzuziehen. Wir brauchen die Steuerreform, um den Freiraum unserer Wirtschaft zu erweitern. Je geringer die staatlichen Fesseln, um so mehr Kraft wird freigesetzt für neue Aktivitäten, für neue Investitionen, für neue Arbeitsplätze. Wir brauchen die Steuerreform, um das viel zu komplizierte Steuerrecht wieder durchschaubar zu machen. Es ist doch ein Unding, daß es sich für viele Betriebe heute mehr lohnt, Steuerexperten einzustellen, um Schlupflöcher im Steuerrecht zu suchen, als Ingenieure, um neue Produkte zu entwickeln. Wir brauchen die Steuerreform, um die Flucht in die Schattenwirtschaft abzubauen. Heute werden Milliardenbeträge an der regulären Besteuerung vorbeigeleitet. Die ungerechte Konkurrenz zu den ordentlich arbeitenden Betrieben wird nur dann beseitigt, wenn die Steuerlast gesenkt wird. Wir brauchen die Steuerreform schließlich als einen wichtigen Beitrag zur Sicherung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Eine Unternehmensbesteuerung, die mit etwa 70 % an der Weltspitze steht, schädigt unsere Chancen in der internationalen Konkurrenz. Dagegen kann auf die Dauer auch die Qualität „Made in Germany" nichts ausrichten. Zur Zeit erleben wir einen internationalen Wettlauf um Steuersenkungen. Die USA, Großbritannien, Frankreich, selbst die sozialistisch regierten Länder Schweden und Österreich planen entsprechende Steuersenkungsmaßnahmen. Wir müssen in diesem Wettlauf mithalten, um unsere international starke Exportwirtschaft in ihrer guten Wettbewerbssituation zu halten. Alle diese Gesichtspunkte, meine Damen und Herren, überhöhte Steuerlast für den Bürger, nicht ausreichende Möglichkeit zur Kapitalbildung bei den mittelständischen Betrieben, zu kompliziertes Steuersystem, Nachteile im internationalen Wettbewerb, beweisen die Notwendigkeit unserer großen Steuerreform. Als ein wesentlicher Teil davon wird heute das Steuerentlastungsgesetz - eben mit einem Betrag von 5,2 Milliarden DM - verabschiedet werden und damit einen wesentlichen Konjunkturimpuls für die nächsten Monate bringen. Zu dieser Politik, meine Damen und Herren, gibt es keine Alternative. ({10}) Es darf sich keiner in der Entschlossenheit der Koalitionsfraktionen täuschen, diesen begonnenen Weg zur Steuersenkung und zur Steuervereinfachung fortzuführen. ({11}) Wir werden gemeinsam mit dem Finanzminister nach diesem Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz auch die Reform 1990 konsequent und erfolgreich in Angriff nehmen. ({12}) Vielen Dank. ({13})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Spöri.

Dr. Dieter Spöri (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002203, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir heute morgen durch diese Rede des lieben Kollegen Uldall erleben, ({0}) ist ja höchst bewundernswert. Nach dem chaotischen Gezänk der letzten Wochen innerhalb der Koalition um die Steuerpolitik erleben wir ein ganz seltsames Schauspiel. Da wird jetzt im Parlament, Herr Kollege Uldall, so getan, als ob steuerpolitisch in der Koaltion alles in Butter sei. ({1}) - Aber das ist ja eine gespenstische Inszenierung, Herr Gattermann: Die Bordkapelle spielt beschwingt harmonische Melodien, während die steuerpolitische Titanic des Herrn Kapitäns Stoltenberg bereits in den Wellen versinkt. So sieht es aus. ({2}) Herr Bundesfinanzminister, Ihr steuerpolitischer Kurs war von Anfang an falsch. Wenn Sie jetzt von den Albrechts, den Rommels und den Späths in aller Öffentlichkeit abgeschminkt werden, ist das die Folge Ihrer eigenen Fehlentscheidungen, vor denen wir Sie immer wieder gewarnt haben. Verfehlt ist Ihre Steuerpolitik vor allen Dingen deshalb, weil sie einseitig die Bezieher hoher und höchster Einkünfte begünstigt. Das gilt auch für den heute zur Entscheidung vorliegenden Gesetzentwurf, ({3}) der vor allem wiederum einen kräftigen Nachschlag für die besonders gut Betuchten bringt, meine Damen und Herren. ({4}) Das Ergebnis dieser einseitigen Steuerpolitik ist - das können Sie nicht hören, Herr Solms - , daß die Steuerbelastung für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen seit der Wende von Jahr zu Jahr auf neue Rekordhöhen gestiegen ist und weiter wächst. ({5}) - Wir werden Ihnen die Wahrheit sagen. Wir werden Ihnen die Zahlen nennen. Ein Arbeitnehmer mit einem Einkommen entsprechend dem statistischen Durchschnittseinkommen mußte im Jahre 1982 - als Ihnen die Steuerlast unter Bundeskanzler Schmidt zu hoch war - von seinem Bruttogehalt 16,2 % Lohnsteuer abführen. Im vergangenen Jahr betrug seine Steuerbelastung aber bereits 17,9 %. Im Jahr 1989 wird sie auf 18,5 % weiter ansteigen - trotz des Gesetzes, das heute hier verabschiedet werden soll. ({6}) Es ist leider wahr: Nur die wenigen Spitzenverdiener profitieren von der Steuerpolitik dieser Koalition wirklich, meine Damen und Herren. ({7}) Für die bei weitem überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sind dagegen CDU, CSU und FDP in diesem Haus eine Steuer- und Abgabenkoalition. Für die meisten Bürger ist Ihr ständiges Gerede über Steuersenkungen nichts als ein einziger Widerspruch zur täglichen Realität, meine Damen und Herren. ({8}) Für die meisten Bürger werden die bei Ihrer einseitigen Steuerpolitik gewährten minimalen Entlastungsbeträge allein schon durch die steigenden Beiträge zur Sozialversicherung weggefressen. Wenn Sie mir das nicht glauben wollen, zitiere ich einen Ihrer prominenten Parteifreunde, den Herrn Rommel, der sich in der Sendung „Monitor" am 24. Juni 1987 geäußert hat. Er hat wörtlich gesagt: Bei mir ist es so, daß ich eine Steuerentlastung bis zu 20 000 DM erfahren würde. Ich würde mir bestimmt nicht eine Wurst mehr kaufen, wenn ich die Steuerentlastung habe. Also am wenigsten gewinnt natürlich der Bezieher geringer Einkommen. Recht hat der Herr Rommel, meine Damen und Herren! ({9}) Genau deshalb, meine Damen und Herren, ist Ihre Steuerpolitik nicht nur ungerecht, sondern auch wirtschaftspolitisch völlig verfehlt. ({10}) Die letzten Jahre haben gezeigt, daß durch eine einseitig angebotsorientierte Steuerpolitik die Massenarbeitslosigkeit in unserem Land nicht abgebaut werden kann. Ich möchte Sie fragen: Wie lange wollen Sie, Herr Gattermann, eigentlich noch an dem Rezept der neokonservativen Wirtschaftspolitik festhalten, nach dem Gewinnsteigerungen, die aus Steuergeschenken resultieren, automatisch ins Traumland des stetigen Aufschwungs führen? Glauben Sie wirklich immer noch, man müsse gewinnstarken Unternehmen nur Geld hinterherwerfen - wie es in den letzten Jahren geschehen ist -, damit in Arbeitsplätze investiert wird? Mit dieser angebotsorientierten Steuerpolitik sind Sie in der wirtschaftspolitischen Praxis längst gescheitert, meine Damen und Herren von der Koalition. ({11}) Ihre bisherigen Steuergeschenke für Unternehmen mit einem Volumen von mehr als 40 Milliarden DM seit 1982 haben ausweislich der Statistik doch nur dazu geführt, daß immer mehr in Finanzanlagen im Ausland investiert wurde. Das sind die Fakten. Das können Sie statistisch nachvollziehen. ({12}) Damit, Herr Solms, haben Sie das amerikanische Haushaltsdefizit finanziert. Das kann doch nicht der wirtschaftspolitische Sinn unserer Steuerpolitik sein, meine Damen und Herren. ({13}) Deshalb sage ich: Mit der geplanten Senkung des Spitzensatzes bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer gehen Sie wirtschaftspolitisch doch auch wieder nur den falschen Weg. Wir haben unsere Alternativen vorgelegt. Durch die in unserem Antrag für eine gerechte und beschäftigungswirksame Steuerpolitik enthaltenen Sofortmaßnahmen hätten 80 % der Verheirateten und 70 % der Ledigen ab 1988 weniger Steuern zu zahlen als nach Ihrem Gesetzentwurf. Dadurch würden nicht nur Ungerechtigkeiten der letzten Jahre korrigiert, sondern es würde auch ein gezielterer Beitrag zur Stärkung der Binnennachfrage, zur Stärkung der abbröckelnden Konjunktur geleistet. Und das, obwohl unsere Vorlage den Staat um Milliarden D-Mark weniger belasten würde als Ihre Vorschläge und damit den haushalts- und investitionspolitischen Handlungspielraum von Bund, Ländern und Gemeinden schonen würde, was sehr wichtig ist. Insofern, Herr Bundesfinanzminister, ist eine gerechtere Steuerpolitik auch wirtschaftspolitisch leistungsfähiger als Ihre Steuerpolitik der Privilegien. Die Steuerpolitik der Bundesregierung ist nicht nur ungerecht und wirtschaftspolitisch verfehlt, sie ist auch finanzpolitisch ruinös. Das hat sich ja in den letzten Wochen an den Diskussionen in Ihren eigenen Reihen erwiesen. ({14}) Die Steuerpläne dieser Koalition sind nicht solide finanzierbar. ({15}) Wenn Sie mir das nicht glauben, dann fahren Sie, Herr Solms, auf einem Betriebsausflug Ihrer Fraktion vielleicht einmal zu Herrn Albrecht nach Hannover. Der wird Ihnen das gleiche sagen wie ich, daß nämlich auf Grund der nach unten korrigierten Wachstumsprognosen die Steuereinnahmen gegenüber der bisherigen Schätzung immer weiter sinken. Bereits das jetzt vorliegende steuerpolitische Reparaturgesetz für 1988 führt zusätzlich zu Steuerausfällen von mehr als 5 Milliarden DM. Für 1990 hat die Bundesregierung weitere Steuersenkungen und damit Steuerausfälle von 40 Milliarden DM geplant. ({16}) Jetzt rächt es sich, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie sich in den Koalitionsverhandlungen auf Steuerversprechen festgelegt haben, ohne gleichzeitig für eine konkrete und wirklich seriöse Finanzierung zu sorgen. ({17}) Das war, Herr Bundesfinanzminister, der große finanzpolitische Sündenfall, den Sie in den nächsten Wochen und Monaten bereuen werden. ({18}) Sie werden genau deshalb in den nächsten Wochen und Monaten in Ihren eigenen Reihen keine Ruhe mehr bekommen. Überhaupt, ich beneide Sie wirklich nicht in Ihrer Rolle. Bereits bei den steuerpolitischen Koalitionsverhandlungen waren Sie ja nicht mehr der federführende Minister im eigentlichen Wortsinne, sondern nur noch in der Rolle des Buchhalters, der die zwischen Strauß, Bangemann, Geißler und Lamsdorff ausgehandelten Ergebnisse protokollieren und der Öffentlichkeit vortragen durfte. ({19}) Aber das alles war nichts, verglichen mit dem, was jetzt auf Sie zukommt, Herr Bundesfinanzminister. Sie haben sich in eine schlimme finanzielle Zwickmühle hineinmanövriert. Wenn Sie tatsächlich die Versprechungen der Koalition realisieren wollen, ({20}) dann müssen Sie einen gewaltigen Anstieg der Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden hinnehmen, Herr Gattermann. Herr Bundesfinanzminister, Sie selbst haben bereits eingeräumt, daß sich das Haushaltsdefizit von den geplanten 25 Milliarden DM im Jahre 1990 auf rund 65 Milliarden DM mehr als verdoppeln wird. Ich füge hinzu: Bei realistischen Wachstumsannahmen und realistischen Steuerschätzungen liegt das Gesamtdefizit 1990 eher bei über 100 Milliarden DM, Herr Gattermann. ({21}) Mit dieser Finanzpolitik haben Sie sich von Ihrer noch im Dezember 1985 geäußerten Grundüberzeugung verabschiedet, die Sie in einer Schrift des Bundesfinanzministeriums kundgegeben haben. Ich möchte sie dem Hohen Hause nicht vorenthalten. Ich zitiere Gerhard Stoltenberg aus dem Jahr 1985: Steuersenkungen auf Kredit passen nicht in ein Konzept, das sich an den Kriterien Kontinuität, Konsistenz und Glaubwürdigkeit der Wirtschaftspolitik ({22}) in ihren Teilbereichen wie im ganzen orientiert. Das war O-Ton Gerhard Stoltenberg 1985, der totale Kontrast zu dem, was gegenwärtig praktiziert wird. Herr Bundesfinanzminister, hinter dieser Formulierung stand noch eine wirtschaftspolitische Philosophie, nämlich die Philosophie, daß die Wirtschaft dann läuft, wenn sich der Staat vom Kreditmarkt und vom Kapitalmarkt zurückzieht. Doch jetzt machen Sie genau das Gegenteil, Herr Bundesfinanzminister. Jetzt machen Sie volle Pulle Steuersenkung auf Pump. Das sind die Fakten. ({23})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordenten Uldall?

Dr. Dieter Spöri (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002203, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön.

Gunnar Uldall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, stimmen Sie mir zu, daß es nicht auf die absolute Höhe der Neuverschuldung ankommt, sondern immer auf die Relation zum Bruttosozialprodukt, ({0}) und ist Ihnen bekannt, daß die Höhe der Neuverschuldung heute nicht einmal 50 % von dem erreicht, was damals unter der Regierung von Helmut Schmidt und einem Finanzminister Apel erreicht worden ist? ({1})

Dr. Dieter Spöri (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002203, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Tapfer, tapfer, darf ich nur sagen, daß Sie sich so für den Bundesfinanzminister einsetzen. Natürlich trifft dies zu. Nur ist es so, daß auf Grund der neuesten Planung in der mittelfristigen Finanzplanung, Herr Kollege Uldall, genau diese relative Verschuldung wieder dramatisch zunimmt. So ist es, und das beunruhigt uns. ({0}) - Ach ja, das sind doch alles Girlanden. Meine Damen und Herren, ich möchte den Bundesfinanzminister fragen: Wo ist eigentlich seine wirtschaftspolitische Konzeption von 1985 geblieben? Wo sind die hehren Grundprinzipien einer seriösen Steuerpolitik geblieben? Wie wollen Sie diesen Widerspruch zu Ihren Aussagen im Jahr 1985 eigentlich noch mit Ihrer finanzpolitischen Glaubwürdigkeit vereinbaren, Herr Bundesfinanzminister? Sie haben doch, Herr Bundesfinanzminister, in diesem Hause die Nettokreditaufnahme beziehungsweise die stetige Senkung der Nettokreditaufnahme zum zentralen Fetisch der deutschen Politik gemacht. Aber wie sehen die Fakten jetzt wirklich aus? Genau in dieser Woche hat dieser Herr Bundesfinanzminister Stoltenberg im Bundeshaushalt insgesamt mehr Bundesschulden gemacht als irgendeiner seiner Vorgänger im Amt des Bundesfinanzministers. ({1}) Das ist der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit, den Sie verkraften müssen. Jetzt versuchen Sie, sich in der Öffentlichkeit mit dem Wunschtraum herauszureden, daß es sich nur um eine vorübergehende Erhöhung der Neuverschuldung handelt. Dahinter verbirgt sich der alte Selbstbetrug, daß sich Steuerentlastungen selbst finanzieren würden. Aber der Herr Bundesfinanzminister glaubt wirklich nicht selbst daran, wenn ich seine eigenen Äußerungen in diesem Haus zugrunde lege. Diese Hoffnung ist auch in der Praxis durch überhaupt nichts begründet. Das Beispiel der USA zeigt überdeutlich, daß überzogene Steuersenkungen zu einem explodierenden Staatsdefizit führen, und daß die Legende von der Selbstfinanzierung nur eine finanzpolitische Beruhigungspille ist, die übrigens sehr schnell nachläßt. Zudem wissen Sie ganz genau, daß bei einer Realisierung Ihrer Steuerpläne Länder und Gemeinden trotz höherer Neuverschuldung nicht mehr in der Lage sein werden, die nötigsten Leistungen für die Bürger und längst überfällige Investitionen vor allen Dingen im Umweltbereich zu finanzieren. Der Wettlauf der Koalition mit immer größeren Steuerversprechen wird unser Gemeinwesen finanziell ausbluten, wenn Sie Ihre Pläne im ursprünglichen Umfang realisieren, Herr Stoltenberg. Richtig ist aber nach wie vor, daß sich einen armen Staat in dieser Gesellschaft nur die Reichsten leisten können. Das wollen wir nicht. Ich frage Sie, ob Sie das wollen. Oder wollen Sie endlich, Herr Bundesfinanzminister, dem Bedenken Ihrer Parteifreunde Rechnung tragen? Ihr Parteifreund, der Stuttgarter Oberbürgermeister Rommel, gleichzeitig Vizepräsident des Deutschen Städtetags, hat aus Sorge um die Gemeindefinanzen die notwendigen Abstriche auf 10 Milliarden DM beziffert. Der baden-württembergische Ministerpräsident Späth hat, nachdem er zuerst, im Februar, allem zugestimmt hatte - was Sie, Herr Stoltenberg, zu Recht eingewendet haben -, nunmehr, gewissermaßen als steuerpolitischer Spätzünder, in dieselbe Kerbe hineingehauen. Schade nur, daß er heute nicht meiner Anregung gefolgt ist, seine Kritik hier vorzubringen. ({2}) Es ist so schön, wenn diese Kritik nicht nur in Interviews vorgebracht wird, sondern auch im Deutschen Bundestag. Hier gibt es ja für die Ministerpräsidenten eine Bundesratsbank. Wenn es Herrn Späth besonders umtreibt, soll er doch hier seine Meinung gegen Ihre Steuerpläne vertreten, meine Damen und Herren! ({3}) Wenn er das nicht tut, bedaure ich das übrigens schon deshalb, weil er ja nach der inhaltlichen Logik seiner Kritik konsequenterweise für unseren Antrag hätte sprechen müssen. ({4}) Aber, Herr Stoltenberg, Sie wissen ganz genau, daß es Herrn Späth weniger um die Staatsfinanzen geht. Er will sich jetzt vorsorglich von Ihren Steuerplänen bis zur baden-württembergischen Landtagswahl optisch distanzieren und abkoppeln, ({5}) weil er weiß, daß mit diesen Plänen keine Wählerstimmen mehr zu fangen sind. ({6}) Vielleicht hätten Sie, Herr Stoltenberg, ihm mehr entgegenkommen sollen und die Finanzierungsbeschlüsse - nach Lambsdorff die „Grausamkeiten" - auch noch hinter die baden-württembergischen Landtagswahlen verschieben sollen, wenn Sie sie schon so unseriös verschoben haben. Ich garantiere Ihnen: Dann wäre der Herr Späth Ihnen nicht so unsolidarisch und so unkameradschaftlich in den Rücken gefallen wie in diesem „Spiegel"-Interview. Herr Bundesfinanzminister, Ihre schrille Reaktion, das im „Spiegel" veröffentlichte Fernschreiben des Staatssekretärs Häfele ({7}) an Späth, in dem Sie unmißverständlich mit öffentlicher Gegenwehr drohen, zeigt, daß Sie sich in eine schlimme Prestigeposition verrannt haben. Ich kann Ihnen sehr gut nachfühlen, in welchem Dilemma Sie nun stecken; ({8}) denn wenn Sie jetzt tatsächlich das Volumen Ihrer Steuerpläne zurücknähmen, müßten Sie ja eingestehen, daß Sie in der Steuerpolitik den Wählern unseriöse und unhaltbare Versprechungen gemacht haben. ({9}) Trotzdem: Klammern Sie sich nicht länger aus Prestigedenken an falschen Positionen fest, Herr Bundesfinanzminister; dadurch wird im Herbst für Sie alles nur noch schlimmer. ({10}) Es steht viel zuviel auf dem Spiel für unser Land, als daß jetzt persönliches Prestige noch eine Rolle spielen dürfte. Die späte Sorge von Herrn Späth, daß die Bürger nach den im Herbst anstehenden Entscheidungen über die Finanzierung des Steuerpakets maßlos enttäuscht sein werden, ist sicherlich berechtigt. Nach der in der Bild-Zeitung veröffentlichten geheimen Streichliste des Dr. Stoltenberg, ({11}) die Ihr Staatssekretär im Deutschen Bundestag nicht dementieren wollte, droht vor allem den Arbeitnehmern eine drastische einseitige Einschränkung der für sie geltenden steuerlichen Sonderregelungen. ({12}) Für diese einseitigen Pläne werden Sie unsere Unterstützung in diesem Hause niemals bekommen, meine Damen und Herren! ({13}) Aber dieser einseitige Kahlschlag würde ja bei weitern nicht dazu ausreichen, die angekündigten Umschichtungen im Steuersystem von 19 Milliarden DM zu decken. ({14}) - Nach wie vor, Herr Gattermann, droht deshalb die Anhebung der Mehrwertsteuer. Den Weg dahin hat sich der Bundesfinanzminister bewußt offengelassen, und diese Erhöhung der Mehrwertsteuer wird auch kommen, denn die Verbrauchsteuern wie Mineralölsteuer und Tabaksteuer sollen ja nach der Auffassung von Herrn Stoltenberg schon zur Finanzierung des steigenden Beitrags an die Europäische Gemeinschaft erhöht werden. Bei der Mehrwertsteuer aber regt sich mal wieder bei der FDP markig ein erbitterter Widerstand. Herr Haussmann hat - gewohnt dramatisch - in einem Interview gewarnt, bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer würde die Koalition aufs Spiel gesetzt. Nur keine Angst innerhalb der Union; so schnell räumen Liberale freiwillige keine Ministersessel. ({15}) Aber ein Indiz ist es schon dafür, daß es bei Ihnen in der Koalition steuerpolitisch gegenwärtig zugeht wie auf einem Hühnerhof. Das müssen Sie zugeben, wenn Sie ehrlich sind. ({16}) Dieses gibt ein prächtiges Sommertheater, welches Sie noch schmerzen wird. Feine Sache, Herr Häfele! Dann kommt nach dem großen Sommertheater der große Herbst der Überraschungen, auf den wir alle gespannt sind. Herr Stoltenberg, ich wünsche Ihnen bis zum Herbst noch ein paar erholsame, ruhige Ferienwochen, weil Sie im Herbst viel Kraft brauchen. Wir Sozialdemokraten sind durchaus bereit, Sie, Herrn Bundesfinanzminister, bei einer echten Kurskorrektur zu einer realistischen und gerechteren Steuerpolitik zu unterstützen. ({17}) Der Anfang einer gemeinsamen Kurskorrektur könnte bereits unser Antrag sein, der heute hier zur Abstimmung vorliegt. ({18}) Damit auch die Kolleginnen und Kollegen aus der Union aus den Sozialausschüssen, die gegen einen einseitigen Abbau von Arbeitnehmervergünstigungen sind und die vielleicht auch gegen die Senkung des Spitzensteuersatzes sind, und damit die Kollegen aus der FDP, die wirklich gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer sind, und damit die Kollegen aus der Mittelstandsvereinigung der Union, die für die Einführung einer steuerfreien Investitionsrücklage sind, damit diese alle ihre Auffassung hier im Parlament deutlich und für jedermann nachprüfbar darlegen können, haben wir für unseren Antrag namentliche Abstimmung beantragt. So entgegenkommend sind wir eben, wenn wir Ihnen einen Gefallen tun können, meine Damen und Herren in der Koalition. ({19}) Herr Seiters, verehrte Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition, lassen Sie sich nicht von einer falschen Fraktionsdisziplin gängeln, stimmen Sie so ab, wie es Ihrem wahren, persönlichen Standpunkt, und wie es Ihren bisherigen Stellungnahmen entspricht. Das würde Ihnen im Herbst eine Menge Wortbrüche und viel Ärger ersparen. Sie sehen also: Wir wollen Ihnen nur helfen. Herzlichen Dank. ({20})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Rind.

Hermann Rind (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erleben hier heute eine fast heiterbeschwingte Mittagsstunde. Es gehört zu dem immer wieder zelebrierten Ritual der Opposition, sich vornehmlich auf die Ministerpräsidenten und Oberbürgermeister zu berufen und da immer auf die Zitate, die Ihnen gerade in Ihre Richtung passen. ({0}) Es ist selbstverständlich, daß bei einer Steuerreform, die auch den Ländern und Kommunen Einbußen auferlegt, der Verteilungskampf beginnt. In dem Verteilungskampf befinden wir uns jetzt; das ist ein normaler Vorgang. Ich gehe davon aus, daß auch die Ministerpräsidenten und Oberbürgermeister der CDU/CSU Verständnis dafür haben, daß eine Steuerreform im durchgreifenden Sinne notwendig ist - dies haben Sie ja immer wieder betont -, so daß Sie heute keinen Anlaß haben, am Endergebnis der Steuerreform in irgendeiner Form zu zweifeln. ({1}) Meine Damen und Herren, mit dem Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz setzt die Koalition ihre Politik der Entlastung für alle - ich betone: für alle! - Einkommensgruppen konsequent und nachhaltig fort. Wir Liberalen haben eine Verminderung der Staatsquote mit durchgreifenden Steuerentlastungen zu dem wesentlichen Ziel unserer Politik schon in der letzten und auch in dieser Legislaturperiode gemacht. Wir lassen uns dieses Ziel und dieses Wählerversprechen mit Sicherheit von der SPD und den GRÜNEN, die natürlich als Verteilungspolitiker ganz andere wirtschafts- und steuerpolitische Ziele verfolgen, nicht kaputtmachen. Wir sehen mit äußerster Gelassenheit, was Sie hier vorzuführen versuchen. Die FDP begrüßt die einzelnen Maßnahmen des Steuersenkungs-Erweiterungsgesetzes. Wir tragen alle Teile dieses Gesetzes in vollem Umfang mit. Ich will sie noch einmal aufzählen, damit es nicht in Vergessenheit gerät: Es handelt sich um die weitere Anhebung des Grundfreibetrags, des Haushaltsfreibetrags für Alleinstehende, die stärkere Abflachung der Progressionszone im Einkommensteuertarif, die Erhöhung der Ausbildungsfreibeträge und, last not least, die Verbesserung der Sonderabschreibung zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe. Alle diese Maßnahmen finden unsere volle Zustimmung. Wir lösen - darauf möchte ich noch einmal besonders hinweisen - mit diesem Gesetzesvorhaben die im Louvre-Abkommen gemachte Zusage gern ein, erspart sie uns doch - dies hat auch das Gipfeltreffen in Venedig gezeigt - den Druck der anderen Industrienationen im Hinblick auf künstliche Konjunkturbeatmungen durch Ausgabenprogramme und ähnliches, wie dies die Opposition gern hätte. ({2}) - Die sind so gültig wie eh und je. In der FDP-Fraktion sind wir uns einig, daß das Geld besser durch Steuerentlastungen beim Bürger und beim Unternehmer verbleibt ({3}) - nein, das ist ein eigenes Produkt, Herr Kollege; die Wahrheit ist halt immer ein und dieselbe - , als vom Staat in die Wüste einer dann verdorrenden Konjunkturlandschaft gelenkt zu werden, wo es nämlich - das beweist ja die Erfahrung der Vergangenheit - auf Nimmerwiedersehen verschwindet. ({4}) Sie von der SPD sind ja auch für Steuerentlastungen. Nur wollen Sie diese ausschließlich den unteren und vielleicht gerade noch den mittleren Einkommen gewähren ({5}) - lesen Sie mal Ihre Zahlen nach -, während Sie die höheren Einkommen durch einen steilen Progressionsanstieg bis hin zu dem überzogenen Steuersatz von 56 % für jede zusätzliche Leistung bestrafen wollen. Gerade die Träger besonders starker individueller Leistungen, nämlich die Freiberufler, wollen Sie außerdem zusätzlich mit der Einbeziehung in die Gewerbesteuer bestrafen. ({6}) Die Kinderfreibeträge wollen Sie entgegen dem verfassungsrechtlichen Gebot abschaffen. So in etwa ist Ihr Antrag zu verstehen für eine gerechte und beschäftigungswirksame Steuerpolitik sowie all das, was Sie sonst noch an Vorstellungen äußern. Die Erkenntnis, daß die größte Beschäftigungswirkung von Unternehmen ausgeht, denen der Fiskus das Geld beläßt, ist bei Ihnen offensichtlich noch nicht angekommen, ({7}) ebensowenig die Binsenweisheit, daß bei einem internationalen Trend der Steuersenkungen die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft eines Landes Schaden leidet, das sich einem solchen Trend verweigert. Genau in diese Verweigerung wollen Sie verfallen. ({8}) Eigentlich muß man sich ja nicht mit den GRÜNEN auseinandersetzen, denn sie haben ja ganz kurzfristig erst in dieser Woche einen Entschließungsantrag vorgelegt. Er stimmt in wesentlichen Teilen mit den Vorstellungen der SPD überein. Trotzdem will ich die Gelegenheit nicht versäumen, an die Adresse der GRÜNEN gerichtet wieder einmal das steuerpolitische Gruselszenario aufzuzeigen, das Sie, meine verehrten Kollegen, vorgelegt haben. Herr Gattermann hat dies schon bei der ersten Lesung getan. Ich möchte zur besseren Vertiefung in aller Kürze die Punkte wiederholen: ({9}) Abschaffung des Splittings, Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 60 %, Einführung einer progressiven Vermögensteuer, Ausbau der Gewerbesteuer zur Wertschöpfungsteuer, Einführung einer ganzen Serie von Umweltabgaben. ({10}) - Das kommt noch. Diesem ganzen Paket steht einzig und allein ein hoher Grundfreibetrag gegenüber. Das ist das Steuerkonzept der GRÜNEN. Glauben Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, eigentlich wirklich, daß die Leistungsträger vom Arbeiter bis zum Unternehmer unter solchen Vorzeichen bereit wären, noch Leistung zu erbringen? Glauben Sie das wirklich? ({11}) Sie, meine lieben Freunde von der Opposition, versuchen immer an Einzelschritten nachzuweisen, wie unsozial dieses ganze Steuerkonzept dieser Koalition sei. ({12}) - Ich weiß dies. Sie akzeptieren dabei nicht, daß von den steuerlichen Entlastungen bis 1990 etwa zwei Drittel den unteren und mittleren Einkommen zugute kommen und nur ein Drittel dem Bereich der Progression und der oberen Einkommen. ({13}) Liebe Freunde von der Opposition, gerechte Entlastungen sind für mich solche, die übermäßige Belastungen abbauen. Dabei bitte ich, doch zu beachten, daß die Entlastung der größeren Unternehmer und der Spitzenverdiener einen relativ sehr bescheidenen und geringen Anteil am Entlastungsvolumen ausmacht, wenn Sie das ganze Paket von 1986 bis 1990 betrachten. Das ist eine Tatsache, die Sie als Kritiker der Reform durch verbales Getöse um die bescheidene Senkung des Spitzensteuersatzes vernebeln wollen. Sie greifen hier mit beiden Händen wieder in die Mottenkiste des Klassenkampfes des vorigen Jahrhunderts. Nichts anderes tun Sie hier. ({14}) - Sie haben den Klassenkampf wiederentdeckt. Ich zitiere nur Sie. Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zum Verhältnis der Finanzen in Bund, Ländern und Gemeinden vortragen. Der Bundesanteil am Steueraufkommen - ich zitiere hier keine neue Zahl - ist von 1982 mit 48,4 % auf jetzt 46,0 % zurückgegangen. Vor dem Hintergrund gestiegener Einnahmeanteile der Länder und Kommunen am Steueraufkommen sehe ich persönlich das Lamento einiger Bundesländer und der Kommunen, wenn es um ihre Anteile an der Steuerreform geht, wirklich mit Gelassenheit. Es ist nicht vertretbar, daß Länder und Gemeinden stillschweigend die Steuermehreinnahmen kassieren, die ihnen der Bund mit seiner Finanz- und Wirtschaftspolitik beschert hat, aber in eine Verweigerungshaltung verfallen, wenn sie ihren Beitrag zur Entlastung ihrer Landes- und Gemeindebürger - meine Damen und Herren, es geht auch um die Bürger dieser Länder und Kommunen - von überhöhten Steuern leisten müssen. Jeder hat seinen Teil der Lasten zu tragen: der Bund die Lasten der Rentenversicherung, Belastungen der EG und viele andere, die Kommunen die Belastungen durch die Sozialhilfeleistungen. Dies ist in der Verteilung der Ausgaben so, dies muß auch in der Verteilung der Einnahmen so sein und bleiben. Meine Damen und Herren, da Sie immer wieder von Steuermindereinnahmen sprechen, möchte ich Sie doch darauf hinweisen, daß die Schätzungsergebnisse des Arbeitskreises „Steuerschätzungen" für 1987 beim Bund immerhin trotz der rückläufigen rund 10 Milliarden DM insgesamt noch rund 7,7 Milliarden DM Mehreinnahmen, bei den Ländern 5,9 Milliarden DM und bei den Kommunen 2 Milliarden DM ausweisen. ({15}) Dies sind 16 Milliarden DM Steuermehreinnahmen 1987, und 1988 sollen es nach dieser Ermittlung 17,3 Milliarden DM sein. ({16}) Machen Sie sich vor diesem Hintergrund und dem Thema Subventionsabbau, das wir mit aller Energie angehen werden, keine Illusionen über unsere feste Haltung und um die Durchsetzbarkeit dieser Steuerreform! Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Wir lehnen - dies muß ich hier wirklich noch ganz deutlich zum Ausdruck bringen - eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Finanzierung ab, und nicht nur zur Finanzierung der Reform, sondern auch in dieser Legislaturperiode. ({17}) - Sie können uns daran erinnern. Auch Herr Stoltenberg hat sich erst jüngst in diesem Sinne geäußert. Es ist nicht so, Herr Spöri, daß Sie Herrn Stoltenberg zu Recht für sich in Anspruch nehmen können. Das heute zur Abstimmung stehende Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz ist Bestandteil unseres Konzepts der Steuerreform. Aus diesem Grund wird meine Fraktion dem Gesetzesvorhaben zustimmen, und ich darf Ihnen, Herr Bundesfinanzminister Dr. Stoltenberg, versichern, daß wir Sie im Herbst bei den anstehenden Entscheidungen zum Thema Subventionsabbau tatkräftig unterstützen werden. ({18}) Wir werden Sie bei der Durchsetzung unserer Steuerreform nicht im Stich lassen und dabei selbstverständlich auch den unpopulären Teil der zu fällenden Entscheidungen mit tragen und mit verantworten. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({19})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hüser.

Uwe Hüser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000978, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sehr schön, daß uns die FDP immer die Mühe abnimmt, hier unsere steuerpolitischen Vorschläge zu machen; da kann ich mich in meiner Rede auf andere Punkte konzentrieren. Sie haben hier schon sehr wichtige Punkte unserer Vorschläge genannt. ({0}) - Nein, das haben wir ganz bestimmt nicht nötig. Was hier Gruselkabinett ist, wird sich ja dann in der Praxis zeigen. Bevor wir gleich in die Sommerpause entschwinden werden, wird der Bundestag - daran werden wir wahrscheinlich nichts ändern können, falls Sie sich nicht doch noch anders besinnen - Steuerbeschlüsse fassen, die uns in ein Finanzloch hineinreißen, das in den letzten Jahren seinesgleichen sucht. Das ist ungefähr nach dem Motto aufgebaut, daß wir uns kurz vor dem Sommerloch noch ein großes Finanzloch bescheren. Herr Stoltenberg, Ihr Verhalten zeigt in den letzten Wochen und Monaten eigentlich immer mehr panikhafte Züge. Je mehr wir Verlautbarungen über reduzierte Steuereinnahmen, über korrigierte Wachstumszahlen hören, auch von Ihren Parteifreunden, desto fester halten Sie an Ihrem Weg in ein steuerpolitisches Fiasko fest. Die Größe der Haushaltslöcher und vor allem die Frage, wer diese Haushaltslöcher tragen muß, scheint Sie überhaupt nicht mehr zu interessieren. Wenn dieser Geisterzug nicht gestoppt wird, dann werden wir 1991 vor einer täglichen Neuverschuldung von fast 280 Millionen DM stehen. Das muß man sich einmal überlegen. ({1}) - Genau, wir sind hier im Bundestag die einzigen, die schon früher davor gewarnt haben, Steuerentlastungen einzuführen. Ich wiederhole: Wir werden 1991 zu einem Haushaltsdefizit von nahezu 100 Milliarden DM kommen. In diesem Zusammenhang erweist sich die Aussage meiner Kollegin Vennegerts, die sie auf ihrer Steuererklärung gegeben hat, daß Sie vom Sparer der Nation zum größten Finanzrisiko der Nation geworden sind, als eindrucksvoll bestätigt. ({2}) Gerade die Länder und Gemeinden werden sich für Ihre Sturheit bedanken; denn sie müssen ungefähr die Hälfte der oben erwähnten Ausfälle tragen. Darauf, daß sie diese Ausfälle nicht mehr verkraften können, hat auch die Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht hingewiesen. Das sollten Sie sich doch einmal zu Herzen nehmen. Viele Städte werden von Ihnen Schlichtweg in den Bankrott getrieben. Es ist mir einfach unvorstellbar, wie der Bundesgesetzgeber darüber einfach hinweggehen kann und auf dem Rücken von Ländern und Gemeinden Parteipolitik betreibt. Ich will auf diesen Punkt etwas genauer eingehen, da ich zu den einzelnen Abschnitten in diesem Gesetz in meiner letzten Rede schon ausführlich Stellung genommen habe. Gerade diese Vorlage, die hier jetzt zur Verabschiedung ansteht, wird den Gemeinden einen direkten Steuerausfall von 800 Millionen DM im nächsten Jahr bescheren. Die Länder werden mit ungefähr 2,7 Milliarden DM dabeisein. Die Gemeinden erhalten natürlich auch noch verringerte Zuweisungen, da die Länder ihre Zuweisungen an die Gemeinden entsprechend kürzen müssen. In diesem Zusammenhang zeigt sich besonders drastisch, daß auch für die Gemeinden kalkulierte Mindereinnahmen nach der neuesten Steuerschätzung von ungefähr 1,6 Milliarden DM auftreten werden. Beispielsweise für Nordrhein-Westfalen als größtes Land in dieser Beziehung bedeutet das hier vorliegende Gesetz inklusive der anderen Steuerreformpläne Verluste von weit über 4 Milliarden DM im Landeshaushalt und für die Kommunen an Rhein und Ruhr annähernd 2 Milliarden DM. Ganz konkret: für Dortmund 90 Millionen DM, für Köln 125 Millionen DM und für Oberhausen 33 Millionen DM weniger. Hier kann man wahrlich nicht mehr von einer freien Spitze reden, die sowieso kaum noch existierte, in deren Rahmen die Gemeinden und Kommunen investive Politik betreiben, wirklich gestaltend, ihren grundgesetzlichen Auftrag wahrnehmen konnten, sondern diese Politik kann nur noch Wunschdenken sein. Dagegen stehen wachsende Ausgaben im Sozialhilfebereich - Bildungspolitik kann nicht mehr betrieben werden - : für Oberhausen allein 10 Millionen DM im Jahr. Das wird durch Ihre Politik in der Stahlfrage garantiert nicht weniger werden. ({3}) Sie werden die Städte in den Ruin treiben, und das werden sie Ihnen wahrlich zu danken wissen. Auf der einen Seite werden ihnen Ausgaben aufgezwungen. Hier ist als krassestes Beispiel der jüngsten Zeit die Volkszählung zu nennen - keine Angst - , der größte Flop, der in der letzten Zeit geschehen ist. ({4}) - Nein, das hat mit unserem Boykott nichts zu tun. Ich möchte Ihnen hier einmal einen anderen Tip geben: Blasen Sie diesen Wahnsinn endlich ab, dann können Sie wenigstens noch eine gewisse Schadensbegrenzung vornehmen. Es sind den Gemeinden 4,50 DM pro zu zählenden Einwohner gewährt worden. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Ausgaben doppelt so hoch liegen. Hier ist ein ganz klares Beispiel, wie Kosten umgewälzt werden. Auf der anderen Seite werden Städte und Gemeinden ausgeblutet, wie die Steuerreform ja eindeutig zeigt. Eine solche Bundespolitik hat mit Föderalismus mit Sicherheit nichts mehr zu tun und läßt das im Grundgesetz verankerte Recht auf Selbstverwaltung zur Farce verkommen. ({5}) Die jetzt betriebene Steuerpolitik ist aber nicht nur haushaltspolitisch fatal, sondern hat auch konjunkturpolitisch fatale Auswirkungen. Hier sind Sie ganz klar auf dem Holzweg. Sie schrauben die Staatsverschuldung in die Höhe, um die privaten Einkommen steuerlich zu entlasten. Jeder Student der Volkswirtschaftslehre lernt schon im Grundstudium, daß dies für eine expansive Konjunkturpolitik eigentlich verfehlt ist. Wenn schon, dann ist es doch eher angesagt, zur Erhöhung der Gesamtnachfrage staatliche Investitionen entweder durch Verschuldung oder sogar durch eine Anhebung der direkten Steuern zu finanzieren, als den Weg zu gehen, den Sie wählen. Sie machen genau das Gegenteil und werden genau das Gegenteil erreichen. ({6}) Durch Ihre Steuerpolitik werden besonders Haushalte mit hohem Einkommen entlastet. Das sind zugleich die Haushalte mit einer hohen Sparquote. Wenn man sich die Zahlen der letzten Jahre anguckt, stellt man fest: Die Sparquote ist um 9,4 % gestiegen, mehr als doppelt so hoch, wie der private Verbrauch gestiegen ist. Auch hierzu empfehle ich Ihnen eine Lektüre, nämlich die der Wochenberichte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Denen können Sie entnehmen, wer so viel sparen kann. Die meisten von Ihnen werden es erahnen: Es sind gerade die Haushalte der Selbständigen, die von ihren durchschnittlich verfügbaren 122 000 DM im Jahr rund 31 000 DM sparen. Das sind 25 % gegenüber gerade 8 % bei den Arbeitnehmerhaushalten. Genau aber diese Haushalte, die ohnehin schon in Liquidität schwimmen, werden nun ab dem nächsten Jahr noch einmal kräftig entlastet, und ab 1990 wird noch einmal kräftig draufgesattelt. Diese zusätzliche Liquidität für die hohen Einkommen wird dann auch dem Staat gegen gute Zinsen zur Verfügung gestellt, der diesen Kredit für eben diese Steuerentlastung braucht. Und die Zinsen müssen attraktiv sein, um öffentliche Anleihen, Schatzbriefe, Schuldscheine für die ungefähr 80 Milliarden DM Neuverschuldung plazieren zu können. ({7}) - Ich mache hier mein Praktikum. Ich bin sicher, daß ich aus abschreckenden Beispielen Ihrer Politik eine ganze Menge lernen kann. Die Anlage gerade in diesen Staatsschuldtiteln wird dann wahrscheinlich auch wieder die attraktivere Alternative gegenüber der Anlage in Sachkapital werden. Das wird ganz klare Konsequenzen auch für die Investitionshöhe haben. Der Schuldenstand von Bund, Ländern und Gemeinden wird 1990 die Billionengrenze erreichen. Wir werden dann Zinszahlungen von über 70 Milliarden DM haben. Diese Zinszahlungen fließen dann gerade in die Steuergeschenke, die dann dem Staat als Kredite zur Verfügung gestellt werden. Hier schließt sich im Prinzip ein verhängnisvoller Kreislauf: Diejenigen, die keine Steuern oder nur in geringem Umfang Steuern zahlen: alte Menschen, Sozialhilfeempfänger, Behinderte, Alleinerziehende, Jugendliche, kurz alle, die in Ihr Bild der Leistungsgesellschaft nicht mehr hineinpassen, werden von den Steuergeschenken so gut wie ausgenommen. ({8}) - Es sind Millionen, die davon überhaupt nicht profitieren. Aber sie werden mit ziemlich großer Sicherheit gerade bei der Finanzierung überproportional herangezogen. Denn ich glaube Ihnen nicht, daß Sie die Erhöhung der Mehrwertsteuer und andere die unteren Einkommen besonders betreffende Maßnahmen sein lassen werden. ({9}) Es ist nur noch zynisch, wenn Sie immer noch versuchen, Ihr Machwerk als sozial ausgestaltet zu verkaufen. Sie zeigen nur einmal mehr, daß Sie den Bezug zur Bevölkerung und ihren Problemen völlig verloren haben. ({10}) Es wird Sie nun wahrscheinlich nicht von den Stühlen reißen, wenn ich Ihnen sage, daß DIE GRÜNEN die Steuer- und Finanzpolitik der Bundesregierung ablehnen. ({11}) Aber ich betone hier - auch gegenüber der SPD -, daß wir GRÜNEN die einzige Partei waren, die auch vor der Wahl keine Steuergeschenke versprochen, sondern eindeutig Aufkommensneutralität für eine Reform der Einkommensbesteuerung gefordert hat. Die Entwicklung der öffentlichen Finanzen hat unsere Position voll bestätigt. ({12}) Es geht nicht an, daß angesichts der bestehenden wirtschaftspolitischen Probleme, der Massenarbeitslosigkeit, der zunehmenden Verarmung weiter Bevölkerungsgruppen und der fortschreitenden Umweltzerstörung riesige Steuerausfälle durch Ihre Steuerpolitik entstehen. Deshalb lehnen wir auch den Antrag der SPD ab, da auch er Steuerausfälle in Milliardenhöhe nach sich ziehen würde. Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, auch Sie sollten inzwischen eigentlich gemerkt und eingesehen haben, daß es finanzpolitisch der verkehrte Weg ist, auf Steuereinnahmen zu verzichten. Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Wir ziehen weiterhin die aufkommensneutrale Änderung des Einkommensteuertarifs vor, die konsequent sozial ausgerichtet ist, d. h. endlich Erwerbseinkommen in Höhe des zu sichernden Existenzminimums beläßt, wobei die hierdurch entstehenden Steuerausfälle durch eine erhöhte Besteuerung hoher Einkommen ausgeglichen werden müssen. Die Begründung hierfür können Sie - ich muß jetzt zum Schluß kommen - in der Begründung unseres Entschließungsantrages nachlesen. Wir fordern Sie auf, Herr Stoltenberg: Kommen Sie aus dieser finanzpolitischen Sackgasse endlich heraus, geben Sie sich einmal einen Ruck und gestehen Sie ein, daß Sie vielleicht auch einmal Fehler gemacht haben. Das werden die Wählerinnen und Wähler Ihnen mit Sicherheit eher danken als dieses finanzpolitische Chaos, das Sie uns hier vorlegen wollen. Wir lehnen, wie gesagt, diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung und auch den Antrag der SPD ab. Danke schön. ({13})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen ({0})

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Ihnen zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetzentwurf eines Steuersenkungs-Erweiterungsgesetzes 1988 soll ein Element unseres steuerpolitischen Programms dieser Wahlperiode zeitlich vorgezogen werden. Durch die Erweiterung der bereits beschlossenen zweiten Stufe des Steuersenkungsgesetzes 1986/88 um rund 5 Milliarden DM erreichen wir, daß Arbeitnehmer, Selbständige und Betriebe bereits vom 1. Januar 1988 an um weitere 14 Milliarden DM entlastet werden. Bund, Länder und Gemeinden haben ja den Steuerpflichtigen schon durch die erste Stufe des Steuersenkungsgesetzes und die 1985 beschlossenen Abschreibungserleichterungen für Wirtschaftsgebäude einen fast gleichhohen Betrag zurückgegeben. Es lohnt sich, zu dem Grundsatzstreit, der heute wieder anklang, ob die Senkung von Unternehmenssteuern positive Wirkungen hat, einmal die Erfahrungen mit der zuletzt genannten Maßnahme zu analysieren. Nicht nur die Statistik, was die Auftrags- und Beschäftigungssituation der Bauwirtschaft betrifft, sondern auch die Äußerungen vieler Beteiligter zeigen, daß diese von uns damals gegen den Widerstand der Opposition beschlossene Maßnahme sehr wohl Wachstums- und Beschäftigungsimpulse für die Bauwirtschaft gebracht hat. ({0}) Sie reichte zwar nicht aus, um den starken Rückgang etwa im Wohnungsbau, der durch die Marktsättigung erfolgte, voll auszugleichen. Aber ohne diese gezielte und sinnvolle Senkung einer Unternehmenssteuer hätten wir in der Bauwirtschaft weniger Betriebe und weniger Arbeitsplätze, als das heute der Fall ist. ({1}) Mit der für 1990 zwischen den Koalitionsparteien vereinbarten weiteren Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer um netto 20 Milliarden DM werden also die Ansprüche des Staates an die Steuerzahler in einer abgestimmten Strategie in drei Stufen von 1985 bis 1990 um insgesamt fast 50 Milliarden DM zurückgeführt. Das sind fast 2,5 % der gesamtwirtschaftlichen Leistung. Meine Damen und Herren von der Opposition: Zerbrechen Sie sich nicht zu sehr den Kopf über die noch anstehenden Entscheidungen. ({2}) Wir bereiten sie sorgfältig vor und werden sie zum vorgesehenen Zeitpunkt treffen. Daß die erbittertsten Kritiker der „Bild"-Zeitung, Herr Spöri, als Beleg für angebliche Geheimpläne bereits auf Sie zurückgreifen, ist hinsichtlich des Selbstverständnisses der Sozialdemokratischen Partei auch nicht gerade sehr überzeugend. ({3}) Mit unserem mittelfristigen steuerpolitischen Programm setzen wir nach unserer Überzeugung deutliche wachstumspolitische Akzente, die in ihrer Wirksamkeit über das Ende dieses Jahrzehnts hinausreichen werden. Wir schaffen auf der Angebotsseite stärkere Anreize für persönliche Leistungen, für betriebliche Investitionen und für die Schaffung bezahlbarer, international wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze. Vor allem durch die jetzt noch schneller verwirklichte Abflachung des Progressionsverlaufs bei der Einkommen- und Lohnsteuer, durch die schrittweise Rückführung des steilen Anstiegs der Grenzsteuersätze, die heute ja weit über 60 % der Steuerpflichtigen treffen, erreichen wir mehr für die Wandlungsfähigkeit, die Kraft unserer Volkswirtschaft, als es in unmittelbaren Entlastungszahlen zum Ausdruck kommt. Gleichzeitig werden die verfügbaren Einkommen aller Steuerzahler nachhaltig gestärkt; damit wird ein wichtiger Beitrag auch zur Verstetigung der Nachfrageentwicklung geleistet. Wir sind davon überzeugt - hier gibt es einen Fundamentalkonflikt; das ist nicht neu - , daß dieses Konzept zugleich ordnungs-, konjunktur- und wachstumspolitische Aufgaben erfüllt. Nicht zuletzt ist es auch ein wichtiger Beitrag zur Verringerung internationaler Ungleichgewichte und Spannungen und damit ein Beitrag zur Verbesserung der Situation der internationalen Wirtschaftsentwicklung. Herr Kollege Spöri, ich habe in Ihrer Rede einen Satz gehört und gelesen, der mich sehr sympathisch berührt hat. Sie haben mir bis zum Herbst noch ein paar ruhige Ferienwochen gewünscht. Ich erwidere diesen Wunsch in bezug auf Sie. Wir brauchen sicher beide Kraft im Herbst. Wenn ich an Ihren MarathonBundesminister Dr. Stoltenberg lauf bis zum nächsten März in Baden-Württemberg denke, ({4}) wo wir nicht von der Zwei-Drittel-Gesellschaft, sondern von der 29-%-Partei reden, wenn wir an die SPD denken, ({5}) brauchen Sie vielleicht sogar noch ein bißchen mehr Kraft als ich. ({6}) Insoweit erwidere ich die guten Wünsche, was Erholung und Kraft anbetrifft. ({7}) Ansonsten war das mehr eine verspätete - wenn ich an die Bundestagswahl denke - oder eine verfrühte Wahlkampfrede, wenn ich an Ihr Engagement in Ihrem Heimatland denke, das nicht frei von kabarettistischen Einlagen war. Das muß ich hier ausdrücklich sagen, wenn ich mir das so anhöre. ({8}) - Wenn Sie von Neid reden, muß ich sagen: So gut waren die kabarettistischen Einlagen auch nicht, aber sie erinnerten zumindest an Kabarettistisches. ({9}) Es war nach meiner Meinung kein dem Selbstverständnis der SPD angemessener Beitrag zu den wirklichen Alternativen, vor denen wir in der Finanz- und Steuerpolitik stehen. Die alten Parolen von der angeblichen sozialen Ungerechtigkeit standen auf recht wackeligen Füßen, Herr Kollege Spöri, denn Sie arbeiten mit Tricks. ({10}) Wenn Sie hier bestimmte Beispiele für Entlastungen herauspicken, dann müssen Sie doch fairerweise sagen, daß hier die zweite Stufe eines Gesetzes wirksam wird, daß wir bewußt bereits 1986 mit diesem Gesetz die unteren Einkommen und die Eltern mit Kindern überdurchschnittlich entlastet haben. ({11}) Eine anständige, faire Diskussion über Entlastungswirkungen muß deshalb doch die Entlastungen von 1986 und 1988 zusammennehmen. Das wissen Sie als Mitglied des Finanzausschusses ganz genau. Daß Sie aber zu solchen Tricks greifen, zeigt mir eben, daß die alte demagogische-sozialdemokratische Parole von der sozialen Ungerechtigkeit nicht glaubwürdig ist. ({12}) - Nun will ich aber einmal im Zusammenhang reden. Wir haben Sie mit Geduld angehört, und ich möchte die Redezeit nicht überschreiten. ({13}) - Nein, ich möchte im Augenblick keine Zwischenfragen zulassen, weil sich das Hohe Haus auch in einer genau eingegrenzten Zeitsituation befindet. Nun will ich Ihnen nur ein, wie ich glaube, sozial - also verteilungspolitisch, wie man sagt - sehr wichtiges Beispiel für die tatsächlichen Wirkungen nennen. Nach unserem Konzept wird für den Verheirateten mit zwei Kindern die Grenze für steuerfreies Einkommen, die 1985 bei 13 900 DM lag, 1990 bei fast 24 000 DM liegen. Das ist eine großartige Sache, vor allem für die Bezieher kleiner Einkommen und vor allem für die Eltern mit Kindern. ({14}) Herr Kollege Spöri, was nun Ihr Klagelied über die Kommunen anbetrifft, so ist das auch nicht sehr glaubwürdig. Mir kam in den Sinn, daß die sozialdemokratische Mehrheit in Nordrhein-Westfalen - neben dem Saarland das einzige Flächenland, in dem Sie noch regieren - den kommunalen Finanzausgleich in den letzten fünf Jahren Jahr für Jahr um Milliardenbeträge gekürzt hat, insgesamt um rund 5 Milliarden DM. ({15}) Reden Sie doch einmal mit Herrn Rau und seinen Mitstreitern im Landtag. ({16}) Reden Sie doch einmal mit den Verantwortlichen in Ihrer Partei in Nordrhein-Westfalen, ob das denn mit Ihren Klageliedern zu vereinbaren ist, bevor Sie sich hier zum Pseudoanwalt kommunalpolitischer Belange im Deutschen Bundestag machen. ({17}) Meine Damen und Herren, die ernsthafte öffentliche Diskussion in der kritischen Auseinandersetzung mit unserer Steuerpolitik geht von zwei vollkommen konträren Positionen aus. Viele verlangen von uns eine expansivere Finanzpolitik. ({18}) Es ist die vorherrschende Meinung in den westlichen Industrieländern, im amerikanischen Kongreß, in der amerikanischen Öffentlichkeit, aber auch in den Stellungnahmen aus anderen westeuropäischen Ländern und in manchen Auffassungen internationaler Organisationen, wir sollten mit der Finanz- und Steuerpolitik schneller vorangehen, wir sollten höhere Defizite in Kauf nehmen, als wir es tun. Es gibt auch in Deutschland manche Anhänger dieser Auffassung, etwa den früheren sozialdemokratischen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Das kam nicht nur in seiner Abschiedsrede hier im Deutschen Bundestag, sondern auch in späteren Äußerungen zum Ausdruck. Diesen Kritikern müssen wir sagen, daß wir das Gleichgewicht zwischen Steuerentlastung und Haushaltspolitik wahren wollen, auch wenn es in einigen Elementen neu bestimmt werden muß. Diese Stimme ist hier überhaupt nicht zu Wort gekommen, statt dessen ausschließlich die Behauptung, daß wir durch unser Konzept der Steuersenkungen angeblich die Haushalte in unerträgliche Schwierigkeiten bringen und angeblich eine unerträgliche Neuverschuldung produzieren. ({19}) Aber, Herr Kollege Spari, der wichtige internationale Bezug unserer steuerpolitischen Entscheidungen muß noch einmal hervorgehoben werden. Die Bundesrepublik Deutschland - das ist die Position der Bundesregierung und der Koalition - will sich als eine der führenden Industrienationen ihrer internationalen Verantwortung für Wachstum und Stabilität stellen. Wir sind hier auf konkrete erfolgreiche Kooperation mit unseren Partnern angewiesen. Insofern verweise ich noch einmal auf die Bedeutung der Pariser Erklärung der Finanzminister und Notenbankpräsidenten der großen Industrienationen vom 22. Februar, in der wir in der Tat - wie auch unsere wichtigsten Partner - bestimmte nationale Maßnahmen zu einer verstärkt koordinierten Politik des Wachstums, der Stabilität, der Beseitigung der Ungleichgewichte eingebracht haben. Die Entwicklung seitdem gibt uns insoweit recht. Ich werde das näher ausführen. Zum anderen können wir in dieser Diskussion nicht an dem vorbeigehen, was in anderen Ländern an steuerpolitischen Entscheidungen vollzogen oder angekündigt ist: USA, Japan, Großbritannien und - ein besonders interessantes Beispiel, weil dort die sozialistische Partei in einer Großen Koalition Regierungspartei ist - unser Nachbarland Österreich. Ich hatte am letzten Wochenende Gelegenheit - bei dem traditionellen Treffen, das meine Vorgänger einmal begründet haben - , sehr eingehend über diese Fragen mit meinem österreichischen Kollegen, dem sozialistischen Finanzminister Lacina, übrigens auch mit dem Bundeskanzler Vranitzky und mit meinem Schweizer Kollegen, dem sozialdemokratischen Bundesrat Stich, zu sprechen. Ich will aus diesen Gesprächen nur das hervorheben, was bekannt ist. ({20}) Die österreichische Regierung, getragen von der Sozialistischen Partei und der ÖVP, hat öffentlich als Konzept eine Steuerreform mit einer deutlichen Senkung der Einkommen- und Lohnsteuer angekündigt; diese Steuerreform soll - bei der dort allerdings wesentlich kritischeren Haushaltssituation - ausschließlich durch Umschichtung, durch Abbau von Steuersubventionen und Sonderregelungen finanziert werden. ({21}) Eine Umschichtung haben auch wir uns in Verbindung mit der dritten, entscheidenden Stufe der Steuerreform vorgenommen. ({22}) Der Unterschied, Herr Kollege Walther, zu den österreichischen Plänen ist nur, ({23}) daß man sagt: Wir machen das ausschließlich durch Umschichtung. Wir sagen: Die Aufgabenstellung der dritten Stufe ist noch einmal eine Nettoentlastung der Steuerpflichtigen um 20 Milliarden DM. ({24}) Wir erweitern den Entlastungsrahmen um 19 Milliarden DM auf 39 Milliarden DM ({25}) und werden durch eine Erweiterung der Bemessungsgrundlage, d. h. im wesentlichen durch Abbau von nicht mehr begründeten Privilegien für jeweilige Minderheiten einen zusätzlichen Ausgleich vornehmen. ({26}) Sie sollten einmal darüber nachdenken - und deswegen habe ich Ihnen hier das Beispiel Österreich noch einmal geschildert - , ob es richtig ist, von vornherein ein solches Grundkonzept durch Verdächtigungen und Polemik in Frage zu stellen, ob Sie nicht lieber konstruktiv an der Verwirklichung eines solchen Konzeptes mitarbeiten sollten. ({27}) Meine Damen und Herren, das verhaltene Wachstum in diesem Jahr ist nicht, wie es die Opposition darstellen möchte, der Anfang eines zyklischen Abschwungs. Es ist vor allem das Ergebnis erheblicher außenwirtschaftlicher Veränderungen und Anpassungsprozesse, vor allem durch die nachhaltige Aufwertung der Deutschen Mark und die erheblichen Veränderungen bei den Importreisen. Allein von Dezember letzten Jahres, als die Prognosen für 1987 vorgelegt wurden, bis zum Februar dieses Jahres hat sich die DM gegenüber dem Dollar noch einmal um 11 To aufgewertet. Im Zeitraum von Februar 1985 bis 1987 waren es fast 90%. Diese dramatische Veränderung der Handels- und Wirtschaftsbedingungen hat für uns den großen Vorteil gebracht, daß wir ein nie erreichtes Maß an Preisstabilität über lange Zeit erzielen, sichern und ausbauen konnten. Dieser Vorteil überwiegt, er überwiegt vor allem im Interesse der sozial Schwachen, deren Anwalt Sie heute sein wollen und die Sie durch Ihre Inflationspolitik in schwerer Weise benachteiligt haben. ({28}) Aber dieser Rückgang der Importpreise, durch die Wechselkursentwicklung drastisch gefördert, hat uns hohe Steuermindereinnahmen gebracht. Wenn Sie kritisch darauf hinweisen, daß wir - Bund, Länder und Gemeinden - unsere Steuerschätzungen in den letzten zwei Jahren mehrmals nach unten korrigieren mußten, ist das richtig. Aber man muß auch die Ursachen erkennen. ({29}) Man muß sich darüber unterhalten, ob wir wirtschafts-, beschäftigungs-, handels- und auch finanzpolitisch tatenlos einer weiteren Entwicklung entgegensehen konnten, die in den Erwartungen Anfang dieses Jahres von einer zusätzlichen Abwertung des Dollars in kurzer Zeit um 12 oder 15 % bestimmt war. Wir haben diese Frage verneint. Deshalb sind die gemeinsamen Absprachen und konkreten Initiativen zur Wechselkursstabilisierung seit Mitte Februar ein Kernpunkt der verbesserten und verstärkten wirtschafts-, währungs- und finanzpolitischen Zusammenarbeit der großen Industrieländer. Ich kann hier fast viereinhalb Monate später nur feststellen, daß diese Zusammenarbeit erfolgreich war. Im Gegensatz zu den ersten Reaktionen aus Ihrem Kreis, Herr Spöri, als im Februar und dann später bei der ersten Lesung dieses Gesetzes im Deutschen Bundestag gesagt wurde, daß das alles vergebliche Versuche seien, sagen wir: Die Wechselkurse sind heute in derselben Relation, sogar fast auf den Punkt, auf den Pfennig, wie im Februar. Die Markterwartungen haben sich geändert, und die begründete Erwartung, daß wir nach dem verhaltenen und insoweit enttäuschenden ersten Quartal wieder in einen stärkeren Wachstumspfad hineinkommen, beruhen entscheidend darauf, daß die Wechselkurse stabil geworden sind und für eine vorausschaubare Zeit, die ich nicht in exakten Angaben definieren kann, nach vorherrschender Meinung auch stabil bleiben werden. Ich vermute, daß viele mir in der ökonomischen Analyse insoweit zustimmen werden, daß alle Erwartungen, ob sie stärker oder schwächer entwickelt sind, auf eine positive Trendwende wieder zu höheren Wachstumsraten mit Beschäftigungsimpulsen sehr maßgebend von dieser Stabilisierung der Wechselkurse mitbestimmt sind. Ich möchte hier ganz offen sagen: Ich kann das rein fiskalisch rechnen. Bei einem weiteren drastischen Rückgang der Dollarkurse hätten wir schwere wirtschafts- und beschäftigungspolitische Nachteile erlebt und mehr als 5 Milliarden DM Steuereinnahmen verloren. Um den gleichen Betrag nehmen wir jetzt zusätzlich aus internationalen und nationalen Gründen vorgezogene Entlastungen vor, die den Bürgern zugute kommen werden. ({30}) Dies rechnet sich in jeder Modellprojektion, die Sie machen können, nicht nur ökonomisch und beschäftigungspolitisch, sondern, was das Vorrangige ist, es rechnet sich sogar fiskalisch. Das sage ich auch unseren Partnern in den Ländern und Kommunen, wo es aus den eigenen Reihen, Herr Spöri - das ist wahr, und das können Sie auch mit Freude zitieren - , die eine oder andere kritische Bemerkung gibt. Ich erinnere mich, wenn Sie das hier sagen, nur an die Diskussion mit Ihren eigenen Parteifreunden in den Ländern und Kommunen, als Sie Ende der 70er Jahre einmal die Lohnsummensteuer abgeschafft haben. Da war die Erregung noch größer. So hat jeder einmal von Zeit zu Zeit seine - jedenfalls akustischen - Erfolgserlebnisse. ({31}) Nein, meine Damen und Herren, es besteht kein Anlaß, an den getroffenen steuerpolitischen Vereinbarungen zu rütteln. Wer die Erwartungen von Investoren und privaten Nachfragern enttäuscht, darf sich anschließend über Attentismus und Wachstumsverzögerung nicht beklagen. ({32}) - Was nun die Horrorgemälde mit einer unvertretbaren Verschuldung anbetrifft, will ich hier kurz noch einmal die Zahlen in Erinnerung rufen: Im Jahre 1981 hatten wir in der Bundesrepublik Deutschland eine öffentliche Neuverschuldung von 4,9 %, gemessen an der volkswirtschaftlichen Leistung. 1982 waren es 4,4 %. Wir haben, worauf wir stolz sind, diese Neuverschuldung durch disziplinierte Ausgabenpolitik und Wachstumsförderung halbiert, auf 2,2 % im Jahr 1986. ({33}) Wir gehen jetzt in den Projektionen mit einer offensiven steuerpolitischen Strategie auf einen Erwartungshorizont von 2,8 %, Sie können also sagen: von knapp 3 %. Das ist nicht problemfrei, aber es ist aus den genannten Gründen richtig. ({34}) - Dies alles, Herr Kollege Spöri, kann nur vertreten werden, wenn das Wachstum unserer Ausgaben verhalten bleibt. ({35}) Ich werde in der Lage sein, dem Kabinett einen Etat für 1988, im wesentlichen im Einvernehmen, mit einem nominalen Wachstum von 2,4 % vorzulegen. ({36}) Ich begrüße die Erklärung der finanzpolitischen Sprecher von CDU/CSU und FDP, daß dieses Wachstum auf keinen Fall überschritten werden darf, wenn möglich noch ein Stück abgesenkt werden sollte. Das werden die Einzelberatungen ergeben. Nur, ich kenne auch die Länderhaushalte und viele Kommunalhaushalte. ({37}) Ich muß dem einen oder anderen sagen: Man ist etwas zu früh wieder in die vollen gegangen. ({38}) Insofern kann die Steuerpolitik und Steuergesetzgebung auch den Willen zu verantwortungsvoller, begrenzter Ausgabenpolitik bei Kommunen und Ländern stärken. Nein, wir schaffen durch gemeinsame Verwirklichung nachhaltiger Steuersenkungen langfristig bessere Fundamente für die ökonomischen und die beschäftigungspolitischen Grundlagen unseres Gemeinwesens. Lassen Sie uns in den Argumenten streiten. Aber lassen Sie uns das in einer anspruchsvollen Form tun, wenn wir, Herr Kollege Spöri, beide gut erholt - und das gilt hoffentlich für alle Kolleginnen und Kollegen - im Herbst dieses Jahres diese Diskussion miteinander fortsetzen. ({39}) Vielen Dank. ({40})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wieczorek.

Dr. Norbert Wieczorek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002502, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war ganz amüsant, zu hören, daß Herr Stoltenberg immer noch daran glaubt, daß es keine Abschwünge, sondern nur Aufschwünge gibt, obwohl wir nun gerade die laufende Korrektur der Wachstumszahlen erleben. Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang nützlich, sich an die vorgebliche Zielsetzung des Regierungsentwurfs zu erinnern. Da heißt es: Erstens. Wirtschaftliche Wachstumskräfte sollen gestärkt werden. Zweitens. Die Versprechungen gegenüber anderen Industrieländern aus dem Louvre-Abkommen sollen erfüllt werden. Drittens sollen Familien, deren Kinder noch in Ausbildung sind, steuerlich begünstigt werden. Lassen Sie mich mit dem letzten Punkt anfangen: Wir haben hierzu einen Antrag vorgelegt, der dem entspricht, was wir unter Steuergerechtigkeit verstehen, daß nämlich dem Staat jedes Kind in der Ausbildung gleich viel wert sein muß. ({0}) Sie können uns ja dann zustimmen. Nur weil Sie das wahrscheinlich nicht tun werden, muß ich Sie leider an das erinnern, was Sie selber einmal geschrieben haben. Ich zitiere die Drucksache 9/2140. Da hieß es damals: Aus haushaltsmäßigen Gründen ist eine Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dahin vorgesehen, daß die Förderung für Studenten auf Darlehensbasis umgestellt wird. In diesem Zusammenhang ist es gerechtfertigt, ab 1984 die einkommensteuerlichen Freibeträge um die Hälfte zu reduzieren. Wenn aber damals Freibeträge und BAföG miteinander verbunden waren, so ist überhaupt nicht einzusehen, warum das heute nicht der Fall ist und warum Sie das BAföG nach wie vor in dieser miserablen Situation lassen. Das erinnert mich fatal an Ihren Trick mit der sogenannten Investitionshilfeabgabe, nach dem Motto: Was Sie den Besserverdienenden an Lasten auferlegen, das nehmen Sie bald wieder zurück. Das, was die breite Masse zu tragen hat, lassen Sie fortbestehen. ({1}) Das ist das Recht des Stärkeren. Aber das ist keine Gerechtigkeit. Es dient offenbar auch Ihrer ideologischen Verblendung in der Bildungspolitik, in der Ihnen jedes Mittel recht ist, um Kinder aus einkommensschwächeren Familien von den höheren Ausbildungsgraden abzuhalten, damit für die Einkommensstärkeren die nach wie vor privilegierte Ausbildung erhalten bleibt. Das dient aber weder der sozialen Gerechtigkeit noch hilft es, die Forderung nach mehr Flexibilität auf der Basis einer besseren Ausbildung zur Lösung der Zukunftsaufgaben unserer Volkswirtschaft zu erfüllen. Die hochtrabend formulierte Zielsetzung Ihres Gesetzentwurfs wird damit nicht nur ins Gegenteil verkehrt; sie wird zu einem Zerrbild. Kommen wir zum zweiten Punkt, den Sonderabschreibungen. Da haben Sie im Ausschuß nachgebessert. Aber damit wird es ja nicht besser. Mit der Verlängerung der Abschreibungsfristen machen Sie nur die Mitnahmeeffekte wahrscheinlicher. Es bleibt wohl auch die Kritik des DIHT bestehen, das sei zu kompliziert und werde effektiv schwach wirken. Eine vernünftige Investitionsrücklage wollen Sie ja nicht einführen. Das, was Sie machen, hilft also weder dem Mittelstand noch der Konjunktur. Ich darf nur an das erinnern, was das Ifo-Institut gerade in dieser Woche dazu gesagt hat, wie die Konjunktur auf dem Investitionsgütersektor aussieht. Wenn diese Geschichte überhaupt einen Sinn geben soll, dann nur diesen - den Verdacht habe ich -, daß Sie, Herr Stoltenberg, hoffen, daß die Sonderabschreibung gar nicht in dem Maße genutzt wird, damit Sie zumindest eine kleine stille Reserve in Ihrem Desasterhaushalt haben. Ein Hinweis übrigens: Wenn Sie noch mehr sparen wollen, können Sie vielleicht das Regierungsbulletin einsparen. Sie haben vorhin die „Bild" -Zeitung zitiert. Sie hat doch inzwischen diese Funktion übernommen. ({2}) - Wissen Sie, ich habe nichts dagegen, wenn das Regierungsbulletin dadurch ein bißchen lebhafter wird, daß auch wir uns darin äußern können. Das wäre vielleicht eine sinnvolle Neuerung in der Parlamentsarbeit. ({3}) Ich möchte noch einmal auf die Generalforderung zurückkommen, daß die Wachstumsbedingungen verbessert werden sollen. Was Sie machen, ist eine Steuersenkung für diejenigen, die sie eigentlich nicht benötigen. Denn diejenigen, die heute eine mangelnde Kaufkraft, aber noch einen großen ungedeckten Bedarf haben, die Arbeitslosen, die Sozialhilfeempfänger und die einkommensschwachen Familien, bekommen nichts. Viel bringt Ihre Steuersenkung aber den besonders Einkommensstarken. Da Sie vorhin den Kollegen Spöri nicht angehört haben, darf ich vielleicht zitieren: Die Steuersenkung 1986 bis 1990 bringt für Verheiratete mit 40 000 DM Einkommen 1 052 DM, für Verheiratete mit 300 000 DM Einkommen 24 770 DM, fast das 24fache. Das nur zur Erinnerung. Aber diejenigen, denen Sie das Geld geben, werden es kaum zur Veränderung ihres Konsumstandards einsetzen. Sie kriegen riesige Sickereffekte; auf die Sparquote ist vorhin in der Debatte schon hingewiesen worden. Was Sie in Verbindung mit dieser und den weiter angekündigten Steuersenkungen, von denen kein Mensch weiß, wie sie finanziert werden sollen, noch bekommen, sind im Ergebnis unklare künftige Rahmenbedingungen sowohl für die Planung der langfristigen Konsumausgaben durch die Konsumenten als auch für die Unternehmen, die sich deshalb in der Investitionsplanung zurückhalten. Das sagt Ihnen das If O-Institut. Es ist auch nicht so, daß die Unternehmen nicht genügend Liquidität zum Investieren hätten. Gucken Sie sich die Kreditnachfrage an. Sie ist flau. Daran wird deutlich, daß die Unternehmen genügend Liquidität haben. Der Witz ist das fehlende Vertrauen in eine stabile und wachsende Nachfrage. Der Konsument weiß nicht, was auf ihn zukommt. Also spart er. Die Unternehmen sehen ihre Exportaufträge schrumpfen, und das Wetterleuchten einer internationalen Rezession veranlaßt sie, vorsichtig zu disponieren. Die einzigen, die Sicherheit haben, sind die Gemeinden, die Städte und die Kreise. Aber bei denen geht die Sicherheit in die falsche Richtung. Denn sie wissen, daß sie weniger Geld und wegen der Dauerarbeitslosigkeit gleichzeitig weiter wachsende Ausgaben für die Sozialhilfe haben werden. ({4}) Deswegen müssen sie ihre Investitionen zusammenstreichen. Das muß ich in meinem Landkreis ebenso machen wie viele andere kommunalpolitisch aktive Kollegen. Nur, das geht zu Lasten der kommunalen Investitionen, ob das Altenpflegeeinrichtungen sind, ob das die Sportplätze sind oder ob das die Kläranlagen sind. ({5}) Die Infrastruktur in unserem Land wird damit auf Dauer nicht verbessert, sondern wird immer schlechter werden. Wenn man das zusammenfaßt, dann kann man sich auch nicht über das wundern, was dahintersteht. Es ist vorhin schon angesprochen worden. Sie folgen eigentlich der Politik des Herrn Reagan aus dem Jahr 1981 mit dem naiven Glauben - ohne daß Sie es sagen - , daß die Laffer-Kurve einen Effekt hätte. Nur, der Herr Bush hat damals schon gesagt, das seien Voodoo-Economics. Ich habe den Eindruck, daß auch Sie dem Zauber der eigenen Illusion erlegen sind, Herr Stoltenberg. Das wird auch daran deutlich, daß Sie inzwischen selber zugeben, daß die Verschuldungsquote - Ihre Verschuldungsquote - 3 % des Bruttosozialprodukts erreichen soll. Das heißt aber nichts anderes, als daß Sie auf dem Niveau von Herrn Reagan sind. Damit haben Sie dann zwar in Ihrem Gesetzentwurf die versprochene internationale Dimension erreicht, aber sicherlich nicht das erreicht, was Sie angeblich wollen: eine Sicherung und Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. ({6}) Sie haben damit auch nicht das Louvre-Abkommen erfüllt; denn das Steuergesetz hat nichts mit Wechselkursen zu tun, über die Sie hier geredet haben. Es ist vielleicht auch kein Zufall, Herr Stoltenberg, daß Sie nach Venedig zum erstenmal nach einem Weltwirtschaftsgipfel in diesem Hohen Hause keine Regierungserklärung dazu abgegeben haben. ({7}) Hat das nicht vermutlich damit etwas zu tun, daß Sie dazu nichts zu sagen haben, daß die Politik, die Sie machen, so ein Desaster ist? Ich glaube, daß Sie das auch wissen; denn sonst hätten Sie hier dazu etwas gesagt. Da ich auch vermute, daß Sie genau wissen, welche Politik Sie verfolgen, daß das nicht eine irrtümliche Politik ist, müssen Sie sich gefallen lassen, daß Ihnen unterstellt wird, Ihrer Klientel, den besser verdienenden Schichten der Bevölkerung, eben weil Sie nicht an ein ausreichendes Wachstum glauben, den verbleibenden Kuchen weitgehend alleine zuschustern zu wollen, daß Sie mit dem verschleiernden Wort von der Leistung dem ökonomisch Stärkeren das Feld überlassen wollen und den Staat, indem Sie ihn arm machen, unfähig machen, seine ökonomische und soziale Ausgleichsfunktion zu erfüllen. Die Folge wird sein, daß die Struktur unserer Volkswirtschaft, deren Basis die Arbeitsleistung aller Teile der Bevölkerung ist und die deshalb den Interessenausgleich zwischen allen sozialen Gruppen verlangt, zerstört wird. Damit wird aber nicht nur die Volkswirtschaft, sondern auch die Gesellschaft ärmer. Diesen Irrweg der Steuergesetzgebung müssen wir daher in aller Deutlichkeit ablehnen. Ich danke Ihnen. ({8})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Als letzter Redner dieser Debatte hat der Abgeordnete Spilker das Wort.

Dr. h. c. Karl Heinz Spilker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gestern abend im Zusammenhang mit dem Sport über Fragen des Steuerrechts und der Steuerpolitik debattiert. Heute ist das Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz an der Reihe, und das alles in dem Umfeld einer großen Steuerdiskussion, die gerade in den letzten Tagen und Wochen durch gekonnte Demagogie, durch Unterstellungen und falsche Zahlen von Ihrer Seite angereichert worden ist. Das ist ja bekanntlich nichts Neues. Heute, in der zweiten und dritten Lesung des Steuersenkungs-Erweiterungsgesetzes, können wir aus der für 1990 vorgesehenen Steuerreform 5,2 Milliarden DM zur Entlastung unserer Bürger und Unternehmen vorziehen und erreichen damit zum 1. Januar 1988 eine Gesamtentlastung von nahezu 14 Milliarden DM. ({0}) Zusammen mit dem bereits in Kraft getretenen Teil der Tarifreform zum 1. Januar 1986 sind das in dieser kurzen Zeit nunmehr mehr als 25 Milliarden DM. Ich meine, das ist ein gewaltiger Erfolg, mit dem wir den finanziellen Spielraum der Bürger erheblich erweitern konnten, und das bei annähernder Preisstabilität und ohne - weil Sie von der Deckung sprachen - jede Steuererhöhung. Das sollte eigentlich ein Grund zur Freude und Zufriedenheit sein, die von allen Kollegen dieses Hauses geteilt werden. Schließlich kommt dies allen Bürgern zugute. ({1}) Diesen Eindruck habe ich leider nicht. Es bleibt offenbar beim Nein der SPD, begleitet von den üblichen Prophezeiungen und Horrorzahlen alter Art. ({2}) Manchmal frage ich mich, ob es nicht sogar gut ist, daß Sie von der SPD dieses Nein mit entsprechender Begleitmusik weiter praktizieren. Sonst könnten die Bürger schließlich noch glauben, Sie hätten an diesem großen Steuerentlastungswerk mitgearbeitet, und Ihnen dann bei Wahlen einige Punkte mehr geben. Das kann nicht mein Interesse sein, aber das ist Ihr Problem. Übrigens, Herr Spöri, ich denke gerade an die Debatte im Dezember letzten Jahres. Da waren Sie mit Ihren Prophezeiungen, ich möchte einmal sagen: nicht gerade zimperlich; bei all Ihrem Charme natürlich, den ich hier einmal unterstellen will. In letzter Zeit haben Sie sich - natürlich so als Vorbereitung auf Ihre Kandidatur in Baden-Württemberg - auch im „Handelsblatt" zu Fragen des Unternehmenssteuerrechts ausgelassen. Leider waren Ihre Zahlen falsch, was Ihnen in der Zwischenzeit auch nachgewiesen worden ist. Auch Ihre übrigen Feststellungen in dieser Debatte vor der Wahl, so als Ouvertüre für die Bundestagswahlen, waren falsch oder von wissentlich falschen Angaben begleitet. - Stopp, eines habe ich vergessen. Ein Hinweis war richtig: Sie haben nämlich erklärt, daß der Wähler den Regierungsparteien und Herrn Minister Stoltenberg wegen der Steuer- und Finanzpolitik eine entsprechende Antwort geben würde. Da haben Sie recht gehabt. Ich muß mich entschuldigen. Die Wähler haben nämlich geantwortet und entschieden, und zwar eindeutig gegen Sie, gegen Ihre Politik, gegen Ihre Politik der Gleichmacherei, des Neides und der Umverteilung. Das wollen wir hier festhalten. ({3}) Leider zeigt Ihre Verhaltensweise in den letzten Wochen, daß Sie aus dieser Entscheidung immer noch nichts gelernt haben. Nur so sind eigentlich Ihre Demagogie auch von heute vormittag gegen die Steuerreform und auch die Zahlen, Herr Dr. Apel, die Sie vor kurzem, vorgestern abend im Fernsehen, versuchten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, zu verstehen. ({4})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, unterbrechen Sie bitte einen Moment! Ich will Ihnen einmal ein bißchen Ruhe verschaffen. Meine Damen und Herren, wir leiden wieder einmal unter dem Füllesyndrom dieses Saales. Das heißt, dann, wenn die Kollegen zur Abstimmung kommen, sind sie aufgefordert, wenigstens zum Schluß dem letzten Redner zuzuhören, damit sie auch wissen, über was sie nachher abstimmen wollen. ({0}) Ich wäre dankbar, wenn die Kollegen dort hinten an den Eingangstüren ihre Plätze einnähmen. Dann kann ich wieder dem Redner das Wort geben. Bitte fahren Sie fort.

Dr. h. c. Karl Heinz Spilker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich hoffe, daß ich eine Zeitgutschrift bekomme, Herr Präsident. Herr Kollege Spöri, lassen Sie mich noch eines sagen. Von den Koalitionsverhandlungen bis zum heutigen Tage reden wir im Zusammenhang mit der Steuerreform 1990 von einer Bruttoentlastung von 45 Millarden DM und einer Nettoentlastung von rund 25 Milliarden DM, von denen mit Beschluß von heute 5,2 Milliarden DM vorgezogen werden. Wir haben vor und nach den Wahlen von Steuersenkungen und -vereinfachungen gesprochen. Wir haben vor und nach den Wahlen über verschiedene Möglichkeiten der Kompensation und der Restfinanzierung der Steuerreform diskutiert. Wir haben uns vorgenommen, diese Fragen im Herbst dieses Jahres nach sorgfältiger Vorbereitung zu entscheiden. Daß hierbei auch eine zeitlich befristete Anhebung der Nettokreditaufnahme zur Diskussion stehen würde, war eigentlich immer unbestritten. Vielleicht ist Ihnen das entgangen. Sie haben sich immer mehr auf die Mehrwertsteuer spezialisiert, bei der Sie uns Entscheidungen unterstellen wollten, die bis zu dieser Stunde gar nicht getroffen sind. Bei dieser Koalition, Herr Spöri, können Sie nicht einmal vermuten und schon gar nicht unterstellen, daß wir uns in eine Schuldenmacherei, wie von Ihnen über viele Jahre praktiziert, stürzen. ({0}) Diese Art der Schuldenmacherei lehnen wir nach wie vor als unverantwortlich ab. ({1}) Natürlich bedeutet die für 1988 vorgesehene Erhöhung der Nettokreditaufnahme eine Steigerung gegenüber 1987. Immerhin können wir zunächst einmal sagen, daß wir die Kreditaufnahme, gemessen am Bruttosozialprodukt, von knapp 5 % - konkret ausgedrückt, von 4,9 % - auf 2,2 % zurückgeführt haben, um sie jetzt wieder leicht - bis auf 3 % - anzuheben, und zwar vorübergehend und zu einem ganz bestimmten Zweck: nicht, meine Damen und Herren, um nichts bringende Programme zu finanzieren, sondern um eine Verfügungsmasse zu haben, die wir in ihrer ganzen Breite den Bürgern dieser Republik zur Verfügung stellen. So gesehen, scheint mir die Erweiterung der Nettokreditaufnahme volkswirtschaftlich geboten und ordnungspolitisch erwünscht zu sein, wobei wir die Prinzipien von Wachstum und Konjunktur natürlich nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Nur, diese Gefahr besteht bei uns nicht. Das haben wir seit 1983 bewiesen, und nichts ist doch wohl glaubhafter als dies: Diesen finanzpolitischen Kurs werden wir fortsetzen, und bei dieser überzeugenden steuerpolitischen Konzeption wird es bleiben. ({2}) Was nun die Schwarzmalerei angeht: Es ist doch ein grundsätzlicher Unterschied, ob man bei sinkendem Bruttosozialprodukt, hohen Zinsen und hoher Inflationsrate Jahr für Jahr Schulden macht, ja, einen ganzen Schuldenberg, einen unübersehbaren Schuldenberg, auftürmt, um damit, wie gesagt, nichts bringende Programme zu finanzieren, oder aber vorübergehend bei steigendem Bruttosozialprodukt die Nettokreditaufnahme erhöht, um dazu beizutragen, daß es stärkere Impulse für das Wachstum, z. B. auch für die Binnennachfrage, gibt. ({3}) Meine Damen und Herren von der SPD, Sie kennen natürlich diese Zusammenhänge. ({4})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist jetzt überschritten.

Dr. h. c. Karl Heinz Spilker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin gleich fertig, Herr Präsident. - Aber Sie wollen diese Zusammenhänge nicht begreifen, solange Sie in der Opposition sind. ({0}) Das heißt mit anderen Worten: Es wird sehr, sehr lange dauern, bis bei Ihnen Vernunft gefragt ist und bis sie dann sogar praktiziert wird. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich wäre für Aufmerksamkeit dankbar, weil wir nach der zweiten Lesung vier Abstimmungen haben werden, von denen drei namentliche sind. Ich erkläre Ihnen das gleich. Zuerst kommen wir zur Einzelberatung und Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung unter Punkt 31 a der Tagesordnung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind mit Mehrheit angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Ich trete in die dritte Beratung ein und komme zur Schlußabstimmung. Meine Damen und Herren, die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP verlangen zur Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung. Ich wäre dankbar, wenn sämtliche Schriftführer hier bleiben. Wir brauchen für drei Abstimmungen, die wir nacheinander vollziehen können, die Schriftführer. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. - Meine Damen und Herren, ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat, dies aber noch zu tun wünscht? - Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung werde ich später bekanntgeben. *) Wir kommen zu weiteren Abstimmungen. Ich bitte Sie, Platz zu nehmen, damit das Abstimmungsergebnis übersichtlich wird. Es folgt jetzt eine normale Abstimmung durch Handaufheben. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/549. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt. Nun frage ich: Sind die Urnen wieder besetzt? - Wir kommen jetzt zur nächsten namentlichen Abstimmung, und zwar über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/556. Das Verfahren ist Ihnen bekannt. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. - Meine Damen und Herren, kann ich davon ausgehen, daß alle, die an der Abstimmung teilnehmen wollten, dieses inzwischen getan haben? - Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung werde ich ebenfalls später bekanntgeben. **) Wenn die Urnen wieder besetzt sind, können wir zur letzten namentlichen Abstimmung schreiten. Ist das der Fall? - Ich gehe davon aus, daß die Urnen besetzt sind. Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 31 b, und zwar über die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 11/550. Die Fraktion der SPD hat hierzu namentliche Abstimmung verlangt. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/16 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung des Ausschusses folgen, also den Antrag der SPD ablehnen will, den bitte ich, die Abstimmungskarte mit „Ja" zu benutzen und in eine der aufgestellten Urnen zu legen. Diejenigen, die dagegen stimmen oder sich der Stimme enthalten wol- *) Siehe Seite 1410B **) Siehe Seite 1411D Vizepräsident Westphal len, bitte ich, die entsprechenden Abstimmungskarten zu benutzen. Ich eröffne die Abstimmung. - Meine Damen und Herren, da ich sehe, daß eine Reihe von Kollegen die Auszählungsergebnisse nicht abzuwarten wünschen, möchte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen allen zwischendurch eine gute Sommerpause zu wünschen. Für diejenigen, die nicht Eingeweihte sind, möchte ich hinzufügen: Sommerpause heißt leider nicht nur Urlaub, sondern auch Arbeit und Wahlkampf. Aber ich wünsche Ihnen allen auch einen schönen Urlaub. Ich tue das im Namen unseres Präsidenten und des ganzen Präsidiums. Jetzt geht die Abstimmung weiter. Es wird noch einmal darum gebeten, daß sämtliche Schriftführer an der Auszählung teilnehmen. Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal fragen, ob noch jemand sein Abstimmungsrecht wahrnehmen möchte. - Das ist nicht der Fall. Dann kann ich die Abstimmung schließen und die Schriftführer bitten, mit der Gesamtauszählung zu beginnen. Wir werden hier ausharren, um dann das Ergebnis mitzuteilen.*) Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nun die Ergebnisse unserer namentlichen Abstimmungen bekanntgeben. Zunächst gebe ich das von dem Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 11/285 bekannt: Von den vollstimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 375 ihre Stimme abgegeben; es war keine Stimme ungültig. Mit Ja haben 226, mit Nein haben 149 gestimmt. Es hat keine Enthaltungen gegeben. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 375 und 15 Berliner Abgeordnete; davon ja: 226 und 8 Berliner Abgeordnete nein: 148 und 7 Berliner Abgeordnete Ja CDU/CSU Austermann Bauer Bayha Dr. Becker ({0}) Dr. Biedenkopf Biehle Dr. Blank Dr. Blens Böhm ({1}) Dr. Bötsch Bohlsen Borchert Breuer Bühler ({2}) Carstens ({3}) Carstensen ({4}) Clemens Dr. Czaja Dr. Daniels ({5}) Daweke Frau Dempwolf Deres Dörflinger Doss Dr. Dregger Echternach Ehrbar Eigen Engelsberger Dr. Faltlhauser Dr. Fell Fellner Frau Fischer Fischer ({6}) Francke ({7}) * ) Siehe Seite 1413 B Dr. Friedrich Fuchtel Ganz ({8}) Frau Geiger Geis Gerstein Gerster ({9}) Glos Dr. Göhner Dr. Götz Gröbl Dr. Grünewald Günther Dr. Häfele Harries Frau Hasselfeldt Haungs Hauser ({10}) Hauser ({11}) Hedrich Freiherr Heereman von Zuydtwyck Frau Dr. Hellwig Helmrich Dr. Hennig Herkenrath Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Hörster Dr. Hoffacker Frau Hoffmann ({12}) Frau Hürland-Büning Dr. Hüsch Dr. Jahn ({13}) Dr. Jobst Jung ({14}) Jung ({15}) Dr.-Ing. Kansy Dr. Kappes Frau Karwatzki Kiechle Klein ({16}) Dr. Köhler ({17}) Kolb Kossendey Kraus Krey Dr. Kronenberg Dr. Kunz ({18}) Lamers Dr. Lammert Dr. Langner Lattmann Dr. Laufs Lenzer Frau Limbach Link ({19}) Link ({20}) Lintner Dr. Lippold ({21}) Louven Lowack Maaß Frau Männle Magin Marschewski Dr. Meyer zu Bentrup Dr. Miltner Müller ({22}) Müller ({23}) Nelle Neumann ({24}) Niegel Oswald Pfeffermann Dr. Pinger Dr. Pohlmeier Rauen Rawe Reddemann Regenspurger Repnik Frau Rönsch ({25}) Frau Roitzsch ({26}) Rossmanith Roth ({27}) Rühe Dr. Rüttgers Ruf Sauer ({28}) Sauter ({29}) Sauter ({30}) Dr. Schäuble Scharrenbroich Schartz ({31}) Schemken Scheu Schmidbauer Schmitz ({32}) von Schmude Dr. Schneider ({33}) Freiherr von Schorlemer Schreiber Dr. Schroeder ({34}) Schulhoff Dr. Schulte ({35}) Schwarz Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer Seehofer Seesing Seiters Dr. Sprung Dr. Stark ({36}) Dr. Stavenhagen Dr. Stercken Dr. Stoltenberg Strube Stücklen Frau Dr. Süssmuth Susset Tillmann Dr. Todenhöfer Dr. Uelhoff Uldall Dr. Unland Vogt ({37}) Dr. Voigt ({38}) Dr. Vondran Dr. Voss Dr. Waffenschmidt Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke Dr. Warrikoff Dr. von Wartenberg Weiß ({39}) Werner ({40}) Frau Will-Feld Wilz Windelen Frau Dr. Wisniewski Wissmann Dr. Wittmann Dr. Wörner Würzbach Dr. Wulff Zeitlmann Zierer Dr. Zimmermann Zink Berliner Abgeordnete Frau Berger ({41}) Buschbom Kalisch Kittelmann Lummer Dr. Neuling Straßmeir Vizepräsident Westphal FDP Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum Beckmann Cronenberg ({42}) Eimer ({43}) Engelhard Dr. Feldmann Frau Folz-Steinacker Gallus Gattermann Genscher Gries Grüner Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann Heinrich Dr. Hirsch Dr. Hoyer Irmer Kleinert ({44}) Kohn Dr.-Ing. Laermann Mischnick Neuhausen Nolting Paintner Richter Ronneburger Dr. Rumpf Frau Dr. Segall Dr. Solms Dr. Thomae Timm Dr. Weng ({45}) Wolfgramm ({46}) Frau Würfel Zywietz Berliner Abgeordneter Lüder Nein SPD Amling Antretter Dr. Apel Bachmaier Becker ({47}) Frau Becker-Inglau Bernrath Bindig Frau Blunck Dr. Böhme ({48}) Brück Büchler ({49}) Frau Bulmahn Frau Conrad Diller Dreßler Duve Dr. Ehmke ({50}) Erler Esters Ewen Frau Faße Fischer ({51}) Frau Fuchs ({52}) Frau Fuchs ({53}) Frau Ganseforth Gansel Dr. Gautier Gerster ({54}) Gilges Frau Dr. Götte Graf Großmann Haack ({55}) Haar Frau Hämmerle Hasenfratz Dr. Hauff Heistermann Heyenn Dr. Holtz Horn Huonker Ibrügger Jahn ({56}) Jaunich Dr. Jens Jung ({57}) Kiehm Kirschner Kißlinger Klein ({58}) Dr. Klejdzinski Koltzsch Koschnick Kühbacher Leonhart Lohmann ({59}) Lutz Frau Matthäus-Maier Dr. Mertens ({60}) Meyer Müller ({61}) Müntefering Nagel Nehm Frau Dr. Niehuis Dr. Niese Niggemeier Dr. Nöbel Frau Odendahl Oesinghaus Oostergetelo Paterna Pauli Peter ({62}) Pfuhl Dr. Pick Porzner Poß Frau Renger Rixe Schäfer ({63}) Schanz Dr. Scheer Scherrer Schluckebier Schmidt ({64}) Frau Seuster Sieler ({65}) Singer Dr. Soell Dr. Sperling Dr. Spöri Steiner Frau Steinhauer Tietjen Frau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe Urbaniak Verheugen Voigt ({66}) Vosen Waltemathe Walther Weiermann Westphal Frau Weyel Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspütz Wischnewski Dr. de With Wittich Zeitler Zumkley Berliner Abgeordnete Heimann Frau Luuk Dr. Mitzscherling Stobbe Dr. Vogel Wartenberg ({67}) DIE GRÜNEN Frau Brahmst-Rock Brauer Dr. Briefs Dr. Daniels ({68}) Ebermann Frau Eid Frau Garbe Häfner Frau Hillerich Hoss Kleinert ({69}) Kreuzeder Frau Krieger Dr. Lippelt ({70}) Dr. Mechtersheimer Frau Nickels Frau Oesterle-Schwerin Frau Rust Frau Saibold Schily Frau Schmidt-Bott Stratmann Frau Teubner Frau Vennegerts Frau Dr. Vollmer Weiss ({71}) Wetzel Frau Wilms-Kegel Frau Wollny Wüppesahl Berliner Abgeordneter Sellin Von den 14 Berliner Abgeordneten, die ihre Stimme abgegeben haben, war keine Stimme ungültig. Mit Ja haben acht Berliner Abgeordnete, mit Nein sechs gestimmt. Es hat auch dort keine Enthaltungen gegeben. Damit ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung angenommen. Das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/556 war das folgende: 387 abgegebene Stimmen; keine ungültig. Mit Ja haben 32, mit Nein 355 gestimmt. Es hat keine Enthaltungen gegeben. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 385; davon ja: 32 nein: 353 Ja DIE GRÜNEN Frau Brahmst-Rock Brauer Dr. Briefs Dr. Daniels ({72}) Ebermann Frau Eid Frau Garbe Häfner Frau Hillerich Hoss Kleinert ({73}) Kreuzeder Frau Krieger Dr. Lippelt ({74}) Dr. Mechtersheimer Frau Nickels Frau Oesterle-Schwerin Frau Rust Frau Saibold Schily Frau Schmidt-Bott Sellin Frau Teubner Frau Vennegerts Frau Dr. Vollmer Weiss ({75}) Wetzel Frau Wilms-Kegel Frau Wollny Wüppesahl Vizepräsident Westphal Nein CDU/CSU Austermann Bauer Bayha Dr. Becker ({76}) Frau Berger ({77}) Dr. Biedenkopf Biehle Dr. Blank Dr. Blens Böhm ({78}) Dr. Bötsch Bohlsen Borchert Breuer Bühler ({79}) Buschbom Carstens ({80}) Carstensen ({81}) Clemens Dr. Czaja Dr. Daniels ({82}) Daweke Frau Dempwolf Deres Dörflinger Doss Dr. Dregger Echternach Ehrbar Eigen Engelsberger Dr. Faltlhauser Dr. Fell Fellner Frau Fischer Fischer ({83}) Francke ({84}) Dr. Friedrich Fuchtel Ganz ({85}) Frau Geiger Geis Gerstein Gerster ({86}) Glos Dr. Göhner Dr. Götz Gröbl Dr. Grünewald Günther Dr. Häfele Harries Frau Hasselfeldt Haungs Hauser ({87}) Hauser ({88}) Hedrich Freiherr Heereman von Zuydtwyck Frau Dr. Hellwig Helmrich Dr. Hennig Herkenrath Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Hörster Dr. Hoffacker Frau Hürland-Büning Dr. Hüsch Dr. Jahn ({89}) Dr. Jobst Jung ({90}) Jung ({91}) Kalisch Dr.-Ing. Kansy Dr. Kappes Frau Karwatzki Kiechle Kittelmann Klein ({92}) Dr. Köhler ({93}) Dr. Kohl Kolb Kossendey Kraus Krey Dr. Kronenberg Dr. Kunz ({94}) Lamers Dr. Lammert Dr. Langner Lattmann Dr. Laufs Lenzer Frau Limbach Link ({95}) Link ({96}) Lintner Dr. Lippold ({97}) Louven Lowack Lummer Maaß Frau Männle Magin Marschewski Dr. Meyer zu Bentrup Dr. Miltner Müller ({98}) Müller ({99}) Nelle Dr. Neuling Neumann ({100}) Niegel Oswald Pfeffermann Dr. Pinger Dr. Pohlmeier Rauen Rawe Reddemann Regenspurger Repnik Frau Rönsch ({101}) Rossmanith Roth ({102}) Rühe Dr. Rüttgers Ruf Sauer ({103}) Sauter ({104}) Sauter ({105}) Dr. Schäuble Scharrenbroich Schartz ({106}) Schemken Scheu Schmidbauer Schmitz ({107}) von Schmude Dr. Schneider ({108}) Freiherr von Schorlemer Schreiber Dr. Schroeder ({109}) Schulhoff Dr. Schulte ({110}) Schwarz Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer Seehofer Seesing Seiters Spilker Dr. Sprung Dr. Stark ({111}) Dr. Stavenhagen Dr. Stercken Dr. Stoltenberg Straßmeir Strube Stücklen Frau Dr. Süssmuth Susset Tillmann Dr. Todenhöfer Dr. Uelhoff Uldall Dr. Unland Vogt ({112}) Dr. Voigt ({113}) Dr. Vondran Dr. Voss Dr. Waffenschmidt Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke Dr. Warrikoff Dr. von Wartenberg Weiß ({114}) Werner ({115}) Frau Will-Feld Wilz Windelen Frau Dr. Wisniewski Wissmann Dr. Wittmann Würzbach Dr. Wulff Zeitlmann Zierer Dr. Zimmermann Zink SPD Amling Antretter Dr. Apel Bachmaier Becker ({116}) Frau Becker-Inglau Bernrath Bindig Frau Blunck Dr. Böhme ({117}) Brück Büchler ({118}) Frau Bulmahn Frau Conrad Diller Dreßler Duve Dr. Ehmke ({119}) Erler Esters Ewen Frau Faße Fischer ({120}) Frau Fuchs ({121}) Frau Fuchs ({122}) Frau Ganseforth Gansel Dr. Gautier Gerster ({123}) Gilges Frau Dr. Götte Graf Großmann Haack ({124}) Haar Frau Hämmerle Hasenfratz Dr. Hauff Heimann Heistermann Heyenn Dr. Holtz Horn Huonker Ibrügger Jahn ({125}) Jaunich Dr. Jens Jung ({126}) Kiehm Kirschner Kißlinger Klein ({127}) Dr. Klejdzinski Koltzsch Koschnick Kühbacher Leonhart Lohmann ({128}) Lutz Frau Luuk Frau Matthäus-Maier Dr. Mertens ({129}) Meyer Dr. Mitzscherling Müller ({130}) Müntefering Nagel Nehm Frau Dr. Niehuis Dr. Niese Niggemeier Dr. Nöbel Frau Odendahl Oesinghaus Paterna Pauli Peter ({131}) Pfuhl Dr. Pick Porzner Poß Frau Renger Rixe Schäfer ({132}) Schanz Dr. Scheer Scherrer Schluckebier Schmidt ({133}) Frau Seuster Sieler ({134}) Singer Dr. Soell Dr. Sperling Dr. Spöri Stahl ({135}) Steiner Frau Steinhauer Stobbe Tietjen Frau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe Urbaniak Verheugen Dr. Vogel Voigt ({136}) Vosen Waltemathe Walther Wartenberg ({137}) Weiermann Westphal Frau Weyel Dr. Wieczorek Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspütz Wischnewski Dr. de With Wittich Zeitler Zumkley Vizepräsident Westphal FDP Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum Beckmann Eimer ({138}) Engelhard Dr. Feldmann Frau Folz-Steinacker Gallus Gattermann Genscher Gries Grüner Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann Heinrich Dr. Hirsch Dr. Hoyer Kleinert ({139}) Dr.-Ing. Laermann Lüder Mischnick Neuhausen Nolting Paintner Richter Ronneburger Dr. Rumpf Frau Dr. Segall Dr. Solms Dr. Thomae Timm Dr. Weng ({140}) Wolfgramm ({141}) Frau Würfel Zywietz Damit ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt. Und nun das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/550: 389 abgegebene Stimmen; keine ungültig. Mit Ja haben 265, mit Nein 124 gestimmt. Es hat keine Enthaltungen gegeben. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 388; davon ja: 265 nein: 123 Ja CDU/CSU Austermann Bauer Bayha Dr. Becker ({142}) Frau Berger ({143}) Dr. Biedenkopf Biehle Dr. Blank Dr. Blens Böhm ({144}) Dr. Bötsch Bohlsen Borchert Breuer Bühler ({145}) Buschbom Carstens ({146}) Carstensen ({147}) Clemens Dr. Czaja Dr. Daniels ({148}) Daweke Frau Dempwolf Deres Dörflinger Doss Dr. Dregger Echternach Ehrbar Eigen Engelsberger Dr. Faltlhauser Dr. Fell Fellner Frau Fischer Fischer ({149}) Francke ({150}) Dr. Friedrich Fuchtel Ganz ({151}) Frau Geiger Geis Gerstein Gerster ({152}) Glos Dr. Göhner Dr. Götz Gröbl Dr. Grünewald Günther Dr. Häfele Harries Frau Hasselfeldt Haungs Hauser ({153}) Hauser ({154}) Hedrich Freiherr Heereman von Zuydtwyck Frau Dr. Hellwig Helmrich Dr. Hennig Herkenrath Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Hörster Dr. Hoffacker Frau Hürland-Büning Dr. Hüsch Dr. Jahn ({155}) Dr. Jenninger Dr. Jobst Jung ({156}) Jung ({157}) Kalisch Dr.-Ing. Kansy Dr. Kappes Frau Karwatzki Kiechle Kittelmann Klein ({158}) Dr. Köhler ({159}) Dr. Kohl Kolb Kossendey Kraus Krey Dr. Kronenberg Dr. Kunz ({160}) Lamers Dr. Lammert Dr. Langner Lattmann Dr. Laufs Lenzer Frau Limbach Link ({161}) Link ({162}) Lintner Dr. Lippold ({163}) Louven Lowack Lummer Maaß Frau Männle Magin Marschewski Dr. Meyer zu Bentrup Dr. Miltner Müller ({164}) Müller ({165}) Nelle Dr. Neuling Neumann ({166}) Niegel Oswald Pfeffermann Dr. Pinger Dr. Pohlmeier Rauen Rawe Reddemann Regenspurger Repnik Frau Rönsch ({167}) Frau Roitzsch ({168}) Rossmanith Roth ({169}) Rühe Dr. Rüttgers Ruf Sauer ({170}) Sauter ({171}) Sauter ({172}) Dr. Schäuble Scharrenbroich Schartz ({173}) Schemken Scheu Schmidbauer Schmitz ({174}) von Schmude Dr. Schneider ({175}) Freiherr von Schorlemer Schreiber Dr. Schroeder ({176}) Schulhoff Dr. Schulte ({177}) Schwarz Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer Seehofer Seesing Seiters Dr. Sprung Dr. Stark ({178}) Dr. Stavenhagen Dr. Stercken Straßmeir Strube Stücklen Frau Dr. Süssmuth Susset Tillmann Dr. Todenhöfer Dr. Uelhoff Uldall Dr. Unland Vogt ({179}) Dr. Voigt ({180}) Dr. Vondran Dr. Voss Dr. Waffenschmidt Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke Dr. Warrikoff Dr. von Wartenberg Weiß ({181}) Werner ({182}) Frau Will-Feld Wilz Windelen Frau Dr. Wisniewski Wissmann Dr. Wittmann Dr. Wörner Würzbach Dr. Wulff Zeitlmann Zierer Dr. Zimmermann Zink FDP Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum Beckmann Cronenberg ({183}) Eimer ({184}) Engelhard Dr. Feldmann Frau Folz-Steinacker Gallus Gattermann Genscher Gries Grüner Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann Heinrich Dr. Hirsch Dr. Hoyer Irmer Kleinert ({185}) Dr.-Ing. Laermann Lüder Mischnick Neuhausen Nolting Paintner Richter Vizepräsident Westphal Ronneburger Dr. Rumpf Frau Dr. Segall Dr. Solms Dr. Thomae Timm Dr. Weng ({186}) Wolfgramm ({187}) Frau Würfel Zywietz DIE GRÜNEN Frau Brahmst-Rock Brauer Dr. Briefs Dr. Daniels ({188}) Ebermann Frau Eid Frau Garbe Häfner Frau Hillerich Hoss Kleinert ({189}) Kreuzeder Frau Krieger Dr. Lippelt ({190}) Dr. Mechtersheimer Frau Nickels Frau Oesterle-Schwerin Frau Rust Frau Saibold Schily Frau Schmidt-Bott Stratmann Frau Teubner Frau Vennegerts Frau Dr. Vollmer Weiss ({191}) Wetzel Frau Wilms-Kegel Frau Wollny Wüppesahl Nein SPD Amling Dr. Apel Bachmaier Becker ({192}) Frau Becker-Inglau Bernrath Bindig Frau Blunck Dr. Böhme ({193}) Brück Büchler ({194}) Frau Bulmahn Frau Conrad Diller Dreßler Duve Dr. Ehmke ({195}) Erler Esters Ewen Frau Faße Fischer ({196}) Frau Fuchs ({197}) Frau Fuchs ({198}) Frau Ganseforth Gansel Dr. Gautier Gerster ({199}) Gilges Frau Dr. Götte Graf Großmann Haack ({200}) Haar Frau Hämmerle Hasenfratz Dr. Hauff Heimann Heistermann Heyenn Dr. Holtz Horn Huonker Ibrügger Jahn ({201}) Jaunich Dr. Jens Jung ({202}) Kiehm Kirschner Kißlinger Klein ({203}) Dr. Klejdzinski Koltzsch Koschnick Kühbacher Leonhart Lohmann ({204}) Lutz Frau Luuk Frau Matthäus-Maier Dr. Mertens ({205}) Meyer Dr. Mitzscherling Müller ({206}) Müntefering Nagel Nehm Frau Dr. Niehuis Dr. Niese Niggemeier Dr. Nöbel Frau Odendahl Oesinghaus Oostergetelo Paterna Pauli Peter ({207}) Pfuhl Dr. Pick Porzner Poll Frau Renger Rixe Schäfer ({208}) Schanz Dr. Scheer Scherrer Schluckebier Schmidt ({209}) Frau Seuster Sieler ({210}) Singer Dr. Soell Dr. Sperling Stahl ({211}) Steiner Frau Steinhauer Stobbe Tietjen Frau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe Urbaniak Verheugen Dr. Vogel Voigt ({212}) Vosen Waltemathe Walther Wartenberg ({213}) Weiermann Westphal Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspütz Wischnewski Dr. de With Wittich Zeitler Zumkley Damit ist die Ausschußempfehlung angenommen worden. Damit sind wir am Schluß unserer Tagesordnung. Ihnen und Ihren Angehörigen und in besonderer Weise all denjenigen, die hier ausgeharrt haben - fast möchte ich sie namentlich aufzählen, damit sie ins Protokoll kommen -, ({214}) wünsche ich noch einmal gesunde Ferien und gute Erholung in der Zeit, in der Sie sowohl Ihrer Arbeit nachgehen als auch Urlaub haben werden. ({215}) Ich hoffe, wir sehen uns gesund wieder. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 8. September 1987, 10 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen. ({216})