Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/7/1990

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Meine Damen und Herren, das Thema der Kabinettsitzung, das der Chef des Bundeskanzleramtes mitgeteilt hat, ist den Fraktionen bekannt. Die Bundesregierung hat weiter mitgeteilt, daß der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Herr Möllemann, berichtet. Sie haben das Wort, Herr Minister.

Jürgen W. Möllemann (Minister:in)

Politiker ID: 11001520

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns heute im Kabinett u. a. mit dem Berufsbildungsbericht beschäftigt. Dieser ist natürlich auch den Fraktionen in seiner Gänze zugegangen. Er ist ein sehr umfangreiches Werk. Ich will nur einige zusätzliche Erläuterungen dazu geben: Der Lehrstellenmangel ist kein innenpolitisches Thema mehr. 1989 blieben 85 000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Das bedeutet Nachwuchs- und Fachkräftemangel, der sich ohne gegensteuernde Maßnahmen in den 90er Jahren deutlich verstärken wird. Am mittelfristigen Nachwuchs- und Fachkräftemangel ändern auch die Zuzüge aus der DDR nichts. Im Gegenteil, wir rechnen mit steigendem Fachkräftebedarf in beiden Teilen Deutschlands. Ich beabsichtige, u. a. auch dieses Problem 1991 in einem deutsch-deutschen Berufsbildungsbericht aufzuarbeiten. Dieser Bericht soll eine Bestandsaufnahme sein und Perspektiven der berufsbildungspolitischen Zusammenarbeit aufzeigen. Daß es bei Nennung dieses Datums insoweit eine gewisse Unwägbarkeit gibt, räume ich gerne ein. Unser Problem ist der ungebrochene Drang zu Hochschule und Studium. Dem kann man nur mit einer deutlichen Attraktivitätssteigerung der beruflichen Bildung und der Fachkräftetätigkeit entgegenwirken. In erster Linie ist dort die Wirtschaft gefragt, die für Berufsbildung wichtige Verantwortung trägt und die auch die Karriere- und Einkommenschancen bestimmt. Das entbindet aber die Berufsbildungspolitik nicht davon, hier flankierend tätig zu werden. Wir brauchen deshalb auch ein Begabtenförderungswerk für die berufliche Bildung. Besonders begabte junge Berufstätige müssen ebenso gefördert werden wie begabte Studenten und Nachwuchswissenschaftler. Die berufliche Weiterbildung muß rasch zum gleichwertigen Teil des Bildungswesens ausgebaut werden, um die beruflichen und sozialen Chancen von Fachkräften nachhaltig zu verbessern. Hierzu gehört, daß Facharbeiter und Gesellen bei der Finanzierung ihrer arbeitsmarkt- und wettbewerbspolitisch wichtigen Meisterfortbildung nicht schlechter gestellt sein sollten als gleichaltrige Studenten. Rasche Schritte sind auch für die duale Berufsausbildung notwendig, wenn sie eine wirkliche Alternative zu Abitur und Studium sein soll. Es muß differenzierter ausgebildet werden. Leistungsstärkeren Jugendlichen müssen schon in der Ausbildung Angebote zum Erwerb attraktiver Zusatzqualifikationen gemacht werden. Die Bundesregierung wird die Wirtschaft bei solchen Entwicklungen unterstützen. Mehr Differenzierung auch für Leistungsschwächere, das heißt Intensivierung der Berufsausbildung. In diesem Zusammenhang werden Arbeitszeitverkürzungen zum Problem; kürzere Arbeitszeiten bedeuten kürzere Ausbildungszeiten im Betrieb. Das ist politisch natürlich ein brisantes Thema, das uns aber künftig stärker beschäftigen wird. Die Tarifpartner sollten dies stärker in ihre Überlegungen einbeziehen. Die Qualität und Attraktivität der Berufsausbildung ist auch eine Frage des Berufsschulunterrichts. Die Leistungsfähigkeit der Berufsschule wird derzeit allgemein kritisch beurteilt. Es gibt zuwenig Lehrer; die Weiterbildung der Lehrer ist unzureichend; die Ausstattung vieler Berufsschulen entspricht nicht den modernen Anforderungen. Die Länder sind aufgefordert, ihrer Verantwortung für den schulischen Teil der dualen Berufsbildung voll nachzukommen. Ein letzter Punkt. In den letzten Jahren haben uns die Ausbildungsleistungen des Bundes angesichts des Lehrstellenmangels stark beschäftigt. Es ist jetzt nicht mehr notwendig, daß der Bund über den eigenen Bedarf hinaus ausbildet. Eine vom Bund subventionierte Überbedarfsausbildung wäre mit Blick auf die Nachwuchs suchenden Privatbetriebe in den nächsten Jahren eher kontraproduktiv und ordnungs15296 politisch verfehlt. Deswegen werden wir sie nicht mehr durchführen. Herr Präsident, das war das, was zum Berufsbildungsbericht vorzutragen war.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Danke schön, Herr Minister. - Mir liegt zu diesem Bericht zuerst eine Frage der Abgeordneten Frau Odendahl vor. Bitte schön!

Doris Odendahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001632, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben bemerkt, den Fraktionen sei der Bericht zugegangen. Ich hoffe, daß er unterwegs ist, so daß wir ihn dann auch haben. Ich gehe ferner davon aus, daß wir vielleicht schon im nächsten Jahr einen Berufsbildungsbericht gemeinsam mit der DDR haben können. Aber lassen Sie mich jetzt noch etwas anderes ansprechen, weil Sie ganz dezidiert auf die unbesetzt gebliebenen Ausbildungsplätze eingegangen sind. Haben Sie sich denn darüber Gedanken gemacht, daß es seit rund zehn Jahren sehr viele junge Menschen, vor allem junge Frauen, gibt, die keinen Ausbildungsplatz erhalten haben, die auch heute noch keinen Ausbildungsplatz bekommen? Das ist ja regional unterschiedlich. Wie soll denn dann diesen jungen Erwachsenen, die zum Teil schon Familie haben, jetzt eine Ausbildung zuteil werden können? Gibt es darüber Überlegungen? Denn auch so könnte dem Fachkräftemangel ja begegnet werden, damit eben auch diejenigen, die bisher leer ausgegangen sind, aussichtsreiche Berufschancen und Berufsperspektiven bekommen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte schön, Herr Minister.

Jürgen W. Möllemann (Minister:in)

Politiker ID: 11001520

Frau Kollegin, zunächst hoffe ich mit Ihnen, daß dieses komplexe Werk nicht auf Grund seines Umfangs und seines Gewichts einen längeren Zeitraum für den Transport benötigt. Ich hoffe wirklich, daß es bei Ihnen eingetroffen ist. Sollte es speziell bei Ihnen noch nicht angekommen sein, so stelle ich Ihnen mein Exemplar gern zur Verfügung. ({0}) - Herr Kollege Dr. Penner, ich bin sicher, daß auch Sie dies werden lesen können. Damit komme ich zu Ihrer Frage. Wir haben in den vergangenen Jahren natürlich das Problem gehabt, daß einfach zuwenig Lehrstellen da waren. Alle Anstrengungen wurden unternommen, um möglichst jedem Mann und jeder Frau eine Berufsausbildung zu vermitteln. Aber das hat nicht bedeutet, daß jeder in dem von ihm gewünschten und angestrebten Beruf eine Lehre machen konnte. Wir haben unter Abwägung aller Gesichtspunkte trotzdem dafür plädiert, daß eine Ausbildung für jeden Mann und jede Frau besser sei als keine Ausbildung. Überbedarfsausbildung in verschiedenen Branchen war also bewußt gewollt. Das pendelt sich jetzt ein. Daneben gab es und gibt es dieses Phänomen unverändert, daß sich 70 % aller Mädchen und jungen Frauen bei ihrer Berufswahl auf 15 von 362 zugelassenen Ausbildungsberufen konzentrieren. Es liegt auf der Hand, daß dies ebenso eine Beeinträchtigung der Entwicklungsmöglichkeiten dieser betroffenen Mädchen und jungen Frauen wie der Möglichkeiten des Beschäftigungssystems ist, die Arbeitsplätze jeweils mit der kompetentesten Arbeitskraft zu besetzen. Dafür spielt ja nun das Geschlecht keine Rolle. Wir versuchen, mit verstärkter Aufklärung diesen Prozeß zu verändern. Sie haben nach denen gefragt, bei denen die Entscheidung schon anders getroffen worden ist. Ich glaube, daß das Beschäftigungssystem, also Unternehmen, Verwaltung und Praxen - da, wo es notwendig ist, auch unterstützt durch die Bundesanstalt für Arbeit -, denen, die eine Umschulung, eine Neuqualifizierung brauchen, zukünftig verstärkt Offerten machen wird und machen muß, die fehlqualifiziert worden sind oder sich selbst in eine falsche Richtung begeben haben, damit sie jetzt in Mangelberufe einsteigen können.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie können eine Zusatzfrage stellen.

Doris Odendahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001632, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich habe ausdrücklich nicht nach denen gefragt, die sozusagen eine Fehlausbildung erhalten haben, sondern ich habe die angesprochen, die überhaupt keine Ausbildung bekommen konnten - bis heute nicht. Ich habe die Größenordnung nicht beziffert, aber ich habe gesagt, daß wir seit zehn Jahren mit dieser Entwicklung zu tun haben. In der Diskussion hier war manchmal von einem Berg Arbeitslosen die Rede, den man vor sich herschiebt. Dieser Berg ist leider weiblich. Ich möchte jetzt wissen, wie die Frauen - und es sind hauptsächlich Frauen -, die bis heute gar keine Ausbildung bekommen haben, noch eine Ausbildung bekommen können. Ich möchte wissen, ob Sie sich das überlegt haben.

Jürgen W. Möllemann (Minister:in)

Politiker ID: 11001520

Ich gehe davon aus, daß im Beschäftigungssystem - unabhängig davon, ob es der private oder der staatliche Bereich ist - im Hinblick auf den sich abzeichnenden Nachwuchsmangel auch solche Offerten entstehen werden. Der Staat kann nicht anders, als mit den Instrumentarien, die wir entwickelt haben, über die Bundesanstalt für Arbeit die finanzielle Absicherung dafür zu geben. Die inhaltlichen Konzepte liegen vor; sie sind gegeben. Das heißt, ich kann nur allen Betroffenen raten, sich um die jetzt freibleibenden Ausbildungsplätze zu bemühen und die finanzielle Absicherung über die Bundesanstalt für Arbeit sicherzustellen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Oswald, Sie sind der nächste, der eine Frage stellen kann.

Eduard Oswald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001663, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie haben sich immer - ich glaube, zu Recht - für eine stärkere Differenzierung der Ausbildungsgänge sowohl für die Leistungsstärkeren als auch für die Leistungsschwächeren ausgesprochen. Sind Sie auf dem Weg zu dieser Differenzierung zwischenzeitlich ein Stückchen vorangekommen?

Jürgen W. Möllemann (Minister:in)

Politiker ID: 11001520

Es geht dabei um zwei verschiedene Schwerpunkte. Wenn wir es für begabte junge Leute, die sich überlegen, ob sie ein Studium anstreben oder in einen Beruf im dualen System einsteigen sollen, attraktiv machen wollen, sich für letzteres zu entscheiden, dann werden wir ihnen Ausbildungsgänge anbieten müssen, in denen sie zusätzlich zur Normalausbildung Zusatzqualifikationen erwerben können. Das Beschäftigungssystem - vor allem die Wirtschaft - muß ihnen dann aber auch die Perspektive vermitteln, daß sie aufsteigen können, daß man nicht notwendigerweise ein akademisches Studium absolviert haben muß, um z. B. in den Bereich des mittleren Managements zu gelangen. Ferner brauchen wir in der beruflichen Bildung ein Begabtenförderungswerk. Wir sind mittlerweile soweit, daß wir von seiten der Bundesregierung mit den Organisationen der Wirtschaft die Struktur und die Wirkungsmöglichkeiten eines solchen Begabtenförderungswerks beraten können. Ich denke, daß wir dort vom nächsten Jahr an arbeiten können. Wir haben eine solche Begabtenförderung im schulischen und im hochschulischen Bereich, warum nicht auch für praktische Begabungen im dualen System? Auf der anderen Seite haben wir Jahr für Jahr etwa zehn Prozent der in eine Ausbildung eintretenden jungen Menschen, die vor allem an den stetig höher werdenden theoretischen Anforderungen scheitern. Einem Teil kann man durch das Benachteiligtenprogramm, durch gezielte Hilfe, die Möglichkeit eröffnen, am Ende dann doch die Ausbildung zu schaffen. Dann haben sie ihren Lehrabschluß. Ungefähr 40 000 bis 50 000 junge Menschen jedoch scheitern schlicht und bekommen dies bescheinigt. Was das für die Psyche eines Menschen im Alter von 18 bis 20 Jahren bedeutet, dort schon bescheinigt zu bekommen, du bist gescheitert, du kannst nichts, du bist nichts, kann man sich ausmalen. Deswegen stehen wir in Gesprächen - die allerdings leider noch nicht sonderlich weit gediehen sind, weil es auch erhebliche ideologische Reserven gibt - mit den Organisationen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, um Ausbildungsgänge im Rahmen des Berufsbildungsgesetzes zu entwickeln und Tätigkeitsfelder für solche jungen Leute zu definieren, die besonders praktisch begabt sind, aber mit den stetig wachsenden theoretischen Anforderungen nicht klarkommen. Ich glaube, wir tun diesen jungen Menschen - auch wenn es nur 40 000 oder 50 000 sein mögen - einen großen Gefallen, wenn wir jetzt nicht mit ideologischen Totschlagargumenten - es solle nur eine Art preiswerter Arbeiterschaft geschaffen werden - begegnen, sondern wenn wir uns bemühen, ihnen Ausbildungs- und Tätigkeitsfelder zu eröffnen, die auch ihnen ein eigenes Selbstwertgefühl im beruflichen Leben ermöglichen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine Nachfrage. Dann ist Herr Abgeordneter Rixe mit der nächsten Frage an der Reihe.

Günter Rixe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001861, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben von selbst eben einen wichtigen Punkt im Berufsbildungsbericht angesprochen, die Berufsschulen. Sie haben die Länder aufgefordert, ihren Part dazu beizutragen. Aber ich denke, wir sind beide einer Meinung, daß die berufliche Bildung, die Berufsschulbildung im dualen System einen eigenen Stellenwert bekommen muß. Wären Sie denn bereit, zu dieser Frage mit den Ländern Verhandlungen aufzunehmen, daß die Berufsschulen in den technologischen Bereichen besser ausgerüstet werden, und zwar mit Hilfe des Bundes, wie das bei der Hochschule auch schon ist?

Jürgen W. Möllemann (Minister:in)

Politiker ID: 11001520

Ich bin gern bereit, mit den Kollegen in den Landesregierungen darüber zu sprechen. Ich vermute allerdings, daß schon das als angemaßte Kompetenz interpretiert wird. Auf jeden Fall ist aber die Zuständigkeit für das Schulwesen und seine Ausgestaltung, natürlich auch seine Finanzierung allein bei den Ländern. Das heißt, die Länder, die mit großem Nachdruck darauf achten, daß der Bund ihre Zuständigkeit nicht einschränkt, müssen auch ihre Verantwortung wahrnehmen. Das heißt wiederum, ich wäre Ihnen, Herr Kollege, und allen anderen Kolleginnen und Kollegen hier im Hause dankbar, wenn Sie auf die jeweils Ihnen nahestehenden Mitglieder von Landesregierungen einwirken könnten, damit diese dieses Defizit überwinden. Der Bund kann schulpolitisch nicht tätig werden; die Länder haben gerade in den letzten Wochen massiv darauf hingewiesen, er solle sich dort heraushalten. Sie müssen dieser zu Recht reklamierten Kompetenz jetzt auch verantwortlich gerecht werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zu diesem Themenbereich möchte Herr Kastning noch eine Frage stellen.

Ernst Kastning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001070, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, seit vielen Jahren gibt es in der Bildungspolitik die Forderung nach Herstellung von Gleichwertigkeit beruflicher und allgemeiner Bildung. In jüngster Zeit hat sich auch das deutsche Handwerk im Zusammenhang mit dem Nachwuchskräfte- und Fachkräftemangel dazu geäußert. Was gedenken Sie zu tun, um eine solche größere Gleichwertigkeit herzustellen, um zumindest jemandem, der in die berufliche duale Ausbildung geht, schon zu Beginn eine Chance anzudeuten, wenn er möchte, später auf Grund von bestimmten beruflichen Bildungsabschlüssen auch weiterführende allgemeine Bildungsgänge oder Studiengänge zu beginnen?

Jürgen W. Möllemann (Minister:in)

Politiker ID: 11001520

Herr Kollege Kastning, es bleibt bei der ordnungspolitischen Grundsatzentscheidung, daß wir die Bildungswege offenhalten wollen und daß die Entscheidung darüber, wer welchen Bildungs-, Berufs- und Laufbahnweg einschlägt, beim einzelnen - solange es sich um Kinder handelt, bei der Familie - Betroffenen bleibt. Diese freiheitliche Regelung schließt das Risiko von Fehlentscheidungen und auch von Fehlorientierungen in einer größeren Zahl ein. Wir bleiben dabei, weil wir glauben, daß die Zuordnung dieser Entscheidung an den Staat am Ende größere Risiken bewirken würde. Im übrigen wäre der Freiheitsverlust, der damit verbunden ist, nicht akzeptabel. Auf diesem Hintergrund ist Ihre Frage zu sehen. Ich habe versucht, mit ein paar Argumenten darzustellen, wo wir uns eine Attraktivitätssteigerung im Berufsbildungswesen vorstellen können. Nun heben Sie auf eine zusätzliche Überlegung ab: Wie ist es mit denjenigen, die möglicherweise schon deswegen nicht in den dualen Bereich gehen, weil sie einen Aufstieg von dort aus verbaut wähnen? Er ist nicht verbaut; es gibt sehr wohl die Möglichkeit, auf dem sogenannten zweiten Bildungsweg, der großzügig gefördert wird, der elternunabhängig gefördert wird, im Anschluß an eine duale Berufsausbildung über den Erwerb zusätzlicher Qualifikationen, Fachschulen, Fachoberschulen, Fachhochschulen, aufzusteigen. Das ist bei uns, glaube ich, ausgeprägter als in vielen anderen Bereichen, in vielen anderen Ländern. Wenn Sie mit Ihrer Frage den Spezialaspekt ansprechen, der im Augenblick bei einigen Landeshochschulgesetzen erörtert wird, nämlich die Frage der Hochschulzugangsberechtigung genereller Art, dann will ich sagen, daß ich nicht davon abgehe, daß die bestehenden Mechanismen für den Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung vernünftig sind. Die halte ich für ganz vernünftig. Ich glaube, wir haben mit dem zweiten Bildungsweg auch Flexibilität für diejenigen, die umsteigen wollen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte noch eine Nachfrage.

Ernst Kastning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001070, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn Sie die bestehenden Mechanismen für vernünftig halten, Herr Minister, muß das ja wohl nicht ausschließen, daß auch andere vernünftig sein können. Ich frage deshalb anders: Sind Sie mit mir der Meinung, daß durch einen qualifizierten Abschluß einer beruflichen Erstausbildung und entsprechende Weiterbildungsabschlüsse und berufliche Tätigkeit eine Studierfähigkeit erreicht werden kann?

Jürgen W. Möllemann (Minister:in)

Politiker ID: 11001520

Das Hochschulrahmengesetz sieht ja ausdrücklich vor, daß in besonders begründeten Fällen auch eine Qualifikation außerhalb des normalen Hochschulzugangsweges die Hochschulzugangsberechtigung beinhalten kann. Wenn aus dem Parlament gewünscht wird, daß dies generell erweitert wird, würde mich interessieren, in welcher Weise. Ich finde die jetzigen Regelungen eigentlich ganz vernünftig. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Dann müssen wir bei nächster Gelegenheit eine Debatte darüber haben, Herr Kastning. Ich habe nun einige nicht an den Bericht von Ihnen, Herr Minister, gebundene Fragen, zunächst des Abgeordneten Müntefering. - Danke schön, Herr Minister.

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wende mich an das Bundesbauministerium. Wir haben in den letzten Monaten, in den letzten Wochen noch einmal verstärkt, eine dramatische Entwicklung der Kredit- und Hypothekenzinsen erlebt. Bisher hat die Bundesregierung darauf nicht reagiert. Die Konsequenz dieser Entwicklung ist, daß viele der selbstnutzenden Eigenheimer am Rande ihrer Finanzierungskraft sind. 3 % höhere Zinsen bei 120 000 DM Fremdfinanzierung bedeuten 300 DM mehr im Monat, die auf den Tisch gelegt werden müssen. Viele der potentiellen Bauherren im freifinanzierten oder sozialen Wohnungsbau signalisieren auch, daß angesichts der hohen Zinsen die Abschreibungsverbesserungen nicht mehr ziehen. Meine Frage an die Bundesregierung: Hat sie schon bemerkt, daß diese Schwierigkeit für viele Menschen im Lande aufgetreten ist und daß das, was sich an Baugenehmigungen ankündigte, offensichtlich doch nicht in Bauten realisiert wird? Hat sie sich heute mit dem Thema beschäftigt, oder wann gedenkt sie, das zu tun, und mit welcher Tendenz?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Parlamentarischer Staatssekretär Echternach wird antworten.

Jürgen Echternach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000429

Herr Kollege Müntefering, die Entwicklung am Kapitalmarkt ist der Bundesregierung natürlich bekannt. Die Aussagen über die weitere Entwicklung am Kapitalmarkt sind sehr unterschiedlich. Es gibt gute Aussichten dafür, daß die gegenwärtig hohen Zinsen nicht von langer Dauer sein werden. Umgekehrt gilt, daß die Wohnungsbauaktivitäten der nächsten Monate von der Finanzierung her bereits unter Dach und Fach sind. Aber wir werden natürlich die weitere Entwicklung am Kapitalmarkt unter dem von Ihnen angesprochenen Aspekt sehr sorgfältig beobachten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie wollen noch einmal nachfragen, Herr Müntefering?

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. Ich möchte vom Staatssekretär erstens wissen, welche Kriterien ihn zu der Annahme veranlassen, daß die Zinsen bald wieder sinken, und zweitens, welche Vorstellungen er über den tatsächlichen Neubau angesichts der konkreten Entwicklung hat, die bei selbstnutzenden Eigentümern und bei Bauherren von freifinanzierten Mietwohnungen im Augenblick zu offensichtlicher Zurückhaltung führt. Meine Hauptfrage ist: Welche Einsichten haben Sie, die hoffen lassen, daß die Zinsen bald sinken?

Jürgen Echternach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000429

Herr Kollege Müntefering, ich habe darauf verwiesen, daß uns Experten, u. a. aus dem Bereich der Bundesbank, in dieser Hoffnung bestärken. Aber es ist gar keine Frage, daß wir auch andere Entwicklungen nicht ausschließen können. Wir müssen also weiter abwarten, welche der Prognosen - es gibt unterschiedliche Prognosen - sich am Ende als richtig herausstellen. In jedem Falle aber darf ich darauf verweisen, daß wir im letzten Jahr einen starken Anstieg der Zahl der Baugenehmigungen um rund 30 % gehabt haben, im Mehrfamilienhausbau sogar um weit über 60%. Ein Großteil dessen, was sich in den Baugenehmigungen an Bauabsichten niederschlägt, ist finanzierungsseitig bereits abgeschlossen, so daß sich die jüngste Entwicklung am Kapitalmarkt noch nicht unmittelbar auf diese Aktivitäten auswirkt. Aber es ist gar keine Frage: Wenn wir eine längerfristige HochParl. Staatssekretär Echternach zinsphase haben sollten, dürfte es Auswirkungen geben. Insofern werden wir abzuwarten haben, ob diese jüngsten Zinssteigerungen eine Dauererscheinung oder eine vorübergehende Erscheinung am Kapitalmarkt sein werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wollen Sie, Herr Klejdzinski, zu diesem Themenbereich eine Zusatzfrage stellen?

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte schön.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wollte an den Staatssekretär die Frage stellen, wann er davon ausgeht, daß etwas eine Dauererscheinung oder eine zufällige Erscheinung ist, die irgendwann zur Dauererscheinung wird, weil ich nämlich gerne wissen möchte - wenn Sie das so formulieren und ich mir die Zinslandschaft in Europa anschaue -, was dafür spricht, daß die Zinsen ausgerechnet bei uns heruntergehen sollen. Da Sie von Baugenehmigungen sprechen, will ich Sie gern fragen, ob es sich dabei um Neubauten handelt oder nicht.

Jürgen Echternach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000429

Zu Ihrer ersten Frage ist zu sagen, daß Investitionsentscheidungen im Wohnungsbaubereich natürlich über einen längeren Zeitraum hinweg geplant werden. Insofern ist es ein Unterschied, ob wir eine solche Entwicklung am Kapitalmarkt einige Wochen oder Monate haben oder ob sie ein Vierteljahr, ein halbes Jahr oder noch länger andauert. Was Ihre letzte Frage angeht, so gehe ich davon aus, daß die Baugenehmigungen Bauabsichten für Neubauten zum Gegenstand haben. Es gibt z. B. Prognosen des Deutschen Instituts der Wirtschaft, in denen es davon ausgeht, daß in diesem Jahr sogar über 300 000 Wohnungen fertiggestellt werden. Die Bilanz wird erst am Ende des Jahres gezogen werden, aber das würde bedeuten, daß die Zahl der Fertigstellungen sogar noch höher wäre als die Zahl der Baugenehmigungen, die wir Ende letzten Jahres verzeichnen konnten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Schulte, möchten Sie eine Frage zu diesem Komplex stellen?

Brigitte Traupe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, Herr Präsident.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte schön.

Brigitte Traupe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Echternach, trifft es zu, daß sich das Kabinett bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht mit diesen Fragen beschäftigt hat? Es ist ja in der Tat so, daß alle diejenigen, die jetzt Bauabsichten haben, in den letzten Wochen davor zurückschreckten. Was Sie in bezug auf die Vergangenheit beschrieben haben, trifft zu. Stimmen Sie mit mir darin überein, daß wir dringenden Wohnungsbedarf haben und daß vor allen Dingen die Eigenheimbauer, die jetzt zuteilungsreife Sparverträge haben, vor dem geplanten Bau eines Eigenheims zurückschrecken? Das wären ja diejenigen, die dann Wohnungen freimachten.

Jürgen Echternach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000429

Frau Kollegin Schulte, die zuständigen Ressorts beschäftigen sich fortlaufend mit dieser Frage. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Dr. Hamm-Brücher ist die nächste Fragestellerin, bitte schön.

Dr. Dr. h. c. Hildegard Hamm-Brücher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000793, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, da ich davon ausgehe, daß in diesen aufregenden Zeiten im Kabinett nicht nur der Berufsbildungsbericht verhandelt wurde, möchte ich gern einmal fragen: Was war denn sonst noch Wichtiges im Kabinett los? Ich möchte Sie insbesondere auch fragen: Hat es wichtige Personalentscheidungen gegeben?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Dazu werden wir wohl den Staatsminister hören müssen. Bitte schön.

Not found (Gast)

Neben dem Berufsbildungsbericht, der angemeldet war, haben wir natürlich über Deutschlandpolitik gesprochen. Aber dieses Thema wurde für die Regierungsbefragung nicht angemeldet, weil es Gegenstand der Debatte morgen früh sein wird. ({0}) - Ja, das ist so üblich. ({1}) - Es ist aber so üblich, daß Dinge, die in den Debatten der laufenden Woche behandelt werden, von uns aus nicht in der Regierungsbefragung angemeldet werden. Erfragen können Sie selbstverständlich alles; das ist klar. Das zweite Thema war eine Befassung mit den Orkanschäden, die ebenfalls Gegenstand der Beratungen dieser Woche - im Rahmen einer Aktuellen Stunde - sein werden. Im übrigen wurden - wie in den meisten Kabinettssitzungen - eine Reihe von Personalentscheidungen getroffen, die hier üblicherweise nicht vorgetragen werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Dr. Hamm-Brücher, ich muß Ihnen sagen, daß es Einigkeit im Ältestenrat bei der Einführung dieser Regierungsbefragung gab - ({0}) - Die Art und Weise, wie Sie gefragt haben, war völlig korrekt; nur, Sie können jetzt nicht zum Thema Deutschlandpolitik nachfragen, weil wir zu diesem Thema morgen eine zweistündige Debatte führen werden. Wollen Sie trotzdem noch eine Nachfrage stellen?

Dr. Dr. h. c. Hildegard Hamm-Brücher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000793, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Trotzdem ist unsere Möglichkeit zu fragen unbestritten. Die Regierung hat natürlich das Recht, ihr Pulver für die morgige Debatte trocken zu halten; das ist klar. Ich frage jetzt einmal, ob die Äußerung des sowjetischen Staats- und Parteichefs Gorbatschow, daß ein vereintes Deutschland nicht mehr Mitglied der NATO sein könnte, bei Ihren deutschlandpolitischen Erörterungen im Kabinett eine Rolle gespielt hat.

Not found (Gast)

Dies hat heute bei den Kabinettsberatungen keine Rolle gespielt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe sodann den Abgeordneten Singer auf, der sich noch für die freie Runde gemeldet hat.

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich frage die Bundesregierung, ob der Bericht der Tageszeitung „Die Welt" vom heutigen Tage zutrifft, wonach die Bundesregierung zeitgleich mit der Übernahme der D-Mark durch die DDR die Verwirklichung eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes zwischen der Bundesrepublik und der DDR plant.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Es tut mir leid: Ich muß sagen, daß wir morgen eine deutschlandpolitische Debatte führen. Das beruht jedenfalls auf einer Vereinbarung des Hauses. ({0}) - Aber dafür ist in dieser Woche diese Debatte vorgesehen. Wir müssen uns an unsere eigene Regel halten. Es tut mir leid, so aktuell das Thema ist. ({1})

Johannes Singer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002181, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe meine Frage deswegen gestellt, weil in dem erwähnten Artikel auf das Kabinett rekurriert wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Problem ist, daß ein so umfassendes Thema wie die Deutschlandpolitik ein Thema ist, das viele Facetten hat, und daß wir für morgen eine Debatte vereinbart haben. Ich muß mich an die Regeln halten; es tut mir leid. Gibt es weitere freie Fragen? - Herr Müntefering, Sie haben sich noch einmal zu einer Frage aus einem anderen Bereich gemeldet? - Bitte schön.

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich möchte es einmal auf anderem Wege versuchen. Ich möchte den Artikel, den der Kollege Singer erwähnt hat, noch einmal zum Gegenstand einer Frage machen. Ist es richtig, daß die heute in der „Welt" abgedruckte Passage authentisch ist, und veröffentlicht die Bundesregierung ihre Beschlüsse zukünftig über die Zeitungen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich darf erstens darauf hinweisen, daß Kabinettsbefassungen, die heute bereits in der „Welt" stehen, gestern gedruckt worden sind und daß die Kabinettssitzung heute morgen war. Von daher sehen Sie, daß da die Zeitung nicht aus dem Kabinett berichten konnte. Zum anderen wissen Sie, daß die entsprechenden Ausschüsse diese Fragen sorgfältig vorbereiten und daß bisher keinerlei Festlegungen erfolgt sind.

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich da noch einmal nachfragen?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wenn ich bei meiner Regel bleiben, können Sie noch eine kurze Zusatzfrage stellen.

Franz Müntefering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001570, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, ich nehme an, Sie kennen den Artikel. Er bezieht sich dann offensichtlich nicht auf die Sitzung von heute. Ist er denn authentisch?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Also, der Präsident ist geschickt umgangen worden. Der Herr Staatsminister ist dran.

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Regierungsbefragung ist an und für sich keine Presselage. Wir können zu diesem Artikel nicht Stellung nehmen. Ich kann Ihnen nur sagen: Es sind keinerlei Festlegungen erfolgt. Die Beratungen sind ja in der zuständigen Kommission in vollem Gange. Deswegen kann der Artikel gar nicht authentisch sein. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt ist Herr Klejdzinski an der Reihe. Bezieht sich Ihre Frage auch auf diesen Themenbereich, in der sauberen Abgrenzung? ({0}) Frau Schulte, aber denken Sie bitte daran, daß wir morgen eine deutschlandpolitische Debatte haben.

Brigitte Traupe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrter Herr Kollege Stavenhagen, hier steht, daß sich der Kabinettsausschuß mit den Maßnahmen beschäftigen wird und daß sich auch das Kabinett heute damit befassen wird. Währungsfragen kann man nun nicht nur unter „Deutschlandpolitik" unterbringen, Herr Präsident. Hier wird nämlich die Übertragung unseres Wirtschaftssystems auf das Gebiet der DDR dargestellt. Ich meine, es wäre eine so wichtige Frage, daß das Parlament davon unterrichtet werden müßte.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich zweifle überhaupt nicht daran, daß das eine wichtige Frage ist. - Herr Stavenhagen.

Not found (Gast)

Frau Kollegin, wenn ich Ihre Frage richtig verstehe, haben Sie gefragt, ob wir uns heute im Kabinett damit befaßt haben. Die Antwort lautet nein.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Kollege Klejdzinski, haben Sie eine Frage zu einem anderen Gebiet? - Wir haben noch ein paar Minuten. Bitte schön.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wollte da noch einmal nachfragen. Kann ich davon ausgehen, daß Währungsfragen, die bei uns erörtert sind, im Rahmen von EWS von einer solch eminenten Wichtigkeit sind, daß sie sicherlich darüber hinaus eine Bedeutung für Europa haben?

Not found (Gast)

Ja, das ist so.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das macht der Staatsminister im Sitzen?

Not found (Gast)

Wenn Sie mich so fragen, Herr Präsident, dann natürlich im Stehen: Ja.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Regierungsbefragung. Ich danke den Beteiligten aus der Bundesregierung und aus dem Parlament. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 11/6561 Zuerst ist der Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an der Reihe. Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Geldern steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Die erste Frage ist die Frage 1 des Abgeordneten Eigen: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland große Sorgen um die Zulassung bzw. Verlängerung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln hat, die im Frühjahr, d. h. jetzt dringend benötigt werden, und was wird sie tun, um die Zulassung bzw. Verlängerung der Zulassung zu beschleunigen? Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Kollege Eigen, der Bundesregierung ist bekannt, daß seitens der Landwirtschaft große Sorgen bestehen, daß bestimmte Pflanzenschutzmittel - es handelt sich hierbei um Wuchsstoffherbizide - im Frühjahr 1990 nicht zur Verfügung stehen. Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln obliegt nach dem Pflanzenschutzgesetz der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsamt und dem Umweltbundesamt. Sie erfolgt nach wissenschaftlichen und fachlichen Kriterien. Auf die Entscheidungen bei der Zulassung der Pflanzenschutzmittel im Einzelfall können die Bundesministerien keinen Einfluß nehmen. Pflanzenschutzmittel werden gemäß Pflanzenschutzgesetz befristet zugelassen. Nach Ablauf der Zulassung ist eine erneute Zulassung erforderlich. Verlängerungen von Zulassungen sind nach dem Gesetz daher nicht möglich. Zulassungen können nur auf Antrag erteilt werden. Dem Antrag sind die zur Beurteilung erforderlichen Unterlagen beizufügen. Bei den in Frage stehenden Pflanzenschutzmitteln sind der Biologischen Bundesanstalt wesentliche, zur Beurteilung erforderliche Unterlagen erst Mitte Januar 1990 vorgelegt worden. Nach Auskunft der Biologischen Bundesanstalt befinden sich bei elf Anträgen, die die erneute Zulassung von Wuchsstoffherbiziden betreffen, die erforderlichen Einvernehmenserklärungen zur Zeit noch im Geschäftsgang einer der beiden Einvernehmensbehörden, nämlich beim Umweltbundesamt. Im Hinblick darauf, daß nach Vorabauskunft des Bundesumweltamtes die Einvernehmenserklärungen mit Auflagen, z. B. Wasserschutzgebietsauflagen, versehen sind, ist zu erwarten, daß die Biologische Bundesanstalt selbst bei zügiger Bearbeitung der Anträge die Zulassung nicht vor Ende dieses Monats erteilen kann.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter Eigen, eine Zusatzfrage, bitte schön.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nun ist es so, daß eigentlich recht frühzeitig zu erkennen ist, wann das Frühjahr kommt, ganz besonders das Frühjahr 1990. Ist es nicht doch die Fürsorgepflicht der Bundesregierung - die Entscheidung liegt hier bei Bundesbehörden, und diese unterliegen der Aufsicht der Bundesregierung - , darauf zu achten, daß solche Dinge rechtzeitig fortentwickelt werden und daß die Zulassung wenn das einmal nicht geschieht - vielleicht auch auf Grund von Versäumnissen der Industrie, was ich nicht ausschließen will - , vorsorglich für ein Jahr verlängert wird? Was zehn Jahre gut war, ist im elften Jahr bestimmt nicht schlecht. Man könnte dann immer noch entscheiden, ob das in Zukunft unter besonderen Auflagen genehmigt werden könnte.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, Ihre Zusatzfrage enthält zwei Teile. Der erste Teil war die Frage danach, ob es nicht der Verantwortung der Bundesregierung oblegen hätte, dafür zu sorgen, daß diese Mittel rechtzeitig zur Verfügung stehen. Unsere Möglichkeiten sind da begrenzt, so sehr wir dies im Interesse der Landwirtschaft mit der allergrößten Aufmerksamkeit verfolgt haben und ständig im Kontakt mit den drei genannten Behörden gewesen sind. Ich zitiere aus meiner ursprünglichen Antwort, daß erst Mitte Januar 1990 die erforderlichen Unterlagen eingereicht worden sind. Sie können sich vorstellen, daß der Zeitraum bis Anfang März für die Entscheidung benötigt worden ist. Den zweiten Punkt habe ich schon beantwortet. Sie haben gesagt, wenn das zehn Jahre zugelassen gewesen sei, müßte man es um ein Jahr verlängern können. Diese Möglichkeit sieht das Gesetz ausdrücklich nicht vor. Nach Ablauf einer Zulassung muß neu beantragt und neu zugelassen werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage, bitte schön, Herr Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wird die Bundesregierung in Zukunft der BBA, die als erste untersuchende Behörde die Anträge der Industrie entgegennimmt, nahelegen, daß sie zukünftig beachtet, ob nicht bestimmte Mittel weiter gebraucht werden, und sie dazu bringen, die Anträge auch anzufordern, wenn irgendeine Industrie möglicherweise versäumt, sie rechtzeitig zu stellen? Das sind doch Fachleute in der BBA.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, wir können gemeinsam davon ausgehen, daß sowohl die Fachleute in der Biologischen Bundesanstalt als auch die Industrie als auch die Landwirtschaft in einem ständigen Dialog über diese wichtigen Fragen sind. Ich finde es übrigens sehr gut, daß Sie das 15302 Deutscher Bundestag - i 1. Wahlperiode Parl. Staatssekretär Dr. von Geldern gefragt haben, weil es einen großen Aufklärungsbedarf in der landwirtschaftlichen Öffentlichkeit gibt. Das Verfahren läßt sich aber nicht grundsätzlich ändern. Es muß ein Antrag gestellt werden; ohne einen Antrag kann nicht zugelassen werden. Wenn die Industrie diesen Antrag nicht oder verspätet stellt, dann liegt der Zeitpunkt, zu dem die Zulassung erfolgen kann, natürlich später, als wenn der Antrag rechtzeitig vorliegt. Allen Beteiligten ist auch klar, daß, wenn die Zulassungen auslaufen, neu beantragt werden muß und daß nicht einfach verlängert werden kann. Deshalb kann das durchaus vorhandene gemeinsame Interesse an einer reibungslosen Genehmigungspraxis nicht anders betrachtet werden, als daß jeder im Rahmen dieses gemeinsamen Interesses seinen Obliegenheiten nachkommen muß. Das ist auch ein Appell an die Industrie, die darum nachsucht, bestimmte Stoffe zugelassen zu bekommen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Wüppesahl, Sie wollten zu dieser Frage eine Zusatzfrage? - Bitte schön.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Gab es eigentlich vor Zulassung der von der Frage des Kollegen Eigen betroffenen Pestizide irgendwelche Untersuchungen darüber, wieweit die Nebenwirkungen gleich Null sind, also tatsächlich - wie Herr Eigen in einer Zusatzfrage im Nebensatz ausgeführt hat - ungefährlich sind, oder bzw. und hat es irgendwelche wissenschaftlichen Begleituntersuchungen während der letzten zehn Jahre über die Auswirkungen gegeben, weil uns allen bekannt ist, welche Wirkung der Einsatz solcher Stoffe auf die Nahrungsmittelqualität, auf das Trinkwasser, den Boden und andere wertvolle Güter in unserem Lande hat?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege, das ist seit vielen Jahren bei uns Praxis. Wir haben bewußt das Pflanzenschutzrecht immer weiterentwikkelt, und wir haben eine unabhängige Institution, die Biologische Bundesanstalt, die sich heute des Einvernehmens mit dem Bundesgesundheitsamt und dem Bundesumweltamt versichern muß. Es werden also an drei Stellen diese Prüfungen und Untersuchungen, von denen Sie sprechen, verantwortlich angestellt; dann wird über eine Zulassung entschieden. Das gilt nach einer befristeten Zulassung auch für jede Wiederzulassung oder Neuzulassung in diesem Fall, über den wir uns gerade unterhalten, nämlich bei den Wuchsstoffherbiziden, war eines der Probleme, das zu den Verzögerungen geführt hat, daß noch nicht die Ergebnisse über die aquatische Toxizität - also das, was Sie angesprochen haben, Trinkwasserprobleme - vorgelegt werden konnten. Wenn das vorliegt und wenn das geprüft ist, kann die Zulassung erfolgen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt kommen wir zur Frage 2 des Abgeordneten Eigen: Ist der Bundesregierung klar, daß sich hier eine riesige Wettbewerbsverzerrung gegenüber den Landwirten in anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft auftut, die solche Probleme nicht haben? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, der Bundesregierung ist bekannt, daß durch unterschiedliche Zulassungsbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Unterschiede in der Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln entstehen. Deshalb wirkt die Bundesregierung aktiv an der Gestaltung des derzeit auf der Ratsebene diskutierten geänderten Vorschlags der EG-Kommission über eine Richtlinie des Rates über das Inverkehrbringen von EWG-weit zugelassenen Pflanzenschutzmitteln mit. Die Bundesregierung weist darauf hin, daß sowohl der Bundesrat als auch der Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages gefordert haben, den Richtlinienentwurf nicht so anzunehmen, weil er das Schutzniveau des deutschen Pflanzenschutzgesetzes nicht erreiche.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Eigen, bitte schön.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn ein Agrarprodukt aus Frankreich importiert wird, ist es egal, unter welchen Bedingungen dort Pflanzenschutzmittel angewandt werden, während ein Produkt, das in der Bundesrepublik Deutschland erzeugt wird, nach ganz besonders strengen Maßstäben untersucht werden muß, was ich natürlich im Grunde auch für gut halte; aber wie lange sollen die Landwirte diese Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EG noch ertragen, und wie lange sollen die Verbraucher diese Wettbewerbsverzerrungen noch hinnehmen? Können Sie das mir bzw. meinen Kollegen klar machen?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, aus den Pflanzenschutzmittelanwendungen ergeben sich ja verschiedene Risiken für den Anwender selbst, für den späteren Verbraucher des Nahrungsmittels, für Grund und Boden und Trinkwasser, also ökologische Risiken. Diese werden bei uns in dem in der Fragestunde schon geschilderten Verfahren sehr ausführlich geprüft, bevor eine Zulassung erteilt wird. Wir wissen, daß dies nicht der Standard in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ist. Deswegen sind unsere Harmonisierungsbemühungen ja auch so intensiv und so wichtig. Das, was Sie am Anfang sagten, daß es für unseren Markt gleichgültig sei, wie in Frankreich produziert wird, ist natürlich nicht richtig. Es gibt da längst gemeinsame Vorschriften über Höchstmengen usw.; aber die anderen Risiken, die bei uns umfassend geprüft werden - jedenfalls ist das unser Bemühen -, werden nicht überall in der gleichen Weise geprüft. Darum kommt es zu unterschiedlichen Zulassungsergebnissen in der Gemeinschaft, von denen ich, Ihre Frage bestätigend, gesagt habe, daß dies wettbewerbsverzerrend wirkt. Das ist für uns das Motiv, auf die Harmonisierung mit allen politischen Mitteln hinzuwirken.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bitte noch einmal um Aufklärung. Die Erhaltung einwandfreien Trinkwassers ist, wenn man so will, von nationaler Bedeutung, weil wir ja nach Wasser bohren; aber der Einfluß auf die Atmosphäre durch irgendwelche Mittel, auch durch PflanEigen zenschutzmittel, betrifft ja nicht nur die EG, sondern geht in Wirklichkeit die ganze Welt an. Auch diese Frage ist ja nun unterschiedlich zu sehen. Wenn diese Probleme bei uns in die Prüfung einbezogen werden, werden die Prüfungen schwieriger und teurer, und damit entsteht die Gefahr, daß die Industrie gerade für Spezialbereiche der Landwirtschaft die Forschung nach neueren und besseren Pflanzenschutzmitteln einstellt. Wir wollen doch bessere neue Pflanzenschutzmittel haben, die das Grundwasser und die Atmosphäre nicht verderben. Unser Problem ist, daß Forschung nicht mehr stattfindet, weil das Verfahren so langwierig und teuer ist, daß zumindest in Spezialbereichen die Sache für die Industrie nicht mehr rentabel sein kann. Fügen wir da - verzeihen Sie, Herr Präsident, die Länge meine Frage - mit dem guten Willen, etwas für die Umwelt zu tun, der Umwelt möglicherweise nicht einen großen Schaden zu?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, ich denke, daß Ihr Ausgangspunkt richtig ist, daß wir von globalen Umweltproblemen reden müssen. Es ist wünschens- und erstrebenswert, daß sich die Bewußtseinslage weltweit so ändert, daß überall dieselben Standards gelten und angewandt werden. Wir wissen aber auch, daß es ein steiniger Weg ist, dieses Ziel zu erreichen. Wir können jedenfalls nicht deshalb, weil andere nicht in derselben Verantwortlichkeit handeln, von unseren Kenntnissen und Standards ablassen. Die besten Handlungsmöglichkeiten zur Harmonisierung haben wir in der Europäischen Gemeinschaft. Aber ich gebe Ihnen recht, daß es sehr wünschenswert wäre, dies auch über die Gemeinschaft hinaus weltweit durchzusetzen; denn Luft und Wasser haben keine Grenzen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Klejdzinski, Sie wollen dazu eine Zusatzfrage stellen? - Bitte schön.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, unabhängig davon, daß ich Ihre Meinung teile, daß es globale Umweltprobleme gibt: Ist es trotzdem richtig, daß beispielsweise in einem Wassereinzugsgebiet, das vorrangig für die Versorgung einer Industrieregion mit Trinkwasser genutzt wird, die Erlaubnis zur Verwendung von Pflanzenschutzstoffen, Herbiziden oder beispielsweise Atrazin nicht verlängert wird, ohne eine erneute Prüfung vorzunehmen, weil man neuerdings erkannt hat, daß Atrazin in Trinkwasser eben eine hohe Gefährdung bedeutet? ({0}) - Ich weiß, daß es verboten ist. Ich wollte an diesem Beispiel nur klarmachen, wohin Sie mit Ihrer Frage wollen und wohin man nicht darf.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Klejdzinski, ich glaube, wir sind uns einig: Neben den allgemeinen Vorschriften etwa des Pflanzenschutzgesetzes und der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung und des Düngemittelgesetzes, die die gesamte Landwirtschaft bei uns zu einem umweltverträglichen Wirtschaften veranlassen sollen, sind in bestimmten sensiblen Bereichen bestimmte Auflagen notwendig. Die gibt es ja auch; ich darf als Stichwort nur die Fünfte Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes erwähnen, in der genau die Handhabe gegeben wird, nach der Sie gefragt haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Vogt steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe Frage 3 des Abgeordneten Amling auf: Ist es zutreffend, daß die in der Antwort der Bundesregierung auf meine im Februar eingereichten Fragen 28 und 29 ({0}) genannten „Spender" von „Hilfsgütern" für den Demokratischen Aufbruch zu dieser Hilfsaktion vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung aufgefordert bzw. um diese Spenden gebeten worden waren, und welche vier Geräte hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung dazu unentgeltlich beigesteuert?

Wolfgang Vogt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002384

Herr Kollege, die Sachspenden zur Unterstützung des Demokratischen Aufbruchs sind zum überwiegenden Teil auf Initiative der Spender selbst geleistet worden, im übrigen auf Grund persönlicher Kontakte, die ein Mitarbeiter des Ministers außerhalb seines Dienstes im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung geknüpft hatte. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat folgende ausgesonderte Maschinen unentgeltlich abgegeben: erstens eine Druckmaschine Rotaprint R 40 AK, beschafft am 20. März 1980, ausgesondert am 18. Januar 1990; ein Aussonderungsgutachten des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. Januar 1989 liegt vor; zweitens eine Falzmaschine Multipli 350, beschafft am 26. Februar 1971, ausgesondert am 21. Januar 1986; drittens eine Schneidemaschine Herold, beschafft am 24. Mai 1968, ausgesondert am 2. November 1982, und viertens eine Tischfalzmaschine, älter als die vorgenannte Falzmaschine Multipli 350; die Aussonderung liegt so lange zurück, daß Unterlagen hierüber nicht mehr vorhanden sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Amling.

Max Amling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000034, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Presseberichten zufolge hat sich das BMA im gesamten Bundesgebiet als Einsammler von Geräten und ähnlichem betätigt. Wie setzen sich denn die in Ihrer schriftlichen Antwort genannten angefallenen Kosten von 350 DM zusammen? Meinen Sie nicht, daß diese Kosten von Ihnen sehr, sehr niedrig angesetzt sind?

Wolfgang Vogt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002384

Nein, Herr Kollege. Es gibt überhaupt keinen Grund, an der Angabe, die mein Kollege Jagoda Ihnen gegenüber in der schriftlichen Antwort gemacht hat, zu zweifeln. Es sind Kosten in Höhe von 350 DM entstanden. ({0}) - Nein. Es sind Kosten in Höhe von 350 DM entstanden, nicht mindestens: nicht mehr, nicht weniger.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine weitere Zusatzfrage. Dann kann der Demokratische Aufbruch ja arbeiten. - Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Frage 4 des Abgeordneten Hinsken soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe Frage 5 des Abgeordneten Dr. Kübler auf: Werden die Spezialwaggons, in denen abgebrannte Brennelemente zur französischen Wiederaufbereitungsfirma COGEMA in La Hague durch die Bundesbahntochter NCS ({0}) transportiert werden, an reguläre Güterzüge der Deutschen Bundesbahn angekoppelt, und gibt es eine Kontrolle über die Strahlenbelastung der Bahnbediensteten dieser Transporte sowie eine Katastrophenschutzplanung von NCS für den Fall von Transportunfällen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, Waggons mit Transportbehältern mit abgebrannten Brennelementen werden auch in reguläre Güterzüge eingestellt. Sie stellen auf Grund des sicheren Transportkonzeptes - unfallsichere Verpackung - keine besondere Gefahr dar, so daß besondere Katastrophenschutzpläne nicht erforderlich sind. Ungeachtet dessen ist in den Dienstvorschriften der Deutschen Bundesbahn geregelt, was bei Unfällen mit gefährlichen Gütern zu tun ist. Aus Sicherungsgründen, z. B. zur Verhinderung von Sabotage und Anschlägen, erfolgt ferner eine Überwachung der Transporte durch Bahnpolizeibeamte. Die mit den Transporten befaßten Bediensteten werden ständig gesundheitlich überwacht. Ihre Strahlenbelastung liegt weit unter den international in den Transportvorschriften festgelegten Werten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Dr. Kübler.

Dr. Klaus Kübler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001238, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, haben jetzt alle Kernkraftwerke unmittelbare Gleisanschlüsse, und sind diese auf dem neuesten Stand? Ich frage deshalb in diesem Zusammenhang danach, weil die Gleisanlagen in Biblis gerade erneuert worden sind.

Not found (Staatssekretär:in)

Nach meiner Kenntnis haben nicht alle Kraftwerke Gleisanschlüsse.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Kübler.

Dr. Klaus Kübler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001238, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wenn ein Zugzusammenstoß zwischen einem Güterzug, der solche Waggons angekoppelt hat, und einem Personenzug oder einem anderen Zug in einem Bahnhof, beispielsweise in Mannheim oder in Mainz, erfolgt, ist die Bundesregierung dann der Auffassung, daß auf dem Gebiet der Katastrophenschutzplanung,von der Sie gerade gesagt haben, daß sie in dem Sinne nicht generell gegeben sei, Vorsorge getroffen worden ist, daß das Rote Kreuz, die Ärzte, die Feuerwehren, die Polizei oder z. B. das Krankenhaus in Ludwigshafen oder Spezialkliniken sofort eingeschaltet werden können?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, wir müssen als erstes davon ausgehen, daß die Behälter aufprallsicher sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Wüppesahl möchte noch eine Zusatzfrage stellen.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Trifft es zu, daß bei der Genehmigung durch das Bundesamt für Strahlenschutz in Braunschweig nur die inhärente Sicherheit des Transportes geprüft wird und z. B. nicht der Unterbau, also Straße oder Schiene, und daß eine Äußerung, die mir gegenüber gemacht worden ist, die Sicherheitsideologie widerspiegelt, wonach es egal sei, wenn 120 Tonnen Stahl im Graben lägen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, da dieses Amt nicht dem Bundesminister für Verkehr untersteht, bin ich im Augenblick nicht in der Lage, eine Antwort zu geben. Ich werde sie schriftlich nachreichen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Sielaff, Sie möchten noch eine Zusatzfrage stellen? - Bitte.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Habe ich es richtig verstanden, daß die Bundesregierung keine Vorbereitungen für Katastrophenfälle oder ähnliches getroffen hat, weil sie darauf vertraut, daß nichts passieren kann?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, das haben Sie falsch verstanden. Es geht zunächst einmal um die Sicherheit der Behälter. Dies alles ist so geregelt - übrigens in internationalen Übereinkommen - , daß wir davon ausgehen, daß besondere zusätzliche Vorkehrungen nicht mehr nötig sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Frau Hürland-Büning, die Parlamentarische Staatssekretärin, steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Wir sind wieder bei der Frage des Herrn Dr. Kübler. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich muß feststellen, daß sich meine Fragen in falscher Reihenfolge befinden. Da Herr Kübler gerade schon dran war, wollen wir dann doch zunächst seine Frage beantworten lassen. ({0}) Ich rufe also die Frage 10 des Abgeordneten Kübler auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Bundeswehr zur Beseitigung der katastrophalen, einer Umweltkatastrophe gleichkommenden Orkanschäden in Wäldern in der Bundesrepublik Deutschland einzusetzen, da bei den Forstverwaltungen das Personal zur umgehenden Beseitigung der Schäden bei weitem nicht ausreicht und somit die für die ökologische Vizepräsident Westphal Gesundung der Wälder wichtigen Frühjahrspflanzungen nicht durchgeführt werden können und damit die Bekämpfung der Waldschäden nachhaltig unterbrochen wird? Bitte schön, Frau Hürland-Büning. Frau Hürland-Büning, Pari. Staatssekretärin beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Kübler, die Streitkräfte können im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes bei einer Naturkatastrophe eingesetzt werden, wenn sie durch die Bundesländer zur Hilfeleistung angefordert werden. Im übrigen leisten alle Dienststellen der Streitkräfte im Rahmen ihrer rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, auch im Rahmen der Amtshilfe aller Behörden des Bundes und der Länder, auf deren Ersuchen Unterstützung. Dies ist grundsätzlich auch zur Beseitigung von solchen Sturm- oder Orkanschäden denkbar, wie sie in den letzten Wochen in der Bundesrepublik Deutschland entstanden sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Dr. Kübler, Zusatzfrage? - Bitte.

Dr. Klaus Kübler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001238, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Parlamentarische Staatssekretärin, sind zur Zeit konkrete Überlegungen im Gange oder sind Landesministerien an Sie herangetreten, die Bundeswehr in diesem beschriebenen Sinne zum Einsatz zu bringen?

Agnes Hürland (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000976

Herr Dr. Kübler, das ist der Fall. Der Bundesminister der Verteidigung hat genehmigt, daß in durch Forstschäden besonders schwer getroffenen Gebieten die Bundeswehr schnell Hilfe leistet, sofern die jeweils zuständigen Industrie- und Handelskammern keine Einwände haben. Sie wissen, daß wir hier in Konkurrenz zu den privaten Unternehmen stehen. Diese Einsätze, die der Bundesminister der Verteidigung genehmigt hat, liegen zu einem erheblichen Teil im Ausbildungsinteresse auch der Bundeswehr. Ich darf noch daran erinnern, Herr Dr. Kübler, daß wir in den vergangenen Jahren beispielsweise bei Hochwasserschäden außerordentlich gute Hilfe geleistet haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Kübler.

Dr. Klaus Kübler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001238, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Parlamentarische Staatssekretärin, können Sie auch konkrete Beispiele nennen? Hat beispielsweise Hessen oder Rheinland-Pfalz die Bundeswehr angefordert? In welchem Umfang sind Einsätze der Bundeswehr vorgesehen?

Agnes Hürland (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000976

Das kann ich Ihnen zur Zeit nicht sagen, Herr Dr. Kübler. Ich werde mich gern danach erkundigen und Ihnen das kurzfristig nachreichen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Dr. Hartenstein, dazu eine Zusatzfrage?

Dr. Liesel Hartenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000815, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, mich würde natürlich auch interessieren, von welchen Bundesländern bereits Anforderungen ausgesprochen wurden. Aber diese Frage ist im Augenblick wohl nicht zu beantworten. Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie mir sagen könnten, wie es beim Bundesverteidigungsminister gehandhabt würde, sollten diese Anforderungen erfolgen, ob sie auf jeden Fall erfolgreich sein könnten angesichts der Tatsache, daß unsere Mittelgebirge und die Gemeinden, die dort liegen, zum Teil mit 30 000 bis 50 000 Kubikmetern Sturmholz zu kämpfen haben und dies mit eigenen Kräften, d. h. dem Personal der Forstverwaltung, überhaupt nicht geleistet werden kann. Wie werden die Genehmigungen gegeben? Werden sie befristet gegeben? Werden sie nur für die entsprechenden Standorte gegeben? Gibt es beispielsweise auch die Möglichkeit, daß - es gibt ja auch viel Privatwald - wehrdienstleistende Jungbauern dort für eine bestimmte Zeit eingesetzt werden können, um die Schäden zu beseitigen, bevor zum Beispiel im Frühjahr der Borkenkäfer massiv zugreift?

Agnes Hürland (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000976

Frau Kollegin Dr. Hartenstein, eine Freistellung für staatliche oder familienfremde Institutionen ist nach § 12 der Soldatenurlaubsverordnung nicht möglich. Nur der Sohn eines Bauern, der besonders geschädigt ist, kann hierfür auf seinen Antrag Sonderurlaub erhalten. Das hat aber überhaupt nichts damit zu tun, daß die Bundeswehr insgesamt auf Amtshilfeersuchen von den Ländern bzw. den Gemeinden hin Amtshilfe leistet. Ich kann hier auf große Katastropheneinsätze in den vergangenen Jahren verweisen. Wir werden in diesem Fall, der, wie Sie zu Recht sagen, besonders auch die Mittelgebirge und die Küstengebiete betroffen hat, im Rahmen des vom Bundesminister der Verteidigung Angebotenen diese Hilfe leisten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Wüppesahl, auch noch zu diesem Thema, bitte schön.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit der Beseitigung der Sturmschäden frage ich Sie dennoch, ob mir vielleicht eine Änderung von Art. 35 des Grundgesetzes entgangen ist, der so ausgestaltet ist, daß dort wirklich ausschließlich die Fälle aufgeführt sind - ohne daß Ergänzungen möglich sind - , in denen die Bundeswehr zum Einsatz gelangen kann, nämlich im Krisen-, Spannungs- und Notstandsfall und in besonderen Akutsituationen von Katastrophen. Ein Einsatz für die Beseitigung von Sturmschäden kann mit einer Akutsituation überhaupt nichts zu tun haben. Ich wäre also dankbar, wenn mir die rechtliche - auch verfassungsrechtliche - Grundlage ausgiebig dargelegt werden könnte.

Agnes Hürland (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000976

Herr Kollege Wüppesahl, ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die Bundeswehr im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 35 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes bei Naturkatastrophen eingesetzt werden kann, wenn - auch darauf habe ich hingewiesen - dies im Interesse der Ausbildung der Bun15306 deswehrangehörigen liegt. Das ist in den genannten Fällen so.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Sielaff, noch zu diesem Thema, bitte.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, da Sie jetzt keine Auskunft darüber geben konnten, inwieweit die Bundeswehr angefordert worden ist, meine Frage: Ist die Bundeswehr technisch in der Lage, bei Waldschäden sachgerecht eingesetzt zu werden? Meine Informationen gehen dahin, daß auf Landesseite durchaus Bedenken vorhanden waren, ob die Bundeswehr fachlich in der Lage ist, im Forst eingesetzt zu werden.

Agnes Hürland (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000976

Ich weiß nicht, Herr Kollege Sielaff, ob bestimte Truppengattungen oder Teilstreitkräfte dazu möglicherweise nicht in der Lage sein werden. Wenn ich aber beispielsweise an die Pioniere denke, könnte ich mir vorstellen, daß wir in allen diesen Fällen in der Lage und vor allen Dingen auch willens sind zu helfen. Aber, Herr Präsident, gestatten Sie mir eine Zusatzbemerkung. Ich bin der Auffassung, daß dies nicht nur Sache der Bundeswehr in Amtshilfe ist, sondern daß sich hier auch andere gesellschaftliche Gruppen beteiligen könnten, damit die Wälder nach dieser Katastrophe wieder in Ordnung kommen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Kühbacher auf, die aber nicht beantwortet werden können, weil der Fragesteller nicht im Saal ist. Sie werden entsprechend der Geschäftsordnung behandelt. Wir kommen zu Frage 8 der Abgeordneten Frau Schulte ({0}): Wie kann das Bundesministerium der Verteidigung vom Land Niedersachsen Beseitigung von Altlasten auf dem Truppenübungsplatz Munster-Nord erwarten, wenn aus dem Bericht des Ministeriums vom 6. Februar 1990 klar hervorgeht, daß der Truppenübungsplatz durch Kampfstoffe und Kampfstoffmunition aus dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg belastet wurde? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Agnes Hürland (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000976

Frau Schulte, für die Erfassung, Bewertung und Sanierung von Altlasten sind nach den Art. 30 und 83 des Grundgesetzes die Länder zuständig. Die Bundeswehr übernimmt die notwendigen Kosten der Sanierung für die in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaften. Die Liegenschaften werden also durch die Bundeswehr saniert, und die übrige Sanierung erfolgt durch das Land Niedersachsen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, bitte.

Brigitte Traupe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrte Frau Kollegin, in diesem Fall handelt es sich einwandfrei um einen Schaden, der durch den Krieg und die Kriegsfolgen und auch durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg herbeigeführt worden ist. Trifft es dann nicht zu, daß in einem solchen Altlastfall der Bund die Kosten übernehmen muß?

Agnes Hürland (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000976

Frau Kollegin Schulte, so sehr Sie das wünschen: Das ist durch das Grundgesetz geregelt. Zuständig hierfür ist das Land Niedersachsen. Wir werden allerdings im Benehmen mit dem Land Niedersachsen, wenn feststeht, welche Schäden überhaupt da sind, ein vollständiges Sanierungskonzept erstellen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte schön.

Brigitte Traupe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, werden Sie dann alle Bundesländer davon unterrichten, daß bei Munitions-Altlasten, die unweigerlich Folgen in Bodenproben haben werden, die Länder die Sanierung der verseuchten Böden durchzuführen haben?

Agnes Hürland (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000976

Frau Kollegin Schulte, Ihre Frage hat mir Veranlassung gegeben - ich weiß ja, wie hartnäckig Sie nachfragen -, im Hause nachzuforschen, ob dies nicht eigentlich schon längst geschehen ist. Ich kann Ihnen sagen, daß wir mit allen Ländern Verbindung aufgenommen haben, um, wenn Sie es so ausdrücken wollen, ein Raster zu erstellen, was gewesen ist, was in Zukunft gemacht werden kann und was an Problemen gemeinsam gelöst werden muß. Insofern bedanke ich mich für Ihre Fragen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Schulte hat eine weitere Frage gestellt, die sie auch noch beantwortet haben will, nämlich die Frage 9: Welche Ergebnisse haben die vorliegenden Bodenproben ergeben, wonach am 7. Februar 1990 entschieden werden sollte, ob eine Gesamtsanierung des Platzes notwendig wird?

Agnes Hürland (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000976

Frau Kollegin Schulte, von 573 Bodenproben liegen bei sieben Proben die Arsenbelastungen über 20 mg/kg Boden. Ein mit der Bewertung der Proben beauftragtes externes Institut betrachtet Böden mit einem Arsengehalt von mehr als 20 mg/kg Boden als potentiell belastet. Bis zum Vorliegen einer wissenschaftlich fundierten Analyse bleibt der Platz gesperrt. Von diesem Meßprogramm ist die Gesamtsanierung des Platzes zu unterscheiden. Voraussetzung hierfür ist die Gefährdungsabschätzung des niedersächsischen Umweltministers, auf deren Gundlage gemeinsam mit der Bundeswehr - wie ich Ihnen bereits vorhin sagte - ein Sanierungskonzept erarbeitet werden muß. Diese Arbeiten werden geraume Zeit in Anspruch nehmen. Unter „geraumer Zeit" versteht das Bundesministerium der Verteidigung etwa Anfang bis Mitte 1991.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Frau Schulte.

Brigitte Traupe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Kollegin Hürland-Büning, heißt das, daß der Platz in der Zeit nicht für die Bundeswehr benutzbar ist?

Agnes Hürland (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000976

Zu einem Teil ist dieser Platz überhaupt nicht zu nutzen, auch nicht für ausländische Streitkräfte. Zu einem Teil ist er nur beschränkt für bestimmte Teilstreitkräfte und -gattungen nutzbar; und zu einem geringen Teil ist er nutzbar. Ich kann Ihnen diese Angaben gern zukommen lassen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage.

Brigitte Traupe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Können Sie sich dann erklären, warum diese unzweifelhaft ja schon seit 1988 bekannten Fakten überhaupt nicht die Aufmerksamkeit der zuständigen Beamten in den Ministerien gefunden haben?

Agnes Hürland (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000976

Vielleicht war der zuständige Beamte nicht direkt vor Ort. Ich weiß es nicht, liebe Frau Kollegin. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke der Parlamentarischen Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Pfeifer steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 11 der Abgeordneten Frau Weyel auf: Ist auf Grund der Ermächtigung in § 71a der 6. Änderung des Weingesetzes die Anpassung an Änderungen des bereits geltenden Gemeinschaftsrechts durch Rechtsverordnung vorgenommen worden, insbesondere was die von der Bundesregierung vorgeschlagenen notwendigen Zahlenänderungen anlangt, die durch Änderungen bei den EWG-Verordnungen bedingt sind?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Herr Präsident! Frau Kollegin Weyel! Die Bundesregierung hat die Arbeiten an einem Entwurf für eine Erste Rechtsverordnung zur Anpassung des Weingesetzes an Änderungen des Gemeinschaftsrechts unverzüglich nach Inkrafttreten der hierfür notwendigen Verordnungsermächtigung im 6. Gesetz zur Änderung des Weingesetzes vom 11. Juli 1989 aufgenommen. Die Verkündung dieser Rechtsverordnung wird noch in diesem Monat erfolgen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Frau Weyel.

Gudrun Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, wie viele Mitarbeiter dem zuständigen Referat zur Zeit zur Verfügung stehen?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Im Augenblick sind es zwei oder drei Mitarbeiter; da müßte ich mich noch einmal vergewissern.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Frau Weyel.

Gudrun Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meinen Sie, außer dem Ref eren-ten oder einschließlich des Referenten?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Der Referatsleiter ist im Augenblick im Urlaub. Deswegen bin ich mir im Moment nicht ganz sicher, ob zwei oder drei; das muß ich noch klären.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sielaff.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, meinen Sie denn, daß die Zahl der Mitarbeiter, die dort zur Verfügung stehen, ausreichend ist, um mit diesem Problem in absehbarer Zeit fertigzuwerden?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Herr Kollege, ich bin der Meinung, daß bis zum Ende des vergangenen Jahres auf jeden Fall eine der Arbeit adäquate Besetzung vorhanden gewesen ist. Danach ist es zu einer Lücke gekommen, die wir aber inzwischen geschlossen haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt kommt Frage 12 der Abgeordneten Frau Weyel: Treffen Berichte zu, daß Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten im Sinne des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik Deutschland nicht geahndet werden können, weil entsprechende Anpassungen an das Gemeinschaftsrecht entsprechend § 71 a des Weingesetzes bislang versäumt wurden?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Der Bundesregierung sind derartige Berichte bekannt. Die in der Frage angesprochenen Auswirkungen können dann auftreten, wenn die gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen am Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft treten und der Bundesregierung bis zu diesem Inkrafttreten keine Zeit zur Anpassung der Straf- und Bußgeldvorschriften des Weingesetzes an das geänderte Gemeinschaftsrecht verbleibt. Um dies zu verhindern, wirkt die Bundesregierung darauf hin, daß gemeinschaftsrechtliche Verordnungen im Weinbereich künftig eine ausreichende Frist für ihr Inkrafttreten beinhalten. In dieser Frist können dann auf der Grundlage des § 71 a des Weingesetzes entsprechende Rechtsverordnungen erlassen werden. Bei derzeitigen Beratungen über Verordnungsvorhaben hat die Kommission zugesagt, daß sie ihre Vorschläge entsprechend abfassen wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Weyel, Zusatzfrage? - Bitte.

Gudrun Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben ja soeben ausdrücklich betont, daß die erste Verordnung noch auf dem Wege und nicht fertiggestellt ist. Ist Ihnen eigentlich bewußt, wie viele EG-Richtlinien und -Verordnungen damit augenblicklich nicht anwendungsfähig sind, und können Sie uns diese Zahl hier einmal nennen?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Die genaue Zahl kenne ich nicht. Aber da es sich eben um mehrere Verordnungen handelt, ist auch die Materie so überaus schwierig. Trotzdem möchte ich - das habe ich hier schon zum Ausdruck gebracht - noch einmal sagen, daß wir diese Verordnung noch in diesem Monat erlassen wollen. Außerdem möchte ich auf einen Punkt hinweisen, der in diesem Zusammenhang vielleicht auch wichtig ist: Das Ministerium hat sich überlegt, ob es bei dieser Verordnung nicht auch gleich zu erwartende Änderungen im gemeinschaftsrechtlichen Bezeichnungsrecht mit berücksichtigen kann, damit nicht wieder neue Lücken entstehen. Da dies in Brüssel aber Zeit in Anspruch nimmt, wird es nicht möglich sein. Auch das ist ein Grund, warum wir diese Verordnung jetzt - aber auch erst jetzt - in Kraft setzen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Noch eine weitere Zusatzfrage? - Frau Weyel, bitte schön.

Gudrun Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, die Bundesregierung hat bei der Beratung der 6. Novelle des Weingesetzes großen Wert darauf gelegt, die Anpassung an EG-Vorschriften im Verordnungswege vorzunehmen, und zwar mit der Begründung, daß sie das Weinrecht immer auf dem aktuellen Stand haben und damit verhüten will, daß Weinprozesse, die wirklich skandalös sind, praktisch mit einem Freispruch enden, nur weil eine Ziffer in einer Vorschrift nicht richtig ist. Ist Ihrem Haus nicht klargewesen, wie groß der Bedarf da war und daß man das Referat hätte verstärken müssen, um nun, nachdem das Parlament durch diese Generalermächtigung auf einen Teil seiner Gesetzgebungsbefugnisse schweren Herzens verzichtet hat, in kürzester Zeit eine Rechtssituation zu haben, in der solche Vergehen auch wirklich geahndet werden können?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Daß das Referat in starkem Maße mit Arbeit belastet ist - auch in den letzten Monaten belastet gewesen ist - , ist unbestritten. Ich habe aber eben gesagt, daß einer der Gründe, warum wir noch zugewartet haben, darin liegt, daß wir geglaubt haben, noch eine weitere Verordnung mit berücksichtigen zu können. Was die Zukunft angeht, möchte ich sagen, daß das von mir beschriebene und der Kommission vorgeschlagene Verfahren dazu führen wird, daß mögliche Lücken, die jetzt entstanden sind, in der Zukunft nicht mehr entstehen können. Ich finde, das ist ein wichtiger Gesichtspunkt. Auch aus diesem Grunde war es richtig, daß die Rechtsverordnungsermächtigung in die 6. Novelle zum Weingesetz aufgenommen worden ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Sielaff.

Horst Sielaff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002172, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist denn garantiert, daß ab diesem Zeitpunkt sofort an das EG-Recht angepaßt werden kann, oder entstehen weitere Lükken, wenn neue Verordnungen kommen? Ist also für die Zukunft gewährleistet, daß wirklich zügig - fast möchte ich sagen: sofort - an das EG-Recht angepaßt werden kann?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Wenn ich davon ausgehe, daß unseren Vorschlägen entsprechend die EG-Kommission die Verordnungen künftig mit einer Frist von drei Monaten in Kraft setzt, dann hätten wir drei Monate Zeit, um unser Recht an das EG-Recht anzupassen. Da es sich dann ja immer um die Anpassung an eine jeweils neu erlassene EG-Verordnung handelt, denke ich, daß das in diesen drei Monaten gewährleistet werden kann.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt kommen wir zu Ihrer Frage 13, Herr Sielaff: Hat die Bundesregierung Vorsorge getroffen, daß die Anpassung an Änderungen des Gemeinschaftsrechts gemäß § 71a des Weingesetzes jeweils unverzüglich durch Rechtsverordnungen vorgenommen wird, da nach Artikel 189 des EWG-Vertrages Verordnungen der Weinmarktorganisation unmittelbar gelten und nationales Recht mit ihrem Inkrafttreten unanwendbar wird?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Herr Kollege Sielaff, wie ich eben bereits ausgeführt habe, wirkt die Bundesregierung bei Beratungen über Verordnungsvorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften darauf hin, daß diese eine Frist für das Inkrafttreten nach Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften beinhalten. In dieser Frist werden dann auf der Grundlage des § 71 a des Weingesetzes - das ist die Vorschrift, die wir im Rahmen der 6. Novelle eingeführt haben; darauf hat Frau Weyel eben hingewiesen - entsprechende Rechtsverordnungen erlassen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine Zusatzfrage. - Dann rufe ich Ihre Frage 14, Herr Sielaff, auf: Welchen Zeitraum sieht die Bundesregierung als angemessen an, um die Anpassung zu veranlassen, damit die Rechtssicherheit im Weinrecht gewährleistet ist?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Auch dazu habe ich eben schon Ausführungen gemacht. Die Bundesregierung hält in der Regel eine dreimonatige Frist für angemessen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Frau Weyel.

Gudrun Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe eine Frage, die sich nicht unmittelbar auf die EG-Richtlinien, sondern auf die Besetzung des Referats bezieht. Wir haben zur Zeit heftige Diskussionen auch um das Kontrollzeichen. Wann wird denn das Referat wieder arbeitsfähig sein?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Wie Sie wissen, befindet sich der Referatsleiter im Augenblick in Urlaub. Er tritt dann in den Ruhestand. Wir sind darum bemüht, daß anschließend sofort die Neubesetzung der Referatsleitung erfolgt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Wüppesahl auf: Welchen pädagogischen und sozialen Status räumt die Bundesregierung der Errichtung, Förderung und dem Betrieb integrativer Kindergärten - Leben und Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern - zu, und welche Überlegungen stellt sie darüber an, sich an dem Finanzierungsproblem über Artikel 106 GG zu beteiligen?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Herr Kollege Wüppesahl, die Bundesregierung begrüßt, daß in der Bundesrepublik Deutschland zunehmend mehr Kindergärten entstehen, die sich der gemeinsamen Erziehung von behinderten und nichtbehinderten Kindern widmen. Die Praxiserfahrungen, die in verschiedenen vom Bund mitfinanzierten Modellversuchen gesammelt wurden, zeigen deutlich, daß das gemeinsame Leben und Lernen in Gruppen sowohl den behinderParl. Staatssekretär Pfeifer ten als auch den nichtbehinderten Kindern zugute kommt. Der Bau und der Betrieb von Kindergärten gehören laut Grundgesetz in die Zuständigkeit der Länder. Eine Finanzierungskompetenz des Bundes für diesen Bereich ist nicht gegeben. Im übrigen hat die Konferenz der Jugendminister und -senatoren in einem Beschluß vom 19. Mai 1989 festgestellt, daß eine ausreichende Finanzierung integrativer Kindergärten über die Inanspruchnahme von Mitteln der Jugendhilfe und der Sozialhilfe gesichert werden kann.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Wüppesahl, bitte schön, eine Zusatzfrage.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Staatssekretär, muß ich angesichts des Kindergartenplatznotstandes, den wir in der Bundesrepublik - und zwar nicht bloß im Vergleich zur DDR - haben, davon ausgehen, daß Ihre Ausführungen über die sehr wohl mögliche und denkbare Finanzierungsbeteiligung des Bundes über Art. 106 Grundgesetz - Gemeinschaftsaufgaben - nicht bloß für integrierte Kindergärten gelten, sondern auch für nichtintegrierte Kindergärten, für Krippenplätze, Tagesmütter und andere vergleichbare Versorgungseinrichtungen für Kinder?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Ich möchte zunächst einmal bestreiten, daß es in der Bundesrepublik generell einen Kindergartennotstand gibt. Das ist regional sehr unterschiedlich. Zum zweiten: Ich habe hier auf einen Beschluß hingewiesen, den die Jugendminister und Jugendsenatoren genau zu dem gefaßt haben, was in Ihrer Frage enthalten ist, nämlich zu Problemen der Finanzierung der integrativen Kindergärten. Zum dritten: Was die Frage der Finanzierungskompetenz für diesen Bereich angeht, habe ich auf die Regelung des Grundgesetzes verwiesen. Im übrigen ist das ein Thema, das wir im Augenblick durchaus auch hier im Parlament besprechen, beispielsweise bei der Beratung über den Gesetzentwurf für das neue Jugendhilferecht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Wüppesahl.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Ich möchte dennoch nachhaken, weil es nach dem Grundgesetz die Möglichkeit einer Finanzierung durch den Bund gibt: Wie sieht die Bundesregierung dieses jetzt von Ihnen hier offensiv vorgetragene Nichtengagement vor dem Hintergrund familien- und auch kinderfreundlicher Thesen und Zielsetzungen, die nicht nur in der Regierungserklärung zu Beginn der Legislaturperiode, sondern auch immer wieder in Berichten seitens der Bundesregierung nach außen vermittelt worden sind, im Zusammenhang mit der Tatsache, daß ein solches Engagement eben möglich wäre?

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Herr Kollege Wüppesahl, ich kann den Vorwurf des Nichtengagements nicht akzeptieren. Ich verweise nur auf die Vorlage des Gesetzentwurfes für das neue Jugendhilferecht, der sehr wohl deutlich macht, daß sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer Kompetenzen in diesem Bereich engagiert. Im übrigen kann ich nur davor warnen, die Novellierung des Jugendhilferechts jetzt mit solchen Finanzierungsfragen zu verknüpfen. Hier besteht sonst die Gefahr, daß dieses neue Jugendhilferecht genau wegen dieser Frage nicht zustande kommt. Dies würde ich unter keinen Umständen für akzeptabel halten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind damit am Ende der Fragen aus diesem Geschäftsbereich. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Der Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft braucht nicht aufgerufen zu werden, weil die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Rixe, 18 und 19 des Abgeordneten Dr. Böhme ({0}) und 20 des Abgeordneten Kastning auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Der Parlamentarische Staatssekretär Herr Carstens steht uns zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Dr. Müller auf: Hält die Bundesregierung die von einer Bremer Initiative geforderte Zahlung von 727 Milliarden DM als Ausgleich für DDRReparationszahlungen für berechtigt?

Manfred Carstens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000322

Die Bundesregierung hält die geforderte Ausgleichszahlung nicht für berechtigt. Für einen Rechtsanspruch der DDR gegen die Bundesrepublik auf Ausgleichszahlungen für Reparationsleistungen an die Sowjetunion gibt es keine Rechtsgrundlage. Aus dem Gesichtspunkt der Entlastung von einer gemeinsamen Verbindlichkeit kann eine Ausgleichsverpflichtung nicht hergeleitet werden. Mit den Reparationsentnahmen der Sowjetunion sind keine gemeinsamen Verbindlichkeiten der DDR und der Bundesrepublik getilgt worden. Es handelte sich vielmehr um seitens der Siegermächte gegen das Deutsche Reich geltend gemachte Forderungen. Im sogenannten Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 wurde das besetzte deutsche Gebiet für Reparationszwecke in zwei Bereiche eingeteilt, die der damaligen sowjetischen Zone, heute DDR, und den westlichen Zonen, heute Bundesrepublik Deutschland, entsprachen. Die Reparationsforderungen der Sowjetunion und Polens sollten im wesentlichen durch Entnahmen aus der Sowjetzone, die Reparationsforderungen der Westmächte und anderer Länder sollten durch Entnahmen aus den westlichen Zonen erfüllt werden. Es gibt auch keine politischen, moralischen oder sonstigen Gründe für einen Ausgleichsanspruch der DDR. Die Reparationsentnahmen beruhen ausschließlich auf Vereinbarungen der Siegermächte. Die Repa15310 Parl. . Staatssekretär Carstens rationen wurden dem Vermögen des Reiches und dem Privatvermögen deutscher Unternehmen und Bürger entnommen. Im übrigen läßt sich die Höhe der deutschen Nachkriegsbelastungen nicht zuverlässig beziffern. Die Berechnungen von Professor Peters sind nicht fundiert und lassen völlig willkürlich die hohen Leistungen der Bundesrepublik zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts und im Lastenausgleich außer Betracht. Die Bundesrepublik wird gleichwohl ihre vielfältigen Hilfen auf dem Wege zur deutschen Einheit erbringen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Dr. Müller.

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, daß Herr Professor Peters die hohen Zahlungen, die die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren Jahr für Jahr an die DDR geleistet hat - Freikauf von Häftlingen, Transitpauschale usw. - , in seine Berechnungen überhaupt nicht einbezieht?

Manfred Carstens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000322

Die Bundesregierung hat sich darüber gewundert, daß ein Professor, der als seriös gelten will, diese Zahlen nicht aufgenommen hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Müller.

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, angenommen, eine solche Zahlung würde geleistet, wie hoch wäre dann - da ja fünf Bremer Senatoren das unterstützen - der Anteil des Landes Bremen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs bei 727 Milliarden DM?

Manfred Carstens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000322

Das ist in der Tal eine sehr interessante Fragestellung mit Blick auf Bremen. Trotz vorhandener einigermaßen guter Fähigkeiten im Kopfrechnen bin ich im Moment nicht imstande, Ihnen diese Zahl zu liefern. Aber es wäre ganz interessant, das zu recherchieren. Falls es mir gelingt, auf Ihre Frage eine passable Antwort zustande zu bringen, werde ich Ihnen diese schriftlich geben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Carstens, ein Staatssekretär im Finanzministerium ohne Taschenrechner sollte nicht hierher kommen. ({0}) Wir kommen zur Frage 31 des Abgeordneten Dr. Müller: Hat die Unterstützung der Forderung der Bremer Initiative durch fünf Senatoren des Landes Bremen Einfluß auf die Meinungsbildung der Bundesregierung?

Manfred Carstens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000322

Die Bundesregierung hat die von Professor Peters vertretene Ansicht geprüft. Sie hält seine Ansicht aus den in der Antwort auf die erste Frage dargelegten Gründen für unzutreffend. Die Meinungsbildung der Bundesregierung ist unabhängig davon erfolgt, daß sich mehrere Bremer Senatoren der Ansicht von Professor Peters angeschlossen haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Dr. Müller, Zusatzfrage.

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die von den fünf Senatoren unterstützte Meinungsäußerung der Initiaitve, daß an jeden DDR-Bürger 41 800 DM ausgezahlt und von jedem Bürger der Bundesrepublik 11 800 DM als Ausgleichszahlung geleistet werden sollten?

Manfred Carstens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000322

Die Bundesregierung bewertet diese Aussagen als wenig sachdienlich.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Dr. Müller.

Dr. Günther Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001548, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß es sich bei dem Historiker Arno Peters um den Herausgeber der einzigen marxistischen Zeitung in den Jahren vor der Studentenrevolution in der Bundesrepublik, nämlich des „Periodikums für wissenschaftlichen Sozialismus", und um einen bekannten Kommunisten handelt?

Manfred Carstens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000322

Herr Kollege Müller, mir ist das, was Sie sagen, nicht bekannt. Aber wenn es stimmt, dann ist es gut, daß Sie es hier gesagt haben. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schulte ({0}).

Brigitte Traupe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß die Freikaufmittel nie den Bürgern der DDR zugute gekommen sind und daß alle Überlegungen meiner Kollegen aus dem Lande Bremen ja wohl der Absicht dienen, die schwierige Situation in der DDR zu verbessern? Carstens, Pari. Staatssekretär: Die Gründe, die hinter den Überlegungen stecken mögen, kann ich nicht verifizieren. Die von Ihnen zunächst gemachte Aussage muß ich zumindest zum Teil bezweifeln. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Dr. Lippelt, Sie haben sich zu einer Zusatzfrage gemeldet.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich könnte Sie jetzt fragen, ob Sie auch wissen, daß Arno Peters der Verfasser der „Synchronoptischen Weltgeschichte " ist, die ich aus methodologischen Gründen für genauso schlecht halte, wie der Kollege Müller es - -

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Solche Fragen im Dreieck sind nicht unsere Art. ({0})

Manfred Carstens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000322

Es ist zumindest interessant zu wissen, wer wen kennt, Herr Präsident!

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das ist richtig, Herr Präsident, nur muß man ja, um Fragen richtig voranzubringen, zunächst Allianzen schmieden. - Das wollte ich Sie, wie gesagt, nicht fragen. Aber ich wollte Sie fragen, ob Sie nicht doch der Meinung sind, daß aus dem Umstand, daß die Bevölkerung der DDR 45 Jahre lang gewissermaßen für eine gemeinsame Geschichte hat haften müssen, Ansprüche gegenüber der Bevölkerung der Bundesrepublik, die weit besser weggekommen ist, hergeleitet werden könnten, ohne daß ich das jetzt in Zahlen ausdrücken möchte. Würden Sie diese Differenz und die daraus resultierende moralische Verpflichtung anerkennen?

Manfred Carstens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000322

Obwohl das vom Kollegen Müller nicht präzise erfragt worden war, habe ich in der ersten Antwort schon zum Ausdruck gebracht, daß es sich nicht um Verbindlichkeiten handelt, sondern um Forderungen, die damals seitens der Siegermächte aufgestellt wurden, daß es also nicht darum geht, hier einem Rechtsanspruch nachzukommen, daß wir aber gleichwohl bereit sind, unsere Hilfe für die Entwicklung innerhalb der DDR, von der wir ständig sprechen - auch morgen bei der Beratung des Nachtragshaushalts werden wir das wieder tun - , zu leisten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Lowack, Sie möchten eine Zusatzfrage stellen. Bitte schön!

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Einkommen in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland bis etwa 1957 gleich waren und daß sich erst danach und bis heute durch das miserable politische System in der DDR diese Schere ergeben hat, und halten Sie es nicht für -

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Kollege Lowack, wir müssen bei dem Thema bleiben.

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Entschuldigen Sie; das kommt jetzt im zweiten Halbsatz.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Dann muß er den ersten Teil nicht beantworten; denn dazu ist morgen die Debatte da.

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Halten Sie es nicht für eine Ungeheuerlichkeit, daß hier mit unbegründeten sogenannten Forderungen Hoffnungen geweckt werden, die drüben zu Enttäuschungen führen müssen, weil sie gar nicht erfüllt werden können?

Manfred Carstens (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000322

Herr Kollege, ob das Wort „Ungeheuerlichkeit" zutrifft, vermag ich nicht zu sagen, aber als Zumutung unseren Bürgern gegenüber möchte ich das schon bezeichnen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs, weil die Frage 32 des Abgeordneten Austermann schriftlich beantwortet werden soll. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. - Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Der Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft braucht nicht aufgerufen zu werden, weil Frage 33 des Abgeordneten Stiegler nach Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet wird und auch die Fragen 34 und 35 des Abgeordneten Dr. Daniels schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hennig steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Graf Huyn auf: Welche Leistungen erbringt die Regierung der DDR mittelbar oder unmittelbar an den Warschauer Pakt sowie für die Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der DDR?

Dr. Ottfried Hennig (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000871

Herr Kollege Graf Huyn, Grundlage der Leistungen der DDR für die Stationierung sowjetischer Streitkräfte in der DDR ist das im März 1957 geschlossene Abkommen der Regierungen der DDR und der UdSSR über Fragen, die mit der zeitweiligen Stationierung sowjetischer Streitkräfte auf dem Territorium der DDR zusammenhängen. In Artikel 15 dieses Abkommens ist geregelt, welche Rechte und Sachleistungen die Sowjetunion in Anspruch nehmen kann. Die DDR stellt danach den auf ihrem Territorium stationierten Streitkräften erforderliche Einrichtungen und Dienstleistungen zur Verfügung. Der Bundesregierung liegen derzeit noch keine zuverlässigen Erkenntnisse darüber vor, welche finanziellen Mittel die DDR aufbringt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Graf Huyn!

Hans Huyn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000987, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wird sich die Bundesregierung informieren, um diese zuverlässigen Erkenntnisse zu erhalten, bevor unsererseits Entscheidungen getroffen werden, die möglicherweise, direkt oder indirekt, zu Leistungen führen, die mit harter D-Mark erbracht werden?

Dr. Ottfried Hennig (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000871

Herr Kollege Graf Huyn, die Bundesregierung bemüht sich in den derzeit laufenden Verhandlungen mit der DDR darum, unter dem Stichwort „Kassensturz" umfassend Klarheit über bestehende Verpflichtungen all dieser Art zu bekommen. Dazu gehört ganz gewiß auch diese Frage, die wir uns in den Gesprächen mit der DDR abzuklären bemühen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Graf Huyn. Bitte schön!

Hans Huyn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000987, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Bundesregierung bereit, das Hohe Haus über das Ergebnis dieser Bemühungen zu informieren, sobald genau zu diesem Punkt konkrete Erkenntnisse vorliegen?

Dr. Ottfried Hennig (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000871

Herr Kollege Graf Huyn, das muß dann parlamentarisch in der richtigen Form geschehen. Ich bin aber gern bereit, Sie zu15312 nächst zu unterrichten, sobald uns entsprechende Erkenntnisse vorliegen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Dr. Lippelt, Sie möchten eine Zusatzfrage stellen. Bitte schön!

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, werden Sie - entsprechend der in diesen Fragen liegenden Tendenz - dann auch die NATO-Verteidigungskosten um gleiche Beträge kürzen wollen?

Dr. Ottfried Hennig (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000871

Herr Kollege, das machen wir, glaube ich, im Wege der kontrollierten Abrüstung und nicht auf diesem pauschalen Weg in der Fragestunde.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 37 des Grafen Huyn auf: Schließt die Bundesregierung aus, daß derartige Leistungen in welcher Form auch immer im Falle einer Währungsunion in konvertibler harter DM erbracht werden? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Ottfried Hennig (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000871

Herr Kollege Graf Huyn, die Bildung einer Wirtschaftsgemeinschaft und Währungsunion mit der DDR ist ein Angebot an die Regierung der DDR, mit dem allerdings auch einige Bedingungen verknüpft sind. Die Bundesregierung vermag derzeit noch nicht abschließend einzuschätzen, ob und in welchem Umfang dieses Angebot angenommen wird. Deshalb sind auch die Auswirkungen in sicherheits- und finanzpolitischer Hinsicht in keiner Weise absehbar.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine Zusatzfrage, bitte schön.

Hans Huyn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000987, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß derartige weittragende Grundsatzentscheidungen erst getroffen werden können, wenn auch alle Folgen, die damit impliziert sind, absehbar sind, die möglicherweise jahrelangen, Leistungen einschließen?

Dr. Ottfried Hennig (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000871

Selbstverständlich, Herr Kollege.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben keine weitere Zusatzfrage. Die Fragen 38 und 39 der Abgeordneten Frau Odendahl, 40 und 41 des Abgeordneten Kuhlwein und 42 des Abgeordneten Kastning werden nicht aufgerufen, weil sie nach Ziffer 2 Abs. 2 unserer Richtlinien schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten Jäger auf: Trifft es zu, daß in dem berüchtigten DDR-Zuchthaus Bautzen immer noch Häftlinge einsitzen, die auf Grund des politischen Strafrechts des DDR-Strafgesetzbuches verurteilt oder inhaftiert worden sind, und was wird die Bundesregierung bejahendenfalls unternehmen, um zu erreichen, daß diese Häftlinge unverzüglich auf freien Fuß gesetzt werden? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Hennig, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, am 22. Dezember 1989 hat Herr Rechtsanwalt Professor Dr. Wolfgang Vogel Herrn Staatssekretär Dr. Priesnitz fernschriftlich mitgeteilt, daß es ab dem 24. Dezember 1989 in den Gefängnissen der DDR keinen einzigen politischen Häftling mehr geben werde. Dieses Zeugnis der Zeit sei eines der Ergebnisse der Begegnung von Bundeskanzler Helmut Kohl mit Ministerpräsident Modrow in Dresden. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß in Bautzen oder anderen Strafvollzugseinrichtungen der DDR jetzt noch Häftlinge einsitzen, die zu dem Kreis von Inhaftierten gehören, um den sie sich früher im Rahmen ihrer besonderen Bemühungen um politische Häftlinge in der DDR gekümmert hätte. Ich wäre Ihnen deshalb dankbar, wenn Sie uns Ihre Erkenntnisse unter Angabe von Namen der Betroffenen mitteilen würden, damit wir uns gegebenenfalls um Aufklärung dieser Schicksale bemühen können.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Jäger, eine Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich angesichts dieser Ihrer Antwort davon ausgehen, daß die Bundesregierung auf Grund meiner Frage noch einmal nachgeprüft hat, wie es sich speziell mit Bautzen verhält?

Dr. Ottfried Hennig (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000871

Herr Kollege Jäger, die Bundesregierung hat zunächst einmal keinen Anlaß, an der Richtigkeit der Aussage von Professor Vogel zu zweifeln. Es ist aber von mir auch im Zusammenhang mit Ihrer heutigen Fragestellung nachgeprüft worden - ich habe mich bemüht, entsprechende Aufklärung zu erlangen - , weil es denkbar ist - es gibt eine entsprechende Anzeige der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte aus diesen Tagen - , daß es Häftlinge gibt, die aus politischen Gründen einsitzen, aber wegen konstruierter krimineller Taten abgeurteilt sind. Meine entsprechenden Aufklärungsbemühungen z. B. gestern beim Leiter der Stelle in Salzgitter haben zu der Erkenntnis geführt, daß dies nicht ausgeschlossen werden kann, daß es aber auch keine konkreten Hinweise auf solche Einzelschicksale gibt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine weitere Zusatzfrage. Ich würde dann die Frage 44 des Abgeordneten Amling aufrufen, der aber nicht im Saal ist, so daß diese Frage der Geschäftsordnung entsprechend behandelt wird. Wir sind damit am Ende unserer Fragestunde. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe nun den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf: Aktuelle Stunde Behinderungen für den Aufbau der Sozialen Marktwirtschaft in der DDR durch das neue Gewerkschaftsgesetz der DDR Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU/ CSU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem oben genannten Thema verlangt. Vizepräsident Westphal Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller ({0}).

Alfons Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001544, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der öffentlichen Diskussion über die vielen Probleme, die sich mit der bevorstehenden Wiedervereinigung stellen, ist die Neuordnung des Gewerkschaftswesens in der DDR bisher eindeutig zu kurz gekommen. Die stärkste Stütze des SED-Regimes war 40 Jahre lang der sogenannte Freie Deutsche Gewerkschaftsbund. Er war der lange Arm des real existierenden SED-Sozialismus, der sozialistischen Betonköpfe in den Betrieben. Die Gewerkschaftsfunktionäre haben vielfach ihre Kollegen unterdrückt und der totalen Überwachung des SED-Regimes verfügbar gemacht. ({0}) Sie waren im Grunde nur der verlängerte Arm der SED. Diese Helfer und Helfershelfer der SED versuchen nun mit dem neuen Gewerkschaftsgesetz, möglichst viel von ihrer Macht zu retten. Das gestern von der SED-beherrschten unfreien Volkskammer verabschiedete neue Gewerkschaftsgesetz stellt die Frage nach der grundsätzlichen Rolle der Gewerkschaften in der Sozialen Marktwirtschaft. Unabhängige Gewerkschaften sind ein unverzichtbarer und wesentlicher Teil eines freiheitlichen und demokratischen Staates. Ohne die verantwortliche Mitarbeit der Gewerkschaften wäre der beispielhafte Wirtschaftsaufstieg in der Bundesrepublik nicht möglich gewesen. ({1}) Das neue Gewerkschaftsgesetz in der DDR wird aber diesem hohen Anspruch nicht gerecht werden können. Es ist überflüssig und sabotiert die Entwicklung der Sozialen Marktwirtschaft in der DDR, ({2}) ja es ist in Wirklichkeit ein Funktionärssicherungsgesetz. Mit diesem Gesetz versucht der FDGB, das gescheiterte Experiment des Sozialismus weiter fortzusetzen. ({3}) Wenn auch die Volkskammer einige Giftzähne, die im Entwurf zu finden waren, herausgebrochen hat, so sind noch immer Bestimmungen vorhanden, die dem Geist der Partnerschaft und der Zusammenarbeit widersprechen. Das wird besonders in § 14 deutlich, wo es heißt: Die Gewerkschaften leiten die Sozialversicherung. Dieser Alleinzuständigkeitsanspruch widerspricht dem Gedanken der Partnerschaft, des Zusammenwirkens von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Ich denke, bei der Umstrukturierung des Gewerkschaftswesens in der DDR kommt es ganz wesentlich darauf an, daß dem partnerschaftlichen Grundsatz der Zusammenarbeit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern Rechnung getragen wird. Sie beide müssen gleichberechtigt sein und müssen gemeinsam versuchen können, ohne Einfluß des Staates oder einer Partei ihre Angelegenheiten zu regeln. Ich freue mich, meine Damen und Herren, daß von Anfang an der Gewerkschaftskollege Hermann Rappe Druck gegen den Entwurf gemacht und eine klare Haltung gezeigt hat, die jedoch der DGB in seiner Gesamtheit leider vermissen ließ. ({4}) Es tut mir als langjährigem DGB-Mitglied weh, wenn ich sehe, wie auch noch heute Teile des DGB mit FDGB-Funktionären paktieren und dem Sozialismus weiter anhängen. ({5}) Hätte der DGB ebenso starken Druck gegen den Entwurf gemacht wie Hermann Rappe, ({6}) dann wäre der Gedanke der sozialen Partnerschaft sicher eindeutiger zum Durchbruch gekommen. ({7}) Für uns ist es wichtig, daß sich in den DDR-Betrieben nun auch unabhängige Betriebsräte bilden, und zwar ohne Wenn und Aber. Die jetzt im Gesetz vorgesehenen Betriebsgewerkschaftsleitungen sind meiner Meinung nach ein klarer Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit. Wir werden erleben: Dieses Gesetz ist in Wirklichkeit ein Betriebsratsverhinderungsgesetz. Das kann nicht unsere Position sein. Ich gehe davon aus, daß auch die SPD dieser meiner Einschätzung zustimmen kann. Ich wiederhole : Wir sind für soziale Partnerschaft und für ein fruchtbares Zusammenwirken von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wir hoffen, daß sich diese bewährten Grundsätze nach dem 18. März auch in der DDR beim Aufbau einer Sozialen Marktwirtschaft durchsetzen werden. Vielen Dank. ({8})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dreßler.

Rudolf Dreßler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000420, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema der von der CDU/CSU beantragten Aktuellen Stunde „Behinderungen für den Aufbau der sozialen Marktwirtschaft in der DDR durch das neue Gewerkschaftsgesetz der DDR" macht die Enge des CDU/CSU-Denkens deutlich. Als ob sich die Revolution in der DDR auf diesen Bereich reduzierte! Kommt es der CDU/CSU nach nur vier Monaten Mauerabbruch nicht mehr in den Sinn, daß der Vorgang eines Gewerkschaftsgesetzes in der DDR zwölf Tage vor der ersten freien demokratischen Wahl etwas völlig anderes ist als nur eine Behinderung von Sozialer Marktwirtschaft? ({0}) - In der Volkskammer ist gestern ein in höchstem Maße, Herr Lummer, fragwürdiger Vorgang geschehen; er reduziert sich nicht auf Soziale Marktwirt15314 schaft. Dieser Vorgang ist durchsichtig. Die Masche ist mehr als billig. ({1}) Mit dem neuen Gewerkschaftsgesetz will der sogenannte FDGB die Macht der SED über die erste demokratische Wahl hinaus retten. ({2}) 43 Jahre waren die Gewerkschaften in der DDR keine Organisationen, die diesen Namen verdienen. Sie waren nach dem Leninschen Prinzip der Transmissionsriemen der SED. Und jetzt soll das Prinzip umgekehrt werden. Der Vorgang ist schlimm: Zwölf Tage vor dieser ersten demokratischen Wahl überträgt die alte SEDVolkskammer erhebliche Machtteile auf den sogenannten FDGB. Die FDGB-Abgeordneten waren selber dabei durch Delegationen. Sie haben sich also selbst bedient. Die handelnden Personen des sogenannten FDGB haben zum Beginn dieses demokratischen Aufbaus der DDR nichts beigetragen. Jetzt - wenige Tage vor der ersten freien Wahl - zwingt eine Organisation, die sich Gewerkschaft nennt, die Jahrzehnte ein verlängerter Arm der SED war, unter Androhung des Generalstreiks eine nicht demokratisch legitimierte Versammlung, die sich Parlament nennt, ein Gesetz zu verabschieden, das den Grundlagen einer wirklich freien Gewerkschaftsbewegung nicht entspricht. ({3}) Meine Damen und Herren, dem FDGB, der die Revolution in der DDR als Zuschauer miterlebte und sich nicht als gestaltende gesellschaftliche Kraft darstellen konnte, diesem FDGB, dem jede Erfahrung freier gewerkschaftlicher Tätigkeit fehlt, muß das Vermögen abgesprochen werden, formulieren zu können, was eine wirklich freie unabhängige Gewerkschaftsbewegung ist. ({4}) Daß die alte SED und ihre Blockparteien, die noch das Parlament darstellen - meine Damen und Herren, übrigens gestern in der Volkskammer mit den Stimmen der CDU-Ost, damit wir uns nicht mißverstehen; ({5}) so ist es, Frau Kollegin - , diesem Gesetz im Hauruck-Verfahren einschließlich einer Verfassungsänderung ihre Zustimmung gegeben haben, macht deutlich: Die alten Machthaber und die Führung des sogenannten FDGB haben aus dem revolutionären demokratischen Prozeß des 9. November 1989 nichts, aber auch gar nichts gelernt. ({6}) Meine Damen und Herren, es klingt wie ein Treppenwitz, wenn sich die vom Volk gestürzten Machthaber zwölf Tage vor einer demokratischen Wahl von einem nicht demokratisch legitimierten Parlament gegenseitig die Legitimation geben, nach freien Wahlen auf demokratisch legitimierte Parlamentsentscheidungen mit dem Generalstreik zu antworten. Das ist ein Treppenwitz! In einer freiheitlich-demokratischen Ordnung bedarf es keines Gewerkschaftsgesetzes im übrigen auch keines Verbändegesetzes, wie es hier in der Bundesrepublik von interessierter Seite vor Jahren in die Diskussion gebracht wurde, um die Tarifautonomie einzuschränken. Die Forderung nach einem Verbändegesetz entsprach nie rechtspolitischen Notwendigkeiten, sondern sie entsprach konservativer Sehnsucht nach einer formierten Gesellschaft. Ich stelle fest, daß diese Diskussion über ein Verbändegesetz in der Bundesrepublik recht still geworden ist, erfreulicherweise. Wenn die alten Machthaber der DDR schon nicht bereit waren, bundesrepublikanische Erfahrungen zum Betriebsverfassungs- und Tarifvertragsrecht zur Kenntnis zu nehmen, so hätten sie sich wenigstens an Traditionen orientieren können, die vor der Naziherrschaft, nämlich 1920, in Deutschland begründet wurden. ({7}) Die Verhaftung des SED-Regimes in den Machtstrukturen ist so übermächtig, daß ein Demokratisierungsprozeß mit den Entscheidungsträgern von gestern unmöglich erscheint. Ein FDGB, der Transmissionsriemen der SED war, gegen die das Volk revoltiert hat, ist nämlich mitverantwortlich für die Wirtschaftsmisere der DDR. ({8}) Der FDGB kann nicht plötzlich Mitbestimmungsfaktor beim Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens sein, das er selbst Jahrzehnte verhindert hat. ({9})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Cronenberg.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Dreßler hat es mir sehr einfach gemacht: Ich möchte mich auf erhebliche Teile seiner Rede berufen und kann jetzt einige ergänzende Bemerkungen machen und zwar zur Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in der DDR. Wer eine Währungsunion will, muß auch eine Wirtschafts- und eine Sozialunion befürworten. Eine Wirtschaftsunion heißt auch, daß sich in einem Wirtschaftsgebiet die Betriebsverfassungen nicht dauerhaft unterscheiden dürfen. Anders ausgedrückt: Unterschiedliche Betriebsverfassungsgesetze wird es auf Dauer nicht geben können. Es versteht sich von selbst, daß es auf Dauer auch ein einheitliches Arbeitskampfrecht geben muß. Es kann ja nicht wahr sein, daß eine Regierung - und Cronenberg ({0}) die wird ja kommen - in Leipzig mit der Begründung, das Allgemeinwohl sei gefährdet, den Streik verbieten kann, in Stuttgart aber nicht. Damit hier kein Irrtum entsteht: Ich bin weder ein Befürworter von Streiks, noch plädiere ich dafür, daß in Stuttgart staatliche Eingriffe ermöglicht werden, ({1}) um Gottes willen nicht. ({2}) - Aber sicher nicht. Vielleicht gibt es den einen oder anderen im Hause - jetzt können Sie sich melden, Dr. Briefs -, der die Aussperrung nicht als adäquates Kampfmittel betrachtet. Sie wissen, daß es für mich ein notwendiges Instrument ist, um sich gegen die Übermacht von Gewerkschaften zu wehren. Aber man kann das ja unterschiedlich bewerten. Eines steht aber wohl fest, hoffentlich für alle im Hause: Unterschiedliche Regelungen, wonach diesseits der Mauer ausgesperrt werden kann und jenseits der Mauer nicht, können keine dauerhafte Lösung sein. ({3}) - In der Tat, Herr Kollege Dreßler. Beim Niederschreiben dieser Bemerkungen habe ich mich gefragt: Wie sieht das denn in Europa aus? Fürwahr, das wird eine wichtige Diskussion werden. ({4}) - Ich finde es nicht traurig. Aber das wollen wir jetzt hier an dieser Stelle in einer Aktuellen Stunde nicht austragen. Ich glaube, wir sind uns einig: Unterschiedliche Regelungen sind im Grunde genommen in einer deutschen Wirtschaftsunion nicht akzeptabel. ({5}) Ich sage dies, verehrte Kolleginnen und Kollegen auch als „Sauerländer Krauter" , wie der stellvertretende Vorsitzende der IG Metall, Zwickel, meinesgleichen zu bezeichnen pflegt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, ihm zu empfehlen, sich einmal über Sauerländer Krauter, d. h. über kleine und mittelständische Unternehmen und Unternehmer, ein wenig zu informieren. Der Hochsauerlandkreis ist in Nordrhein-Westfalen der Kreis mit der geringsten Arbeitslosigkeit, mit exportstarken und effektiven Unternehmen. Ob es Herrn Zwickel paßt oder nicht: Die Belegschaften und Arbeitgeber bekämpfen sich in dieser Gegend nicht, sondern sie ziehen am gleichen Strick Sie arbeiten so partnerschaftlich zusammen, wie ich mir das für alle Gegenden Deutschlands wünsche. ({6}) - Natürlich gestehe ich es ihnen zu; das ist doch selbstverständlich. Lassen Sie das doch einmal weg. Ich möchte voll unterstreichen, was Rudolf Dreßler in der Bewertung des FDGB gesagt hat. Aber ich nehme diese Bemerkung auch zur Veranlassung, sehr herzlich darum zu bitten, dann, wenn der DGB, wie ich meine, aus seiner Sicht verständlich, davon spricht, mit einem geläuterten FDGB zusammenarbeiten zu wollen, auch mit dem Gerede von den Blockparteien aufzuhören, wenn Liberaldemokraten mit Freien Demokraten und CDU-Leute in der Allianz mit anderen zusammenarbeiten. ({7}) Wir sollten uns das nicht immer wieder gegenseitig vorwerfen. ({8}) Auch mit einer geläuterten LDP soll man zusammenarbeiten, aber sicher. Ich möchte zum Schluß noch einmal auf Herrn Zwickel zurückkommen. Ich möchte ihm also empfehlen, sich im Sauerland einmal in einem mittelständischen Unternehmen zu informieren. ({9}) - Das gehört zum Thema. ({10}) Das war ein Eigentor des Herrn Zwickel. Ich würde es also begrüßen, wenn sich Herr Zwickel informieren würde, wie es wäre, wenn er für einen solchen Betrieb und seine Belegschaft verantwortlich wäre. Mir ist jedenfalls ein effektvoller Sauerländer Krauter dreimal lieber als ein miesepetriger Funktionär in Frankfurt. ({11})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Hoss.

Prof. h. c. Willi Hoss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben aus dem letzten Beitrag und den Reaktionen darauf ersehen, daß es hier um die Fortsetzung des Wahlkampfes geht, der am 18. März in der DDR beendet wird. Indem die CDU diese Aktuelle Stunde über das Gewerkschaftsgesetz als Hindernis für eine marktwirtschaftliche Entwicklung in der DDR aufgesetzt hat, zeigt sie für mich oder für uns ganz klar, daß sie in erster Linie die Interessen des in die DDR hineinfließenden Kapitals im Auge hat. ({0}) Ich möchte hier einmal als erster zwischen dem, was inhaltlich, substantiell in diesem Gesetz ist, der Form dieses Gesetzes, demjenigen, der das Gesetz eingebracht hat, und der Tatsache, ob wir uns damit anfreunden können, unterscheiden. Dies müssen wir einmal untersuchen. Erstens zum Inhalt. Inhaltlich sind in dem Gesetz eine ganze Reihe von Sachen enthalten, von denen das meiste bei uns in der Bundesrepublik ohnehin gültig ist. Man könnte die Frage stellen: Wenn das so ist, warum verabschieden sie es dann noch 14 Tage vor der Wahl, und warum warten sie nicht ab, bis das Betriebsverfassungsgesetz kommt? - Das wäre sozusagen Ihre Argumentation. Man muß aber festhalten, daß wir solche Dinge wie Mitbestimmungsrechte bei Betriebsänderungen, bei Schließungen, bei Einschränkungen der Produktion, in Personalangelegenheiten, in Lohnbewertungsfragen und ähnlichem und Informationsrechte im Betrieb auch haben. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf den Arbeiter- und Bauernstaat - das muß man dazu gleich anmerken -, daß man heute ein solches Gesetz verabschieden muß und daß man in diesem Staat solche Gesetze und Rechte nicht schon seit 40 Jahren hat. ({1}) - Das steht auf einem anderen Blatt. Das Gesetz enthält auch weitergehende Regelungen, z. B. das Aussperrungsverbot. Die Gewerkschaften - das wissen wir -, z. B. die IG Metall, die sich jetzt in der Verhandlungsrunde befindet, wären froh, wenn wir einen Gesetzentwurf hätten, der die Aussperrung verbietet, weil es einen unverhältnismäßigen Kraftaufwand von seiten der Unternehmer gegen die Gewerkschaften bedeutet, dann, wenn in einem Gebiet gestreikt wird, Leute auch in einem anderen Gebiet auszusperren und damit dann auch noch die Gewerkschaftskasse zu belasten. Das heißt, es gibt in dem Gesetz auch Regelungen, die bei uns erwünscht wären. Ich will dazu gleich sagen: Der Vorteil, daß es überhaupt ein solches Gesetz gibt, wird, wenn es zu diesem Einigungsprozeß kommt, darin liegen, daß es eine Diskussion darüber gibt: Was haben wir für ein Gesetz, und was haben sie drüben für ein Gesetz? Wir werden dann schon herausfinden, was brauchbar ist. Dabei werden die Gewerkschaften mitmachen. Dann wird - deshalb bin ich froh, daß das Gesetz in diesen Tagen dort verabschiedet worden ist - auch das Problem des Aussperrungsverbots in diese Debatten eingehen. Das Problem besteht doch darin: Den Leuten, die sich wirklich Gedanken über die Entwicklung machen, steht doch das Wasser bis zum Hals, ({2}) denn angesichts dessen, daß man immer von Währungsunion spricht, daß man von Wirtschaftsunion spricht und von der Sozialunion erst in den letzten 14 Tagen so richtig spricht, nachdem sich die Leute in der DDR etwas bemerkbar gemacht haben und Ängste gegenüber dieser Art der Einigung gezeigt haben ({3}) - Herr Cronenberg, das wissen Sie doch ganz genau - , haben die Leute sowohl betreffend Mietrecht, Bodenrecht, Eigentumsrecht als auch betreffend die Fragen der Mitbestimmung in den Betrieben schnell ein Gesetz zusammengeschustert. Das wäre nicht so, wenn wir in dem Prozeß der Einigung, wenn er denn kommen soll - auch wir sind dafür, daß er kommen soll -, mehr Zeit hätten. ({4}) Von seiten der SPD, von Willy Brandt, wird gesagt: Der Prozeß geht uns zu langsam. - Sie von den Regierungsparteien wollen nach Art. 23 des Grundgesetzes verfahren. Sie wollen überhaupt nicht verhandeln und reden. Sie wollen die DDR an die Bundesrepublik anschließen. ({5}) Das heißt, Sie wollen die Möglichkeit verbauen, daß die Leute drüben und hier miteinander ins Gespräch kommen und daß sich der Prozeß über längere Zeit hinzieht. Warum eilt es so, wenn wir uns einig sind, daß wir die Einigung wollen? Warum regeln wir nicht die Fragen, und warum nehmen wir nicht den Leuten die Ängste, die sie haben, nämlich daß bei diesem Prozeß des Anschlusses viele Dinge verlorengehen, sei es z. B. die Mindestrente, die man drüben hat. Es ist nicht viel, was dort besser ist; das sehe ich doch genauso wie Sie alle. Angesichts dessen, was dort besser ist und was bei uns noch hineinpaßt, sollte man sich aber nicht die Chance entgehen lassen, in einem Prozeß der Diskussion - aber nicht des Anschlusses, wie Sie das wollen - beides zusammenzufügen. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Herr Vogt.

Wolfgang Vogt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002384

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hoss, wir sollten es den Bürgern der DDR überlassen, ob sie von der Möglichkeit des Art. 23 des Grundgesetzes Gebrauch machen und der Bundesrepublik Deutschland beitreten wollen; denn es geht um Beitritt und nicht um Anschluß, Herr Kollege. ({0}) Natürlich, wir werden den Bürgern der DDR auch in dieser Frage unseren Rat geben, genauso, wie wir ihnen unseren Rat in Fragen des Gewerkschaftsgesetzes geben - und dabei sind wir jetzt, Herr Kollege. Meine Damen und Herren, das gestern von der Volkskammer verabschiedete Gewerkschaftsgesetz weist gegenüber dem ursprünglichen Entwurf nur marginale Veränderungen auf. Deshalb bleibt das Urteil gleich. Dieses Gesetz ist eine Fortführung des altbekannten Sozialismus mit anderen Mitteln. Dieses Gesetz ist ein Stolperstein auf dem Weg zu einer freien, einer sozialen Gesellschaft in der DDR, ein Stolperstein auf dem Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion, und es ist ein Schlag in das Gesicht all der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der DDR, die sich einen wirklichen Neuanfang versprechen, und ist ein Schlag in das Gesicht der deutschen Gewerkschaften, die geglaubt haben, mit dem FDGB ließe sich eine demokratische, eine freie Arbeitnehmervertretung aufbauen. Man kann nur hoffen, daß dieses Gesetz von einem frei gewählten Parlament beseitigt wird. Das Gebot der Stunde für die DDR sind demokratisch legitimierte Arbeitnehmervertretungen, ist Mitbestimmung und nicht Fremdbestimmung der Arbeitnehmer. Meine Damen und Herren, dieses Gesetz soll über den 18. März hinaus die dominierende Rolle des FDGB, der Arbeitsfront der SED in den Betrieben festschreiben. Nur wer die demokratische Entwicklung in der DDR verhindern will, nur wer den wirtschaftlichen Aufbau der DDR behindern will, kann ein solches Gesetz verabschieden. Soziale Marktwirtschaft und die bankrotte Kommandowirtschaft verhalten sich wie Feuer und Wasser. Dieses Gesetz ist ein Dinosaurier des alten Systems, orientiert an den bisherigen Strukturen einer staatsabhängigen, allmächtigen Gewerkschaft, die einen Alleinvertretungsanspruch für alle Arbeitnehmer behauptet. Dieses Gesetz vergißt, daß Demokratie auch im Wirtschafts- und Sozialbereich Vielfalt, Teilung der Macht und sozialverantwortliches Zusammenwirken bedeutet. Die DDR braucht keinen Alleinvertretungsanspruch des FDGB auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Gesellschaft. Sie braucht vielmehr erstens eine Tarifautonomie, die diesen Namen verdient. Frei gebildete Vereinigungen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber müssen das Recht erhalten, Tarifverträge abzuschließen und notfalls auch Arbeitskämpfe zur Durchsetzung der tariflichen Ziele zu führen. Zur Sicherung der Tarifautonomie gehört ein modernes Tarifvertragsrecht. Zweitens. Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie müssen ergänzt werden durch ein Betriebsverfassungsgesetz, das die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Belegschaften im Betrieb regelt. Die Betriebsräte müssen die Interessen der gesamten Belegschaft vertreten - ohne Rücksicht auf eine eventuelle Gewerkschaftsmitgliedschaft des einzelnen Arbeitnehmers. Drittens. In der DDR muß in Kapitalgesellschaften eine Unternehmensmitbestimmung geschaffen werden, damit die Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten von Anfang an an wichtigen unternehmerischen Planungen und Entscheidungen teilhaben. Viertens. Die DDR braucht ein Kündigungsschutzsystem, das zwar wirtschaftlich unabweisbare Kündigungen nicht verhindert, aber notwendige Personalanpassungen sozial verträglich ausgestaltet. Vorbild könnte unser Kündigungsschutzrecht sein. Dabei denke ich auch an unsere Regelungen für besonders schutzbedürftige Arbeitnehmer, z. B. für Schwerbehinderte. Fünftens. Für Streitfälle muß eine unabhängige Arbeitsgerichtsbarkeit geschaffen werden, in der ähnlich wie bei uns Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden als ehrenamtliche Richter neben einem Berufsrichter stark eingebunden sind. Sechstens. Die DDR braucht ein funktionierendes Arbeitsschutzsystem. Meine Damen und Herren, der FDGB und die jetzige Volkskammer würden heute glaubwürdiger dastehen, wenn sie ihren Blick vorwärts auf diese Probleme gerichtet hätten, statt den Rückwärtsgang einzulegen. Es wird versucht, alte Macht, die ohnehin nicht mehr zu halten ist, zu zementieren. Unsere Landsleute in der DDR dürfen und werden sich dies nicht bieten lassen. Sie sind das Volk und werden dies am 18. März unter Beweis stellen. Vielen Dank. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Scheu.

Dr. Gerhard Scheu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001962, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das von einer demokratisch nicht legitimierten Volkskammer noch kurz vor Toresschluß verabschiedete Gesetz über die Rechte des sogenannten Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und die zugleich verfügte Änderung der Verfassung der DDR sind Wegmarken zu dem vom FDGB ins Auge gefaßten vereinten sozialistischen deutschen Gewerkschaftsstaat. Wer ob taktischer Lippenbekenntnisse zur Sozialen Marktwirtschaft noch einen Zweifel gehabt hatte - dieses Gesetz muß ihn belehren. Zu deutlich wird, worum es seinen kommunistischen Initiatoren in der DDR und worum es denen geht, die hier Verständnis gezeigt haben. Franz Steinkühler, der clevere Vorsitzende der IG Metall, sieht das „Diktat kapitalistischer Beutegeier" drohen und ist auf dem „dritten Weg" des, wie er sagt, beileibe nicht gescheiterten sogenannten demokratischen Sozialismus. Er will über die Zukunft der Gewerkschaftsrechte in einem geeinten Deutschland heute auf dem Territorium der DDR - Zitat - entschieden wissen. In diesem Kontext steht das Gewerkschaftsgesetz, das zwar in letzter Minute noch abgeschwächt, in der Grundrichtung aber kaum verändert wurde. Hinter dem Gesetz steht zum einen der Versuch, die materielle und apparative Basis der Einheitsgewerkschaft in der DDR vor dem Volkszorn zu retten. Der FDGB weiß, daß ihm das Volk die Prachtbauten am Märkischen Ufer, die Privilegien der hauptamtlichen Gewerkschaftskader, die Korruption und den Amtsmißbrauch der Staatsparteigewerkschaft einstweilen nicht verzeihen wird. In generöser Weise sichert das Gesetz daher den Restapparat, um ihn im neuen Gewand, aber im alten Geist die Krise überstehen zu lassen. Auf dem Umweg über gewerkschaftlich kontrollierte, von den Betrieben finanzierte Fonds mit Zuwendungen - im Entwurf hieß es noch „staatlichen Zuschüssen" - und vermittels gewerkschaftsgesetzlicher Garantie der unbehinderten wirtschaftlichen Betätigung - neben dem „Feriendienst" ist ausdrücklich die „Leitung der gesamten Sozialversicherung " genannt; Wohnungsbaugesellschaften à la Neue Heimat fehlen bezeichnenderweise - sollen Tausende Funktionäre von dem Risiko freigestellt werden, ihre überdurchschnittlichen Gehälter könnten bei Sinken der Mitgliederzahlen nicht weiter gezahlt werden. Wo könnten sie auch sonst so relativ gut verdienen? In der Baukompanie DDR beim Wiederaufbau des von ihnen ruinierten Landes bestimmt nicht. Das läge als tätige Reue zwar nahe, aber wer stellte solche Trümmerspezialisten schon ein? Sozialismus, meine Damen und Herren, ist der stets erfolgreiche Versuch: Trümmer schaffen ohne Waffen. ({0}) Nun, Besitzstandswahrung scheint an sich kein strafwürdiges Anliegen zu sein. Gravierender ist, wofür und zu welchem Zweck das Gesetz dienen soll. Das Gesetz und die Verfassungsänderung gewährleisten der Gewerkschaft den Zugang, d. h. Sendezeiten, zu allen Medien, das unbeschränkte Recht der Gesetzesinitiative und der Mitwirkung an der Rechtsetzung auf allen Ebenen, das Recht zur Überwachung und Kontrolle des Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutzes, das Recht zur jederzeit ungehinderten Einsicht in betriebliche Unterlagen, das Recht, alle betrieblichen Fragen, die die Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen betreffen, d. h. auch die Änderung der Produktion oder die Umwandlung in Privateigentum, mitzubestimmen, das Recht, mißliebige Unternehmerentscheidungen auszusetzen und gegen sie vor Gericht vorzugehen, das Recht auf Streik; und wer sie dabei, etwa als sogenannter Streikbrecher, behindert, dem drohen möglicherweise sogar strafrechtliche Sanktionen. Die Unternehmungen selbst werden demgegenüber natürlich relativ wehrlos gestellt. Jegliche Aussperrung, auch die Abwehraussperrung, ist verboten, und sie darf weder direkt noch indirekt als Arbeitskampfmittel eingesetzt werden. In allen Fällen der mittelbar arbeitskampfbedingten Produktionsstörungen ist die Lohnfortzahlung gesetzlich zu gewährleisten. Und überhaupt, bei Arbeitskämpfen kann die Gewerkschaft Schaden anrichten, wie sie will, das Gesetz stellt sie von Schadensersatzansprüchen frei. Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, ist nichts anderes als die alte Monopolstrategie der Kommunisten im neuen Gewand. Die Gewerkschaft will sich nicht mit bloßer Gegenmacht, geschweige denn mit Sozialpartnerschaft begnügen. ({1}) Sie erklärt sich mit diesem von ihr in die Volkskammer eingebrachten Gesetz zur faktischen Nebenregierung und, nachdem das Volk der SED die Macht entwunden hat, zum Oberunternehmen im Staat. Die DDR soll ein FDGB-Konzern, das geeinte Deutschland später ein Gewerkschaftsstaat werden. ({2}) Das verspricht nicht unbedingt Gutes, und es zeigt, was ein vereintes Deutschland braucht: Freiheit statt Sozialismus, soziale Marktwirtschaft statt Machterhalt für den FDGB. ({3})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir halten dieses Gesetz, das in der DDR verabschiedet worden ist, für ein Investitionserschwernisgesetz; so würde ich es einmal nennen wollen. ({0}) Tatsache ist aber, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund schon zu diesem Gesetz, aber auch zu jedem anderen Gewerkschaftsgesetz nein gesagt hat. Das wollen wir einmal festhalten. Ich verstehe nur nicht, warum die CDU/CSU diese Aktuelle Stunde beantragt hat. ({1}) Hier werden politische Popanze aufgebaut und psychologische Hemmnisse errichtet. Indem wir darüber diskutieren, erschweren wir zusätzlich die Investitionen, die drüben dringend erforderlich wären. ({2}) Tatsache ist eben auch - was uns schon zugerufen wurde - , daß die CDU in der DDR, Ihr Verbündeter in der Allianz, diesem Gesetz zugestimmt hat oder es weitgehend akzeptiert hat. Zumindest haben Sie dies kräftig unterstützt. Das wollen wir festhalten, und deshalb gilt meine Frage einmal mehr: Warum haben Sie eigentlich diese Aktuelle Stunde beantragt? Meine Damen und Herren, die soziale Marktwirtschaft ist aus unserer Sicht kein geschlossenes System. Es gibt laufend etwas daran zu verbessern. Ich sage einmal: Natürlich gehören Gewerkschaften, Streikrecht und Tarifautonomie zwingend zu einer sozialen Marktwirtschaft. Notwendig ist aber immer - darum bitte ich - , daß wir differenziert argumentieren. Es ist völlig verfehlt, wenn die CDU meint, von Bonn aus nun Wahlkampf in der DDR machen zu müssen. ({3}) - Wir sind dazu gezwungen. ({4}) Übersehen wir doch bitte nicht, daß es in unserer sozialen Marktwirtschaft auch viele Fehler gibt. Ich erinnere z. B. daran, daß der Kapitalmarktzins, der Zins für Kredite, in der letzten Zeit enorm gestiegen ist. Er ist in einer Weise gestiegen, wie das noch niemals vorher der Fall war. Dies erschwert auch bei uns erheblich die Investitionen. Ich weiß auch davon zu berichten, daß manche Märkte bei uns nicht offen sind, daß es Machtballungen gibt und daß bei etwa 50 % des BSP der Staat direkt oder indirekt interveniert. Auch dies ist ein Investitionshemmnis. Schließlich sage ich, daß es eine ungerechte Einkommens- und Vermögensverteilung in unserer Gesellschaft gibt. Zu einem Investitionsprozeß auf Dauer gehören sowohl vernünftige Angebotsbedingungen als auch eine entsprechende Nachfrage und entsprechende Absatzmöglichkeiten. Ich will Ihnen ehrlich sagen - das habe ich schon wiederholt festgestellt - : Ich halte es für unmöglich, daß bei uns z. B. der Chef von Springer etwa fünfzigmal mehr verdient als ein durchschnittlicher Arbeitnehmer. Dies hat mit einer gerechten Einkommensverteilung überhaupt nichts mehr zu tun. ({5}) Das ist ein Beispiel, das man durchaus bringen kann. Der hat vierzigmal so viel, andere haben fünfundvierzigmal so viel Einkommen. Irgendwo hört es auf. Wenn der Kanzler zehnmal mehr verdient als der durchschnittliche Arbeitnehmer, dann würde ich ihm das gönnen und sagen: Das hat mit Leistung vielleicht indirekt etwas zu tun. ({6}) Bei fünfzigmal mehr Einkommen stecken sich einige die Tasche voll, die an der Krippe sitzen und kräftig zulangen, meine Damen und Herren. Das wollen wir doch einmal festhalten. Ich glaube - das will ich zum Schluß sagen - , wir hätten beim Aufbau der sozialen Marktwirtschaft schon viel weiter sein können. Wir Sozialdemokraten haben im Januar dieses Jahres ein Sofortprogramm gefordert. Darin steht z. B., daß es notwendig ist, endlich die COCOM-Liste zu beseitigen, damit drüben modernste Investitionen getätigt werden können. Das wäre dringend erforderlich, wenn wir Wirtschaft umstrukturieren wollen. Darin steht, daß wir endlich etwas für den Aufbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur tun müssen. Wo soll denn ein Unternehmer investieren, wenn keine Straßen vorhanden sind? Es steht z. B. darin, daß wir ein neues, modernes Telefonnetz brauchen. Wie will man Geschäfte machen, wenn man nicht telefonieren kann? All dies hätte diese Regierung schon anpacken können. Ich sage noch einmal: Sie sollte fairerweise den Bürgern in dieser Republik auch sagen, was das alles kostet; denn Kosten kommen auf die Bürger zu. Die Bürger werden sich hinterher bei Ihnen beschweren, wenn sie das nicht schon im voraus erfahren. Also packen Sie diese Sachen, die wir schon lange gefordert haben, endlich an, damit drüben investiert werden kann. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Funke.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat kann das Gesetz über die Rechte der Gewerkschaften in der DDR genausogut mit dem Titel „Antiinvestitionsgesetz" überschrieben werden. Offensichtlich haben sich die Volkskammer, die Gewerkschaften und die gesellschaftlichen Kräfte in der DDR einschließlich der Parteien noch nicht auf die veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingestellt. Verbal wird zwar bekundet, daß man die soziale Marktwirtschaft wolle und diese gemeinsam mit einer Währungsunion auch einzuführen habe; tatsächlich wird aber noch in den alten Strukturen und Denkweisen gehandelt. Die Macht der Gewerkschaften in den Betrieben und in der Gesellschaft zu stärken, ohne dabei die Grundsätze der Mitbestimmung und des Betriebsverfassungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden, ist kontraproduktiv. Hier sollen offensichtlich nur alte Besitzstände des FDGB und von dessen Funktionären gesichert werden. Ich weiß, daß dem vom FDGB vorgelegten Gesetzentwurf in der gestrigen Volkskammersitzung eine Reihe von Giftzähnen gezogen worden sind. Demnach soll den Gewerkschaften kein Vetorecht auf dem Gebiet des Sozial- und Rentenrechts, der Preise, der Besteuerung, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie des Umweltschutzes gegeben werden. Die DDR möchte aber die Mitbestimmung im Betrieb für die Gewerkschaften in extensiver Weise gesichert sehen, auch wenn damit ein betriebliches Vetorecht nicht gegeben ist. Wer glaubt eigentlich ernsthaft, daß westdeutsches Kapital in die Betriebe der DDR fließt, wenn der FDGB, der in den letzten Jahren und Monaten nicht gerade seinen wirtschaftlichen Sachverstand bewiesen hat, wirtschaftliche Entscheidungen konterkarieren kann? Aus diesem Grunde kann nur erneut betont werden, daß dieses Gesetz in der vorliegenden Form ein Investitionshindernis erster Klasse ist. ({0}) Wenn wir uns auf den Weg zur deutschen Einheit begeben wollen, bedeutet dies, daß wir auf den Weg zur deutschen Wirtschafts- und Währungseinheit gehen müssen. Dies geht nur über die Einführung unseres Systems der sozialen Marktwirtschaft. Ich gebe Ihnen recht, Herr Dr. Jens, daß dies ein offenes System sein muß und kein geschlossenes System sein darf. Wir sind aber nicht bereit, an sozialistischen Experimenten, an sozialistischen Reparaturbetrieben mitzuwirken. Auch der FDGB und die Volkskammer müssen sehen, daß der bisherige Weg des real existierenden Sozialismus ein real existierender Wirtschaftszusammenbruch ist. Hier hilft nur eine radikale Umkehr des Wirtschaftssystems. Insoweit war das gestrige Gewerkschaftsgesetz eine weitere Warnung, auf diesem Weg nicht weiterzugehen, da auf diese Weise eine gemeinsame Wirtschaftsordnung nicht herzustellen ist. Ich bin sicher, daß wir alle hier im Hause meinen, daß eine Einheit auch über eine Wirtschaftsordnung hergestellt werden sollte. Dann müßten wir aber auch dagegen sein, daß hier sozusagen noch in letzter Minute versucht wird, diese Gemeinsamkeit zu konterkarieren. Ich danke Ihnen. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Hoss. ({0})

Prof. h. c. Willi Hoss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

In den zwei Minuten, die mir noch zur Verfügung stehen, möchte ich noch einmal darauf verweisen, daß es selbstverständlich ist, daß in diesem Prozeß, der derzeit in Deutschland abläuft, die Kapitalseite versucht, bei dieser ganzen Aktion möglichst ihre Gewinne zu machen. ({0}) - Sie werden sehen, daß trotz dieser Unkenrufe, dies sei das größte Antiinvestitionsgesetz, das Kapital fließen wird. In 14 Tagen oder zwei Monaten werden wir wieder darüber sprechen. Das Problem besteht darin, daß auch die Arbeitnehmer in diesem Prozeß versuchen müssen, aus der Lage das Beste zu machen. Und da sehe ich eben in der DDR einen Prozeß, der derzeit behindert wird. Es gibt in den Betrieben eine Auseinandersetzung über die Selbstorganisation von Arbeitern in den Unternehmen in der Form von Betriebsräten, die sich gegen die Staatsgewerkschaft FDGB richtet. ({1}) - Natürlich ist das so. - Dieser Prozeß wird aber dadurch behindert, daß man jetzt zugelassen hat, daß durch eine Beschleunigung des Vereinigungsprozesses der FDGB sozusagen Wasser auf die Mühlen bekommen hat, in letzter Minute noch ein solches Gesetz einzubringen, das sicher auch seine Tücken hat. Aber das Problem besteht darin, daß wir sehen müssen, daß wir einen Prozeß unterstützen sollen, der die Selbstorganisation der Arbeiter in den Betrieben stützt, und zwar auch gegen den Alleinvertretungsanspruch des FDGB, der nach wie vor vorhanden ist; das sieht man ganz deutlich. Ich darf zum Abschluß noch sagen: Wenn wir hier ganz offen und ehrlich darüber sprechen: Da liegen ja auch die Schwierigkeiten des DGB im Umgang mit dem FDGB. Es gibt da auch Schwierigkeiten im legeren Umgang z. B. mit dem Gewerkschaftspluralismus oder mit der inneren Demokratie oder auch mit der Kontrolle der Funktionäre. Sehen wir in die Aufsichtsräte, was da passiert! Gerade in dem Prozeß, der in der DDR abläuft - daß man da versucht, die Selbstorganisation auf andere Weise zu bewerkstelligen und sich nicht in das Bett des FDGB pressen zu lassen - liegt doch gerade die Chance für uns alle, daß in einem vereinten Deutschland auch diese Seite besser behandelt wird. Danke. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft, Herr Beckmann.

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die zarte Pflanze erster Ansätze marktwirtschaftlicher Reformen in der DDR wird von diesem Gewerkschaftsgesetz in der Tat schwer verhagelt. Es wird erneut deutlich: Die altgedienten Genossen der SED-PDS haben noch nicht begriffen oder wollen noch nicht begreifen, was eigentlich soziale Marktwirtschaft ist. ({0}) Dieses Gewerkschaftsgesetz ist ein Gesetz aus der sozialistischen Rumpelkammer, und da, wo es herkommt, soll es auch schnellstens wieder hin. ({1}) Dieses Gesetz bewegt sich in den Denkstrukturen der traditionellen Planwirtschaft. Gelebte Sozialpartnerschaft zwischen freien Gewerkschaften und privaten Arbeitgeberverbänden geht nun einmal nicht in diese Betonköpfe der SED-PDS-Genossen und ihrer Vasallen im FDGB hinein. ({2}) Das Gesetz ist ein Instrument zur Machterhaltung von Gewerkschaftspositionen auch über die Tage des FDGB hinaus. Unter dem Deckmantel der gewerkschaftlichen Organisation will die SED-PDS weiter in die Betriebe hineinregieren. Ich frage mich nun: Wie will man mit einer derartigen Gewerkschaftsmacht das dringend benötigte private Kapital aus dem Westen in die DDR locken, um durch neue Investitionen die Produktivität der DDRWirtschaft zu verbessern? Dieses Gesetz ist in der Tat ein Investitionsverhinderungsgesetz. Privates Kapital ist, wie wir wissen, scheu wie ein Reh. ({3}) Es wird von diesem Gesetz dauerhaft abgeschreckt. Die Attraktivität des Investitionsstandorts DDR wird gravierend belastet oder sogar auf Null reduziert. Mich macht es eigentlich betroffen, wie dieses Gesetz die tatsächlichen Wünsche, die Hoffnungen und auch die Sehnsüchte der Menschen in der DDR mißachtet. Die friedliche Revolution der Menschen war gegen Bevormundung und auf Verwirklichung von mehr Freiheit und mehr Individualität gerichtet. Die Menschen haben es doch einfach satt, fremdbestimmt zu leben und sich den Kommandos nichtdemokratisch legitimierter Macht unterwerfen zu müssen. Wie wenig wird dieses Gesetz den Hoffnungen der Menschen gerecht! Glaubt man wirklich, mit diesem Gesetz den Menschen in der DDR gerade in der Arbeitswelt eine Perspektive zu geben, die sie zum Bleiben veranlaßt und die neue Motivation schafft? Das Gesetz zielt auf Fremdbestimmung der unternehmerischen Entscheidungen von außen durch die Gewerkschaften. Mit unserer Mitbestimmung und unserer Betriebsverfassung hat es nichts gemein. Unser marktwirtschaftliches System läßt sich mit dieser planwirtschaftlichen Mißgeburt nicht vergleichen. Meine Damen und Herren, das Gesetz soll zudem Betriebe in jeder Eigentumsform und unabhängig von ihrer Größe erfassen. Die Entwicklung einer leistungsfähigen mittelständischen Unternehmensstruktur wird damit von vornherein verhindert. ({4}) Welchen mittelständischen Unternehmer läßt nicht der Gedanke schauern, daß seiner unternehmerischen Initiative gewerkschaftliche Fesseln angelegt werden sollen? ({5}) Ich möchte, meine Damen und Herren, einige besonders gravierende Mängel dieses Gesetzes beispielhaft nennen: das vorgesehene Initiativrecht der Gewerkschaften zur Einbringung von Gesetzentwürfen in die Volkskammer ({6}) und die Mitwirkung bei Rechtsvorschriften über Arbeits- und Lebensbedingungen der Werktätigen, die Mitbestimmung der Betriebsgewerkschaftsorganisation bei allen betrieblichen Entscheidungen. Hinzu kommt, daß alle Entscheidungen der Betriebsleitung von den Betriebsgewerkschaftsorganisationen, wie es heißt, „suspendiert" werden können. Ich nenne das Verbot der Aussperrung und damit die Verletzung des Grundsatzes der Kampfparität. Schließlich nenne ich die Kontroll- und Einsichtsrechte der Gewerkschaften in den Betrieben. Sämtliche Aktivitäten der Gewerkschaftsvertreter sind zudem durch die Unternehmen zu finanzieren. Meine Damen und Herren, nach dem Entwurf wird letztendlich die Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialordnung der DDR, einschließlich des Gesundheits- und Umweltschutzes, der gewerkschaftlichen Mitwirkung voll unterworfen. Ich frage mich, ob ein derartiges Machtpotential mit einer demokratischen Staatsverfassung, in der alle Gewalt auch demokratisch legitimiert werden muß, noch zu vereinbaren ist. ({7}) Im übrigen, meine Damen und Herren, könnte eine Gewerkschaft mit derart weitgehenden Rechten nicht als Tarifvertragspartei akzeptiert werden, weil weder politische Unabhängigkeit noch das für die Tarif autonomie wesentliche Prinzip der Verhandlungsparität gewährleistet werden. Innerbetrieblich würde das angestrebte System Betriebsräte, die von allen Arbeitnehmern und nicht nur von Gewerkschaftsmitgliedern frei gewählt werden, überflüssig machen. Unter diesem Aspekt bedeutet der Gesetzentwurf nicht nur eine Absage an ein Betriebsverfassungssystem in Anlehnung an das Modell der Bundesrepublik, sondern letztlich sogar ein Instrument zu dessen Verhinderung - unabhängig von allen gegenteiligen Beteuerungen. Meine Damen und Herren, der Aufbau eines marktwirtschaftlichen Systems, das letztlich auf eine Ausbalancierung der Kräfte beruht, ist mit einem solchen Gewerkschaftsgesetz von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ich denke, was die DDR jetzt braucht, ist eine soziale Arbeitsverfassung für mündige Arbeitnehmer. Das setzt aus unserer Sicht voraus: erstens einen angemessenen Schutz des einzelnen Arbeitnehmers im Betrieb; zweitens eine aus freien Wahlen hervorgegangene Interessenvertretung der Arbeitnehmer, d. h. einen Betriebsrat; ({8}) drittens ein ausgewogenes Geflecht von Mitwirkungsrechten der Arbeitnehmervertreter im Betrieb; ({9}) viertens die Schaffung der Voraussetzungen für eine Vertretung der Arbeitnehmer in den Kontrollorganen in Großunternehmen; ({10}) fünftens eine auf der Vereinigungsfreiheit des einzelnen basierende freiheitliche, pluralistische Gewerkschaftsstruktur ({11}) sowie die Schaffung unabhängiger Unternehmensverbände; ({12}) sechstens die Ablösung der alten Rahmenkollektivordnungen durch frei ausgehandelte Tarifverträge zwischen freien Gewerkschaften und freien Arbeitgeberverbänden; ({13}) siebtens den Aufbau einer unabhängigen rechtsstaatlichen Arbeitsgerichtsbarkeit und schließlich - achtens - die Möglichkeit der Kapitalbeteiligung von Arbeitnehmern an Unternehmen. ({14}) Meine Damen und Herren, es gilt, die einfachen marktwirtschaftlichen Wahrheiten konsequent umzusetzen. Bertolt Brecht hat einmal gesagt: „Nur belehrt von der Wirklichkeit können wir die Wirklichkeit ändern. " ({15}) Die DDR muß endlich Abschied nehmen von planwirtschaftlichen Luftschlössern und von Illusionen. Vielen Dank. ({16})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Schreiber.

Werner Schreiber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002071, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich den Kollegen Dreßler die ersten Sätze reden hörte, dachte ich: Das wird ja eine muntere Diskussion pro und kontra. Dann hat der Kollege Dreßler aber eine ganze Reihe von Aussagen gemacht, die von der CDU/CSU geradezu euphorisch beklatscht worden sind. Herr Kollege Dreßler, ich habe den Eindruck, Sie haben noch nie so viel Beifall wie heute nachmittag von der CDU/CSU bekommen. ({0}) - Nein, ich wollte das nur einmal mit eingebracht haben, weil das ja auch ein Stückweit dafür spricht, daß es auch Bereiche gibt, in denen man parallel miteinander sprechen, diskutieren kann. Meine Damen und Herren, um was geht es denn am heutigen Nachmittag? Der Prozeß der Vereinigung der beiden deutschen Staaten hat - das ist doch die Problematik - eine Dynamik erhalten, die uns dazu zwingt, uns über das Zusammenwachsen der einzelnen Politikbereiche Gedanken zu machen. Wir sagen ja immer: Es muß zusammenwachsen, aber es darf nicht wild zusammenwachsen. Wenn es darum geht, ein kontinuierliches Zusammenwachsen zu garantieren, müssen wir uns, denke ich, sehr wohl mit Initiativen und Gesetzen befassen, die jetzt in der DDR verabschiedet werden und die eine Auswirkung auf unser Zusammenwachsen haben. Weil ich dieser Auffassung bin, glaube ich - ich sage das ganz deutlich - , daß das Gewerkschaftsgesetz, das gestern in der Volkskammer verabschiedet wurde, das falsche Gesetz zum falschen Zeitpunkt ist. ({1}) Stellt man die Frage, warum die Bundesrepublik Deutschland heute nicht nur für die Menschen aus der DDR so attraktiv ist, so lautet die Antwort: Es sind natürlich auch die wirtschaftliche Attraktivität und die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. Die ist doch nicht vom Himmel gefallen. Sie war möglich durch die Rahmenbedingungen, sie war möglich durch die Soziale Marktwirtschaft - das ist doch einer der Kernpunkte - , sie war möglich durch die soziale Partnerschaft. ({2}) Starke Gewerkschaften als Interessenvertreter der Arbeitnehmer auf der einen Seite, Unternehmer mit Kapital, mit Gestaltungs- und Entscheidungsfreiräumen auf der anderen Seite, Tarifautonomie, Streikrecht ohne Beteiligung des Staates - das waren und sind doch die Trümpfe, die bei uns gestochen haben. Deshalb meine ich: Sie sind wesentliche Bestandteile des Fundaments, auf dem die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland ruht. Was folgt daraus? Die Arbeitnehmerschaft der DDR braucht demokratische, staats- und parteipolitisch unabhängige, starke Gewerkschaften. ({3}) Sie benötigt Betriebsräte, die unabhängig von der Betriebsleitung sind, so wie es die Betriebsräte in der Bundesrepublik Deutschland sind. Beides gehört unabdingbar zur Sozialen Marktwirtschaft. Ich denke, nur mit dem Begriff Soziale Marktwirtschaft ist die Wirtschaft der DDR nicht zu retten. Ich glaube, es ist wichtig, festzustellen: Eine marktwirtschaftliche Tarnkappe reicht nicht aus. Der Begriff muß mit Leben, mit konkreten Entscheidungen gefüllt werden. So gibt es eine ganze Menge von Fragen im Zusammenhang mit dem verabschiedeten Gesetz. Ich möchte nur einige wenige nennen. Ist es nicht so - das ist ja angesprochen worden -, daß es hier darum geht, eine Monopolstellung des FDGB zu zementieren? Die Gewerkschaftsbewegung ist immer auch eine Basisbewegung, hat der Vorsitzende des DGB gesagt. Er hat darauf hingewiesen, daß das von der Basis her aufgebaut werden muß. Das ist beim FDGB ganz sicher nicht der Fall. Ich möchte hinzufügen: Es gibt bekannterweise und glücklicherweise in der Gewerkschaftsbewegung der DDR Reformkräfte, die dieses Gesetz nicht wollen. Ich denke dabei an die Metallarbeiter innerhalb des FDGB. Diese haben wohl den Braten gerochen, der hier angerichtet werden soll. Es geht auch darum - lassen Sie mich das mit Blick auf die Diskussionen in der DDR hinzufügen; ich habe eine ganze Reihe solcher Diskussionen mitmachen können - , daß es starke Einzelgewerkschaften gibt, daß der Aufbau starker Einzelgewerkschaften forciert wird. Ich meine, es ist besser, von der Basis her zu einem Neuaufbau zu kommen. Auch dem widerspricht im Grunde genommen dieses Gewerkschaftsgesetz im Kern. Lassen Sie mich zusammenfassen: Erstens. Grundsätzlich ist dieses Gesetz ein Funktionärerhaltungsgesetz, ein Betriebsratsverhinderungsgesetz und ein Investitionsverhinderungsgesetz. Zweitens. Die in § 8 zugestandenen Rechte für die Gewerkschaftsvertreter sind in einer Konkurrenzwirtschaft unmöglich. Die Gewerkschaftsvertreter unterliegen keiner Schweigepflicht über betriebsinterne Angelegenheiten wie der Betriebsrat bei uns. Drittens. Das in § 10 Abs. 1 vorgesehene Recht der Gewerkschaften zur Gesetzesinitiative kann und darf es in einem freiheitlichen gesellschaftlichen System nicht geben. Viertens. In § 12 soll die alte Rolle des FDGB in den Betrieben sichergestellt werden, indem nicht frei gewählte Betriebsgewerkschaftsleitungen für die Arbeitnehmer entscheiden sollen. Dies ist ein Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit, gegen das Prinzip demokratisch gewählter Belegschaftsvertreter. Es bedeutet die Atomisierung des Tarifvertragsrechtes, da überbetriebliche Tarifverträge verhindert werden. Meine Damen und Herren, ich denke, es ist wichtig, dies auch an einem solchen Nachmittag deutlich zu machen. Wenn es richtig ist, daß wir in den nächsten Monaten alles tun sollen und wollen, um zusammenzuwachsen, dann muß dies kontinuierlich geschehen und dann ist es auch unser Recht und unsere Pflicht, unsere Meinung zu dem zu sagen, was aktuell in der DDR geschieht und was sich dort entwickelt. ({4})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Andres.

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich zitiere eine große, überregionale Tageszeitung: Die Ost-Berliner Volkskammer hat ein Gewerkschaftsgesetz verabschiedet. Nach kurzer Debatte stimmte die Mehrheit der 385 AbgeordneAndres ten dem neuen Gesetz in zweiter Lesung zu. Sechs Parlamentarier votierten dagegen. 53 enthielten sich der Stimme. Ich frage diese Seite des Hauses, wo denn diejenigen, die Ihnen sonst immer als Bündnispartner dienen, bei dieser Debatte in der Volkskammer waren. ({0}) Was haben Sie eigentlich Ihren Bündnispartnern in der Volkskammer gesagt, als es darum ging, dagegen anzutreten, zu diskutieren und die Voraussetzungen zu schaffen, ein solches Gesetz möglicherweise zu verhindern? Auf diese Frage an die rechte Hälfte dieses Hauses hätte ich gern eine Antwort. ({1}) Ich will hier festhalten: Das Gewerkschaftsgesetz der DDR ist für mich Ausdruck alten Denkens, und zwar Wort für Wort. ({2}) Die Machtstrukturen der SED-Kader sollen mit diesem Gesetz fortgeschrieben werden. Für mich ist es kein Zufall, daß der FDGB-Kongreß am 31. Januar und 1. Februar dieses Gesetz auf den Weg gebracht und diese Volkskammer ohne Not das Gesetz noch wenige Tage vor der ersten freien Wahl verabschiedet hat. Im Gewerkschaftsgesetz heißt es, daß die Gewerkschaften bei allen Gesetzen, die das Arbeitsleben betreffen, mitreden dürfen. ({3}) Dies ist für mich eine völlig klare Position. Für mich ist auch klar, Herr Beckmann, daß die vorbereitete Bestimmung, daß alle Gesetze der Zustimmung der Gewerkschaften bedürfen, durch die Volkskammer verändert, gestrichen worden ist. Nach dem Gesetz haben die Gewerkschaften das Recht des Zugangs zu allen Medien. Dies halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Aber ich muß das nicht alles gesetzlich regulieren. Ich muß es dann gesetzlich regulieren, wenn ich damit die Absicht verbinde, daß die alten Kader, die sich im FDGB über dieses Gesetz festsetzen, auch über diesen Weg weiterhin einen starken Zugriff auf die Medien haben sollen. Man hört: Ein gesondertes Betriebsverfassungsgesetz soll die Arbeit von Betriebsräten regeln. Aber im Gesetz steht: „Die Gewerkschaften überwachen und kontrollieren den Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz. " Auch das heißt altes Denken. Mit Rechtsstaatlichkeit hat das meiner Einschätzung nach nichts zu tun. Das heißt auch, daß für Betriebsräte kein Raum gegeben ist. Die Arbeitnehmer in der DDR stehen vor der Frage: Wollen wir ein Betriebsrätesystem, oder wollen wir das überkommene System der Betriebsgewerkschaftsleitungen? ({4}) Aus eigenen Erfahrungen weiß ich, daß die Betriebsgewerkschaftsleitungen vor dem Hintergrund dessen, was sie 40 Jahre lang getan haben, bei den Arbeitnehmern restlos desavouiert sind und jedes Vertrauen verloren haben. ({5}) Diese Konstruktion über ein Gesetz weiter festzuschreiben, kann nur darauf zurückzuführen sein, daß im FDGB zwar die erste Garde durch die zweite Garde ersetzt wurde, die Machtstrukturen im FDGB entsprechend den alten SED-Kadern sich damit aber nicht geändert haben. Ich trete dafür ein, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß es große und freie Gewerkschaften in der DDR gibt. Ich sage auch der Koalition - weil man die Zwischentöne gut hören muß - : Für mich als engagierten Gewerkschafter ist es nicht mit einem Betriebsrätesystem getan. Ich trete dafür ein, daß sich die Bürgerinnen und Bürger der DDR große, starke und freie Gewerkschaften gründen und schaffen ({6}) und daß diese großen und starken Gewerkschaften das Rückgrat für die Betriebsrätearbeit in der DDR bilden. ({7}) Ich sage Ihnen noch etwas. Ich war am vergangenen Donnerstag in der DDR bei einem Wahlkampfeinsatz. Da sagen mir die Menschen: Alle unsere Betriebsleiter haben das SED-Abzeichen abgelegt, und die verhalten sich jetzt so, wie sie uns vorher immer die bösen Kapitalisten geschildert haben. - Da wird die Frage, wie Sie es denn beispielsweise beim Aufbau von Sozialer Marktwirtschaft und wie Sie es mit diesen Kadern halten, auch eine ganz zentrale Rolle spielen. ({8}) Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Dieses System und diese Gewerkschaften haben mit dazu beigetragen, in 40 Jahren Ruinen zu schaffen. ({9}) Das kann man wirklich nachweisen, wenn man in die Betriebe dort geht und wenn man sich alles ansieht, was mit Infrastruktur zu tun hat. ({10}) Das soll nicht nur, sondern das muß und wird auch anders werden. Die freien Wahlen in der DDR am 18. März sind der nächste wichtige Schritt. Zum Aufbau einer demokratischen, politischen und sozialen Ordnung bedarf es weder eines Gewerkschafts- noch eines Verbändegesetzes, die gewerkschaftliche Vereinigungsfreiheit entspricht internationalen Normen, ist unabdingbarer Bestandteil eines demokratischen Sozialstaats. Alle, die sich hier gegen dieses Gewerkschaftsgesetz in der Art und Weise geäußert haben, sind aufgefordert, mit dazu beizutragen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß es große und starke Einheitsgewerkschaften in der DDR gibt, daß es ein Betriebsrätesystem dort gibt, und sie sind auch aufgefordert, darauf zu achten, daß die so15324 zialen Bedingungen der Menschen beim Umwandlungsprozeß in der DDR nicht unter den Schlitten geraten. ({11})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat Herr Hauser ({0}).

Hansheinz Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000833, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Auffassung unterstreichen, die meine Kollege Schreiber geäußert hat, nämlich daß wir nach den Ausführungen des Kollegen Dreßler eigentlich zu der Auffassung kommen konnten, die Debatte erübrige sich. ({0}) Aber ich muß sagen, je länger wir hier miteinander diskutieren, um so mehr habe ich den Eindruck, es ist doch gut, daß wir diese Gedanken hier einmal austragen. Für wichtig halte ich die Feststellung, daß die Koalition und die SPD-Fraktion in der Bewertung dieses Gesetzes einer Meinung sind. ({1}) Das ist deshalb wichtig, weil wir uns ja darüber zu unterhalten haben, was wir nach dem 18. März in Richtung DDR - vor allem dann, wenn die rechtlichen Bindungen noch enger werden - zu tun gedenken. Herr Kollege Hoss, hier geht es um die Interessen der Arbeitnehmer und nicht um die der Arbeitgeber. Denn zur Sozialen Marktwirtschaft, die wir wollen, gehört auch die Koalitionsfreiheit. In der Koalitionsfreiheit sind freie Gewerkschaften, unabhängige, freie Gewerkschaften, ein wichtiger Bestandteil und auch die Voraussetzung für eine Tarifautonomie, die bei uns nie in Frage gestanden hat. ({2}) Deswegen ist es notwendig, daß hier nicht versucht wird, künstlich irgendwelche Meinungsverschiedenheiten hineinzuinterpretieren, sondern daß wir gemeinsam versuchen, dieses Machwerk, das gestern dort verabschiedet worden ist, möglichst schnell aus der Welt zu bekommen und nicht wirksam werden zu lassen. Meine Damen und Herren, dabei geht es ja nicht nur um das, was hier schon eingehend besprochen worden ist und worauf ich mich jetzt gar nicht mehr näher einlassen will, weil ich das nicht alles zu wiederholen brauche, sondern es geht beispielsweise auch darum - das ist hier gar nicht angesprochen worden - , daß in diesem Gesetz den Gewerkschaften, und zwar ausschließlich den Gewerkschaften, die Leitung der Sozialversicherung übertragen wird. Sind wir denn der Meinung, Herr Kollege Dreßler Sie sind doch gerade in diesem Metier ein herausragender Fachmann - , ({3}) wir könnten es zulassen, daß sich in Zukunft die Sozialversicherung dort drüben in der DDR in den Händen des FDGB weiterentwickelt, ({4}) oder müssen wir nicht dafür sorgen, daß wir möglichst schnell das hier bewährte gegliederte System der Krankenversicherung in die DDR hineintragen, weil dies nämlich überhaupt die einzige Basis für eine wirkliche soziale Sicherung der dort Beschäftigten ist? ({5}) Meine Damen und Herren, es gibt ein Zweites. Wir haben großes Interesse daran, daß Investitionen vorgenommen werden. Was hier im Zusammenhang mit dem § 19, also Verbot von Aussperrung und gleichzeitig Festschreibung der Lohnfortzahlung durch die Betriebe in Streikfällen, verabschiedet worden ist, bedeutet eine völlige Veränderung der Waffengleichheit. Es ist weder EG-konform noch mit irgendwelchen internationalen arbeitsrechtlichen Bestimmungen konform. Von daher ist das Gesetz völlig unbrauchbar. Das Gesetz ist nicht ordentlich beraten. Es ist Marx und Murks gleichermaßen. Wir haben dafür zu sorgen, daß verhindert wird, daß hier aus einem SED-Staat ein FDGB-Staat wird. Ich habe dem, was die Kollegen in dieser Hinsicht eben geäußert haben, nichts hinzuzufügen. Unsere Aufgabe ist es - ich bin dankbar dafür, daß wir das hier offenbar mit großer Mehrheit so sehen - dafür zu sorgen, daß das, was hier geboren worden ist, ganz schnell wieder verschwindet und keinerlei Wirksamkeit bekommt. Vielen Dank. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Reuschenbach.

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seitdem ich dem Bundestag angehöre, seit 1972, habe ich keine Sitzung erlebt, in der sich Sprecher der FDP, der CDU oder der CSU mit solcher Verve für Gewerkschaften, für Betriebsräte, für Rechte der Arbeitnehmer, für ausreichende Mitbestimmung eingesetzt haben, ({0}) jedenfalls nicht, wenn es um solche Rechte in der Bundesrepublik Deutschland ging. ({1}) - Das ist aber nicht Ihr Verdienst. ({2}) Sie haben die Maßnahmen und die Gesetze, die dazu geführt haben, all die Jahre bekämpft; ({3}) wo Sie die Gelegenheit hatten, haben Sie das durchlöchert und abgebaut. Das Zweite. Ich habe mich seit gestern gefragt, warum diese Aktuelle Stunde beantragt worden ist. Mir ist nun klar, warum und warum nicht. Es ging natürlich nicht um dieses Gesetz, um diesen Bastard, der keine Lebensdauer von mehr als zwei oder drei Wochen haben wird. Sie haben sich da verkalkuliert. Sie haben nämlich gedacht, dieses Gesetz, dem SED, CDU und LDP in der Volkskammer zugestimmt haben, sozusagen als Geschütz gegen die Sozialdemokraten hier im Bundestag und in der Bundesrepublik Deutschland auffahren zu können, ({4}) in der Annahme, daß wir dies verteidigen würden. Da haben Sie sich halt verkalkuliert. ({5}) Deshalb ist das Ganze zu einem Rohrkrepierer geworden und hat nur deutlich gemacht, daß ihre Schwester- und Brüderparteien in der DDR, CDU und LDP, auf einem Roß sitzen, ({6}) das nicht demokratisch ist, das nicht sozial ist und das nicht arbeitnehmerfreundlich ist. ({7}) Eine starke Sozialdemokratie in der nächsten Volkskammer wird dafür sorgen, daß es kräftige, arbeitsfähige Gewerkschaften, solide und zuständigkeitspotente Betriebsräte in den Betrieben auch der heutigen DDR geben wird. Das Thema lautet aber eigentlich gar nicht „Gewerkschaftsgesetz", das als ein Hindernis für den Aufbau einer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung in der DDR bezeichnet wird. Den Exodus zu verhindern, das ist doch das eigentliche Thema. Dazu will ich sagen, daß es eine Fülle solcher Hindernisse gibt. Sie wären gut beraten, sich der Fülle dieser Hindernisse zuzuwenden, deren Abbau dazu beitragen kann und dazu beitragen muß, daß dieser Exodus im Laufe dieses Jahres nicht doch noch stattfindet. Zu solchen Hürden und Hindernissen gehören z. B. die Fehlleistungen der letzten Tage des Bundeskanzlers; denn das, was er bei den Freunden und bei den Nachbarn an Vertrauen verloren hat, ({8}) wird mit dafür sorgen, daß der Zeitraum des Zusammenwachsens der beiden deutschen Staaten nicht kürzer, sondern länger wird, weil eben Mißtrauen entstanden ist. Zu solchen Hürden und zu solchen Hindernissen für eine Gesellschaftsordnung in beiden Teilen Deutschlands, die die Wiedervereinigung auf westdeutschem Boden vermeidet und verhindert, gehört, daß Klarheit über die sozialen und strukturpolitischen Flankierungen für eine Wirtschafts- und für eine Währungsunion herbeigeführt wird. Denn Wirtschaftsreform und Währungsunion reichen nicht aus, sondern die Sozialcharta muß hinzu, oder welchen Begriff Sie auch immer dafür wählen wollen. ({9}) Aber das darf nicht Nebel sein, das darf nicht Überschrift sein, das darf nicht Spruch sein, sondern das muß konkret und handfest sein. Daraus ergibt sich, daß, solange diese Klarheit nicht geschaffen ist, die Motivation, die DDR zu verlassen, leider nach wie vor gegeben ist, und die 2 000 bis 3 000, die jeden Tag kommen, sprechen dafür. Es gehört dazu Offenheit gegenüber den Bürgern des eigenen Landes. Ich sage Ihnen: Wenn die Wahrheit über die Aufwendungen der öffentlichen Hand Monat für Monat sozusagen tröpfchen- oder eimerweise den Bürgern unseres Landes serviert wird, dann wird der Unmut über den Prozeß und über die finanziellen Bedingungen dieses Prozesses uns überrollen, ({10}) und wir werden sehen, daß die Begeisterung beim ersten Übersiedler, der in vielen Städten mit Sekt und Kaviar empfangen worden ist ({11}) - nicht in Essen; ich habe nicht an der Mauer gestanden, und ich habe auch nicht in einer Botschaft in der Tschechoslowakei gestanden - , in Ablehnung umschlägt. Deshalb muß ich Ihnen auch sagen, daß es gut wäre, wenn Sie als notwendige Voraussetzungen für das Zusammenwachsen solche Hürden und Hindernisse beseitigen und insbesondere die notwendigen Maßnahmen für die Infrastruktur, die nötig ist, rasch und nicht zögerlich verwirklichen würden. ({12})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Lummer.

Heinrich Lummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch einmal zu der Frage: Warum diese Aktuelle Stunde? Es ist ein Gesetz, das in der sogenannten Volkskammer verabschiedet worden ist. Heute darf man das „sogenannte" vielleicht noch einmal unterstreichen. ({0}) Es geht hier nicht darum, die Menschen dort in irgendeiner Weise zu bevormunden, aber es geht darum, daß wir uns bei dem Prozeß der Einheit nicht über den Tisch ziehen lassen. Es geht also darum, festzustellen, daß wir im Grunde in unserem Lande in einen Dialog über die Modalitäten und die Inhalte der Einheit eingetreten sind, die demnächst herbeigeführt werden wird. Meine Damen und Herren, da gibt es nun wirklich Leute in unserem Land - das wird zunehmend ganz unübersehbar - , von denen man begründet den Eindruck haben muß, daß sie in dem Moment, wo es die DDR und die Bundesrepublik nicht mehr geben wird, sondern nur noch Deutschland, am liebsten Halbmast flaggen wollen, d. h. sie wollen im Grunde die DDR für etwas Bestimmtes als einen zweiten deutschen Staat retten. Was hier geschieht, ist für mein Empfinden - neben dem, was schon gesagt ist: investitionshemmend, die Marktwirtschaft verhindernd - auch der Versuch, den Prozeß der Einheit einzugrenzen, Hürden auf diesem Weg zu schaffen. Die wollen wieder mauern. Ob das der Herr Modrow macht, indem er sich aus Moskau Schützenhilfe herbeiholt, damit bestimmte Strukturen dort, die nicht erhaltenswert sind, erhalten bleiben sollen, ob man, bezogen auf die Eigentumsstrukturen, alles raffen und bewahren will, was vor der Zukunft keinen Bestand hat, sondern im Grunde nur dazu beigetragen hat, daß drüben das Motto realisiert wurde „Ruinen schaffen ohne Waffen" , das ist derselbe Zusammenhang an dieser Stelle. Ein solches Gesetz stellt den Versuch dar, den Prozeß der Einheit zu verhindern; denn jedermann weiß: Auf der Basis eines solchen Gesetzes kann es die Einheit offensichtlich nicht geben. Das ist auch Ihre Meinung. Ich meine, das ist der Grund, daß wir es der deutschen Öffentlichkeit und auch denen da drüben am Vorabend wesentlicher Entscheidungen sagen, die sie zu treffen haben. Es ist doch ein gemeinsames Anliegen, daß wir eine Ordnung, die die Bundesrepublik Deutschland hat, die die freien Gewerkschaften enthält - stark sind sie außerdem, und dazu haben wir unseren Teil beigetragen - , bewahren und erhalten und womöglich auch ausdehnen. Darum geht es an dieser Stelle. ({1}) - Regional, nicht inhaltlich. Mißverstehen Sie das doch nicht, Herr Kollege. Hier sind Leute am Werk, die im Grunde den Versuch machen wollen, die Bundesrepublik Deutschland zu diskreditieren und einen dritten Weg zu gehen. Da sage ich nun in aller Deutlichkeit: Das ist nicht! Die Bundesrepublik Deutschland ist einen vernünftigen Weg zwischen den Vorzügen individueller Freiheit auf der einen Seite und sozialer Bindungen auf der anderen Seite gegangen. Das ist ein Transitorium, wie Theodor Heuss gesagt hat. Ich füge hinzu, weil das hier zweimal aufgetaucht ist: Auch diejenigen vermiesen den Leuten die Einheit, die der deutschen Öffentlichkeit im Westen auf die Frage: Was kostet denn die Einheit? erzählen wollen: Unendlich viel Geld! Ich sage Ihnen: Sie kostet weniger als die Teilung. ({2}) Sagen Sie doch den Leuten, was wir alles für die Teilung bezahlt haben und was wir tagtäglich für die Teilung zahlen! Die Kosten für die Einheit werden befristet sein, und sie sind geringer als die Kosten für die Teilung. Insofern lohnt sich die Einheit nicht nur für die Deutschen, sondern auch für die anderen Europäer. ({3}) - Berlin ist doch oben mit dran! Berlin hat 192 Milliarden DM bekommen, meine Damen und Herren. Natürlich sind das Kosten, die bei der Einheit irgendwann auslaufen werden. 192 Milliarden DM haben wir für die Teilung allein als Haushaltszuschuß Berlin bezahlt, von allem anderen einmal gar nicht zu reden. Insofern sagen wir es der Öffentlichkeit doch deutlich: Die Einheit kostet letztendlich nichts. Sie bringt vielmehr nur Gewinn. Die Teilung war für alle Menschen in unserem Lande viel teurer und viel ärgerlicher. ({4}) Nur noch eine Bemerkung, weil so genüßlich vorgetragen worden ist: Wo saßen denn Ihre Leute? Wo haben sie denn geredet? Was haben sie gemacht? Die CDU ({5}), die DSU und der Demokratische Aufbruch, also die Mitglieder der Allianz für Deutschland, haben am Runden Tisch gegen das Gesetz gestimmt. ({6}) - Ja, Moment! ({7}) Die Volkskammer ist ja, wie Sie wissen, noch nicht gewählt. Darum habe ich „sogenannte" Volkskammer gesagt. Ihre Behauptung, sie hätten zugestimmt, ist jedenfalls falsch. ({8}) Die Mitglieder der CDU haben sich entweder enthalten oder haben dagegen gestimmt. ({9}) Wenn ein einzelner Abgeordneter oder zwei dafür gestimmt haben, dann haben sie nicht die Legitimation ihrer Partei dafür gehabt. So ist die Realität, und insofern zieht Ihre Behauptung überhaupt nicht. (Dreßler [SPD]: Das war aber billig! - Die CDU ({10}) macht den Aufstand und die CDU ({11}) enthält sich der Stimme!) Nun, meine Damen und Herren, es bleibt also dabei, daß wir hier feststellen müssen: Dieses Gesetz atmet den Geist von gestern; dieses Gesetz soll dazu dienen, die Investitionen zu bremsen, die Marktwirtschaft zu verhindern und die Einheit nachdrücklich zu behindern. Das muß Diskussionsthema in Deutschland sein und auch in diesem Parlament sein dürfen. Immerhin sind wir uns ja einig in der Bewertung eines solchen Gesetzes und in der Einschätzung, daß es vor der Geschichte keinen Bestand haben sollte und in den nächsten zwei, drei Wochen zu verschwinden hat. ({12})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet. ({0}) Jetzt habe ich eine ganze Reihe von Mitteilungen zu machen, bei denen ich hoffe, daß es auch weiterhin Beifall von allen Seiten gibt. Vizepräsident Westphal Frau Kollegin Unruh feiert heute ihren 65. Geburtstag. Ich spreche ihr die herzlichen Glückwünsche im Namen des Hauses aus. ({1}) Herr Kollege Krey feierte am 18. Februar seinen 60. Geburtstag. Herr Bundesminister Kiechle feierte am 23. Februar seinen 60. Geburtstag. Frau Kollegin Dr. Segall feierte am 25. Februar einen gleichartigen Geburtstag. Herr Kollege Dr. Geißler feierte am 3. März seinen 60. Geburtstag. Ich gratuliere der Kollegin und den Kollegen nachträglich in Namen des Hauses sehr herzlich. Dann geht es mit anderen Mitteilungen weiter. Frau Abgeordnete Rost ({2}) hat am 16. Februar 1990 auf ihre Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als ihr Nachfolger hat Herr Abgeordneter Dewitz am 20. Februar 1990 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Herr Abgeordneter Dr. Kreile hat am 22. Februar 1990 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Sein Nachfolger, Herr Abgeordneter Keller, der uns aus früheren Wahlperioden bereits bekannt ist, hat am 23. Februar 1990 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße beide Kollegen herzlich. ({3}) Herr Kollege Schulze ({4}) hat mitgeteilt, daß er sein Amt als Schriftführer niederlegt. Ich möchte ihm für seine Unterstützung sehr herzlich danken. ({5}) Die CDU/CSU-Fraktion schlägt als Nachfolger für das Amt des Schriftführers Herrn Kollegen Dr. Mahlo vor. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Damit ist Herr Kollege Dr. Mahlo als Schriftführer gewählt. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung erweitert werden. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunkteliste aufgeführt: 1. Aktuelle Stunde: Behinderungen für den Aufbau der sozialen Marktwirtschaft in der DDR durch das neue Gewerkschaftsgesetz der DDR 2. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Garantie der polnischen Westgrenze - Drucksache 11/6570 3. Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Deutschland und Polen - Drucksache 11/6579 4. Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze - Drucksache 11/6591 5. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Wirtschaftsplan des ERPSondervermögens für das Jahr 1990 ({6}) - Drucksache 11/6592 - 6. Aktuelle Stunde: Orkane, Sturmfluten und die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung Die Zusatzpunkte 2 bis 4 sollen am Donnerstag, also morgen, um 9 Uhr aufgerufen werden. Für die Beratung sind zwei Stunden vorgesehen. Der Tagesordnungspunkt 15 - das ist das Nachtragshaushaltsgesetz 1990 - soll um 11 Uhr aufgerufen werden. Nach der Einbringung des Nachtragshaushalts ist eine Beratung von drei Stunden vorgesehen, die nach der Mittagspause um 14 Uhr fortgesetzt werden soll. Außerdem ist interfraktionell vereinbart worden, von der Frist für die Beratung der Tagesordnungspunkte 5 a und 5 b abzuweichen sowie den Tagesordnungspunkt 19 abzusetzen und die Vorlage unter Tagesordnungspunkt 21 ohne Debatte zu überweisen. Sind Sie mit diesen Ergänzungen bzw. Änderungen der Tagesordnung einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe jetzt die Punkte 3 und 21 der Tagesordnung auf : 3. Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik für das Hochschulwesen ({7}) - Drucksache 11/5832 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ({8}) Innenausschuß Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung des Wohnungsbaus im Planungs- und Baurecht sowie zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften ({9}) - Drucksachen 11/6508, 11/6540 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({10}) Innenausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes ({11}) - Drucksache 11/6524 - Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. August 1989 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern - Drucksache 11/6530 15328

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Finanzausschuß ({0}) Auswärtiger Ausschuß e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 17. Oktober 1989 zu dem Abkommen vom 11. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des Protokolls vom 30. November 1978 - Drucksache 11/6531 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß ({1}) Auswärtiger Ausschuß f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Oktober 1989 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung - Drucksache 11/6532 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß ({2}) Auswärtiger Ausschuß g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 28. September 1989 zur Änderung des Abkommens vom 21. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969 - Drucksache 11/6533 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß ({3}) Auswärtiger Ausschuß h) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fremdrentenrechts - Drucksache 11/6536 überweisungsvorschlag: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({4}) Innenausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen Haushaltsausschuß i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Eid, Frau Kelly, Dr. Lippelt ({5}) und der Fraktion DIE GRÜNEN Verletzung der Allgemeinen Menschenrechte in Marokko und der besetzten Westsahara - Drucksache 11/5937 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß 21. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften - Drucksache 11/6542 Überweisungsvorschlag: Innenausschuß ({6}) Verteidigungsausschuß Haushaltsausschuß mitberatend und gem. § 96 GO Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe nun Punkt 4 der Tagesordnung auf: Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik der Straßenverkehrsunfälle ({7}) - Drucksache 11/5464 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr ({8}) - Drucksache 11/6320 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Rock ({9}) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses ({10}) zu dem Antrag der Fraktion der SPD Steuerrechtliche Behandlung von Entschädigungszahlungen für HIV-infizierte Hämophile - Drucksachen 11/4140, 11/6384 - Berichterstatter: Abgeordneter Poß c) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({11}) Sammelübersicht 150 zu Petitionen - Drucksache 11/6460 - Vizepräsident Westphal d) Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({12}) Sammelübersicht 151 zu Petitionen - Drucksache 11/6461 - Wir kommen zunächst zur Abstimmung über Punkt 4 a der Tagesordnung, den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Straßenverkehrsunfallstatistikgesetzes auf den Drucksachen 11/5464 und 11/6320. Ich rufe die §§ 1 bis 9, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die zweite Beratung damit abgeschlossen, diese Vorschriften sind von allen angenommen worden. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen worden. Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4 b, die Beschlußempfehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 11/6384. Der Ausschuß empfiehlt unter Nr. 1, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/4140 abzulehnen. Wer für diese Beschlußempfehlung zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist damit mit Mehrheit angenommen. Der Ausschuß empfiehlt weiter unter Nr. 2 die Annahme einer Entschließung. Wer für diese Beschlußempfehlung zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4 c und 4 d, die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 11/6460 und 11/6461. Das sind die Sammelübersichten 150 und 151 zu Petitionen. Wer für diese Beschlußempfehlungen zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN ist die Beschlußempfehlung angenommen. Ich rufe nun Punkt 5 der Tagesordnung auf: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ({13}) - Drucksache 11/6367 Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses ({14}) - Drucksache 11/6594 b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Schulte ({15}), Horn, Heistermann, Erler, Gerster ({16}), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ({17}) - Drucksache 11/6317 Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses ({18}) - Drucksache 11/6594 ({19}) Meine Damen und Herren, im Ältestenrat sind für die gemeinsame Beratung 45 Minuten vereinbart worden. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Breuer.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heute beabsichtigte Änderung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ist sicher keine Alltäglichkeit. Die Stellung der Bundeswehr in unserer Gesellschaft, ihre innere Verfassung und ihr äußeres Erscheinungsbild sind außerordentlich eng mit dem Amt des Wehrbeauftragten verknüpft. Für unsere freie Gesellschaft und den demokratischen Staat ist es wichtig, daß die bewaffneten Streitkräfte integrierter Bestandteil der freien Gesellschaft sind. Für die Bundeswehr sind die vom Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages im Auftrage dieses Parlaments ausgeübte parlamentarische Kontrolle und seine Funktion als Anwalt der Soldaten wesentliches Element ihres Charakters. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Breuer, der Abgeordnete Klejdzinski möchte eine Zwischenfrage stellen.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte sehr.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, haben Sie wie ich festgestellt, daß bei der Debatte über die Änderung dieses wichtigen Gesetzes die Regierungsbank leer ist? ({0})

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ich habe festgestellt, daß dies eine Frage ist, die das Parlament angeht. Der Wehrbeauftragte ist der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. Ich hoffe - ich kenne die Umstände nicht -, daß sich die Regierungsbank, was die Zuständigkeit angeht, im Laufe der Debatte füllen wird. Meine Damen und Herren, zu einem demokratischen Staat gehören Streitkräfte, die nach demokratischen Grundsätzen geführt werden. Zu unserem Staat, zur Bundesrepublik Deutschland, gehören Streitkräfte, in denen die im Grundgesetz verankerten Werte verwirklicht werden. Die Geschichte unserer Bundeswehr ist eine Geschichte des Erfolges, und das ist sie nicht zuletzt deshalb, weil auch die Geschichte der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages einen außerordentlich erfolgreichen Weg markiert. Karl Wilhelm Berkhan, der Vorgänger unseres derzeitigen Wehrbeauftragten Willi Weiskirch, beschrieb sein Amt einmal wie folgt - ich zitiere - : Der Wehrbeauftragte ist nicht das personifizierte Mißtrauen gegenüber der Bundeswehr, sondern er personifiziert den Rechtsstaat gegenüber dem Grenadier ebenso wie gegenüber dem General. Aus diesem Wort wird deutlich, daß nicht nur das Amt des Wehrbeauftragten, sondern gerade auch seine Persönlichkeit wesentliche Grundlage seines Wirkens sind. Derjenige Wehrbeauftragte, der das Vertrauen dieses Parlamentes besitzt, der das Vertrauen der Soldaten besitzt und beides erweitert, führt uns alle ein Stück weiter auf dem Weg des Erfolges der Bundeswehr. Geschichtlich gesehen sollte die Institution des Wehrbeauftragten am Anfang der Bundeswehr, am Anfang des Amtes „Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages" die Ressentiments insbesondere der jungen Generation, aber auch des Auslandes gegen die Wiederaufstellung der deutschen Streitkräfte beseitigen. Der Staat im Staate sollte verhindert werden. Dies ist in vollem Umfang erreicht worden. Unsere Wehrverfassung, die verantwortliche Arbeit der Vorgesetzten, das Sich-Einbringen der jungen Soldaten mehrerer Generationen, die wahrgenommene Kontrollfunktion des Wehrbeauftragten, eingefügt in den demokratischen Prozeß des Miteinander oder auch Gegeneinander von Regierung und Parlament, all dies zusammen hat unsere Bundeswehr geformt. Alles zusammen hat die Bundeswehr zu dem gemacht, was sie heute ist. An der Loyalität der Soldaten der Bundeswehr gegenüber unserem demokratischen Staat kann kein ernsthafter Zweifel bestehen. Diese Zusammenhänge, meine Damen und Herren, waren die notwendige Grundlage der Änderung des Gesetzes, die wir heute vornehmen wollen. Warum war sie notwendig? Sie war deshalb notwendig, weil zwei Bevölkerungsgruppen, einmal die Frauen und zum anderen die sogenannten weißen Jahrgänge, auf Grund der Gesetzeslage nicht dazu in der Lage gewesen sind, das Amt des Wehrbeauftragten wahrzunehmen. Ich halte es für wichtig, an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen, daß die ersten Initiativen zur Änderung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages von drei Kolleginnen unseres Parlaments ausgegangen sind. Dies waren die Kolleginnen Roitzsch, Schulte und Seiler-Albring. Es war also in der Rückschau eine Initiative der Frauen. Das, was wir heute tun, ist eine Anpassung an die Fortentwicklung unserer Gesellschaft; es ist eine Anpassung an die Zeit. Die Gleichberechtigung der Frau und die Tatsache, daß immer mehr Frauen Dienst in den Streitkräften tun, ({0}) rechtfertigt und begründet das Vorhaben der Änderung genauso wie die Notwendigkeit, die heute in Verantwortung stehenden weißen Jahrgänge bei der Funktion des Wehrbeauftragten nicht auszugrenzen. ({1}) Wir haben im Zuge der Ausschußberatungen im Verteidigungsausschuß uns mit den vorgelegten Gesetzentwürfen auseinandergesetzt. Die Unterschiede zwischen den Gesetzentwürfen - dies haben wir bei der ersten Lesung in diesem Hohen Hause verdeutlicht - der Koalitionsfraktionen und der Opposition waren nicht sehr wesentlich. Einen Unterschied gab es im Zusammenhang mit dem Lebensalter. Die Fraktion der SPD hatte in ihrem Gesetzentwurf das Lebensalter des Wehrbeauftragten an die Erlangung des aktiven und passiven Wahlrechts binden wollen. Wir haben im Zuge der Ausschußberatungen festgestellt, daß die alte Bindung an das Lebensalter von 35 Jahren eine gute Bindung gewesen ist. Wir haben uns in der Ausschußberatung nicht nur in diesem Punkt, sondern auch in mehreren anderen Punkten einigen können. Das, was uns alle gemeinsam zur Änderung bewogen hat, war die Tatsache, daß die Grundvoraussetzung ein Jahr Wehrdienst im alten Gesetz verankert war. Wir haben nun im Ausschuß gemeinsam den Weg beschritten, auf dieses eine Jahr als Grundvoraussetzung zu verzichten. Ich glaube, es war notwendig, die Voraussetzung des Lebensalters von 35 Jahren - das habe ich sowohl in der ersten Beratung als auch im Ausschuß deutlich gemacht - weiter beizubehalten. Die Lebenserfahrung wie auch die Standfestigkeit sind wesentliche Elemente für eine erfolgreiche Arbeit des Wehrbeauftragten. Ich denke, daß es wichtig ist, ein Stück in die Zukunft zu schauen. Wie wird die Arbeit des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages nach dem was uns heute an Möglichkeiten der Vorausschau zur Verfügung steht, in Zukunft gestaltet sein? Die Bundeswehr wird sich in den kommenden Jahren stärker verändern als zu irgendeinem Zeitpunkt ihres bisherigen Bestehens. Sie wird sich insofern verändern, als sie eine Metamorphose, eine innere Veränderung, von der Präsenzarmee zur Ausbildungsarmee vollziehen wird. Es wird völlig neue Herausforderungen im Inneren wie im Äußeren geben. Die Einbettung in unsere freie Gesellschaft, die sich ebenfalls weiterentwickelt, die Einbettung in die Weiterentwicklung der politischen Einsichten in der Bewertung der internationalen Lage wird ein wesentliches Element für die Streitkräfte, aber auch für die Arbeit des Wehrbeauftragten sein. Eine große Herausforderung! Ich möchte an dieser Stelle mit Befriedigung feststellen, daß es gelungen ist, den heute hier eingebrachten Beschluß des Verteidigungsausschusses als federführenden Ausschusses gemeinsam zu fassen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Kollegen der SPD, insbesondere bei dem zuständigen Berichterstatter, Herrn Heistermann. ({2}) - Es ist wichtig, Herr Kollege Klejdzinski, daß wir in diesen wesentlichen Fragen, die den Charakter der Bundeswehr, aber auch der Wahrnehmung der Kontrollaufgabe für dieses Parlament ausmachen, Übereinstimmung erzielen. Dies haben wir geschafft, ich kann dies mit Befriedigung feststellen. Ich möchte mich an dieser Stelle - das ist die letzte Möglichkeit vor der Verabschiedung - bei dem derzeit noch amtierenden Wehrbeauftragten Willi Weiskirch bedanken. Willi Weiskirch hat gerade auch durch den heute vorgelegten Jahresbericht 1989 erneut bewiesen, daß er der Verantwortung des Amts des Wehrbeauftragten in vollem Umfange gerecht geworden ist, aber gleichzeitig auch die Personifizierung des Amtes fortentwickelt hat. Wenn es seine Aufgabe ist, zum einen das Vertrauen des Parlaments zu besitzen und zu mehren, andererseits aber auch das gleiche bei den Streitkräften - bei den Soldaten vom Grenadier bis zum General - zu erreichen, Mahner zu sein, insbesondere auch gegenüber der Administration, gegenüber der Bundesregierung, gegenüber dem Bundesministerium der Verteidigung, dann kann man feststellen: dies hat Willi Weiskirch in einer hervorragenden Art und Weise geschafft. ({3}) Mit diesem Dank verbinde ich die Hoffnung, daß es uns mit dieser Gesetzesänderung, aber auch mit der Wahl des zukünftigen Wehrbeauftragten auf der Basis des neuen Gesetzes, gelingen wird, eine erfolgreiche Fortgestaltung aus diesem Parlament heraus, auf die Bundeswehr bezogen, zu erreichen. - Ich bedanke mich. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Abgeordneten Heistermann das Wort gebe, möchte ich, so hoffe ich, im Namen des ganzen Hauses, wollte ich gerade sagen, mein Mißfallen darüber zum Ausdruck bringen, daß die Regierung nicht vertreten ist. Nachdem aber die Staatssekretärin Hürland nun in diesem Moment erscheint, brauche ich diese Kritik ja wohl nicht mehr vorzutragen. ({0}) Frau Staatssekretärin, wir bedanken uns, daß Sie sich dieser Mühe unterzogen haben. Der Abgeordnete Heistermann hat das Wort.

Dieter Heistermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000854, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich trotzdem eine Vorwegbemerkung machen, und ich bitte, Frau Staatssekretärin, das Ihrem Hause weiterzugeben, auch gegenüber dem Minister. Ich finde es nicht gut, daß bei der Beratung dieses Gesetzes weder die politische Leitung noch die militärische Führung anwesend sind. ({0}) Ich glaube, dieses Parlament hat Anspruch darauf, daß die Beratungen um diesen Punkt im Beisein der Träger sowohl der politischen als auch der militärischen Verantwortung stattzufinden haben. ({1}) Wir tun hiermit unser Mißfallen eindeutig kund, weil dies ein Stil ist, den wir in diesem Hause nicht einreißen lassen sollten. ({2}) Herr Präsident, meine Damen und Herren, das heute zu verabschiedende Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages veranlaßt mich zu zwei Bemerkungen. Erstens, die Änderung des Gesetzes war notwendig, und zweitens - das richte ich an die Koalitionsfraktionen - , die damit verbundene Begleitmusik durch diese beiden Fraktionen war ausgesprochen peinlich und der Institution des Wehrbeauftragten nicht würdig. ({3}) Diese Anmerkungen sind notwendig, weil ich in meinen weiteren Ausführungen hierzu noch nähere Erläuterungen geben werde. Nun aber zunächst zum Gesetzestext. Es ist erfreulich, daß es trotz zweier unterschiedlicher Gesetzentwürfe gelungen ist, zu einem gemeinsamen Gesetzentwurf zu kommen. Dies liegt in der Tradition der bisherigen Gesetzgebung für den Bereich des Wehrbeauftragten. Es hat sich also, Kollege Breuer, gelohnt, die Standpunkte einander anzunähern, um auch dem zukünftigen Inhaber des Amtes des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages zu signalisieren, daß dies eine Einrichtung des gesamten Deutschen Bundestages ist und nicht irgendeiner Fraktion oder gar Koalition. Der Gesetzestext - „Zum Wehrbeauftragten ist jeder/jede Deutsche, der/die das Wahlrecht zum Bundestag besitzt und das 35. Lebensjahr vollendet hat ... " - öffnet dieses Amt für Persönlichkeiten, die bisher durch die einengenden Vorschriften in § 14 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten von der Amtsübernahme ausgeschlossen waren. Die gefundene Gesetzesformulierung unterstreicht geradezu, daß das Amt des Wehrbeauftragten als Hilfs- und Kontrollorgan des Deutschen Bundestages künftig auch durch Frauen wahrgenommen werden kann. Nach den alten Gesetzesvorschriften hätten nur jene Frauen Wehrbeauftragte werden können, die als Sanitätsoffiziere ihren Dienst in der Bundeswehr leisten. Wir eröffnen bewußt den Frauen den Zugang zu diesem Amt, weil es keine nachvollziehbaren Gründe gibt, die den bisherigen Rechtszustand rechtfertigen würden. Es gibt auch keine Begründung dafür, Angehörige der weißen Jahrgänge oder Ungediente von diesem Amt auszuschließen. Es gibt vielfältige Gründe dafür, daß jemand nicht gedient hat, und den weißen Jahrgängen darf man wohl nicht vorhalten, wegen eines falschen Geburtsjahres nicht wählbar zu sein. Letztendlich bedeutet die Öffnung des Zugangs auch, daß nur noch mehr geeignete Persönlichkeiten in die Kandidaturüberlegungen einbezogen werden können. Das kann dem Amt nur nützen und nicht schaden. Die hohen Anforderungen an das Amt des Wehrbeauftragten werden die SPD-Bundestagsfraktion bei ihren Personalvorstellungen und -vorschlägen auch künftig leiten. Wir haben es deshalb als unmöglich empfunden, mit welchem Gezänk und mit welchem Postengerangel in der CDU/CSU und in der FDP um die Nachfolge des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages diese Gesetzesänderung begleitet wurde. ({4}) Ich hebe deshalb noch einmal hervor, was ich bereits in der ersten Lesung dieses Gesetzes gesagt habe. Mit unserem Gesetzentwurf beabsichtigen wir weder die Unterstützung einer bestimmten Person, noch wollen wir eine bestimmte Person verhindern. Daß dieser Eindruck in der Öffentlichkeit entstehen konnte, haben die zu verantworten, die seit Monaten wissen, daß der bisherige Amtsinhaber für eine erneute Kandidatur nicht zur Verfügung steht. Ist Ihnen, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, in den letzten Monaten eigentlich nie bewußt geworden, daß Sie mit dem Amt des Wehrbeauftragten ein Spiel betrieben haben, das diesem schadet und dem Amtsnachfolger des bisherigen Wehrbeauftragten seine Aufgabenerfüllung außerordentlich schwer macht? Ist Ihnen eigentlich nicht klargeworden, daß dieses Amt keine Verfügungsmasse für billigen Koalitionsklüngel ist? Niemand in diesem Hause kann doch wohl ein Interesse daran haben, wenn ein so zentrales Amt unserer Demokratie auf so beschämende und, wie ich auch meine, unwürdige Weise beschädigt wird. ({5}) Die SPD-Bundestagsfraktion hat mit Horst Jungmann einen überzeugenden Vorschlag für die Nachfolge von Willi Weiskirch gemacht. Auch auf Grundlage der alten Gesetzesfassung erfüllt unser Vorschlag die Voraussetzungen, die an das Amt des Wehrbeauftragten zu stellen sind. Normalerweise ist der Wehrbeauftragte der Fürsprecher für die Anliegen der Soldaten, und zwar gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit. Die Koalition hat aber ihr Postengeschachere so weit getrieben, daß das Amt des Wehrbeauftragten mittlerweile selbst auf Fürsprecher in Parlament und Öffentlichkeit dringend angewiesen ist. Die Koalitionsfraktionen haben diesen unwürdigen Zustand ohne Not heraufbeschworen. Karl Wilhelm Berkhan und Willi Weiskirch haben als Wehrbeauftragte jeder auf seine eigene Art Maßstäbe gesetzt. Das Amt hatte bis vor kurzem einen absolut untadeligen Ruf. Willi Weiskirch hat rechtzeitig gesagt, daß er nicht mehr kandidieren könne, so daß genügend Zeit vorhanden war, alles in ordentliche Bahnen zu lenken. Ich muß schon sagen: Es war höhere Kunst, dieses Trauerspiel zu veranstalten. Lassen Sie mich zum Schluß meiner Ausführungen noch einmal auf den Wehrbeauftragten Willi Weiskirch zurückkommen und zitieren, was er aus Anlaß des Jahresberichtes 1985 vor diesem Parlament ausgeführt hat. Er stellte fest, daß die Institution des Wehrbeauftragten - ich zitiere - „in der Bundeswehr oben wie unten voll respektiert und anerkannt" werde. Er führte weiter aus: Sie findet in wachsendem Maße auch das Interesse ausländischer Streitkräfte, deren Repräsentanten mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit aufsuchen. Ich will aber nicht verhehlen, daß es hierzulande in der Bundeswehr und in ihrem publizistischen Umfeld Stimmen gibt, die den Wehrbeauftragten als ein Relikt aus den 50er Jahren betrachten und entsprechend einordnen möchten: Was damals für alle demokratischen Kräfte eine Grundbedingung für ihre Zustimmung zu den neuen deutschen Streitkräften war, der Schutz der Grundrechte für ihre Soldaten und die am Primat der Politik orientierte parlamentarische Kontrolle, habe sich eigentlich überholt und lasse sich sozusagen intern regeln. Da ist die Rede von Mimosen, die den Beschwerdeweg zum Wehrbeauftragten suchten, vom Bodensatz, mit anderen Worten von Soldaten, die diese Petitionseinrichtung letztendlich zum Schaden der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr mißbrauchen wollten und auch mißbrauchen könnten. Ich möchte solchen Vorstellungen gerade als einer, der die Debatte um die Einrichtung dieser Institution des Wehrbeauftragten von Anfang an mitverfolgt und auch mitbestritten hat, nachdrücklich widersprechen. Herr Wehrbeauftragter, wir Sozialdemokraten wünschen uns solche Wehrbeauftragten, die eine klare Position haben. Halten wir künftig gemeinsam - ich appelliere an uns alle - Beschädigungen von dem Amt des Wehrbeauftragten fern! Sie haben durch Ihre Tätigkeit Beispielhaftes gesetzt. Wir hoffen, daß andere Nachfolger Ihrem Beispiel folgen werden. Wir bedanken uns ausdrücklich für Ihre persönliche Leistung in diesem Amt. ({6}) Achten wir aber auch darauf, daß nicht durch Koalitionsklüngel und Personengerangel diesem wichtigen Organ des Deutschen Bundestages Schaden zugefügt wird! Ich denke, die deutlichen Worte waren notwendig. Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt dem Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages zu. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Nolting.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wehrbeauftragte fungiert nach dem Grundgesetz - ich zitiere - „zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle". Im Ge- ) setz über den Wehrbeauftragten wird diese Aufgabe dahin gehend konkretisiert, daß der Wehrbeauftragte für den Schutz der Grundrechte der Soldaten und für die Überwachung der Einhaltung der Grundsätze der inneren Führung zuständig ist. Ich stelle hier die Frage: Wie muß nun eine Person qualifiziert sein, um eine solche Aufgabe kompetent ausfüllen zu können? Das Gesetz schreibt dazu zwei entscheidende Bedingungen vor. Erstens. Diese Person muß das 35. Lebensjahr vollendet haben. Zweitens. Sie muß mindestens ein Jahr Wehrdienst geleistet haben. Doch - auch hier stelle ich wieder die Frage - bieten diese Bedingungen die Gewähr für eine kompetente Persönlichkeit? Die erste Bedingung ist aus unserer Sicht sinnvoll. Mit ihr wird sichergestellt, daß der Wehrbeauftragte ein Mindestmaß an Reife und an Lebenserfahrung besitzt, ohne die er seine Aufgabe wohl kaum ausfüllen könnte. Ich bin froh, Herr Kollege Heistermann, daß diese Bedingung nicht gestrichen werden soll. Darüber hinaus glaubte dieses Haus vor Jahrzehnten, daß der Kandidat mindestens ein Jahr Wehrdienst geleistet haben müßte. Tatsächlich scheint sich diese Bedingung bewährt zu haben; denn die fachliche Kompetenz der bisherigen Amtsinhaber ist unumstritten. Doch dieser Schein trügt. Meine Damen und Herren, kann es denn wirklich zur Kompetenz ausreichen, wenn man vor Jahren einmal Wehrdienst geleistet und sich seitdem nie mehr mit verteidigungspolitischen und bundeswehrspezifischen Fragen beschäftigt hat? Ist es umgekehrt nicht viel hilfreicher, wenn sich jemand über Jahre hinweg mit der Materie beschäftigt hat, auch wenn er vorher keinen Wehrdienst geleistet hat? Es stellt sich demnach heraus, daß die bisherigen Amtsinhaber ihre Aufgabe nicht deshalb so gut erfüllt haben, weil sie irgendwann einmal beim Militär waren, sondern deshalb, weil wir hier in diesem Hause immer ganz gezielt nach einer wirklich kompetenten und natürlich auch mehrheitsfähigen Persönlichkeit gesucht haben. Dies wird auch in Zukunft so sein. Wir sollten deshalb wirklich das Zutrauen in uns selber haben, in der konkreten Situation immer eine qualifizierte Person zu wählen, ohne daß wir dazu eine solche Wählbarkeitsvorschrift im Gesetz brauchen. Meine Damen und Herren, dadurch, daß von jedem Bewerber die Ableistung von mindestens einem Jahr Wehrdienst verlangt wird, ist es den weißen Jahrgängen, den ungedienten Männern, aber vor allem den Frauen unmöglich, Wehrbeauftragter zu werden; die Kollegen Vorredner haben schon darauf hingewiesen. Sie wissen, daß die Liberalen für den freiwilligen Dienst von Frauen in der Bundeswehr - und das auch mit der Waffe - plädieren. Wenn wir dieses ermöglichten, würde auch Frauen die Chance eröffnet, Wehrbeauftragte zu werden. Leider gibt es dafür bisher, Herr Kollege Heistermann, noch keine Mehrheit in diesem Hause. Wenn wir aber die Gleichberechtigung bei den Zugangsvoraussetzungen zum Amt des Wehrbeauftragten schaffen wollen, ist es unumgänglich, die von mir genannte zweite Bedingung heute abzuschaffen. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt Ihnen vor. Ich bitte Sie, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen und die Neuwahl des Wehrbeauftragten dann durchzuführen, wenn die Neuregelung in Kraft getreten ist. Gestatten Sie mir zum Abschluß noch drei Bemerkungen. Erstens. Herr Kollege Heistermann, Sie haben vom Gerangel um die Position des Wehrbeauftragten gesprochen. Ich denke, gerade die Opposition hat sich an diesem Gerangel sehr stark beteiligt, ({0}) allein schon, indem sie im Vorfeld einen eigenen Kandidaten aufgestellt hat, ohne vorher mit den anderen Fraktionen zu sprechen.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Entschuldigung, das veranlaßt nun den Abgeordneten Heistermann, eine Zwischenfrage zu stellen, wenn Sie es ihm gestatten.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn es mir nicht auf die Zeit angerechnet wird: ja.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich rechne Ihnen das selbstverständlich nicht an. Bitte sehr, Herr Abgeordneter Heistermann.

Dieter Heistermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000854, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bedanke mich, Herr Präsident. Herr Kollege Nolting, ich zitiere nur aus einigen Zeitungen: Koalitionsstreit um den Wehrbeauftragten; Unions-Tauziehen um den Wehrbeauftragten; unwürdiges Gerangel - „Stuttgarter Zeitung" -; Streit um Wehrbeauftragten hält an; verworren und verwirrend wirkt die Suche der Regierungsfraktionen nach einem neuen Wehrbeauftragten; zwei Akte im Koalitions-Trauerspiel; Postenpoker. Ich habe nur einige Überschriften zitiert. Herr Kollege Nolting, können Sie diese Überschriften mit Ihrer eben getroffenen Aussage in Übereinstimmung bringen? Könnte es sein, daß Sie sich geirrt haben?

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Heistermann, ich wiederhole noch einmal: Die Opposition hat sich an dem Gerangel massiv beteiligt. Zweitens werde ich hier heute keine Presseschelte betreiben. Ich kenne diese Überschriften. Drittens hätte ich mir im Vorfeld - da gebe ich Ihnen recht - ein anderes Verfahren gewünscht. Das jetzt eingeschlagene habe ich nicht zu verantworten. Zweite Bemerkung: Ich möchte dem Wehrbeauftragten, Herrn Weiskirch, für die jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit danken. Ich möchte ihm alles Gute für die nächsten Jahre und für seine weitere Tätigkeit wünschen. Ich habe dies am Freitag bei der Verabschiedung im Verteidigungsministerium für die FDP-Fraktion schon getan, genauso wie es Vertreter der CDU/CSU für ihre Fraktion getan haben. Ich hätte mir gewünscht, daß dort auch Vertreter der SPD anwesend gewesen wären. ({0}) Die dritte Bemerkung. Ich bedanke mich bei dem Kollegen Ronneburger. Ich bedanke mich für sein honoriges Verhalten in den letzten Tagen und Wochen bei der Behandlung des Themas „Neuwahlen des Wehrbeauftragten". Ich denke, sein Verhalten, Herr Kollege Heistermann, ist beispielgebend für uns alle und sollte Richtschnur für unsere weitere Arbeit im Parlament sein. Herzlichen Dank. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Nolting, wollten Sie noch eine Zwischenfrage zulassen? - Es tut mir schrecklich leid, Herr Abgeordneter Klejdzinski. ({0}) - Ja; ist in Ordnung. Ich habe das notiert. ({1}) Nun spricht die Abgeordnete Frau Beer.

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Chance, Gesetzesänderungen wie diese unter demokratischen Normen durchzuführen, wurde bereits verpatzt. Das Gerangel der Koalitionsfraktionen, das hier schon erwähnt worden ist, um die Nachfolge in diesem Amt ist nach meiner Überzeugung nicht nur entwürdigend, sondern zugleich entlarvend. Unter dem Vorwand, nun auch Frauen, die keinen Dienst an der Waffe geleistet haben, die Möglichkeit einzuräumen, das Amt des „Kummerkastens der Truppe" innezuhaben, wurde machtpolitisches Kalkül betrieben. Die Taktik war leicht zu durchschauen und wird durch das heute vorliegende Ergebnis bestätigt: Der Anschein der Gleichberechtigung dient wieder einem Mann, nämlich dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses. Das ist Feigenblattquotierung, und diese Feigenblattquotierung lehnen wir ganz entschieden ab. Heute stehen Sie vor einem selbst verschuldeten Trümmerhaufen: Der Wehrbeauftragte Willi Weiskirch hat mit der Ausübung des ihm in seinem Amt zustehenden Rechts, jederzeit und ohne Ankündigung die Truppe zu besuchen und Beschwerden der Soldaten entgegenzunehmen, nicht nur Beständigkeit erwiesen, sondern auch ein unendlich tiefes Vertrauen erwirkt.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Abgeordnete Beer, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Nolting zu beantworten?

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber gern.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bitte.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin, können Sie mir erklären, warum dann heute morgen der Kollege Mechtersheimer für die GRÜNEN diesen Gesetzentwurf ausdrücklich mit unterstützt hat?

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja; natürlich kann ich Ihnen das erklären: weil meine Fraktion - ich sage jetzt mal: - das kleinere Übel vorgezogen hat. Damit will ich nicht den Kollegen Jungmann angreifen; sondern es geht uns darum, daß wir für die Rechte und die Verbesserung der Rechte der Soldaten grundsätzlich eintreten. Auch wenn wir bestimmte Institutionen wie die Bundeswehr kritisieren und für deren Abschaffung sind, heißt das nicht, daß das zu Lasten der Möglichkeit der Äußerung der einzelnen Soldaten, die diesen Dienst zur Zeit noch ausüben, gehen soll. Deswegen hat dies einen positiven und einen negativen Aspekt. Und beides versuche ich Ihnen zu erläutern. Diese Institution ist für viele Soldaten - das haben gerade die mehr als 10 000 Eingaben im vorigen Jahr gezeigt - eine Möglichkeit, gegen autoritäre Strukturen von Befehl und Gehorsam mit demokratischen Mitteln Hilfe oder zumindest Gehör zu erwirken. Dieses Vertrauen, das lediglich dem Noch-Wehrbeauftragten Herrn Weiskirch zu verdanken ist, haben Sie mit Ihrem Koalitionsstreit endgültig verspielt. Hat einer von Ihnen - außer vielleicht dem Kollegen Ronneburger - überhaupt jemals daran gedacht, wie die Betroffenen, nämlich die Soldaten, dieses unwürdige Geplänkel empfinden, daß sie empfinden müssen, daß es nicht um die Wahrnehmung ihrer Interessen geht, sondern daß es hier nur noch um Koalitionsstreit, um Postenschieberei und um einen Posten zur Alterssicherung ging? Das haben Sie vergessen. Das macht diesen Streit so unwürdig. ({0}) Fast lächerlich erscheint dieser Machtkampf darüber hinaus, wenn wir bedenken, daß diese Gesetzesänderung mit der Korrektur eines veralteten Textes begründet, aber dabei bereits vergessen wird, daß der beinahe zur Koalitionskrise ausgewachsene Personenkampf ein Amt zum Gegenstand hat, dessen Name „Wehr" beauftragter das Festhalten an politisch schon fast überholten militärischen Strukturen dokumentiert und dessen „Wehr" verständnis unter zunehmendem Akzeptanzverlust in der Bevölkerung leidet. Die Interessenvertretung einer Personengruppe, also in diesem Fall der Wehrpflichtigen, die schon in naher Zukunft drastisch reduziert werden muß, sollte nicht in die Hände derer gelegt werden, die sich noch heute als Verfechter der Beibehaltung der atomaren Abschreckung und der „Vorneverteidigung" allen Entwicklungen in Osteuropa zum Trotz erweisen. Wir wollen Herrn Biehle nicht zumuten, Wehrbeauftragter für eine hochgerüstete Bundeswehr zu werden, die in den nächsten Jahren drastisch reduziert werden muß. Deshalb wird die Fraktion DIE GRÜNEN den Vorschlag der FDP-Fraktion unterstützen, Herrn Jungmann zu wählen. Unsere Zustimmung zu dem Gesetzentwurf ist allerdings an ein politisches Junktim gebunden: Wir fordern, daß ein mit vergleichbaren Kompetenzen ausgestattetes Amt für die friedenspolitische Alternative zum Soldaten, nämlich für den Zivildienstleistenden, sofort eingerichtet wird. Wer von der Wahrnehmung demokratischer Grundrechte und Gleichberechtigung spricht, wie auch heute wieder geschehen, muß die Verfolgung und Diskriminierung von Totalverweigerern endlich einstellen, muß im Zusammenhang mit einem zu verkürzenden Zivildienst, angepaßt an eiFrau Beer nen ebenso zu verkürzenden Grundwehrdienst, die gleichen Rechte anwenden und dieses Amt mit gleichen Kompetenzen ausstatten. Dies, meine Damen und Herren, ist unsere Vorstellung. Nur dann ist zu rechtfertigen, daß über dieses Amt überhaupt weiter diskutiert wird. Ich selber werde mich bei der Abstimmung zum Wehrbeauftragten der Stimme enthalten, weil ich meine, daß dieses Amt in der Vergangenheit dazu gedient hat - bei der zukünftigen Besetzung wird das noch mehr der Fall sein - , den Drill und die harte Struktur der Bundeswehr aufrechtzuerhalten. ({1}) Dennoch möchte auch ich mich für die positiv zu bewertende Anwesenheit von Herrn Weiskirch im Verteidigungsausschuß ganz ausdrücklich bedanken. So bestand oft die positive Möglichkeit, über bestimmte Dinge zu reden, die sonst von anderer Stelle - gerade Sie haben oft entsprechende Kritik geübt, Herr Biehle - unterdrückt worden oder nicht zur Diskussion gekommen wären. Vielen Dank. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Entsprechend unserer geänderten Geschäftsordnung erteile ich dem Abgeordneten Horn das Wort.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Nolting hat vorhin darauf aufmerksam gemacht, daß bedauerlicherweise kein Abgeordneter der SPD bei der Verabschiedung des Wehrbeauftragten durch den Bundesverteidigungsminister anwesend gewesen sei. Ich erkläre hiermit, daß ich bedauerlicherweise keine Einladung auf dem Tisch hatte. Ich weiß, daß auch andere Kollegen meiner Fraktion keine hatten. Ich weiß aber auch, daß mindestens ein Kollege anwesend ist, der eine hatte und der sich für seine Abwesenheit entschuldigt hat. Ich möchte, Herr Kollege Nolting, hier nun nicht dem Slalom der Postübermittlung nachgehen. Aber ich möchte ein anderes sagen, menschlich und politisch: Ich glaube, es dürfte Ihnen bekannt sein - deshalb war die Vorhaltung eigentlich unnötig - , daß nicht nur ich als Obmann, sondern auch meine Freunde von der Arbeitsgruppe „Sicherheitsfragen" ein ausgezeichnetes Verhältnis zu dem Wehrbeauftragten haben. Wir haben ihn damals bei der entsprechenden Wahl im Verteidigungsausschuß nicht nur einmütig - einmütig! - vorgeschlagen, sondern haben ihn auch in schwieriger Situation - das weiß der Wehrbeauftragte - nicht im Stich gelassen, sondern ihn immer unterstützt. In dem Sinne sage ich noch einmal ganz herzlichen Dank an den Wehrbeauftragten. Er wußte und weiß, daß er unserer Loyalität immer gewiß sein konnte. Vielen Dank. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

So, meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zur Einzelberatung und Abstimmung. Der Verteidigungsausschuß empfiehlt auf Drucksache 11/6594, die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 11/6317 und 11/6367 zur Änderung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages in der Ausschußfassung anzunehmen. Ich rufe jetzt zunächst einmal die Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf, und zwar in der Ausschußfassung. Wer diesen aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind damit angenommen, und die zweite Beratung ist damit abgeschlossen. Wir treten nunmehr in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist das Gesetz bei Enthaltung der Abgeordneten Frau Beer angenommen. Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 6 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und anderer wehrrechtlicher Vorschriften - Drucksachen 11/6030, 11/6158 - a) Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses ({0}) - Drucksache 11/6443 - Berichterstatter: Abgeordnete Breuer Steiner b) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 11/6545 Berichterstatter: Abgeordnete Strube Frau Seiler-Albring Dr. Struck Frau Vennegerts ({2}) Der Ältestenrat schlägt dem Hause eine Debattenzeit von 30 Minuten vor. - Widerspruch dagegen erhebt sich nicht. Dann ist das so beschlossen. Ich kann die Aussprache eröffnen. Zunächst einmal hat der Abgeordnete Ganz das Wort.

Johannes Ganz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000634, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beabsichtigen heute, in zweiter und dritter Lesung eine weitere Novelle zum Unterhaltssicherungsgesetz zu verabschieden. Es ist die 9. Novelle und die dritte Ganz ({0}) Änderung des USG seit 1982. Das zeigt - ich habe das hier schon einmal zum Ausdruck gebracht - , daß die Frage nach der sozialen Lage der Soldaten für uns ein zentrales Thema ist und daß insbesondere die Sicherstellung des Lebensunterhalts der Grundwehrdienstleistenden und der wehrübenden Soldaten eine ständige Aufgabe für Regierung und Parlament bedeutet. Diese Aufgabe nehmen wir sehr ernst. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen waren dabei stets bemüht, Antworten auf neu aufgekommene Fragen zu geben und die Bestimmungen des USG sich ändernden Bedingungen anzugleichen. So haben wir im September 1987 durch die 7. Novelle die Geldleistungen für Grundwehrdienstleistende und Wehrübende und deren Familienangehörige fast verdoppelt sowie eine Dynamisierung der Leistungen vorgenommen. Darüber hinaus haben wir damals die Mietbeihilfen massiv angehoben. Die 8. Novelle, die wir im November vorigen Jahres verabschiedet haben, brachte insbesondere die finanzielle, aber auch versicherungsrechtliche Gleichstellung der Wehrübenden aus der freien Wirtschaft mit jenen aus dem öffentlichen Dienst. Der Inhalt der heute zu verabschiedenden 9. Novelle ist ein weiterer Beweis für dieses ständige Bemühen. Die heute vorgesehenen Änderungen - besser: Neuerungen, Ergänzungen - sollen im wesentlichen verheirateten Grundwehrdienstleistenden und deren Ehefrauen bzw. Kindern zugute kommen. Die Absicht unterstreicht - wie Frau Staatssekretärin Hürland-Büning bei der Beratung der 7. Novelle bereits einmal festgestellt hat - , daß für uns Familienpolitik nicht vor dem Kasernentor haltmacht. ({1}) Überhaupt trägt, so wie ich das sehe, der heute zu verabschiedende Gesetzentwurf deutlich die Handschrift der Staatssekretärin. An dieser Stelle möchte ich mich einmal sehr herzlich dafür bedanken. ({2}) Zwar sind verheiratete Soldaten unter den Grundwehrdienstleistenden eine kleine Gruppe. Unter den 215 000 wehrpflichtig Dienenden sind es ca. 11 000. Das sind weniger als 5 %. Daraus könnte man die Frage ableiten, ob man nicht generell darauf verzichten sollte, verheiratete Wehrpflichtige zum Grundwehrdienst einzuberufen. Wir sind der Meinung, aus Gründen der Wehrgerechtigkeit nicht darauf verzichten zu können. Auch sollten junge Männer durch die Zulassung dieser möglichen Wehrpflichtausnahme nicht animiert werden, sich der Wehrdienstleistung durch Heirat zu entziehen. Gleiches gilt natürlich auch für Zivildienstleistende. Weil wir den Gesetzentwurf in der ersten Lesung im vereinfachten Verfahren, d. h. ohne Aussprache an die Ausschüsse überwiesen haben, möchte ich kurz die wichtigsten Änderungen bzw. Ergänzungen nennen, die er beinhaltet. Erstens. Verheiratete Grundwehrdienstleistende sollen nach ihrer Entlassung statt bisher 1 260 DM nur noch 1 110 DM Entlassungsgeld erhalten, wie die nicht verheirateten Grundwehrdienstleistenden auch. Hinzu kommt dafür aber für den ersten Monat nach der Entlassung ein Überbrükkungsgeld in Höhe von 700 DM, d. h. Entlassungsgeld und Überbrückungsgeld zusammen betragen 1 810 DM und damit 550 DM netto mehr als bisher. Sofern Grundwehrdienstleistende Kinder haben, erhöht sich dieser Betrag um 200 DM für jedes Kind. Diese Regelung ist sinnvoll und zu begrüßen; denn erfahrungsgemäß können nicht alle Soldaten im Anschluß an den Wehrdienst trotz der zur Zeit hervorragenden Konjunktur ihre zivile Arbeit unmittelbar wieder aufnehmen. Zweitens. Ehefrauen von Grundwehrdienstleistenden sollen neben der Unterhaltssicherung im Monat Dezember zusätzlich 390 DM und für jedes Kind 50 DM erhalten. Diese Beträge werden als Weihnachtsgeld in den Sprachgebrauch eingehen. Drittens. Bei der Geburt eines Kindes während des Grundwehrdienstes seines Vaters soll für die Säuglingserstausstattung eine einmalige Beihilfe von 250 DM gewährt werden. Auch diese beiden Bestimmungen werden von uns sehr begrüßt, sind sie doch ebenfalls Ausdruck unseres Bemühens, die Unterhaltssicherung familiengerechter zu gestalten. Alles in allem: Der Gesetzentwurf findet unsere uneingeschränkte Unterstützung. Ich hoffe, daß der vorgesehene Termin des Inkrafttretens eingehalten werden kann, so daß die vorgesehenen Verbesserungen schon denen zugute kommen, die zum Juni-Termin dieses Jahres entlassen werden. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Jetzt spricht der Abgeordnete Steiner.

Heinz Alfred Steiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002235, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heute zu verabschiedende 9. Novelle zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes enthält Vorschriften, die geeignet sind, die finanzielle Lage der Familien von verheirateten Grundwehrdienstleistenden endlich zu verbessern. Das ist zu begrüßen. Leider ist es aber am strammen Widerstand der Koalitionsfraktionen gescheitert, auch eheähnliche Lebensgemeinschaften einzubeziehen. ({0}) Als Erfolg der Ausschußberatung sollte jedoch vermerkt werden, daß zumindest die Fälle, in denen ein Wehrpflichtiger sein Kind allein erzieht, einstimmig in die neue Regelung einbezogen werden konnten. Erwähnenswert ist auch die Tatsache, daß die 9. Novelle im Gegensatz zur 7. und 8. Novelle relativ zügig vorbereitet und in die parlamentarische Beratung eingebracht worden ist. Wenn Sie, Herr Kollege Ganz, vorhin sagten, seit 1982 hätten wir bereits die dritte Novelle hier in der Beratung, dann ist das richtig, aber Sie haben vergessen zu sagen, daß es über vier Jahre gedauert hat, bis die 7. Novelle dann endlich, trotz vieler Vorankündigungen, auf den Weg gebracht werden konnte. Und auch mit der 8. Novelle hat es gehapert. Aber diesmal ging es wirklich zügig. ({1}) Ich suchte nach einer Begründung dafür. Der Grund findet sich wohl darin, daß diese Novelle zu dem von der Bundesregierung im Juli 1989 stolz verkündeten und beschlossenen sogenannten „Programm zur Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr" gehört. Das mag wohl der wahre Grund für diese zügige Behandlung gewesen sein. Aber in diesem Zusammenhang drängt sich nicht nur mir die Frage auf, ob den Formulierungskünstlern der Bundesregierung entgangen ist, daß sie mit der Bezeichnung „Programm zur Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr" der Bundeswehr indirekt Unattraktivität unterstellt haben. ({2}) Ist das bewußt geschehen, dann sind allerdings programmatische Schritte sinnvoll, um den von der jetzigen Regierung verschuldeten Zustand schnell zu verbessern. Wenn allerdings der Bundesminister der Verteidigung die vorgesehenen Verbesserungen, die heute zur Entscheidung anstehen, als einen besonders wichtigen, auch familien- und sozialpolitisch bedeutsamen Beitrag zur Stärkung der Lage der grundwehrdienstleistenden Ehemänner bzw. Väter bezeichnet, ({3}) dann, meine ich, hat er nicht in die Sahne getroffen. ({4}) Das machen die D-Mark-Beträge deutlich, die ich deshalb, obwohl sie schon von Ihnen genannt worden sind, Herr Kollege Ganz, noch einmal nennen muß. Konkret sieht der Gesetzentwurf Verbesserungen beim sogenannten Überbrückungsgeld und beim Weihnachtsgeld vor. Und richtig ist: Danach erhält die Ehefrau eines Wehrpflichtigen für den ersten Monat nach dem Grundwehrdienst 700 DM und für jedes Kind des Wehrpflichtigen noch einmal 200 DM als Überbrückungsgeld. Für den Monat Dezember werden der Ehefrau 390 DM und jedem Kind des Wehrpflichtigen - das will ich jetzt noch einmal ganz besonders betonen - 50 DM als besondere Zuwendung neben den laufenden monatlichen Unterhaltszahlungen gewährt. ({5}) Hinzu kommt noch, daß ein Grundwehrdienstleistender bei der Geburt eines Kindes 250 DM als einmalige Beihilfe zur Säuglingsausstattung erhält. Ob diese Leistungsverbesserungen den Grundwehrdienst attraktiver machen, ist in Zweifel zu ziehen und bleibt abzuwarten. Diese Zweifel müssen erlaubt sein; denn es werden eben nur die verheirateten Grundwehrdienstleistenden berücksichtigt. Unverheiratete Väter werden durch den vorliegenden Gesetzentwurf eindeutig benachteiligt. Die Bundesregierung steht auch mit diesem Gesetzentwurf in der Kontinuität ihres schon hinreichend bekannten einseitigen Familienbildes. Von der vom Verteidigungsminister angekündigten finanziellen Besserstellung der Grundwehrdienstleistenden werden also in erster Linie Familien von Verheirateten profitieren. Auch bei den Beratungen im Verteidigungsausschuß blieb die Mehrheit der Regierungsparteien bei der von uns kritisierten Haltung, andere Lebensgemeinschaften von Wehrpflichtigen bei der neuen Regelung nicht zu berücksichtigen. ({6}) Lediglich bei der einmaligen Beihilfe zur Säuglingsausstattung konnte sich der Ausschuß darauf einigen, daß diese finanzielle Unterstützung auch für ein nichteheliches Kind eines Wehrpflichtigen beansprucht werden kann. Darüber hinaus fand ein SPD-Änderungsantrag die einstimmige Zustimmung des Ausschusses, der vorsieht, daß ein Wehrpflichtiger als alleinerziehender Vater in die neue Regelung für die Familien einbezogen wird. Diese Ergänzung ist in § 6 Abs. 1 des Gesetzentwurfs eingefügt worden, was von meiner Fraktion ausdrücklich begrüßt wird. Die Ungleichbehandlung zwischen einem verheirateten und einem in einem nichtehelichen Verhältnis lebenden Grundwehrdienstleistenden wird mit dieser Novelle nicht nur nicht gemildert, sondern sogar noch verstärkt. Niemand wird bestreiten wollen, daß sich vom Wehrsold allein keine Familie unterhalten läßt. Der Rat der Bundesregierung, dann doch zu heiraten, kann ja wohl nicht ernst genommen werden. Eine derart - ich meine - oberflächliche Art, die persönliche Entscheidung von Menschen zu bewerten und mit ihren Problemen umzugehen, muß ich an dieser Stelle ausdrücklich zurückweisen. ({7}) Es stände den politisch Verantwortlichen gut an, wenn sie die Sorgen und Nöte aller Wehrpflichtigen und die ihrer Familien ernst nähmen ({8}) und sie nicht mit einer so lapidaren Bemerkung vom Tisch wischten. ({9}) Kolleginnen und Kollegen, weil es zum Thema paßt und weil Regelungsbedarf besteht, noch einige Anmerkungen zur 8. Novelle des Unterhaltssicherungsgesetzes, die wir im letzten Jahr verabschiedet haben, und zwar auch einstimmig. Bei der Beratung der 8. Novelle habe ich für meine Fraktion bereits auf Schwachstellen des damals vorgelegten Gesetzentwurfs hingewiesen. Auf Grund der Erfahrungen im Umgang mit der 8. Novelle haben sich noch mehrere zusätzliche Schwachstellen gezeigt. Herr Kollege Ganz, Sie kennen diese. Ich habe das in einem Schreiben inzwischen auch der Parlamentarischen Staatssekretärin zur Kenntnis gegeben und sie gebeten, dazu Stellung zu nehmen. Ich meine, daß diese Schwachstellen unbedingt ausgeräumt werden müssen; denn die seit dem 1. Januar dieses Jahres geltenden Bestimmungen regeln die Verdienstausfallentschädigungen für Wehrübende aus der privaten Wirtschaft, die jetzt zur Gleichstellung mit den Beschäftigten im öffentlichen Dienst 100 % betragen sollten. Doch die vom Parlament angestrebten Verbesserungen sind so nicht eingetreten. Ich meine, das liegt daran, daß die Berechnungsgrundlage nicht dem entspricht, was wir alle seinerzeit wollten. Nur haben wir diese Berechnungsgrundlage, die jetzt angewandt wird, bei der Verabschiedung des Gesetzentwurfs hier und auch bei den Beratungen im Fachausschuß so nicht mitbeschlossen. Ich meine, hier kann ohne gesetzliche Änderungen erreicht werden, die Berechnungsgrundlage wieder so zu gestalten, daß die Unstimmigkeiten und Unebenheiten, die hier zutage getreten sind, ausgeräumt werden können. Diese Unzulänglichkeiten sind von uns allen so nicht gewollt und bei den Beratungen im Fachausschuß auch gar nicht deutlich geworden. Wir können deshalb erwarten, daß die Berechnungsgrundlagen, die ich gerade angesprochen habe, umgehend umgestellt werden. Abschließend darf ich sagen, daß die SPD-Fraktion trotz der von mir aufgezeigten Unebenheiten, die auch die 9. Novelle zum Unterhaltungssicherungsgesetz enthält, diesem Gesetzentwurf zustimmen wird. ({10})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Nolting.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits zum drittenmal in dieser Legislaturperiode, d. h. innerhalb von drei Jahren, wollen wir heute eine Novellierung des Unterhaltssicherungsgesetzes beschließen. Damit gibt es zum drittenmal auch spürbare Verbesserungen für Grundwehrdienstleistende bei der Bundeswehr. Ich denke, Herr Kollege Steiner, das hätten Sie als Opposition hier auch ausdrücklich begrüßen können. ({0}) - Ich darf Sie daran erinnern, daß Sie dreizehn Jahre lang den Verteidigungsminister gestellt haben. Sie hätten diese Zeit gut nutzen können, um Verbesserungen herbeizuführen. Sie haben das nicht getan. ({1}) Diesmal betrifft es die Familien von verheirateten Grundwehrdienstleistenden. Erstens. Für die FDP-Fraktion begrüße ich, daß ein Überbrückungsgeld eingeführt wird. Von meinen Vorrednern ist darauf hingewiesen worden, daß für den ersten Monat nach dem Grundwehrdienst die Ehefrau 700 DM erhält; für jedes Kind werden 200 DM gezahlt. ({2}) Damit tragen wir dem Umstand Rechnung, daß Familien finanziell besonders belastet sind, wenn zwischen der Entlassung und der ersten Lohnzahlung im neuen Arbeitsverhältnis ein Monat vergeht. Zweitens. Wir begrüßen ebenfalls, daß für den Monat Dezember die Ehefrau 390 DM und jedes Kind 50 DM Weihnachtsgeld erhalten. Auch hiermit wollen wir die besonderen Belastungen in den Familien von Grundwehrdienstleistenden anerkennen. Diese Maßnahme versteht sich daher auch als Teil des Gesamtpakets familienfreundlicher Leistungen dieser Bundesregierung und dieser Koalition. Drittens. Wird einem Wehrpflichtigen während seiner Grundwehrdienstzeit ein Kind geboren, so erhält er zur Erstausstattung eine Beihilfe von 250 DM. ({3}) Auch diese Maßnahme, die den Familien im gegebenen Falle besonders helfen soll, begrüßen wir. Meine Damen und Herren, unsere Wehrpflichtigen leisten einen wesentlichen Beitrag zu unserer Verteidigung. ({4}) Sie bringen dafür Opfer, Opfer, die wir, soweit das möglich ist, in Grenzen halten müssen. Auch dies trägt zur Akzeptanz bei. Die heutige Gesetzesänderung soll dazu beitragen, zumindest die Lage im finanziellen Bereich erträglicher zu gestalten. Meine Damen und Herren, gleichzeitig stellt sich bei dieser Gelegenheit natürlich auch die Frage nach der Länge des Wehrdienstes. Wir haben derzeit noch ein Gesetz, das die Einführung von W 18 ab 1992 vorsieht. ({5}) Wir alle wissen, daß es dazu nicht kommen darf und auch nicht kommen wird. Ich möchte bei dieser Gelegenheit das Bundesverteidigungsministerium auffordern, die entsprechende Gesetzesänderung rechtzeitig vorzulegen, so daß wir noch vor der Sommerpause, aber in jedem Fall noch in dieser Legislaturperiode W 18 endgültig vom Tisch bekommen. ({6}) Die FDP hat darüber hinaus im Januar durch entsprechende Beschlüsse von Vorstand und Fraktion die Perspektive auf W 12 eröffnet. Wir halten es für durchaus realistisch, daß wir in der nächsten Legislaturperiode mit den Wiener Abrüstungsverhandlungen in ihrer zweiten Phase und den sich entwickelnden neuen Bündnisstrukturen so weit kommen können, daß wir mit einer Wehrdienstdauer von nur zwölf Monaten unsere Verteidigungsfähigkeit voll aufrechterhalten können.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Nolting, das veranlaßt den Abgeordnete Horn, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe noch eine Minute Redezeit. Wenn mir das nicht angerechnet wird, lasse ich die Frage zu.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich rechne es Ihnen nicht an.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Nolting. - Herr Kollege Nolting, Sie haben vorhin darauf hingewiesen, daß wir als Sozialdemokraten dreizehn Jahre lang den Verteidigungsminister gestellt haben. Gleichwohl: Sie waren damals mit in dieser Koalition. Nachdem Sie hier jetzt wieder an die Regierung appellieren, das Gesetz über die Grundwehrdienstdauer zu ändern, sage ich: Dies ist doch eine Sache des Gesetzgebers. Sind Sie nicht der Auffassung, daß - hic Rhodus, hic salta! - in diesem Parlament mit Ihnen zusammen ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt werden könnte, damit wir gemeinsam darüber abstimmen? Ich garantiere für die Sozialdemokraten, daß Sie eine Mehrheit dafür haben werden. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Horn, ich nehme an, Sie sind an der Antwort echt interessiert. ({0})

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Horn, erstens weiß ich, daß wir in diesen dreizehn Jahren mit in der Regierung saßen. Wir haben ja gemeinsam jene Koalition gestellt. Ich stehe auch im nachhinein zu dieser Koalihon. ({0}) Zweiter Punkt. Sie haben im Verteidigungsministerium den Minister gestellt. Es wäre dann auch die Aufgabe des Ministers gewesen, denke ich, die Veränderungen herbeizuführen, die Sie heute moniert haben. Dann stelle ich umgekehrt die Frage: Wäre es nicht auch Ihre Aufgabe als Koalitionspartner gewesen, entsprechende Änderungsanträge hier im deutschen Parlament zu stellen? Auch das haben Sie nicht getan, Herr Kollege Horn. Ich gehe mit Ihnen überein, daß wir eine Änderung auf W 15 sehrwohl aus der Mitte des Parlaments heraus bringen können, später auch zu W 12. Ich denke, auch hier ist es legitim ({1}) - lassen Sie mich doch bitte erst ausreden - , daß das entsprechende Haus Amtshilfe leistet. Das ist in früheren Jahren und auch in früheren Koalitionen so gewesen. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun möchte der Abgeordnete Ronneburger gern eine Frage beantwortet haben.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gern.

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Verehrter Herr Kollege, wären Sie bereit, den Kollegen Horn darauf aufmerksam zu machen und daran zu erinnern, wenn seine eigene Erinnerung nicht so weit reichen sollte, daß die größten Auseinandersetzungen innerhalb der sozialliberalen Koalition bei wechselnden Mehrheiten entstanden sind?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Diese Frage darf der Kollege Nolting nicht beantworten, weil Dreiecksfragen nicht zugelassen sind. Aber, Herr Abgeordneter Ronneburger, ich nehme an, daß mit dem Stellen der Frage der Zweck erfüllt ist. ({0}) Nun fahren Sie bitte fort.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich denke, daß der Kollege Horn gut zugehört hat. Herr Kollege Ronneburger, ich darf diese Frage nicht beantworten. Meine Damen und Herren, ich denke, daß wir gemeinsam, wie es vorhin schon angesprochen wurde, uns auch auf zwölf Monate Wehrdienst einigen können. Ich denke, daß dieser Weg, unsere jungen Männer zeitlich zu entlasten, zweifellos der sinnvollste ist. Solange dies noch nicht möglich ist, ist es notwendig, zumindest die finanzielle Situation der Wehrdienstleistenden zu verbessern. Dies wollen wir heute erreichen. Ich bedanke mich bei der SPD, daß sie dem vorliegenden Gesetzentwurf mit zustimmt. Für die Koalition ist es eine Selbstverständlichkeit, daß wir zustimmen. Herzlichen Dank. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun hat die Abgeordnete Frau Beer das Wort.

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Die GRÜNEN stimmen den der heutigen Debatte zugrundeliegenden Gesetzentwürfen grundsätzlich zu. Wie immer, wenn es um die Unterhaltssicherung der Wehrpflichtigen und Zivildienstleistenden geht, die hier in der Debatte leider sehr viel weniger Berücksichtigung finden, ({0}) möchte ich auch heute zwei grundsätzliche Kritikpunkte ausführen. Der unter Punkt A genannten Zielsetzung in dem Gesetzentwurf, durch die hier zu beschließenden Leistungen für die Familien die Attraktivität des Dienstes als Soldat zu erhöhen, können und wollen wir nicht folgen. Diese Leistungen, die hier diskutiert werden, sind längst überfällige Leistungen, mit denen nur ein weiterer Schritt in die Richtung unternommen werden soll, die soziale und finanzielle Benachteiligung Zivil15340 und Kriegsdienstleistender Schritt für Schritt aufzuheben. Das ist eine Maßnahme im Sinne der Fürsorgepflicht des Verteidigungsministeriums, aber immer noch nicht ausreichend und längst nicht attraktivitätssteigernd. Diese Fürsorgepflicht wurde lange vernachlässigt. Wenn Sie heute von einer Attraktivitätsmaßnahme sprechen, zeigt das, daß die Gesetzesvorlage nicht der Einsicht entspricht, die betroffene Personengruppe über lange Zeit vernachlässigt zu haben, sondern es läßt befürchten, daß auch hier politisches Kalkül die Feder der Gesetzesschreiber geführt hat. ({1}) Unter Berücksichtigung der heutigen Ost-West-Entspannung und der gravierenden Truppenreduzierung in Ländern der Warschauer-Vertrags-Staaten greifen Sie zu den falschen Maßnahmen. Die vollkommen zu Recht wachsende Wehrunwilligkeit in der Bevölkerung, die wachsende Kritik an einem noch immer steigenden Rüstungshaushalt in der Bundesrepublik, die zunehmende Zahl der Kriegsdienstverweigerer, all dies erfordert kein Attraktivitätsprogramm für den Dienst als Soldat, sondern erfordert ganz wesentliche Schritte in eine andere Richtung, erfordert u. a. natürlich auch Grundrechte, auch soziale Leistungen für diese betroffenen Gruppen, Zivildienst und Grundwehrdienst, wie sie auch den anderen, überwiegenden Bevölkerungsteilen zustehen, aber die erforderliche Politik in dieser Sache wäre eine Abrüstungspolitik, die Reduzierung der Zivil- und Wehrpflichtzeit, die radikale Reduzierung der Bundeswehr und die Sicherstellung der Mittel, die den Dienstverpflichteten ein früheres Ausscheiden aus der Bundeswehr ermöglichen und danach auch eine soziale Garantie geben.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Abgeordnete Beer, Entschuldigung, daß ich Sie unterbreche; aber der Abgeordnete Dr. Klejdzinski möchte gerne eine Zwischenfrage stellen.

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bitte sehr.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Kollegin, da Sie die radikale Reduzierung der Bundeswehr so verklausuliert ansprechen und gleichzeitig anführen, welche Schwierigkeiten auftreten: Darf ich davon ausgehen, daß Sie dem Parlament indirekt das sagen wollen, was Herr Mechtersheimer heute im Ausschuß vertreten hat, nämlich daß Sie für die völlige Abschaffung der Wehrpflicht sind?

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es geht mir in erster Linie darum, deutlich zu machen, daß man seitens der Bundesregierung einem politischen Anliegen nämlich, in diesem Fall, die Bundeswehr weiterhin zu legitimieren, nicht dadurch gerecht werden kann, daß man längst überfällige Leistungen für Wehrdienstleistende als Erhöhung der Attraktivität dieses Dienstes bezeichnet. Das ist eine politisch falsche Einschätzung. Das Grundsätzliche dabei ist - das versuche ich Ihnen klarzumachen, nur scheint das leider noch immer nicht zu gelingen -, ({0}) daß allein das Wort „Wehr" keine Rechtfertigung mehr hat, weil das, was durch die Bundeswehr abgewehrt werden soll, ganz einfach nicht mehr vorhanden ist. Ich habe deswegen die Truppenreduzierung in Osteuropa angeführt: Der Feind fehlt inzwischen. Trotzdem wird erwartet, daß die Bundeswehrsoldaten ohne soziale Gleichberechtigung nach wie vor einen knochenharten Dienst schieben. Natürlich sind wir darüber hinausgehend endgültig für die Abschaffung der Bundeswehr, wenn die Mehrheit der Bevölkerung dafür eintritt. Ich bezweifle, daß es Ihnen mit ganz selbstverständlichen Leistungen wie denen, über die heute debattiert wird, gelingen wird, tatsächlich von der aktuellen Tagespolitik der Bundesregierung abzulenken. Die Bedenken, die dazu führen, daß die Zahl der Wehrdienstverweigerer steigt, haben ihre Ursache nämlich in der aktuellen Tagespolitik der Bundesregierung. Ich möchte hier als Beispiel den Koalitions- und Regierungsstreit zur Anerkennung der polnischen Westgrenze nennen. Allein dieser Streit ist nach meiner Überzeugung Grund genug, den Wehrdienst zu verweigern. Zudem wird noch heute in Gesetzentwürfen der Bundesregierung die Benachteiligung Nichtverheirateter festgeschrieben. Eine Ausnahme gilt allein für Wehrpflichtige, die Alleinerziehende sind. Darf ich Sie, Frau Staatssekretärin, als Frau fragen: Wie soll ein Wehrpflichtiger Alleinerziehender sein? Wie soll er das bei den sozialen Leistungen, die ihm zur Verfügung stehen, überhaupt gewährleisten? ({1}) Das Geld reicht nicht einmal, um das Kind in Obhut zu geben. Das ist familienfeindliche Politik und geht an unseren Intentionen vorbei. Dies ist der zweite Aspekt, der in dieser Angelegenheit grundsätzlich zu kritisieren ist. Vielen Dank. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Hürland-Büning.

Agnes Hürland (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000976

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Beer, ich glaube nicht, daß Sie ernsthaft erwarten, daß ich hier auf Ihre weitgehend polemischen Einlassungen antworte. Dazu wird es vielleicht morgen in der deutschlandpolitischen Debatte Möglichkeiten geben. Einige Punkte werde ich mir aber schon herausgreifen. Meine Damen und Herren, mit der erneuten, nunmehr neunten Novellierung des Unterhaltssicherungsgesetzes will die Bundesregierung die finanzielle Lage der verheirateten Wehrpflichtigen der Bundeswehr weiter verbessern. Zwar bedeutet das vom Staat geforderte Ableisten der Grundwehrdienstpflicht auch für den ledigen Soldaten ein Opfer, das zu erbringen ihm nicht immer leicht fällt; das wissen wir. Naturgemäß ist dieses Opfer aber für die verheirateten Soldaten größer. Die finanziellen Leistungen dieses Gesetzes können dieses Opfer - 15 Monate Bund - für den verheirateten Wehrpflichtigen sicherlich nicht beseitigen. Sie können es aber ganz entschieden mildern und damit die Akzeptanz des Wehrdienstes für diesen Personenkreis erhöhen. Dies ist ein Anliegen, dem sich in diesem Hohen Hause keiner wird entziehen wollen. Meine Vorredner haben die mit dem Gesetz beabsichtigten Leistungsverbesserungen bereits hervorgehoben: die Einführung eines Überbrückungsgeldes für den ersten Monat nach der Entlassung. Es soll für die Ehefrau 700 DM und für jedes Kind, das im Haushalt des Wehrpflichtigen lebt, 200 DM betragen. Damit verbessert sich die finanzielle Lage der Familien der Soldaten erheblich. Alle Grundwehrdienstleistenden erhalten - unabhängig von ihrem Familienstand - zu Weihnachten eine besondere Zuwendung von zur Zeit 390 DM. Künftig wird auch die Ehefrau diesen Betrag erhalten. Für ein Kind werden 50 DM gewährt. Und schließlich soll der Wehrpflichtige, der während des Grundwehrdienstes Vater wird, zur Säuglingserstausstattung eine einmalige Beihilfe von 250 DM erhalten. Dabei ist es gleichgültig, ob es ein eheliches oder ein nichteheliches Kind ist, weil es sich bei dieser einmaligen Beihilfe um eine Unterhaltsleistung handelt. Das erhöhte Entlassungs- und Weihnachtsgeld erhält der Wehrpflichtige demgegenüber für ein nichteheliches Kind nur dann, wenn er das Sorgerecht hat. Dies ist ein Vorschlag des Verteidigungsausschusses, dem die Bundesregierung zustimmt. Ich glaube, der Kollege Erler hatte sich hier ganz besonders engagiert. Hier ist es aber, glaube ich, notwendig, etwas zu den verschiedenen Ausführungen zu den Wohngemeinschaften und zu den Gemeinschaften, die in unserem Sinne und nach dem Grundgesetz nicht Familie sind, zu sagen, was ich im übrigen auch im Ausschuß getan habe. Einer weiteren Ausdehnung der genannten Leistungen auf alle nichtehelichen Kinder sowie auch auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft des Wehrpflichtigen vermag die Bundesregierung nicht zuzustimmen. Das Unterhaltssicherungsgesetz ist nicht dafür geeignet, in einer solch wichtigen gesellschaftspolitischen Frage Vorentscheidungen zu treffen. Diese Frage muß im Rechtsausschuß eingehend diskutiert werden. Gegebenenfalls müßten dann hierzu Grundentscheidungen zum Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs getroffen werden. Das Unterhaltssicherungsgesetz, das an dieses Recht gebunden ist, würde dann automatisch folgen. Erlauben Sie mir, noch einmal darauf hinzuweisen, daß sich diese finanziellen Verbesserungen der neunten Novellierung für die Grundwehrdienstleistenden in eine ganze Anzahl weiterer Verbesserungen für die Wehrpflichtigen einreihen, die diese Bundesregierung in dieser Legislaturperiode verwirklicht hat. Ich darf hier nicht nur an die siebte USG-Novelle aus dem Jahre 1987 erinnern, mit der die Unterhaltssicherungsleistungen den bis 1986 gestiegenen allgemeinen Lebenshaltungskosten angepaßt wurden. Ich möchte, lieber Herr Kollege Ganz, den an mich gerichteten Dank weitergeben, heute besonders an Herrn Ministerialrat Hans Pusch und Herrn Regierungsdirektor Gert Worm und deren Mitarbeiter in der Sozialabteilung. Ich möchte sie gerne schon aus dem Grunde mit einbeziehen, da Sie, Herr Kollege Steiner, immer von Schwachstellen bei dieser Bundesregierung gesprochen haben. ({0}) - Sie behaupten das; ich werde es widerlegen. - Ich darf daran erinnern, daß diese Bundesregierung nahezu 60 - hören Sie gut zu! - gesetzliche Verbesserungen zur sozialen Lage der Soldaten mit der Hilfe des Verteidigungsausschusses - das gebe ich gerne zu - verabschiedet hat. ({1}) Wenn zirka 60 Verbesserungen in nur einer Legislaturperiode notwendig waren und durchgesetzt wurden, dann, Herr Kollege Steiner - ich schätze Sie und Ihr soziales Engagement sonst, das wissen Sie -, scheinen mir die Schwachstellen vor unserer Zeitrechnung, nämlich in Ihrer Regierungszeit, gewesen zu sein. ({2}) - Ich kann Ihnen noch mehr auflisten, was wir alles für die Soldaten getan haben. Die Soldaten wissen das auch, vor allen Dingen auch die Familien, Herr Kollege Klejdzinski. Damit ist das hier, glaube ich, wohl abgehandelt und richtiggestellt. Sie sehen, meine Damen und Herren, daß sich der Bundesminister der Verteidigung bemüht, den Grundwehrdienst für unsere Soldaten auch in finanzieller Hinsicht zu verbessern, um einen kleinen Ausgleich für die mit dem Wehrdienst verbundenen Opfer zu schaffen. Ich bitte Sie, dem Regierungsentwurf zuzustimmen, damit die zum Juni-Termin dieses Jahres zu entlassenden Soldaten in den Genuß dieser neunten Novelle kommen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Die vorgesehene Redezeit ist abgelaufen. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen nunmehr zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und anderer wehrrechtlicher Vorschriften. Es handelt sich dabei um die Drucksachen 11/6030, 11/6158 und 11/6443. Ich rufe zunächst die Artikel 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer diesen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthal- Vizepräsident Cronenberg tungen? - Dann sind die Vorschriften in zweiter Lesung bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN angenommen worden. Wir treten nunmehr in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist das Gesetz bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN angenommen worden. Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes - Drucksache 11/5373 - a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit ({0}) - Drucksachen 11/6283, 11/6575 - Berichterstatter: Abgeordneter Jaunich b) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 11/6569 Berichterstatter: Abgeordnete Kalb Waltemathe Zywietz Frau Vennegerts ({2}) Hierzu liegt eine Reihe von Änderungs- und Entschließungsanträgen der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, SPD und GRÜNEN auf den Drucksachen 11/5459, 11/6464, 11/6468, 11/6470, 11/6580 bis 11/6590 und 11/6595 bis 11/6597 vor. Insgesamt ist eine Debattenzeit von einer Stunde vorgesehen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann kann ich die Aussprache eröffnen. Zunächst hat der Abgeordnete Dr. Hoffacker das Wort.

Dr. Paul Hoffacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000934, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie bei der dritten Novelle zum Arzneimittelgesetz, so ist es auch das Ziel der vierten Novelle zum AMG, den Antragsstau abzubauen, die Arbeitsweise des Bundesgesundheitsamtes, näherhin des Arzneimittelinstitutes, effizienter zu gestalten, die Naturheilmittel stärker zu berücksichtigen, die Schadenersatzforderungen wirksam abzuwehren, Preisregelungen für den Apotheker zu treffen, die Ausfuhrregelungen zu verschärfen und die Werbung zu präzisieren. Bereits die dritte Novelle zum Arzneimittelgesetz hatte die Arbeitsweise des Bundesgesundheitsamtes bei der Zulassung von Arzneimitteln wirksam unterstützt, und zwar durch den Einbezug qualifizierter unabhängiger Sachverständiger im Rahmen der dritten Novelle. Dies war richtig. Ebenfalls war richtig, das Zulassungsverfahren durch einheitliche Arzneimittelinformationen für wirkungsgleiche Arzneimittelstoffe zu entlasten. Bei der Verabschiedung der dritten Novelle zum AMG war aber schon abzusehen, daß weitere Maßnahmen notwendig waren. Zunächst gilt dies für den Antragsstau und die Erleichterung im Verfahren zur Bearbeitung der Zulassungsanträge. Die Gründe für eine weitere Novellierung und für weitere Maßnahmen waren erkennbar in der nicht erwarteten ständig steigenden Zahl der Anträge. Ich darf vielleicht auf drei Tatbestände zurückgreifen, sie in Erinnerung rufen und auch gleichzeitig eine Lanze für das oftmals zu Unrecht gescholtene Bundesgesundheitsamt brechen. Erstens. Bis 1982/1983 war die Kapazität des Arzneimittelinstitutes auf bis zu 1 200 Erledigungen pro Jahr ausgelegt. Danach richteten sich auch die Organisation und der gesamte Personalbestand. Zweitens. In der Zeit von 1985 bis 1987 wurde die Erledigungskapazität des Arzneimittelinstitutes auf 1 800 Erledigungen pro Jahr ausgelegt. Das war ein Ergebnis des Gutachtens des Bundesrechnungshofes in seiner Eigenschaft als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Eine große Zahl von Vorschlägen wurde gemacht, die ich gerne auch den Kritikern vorhalten möchte, nämlich zu Aufbau und Ablauforganisation, Personalaufstockung, Datenverarbeitung, gesetzlichen Änderungen und manches andere mehr betreffend. Ich meine, wer hier Schuldzuweisungen vornehmen will - das ist sehr häufig in der Öffentlichkeit geschehen -, der muß in der Tat bessere Vorschläge machen. ({0}) Drittens. Diese Maßnahmen konnten aber nicht mit dem Anstieg der Zulassungsanträge Schritt halten. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl auf 3 200 an. Es war nicht vorauszusehen, daß praktisch eine Verdoppelung nach dem Gutachten des Bundesrechnungshofs eintreten würde. Es waren also eine erneute Feststellung der Erledigungskapazität und eine neue Umschreibung fällig. Wenn wir uns jetzt in dieser Debatte auf einen Mittelwert, auf eine Schlüsselzahl von 2 400 zu erledigenden Anträgen pro Jahr festlegen, dann meinen wir, daß dies für die nächste Zukunft im Hinblick auf den Fristablauf ein realistischer Wert ist. Zur Erledigung dieser Anträge und dieses Staus reichen aber die Personalkapazität und die Organisation des BGA im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht aus. Vielmehr müssen diese Defizite beseitigt werden. Die SPD hat zu dieser Beseitigung auch in den Ausschußberatungen nichts beigetragen. Sie hat auch jetzt in ihrem Entschließungsantrag ein lautes Lamento angestimmt und sehr vieles bedauert; aber es war eigentlich nur ein folgenloses Bedauern. Ich möchte deshalb diesen Entschließungsantrag, der Ihnen vorliegt, zurückweisen und vorschlagen, ihn abzulehnen. Fragen wir: Was war in dieser Situation zu tun? Die Regierungskoalition hatte zu entscheiden, wie im Interesse der Arzneimittelsicherheit, eines möglichst schnellen Abbaus des Staus und auch der Abwehr der Schadenersatzforderungen weitere, über die Vorschläge des Bundesrechnungshofs hinausgehende wirksame Mittel einzusetzen seien. Dies haben wir versucht. Wir haben viel Zeit für diese Beratungen benötigt. Ich komme gleich noch darauf zurück, warum sich die Schwierigkeiten auch in den Einzelheiten in der Vergangenheit so extrem dargestellt haben. In Betracht gezogen wurde bei dieser Frage, was zu tun sei, ein weiterer Einbezug externer Wissenschaftler. Ich weiß, daß bestritten wird, daß dies eine richtige Maßnahme ist. Wir finden aber, daß der Einbezug externer Wissenschaftler a) zur Prüfung der Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln notwendig war und b) daß die Vorprüfung von Zulassungsanträgen unbedingt eingeführt werden mußte, weil wegen der häufig schlechten Qualität auch der einzelnen Anträge erheblicher und unnötiger Mehraufwand notwendig war, der nun vom Arzneimittelinstitut geleistet werden sollte. Wir wollen diesen Einbezug des externen Sachverstandes für die Prüfung der Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln und auch für die Vorprüfung von Zulassungsanträgen hier heute endgültig beschließen. Abgerückt wurde von einer darüber hinausgehenden Übertragung der Zulassungsentscheidung auf ein privates Unternehmen. Im Anhörungsverfahren haben sich eine Reihe von Wissenschaftlern diesem Bereich zugewandt, aber ein ganz entscheidendes Hindernis nicht ausräumen können: Das EG-Recht verlangt, daß die Zulassung von einer Behörde erteilt wird. Wer nämlich die behördliche Zulassung aufgeben will, setzt die gegenseitige Anerkennung nationaler Zulassungsentscheidungen aufs Spiel. Das wollen wir nicht. Im Hinblick auf die Vollendung des europäischen Binnenmarktes mit dem Jahr 1993 können wir uns das auch nicht leisten. Überlegungen, ob nicht ein TÜV oder eine zentrale Behörde das besser könnte als das, was wir bisher haben, erwiesen sich deshalb als nicht geeignet. Weiterhin wurde in ernsthafte Überlegungen auch die zeitlich begrenzte Aussetzung der Verpflichtung des Arzneimittelinstituts einbezogen, dem pharmazeutischen Antragsteller innerhalb der im § 27 des Arzneimittelgesetzes festgesetzten Viermonatsfrist die Zulassung zu erteilen. Dies hat eine Menge Diskussionen erfordert. Denn wir, die Koalitionsfraktionen, folgten mit diesem Gedanken einer zeitlich begrenzten Aussetzung der Verpflichtung der Viermonatsfristentscheidung zunächst den Vorschlägen der Bundesregierung, wir folgten den Vorschlägen des Bundesrates, die diese aufgenommen hatte, und auch einem Antrag der SPD. Alle sprachen sich für eine, wenn auch zeitlich unterschiedliche Suspendierung aus. Die Bundesregierung meinte, einen Zeitraum bis 1996 für die Neuanträge einführen zu müssen, der Bundesrat bis 1993 und die SPD in ihrem Antrag im Ausschuß bis 1991, so daß sich die Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer solchen Vorstellung bei uns nicht sofort festmachen ließen. Dennoch haben wir diesen Gedanken im Interesse der Rechtssicherheit und auch der EG-Konformität aufgegeben. Wir stellen deshalb heute einen Antrag, wonach in Art. 5 des Entwurfs diese Vorstellung gestrichen werden soll. Es soll also, um es positiv auszudrücken, keine Aussetzung der in § 27 AMG beschriebenen Frist geben. Statt dessen haben wir mit dem Haushaltsausschuß Überlegungen angestellt, wie dieses beim Gesundheitsamt strukturell bedingte Antragsdefizit zu beseitigen ist. Das Ergebnis finden Sie heute in der Drucksache 11/6569 vom 5. März 1990, im 2. Votum des Haushaltsausschusses, nach dem die für den Abbau des Staus erforderlichen Mittel in den Nachtragshaushalt 1990 eingebracht werden sollen. Ebenfalls ist geplant - und ich hoffe, daß sich der Bundesrechnungshof nicht beleidigt fühlt - , zusätzlich zum Gutachten des Bundesrechnungshofes ein Gutachten durch ein kompetentes Consultingunternehmen erstellen zu lassen, um weitere Vorschläge für den Abbau des Zulassungsstaus zu erhalten. Nun zu weiteren Maßnahmen der vierten AMG-Novelle, die sich auf Naturheilmittel, den einheitlichen Apothekenpreis, den Export und die Werbung beziehen. Ich darf das relativ kurz machen, weil die Zeit davonläuft. Besonderes Augenmerk haben wir auf die Behandlung der Naturheilmittel im Zulassungsverfahren gerichtet. So wird verdeutlicht, daß bei der Zulassung aus bekannten Stoffen die medizinischen Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtungen zu berücksichtigen sind. Darauf beziehen sich auch einige Anträge der Opposition, die im Grunde durch unsere Festschreibung überflüssig werden; wir können sie ablehnen. Die Einbeziehung mild wirksamer Arzneimittel in die Regelung für traditionell angewendete Arzneimittel, die gern als „Hausmittel" bezeichnet werden, ist ebenfalls in der vierten AMG-Novelle enthalten. Wir kommen mit dieser besonderen Berücksichtigung der Naturheilmittel dem steigenden Interesse der Bevölkerung nach, die Naturheilmittel anwendet. Dies wird in dem Beschluß des Ausschusses für Forschung und Technologie vom 7. Februar dieses Jahres, also vor knapp vier Wochen, noch verdeutlicht, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die wissenschaftliche Aufarbeitung und Weiterentwicklung des Naturheilverfahrens und der Homöopathie verstärkt zu fördern. Es wird ein fächerübergreifendes Zusammenwirken aller in Betracht kommender medizinischer, naturwissenschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Disziplinen verlangt. Wir unterstützen diese Bestrebungen unserer Fraktionskolleginnen und -kollegen und der Koalitionspartner. Schließlich bleibt noch die gesetzliche Verankerung eines einheitlichen Apothekenpreises für apothekenpflichtige Arzneimittel hervorzuheben. Dieser Vorschlag wurde im Ausschuß von der SPD in der von uns vorgelegten Form leider nicht mitgetragen, wiewohl von unseren Kollegen der SPD immer wieder darauf hingewiesen worden ist, wie wichtig nun ein solcher einheitlicher Apothekenabgabepreis sei. Als es zum Schwur kam, haben sie leider nicht mitstimmen können. ({1}) - Nein, nein, Sie haben bei der Beratung diesen Apothekenabgabepreis in der von uns vorgelegten Form - Sie hatten einen eigenen Antrag - nicht mitgetragen. ({2}) - Nein, nein, das habe ich soeben schon gesagt. Das können Sie nachher auch im Protokoll feststellen. Ich habe von vornherein gesagt: „in der von uns vorgelegten Fassung". Die Ausfuhrregelungen für Arzneimittel wurden ebenfalls verschärft. Arzneimittel, die in der Bundesrepublik Deutschland als bedenklich angesehen werden, dürfen nur exportiert werden, wenn aus der Einfuhrgenehmigung hervorgeht, daß der zuständigen Behörde des Bestimmungslandes die Versagungsgründe bekannt sind, die dem Inverkehrbringen in der Bundesrepublik entgegenstehen. Last not least möchte ich noch auf die Verpflichtung bei der Werbung hinweisen, die in dieser Novelle ebenfalls präzisiert worden ist. Dem Antrag der SPD auf Drucksache 11/6467 möchten wir zustimmen, weil er die von uns im Gesetz festgeschriebene Regelung des Tendenzschutzes von Naturheilmitteln verdeutlicht. Die übrigen Anträge der SPD und der GRÜNEN lehnen wir ab, weil sie uns nicht weiterhelfen oder auch überholt sind. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem Dank an alle schließen, besonders an die Mitglieder des Haushaltsausschusses die die notwendige Unterstützung zur Durchsetzung unserer im Entschließungsantrag enthaltenen Forderungen gegeben haben. Jetzt hoffen wir, daß insbesondere die Mitarbeiter des Bundesgesundheitsamtes, die Arzneimittelhersteller und die Apotheker diese Verbesserungen des Arzneimittelrechts im Interesse unserer Bürger nutzen. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Jaunich.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat auf mich sehr erhellend gewirkt, Herr Kollege Dr. Hoffacker, daß Sie als eines der Ziele dieser Novelle das wirksame Abwehren von Schadenersatzansprüchen herausgestellt haben. Schadenersatzansprüche wehrt man am besten dadurch wirksam ab, daß man es zu einem Fehlverhalten erst gar nicht kommen läßt. Aber Tatsache ist, daß die Amtspraxis beim Bundesgesundheitsamt über Jahre hinweg am Gesetz vorbeigeht. Die Frist für die Erteilung einer Zulassung, wenn alle Unterlagen vorgelegt sind, darf nach dem Gesetz nämlich maximal sieben Monate nicht überschreiten. Wir haben mehrjährige Verfahren, und es gibt zwischenzeitlich auch Urteile zu dieser Frage. Ob Sie einen wirksamen Weg gegangen sind, solche Schadenersatzansprüche abzuwehren, wird sich noch zeigen; darüber werden die Gerichte entscheiden. Aus unserer Sicht wird das mit der 4. Novelle nicht erreicht. Ich möchte einem von Ihnen hier suggerierten Eindruck entgegentreten. Wir machen für den Zulassungsstau nicht die Mitarbeiter des Bundesgesundheitsamtes verantwortlich. Dies ist ein Versäumnis der Regierung und der sie tragenden Koalition. Sie haben nicht die entsprechenden Beschlüsse gefaßt, die Regierung hat nicht in entsprechender Weise gehandelt. Ein gleiches gilt auch für das Referat im Ministerium. Dort gibt es tüchtige Fachbeamte; sie tun mir immer wieder leid, wenn man sieht, was im Zusammenhang mit Arzneimittelrechtsnovellierungen hier so alles veranstaltet wird. Wenn Sie sagen, Herr Kollege Hoffacker, wir hätten zu dem Thema „Zulassungsstau" keine Beiträge geleistet, dann ist das falsch. „Ich trete dafür ein - ich habe das für meine Fraktion mehrfach öffentlich erklärt; es ließ sich aber nicht aus der Hüfte heraus beschließen - : Wenn alle diese Bemühungen in der Vergangenheit das erstrebenswerte und vom Gesetz vorgezeichnete Ziel nicht erreichen lassen, dann müssen wir zu radikalen Lösungen kommen. Deswegen sprechen wir uns dafür aus, den Gedanken auch in parlamentarischen Beratungen wirklich ernsthaft zu prüfen, ob wir uns, was die Zulassung von Arzneimitteln angeht, dieser Aufgabe nicht über ein Bundesinstitut entledigen und uns - dieser Gedanke ist von der Fachöffentlichkeit in die Diskussion gebracht worden - einem Arzneimittel-TÜV zuwenden. Ich will mich dazu heute nicht im Detail äußern, aber ich sage Ihnen voraus: Die 5. Novelle ist vorprogrammiert. Von daher werden wir uns spätestens bei dieser Gelegenheit wieder sprechen. Ich habe ein paar Jahre meines Lebens auf dem Bau gearbeitet, und dort hat man, wenn unsolide gearbeitet wurde, den Spruch „Meister, ich bin fertig. Kann ich mit der Reparatur anfangen?" gehabt. Dies ist eigentlich die Überschrift des Drehbuches zu der 4. Arzneimittelgesetznovelle, die heute zur Verhandlung steht. Die Fristen für die Novellierungen dieses Gesetzeswerkes aus dem Jahre 1976 werden immer kürzer, und zwar deswegen, weil die Probleme nicht vom Grunde her gelöst werden, sondern weil immer nur an der Oberfläche laboriert wird. Das, was sich diesmal abgespielt hat, kann man auch als Trauerspiel in mehreren Akten bezeichnen. Erster Akt: Während wir hier im Hause die 3. Novelle beraten und am 23. Juni 1988 verabschiedet haben, war schon klar: Die 4. Novelle ist in Vorbereitung, denn sie muß kommen. Erklärtes Ziel der 3. Novelle war, den Antragsstau zurückzuführen. Dieses Ziel war mit den vorgesehenen Mitteln nicht erreichbar. Die 4. Novelle mußte kommen. Zweiter Akt: Die 4. Novelle kommt. Der Stau ist zwischenzeitlich auf ca. 10 000 Präparate gestiegen. Wiederum wird keine generelle Lösung der Probleme vorgesehen. Wiederum wird nur an der Oberfläche gekratzt. Dritter Akt: die öffentliche Anhörung zu dem Thema. Die Koalition ist baß erstaunt, dort zu hören, daß die beabsichtigten Erleichterungen bei der Nachzulassung, nämlich über eine Änderungsanzeige Veränderungen und Anpassungen an die Monographien vorzunehmen, nur dann entlastend wirken, wenn dieses Gesetz weit vor Ende des vergangenen Jahres hätte verabschiedet werden können. Das war zu dem Zeitpunkt der Anhörung schon gar nicht mehr in Sicht und gar nicht mehr möglich. Wenn das nicht geschieht, dann kommt es nicht zu einer Entlastung, sondern zu einer Belastung, die zu einem Kollaps führen muß; denn kein Manager eines Unternehmens kann verantwortlich Anträge in dem guten Glauben zurückhalten, der Gesetzgeber würde eines Tages irgendwelche Erleichterungen beschließen. Also hätten alle bis zum Ende des Jahres ihre Anträge nach altem, nach heute noch geltendem Recht auf die Reise schicken müssen. Es muß also ein Vorschaltgesetz her. Wir haben ein Vorschaltgesetz beschlossen. Die Sozialdemokraten haben dies mitgetragen; denn wenn etwas sinnvoll ist, verweigern wir unsere Mitarbeit nicht. Der Termin für die Nachzulassung ist auf den 30. April dieses Jahres hinausgeschoben worden. Die Erleichterungen bei der Nachzulassung kommen erst mit Rechtskraft dieser Novelle auf die Unternehmen zu. Vierter Akt: Der Ausschuß hat wenig Zeit. Er wird unter Druck gesetzt. Dies muß alles schnell beraten werden. Am 19. Januar werden die Beratungen abgeschlossen. ({0}) Plötzlich tritt Frau Staatsminister Adam-Schwaetzer auf die Bühne. Das Licht geht aus. ({1}) - Nein, aus! - Das heißt, die für den 25. Januar vorgesehene Verabschiedung dieses Gesetzes wird plötzlich abgesetzt; denn die Koalition hat unter sich Beratungsbedarf festgestellt. ({2}) - Den sollten Sie nur rechtzeitig bekanntgeben. Die Zeit, die hier verplempert worden ist - denn heute ist schon der 7. März - , hätten wir für ordentliche Beratungen im Ausschuß gut gebrauchen können, meine Damen und Herren. ({3}) Frau Adam-Schwaetzer also, die im Auswärtigen Amt wohl auch für Europafragen zuständig ist, entdeckt, daß Art. 5 nicht europakonform ist. Ich frage mich: Ist denn das Auswärtige Amt bei der Einbringung des Gesetzentwurfes nicht beteiligt worden, wie es doch die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesregierung vorsieht? Oder hat Frau Adam-Schwaetzer geschlafen? Hat sie denn ihre Einwendungen erst entdeckt, nachdem die Koalition die schlimme Geschichte verbessert hat, wenn auch nicht ausreichend? Herr Kollege Hoffacker hat die Zeitabläufe, um die es hier geht, ja deutlich gemacht. Was bedeutet denn Art. 5? Art. 5 ist in der Tat von der Bundesregierung vorgesehen worden, um die Verpflichtung auszusetzen, innerhalb von vier plus drei Monaten eine Genehmigung zu erteilen. Dies sollte bis 1996 ausgesetzt werden. Der Ausschuß hat dann mit den Stimmen der Koalition das Datum „31. Dezember 1993", also keine so lange Aussetzung, festgesetzt. Die SPD hat gesagt: Aussetzen bis zum 31. Dezember 1991. Dies will ich erklären. Es macht ja keinen Sinn, heute Personalaufstockungen beim Bundesgesundheitsamt zu beschließen und zu sagen, diese Viermonatsfrist würde dann ab morgen plötzlich Realität sein. Deswegen ist das, was Sie jetzt mit der Streichung des Art. 5 machen, Kosmetik. Es ist im Grunde unredlich; denn trotz Zurverfügungstellung von 230 Personalstellen und anderen organisatorischen Maßnahmen, die Sie vorhaben, wird es nicht gelingen, daß ab sofort in vier oder in maximal sieben Monaten eine Genehmigung erteilt werden kann. Also: Das Problem ist nicht bereinigt, sondern nur wieder etwas verkleistert. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat zum Arzneimittelrecht eine klare und eindeutige Haltung. Wir haben bisher immer, wenn es vertretbar erschien, versucht, eine große Mehrheit für solche Entscheidungen möglich zu machen. In Arzneimittelfragen sollte man nämlich nicht von heute auf morgen, nicht in hastiger Eile und nicht ohne Not im Streit beschließen. Wir lassen uns aber nicht für den erneuten, den mehrfachen Versuch in die Haftung nehmen, mit diesem Problem fertig zu werden. Mit den vorgesehenen unzureichenden Mitteln wird dies nicht erreicht. Herr Thomae, mit Zeitschriftenartikeln kann man über das Thema fabulieren, aber es gehört hier in den Deutschen Bundestag. Ich habe unsere Haltung zum Arzneimittel-TÜV auch bei der Pharma-Tagung in München zum Besten gegeben. Dort waren Sie auch anwesend, aber Sie haben zu diesem Thema geschwiegen. Es wäre besser gewesen, Sie hätten sich damals zu diesem Thema auch geäußert. Das gehört hier in den Deutschen Bundestag. Das gehört in den Zusammenhang der parlamentarischen Beratungen. Mit Zeitschriftenartikeln ist das Problem nicht zu lösen. ({4}) - Ja, weil Sie die Zeit dafür verschenkt haben. Mit Sozialdemokraten können Sie alles tun und alles vereinbaren, was der Arzneimittelsicherheit dient, was dem Verbraucherschutz dient, was einer gesetzeskonformen Zulassungspraxis entspricht, was die Nachzulassung erleichtert, um damit die Naturheilmittel zu schützen, um diesen Schatz, den die Natur uns bietet, für die Anwendung verfügbar sein zu lassen. Unsere gelegentliche Kritik am Bundesgesundheitsamt, die natürlich auch immer wieder eine Kritik an der Regierung ist, bezog sich - ich sage es noch einmal - nicht auf den Zulassungsstau, sondern bezog und bezieht sich darauf, daß wir beim Bundesgesundheitsamt lange Zeit die Sensibilität für das Thema der Naturheilmittel haben vermissen müssen. Unsere Kritik richtet sich darauf, daß dort in der Administration der eindeutige Wille des Gesetzgebers, des Deutschen Bundestages, in mehrfachen Entschließungen bekundet, bis jetzt einfach nicht Amtspraxis geworden ist. Dies ist unsere Kritik, und davon nehmen wir nicht ein Jota zurück. Ich will überhaupt nicht in Zweifel ziehen, daß auch diese 4. Novelle einige Bestandteile aufweist, die wir für richtig halten. Aber insgesamt ist sie unbefriedigend. Sie löst die Probleme nicht. Deswegen werden wir ihr nicht zustimmen. Herr Kollege Hoffacker, was Sie hier zum einheitlichen Apothekenabgabepreis gesagt haben, war trotz meiner Intervention noch nicht voll die Wahrheit. Den einheitlichen Apothekenabgabepreis haben wir bereits im Zusammenhang mit der zweiten Novellierung des Arzneimittelgesetzes als Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht. Sie haben das niedergestimmt. Sie haben damals gesagt, das sei gar nicht nötig, dafür gebe es keine Notwendigkeit. Ich darf auch daran erinnern, daß es nicht Sozialdemokraten, sondern Koalitionsabgeordnete waren, die im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Lösung dieses Problems einen Antrag eingebracht haben, der unsere Zustimmung nun wirklich nicht finden konnte. Herr Kollege Hoffacker, das hätten Sie also besser nicht erwähnt. ({5}) - Wenn ich einen eigenen Antrag habe, dann stimme ich doch nicht einem Antrag von Ihnen zu, Herr Kollege Hoffacker. Das werden wir gleich bei der Antragsberatung in der zweiten Lesung hier noch sehen. ({6}) Die Einführung des einheitlichen Apothekenabgabepreises - ich sage es noch einmal - hätte seit Jahren im Gesetz stehen können; denn, wie gesagt, bereits bei der zweiten Novellierung haben wir entsprechende Vorschläge eingebracht. Wir werden also die Verantwortung für diese Novelle nicht mit übernehmen. Nun kommen wir zum fünften Akt, Herr Kollege Hoffacker. Mit Datum vom 7. März reicht die Koalition nunmehr Änderungsanträge ein. Für den Januar war die Verabschiedung geplant, im Januar sollte dieses Gesetz verabschiedet werden; am 7. März werden Änderungsanträge eingebracht. Hatte ich also unrecht, als ich eingangs sagte „Meister, ich bin fertig. Kann ich mit der Reparatur beginnen?"? Das ist doch ein Zeichen dafür, wie unzureichend, wie unsolide von Ihnen in dieser Frage gearbeitet wird. Nur durch den Verzicht auf die Fristeinrede kann in dieser Woche die dritte Lesung zu diesem Thema stattfinden. Das muß aus unserer Sicht so sein, denn sonst erreichen wir den Bundesrat nicht. Unter diesem Aspekt haben wir keine Fristeinrede geltend gemacht. Aber, meine Damen und Herren, Sie haben in Ihren Koalitionszirkeln wochenlang über irgendwelchen Änderungen gebrütet, reichen sie aber erst jetzt im Parlament ein. ({7}) - Herr Kollege Eimer, lenken Sie doch nicht ab! Ich merke, wie Sie das piekt. Aber ich kann Sie in dieser Frage nicht schonen. ({8}) Ich will noch zur Beschlußempfehlung kommen und Sie - das ist auch eine Bitte an den Präsidenten für die Abstimmung - ganz herzlich um folgendes bitten. Für die Ziffern II.2 bis 5 kann ich für die SPDBundestagsfraktion Zustimmung signalisieren. Bei Ziffer II. i bitte ich um Einzelabstimmung. Ich bitte darum, alternativ über die Ziffer aus unserem Entschließungsantrag, deren Nummer ich ihnen gleich noch sagen werde, abzustimmen. Denn wir sind mit einer Aussage der Hufeland-Gesellschaft konfrontiert - und das ist in der Tat ja doch wohl eine ernstzunehmende Institution - , die erklärt: Wenn, wie es die Koalition in Ziffer II.1 formuliert hat, die Organotherapeutika in den so konstruierten Kommissionen mit mindestens zwei stimmberechtigten Personen ausgestattet sind, dann heißt das, daß der Weg für die Einrichtung stoffbezogener Aufbereitungskommissionen versperrt ist. Zu diesem Thema spricht sich unser Antrag aus, der die Bundesregierung in Ziffer 4 c bittet, sicherzustellen, daß in den indikationsbezogen arbeitenden Aufbereitungskommissionen die Vertreter der jeweiligen therapeutischen Richtungen angemessen vertreten sind. Die Bundesregierung wird darüber hinaus gebeten, zu prüfen, ob auch stoffbezogene Aufbereitungskommissionen eingerichtet werden sollten. Dies entspricht dem Petitum, auf das ich soeben abgehoben habe. Ich bitte Sie sehr herzlich, diese Anregung der Hufeland-Gesellschaft nicht an sich vorbeigehen zu lassen und nicht unberücksichtigt zu lassen. Im übrigen darf ich noch auf einige unserer Änderungsanträge hinweisen. Wir haben uns ja nicht darauf beschränkt, das, was sie hier eingebracht haben, zu kritisieren, sondern begleiten diesen Prozeß konstruktiv. Ich darf auf den Antrag hinweisen, der eine nochmalige Präzisierung und auch Verschärfung der Abgabe von Arzneimittelmustern zum Inhalt hat. Ich bedauere es sehr, daß wir hierzu nicht auch von Ihnen die Zustimmung bekommen haben. Denn ich erinnere mich, daß Sie, wenn dieses Thema auf Apothekertagen behandelt wurde, immer sehr wohlwollend Ihre Beiträge dazu geleistet haben. Hier ist eine Möglichkeit, diesen Lippenbekenntnissen Taten folgen zu lassen. Ich bedauere auch, daß Sie die im Interesse des Verbraucherschutzes liegenden Anträge nicht berücksichtigt haben. Ich komme zum Schluß und sage zusammenfassend: Aus all dem ergibt sich für uns ganz eindeutig, daß wir dieser Novelle unsere Zustimmung nicht erteilen können. ({9})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Danke schön. - Bevor ich der Abgeordneten Frau Würfel das Wort gebe, informiere ich das Haus darüber, daß mir die Geschäftsführer der Fraktionen mitgeteilt haben, daß zu dem Entschließungsantrag auf Drucksache 11/6590 in veränderter Form von allen Fraktionen Zustimmung signalisiert worden ist und daß es damit nicht zu einer namentlichen Abstimmung über diesen Entschließungsantrag kommt. Ich nehme an, daß dieser Hinweis für den einen oder anderen hilfreich ist. Herr Abgeordneter Jaunich, Sie haben einige Wünsche zur Abstimmung geäußert. Wir müssen prüfen, ob dies schon in die Vorlagen eingearbeitet ist. ({0}) - Ich wäre dankbar, wenn Sie meinem Nachfolger, dem Herrn Abgeordneten Westphal, noch einmal einen konkreten Hinweis gäben, damit keine Mißverständnisse entstehen. Nun hat die Abgeordnete Frau Würfel das Wort.

Uta Würfel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002569, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Indem wir uns heute abschließend mit der 4. AMG-Novelle befassen, beenden wir für diese Legislaturperiode eine ganze Reihe außerordentlich wichtiger gesetzlicher Neuregelungen, die das Arzneimittelwesen im allgemeinen und den Arzneimittelmarkt der gesetzlichen Krankenversicherung im besonderen betreffen. Ich denke hierbei an die 3. AMG-Novelle, das Gesundheitswesen-Reformgesetz mit der Einführung der Festbeträge und an die 4. Novelle zum Arzneimittelgesetz, die ja eigentlich aus zwei Gesetzen besteht, wenn man das Vorschaltgesetz vom Dezember 1989 mitberücksichtigt. Unverkennbare Zielrichtung aller dieser Gesetze ist aus liberaler Sicht, daß der Nachzulassungsprozeß beim Bundesgesundheitsamt beschleunigt und die Arzneimittelsicherheit verbessert wird, wobei für uns besonders wichtig ist, daß die Vielfalt der Therapierichtungen erhalten bleibt. Die knappe Redezeit für uns zwingt mich zu einer engen Strukturierung meiner Ausführungen. Ich betone an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich, daß es unser liberales Anliegen ist, die besonderen Therapierichtungen gleichberechtigt neben der Schulmedizin bestehen zu lassen. ({0}) Eine Überordnung oder Nachrangigkeit im therapeutischen Sinne kann es unseres Erachtens hierbei nicht geben. Denn so individuell eine Krankheit ist, so individuell muß auch die Therapie sein, die dem Patienten angeboten wird. Einen Alleinvertretungsanspruch schulmedizinischer Denkrichtungen im Arzneimittelsektor zu formulieren würde letztendlich denen schaden, um die es im Gesundheitswesen ja wohl immer zu gehen hat, nämlich den Patienten. Unter diesem Aspekt werden wir auch in Zukunft dafür eintreten, daß die Naturheilkunde den Stellenwert im Gesundheitswesen erhält bzw. behält, der ihr zukommt. Dazu ist notwendig, daß sich diese Ansicht mehr als bisher in der konkreten Arbeit des Bundesgesundheitsamtes niederschlägt. Die internen und externen Fachleute beim BGA müssen die besonderen Therapierichtungen in ihrer Eigenart beurteilen und anerkennen. So haben wir in § 22 Abs. 3 einen Satz eingefügt, wonach bei der Zusammenstellung der Zulassungsunterlagen „die medizinischen Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtungen" zu berücksichtigen sind. Wir haben dafür gekämpft, weil wir der Überzeugung sind, daß die Erfahrungsheilkunde nicht vollständig nach naturwissenschaftlich-schulmedizinischen Kriterien beurteilt werden kann. Aus diesem Grunde stimmen wir auch dem SPD-Antrag auf Drucksache 11/6467 zu, der unsere Ansicht unterstreicht. Daß wir in diesem Zusammenhang um die Einrichtung von mehr naturheilkundlichen Lehrstühlen an den deutschen medizinischen Fakultäten bemüht sind, will ich nur am Rande erwähnen. Unter dem Punkt „Vielfalt der Therapierichtungen" möchte ich auf einige Detailregelungen dieses Gesetzes eingehen, weil ich diese für besonders erwähnenswert halte. Ich bedaure, daß es uns nicht gelungen ist, eine eigene Aufbereitungskommission für die Organotherapeutika zu schaffen. Der Kompromiß, den wir gefunden haben, wonach zwei Mitglieder dieser Therapierichtung in der entsprechenden Kommission Sitz und Stimme haben sollen, ist meines Erachtens zwar ein Schritt in die richtige Richtung, kann uns aber auf die Dauer nicht zufriedenstellen. ({1}) Den kürzlich in die Diskussion gebrachten Vorschlag einer Kommission für Regulationstherapie, in der mehrere Therapierichtungen vertreten sein können, halte ich in diesem Zusammenhang für eine wertvolle Anregung. Ich meine, daß er in die Zukunft weist. Ich würde es daher begrüßen, wenn sich auch die Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen hierfür erklären könnten. Es ist Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und - wie von Herrn Jaunich ausdrücklich erwähnt - der interessierten Öffentlichkeit nicht entgangen, daß es erhebliche Auseinandersetzungen in der Koalition um die in Art. 5 vorgesehene Aussetzung der maximal siebenmonatigen Bearbeitungsfrist für einen Zulassungsantrag gegeben hat. Ich möchte hier für meine Fraktion noch einmal feststellen, daß es unserem Rechtsempfinden natürlich nicht entspricht, wenn eine Behörde einem gesetzlich begründeten Anspruch der pharmazeutischen Unternehmer nicht nachkommen kann und wenn man in der Folge diesen Anspruch suspendiert, statt daß der Gesetzgeber alle Anstrengungen unternimmt, um Frau Würtel dem von ihm selbst formulierten Anspruch zur Durchsetzung zu verhelfen. ({2}) Rückblickend müssen wir für die Gesamtsituation leider feststellen, daß das verantwortliche Ministerium und das BGA in der Vergangenheit sicherlich eine, sagen wir einmal, rühmlichere Rolle hätten spielen können, insbesondere was die Informierung der Abgeordneten über die innere Struktur des Arzneimittelinstituts, die personelle Situation und die Arbeitsabläufe betraf. Die beklagenswerte Situation des BGA wurde deshalb vom Bundesrechnungshof wohl auch folgerichtig untersucht und aufgedeckt. ({3}) Die nach wie vor desolate Lage zwingt uns, nun sogar eine externe Institution mit einer Effizienzanalyse hinsichtlich des Arbeitsablaufs bei Zulassung und Nachzulassung zu betrauen, ({4}) um die Lage bei den Zulassungen und Nachzulassungen endlich in den Griff zu bekommen; das wollen wir ja alle. ({5}) Angesichts der nun schon fast dramatischen Situation im Arzneimittelinstitut ist das unverzichtbar. Allerdings haben die intensiven Verhandlungen und Beratungen bei der 4. Novelle dazu geführt, daß wir jetzt endlich Daten haben werden, die uns als Grundlage für weitere Entscheidungen dienen. Wir werden, Herr Jaunich, die notwendigen personellen und sachlichen Mittel bereitstellen, damit das Amt besser als bisher den Anforderungen nachkommen kann, die an das Arzneimittelinstitut gerichtet sind. Und natürlich hätte das Parlament, wie Sie auch ausgeführt haben, Herr Jaunich, bereits früher auf entscheidende, durchgreifende Verbesserungen infrastruktureller und personeller Art beim Arzneimittelinstitut gedrungen, wenn es eine andere Entscheidungsgrundlage gehabt hätte; denn selbstverständlich kann man nicht das Amt mit immer mehr Aufgaben belasten, ohne beispielsweise wenigstens das notwendige Personal bereitzustellen. Vielleicht sollten wir aber auch eingestehen, daß von vielen die Dramatik der Lage beim Arzneimittelinstitut jahrelang unterschätzt wurde und daß die getroffenen Maßnahmen deshalb unzureichend waren. Vielleicht kommt auch noch hinzu, daß im Zuge der allgemeinen Sparmaßnahmen im Haushalt eine Gewichtung der finanziellen Schwerpunkte stattfand, die dem Amt auch nicht diente. Mit der großzügigen Aufstockung der Personalmittel des Arzneimittelinstituts korrigieren wir diesen Fehler. Wenn ich von Personalmitteln spreche, so habe ich dieses Wort mit Bedacht gewählt; denn hierbei geht es nicht um Stellen. Die Aufteilung dieser Mittel in Dauerstellen, befristete Stellen und Honorarmittel muß mit Sorgfalt so erfolgen, daß es beim BGA nun keine Überkapazitäten gibt und daß die erf order-liche Umstrukturierung des Amtes erfolgt, ohne daß der Haushalt auf Dauer belastet wird. ({6}) Ich möchte noch zu einer weiteren Einzelheit kommen. Der Ausfuhrparagraph - § 73 a - bringt meines Erachtens eine wichtige Neuerung. Nachdem die Koalition heftig dafür kritisiert worden ist, daß sie die Menschen in den Entwicklungsländern angeblich vergiften will, indem sie den Export von Arzneimitteln zuläßt, die in der Bundesrepublik nicht in Verkehr gebracht werden dürfen, sind wir diesen Bedenken, wie ich glaube, in vernünftiger Weise entgegengekommen. Wir haben das getan, weil wir natürlich nicht wollen, daß von der Bundesrepublik Arzneimittelrisiken ausgehen, die letztendlich das Gegenteil von wohlverstandener Entwicklungshilfe sind. Die Neuregelung stellt darüber hinaus sicher, daß wir uns nicht als - sagen wir einmal - Oberlehrer der Importländer aufspielen. Die Vorschrift, daß der zuständigen Behörde des Bestimmungslandes die Versagungsgründe bekanntzumachen sind, die dem Inverkehrbringen im Geltungsbereich dieses Gesetzes entgegenstehen, trägt meines Erachtens allen Anforderungen in ausreichendem Maße Rechnung. Einen gewissen Zwang zur Wahrnehmung der Standardzulassung vorzusehen ist uns Liberalen nicht leichtgefallen; denn hier wird das Recht eines pharmazeutischen Unternehmers auf Einzelzulassung seines Medikamentes gemindert. Nur vor dem Hintergrund der Bewältigung des erheblichen Antragsstaus und weil wir durchsetzen konnten, daß die Standardzulassung insgesamt attraktiver gemacht wird, konnten wir schweren Herzens zustimmen. Wir behalten uns jedoch vor, für den Fall, daß der Antragsstau zügig abgearbeitet wird und daß auch nicht zu befürchten ist, daß ein neuer Antragsstau entsteht, auf diese Vorschrift wieder zurückzukommen. Ich möchte deshalb ausdrücklich erklären, daß diese Regelung für uns Übergangscharakter hat. Weiterhin haben wir mit diesem Gesetz die Nutzung externen Sachverstandes vermehrt und verbessert, wie Dr. Paul Hoffacker schon ausgeführt hat. Ich bin sicher, daß wir damit auch einen Beitrag zu einem besseren Verständnis und einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern des Bundesgesundheitsamtes und den externen Wissenschaftlern leisten können. Ich hoffe sehr, daß sich diese Neuregelungen, die eigentlich im Zusammenhang mit der 3. AMG-Novelle stehen, bewähren. Schließlich haben wir noch den Verbraucherschutz erheblich verbessert. Zum einen werden die Bestandteile des Arzneimittels deutlich gekennzeichnet. Zum anderen haben wir die Werbung in den audiovisuellen Medien so gestaltet, daß der Verbraucher nicht mehr von der Fülle an Informationen überfordert ist. Wenn ein Medikament nun visuell oder verbal angeboten wird, so wird lediglich der Satz zu lesen oder zu hören sein: Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Diese Aussage reicht völlig und ist darüber hinaus ein wertvoller Hinweis auf die Beratungskompetenz des Arztes und des Apothekers. Soweit hierdurch ein Beitrag zu verantwortungsbewußter Selbstmedikation geleistet werden kann, ist das von uns gewünscht. Ich hoffe, daß wir mit diesem Gesetz die in immer kürzeren Abständen erfolgten Novellierungen des AMG auf absehbare Zeit abschließen können. Sollte das so sein, so haben sich die Anstrengungen und auch der Ärger, den wir gerade in den letzten Wochen hatten, gelohnt. Sollte das nicht so sein, sehen wir neuen Anstrengungen und neuem Ärger gelassen entgegen. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Jetzt spricht die Abgeordnete Frau Wilms-Kegel.

Heike Wilms-Kegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002519, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese 4. Novelle zum Arzneimittelgesetz ist von der Bundesregierung eingebracht worden, um ein ganzes Sammelsurium von Problemen zu lösen. Zwar ist bei den Ausschußberatungen Änderungsanträgen der GRÜNEN zugestimmt worden oder sind in Änderungsanträgen der GRÜNEN angesprochene Problembereiche einer Lösung zugeführt worden; dennoch ist für uns diese Änderung des Arzneimittelgesetzes in ihrer Gänze nicht zustimmungsfähig. Erfreulich ist, daß die Forderung der Hebammen und Geburtspfleger bezüglich der Beschaffung der Arzneimittel, die sie laut Berufsordnung in der Geburtshilfe anwenden dürfen, in der vierten Änderung des Arzneimittelgesetzes endlich berücksichtigt worden ist. Wir GRÜNEN haben bereits 1989, als erste übrigens, auf diesen Mißstand hingewiesen und die Forderung nach dessen Beseitigung aufgestellt. Es ist schön, daß sich die Koalitionsfraktionen hier einsichtig zeigten und damit unsere Forderungen erfüllt wurden. ({0}) Sorge macht uns unverändert, wie in diesem Gesetz mit den naturheilkundlichen Arzneimitteln umgegangen wird. Bis jetzt sind die Hürden für die Zulassung von Naturheilmitteln nicht beseitigt. Immer noch besteht das Bundesgesundheitsamt auf einem objektivierbaren naturwissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis aller in einer Kombination enthaltenen Wirkstoffe, wohl wissend, daß diese Bedingungen von den in ihrer Natur ja komplexen Naturheilmitteln nicht erfüllt werden können. Die Koalitionsfraktionen beteuern, Naturheilkunde erhalten zu wollen, schaffen aber die Regelungen nicht ab, die dies erschweren. Die in dieser Novelle eingefügten Hinweise auf Naturheilmittel sind außerordentlich vage und unverbindlich. Wir stellen deswegen entsprechende Anträge zu einer festen Verankerung der Besonderheiten der Naturheilmittel noch einmal zur Abstimmung. Dabei geht es uns auch darum, daß die externen Gutachter, die vom Arzneimittelinstitut zur Beurteilung von Arzneimitteln hinzugezogen werden, nur aus den Reihen von Sachverständigen mit besonderer Sachkenntnis gestellt werden. Unter „besonderer Sachkenntnis" ist dabei zu verstehen, daß ein Gutachter auf den Anwendungsgebieten der jeweiligen Stoffgruppen oder Therapierichtungen sowohl über wissenschaftliche Erkenntnisse als auch über eigene praktische Erfahrungen verfügt. Erst mit dieser Regelung wird den Besonderheiten der Naturheilkunde wirklich Rechnung getragen. Daß die Bundesregierung nicht gewillt ist, für eine feste Absicherung der Naturheilkunde zu sorgen, ist an den halbherzigen und schwammigen Aussagen diesbezüglich zu ersehen. Das zeigt einmal mehr die Geringschätzung gegenüber der Naturheilkunde und, was wesentlich wichtiger ist, die Geringschätzung gegenüber dem Willen von Millionen von Wählern und Wählerinnen, die ihr Vertrauen in alternative Heilmethoden setzen. Weitere Gefahren drohen der Naturheilkunde durch die Vorprüfung, in der die Sachverständigen bereits Entscheidungen in der Hauptsache über den gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis aussprechen dürfen, was letztlich eine Frage des Standpunktes ist. Die Wissenschaft ist eine dynamische Angelegenheit, die selten über feste Definitionen verfügt. Auch die in diesem Gesetz verankerte pauschale Übernahme von EG-Richtlinien stellt, wie wir meinen, eine akute Bedrohung für die Naturheilkunde dar. Auf EG-Ebene gilt unumstritten eine schulmedizinische Beurteilung von Arzneimitteln, die naturgemäß von den Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen nicht erfüllt werden kann. Meine Damen und Herren, wenn wir immer wieder auf die Gefahren hinweisen, die den Naturheilmitteln drohen, so tun wir dies, weil in unseren Augen die Bundesregierung nichts unternimmt, um diese Gefahren für die Naturheilkunde abzuwehren. ({1}) Die unangemessene Behandlung der Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen durch das Bundesgesundheitsamt und die offen ausgesprochene Mißbilligung dieser Arzneimittel durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaft, unverschleiert nachzulesen in den Antworten auf Fragen aus dem Europäischen Parlament, sind eine eklatante Bedrohung für die Naturheilkunde, die aus jahrtausendelanger Erfahrung gewachsen ist. ({2}) Dieser Arzneimittelschatz der besonderen Therapierichtungen stellt ein Kulturgut dar, das keinesfalls auf dem Altar der europäischen Einheitlichkeit geopfert werden darf. ({3}) Ein geeintes Europa darf nicht dazu führen, daß nationale und traditionsreiche Naturheilkunde vernichtet wird. ({4}) Auf einen weiteren Aspekt möchte ich trotz der knappen Redezeit noch eingehen: ({5}) Art. 5 des Gesetzes scheint mir mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun zu haben - das habe ich im Ausschuß ausführlich dargelegt - , wird doch hier die Möglichkeit vorgesehen, daß die Frist für die Zulassung außer Kraft gesetzt werden kann, wenn es das Bundesgesundheitsamt nicht schafft, eben diese im Gesetz vorgesehene Frist einzuhalten. Genau das sagt Art. 5 aus. Das darf das Bundesgesundheitsamt sogar selbst entscheiden. Diese Regelung ist nichts anderes als eine Legitimation der Unfähigkeit des Arzneimittelinstituts des Bundesgesundheitsamts, seinen Aufgaben nachzukommen. Wir GRÜNEN haben schon in den Ausschußberatungen einen Antrag auf Streichung des Art. 5 eingebracht, dem leider keine andere Fraktion zugestimmt hat. Inzwischen hat jedoch gerade dieser Artikel zu einer heftigen Krise innerhalb der Koalition geführt. Wie mittlerweile zu hören war, haben die Abgeordneten von CDU/CSU und FDP inzwischen den Irrtum eingesehen, ({6}) den sie mit der Ablehnung unseres Änderungsantrags im Ausschuß begangen haben. Es liegt mittlerweile ein wortgleicher Antrag der Koalitionsfraktionen vor. Ich gehe davon aus, daß unser Antrag jetzt hier eine satte Mehrheit bekommt. Schon jetzt ist deutlich, daß eine neue Arzneimittelnovelle zur Regelung neuer, aber auch alter Problembereiche unerläßlich ist. Wir haben vier Entschließungsanträge eingebracht, in denen wir uns insbesondere der Problematik der besonderen Therapierichtungen annehmen. Wesentlich ist für uns, daß die naturheilkundlichen Therapierichtungen in ihrer Gesamtheit erhalten bleiben und auch späteren Generationen zugute kommen. ({7}) Ich fordere Sie deshalb auf - und würde mich freuen, wenn Sie dieser Aufforderung nachkämen -, unseren Anträgen zuzustimmen. Wir haben unseren Antrag, den wir zur namentlichen Abstimmung vorgesehen hatten, in Übereinstimmung mit den anderen Fraktionen von der namentlichen Abstimmung ausgenommen. Die späte Stunde, so denke ich, war dabei auch ein Argument. Tatsache ist jedoch, daß der Antrag jetzt - wenn ich das richtig sehe - eine einstimmige Zustimmung bekommen wird. ({8}) - In einer leicht veränderten Fassung. - Das ist für uns im Sinne der Naturheilkunde ein wirklich wichtiger Erfolg. ({9})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Herr Pfeifer.

Anton Pfeifer (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001703

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den kritischen Bemerkungen, die vor allem aus den Oppositionsfraktionen zu diesem Gesetzentwurf gemacht worden sind, möchte ich zunächst einmal folgendes feststellen: Das Arzneimittelgesetz erhält nach Ansicht der Bundesregierung durch die vorliegende Novelle eine ganze Reihe von wichtigen Verbesserungen. Der vorliegende Gesetzentwurf gewährleistet den hohen Stand der Arzneimittelsicherheit in unserem Lande, er enthält wichtige Weichenstellungen für den europäischen Binnenmarkt, er wird das Zulassungsverfahren für Arzneimittel beim Bundesgesundheitsamt beschleunigen, und er verbessert insgesamt die Voraussetzungen für die Zulassung und die Nachzulassung der Naturheilmittel ganz wesentlich. Ich möchte dies in einigen wenigen Punkten zusammenfassen und dabei zunächst etwas zu den Naturheilmitteln sagen. Meine Damen und Herren, die Gewährleistung und die Förderung der Vielfalt in der Arzneimitteltherapie und damit die Gewährleistung und die Förderung der Naturheilmittel war und ist ein wichtiges Ziel unserer Gesundheitspolitik. Das gilt für die Bundesregierung gleichermaßen wie für beide Koalitionsfraktionen. Aus diesem Grunde wollen und werden wir mit diesem Gesetzentwurf die Bedingungen für die Marktzulassung der Naturheilmittel verbessern. Es ist beispielsweise immer wieder und zu Recht die Forderung erhoben worden, daß zum Beleg der Wirksamkeit von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen keine unvertretbaren wissenschaftlichen Nachweise verlangt werden dürfen. Auch das haben Sie, Frau Kollegin Wilms-Kegel, eben wieder gesagt. Der Gesetzentwurf stellt ausdrücklich klar, daß als Wirkungsnachweis von Arzneimitteln mit bekannten Stoffen auch die medizinischen Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtungen Berücksichtigung finden. Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf eine Bestimmung, in welcher geregelt wird, daß für frei verkäufliche und weitgehend risikofreie Arzneimittel wie Vorbeugungs- und Stärkungsmittel ausdrücklich keine überzogenen Wirkungsnachweise gefordert werden, sondern eine Kennzeichnung mit dem Hinweis auf die traditionelle Anwendung ausreicht, die dem Verbraucher die Anwendungsmöglichkeit dieser Arzneimittel verdeutlicht. Auch für die bevorstehende Nachzulassung der Altarzneimittel enthält dieser Gesetzentwurf Neuregelungen, die sich vor allem günstig auf die Nachzulassung der Naturheilmittel auswirken werden. Zum Thema Nachzulassung möchte ich auf folgendes hinweisen: Der gesetzliche Auftrag zur Aufbereitung und Nachzulassung der sogenannten Altarzneimittel besteht seit 1976. Wir haben die Arbeiten zur Aufbereitung Anfang der 80er Jahre forciert, das Kommissionssystem gestrafft und die Arbeit der Kommissionen durch die Einrichtung von Geschäftsstellen im Bundesgesundheitsamt in Gang gebracht. Bei der Aufbereitung dieses Altmarktes haben die Kommissionen mit ihren ehrenamtlichen Sachverständigen eine, wie ich meine, vorzügliche Arbeit geleistet, so daß für die mit der Einreichung der Nachzulassungsanträge beginnende Nachzulassung eine gute Grundlage erarbeitet worden ist. Diese Nachzulassung wird jetzt u. a. dadurch erheblich erleichtert und vereinfacht werden, daß der vorliegende Gesetzentwurf die Möglichkeit schafft, die betroffenen Arzneimittel vor dem Zeitpunkt der Nachzulassung durch eine einfache Änderungsanzeige an den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen. Ich begrüße es ausdrücklich, daß bei der Beratung des Gesetzentwurfs im Ausschuß zusätzliche Anpassungsmöglichkeiten in die Novelle eingearbeitet wurden. Insbesondere gilt dies für die Anpassungsmöglichkeiten speziell für die homöopatischen Arzneimittel und für die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Wirkstoffe auszutauschen. Auch diese Regelungen, meine Damen und Herren, werden die Nachzulassung vieler Naturheilmittel erleichtern. ({0}) Schließlich möchte ich gerade im Hinblick auf den Schutz der Naturheilmittel nochmals auf einen wichtigen Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der sogenannten Negativliste hinweisen. Für uns war es ganz wichtig, daß in der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Regelung vorgesehen wurde, die sicherstellt, daß Arzneimittel, die vom Bundesgesundheitsamt zugelassen worden sind, grundsätzlich nicht von der Negativliste erfaßt werden. ({1}) Darüber hinaus ist in der Verordnung für das Inkrafttreten der 1. Juli 1991 vorgesehen worden, so daß genügend Zeit bleibt, ein Arzneimittel an den Stand der Aufbereitung anzupassen und damit rechtzeitig die Nachzulassung zu erreichen, mit der Folge, daß der Hersteller die Herausnahme seines Arzneimittel aus der Kassenerstattung nicht befürchten muß. ({2}) Meine Damen und Herren, auch hier haben wir also den notwendigen Schutz der Naturheilmittel gewährleistet. Ich lasse deswegen den Vorwurf nicht gelten daß wir hier zuwenig tun. Das Gegenteil ist richtig. ({3}) Der zweite Punkt, meine Damen und Herren. Das andere grundsätzliche Ziel dieses Gesetzentwurfs sind der Abbau des Antragsstaus und die Beschleunigung des Arzneimittelzulassungsverfahrens beim Bundesgesundheitsamt. Ich gebe zu und ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß es absolut unbefriedigend ist, wenn inzwischen mehr als 10 000 Zulassungsanträge beim Bundesgesundheitsamt auf eine Zulassungsentscheidung warten. ({4}) Aber, meine Damen und Herren: Bei der Verabschiedung des Arzneimittelgesetzes 1976 ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß jährlich ca. 800 Arzneimittelzulassungen zur Entscheidung anstehen würden. ({5}) Tatsächlich sind in den letzten Jahren Jahr für Jahr wesentlich mehr Zulassungsanträge gestellt worden. In einem Jahr, 1986, waren es mehr als 5 300. ({6}) Die Bundesregierung ist nicht untätig gewesen, wenn es darum ging, mit diesem Problem fertig zu werden. Wir haben administrative Verbesserungen im Zulassungsverfahren vorgenommen, wie sie uns der Bundesrechnungshof vorgeschlagen hat. Wir haben die Personalstellen im Arzneimittelinstitut des Bundesgesundheitsamts vermehrt. Wir haben das Arzneimittelgesetz geändert, um die Zulassungsentscheidungen bei den Generika durch die Heranziehung externen Sachverstands zu beschleunigen. Dies, meine Damen und Herren, hat ohne Zweifel positive Wirkungen gehabt. Im vergangenen Jahr hat das Bundesgesundheitsamt über insgesamt 1 231 Zulassungs- und Registrierungsanträge entschieden - mehr als in den Jahren zuvor! ({7}) Aber auf der anderen Seite - das ist auch richtig; darauf hat Herr Kollege Hoffacker hingewiesen - sind 1989 ca. 2 205 Zulassungsanträge und 994 Registrierungsanträge neu gestellt worden. Das ist eben unser Problem. Dies hat uns veranlaßt, weitere Maßnahmen zu ergreifen. Zunächst werden wir auf der Grundlage dieses Gesetzentwurfs die Heranziehung des externen Sachverstandes im Zulassungsverfahren des Bundesgesundheitsamtes ausweiten. Wir sehen in diesem Gesetz die externe Vorprüfung der Zulassungsanträge auf Vollständigkeit der Zulassungsanträge vor. Schon dies wird das Bundesgesundheitsamt wesentlich entlasten. Sodann wird durch dieses Gesetz das Bundesgesundheitsamt in den Stand gesetzt, die Zulassung von Arzneimitteln in wesentlichen Teilen auf die Aussagen anerkannter und unabhängiger Experten abzustützen. Das gilt in erster Linie bei bereits bekannten Arzneimitteln, kann jedoch auch bei der Zulassung neuer Arzneimittel nützlich sein. Darüber hinaus, meine Damen und Herren, begrüße ich es nachdrücklich, daß in dem vorliegenden Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen die Bundesregierung aufgefordert wird, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß jährlich über ca. 2 200 Zulassungsanträge und rund 1 000 Registrierungsanträge beim Bundesgesundheitsamt entschieden werden kann. Das betrifft vor allem die Personalausstattung des Bundesgesundheitsamtes. Die Bundesregierung wird dem Anliegen des Entschließungsantrages nachkommen. Im Nachtragshaushalt für 1990 haben wir eine Verstärkung der Personalausstattung des Bundesgesundheitsamtes um 200 Stellen vorgesehen. Wir werden alles daransetzen, daß diese Stellen vom Bundesgesundheitsamt qualifiziert und schnell besetzt werden. Ich denke, daß dies dazu beitragen kann, daß wir den Antragsstau hoffentlich bis 1993 abbauen werden. Ich will mich auf diese beiden Punkte beschränken und abschließend sagen: Dieses Gesetz ist im Laufe der Beratungen ein gutes Gesetz geworden. Ich bedanke mich ausdrücklich bei allen, die zur Verbesserung dieses Gesetzentwurfs beigetragen haben. Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. ({8})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Arzneimittelgesetzes in der Ausschußfassung. Das sind die Drucksachen 11/5373 und 11/6283. Ich rufe den Art. 1 auf. Hierzu liegen eine Reihe von Änderungsanträgen der Fraktion der SPD sowie der Fraktion DIE GRÜNEN vor, die ich in der Reihenfolge der Drucksachennummern zur Abstimmung aufrufe. Ich rufe zunächst die Änderungsanträge der Fraktion der SPD auf. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/6464 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Änderungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/6465 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung der GRÜNEN abgelehnt worden. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/6466 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Mit den gleichen Mehrheiten ist auch dieser Änderungsantrag abgelehnt worden. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/6467 stimmt, den bitte ich um das Abstimmungszeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Änderungsantrag bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN mit der Mehrheit aus Koalitionsfraktionen und der SPD angenommen worden. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/6468 stimmt, den bitte ich um das Abstimmungszeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Änderungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN abgelehnt. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/6470 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das ist die gleiche Mehrheit gewesen, die diesen Antrag abgelehnt hat. Ich lasse jetzt über die Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN abstimmen. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/6580 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion der SPD ist dieser Änderungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Jetzt kommen wir zum Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/6581. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das waren die gleichen Mehrheitsverhältnisse wie zuvor, mit denen dieser Änderungantrag abgelehnt worden ist. Jetzt kommen wir zum Änderungsantrg der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/6582. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Änderungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/6583 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Änderungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der SPD abgelehnt worden. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/6584? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das war die gleiche Mehrheit wie soeben, mit der dieser Änderungsantrag abgelehnt worden ist. Nun kommen wir zum Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/6585. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist dieselbe Mehrheit wie zuvor gewesen, mit der dieser Änderungsantrag abgelehnt worden ist. Wer stimmt nun für Art. 1 in der geänderten Ausschußfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist Art. 1 in der geänderten Ausschußfassung mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Ich rufe Art. 2 bis 4 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen. Ich rufe Art. 5 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN sowie ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf den Drucksachen 11/6586 und 11/6595 vor. Beide sind gleichen Inhalts. Deswegen können wir über sie gemeinsam abstimmen. Wer stimmt für diese Änderungsanträge? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das Ergebnis müßte im Protokoll eigentlich besonders vermerkt werden. Deswegen trage ich es in der gleichen Ausführlichkeit wie immer vor. Die Anträge sind mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen und der GRÜNEN gegen die Stimmen der SPD angenommen worden. Ich rufe Art. 6 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 11/6596 vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei gemischtem Abstimmungsverhalten der GRÜNEN - teils Ablehnung, teils Enthaltung - und bei Gegenstimmen aus der SPD ist dieser ÄnderungsVizepräsident Westphal antrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Wer für Art. 6 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Art. 6 ist mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Ich rufe Art. 7 in der Ausschußfassung auf. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen ist Art. 7 angenommen. Ich rufe Art. 8 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 11/6597 vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE GRÜNEN ist dieser Änderungsantrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Wer stimmt für Art. 8 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung? Ich bitte um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen ist Art. 8 in der geänderten Ausschußfassung angenommen worden. Es bleibt noch über Einleitung und Überschrift abzustimmen. Wer stimmt dafür? Ich bitte um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der SPD mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen haben wir den Text für Einleitung und Überschrift festgelegt. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, daß wir auch nach Annahme der Änderungsanträge unmittelbar in die dritte Beratung eintreten können. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dies ist der Fall. Das ist soeben mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen worden. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen worden. Es ist noch über eine Entschließung abzustimmen, deren Annahme der Ausschuß auf Drucksache 11/6283 unter der Ziffer II empfiehlt. ({0}) - Wir sind jetzt bei der Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/6283. Ein Wunsch auf besondere Behandlung liegt mir erst hinsichtlich des Entschließungsantrages auf Drucksache 11/6459 vor. Ist das richtig? ({1}) Sie wollen den Text der Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/6283 ändern. Ist das richtig? - Jetzt habe ich verstanden. ({2}) - Ich rufe zunächst einmal diesen Entschließungsantrag auf. Ich gebe Ihnen bekannt, daß die SPD beantragt hat, Ziffer 4 Buchstabe c als Änderungsantrag zu Ziffer II 1 der Beschlußempfehlung zu behandeln. Die SPD hat in ihrem Entschließungsantrag auf Drucksache 11/6459 unter Ziffer 4 c einen Passus beantragt, den ich Ihnen sogleich verlesen werde. Ziffer 4 c soll als Änderungsantrag der SPD zu Ziffer II 1 der Beschlußempfehlung auf Drucksache 11/6283, die jetzt zur Behandlung ansteht, zur Abstimmung gestellt werden. Es heißt dort - ich lese vor - : sicherzustellen, daß in den indikationsbezogen arbeitenden Aufbereitungskommissionen die Vertreter der jeweiligen therapeutischen Richtungen angemessen vertreten sind. Sie wird darüber hinaus gebeten zu prüfen, ob auch stoffbezogene Aufbereitungskommissionen eingerichtet werden sollten; Es ist also der Wunsch der SPD, dies als Änderungsantrag zu Ziffer II 1 der uns gerade vorliegenden Entschließung auf Drucksache 11/6283 zu behandeln. Ich kann dies ohne weiteres zur Abstimmung stellen. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der SPD seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Änderungsantrag der SPD mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Ich komme jetzt zu der Entschließung auf Drucksache 11/6283 in ihrer ursprünglichen Fassung. Wer stimmt für die Entschließung auf Drucksache 11/6283 unter Ziffer II? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen ist diese auf Drucksache 11/6283 unter II empfohlene Entschließung angenommen worden. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die vorliegenden Entschließungsanträge. Ist der Entschließungsantrag der SPD auf Drucksache 11/6459 nun konsumiert? ({3}) - Diesen Entschließungsantrag wollen Sie jetzt gesondert zur Abstimmung stellen. Der Text liegt den Kollegen ja vor. Dann lasse ich über den Entschließungsantrag auf Drucksache 11/6459 jetzt abstimmen. Wer für diesen Entschließungsantrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Jetzt kommt ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/6587. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Vizepräsident Westphal Jetzt habe ich einen weiteren Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/6588. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Es war dieselbe Mehrheit der Koalitionsfraktionen, die diesen Entschließungsantrag abgelehnt hat. Wer für den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/6589 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieselbe Mehrheit hat auch diesen Antrag abgelehnt. Jetzt kommt der Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/6590. Dort ist offensichtlich eine Übereinstimmung erreicht worden, ihn etwas zu ändern. Ich lese den Text noch einmal vor: Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei der Erstellung von EG-Richtlinien und -Verordnungen sowie bei deren Umsetzung zu bewirken, daß der naturheilkundliche Arzneimittelschatz voll erhalten bleibt. Das ist die neue Formulierung. Dann darf ich diesen Entschließungsantrag zur Abstimmung stellen. Wer diesen Entschließungsantrag in der soeben verlesenen Fassung anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen?- Dann ist dieser Entschließungsantrag in dieser Fassung einstimmig angenommen worden. Vielen Dank, meine Damen und Herren. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts - Drucksache 11/4152 - a) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({4}) - Drucksache 11/6481 Berichterstatter: Abgeordnete Neumann ({5}) Dr. Hirsch Meneses Vogl b) Bericht des Haushaltsausschusses ({6}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 11/6482 Berichterstatter: Abgeordnete Deres Dr. Struck Frau Seiler-Albring Frau Vennegerts ({7}) Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat, meine Damen und Herren, sind für die Beratung 30 Minuten vorgesehen worden. - Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Neumann.

Bernd Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001593, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um die Novellierung des Gesetzes zur Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts. Absicht dieses Entwurfs ist, die Zahl der von den gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen zu benennenden Vertreter in den Rundfunkräten von Deutschlandfunk und Deutscher Welle zu erhöhen, so daß im Gegensatz zu jetzt ihre Zahl die der Vertreter staatlicher Körperschaften übersteigt; zusammenzufassen unter dem Stichwort: gebotene Staatsferne. Der Ausgangspunkt für die Novellierung dieses Gesetzes waren Zweifel an der Verfassungskonformität, insbesondere zum Ausdruck gekommen durch die Kollegen der SPD-Fraktion. Grundlage dieser Novellierung, die wir heute zu beschließen haben, ist ein Entwurf, der auf höherer Ebene zwischen SPD, CDU/CSU und FDP diskutiert und vorgelegt worden war. Deshalb war es nicht besonders verwunderlich, daß im zuständigen Innenausschuß große Konflikte nicht ausgetragen wurden. Wir haben leichte Korrekturen an dem ursprünglich vorgelegten Gesetzentwurf vorgenommen. Es gab einige kritische Punkte, über die diskutiert wurde, so über die Frage, ob die Verwaltungsratsmitglieder im Rundfunkrat mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden sollten. Die Vertreter der Koalition haben dies deshalb abgelehnt, weil die Verwaltungsratsmitglieder dann unterschiedlich nominiert würden und die jeweiligen Vertreter mit unterschiedlichen Quoren benannt werden müßten. Das wollten wir nicht. Dann gab es eine Diskussion, ob es sinnvoll ist, zur zusätzlichen Benennung von Gremienmitgliedern den Bundespräsidenten einzuschalten. Wir haben es dabei belassen. Ferner gab es vom Bundesrat einige Kriterien, u. a. den Vorschlag, die Zahl der staatlichen Vertreter noch weiter zu reduzieren. Diesem Vorschlag sind wir nicht nachgekommen. Aber einigen anderen Anregungen sind wir gefolgt. Wir haben dann, was CDU/CSU, FDP und SPD betrifft, diesen Gesetzentwurf insgesamt einvernehmlich beschlossen. Ich darf, was den Gesetzentwurf selber angeht, noch einmal feststellen, daß wir, die CDU/CSU, nicht der Auffassung sind, daß die noch vorliegenden Gesetze mit der Verfassung nicht konform wären. Wir sind also der Auffassung, sie sind nach wie vor verfassungskonform. Schließlich ist der Programmauftrag der Deutschen Welle auf Auslandsrundfunk abgestellt. Auch der Deutschlandfunk ist nicht in erster Linie - ich betone: nicht in erster Linie! - Faktor und Medium der öffentlichen Meinungsbildung im Bundesgebiet. Wie Sie wissen, bezieht sich die Rechtsprechung des BundesNeumann ({0}) verfassungsgerichts auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Im übrigen, meine Kollegen aus der SPD-Fraktion: Wenn die Position, daß das mit den Anstalten in der Bundesrepublik vergleichbar wäre, richtig wäre, dann hätte man in der Tat dem Vorschlag des Bundesrates folgen müssen, der die Begrenzung der Zahl der staatlichen Vertreter auf maximal ein Drittel vorsieht, weil dementsprechende Auslegungen von Verfassungsgerichtsurteilen so sind. Das haben Sie nicht getan. Wir sind natürlich nach wie vor der Auffassung, daß, weil das andere schon verfassungskonform ist, auch dies verfassungskonform ist, und werden deshalb insgesamt diesem Gesetzentwurf zustimmen. ({1}) Ich glaube, daß mit dieser Reform der Bundesrundfunkanstalten kein großer Wurf gelungen ist; er war so auch nicht beabsichtigt. Es ist auch Konsens, daß wir in der nächsten Legislaturperiode - wann immer sie beginnt und wann immer sie endet - uns daranmachen, über eine Reform der Bundesrundfunkanstalten insgesamt nachzudenken. Zum einen wäre dies ohnehin, auch ohne Wiedervereinigungsabsichten, nötig gewesen; so ist es um so nötiger; denn dadurch, daß wir auf die Wiedervereinigung zuschreiten, ändert sich natürlich auch etwas in der Medienlandschaft. Oder, besser gesagt: Wir müssen das, was wir zu formulieren haben, natürlich an die konkrete Entwicklung anpassen. Wir sind der Auffassung, daß in Zukunft die Aufträge der Bundesrundfunkanstalten neu hinterfragt werden müssen, insbesondere im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit. Immerhin gibt der Bund knapp 600 Millionen DM für die Deutsche Welle, für den Deutschlandfunk, aber auch für den RIAS aus. Diese Mittel müssen in Zukunft aus Sicht der CDU/CSU effizienter angelegt werden. Für uns ist dabei wichtig, daß wir nicht mit Reißbrettdenken in Gutsherrenmanier darangehen, die DDR aufzuteilen. Vielmehr muß diese Entwicklung auch die Meinungen, die nach dem 18. März in der DDR repräsentativ vertreten werden, einbeziehen. Da es wichtig ist, daß man zunächst einmal selber weiß, was man will, halten wir es für sinnvoll, daß unmittelbar nach den Wahlen die Positionen von uns in Form eines Mediengipfels von Bund und Ländern festgeklopft werden, um den dann ohnehin stattfindenden Mediendialog - den es inzwischen in einer umfassenden Medienkommission gibt - einzubeziehen und diese Positionen dann mehrheitsfähig zu machen. Lassen Sie mich in einem dritten und letzten Teil meines kurzen Beitrages die Positionen formulieren, von denen ich meine, daß sie schon heute dargestellt werden können: Erstens. Wir sind dafür, daß es auch im Bereich der DDR zu einem geregelten Nebeneinander zwischen öffentlichrechtlichem und privatem Rundfunk kommen muß. Das heißt, wir sind auch dort für das duale System. Zweitens. Wir sind dafür, daß es im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der bestehenden Einrichtungen nicht zu einer formalen Addition der bestehenden Einrichtungen kommt - zumal es im Hörfunk wie auch in anderen Bereichen zum Teil dieselbe Zielsetzung gibt - , sondern daß wir allein aus Kostengründen integrativ wirken, allerdings unter Berücksichtigung der länderspezifischen Dinge. Drittens. Wir meinen, daß in diese Neuordnung die Bundesrundfunkanstalten einzubeziehen sind, und finden, daß Bundesrundfunk und neue Konzeptionen in einen breiten Konsens eingebettet sein müssen. Das heißt, es sollte nicht parteipolitisch mit knapper Mehrheit entschieden werden; das muß längerfristig angelegt werden. Deswegen sollten wir insgesamt zu einem Konsens kommen. Viertens. Wir meinen, daß auch der RIAS in diese Diskussionen einzubeziehen ist. Er untersteht zwar amerikanischem Recht, aber er wird im wesentlichen von uns finanziert. Fünftens. Die Notwendigkeit eines Auslandsfunks - das kann man schon jetzt sagen - ist unbestritten. Deswegen meinen wir, daß damit auch die Existenz der Deutschen Welle unbestritten ist; im Gegenteil, im Hinblick auf das, was gerade jetzt über Deutschland in die Welt zu vermitteln ist, bekommt die Deutsche Welle eine besondere Bedeutung. Sie sollte technisch modernisiert werden, sie sollte entscheidend auch über Satelliten im Fernsehbereich wirksam werden. Mit anderen Worten, wir sprechen uns auch für eine finanzielle Stärkung der Deutschen Welle aus. Sechstens. Wir sind für eine Bündelung der Aktivitäten der Rundfunkanstalten insgesamt. Der erste Schritt muß mindestens eine ordentliche Kooperation zwischen Deutschlandfunk und Deutscher Welle sein, und zwar nicht nur in der Technik, sondern auch im Programm. Es ist nicht einzusehen, daß wir auch in Zukunft zweigleisig fahren, d. h. zwei Programme für Europa haben. Man muß weiter diskutieren, ob diese Entwicklung langfristig zu einer Fusion führt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Kollege, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die Redezeit schon überschritten ist.

Bernd Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001593, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluß. - Wenn es nicht zu einer Fusion führt, treten wir dafür ein, daß mindestens die Aufträge beider Anstalten neu definiert werden müssen, so daß nicht mit viel Geld bei beiden dasselbe geschieht. Abschließend, meine Damen und Herren:.. .

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie sind schon weit über der Zeit, Herr Kollege.

Bernd Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001593, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die neue Lage bietet neue Chancen. Wir sind dafür, daß die Rundfunkstruktur schwerpunktmäßig in der DDR wie bei uns länderorientiert ist. Der Bund sollte sich auf das beschränken, was ihm von der Kompetenz zukommt, und die Mittel, die vorhanden sind, allerdings effizient einsetzen. Vielen Dank. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Glotz.

Prof. Dr. Peter Glotz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000692, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz ist auf Initiative der SPD zustande gekommen. Der Herr Kollege Neumann hat es gerade schon gesagt. Wir wissen nun seit einigen Jahren aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß die Gremien so, wie sie zusammengesetzt sind, verfassungswidrig sind. Die jetzige Novellierung eines größeren Gesetzes, auch mit Vereinbarungen mit den Ländern - ich stimme vielem, was Herr Neumann gesagt hat, zu - , verlangt sicherlich drei, vier Jahre. Meine Damen und Herren, es wäre nicht in Ordnung gewesen, wenn wir noch drei, vier Jahre im Grunde verfassungswidrige Organe der Rundfunkanstalten akzeptiert hätten; das wäre falsch gewesen. Ich möchte mich herzlich für die Kooperation der anderen Fraktionen bei der Beratung des Gesetzes bedanken. Die Kooperation, Herr Kollege Neumann, zeigt aber natürlich auch, daß Ihnen die verfassungsrechtlichen Zweifel nicht völlig fremd waren; sonst wäre die Kooperation vielleicht nicht ganz so stark gewesen, und es hätten die üblichen Mehrheiten eingesetzt, die eben diesmal nicht eingesetzt haben. ({0}) Lassen Sie mich noch folgende zwei Bemerkungen zu dem Gesetz selbst machen. Es ist Zweifel daran geäußert worden, ob es verfassungspolitisch Sinn macht, eine Bank der Rundfunkräte - die von Kultur und Wissenschaft - vom Bundespräsidenten auswählen zu lassen. Sei der nicht zu hoch angesiedelt? Unsere Auffassung war, daß das richtig ist, erstens weil der Bundespräsident die Institution ist, die nun wirklich dem parteipolitischen Spiel entzogen ist, zweitens weil sowohl zur Person wie zur Institution des Bundespräsidenten volles Vertrauen vorhanden ist. Er beruft auch schon den Wissenschaftsrat, auch schon den Sachverständigenrat. Diese Gremien sind nicht würdiger als beispielsweise die Gremien dieser beiden Rundfunkanstalten. In England ist es sogar so, daß die Königin ohne jede Mitwirkung von irgend jemand anderem den Board of Governess der BBC beruft. Auch ich hätte einer solchen Regelung zugestimmt und bedaure sogar, daß diese Art von Vertrauen in der politischen Kultur der Bundesrepublik offensichtlich nicht vorhanden ist. ({1}) - Die Einführung der Königin habe ich damit nicht vorgeschlagen. ({2}) Letzte Bemerkung. Der Rundfunkrat des Deutschlandfunks, meine Damen und Herren, hatte den Vorschlag gemacht, daß die Mitglieder der Verwaltungsräte mit Zweidrittelmehrheit von den Rundfunkräten gewählt werden sollten. Die Koalition hat das abgelehnt. Das heißt, daß die für die Wirtschaftsführung der Rundfunkanstalten wesentlichen Gremien - manche sagen, es sind die wesentlichsten - theoretisch durchgewählt werden könnten, d. h.also, daß sie das Spektrum unterschiedlicher Meinungen und Parteien nicht oder kaum widerspiegeln. Ich glaube das ist eine falsche Entscheidung, die wir als Sozialdemokraten deutlich kritisieren. Die Vorschläge des Bundesrates sind im übrigen weitgehend übernommen. Ich stimme mit Herrn Kollegen Neumann überein, daß das eine, das wir nicht übernommen haben, auch nicht übernommen werden mußte. Im übrigen sind wir dem Bundesrat, glaube ich, sehr weit entgegengekommen. Lassen Sie mich eine Bemerkung machen, die über diese kleine Novelle hinauszielt. Wir waren uns alle miteinander, auch die Berichterstatter, einig, daß wir hier nur einen Schaden reparieren und wir in der nächsten Legislaturperiode ein neues, umfangreicheres Gesetz machen müssen. Das sollten wir in der Tat auch tun. Das ergibt sich, glaube ich, aus mehreren Tatbeständen. Erstens ergibt es sich aus den nicht völlig unbegründeten verfassungsrechtlichen Bedenken, die die Länder gegen den Auftrag des Deutschlandfunks vorbringen und die die Länder auch veranlassen, den technischen Stand des Deutschlandfunks nicht so weiterzuentwickeln, wie es sinnvoll wäre, und ihm übrigens auch das Medium Fernsehen zu verwehren. Zweitens ergibt es sich aus der immer prekärer werdenden Rolle - Herr Kollege Neumann hat es angedeutet - des RIAS. Da muß man auch die Frage stellen, ob das überhaupt so weitergehen kann, ob man nicht einen Konzeptionswechsel insgesamt mit den amerikanischen Freunden besprechen muß. Ich füge hinzu: Wir geben da viele Millionen DM für ein Stadtfernsehen aus. Das ist unsinnig, das darf so nicht bleiben. Wir werden die Gesamtmittel für die Bundesrundfunkanstalten, vermute ich, nicht erhöhen können. Aus diesem Grund sollten wir uns überlegen, wie das weitergeht. Drittens. Da wir die Gesamtmittel nicht erhöhen können, müssen wir sie besser verteilen, und wir sollten sie zugunsten des Auslandsrundfunks verteilen, meine Damen und Herren, der unsere originäre Bundeskompetenz ist. Das ist der entscheidende Punkt. ({3}) Lassen Sie mich einfach einmal ein paar Zahlen nennen. Die Reichweite von Radio Free Europe in Polen beträgt 57 %, die der Voice of America 54 %, die der BBC 41 % und die des Deutschlandfunks 6 %; der Deutschlandfunk ist dafür zuständig. Ähnlich ist das in Ungarn. Ähnlich problematisch ist es mit der Deutschen Welle. Ich nehme das Beispiel Bulgarien. 37 hören Radio Free Europe, 24 % Voice of America, 30 die BBC und nur 19 % die Deutsche Welle. Diese Zahlen könnte ich jeweils deutlich machen. Meine Damen und Herren, wir sind eines der größten Wirtschaftshandelsländer der Welt. Wir sind jetzt in einer schwierigen politischen Phase. Deutschland wird größer. Es ist ein Erklärungsbedarf in der Welt vorhanden, aber wir überlassen das, was der Auslandsrundfunk wirklich unbestritten in BundeskomDr. Glotz petenz machen sollte und könnte, ganz anderen. Dies ist ein politischer Fehler. Das müssen wir ändern. ({4}) Ich sage, auch an die Kollegen des Haushaltsausschusses gerichtet, ganz praktisch: Wir müßten schon vor einer Novellierung des Gesetzes, die, weil wir mit den Ländern reden müssen, länger dauern wird, etwas tun. Die Deutsche Welle hätte z. B. viel mehr Fernsehsendungen über die deutsch-deutsche Situation in ausländischen Ketten, z. B. in einer großen amerikanischen Kette, CNN, unterbringen können. Das wäre eine Chance gewesen, unsere Position darzustellen. Es fand aber nicht statt, weil schlicht die Mittel fehlten. Dies ist Unsinn, und das sollten wir auch schon vor einer neuen Novelle zu korrigieren versuchen. ({5}) Ich komme zum Schluß. Ich rege an, daß wir einen Weg finden, daß sich Bund, Länder und die zuständigen Rundfunkanstalten - dies sage ich auch der Bundesregierung, Kollege Waffenschmidt - an einen Tisch setzen. Die Programmaufträge müssen bereinigt, die Kompetenzen müssen geklärt werden. Wir werden insgesamt vielleicht nicht mehr als 600 Millionen DM ausgeben können, aber wir müssen das Geld vernünftiger verteilen, als wir es jetzt verteilen, und müssen ein Konzept haben, das sich auf unsere Bundeskompetenzen stützt. Dann sollten wir mit den Ländern auch klar und deutlich reden und das so klären, daß die Länder einverstanden sind, daß der Bund einverstanden sein kann und wir einen wirksamen Auslandsrundfunk in jedem Fall machen können. Das sollte der Weg in die Zukunft sein. Lassen Sie uns das gemeinsam versuchen. Ich denke, die grundlegende medienpolitische Gemeinsamkeit, um das zuwege zu bringen, ist da. Herzlichen Dank. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch, der die englische Einflußnahme auf den Rundfunk auf 300 Jahre zurückdatiert hat. Es wird ihm nicht gelingen, den Beweis dafür anzutreten. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann den Rundfunk sicherlich auch anders als mit elektronischen Mitteln betreiben, jedenfalls die Bekanntmachung des Wortes. Es sind hier so viele eindrucksvolle und lichtvolle Ausführungen gemacht worden, daß ich mich auf wenige Bemerkungen beschränken möchte. ({0}) - Ich dachte dabei an Ihre Ausführungen, Herr Kollege Glotz, denen ich nur in dem Punkt widersprechen möchte, daß die Zusammensetzung der Gremien nicht verfassungswidrig war. Man muß korrekterweise sagen, daß ihre Verfassungsmäßigkeit angezweifelt worden ist. Es ist in der Übergangsphase, in der wir uns befinden, sicherlich nicht angemessen, dieses Problem vor dem Bundesverfassungsgericht lange erörtern und behandeln zu lassen und die Zweifel bestehen zu lassen, sondern wir sollten sie dann einfach gesetzgeberisch ausräumen. Im übrigen gibt es Probleme, die wir nicht lösen können, und Probleme, die wir nicht lösen wollen. Zu den Problemen, die wir nicht lösen können, gehört einmal die Frage, die hier auch angedeutet worden ist: Wer gehört eigentlich alles zu den sogenannten relevanten Gruppen, die in den Gremien vertreten sein müssen, sein wollen oder sein sollen? Darüber wird man niemals eine allgemeine Verständigung erzielen. Das zweite Problem liegt darin, wie man eigentlich verhindern kann, daß sich die Gremien so zusammensetzen, daß sich von vorneherein bestimmte politische Mehrheiten in ihnen etablieren, die dann die politische Macht ausnutzen, die ein solcher Sender bieten kann. Auch dieses Problem kann man organisatorisch nur insoweit behandeln, als die Berechenbarkeit solcher Entscheidungen schwieriger wird. Im übrigen liegt es an der Toleranz der Beteiligten selber, daß sie nicht jede Sendung mit kleinster Elle messen und dann in Protestrufe ausbrechen. Es liegt natürlich auch an der Standhaftigkeit der Journalisten selber. Diese sollten sich nicht so leicht - wie Sie sagen - die Schere in den Kopf setzen lassen, sondern in dieser Frage selber ein gewisses Maß an Standhaftigkeit aufbringen. Fragen, die wir nicht lösen können, und Fragen, die wir nicht lösen wollen, sind diejenigen, die mit der zukünftigen Struktur des Rundfunks zusammenhängen. Ich stimme Ihnen in der Zielrichtung vollkommen zu, Herr Glotz. Es ist aber völlig klar, daß wir dieses Problem in der in dieser Legislaturperiode noch zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr mit Erfolg behandeln können, obwohl es sicherlich dringend ist. Ich wage die Voraussage, daß eine Einigung mit den Ländern in dieser Frage außerordentlich schwierig sein wird. ({1}) Das ist immer so gewesen. - Herr Kollege Penner, wir haben mit allen Bundesländern, wie auch immer sie politisch zusammengesetzt waren, große Schwierigkeiten gehabt. Es war schwierig, mit den Ländern zusammen ein einigermaßen modernes Rundfunkrecht zu formulieren. Das wird auch in Zukunft so sein. Sicherlich werden wir es in dieser Frage in Zukunft nicht leichter haben, - gerade wenn man an die gesamtdeutsche Entwicklung denkt. Wir werden dafür einige Zeit und Nerven gebrauchen. Es ist eine weise Entscheidung, hier und heute nicht den Versuch unternommen zu haben, eine perfekte, weit in die Zukunft weisende Lösung zu finden, sondern sich mit dem zu begnügen, was gemacht werden mußte, um Platz für das zu bekommen, was dann vielleicht in den kommenden Jahren gemacht werden kann. Vielen Dank. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Briefs.

Dr. Ulrich Briefs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000266, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu diesem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts ist aus Sicht der GRÜNEN zunächst dreierlei anzumerken. Erstens. Die in der ersten Lesung von uns geäußerte Kritik an der mangelnden Staatsferne und Dezentralität der Bundesrundfunkanstalten bleibt bestehen. Zweitens. Die Entwicklung zwischen den beiden deutschen Staaten hat die Bundesrundfunkanstalten, auch den RIAS, inzwischen überholt. Sie wird sie überflüssig machen. Alternativen sind dringend notwendig. Drittens. Wir GRÜNEN haben bereits vor längerer Zeit eine Alternative für den Deutschlandfunk und die Deutsche Welle vorgeschlagen, nämlich die Schaffung eines völlig regierungsunabhängigen „Radio International". Zum ersten. Die Bundesrundfunkanstalten in ihrer heutigen Ausgestaltung widersprechen den verfassungsrechtlichen Erfordernissen der Staatsferne und der Dezentralität des Rundfunkwesens. Ähnliche Bedenken gelten auch beim RIAS, zumindest was die Staatsferne betrifft. Wir sollten uns gerade angesichts des deutsch-deutschen Umbruchs daran erinnern, daß die Schaffung eines staatsfernen und dezentralen Rundfunkwesens eine der wichtigen Lehren war, die wir aus der unseligen NS-Zeit gezogen haben. Die im Gesetzentwurf geplante geringfügige Neubesetzung der Rundfunkräte bei Deutscher Welle und Deutschlandfunk führt dagegen nicht zu einer durchgreifenden Herabsetzung des Staatseinflusses. Hier stimmen wir mit der Kritik des Bundesrates überein. Auch bei den Vertreterinnen und Vertretern der gesellschaftlichen Gruppen sollten wirklich die gesellschaftlichen Gruppen zum Zuge kommen und nicht durch die Hintertür doch wieder staatsnahe Personen. Zum zweiten. Die Entwicklung der Beziehungen zwischen DDR und BRD und die Perspektive, daß es zu einem irgendwie gearteten Gebilde aus den beiden deutschen Staaten kommt, muß auch zu neuen Überlegungen hinsichtlich der Bundesrundfunkanstalten, auch des RIAS führen. Der Deutschlandfunk und RIAS haben ihre Funktion, Propaganda in die DDR hineinzutragen, ein Niederschlag des Kalten Krieges, verloren. Die durch die Deutsche Welle erfolgende Außendarstellung der BRD und ihrer Verhältnisse muß in Zukunft erheblich anders erfolgen als bisher, wenn es zu einem solchen Gebilde kommt. Es ergibt sich schon von daher, daß jetzt die Stunde da ist, in einen konstruktiven Dialog über Alternativen einzutreten. Zum dritten Punkt. Wir als GRÜNE haben bereits früher die Überführung von Deutschlandfunk und Deutscher Welle in eine neu zu schaffende Rundfunkanstalt vorgeschlagen. Ziel dieser Rundfunkanstalt ist die Gewährleistung einer offenen Debatte, die den politischen Dialog mit der Bevölkerung und gerade mit und unter Minderheiten in unserer zunehmend multikulturell werdenden Gesellschaft unterstützt. Wir fordern deshalb: Erstens. Es muß eine Garantie der Staatsferne durch Heraushalten aller staatlichen Vertreter und Vertreterinnen aus den Rundfunkräten gegeben sein. Auch die Parteienvertreter haben in den Rundfunkräten nichts zu suchen. Statt dessen muß die Besetzung der Aufsichtsorgane mit wirklichen Repräsentanten und Repräsentantinnen der Bürger und Bürgerinnen erfolgen. Zweitens. Mindestens die Hälfte der Mitglieder in den Aufsichtsorganen müssen Frauen sein. Drittens. Die Programmgestaltung und die Ausstrahlung der Programme müssen dezentral, regionalisiert erfolgen, um der kulturellen Vielfalt des deutschen Sprachraums, soweit er in dem zukünftigen BRD-DDR-Gebilde erfaßt ist, Rechnung zu tragen. Viertens. In den Aufsichtsorganen müssen Repräsentanten und Repräsentantinnen der bei uns und der jetzt in der DDR lebenden ethnischen Minderheiten ebenfalls vertreten sein. Diese ethnischen Minderheiten müssen das Recht auf Mitwirkung bei der Programmgestaltung bzw. auf eigene Programme erhalten. Fünftens. Die Programmgestaltung muß darauf abzielen, in dezentral-regionalisierter Form vor allem auch ökologische und soziale Probleme anzusprechen und dazu relevante Informationen zu vermitteln. Bürgerinitiativen, Umweltschutz- und Verbraucherverbände, kritische Aktionärsgruppen, oppositionelle Gewerkschaftsgruppen und andere müssen ebenso das Recht auf Sendezeit und Mitwirkung bei der Programmgestaltung erhalten wie Parteien, Gewerkschaften, Industrie, Handwerksverbände usw. ({0}) Sechstens. Zur Sicherung der journalistischen Unabhängigkeit sind demokratische Redaktionsstatute einzuführen. Siebtens. Die Außendarstellung unseres Gesellschaftslebens darf nicht der Propaganda dienen, sondern muß problemorientiert und offen, insbesondere auch selbstkritisch sein, muß auf Dialog mit den Bevölkerungen anderer Länder angelegt sein, muß insbesondere gegenüber den nach wie vor in den Nachbarländern der BRD und der DDR wachen Erinnerungen an die NS-Zeit sensibel sein. Wir GRÜNEN fordern daher einen sofortigen Bürger- und Bürgerinnendialog über die Neugestaltung des Bundesrundfunkwesens. Die vorgelegte Gesetzesänderung lehnen wir als nicht weitgehend genug selbst für einen Übergangszeitraum ab. Ich danke. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Herr Dr. Waffenschmidt.

Dr. Horst Waffenschmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002403

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte den Kollegen Neumann, Glotz und Hirsch herzlich danken für den Konsens, den sie hier zur Sache deutlich gemacht haben. Das ist zur Bewältigung der aktuellen Aufgaben sehr hilfreich. Die Bundesregierung wird sich weiterhin nachdrücklich dafür einsetzen, daß die beiden Anstalten ihre gesetzlichen Aufträge erfüllen können. Ich will hier einige wenige Akzente zu dem setzen, was hier ansteht. Zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags ist es der Deutschen Welle finanziell ermöglicht, ihr Programm ab diesem Jahr zusätzlich über einen Europasatelliten abzustrahlen. Der vermehrte Einsatz der Satellitentechnik bedeutet nun aber nicht, daß dies zu Lasten der Kurzwelle erfolgt. Die Kurzwelle wird vielmehr noch lange Jahre ein bevorzugtes Medium sein, um die Programme der Deutschen Welle in die ganze Welt zu senden; das ist in der aktuellen Situation mehr denn je notwendig. Es ist vorgesehen, daß die Deutsche Welle ab dem kommenden Jahr einen weiteren Kurzwellensender bei der Post anmieten kann. Damit sind die Voraussetzungen für eine weitere Verbesserung der Hörbarkeit der Deutschen Welle geschaffen. Seit Jahresbeginn wird das deutsche Informationsprogramm des Deutschlandfunks offiziell über den Satelliten Kopernikus verbreitet und kann in mehr als sechs Millionen Kabelhaushalten empfangen werden. Für digitale Hörfunksendungen steht dem Deutschlandfunk somit auf Dauer mit Zustimmung auch der Länder ein Satellitenkanal in Stereoqualität zur Verfügung. Als Rundfunkanstalt ermöglicht der Deutschlandfunk durch ständige Korrespondenten in Ost-Berlin, Rostock, Leipzig und Dresden seit Dezember des vergangenen Jahres eine flächendeckende Berichterstattung aus der DDR. Die finanziellen Auswirkungen dieser neuen Aufgaben werden im vorgesehenen Nachtragshaushalt des Bundes zu berücksichtigen sein. Es kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, meine Damen und Herren, daß die vorhandenen Mittel im Sinne der gerade jetzt besonders aktuellen Aufgaben effektiv und wirtschaftlich einzusetzen sind. Darum ist eine verstärkte Kooperation zwischen den beiden Rundfunkanstalten einerseits und mit den Landesrundfunkanstalten andererseits sehr angezeigt. Hierbei sind auch die bestehenden Möglichkeiten auf den Gebieten der Sendetechnik, des Sendebetriebs sowie der Programmplanung und der Programmdurchführung zu nutzen. Der gesamte Fragenkomplex „Sendeauftrag der Bundesrundfunkanstalten" ist natürlich - das wurde mit Recht hier besonders von dem Kollegen Neumann dargestellt - durch die politischen Veränderungen in der DDR und in Osteuropa sowie die weitergehenden Integrationsbemühungen zur Schaffung eines europäischen Binnenmarkts aktueller denn je. Ich begrüße es daher ausdrücklich, daß die Ministerpräsidenten der Länder sich bereit erklärt haben, über all diese Aufgaben, die jetzt durch die politischen Umwälzungen, die Fortschritte in der Ost-West-Entwicklung und auch im Hinblick auf die zu ziehenden rundfunktechnischen Folgerungen auf uns zukommen, mit der Bundesregierung in einen Dialog einzutreten. Morgen finden im Bundesinnenministerium weitere Besprechungen zwischen der Leitung des Hauses und Vertretern der Länder zu diesem Komplex statt. Ich halte es für notwendig, daß es dabei zu intensiven Gesprächen kommt, um alle auftauchenden Fragen - hier wurde ja eine ganze Reihe von Komplexen genannt, auch von Ihnen, Herr Glotz, hinsichtlich der Notwendigkeit einer guten Kooperation mit den Ländern - einer möglichst weitgehend übereinstimmenden Lösung zuzuführen. Hierzu gehört neben Auftrag und Organisation der Anstalten auch deren Finanzierung. Wir wollen gerade mit diesen vorbereitenden Gesprächen mit den Ländern die Voraussetzungen dafür schaffen, daß nach der heutigen Verabschiedung dieser vorgezogenen „kleinen" Novellierung des Bundesrundfunkgesetzes in der kommenden Legislaturperiode eine „große" Novellierung rechtzeitig eingeleitet werden kann. Ich finde, heute hat sich hier viel Bereitschaft gezeigt. Diese Bereitschaft werden wir brauchen. Ich bitte heute um die Unterstützung dessen, was heute verabschiedet werden soll. Ich möchte weiter für einen breiten Konsens werben, um die anstehenden aktuellen Aufgaben in diesem wichtigen Bereich auf breiter Grundlage zu erledigen. Herzlichen Dank. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts, Drucksachen 11/4152 und 11/6481. Ich rufe die Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN ({0}) und einer Gegenstimme von der Fraktion der CDU/ CSU sind die aufgerufenen Vorschriften mit Mehrheit angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist von den Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD angenommen worden, wobei es Gegenstimmen von der Fraktion DIE GRÜNEN und von zwei Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion gegeben hat. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Information über die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden - Drucksache 11/2125 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß Im Ältestenrat ist für die Beratung ein Beitrag bis zu fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. - Ich sehe keinen Widerspruch dagegen. Es ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Such.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin noch nicht ein Jahr in diesem Parlament. In dieser kurzen Zeit mußte ich jedoch immer wieder feststellen, wie dürftig und mit welchem Widerwillen die Bundesregierung dieses Parlament - und das sind wir alle - unterrichtet, insbesondere wenn es um die Tätigkeiten der Sicherheitsbehörden geht. Ich bin also noch kein Jahr hier. Aber 15 Jahre ist es her, daß die Fraktion der CDU/CSU den hier zur Beratung stehenden Antrag gestellt hat. Ja, ich räume ein: Auch wir GRÜNEN können bisweilen noch von Ihnen lernen. ({0}) Und ich gestehe reumütig: Ihren Antrag von vor fast 15 Jahren fanden wir so gut, daß wir ihn einfach abgeschrieben haben. ({1}) Das dürfte aus grünem Munde ein einmaliges Geständnis sein. ({2}) Seither hat sich jedoch einiges geändert. Insbesondere sitzt die CDU/CSU nicht mehr auf den harten Oppositionsbänken, sondern im Regierungssessel. ({3}) Daher wird interessant sein, zu erleben, wie dies den Blickwinkel und die Beurteilung des Antrags womöglich ändern wird. Nicht geändert hat sich aber die Informationspraxis der Bundesregierung hinsichtlich der Tätigkeit der Sicherheitsbehörden gegenüber dem Parlament. Die Brisanz dieses Antrags und die Notwendigkeit, die damit verfolgte Transparenz sicherheitsbehördlicher Tätigkeit zu erhöhen und so die Kontrollmöglichkeit des Bundestages zu stärken, sind vielmehr aktuell wie nie zuvor. ({4}) Immer noch vollzieht sich die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden wie kein anderer Bereich der öffentlichen Verwaltung im Dunkeln. Nach wie vor erfahren wir Abgeordnete von deren Tun vielfach erst aus der Presse, ({5}) insbesondere wenn es um brisante Vorgänge geht. Aus der Fülle der Beispiele greife ich nur wenige heraus. Für den Bundesnachrichtendienst: die verbotene Inlandstätigkeit, z. B. gegen Parlamentarier und Journalisten; die Organisation privater Finanzierung der Terroristenfahndung; Zusammenarbeit bei der flächendeckenden Telefonüberwachung mit den USamerikanischen Diensten usw. Für den MAD: die Führung einer sogenannten Zersetzerkartei mit Zehntausenden von Namen, auch von Politikern; die Delegation brisanter Überwachungsmaßnahmen auf private Detekteien und anderes mehr. Für den Verfassungsschutz: die jahrelange Ausspähung der GRÜNEN, das „Celler Loch" , die Ausspähung oder Anwerbung von Journalisten; in jüngster Zeit die Nachricht von der umfassenden Speicherung von Übersiedlerdaten in der Datei ADOS; oder die Information über eine Bundesverfassungsschutzstudie mit dem Ergebnis, die Reps seien verfassungsfeindlich und auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu überwachen. Für BKA und BGS: die sogenannte Araber-Datei; Speicherung von Hinweisen auf HIV-Infizierte, auf Volkszählungsgegner und andere. All dies konnte mit der bisherigen parlamentarischen Kontrolle durch geheim tagende Minikommissionen, in denen die GRÜNEN zudem nicht vertreten sind, entweder gar nicht aufgedeckt oder nicht verhindert werden. Kein Wunder, wenn man die Aussagen von Mitgliedern dieser Gremien über deren Ineffektivität vernimmt. Dabei spielt die politische Couleur offenbar keine Rolle. Die Herren Zimmermann, Hirsch und Jahn haben sich da gleichlautend geäußert. Apropos: Über fünf Wochen nach dem Rücktritt des Kollegen Jahn aus der PKK ist bis heute kein Nachfolger gewählt, obwohl laut PKK-Gesetz „unverzüglich" nachgewählt werden müßte. ({6}) Das Gremium ist somit nicht einmal formal korrekt besetzt. Zur Ineffektivität dieser Gremien trägt schließlich auch bei, was die Spitzen der Nachrichtendienste berichten: daß sie nämlich vom Ministerium regelmäßig angehalten werden, den Parlamentariern von sich aus nichts und auf gezielte Nachfragen nur das Allernotwendigste über ihre Tätigkeit zu berichten. So geht es nicht weiter. Die Dienste müssen schrittweise aufgelöst werden. Bis dahin ist die parlamentarische Kontrolle entscheidend zu stärken. Der erste Schritt ist, den Deutschen Bundestag regelmäßig, frühzeitig und umfassend über alle wichtigen Angelegenheiten der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere über die zu deren Aufrechterhaltung ergriffenen oder vorgesehenen Maßnahmen, zu unterrichten. Dazu gehört, regelmäßig Bericht über die Tätigkeit der wichtigsten Einrichtungen des Bundes zum Schutz der inneren Sicherheit, der Nachrichtendienste und des Bundeskriminalamtes, sowie ihre Zusammenarbeit mit den Ländern zu erstatten. Ich meine, das muß in einer rechtsstaatlichen Demokratie eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. ({7}) Ich hoffe, daß wir dahin kommen können. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. ({8})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Kalisch.

Joachim Kalisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001059, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Such, wenn ich Sie so reden höre, dann denke ich, wir sitzen in verschiedenen Ausschüssen und in verschiedenen Parlamenten. Solche Debatten über den Verfassungsschutz und die übrigen Dienste und ihre - jetzt zitiere ich aus dem Antrag der GRÜNEN - „möglicherweise bedenkliche Behördenpraxis" führen wir hier ja nicht zum erstenmal. Im Gegenteil: Das Thema gehört ja zu Ihrem festen Repertoire. Ich glaube, das, was Sie über die Abschaffung des Verfassungsschutzes sagen, ist ja auch der Motor, um ihn immer wieder schlechtzumachen. Doch gleichviel, wir lassen uns heute wieder einmal darauf ein - es wird nicht das letzte Mal sein - und diskutieren wieder darüber. Die Fraktion DIE GRÜNEN sorgt sich darum, daß die Mitglieder des Deutschen Bundestages ihre Kontrollaufgaben den bundesdeutschen Sicherheitsbehörden gegenüber auch umfassend erfüllen können und daß Bundestag und Innenausschuß regelmäßig umfassend usw., usw. ({0}) Ich weiß, daß wir damals solch einen Antrag eingebracht haben. Damals war er aber auch sehr wichtig. ({1}) Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, ich kann Sie aber beruhigen. Erstens müßten Sie selbst bemerkt haben, daß eine regelmäßige Information über alle politisch relevanten Dinge im Innenausschuß erfolgt. ({2}) Zweitens sind unsere Sicherheitsbehörden wie jede andere Behörde an Recht und Gesetz gebunden. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet die Dienste, also den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und den militärischen Abschirmdienst, einerseits zur Wahrung der persönlichen Freiheit der Bürger, andererseits aber zu Vorkehrungen zum Schutz eben dieser persönlichen Freiheit. ({3}) In unserer gesellschaftlichen Ordnung gibt es keine Rechtfertigung für Gewalt. ({4}) Wer seinen politischen Willen anderen durch Gewalt aufzuzwingen versucht, ist kein Freischärler, sondern ein Krimineller, ({5}) den die volle Strafe des Gesetzes treffen muß. Ich sage Ihnen: Das ist dem entnommen, was wir auch schon 1975 gesagt haben. ({6}) Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Roman Herzog, faßte den Auftrag des Verfassungsschutzes so zusammen: die Freiheit des einzelnen und den Schutz des Gemeinwesens in ein richtiges Verhältnis bringen. Das Grundgesetz gibt jedem, der sich in seinen Rechten durch einen bundesdeutschen Dienst verletzt fühlt, die Möglichkeit, den Rechtsweg zu gehen. Schon heute gibt es wesentlich mehr und effektivere Kontrollen unserer Sicherheitsbehörden, als Sie es wahrhaben wollen. An erster Stelle sind die von Ihnen vorhin skizzierte Parlamentarische Kontrollkommission, das G-10-Gremium und der Innenausschuß zu nennen. Auch das föderative System stellt eine nicht unerhebliche Kontrolle dar. Dazu kommt die gründliche Arbeit der Datenschutzbeauftragten. Der jährliche Verfassungsschutzbericht faßt ausführlich alle sicherheitsrelevanten Vorkommnisse zusammen. ({7}) Sie sehen, ein ganzes Bündel von Maßnahmen, Gremien und Personen sorgt für eine weitgehend lückenlose Kontrolle unserer Sicherheitsbehörden. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Sicherheitsdienste ganz herzlich für ihre oft schwierige und undankbare, aber unverzichtbare Arbeit danken. Obgleich ich dem vorliegenden Antrag der GRÜNEN nichts wesentlich Neues entnehmen kann, stimmen wir dennoch zu, ihn an den Innenausschuß zur Beratung zu überweisen. Lassen Sie mich zum Schluß bitte noch eins unmißverständlich feststellen: Heute ist unsere Demokratie stark genug, sich erfolgreich mit den Extremisten von rechts und links auseinanderzusetzen. Das nicht zuletzt deshalb, weil wir dank unserer Sicherheitsbehörden über objektive, rechtsstaatlich einwandfreie Informationen verfügen. ({8}) Wohin der Weg führen kann, wenn ein freiheitlicher Staat seinen Gegnern das Feld kampflos überläßt, hat uns das Schicksal der Weimarer Republik überdeutlich gezeigt. Das wollen wir jedenfalls vermeiden. Schönen Dank. ({9})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit das Parlament seine politische Kontrollaufgabe wahrnehmen kann, ist es erforderlich, daß es über alle Vorgänge in der Regierung und in der Verwaltung umfassend unterrichtet wird. Das nach meinen Erfahrungen beste Mittel, eine solche umfassende Unterrichtung herbeizuführen, ist die Öffentlichkeit der Vorgänge auf der Seite der Exekutive. Diese Öffentlichkeit fehlt bei den Sicherheitsbehörden, jedenfalls was die Nachrichtendienste anlangt, nahezu vollständig. Die Nachrichtendienste sind Geheimdienste. Es gibt auch gute Gründe dafür, daß nicht alles öffentlich gemacht werden kann, was bei den Geheimdiensten geschieht, wenngleich niemand leugnen kann, daß wir in geradezu an absurdes Theater erinnernder Weise die notwendige Geheimhaltung zu einer Geheimniskrämerei ausgeweitet haben, die ihresgleichen sucht. ({0}) Die Frage ist, wie das Informationsdefizit des Parlaments, das durch die Geheimhaltung bei den Sicherheitsbehörden entsteht, ausgeglichen werden kann. Diese Geheimhaltung wird noch dadurch verstärkt, daß selbst eine innerdienstliche Geheimhaltung für richtig und notwendig gehalten wird. In diesem Bereich gilt das Prinzip: Jeder darf nur so viel wissen, wie zur Erfüllung seiner eigenen Aufgabe unerläßlich ist. Das führt zu der Lage, die jetzt wieder bekanntgeworden ist, daß das Bundeskriminalamt Staatsanwaltschaften, die es in Anspruch nimmt, unvollständig und damit falsch über den Hintergrund für Ersuchen des Bundeskriminalamtes unterrichtet. Das ist eine Situation, die man nüchtern sehen muß. Ich glaube nicht, Herr Such, daß man dieses Informationsdefizit dadurch ausgleichen kann - jedenfalls nicht in dem erforderlichen Umfang - daß man durch das Parlament Berichtsaufträge an die Regierung richtet. Von daher, Herr Such, müssen wir uns gemeinsam überlegen, ob dieser Antrag, den Sie hier stellen, für den ich auch Verständnis habe, weil Sie von einer ganz wesentlichen Informationsmöglichkeit in demokratieblinder Weise ausgeschlossen sind - ({1}) - Ja, ich betone das, weil ich das als eine Wunde des Parlaments ansehe, daß Sie von der Kontrolle der Nachrichtendienste in der Parlamentarischen Kontrollkommission und im Haushaltsgremium ausgeschlossen sind. ({2}) - Na ja. Ich glaube, daß wir durch die Datenschutzbeauftragten und das, was sie an Informationen für die Parlamente geliefert haben, einen Ansatz haben, wie man in der Lage ist, dieses Informationsdefizit aufzufüllen - ich habe nicht gesagt: auszugleichen. Ich glaube, daß das die Möglichkeit ist, wie dieses Parlament in den Bereichen, wo Geheimhaltung stattfindet, aus der Rolle des bloß entgegennehmenden, passiven Kontrollorgans herauskommen kann in die Situation der aktiven Kontrolle, nämlich die eigenständige Untersuchung von wichtigen Vorgängen in der Exekutive. Mein Vorschlag ist also: Lassen Sie uns darüber weiter nachdenken, wie wir auf diesem Wege zu einer Auffüllung, zu einer Verbesserung unserer Kontrollmöglichkeiten kommen. Ich denke, daß wir, wenn wir etwas nüchtern und realistisch unsere Möglichkeiten und die der Regierung einschätzen, uns vielleicht besser verständigen können, als das bisher möglich ist. Danke schön. ({3})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Emmerlich, ich kann Ihnen eins nicht durchgehen lassen, nämlich daß Sie sagen, die GRÜNEN seien aus der Parlamentarischen Kontrollkommission ausgegrenzt worden. Hier hat jeder nach dem geltenden Gesetz in der gleichen Weise die Möglichkeit gehabt, gewählt zu werden. Wenn auch nur ein wesentlicher Teil Ihrer Fraktion den Kandidaten der GRÜNEN gewählt hätte, dann wäre er Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission geworden. ({0}) Wir haben das nicht getan, weil die GRÜNEN damals den Standpunkt vertreten haben, daß es überhaupt keine Staatsgeheimisse geben dürfe. Dann ist man in der Tat ungeeignet für die Mitarbeit in einem Gremium, das auf Geheimhaltung angelegt ist. ({1}) Sie haben ja richtig ausgeführt, daß ein Teil der kriminalpolizeilichen und nachrichtendienstlichen Tätigkeit natürlich nichtöffentlich, geheim sein muß, weil er sonst gegenstandslos wird. Daraus ergibt sich - da folge ich Ihnen - das Spannungsverhältnis zwischen der notwendigen Geheimhaltung auf der einen Seite und dem urdemokratischen Grundsatz, daß öffentliche Macht nur öffentlich kontrolliert ausgeübt werden sollte, auf der anderen Seite. Wir haben in diesen Tagen Nachrichten lesen können über erhebliche Unruhen in der Schweiz, in Österreich, in Frankreich mit großen DemonstratioDr. Hirsch nen wegen der Tätigkeiten von Polizeien und Nachrichtendiensten im jeweiligen Inland. Die Leute waren empört, als sie feststellten, daß über sie Dateien angelegt worden waren, obwohl sie keine strafbaren Handlungen begangen hatten. Die Sensibilität der Bürger ist größer geworden - und das mit Recht -, weil der Staat technische Möglichkeiten hat, ein außerordentliches und vor allem heimliches Informationssystem zu verwirklichen. Das ist nicht nur für die Bürger, sondern auch für den Staat eine Gefahr, weil es damit nämlich möglich wird, die Entfremdung zwischen Bürger und Staat zu schüren, also die Behauptung aufzustellen, daß der Staat in aller Heimlichkeit ein solches System auch tatsächlich errichtet habe und allgegenwärtig sei. Es liegt also im Interesse der Dienste selber, ein größeres Maß an Öffentlichkeit und an öffentlicher Kontrolle zu akzeptieren. Es ist bedauerlich, wie schwer es ist, diese schlichte und richtige Überlegung in die Köpfe der beteiligten Damen und Herren hineinzubekommen. Ein größeres Maß an öffentlicher Kontrolle liegt im Interesse des Staates und der Dienste selber und natürlich im Interesse der Bürger. Die Frage ist, wie man das in vernünftiger Weise organisieren kann. Wir haben Zweifel daran, daß dieser Auftrag, dem Innenausschuß vierteljährlich zu berichten, ein akzeptables Mittel ist. Ich denke, das ist er nicht. Man kann zweifeln, wieweit die Vertraulichkeit im Innenausschuß wirklich gewährleistet ist. Aber natürlich sind wir der Überzeugung, daß in größerem Umfang bestimmte Strukturdaten veröffentlicht werden können, z. B. über die Zahl der Mitarbeiter, über die Zahl der G-10-Maßnahmen - wie das z. B. in England der Fall ist - , über die Höhe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, über die Gesamtzahl der im Rahmen einer strategischen Kontrolle geöffneten Briefe. Warum das alles geheimgehalten wird, kann kein Mensch verstehen. Ich denke, daran muß man arbeiten. Dasselbe gilt für die Wirksamkeit der Parlamentarischen Kontrollkommission. Ich bedauere, daß der Kollege Jahn ausgeschieden ist, daß übrigens die Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU aus diesem Gremium ausgeschieden sind, was natürlich die Wirksamkeit nicht unbeeinflußt gelassen hat. Ich bin der Meinung, daß die Kontrolltätigkeit der Parlamentarischen Kontrollkommission besser geworden ist, daß auch die Informationsdichte zugenommen hat; aber sie könnte besser sein, und das muß verbessert werden. Darum überlegen wir in der Tat, was geschehen kann und geschehen muß, um auch die rechtlichen Möglichkeiten der Parlamentarischen Kontrollkommission zu verstärken. Wir werden der Überweisung dieses Antrags an den Innenausschuß zustimmen, nicht in der Absicht, den formulierten Antrag auf vierteljährliche Unterrichtung des Innenausschusses anzunehmen, sondern in der Absicht, gemeinsam mit den anderen Kollegen, mit den anderen Fraktionen darüber zu beraten und nachzudenken, wie die öffentliche Kontrolle verbessert werden kann, um die Ansatzpunkte dafür auszuräumen, den Staat in einer Weise zu diskreditieren, die nicht gerechtfertigt ist. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern Herr Dr. Waffenschmidt.

Dr. Horst Waffenschmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002403

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der GRÜNEN ist nicht sachgerecht. Das Bundesministerium des Innern unterrichtet den Deutschen Bundestag ausführlich über alle wichtigen Angelegenheiten der inneren Sicherheit, anlaßbezogen und umfassend an Hand periodischer Berichte. Ich will das an Hand einiger Beispiele deutlich machen. Erstens. Für den Bereich des Verfassungsschutzes erfolgt eine Unterrichtung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages im Zusammenhang mit der Herausgabe des jährlichen Verfassungsschutzberichtes. Darüber hinaus erfolgt eine anlaßbezogene Unterrichtung des Innenausschusses sowie der Parlamentarischen Kontrollkommission, im Jahre 1989 z. B. über die Aufdeckung eines Computerspionagerings oder Anfang dieses Jahres über die Abhörpraktiken der DDR und anderer östlicher Staaten bei den Fernmeldeverkehren. Über die Durchführung des Gesetzes zu Art. 10 des Grundgesetzes werden in regelmäßigen Abständen das in Art. 1 § 9 des G 10 vorgesehene parlamentarische Kontrollgremium und die von diesem eingesetzte Kommission unterrichtet. Über den Bundesgrenzschutz wird jährlich vom Bundesminister des Inneren ein Tätigkeitsbericht vorgelegt; das ist gerade in dieser Woche geschehen. Er wird jeweils im Innenausschuß breit diskutiert. Über besondere Themen wird der Innenausschuß anlaßbezogen unterrichtet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Emmerlich.

Dr. Horst Waffenschmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002403

Gern. Bitte schön.

Dr. Alfred Emmerlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000468, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wann die Bundesregierung das Parlament über die Zersetzerdatei, die beim MAD geführt worden ist, unterrichtet hat?

Dr. Horst Waffenschmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002403

Ich kann hier im Augenblick keine Angaben dazu machen. Ich kann eine solche Frage, wenn sie interessiert, auf Ihre Anfrage hin aber gerne zu beantworten versuchen. Ich möchte fortfahren und an Beispielen deutlich machen, was geleistet worden ist, z. B. Informationen zum Abbau der Grenzkontrollen, zur Neuorganisation des Grenzschutzeinzeldienstes sowie zur Entsendung von BGS-Beamten im Rahmen der Friedensmission der Vereinten Nationen. Alles breit diskutiert im Innenausschuß! Für den Bereich der Kriminalitätsbekämpfung wird jährlich die polizeiliche Kriminalstatistik vorgelegt. Im Zusammenhang hiermit wird auch der Innenausschuß des Bundestags unterrichtet. Der Ausschuß wird darüber hinaus aus aktuellem Anlaß über Bekämpfungskonzeptionen und über Einzelfälle informiert. Im Jahre 1989 wurden z. B. die Konzeptionen des Bundeskriminalamts zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Rauschgiftkriminalität, das „Konzept 106" und die Konsequenzen aus dem Flugzeugabsturz bei Lockerbie eingehend im Innenausschuß vorgestellt und beraten. Es kann also überhaupt keine Rede davon sein, daß man da nicht informiert. Darüber hinaus hat der Bundesminister des Innern den Innenausschuß anläßlich der Beratungen zu den jährlichen Tätigkeitsberichten des Bundesbeauftragten für den Datenschutz eingehend über Fragen der Datenverarbeitung bei den Sicherheitsbehörden berichtet. Ich sage hier ausdrücklich: Selbstverständlich wird die Bundesregierung - das gehört zum Umgang des Parlaments mit der Regierung und der Regierung mit dem Parlament - dafür Sorge tragen, daß diese intensive sowohl periodische als auch anlaßbezogene Berichterstattung auch in Zukunft fortgeführt wird. Nun aber eine zusätzliche vierteljährliche Unterrichtung einzuführen, halte ich nicht für sinnvoll, da sie nur das wiederholen könnte, was in den bereits erwähnten periodischen Berichten oder in der anlaßbezogenen Unterrichtung schon mitgeteilt wurde. Auch erscheint es mir von der Sache her wenig dienlich, einen doch so wechselvollen Bereich wie den der inneren Sicherheit einfach einer starren vierteljährlichen Berichtspflicht zu unterwerfen ({0}) und hier einfach zu sagen: Jedes Vierteljahr wird berichtet. - Es ist doch viel besser, wenn im Innenausschuß anlaßbezogen und bei der Vorlage bestimmter Berichte, die ohnehin fällig sind - nehmen wir den Datenschutzbericht als Beispiel -, oder bei der Berichterstattung über bestimmte Vorgänge, bedeutsame Vorgänge im Hinblick auf die innere Sicherheit, Maßnahmen der Exekutive, der zuständigen Sicherheitsorgane, erläutert werden. Ein regelmäßig zu erstattender Bericht könnte nur das repetieren, was schon vorher anlaßbezogen vorgetragen worden ist. ({1}) - Herr Kollege, ich will dazu folgendes sagen: Die Bundesregierung hat an einer Fülle von Beispielen deutlich gemacht, daß sie die Kontrollaufgaben des Parlaments ernst nimmt, daß sie ihrer Verpflichtung nachkommen will, soweit wie möglich zu informieren. Es gibt aber Bereiche - Herr Kollege Hirsch hat das mit Recht angesprochen, auch der Kollege Kalisch hat das eingangs der Diskussion schon erwähnt-, bei denen die Möglichkeit der Berichterstattung an Grenzen stößt, wegen der Staatsinteressen, die zu schützen sind. Aber soweit das notwendig ist, wird informiert, werden die Gremien unterrichtet. Ich möchte hier diese Bereitschaft auch für die Zukunft ausdrücklich ankündigen. Weitere Initiativen, weitere Berichte sind aus unserer Einschätzung der Situation und aus unserer Wertung der ohnehin stattfindenden breiten Berichterstattung nicht notwendig. Herzlichen Dank. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Wüppesahl.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Waffenschmidt, nach den Ausführungen, die wir vorher gehört haben, ist Ihr Beitrag völlig an der Sache vorbeigegangen. Sie haben auch stereotyp das vorgelesen, was wir zu vielen anderen Sachgegenständen, die hier debattiert wurden, bereits aus Ihrem Hause kennen. Ich habe den Eindruck, Ihnen ist etwas aufgeschrieben worden, und Sie haben das jetzt wieder einfach vorgelesen. Es sind gute Argumente von Herrn Such mit Beispielen gekommen. Sie haben natürlich recht, wenn Sie sagen, daß die Bundesregierung in einer Fülle von Beispielen belegt hat, daß sie die Kontrollaufgabe des Parlaments und damit auch die Berichtspflicht der Regierung ernst nimmt. Aber es gibt auch eine Fülle von Beispielen - die sind in dem Redebeitrag von Herrn Such deutlich geworden -, wo genau das Gegenteil dokumentiert ist. Daran können Sie doch nicht einfach vorbeireden! Das ist mein Appell an Sie, verbunden mit der Überlegung, wie Sie sich im Innenausschuß für die Bundesregierung vielleicht anders verhalten können. Wir haben heute morgen im Innenausschuß gerade wieder ein eklatantes Beispiel erlebt, ({0}) wo wir es der dankenswerten Initiative der FDP verdanken, daß wir von einem Papier Kenntnis erhalten haben, wonach die Informationsweitergabe, die Datenweitergabe zwischen der DDR und der Bundesrepublik durch das Innenministerium geregelt worden ist. Das haben wir der Tatsache zu verdanken, daß einzelne Kollegen aus einer Fraktion dieses Hauses besonders gute Quellen im Innenministerium haben, ({1}) so nachfassen können, so daß wir das Papier heute endlich auf den Tisch bekommen. Dabei erfuhren wir zufällig auch noch, daß es unterschiedliche Fassungen gibt: Es gibt ein Papier vom 31. Januar 1990 und eines vom 12. Februar 1990, das wir bekommen haben. Wo bleibt denn da die Möglichkeit für uns als Parlamentarier, solch einen Vorgang zu kontrollieren? Abgesehen davon - bei aller Einsicht in eine gewisse Notwendigkeit, in bestimmten Einzelfällen Daten auszutauschen - bewegen Sie sich in diesem Beispiel auf Grund der Art und Weise, wie in der DDR zur Zeit Datenschutz betrieben wird - er wird faktisch überhaupt nicht betrieben - , in absolut rechtsfreiem Raum. Das betrifft die bundeskriminalamtliche Tätigkeit, also nicht einen Bereich, bei dem Sie sagen könnten, es seien Staatsschutzinteressen tangiert, da gebe es irgendwelche im Parlament, die vielleicht etwas hinaustrügen. Ich denke, das ist ein sehr aktuelles Beispiel, das Ihnen Anlaß sein sollte, auf Debattenbeiträge, die zumindest von drei Fraktionen konstruktiv gehalten werden und den vorhandenen Zustand nicht stereotyp verteidigen möchten, anders zu reagieren, als wir das hier erlebt haben. Ich möchte noch einen Gedanken des Kollegen Hirsch aufgreifen: Warum geht es vor allen Dingen und nur darum - so hört es sich an - , die Ansatzpunkte zu beseitigen, diesen Staat zu diskreditieren? Geht es nicht vornehmlich darum, die Bürger- und Grundrechte zu schützen? Sind nicht die Beispiele, die hier in der kurzen Debatte angeführt wurden - in der viel zu kurzen Debatte für das, was sich alles hinter dem Tagesordnungspunkt versteckt und tut -, mehr zu berücksichtigen? Geht es nicht darum, daß man die Bürger vor solchen Übergriffen schützt, wobei der Staat natürlich auch ein legitimes Interesse hat, sich der Bevölkerung so zu verkaufen, wie es der Verfassungssystematik entspricht?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist um.

Thomas Wüppesahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002568, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Letzter Satz, Herr Präsident - verzeihen Sie die kurze Überziehung - : Es gibt aus meiner Sicht kein Argument, das gegen einen solchen Bericht sprechen kann. Wer nichts zu verheimlichen hat, der legt so einen Bericht auf den Tisch, und dann kann man darüber diskutieren. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 11/2125 an den Innenausschuß vor. Sind Sie damit einverstanden? - Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 10 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Gansel, Adler, Dr. Ahrens, Amling, Andres, Antretter, Bachmaier, Bahr, Becker ({0}), Becker-Inglau, Bernrath, Bindig, Blunck, Brück, Büchner ({1}), Bulmahn, Catenhusen, Conrad, Conradi, Dr. Däubler-Gmelin, Daubertshäuser, Diller, Dreßler, Duve, Egert, Dr. Ehmke ({2}), Dr. Emmerlich, Erler, Ewen, Faße, Fischer ({3}), Fuchs ({4}), Gerster ({5}), Gilges, Dr. Götte, Graf, Großmann, Grunenberg, Hämmerle, Dr. Hartenstein, Hasenfratz, Dr. Hauchler, Heistermann, Heyenn, Hiller ({6}), Dr. Holtz, Horn, Ibrügger, Jahn ({7}), Jaunich, Dr. Jens, Jung ({8}), Jungmann, Kiehm, Kirschner, Kißlinger, Klein ({9}), Dr. Klejdzinski, Klose, Kolbow, Koltzsch, Koschnick, Kretkowski, Kühbacher, Kuhlwein, Lambinus, Leidinger, Lennartz, Lohmann ({10}), Lutz, Luuk, Dr. Martiny, Matthäus-Maier, Müller ({11}), Müller ({12}), Nagel, Dr. Nöbel, Odendahl, Oesinghaus, Oostergetelo, Opel, Dr. Osswald, Paterna, Peter ({13}), Dr. Pick, Purps, Renger, Reuter, Rixe, Roth, Schäfer ({14}), Schanz, Dr. Scheer, Scherrer, Schmidt ({15}), Schmidt ({16}), Dr. Schmude, Dr. Schöfberger, Schröer ({17}), Schütz, Seidenthal, Seuster, Sieler ({18}), Singer, Dr. Skarpelis-Sperk, Dr. Soell, Dr. Sonntag-Wolgast, Steiner, Steinhauer, Stiegler, Stobbe, Dr. Struck, Tietjen, Dr. Timm, Toetemeyer, Urbaniak, Vahlberg, Verheugen, Voigt ({19}), Waltemathe, Walther, Wartenberg ({20}), Weiler, Weisskirchen ({21}), Westphal, Weyel, Dr. Wieczorek, Wieczorek-Zeul, Wiefelspütz, von der Wiesche, Wimmer ({22}), Dr. de With, Würtz, Zander, Zeitler, Zumkley, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Kriegswaffenkontrolle - Drucksache 11/2920 - a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft ({23}) - Drucksache 11/6427 - Berichterstatter: Abgeordneter Funke b) Bericht des Haushaltsausschusses ({24}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 11/6430 Berichterstatter: Abgeordnete Rossmanith Dr. Weng ({25}) Esters ({26}) Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Beratung eine Stunde vorgesehen. - Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Gesetzentwurf zur Sicherung der Kriegswaffenkontrolle stammt aus dem Jahr 1985. Wir haben ihn im September 1988 erneut eingebracht, weil die Kette der legalen und illegalen Waffenexportskandale nicht abgerissen ist. Unser Gesetzentwurf hat folgende Ziele: Erstens. Aus moralischen und sicherheitspolitischen Gründen wollen wir keine Kriegswaffenexporte in Spannungs- und Kriesengebiete der Dritten Welt. Wir wollen nicht zu Kriegen beitragen. Wir wollen auch nicht, daß die Bundesrepublik von militärischen Spannungen wirtschaftlich profitiert. Kriegswaffenexporte in die Dritte Welt sind kein Beitrag zu unserer eigenen Sicherheit. Im Gegenteil: Sie gefährden sie. Wer das bisher noch nicht begriffen hat, wird in Zukunft begreifen müssen, daß im Zeichen des sich entschärfenden Ost-West-Gegensatzes die Nonprolifera15366 tionspolitik gegenüber dem Süden um so wichtiger werden wird. ({0}) Zweitens. Wir wollen aus moralischen und wirtschaftlichen Gründen keine Waffenexporte in Entwicklungsländer. Wir sind verpflichtet, zu helfen, daß sich die Entwicklungsländer wirtschaftlich entwikkeln. Aber Kriegswaffenexporte und Waffenimporte hemmen die wirtschaftliche Entwicklung der ärmsten Länder der Welt. ({1}) Drittens. Wir wollen aus moralischen und politischen Gründen keine Kriegswaffenlieferung an Militärdiktaturen und menschenrechtsfeindliche Regime, wo Waffen zur Unterdrückung des eigenen Volkes mißbraucht werden. Viertens. Wir wollen aus moralischen und wirtschaftlichen Gründen so wenig wie möglich Waffen produzieren. Wir wollen Waffenproduktion nur noch für unsere Verbündeten und uns befreundete Staaten zulassen. Rüstungsproduktion bedeutet auch Arbeit und Arbeitsplätze. Wenn es in Zukunft weniger Rüstung geben wird - es gibt dafür viele hoffnungsvolle Zeichen - , dann darf weniger Rüstung nicht zu mehr Arbeitslosigkeit führen. ({2}) Es ist unsere Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, daß die Arbeitnehmer nicht Rüstungskontrolle und Abrüstung als Belastung zu tragen haben. ({3}) Deshalb ist Konversion, die Umstellung von militärischer auf zivile Produktion, notwendig. Mein Kollege Weisskirchen wird dazu noch einiges sagen. Er ist auf diesem Gebiet besonders fachkundig und engagiert. Der Bereich der Reduzierung der Kriegswaffenexporte könnte für Konversion modellhafte Wirkung haben. In einem marktwirtschaftlichen System müssen wir zunächst durch die Rahmenbedingungen dafür sorgen, daß weniger Waffen produziert werden und daß die Industrie dabei weiß, was sie darf und was sie nicht darf. Das gilt vor allem für den Waffenexport. Aus diesem Grunde wollen wir mit unserem Gesetzentwurf den Kriegswaffenexport und den Rüstungsexport auf die 24 Mitgliedstaaten der OECD beschränken. In der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit befindet sich kein Entwicklungsland und keine Militärdiktatur. Keines der Mitgliedstaaten liegt in einem Spannungsgebiet. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir die Strafvorschriften verschärfen, und wir wollen endlich eine parlamentarische Kontrolle einführen. ({4}) Es ist ein schlimmes Zeichen, daß der Bundessicherheitsrat am 23. November in einer geheimgehaltenen Sitzung beschlossen hat, daß in den folgenden Jahren Panzer an Saudi-Arabien, U-Boote an Israel und Tornado-Kampfbomber an Südkorea geliefert werden dürfen. Jedes Empfängerland liegt in einem Krisen- und Spannungsgebiet. Es ist ein Zeichen einer besonderen doppelbödigen Moral und einer geradezu zynischen Neutralitätspolitik, wenn Kriegswaffen gleichzeitig an potentielle Kriegsgegner geliefert werden, nämlich an Saudi-Arabien und an Israel. Vernünftige politische Gründe für diese Entscheidung der Bundesregierung konnte es nicht geben. Wahrscheinlich haben die Interessen an der Kapazitätsauslastung der deutschen Rüstungsindustrie die entscheidende Rolle gespielt. Während sich die Bundesregierung Sorgen über die Rüstungsindustrie macht und sich um vermehrten Kriegswaffenexport kümmert, geling es ihr nicht, ihren Gesetzentwurf zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen durch den Bundestag zu bringen. ({5}) Dieser Gesetzentwurf Ihrer Bundesregierung, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, war die Konsequenz der scharfen internationalen Reaktionen, die dem Bekanntwerden der Beteiligung Deutscher und deutscher Firmen beim Bau einer Giftgasfabrik in Rabta, Libyen, folgten. Die SPD-Fraktion hat diese Gesetzesinitiaive der Bundesregierung im Prinzip begrüßt. Ich selbst habe diesen Gesetzentwurf vor dem Unterausschuß des Sicherheitsrates der UNO lobend erwähnt, als ich dort zu der Nichteinhaltung des Rüstungsembargos durch die Bundesrepublik gegenüber Südafrika sprechen mußte. Dieses Lob war voreilig, denn die Regierungsfraktionen versuchen, die Behandlung des Gesetzentwurfs zu verzögern und ihn zu verwässern. Es werden Gutachten angefordert und wieder verworfen, wenn sie nicht passen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der so dringend in Kraft treten müßte, hat noch nicht einmal im mitberatenden Auswärtigen Ausschuß diskutiert werden können. Dabei sollte das Gesetz nach den Ankündigungen der Bundesregierung gegenüber den amerikanischen Verbündeten schon zu Beginn dieses Jahres in Kraft getreten sein. Vor wenigen Wochen appellierte Außenminister Genscher eindringlich vor dem Auswärtigen Ausschuß, daß dieser Gesetzentwurf bald vom Parlament verabschiedet werden möge. Ich habe deshalb durch einen Antrag zur zweiten Lesung, der noch verteilt werden wird, dafür gesorgt, daß der Bundestag jetzt die Möglichkeit hat, dem Appell des Außenministers zu folgen. ({6}) Ich habe Ihnen den unveränderten Regierungsentwurf auf den Tisch legen lassen. Wenn Sie ihm zustimmen wollen, dann können Sie mir vertrauen: Es ist der Vorschlag der Bundesregierung. Nun ist die Regierungsseite hier im Parlament vor die Entscheidung gestellt. Sie können den Entwurf Ihrer Regierung ablehnen, nur weil er von der Opposition vorgeschlagen wird. Das wäre schlimm, und Sie sind dazu wohl auch nicht mutig genug. Sie können dem Entwurf Ihrer Bundesregierung auch zustimmen. Das wäre gut, aber auch dazu wird es möglicherweise an Mut fehlen. Sie können den Antrag Ihrer eigenen Bundesregierung freilich auch in den Ausschuß zurückverweisen. Das wäre peinlich, und wir würden dafür sogen, daß die Gesetzesinitiative in den vorgeschriebenen Fristen hier wieder auf den Tisch kommen wird. Wie immer Sie sich entscheiden werden, bedenken Sie bitte: Heute sind wieder Meldungen durch die Nachrichtenagenturen gelaufen, daß nach Erkenntnissen des amerikanischen Geheimdienstes in Rabta mit der Giftgasproduktion begonnen wurde. Diese Meldungen decken sich mit Informationen, die wir in bestimmten Ausschüssen erhalten haben. Wenn Sie sich jetzt entscheiden, bedenken Sie: Es geht um den Frieden in einer Krisenregion, die uns sehr nahe ist in Nordafrika. Es geht auch um das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb ist es das Beste, Sie entscheiden sich für unseren gesamten Gesetzentwurf. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Kittelmann.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten haben diesen Gesetzentwurf, der heute hier zur Abstimmung steht, wie Herr Gansel richtig sagte, 1985 schon einmal eingebracht, und sie haben ihn 1988 ohne Veränderung eingebracht, obwohl sie in der damaligen Debatte vom 4. Dezember 1986 ihrerseits zugaben, daß Einwände von seiten der Regierungskoalition im Prinzip berechtigt sind. Sie haben sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, Herr Gansel, im Rahmen der Neueinbringung die damals von uns begründeten und von Ihnen unwidersprochen hingenommenen verfassungsmäßigen Bedenken dadurch auszuräumen, daß Sie versucht haben, sie im Vorfeld zu klären. Ich darf daraus den Umkehrschluß ziehen: Es geht Ihnen im Prinzip gar nicht darum, daß wir hier einen Gesetzentwurf verabschieden, sondern es geht Ihnen um eine Demonstration. Ich gebe zu, daß dies das Recht einer Opposition ist. Wie gut oder wie schlecht diese ist, das mag die Öffentlichkeit entscheiden. Die CDU/CSU unterstützt jede wirksame gesetzliche Verbesserung zur Vermeidung des illegalen Exports von Kriegswaffen. Leider ist der vorliegende Gesetzentwurf, wie ich schon ausführte, kein geglückter Versuch. Der heute zur Debatte stehende Entwurf - ich darf auf die Redebeiträge der Kollegen Beckmann und Lattmann und des damaligen Ministers Bangemann vom 4. Dezember 1986 verweisen und sie quasi wieder in Erinnerung rufen, indem ich alle, die es interessiert, bitte, die Protokolle nachzulesen - ist heute von der Debatte her noch genauso aktuell, was die Erwiderung betrifft. Es geht Ihnen im wesentlichen, Herr Gansel, um die Schaffung eines Beauftragten des Deutschen Bundestages für die Kriegswaffenkontrolle. Sie verweisen als Vorbild auf den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages sowie auf den Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Es ist schon damals gesagt worden - es bleibt auch heute noch richtig - , daß ein Vergleich in dieser Beziehung abzulehnen ist, weil es für ein derartiges Kontrollorgan des Parlaments gegenüber der Exekutive einer ausdrücklichen grundgesetzlichen Ermächtigung bedarf. ({0}) Der Vergleich mit dem Datenschutzbeauftragten ist deshalb unzulässig, da er ein Organ der Exekutive ist und damit der Selbstkontrolle der vollziehenden Gewalt dient. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen darüber hinaus gegen die umfangreichen Befugnisse des Kriegswaffenkontrolleurs, nämlich gegen unbegrenzte Auskunfts-, Akteneinsichts- und Zutrittsrechte, die Sie ebenfalls weder begründet noch eingeschränkt haben. ({1}) Diese Befugnisse verletzen den verfassungsrechtlich garantierten und nicht ausforschbaren Eigenbereich der Regierung. Ich bitte, darüber noch einmal nachzudenken und dies nachzuprüfen. Im übrigen verstoßen die dem Kriegswaffenkontrollbeauftragten eingeräumten Klagemöglichkeiten vor den Verwaltungsgerichten gegen das Gewaltenteilungsprinzip des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes. Im Hinblick auf die Einführung der Länderliste bezüglich der Ausfuhr von Kriegswaffen schlägt die SPD die Begrenzung auf die OECD-Staaten vor. Wir bitten zu erwägen, ob dies nicht eine Einengung des außenpolitischen Handlungsspielraums darstellt. Ich möchte das hier nicht vertiefen. Die SPD fordert weiterhin, daß die Kriegswaffenliste nur noch durch Gesetz geändert werden kann. Dabei muß man sehen, daß die SPD von der unzutreffenden Vorstellung ausgeht, daß Bundesregierung und Bundesrat einen zu weiten Spielraum bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Kriegswaffenlisten haben. Der Verordnungsgeber ist durch eng umgrenzte Ermächtigungen gebunden und ist vor allem verpflichtet, die Liste lückenlos zu halten. Eine Rechtsverordnung kann wesentlich schneller auf waffentechnische Änderungen reagieren als das Gesetz. ({2}) Das unberechtigte Mißtrauen der SPD läßt den Vorwurf gegen sie zulässig erscheinen, daß es ihr mehr darum geht, Mißtrauen zu säen. Zudem sind die Vorschläge eine objektive Verschlechterung der jetzigen rechtlichen Lage. ({3}) Die SPD will die Kriegswaffenliste um einen Auffangtatbestand und um eine gesetzliche Fiktion ergänzen, um Koopertionen und Umgehungsgeschäfte besser zu gestalten. Mit dem Auffangtatbestand soll verhindert werden, daß die Produktion von Teilen von Kriegswaffen und der Handel mit ihnen dem Genehmigungsverfahren des Kriegswaffenkontrollgesetzes entzogen werden. Mit der gesetzlichen Fiktion sollen Produktionsmittel, Konstruktionszeichnungen und sonstige Fertigungsunterlagen für Kriegswaffen, die bisher nur unter den Regelungsbeschluß des AWG fielen, unter die schärferen Bestimmungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes fallen. Hierzu muß man sagen: Beide Vorschläge sind deshalb kritisch zu sehen, weil die Kriegswaffeneigenschaft jetzt von einer subjektiven Zweckbestimmung abhängig gemacht werden soll. Subjektive Merkmale und unbestimmte Rechtsbegriffe sind allerdings für die Definition einer Kriegswaffe ungeeignet, da sie nicht nachprüfbar sind. Darüber hinaus ist der Kriegswaffenbegriff für die strafrechtliche Bestimmung des Kriegswaffenkontrollgesetzes von entscheidender Bedeutung. Dementsprechend muß nach dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes jederzeit klar und eindeutig festzustellen sein, was eine Kriegswaffe ist. - Ich könnte dies noch weiter ausführen, aus Zeitgründen darf ich es aber unterlassen. Die CDU/CSU begrüßt, daß die Bundesregierung an den politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern nach dem Beschluß vom 28. April 1982 weiterhin festhält. - Dies war damals ein Beschluß einer SPD-Regierung in ihren Endzeiten. ({4}) - Einer Koalitionsregierung, der ein Teil dieses Hauses auch heute noch in anderer Form zugehörig ist. Mit diesen Richtlinien hat die Bundesregierung der bundesdeutschen Wirtschaft die stärkste Selbstbeschränkung von allen großen Industrieländern auferlegt. Es ist ein genereller Rückgang der Kriegswaffenexporte zu erkennen. Die Kriegswaffenausfuhren haben im Durchschnitt der Jahre 1981 bis 1984 2,3 Milliarden DM betragen; das waren 0,54 % der gesamten deutschen Ausfuhren. Im Jahre 1988 hat die deutsche Wirtschaft Waren im Wert von 568 Milliarden DM exportiert. Davon fiel gerade noch 1 Milliarde DM auf den Rüstungsexport; das sind lediglich 0,18 %. Da der Anteil so gering ist, möchte ich von Herrn Gansel eines übernehmen: Ich hoffe, daß die positiven Entspannungszeiten dazu führen, daß wir es nicht mehr nötig haben, Rüstung zu produzieren. Das machen wir aber davon abhängig, wie die politischen und außenpolitischen Entscheidungen sind, und nicht von der zynischen, verantwortungslosen Beschimpfung der Bundesregierung, wie Sie sie, Herr Gansel, seit Jahren verfolgen. ({5}) Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluß sagen: Wir haben positiv zu vermerken, daß die Bundesregierung in den letzten Monaten wesentliche Veränderungen - auch mit Zustimmung des Wirtschaftsausschusses - durchgeführt hat. Wir haben wesentliche Veränderungen im Bereich des Außenwirtschaftsgesetzes. Am 9. März 1989 ist die zweite Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung für Technologietransfer von Transithandelsgeschäften in Kraft getreten, am 1. April 1989 die dritte Verordnung, am 21. Juni die vierte Verordnung zum Ausfuhrverbot, ({6}) am 14. September 1989 die fünfte Verordnung. Wesentliche Veränderungen im Bereich der Ausfuhrliste zum Außenwirtschaftsgesetz: Änderung der Ausfuhrliste vom 12. April 1989, vom 7. August 1989, vom 19. August 1989; mit der 66. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste wurde die Ausfuhrliste um weitere 25 chemische Produkte erweitert. Das alles erwähnen Sie hier mit keinem Wort. Sie können noch nicht einmal nachvollziehen, daß sich in den letzten Monaten sehr Wesentliches geändert hat. ({7}) Jetzt komme ich zur Beratung unseres Entwurfs des Kriegswaffenkontrollgesetzes. Wir werden Ihren Antrag, Herr Gansel, nicht deshalb ablehnen, weil der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht seine Bedeutung und seine Richtigkeit hätte, sondern deshalb, weil wir uns mitten in der parlamentarischen Beratung befinden ({8}) und es einfach undemokratisch ist, mit Ihrem Antrag den Parlamenten das Recht zur parlamentarischen Beratung entziehen zu wollen. ({9}) Weder der Auswärtige Ausschuß noch der Rechtsausschuß hat bisher die Beratung zu Ende geführt. Wir haben in einer schwierigen rechtlichen Lage eine große Anhörung durchgeführt, an der auch Sie sich beteiligt haben. Wenn Sie Kontakte zu den Rechtsexperten der SPD-Fraktion haben sollten und nicht nur in einem Wolkenkuckucksheim schweben - weil Sie dauernd neue falsche Vorwürfe machen - , sprechen Sie einmal mit ihnen! Sie werden feststellen, daß auch diese einen hohen Beratungsbedarf haben, ob alle rechtlichen Regelungen, die man im Gesetzentwurf der Regierung vorfindet, so umsetzbar sein müssen oder ob es nicht Regelungen gibt, die ihnen ähnlich sind, dem Zweck entsprechen, aber umgeändert werden können. Deshalb, meine Damen und Herren sage ich - als letzter Satz, Herr Präsident; dann spreche ich in einer zweiten Runde eine Minute kürzer -, daß wir die politischen Grundsätze der Bundesregierung voll aufrechterhalten, daß wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung sehr viel positiver und nützlicher sehen als Ihren hier vorliegenden Entwurf und wir uns deshalb von Ihnen nicht abhalten lassen werden, gute Gesetze zu verabschieden, von denen wir hoffen, daß Sie ihnen am Schluß auch zustimmen. Schönen Dank. ({10})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Eid.

Ursula Eid-Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000454, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Um es gleich vorweg zu sagen: meine Fraktion wird den SPD-Antrag ablehnen. Zwar enthalten die vorgeschlagenen Änderungen einige positive neue Elemente, insgesamt aber ist die Tendenz des Antrages sehr problematisch, denn sie stellt eine Verharmlosung des Problems dar. Der Antrag erweckt den Eindruck, als seien die Kriegswaffenexporte mit der Bereitstellung von einer halben Million DM im Bundeshaushalt und mit einigen Gesetzesverbesserungen zu lösen. Als Neuerung wird die Einsetzung eines Kriegswaffenkontrollbeauftragten gefordert. Diese Person wird dann aber mit völlig unzureichenden Kompetenzen ausgestattet. Allein die Vorstellung, daß eine einzige Person einen unüberschaubaren Komplex von Zehntausenden legalen und illegalen Rüstungsexporten in den Griff bekommen könnte, ist absurd, Herr Kollege Bindig. ({0}) Im Bundesamt für Wirtschaft zum Beispiel sind rund 500 Beamte tätig. Das Ergebnis ist, daß so ziemlich jeder Rüstungsexport genehmigt wird bzw. daß die Beamten beide Augen zudrücken und alles passieren lassen. Mehr Personal im Bereich der Kontrolle bringt erst dann etwas, wenn die politischen Vorgaben eindeutig sind. Solange es für die Bundesregierung einen politischen Ermessensspielraum gibt, in welche Länder exportiert und in welche Länder nicht exportiert werden darf, sind alle Reformvorschläge das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Es muß ein generelles Verbot von Rüstungsexporten ausgesprochen werden. ({1}) Die Überwachungsbehörden hätten dann für die Überwachung dieses Verbots zu sorgen. Die SPD-Fraktion tastet sich nur vorsichtig an das eigentliche Problem heran. Sie will mit ihrem Gesetzentwurf die Liste derjenigen Länder, in die Kriegswaffen exportiert werden dürfen, auf die OECD-Länder beschränken, die Türkei jedoch ausdrücklich mit aufnehmen. Was ist das für ein gefährlicher Vorschlag! Ist der SPD denn völlig entgangen, daß die Menschenrechtssituation in der Türkei nach wie vor grauenhaft ist? Ist ihr auch entgangen, daß die Türkei das Land ist, über das zunehmend Umwegexporte in die Krisen- und Spannungsgebiete der Welt stattfinden? Der Kollege Gansel zumindest - ({2}) - Lieber Norbert, Du müßtest es doch besser wissen. Gerade im U-Boot-Untersuchungsausschuß wurde lang und breit diskutiert, daß die Firmen IKL und HDW den Rest des illegalen Südafrikageschäfts über die Türkei abwickeln wollten. Alles deutet gerade in diesen Tagen darauf hin, daß die sogenannte „Mittlere Lösung" des U-Boot-Geschäfts über die Türkei auch tatsächlich abgewickelt ist. Der SPD-Entwurf ist noch aus anderen Gründen inakzeptabel. Es wird bei der Lektüre deutlich, daß die SPD Rüstungsexporte nicht generell untersagen möchte, auch nicht die Exporte direkter Kriegswaffen. In Punkt 64 der Kriegswaffenliste sieht die SPD Ausnahmeregelungen bei der Rüstungskooperation mit OECD-Ländern und den anschließenden Export in „verbündete Länder" vor. Damit ist wieder alles möglich. Die SPD will Exporte lediglich unter Kontrolle bringen und z. B. die bisherige strikte Geheimhaltungspolitik gegenüber dem Deutschen Bundestag aufheben. Nur, was wird dadurch entscheidend verändert? Zwar ist der Gedanke richtig - und die GRÜNEN fordern das mit Nachdruck seit 1983 -, daß alle genehmigten und ungenehmigten Rüstungsexporte offengelegt werden müssen. Aber unsere Absicht ist offensichtlich eine andere. Wir wollen endlich die Fakten kennenlernen, um das ganze schädliche Ausmaß der Exporte öffentlich diskutieren und so dem Geschäft mit dem Tod ein Ende bereiten zu können. Die SPD dagegen will lediglich eine bessere Kontrolle, ohne jedoch gleichzeitig den „Handlungsraum der Exekutive" einzuschränken, soweit er „der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen ihrer Bündnispflichten dient" . Der vorgeschlagene, mit sehr hohen Erwartungen überfrachtete Kriegswaffenkontrollbeauftragte soll seiner entscheidenden Waffe beraubt werden. Zwar soll er eine Klagebefugnis erhalten. Zitat: Eine Klage gegen die Bundesregierung soll aber nach Möglichkeit vermieden werden, insbesondere soll vermieden werden, daß die Beziehungen der Bundesregierung zu anderen Staaten gestört oder unnötig belastet werden. Wer so etwas schreibt, hat den Ernst der Lage nicht verstanden. ({3}) Die jetzige Bundesregierung ermöglicht inzwischen Geschäfte mit den gefährlichsten Kriegswaffen wie Atomtechnologie zur Bombenproduktion, die Lieferung von Giftgasanlagen, die Lieferung von Trägerraketentechnologien in aller Herren Länder. Gerade heute wurde durch einen Bericht des amerikanischen Fernsehens bekannt, daß die mit deutscher Hilfe gebaute Giftgasanlage in Rabta ihre Produktion wieder aufgenommen hat. Rabta wurde mit Kenntnis der Bundesregierung durch den Staatskonzern Salzgitter gebaut. Außenminister Genscher bzw. sein Ministerium war seit Juli 1985 darüber informiert. Sie blieben untätig. Da soll keine Klage möglich sein? Nein, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das genaue Gegenteil: Wenn Regierungsmitglieder solche Verbrechen dulden, dann muß es auch die Möglichkeit geben, sie auf die Anklagebank zu bringen. Vielen Dank. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Funke.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden den SPD-Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Kriegswaffenkontrolle genauso wie in den beratenden Ausschüssen ablehnen; dort ist er zu Recht abgelehnt worden. ({0}) - Nein. Ich werde gleich etwas dazu sagen. So einfach können Sie es sich nicht machen. - Wir werden auch den Änderungsantrag, der sehr geschickt noch so in den letzten Minuten verteilt worden ist, ablehnen, obwohl er, zumindest was das Kriegswaffenkontrollgesetz angeht, wortgleich mit dem Regierungsentwurf ist. Dabei ist Ihnen, weil Sie nicht gründlich genug gearbeitet haben, eines offensichtlich entgangen. Die flankierenden Vorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes, die auch notwendig sind, haben Sie in Ihren Änderungsantrag nicht mit aufgenommen. ({1}) - Die wollen sie wahrscheinlich schon, haben sie aber vergessen oder nicht gründlich genug bearbeitet. - Wenn wir schon auf diese Weise mit Schnellschüssen miteinander arbeiten wollen, dann soll es wenigstens einigermaßen gründlich sein. ({2}) Wir verkennen nicht, daß die Frage der Kriegswaffenkontrolle ständig einer Überprüfung bedarf, weil es immer wieder findige Unternehmen und Personen gibt, die versuchen, die restriktive Politik der Bundesregierung auf dem Gebiet der Kriegswaffenexporte zu umgehen. Die sozialliberale Koalition hat 1982 die Richtlinien über den Kriegswaffenexport zu Recht verschärft und eine bessere Kontrolle vorgesehen. Sie wissen auch - wir haben in den letzten Wochen schon mehrfach darüber diskutiert, Herr Gansel -, daß die Bundesregierung eine Novellierung des Kriegswaffenkontrollgesetzes und des Außenwirtschaftsgesetzes vorgelegt hat. Beide Gesetze befinden sich in der parlamentarischen Beratung, wobei sie noch nicht in den Ausschüssen sind. ({3}) Wenn ich Ihnen dies sagen darf: Auch die Beratungen im Koalitionsausschuß bzw. in den Koalitionsfraktionen sind natürlich parlamentarische Beratungen. Diese parlamentarischen Beratungen werden gründlich vorgenommen, weil es sich hier um schwierigste Rechtsfragen handelt und wir als Rechtsstaatspartei großen Wert insbesondere darauf legen, daß eine gründliche Beratung erfolgt.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Diese Bemerkung, Herr Abgeordneter Funke veranlaßt den Abgeordneten Gansel zu einer Zwischenfrage.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, können Sie bestätigen, daß im Rechtsausschuß ein Gutachten des Bundesjustizministers über die Rechtmäßigkeit der Regierungsvorlage angefordert ist und daß, nachdem das Gutachten des Bundesjustizministers ergeben hat, daß die Vorlage der Bundesregierung rechtmäßig sei, der Sprecher der Unionsparteien erklärt hat, das Gutachten sei für die weitere Beratung unbrauchbar, und halten Sie es für einen guten parlamentarischen Stil, wenn es von Juni vergangenen Jahres bis heute nicht möglich geworden ist, über den Gesetzentwurf im Plenum abzustimmen, wo es dabei doch immerhin um die Beteiligung Deutscher an der Giftgasproduktion im Ausland geht?

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Gansel, ich glaube, Sie sind von Ihren Kollegen im Rechtsausschuß nicht richtig informiert worden. Der Rechtsausschuß selbst hat kein Gutachten angefordert. ({0}) Ich könnte es mir also sehr einfach machen und sagen: Nein. Ich will es aber nicht tun, weil ich mich nicht gerne verstecke. Wir haben als Koalitionsfraktion vom Bundesjustizminister eine gutachtliche Stellungnahme - es war kein Gutachten - angefordert, das die Position der Bundesregierung unterstützt. Unter „Gutachten" verstehe ich, wenn unterschiedliche Rechtsmeinungen gegeneinander abgewogen und dann mit einem entsprechenden Votum versehen werden. Das ist nicht der Fall. Es ist vielmehr ein Argumentationspapier. Ich habe es gelesen; Sie offensichtlich nicht. Dieses Argumentationspapier erfüllt nicht die Voraussetzungen eines - wie von uns gefordert - Gutachtens. Insbesondere fehlt jeglicher Rechtsvergleich zu den von uns benannten Ländern. Es sind lediglich zu dem Gebiet der USA einige Ausführungen gemacht worden. Das Rechtssystem der USA aber ist mit unserem nicht vergleichbar, um es sehr vorsichtig auszudrücken. ({1}) - Die Beratungen in den Koalitionsfraktionen werden am 20. März zu Ende geführt werden, und der Entwurf wird dann dem Plenum bzw. den Ausschüssen zur Beratung weitergeleitet werden. ({2}) Insoweit konnten wir auch gleich abhandeln, daß Sie uns vorgeworfen haben, seit dem 1. Januar 1990, zu dem die Bundesregierung an und für sich entsprechende Zusagen gemacht hatte, untätig gewesen zu sein. Dieses ist bei der schwierigen Rechtsmaterie verständlich. Ich glaube, gerade Sie, Herr Gansel, und auch Ihre Fraktion werden Verständnis dafür haben, daß wir schwierigste Rechtsfragen, die außerhalb unserer bisherigen Rechtssystematik liegen, auch gründlich miteinander beraten. Wir werden dieses Gesetz mitablehnen, weil es nur einen Ausschnitt der Kontrolle der Kriegswaffenexporte betrifft. Wir glauben, daß der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, obsolet ist. Es geht meines Erachtens der SPD auch nicht so sehr um die Sache. Es handelt sich vielmehr um den Versuch - das haben Sie, Herr Gansel, auch wieder bewiesen -, die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen in der Öffentlichkeit vorzuführen mit der Behauptung, die Bundesregierung kontrolliere den Verbleib der Kriegswaffenexporte nicht ausreichend. Wir seien sozusagen die Regierung, die mit Waffen leichtfertig umgeht und diese exportiert. Ich sage allerdings zu Ihren wirklich sehr nachdenklich stimmenden Worten hinsichtlich der Waffenexporte nach Israel, nach Saudi-Arabien und auch nach Süd-Korea, daß ich persönlich als Abgeordneter Funke dabei genau dieselben Bedenken habe wie Sie und über die Entscheidung der Bundesregierung in dieser Beziehung höchst unglücklich gewesen bin. ({3}) - Das werden wir dann sehen, Herr Gansel. Wenn ich hier etwas sage, dann habe ich mir das vorher überlegt und werde danach auch mein Abstimmungsverhalten richten. Bei all diesem Eifer, der Bundesregierung hier fehlerhaftes Verhalten vorzuwerfen und damit zu einer entsprechenden Publizität zu gelangen, ist der SPD wohl entgangen, daß sie einige verfassungsrechtliche Grundsätze außer acht läßt. Der Kollege Kittelmann hat dazu schon einiges aus dem Bericht des Ausschusses vorgetragen. Ich kann es deswegen sehr kurz machen. Die Einrichtung eines Beauftragten des Deutschen Bundestages für die Kriegswaffenkontrolle begegnet insoweit verfassungsrechtlichen Bedenken, als die Grundsätze der Gewaltenteilung nicht eingehalten wären, wenn Ihr Gesetzentwurf Gesetz würde. Auch der Vorschlag einer Ergänzung der Kriegswaffenliste ist wegen des generalklauselartigen Auffangtatbestands verfassungsrechtlich bedenklich. Der Bestimmbarkeitsgrundsatz ist nicht eingehalten. Wirtschaftlich und auch vertragsrechtlich sind gegen den Vorschlag, die Genehmigung zu versagen, wenn über den Endverbleib der Waffen keine bindenden Regelungen möglich seien, ebenfalls erhebliche Bedenken anzumelden. Er beeinträchtigt die Kooperationsfähigkeit der Bundesregierung und der Deutschen Wirtschaft im Bündnis. Es würde nicht nur die Kooperationsfähigkeit im wirtschaftlichen Bereich beeinträchtigt, sondern es würde auch, wie der Kollege Kittelmann, der sich gerade anderweitig unterhält, ausgeführt hat, der außenpolitische Handlungsspielraum erheblich eingeengt. Aus diesem Grund können wir dem Entwurf der SPD-Fraktion nicht zustimmen. Wir können auch, wie ich vorhin ausgeführt habe, Ihrem geschickten, aber leider in den einzelnen Punkten mangelhaften, weil die Bestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes nicht berücksichtigenden Änderungsantrag nicht zustimmen. Danke schön. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun hat das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Beckmann.

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Bei dem von der SPDFraktion eingebrachten Gesetzentwurf handelt es sich um die Reprise eines bereits vom letzten Bundestag mehrheitlich abgelehnten Gesetzentwurfs. Es ist durchaus anzuerkennen, Herr Kollege Gansel, daß die Opposition in diesem Bereich von ähnlichen Sorgen bewegt wird wie die Bundesregierung, die ja bekanntlich diesen Sorgen durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen Rechnung getragen hat. Der hier behandelte Gesetzentwurf der SPD schlägt dagegen zur Lösung des Problems, wie ich meine, den falschen Weg ein. Maßgebend für die Ablehnung des Entwurfs sind für uns dieselben Gründe wie damals. Der zentrale Gedanke des Entwurfs ist die Einrichtung eines Beauftragten des Deutschen Bundestages für die Kriegswaffenkontrolle. Hiergegen bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Für ein solches Kontrollorgan des Parlaments gegenüber der Exekutive fehlt es an der erforderlichen grundgesetzlichen Ermächtigung. Darauf hat der Kollege Kittelmann bereits zu Recht hingewiesen. Selbst bei einer Grundgesetzänderung blieben ganz erhebliche Zweifel, ob die vorgesehenen Befugnisse des Kriegswaffenkontrollbeauftragten nicht den Kernbereich der Eigenverantwortung der Exekutive antasten. Das gilt z. B. für das uneingeschränkte Recht auf Akteneinsicht und Zutritt zu Diensträumen sowie für die Klagebefugnis des Beauftragten gegen Genehmigungsbescheide der Exekutive. Auf ganz erhebliche Bedenken stößt auch die Ergänzung der Kriegswaffenliste um einen generalklauselartigen Auffangtatbestand. Hierdurch werden alle Gegenstände, Stoffe und Organismen bereits dann zu Kriegswaffen erklärt, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß sie zum Einbau in eine Kriegswaffe bestimmt sind. Nicht akzeptiert werden kann auch die Fiktion, nach der Konstruktionszeichnungen und Produktionsmittel für Kriegswaffen ihrerseits dann als Kriegswaffen gelten, wenn sie ausgeführt werden sollen. Derartig weite, auf subjektive Merkmale abgestellte Kriegswaffendefinitionen würden die Genehmigungs- und Überwachungsbehören vor kaum lösbare Aufgaben stellen. Noch gravierender als die mangelnde Praktikabilität ist der Verstoß solcher Definitionen gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit von Strafvorschriften. Der Begriff der Kriegswaffe ist wesentliches Tatbestandsmerkmal der Strafvorschriften des § 16 KWKG. Der Umfang der Strafbarkeit wäre bei einer solch vagen Begriffsbestimmung nicht mehr ausreichend klar zu erkennen. Nicht akzeptabel erscheint schließlich, Exporte von Kriegswaffen nur noch in OECD-Länder zuzulassen. Hier muß es bei der Entscheidung im Einzelfall bleiben. Erst recht kann diese starre Exporteinschränkung nicht auch noch, wie es der Gesetzentwurf der SPD vorsieht, in unsere internationalen Kooperationen hineingetragen werden. Möglich und richtig dagegen ist die Praxis der Bundesregierung, entsprechend den politischen Grundsätzen über den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom April 1982 Konsultationsverfahren durchzuführen und auf die Partnerländer einzuwirken. Die Zulassung von deutschen Zulieferungen bei Kooperationen nur unter der Voraussetzung, daß seitens des Kooperationspartners nicht in Länder außerhalb der OECD exportiert wird, wäre praktisch das Ende unserer Kooperationsfähigkeit im Bündnis. Bei dieser keineswegs vollständigen Aufzählung der Hauptkritikpunkte am SPD-Entwurf will ich es hier bewenden lassen. Die Bundesregierung hat ihrerseits einen anderen Weg eingeschlagen. Hauptproblem für uns ist die Verhinderung der Verbreitung von ABC-Waffen und Raketentechnologien, sei es vom Bundesgebiet aus, sei es durch Deutsche im Ausland. Gerade für diese entscheidenden Fragen bringt der SPD-Entwurf keine brauchbaren Lösungsansätze. Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf zur Novellierung des KWKG sieht eine erhebliche Verschärfung der strafrechtlichen Bestimmungen im Bereich der ABC-Waffen vor. In Zukunft soll ein Deutscher bestraft werden können, der im Ausland an der Entwicklung oder Herstellung solcher Waffen mitwirkt oder die Herstellung durch Zulieferungen fördert. Kernpunkt der neuen Strafvorschriften im KWKG ist es, das grob fahrlässige Fördern einer ausländischen ABC-Waffen-Entwicklung als Verbrechen unter Strafe zu stellen. Diese Regelungen sind ein Beitrag des Strafrechts zur Friedenspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Neben diesen drastischen Verschärfungen im Kriegswaffenrecht hat die Bundesregierung weitere gesetzgeberische Maßnahmen vorgeschlagen. Ich nenne hier: Die Beteiligung Deutscher an Auslandsprojekten der Raketentechnologie wird unter Genehmigungspflicht gestellt. Es wird eine Meldepflicht für Unternehmen eingeführt, die sensitive Güter im ABCWaffen-Bereich herstellen. Die Informationsbasis der Kontrollbehörden wird durch gegenseitigen Datenaustausch entscheidend verstärkt. Schließlich werden die Straf- und Bußgeldvorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes wesentlich verschärft. Unabhängig davon hat die Bundesregierung bereits jetzt die Kontrolle des Technologietransfers in kritische Dritte-Welt-Länder erweitert. Sie hat die Ausfuhr von 50 chemischen Stoffen, die zur Herstellung von Chemiewaffen mißbraucht werden können, unter Genehmigungspflicht gestellt. Sie hat schließlich den Kontrollapparat wesentlich verstärkt. Die KWKG-Novelle ist derzeit in der parlamentarischen Beratung. Eine gründliche Diskussion ist angesichts der Neuregelungen gut und auch richtig. Die Bundesregierung hat deswegen auch die öffentliche Anhörung nachdrücklich begrüßt. Es kommt nun darauf an, daß die Beratungen zügig weitergeführt und bald zu Ende gebracht werden. Angesichts der fortgesetzten Bemühungen einiger Staaten, gerade aus der Bundesrepublik Deutschland gefährliche Technologien zu beschaffen, ist Eile geboten. Die Bundesregierung ist zuversichtich, daß die von allen Fraktionen erkannte Notwendigkeit einer besseren Verhinderung krimineller Exporte rasch zu einer Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs führen wird. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotzdem müssen wir heute feststellen, lieber Herr Staatssekretär, daß Sie an dem entscheidenden Punkt, auf den es heute ankommt, in Ihrer Abstimmung hier deutlich erklären werden, daß Sie dem Willen Ihrer eigenen Regierung nicht folgen werden. Ich halte das mit Blick auf Ihre eigene Haltung mindestens für etwas kurios, für erstaunlich, ja geradezu für absurd; Ihrer eigenen Haltung werden Sie heute hier widersprechen. Und ein Zweites ist mir in der ganzen Debatte aufgefallen - Herr Kittelmann, ganz besonders Sie haben das so unterstrichen - : Ihnen geht es offensichtlich darum - Sie haben das auch so ähnlich ausgedrückt - , den außenpolitischen Handlungsspielraum nicht einschränken zu lassen. ({0}) Das klingt so, Herr Kittelmann, als wenn es Ihnen darum geht, daß die Waffenexporte außenpolitisch weiter ausgeweitet werden und deren Einschränkung jedenfalls nicht parlamentarisch vorgenommen werden soll. ({1}) Was ist das für eine eigentümliche Argumentation im Blick auf das, was der Staatssekretär soeben gesagt hat! Gewiß mag man Einzelpunkte unseres Gesetzentwurfs, liebe Frau Eid, in ihrer Wirkung kritisch beurteilen, so etwa die Frage, ob die Befugnisse des einzusetzenden Beauftragten des Deutschen Bundestages für die Kriegswaffenkontrolle nicht deutlich erweitert werden könnten. Und doch besteht kein Zweifel daran: Würde dieser Entwurf, der Ihnen heute vorliegt, verwirklicht, dann könnten wir aus dem langen, dunklen Schatten endlich heraustreten, den die „Produktion des Todes " auf unsere Republik wirft. ({2}) - Immer noch ist es so, Herr Kittelmann, daß bei jedem militärischen Konflikt - in welchem Winkel unserer Erde auch immer - deutsche Waffen mitschießen, Menschen verstümmelt werden, Väter und Mütter um ihre Kinder weinen, weil „Made in Germany" nach einer Zeile von Paul Celan klingt: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland." Das darf man, denke ich, wohl auch mitberücksichtigen, wenn es um Export in diesem Zusammenhang geht. Ich habe mich - ich sage Ihnen das, Herr Kittelmann - auch geschämt, daß wir, als ich Mitglied einer Regierungsfraktion war und als Sozialdemokraten Regierungsverantwortung trugen, zu jenem Zeitpunkt zum fünftgrößten Waffenexporteur aufstiegen; da habe ich mich geschämt. Wir sollten auch fragen, ob es nicht ein Verbrechen an den 40 000 Kindern ist, die an diesem Tag sterben werden, nur weil sie nichts zu essen haben. An diesem gleichen Tag werden wir auf der ganzen Welt 5 Milliarden DM für die Produktion von Waffensystemen Weisskirchen ({3}) ausgeben. Ich halte das für ein Verbrechen an diesen 40 000 Kindern. ({4}) - Das ist nicht einfach, aber es ist so, daß wir an diesen Exporten auch noch verdienen. Wir alle sollten auch daran arbeiten, diesem Schrekken, der nicht vergehen will, der in diesem Jahrhundert durch die Produktion von Kriegswaffen entstanden ist, endlich eine deutliche Absage zu erteilen, und uns vielleicht auch einen Moment daran erinnern, daß Art. 26 GG uns als Gesetzgeber durchaus einige Aufträge gibt. Dort steht in Abs. 1 die feierliche Bekundung des Friedenwillens des deutschen Volkes. Wir könnten diesen eindeutigen Friedenswillen auch mit einer schärferen Regelung über die Produktion von Kriegswaffen verbinden; das sagt nämlich Abs. 2. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben dem Gesetzgeber nicht den Auftrag gegeben, die Selbstlüge zur Regel werden zu lassen. Weder Verfahren noch Praxis von Genehmigungen zur Ausfuhr von Kriegswaffen können parlamentarisch und gerichtlich bisher ausreichend kontrolliert werden. Auf der anderen Seite besteht nach Art. 26 GG Abs. 2 die Möglichkeit, daß die Bundesregierung zwar die entscheidende Rolle bei der Kontrolle übernimmt, aber der Bundesgesetzgeber ist dazu aufgerufen, die Einzelheiten festzulegen. Mit der gleichen Argumentation, die hier vorgetragen wird, könnten wir vielleicht auch überlegen, ob wir den Datenschutzbeauftragten oder den Zivilschutzbeauftragten wieder „kassieren". ({5}) Was ist das für eine merkwürdige Argumentation, die von Ihnen hier vorgetragen wird? ({6}) Unser Gesetzentwurf schließt Lücken, die das Kriegswaffenkontrollgesetz gelassen hat; darum geht es. Das sich ändernde Verhältnis zwischen Ost und West eröffnet uns eine neue, historische Perspektive. Die Spirale, die bisher zu einer Beschleunigung des Rüstungswettlaufs geführt hat - er ist ja immer noch nicht zu Ende - , kann in eine Abrüstungsspirale verwandelt werden. Ein entscheidendes Signal wäre es, wenn wir mithülfen, die Rüstungsproduktionen umzustellen. Aus den betroffenen Regionen - das geht Ihnen doch nicht anders als uns - spüren wir, z. B. aus Rheinland-Pfalz, bereits heute den massiven Druck der Beschäftigten, die sich um ihre Arbeitplätze angesichts der Aussicht sorgen, daß die Truppen der Alliierten Schritt für Schritt abgebaut werden. Ein Blick auf die Forschung in den USA zeigt, daß selbst nur kurzfristige Gewinninteressen in der militärischen Produktion gegenüber den zivilen Produktionen keineswegs gesichert sind. Die Konversionsforschung in den USA hat das deutlich ermittelt; ich will nur darauf verweisen. Wenn wir Produktion von militärischen Gütern auf zivile Güter umstellen, könnten wir dafür sorgen, daß auch das Arbeitsplatzargument endlich auf den richtigen Stellenwert zurückgeführt wird. Es kann nämlich in der Tat keine Rede davon sein, daß Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie gesichert wären. Selbst überproportionale Steigerungsraten der Rüstungshaushalte würden das Grunddilemma, das in diesem Bereich existiert, nicht lösen. Den Wettlauf um die Beschäftigungswirkung gewinnen am Ende leider immer die Rationalisierungseffekte. Führt der Fluchtweg in den Export bei der gleichzeitig sich beschleunigenden Abrüstung - so müßte ich uns alle fragen - nicht dazu, daß nachher weitere Aufrüstungen in Gang gesetzt werden? Nein, für die etwa 200 000 Arbeitnehmer in der bundesdeutschen Rüstungsindustrie - 30 000 davon arbeiten für den Export - und mit ihnen muß eine Perspektive entwikkelt werden, die zugleich ihre Angst vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze aufnimmt und zu einer neuen Industriepolitik führt, damit wir uns alle von der Abhängigkeit von militärischen Zielen lösen. Gemeinsam mit den Unternehmungen sollten wir die Produktion von Gütern auf die Lösung der wirklichen Probleme unserer Zeit lenken. Wenn Sie sich etwa die Zahlen im internationalen Wettbewerb zwischen Japan, den USA und der Bundesrepublik Deutschland anschauen, stellen Sie fest, daß diejenigen Industrieländer, die selber am wenigsten Rüstungsproduktion haben und am stärksten in die Zivilgüterproduktion gehen, auch die besten Aussichten haben, Arbeitsplatzprobleme zu lösen und die zukünftigen Investitionen zu bedienen. Ich denke, das wäre für uns ein Beispiel, die Güterproduktion in der Bundesrepublik Deutschland endlich auf zivile Ziele umzustellen, damit wir von der Militärproduktion unabhängiger werden. Das sollten wir jetzt in Angriff nehmen. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Da der Abgeordnete Kittelmann seine Wortmeldung zurückgezogen hat, sind wir am Schluß der Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Gesetzentwurf zur Sicherung der Kriegswaffenkontrolle. Der Abgeordnete Gansel macht von seinem Recht Gebrauch, in der zweiten Lesung einen Änderungsantrag zu stellen. Bevor ich über diesen Änderungsantrag des Abgeordneten Gansel auf Drucksache 11/6609 abstimmen lasse, gebe ich jedoch Frau Dr. Hamm-Brücher das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung. ({0})

Dr. Dr. h. c. Hildegard Hamm-Brücher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000793, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gern nach § 31 unserer Geschäftsordnung eine Erklärung zur Abstimmung abgeben und kurz begründen, weshalb ich mich bei der Abstimmung der Stimme enthalten und den Gesetzentwurf der SPD nicht ablehnen werde. Unter jeder Regierung, an der ich beteiligt war, habe ich immer an der Art und Weise unserer Waffenexportpolitik Anstoß genommen ({0}) - unter jeder Regierung, Herr Kollege Jahn -, ({1}) an der doppelten Moral, die alle Gesetze, alle Bestimmungen und alles, was wir versuchen, konterkarierte. Es ist eine schlimme Entwicklung - wir haben sie zu beklagen -, daß sich heute so viele Umgehungsmöglichkeiten eröffnet haben. Es geht nicht nur um den Kriegswaffenexport, es geht um Produktion in Drittländern, es geht um Coproduktionen, es geht um Blaupausen, es geht um den Verkauf ganzer Fabriken. Alle Bemühungen, diese scheckliche Entwicklung einzudämmen, haben keinen Erfolg. Es wird eigentlich immer schlimmer. ({2}) Es ist zu beklagen, liebe Kolleginnen und Kollegen - als Christin bedaure ich das - , daß wir aus christlichen Industrieländern Entwicklungsländern überhaupt nur das kleinste Gewehrchen verkaufen. ({3}) Ich beklage es, meine Damen und Herren, daß wir nach wie vor Krisengebiete mit Waffen versorgen. Ich beklage es, daß wir nach außerhalb des Bündnisses und sehr eng befreundeter Staaten weiter Waffen exportieren, in welcher Weise auch immer. Ich beklage es am meisten - und auch insoweit ist mir der Entwurf der SPD sehr sympathisch - , daß wir keinerlei parlamentarische Kontrolle über dieses ganze Geschehen haben ({4}) und alle Gesetze und alle Bemühungen eigentlich nur ein Feigenblatt sind, da wir eigentlich gar nichts dagegen tun können. Ich finde, wir sollten ehrlich genug sein, dieses auch zu bekennen. Deshalb werde ich keinem dieser Gesetze zustimmen können. Ich sehe mich außerstande, als Vertreter der Bürger und Bürgerinnen auf diese häßliche Materie irgendeinen Einfluß zu nehmen. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag des Abgeordneten Gansel auf Drucksache 11/6609. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Die Frau Abgeordnete Hamm-Brücher hat sich der Stimme enthalten. ({0}) Wir kommen nunmehr zur Einzelberatung und Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/2920. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 11/6427 die Ablehnung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD. Da es ständige Praxis ist, über die Ursprungsvorlage abstimmen zu lassen, rufe ich nunmehr die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann sind die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ursprungsvorlage mit den Stimmen der GRÜNEN-, der CDU/CSU-, der FDPFraktion bei Enthaltung der Abgeordneten Dr. Hamm-Brücher abgelehnt worden. ({1}) Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung eine weitere Abstimmung. Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 11 auf: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Auswärtigen Dienst ({2}) - Drucksache 11/4756 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß ({3}) Innenausschuß Verteidigungsausschuß Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Auswärtigen Dienst ({4}) - Drucksache 11/6547 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuß ({5}) Innenausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines dienst- und besoldungsrechtlichen Begleitgesetzes zum Gesetz über den Auswärtigen Dienst ({6}) - Drucksache 11/6543 Üb erweisungsvorschlag: Innenausschuß ({7}) Auswärtiger Ausschuß Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen eine Beratungszeit von 30 Minuten. - Das Haus ist offensichtlich damit einverstanden. Dann werden wir so verfahren. Zunächst hat der Abgeordnete Verheugen das Wort.

Günter Verheugen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Notwendigkeit einer Reform des auswärtigen Dienstes ist jetzt seit mehr als zwei Jahrzehnten erkannt. In dieser Zeit ist die Dringlichkeit eher gewachsen. Das Netz unserer Außenbeziehungen ist dichter geworden. Neue, große Aufgaben sind dazugekommen. Die politischen Entwicklungen in der Welt und die gesellschaftlichen Entwicklungen bei uns schlagen auf den auswärtigen Dienst durch. Die Frage war also überfällig, ob das Instrument unserer Außenpolitik, der auswärtige Dienst in den überkommenen Strukturen noch effektiv genug arbeiten kann und ob die Fürsorgepflicht für seine Bediensteten noch ausreichend wahrgenommen wird. Ich befürchte, daß beide Fragen mit Nein beantwortet werden müßten. Die auswärtigen Dienste vergleichbarer anderer Länder sind flexibler organisiert, besser ausgestattet und muten ihren Bediensteten und deren Familien längst nicht so viele vermeidbare Belastungen zu wie wir. Die heute hier zu beratenden Gesetzentwürfe versuchen auf unterschiedliche Art und Weise, den aufgestauten Reformbedarf abzubauen, um den auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland fit zu machen für eine Zukunft, in der neue große Herausforderungen schon heute erkennbar sind. Das Stichwort „Deutsche Einheit" für das, was auch auf den auswärtigen Dienst an ganz neuen Problemen zukommen wird, mag hier genügen. Angesichts der Bedeutung des Problems ist das Ergebnis der Reformbemühungen der Bundesregierung eher enttäuschend. Angesichts der Bedeutung des Problems ist das Ergebnis der Reformbemühungen der Bundesregierung sehr enttäuschend. Es bleibt weit hinter dem zurück, was die Außenpolitiker aller Fraktionen spätestens seit der Anhörung des Auswärtigen Ausschusses in der vergangenen Legislaturperiode für notwendig halten. Das ist keine Reform, das ist leider nur ein Reförmchen, was da vorgeschlagen wird. Wir haben das in der SPD-Bundestagsfraktion richtig vorausgesehen und deshalb im Juni 1981 einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Ich bin nicht sicher, ob ohne diese Initiative überhaupt schon ein Regierungsentwurf da wäre. Jedenfalls hat er lange genug auf sich warten lassen. Dafür sind wir von der Bundesregierung jetzt gleich doppelt bedacht worden, nämlich mit zwei Gesetzentwürfen, einem aus dem Hause Genscher und einem aus dem Hause Schäuble. Diese Form der Gesetzesspalterei kann nicht überzeugen. Ich befürchte, dahinter steckt genau das kleinliche Kompetenzgerangel zwischen zwei Häusern, das mit dem Reformgesetz eigentlich überwunden werden soll. - Wenn ich das zwischendurch mal anmerken darf: Ein großer Teil der Regelungen in beiden Gesetzentwürfen ist ja nur deshalb notwendig geworden, weil sich zwei Bundesressorts auf eine Handhabung ihrer Zuständigkeiten über die Jahre hinweg nicht richtig einigen konnten. An sich ist der Gesetzgeber nicht zur Lösung solcher Probleme da. Die Bundesregierung hat uns mit der langen Verzögerung unter erheblichen Zeitdruck gesetzt. Sie werden aber von uns nicht erwarten, daß wir uns als Parlamentarier jetzt auf ein Handaufheben beschränken. Wir werden in den Ausschüssen kritisch und konstruktiv mitarbeiten, um die sachlich besten Lösungen zu finden, und streben dabei einen möglichst breiten Konsens an. Ich hoffe deshalb sehr, daß die Koalition bereit sein wird, auf unsere Vorstellungen einzugehen, wo diese sich in den Beratungen als die sachlich besseren Lösungen erweisen werden. Das gilt selbstverständlich auch umgekehrt. Es mag ja manchen Außenstehenden überrascht haben, daß sich die Sozialdemokraten als Oppositionspartei und ganz gewiß nicht als eine geborene Diplomateninteressenvertretung mit so großem Nachdruck für die Reform des auswärtigen Dienstes einsetzen. Die Initiative steht in der Tradition einer internationalen Politik des Friedens, der Gerechtigkeit, der Zusammenarbeit der Völker, einer Politik zur Wahrung der Menschenrechte und der Lösung der großen globalen Probleme, die immer mehr zur entscheidenden Herausforderung auch für unsere Außenpolitik werden. Ich begrüße es deshalb sehr, daß auch der Regierungsentwurf die Grundorientierungen der deutschen Außenpolitik in enger Anlehnung an das Grundgesetz den organisations- und dienstrechtlichen Einzelheiten voranstellt. Die zum Ausdruck gebrachten Prinzipien sind Werte, denen sich die Angehörigen des auswärtigen Dienstes persönlich verpflichtet wissen sollen und die ihre Motivation bestimmen müssen. Die Gesetzesinitiative der SPD-Fraktion hat auch etwas mit unseren Vorstellungen von einer menschenwürdigen Organisation der Arbeitswelt zu tun. Wir stehen zu den Beschäftigten des auswärtigen Dienstes und ihren Familienangehörigen, die sich unter oft schwierigen Lebens- und Arbeitsbedingungen für unser Land einsetzen. Uns geht es hier vor allem um die große Zahl von Beschäftigten in den mittleren Rängen aller Laufbahnen, auf die als Arbeitspferde des Auswärtigen Dienstes wenig Glanz fällt und die die Probleme des Auslandseinsatzes weitgehend auf sich allein gestellt bewältigen müssen. Der auswärtige Dienst stellt an alle seine Mitarbeiter hohe Anforderungen, mehr, als einer oftmals kritischen Öffentlichkeit bewußt ist. Die deutsche Geschichte und die Mittellage in Europa bürden der deutschen Außenpolitik und dem auswärtigen Dienst als ihrem zentralen Instrument mehr Verantwortung auf als der Diplomatie der vergleichbaren meisten anderen Staaten. Mit einer vergleichsweise knappen sächlichen und personellen Ausstattung hat der auswärtige Dienst bei hoher Arbeitsbelastung seine Pflichten dennoch immer erfüllt - und das wohl nicht zuletzt dank des großen persönlichen Engagements seiner Mitarbeiter. Diese Arbeit trägt heute, in einer Zeit, in der wir uns in einem überragenden und chancenreichen Prozeß der demokratischen und freiheitlichen Neuordnung Europas befinden, ihre Früchte. Aber wie das so ist: Das bedeutet nicht weniger Arbeit, sondern mehr. Künftig werden noch mehr Intelligenz, Kreativität, Sensibilität und Einsatzbereitschaft gefordert sein - und das Ganze in einem schärfer werdenden Wettbe15376 werb des auswärtigen Dienstes um international einsetzbare Führungs- und Fachkräfte mit der Wirtschaft und anderen Zweigen des öffentlichen Dienstes. Auch künftig wird der auswärtige Dienst keinerlei Anreize in Form von Funktions- und Leistungszulagen bieten können, weil es starke emotionale Vorbehalte gegenüber den jetzt schon für privilegiert gehaltenen Diplomaten gibt und das der an und für sich notwendigen sachlichen Diskussion entgegensteht. Ein paar Eckwerte müssen aber wirklich klargestellt werden. Ich glaube, daß die im Gesetzentwurf der SPD besser zu finden sind als in dem der Regierung. - Den Ehepartnern müssen hinsichtlich der sie betreffenden Entschädigungs- und Versorgungsleistungen eigene Ansprüche eingeräumt werden. Ich darf darauf hinweisen, daß der Bundesrat in seiner Beratung die entsprechende Bestimmung im Regierungsentwurf, nach der diese Rechte nur den Beamten selbst zugestanden werden, als diskriminierend und systemfremd und wegen der praktischen Unzuträglichkeiten abgelehnt hat. ({0}) Dies gilt auch hinsichtlich der Entschädigung der Ehepartner für die entgangenen Berufschancen und für ihre vielfältigen Dienstleistungen bei der Erfüllung dienstlicher Aufgaben. Wir halten für wirtschaftlich angemessen einen Ausgleich von 15 % der Bezüge des Beamten mit einer sozialen Anhebung im unteren Bereich und einer Abflachung im oberen Bereich. In der Sprache der Tarifpartner heißt das - das habe ich gelernt - : gedeckelt und gesockelt. Wir werden die Bundesregierung in den Ausschüssen fragen, wie sie mit ihrem 5-%-Ansatz dem ganzen Bündel von Zwekken wirtschaftlich auch nur einigermaßen gerecht werden will. Wir haben in unserem Entwurf die Beschränkung der von Bediensteten im Ausland zu tragenden Mieteigenanteilen auf die durchschnittlichen Aufwendungen vergleichbarer Beamter im Inland gefordert. Wir glauben, daß das die gerechtere Lösung ist. Im Regierungsentwurf vermissen wir klare Grundsätze zu den Arbeitsverhältnissen der Ortskäfte und werden auf die Einhaltung eines sozialen Mindeststandards bestehen. Dasselbe gilt für die Nachteile, die den Bediensteten des Auswärtigen Dienstes bei der Stellenbewertung in ihrem beruflichen Fortkommen gegenüber anderen Ressorts bisher zugemutet worden sind. Wir werden bei der Stellenausstattung außerdem dafür eintreten, daß die von allen als notwendig erkannte Personalreserve jetzt auch in Form klarer Ziele vorgegeben wird. Das sind die Prüfsteine, mit denen wir an die Beratung der Gesetzentwürfe herangehen. Im einzelnen wollen wir uns dann noch mit der Stellungnahme des DGB beschäftigen, weil in der Äußerung des DGB, die uns jetzt zugegangen ist, wichtige, substantielle und konstruktive Gedanken enthalten sind. Ich will hier nur einen Vorschlag des DGB aufgreifen, nämlich den differenzierten Vorschlag hinsichtlich des Ehepartnerausgleichs. Der DGB schlägt vor, einen einheitlichen Betrag als Kompensation für entgangene Berufschancen zu gewähren, aber die Möglichkeit offenzuhalten, dem Ehepartner für konkrete Dienstleistungen eine angemessene Bezahlung zu geben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei diesem Gesetzentwurf geht es auch ganz stark um die Verbesserung der Lage der Frauen und der Lage der Familien mit Kindern. ({1}) Das ist etwas, was Antje Huber, von der die Initiative stammt, schon damals im Bundestag vorgetragen hat. Ich will zum Schluß noch darauf hinweisen, daß ein früherer Außenminister, nämlich Willy Brandt, in einer sehr lebhaften Sitzung meiner Fraktion, in der schließlich unser Gesetzentwurf beschlossen wurde, festgestellt hat, daß anders als durch einen parlamentarischen Eingiff die Empfehlungen der von ihm 1968, also vor 22 Jahren, eingesetzten Reformkommission offensichtlich nicht zu verwirklichen sind. Er hat die Eckpunkte des SPD-Entwurfs als das Minimum dessen bewertet, was für einen leistungsfähigen auswärtigen Dienst notwendig ist. Ich danke Ihnen. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Lowack.

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Art, wie sich ein Staat nach außen repräsentiert, ist entscheidend für das Ansehen und die Erfolge seiner Bewohner. Daran gemessen, ist der Haushalt des auswärtigen Dienstes eigentlich sehr gering: Noch nicht einmal 1 % des Gesamthaushaltsvolumens gehen in diesen Haushalt, und von diesem einen Prozent sind noch einmal mehr als zwei Drittel Beträge, die eigentlich nicht die Organisation des Auswärtigen Amtes betreffen. Es ist bereits der Herwarth-Bericht angesprochen worden, der seit Beginn der sozialliberalen Koalition, nämlich 1970, vorlag und der auf die Mängel und Probleme des auswärtigen Dienstes hingewiesen hatte. Es war die Union, die 13 Jahre später, 1983, das Thema aufgegriffen hatte, nachdem es bis dahin nicht möglich gewesen war, einen Gesetzentwurf vorzulegen und zu beschließen. Erfreulicherweise haben sich danach auch die anderen Fraktionen mit Vehemenz des Themas angenommen, so daß wir schließlich eine große Allianz im Parlament gefunden haben, die die Bundesregierung aufgefordert hat, einen entsprechenden Entwurf auszuarbeiten und vorzulegen. So begrüßt die Unionsfraktion, daß mit dem Regierungsentwurf ein Reformvorhaben in den Bundestag zurückkehrt, das von hier aus seinen Ausgang genommen hat. Unsere Geduld ist, wie sicher auch die der Angehörigen des auswärtigen Dienstes, auf die Probe gestellt worden, aber ich glaube, es hat sich gelohnt zu warten. Das Auswärtige Amt hat einen klar gegliederten und formulierten guten Entwurf vorgelegt. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch einmal denjenigen danken, die zwischenzeitlich für das AusLowack wärtige Amt, den auswärtigen Dienst dadurch sehr viel getan haben, daß sie stückweise die Entscheidungen, die im finanziellen Bereich zu treffen waren, vorweggenommen haben und durch den Stufenplan, an dem sich auch die Union maßgeblich beteiligt hat - ich möchte hinsichtlich des Haushalts den Kollegen Dr. Rose einmal ausdrücklich erwähnen - , dazu beigetragen haben, die Probleme zu entschärfen und diese Reform möglich zu machen. Wir sind eines der letzten großen Länder der westlichen Welt, die einen solchen Gesetzentwurf vorlegen und verabschieden wollen, und wir begrüßen es besonders, daß jetzt eine Form für das Gesetzesvorhaben gefunden werden konnte, die sogar aus der Sicht des Innenministeriums die Einheitlichkeit des Beamtenrechts wahrt, seine besondere Verantwortung herausstellt und doch auch wieder Raum läßt für die notwendigen Differenzierungen im Bereich des auswärtigen Dienstes. Der auswärtige Dienst unterscheidet sich doch in vieler Hinsicht von andern Diensten, vor allen Dingen auch durch Sonderbelastungen, z. B. hohe Anforderungen an fachliche und sprachliche Qualifikation, Leistungsbereitschaft ohne Rücksicht auf die üblichen Dienstzeiten, raschen Ortswechsel unter den erschwerten Bedingungen der Auslandsversetzungen, Einbeziehung der Ehepartner und Familien in Belastung und Aufgaben des Dienstes, Gesundheitsgefährdungen und Sicherheitsrisiken an vielen Dienstorten und vieles mehr. Ich frage mich: Was müßte z. B. die deutsche Wirtschaft Mitarbeitern bieten, die in ihren Sparten Spitzenleute sind und dann noch ein Berufsleben lang Erschwernisse auf sich nehmen sollten, wie es bei uns im auswärtigen Dienst üblich ist? Wir brauchen für einen leistungsfähigen auswärtige Dienst Leute, die auch anderswo ihren Mann stehen könnten. Wir haben als Abgeordnete viele Mitarbeiter des auswärtigen Dienstes kennengelernt, die uns durch ihre Leistung in schwierigen Zeiten und Situationen sehr beeindruckt haben. Mit welcher Selbstverständlichkeit und Hingabe hat der auswärtige Dienst auch die neuen Aufgaben bewältigt, die im Zusammenhang mit der Einheit Deutschlands erforderlich wurden! Ich denke nur an die großartigen Einsätze an den Botschaften in Prag und in Budapest oder auch in Wien. ({0}) Aber das Auswärtige Amt muß in der Lage sein, möglichst immer die Position der Botschafter und Generalkonsuln mit den besten dafür geeigneten Persönlichkeiten zu besetzen. Das geht nur, wenn es nicht schon bei der Rekrutierung Kompromisse geben muß. Dieser Beruf muß für gute, junge Nachwuchskräfte attraktiv sein, und dann muß er ihnen und ihren Familienangehörigen zuverlässige Berufs- und Lebensperspektiven bieten. Dazu kommt, daß die gesetzliche Aufgabenstellung, die Aufgabe des Parlaments, auch eine erhebliche Motivation für den einzelnen Mitarbeiter im auswärtigen Dienst sein kann und seinen Gestaltungswillen anspricht. Die Gesetzentwürfe stehen im Einklang mit den Zielen des Strukturgesetzes 1990: Die Besoldung des öffentlichen Dienstes muß leistungsgerecht sein und besonderen Belastungen Rechnung tragen. Die Mehrbelastungen eines - so darf ich es einmal bezeichnen - Nomadenlebens gegenüber dem im Inland seßhaften Beamten liegen auf der Hand. Hinzu kommt, daß die gute wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland diese heute viel attraktiver erscheinen läßt als die meisten Auslandsstandorte früher. Heute hat sich so viel Positives bei uns entwikkelt, daß die Leute lieber im Land bleiben.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Lowack, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lüder zu beantworten?

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn sie mir nicht angerechnet wird.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich rechne sie Ihnen nicht an.

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber bitte schön.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Wolfgang Lüder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001390, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Lowack, nachdem Sie jetzt zum drittenmal nur von männlichen Beamten des auswärtigen Dienstes gesprochen haben, meinen Sie nicht, daß eine Lücke in Ihrer Argumentation ist, die nur schwer zu schließen sein wird?

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Hochverehrter Herr Kollege Lüder, ich bin gerne bereit, diese Lücke dadurch zu schließen, daß ich sage, unter der Bezeichnung „Mitarbeiter" auch die Mitarbeiterinnen gemeint zu haben. Danke schön. ({0}) Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf, den wir voll unterstützen, eine noch größere Lücke schließen, als sie der Kollege Lüder im Augenblick vor seinem geistigen Auge hatte; denn die Ehepartner haben nicht die Chance, sich einen eigenen Beruf, ein eigenes Einkommen und eine eigene soziale Absicherung aufzubauen. Sie werden bei Versetzungen regelmäßig arbeitslos, ohne staatliche Hilfen oder Arbeitsförderungsmaßnahmen in Anspruch nehmen zu können, und tragen bisher ohne jede Bezahlung durch eine Vielzahl von Dienstleistungen ganz wesentlich zum Erfolg des Dienstes bei. Der hierfür notwendige Ausgleich soll künftig im Auslandszuschlag berücksichtigt werden, wie es auch der grundsätzlichen Zweckbestimmung und Systematik der Auslandsbesoldung entspricht. Die Unionsfraktionen haben immer wieder deutlich gemacht daß das Ergebnis im Einzelfall wie hinsichtlich des Gesamtvolumens vernünftig und maßvoll sein muß. Wir begrüßen es, daß die Ansätze des Regierungsentwurfes jetzt deutlich innerhalb dieses Rah' mens liegen. Insgesamt ist auch nach diesem Entwurf, so er durchgeht - wir hoffen, daß er möglichst bald in der dritten Lesung vollzogen werden kann - dem Auswärtigen Amt dringend zu empfehlen, daß es sich noch stärker auf die Vorbilder des modernen industri15378 Deutscher Bundestag - ï 1. Wahiperiode Lowack ellen Managements einrichtet, daß es sich der konstruktiven Kritik auch professioneller externer Berater stellt und daß vor allen Dingen Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten verteilt werden. Hier soll jeder Mitarbeiter einen neuen Motivationsschub bekommen können. Der Regierungsentwurf sollte, meine sehr verehrten Damen und Herren - nachdem ich mich in meinen Ausführungen zu beschränken habe - , noch vor der Sommerpause als ein gemeinsames Werk unserer Regierungsarbeit, aber auch einer großen Koalition von Regierung und Opposition verabschiedet werden. Dazu fordere ich Sie alle sehr herzlich auf. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kottwitz.

Almut Kottwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Trauerspiel des seit 19 Jahren verschleppten Gesetzes über den auswärtigen Dienst haben wir GRÜNEN immer mit Staunen verfolgt. Mit der Reformkommission seit 1971 sind wir der Meinung, daß es in unserer Zeit zur Sicherung des Weltfriedens und zur Förderung einer gerechten wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in einer menschenwürdigen Umwelt eines modernen auswärtigen Dienstes mit eigenen Regelungskompetenzen bedarf. ({0}) Allerdings verlangen wir im Gegensatz zum Regierungsentwurf, der besonders einseitig die Förderung der außenwirtschaftlichen Interessen der Wirtschaft herausstellt, eine radikale Neuorientierung der Grundprinzipien deutscher Außenpolitik. An die Stelle internationaler Politik im nationalen Interesse muß endlich nationale Politik im internationalen Interesse treten. Das heißt, daß das Ziel weltweiter sozialer Gerechtigkeit nicht dem Exportmaximierungswahn großdeutscher Herkunft geopfert werden darf. Das heißt ebenso, daß die Milliardensummen für Rüstungsprogramme, wie z. B. den Jäger 90, in produktive soziale und ökologische Investitionen umgelenkt werden müssen. ({1}) Aus dieser Sicht ist jede Mark, die in den auswärtigen Dienst investiert wird, der vom neuen Denken geleitet wird, eine gute Investition in die Zukunft. Gerade deshalb lehnen wir mit Entschiedenheit auch jene Vorschläge des Regierungsentwurfes ab, die unter Ausnutzung des Goodwill, der dem auswärtigen Dienst von der Öffentlichkeit entgegengebracht wird, versuchen, in diesem Gesetzentwurf der Bundeswehr im Ausland 12 Millionen DM zusätzlich zu bescheren. Gefördert werden muß nicht antiquiertes Sicherheitsdenken, sondern neues Denken für einen modernen auswärtigen Dienst. Das Gesetz für den auswärtigen Dienst muß daher vor allem eine verstärkte gesellschaftliche und soziale Durchlässigkeit im Auswärtigen Amt sicherstellen. Wir werden uns daher in den Ausschußberatungen für ein Abschneiden alter Zöpfe gerade auch im Auswärtigen Amt einsetzen. Für eine weltoffene Außenpolitik braucht der Außenminister weder vortragende noch nachtragende Räte, sondern engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus allen gesellschaftlichen Gruppen kommen. ({2}) - Aber nicht genug. Statt Militärattachés zur Akquisition von Rüstungsaufträgen fordern wir schon seit langem Referentenstellen für Menschenrechtsfragen und die Zusammenarbeit im Umweltschutz an den Botschaften. Für die Laufbahngestaltung im auswärtigen Dienst, den Auftieg, aber auch die Entlohnung sind Durchsichtigkeit und Gerechtigkeit für alle zu sichern. Die GRÜNEN vermissen in den Gesetzentwürfen der Regierung wie auch in dem der SPD ein umfassendes Frauenförderungsprogramm im auswärtigen Dienst. Die Frauen im auswärtigen Dienst - ganz gleich, ob sie als Beschäftigte oder als Ehepartnerinnen ins Ausland gehen - stehen vor besonderen Problemen. Sie verdienen viel Anerkennung und unsere aktive Hilfe. Demgegenüber ist die Art und Weise, wie z. B. die schwierige Situation der Ehepartnerinnen in den Regierungsentwürfen behandelt wird, eine Zumutung. Der Vorschlag, nur den Männern eine Kompensation für die Sonderbelastungen der Frau zu gewähren, ist eine Diskriminierung, die einfach nicht mehr in unsere Zeit paßt. ({3}) Zusammen mit vielen Kolleginnen aus allen Fraktionen hier im Hause werden wir Frauen hier auf eigene Ansprüche pochen. Es ist ein Unding, daß die auszugleichenden entgangenen Berufschancen der Ehefrauen als Besoldungsprozente mit der hierarchischen Stellung der Beamten zu verkoppeln sind. Das hätte zur Folge, daß die Berufsentschädigung der Botschaftergattin beispielsweise mit einem Vielfachen dessen entgolten wird, was z. B. die Hausmeisterfrau bekommen soll - als ob die eine stets Fachärztin und die andere stets Verkaufsgehilfin gewesen wäre! Hier ist der Ansatz des DGB völlig richtig - er wurde vorhin schon genannt - , allen Ehepartnerinnen die gleiche Entschädigung in Höhe eines mittleren Ortszuschlages zu zahlen. Schließlich sind wir betrübt, daß unsere Anträge, für die deutschen Ortskräfte in Zukunft die Gleichberechtigung im Bereich der Mitbestimmung zu sichern bzw. eine angemessene soziale Behandlung der nicht deutschen Ortskräfte zu sichern, die unserem Anspruch des Sozialstaates gerecht würde, immer noch nicht im Regierungsentwurf enthalten sind. Auch dies wird ein Schwerpunkt unserer Vorschläge in den Ausschüssen sein. Ich danke Ihnen. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun hat die Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher das Wort.

Dr. Dr. h. c. Hildegard Hamm-Brücher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000793, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach langjährigen Vorarbeiten und verständlicherweise auch schwierigen Verhandlungen beraten wir heute in erster Lesung den Gesetzentwurf über den auswärtigen Dienst. Wie schon richtig festgestellt wurde, liegen zwei Entwürfe vor, mit denen den notwendigen Erfordernissen beider Seiten - also des für beamtenrechtliche Fragen zuständigen Innenministeriums und des für die Bediensteten des auswärtigen Dienstes zuständigen Auswärtigen Amts - letztlich Rechnung getragen werden konnte. Was dabei herausgekommen ist, Herr Kollege Verheugen, ist ganz sicher kein Reförmchen, sondern das in diesem Augenblick optimal Mögliche. Darüber sind wir Freien Demokraten jedenfalls sehr froh und zufrieden. ({0}) Unsere Erwartungen an den Gesetzentwurf haben Außenpolitiker aller Fraktionen - hier vor allem auch die der FDP - in einer Vielzahl von Beratungen und Beschlüssen zum Ausdruck gebracht. Herr Kollege Lowack, es ist ja immer ein edler Wettstreit um das Erstgeburtsrecht, aber ich möchte für die kleineren Freien Demokraten sagen: Wir waren wie der Hase und der Igel immer da, bevor dann auch noch die CDU da war. ({1}) - Die Freien Demokraten waren die Igel mit Mann und Frau, und man wußte nie genau, wer es ist, aber es war immer ein Igel zuerst da. ({2}) Ich möchte ganz kurz zusammenfassen; wir haben ja unsere Debattenzeit verkürzt. Das geht jetzt also nur im Geschwindverfahren. Erstens. Der auswärtige Dienst ist einerseits ein öffentlicher Dienst wie jeder andere, und er ist es andererseits doch wieder nicht, wenn man die besonderen Anforderungen, Belastungen und Risiken bedenkt, denen ja nicht nur die Bediensteten selber, sondern zumeist auch die Familienangehörigen ausgesetzt sind. Dieser Teil des auswärtigen Dienstes ist in den letzten Jahrzehnten größer geworden, weshalb es ja in den vergleichbaren Staaten längst Spezialregelungen für die hier jetzt zur Entscheidung stehenden Probleme gibt. Zweitens. Im Gesetz geht es nun um klar durchschaubare und sachgerechte Regeln, z. B. für die Absicherung gegen die vielfältigen Risiken im Auslandsdienst und für den Ausgleich der mit dem wechselvollen Beruf verbundenen spezifischen materiellen und immateriellen Belastungen. Drittens. Es geht insbesondere um die bisher vernachlässigten Probleme der Ehepartner und der Kinder. Hierzu will ich - ich denke, viele Kolleginnen und Kollegen sehen das nicht anders - schon heute sagen, daß ich es für völlig inakzeptabel halte, daß man Ehepartner, also hier überwiegend Frauen, in versorgungs- und besoldungsrechtlicher Hinsicht als - jetzt zitiere ich diesen bemerkenswerten Ausdruck - „Akzessorium des Beamten" bezeichnet. ({3}) Ich glaube, das muß einfach von den Betroffenen als diskriminierend empfunden werden. Diesen schrecklichen Begriff sollten wir aus dem Verkehr ziehen. Viertens. Die Schwierigkeiten sind für Kinder besonders gravierend, da sie sich immer wieder an eine neue Schule und an ein neues Umfeld gewöhnen müssen. Wir werden bei den Beratungen fragen, ob denn die Belange der Familien mit Kindern im Regierungsentwurf, abgesehen von der ja längst überfälligen Schulgeldfreiheit, jetzt ausreichend berücksichtigt sind. Wir haben erfahren, daß der sogenannte Ehepartnerausgleich in der Öffentlichkeit einen ungeheuren Aufruhr verursacht hat, wie es sonst eigentlich nur bei unseren eigenen Diätenproblemen der Fall ist. Ich glaube, wir müssen geduldig klarmachen, warum wir hier Verbesserungen herbeiführen wollen und daß der vordergründige Vergleich, der hier immer angebracht wird, in der Sache ganz und gar nicht zutrifft. Frauen, die lebenslang auf ihren erlernten Beruf verzichten müssen, können einen solchen Ausgleich erwarten. ({4}) Aus innenpolitischer Sicht möchte ich noch für unsere Innenpolitiker hinzufügen, daß die Gesetzentwürfe der Bundesregierung die Einheitlichkeit des öffentlichen Dienstes und des öffentlichen Dienstrechtes wahren. So sehr es richtig ist, für die Ausgestaltung von Fürsorgeleistungen an die Angehörigen des auswärtigen Dienstes Zuständigkeiten für den ersten Zugriff auf den Bundesminister des Auswärtigen bzw. auf das Auswärtige Amt zu verlagern, so richtig ist es dann auch, Herr Kollege Verheugen, in diesen Fällen endgültige Regelungen nur im Einvernehmen mit dem Beamtenminister, also dem Bundesinnenminister, und mit dem Finanzminister zuzulassen. Dazu gehört natürlich auch, daß alle Nachteile für den Bediensteten und für seine Familie, wenn sie denn schon nicht vermieden werden können, angemessen finanziell ausgeglichen werden. Details dazu in der Ausschußberatung; meine Redezeit ist schon fast abgelaufen. Ich möchte noch eine ganz kurze grundsätzliche Bemerkung machen und noch einmal auf Hans von Herwarth zurückkommen, dessen Name auch der Name der Reformkommission gewesen ist. Denn dieser Diplomat mit seiner lauteren Gesinnung und seinem großen Mut während der NS-Zeit charakterisiert ja einen auswärtigen Dienst, wie er weltweit wieder Achtung und Geltung gewonnen hat. Das Gesetz, das auf der Grundlage seiner Reformüberlegungen nun verabschiedet werden soll, soll diese gute Tradition fortsetzen, meine Damen und Herren. Ich glaube, gerade in diesen Wochen und Monaten erfahren wir immer wieder die Bedeutung des auswärtigen Dienstes. Der Weg zur Einheit der beiden deutschen Staaten wird von komplizierten außen- und sicherheitspolitischen Beratungen und Vereinbarungen begleitet sein müssen. Wenn es noch eines weiteren Beweises für die Bedeutung unseres auswärtigen Dienstes bedurft hätte, dann wird er jetzt geliefert. Manchmal hört man ja, die Bedeutung des auswärtigen Dienstes hätte abgenommen. Sie hat im Gegenteil neuerlich zugenommen, und wir wollen mit diesem Gesetz nicht nur Dank und Anerkennung abstatten, sondern diesen Dienst auch in Zukunft attraktiv halten. Ich schließe mit den Worten des Dankes an Sie, Herr Bundesminister des Auswärtigen, und an alle Ihre Bediensteten in der Welt, fern und nah, und versichere Ihnen, daß sie sich auch in Zukunft auf die Fraktion der Freien Demokraten verlassen können. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen, Hans-Dietrich Genscher.

Hans Dietrich Genscher (Minister:in)

Politiker ID: 11000661

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist die Stunde des Parlaments; die Bundesregierung hat durch ihre Gesetzentwürfe gesprochen; deshalb will ich mich kurz fassen. Es ist eine Ermutigung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärtigen Dienstes und ihre Familien, es ist eine Anerkennung für die deutsche Außenpolitik und ein schönes Gefühl für den Außenminister, daß alle Fraktionen in dem Ziel wetteifern, ein wirksames Gesetz für den auswärtigen Dienst im Deutschen Bundestag zu erarbeiten. Ich habe damit auch Anlaß, für die Unterstützung und die Initiative zu danken, die von allen Fraktionen dazu ergriffen worden ist, daß dieses in der Öffentlichkeit ganz gewiß nicht leicht vertretbare, in der Sache aber um so dringendere Gesetzeswerk hier im Deutschen Bundestag tatsächlich behandelt werden konnte und verabschiedet werden kann. Ohne das persönliche und auch politische Engagement vieler Kollegen im Auswärtigen Ausschuß, aber auch im Innenausschuß und im Finanzausschuß hätten wir dieses Gesetzeswerk nicht vorlegen können und wäre ganz sicher auch der Entwurf der Opposition hier nicht auf den Tisch gekommen. Ich habe auch Anlaß, mich beim Bundeskanzler und bei den vor allem betroffenen Kollegen, nämlich dem Bundesminister des Innern und dem Bundesminister der Finanzen, zu bedanken. Die Tatsache, daß zwei Gesetzentwürfe vorgelegt worden sind, ist, Herr Kollege Verheugen, nicht das Ergebnis eines ungeklärten Kompetenzgerangels zwischen zwei Ressorts, sondern einfach eine Konsequenz aus der von uns allen bisher einheitlich vertretenen Auffassung, daß wir die Einheitlichkeit des Dienst- und Besoldungsrechts in jedem Fall wahren wollen. Deshalb war diese Trennung der Gesetzentwürfe notwendig. Mit dem Dank an alle Angehörigen des Auswärtigen Dienstes verbinde ich die Bitte an das Hohe Haus, durch eine zügige Beratung für eine baldige Verabschiedung Sorge tragen zu wollen. Ich danke Ihnen sehr. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Damit sind wir am Ende unserer Aussprache. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 11/4756, 11/6543 und 11/6547 an folgende Ausschüsse zu überweisen: zur federführenden Beratung an den Auswärtigen Ausschuß, zur Mitberatung an den Innenausschuß, Rechtsausschuß, Ausschuß für Wirtschaft, Verteidigungsausschuß und Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie zur Mitberatung und gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Ich muß allerdings darauf aufmerksam machen, daß der Gesetzentwurf auf Drucksache 11/6543 nicht zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft und den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit überwiesen wird. Ich unterstelle, daß das Haus mit diesen Vorschlägen einverstanden ist. - Somit kann das als beschlossen festgestellt werden. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 12 auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über Stand und Entwicklung der deutschen Schulen im Ausland - Drucksachen 11/1642, 11/6478 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Pohlmeier Toetemeyer Frau Dr. Hamm-Brücher Frau Kottwitz Auch zu diesem Punkt schlägt der Ältestenrat eine Beratungszeit von 30 Minuten vor. - Das Haus ist auch hiermit einverstanden. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pohlmeier.

Dr. Heinrich Pohlmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001733, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer in einer historisch bewegten und bewegenden Zeit für die Gestaltungsmöglichkeiten der deutschen Außenpolitik sensibel ist, dem werden die Chancen und Aufgaben deutlich bewußt, die der auswärtigen Kulturpolitik in der heutigen Situation zuwachsen. Der wichtigste Teilbereich der auswärtigen Kulturpolitik ist die Förderung und Verbreitung der deutschen Sprache in der Welt. Diese Aufgabe kann unbeschadet der wertvollen Tätigkeit der Goethe-Institute und anderer Mittlerorganisationen am besten und nachhaltigsten von den deutschen Auslandsschulen und den deutschen Lehrern im Ausland erfüllt werden. Der Unterausschuß für auswärtige Kulturpolitik und der Auswärtige Ausschuß im Deutschen Bundestag haben sich in intensiver Arbeit mit dem Bericht der Bundesregierung über Stand und Entwicklung der deutschen Schulen im Ausland beschäftigt. Wir legen dem Hohen Hause dazu heute eine Beschlußempfehlung vor, die von allen Fraktionen gebilligt worden ist. In vier allgemeinen Grundsätzen und 21 Arbeitsschwerpunkten möchten wir Anregungen für die WeiDr. Pohlmeier terentwicklung des deutschen Schulwesens im Ausland geben und der Bundesregierung einige neue Perspektiven und Zielbestimmungen an die Hand geben. Unsere sehr begrenzte Redezeit heute abend gestattet keine ausführliche Erörterung. Deshalb beschränke ich mich auf einige, mir besonders wichtig erscheinende Schwerpunkte. Unter II Nr. 1 bis 3 beschäftigen wir uns mit der seit langem erhobenen Forderung, daß deutsche Auslandsschulen Begegnungsschulen sein sollen. Darunter verstehen wir, daß sie nicht nur eine Serviceaufgabe gegenüber den im Ausland lebenden deutschen Familien zu erfüllen haben, sondern auch in einem möglichst breiten Spektrum aller Lebensbereiche die Begegnung mit der Kultur des Gastlandes ermöglichen sollen. Begegnung, das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, keine Einbahnstraße, sondern muß in höchstem Maße gegenläufig sein. Es gibt mancherlei Probleme und Schwierigkeiten, die bis heute verhindern, daß dieses Ziel schon überall erreicht ist. Ich fordere nachdrücklich alle im deutschen Schulwesen Beteiligten - Schüler, Lehrer, Eltern und Verwaltungen - auf, diese Zielsetzung in der täglichen Arbeit zu verwirklichen. Ich kenne die oft unterschiedlichen Interessenlagen, manchmal auch die absolut integrationsfeindlichen Auflagen der Schulbehörden des Gastlandes und viele andere Hindernisse mehr. Trotzdem muß diese Aufgabe gemeistert werden. ({0}) Sie ist das Kernstück der deutschen auswärtigen Kulturpolitik. Der vielleicht kritischste Bereich im deutschen Auslandsschulwesen ist das Lehrerproblem. Wir beschäftigen uns in unserem Antrag in den Ziffern II 4 bis 7 mit diesem Bereich. Hier ist vieles historisch gewachsen und gewuchert, was so nicht mehr hinnehmbar ist. Je nach Definition gibt es fünf bis sechs unterschiedliche Gruppen von Lehrkräften an deutschen Auslandsschulen und im ausländischen Schulwesen mit unterschiedlichem Beschäftigungsstatus, mit extrem unterschiedlicher Besoldung und mit sehr verschiedener sozialer Absicherung, die in manchen Fällen sogar vollständig fehlt. In Deutschland würden die Entrüstungsschreie nicht verstummen, wenn für genau die gleiche Arbeit einmal Gehälter von 12 000 DM im Monat, einmal solche von 2 500 DM, einmal nur 500 DM bis 700 DM oder gar noch weniger gezahlt werden. ({1}) Die sogenannten frei angeworbenen Lehrkräfte sind entweder nur nach dem äußerst dürftigen Leistungsniveau des Gastlandes oder überhaupt nicht sozialversichert. Von den gut 300 Millionen DM, die wir jetzt für die deutschen Auslandsschulen im Jahr ausgeben, entfallen nahezu zwei Drittel auf die Personalkosten der entsandten deutschen Lehrkräfte. Wir müssen mit unterschiedlichen Lehrerkategorien im deutschen Auslandsschulwesen arbeiten, aber diese extreme Unterschiedlichkeit kann so nicht bleiben. Wir müssen auch noch finanziellen Spielraum für mehr Lehrer im Ausland gewinnen. Wir fordern deshalb die Bundesregierung mit allem Nachdruck auf, daß sie in Abstimmung mit den Bundesländern in einem Rahmenstatut endlich zu einer Bereinigung dieser Fragen kommt. Wir können die Zahl der entsandten Lehrkräfte nicht wesentlich vermehren, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. Es müssen deshalb andere Formen des Lehrereinsatzes im Ausland gefunden werden. Es gibt immer noch ein sehr großes Potential arbeitsloser Lehrer mit in der Regel hoher Qualifikation, die im Ausland wertvolle Arbeit leisten und später mit qualifizierten Unterrichtserfahrungen in Deutschland beschäftigt werden können. Ich bedaure sehr, daß diese Lehrer bisher von den Kultusverwaltungen der Bundesländer für eine Auslandstätigkeit nicht nur nicht angemessen honoriert, sondern bei der Einstellung in den heimischen Schuldienst der Länder für ihre Auslandstätigkeit geradezu bestraft werden. Wir leisten uns hier einen Provinzialismus schlimmster Art. Wir fordern die Bundesländer auf, alle jungen Lehrer, die eine Reihe von Jahren im Ausland gearbeitet haben, bevorzugt in den deutschen Schuldienst einzustellen. Auch die schwierigen Fragen der Sozialversicherung sind lösbar, wenn man das nur will. Meine Zeit läuft ab. Ich muß es mir deswegen versagen, auf die absolut unbefriedigende Lage der Ortskräfte einzugehen, die in vielen Schulen die wirklich tragenden Säulen des Unterrichts sind. Wir fordern die Bundesregierung auf, hier anzusetzen und etwas zur Verbesserung dieser Situation zu tun. Ich kann referierend nur noch auf einige wichtige Zukunftsperspektiven, die in unserem Antrag erläutert worden sind, hinweisen: Das Thema der beruflichen Bildung, der Gründung eigener Berufsschulen oder der Angliederung beruflicher Zweige an deutsche Auslandsschulen, zur Pflege des dualen Ausbildungssystems von der deutschen Wirtschaft im Ausland dringend gewünscht und als Pilotprojekt auch für Entwicklungsländer sehr gut geeignet, verdient unsere Aufmerksamkeit. Ich kann auch auf die Aufgaben hinweisen, die uns durch die Rückkehrer in Länder wie die Türkei, Spanien, Portugal, Jugoslawien und Griechenland entstehen. Wir müssen uns ferner stärker damit befassen, daß im ausländischen Schulwesen Lehrer vermehrt angefordert werden. Wir sollten diese Möglichkeit insbesondere in der Europäischen Gemeinschaft und nun verstärkt bei den gewaltigen Aufgaben, die uns in Ostmitteleuropa zuwachsen, nutzen. Ich denke hier an Ungarn. Ganz ungewöhnliche Perspektiven - ich komme zum Schluß - ergeben sich für die Förderung der deutschen Sprache, für die Einrichtung deutscher Schulen und auch für den Einsatz deutscher Lehrer in Osteuropa. Diese Aufgaben verstärkt anzugehen ist eine völlig neuartige Perspektive für das deutsche Auslandsschulwesen. Meine Damen und Herren, die deutschen Auslandsschulen haben in allen Gastländern einen außerordentlich guten Ruf. Wenn dieser Bestand bisher gehalten worden ist, dann ist das dem außerordentlichen Einsatz aller Beteiligten zu verdanken. Die Bundesre15382 gierung hat das deutsche Auslandsschulwesen gewiß nicht vernachlässigt. Wir müssen aber heute die Chancen und die Notwendigkeiten erkennen, einen quantitativen und qualitativen Sprung nach vorn zu tun. Dazu sind natürlich auch zusätzliche Finanzmittel erforderlich. Die Bundesregierung hat in zwei Regierungserklärungen die Grundsatzentscheidung für die Ausweitung der deutschen Auslandskulturarbeit getroffen. Die mühsame, aber lohnende Arbeit der Verwirklichung haben wir jedoch noch weitgehend vor uns. Mit dem heute von uns zu verabschiedenden Entschließungsantrag wollen wir dazu einen Beitrag leisten. Ich bedanke mich sehr. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Toetemeyer.

Hans Günther Toetemeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002336, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung: Da die Kollegin Hamm-Brücher diesem Thema seit Jahren mit großer Leidenschaft verbunden ist, möchte ich meine Redezeit zu ihren Gunsten verkürzen. ({0}) Ich bitte den Präsidenten, zu kontrollieren, daß ich mein Versprechen auch einhalte. Ich möchte auf ein paar Punkte des gemeinsamen Antrags - ich freue mich, daß es ein gemeinsamer Antrag geworden ist - eingehen. Wir haben gesagt, daß sich die Schule im Ausland durch soziale und kulturelle Offenheit auszeichnen soll. Dies meint: Eine deutsche Auslandsschule darf nicht eine Schule ausschließlich für die deutsche Elite im Ausland, aber auch nicht eine Schule aussschließlich für die Elite des Gastlandes sein. Wir haben bei den künftigen Schwerpunkten - ich will die Bundesregierung noch einmal nachdrücklich darauf hinweisen - ferner gesagt, daß wir diesen Begegnungscharakter, also die soziale und kulturelle Offenheit gegenüber dem Gastland, stärker als bisher und, wenn nötig, nachdrücklich verwirklichen. Ich will auf das Beispiel der deutschen Schule in Pretoria hinweisen. Daß die Brüskierung des deutschen Botschafters in Südafrika von der Bundesregierung so lässig hingenommen worden ist, bedaure ich sehr. Hier gilt es, nachdrücklich zu handeln. Ich möchte dazu heute noch einmal ausdrücklich auffordern. Da der Kollege Dr. Pohlmeier zu den Lehrern schon einiges gesagt hat, möchte ich das Schwergewicht auf das Rahmenstatut richten. Ich glaube, Herr Kollege Pohlmeier, das ist etwas, was jetzt schnell geleistet werden muß, denn sonst kommen wir in all den Fragen, die Sie angesprochen haben, nicht weiter. Meine Bitte an die Bundesregierung ist, sich sofort nach Verabschiedung dieser Entschließung unmittelbar mit der Kultusministerkonferenz in Verbindung zu setzen, um die im Blick auf dieses Rahmenstatut aufgeworfenen Fragen - sie werden in dem Antrag angesprochen - zu klären. Hier ist ein Zeitaufschub nicht mehr vertretbar. Dabei ist eines ganz wichtig, und darauf möchte ich hinweisen: Auf den im Antrag genannten Anwartschaftsbonus für Lehrer, die als freivermittelte Lehrer ins Ausland gehen, zu drängen, sollte der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen sein. Sie können sicher sein, daß wir im Parlament, was unsere Kultusminister angeht, Ihre Bemühungen über die A- und B-Länder nachdrücklich unterstützen werden. Eine letzte Bemerkung zu den Schulgebäuden. Dies ist leider eines meiner Lieblingsthemen, aber ich nehme mich selbst in Zucht. Man könnte lange Romane erzählen, wie Steuergelder an Schulgebäuden im Ausland verschwendet worden sind. Unsere sehr herzliche Bitte ist, daß in Zukunft nicht nach Repräsentationsgesichtspunkten - Rom - , sondern nach Kriterien pädagogisch-fachlicher Funktionalität gestaltet wird, und zwar möglichst mit Baumaterialien des Gastlandes, nicht mit importierten Ziegeln aus der norddeutschen Tiefebene. ({1}) - Nehmen wir süddeutsche, Herr Kollege, damit Niedersachsen aus dem Schußfeuer ist. Ich wechsle das aber gerne gegen Deutschland, ({2}) die Bundesrepublik aus, damit ich das geliebte Niedersachsen nicht noch weiter provoziere. Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit in der Gruppe der Berichterstatter. Ich glaube, das, was wir heute vorlegen, ist ein gutes Ergebnis. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun hat die Abgeordnete Frau Dr. Hamm-Brücher, der die verlängerte Redezeit zur Verfügung steht, das Wort.

Dr. Dr. h. c. Hildegard Hamm-Brücher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000793, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Herr Kollege Toetemeyer, hier setzt sich das fort, was wir im Unterausschuß seit langem praktizieren und was dazu führt, daß wir hier eine gute Vorlage behandeln können. Der Bereich der Auslandsschulen ist ja - das ist schon aus den Vorreden hervorgegangen - das Kernstück der auswärtigen Kulturpolitik. Ich möchte Ihnen dies noch einmal ganz kurz anhand von Zahlen erläutern: Der Kulturetat des Auswärtigen Amtes beläuft sich auf rund 900 Millionen DM. Ein Drittel des Gesamtetats steht für unsere Auslandsschulen zur Verfügung. Von diesen 300 Millionen DM sind es wieder knapp 200 Millionen DM, meine Damen und Herren, also zwei Drittel, die nur für die Besoldung der entsandten 1 434 Lehrer zur Verfügung stehen. ({0}) Diese entsandten Lehrer, auf die zwei Drittel der Mittel entfallen, erteilen aber nur ungefähr ein Viertel des gesamten zu erteilenden Unterrichts. Das muß man nämlich noch hinzufügen, Herr Kollege Pohlmeier. Drei Viertel des Unterrichts werden von jenen unterbezahlten Ortskräften erteilt, die also eigentlich das permanente Rückgrat der Auslandsschulen sind, während die entsandten Lehrer alle paar Jahre wieder wechseln. Deutscher Bundestag - 1 i. Wahlperiode Frau Dr. Hamm-Brücher Um es noch einmal in Beträgen auszudrücken: Für die entsandten Lehrer geben wir 198 Millionen DM aus; den Ortskräften geben wir 58 Millionen DM Schulbeihilfen. Meine Damen und Herren, daß mit einer solchen Relation in den Lehrerzimmern unserer Schulen die Atmosphäre unter den Kollegen nicht gedeihen kann, das muß doch nun eine Selbstverständlichkeit sein. Wir müssen darauf bestehen, daß sich dies ändert. Wir haben auch die interessante Zahl, daß unter den insgesamt 130 000 Schülern an unseren Auslandsschulen nur 20 000 deutsche Schüler sind also rund ein Sechstel, die dann allerdings überwiegend in die sogenannten deutschsprachigen Auslandsschulen gehen. In diesen Schulen „kostet" ein Schüler 7 500 DM, während an den „einfachereren" Schulen mit verstärktem Deutschunterricht ein Schüler nur 1 148 DM „kostet". Sie sehen also, daß hier Ungereimtheiten vorhanden sind. Natürlich hat dieses ganze System große Verdienste, und natürlich erbringt es trotz dieser Ungereimtheiten große Leistungen; wir möchten das Auswärtige Amt aber doch bitten - wir haben dies im Unterausschuß und im Auswärtigen Ausschuß getan - , diesem Bereich unserer auswärtigen Kulturpolitik einen höheren Stellenwert beizumessen, als es im Rahmen der vielen Aufgaben im Auswärtigen Amt bisher der Fall ist. Es ist auch sehr schwierig, daß Diplomaten sozusagen eine Aufgabe betreuen, auf die sie von Haus aus gar nicht vorbereitet und für die sie nicht qualifiziert sind. Ich möchte also die drei Schwachstellen unseres Auslandsschulwesens ganz kurz noch einmal präzisieren. Die eine ist das pädagogische und kulturpolitische Konzept. Es gibt viele Schulen, wo dies wunderbar ist. Es gibt aber auch viele Schulen, wo dieses Konzept nicht stimmt und nicht glaubwürdig ist. Außerdem besteht eine starke Fluktuation der entsandten Lehrer, die oft nicht einmal ausreichend vorbereitet sind und die oft nicht einmal bereit sind, die Sprache des Gastlandes zu lernen. ({1}) Das kulturpolitische Konzept der Begegnung setzt aber natürlich auch die sprachliche Verständigung voraus. Zur zweiten Schwachstelle, der Lehrersituation, wurde von den Vorrednern schon einiges gesagt. Dies geht so weit, daß wir in Begegnungsschulen teilweise getrennte Lehrerzimmer haben. Wenn die Begegnung nicht einmal unter den Lehrern stattfindet, wie soll sie dann mit den Kindern oder gar mit der Bevölkerung des Gastlandes wirklich zustande kommen? Von Herrn Kollegen Toetemeyer wurde auch die kulturelle Offenheit erwähnt. Es ist ein Jammer, daß wir europäische Schulen haben, wo die nationalen Schulen so abgekapselt sind, daß wir hier in unseren Schulen mit ausländischen Kindern mehr Kontakte haben, als es in den europäischen Schulen der Fall ist. Südafrika war ein Trauerspiel. Schon ich habe seit 1977 bei jedem Besuch versucht, daß wir diese Schulen für nicht weiße Kinder öffnen. Die Abwehr der Eltern war unerträglich. Ich habe es immer bedauert, daß wir nicht etwas härter mit dem Geldhahn diese Schulen dazu veranlaßt haben, sich endlich den Kindern aller Hautfarben zu öffnen. Die Beziehungen zum Gastland erfordern die Zusammenarbeit mit anderen kulturellen Einrichtungen. Damit bin ich auch schon bei den Wünschen, die wir von der FDP aus an das Auswärtige Amt und an alle, die in diesem Bereich tätig sind, richten möchten. Bitte achten Sie diesen Bereich der auswärtigen Kulturpolitik, der uns einen hohen Anteil unserer Kulturausgaben kostet! Wählen Sie die Lehrer sorgfältiger aus! Diese Bitte richten wir an die Länderkultusministerien. Bereiten Sie die Lehrer für den Auslandsschuldienst besser vor, und verlangen Sie von ihnen, daß sie außer ihrer Unterrichtstätigkeit sich alle auch als eine Art Kulturbotschafter und Botschafter der Begegnung zu verstehen haben. Die Erfahrungen der zurückgekehrten Lehrer müssen für unser Inlandsschulwesen nutzbar gemacht werden. Ich höre, daß selbst entsandte Lehrer nach ihrer Rückkehr keinerlei Anerkennung für ihre Erfahrungen, für ihre Leistungen in der Auslandsschule finden. Ich finde es unerträglich, daß Junglehrer, die den Schritt gewagt haben, hinter dem warmen Ofen hervorzukommen und ins Ausland zu gehen, hierfür keinerlei Anerkennung finden, wenn sie zurückkommen. Begegnungsschulen, neue Schulformen, berufliche Bildung, kaufmännische Berufsbildung anzubieten, wäre auch für unsere Wirtschaft sehr interessant. Traditionell sind unsere Auslandsschulden überwiegend Gymnasien. Sie zeigen bisher zuwenig Aufgeschlossenheit, sich auch beruflichen Qualifikationen zu öffnen. Vor Ort sollte folgendes beachtet werden. Jede Auslandsschule müßte in jedem Jahr ein paarmal öffentliche Musikveranstaltungen, Theaterveranstaltungen, Sportfeste, Begegnungen mit Nachbarschulen organisieren. Vielleicht überlegt sich das Auswärtige Amt einmal, hierfür einen Preis zu stiften, damit die Schulen von uns aus ein bißchen angespornt werden, sich auszudenken, wie Begegnung stattfinden kann. Alljährlich sollten besonders gute Beispiele für die Begegnung unserer Schulen mit ihren Partnern, mit ihren Freunden im Gastland mit einem kleinen Preis ausgezeichnet werden. Insgesamt herzlichen Dank für all die Mühe, die jede Tätigkeit in einer Schule, besonders im Ausland, kostet. Herzlichen Dank allen, die versuchen, trotz schwerer Bedingungen diese Aufgabe zu erfüllen. Ich äußere die Bitte: Nehmen wir diesen Bereich noch ernster. Nehmen wir ihn uns noch sorgfältiger vor; denn vertrauensbildende Maßnahmen beziehen sich nicht nur auf Abrüstung und Rüstungskontrolle, Vertrauensbildende Maßnahmen sind zuerst und zuletzt die menschliche und die kulturelle Begegnung und das bessere Verstehen. Das sollen unsere Schulen leisten. Vielen Dank. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kottwitz.

Almut Kottwitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001190, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Genauso, wie ich mich über die Möglichkeit freue, eine französische Schule hier in meiner Heimatstadt zu haben, war für mich in der Zeit, als ich in Brasilien gelebt habe, die deutsche Waldorfschule dort eine wichtige Institution. Nun lese ich aber in der Februar-Ausgabe der Zeitschrift „Begegnung" zum Thema „deutsche Schulen in Mexiko" , daß die 41jährige Maria bedauert: Ja, ich hätte sehr gerne meine beiden Jungen auf das Colegio Alemán Alexander von Humboldt geschickt, doch mit meinem Monatseinkommen, das schon deutlich über dem vom Staat garantierten Mindestgehalt liegt, konnte ich mir das einfach nie leisten. Die Schulgebühren liegen ohne das, was für die Einschreibung verlangt wird, bereits bei 50 % des monatlichen Lohns der 41 jährigen, und daher sind ihre Jungen in eine mexikanische Schule gegangen, wie Millionen andere Kinder der ärmeren Mexikaner auch. Das läßt vermuten, daß wir hier über eine Institution sprechen, die ihren Schwerpunkt, nämlich den Begegnungscharakter, einseitig in der Begegnung mit ausländischen Minderheiten sieht: mit den Eliten, Privilegierten und Reichen. Hier müssen noch grundlegende Überlegungen angestellt werden, diese Situation zu ändern. Besonders wichtig für uns GRÜNE ist auch eine gezielte Förderung der schulischen und beruflichen Ausbildung von Mädchen als Schwerpunkt der deutschen Schulen im Ausland. Gerade die Unterstützung von Mädchen, die in den örtlichen Bildungseinrichtungen Schwierigkeiten haben, ihr Recht auf Ausbildung durchzusetzen, sollte eine wirkliche Chance an den deutschen Begegnungsschulen haben. ({0}) Der im Bericht geforderte verstärkte Einfluß des Auswärtigen Amtes auf deutsche Schulen im Ausland hat die Aufgabe, verstärkt auf die politische Richtung der Lehrinhalte zu achten. Kaiserdiener oder sonst geschichtsschwangere Deutsche dürfen dort kein Betätigungsfeld finden. Es wäre wünschenswert, wenn wir hierzu einen Bericht des Auswärtigen Amtes bekommen könnten, in dem die politische Ausrichtung der Schulvereine kritisch untersucht wird. In Extremfällen sollte auch durchaus eine Streichung der finanziellen Unterstützung in Erwägung gezogen werden. Zum Beispiel die deutsche höhere Privatschule in Windhuk, wo sich eine nationalsozialistische Gesinnung einiger Lehrkräfte nicht leugnen läßt, oder die deutsche Schule in Johannesburg, die sich den Bestimmungen für weiße Schulen in Südafrika unterworfen hat und ein Kadettentraining für weiße Südafrikaner vorsieht, wären dann wohl hiervon betroffen. ({1}) Die erste Schule in Südafrika, die wirklich gleichberechtigt allen Rassen die Tür geöffnet hat, war bezeichnenderweise keine staatlich unterstützte Schule, sondern die freie Waldorfschule. Diese freien Schulen sollten in Zukunft verstärkt finanziell unterstützt werden. Besonders bei unseren östlichen Nachbarn wächst nach den Erfahrungen mit den strikten Staatsschulen dort der Wunsch nach diesen freien Schulen. Was machen nach der Schule die Absolventinnen der deutschen Schulen? Auch hier brauchen wir dringend noch ein Hochschulstipendienprogramm zur Weiterbildung, wobei ich mir auch hier eine spezielle Förderung von Mädchen und Frauen wünsche. Im Kapitel „Gegenwärtige Probleme" des Berichts der Bundesregierung wird auf die hohe Fluktuation sowohl bei den amtlichen als auch bei den örtlichen Lehrkräften verwiesen. Das zeigt, daß die sozialen Bedingungen unbedingt verbessert werden müssen. Die unterschiedliche Bezahlung von Beamten und Ortskräften, die heute schon mehrmals erwähnt wurde, kann nicht weiter hingenommen werden. Erst dann ist auch die Zusammenarbeit mit örtlichen Lehrkräften durch gezielte Fort- und Weiterbildung dem verstärkten Einsatz bundesdeutscher Lehrer vorzuziehen. Ein für uns wesentlicher Punkt ist der Ausbau von Schulen, die Kindern von ausländischen Arbeitnehmerinnen bei ihrer Rückkehr in ihr Heimatland die Wiedereingliederung erleichtern und für eine Fortführung der in der BRD begonnenen Schul- und Ausbildung sorgen. Dort ist die Zusammenarbeit zwischen deutschen und einheimischen Lehrerinnen besonders wichtig. Der kulturelle Austausch und die soziale und psychologische Betreuung der Kinder sind gerade bei Rückkehrerkindern von besonderer Bedeutung. Ich danke Ihnen. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Zum Schluß hat Herr Staatsminister Schäfer das Wort.

Not found (Gast)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutschen Auslandsschulen - das ist hier zum Ausdruck gekommen - gehören nicht nur zu den wichtigsten, sondern auch zu den bewährtesten Instrumenten unserer auswärtigen Kulturpolitik. Auch deshalb hat ihre Förderung für die Bundesregierung, wie an den beiden Regierungserklärungen von 1983 und 1987 abzulesen war, einen ganz besonderen Stellenwert. Diese Bedeutung hat der 1987 dem Bundestag vorgelegte Bericht der Bundesregierung, über Stand und Entwicklung der deutschen Schulen im Ausland deutlich unterstrichen. Ich begrüße es, daß der Auswärtige Ausschuß dem Bundestag einstimmig empfohlen hat, dem vorgelegten Entschließungsantrag zuzustimmen, der die sorgfältige und, Frau Kollegin Hamm-Brücher, liebevolle Handschrift des Unterausschusses „Auswärtige Kulturpolitik" trägt, für dessen intensive Arbeit ich hier ausdrücklich danken möchte. Damit werden die grundlegenden Linien des deutschen Auslandsschulwesens für die Zukunft durch das Parlament aufgezeigt und zugleich die weitgehend übereinstimmende Bewertung von Bundestag und Bundesregierung betont. Die deutschen Auslandsschulen sind nicht allein Orte des Lehrens und Lernens; sie sind auch Stätten des kulturellen und sozialen Dialogs, und das in doppelter Hinsicht: Natürlich müssen sie eine angemessene schulische Versorgung für deutsche Schüler und Schülerinnen und für Kinder fremder Staaten bieten. Zum anderen aber - und dies nimmt der Entschließungsantrag an erster Stelle auf - trägt ihr Begegnungscharakter zu gemeinsamem Lernen und zur Auseinandersetzung mit Kultur-, Denk- und Lebensweise der Gastländer bei. Insofern sind die Auslandsschulen Keimzellen internationaler Partnerschaft und Verständigung. Wir sind für jede Anregung dankbar, diese Arbeit noch zu verbessern: durch Preise, durch stärkere Förderung von Mädchen, die Sie einfordern. Allerdings habe ich neulich bei meinem Besuch in Buenos Aires bei einer Schulfeier geradezu eine Flut von Mädchen gesehen. Ich kann das auch von anderen südamerikanischen Schulen sagen. Mir fiel also nicht auf, daß hier geschlechtsspezifische Nachteile bestanden hätten. Beide Aspekte, nämlich einerseits die Vermittlung schulischen Wissens und andererseits dieser kulturelle, soziale Dialog, gehören im Grunde zusammen. Denn die gemeinsamen schulischen Erfahrungen im Ausland lehren gleichermaßen etwas über Deutschland wie über das jeweilige Gastland. Sie bilden die Grundlage zum Verständnis der eigenen wie der fremden Kultur. Sie fördern Verständnis für das eigene Land und Weltoffenheit gleichermaßen. Viele von Ihnen, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen - das wurde heute ja auch deutlich -, haben sich von dem ganz besonderen Klima unserer deutschen Schulen in allen Teilen der Welt gelegentlich schon selbst ein Bild gemacht. Und wir sollten, Frau Kollegin, nicht immer gerade ein, zwei Fälle herausgreifen, die möglicherweise ein besonders unerfreuliches Bild vermitteln. Übrigens gibt es keine Kadettenausbildung an der von Ihnen beschriebenen Schule in Südafrika; ich habe mich gerade eben noch einmal erkundigt. Wir wollen das auch nicht einführen. Auch in Südafrika weht ja inzwischen, wie Sie wissen, ein anderer Wind. Auch pädagogisch genießen die deutschen Auslandsschulen ein hohes Ansehen. Natürlich freut es uns, wenn wir ausländischen Absolventen unserer Schulen Jahre später in ihrem Heimatland in wichtigen Funktionen der Politik, der Wirtschaft und der Kunst begegnen. Der Entschließungsantrag weist allerdings zu Recht auf die Problemfelder hin, die in den nächsten Jahren unsere besondere Aufmerksamkeit fordern. Jede Schule ist verschieden und unterliegt den spezifischen Bedingungen des Gastlandes. Die Bundesregierung betrachtet die mit dem Entschließungsantrag gegebene Leitlinie aber als willkommene Ermutigung für die Lösung der anstehenden Aufgaben. Hierzu gehört vor allem, meine Damen und Herren, die Verbesserung der finanziellen Lage und sozialen Absicherung derjenigen deutschen Lehrkräfte, die an deutschen Auslandsschulen bzw. in ausländischen Schulsystemen als sogenannte frei angeworbene Lehrkräfte tätig sind. ({0}) Lassen Sie mich als weitere wichtige Aufgaben für die Zukunft unter den zahlreichen Empfehlungen besonders herausstreichen: die Entwicklung eines Rahmenstatuts im Wege einer Bund-Länder-Vereinbarung für alle deutschen Lehrer im Ausland; den Ausbau berufsbildender Zweige an deutschen Auslandsschulen und berufsbildender Ausbildungsgänge; die Notwendigkeit der Intensivierung von Schulbaumaßnahmen im Ausland - mit allem, was Sie, Herr Toetemeyer, zu Recht gesagt haben -; die Einrichtung eines Hochschulstipendienprogramms für begabte, aber finanziell schwache ausländische Absolventen deutscher Auslandsschulen; verstärkte Förderung von Deutsch als Fremdsprache; Verbesserung der im Ausland verwendeten Lehr- und Lernmittel und schließlich eine bessere Verzahnung der Arbeit deutscher Auslandsschulen und der Mittlerorganisationen. Meine Damen und Herren, durch die umwälzenden Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa kommen zusätzliche Aufgaben auf die Bundesregierung zu, auch in diesem Bereich, die ihren Niederschlag in ihrem Bericht noch nicht finden konnten. Dem wachsenden Interesse der Völker Mittel- und Osteuropas an unserer Hilfe bei der schulischen Vermittlung deutscher Sprache und Kultur, und zwar nicht nur für die deutschsprachigen Minderheiten, müssen wir Rechnung tragen. Wir haben 21 Lehrer nach Ungarn entsandt. Noch in diesem Jahr rechnen wir mit der Gründung einer deutschen Schule in Budapest. Das ist ein erster Schritt. Es werden weitere Schritte folgen müssen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Ich brauche hier nicht zu betonen, daß solche Maßnahmen auch zusätzliche Haushaltsmittel erforderlich machen. Meine Damen und Herren, der vorliegende Entschließungsantrag gibt unserer auf Frieden und Verständigung zielenden Außenpolitik wichtige kulturpolitische Impulse. Die Bundesregierung wird alles tun, sie tatkräftig umzusetzen. Vielen Dank. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Wir können nun zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 11/6478 kommen, da weitere Wortmeldungen nicht vorliegen. Wer stimmt dieser Beschlußempfehlung zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist diese Beschlußempfehlung einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Günther, Susset, Michels, Eigen, Bayha, Carstensen ({0}), Herkenrath, Kalb, KrollSchlüter, Rossmanith, Niegel, Sauter ({1}), Schartz ({2}), Dr. Jobst, Freiherr von Schorlemer, Seesing, Borchert, Fellner, Hornung, Fuchtel, Dr. Göhner, Freiherr Heere15386 Vizepräsident Cronenberg man von Zuydtwyck, Dr. Kunz ({3}), Dr. Meyer zu Bentrup, Frau Schmidt ({4}), Schmitz ({5}), Sauer ({6}), Frau Will-Feld und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Heinrich, Paintner, Bredehorn, Dr. Solms und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes - Drucksache 11/6469 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({7}) Finanzausschuß Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO Auch hier schlägt der Ältestenrat Ihnen eine Beratungszeit von 30 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden. Wir können mit der Debatte beginnen. Zunächst hat der Abgeordnete Schartz das Wort.

Günther Schartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Das zur Beratung anstehende Vierte Agrarsoziale Ergänzungsgesetz ist notwendig geworden, um der Forderung der EG zu entsprechen, nach der die Mittel des Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetzes - ein schreckliches Wort - in das landwirtschaftliche Sozialsystem zu überführen sind. Veränderungen in Geldleistungsgesetzen - das zeigt die Erfahrung - erfordern immer ausgiebige Verhandlungen mit den von der Änderung Betroffenen und ihren Verbänden. Ich freue mich, daß die Verbände der deutschen Landwirtschaft diesem Gesetz ihre Zustimmung nicht verweigert haben. Leider konnte mit diesem Gesetzentwurf noch keine grundlegende Reform des agrarsozialen Sicherungssystems geschaffen werden. Das wird eine wichtige Aufgabe - davon bin ich überzeugt - dieses Hauses in der kommenden Legislaturperiode sein. Ohne Zweifel müssen bei einer grundsätzlichen Neuregelung die Veränderungen im landwirtschaftlichen Bereich mit ihren Auswirkungen auf das agrarsoziale Sicherungssystem berücksichtigt werden. Schon jetzt kommt auf einen Beitragszahler mehr als ein Leistungsempfänger. Diese Situation wird sich verschärfen. Bei einer Neuregelung muß der Entwicklung der modernen Landwirtschaft und der Weiterentwicklung des sozialen Absicherungssystems außerhalb der Landwirtschaft Rechnung getragen werden. Das derzeitige agrarsoziale Sicherungssystem beinhaltet eine Teilsicherung. Sie unterstellt, daß der Betrieb weitergeführt wird. Das wird in Zukunft sehr oft nicht der Fall sein. Deswegen müssen wir das bei einer Neuordnung berücksichtigen. Ein neues landwirtschaftliches Sozialrecht muß berücksichtigen, welch großartige, für Familie und Betrieb entscheidende Leistung die Bäuerin erbringt und daß sie auch im Vergleich zu anderen erwerbstätigen Frauen sowie unter Berücksichtigung einer modernen Sozialpolitik Anspruch auf eine eigene Versorgung hat. ({0}) Eine grundlegende Änderung der landwirtschaftlichen Sozialpolitik wird die besonderen Leistungen der Vater-Sohn-Betriebe für den Weiterbestand einer bäuerlichen Landwirtschaft, die ja nicht nur für die Landwirtschaft bedeutsam ist, ({1}) besonders berücksichtigen müssen. Schon jetzt fordere ich die Regierung, aber auch den Deutschen Bauernverband und die landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger auf, inhaltliche Vorstellungen zu entwickeln, damit die Beratungen in der nächsten Wahlperiode zügig beginnen können. In diese Überlegungen für die Neuordnung eines landwirtschaftlichen Sozialsystems muß auch die Überprüfung der Organisationsstrukturen einbezogen werden. Die schrumpfende Zahl der Bauern und das Zeitalter der Datenträger und Computer werfen die Frage auf, ob wir denn auch für die Zukunft wirklich noch 19 landwirtschaftliche Sozialversicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland brauchen. Ich meine: nein. ({2}) - Ich sage Ihnen in aller Offenheit, Frau Kollegin, daß ich es bedaure, daß diese Neuordnung in dieser Wahlperiode nicht zustande gekommen ist. Aber auch in dieser Wahlperiode haben die Regierung und die sie tragenden Fraktionen große Leistungen für die Landwirtschaft erbracht. Ich darf in Erinnerung rufen: 1957 wurde unter einer CDU/CSU-Regierung die Altershilfe eingeführt. Heute zahlt der Bund 2,85 Milliarden DM; das entspricht 80,3 % der laufenden Geldleistungen. 1972 haben wir die Krankenversicherung für die Bauern eingeführt. ({3}) Hier übernimmt der Bund die Kosten für die Krankenversorgung der Altenteiler. Dafür werden 1,3 Milliarden DM im Jahr aufgewandt. Seit langem trägt der Bund die Beitragsentlastung zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. ({4}) - Um auf Ihren Zwischenruf einzugehen, Herr Kollege: Unter Ihrer Regierung wurden die Zuschüsse zu den Beiträgen für die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft von 400 Millionen DM auf 259 Millionen DM gesenkt. ({5}) Sie hatten die Absicht, diese Zuschüsse auf Null zurückzuführen. Wir haben diese Zuschüsse von 259 Millionen DM auf 450 Millionen DM angehoben. Das heißt, 40 % der Beiträge, die an sich zu zahlen wären, trägt nun der Bund. ({6}) Meine Damen und Herren, der vorliegende Entwurf eines Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes entSchartz ({7}) spricht nach unserer Auffassung den Anforderungen an ein soziales Sicherungssystem. Er ist ausgewogen und gerecht. Der Gesetzentwurf, über den wir heute sprechen, verfolgt drei Ziele: die Sicherung der 300 Millionen DM, die von der EG beanstandet worden sind, die Stabilisierung des Einheitsbeitrages zur landwirtschaftlichen Altershilfe und eine sozial gerechtere Verteilung dieser staatlichen Mittel. Darüber hinaus - und ich will Ihr Augenmerk auf diese Tatsache richten - wird mit diesem Gesetz eine Dynamisierung dieser 300 Millionen DM erreicht. Davon werden 200 Millionen DM zur Beitragsentlastung in der Alterskasse und 100 Millionen DM für die Aufstockung in der Alterskasse verwendet. Das bedeutet, daß 100 Millionen DM zur Verfügung stehen, damit der Einheitsbeitrag im nächsten Jahr nicht auf 269, sondern nur auf 250 DM steigt. ({8}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, den sozialen Gesichtspunkten wird Rechnung getragen, indem wir die Zahl der Zuschußklassen von vier auf elf erhöhen. In der höchsten Beitragsentlastungsstufe - lassen Sie mich das einmal deutlich machen - wird der beitragszahlende Landwirt nur 10 % des Beitrages zu zahlen haben, während der Staat 90 % des Beitrages für ihn zahlt. Wir werden die Wirtschaftswertgrenze für die Bezuschussung von Betrieben auf 60 000 DM ausweiten. Das heißt, mehr mittlere landwirtschaftliche Betriebe werden in den Genuß der Beitragsentlastung kommen. Wir werden die Einkommensgrenze von 47 000 auf 63 000 DM heraufsetzen. Es werden also mehr Nebenerwerbsbetriebe mit in die Beitragsentlastung einbezogen werden. Letztendlich werden durch diesen Gesetzentwurf, wenn er denn von uns beschlossen wird, 75 000 Betriebe mehr in der Bundesrepublik Deutschland einen Zuschuß zum Beitrag erhalten. Meine Damen und meine Herren, ich lege besonderen Wert auf die Feststellung, daß hier auch Betriebe entlastet werden, die ganz normale Familienbetriebe sind, auch wenn sie 60 000 DM Wirtschaftswert haben. Erlauben Sie mir noch zwei, drei Sätze zur Weiterentwicklung der Agrarsozialpolitik. Ich meine, daß wir die Produktionsaufgaberente verbessern müssen. Hier, Herr Kollege Müller, teile ich Ihre - in weiten Bereichen allerdings tendenziösen - Ausführungen. Wir sollten erreichen, daß das Eingangsalter auf 55 Jahre gesenkt wird. Wir sollten erreichen, daß ein Landwirt bei Berufsunfähigkeit schon mit 53 Jahren Produktionsaufgaberente erhalten kann. Wir sollten erreichen, daß auch die Nebenerwerbslandwirte eine höhere Einkommensfreigrenze erhalten. Ich bin zutiefst davon überzeugt - und Sie wissen, daß ich durch eine persönliche Erklärung in diesem Hause meine Haltung auch gegenüber meiner Fraktion deutlich gemacht habe -, daß es unbedingt notwendig ist, bei der strukturverbessernden Abgabe genauso zu verfahren wie bei der Flächenstillegung. Die weitere Existenz der Betriebe in den benachteiligten Gebieten wird davon abhängig sein, ob es uns gelingt, die Flächen aus den Betrieben, die Produktionsaufgaberente erhalten, in die weiterhin wirtschaftenden Betriebe zu lenken. Ein letztes Wort, meine Kollegen: Wenn ich es richtig betrachte, sind wir gerade in diesem Bereich der Produktionsaufgaberente nicht weit auseinander. Die Agrarpolitiker dieses Hohen Hauses sollten die Kraft haben, auch im Getümmel des Wahlkampfes sachlich richtige und für die Bauern gute Entscheidungen zu treffen. Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, ist ein guter Gesetzentwurf. Er trägt den Interessen der deutschen Landwirtschaft Rechnung. Die CDU/CSU-Fraktion wird in den Ausschüssen für eine zügige Beratung sorgen. Ich bedanke mich sehr. ({9})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Wimmer.

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schartz, da Sie eingangs auf die Entwicklung der Agrarsozialpolitik hingewiesen haben, wäre es vielleicht sehr ratsam, die Protokolle von 1957 nachzulesen, um die Haltung Ihrer Fraktion festzustellen, d. h. festzustellen, welche Positionen Ihre Fraktion hinsichtlich der Grundversorgung in der Landwirtschaft vertreten hat. ({0}) - Ich erinnere daran nur deshalb, weil der Kollege Schartz das angeführt hat. - Vielleicht sollte man auch nachlesen, daß 1972 eine andere Regierung das Sozialgesetz gemacht hat. Aber ich bin ja dankbar, wenn Anleihen bei unserer Politik genommen werden. Wenn der Kollege Schartz die Regierung auffordert, in der nächsten Wahlperiode das große Werk der Agrarsozialreform anzugehen, dann möchte ich ihn daran erinnern, daß schon sehr oft angekündigt worden ist, und zwar auch von Minister Kiechle, daß diese Reform in dieser Legislaturperiode erfolgt. Aber Fehlanzeige! ({1}) Wenn Sie zum wiederholten Male die Unfallversicherung anführen, dann kann ich immer nur wiederholen, daß wir damals eindeutig Stellung bezogen haben. Sie nennen nur den Teil, der damals in unserer Fraktion beschlossen worden ist. Wir waren damals für eine Kürzung und für den Abbau, solange nicht feststand, wie groß die Altlasten in der Unfallversicherung sind. ({2}) Wimmer ({3}) Wir haben uns immer dazu bekannt, daß wir, wenn die Altlasten feststehen, bereit sind, sie auch einzusetzen. ({4}) Aber Sie sind ja nicht bereit, Fakten zur Kenntnis zu nehmen.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Wimmer, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schartz zuzulassen?

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich.

Günther Schartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wimmer, wollen Sie meine Aussage bestreiten, daß die von Ihrer Partei geführte Regierung die Zuschüsse an die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft von 400 Millionen DM im Jahr auf 259 Millionen DM im Jahr gekürzt hat? ({0})

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, das bestreite ich nicht. Wir haben aber zur gleichen Zeit gesagt: Wenn feststeht, wie hoch die Altlast ist, sind wir auch bereit, diesen Betrag einzustellen. - Ich erinnere noch an ein Gutachten, das von Minister Kiechle schon vor langer Zeit in Auftrag gegeben worden ist und das zwischenzeitlich wahrscheinlich irgendwo in den Kästen des Ministeriums verstaubt.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Sind Sie damit einverstanden, Herr Abgeordneter Wimmer, wenn wir die Zwischenfragen des Abgeordneten Müller und des Abgeordneten Oostergetelo zusammenfassen?

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Dann verfahren wir so. Es könnte ja sein, daß sich dann die zweite Frage erübrigt. - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Müller. ({0})

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich weiß nicht, was der Kollege Oostergetelo fragen wird. - Herr Kollege Wimmer, sind Sie bereit, der CDU/CSU-Fraktion und vor allem dem Herrn Kollegen Schartz mitzuteilen, daß damals, als es um Kürzungen ging, die Forderung bestand, daß der Bund mit Zuschüssen nur die alte Last finanzieren sollte -

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Müller, das ist eine Dreiecksfrage. Diese lasse ich überhaupt nicht zu. - Herr Abgeordneter Oostergetelo!

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Wimmer, gehe ich richtig in der Annahme, daß das vom Ministerium in Auftrag gegebene Gutachten deshalb nicht an die Öffentlichkeit gekommen ist, weil die CDU-Regierung schon viel eher hätte mehr zulegen müssen? ({0})

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das Gutachten ist schon an die Öffentlichkeit gekommen; aber zwischenzeitlich ist es verstaubt. Nun aber zu einigen Punkten des vorgelegten Gesetzentwurfs. Die Regierungskoalition kommt eigentlich immer nur dann auf soziale Gesetze in der Agrarpolitik, wenn sie entweder von Wahlergebnissen gedrängt wird oder wenn Wahlen vor der Tür stehen. ({0}) Bei dem Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetz damals standen ebenfalls die NiedersachsenWahlen vor der Tür, und der Gesetzentwurf wurde im Eilverfahren durchgepeitscht. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß bei der damaligen Beratung im Plenum auch gesagt worden ist, es sei eine Obergangslösung, und diese werde durch die große Agrarsozialreform, die umfassend sein solle, abgelöst. Das ist nicht geschehen. Die Reform ist vertagt worden. Jetzt kommt dieses Gesetz nur unter dem europäischen Druck; denn andernfalls ist es nicht mehr möglich, das Sozialversicherungs-Neuregelungsgesetz aufrechtzuerhalten, ({1}) weil die EG-Kommission pauschale Beitragsentlastungen nicht länger hinnehmen will. Jetzt haben Sie dabei die kleinstmögliche Bewegung gemacht. ({2}) Ich kann mich noch an die Anfangsgespräche erinnern, als der Versuch unternommen wurde - auch vom Ministerium her - , Entlastungen in der Krankenkasse und auch beim Altersgeld herbeizuführen. ({3}) Das ist innerhalb der Koalition gescheitert. Ich weiß nicht, warum, vielleicht hätten Sie dazu nähere Ausführungen machen können. Was jetzt gemacht wird, nämlich daß man die Mittel des Beitragsentlastungsgesetzes ausschließlich in die Altershilfe einbaut, ist nicht in Ordnung. Die Beitragsstrukturen der landwirtschaftlichen Krankenkasse lassen Sie gänzlich außen vor. Die Beschränkung auf die landwirtschaftliche Alterskasse und die dort vorgesehene Verteilung der Mittel dämpfen zwar für eine gewisse Zeit den Anstieg des Beitrags; die bisher geplante Mittelverteilung nach diesem Gesetz hätte jedoch eine fatale Wirkung für die Landwirte: Die Landwirte mit den niedrigen Einkommen müßten zwar rund 230 DM im Jahr für ihre Alterssicherung weniger bezahlen; gleichzeitig entfiele aber der bisher direkte Zuschuß für die Beiträge zur gesamten Sozialsicherung in Höhe von 2 000 DM im Jahr. Unter dem Strich ergäbe sich also in Einzelfällen - das können bis zu 20 000 landwirtschaftliche Familien sein - eine Mehrbelastung von 1 780 DM im Jahr. Über die genauen Zahlen hat sich die Bundesregierung bisher ja wohlweislich ausgeschwiegen. Insgesamt ist aber der folgende Schluß zulässig: Alle diejenigen, die bisher in die pauschale Wimmer ({4}) Beitragsentlastung einbezogen waren, müssen in Zukunft im Ergebnis mehr statt weniger bezahlen. ({5}) - Wenn Sie 300 Millionen DM auf mehr Menschen verteilen - der Kollege Schartz hat gesagt, daß davon 75 000 Betriebe mehr betroffen sind -, wenn Sie also die gleichen Mittel auf 75 000 mehr verteilen, kommt für die, die schon bisher Bezieher waren, mit Sicherheit weniger heraus. Soweit wird sicherlich auch im Rahmen der Koalition gerechnet. Was passiert mit den Geldern, die auf diese Weise nur bei kleineren landwirtschaftlichen Betrieben eingesammelt werden? Geht es nach diesem Gesetzentwurf, sollen damit alle diejenigen entlastet werden, die bisher nicht in den Genuß der Verteilung nach dem Gießkannenverfahren kamen, nämlich größere und große Betriebe. ({6}) Entweder werden ihre Nettobeträge zur Alterskasse durch die Ausdehnung der Beitragsbezuschussung ermäßigt, oder sie profitieren von der geringen Anhebung des Einheitsbeitrags in der Altershilfe. Dieser Beitrag müßte 1991 sicherlich auf etwa 270 DM im Monat steigen. Mit den umverteilten Millionen aus dem Beitragsentlastungsgesetz soll er auf 250 DM im Monat gedrückt werden. Dabei wissen wir alle, daß das Beitrags-Leistungs-Verhältnis in der landwirtschaftlichen Altershilfe auch bei diesen Beitragshöhen immer noch günstiger ist als in der gesetzlichen Rentenversicherung. Mit einem abgewandelten Zitat von Minister Kiechle könnte man es so beschreiben: Es ist nicht einzusehen, daß ein gutverdienender Großbetrieb mit nur 250 DM im Monat einen Leistungsanspruch von in Zukunft beinahe 1 000 DM im Monat erwerben kann. - Im Ergebnis finanzieren die einkommensschwachen Kleinbetriebe die Entlastung der Großbetriebe. ({7}) Wir nennen das einen sozialpolitischen Kopfstand. Gerade bei uns in Bayern haben wir einen sehr hohen Anteil kleiner landwirtschaftlicher Betriebe, die von dieser Umverteilung von unten nach oben in besonderem Maße betroffen wären. ({8}) Es mag zwar so sein, daß einige der bisher Begünstigten auf Grund der pauschalen Kriterien der Beitragsentlastung in ungerechtfertigter Weise bezuschußt würden. Die Konstruktion des Beitragsentlastungsgesetzes als aufgesatteltes Geldleistungsgesetz haben wir auch immer kritisiert. Diese Mängel zeigen aber gerade, daß kein Weg an einer umfassenden Agrarsozialreform vorbeiführt. Eine vernünftige Eingliederung der Mittel des Beitragsentlastungsgesetzes in die agrarsoziale Sicherung, wie sie die EG-Kommission fordert, ist nur mit der Einbeziehung der Beitragsstrukturen der landwirtschaftlichen Krankenkassen möglich. Nur dies wäre ein erster Schritt hin zur Reform. Alles andere schafft neue Ungereimtheiten und behindert die Reform, anstatt sie zu fördern. Unverständlich ist für mich auch die Haltung des Deutschen Bauernverbandes in dieser Frage. Warum unterstützt der Bauernverband gerade diese Umverteilungspolitik von unten nach oben? Ich kann nicht erkennen, daß das 4. ASEG ein erster Schritt zur Konsolidierung sein soll. Auch der Brief des Präsidenten des Bayrischen Bauernverbandes, Herr Sühler, vom 19. 2. an mich bringt das zum Ausdruck: Herr Sühler verkennt nicht - ich zitiere jetzt - , daß mit der Einbindung der Entlastungsmittel in die Altershilfe eine stärkere Sozialkostenbelastung vor allem im Bereich von kleinen und mittleren Betrieben verbunden ist, die auf Dauer so nicht hingenommen werden kann. Wir werden die landwirtschaftlichen Familien sicherlich auch über das 4. ASEG aufklären. Ich hoffe, daß Sie dann bei politischen Wahlen, vor allem in Bayern, die Quittung erhalten. Die SPD wird jedenfalls weiterhin entschieden für eine gerechte und umfassende Agrarsozialreform eintreten. Die Grundzüge dieser Reform sind seit langem bekannt. Wir brauchen erstens lineare einkommensabhängige Beitragsstrukturen, zweitens die Zugrundelegung des Gesamteinkommens bei allen Beitragszuschüssen, drittens die baldige Abschaffung von Einkommensersatzmaßstäben, viertens die Verbesserung der sozialen Sicherung der Landfrauen und fünftens die Organisationsreform der argarsozialen Sicherung insgesamt. Wir Sozialdemokraten haben in der Agrarsozialpolitik eine gute Bilanz vorzuweisen. ({9}) Viele grundlegende Verbesserungen in diesem Bereich tragen unsere Handschrift. ({10}) - Herr Kollege Susset, Sie haben wahrscheinlich ein sehr schlechtes Erinnerungsvermögen. Wir sind auch bereit, konstruktiv an der Agrarsozialreform mitzuarbeiten. Das gilt jedenfalls dann auch für Zwischenlösungen, wenn sie in die richtige Richtung führen. Dem 4. ASEG in der jetzigen Fassung werden wir jedoch unseren entschiedenen Widerstand entgegensetzen. Wir stimmen dem Überweisungsvorschlag zu und werden uns bemühen, im Ausschuß Verbesserungen, die zwingend notwendig sind, auch hierbei zu erreichen. ({11})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ulrich Heinrich.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich gleich zu Beginn sagen: Das Vierte Agrarsoziale Ergänzungsgesetz ist keine Reform der landwirtschaftlichen Altershilfe, sondern lediglich eine rechtliche Sicherung der 300 Millionen DM aus dem Sozialversicherungs-Beitrags15390 entlastungsgesetz. Diese Sicherung ist notwendig geworden, weil Brüssel die Abschaffung solcher nicht erlaubten Subventionen immer wieder gefordert hat. Eigentlich wollten wir das alles im Rahmen einer umfassenden Reform in dieser Legislaturperiode durchführen. ({0}) Ich bin hier durchaus mit dem Kollegen Wimmer einer Meinung: Auch ich bin davon ausgegangen, daß es in dieser Legislaturperiode stattfinden kann. ({1}) Aber wie in diesem Hause hinlänglich bekannt, waren wir mit zwei anderen großen Reformen im Sozialausschuß ohnehin schon überstrapaziert, nämlich mit der Gesundheitsreform und der Rentenreform, beides überaus dringliche und nicht mehr verschiebbare Reformen. Dies wird, so hoffe ich, auch von der Opposition so gesehen. Der Kollege Kirschner wird mir als Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung sicher nicht widersprechen. Mit der geplanten Einbindung der Mittel aus dem SVBEG in die landwirtschaftliche Altershilfe wird das SVBEG logischerweise zum 31. Dezember 1990 auslaufen, das seit 1986 Gültigkeit hatte und teilweise überproportionale Entlastungen gebracht hat. Diese überproportionalen Entlastungen waren mit keiner Regelung entsprechend aufzufangen. Dieser Wegfall trägt zu einer auch von meiner Partei immer wieder geforderten Verwaltungsvereinfachung ganz entschieden bei. Mit der neuen Regelung ist vorgesehen, daß ein Drittel der zur Verfügung stehenden Gelder zur allgemeinen Stabilisierung des Einheitsbeitrags verwendet wird, d. h. es wird statt eines Beitragsanstiegs 1991 auf 269 DM nur einen Anstieg auf 250 DM geben. ({2}) - Wir haben aber nur 300 Millionen DM zu verteilen, Frau Kollegin. Die restlichen zwei Drittel sollen zu einer Beitragsentlastung für Betriebe bis 60 000 DM Wirtschaftswert verwendet werden. Diese einkommensorientierte Beitragsentlastung wird über zwölf Zuschußklassen verteilt, wobei wir von einem Mindestbeitrag von 25 DM ausgehen. Durch diese Maßnahmen kommen wesentlich mehr Betriebe in den Genuß einer Beitragsentlastung als bisher. Dies sind in einem einmal kleinere Betriebe unter 40 000 DM Wirtschaftswert, aber auch mittlere Betriebe von 40 000 bis 60 000 DM Wirtschaftswert, d. h. diese Regelung ist agrarstrukturpolitisch entschieden zukunftsorientiert. Ein weiterer Vorteil ist, daß durch die Eingliederung der Gelder in die landwirtschaftliche Altershilfe eine Dynamisierung stattfindet. Bisher waren die Mittel in Form von Festbeträgen und auf Grund des stattfindenden Strukturwandels degressiv gestaltet. Wir sichern dadurch nicht nur den Betrag von 300 Millionen DM, sondern werden in einigen Jahren bei 400 Millionen DM landen. Das muß die Opposition einmal zur Kenntnis nehmen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir schaffen mit diesem Gesetz eine Übergangsregelung, die an die Strukturen des 3. ASEG anknüpft und uns deshalb bei einer Gesamtreform keine unnötigen Barrieren in den Weg legt. Genau das stimmt nicht, was der Kollege Wimmer vorhin behauptet hat. Weiterhin wollen wir - ich spreche hier für die FDP - im Art. 3 des 4. ASEG eine notwendige Änderung des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit vornehmen. Diese Änderungen werden notwendig, weil die Zahlungsbedingungen so unattraktiv sind, daß nur eine kleine Anzahl von Landwirten in der Vergangenheit davon Gebrauch gemacht hat. Um aus der Produktionsaufgaberente das zu machen, was wir eigentlich schon immer gewollt haben, nämlich eine wirkungsvolle soziale Flankierung des notwendigen Strukturwandels, müssen wesentliche Änderungen vorgenommen werden. Das ist keine Erfindung der SPD. Das sind vielmehr Forderungen, die wir ursprünglich schon zu Beginn der Diskussion im Zusammenhang mit dem Feleg erhoben haben, die uns aber vom Finanzminister damals noch nicht zugebilligt worden sind, weil wir von einer größeren Zahl von teilnehmenden Betrieben ausgegangen sind. Erstens muß das Zugangsalter von 58 auf 55 Jahre gesenkt werden. Zweitens sollte die Abgabe der Fläche zur strukturellen Verbesserung mit der Stillegung von Flächen finanziell gleichgestellt werden.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, ich unterbreche Sie, weil Sie sonst nicht mehr die Möglichkeit haben, dem Abgeordneten Wimmer eine Zwischenfrage zu beantworten.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr gerne, Herr Kollege Wimmer.

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, sind Sie bereit, zuzugeben, daß der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion im Ausschuß, das Eintrittsalter auf 55 Jahre festzusetzen, auch mit Ihren Stimmen abgelehnt worden ist?

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe es gerade gesagt: Ursprünglich war unsere Position die gleiche, die Sie in Ihrem Antrag dargelegt haben. Wir hatten deshalb erhebliche Probleme mit der Ablehnung. ({0}) Wir mußten es aber ablehnen - das ist ein offenes Geheimnis -, weil damals vom Finanzminister noch von anderen Zahlen ausgegangen worden ist. Das war ja das Problem. Wir sind heute ein Stück gescheiter. Es ist Neuland, das wir mit dem Feleg betreten haben. Infolgedessen, meine ich, ist es auch gerechtfertigt, daß wir nach einem guten Jahr der Laufzeit eine Korrektur vornehmen, dies auch im Zusammenhang mit dem 4. ASEG. ({1}) Nach der dritten wesentlichen Änderung soll der Hinzuverdienst auf 30 % der Bemessungsgrundlage - das sind knapp 1 000 DM - erhöht werden. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden im Laufe der Beratungen alle Vorhaben noch einmal auf Herz und Nieren überprüfen und intensiv diskutieren, wie wir das auch seither gemacht haben. Ich bin zuversichtlich, daß wir mit diesem wichtigen Agrarsozialgesetz die Weichen für die Zukunft richtig gestellt haben und uns keine Barrieren für eine zukünftige große Reform im Bereich der Agrarsozialgesetzgebung aufgebaut haben. Herzlichen Dank. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Zum Schluß hat die Abgeordnete Frau Flinner das Wort.

Dora Flinner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000562, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetz sollten, so hieß es, die verschiedenen Probleme des derzeitigen sozialen Systems der Landwirtschaft gelöst werden. Mit dem Hinweis auf diese Reform wurden wir immer wieder vertröstet, wenn wir auf dringend erforderliche Verbesserungen der Sozialabsicherung der Bäuerinnen und Bauern hinwiesen. Direkt nach der Bundestagswahl 1987, so sagte die Regierung, sollten mit der Reform der agrarsozialen Gesetzgebung gerade für die kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe die Ungerechtigkeiten behoben werden. So sahen wir mit großem Interesse der lange erwarteten Reform entgegen; denn im Vorfeld der diesjährigen Bundestagswahl war nun endlich die Erfüllung der schon seit langem gegebenen Versprechen zu erwarten. Doch was kam dabei heraus? Nur Lippenbekenntnisse! In Wirklichkeit geht es der Regierung nicht um die Beitragsentlastung für die Bauern und Bäuerinnen, sondern nur um die Erfüllung der EG-Vorgaben. Bei dieser Gelegenheit kurbelt sie die Umverteilung von unten nach oben gleich weiter an; ({0}) denn durch den Wegfall des pauschalen Zuschusses für die gesamte soziale Sicherung kommen gerade auf die Bauern, die geringeres Einkommen haben, zusätzliche Belastungen zu. Umgekehrt werden die höherverdienenden Landwirte noch mehr entlastet; denn es wird ja nicht mehr Geld für die Bauern bereitgestellt, sondern die ohnehin vorhandenen Mittel des Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetzes werden lediglich ungünstiger verteilt. ({1}) Der Appell an die landwirtschaftlichen Krankenversicherungen, mit der Beitragsgestaltung die Versäumnisse der Gesetzgeber auszugleichen, wirkt hierbei nicht nur hilflos, sondern zeigt auch, wie weit die Regierung davon entfernt ist, die Beitragslasten sozial gerecht zu verteilen. Dieser Schritt, die Krankenversicherung als Lückenbüßer für eine verfehlte Regierungspolitik einzusetzen, zeigt, daß der Gesetzgeber die soziale Kompetenz aufgeben will. Besonders vermisse ich in diesem Gesetz aber Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Situation der Bäuerinnen. - Herr Eigen, Sie hören überhaupt nicht zu! Die Bäuerinnen sind angesprochen! ({2}) Auch dieses Versprechen hat die Regierung nicht gehalten. Hier sind Regelungen, wie wir sie erst kürzlich eingebracht haben, dringend erforderlich. Auch wenn der vorliegende Entwurf eine Übergangsregelung vor der grundlegenden Reform der agrarsozialen Sicherung darstellen soll, die für die kommende Legislaturperiode vorgesehen ist: Dieser sogenannte erste Schritt ist ein Schritt in die falsche Richtung. Seit uns die bundesdeutsche und die EG-Agrarpolitik den Strukturwandel bescherten, wird die soziale Sicherheit der Bauern und Bäuerinnen immer mehr in Frage gestellt. Die Belastungen steigen immer weiter, und für immer weniger junge Bauern gibt es eine Zukunftsperspektive. Wenn sich neuerdings alle Blicke auf die DDR richten, so können wir feststellen, daß dort auch im landwirtschaftlichen Bereich zwar vieles im argen liegt, daß aber die soziale Sicherung den Menschen wesentlich mehr Geborgenheit ermöglicht. ({3}) - Das ist richtig, doch. Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist völlig ungeeignet, die landwirtschaftliche Sozialsituation zu regeln. ({4}) - Aus den LPGs und den VEB-Betrieben kommt niemand zu uns. Gucken sie einmal, woher die Leute kommen. Sie kommen nicht aus diesen Betrieben. Wir müssen Ihren Entwurf hier ablehnen. Wir fordern statt dessen eine durchgreifende Reform der landwirtschaftlichen Sozialpolitik, die den Bäuerinnen und Bauern tatsächlich zugute kommt. Dazu gehören u. a. ein sozialökologisches Sofortprogramm zur Existenzsicherung bäuerlicher Betriebe und Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Situation der Bäuerinnen. Danke schön. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Damit sind wir am Ende der Beratung. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 11/6469 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. - Gegenvorschläge werden nicht gemacht. Dann ist das so beschlossen. ({0}) Vizepräsident Cronenberg Frau Abgeordnete Flinner, die Diskussion ist doch beendet. Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Susset, Michels, Eigen, Bayha, Carstensen ({1}), Herkenrath, Kalb, Kroll-Schlüter, Niegel, Sauter ({2}), Schartz ({3}), Freiherr von Schorlemer, Dr. Schwörer, Borchert, Fellner, Fuchtel, Dr. Göhner, Seesing, Freiherr Heereman von Zuydtwyck, Dr. Kunz ({4}), Dr. Meyer zu Bentrup, Scheu, Frau Schmidt ({5}), Schmitz ({6}), Frau Will-Feld und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Paintner, Heinrich, Bredehorn und der Fraktion der FDP zum Getreidepreis - Drucksache 11/6472 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Auch hierzu werden 30 Minuten vorgeschlagen. - Widerspruch erhebt sich nicht. Herr Abgeordneter Eigen, Sie haben das Wort.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten ein etwas lokkeres Gespräch miteinander, Herr Präsident. So schlimm ist es auch nicht.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Mir ist durchaus bekannt, wie die Verhaltensweisen der Agrarpolitiker untereinander sind, und das beunruhigt mich gelegentlich auch.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich muß zu den ungeheuerlichen Aussagen von Frau Flinner hier doch eine Korrektur anbringen, wenn ich schon einmal hier stehe. Die sogenannten Bauern der LPG bekommen 300 bis 400 Mark im Monat Altersrente. Unsere Bauern, die in Altersrente gehen, bekommen, wenn sie die ganze Zeit Beiträge gezahlt haben, immerhin über 900 DM. ({0}) - Ich bin dort gewesen und weiß es besser als Sie, Frau Flinner. - Die LPG-Bauern bekommen einen Lohn von 600 bis 800 Ost-Mark. ({1}) Bei uns bekommt ein Bürger, der Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht, wenn er verheiratet ist und zwei Kinder hat, das Dreifache von dem, was die Leute dort drüben verdienen, wenn sie den ganzen Tag arbeiten. Ich finde es unmöglich, wenn hier im Bundestag eine solche Latte von Fehlaussagen gemacht wird. Ich habe sie jetzt korrigiert. ({2}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Antrag fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, im Rahmen der Preisverhandlungen für 1990/91 dafür einzutreten, daß diejenigen Mitgliedstaaten, die sich - wie die Bundesrepublik Deutschland - in wirksamer Weise an der Produktionsrückführung über Flächenstillegungsmaßnahmen beteiligt haben, von der Mitverantwortungsabgabe befreit werden. Schon im Entschließungsantrag zum Agrarbericht 1989 hat der Bundestag in ähnlicher Form beschlossen. Worum geht es? Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat im Oktober 1989 die Erntemenge 1989 unverständlicherweise auf 160,5 Millionen t festgesetzt und damit nach den Stabilisatorengesetzen den Interventionspreis für Getreide um 3 % gesenkt. Hätten alle Länder den Beschluß vom 12. Februar 1988 befolgt, hätte die Schätzung 155 bis 157 Millionen t betragen; die Preissenkung wäre nicht erfolgt. Außer Holland und der Bundesrepublik Deutschland hat kein Land die 200 bis 600 ECU je ha als Ausgleich angeboten. Darum sollen nach diesem Antrag die Landwirte aus Holland und der Bundesrepublik Deutschland einen Ausgleich über die Streichung der Basis-MVA erhalten. Auch die anderen Beschlüsse des Gipfels - Substituterückführung, Mehrverfütterung von Getreide und Förderung nachwachsender Rohstoffe - wurden von der Kommission bisher nicht erfüllt. Viel besser ist der Beschluß des Agrarausschusses des EG-Parlaments. Herr Staatssekretär, ich finde es sehr bemerkenswert, daß die Kommission bei den letzten Ratsverhandlungen den Ministern nichts darüber gesagt hat, daß der Agrarausschuß des Europäischen Parlaments diesen Beschluß gefaßt hat, den ich für hervorragend halte, erstens den Ankaufspreis zum Interventionspreis von 94 auf 97 % anzuheben, zweitens die Basis-MVA für 1991/1992 aufzuheben, drittens das Zahlungsziel auf 30 Tage nach Lieferung festzusetzen, viertens die Monatsreports um ca. 50 anzuheben, da die Zinskosten stark gestiegen sind, und fünftens die Richt- und Schwellenpreise um ca. 50 % je Monat anzuheben. Hier, Herr Kollege Oostergetelo, ist es jetzt Ihre Aufgabe, die Aufgabe unserer Kollegen aus der SPD, die ja sicher im Grunde dasselbe wollen wie wir - davon gehe ich jedenfalls aus -, ihre Parteifreunde im EG-Parlament davon zu überzeugen, diesen vernünftigen Beschlüssen des Agrarausschusses im Plenum zuzustimmen. Beim vorigen Mal, als es um einen solchen Beschluß ging, ist ja gerade durch das Versagen der deutschen SPD im Europäischen Parlament ein Beschluß nicht zum Tragen gekommen, der ebenfalls hervorragend war, indem er nämlich die Abschaffung sämtlicher Mitverantwortungsab gaben vorschlug. Ich habe jedenfalls einen Brief an Ihren Genossen Herrn Walther geschrieben mit der dringenden Bitte, uns jetzt in diesem Bereich zu unterstützen, weil ich dies für dringend erforderlich halte. Die Talfahrt des Getreidepreises von 50 DM auf 35 DM war überzogen. Es gibt überhaupt keinen vernünftigen volkswirtschaftlichen Grund für einen so niedrigen Getreidepreis. Ganz wichtig wäre ein solcher Beschluß des EGParlaments auch hinsichtlich der GATT-Verhandlungen. Wir können den Wünschen der USA und der Cearnes-Länder - das sind vor allen Dingen Kanada, Australien, Brasilien, Argentinien und Neuseeland - nicht folgen, die Stützungsmaßnahmen der EG für Agrarprodukte weiter abzubauen. Die Landwirtschaft der EG muß einen vom Weltmarktpreis abgesetzten Preis sichergestellt haben, denn erstens wirtschaftet sie unter europäischen Kosten, zweitens wollen wir eine bäuerliche Struktur, und drittens soll unsere Landwirtschaft unter Erhaltung und Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen wirtschaften. Ich möchte auch - wir sind ja schließlich auch der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - 320 Millionen Menschen der Europäischen Gemeinschaft nicht den Wechselfällen der Warenbörse von Chicago aussetzen. ({3}) Fazit meiner Ausführungen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Der Getreidepreis - und das gleiche gilt für Ölfrüchte und Leguminosen - muß heraufgesetzt werden, denn auch unsere bäuerlichen Familien gehören zu Europa. Bisher haben sie - vor allem die deutsche Landwirtschaft - allein die Last getragen. Mit besseren Preisen würden sie endlich auch einmal den Nutzen aus Europa haben, den die Gesamtbevölkerung seit 30 Jahren genießt. Nehmen Sie bitte diese Aussagen insofern ganz ernst. Es hat sich inzwischen, ausgehend von Holland, eine Bewegung in der Europäischen Gemeinschaft ergeben, die von der Kommission und vom Ministerrat, Herr Staatssekretär, sehr ernstgenommen werden sollte. Es ist kein Spaß, wenn bäuerliche Betriebe, Bäuerinnen und Bauern, übrigens ausgelöst von zwei Bäuerinnen aus dem südlichen Bereich Hollands, auf die Straße gehen und alle möglichen Maßnahmen ergreifen, um ihre Regierung davon zu überzeugen - der gleiche Flächenbrand wird jetzt hier in der Bundesrepublik Deutschland und anschließend in Frankreich kommen; da bin ich ganz sicher - , daß es so ganz bestimmt nicht weitergehen kann. Der Druck der Kommission auf unsere landwirtschaftlichen Betriebe, die im Marktfruchtbereich tätig sind, ist so groß, daß kein Mensch dies auf die Dauer mehr verantworten kann. Die Kommission geht in ihrem Willen, die Preise für Agrarprodukte zu senken, so weit, daß sie auch die Veredlungsprodukte nicht ausnimmt. Sie will die Interventionsmaßnahmen bei Rindfleisch noch weiter senken. Sie denkt gar nicht daran, die Importe von Rindfleisch weiter zu begrenzen. In der Kommission werden sogar Vorschläge gemacht, die Importe von lebenden Rindern aus Drittländern zu erhöhen. Sie setzt den Interventionspreis für Butter um 1,20 DM herab. Da muß man sich nicht wundern, daß dann, wenn Butter in der Europäischen Gemeinschaft wieder in die Intervention muß, der Milchpreis um fünf, sechs Pfennig zurückgeht. Das ist kein saisonaler Rückgang; der kommt noch hinzu. Das ist ein Rückgang auf Grund von miserablen Beschlüssen des Ministerrats der Europäischen Gemeinschaft, auf Vorschlag der Kommission die Interventionspreise für die Landwirtschaft weiter zu senken, in diesem Falle für Butter und Magermilchpulver. ({4}) - Ich weiß, daß unser Minister dabei ist. Aber ich weiß auch ganz genau aus den Beschlüssen des EGMinisterrats vom 1. Juli 1987, als die Misere begann: Damals wurde der Interventionspreis für verschiedene Produkte um 10 % gesenkt. Die Kommission hatte 17 % gefordert. Der einzige, der sich diesem Beschluß des Ministerrats widersetzte, war unser Bundesminister Kiechle. Das steht geschichtlich fest, auch wenn er nachher in der Pressekonferenz daraus fälschlicherweise einen Erfolg gemacht hat. Aber er hat sich jedenfalls als einziger Minister von zwölf Ländern dagegen ausgesprochen.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Eigen, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller zu beantworten?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber gerne, beim Kollegen Müller ganz besonders gerne.

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Eigen, sind Sie sich bei dem, was Sie fordern, bewußt, daß das bedeuten würde, in Zukunft auf die Stabilisatorenregelung zu verzichten, und können Sie sich erinnern, daß heute im Ausschuß gesagt worden ist, daß keine Regierung bereit sei, so etwas zu verlangen, einschließlich der Regierung der Bundesrepublik?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Müller, ich habe überhaupt kein Wort davon gesagt, daß ich auf die Stabilisatorenregelung verzichten will. ({0}) - Nein, das ist nicht die Konsequenz. Die Stabilisatorenbeschlüsse müssen konsequent angewandt werden. Ich bin dafür, daß alle Länder, die ihren Bauern keine 200 bis 600 ECU für Flächenstillegungen zur Verfügung stellen, vom EuGH nun auch verklagt werden; denn sie haben ihre eigenen Beschlüsse nicht wahrgemacht. Was macht die Kommission im Zusammenhang mit den nachwachsenden Rohstoffen? Sie hat einen Beschluß vorgelegt, der überhaupt nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, der überhaupt nichts an Veränderungen bringt. ({1}) Was machen sie denn mit Substituten von Getreide, mit der Verfütterung von Getreide? - Alles das gehört zum Stabilisatorenbeschluß. Die Stabilisatorenbeschlüsse müssen angewandt werden, sie dürfen nicht abgeschafft werden. ({2}) Ich habe deutlich gesagt: Über diese Frage, die wir heute beraten, hinaus müssen die Agrarpreise besonders im Marktfruchtbereich wieder angehoben werden und dürfen nicht abgesenkt werden. Meine große Sorge besteht darin - deswegen habe ich dem GATT so breiten Raum in meinen Ausführungen gegeben -, daß in den GATT-Verhandlungen die Dinge noch mehr und noch stärker, als wir es sonst hätten erwarten können, negativ beeinflußt werden, - Vielen Dank, Herr Kollege Müller, daß Sie mil dadurch zusätzliche Zeit gegeben haben, diese Aussagen zu machen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will Sie aber nicht überstrapazieren; es ist spät am Abend. Ich freue mich über jeden Kollegen, der heute unter uns ist und kein Agrarpolitiker ist. Ich kann es auch umgekehrt sagen, nicht immer nur mit Schelte: Ich bin jedem dankbar, der hier bei uns ist. Es handelt sich um ein ganz gravierendes Problem. Wir müssen die Sache lösen. Europa soll nicht an den Bauern scheitern, aber die Bauern sollen auch nicht an Europa scheitern; dafür sind wir da. Herzlichen Dank. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun hat der Abgeordnete Oostergetelo das Wort.

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Eigen hat eine Rede gehalten, die sicher von dem Ernst der Lage gezeichnet war. Aber ich hatte doch streckenweise den Eindruck, als ob eine völlig fremde Macht an der Regierung ist, die uns das alles eingebrockt hat. ({0}) Meine Damen und Herren, wenn man Ihren Antrag genau besieht, stellt man fest, daß er keine befriedigende Antwort auf die Forderung der protestierenden Bauern z. B. in Ostfriesland oder im Emsland gibt. Genaugenommen ist es eher ein Ablenken auf die Verantwortung der Kommission und weg von sich selbst, als daß es eine Hilfe bedeutet. Ihr Antrag zum Getreidepreis ist in zweifacher Hinsicht sehr aufschlußreich: Erstens zeigt er, der deutschen Landwirtschaft geht es nicht so gut, wie die Erfolgsbilanzen der Regierung und auch der Koalitionsparteien das verkündet haben. Zweitens, der Herr Bundeskanzler als Präsident des Europäischen Rates und der Herr Bundesminister Kiechle haben im Februar 1988 das Stabilisatorenkonzept zur Herstellung des Marktgleichgewichts so beschlossen. Das wird nun von Ihnen in Zweifel gezogen. Ihr Antrag ist ein Eingeständnis, daß das damals von Ihnen erzielte und gefeierte Ergebnis nicht den erwarteten Erfolg gebracht hat. Die Begründung Ihres Antrags sagt das eindeutig. Die flankierenden Maßnahmen wie Flächenstillegung und Extensivierung wurden nicht ausreichend im Gesamtkonzept verankert und werden daher nicht von allen Mitgliedstaaten der EG ernsthaft angewendet. Sie wollen jetzt von der von Ihnen beschlossenen jährlichen Senkung des Interventionspreises um 3 % ablenken, die dann eintritt, wenn die Garantiemenge 160 Millionen t EG-weit überschreitet. Das wollen Sie deshalb, weil sich Ihr Beschluß unmittelbar auf die Einkommen der Landwirte negativ auswirkt; das wissen wir ja. Das hätte Ihnen aber doch schon damals einfallen sollen. Nicht die Begründung, es wäre sonst schlimmer gekommen, ist es, was das ausmacht.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Oostergetelo, der Abgeordnete Eigen möchte gern eine Zwischenfrage stellen.

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Oostergetelo, ist Ihnen wirklich entgangen, daß ich in meiner Rede ganz deutlich gesagt habe, Stabilisatoren müssen in der Gänze angewandt werden? Nur weil sie nicht in der Gänze angewandt werden, kommt es zu dem negativen Beschluß, zu den minus 3 %, doch nur deswegen, nicht wegen der Stabilisatorenbeschlüsse an sich.

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, wenn ich feststelle, daß sie nicht angewendet worden sind, ist das ja deshalb nicht falsch, weil ich in diesem Punkt dieselbe Kritik übe, die Sie geübt haben; nur übe ich sie nicht an der Kommission, sondern an denjenigen, die das beschlossen haben. Die Kommission hat letztendlich auszuführen, was der Ministerrat beschließt. Das ist der Unterschied, nicht die Kritik. Sie haben Preissenkungen drei Jahre im voraus beschlossen. Einschließlich Reports und Feuchtigkeit bedeutet das eine Preissenkung von etwa 12 % in drei Jahren. Herr Eigen, wir sind uns darin einig, das kann das gesamte Einkommen der Getreidebauern bedeuten, und vielfach ist das so. Sie hätten 1988 die Mitverantwortungsabgabe bei dem Beschluß über die Stabilisatoren wegfallen lassen müssen. Ihr jetziger Antrag kann die Unzulänglichkeiten von damals nicht beseitigen. Sie haben die Wirkung des technischen Fortschritts im Getreidebereich unterschätzt; das ist doch eindeutig. Die Getreideerträge in der EG wachsen stärker als der Verbrauch. Weitere Preissenkungen sind so durch den Beschluß des Kanzlers und des zuständigen Ministers vorprogrammiert. Muß das so bleiben, so frage ich jedes Jahr wieder. Das verkraften die Getreidebauern nicht mehr. Aber da hilft doch das Geschimpfe auf die EG-Kommission nichts, der Sie, Herr Eigen z. B. willkürliche Festlegung der Produktionshöhe vorwerfen, wobei diese doch nur dem Beschluß des Ministerrats folgt. Insgesamt geht es den Marktfruchtbetrieben nicht gut, das ist wahr. Dies trifft insbesondere für die Getreidebauern zu. Perspektivlosigkeit greift nun auch in diesen Betrieben um sich. Selbst in den Ackerbaumarschen gibt es nicht wenige Betriebe, die keine Eigenkapitalbildung mehr aufweisen. Die Landwirte protestieren nicht tagelang ohne Grund z. B. an der deutsch-niederländischen Grenze. Dieser Situation können wir nicht tatenlos zusehen. Wir brauchen Maßnahmen, die den in Bedrängnis geratenen bäuerlichen Familienbetrieben wirklich helfen. Ob Ihr Antrag, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, dabei sehr hilfreich ist, muß kritisch hinterfragt werden. Wir werden es ja im Ausschuß sehen, was daraus wird. Die Bundesregierung muß hier antworten. Natürlich leuchtet das ein: ein Wegfall der Mitverantwortungsabgabe Getreide in Mitgliedstaaten mit nennenswerten Flächenstillegungen muß positive Einkommenswirkungen haben. Das ist richtig. NatürOstergetelo lich ist Ihnen dabei der Beifall der betroffenen Marktfruchtbetriebe sicher, und das in einem Wahljahr! Man muß fragen, ob der Antrag diesem Motiv entspringt, daß man sagt, wir müssen jetzt etwas unternehmen. Wie ist es denn? Ist denn die beantragte Befreiung von der Mitverantwortungsabgabe Getreide für die Bundesrepublik Deutschland in der EG wirklich konsensfähig? Wollen Sie wissen, was in Brüssel läuft? Sie müssen uns dann sagen, ob es eine Erfolgschance gibt oder ob das den Bauern, die jetzt in Not sind, nur vorgetäuscht wird. Wir müssen in diesem Zusammenhang fragen, Herr Eigen, bei wem die Verantwortlichkeit für die Agrarpreisbeschlüsse liegt. Die Verfahrens- und Entscheidungswege sind klar. Die EG-Kommission unterbreitet unter Berücksichtigung der Gesamtlage auf den entsprechenden Märkten Vorschläge für Preise, Mitverantwortungsabgabe, flankierende Maßnahmen etc. Die Entscheidung darüber, was am Ende herauskommt, lag und liegt beim Ministerrat. Mitglied in diesem Gremium ist der Bundesminister Kiechle, stellvertretend für die Bundesregierung und sonst keiner. Das hat man bei Ihnen aber nicht herausgehört. ({0}) Herr Kittel, wir wissen, daß es mit diesen Entscheidungen nicht einfach ist. Bei der Interessenlage, die in der EG herrscht, gibt es harte Diskussionen und zähes Ringen. Das verkennen wir nicht. Weil wir dies wissen, ist es hier und heute in diesem Zusammenhang wichtig, ob der Inhalt des Antrags - damit meine ich im wesentlichen nicht die Begründung - , sondern in der Tat den Antrag, Bestandteil des Verhandlungsmandats der Bundesregierung bei den Preisverhandlungen in Brüssel in diesem Jahr ist. Ich habe davon bisher nichts gehört. Was sagen eigentlich der Finanzminister oder der Bundesaußenminister hierzu? Was wir brauchen, sind konsensfähige Lösungen. Hierzu gehört endlich auch die Anwendung der von der Bundesregierung in Brüssel mitbeschlossenen vorübergehenden Einkommensübertragungen speziell für die in Not geratenen Betriebe. Gerade für diese Betriebe sind diese vorübergehenden landwirtschaftlichen Einkommensbeihilfen geschaffen. In der Einkommensverordnung heißt es dazu wörtlich: ... unter Berücksichtigung der Schlußfolgerung des Europäischen Rates vom Februar 1988 in Brüssel ({1}) die Möglichkeit erhalten, vorübergehende Beihilfen zum landwirtschaftlichen Einkommen zu gewähren und auf diese Weise die Anpassungsbemühungen der in Schwierigkeiten geratenen landwirtschaftlichen Betriebe zu unterstützen, die auf Grund ihrer wirtschaftlichen und strukturellen Lage den Anpassungsprozeß nicht aus eigenen Kräften vollziehen können. Da nun endlich auch die erforderlichen Durchführungsbestimmungen vorliegen, steht doch der Anwendung nichts im Wege. Herr Eigen, Sie fordern nicht einmal diese Möglichkeit, die einstimmig beschlossen worden ist und die uns zusteht. Wenn das für die Bundesrepublik nicht gelten sollte, weil die Grundlage der Durchführungsbestimmungen in die bundesrepublikanische Landschaft nicht hineinpaßt, dann läßt das tief blicken. Die ideologische Abneigung der Regierung gegen produktionsneutrale Einkommensübertragungen und die Tatsache, daß nur einkommensschwache Betriebe davon profitieren und einkommensstarke davon ausgeschlossen werden, könnte der Vater des entsprechenden Handelns gewesen sein, oder besser: ihr Nichthandeln begründen. Bei den Lösungen und Hilfen müssen wir in bezug auf Getreide aber im Auge behalten: Die Getreideproduktion wird unter normalen Wetterbedingungen wieder über 160 Millionen t liegen; wieder sind Preissenkungen zu erwarten, die nicht mehr zu ertragen sind. Der technische Fortschritt bringt 2 bis 2,5 % Steigerung, die auch durch eine 3 %ige Flächenstillegung lediglich auszugleichen, nicht jedoch überzukompensieren sind. Auf Dauer ist das allein mit Flächenstillegungen nicht zu machen. Meine Meinung ist: Wir müssen uns gemeinsam unterhalten, ob Getreide nicht in den Futtertrog gehört ({2}) damit wir endlich wieder. Spielraum bekommen, mit den Amerikanern über die Substitute zu reden. Wer diese Flanke nicht dicht macht, muß zugeben, daß alle unsere Bemühungen für die Katz sind. ({3}) Wir müssen zusätzlich dafür sorgen, daß die Substitutenflanke wenigstens so weit zu ist, daß unsere verminderte Produktion nicht zu einer verstärkten Hineinnahme von Substitutén führt. Freunde, wir könnten doch darüber nachdenken, ob wir uns von der EG her am Weltmarkt nicht zurückhalten sollten, um den künstlichen Weltmarktpreis nicht auch noch mit hohen Steuergeldern zu unterbieten und damit den Bauen in Ländern der Dritten Welt keine Chance zu lassen und den Hunger zu erhöhen. Das gehört dazu; so negativ ist das. Meine Damen und Herren, was wir angesichts der Gesamtsituation und auch unter Berücksichtigung wachsender Interventionsbestände bei uns in Deutschland brauchen, sind produktionsneutrale Hilfen, abgestellt auf die speziellen Problemlagen, die wir jetzt haben können. Jetzt sind sie möglich. Machen wir das jetzt! Wir sind bereit, uns über „Mehr Getreide in den Futtertrog" zu unterhalten. Es ist angesichts der Lage der Getreidebauern eigentlich bezeichnend, daß niemand von Ihnen auch nur fordert, direkte Hilfen zu geben, die Sie selber beschlossen haben. Vielen Dank. ({4})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun hat das Wort der Abgeordnete Bredehorn.

Günther Bredehorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000256, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sinn und Zweck dieses Antrages der Koalitionsfraktionen ist, daß sich der Deutsche Bundestag heute hinter die berechtigten Interessen der wirklich um ihre Existenz ringenden deutschen Getreidebauern stellt. Mit diesem Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, bei den laufenden Preisverhandlungen im Ministerrat dafür einzutreten und durchzusetzen, daß die Mitgliedstaaten - hierzu gehört in erster Linie die Bundesrepublik Deutschland - , in der sich die Bauern in verantwortungsvoller und wirksamer Weise an der Produktionsrückführung über Flächenstillegungsmaßnahmen beteiligt haben, von der Basismitverantwortungsabgabe von 3 % befreit werden. Unsere Bauern haben diese Verantwortung schon wahrgenommen. Es kann doch nicht angehen, daß unsere Bauern ihrer Verantwortung zur Mengenbegrenzung nachkommen, indem sie rund 230 000 Hektar Fläche stillegen, während in anderen Ländern, wie z. B. in Frankreich, gerade 16 000 Hektar diesem Flächenstillegungsprogramm zugeführt werden.Von der gesamten stillgelegten Fläche in der EG von über 500 000 Hektar sind ja fast 45 % in der Bundesrepublik stillgelegt worden. ({0}) Unsere Bauern sind also zweimal betroffen. Zunächst, indem sie durch die Flächenstillegung auf Produktions- und Einkommenskapazitäten verzichten. Dann müssen sie aber, wenn die auf 160 Millionen Tonnen limitierte Getreidemenge, z. B. in diesem Wirtschaftsjahr um 0,5 %, überschritten wurde, im folgenden Jahr auch noch eine 3 %ige Preissenkung hinnehmen. Wenn also alle Partnerstaaten ihre Verantwortung wahrgenommen hätten, sich an der Flächenstillegung beteiligt hätten, wären diese 160 Millionen in diesem Jahr überhaupt nicht erreicht worden. ({1}) Bei dieser Unausgewogenheit kann und darf es nicht bleiben. Wenn alle Staaten im Umfang ihrer landwirtschaftlichen Nutzfläche Flächenstillegungsprgramme wie in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt hätten, wäre das Dilemma gar nicht entstanden. Unseren Landwirten sind keine Preissenkungen zuzumuten, wenn in anderen Mitgliedstaaten unverdrossen weiterproduziert und sich nicht an gemeinsame Absprachen und Beschlüsse gehalten wird. Die zahlreichen Proteste oldenburgisch-ostfriesischer, emsländischer und niederländischer Getreidebauern an den Grenzübergängen weisen ebenso auf die dramatische Situation in den Betrieben der Getreidebauern hin wie die Proteste der Landwirte aus Schleswig-Holstein und Dänemark, und dies, obwohl die Einkommen der deutschen Marktfruchtbetriebe im vergangenen Wirtschaftsjahr laut Agrarbericht um 29 % angestiegen sein sollen. ({2}) Da fragt sicherlich die erstaunte Öffentlichkeit, wie dieser Prozentsatz zustandekommt. Lassen Sie mich an einem Beispiel aufzeigen, wie sehr gerade im Nordseeküstenbereich, sowohl in Niedersachsen wie auch in Schleswig-Holstein, durch Preisdruckpolitik die Existenz vieler Getreidebaubetriebe in höchstem Maße gefährdet ist. Das sind meistens reine Mähdruschfruchtbetriebe. Es handelt sich also nicht um Zuckerrüben und Kartoffeln. Während im Wirtschaftsjahr 1983/84 noch ca. 53 DM je Dezitonne Weizen erzielt wurden, sind wir jetzt bei ca. 36 DM je Dezitonne angelangt. Das ist eine Differenz von rund 17 DM und ein Preisverfall in diesen Jahren um rund 31 %. Stellen Sie sich das einmal in einem anderen Wirtschaftsbetrieb vor. Diese Entwicklung - das ist ja vorauszusehen - wird weitergehen, wenn die Stabilisatorenbeschlüsse wie bisher unausgewogen und nur zu Lasten der Landwirte durchgeführt werden. Hier müssen wir das politische Steuer herumreißen; denn sonst wird der Weizenpreis 1992 bei 32 bis 33 DM je Dezitonne liegen. Das heißt, daß selbst gut strukturierte Betriebe mit 70 bis 120 Hektar Ackerfläche, geleitet von spezialisierten und bestens ausgebildeten Betriebsleitern, wo das Management und die Technik stimmt, keine Zukunftschance mehr hab en. Ich habe sehr große Sympathie und auch Solidarität für diese Landwirte, die heute auf der Straße sind und protestieren. Ich kann auch hier nur sagen: Diese Landwirte empfinden, daß dies eine destruktive Politik ist; denn es sind eigentlich Betriebe, die in der EG Zukunft hätten. Sie werden das nicht stillschweigend hinnehmen. Wir haben vorhin den Kollegen Eigen hier in seinem Temperament gesehen; er ist ja auch Getreidebauer. Ich kann Ihnen nur sagen: Dies sind wirklich gut ausgebildete Leute, die wissen, was sie wollen, und die auch ihren berechtigten Protest darbieten. Wir müssen reagieren. Deshalb fordere ich im Namen meiner Fraktion die Bundesregierung auf, keine weiteren Preissenkungen zuzulassen. Wir müssen uns in Brüssel dafür einsetzen - das tut Minister Kiechle ja auch; wir wollen ihn da unterstützen - , daß statt des Preisdrucks verstärkt bei den Mengen angesetzt wird, um auf diese Weise der Preissenkungsautomatik entgegenzuwirken. Wir von der FDP fordern deshalb erstens keine weiteren Preissenkungen. Zweitens. Das Flächenstillegungsprogramm muß EG-weit aktiviert werden. Wir fordern, daß sich alle EG-Mitgliedstaaten in gleich wirksamer Weise wie die Bundesrepublik, wie unsere Bauern, an der Produktionsrückführung über Flächenstillegungsmaßnahmen beteiligen. Drittens. Das Extensivierungsprogramm muß beschleunigt werden. Obwohl im ersten Jahr bereits rund 3 000 Betriebe mit einer Fläche von 50 000 Hektar teilnahmen, ist dies lediglich ein Anfang. Eine Anpassung der noch sehr komplizierten Vergabebestimmungen könnte dieses Programm zusätzlich beleben und attraktiver machen. Viertens. Wir brauchen mehr Getreide ins Futter. Das ist hier schon einige Male gesagt worden. Es wird nämlich immer weniger Getreide über den Futtertrog verwertet. Das hat man ja festgestellt. Ich muß auch ganz klar sagen: Die Kommission unternimmt bisher zuwenig. Wir müssen wirklich massiv darauf drängen, den Zustrom von Substituten in die EG zu beschränken oder diese wenigstens in die Getreidemarktordnung einzubinden. ({3}) - Wir müssen es gemeinsam tun. Die Substitutenfrage muß gelöst werden. Fünftens. Wir müssen weiter intensiv am Bereich der nachwachsenden Rohstoffe bleiben. Es müssen neue Absatzmöglichkeiten für landwirtschaftliche Rohstoffe außerhalb des Ernährungssektors erschlossen werden. ({4}) Die jetzige Preisdruckpolitik der EG-Kommission führt - das ist ganz klar zu sehen - zur Existenzvernichtung der Getreidebauern. Diese werden und dürfen wir nicht hinnehmen. Deshalb muß es uns endlich gemeinsam gelingen - dabei unterstützen wir die Bundesregierung, unseren Bundesminister - , die Produktionsmengen zurückzuführen, ein Marktgleichgewicht zu erreichen und damit die Existenz- und Einkommenschancen unserer Getreidebauern zu sichern. Schönen Dank. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun spricht zum Schluß der Abgeordnete Kreuzeder.

Matthias Kreuzeder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001213, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den ersten Blick glaubt man, die Regierungsfraktionen wollen einen Teil der Ungerechtigkeiten, die sie selbst geschaffen haben, wieder abbauen. Dieser Eindruck ist auch beabsichtigt; denn die Situation auf dem Getreidesektor ist für die Bauern ruinös. Jetzt glauben zu machen, durch die Befreiung von der MVA würde sich daran etwas ändern, ist Bauernfängerei. ({0}) - Dann hätten Sie das andere auch als Antrag formulieren können. ({1}) - Ich meine nicht als Vortrag, sondern als Antrag. Die Ursache für den Preisverfall bei Getreide, der die Bauern auf die Straße treibt, ist Ihre Preispolitik; Ihre, nicht die von irgend jemandem. Durch die Einführung der sogenannten Stabilisatoren als Instrument der Preissenkung, von Kiechle mit betrieben und durchgesetzt, ist diese Situation erst herbeigeführt worden; denn der bestimmende Teil der Stabilisatoren ist die Preissenkung, nicht irgendeine Nebensächlichkeit wie die Flächenstillegung; auf die komme ich auch noch zu sprechen. Die Flächenstillegung ist auch nicht dazu gedacht, die Getreideproduktion zu senken. (Susset [CDU/CSU]: Doch! In der Anhörung im Ausschuß - Sie werden sich daran erinnern - haben Ihnen alle Experten gesagt, wir müßten in fünf Jahren 30 % der Fläche stillegen, nur um den natürlichen Produktionszuwachs abzufedern. ({2}) Jetzt machen Sie den Leuten vor: Wenn die Flächenstillegungen durchgeführt werden, funktionieren die Stabilisatoren. Das ist - wie sagt man da? - Lüge, fast. ({3}) Die Stillegung von Anbauflächen ist keine tatsächliche Verringerung der Getreideerzeugung. Der Ertragszuwachs, der sich aus dem jährlichen Produktionsfortschritt ergibt, gleicht das aus und bringt eine Steigerung der Erzeugung. Der Wegfall der MVA motiviert Massenproduzenten zu einer Produktionssteigerung. Der Einkommensabstand zu den Kleinerzeugern vergrößert sich durch den Preisdruck und durch den Wegfall der MVA-Erstattung an Kleinerzeuger. Die Agrarpolitik der Regierung ist ein Chaos. Die Getreidepreise machen die landwirtschaftlichen Betriebe kaputt. Immer mehr Bauern müssen aufhören; das können Sie ja nicht bestreiten. Von der Umweltzerstörung gerade im Getreideanbau durch Intensivierung bis hin zu den Genforschungsvorhaben des Landwirtschaftsministeriums, die ja als Forschungsvorhaben im Haushalt festgemacht sind, haben Sie heute nicht gesprochen. Auf der einen Seite fordern Sie Reduktion der Getreideerzeugung. Auf der anderen Seite fördern Sie mit Mitteln aus dem Agrarhaushalt Maßnahmen, die zur Explosion in der Getreideproduktion führen. Das alles wird von Ihnen links oder rechts liegengelassen. Die Flächenstillegung selbst zerstört die ländlichen Strukturen. Die Förderung nachwachsender Rohstoffe verschärft den Preisdruck und die Umweltbelastungen. ({4}) Der Druck auf dem Weltmarkt macht Märkte und Preise auch in der Dritten Welt kaputt. In diesem Zusammenhang ist die von den Regierungsparteien vorgeschlagene Aufhebung der MVA Kosmetik. Der Landwirtschaftsausschuß des Europäischen Parlaments geht schon weiter. Er lehnt Preissenkungen und MVA ab. Das würde dann den Preisdruck wenigstens nicht weiter verschärfen, aber den kleineren Betrieben auch nicht das Überleben ermöglichen. Deshalb fordern wir, daß die automatische Preissenkung über die sogenannte Stabilisatoren-Regelung aufgehoben wird. Wir fordern also nicht bloß den Wegfall der MVA, sondern die Einstellung der Förderung der Flächenstillegung, weil sie auch in Zukunft von den meisten Mitgliedstaaten der EG nicht ernsthaft durchgeführt wird. Wir fordern statt dessen die Förderung einer Ökologisierung der Landwirtschaft, wie sie auch der Agrarausschuß des Europaparlaments verlangt. Wir fordern weiter die Ref ormierung des EG-Agrarpreissystems in Form der Einführung gestaffelter Erzeugerpreise: für eine Grundmenge Getreide pro Betrieb, auf ökologischer Basis produziert, einen höheren Preis, damit allen Betrieben, vor allem den kleinen und mittleren, das Einkommen gesichert werden kann. Dafür sollten sich Sie und der Minister bei den Preisverhandlungen 90/91 einsetzen. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Kreuzeder, bei Ihnen bedanke ich mich, daß Sie es mir durch das Wort „fast" erspart haben, Sie zu rügen; bei den anwesenden Agrarpolitikern, daß Sie die Geduld gehabt haben, bis zum Ende auszuharren. Dies gilt natürlich um so mehr für diejenigen, die der Agrarpolitik nicht verbunden sind. Ich lasse nunmehr über die Vorlage abstimmen, und zwar soll sie an den Ausschuß überwiesen werden, der in der Tagesordnung aufgeführt ist. - Widerspruch erhebt sich nicht. Dies ist beschlossen. Damit sind wir am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 8. März, 9 Uhr ein und wünsche Ihnen noch einen vergnügten Abend.