Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/9/1990

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Ich eröffne die 195. Sitzung des Deutschen Bundestages. Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 11/6336 über Gebühren für die Benutzung von Bundesfernstraßen mit schweren Lastfahrzeugen sowie um das Jahresgutachten 1989/1990 des Sachverständigenrates auf Drucksache 11/5786 zu erweitern. Eine Aussprache soll nicht stattfinden. Sind Sie mit der Erweiterung einverstanden? - Dann ist es so beschlossen. Ich rufe auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Gebühren für die Benutzung von Bundesfernstraßen mit schweren Lastfahrzeugen - Drucksache 11/6336 Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf auf Drucksache 11/6336 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Verkehr und zur Mitberatung an den Finanzausschuß, den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie zur Mitberatung und zur Beratung gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ich rufe nun auf: Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresgutachten 1989/90 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - Drucksache 11/5786 Es wird vorgeschlagen, die Vorlage auf Drucksache 11/5786 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Wirtschaft und zur Mitberatung an den Finanzausschuß, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Sind Sie mit der Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 11/6336 und der Vorlage auf Drucksache 11/5786 an die genannten Ausschüsse einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 und Zusatztagesordnungspunkt 12 auf: 17. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Weltweites Chemiewaffenverbot: Notwendige Initiativen nach der Pariser Konferenz - Drucksache 11/4054 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß ({0}) Ausschuß für Wirtschaft Verteidigungsausschuß ZP12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Erler, Büchner ({1}), Diller, Gerster ({2}), Dr. Götte, Ibrügger, Koschnick, Dr. Kübler, Leonhart, Müller ({3}), Pauli, Dr. Pick, Reimann, Dr. Scheer, Scherrer, Sielaff, Terborg, Adler, Weiler, Bahr, Erler, Fuchs ({4}), Horn, Dr. Klejdzinski, Dr. Scheer, Dr. Soell, Stobbe, Verheugen, Voigt ({5}), Dr. von Bülow, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Unterrichtung von Öffentlichkeit und Parlament über die Planung und Vorbereitung des Abzugs amerikanischer C-Waffen aus der Bundesrepublik Deutschland - Drucksache 11/6310 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuß ({6}) Verteidigungsausschuß Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die gemeinsame Beratung eine Stunde vorgesehen. - Auch dazu sehe ich keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Scheer.

Dr. Hermann Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD hat im Anschluß an die Pariser Konferenz zur Problematik chemischer Waffen, die im Januar 1989 stattfand, einen umfassenden Antrag für ein weltweites Chemiewaffenverbot gestellt, ausgehend von der ganz offensichtlichen politischen Erkenntnis, daß es nicht mehr möglich ist, das Problem der Chancen für eine Abrüstung chemischer Waffen bzw. der dieser gegenüberstehenden Hindernisse alleine in Genf bei den Chemiewaffenverhandlungen zu behandeln. Es handelt sich nicht nur um ein ver15010 handlungstechnisches Problem, sondern es handelt sich in ganz starkem Maße um ein politisches Problem. Unser Vorwurf an die Bundesregierung ist nicht, daß sie bei den Genfer Verhandlungen nicht seriös mit verhandeln würde. Das tut sie mit durchaus konstruktiven Beiträgen. ({0}) Dieses erkennen wir selbstverständlich an. Die Frage ist aber, ob der politische Handlungsrahmen, den die Bundesregierung in dieser Frage hat, ausreicht. Darauf ist unsere Antwort nein. Eine weitere Frage ist, ob nicht andere Unterlassungen bzw. Schritte der Bundesregierung mitverantwortlich dafür waren, daß die Chemiewaffenabrüstung bis heute noch nicht zu einem Ergebnis geführt hat, obwohl dies seit Jahren versprochen worden ist. Deswegen ist es ganz gut, an dieser Stelle einmal in Erinnerung zu bringen, wie seit Jahren vom Bundesaußenminister in dieser Frage falsche Hoffnungen geweckt werden und damit immer wieder eine Beruhigung der Öffentlichkeit ({1}) in Verbindung mit einer Ablenkung von den tatsächlichen Problemen stattfindet. Wenn Sie sagen, Herr Feldmann, das sei ein böser Vorwurf, dann möchte ich einmal zitieren. ({2}) - Gut, dann warten Sie einmal. Vielleicht können Sie noch ein bißchen Luft holen, um dann wieder zu antworten. Am 22. Juli 1986 erklärte Bundesaußenminister Genscher: „Wir treten ein für ein weltweites Verbot chemischer Waffen, das uns in absehbarer Zeit, jedenfalls aber vor dem 1. Dezember 1987, erreichbar scheint. " 1986: Das war Bundestagswahlkampf. Am 20. November 1987 erklärte er: „Die Fragen, die anstehen, sind nur noch von technischem Charakter. " Am 17. Januar 1988 erklärte er: „Ich glaube, daß wir bei den chemischen Waffen in sehr naher Zukunft ein Abkommen erreichen können." Am 11. Juni 1988 erklärte der Bundesaußenminister: „Bei nachdrücklichem Einsatz aller Beteiligten ist ein Abkommen noch in diesem Jahr möglich. " Jetzt haben wir das Jahr 1990. Wann denn nun ein Abkommen möglich ist ({3}) und wann es nun tatsächlich dazu kommt, ist immer noch genauso unklar wie vor zwei, drei oder vier Jahren. Das heißt, die Öffentlichkeit wird wirklich unzureichend über den tatsächlichen Verlauf informiert. Es geht hier nicht nur um die Verifikationsproblematik, die einer Lösung angeblich immer noch entgegensteht, sondern es geht um ein politisches Problem, wie bei der schon genannten Konferenz im Januar 1989 offenkundig wurde. Zu diesem Zeitpunkt war klargeworden, daß auch mit Hilfe deutscher Firmen in Libyen eine Chemiewaffenproduktion auf den Weg gebracht worden ist. Das kann ja wohl niemand mehr bestreiten. Es kam ja auch zu entsprechenden Verhaftungen. Es' war auch bekannt geworden, daß die Chemiewaffenproduktion und der Chemiewaffeneinsatz des Irak mit Hilfe deutscher technischer Lieferungen erfolgt sind. Es ist absolut eindeutig, daß der Vorgang der Chemiewaffenrüstung auch mit Hilfe deutscher Lieferungen, die politisch wegen fahrlässiger Mißachtung der notwendigen Kontrollen nicht unterbunden wurden, die Chemiewaffenabrüstung mehr blockiert hat als alles andere. Das ist ganz offensichtlich. ({4}) Es ist ganz offenkundig: Von dem Augenblick an, wo einige Länder zusätzlich in den Besitz von Chemiewaffen kommen - das ist im arabischen Raum passiert - und diese Waffen sogar einsetzen, müssen sich andere Länder geradezu motiviert fühlen - und zwar die Länder, die mit den anderen arabischen Ländern in Konflikt stehen, die bereits chemische Waffen haben - , selbst chemische Waffen zu produzieren oder aber, wenn sie sie schon haben, die Produktion aufrecht zu erhalten und den Kontrollmöglichkeiten und den Zusicherungen der Länder, die sich hier in Europa oder in den USA für eine Abrüstung einsetzen, nicht mehr so recht zu trauen. Sie trauen vielleicht den Absichten. Sie trauen aber nicht mehr in der Hinsicht, ob es überhaupt noch möglich wäre, eine wirkliche Chemiewaffenabrüstung durchzuführen und eine weitere Rüstung durch andere zu verhindern. Deswegen sind alle Bemühungen, die die Bundesregierung in Genf bei der Lösung technischer Fragen positiv mitzuverantworten hat, im Grunde genommen durch eigenes Versagen in den anderen genannten politischen Feldern - die Unfähigkeit, den Export von Chemiewaffenmaterialien in arabische Länder zu verhindern - umgestoßen und kaputtgemacht worden. ({5}) Herr Feldmann, wenn ausgerechnet von der Bundesrepublik Deutschland, von der verbal seit Jahren starke Initiativen für eine Chemiewaffenabrüstung ausgehen, Chemiewaffenmaterialien in andere Länder exportiert werden und dies offensichtlich nicht unterbunden werden konnte und bis heute noch keine ausreichenden Initiativen ergriffen worden sind, weitere Exporte zu verhindern, wenn ausgerechnet von dem Land, um das zu wiederholen, das sich verbal so für die Chemiewaffenabrüstung einsetzt, die Chemiewaffenrüstung durch diese Art der Exporte gefördert wird, dann ist diese Politik schlecht gewesen. Sie ist widersprüchlich, und man hat mit der einen Hand umgestoßen, was mit der anderen aufgebaut werden sollte. Das ist der politische Vorgang. ({6}) Daran kommen Sie nicht vorbei. Deswegen müssen die Regierungsparteien sich natürlich hier der Frage stellen, warum sie noch am Mittwoch, vor zwei Tagen, nachdem bekanntgeworden ist, daß Libyen jetzt sogar schon Chemiewaffen produziert, den SPD-Antrag zur Kontrolle von Kriegswaffenexporten immer noch ablehnen. Warum machen Sie das? ({7}) Sie haben diesen Antrag, in dem auch Kontrollbestimmungen enthalten sind, strengere Regelungen enthalten sind, die künftige Fälle unterbinden können, erneut abgelehnt. Dazu müssen Sie bitte Stellung nehmen. Warum tun Sie das? ({8}) Es gibt auch andere Fragen, die in dem Zusammenhang genannt werden müssen. Welche Sanktionen - auch hiervon spricht der Außenminister immer wieder, etwa auf der Pariser Konferenz - sind eigentlich gegenüber den Ländern ergriffen worden, die C-Waffen eingesetzt haben? Es ist vollkommen richtig - das hat Herr Genscher gesagt -, daß dieses ein Beitrag zum Völkermord ist. Das sagen wir auch in unserem Antrag. Der Export von C-Waffen-Materialien mit dem Ziel, in den entsprechenden Ländern, bei den Importeuren C-Waffen zu produzieren, und der Einsatz dieser Waffen ist ein Verbrechen gegen die menschliche Existenz, und bereits der Export ist eine Beihilfe zum Völkermord. Dies ist doch wohl eindeutig. ({9}) Dann hieß es großmundig: Wenn einer sich an so etwas beteiligt oder so etwas macht, müssen Sanktionen dagegen ergriffen werden. Welche Sanktionen hat die Bundesregierung gegenüber dem Irak ergriffen - das müssen wir fragen - , nachdem dieser C-Waffen eingesetzt hat, die mit Hilfe deutscher technischer Lieferungen produziert worden sind? ({10}) Keine Sanktionen; das ist der Tatbestand. Welche Maßnahmen sind gegenüber den Verantwortlichen bei bundesdeutschen, bundeseigenen Unternehmen ergriffen worden, die an diesem Export sogar beteiligt waren? Sind diese Leute noch im Amt oder nicht? ({11}) Welche Initiativen hat die Bundesregierung ergriffen, um an dieser Stelle endlich glaubwürdig zu werden? Sie hat keine Initiativen ergriffen. Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung verbessert, um eine Lieferung zu unterbinden? Sie hat in dieser Frage wiederum nichts getan. Welche Initiativen hat die Bundesregierung ergriffen, um z. B. jetzt zu sagen, daß chemische Waffen nicht mehr zum NATO-Streitkräfteziel gehören sollen, nachdem die Bundesregierung 1986 dem erst zugestimmt hat, als es angeblich darum ging, noch in jenem Jahr einen C-Waffen-Abrüstungsvertrag zu erreichen?

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Abgeordneter Dr. Scheer, Ihre Redezeit ist beendet.

Dr. Hermann Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich fasse zusammen. Die Abrüstungspolitik betreffend C-Waffen ist verbal sehr stark, sie ist aber unzusammenhängend, sie ist widersprüchlich, und für die Selbstblockade dieses Abrüstungsprozesses sind Sie leider mit verantwortlich. ({0})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Lummer.

Heinrich Lummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Und ich habe gedacht, es hätte heute so ein schöner Tag werden können! Aber es ist so schwierig, Herr Kollege Scheer, wenn dann, wenn man sich mit einem Thema beschäftigt, bei dem man guten Gewissens eine hochgradige Gemeinsamkeit in den Grundauffassungen feststellen kann, ({0}) hier der krampfhafte Versuch gemacht wird, Gegensätze zu konstruieren, wo offensichtlich gar keine sind, und wenn sowohl die Gesetze der Logik als auch die der politischen Vernunft außer acht gelassen werden. Zu einem Punkt will ich Stellung nehmen, was mir um so leichter fällt, als ich mir gestern das Vergnügen gemacht habe, Äußerungen sozialdemokratischer Politiker zum Thema „deutsche Einheit" aus den letzten fünf bis zehn Jahren zu studieren. ({1}) Das war schon amüsant zu lesen. ({2}) - Nein, die Quintessenz ist doch die, daß die Sozialdemokraten offenbar, weil der Wunsch der Vater des Gedankens war, die Einheit verworfen und die Zweistaatlichkeit proklamiert haben. ({3}) Sie haben das mit vielen bösen und manchmal mit komischen Worten belegt. ({4}) Hier aber haben sie unterstellt, der Bundesaußenminister, den Sie ja häufig zitiert haben, habe mit den Hoffnungen, die er über den Abschluß eines generellen C-Waffen-Verbots vermittelt hat, nicht nur die Öffentlichkeit irritiert und verunsichert; Sie haben ihm zum Vorwurf gemacht, daß er damit möglicherweise auch bewußt die Verhandlungen letztendlich verzögert habe. ({5}) Es ist richtig, daß diese Äußerungen von uns häufig nach dem Prinzip Hoffnung gemacht worden sind: Wir hoffen, daß es in diesem Jahr ... So war es 1987, 1988, 1989. Das haben viele gesagt. ({6}) Ich will das hier nur deshalb sagen, weil unsere Hoffnung die Triebfeder für die Aussage war: Wir wünschen uns, daß es jetzt so schnell wie möglich passiert, und wir sehen auch die Chance, daß es so schnell wie möglich passiert. ({7}) Wir sind enttäuscht worden. Das ist doch offensichtlich. Wir sind wirklich enttäuscht worden. ({8}) Aber diese Enttäuschung ist - und das reimt sich nun auch nicht mit dem zusammen, was Sie gesagt haben - allgemein. Daraus können Sie nicht ableiten, die Bundesregierung habe nicht ausreichend an dem Erfolg der Verhandlungen mitgewirkt. Letztendlich haben Sie ja sogar ausdrücklich bestätigt, daß die Bundesregierung bei diesem Thema gewissermaßen besonders engagiert ist, und das läßt sich trotz der Pannen, die passiert sind, durchhalten. Ich erinnere mich z. B. noch daran, mit welcher Skepsis die Sozialdemokraten die Pariser Konferenz im Vorfeld begleitet haben. ({9}) - In dem Antrag steht ja nun Gott sei Dank, daß Sie das Ergebnis, daß Sie den Erfolg der Pariser Konferenz begrüßen. Ihre Skepsis mag am Anfang schon verständlich gewesen sein, aber Sie sehen, die Bundesregierung hat sich für diese Konferenz eingesetzt, und diese Konferenz ist eine Triebfeder für das gewesen, was in Genf geschieht. ({10}) Ich sage es noch einmal, auch wenn es vielleicht nicht eintritt: Wir haben heute mehr als vor Jahresfrist die Hoffnung, daß noch in diesem Jahr ein Abschluß in Genf möglich ist. ({11}) Ich hoffe, daß es nicht wieder zu einer Enttäuschung kommt. Ich weiß ja, Herr Dr. Soell, wie das ist, aber es bleibt uns ja nur die Möglichkeit, mit allem unserem Engagement dafür zu arbeiten, daß es möglichst schnell zu einem Abschluß kommt. ({12}) Meine Damen und Herren, was diesen Punkt betrifft, sind wir wirklich das, was man „Absolutisten" nennen mag. Wir möchten, daß es generell passiert, und wir möchten, daß es möglichst sofort passiert. ({13}) Das ist unsere Politik, und zu der stehen wir auch. Nun ist in diesem Antrag etwas über die amerikanischen C-Waffen in der Bundesrepublik gesagt. Wir haben eine bindende Zusage. Manche haben in Zweifel gezogen, ob diese Zusage nach dem Präsidentenwechsel noch gelten würde. Davon können wir mit gutem Grund ausgehen, und wir können auch mit gutem Grund davon ausgehen, daß man in diesem Jahr mit dem Abzug beginnt und daß wir im Jahre 1992 darüber nicht mehr reden müssen. Ich möchte unterstreichen, daß das unser Wunsch und Wille ist. Es bleibt auch unser gemeinsames Bemühen, das Instrumentarium zu verbessern, das den Export von Materialien, die zum Herstellen von C-Waffen benötigt werden oder verwendet werden können, verhindert. ({14}) - Ich bitte um Entschuldigung, die Bundesregierung hat, nachdem jene bekannten Pannen uns auch vermittelt worden sind, ({15}) die entsprechenden gesetzlichen Schritte vorbereitet; sie liegen dem Parlament zur Beratung vor. Dies ist eine schwierige Materie. Aber der Bundesaußenminister hat in der letzten Sitzung des Auswärtigen Ausschusses mit aller Deutlichkeit und Dringlichkeit darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung so schnell wie möglich die parlamentarischen Beratungen beendet wissen will, damit dieses Instrumentarium erfolgreich angewendet werden kann. Ich glaube, das ist auch eine einvernehmliche Meinung; denn es ist nun wirklich eine wirklich verdammt schmerzliche Situation, wenn ausgerechnet ein Parlament und eine Regierung, die sich gewissermaßen an der Spitze der Bewegung, des Kampfes gegen die Chemiewaffen sehen wollen, ({16}) durch solche Dinge in ihrer poliltischen Glaubwürdigkeit und im Handeln beeinträchtigt werden. Deswegen werden wir alles tun, um eine solche Situation in der Zukunft zu verhindern. ({17}) - Daß Ihr Geist schwach ist, das habe ich schon lange gemerkt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Abgeordneter Lummer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Scheer?

Heinrich Lummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön, Herr Scheer.

Dr. Hermann Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Lummer, wenn Sie bestätigen, daß es dringend ist, daß nun endlich gesetzliche Regelungen kommen müssen, warum appellieren Sie dann nicht an die Kollegen aus Ihrer eigenen Fraktion, den Gesetzentwürfen von uns, die schon lange vorlieDr. Scheer gen - wir haben nicht so lange gebraucht wie Sie -, zuzustimmen? ({0})

Heinrich Lummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Scheer, ich habe schon viele Gesetzentwürfe der SPD gelesen und habe gelegentlich bedauerlicherweise feststellen müssen, daß sie manchmal nicht hinreichend ausgereift ({0}) und nicht verabschiedungsfähig sind. Das ist der Grund, warum wir uns die Zeit nehmen müssen, Gesetze zu machen, die dann auch vor der Geschichte und vor der Wirklichkeit Bestand haben. Das ist es, worum es an dieser Stelle geht. Ihre Initiative in allen Ehren, auch was diesen Antrag aus dem Februar 1989 anbetrifft. Aber auch darin sind einige Punkte enthalten, die nach meinem Dafürhalten nicht hinreichend ausgereift sind. ({1}) Deswegen sage ich auch: Wir sind gerne bereit, diesen Antrag zu beraten - wir hätten ihn vielleicht schon längst beraten sollen -, ({2}) aber es sind einige problematische Punkte darin enthalten, gerade was das wirklich wichtige Kapitel der Sanktionen anbetrifft. Herr Scheer hat Bedenken hier so weggewischt, als könne die Bundesregierung, wenn Irak oder Libyen irgend etwas tun, Sanktionen verfügen, und dann sei alles in der Welt in bester Ordnung. Nein, so einfach ist das nicht; ({3}) wir müssen vielmehr auch die internationale Staatengemeinschaft einbinden. Als einmal der Fall eingetreten ist, daß ein Land Sanktionen verfügt hat, die Vereinigten Staaten in Panama, ist doch bei Ihnen gleich das große Heulen ausgebrochen. Man muß beide Seiten sehen, auf der einen Seite die Problematik eines solchen Eingriffes in die Souveränität eines Staates, auf der anderen Seite aber auch unsere Situation, immer wieder hilflos zusehen zu müssen, wie irgendwelche Verbrecher, ob in Panama oder Libyen oder sonstwo, böse Dinge tun und die Staatengemeinschaft nicht reagiert. Die Amerikaner haben vorher alles versucht gehabt und sind dann diesen Weg gegangen. Wir machen manchmal die wirklich bittere Erfahrung der Hilflosigkeit. Ich sage auch an dieser Stelle, bezogen auf diesen Komplex, noch einmal in aller Deutlichkeit: Gerade die Punkte 10 und 11 Ihres Antrages stoßen bei mir auf Sympathie. Sie verdienen, besonders ernst genommen zu werden; denn bisher hat die Staatengemeinschaft nicht das notwendige Instrumentarium für Sanktionen in solchen Fällen entwickelt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Abgeordneter Lummer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Götte?

Heinrich Lummer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001396, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, nun nicht mehr. Ich möchte mir an dieser Stelle noch eine Überlegung erlauben, von der ich glaube, sie könnte uns etwas weiterbringen: Das eine sind natürlich die Sanktionen. Das ist der Druck von außen. Das ist der Versuch, den anderen als den Bösewicht hinzustellen. Manchmal funktioniert aber in der internationalen Politik auch ein anderer Weg, der, daß man versucht, den Betroffenen in die Verantwortung einzubinden. ({0}) Sie wissen, daß weder der Irak noch Libyen an den Verhandlungen in Genf beteiligt sind. Ich frage mich, ob es nicht einen ernsthaften Versuch wert wäre zu erreichen, daß diese beiden Staaten mit an den Verhandlungstisch in Genf kommen; denn dadurch würde die Möglichkeit gegeben sein, sie in die Verantwortung bei den Verhandlungen einzubinden und auch einen gewissen moralischen Druck auszuüben. Wir sollten vielleicht einmal dem Auswärtigen Amt antragen, diesen Versuch zu machen. Das könnte ein Stück des Erfolges bringen. Es ist wichtig, Herr Scheer, die Frage nach dem zu stellen, was deutsche Firmen getan haben und wo unsere Verantwortung liegt. ({1}) Aber das wirklich Wichtige ist der Versuch, die Menschheit vor der Geißel der Chemiewaffen zu bewahren. Das heißt, zu dem generellen Verbot der Produktion, der Weitergabe, der Lagerung und der Anwendung gibt es letztendlich keine Alternative. Das müssen wir mit aller Intensität zu erreichen versuchen. ({2}) Unsere Hoffnung ist, neue Ideen und neue Wege zu finden, um das Thema der Sanktionen zu behandeln. Jedenfalls ist es schlimm anzusehen, wenn solche Länder, die das Genfer Protokoll verletzen, sich dies in der internationalen Gemeinschaft leisten können, ohne ihre Reputation absolut zu verlieren und ausgeschlossen zu werden. ({3}) Meine Damen und Herren, ich denke, daß wir die Möglichkeit haben, diese Themen gründlich zu behandeln, und ich weiß, daß wir uns im Prinzip - trotz der Worte des Kollegen Scheer - einig sind. Ich darf das noch einmal unterstreichen, was der Kollege Scheer eingangs gesagt hat: Wir wissen die Bundesregierung mit allem ihrem Engagement an unserer Seite. ({4})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Beer.

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Begriff chemische Waffen verbindet die Öffentlichkeit grausame Erinnerungen an die deutsche Vergangenheit sowie schreckliche Bilder von Giftgasopfern. Da mag es um so mehr verwundern, daß seit Jahren - Herr Scheer hat es erwähnt - vor allem in Wahlkampfzeiten von den Bundesregierungen gesagt wird: Wir stehen kurz vor dem Abschluß eines weltweiten C-Waffenverbots. - So auch heute. Die Bundestageswahl steht bevor. Der Antrag der SPD zeigt eine Reihe sehr notwendiger Initiativen auf. Einige Probleme könnten allerdings schon heute beseitigt sein, wenn die SPD-Regierung damals die gleiche Position vertreten hätte wie heute die SPD in der Opposition. ({0}) Ich will die heutige Debatte nutzen, um zwei Tatbestände hervorzuheben. Vor allem Außenminister Genscher ist es zu verdanken, daß auf dem internationalen Teppich der gutklingenden diplomatischen Schwüre die Bundesregierung als treibende Kraft für ein solches Verbotsabkommen gelobt wird. ({1}) So auch bei der Pariser Konferenz im Januar 1989. Ich zitiere aus dem Jahresabrüstungsbericht der Bundesregierung: Die Delegation der Bundesrepublik Deutschland wurde von Bundesminister Genscher geleitet, der sich am 9. Januar 1989 vor dem Plenum nachdrücklich für ein baldiges weltweites Verbot . . . des Problems chemischer Waffen einsetzte. Ihm ist es allerdings ebenso zu verdanken, daß Negativschlagzeilen über die Beteiligung bundesdeutscher Firmen an der C-Waffenproduktion z. B. im Irak oder in Libyen schnell wieder in Vergessenheit geraten. Einige davon will ich hier in Erinnerung rufen. Die Aufdeckung des Skandals Ende 1988, daß bundesdeutsche Firmen am Bau der Giftgasfabrik im libyschen Rabta mitgewirkt haben, führte zur Empörung im In- und Ausland. Herrn Genscher ist es gelungen, mit weitgehenden Versprechungen zur Strafverschärfung gegen solche Vorgänge und mit besorgten Worten auf der Pariser Konferenz die Wogen dieser Entrüstung zu glätten. Ein Jahr später: Das Magazin „Panorama" berichtete am 12. Dezember 1989, daß dem Auswärtigen Amt und somit der Bundesregierung spätestens seit dem 5. Juli 1985 bekannt war, daß die Firma Imhausen, Lahr, unter Beteiligung des bundeseigenen Konzerns Salzgitter AG chemische Anlagen zur Herstellung des Giftgases in Libyen baut und daß dort nunmehr erhebliche Mengen Lost produziert werden. Mein Name ist Genscher - ich weiß von nichts. - Nein, meine Damen und Herren, so einfach geht es nicht. Eine Bundesregierung, die die Mitverantwortung dafür trägt, daß nun ein weiteres Land, nämlich Libyen, im Besitz dieser grausamen Waffen ist, eine Regierung, die für die Giftgasopfer im irakisch-iranischen Krieg mitverantwortlich ist, weil auch dort bundesdeutsche Firmen diese C-Waffenproduktion ermöglicht haben, muß sich fragen lassen, wie ernst sie es denn wirklich mit diesem Bemühen für ein weltweites C-Waffenverbot meint. Folgenlose Erklärungen bei internationalen Konferenzen abzugeben ist die eine Sache. Die Anwendung des Außenwirtschaftsgesetzes und endlich die Durchführung der versprochenen Strafverschärfungen gegen bundesdeutsches Profitinteresse, das am Geschäft mit dem Tod verdient, ist eine andere Sache. Aber wir brauchen gar nicht bis nach Afrika zu sehen, um festzustellen, daß die Bundesregierung das Parlament und die eigene Bevölkerung in skandalöser Weise täuscht. Die Bundesregierung versucht alles zu tun, um den Abzug von ca. 7 000 Tonnen chemischer Waffen aus der Bundesrepublik unter Ausschluß der Öffentlichkeit - quasi in einer Nacht- und Nebelaktion - zu bewerkstelligen. Man muß sich einmal ganz konkret vorstellen, was das heißt, 7 000 Tonnen, die ja nichts weiter sind als hochgiftiger tödlicher Sondermüll, abgefüllt und in Munitionshülsen verpackt von Rheinland-Pfalz quer durch die Bundesrepublik bis zur Nordsee zu transportieren. Da werden irgendwann - wahrscheinlich im Sommer dieses Jahres, so wird uns versprochen - Hunderte von Lastwagen mit hochgiftigen Kampfstoffen über bundesdeutsche Straßen fahren. Ein Unfall auch nur von einem dieser Lastwagen würde die Tanklastzugkatastrophe von Herborn weit in den Schatten stellen. ({2}) Dieser hochgiftige chemische Sondermüll ist als Kampfstoff nur noch für die eigene Bevölkerung eine Gefahr. Es ist unverantwortlich, diese tödliche Fracht durch die halbe Republik transportieren zu wollen, ({3}) ohne die Bevölkerung, die beteiligten Gemeinden und Kommunen und die Katastrophenschutzverbände umfassend zu informieren. Begründet wird dies u. a. mit der Gefahr terroristischer Anschläge und der Vermeidung unnötiger Angst in der Bevölkerung. Angesichts der konspirativen Machenschaften eines bundeseigenen Unternehmens frage ich mich: Wo sitzen eigentlich die Terroristen, die die Bevölkerung bedrohen? ({4}) Durch Ihre Desinformationspolitik schüren Sie berechtigte Ängste bei den Menschen in RheinlandPfalz. Gehen Sie doch einmal ins rheinland-pfälzische Clausen, und fragen Sie die dort wohnenden Menschen, was in ihrem Ort nach der Veröffentlichung im „Spiegel" über ein mögliches C-Waffen-Depot in Clausen los war. ({5}) Und wenn Sie noch nicht einmal dazu bereit sind, dann überlegen Sie, was Sie den Menschen von dem dortigen Bürgerappell erzählen, wenn diese am 15. Februar hier nach Bonn kommen, um 17 000 Unterschriften mit der Forderung nach Offenlegung zu überreichen. ({6}) Weigern Sie im Bundeskanzleramt sich nicht länger, diese Menschen zu empfangen! Sie wollen sie abschieben. Diese 17 000 Unterschriften sind das Resultat Ihrer Verunsicherungspolitik. Diese Politik, die das Volk nur noch als Stimmvieh instrumentalisiert und ansonsten die Menschen von lebenswichtigen Entscheidungen ausklammert, ist unverantwortlich. ({7}) Hier geht es nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie. Auf dieses Wie Einfluß zu nehmen, ist unsere Aufgabe hier. Die Fraktion DIE GRÜNEN wird, um diesen Anspruch deutlich zu machen, am 25. Mai ein Hearing zu diesen Fragen durchführen. Beenden Sie Ihre Kampagne der Desinformation! Nehmen Sie die Anliegen der betroffenen Menschen ernst, und legen Sie die Abzugspläne offen! ({8}) Lehnen Sie die Neustationierung binärer chemischer Waffen hier ab! Diese Schritte, verbunden mit einer restriktiven Anwendung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Durchsetzung der Verschärfung, um Proliferationen chemischer oder binärer waffenfähiger Stoffe an andere Länder zu verhindern, sind die Voraussetzung, um zu einem weltweiten C-Waffen-Verbot zu kommen. Fordern Sie die NATO auf, den Einsatz von C-Waffen aus ihrer Einsatzstrategie zu streichen! Verpassen Sie nicht die Dynamik der Entwicklung in Osteuropa! Geben Sie endlich das Festklammern an der atomaren Abschreckung auf, und verzichten Sie auf die Ausbeutung der Länder der sogenannten Dritten Welt! Erst dann wird es möglich sein, diesem Wunsch der Menschheit nach einem weltweiten Verbot der chemischen Waffen und der Ehre der Todesopfer durch grausame Giftgaseinsätze gerecht zu werden. Produzieren Sie nicht immer neue Widersprüche! Zunächst hieß es, 1990 werde alles abgezogen. Heute heißt es: spätestens 1992. Üben Sie nicht den Krieg in Rheinland-Pfalz durch Entgiftungsmanöver im Kampfgasanzug! Hören Sie endlich auf, uns auf den Arm zu nehmen! ({9})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Feldmann. ({0})

Dr. Olaf Feldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Genauso ist es, Herr Kollege Scheer. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben uns hier im Plenum des Deutschen Bundestags schon öfter mit C-Waffen beschäftigen müssen. ({0}) - Weil es ein schwieriges Problem ist. Wir sind uns aber in einigen Fragen immer einig gewesen, Frau Kollegin. Wir waren uns einig, daß die C-Abrüstung gerade für uns Deutsche von besonderer Bedeutung sind. Wir waren uns immer einig, daß nicht nur der Ersteinsatz, sondern auch die Herstellung und der Besitz von C-Waffen durch ein umfassendes und weltweit zuverlässig verifizierbares Abkommen verboten werden muß. ({1}) - Ja, viel. Wir waren uns auch einig darüber, daß die auf deutschem Boden lagernden C-Waffen möglichst schnell abgezogen werden müssen. Auch in einem dritten Punkt waren wir uns einig, nämlich daß strengere Exportkontrollen notwendig sind. ({2}) - Das freut mich, Herr Kollege Erler. C-Waffen taugen nicht zur Abschreckung. Wir brauchen weder Abschreckung auf jeder Ebene, noch brauchen wir eine Perfektionierung der Abschrekkung. ({3}) Gefordert ist vielmehr, die Chancen zur Überwindung der Abschreckung zu nutzen. Frau Kollegin Beer, es geht darum, Grundsteine für eine europäische Friedensordnung zu legen. Das ist ein Prozeß; das kann man nicht von heute auf morgen durchziehen. Trotz aller Polemik, Herr Kollege Scheer: 1990 muß - darum werden wir uns weiter bemühen, gerade zu Anfang dieses Jahres - zum Jahr der Abrüstung werden. Gerade gestern ist - Sie haben es mitbekommen; es wurde im Unterausschuß für Abrüstung und Rüstungskontrolle vorgetragen - ein Durchbruch in Wien erzielt worden. ({4}) Von der Pariser Konferenz im Januar 1989 sind bereits wichtige politische Impulse ausgegangen. Viele Ihrer Forderungen in Ihrem Antrag sind aber bereits überholt worden, so die Forderung, das Ziel eines weltweiten C-Waffen-Verbots auf breiter internationaler Basis zu bestätigen. Das Junktim zwischen C-Waffen und der nuklearen Abrüstung ist vom Tisch. Auf der Konferenz in Canberra hat die Industrie zugesagt, die Genfer Verhandlungen zu unterstützen und zu diesem Zweck ein Industrieforum zu schaffen. Wichtige Fortschritte sind vor allem in bilateralen Gesprächen zwischen den USA und der Sowjetunion erzielt worden: von einem MoU über den Datenaustausch über weitere Fortschritte bei der Durchführung von Verdachtskontrollen bis hin zu Vereinbarungen über die Zusammenarbeit bei der C-Waffen-Vernichtung und Konsultationen über Maßnahmen gegen Weiterverbreitung. Sie alle wissen, daß Präsident Bush wichtige Vorschläge im Herbst letzten Jahres gemacht hat, die im Juni dieses Jahres in Washington beraten werden sollen. ({5}) - Sie wissen, daß die C-Waffen-Potentiale auf 20 % des jetzigen Bestandes reduziert werden können. Das ist doch besser als nichts, Frau Beer. Diese Initiativen gehen in die richtige Richtung. ({6}) Sicher gehen diese Vorschläge nicht weit genug. Es ist richtig, daß der politische Durchbruch auf diesem Gebiet noch nicht gelungen ist. Das bestreitet auch niemand. Aber die Chancen für einen solchen Durchbruch werden durch Ihre Forderungen, die Sie in diesem Antrag zum Ausdruck bringen, auch nicht verbessert, z. B. die Streitkräfteziele der NATO zu korrigieren oder die USA zur Einstellung der Produktion von „binaries" aufzufordern. ({7}) Die FDP setzt auf die Genfer Verhandlungen. Wenn sie Erfolg haben, werden diese Streitkräfteziele hinfällig wie auch die Produktion von „binaries' . ({8}) - Herr Kollege, Sie haben hier eine C-waffenfreie Zone gefordert; auch das ist nicht sehr hilfreich. Gerade Ihre Beispiele müßten Ihnen deutlich zeigen: Eine solche Zone bringt in Europa wenig und in der Dritten Welt überhaupt nichts. C-Waffen können mit modernen Trägerraketen punktgenau verschossen werden, und das macht sie für die Länder der Dritten Welt als Ersatz für atomare Waffen so interessant. Sie haben die Beispiele genannt; also nehmen Sie dieses Zonenkonzept endlich vom Tisch; es bringt doch nichts. ({9}) - Herr Kollege, Sie haben doch selber gesprochen. Es ist nicht gerade üblich, daß Sie danach noch Fragen stellen und auf diese Weise ihre Redezeit verlängern. Lassen Sie mich noch ein Wort zum Abzug sagen; dazu wollten Sie ja noch etwas hören. Sie wissen, 1986 ist in Tokio vereinbart worden, daß diese Waffen spätestens bis 1992 ersatzlos - ich betone: ersatzlos! - abgezogen werden. Dies ist ein Erfolg der Bundesregierung. ({10}) Diese Vereinbarung stellt auch sicher, daß neue C-Waffen nicht ohne Zustimmung der Bundesregierung hierher verbracht werden dürfen. Das gilt auch im Krisenfall. ({11}) - Frau Beer, ich gehe davon aus, daß kein deutscher Bundeskanzler die Zustimmung zur Stationierung von Waffen geben wird, die mit unseren Sicherheitsinteressen nicht vereinbar sind. Sie fordern den umgehenden Abzug in Ihrem Antrag. Verteidigungsminister Cheney hat im Oktober letzten Jahres zugesichert, der Abzug solle nicht erst 1992 - wie ursprünglich ins Auge gefaßt - , sondern möglichst bereits 1990, spätestens aber 1991 abgeschlossen werden. ({12}) Auch das ist ein Erfolg der Bundesregierung. Wir lassen uns diesen Erfolg durch Ihre Reden nicht madig machen. Das sind Erfolge, von denen Sie nie zu träumen gewagt hätten. ({13}) Die FDP wird hier nicht drängeln. Auf ein halbes Jahr früher oder später kommt es nun wirklich nicht mehr an. ({14}) - Genau, Frau Kollegin. Wir wollen Sicherheit. Für uns geht Sicherheit beim Abzug vor Schnelligkeit. Sie wissen, daß die Vorbereitungen zum Abzug in enger Abstimmung zwischen Deutschen und Amerikanern längst begonnen haben. ({15}) Sie wissen auch - das müssen auch Sie begrüßen -, daß bei diesem Abzug deutsche Sicherheitsvorschriften gelten. ({16}) Die Bundesregierung hat auch zugesagt, daß sie das Parlament und die Öffentlichkeit umfassend informieren wird. ({17}) - Das muß nach Auffassung der FDP nicht Monate im voraus geschehen und muß auch nicht alle Einzelheiten des Abzugs beinhalten. Es wäre sogar fatal, wenn die Bundesregierung durch eine zu frühzeitige und eine zu detaillierte Information über die Modalitäten des Abzugs Terroristen unnötig in die Hände spielen würde.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Abgeordneter Feldmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Götte?

Dr. Olaf Feldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gerne.

Dr. Rose Götte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000701, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, halten Sie es denn für gut, wenn man abwartet, bis die Gerüchteküche - wie in meinem Wahlkreis - mit Hochdruck arbeitet und die Ängste der Bevölkerung eskalieren, weil jeder eine andere Idee hat, wo und auf welchem Wege das laufen könnte, und jeder andere Beobachtungen macht, die es wahrscheinlich machen, daß es so oder anders ist, und würden Sie es nicht für besser halten, wenn man rechtzeitig klare Informationen und beruhigende Auskunft geben kann, wie das laufen wird und daß sichergestellt ist, daß nichts dabei passieren kann?

Dr. Olaf Feldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin, halten Sie sich an unsere Informationen, halten Sie sich an die Informationen der Bundesregierung! ({0}) Wir haben gesagt: Mit dem Abzug wird 1990 begonnen werden. Selbst der Kollege Bahr, der Vorsitzende des Unterausschusses Abrüstung und Rüstungskontrolle, hat gesagt: Hochachtung vor diesem Erfolg des Kanzlers in Tokio. ({1}) - Das hat er damals im Unterausschuß gesagt. ({2}) Halten Sie sich doch an die Informationen! Das, was Sie machen, ist Desorientierung. Sie schüren die Gerüchteküche. Sie feuern doch die ganze Sache mit Ihren ständigen Mäkeleien nur an. ({3}) - Die Bundesregierung hat mehrfach erklärt, sie werde rechtzeitig und detailliert Informationen geben. Sie will sie aber nicht so frühzeitig geben - das gehört zur Verantwortung einer Bundesregierung -, daß sie dadurch Terroristen und solchen, die die Sache aufhalten wollen, in die Hände spielt. Sie widersprechen sich doch gewissermaßen in einem Atemzug: Auf der einen Seite fordern Sie den sofortigen, umfassenden und frühzeitigen Abzug und Informationen, und auf der anderen Seite fordern Sie größte Sicherheit. Wissen Sie, solche Widersprüche kann sich eigentlich nur leisten, wer in der Opposition ist. Wenn Sie die Sache mit Verantwortung betreiben würden, müßten Sie unsere Politik voll unterstützen. Ich darf zum Schluß kommen und Ihnen noch folgendes versichern: Herr Kollege Scheer - ich spreche Sie an, weil Sie diesen Punkt in Ihrer Eingangsrede angesprochen haben - , wir stimmen mit Ihnen überein, daß wir strengere Exportkontrollen brauchen und daß sie notwendig sind. Aber die entsprechende Gesetzesvorlage ist dem Parlament seitens der Bundesregierung seit langem vorgelegt worden. Ein solch umfassendes und wichtiges Gesetzespaket kann nicht im Eiltempo verabschiedet werden. Der Rechtsstaat verlangt da ein sorgfältiges Abwägen. Es ist richtig, daß unsere internationale Glaubwürdigkeit tangiert wird, wenn wir diese Dinge auf die lange Bank schieben. Das wollen wir nicht. Herr Kollege, offensichtlich waren Sie nicht dabei, beim Obleutegespräch nicht und im Ausschuß anscheinend auch nicht, denn sonst wüßten Sie, daß wir uns darauf geeinigt haben - der Kollege Stobbe von Ihrer Fraktion hat eine Erklärung abgegeben - , daß wir das in der nächsten Sitzung behandeln werden und daß Ihr Antrag, der Antrag der SPD-Opposition, behandelt wird und daß das ganze Thema besprochen wird. Davon wissen Sie offensichtlich nichts. ({4})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Beer?

Dr. Olaf Feldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin, ich beantrage im Namen der FDP-Fraktion die Überweisung dieser Anträge an die zuständigen Ausschüsse. Dann können die Kollegen ja ihre Fragen einbringen, und wir können darüber diskutieren. Vielen Dank. ({0})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Staatsminister Schäfer.

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Scheer, Sie haben hier mit sehr stumpfer Schere ein Zerrbild dessen geboten, was die Bundesregierung tut. ({0}) Aber es ist Ihnen nicht gelungen, durch diese krude Mischung von Halbwahrheiten, von Unterstellungen, von Behauptungen, die schlicht falsch sind, das zu leugnen, was sich zur Zeit abspielt, nämlich daß wir auf dem Wege sind, in Genf zu einem Ergebnis zu kommen. Aber es liegt nicht an der Bundesregierung, Frau Kollegin Beer, daß sie die Weltmächte nicht veranlassen kann, in einem Jahr oder in zwei Jahren zu Ergebnissen zu kommen. Ich rate Ihnen übrigens, an Stelle Ihrer exotischen Reisen - Sie sind ja auch beeindruckt aus dem Irak zurückgekommen; ich habe den Bericht gelesen; Sie haben heute interessanterweise auch kein Wort zum Irak verloren - vielleicht einmal nach Genf zu fahren und sich einmal mit der Praxis von internationalen Konferenzen, mit der Zahl der Teilnehmer und den Schwierigkeiten vertraut zu machen, die sich auf solchen Konferenzen ergeben. Statt dessen stellen Sie sich hier hin und stellen pausenlos - das muß ich Ihnen nun wirklich sagen - unklare und falsche Behauptungen auf. Sie machen doch hier den Wahlkampf. Sie wollen doch gar keine ehrliche Diskussion. Sie haben dem Bundesaußenminister und dem Auswärtigen Amt heute unterstellt, wir hätten seit 1985 von der Beteiligung deutscher Firmen an Rabta gewußt. Ich muß Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Sie haben hier in grober Form die Unwahrheit gesagt. obwohl Sie vor zwei Tagen vom Bundesaußenminister im Auswärtigen Ausschuß über die Vorgänge unterrichtet worden sind, stellen Sie sich heute hier hin und erheben wieder Behauptungen, die Sie nicht beweisen können. ({1}) Und, Herr Kollege Scheer: Wenn Sie behaupten, die Bundesregierung habe überhaupt nichts unternommen, dann muß hier einmal ganz deutlich gesagt werden: Sehen Sie sich bitte einmal die Liste an - ich habe sie hier, ich kann sie Ihnen gleich überreichen - , was seitens des Bundesaußenministers allein seit Januar 1989 an Unternehmungen im EG-Ministerrat für eine gemeinsame Initiative der Zwölf zur Verhinderung der Verbreitung chemischer Waffen unternommen worden ist. 26. Januar 1989: Schreiben des Bundesministers an den Vorsitzenden des Ministerrats, Schreiben des Ministerrats an den Präsidenten der EG-Kommission vom 31. Januar 1989 zum Erlaß einer EG-Verordnung über Exportkontrollen, von CW-Vorprodukten; meine Anregung beim EG-Außenministertreffen in Madrid im Februar vergangenen Jahres, daß wir eine europäische Initiative in der Australischen Gruppe ergreifen, um uns an die Spitze der Bewegung zu setzen. Ich könnte das hier jetzt noch fortsetzen. Es ist schlicht und einfach unglaublich, wenn Sie hier so tun, als seien wir diejenigen - und so war ja die Unterstellung -, die nicht nur den Verhandlungsverlauf in Genf behinderten, sondern die darüber hinaus - durch die angebliche heimliche Unterstützung von kriminellen Aktionen einzelner deutscher Firmen, die zur Zeit staatsanwaltschaftlich untersucht werden - auch noch das, was in Genf erreicht werden soll, gewissermaßen hintertrieben. Das ist eben eine schlimme, böse und, so würde ich sagen, hochexplosive Mischung, die Sie hier verbreiten. ({2}) Und jetzt kommen Sie auch noch mit der Pfalz. Frau Kollegin Beer, ich habe Ihren Worten entnommen - ich glaube, das ist ganz klar geworden - , Sie wollen, daß die in der Pfalz noch lagernden Chemiewaffen dort bleiben. ({3}) Das war heute die Quintessenz Ihrer Aussagen, das haben Sie hier gesagt. Sie versuchen unentwegt, die Bevölkerung in der Pfalz zu ängstigen, ihr Sorge zu bereiten, ({4}) indem Sie jetzt Gerüchte und Ängste hinsichtlich des Abtransports verbreiten, die genau das Gegenteil von dem bewirken, was letzten Endes gewollt ist. ({5}) Es muß Ihnen hier in aller Deutlichkeit gesagt werden: Doch nicht Sie haben mit den Vereinigten Staaten von Amerika erreicht, daß die Waffen abgezogen werden. Es ist uns gemeinsam während der sozialliberalen Koalition in 13 Jahren nicht möglich gewesen, zu erreichen, daß amerikanische Präsidenten bereit waren, diese Waffen abzuziehen. Egon Bahr hat mir später in diesem Saal gesagt - in Gegenwart des Bundesaußenministers; ich wiederhole das - : Das ist ein sensationeller Erfolg, den wir gerne gehabt hätten. Jetzt kommen Sie an, zerreden ihn und versuchen, hier Ängste zu schüren. Ich darf Ihnen hier für die Bundesregierung sagen: Wir hätten die Öffentlichkeit schon längst informiert, auch über den Abtransport, wenn nicht noch einige Details mit den dafür verantwortlichen Amerikanern geklärt werden müßten. Wir werden Sie in Bälde über alle Einzelheiten informieren, ({6}) sobald wir mit den Vereinigten Staaten von Amerika das, was wir dort noch verlangen, erreicht haben. ({7}) - Ich habe Ihnen soeben gesagt, es bedarf noch der Klärung einiger technischer Details. Und die Vereinigten Staaten von Amerika, die ja für den Abzug ihrer Waffen verantwortlich sind, müssen natürlich gefragt werden, wie weit wir bei einer öffentlichen Darstellung dieses Transportes gehen können. Aber Sie betreiben hier schon seit langem - mir fällt das auf - die Politik, den Menschen in der Pfalz Angst zu machen. Wenn das Ihre eigentlichen politischen Aufgaben hier sind, dann haben Sie sie verfehlt, Frau Kollegin Beer.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reimann?

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Bitte schön.

Manfred Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, darf ich denn, da Sie hier meinen, es werde Angst verbreitet, als Pfälzer für die pfälzische Bevölkerung einmal fragen, was Sie tun, um den Menschen die Angst zu nehmen. Sind Sie denn bereit, wenigstens das Wissen, über das Sie bisher verfügen, an die Gemeinderäte - die CDU, die FDP, die Sozialdemokraten, wer immer sich dort engagiert - weiterzugeben, zu sagen, was bisher überhaupt geschehen ist und wo es langgeht, um den Menschen diese Angst zu nehmen? Ich würde von Ihnen gerne eine Auskunft haben.

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Herr Kollege Reimann, das haben wir schon wiederholt getan. Wir haben erstens gesagt, daß die Waffen abgezogen werden, daß der Beginn des Abtransportes noch in diesem Jahr erfolgen wird - das ist eine Vereinbarung mit der amerikanischen Regierung -; zweitens, daß in einer interministeriellen Arbeitsgruppe, die mit den Amerikanern bereits seit langem die Vorbereitungen für diesen Transport trifft, alle Sicherheitsfragen geklärt werden; drittens, daß wir bereit sind, die Öffentlichkeit über Einzelheiten zu informieren, sobald die amerikanische Seite den noch zu klärenden Einzelheiten zugestimmt hat. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Wir haben Rücksicht auf diejenigen zu nehmen, die für die Lagerung der Waffen verantwortlich sind und die auch den Abtransport besorgen müssen. ({0}) Aber es darf kein Zweifel daran bestehen, daß es doch geradezu ein Witz wäre, wenn wir uns über die Sicherheit des Abtransports hier keine Gedanken machen würden - was Sie ja doch dauernd unterstellen. ({1}) Ich möchte jetzt, meine Damen und Herren - entschuldigen Sie bitte - , noch einmal - das ist hier behauptet worden - auf die angebliche Bereitschaft zurückkommen, chemische Waffen bzw. Ingredienzien, die für die Herstellung solcher Waffen notwendig sind, in großem Umfang ins Ausland gehen zu lassen, ohne daß wir uns darum bekümmern. ({2}) Ich darf Ihnen aus einem Brief des amerikanischen Außenministers Baker zitieren, der gerade vor drei Tagen hier eingegangen ist, worin er dem Bundesaußenminister schreibt - ich übersetze jetzt wörtlich aus dem Englischen - , daß er seinen Dank zum Ausdruck bringen will, daß die Bundesregierung die Verschiffung eines großen Transportes von NatriumFluorid in ein Land, das ich Ihnen jetzt nicht nennen möchte, in Hamburg vor wenigen Tagen verhindert hat und daß er das zum Anlaß nimmt, andere Staaten der Welt aufzufordern, ähnlich zu verfahren. Es handelt sich um einen im Grunde genommen harmlosen Stoff, von dem wir aber wissen, daß eine große Menge, in bestimmte Länder geschickt, wahrscheinlich für einen anderen Zweck verwendet wird als den, den Sie genannt haben. Sie müssen hier aufhören, die Bundesregierung ständig für kriminelle und von der Staatsanwaltschaft zu untersuchende Vorfälle verantwortlich zu machen - ich habe das vorhin schon einmal gesagt - , die die bestehenden Gesetze unterlaufen. Wir haben auch - die Bundesregierung ist damit fertig - eine Gesetzesvorlage gemacht über die Verschärfung der Tatstrafbestände in solchen Fällen. Es liegt am Deutschen Bundestag, jetzt zu einer endgültigen Beratung zu kommen. ({3}) Ich weiß, daß natürlich auch Kollegen im Deutschen Bundestag gewisse Bedenken erheben gegen den Begriff der Fahrlässigkeit. Das muß diskutiert werden. Das Gutachten des Bundesjustizministeriums macht völlig klar, daß diese Bedenken - nach meiner Ansicht kann man das nur unterstreichen - unberechtigt sind und daß wir hier zu dem kommen müssen, was wir der Welt zugesagt haben, daß wir nämlich die Strafen zu verschärfen haben gegen die schwarzen Schafe aus unserer Industrie. Uns nun aber Untätigkeit vorzuwerfen und uns ständig zu sagen, wir seien dafür verantwortlich, daß die Genfer Abrüstungskonferenz hinsichtlich der Chemie-Waffen noch zu keinem Ergebnis gekommen sei, obwohl der Außenminister hier mehrfach seinen Optimismus zum Ausdruck gebracht hat, das ist schlicht und einfach Wahlkampf und geht eben an den Gegebenheiten vorbei. Sie wissen, Herr Kollege Scheer - denn Sie waren, im Gegensatz zu Frau Beer, soweit ich mich erinnern kann, mit dem Unterausschuß Abrüstung schon bei dieser Konferenz -, daß es die Bundesregierung gewesen ist, die in Genf auch zu der ganz komplizierten Frage der Verifizierung, d. h. der Kontrolle der Vernichtung von chemischen Waffen, konkrete Vorschläge gemacht hat, die die bisher, so glaube ich, eindrucksvollsten waren. Wir bieten ja auch jetzt wieder in der Bundesrepublik den Teilnehmern an dieser Konferenz die Möglichkeit, beispielsweise an der Vorführung der Vernichtung chemischer Waffen teilzunehmen. ({4})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneter Dr. Scheer?

Not found (Gast)

Nein, ich habe nicht den Eindruck, daß ich den Rednern, die hier schon zu Wort gekommen sind, dauernd wieder Antwort geben sollte; ich bin ja gerade dabei, Frau Präsidentin, auf Herrn Scheers Vorwürfe einzugehen. Meine Damen und Herren, auch ich weiß nicht und ich kann Ihnen nicht mit Sicherheit sagen, ob in Genf in diesem Jahr endlich eine für uns ausreichende Vereinbarung erreicht wird. Das liegt nicht an uns, sondern das liegt natürlich auch an den Supermächten. Es liegt natürlich auch an Staaten der Dritten Welt. Übrigens ist Ihre Behauptung, Herr Kollege Scheer, auch falsch, wenn Sie sagen, arabische Staaten hätten mit dieser Angelegenheit begonnen. Ich würde Sie doch herzlich bitten, einmal ein bißchen genauer nachzuprüfen, wo die chemischen Waffen zuerst vorhanden waren, was jetzt leider Gottes zum Alibi für einige arabische Staaten wird, sie auch herzustellen. Es wäre sehr wünschenswert, wenn alle diese Staaten in Genf ihre Bereitschaft erklärten, wenn es denn zu einem Chemiewaffenverbot kommt, auch einer Verifizierung in ihren Ländern zuzustimmen. Sie haben vielleicht auch, Herr Scheer, da Sie nicht im Auswärtigen Ausschuß waren, vergessen, daß der Bundesaußenminister eine Initiative von Staaten der EG mit Ländern Nordafrikas, also arabischen Staaten, angeregt hat, zusammen in Libyen sich um eine Aufklärung der beispielsweise immer noch umstrittenen Produktionsanlage in Rabta zu bemühen. Das ist gerade unter dem Beifall auch Ihrer Fraktion am Mittwoch im Auswärtigen Ausschuß angekündigt worden. Meine Damen und Herren, ich darf schließen: Die Bundesregierung wird ihre Bemühungen, in diesem Jahr in Genf zu einem Abschluß zu kommen, fortsetzen. Ich kann Ihnen nicht garantieren, daß es gelingt. Das liegt aber nicht an uns. Sie können sicher sein, daß alles getan wird, damit die chemischen Waffen aus der Pfalz verschwinden. Dafür haben wir die Voraussetzung geschaffen. Wir werden Sie auch sobald die Amerikaner einverstanden sind, ganz genau informieren, auch die Bürgermeister in der Pfalz und auch die Rheinland-Pfälzische Landesregierung. Aber dazu bedarf es natürlich auch noch der Zustimmung aus Washington. ({0}) - Natürlich vorher, Frau Kollegin Götte; Sie werden aber gemeinsam mit mir sicher verhindern wollen, daß beim Abtransport die Demonstrationen organisiert werden, die noch dazu beitragen, die Unsicherheit in der Bevölkerung zu verschärfen. Vielen Dank. ({1})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Erler.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man kann es drehen und wenden, wie man will, es bleibt Tatsache, daß im Bereich der C-Waffen eine andere und schlechtere Situation ist als bei anderen Feldern der Abrüstung, etwa im atomaren oder im konventionellen Bereich. Dies ist signifikant und auffällig. International wird schon seit vielen Jahren verhandelt, in Genf allein in dieser Runde seit 1983 mit 40 Teilnehmerstaaten und weiteren 27 Beobachterstaaten. Der Kollege Scheer hat hier aufgeführt, wie oft wir sehr optimistische Beurteilungen aus dem Hause Genscher bekommen haben mit der Ankündigung eines baldigen Abschlusses. Bis heute gibt es keine Resultate. Herr Genscher mag ja als Außenminister seine Brötchen zu Recht verdienen, als Prophet in Sachen Chemiewaffenverhandlungen wäre er heute schon von der Sozialhilfe abhängig. ({0}) Im Jahre 1987 ist mitten hinein in diese Verhandlungen der Beschluß der amerikanischen Regierung geplatzt, eine neue Generation chemischer Waffen herzustellen, nämlich die binären Chemiewaffen. Die Bundesregierung hat ausdrücklich ihre Zustimmung zur Aufnahme dieser Waffen in die NATO Force Goals am 22. Mai 1986 verkündet und so die Mitverantwortung übernommen. ({1}) Man hat den Eindruck, daß die Herstellung von Chemiewaffen viel weiter fortgeschritten ist als die Kenntnis davon, wie man sie beseitigen kann. Es gibt nicht ausreichende Kapazitäten, weder im Westen noch im Osten. In diesen Tagen erfahren wir, daß in Tschepajew an der Wolga sogar durch einen Bürgerwiderstand eine Pilotanlage zur Vernichtung der sowjetischen Chemiewaffenpotentiale verhindert worden ist. ({2}) - Die Sowjetunion hat 50 000 t Chemiewaffen, Herr Feldmann, und verfügt über keine einzige Anlage, sie zu vernichten. Das kann für uns kein Anlaß zu einem Triumph sein; denn wir wissen, daß wegen der gleichen Probleme in den Vereinigten Staaten der Zeithorizont zur Beseitigung der Alt-C-Waffen, die auch bei uns ansteht, verlängert werden mußte, nämlich von 1983 auf 1987. Wir wissen, daß während der Verhandlungen, die in dieser ganzen Zeit laufen, in einem heißen Krieg zwischen Iran und Irak Chemiewaffen angewandt worden sind, dort auch gegen die eigene Bevölkerung. Auch wissen wir, daß diese Waffen ständig weiter verbreitet werden und daß der Irak z. B. in Genf gar nicht an Verhandlungen teilnimmt, während gleichzeitig eine ganze Reihe von Staaten - darunter auch die Vereinigten Staaten - erklärt haben, sie würden ein weltweites Chemiewaffenabkommen nur unterzeichnen, wenn alle Staaten bereit seien, das auch zu tun. Fazit: Es gibt im Grunde genommen eine Grenze, von wo an Zweckoptimismus fahrlässig wird. Diese Grenze ist längst überschritten worden. Offenbar merken auch die Supermächte sehr genau, daß hier eine peinliche Situation entstanden ist. Deswegen wird in keinem Bereich so viel Geheimhaltung betrieben wie gerade bei den C-Waffen. Wir wissen bis heute in der Öffentlichkeit nicht einmal die genauen Daten über das, was an Beständen überhaupt vorhanden ist. Die beiden Supermächte tauschen seit Dezember nach einem bilateralen Abkommen von Wyoming ihre Daten aus, aber wir erfahren es nicht. Wir haben als deutsche Parlamentarier bisher nicht einmal den Text der sogenannten TokioVereinbarung zwischen Reagan und Kohl auf dem Tisch. Den Text kennen Sie genauso wenig wie ich. Wir haben, seit Chemiewaffen in der Bundesrepublik stationiert sind, eine Geheimhaltung schon der Standorte vor Parlament und Öffentlichkeit. Wir haben noch nicht einmal das Recht genau zu wissen, wo bei uns C-Waffen gelagert sind. ({3}) - Das alles paßt nicht mehr, Herr Uelhoff, in die politische Landschaft. Ich sage, daß muß sich umgehend ändern. Das ist eine Fehlentwicklung, eine Auseinanderentwicklung zwischen den allgemeinen Abrüstungsmöglichkeiten und -chancen, die da sind, und diesem Bereich der C-Waffen. Die Entwicklung bei den C-Waffen ist absolut zurückgeblieben, offenbar auch deswegen, weil der öffentliche Druck bisher zu gering war. Überhaupt muß man einmal die Frage stellen: War es nicht die fahrlässige Überschreigung einer Grenze, Zehntausende von Tonnen an C-Waffen herzustellen, eine Hybris, dies zu tun, ohne über Techniken zu verfügen, sie auch wieder wegzubringen? Ich habe manchmal das Gefühl, daß unsere Gesellschaft und unsere Politik durch die Herstellung dieser gefährlichsten Massenvernichtungswaffen krank geworden ist. Dies war eine Überschreitung. Wir haben etwas Teuflisches zu produzieren vermocht, aber wir sind nicht mehr in der Lage, das unter Kontrolle zu bringen. Die Haltung der Bundesregierung läßt keinerlei Sensibilität gegenüber dieser Entwicklung erkennen. Sie hat für die Zusage des Abzugs der Chemiewaffen bis 1992 selber einen sehr hohen Preis bezahlt. Wir sind uns, glaube ich, darüber einig, daß dies in erster Linie nicht dem diplomatischen Geschick der Bundesregierung zu verdanken ist, sondern in allererster Linie der Tatsache, daß die Waffen eben inzwischen in einem so bedenklichen Zustand sind, daß sie abgezogen werden müssen. ({4}) Was ich hier sage, geht aus vielen Protokollen des amerikanischen Kongresses hervor. Das Schlimme ist aber, daß die Bundesregierung die Sorgen der Bevölkerung vor Ort ignoriert. Herr Staatsminister, was Sie dazu gesagt haben, ist wirklich eine Beschimpfung und Beleidigung von besorgten Bürgern. ({5}) Der Kenntnisstand, den wir haben, Herr Staatsminister, stammt keineswegs aus offiziellen Quellen, man muß ihn sich mühsam besorgen. Wir wissen, daß es 435 t von VX und Sarin auf dem Boden der Bundesrepublik gibt, daß diese in 6 000t Munition verpackt sind und daß es nach meinen Berechnungen wahrscheinlich 18 000 Container benötigen wird, um die hier wegzuschaffen. Wir wissen, daß dies über Fischbach, über Clausen, über Miesau bis Nordenham und Johnston-Atoll - ({6}) - Ich sage ja, das wissen wir nicht einmal aus offiziellen Quellen. Das ist gerade das Beklagenswerte. ({7}) Wir wissen, daß es über Lkw und Bahn geschehen soll, wir wissen auch, daß es in diesem Jahr anfangen soll, und wir wissen, daß bei Unfällen in einem Bereich von 20 bis 30 km noch tödliche Gefahren drohen. Aber auf alle besorgten Fragen der Bürger erfahren wir immer wieder und heute wieder nichts weiter, ({8}) als daß uneingeschränkte Transportfähigkeit angeblich gegeben sein soll, daß eine interministerielle Kommission doch alles vorbereitet und dafür sorgen soll, daß eine Gefährdung der Bevölkerung und der Umwelt ausgeschlossen ist, und alles andere soll geheim bleiben. Meine Damen und Herren, das reicht nicht. Die Bevölkerung ist informiert und läßt sich nicht mit solchen Auskünften abspeisen. So etwas schafft kein Vertrauen. Es ist doch eine absurde Situation, daß diese Regierung stolz darauf ist, ({9}) daß sie vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen in Wien mit der Sowjetunion und mit anderen osteuropäischen Staaten vereinbart, die auf Vor-OrtInspektionen, auf genauen Datenaustausch, auf einem genauen Austausch von allen Dingen, die man wechselseitig weiß, beruhen, diese vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen aber gegenüber der eigenen Bevölkerung verweigert. Wir fordern deswegen nachdrücklich, daß endlich auf den Tisch gelegt wird, auf welcher Basis diese beruhigenden Versicherungen eigentlich beruhen. Wir fordern, daß einmal gesagt wird, auf welchen wissenschaftlichen Gutachten und Erkenntnissen die Behauptungen der Bundesregierung beruhen, daß die uneingeschränkte Transportfähigkeit dieser Alt-CWaffen gegeben ist. Wir fordern, daß die Erfahrungen und Gutachten bekanntgemacht werden, die besagen, daß ein Landtransport - woanders ist man zu enem anderen Ergebnis gekommen, z. B. in den Vereinigten Staaten ({10}) ohne Gefährdung der Bevölkerung und der Umwelt möglich ist und welche Vorkehrungen im einzelnen vor Ort zur Sicherheit der Bevölkerung ergriffen werden sollen. Es ist einfach unverständlich, daß die Bundesregierung den Sachverstand der Wissenschaftler und der besorgten Bürger vor Ort nicht nutzt, denn die wollen alle dasselbe wie die Bundesregierung. Ich möchte Ihnen auch noch einmal sagen: Es ist eine absurde Unterstellung, daß die Opposition nicht auch den möglichst schnellen Abzug der Chemiewaffen will. Aber sie will dies eben in einem Vertrauensverhältnis mit den besorgten und auch sachkundigen Bürgern vor Ort erreichen. Das ist unsere Forderung. Deswegen möchte ich Sie nachdrücklich auffordern, unserem Antrag 11/6310 hier zuzustimmen. Ich danke Ihnen. ({11})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Uelhoff.

Dr. Klaus Dieter Uelhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002352, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn von zehn geplanten Minuten noch drei Minuten übrigbleiben, bin ich in einer Situation, die ich allen Kollegen hier im Hause und auch denen, die nicht hier sind, wünschen würde. Deshalb will ich in aller Kürze das Notwendige sagen. Erstens. Der Abzug der C-Waffen aus der Bundesrepublik ist der zweite große abrüstungspolitische Erfolg dieser Bundesregierung nach dem INF-Vertrag. Darauf sind wir stolz, und das lassen wir uns von Ihnen nicht zerreden. ({0}) Zweitens. Es ist eigentlich bedauerlich, daß das internationale Renommee, das wir im Bereich der C-Waffen haben, seitdem Konrad Adenauer 1954 den einseitigen Produktionsverzicht der Bundesrepublik Deutschland verkündet hat, ohne Not von Ihnen in der Opposition in den parteipolitischen Streit gezogen wird. Drittens. Die Tatsache, daß die C-Waffen abgezogen werden, ist auch ein Beweis für die Wende in der Politik. Ich meine, meine Damen und Herren von der SPD, man muß sich auf der Zunge zergehen lassen, was der sozialdemokratische Staatssekretär Penner im Mai 1981 als Kollege vor dem Deutschen Bundestag auf eine entsprechende Frage gesagt hat: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die USA aufzufordern, ihr in der Bundesrepublik Deutschland gelagertes C-Kampfstoffpotential abzuziehen. ({1}) Das war Originalton des Kollegen Penner von der SPD. Helmut Kohl hat diese Absicht geändert. Er hat erreicht, zunächst mit Reagan, dann verdichtet mit Bush, daß dieses Zeug wegkommt. ({2}) - Er hat mit dem Präsidenten Bush weiter verdichtet, daß es vor 1992 abgezogen wird. ({3}) Und Sie, Frau Kollegin Beer, haben außer Reden und Verunsicherung überhaupt nichts dazu beigetragen, daß die C-Waffen wegkommen. ({4}) Ich möchte jetzt noch einen ganz wichtigen vierten Punkt wegen der Verunsicherung bringen, die durch Leute, die in der Sache leider nichts geleistet haben, in der Pfalz sehr weit um sich gegriffen hat. Ich möchte die Bundesregierung mit allem Nachdruck an ihre eigene Zusage erinnern, die Öffentlichkeit über alle Sicherheitsmaßnahmen beim Abzug umfassend zu informieren. Die Bundesregierung sollte mit dieser Informationspolitik nicht länger zögern. Denn das setzt ein Stück ihres Abrüstungserfolges aufs Spiel. Hier und nicht etwa auf Grund eigener Leistungen hat die Opposition eine Chance für sich erkannt. Hier kocht sie ihr trübes Süppchen. Die Bundesregierung sollte bald und unmißverständlich darlegen, daß alles für den sicheren Abtransport getan wird, um Risiken für die Bevölkerung auszuschließen. ({5}) Es bedarf nicht der Aufforderung der SPD in dem Antrag, die Bundesregierung möge den Abzug der C-Waffen beschleunigen. Sie hat alles getan. Das ist ein billiger Trick von Ihnen, ein Griff in die Trickkiste. Es geht hier ganz entscheidend darum, daß der Abzug gemeinsam mit den Verbündeten betrieben wird und daß eine besorgt gewordene Bevölkerung über den risikolosen Abzug gründlich, umfassend und bald informiert wird. ({6})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/4054 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 11/6310 soll anders als in der Tagesordnung vorgesehen zur federführenden Beratung an den Verteidigungsausschuß und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs für ein Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts - Drucksache 11/6321 Überweisungsvorschlag: Innenausschuß ({0}) Auswärtiger Ausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Ausschuß für Bildung und Wissenschaft b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ausländergesetzes - Drucksache 11/4732 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({1}) Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes - Drucksache 11/4958 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({2}) Rechtsausschuß d) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Bundesausländergesetzes ({3}) - Drucksache 11/5637 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({4}) Auswärtiger Ausschuß Rechtsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Ausschuß für Bildung und Wissenschaft e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Ausländerzentralregister ({5}) - Drucksache 11/5828 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({6}) Rechtsausschuß Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Beratung zweieinhalb Stunden vorgesehen. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Präsidentin Dr. Süssmuth Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesminister des Innern, Herr Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die erste Lesung des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts fällt in eine Zeit erregender Veränderungen in Deutschland und in Europa. Die Menschen im Ostteil unseres Kontinents beginnen eine jahrzehntelange Diktatur abzuschütteln. Wie nie zuvor seit fast einem halben Jahrhundert eröffnet sich für Polen, Tschechen und Slowaken, für Ungarn, Rumänen, Bulgaren, Litauer, Esten oder Russen die Möglichkeit, zu Freiheit und Demokratie zu gelangen. Erstmalig haben unsere Landsleute in der DDR eine reale Aussicht auf Selbstbestimmung, auf freiheitliche und demokratische Verhältnisse. Erstmals seit 40 Jahren eröffnet sich für uns Deutsche die Aussicht, die Einheit in Freiheit und in einem geeinten Europa zu erreichen. In einer derartigen Zeit des Umbruchs, der raschen, fast täglichen Veränderungen ist es wichtig, daß wir unsere innere Stabilität, unsere freiheitliche Ordnung, unseren inneren Frieden bewahren, daß wir als der östlichste Staat der Europäischen Gemeinschaft und des westlichen Bündnisses eine stabile Demokratie bleiben. Dazu gehört, daß die Ausländer, die bei uns leben, unter berechenbaren und sicheren Verhältnissen leben, daß das Verhältnis zwischen Deutschen und Ausländern von einer gefestigten Partnerschaft gekennzeichnet ist. Das wiederum heißt, daß wir ausländerfreundlich bleiben müssen. ({0}) Kein Land in Europa ist so wie wir auf seine Nachbarn angewiesen. Kein anderes Land unserer Kontinents hat so viele Nachbarn wie wir. Kein anderes Land ist so sehr auf die Exporte seiner Produkte in alle Welt angewiesen. Wir haben uns vor 40 Jahren entschieden, den Weg in die Zukunft an der Seite unserer europäischen Nachbarn in einer Wertegemeinschaft mit ihnen zu gehen. Diese Wertegemeinschaft hat erheblich dazu beigetragen, die jetzt so faszinierende Entwicklung möglich zu machen. Zu den überkommenen Werten der abendländischen Gemeinschaft gehört auch die Toleranz gegenüber anderen Lebensstilen. Wir werden unsere Identität in der Gemeinschaft der freien Völker Europas nur bewahren, wenn wir ein ausländerfreundliches, ein partnerschaftliches Land bleiben. ({1}) Ausländerfreundlichkeit fordern und Ausländerfreundlichkeit fördern - das ist nicht notwendigerweise das gleiche. Es nutzt eben nichts, nur davon zu reden oder gar zu schwärmen. Mehr noch: Wenn man schwärmend das Falsche tut, erreicht man das Gegenteil von dem, was man möchte. Deswegen ist es wichtig - das ist der Gegenstand dieser Gesetzgebung -, die Voraussetzungen für Ausländerfreundlichkeit zu erhalten und weiter zu festigen. Das bedeutet zweierlei. Es bedeutet zum einen, die Bedingungen für die Integration, für ein friedliches, partnerschaftliches Zusammenleben von Deutschen und Ausländern zu erhalten und zu verbessern. Es bedeutet zum anderen auch, den Zuzug aus den Ländern außerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu begrenzen; denn Grenzen für die Integrationsfähigkeit und die Bereitschaft zur Integration gibt es in jeder Gesellschaft. Es gibt sie gewiß in einem so dicht besiedelten Land wie der Bundesrepublik Deutschland, die obendrein noch Verantwortung für Landsleute trägt, die als nationale Minderheiten in jedenfalls zur Zeit noch ungesicherten rechtlichen Verhältnissen leben. Wer unter Mißachtung der Grenzen der Integrationsfähigkeit einem ungehinderten Zuzug das Wort redet, der wird das Gegenteil von Ausländerfreundlichkeit erreichen, der wird Ausländerfeindlichkeit ernten. ({2}) Der Gesetzentwurf zur Neuregelung des Ausländerrechts, den die Bundesregierung heute vorlegt, versucht, beiden Anforderungen zur Bewahrung und Festigung von Ausländerfreundlichkeit gerecht zu werden. Unser Entwurf verbessert die Voraussetzungen der Integration. Er gewährt den sich hier - zum Teil schon seit langem - aufhaltenden fast 2,5 Millionen Ausländern aus den Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaft Rechtsansprüche für den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Es mag sein, daß die Regelungen des Gesetzentwurfs kompliziert erscheinen; ja nicht nur erscheinen, sondern daß sie es ein ganzes Stück weit auch sind. Wir haben in der öffentlichen Diskussion über diesen Gesetzentwurf dieses Bedenken und diese Anmerkung ja auch gehört. Ich verstehe dieses Argument. Aber wer Rechtsansprüche, wer justitiable Ansprüche für den Aufenthaltsstatus von Ausländern schaffen will - wie wir das übrigens in weiten Teilen als einzige in Europa mit diesem Gesetzentwurf vorhaben - , der muß bei solchen klaren Rechtsansprüchen notwendigerweise rechtliche Regelungen präziser formulieren und damit Gesetze komplizierter machen als derjenige, der sich auf wenige Generalklauseln mit weitem Ermessen für die Rechtsanwender stützen wollte. Insoweit ist die Kompliziertheit des Gesetzentwurfs ein Stück weit eine Folge des Vorhabens, klare rechtliche Regelungen und berechenbare Situationen für die Ausländer zu schaffen. Dieser Gesetzentwurf verbessert den Rechtsstatus unserer ausländischen Mitbürger. Es mag auch sein, daß mit diesem Gesetzentwurf nicht alles an Verbesserungen erreicht wird, was sich manche gewünscht hätten oder wünschen. Vielleicht sind nicht alle Vorstellungen aller, die sich auch insbesondere in der Arbeit mit Ausländern und für Ausländer engagieren, erreicht worden. Aber, meine Damen und Herren, es ist ja nicht nur die Frage, ob alle denkbaren Wünsche und Vorstellungen erreicht werden, sondern es ist ja die Frage, ob das, was an real erreichbaren Verbesserungen möglich ist, mit diesem Gesetzentwurf vorgeschlagen und verwirklicht wird. Ich denke, daß dieser Gesetzentwurf erhebliche Ver15024 besserungen für die hier lebenden Ausländer und ihre rechtliche Situation beinhaltet. ({3}) Ich will das an wenigen Beispielen aufzeigen. Nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts soll ein Anspruch auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis entstehen, und nach acht Jahren rechtmäßigen Aufenthalts soll ein Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsberechtigung, die mit einem noch weiter erhöhten Ausweisungsschutz verknüpft ist, geschaffen werden. Wir schlagen vor, den Familiennachzug zu regeln. Ehegatten erhalten nach diesem Gesetzentwurf einen gesetzlichen Anspruch auf Nachzug unter Verzicht auf Wartefristen. Ausländische Kinder bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres erhalten einen Rechtsanspruch auf Nachzug zu ihren im Bundesgebiet lebenden Eltern und in besonderen Fällen und in Härtefällen auch nur zu einem Elternteil sowie bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Wir haben auf die Herabsetzung der Altersgrenze für den Kindernachzug verzichtet. Weil aber eine langjährige gemeinsame Erziehung von deutschen und ausländischen Kindern besonders integrationsfördernd ist, haben wir, anders als bei Ausländern der ersten Generation und anders als bisher, die Voraussetzungen für die Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für Jugendliche von fünf auf acht Jahre geändert. Wir haben dann aber auch einen Rechtsanspruch auf die unbefristete Aufenthaltserlaubnis damit verbunden. Wir schlagen vor, die Wiederkehroption einzuführen. Damit fügt der Gesetzentwurf für die Ausländer der zweiten und dritten Generation insgesamt Regelungen ein, die in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen und die in einem schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Konzept gesehen werden müssen. Die acht Jahre Aufenthalt vermitteln neben dem Rechtsanspruch auf unbefristete Aufenthaltserlaubnis und dem erhöhten Ausweisungsschutz auch nach Volljährigkeit die Wiederkehroption und den Anspruch auf erleichterte Einbürgerung. Dies bedeutet, daß wir mit diesem Gesetzentwurf die hier aufgewachsenen Ausländer nicht von vornherein auf eine einzige Lebensperspektive festlegen und verengen wollen, nämlich allein auf die eine Perspektive, auf Dauer im Bundesgebiet zu bleiben. Wir wollen vielmehr mit der Wiederkehroption den hier aufwachsenden Ausländern auch die Möglichkeit geben, in ihr Heimatland zurückzukehren, ohne sich damit das Recht abzuschneiden, wenn sie sich später anders entscheiden, dann wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurückzukehren. Auch wer als Volljähriger freiwillig versuchen will, sich außerhalb des Bundesgebietes eine Existenz zu schaffen, soll diese Wiederkehrmöglichkeit erhalten. Ich sage allerdings auch deutlich, meine Damen und Herren, daß wir zwei Forderungen mit diesem Gesetzentwurf nicht nachkommen wollen. Es soll weder ein Wahlrecht für Ausländer noch eine Ausweitung der Doppelstaatsangehörigkeit geben. Meine Damen und Herren, gerade die jüngsten Entwicklungen in Europa und in Deutschland zeigen doch, daß es der nationalen Identität als eines freiheitssichernden und stabilisierenden Elements bedarf. Die Entwicklung in der DDR wäre übrigens so nicht möglich gewesen, wenn wir nicht an der einen deutschen Staatsangehörigkeit festgehalten hätten. ({4}) - Ich erkläre gerade, Frau Kollegin, warum die Staatsangehörigkeit ein freiheitssicherndes und stabilisierendes Element ist und daß die aktuelle Entwicklung dies besonders belegt. ({5}) - Nein, ich begründe, warum wir der Forderung nach Einführung eines kommunalen Wahlrechts - die Ihre Partei doch erhebt - nicht nachkommen wollen: ({6}) weil wir nicht mehrere Staatsangehörigkeiten wollen und wir eine Staatsangehörigkeit als ein freiheitssicherndes und stabilisierendes Element brauchen. ({7}) Ich sage, daß die Entwicklungen in Deutschland etwas damit zu tun haben, daß wir an der einen Staatsangehörigkeit festgehalten haben und nicht den Forderungen aus Ihren Reihen nachgekommen sind. So einfach ist der Zusammenhang. ({8}) - Ich kann es ja dreimal sagen. Ich habe mir schon gedacht, daß Sie ein bißchen Zeit brauchen, um das zu verstehen. ({9}) - Nein, lassen wir es. Ich sage: Wir kommen der Forderung nach Einführung eines Wahlrechts für Ausländer nicht nach, weil wir an der zuordnenden Funktion der Staatsangehörigkeit festhalten wollen. Aus demselben Grund wollen wir auch bei den Einbürgerungsvoraussetzungen daran festhalten, daß in der Regel eine Staatsangehörigkeit bleibt und daß nicht regelmäßig doppelte Staatsangehörigkeiten entstehen. ({10})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmude?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Bitte sehr.

Dr. Jürgen Schmude (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, würden Sie sich bitte daran erinnern, daß die SPD-Bundestagsfraktion in diesem Hause und die SPD stets und ständig und bei sehr vielen Gelegenheiten ausdrücklich an der einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit festgehalten haben, so daß Sie hier nicht in Verbindung mit dem Kommunalwahlrecht einen falschen Eindruck aufkommen lassen sollten. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Schmude, würden Sie mir bitte bestätigen oder gegebenenfalls nachlesen, daß ich gesagt habe, es sei aus Ihren Reihen gefordert worden. Die Sozialdemokratische Partei ist gerade dabei, denjenigen, der es am lautesten gefordert hat, nämlich Herrn Lafontaine, zum Kanzlerkandidaten zu ernennen. ({0}) Er scheint doch wohl einer zu sein, der für die SPD ein Stück weit spricht. ({1}) - Wenn der Herr Lafontaine für die SPD überhaupt nicht repräsentativ ist, dann nehme ich das auch zur Kenntnis. Das ist nun Ihr Problem. ({2}) Ich finde jedenfalls, daß gerade die aktuelle Entwicklung zeigt, wie wichtig klare Zuständigkeiten - das gehört zum Staatsangehörigkeitsrecht - sind, um Frieden und Freiheit und auch Einheit sicherzustellen. ({3}) Im übrigen finde ich - ich will aber der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht vorgreifen -, ({4}) daß die einstweilige Anordnung im vergangenen Jahr doch gewisse Erwartungen nahelegt, Wir bleiben jedenfalls bei dem Grundsatz, daß die Loyalität gegenüber zwei Staaten - und dazu verpflichtet die doppelte Staatsangehörigkeit in der Regel - kein gangbarer Weg ist.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Penner?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Bitte sehr.

Dr. Willfried Penner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Ihre Bekenntnisse zur Nationalstaatlichkeit nehmen wir ja hin. Aber wie stehen Sie denn zu den Bemühungen, die ja gerade von Bundeskanzler Kohl immer wieder beteuert werden, das EG-Europa zusammenwachsen zu lassen? Gilt also die Sperre des Ausländerwahlrechts auch für die EG-Europäer? ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Penner, wir wissen, daß sich der ganze Gegenstand der Regelung des Ausländergesetzes auf Angehörige von Staaten, die nicht der Europäischen Gemeinschaft angehören, beziehen. Wir haben in der EG Sonderregelungen. Wir sind innerhalb der Europäischen Gemeinschaft auch dabei, zu einem staatsähnlichen Gebilde zusammenzuwachsen. Nur, das ist überhaupt nicht das Thema. Sie haben das kommunale Wahlrecht nicht für EG-angehörige Ausländer gefordert, sondern generell, und wir haben dagegen das Bundesverfassungsgericht angerufen. ({0}) Im übrigen würde ich gerne, meine Damen und Herren, noch einmal darauf zurückkommen, daß die Begrenzung des Zuzugs aus Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaft eine notwendige Voraussetzung dafür ist, daß wir die Ausländerfreundlichkeit für die hier lebenden Ausländer auch in Zukunft gewährleisten können. ({1}) Ich sagte schon: Wir dürfen die Grenzen der Aufnahmebereitschaft und die Aufnahmefähigkeit bei uns für Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen nicht außer acht lassen. Anders zu handeln wäre keine verantwortliche Politik. Natürlich muß Politik verändern, aber sie muß diese Veränderung auf der Grundlage der Verhältnisse vornehmen, die sie vorfindet, und alles andere würde Stabilität als gerade derzeit wichtige politische Maxime gefährden. Wir stehen mit unserer Politik, den Zuzug zu begrenzen, keineswegs allein. Ganz im Gegenteil, eine Politik der offenen Republik würde uns isolieren. Auch die klassischen Einwanderungsländer betreiben eine strenge Kontingentpolitik bei der Einwanderung, und sie wählen übrigens aus, wen sie aufnehmen, während wir eine solche Entscheidung niemals getroffen haben. Auch die klassischen Einwanderungsländer sind gerade keine offenen Republiken. Wir müssen auch die weitere Besonderheit beachten, daß die Bundesrepublik Deutschland jedem, der hier lebt, also auch Ausländern, einen gesetzlichen Anspruch auf Sozialhilfe gewährt, was viele andere Staaten ebenfalls so nicht tun. Ich halte dies für richtig. Ich denke, daß das christlich geprägte Menschenbild unseres Landes verbietet, daß wir Menschen in ihrer Not alleinlassen. Aber wer diesen Anspruch gewährt, der muß sehen, daß er angesichts des Wohlstandsgefälles in der Welt damit auch einen Anreiz auslöst, und dies bedeutet, wenn wir uns nicht überfordern wollen, daß wir den Zuzug auf andere Weise begrenzen müssen. ({2}) Unser Entwurf schreibt deshalb den Anwerbestopp für ausländische Arbeitnehmer im Gesetz fest, und es ist damit allein nicht getan. Probleme bereitet uns seit Jahren vor allem der Zuzug von Menschen unter Berufung auf das Asylrecht. Bei einer Anerkennungsquote von 5 % im vergangenen Jahr - im vergangenen Monat waren es eben noch 3 % - sind 121 000 Menschen unter Berufung auf das Asylrecht in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, und allein im Januar dieses Jahres 13 000. Diese Wanderungsbewegung trifft uns nicht allein. Sie ist ein Resultat der Sogwirkung, die der Wohlstand in Westeuropa auf Menschen in ärmeren Ländern ausübt. Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Beseitigung der Fluchtursachen, die Linderung der Not und die Bekämpfung der Armut in der Dritten Welt zu den wichtigsten politischen Aufgaben von Gegenwart und Zukunft gehören, und wir müssen auch die Chancen ergreifen, die sich aus dem Wandel in Osteuropa bieten, den Reichtum an Produktivität, Kreativität und Ideen der nördlichen Hemisphäre für die Länder der Dritten Welt nutzbar zu machen. Aber wir müssen die Armut in den Ländern der Dritten Welt selbst bekämpfen. Das Bundeskabinett hat am vergangen Mittwoch auf meinen Antrag beschlossen, eine internationale Flüchtlingskonzeption zu erarbeiten. Ihre Schwerpunkte sollen die Armutsbekämpfung in der Dritten Welt und Hilfen zur Rückkehr sein. Wiedereingliederungshilfen, Verbesserung der Infrastruktur in den betroffenen Ländern, auch Hilfen in den Nachbarregionen können Mittel zur Lösung des Problems sein, eines Problems, das wir im übrigen nicht allein, sondern nur durch internationale Zusammenarbeit bewältigen können. Die Lösung der Probleme der Dritten Welt und der Probleme der weltweiten Flüchtlingsströme können wir jedenfalls nicht dadurch erreichen, daß wir alle in Not Geratenen bei uns in der Bundesrepublik Deutschland aufnehmen. ({3}) Dies würde uns wie alle Länder der nördlichen Hemisphäre überfordern, und uns in der dichtbesiedelten Bundsrepublik vollends. Im übrigen würde eine unkontrollierte Zuwanderung die Stabilität unseres Landes gefährden. Die Stabilität einer freiheitlichen Demokratie, eines modernen Industriestaats beruht auf dem Beziehungsgeflecht zahlreicher komplizierter Komponenten, die keineswegs in einem stabilen, sondern eher in einem labilen Gleichgewicht stehen. Wir müssen diese Stabilität insbesondere erhalten, um auch in Zukunft zur Hilfe für Ärmere auf dieser Welt fähig zu sein. Wenn wir darauf nicht achten, sind wir zu keiner Hilfeleistung mehr fähig. ({4}) Natürlich ist die Begrenzung von Zuzug in der Praxis in einem Europa der offenen Grenzen schwierig zu bewerkstelligen. Wir wollen uns ja nicht abschotten, und dies insbesondere nicht in einer Zeit, wo sich endlich die Grenzen im östlichen Teil unseres Kontinents öffnen. Auch wegen dieser Politik der offenen Grenzen, auch weil wir schon deshalb nicht an unseren Grenzen in jedem Fall prüfen können und wollen, ob ein einreisender Ausländer zutrittsberechtigt ist oder nicht, müssen wir eben rasch Klarheit darüber schaffen, ob sie hierbleiben dürfen oder nicht. Wenn sie nicht bleiben dürfen, müssen sie eben die Bundesrepublik Deutschland auch zügig wieder verlassen. ({5}) - Nein, Herr Kollege. Ich sagte eben, wir können sie an der Grenze nicht so kontrollieren; das wird praktisch nicht funktionieren. Wir müssen rasch entscheiden, ob sie bleiben können oder nicht. Dies heißt in der Praxis von über 120 000 Asylbewerbern im vergangen Jahr Beschleunigung von Asylverfahren. Ein sachgerechtes Asylverfahren muß sicherstellen, daß der tatsächlich politisch Verfolgte möglichst rasch anerkannt wird, daß aber auch umgekehrt der Antrag desjenigen, der nicht verfolgt wird, ebenso rasch abgelehnt wird. Rasche Klarheit, ob sie bleiben dürfen oder nicht, liegt übrigens vor allem im Interesse der Betroffenen selbst. Wir sollten nicht übersehen: Die Aussicht, auch im Falle der Ablehnung eines Asylantrages nur wegen der langen Verfahrensdauer nicht mehr mit einer Abschiebung rechnen zu müssen, stellt einen wesentlichen Anreiz dar, ein Asylverfahren zu betreiben und mit allen Mitteln in die Länge zu ziehen. ({6}) Zur Beschleunigung des Asylverfahrens hat die Innenministerkonferenz im Juni vergangenen Jahres auf meinen Vorschlag hin ein neues Verfahren mit dem Ziel beschlossen, zeitliche Verzögerungen zu vermeiden und insbesondere zu einem schnellen Abschluß offensichtlich aussichtsloser Asylverfahren zu gelangen. Durch die enge räumliche Verbindung zentralisierter Ausländerbehörden der Länder mit dezentralisierten Stellen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge entfallen Leerlaufzeiten: von der Stellung des Asylantrages über den Zugang beim Bundesamt bis zur Anhörung des Ausländers dort, verbunden mit oft langen Reisen. Alle diese Zeiträume summierten sich und führten zu der langen Verfahrensdauer. Wir versprechen uns von dem neuen System - erste Erfahrungen mit diesem Modell bestätigen dies -, daß sich an die Antragstellung möglichst unmittelbar oder jedenfalls innerhalb weniger Tage die Anhörung in der Außenstelle des Bundesamtes anschließt und daß jedenfalls bei den Hauptherkunftsländern, damit auch eine schnelle Entscheidung in der Außenstelle erfolgen kann. Ich wünsche mir, daß auch in den Ländern, in denen die Voraussetzungen zur Verfahrensbeschleunigung - insbesondere die Einrichtung zentraler Ausländerbehörden - noch nicht geschaffen sind, dies in Kürze geschieht. Der Bund ist bereit, dort weitere Außenstellen einzurichten. Positiv auf die Verfahrensdauer wirken sich auch die Personalverstärkungen für das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge aus. Im Blick auf die Notwendigkeit, die Asylverfahren zu verkürzen, begrüße ich den Gesetzentwurf des Bundesrats zur weiteren Änderung des Asylverfahrensgesetzes, der ebenfalls Gegenstand dieser Debatte ist. Die Bundesregierung ist mit dem Bundesrat der Auffassung, daß auch die gesetzgeberischen Möglichkeiten zur weiteren Verfahrensbeschleunigung konsequent genutzt werden müssen. Der Gesetzentwurf zielt zu einem guten Teil auf Beschleunigung des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten. Ich bin sicher, wenn wir neben dem Verwaltungsverfahren auch noch die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten beschleunigen und sich diese um schnelle Entscheidungen bemühen, können die offensichtlich unbegründeten Asylanträge innerhalb weniger Wochen oder Monate rechtskräftig behandelt sein. Wenn wir so zu schnellen Entscheidungen kommen und die Antragsteller rasch Klarheit über ihr Bleiberecht oder ihre Ausreisepflicht haben, können zum einen ablehnende Entscheidungen tatsächlich vollzogen und Ausweisungen vorgenommen werden, und zum anderen können wir dann auch das Arbeitsaufnahmeverbot für Asylbewerber lockern, wofür wir im Zusammenhang mit der Neuregelung des Ausländerrechts die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen wollen. Es ist dann aber notwendig, konsequenter als bisher abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. Künftig darf nur noch in den Fällen von einer Abschiebung abgesehen werden - und auch dies schlägt der Regierungsentwurf vor - , in denen rechtliche oder gewichtige humanitäre Gründe es gebieten. Wir müssen dabei auch an unsere Städte und Gemeinden denken, deren Sozialhilfeetats nicht unbegrenzt belastbar sind. ({7}) Eine notwendige Ergänzung zur Ausländer- und Asylgesetzgebung ist auch das Gesetz über das Ausländerzentralregister. Dieses beruht bis jetzt einzig auf einer Vorschrift im Gesetz über die Errichtung des Bundesverwaltungsamtes. Alle Detailfragen - auch so wichtige wie Registerinhalt und Übermittlung von Daten - wurden in Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Erlassen geregelt. Auch wenn bei der Führung des Registers in der Vergangenheit datenschutzrechtliche Vorschriften stets beachtet worden sind, bedarf diese Datensammlung angesichts ihrer Bedeutung einer umfassenden rechtlichen Regelung. Diese muß zwischen dem Persönlichkeitsrecht des einzelnen und seinem Schutz einerseits sowie dem Interesse der Allgemeinheit an einem effizienten Verwaltungsvollzug andererseits die verträgliche Balance finden. Ich meine, daß die von der Bundesregierung beschlossene Vorlage dieser nicht einfachen Aufgabe gerecht geworden ist. Im Gegensatz zum Regierungsentwurf wird der SPD-Entwurf nach meiner Auffassung den Anforderungen, Ausländerfreundlichkeit zu sichern und zu fördern, nicht gerecht. ({8}) Ich finde diesen Entwurf einseitig, lebensfremd und praxisfern. ({9}) Der Entwurf der SPD erschöpft sich im wesentlichen darin, Ausländern unter weitestgehendem Verzicht auf Integrationsvoraussetzungen praktisch unentziehbare Zuwanderungs- und Aufenthaltsrechte einzuräumen. Dies beginnt mit einem weltweiten, nur durch die Möglichkeit einer Sichtvermerkspflicht für einzelne Länder beschränkbaren Einreiseanspruch für den Aufenthalt bis zu drei Monaten, setzt sich über den Verzicht auf einen gesetzlich festgelegten Anwerbestopp und eine gleichsam automatische Kette von der Ersteinreise über die Aufenthaltserlaubnis, die Aufenthaltsberechtigung und das Niederlassungsrecht nach acht Jahren fort und endet beim fast absoluten Ausweisungsschutz für Niederlassungsberechtigte. Ein derartiger Vorschlag hat mit Integrationsförderung nichts zu tun. Wir können die Augen nicht vor den Grenzen der Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft verschließen. Der Gesetzgeber muß adäquate Antworten finden. ({10}) Ein friedliches, auf gegenseitiger Achtung und auf gegenseitigem Verständnis beruhendes Zusammenleben von Deutschen und Ausländern läßt sich nur durch Integration erreichen und auf Dauer bewahren. Dies ist kein einseitiger Akt, sondern eine Leistung, zu der beide Teile, Deutsche wie Ausländer, beitragen müssen. Die Verhältnisse sind dabei gewiß nicht statisch, sondern ein fortlaufender Prozeß. Das Maß an Integration, das unsere Mitbürger aus den Staaten der Europäischen Gemeinschaft in unserem Land erreicht haben, hätte sich manch einer vor 20 oder 30 Jahren nicht vorstellen können. Aber ein solcher Prozeß, meine Damen und Herren, muß sich entwickeln. Man kann und darf ihn nicht erzwingen. Und ebensowenig kann durch die bloße Zuerkennung eines unentziehbaren Aufenthaltsrechts ein partnerschaftliches Miteinander, kann Harmonie zwischen Deutschen und Ausländern dekretiert werden. All dies muß wachsen. Der SPD-Entwurf läßt dies unberücksichtigt. Ich fürchte, er fördert - vielleicht in guter Absicht - im Ergebnis durch seine eindimensionale Anlage eher Ausländerfeindlichkeit in unserem Land. Er fördert Vorurteile, anstatt sie zu bekämpfen. Er erhält übrigens eine besondere Pikanterie dadurch, daß er bei der Aufenthaltsverfestigung und beim Familiennachzug auf jedes Wohnraumerfordernis verzichtet. Aber es sind umgekehrt auch Sozialdemokraten, die immer lauter die Forderung erheben, unsere Landsleute aus der DDR sollten Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland nur erhalten, wenn sie hier Wohnung und Arbeitsplatz nachweisen. ({11}) Offene Türen für jedermann aus aller Welt und Abschottung gegenüber unseren eigenen Landsleuten, um nicht das Wort von der Mauer zu benutzen, das, meine Damen und Herren, geht nicht zusammen. ({12}) Schließlich verzichtet Ihr Entwurf auch auf eine Harmonisierung des ausländerrechtlichen Abschiebeverbots wegen politischer Verfolgung mit den Regelungen des Asylverfahrensrechts. ({13}) Ihr Entwurf hält im Ergebnis an der Regelung des geltenden Rechts fest, daß die Duldung im Ermessen der Behörde steht und nicht von klaren gesetzlichen Voraussetzungen abhängt. So läßt Ihr Entwurf die Bundesländer völlig allein. Dort, wo der Gesetzgeber wirklich gefordert ist, dort, wo in jeder Hinsicht schwierige politische Entscheidungen zu treffen sind, übt Ihr Entwurf eine bemerkenswert diskrete Zurückhaltung. ({14}) - Ich weiß schon, daß Sie die Diskussion nicht gerne haben. Aber Sie müssen sich dieser Diskussion stellen. Sie können nicht an einem Tag den Eindruck erwecken, es läge an uns, daß so viele Menschen kein Zutrauen mehr in die Lage in der DDR haben, und am anderen Tag die Ausländerfreundlichkeit darstellen wollen, ohne zu verantwortlicher Politik fähig zu sein. ({15}) Das muß Ihnen in diesem Zusammenhang vorgehalten werden. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Entwürfe zur Novellierung des Ausländer- und Asylrechts sind nun in der Verantwortung des Deutschen Bundestages. Ich bitte Sie im Interesse der bei uns lebenden Ausländer, im Interesse eines gedeihlichen Zusammenlebens zwischen Deutschen und Ausländern und im Interesse des inneren Friedens, die Neuregelungen so zügig zu beraten, daß sie zum Jahresende in Kraft treten können. ({16}) Von der Neuregelung wird, dessen bin ich sicher, eine positive Wirkung auf den inneren Frieden in unserem Land ausgehen. Dies ist dringend nötig; denn ihn zu bewahren, ist oberste Pflicht von uns allen, von der Regierung ebenso wie der Legislative.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Penner?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Präsident, ich würde gerne zum Schluß kommen. Ich bin sicher, meine Damen und Herren, die neuen Gesetze werden das verwirklichen, worum es uns allen geht: die Bundesrepublik Deutschland als ein ausländerfreundliches Land auch in Zukunft zu erhalten. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Schröer.

Thomas Schröer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002084, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Sie, Herr Minister, in den letzten zwanzig Minuten nicht beneidet; denn es hat sich gezeigt: es ist schwer, eine gute Rede zu einem schlechten Gesetz zu halten. ({0}) Das ist dann auch so herausgekommen. Sogar Ihre Eloquenz reichte nicht aus, um aus einem schlechten Gesetz etwas Positives zu machen. ({1}) Ich will, bevor ich zur Sache selber komme, einen Punkt herausgreifen, der mit den vorliegenden Anträgen überhaupt nichts zu tun hat, den Sie aber, Herr Minister, weil es Ihnen aus populistischen Gründen sinnvoll erschien, angesprochen haben: das kommunale Wahlrecht für Ausländer. Das steht heute gar nicht zur Debatte. ({2}) Ich will Ihnen sagen, warum Sozialdemokraten für das kommunale Wahlrecht für Ausländer eintreten: Wer bei dem Streik der IG-Metall für die 35-Stunden-Woche in der ersten Reihe mitmarschiert ist, der muß auch darüber entscheiden dürfen, ob ein Spielplatz an seiner Straßenecke in der Gemeinde gebaut wird oder nicht. Das ist der Punkt, der uns berührt. ({3}) - Sehen Sie, jetzt tue ich das, was Sie nicht tun: Ich höre Ihnen zu, aber bitte nur eine begrenzte Zeit, weil die Uhr weiterläuft. ({4}) - Ich bin gern bereit, Ihnen persönlich Nachhilfe zu erteilen. Es gibt ein berühmtes Wort von Lafontaine. ({5}) - Sehen Sie, jetzt machen Sie einen Fehler. Ich meine nicht unseren Oskar, sondern den französischen Historiker. Sie sollten mehr Kreuzworträtsel lösen, dann wüßten Sie, daß es mehrere Lafontaines gibt, ({6}) und die haben alle über die Grenzen ihres Landes hinaus Gewicht. Dieser französische Historiker Lafontaine hat gesagt: „Unter der Torheit der Großen leiden die Kleinen. " ({7}) Es ist töricht, wie die Bundesregierung mit der Neuregelung des Ausländerrechts umgeht. Ich erinnere mich gut daran, wie der Bundeskanzler in seiner ersten Regierungserklärung 1983 die Novellierung des Ausländerrechts als einen der drei innenpolitischen Schwerpunkte seiner Politik bezeichnet hat. Bis 1987 - in der ersten Periode - geschah nichts. Etwas verlegen - das kann er ja gut - hat dann der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung 1987 diese Ankündigung wiederholt. Im Frühjahr des letzten Jahres legte dann Herr Dr. Zimmermann zwei Gesetzentwürfe zur Neuregelung des Ausländergesetzes vor, die allgemein blankes Entsetzen hervorriefen. ({8}) Schröer ({9}) Daß sie mit seinem Ausscheiden in der Versenkung verschwanden, erstaunt nicht, so wenig wie seine neue Verwendung als oberster Betonmischer dieser Republik. Von Beton verstand er immer mehr als von Menschen. Da ist er gut aufgehoben. Herr Minister Schäuble hat mit dem jetzt vorliegenden neuen Entwurf zu einer sachlichen Sprache zurückgefunden. Aber an die Stelle von Unsäglichkeiten tritt jetzt Halbherzigkeit. ({10}) Daß er sich dabei selbst unwohl fühlt, haben wir gerade gemerkt. Das wird aber auch deutlich an der Hast, mit der die Regierung versucht, diesen Gesetzentwurf jetzt, nach vielen Jahren der Untätigkeit, über die parlamentarische Bühne zu kriegen. ({11}) Das Thema soll einfach vom Tisch; es soll abgehakt werden. Darum geht es. Innerhalb von 14 Tagen soll das geleistet werden, wofür Jahre zur Verfügung standen. ({12}) Die Bundesländer - Herr Minister Bull wird das gleich sagen - kritisieren diese Hast im Bundesrat; die SPD-Fraktion tut dies, ({13}) und wir wissen uns in dieser Kritik mit den betroffenen Verbänden einig. Mir kommt es so vor ({14}) als wolle man ein schlechtes Gewissen beruhigen oder - politisch gesprochen - sich vor erneuten Irritationen innerhalb der Koalition bewahren. Denn das war ja wohl der Hauptgrund dafür, warum das alles so lange gedauert hat, daß Sie sich nicht einigen konnten. ({15}) Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, daß eine Einigung innerhalb der Koalition nur dadurch möglich war, daß ausländer- und asylrechtliche Fragen miteinander verquickt worden sind, wie es ja auch die Tagesordnung für das heutige Plenum erweist. Mich bedrückt dabei - das meine ich jetzt sehr ernst -, daß hier etwas vermengt wird, was nicht zusammengehört. Damit werden in unserer Bevölkerung Vorurteile genährt, ({16}) nämlich: Fremde sind Fremde. Aber wer kann zwischen dem Asylbewerber, der fünf Jahre Arbeitsverbot hat und der deshalb vormittags am Bahnhof herumsteht, und dem Arbeiter bei Mannesmann, der hier seit 20 Jahren lebt, unterscheiden? Wer kann das als Deutscher? Es wird alles in einen Topf geworfen. Jeder Kundige weiß, daß Ausländerrecht und Asylrecht nur bedingt miteinander zu tun haben. Wir sollten beides voneinander trennen, um vor allen Dingen den seit Jahrzehnten bei uns lebenden Ausländern das Leben nicht unnötig schwerer zu machen. Wer alles in einen Topf wirft - ich wiederhole das - hilft denen, die Fremdenfeindlichkeit schüren. Fremdenfeindlichkeit aber ist das Gift, das jede Demokratie zerfrißt. ({17}) In den bisherigen Beratungen des Bundesrats haben die sozialdemokratisch geführten Bundesländer ihre Kritik an dem vorliegenden Regierungsentwurf deutlich gemacht. Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt diese Kritik der Länder. Mit dieser Kritik stehen wir nicht allein. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Frau Funcke, hat darauf hingewiesen, daß der vorliegende Gesetzentwurf nicht darauf ausgerichtet sei, „zukunftsgerichtete gesellschaftspolitische Notwendigkeiten anzuerkennen". Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen erklärt, daß Ihr Entwurf in verschiedenen Punkten den „völkerrechtlich gebotenen Mindeststandard" nicht erreiche. Der Deutsche Gewerkschaftsbund schreibt, daß der Entwurf in vielen Punkten eine „Verschlechterung des geltenden Rechts" darstelle und in seiner Gesamtheit den Anforderungen nicht gerecht werde, die der DGB an ihn stelle. ({18}) - Ich komme zu den Kirchen. Die haben wir immer am Schluß. Wir wollen das ja ein bißchen steigern. Die Synode der Evangelischen Kirche hat erklärt, mit diesem Gesetz würde sich insgesamt die Situation für die ausländischen Menschen „praktisch eher verschlechtern als verbessern". Die Arbeiterwohlfahrt, die von allen Betreuungsverbänden die längsten Erfahrungen in der Betreuung von Ausländern hat, stellt zu Recht fest: „Der Entwurf setzt die Linie der alten Gesetzentwürfe - damit sind die Gesetzentwürfe von Herrn Zimmermann gemeint - fort. " Das Kommissariat der deutschen Bischöfe hat eine Stellungnahme abgegeben, die mit einem Wort des Papstes endet: „Die wirklich demokratische Reife einer Nation läßt sich an ihrem Verhalten gegenüber Einwanderern ermessen." ({19}) Das Vorbereitungskomitee für die ökumenische Woche der ausländischen Mitbürger schreibt uns, dieser Entwurf sei weder „weltoffen noch liberal" . Ich habe eben das Kommissariat der deutschen Bischöfe erwähnt. Dessen Aussage erinnert mich an eines der wichtigsten Worte, die Gustav Heinemann, unser Bundespräsident - unvergessen -, bei seiner Antrittsrede 1969 formuliert hat, nämlich, daß sich die Qualität unserer Demokratie daran erweise, wie sie mit ihren Minderheiten umgehe. Herr Minister Schäuble, jetzt habe ich sieben Verbände, sieben gesellschaftliche Gruppen, zitiert. Die Schröer ({20}) Frage ist: Wo sind eigentlich Ihre Truppen für Ihren Entwurf? ({21}) Unter den verantwortlichen gesellschaftlichen Gruppen unseres Landes finden Sie keine Zustimmung für Ihren Entwurf. Sie werden sie auch künftig nicht finden. ({22}) - Herr Laufs, wenn Sie weniger reden würden, hätte ich mehr Zeit zum Reden und könnte zum Inhalt kommen. Es gibt eine breite Koalition der Vernunft aus Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und vor allem den vielen Privatinitiativen, die wir nicht vergessen wollen, die für die Belange der mit uns lebenden Ausländerinnen und Ausländer eintreten. Ihnen sagen wir ausdrücklich Dank. ({23}) Meine Damen und Herren, wir haben vor der Bundesregierung einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, der heute ebenfalls zur Debatte steht. Er geht von drei Leitlinien aus. Erstens. Wir tragen den sozialen Realitäten unseres Landes Rechnung. ({24}) Zu ihnen gehört, daß bei uns 4,1 Millionen ausländische Bürger leben und einen Anspruch auf gesicherte Zukunft haben. Zweitens. Wir räumen auf mit einer der Lebenslügen unseres Landes, nämlich, es sei nie ein Einwanderungsland gewesen. Es war dies mit Zustimmung aller politischen Kräfte in den 60er Jahren, und daraus erwachsen Konsequenzen für uns als Gesetzgeber. Ausländische Arbeitnehmer haben zum Wohlstand unseres Landes in hohem Maße beigetragen. ({25}) Sie haben die Vielfalt unseres sozialen und kulturellen Lebens bereichert, und dafür sind wir ihnen dankbar. Meine Damen und Herren, wir wollen unterhalb der kulturell schwer zu überwindenden Staatsangehörigkeitsfrage ein Niederlassungsrecht einführen, das den Ausländern, die mehr als acht Jahre unter uns gelebt haben, die gleichen Rechte und Pflichten wie einem Deutschen gibt. ({26}) Wir wollen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für Ehegatten. Ich möchte nicht noch einmal erleben, daß - wie vor drei Jahren geschehen - die Witwe eines türkischen Bergmanns, der unter Tage zu Tode gekommen ist, gegen ihre Abschiebung kämpfen muß, weil sie kein eigenständiges Bleiberecht hatte. Es bedurfte des Eingreifens des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Schnoor, damit sie nicht abgeschoben wurde. Ich würde mich für unser Land schämen, wenn dies damals so passiert wäre. ({27}) Wir wollen, daß ausländische Ehepaare zusammenleben können und daß sie ihre unter 18jährigen Kinder jederzeit in die Bundesrepublik nachziehen lassen können. In meinen Augen ist es pervers, daß eine deutsche Ehe, wenn die Ehepartner ein Jahr getrennt gelebt haben, als gescheitert gilt und dann geschieden wird, bei ausländischen Ehepaaren aber eine zwei- oder dreijährige Ehebestandsfrist gilt, um ihre Ehe in Deutschland als gültig anzuerkennen. Dies muß sich ändern. ({28}) - Lesen Sie doch einmal die Rechtsverordnungen in Baden-Württemberg; dann wissen Sie Bescheid. - Eheleute gehören zueinander, so wie auch minderjährige Kinder zu ihren Eltern gehören. Wer der Überzeugung ist, daß Ehe und Familie des besonderen Schutzes des Staates bedürfen, der macht sich unglaubwürdig, wenn er zwischen deutschen und ausländischen Familien unterscheidet. Hiermit muß Schluß gemacht werden. ({29}) Wir wollen die Möglichkeit der Abschiebung straffällig gewordener Ausländer drastisch einengen. Es geht nicht an, daß wir einerseits soziale Auffälligkeit der Gesellschaft mit anlasten, uns aber andererseits bei Ausländern unserer eigenen Mitverantwortung durch Abschiebung entziehen wollen. Wer hier geboren und aufgewachsen ist, darf nicht in ein ihm fremdes Land verfrachtet werden, auch wenn er dessen Paß besitzt. Jedes Land muß mit den Problemen fertig werden, die es selber geschaffen hat. ({30}) Wir wollen auch eine erleichterte Doppelstaatsangehörigkeit. Mir sind die beredten Klagen mancher Kollegen aus der CDU/CSU noch gegenwärtig, die mit der Doppelstaatsangehörigkeit quasi die deutsche Nation in Gefahr geraten sahen. Nun lese ich in einem Interview mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Professor Dr. Roman Herzog, der Ihnen ja nicht ganz ferne steht: Verfassungsrechtliche Hindernisse kenne ich nicht. Man muß noch einmal völlig neu darüber diskutieren, was an Doppelstaatsangehörigkeit nun wirklich so störend und gefährlich sein soll. Tatsache ist für mich: Die Ermöglichung der Doppelstaatsangehörigkeit ist eines der wichtigsten und zugleich sensibelsten Themen des Ausländerrechtes. Es gibt eine kulturelle Hemmschwelle, seine angestammte Staatsbürgerschaft einfach abzulegen und sich eine neue zuzulegen. Solche Art von emotionaler Schröer ({31}) Bindung sollte uns allen nicht fremd sein. Wir Sozialdemokraten wollen sie achten und beachten. Die Koalitionsfraktionen haben uns wissen lassen, daß sie an gemeinsamen Gesprächen interessiert seien, um zu einvernehmlichen Regelungen bei diesem sensiblen Thema zu kommen. Selbstverständlich werden wir diese angebotenen Gespräche wahrnehmen. Gemeinsamkeit in der Ausländerpolitik über Parteigrenzen hinweg wäre sicher im Interesse der Betroffenen. Aber wir werden uns nichts abhandeln lassen, was zum Nachteil der Betroffenen ausschlägt. Im übrigen: Nachdem aus Kreisen der Koalition verlautet wurde, man habe nicht einen Millimeter Spielraum, ist der Bewegungsspielraum für solche Gespräche schon vorgegeben. Ich will als letztes sagen: Wer es ernst meint mit der Verbesserung der rechtlichen, sozialen und kulturellen Lebenssituation unserer ausländischen Bürger, der darf nicht den Habitus herablassenden Großmuts annehmen, der muß um die Verwirklichung ihrer erworbenen Ansprüche kämpfen. Ausländer haben ein Recht auf Rechte. Wir werden nicht nachlassen - dazu dient unser Entwurf -, ihnen zu diesem Recht zu verhelfen. Wir wollen ihnen allen gute Nachbarn sein. ({32})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei einem Gesetzespaket, das das Schicksal von 4 Millionen Menschen berührt und betrifft und mitentscheidet, möchte ich auf jede Polemik verzichten; sie ist auch nicht angebracht. Wir sehen mit Bedauern, wie viele achtenswerte Organisationen und Persönlichkeiten sich daran beteiligen, den Gesetzentwurf zu zerreden, seine wesentlichen Fortschritte geringzuachten und einzelne, gar nicht geleugnete Probleme und Schwierigkeiten zum Kernpunkt des Unternehmens zu machen. Die Leidtragenden dieser Diskussion sind die Ausländer selbst, die sich in ihrer großen Mehrzahl nur schwer ein eigenes Urteil über Vor- und Nachteile dieses Gesetzentwurfs bilden können. Ihnen durch einklagbare Ansprüche Rechtssicherheit zu geben, Klarheit zu geben für ihre Lebensplanung, das ist eines der wesentlichen Anliegen dieses Gesetzes, und darin gibt es entscheidende Fortschritte gegenüber der gegenwärtigen Ermessensfreiheit der Verwaltung. Die öffentliche Meinung über die richtige Ausländerpolitik ist in sich zerrissen wie bei selten einem anderen politischen Thema. Diese Gegensätze, die gegenseitige Unduldsamkeit wachsen als Folge der vielfältigen Zuwanderungen in die Bundesrepublik. Darum wird es hohe Zeit, zu Entscheidungen zu kommen. Es ist eine ganz überflüssige Diskussion darüber geführt worden, ob die Bundesrepublik ein Einwanderungsland ist oder nicht. Natürlich waren wir ein Einwanderungsland, seitdem die Große Koalition die Anwerbung von Arbeitskräften rings um das Mittelmeer betrieben hat. ({0}) Wir sind ein Einwanderungsland, indem wir die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Europäischen Gemeinschaft beschlossen haben, und wir sind es, seitdem die Ostblockstaaten dem Drängen der freien Welt folgend allmählich die Freizügigkeit herstellen. ({1}) - Auch. Die Rechtslage der verschiedenen Einwanderer ist ganz unterschiedlich. Es ist richtig, daß die Bundesrepublik niemals eine konsequente Ausländerpolitik gemacht hat, die nicht wesentlich von innenpolitischen Auseinandersetzungen und Opportunitäten bestimmt war, nämlich von der Jagd nach Arbeitskräften ebenso wie von Ängsten vor der Fremdheit und der Lebenskraft der Menschen, die eben nicht als blankgeputzte bewegliche Teile von Maschinen in die Bundesrepublik gekommen sind, sondern die im Grunde dieselben Bedürfnisse haben wie wir, ob sie nun Türken, Jugoslawen, Portugiesen, Engländer oder Deutsche aus Kasachstan sind. Es ist unser ureigenes Interesse, daß wir den Menschen, die auf Dauer hier bei uns leben wollen und auch nach unserem Willen hier leben sollen und können, eine wirkliche Integrationschance geben, insbesondere auch ihren Kindern, den sogenannten Ausländern der zweiten Generation, die ja niemals eine eigene Lebensentscheidung darüber treffen konnten, wo sie aufwachsen wollen und wo sie bleiben wollen. Wenn wir ihnen keine gesicherte Lebensperspektive einräumen, dürfen wir uns nicht darüber wundern, wenn sie resignieren und ein Teil von ihnen in die Kriminalität hineinwächst. Den vielen über Ausländerkriminalität in unserem Lande redenden Stammtischen sei bei dieser Gelegenheit allerdings gesagt, daß die Ausländerkriminalität in Wirklichkeit erheblich unter derjenigen vergleichbarer deutscher Bevölkerungsgruppen liegt ({2}) und daß Opfer dieser Kriminalität häufig Ausländer sind. Es wäre überhaupt wünschenswert, Untersuchungen nicht nur darüber anzustellen, wieviel Täter, sondern auch darüber, wieviel Opfer Ausländer sind. ({3}) Unser Ziel und der Kern der Gesetzentwürfe ist also, ein möglichst großzügiges Integrationsangebot an die hier lebenden Ausländer zu machen und gleichzeitig sicherzustellen, daß wir gegenüber Zuwanderungswünschen nicht schrankenlos offen sind, weil sonst die Aufnahmebereitschaft der einheimischen Bevölkerung zu Lasten der hier schon lebenden Ausländer überfordert werden würde. Wir haben außerdem schon jetzt genug Landstriche anderer Länder kraft unserer wirtschaftlichen Überlegenheit weitgehend entvölkert - wer durch be15032 stimmte Teile der Türkei fährt, sieht das -, und das ist nicht gut. Schließlich wollen wir damit ernst machen, daß Ausländer nicht die politischen Auseinandersetzungen ihrer Heimat hier in unser Land importieren und hier austragen, denn damit schädigen sie alle. Das ist der Sinn unserer gemeinsamen Eckwerte: der erleichterte Erwerb und der Rechtsanspruch auf einen sicheren Aufenthaltsstatus; der erleichterte Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, bei dem hinsichtlich der zweiten Generation die Ermessensfreiheit der deutschen Behörden auf ein Minimum beschränkt wird - ich sage hier ganz offen: wir hätten in diesen Fällen gerne einen ausdrücklichen Rechtsanspruch auf Einbürgerung in das Gesetz aufgenommen -; der Rechtsanspruch auf den Nachzug der Ehefrau, wenn für sie ein äußerstes Minimum an Wohnraum zur Verfügung steht, und daß sie ein eigenes, vom Bestand der Ehe auf Dauer unabhängiges Aufenthaltsrecht bekommen soll; der Rechtsanspruch auf die Zusammenführung mit den Kindern bis zum 16. Lebensjahr, die ebenfalls ein eigenes Aufenthaltsrecht bekommen sollen; der Anspruch auf ein Rückkehrrecht derjenigen Kinder, die hier aufgewachsen sind und mit ihren Eltern in deren Heimatland zurückgekehrt waren; schließlich klare Regelungen über die Grenzen der Ausweisung und bestimmte Regelungen im Asylrecht, die zu wesentlichen Beschleunigungen der Verfahren, aber auch zum erleichterten Erwerb von Arbeit dienen sollen, zu dem wir im weiteren Verfahren der Gesetzgebung noch Entscheidungen zu treffen haben werden. Bei vielen Diskussionen über das Asylrecht haber wir uns angewöhnt, so fein säuberlich zwischen den politischen und den Wirtschaftsflüchtlingen zu unterscheiden; die letzten bezeichnen wir als Menschen, die das Asylrecht mißbräuchlich in Anspruch nehmen. Ich denke hier immer an das Wort der Katholischen Bischofskonferenz, die einmal vorgeschlagen hat, die Bezeichnung „Wirtschaftsflüchtlinge" durch „Armutsflüchtlinge" zu ersetzen, ({4}) weil das der Wahrheit sehr viel näherkommt. Ich glaube, daß dann manche Entscheidungen und auch manche Emotionen, die in diesem Bereich getroffen bzw. geweckt werden können, anders ausfallen würden, als wenn wir das schlicht als Mißbrauchsfälle darstellen. Wir haben uns insbesondere bei den Kirchen und den kirchlichen Organisationen für ihren Einsatz, für ihr Engagement, für ihre Hilfe zu bedanken und rufen sie dazu auf, diese Gesetzesvorhaben auch weiter mit Rat und Hilfe zu begleiten. ({5}) Wir wissen - und das wird auch die Anhörung zeigen - , daß in der verwaltungs- und gesetzestechnischen Handhabung erhebliche Probleme, auch Härten liegen, die wir nicht verschweigen und die wir nicht übersehen wollen. Wir, die Liberalen, sind für jedes Gespräch, für jede Anregung, für jede Verbesserung offen. Und ich sage auch den Kollegen von der SPD zum wiederholten Male, daß wir zu Geprächen, zu Verbesserungen bereit sind, die auf der Linie unserer Eckwerte liegen, daß wir aber keinen Zweifel an unserer Entschiedenheit lassen wollen, das Gesetz in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. ({6}) Das gilt auch für eine auf Jahre abschließende Regelung des Asylrechts, bei dem Verbesserungen notwendig sind, zu denen die Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention ebenso gehört wie eine Erstreckung des Asylrechts auf Ehepartner und Kinder und eine vernünftige Altfallregelung, um einen Strich zu ziehen, mit dem man einen neuen Anfang machen kann. Wir fühlen uns verpflichtet und auch verbunden, nicht nur den ausländischen Mitbürgern gerecht zu werden, sondern wir wissen auch, daß viele Deutsche das Verhalten des Staates gegenüber der Minderheit von Ausländern zu einem Maßstab für die humanitäre und liberale Substanz unseres Staates machen. Und wir denken selbst so.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Penner?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte schön.

Dr. Willfried Penner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Herr Dr. Hirsch, Sie sind ja ein sehr bemerkenswerter Mann in diesem Parlament. Aber das, was Sie zum Verhandeln gesagt haben, fordert mich zu einer Frage heraus: Sagen Sie mal, glauben Sie allen Ernstes, man könnte verhandeln, wenn man von vornherein fixiert, was der Gegenstand des Verhandelns ist?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wir haben, Herr Penner, niemals einen Zweifel daran gelassen, daß wir zu jedem Gespräch und zu jeder Anregung bereit sind. ({0}) Und ich sage Ihnen noch einmal, daß wir natürlich auf der Grundlage unserer Zielsetzung, der Eckwerte verhandeln. Und wenn Sie uns das Vergnügen machen werden, bei der Anhörung dabei zu sein, dann werden Sie erleben, daß es durchaus denkbar ist, auf dieser Basis auch Verbesserungen zu erreichen, die das politische Ziel der Koalition nicht beeinträchtigen. Und diese Eckwerte habe ich noch einmal dargestellt. ({1}) Die Qualität eines Staatswesens entscheidet sich daran, wie es sich gegenüber Minderheiten und gegenüber denen verhält, die bei ihm Hilfe und Schutz suchen und die sich selbst nicht helfen können. Es kann aber nicht jede Maximalforderung erfüllt werden. Wir können dem Ausländer auch nicht die Last der Lebensentscheidung ersparen, unabhängig von seiner kulturellen Identität zu entscheiden, ob er in dieser Gesellschaft auf Dauer mit allen Rechten und Pflichten leben will oder ob er Ausländer bleiben will. Das muß ihm frei sein. Wir halten den Entwurf für einen achtbaren Kompromiß. Unsere Fraktion wird alles tun, um diesem Gesetzgebungswerk zum Erfolg zu verhelfen. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Trenz.

Erika Trenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002342, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle Grenzen sind offen für Deutsche und Deutschstämmige, und die in der Nationalhymne geforderte Einheit der Deutschen - bitte, behalten Sie dieses Mal Platz - scheint in greifbare Nähe gerückt. Daß nationale und ethnische Minderheiten zu diesem Deutschland gehören, daß sie ebenfalls Trägerinnen und Träger von unveräußerlichen Menschenrechten sind, wird im nationalen Taumel völlig übergangen. ({0}) Seit durch die restriktive Asylgesetzgebung die Anerkennungsquote auf 5 % gedrückt worden ist, und die Grenzen so gut wie nur noch für Deutsche bzw. Deutschstämmige geöffnet sind, bilden Aus- und Übersiedler/-innen die mit Abstand größte Gruppe der Einwandernden. Die Bundesrepublik ist ein Einwanderungsland! Rund 750 000 Menschen kamen allein im vergangenen Jahr. Die Prognosen für 1990 schwanken zwischen 500 000 und 3 Millionen. ({1}) Aber eine vorausplanende und durchschaubare Einwanderungspolitik, die Einwanderung für alle sozial absichert mit Arbeit, Wohnraum, Bildungs- und Ausbildungsangeboten, bringt diese Bundesregierung nicht zustande; nein, sie weigert sich sogar, darüber zu diskutieren. ({2}) Die Konsequenzen sind unübersehbar: Wohnungsnot, real steigende Arbeitslosenzahlen, zunehmende Armut und ein spürbares Anwachsen des offenen Rechtsextremismus. In diesen Zusammenhang gehört auch dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Ausländerrechts. Dieser Entwurf, meine Damen und Herren, soll die berechtigten Existenzängste der einheimischen Bevölkerung und vor allem die Aggressionen, die damit gegen nationale Minderheiten einhergehen, kanalisieren. Der Schäuble-Entwurf trägt mit dazu bei, das fremdenfeindliche Klima weiter anzuheizen. ({3}) Die angekündigte Rechtssicherheit wird es allenfalls im negativen Sinne geben: keine Aufenthaltsverfestigung, wenn ausreichender Wohnraum fehlt oder Sozialhilfebedürftigkeit vorliegt, ergänzt durch die zahlreichen beliebig interpretierbaren Ausweisungstatbestände; keine doppelte Staatsangehörigkeit, Erleichterungen nur für eine verschwindend geringe Anzahl von Jugendlichen; keine Wiederkehroption für eine große Mehrheit der Betroffenen; kein Familiennachzug für die zweite Generation; angekündigte Rechtsansprüche werden durch kaum erfüllbare Auflagen wieder aufgehoben. Worum es in diesem Gesetzentwurf geht, wird exemplarisch deutlich an der Auflage „ausreichender Wohnraum". Es liegt doch auf der Hand, daß angesichts wachsender Wohnungsnot und der bevorzugten Vergabe von Wohnraum an Aus- und Übersiedler/ -innen mit dieser Auflage ein Ausgrenzungsinstrumentarium geschaffen werden soll. Hier soll kein Platz mehr sein für nationale Minderheiten! Auch die Möglichkeit, unbefristete Aufenthaltserlaubnisse bei Erwerbslosigkeit nachträglich zu befristen, bedeutet eine Abschiebung auf Raten. Davon sind noch nicht einmal - ich kann es überhaupt nicht nachvollziehen, wie Sie z. B. von der FDP dem zustimmen können - hier geborene Jugendliche nicht mal davon auszunehmen. Wer zukünftig als angeworbene Arbeitskraft in die Bundesrepublik einreisen darf, muß sich darauf einstellen, daß der Innenminister durch Rechtsverordnung das Rotationsprinzip einführt und keinerlei Aufenthaltsverfestigung mehr möglich ist. Darin scheinen sich Schönhuber und Herr Schäuble leider einig zu sein. ({4}) Zwar schlägt Schäuble moderatere Töne an als sein Amtsvorgänger Zimmermann. Aber dessen Politik setzt er nahtlos fort. Und all dies geschieht ohne irgend einen Widerspruch aus den Reihen der Union oder der FDP. Die CDU-Sozialausschüsse, die noch vor zwei Jahren gefordert hatten, in der Ausländerpolitik von der Tradition der Gefahrenabwehr wegzukommen, schweigen diesmal und lassen den Scharfmachern freie Bahn. Eine Änderung ist angesichts eines Bundestagswahlkampfes nicht in Sicht, der mehr denn je als Nationaltheater inszeniert wird. Jetzt komme ich zum SPD-Entwurf. ({5}) Mit Verlaub gesagt, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Ihre Haltung erinnert mit an Kaiser Wilhelms Zeiten. Der jubelte bei der Zustimmung Ihrer Partei zu den Kriegskrediten: Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche! Natürlich können wir Kaiser Wilhelm nicht mit dem Kanzler Kohl vergleichen; aber Sie sind sich treu geblieben. Vaterlandsloses Gesellentum kann Ihnen heute nun wirklich niemand mehr vorwerfen. Auch Sozialdemokraten/-innen - und ich erinnere an das „Spiegel"-Interview mit Willy Brandt - kennen erst einmal und in allererster Linie Deutsche. Das macht Sie in der Ausländerpolitik auch so halbherzig. Ihr seit April letzten Jahres angekündigter Gesetzentwurf wird erst heute eingebracht, vielleicht deshalb, weil er ohnehin in den wesentlichen Punkten dem heute noch gültigen Ausländergesetz von 1965 entspricht, so traurig das ist. ({6}) Der SPD-Entwurf ist darum besser als der von Innenminister Schäuble; aber eine wirkliche Alternative ist er nicht, auch wenn das Wort „Niederlassung" von den GRÜNEN übernommen wurde. Wenn es bei Straffälligkeit wieder entzogen werden kann, enthält es gerade nicht mehr die Aufenthaltsabsicherung, die die GRÜNEN damit erreichen wollten. Auch in der Frage der Einbürgerung sind Sie sich mit Schäubles Intentionen ziemlich einig, ebenfalls keine doppelte Staatsangehörigkeit und wirkliche Erleichterungen nur für die dritte Generation, deren Bindung an das Herkunftsland ihrer Eltern auch wirklich - ich zitiere - „abgerissen" sind. Jetzt noch etwas zum Verfahren. Das Verfahren, mit dem der Schäuble-Entwurf durch die parlamentarischen Gremien gepeitscht werden soll, daß ihn die Bundesregierung noch vor dem 13. Mai im Bundesrat absegnen lassen will, um ihr Projekt - Stimmenfang durch Ausländerabwehr - nicht durch einen möglichen Mehrheitswechsel bei der Niedersachsenwahl zu gefährden, ist bekannt. Darum das Eilverfahren bei den Beratungen in den Länderparlamenten, darum die vorgezogene Anhörung im Innenausschuß des Bundestages. Wenn man bedenkt, daß das heute noch geltende Ausländerrecht eine fünfjährige Beratungszeit hatte, während hier von der Einbringung an gerade vier Monate, von Januar bis Ende April, vorgesehen sind, dann kann man sich das vorstellen. Für mich hat das mit sachlicher Beratung nichts zu tun. Es geht um Machtpolitik auf Kosten einer rechtlosen Minderheit. Aber das war auch nicht anders zu erwarten. Ich sage es noch einmal: die Verschärfung des Ausländergesetzes ist unbezahlbare Wahlkampfmunition für diese Bundesregierung. Ich hoffe, daß Sie, meine Damen und Herren, von der SPD-Fraktion, hier nicht mitspielen werden. Machen Sie Ihren Einfluß geltend. Nutzen Sie Ihre Mehrheit in den Ausschüssen des Bundesrates. Sie könnten auf einer demokratischen und seriösen Beratung bestehen, auf Anhörung und intensive Diskussion, die der Tragweite dieses Gesetzes angemessen sind. Sollten Sie sich nicht dafür einsetzen, so müssen Sie sich den Vorwurf gefallenlassen, daß Sie mögliche Stimmenverluste am rechten Rand aufs eigene Konto umzuleiten versuchen. Im Regierungsentwurf regieren die Republikaner bereits mit. Er knüpft an die völkische Tradition der Ausländergesetzgebung an, Menschenrechte nur denen zu gewähren, die deutscher Abstammung sind. ({7}) Er verstößt gegen das Völkerrecht, gegen die KSZE-Vereinbarung, gegen das Haager Minderjährigenschutzabkommen und die Genfer Flüchtlingskonventionen. ({8}) Der Hohe Flüchtlingskommissar hat darauf in seiner Stellungnahme an den Innenausschuß voller Beunruhigung hingewiesen. Diese Beunruhigung wird von zahlreichen Bürgerinitiativen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, den Gewerkschaften geteilt. Ich nenne als ein Beispiel den Ökumenischen Vorbereitungsausschuß für die Woche des ausländischen Mitbürgers, und ich denke an viele andere. Wir brauchen kein weiteres Ausländergesetz, dessen Ausdruck und Motor eine rassistische Haltung ist, ({9}) die Menschen auf Grund ihrer Nationalität zum Risiko erklärt und abwertet, indem es ihnen elementare Menschenrechte vorenthält. Wir brauchen eine Politik, die Einwanderung nicht nach völkischer Abstammung regelt, sondern demokratisch gestaltet, für alle Menschen, die hier leben, gleiche Rechte garantiert. Die entsprechenden Gesetzentwürfe der Bundestagsfraktion der GRÜNEN liegen Ihnen vor. ({10})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gerster ({0}).

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kaum ein anderes politisches Thema wird so kontrovers, so emotional, so gehässig und oft bar jeden Sachverstandes behandelt wie die Ausländerpolitik. ({0}) Das Schlimme ist, daß Mitbürger und Politiker, die es besser wissen müßten, bewußt Öl in das Feuer gießen und mit Unwahrheiten, Halbwahrheiten und bösartigen Unterstellungen Menschen aufhetzen, ({1}) die von ihren Möglichkeiten her die Dinge nicht so genau überprüfen können. ({2}) Frau Trenz, Sie haben ein deutliches Beispiel dieser Art von Politikern und Politikerinnen geliefert. Wenn die Deutschen Sie hören und ernst nehmen würden, würden Sie mit derartigen Reden direkt Wahlkampfhilfe für die Republikaner leisten. Ich schätze, daß Sie das auch wollen, weil Sie wissen, daß in den großen deutschen Fragen die kleineren Parteien, die Radikalen, nur eine Chance haben, wenn sie sich gegenseitig Wasser auf die Mühlen geben. Sie benutzen das Ausländerrecht um wahltaktischer Interessen willen und bedenken nicht, daß es um Menschen geht, die unserer Fürsorge und unserer Hilfe in vielen Fällen bedürfen, und es deswegen unverantwortlich ist, ihr parteipolitisches Süppchen auf ihrem Buckel auszutragen. Ich weise das zurück. ({3}) Was die Menschen verbinden sollte, nämlich zu einem friedlichen Miteinander von Deutschen und Ausländern beizutragen, wird so zur Trennung. Zwar reden viele, wie eben gehört, von Menschlichkeit, provozieren aber zugleich mit utopischen Maximalforderungen den jeweiligen Gegenüber und wundern sich dann, vielleicht aber auch nicht, über dessen Überreaktionen. Genauso schaukeln sich eben ExtremmeiGerster ({4}) nungen gegenseitig hoch und gewinnen Radikale an Boden zu Lasten der verbindenden Mitte. Letzten Endes ist die schwierige Frage der Ausländerpolitik eben nur durch eine Politik der Mitte angemessen und sachgerecht zu lösen. ({5}) Genau dies möchte ich an den beiden extremen Gegenpolen deutlich machen. Die einen rufen, nicht mehr so laut, aber zumindest noch in überschaubaren kleinen Kreisen und nicht wenig effektiv: Ausländer raus. - Diese Auffassung ist dumm, töricht, unrealistisch und unverantwortlich. Die Bundesrepublik Deutschland ist und bleibt für Arbeitnehmer aus der Europäischen Gemeinschaft und für politisch Verfolgte natürlich ein offenes Land. Selbstverständlich können Ausländer, die seit langem hier leben, auch hier bleiben. Von ihnen wird niemand gedrängt, unser Land zu verlassen, niemand unter Druck gesetzt und schon gar nicht hinausgeworfen. Wer dennoch mit „Ausländer raus"-Parolen primitive Stimmungen und Gefühle mobilisiert, ist ein Demagoge übelster Sorte. Die anderen rufen: Alle Menschen sind gleich, wer kommen will, aus welchem Land auch immer, kann kommen und soll möglichst umgehend an allen staatsbürgerlichen Rechten teilhaben. - Richtig ist daran, daß alle Menschen gleich sind. Falsch ist, daß wir deshalb einen völlig freien, ungehinderten Zugang aus aller Welt zulassen könnten. Natürlich leben wir in einer enger werdenden Welt immer mehr im Bewußtsein einer einzigen Weltbevölkerung, und natürlich freuen wir uns, daß nun endlich auch die Gefängnismauern totalitärer sozialistischer Staaten fallen. Dies macht aber noch lange nicht zwei Grundvoraussetzungen eines friedlichen Zusammenlebens der Menschen entbehrlich: erstens, daß sich die Menschen in Staaten organisieren müssen, daß Menschen, vor allem schwächere Menschen, wie z. B. Kranke, Behinderte, ältere Menschen, die Solidargemeinschaft und den Schutz eines funktionierenden Staates brauchen und daß die Menschen, die in diesen Staaten gleiche Rechte haben, natürlich auch die gleichen Pflichten übernehmen müssen, was wir gewöhnlich mit dem „Staatsbürgerrecht" bezeichnen und umschreiben. Aber es ist eine zweite Voraussetzung unentbehrlich, daß Menschen friedlich zusammenleben, nämlich daß die Menschen, so klein und transparent die Welt auch geworden ist, zunehmend Geborgenheit in einer kulturellen Identität suchen. Das Modell Vielvölkerstaat erfährt in diesen Tagen eine eindrucksvolle Absage. Wer die Entwicklungen von China über die UdSSR bis Jugoslawien, aber auch in demokratischen Staaten, wie in Nordspanien, Nordirland und Belgien, als plumpen Nationalismus abtut, hat nicht verstanden, daß die Menschen mehr als Arbeit und Brot brauchen. ({6}) Sie wollen zunehmend weltoffen leben. Aber sie wollen zugleich ihre kulturelle Identität, die dennoch offen für neue Einflüsse bleibt, in einer überschaubaren staatlichen Gemeinschaft leben. So wie die Europäische Gemeinschaft nur als Staatenbund und später allenfalls als Bundesstaat Zukunft haben wird und als Einheitsstaat scheitern müßte, wird eine Weltgesellschaft auf Staaten mit Staatsbürgern und klar umrissenen Staatsbrügerrechten noch lange nicht verzichten können. Beide Seiten der gleichen Medaille, in unserem Fall Deutschland als Heimat der Deutschen, aber nicht als geschlossene Gesellschaft, sondern im europäischen Integrationsprozeß und offen für neue Einflüsse, z. B. durch ausländische Mitbürger, sind nur ein scheinbarer Widerspruch. Nein, nur müssen beide Seiten miteinander abgestimmt, müssen fein austariert werden. Je weniger wir den Deutschen das Gefühl rauben, sie könnten auch in Zukunft noch in der Heimat der Deutschen leben, desto offener werden sie ausländische Mitbürger aufnehmen und akzeptieren. Je mehr wir den Deutschen das Gefühl vermitteln, sie würden schon morgen in einer unverbindlichen und fließenden Vielvölkergesellschaft leben, desto ausländerfeindlicher werden sich die Bürger gebärden. Genau in diesem Spannungsverhältnis beraten wir das neue Ausländergesetz. Es löst das alte Recht von 1965 ab, weil dieses wie ein alter, abgetragener Anzug nicht mehr in die 90er Jahre paßt. Das neue Recht muß dem Bedürfnis genügen, ein menschliches, friedliches Zusammenleben zwischen Deutschen und 4,5 Millionen Ausländern möglich zu machen. Dieses friedliche Zusammenwirken kann der Bundestag nicht durch Gesetz, par ordre du mufti, beschließen. Nein, der Bundestag schafft nur einen gesetzlichen Rahmen, der aber ausgewogen und gerecht sein muß, vor allem einen Rahmen, der weder Deutsche noch Ausländer überfordern darf. Denn nur wenn beide, Deutsche und Ausländer, zwar gefordert, aber nicht überfordert werden, werden die Menschen auch bereit sein, friedliches Miteinander zu praktizieren. ({7}) Genau diesem Ziel dient unser Entwurf für ein neues Ausländerrecht. Mehr als 4,5 Millionen Ausländer leben derzeit in der Bundesrepublik Deutschland, die meisten davon schon seit mehr als zehn Jahren. Es kommt nun darauf an, die hier lebenden ausländischen Mitbürger, die ohnehin hier bleiben, mit ihren Familien in Gesellschaft, Staat, Arbeitsleben und Kultur zu integrieren. Daneben sind Maßnahmen zur sozialen Integration, eine Verfestigung ihrer Rechtsstellung sowie die Erleichterung der Einbürgerung dringend notwendig. Diesem Ziel dienen folgende unbestreitbare Verbesserungen und Klarstellungen, die ich beispielhaft anführen möchte. Erstens. Die bisherigen weiten Ermessensspielräume werden durch klare gesetzliche Vorgaben ersetzt. Das ist übrigens eine langjährige Forderung all derjenigen, die in der Vergangenheit die Gummiparagraphen angegriffen haben, die jetzt aber dieselben sind, die den Entwurf angreifen, nach dem Motto, hier würden Dinge festgezurrt. ({8}) Es sind dieselben Leute, die mit unterschiedlichen Argumenten den früheren Rechtszustand kritisiert ha15036 Gerster ({9}) ben und jetzt das neue Gesetz. Das ist nicht gerade Ausbund von besonderer Glaubwürdigkeit, wie ich meine. ({10}) Die klaren gesetzlichen Vorgaben schaffen Rechtsklarheit für die Ausländer. Die Unklarheit war etwas, was die Ausländer immer beklagt haben, da sie nicht wußten, was mit ihnen wird. Ihre Rechte werden nun berechenbarer. Was genauso wichtig ist: Eine bundeseinheitlich gleiche Rechtsanwendung schafft mehr Rechtsfrieden. Denn daß heute das Ausländerrecht zu Unfrieden führt, hängt mit der unterschiedlichen Verwaltungspraxis nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch zwischen den Ausländerbehörden unterschiedlicher Kommunen zusammen. Zweitens. Die ausländischen Mitbürger erhalten klare Rechtsansprüche für die Aufenthaltsverfestigung und den Familiennachzug. Das baut Mißtrauen gegenüber einem derzeit manchmal unverständlichen Verwaltungshandeln ab; übrigens ein Verwaltungshandeln, das vom Gesetzgeber nicht immer unbedingt so gewollt war, das aber dem Gesetzgeber und uns als Teil des Gesetzgebers vorgehalten wird, weil in den Behörden manchmal sehr kleinlich im Bereich dessen verfahren wird, was an sich möglich wäre. Drittens. Für die hier lebenden Ausländer entfallen beim Ehegattennachzug Wartefristen. Der Nachzug wird durch einen gesetzlichen Anspruch garantiert. Viertens. Ausländische Kinder unter 16 Jahren erhalten einen Anspruch auf Nachzug zu ihren hier lebenden Eltern. In besonders begründeten Fällen - das hat Herr Minister Dr. Schäuble schon gesagt - wird der Nachzug auch zu einem Elternteil und bis zum 18. Lebensjahr möglich. Fünftens. Jugendliche Ausländer erhalten, wenn sie seit acht Jahren hier leben, mit 16 Jahren ohne jede weitere Voraussetzung den Rechtsanspruch auf die unbefristete Aufenthaltserlaubnis; übrigens ein Beispiel dafür, wie gute Absichten auch falsch interpretiert werden können. In Ausländerkreisen wird die Tatsache, daß wir bereits 16jährigen diesen festeren Rechtsanspruch geben oder sogar über eine Option die erleichterte Einbürgerung ermöglichen, in der Argumentation jetzt leider genau umgedreht. Wir haben es gemacht, um einem 16jährigen ausländischen Jugendlichen z. B. die Chance, im öffentlichen Dienst beschäftigt zu werden - etwa beim Bundesgrenzschutz - , zu geben. Das wird jetzt genau umgedreht, und es wird gesagt, wir wollten türkische und andere Familien zerreißen. Darauf sind nicht die Ausländer gekommen, sondern das haben ihnen deutsche Demagogen eingeredet. ({11})) Eines der vielen Beispiele dafür, daß gute Absichten in ihr Gegenteil verkehrt werden. Sechstens. Für Ausländer der zweiten und dritten Generation werden nach acht Jahren Aufenthalt eine Reihe von Möglichkeiten eröffnet, so z. B. der Rechtsanspruch auf Ehegattennachzug, die erleichterte Wiederkehroption und der Anspruch auf erleichtete Einbürgerung. Das neue Gesetz versucht, Rechtsklarheit und dennoch Einzelfallgerechtigkeit herzustellen. Das möchte ich am Beispiel des Ehegattennachzugs deutlich machen. Besondere Ehebestandszeiten werden nicht mehr gefordert. In Härtefällen, z. B. wenn die Ehefrau schwanger oder aus der Ehe ein Kind hervorgegangen ist, kann der Nachzug bereits nach fünf statt wie sonst nach acht Jahren rechtmäßigen Aufenthalts des bereits hier lebenden Ausländers erfolgen. Er kann sogar schon vor der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gestattet werden. Zusätzlich kann auch von dem Erfordernis des bereits eigenständig gesicherten Lebensunterhaltes abgesehen werden. Dieses eine Beispiel verdeutlicht, daß das neue Recht sehr differenzierte und angemessene Regularien enthält, um auf besondere Problemsituationen flexibel reagieren zu können. Dabei werden wir in den Ausschußberatungen die einzelnen Vorschläge noch einmal gesondert kritisch und auch selbstkritisch überprüfen. Ich selbst wünsche z. B. für die Ausländer der ersten Generation, Herr Minister, weitere Erleichterungen für die Einbürgerung. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang etwas zum geltenden Recht und zur üblichen Verwaltungspraxis sagen. Wenn begehrte Spitzensportler schon nach kurzem Aufenthalt um die deutsche Staatsbürgerschaft nachsuchen, kann man allenthalben Verwaltungseile beobachten. Wenn andere ausländische Mitbürger die Einbürgerung begehren, wird auf Punkt und Komma geachtet. Daß das Unmut und Verdruß schafft, ist mehr als verständlich. Wir werden darauf zu achten haben, daß sich die Einbürgerungsbehörden in derartigen Fällen in Zukunft nicht als Behinderungsagenturen, sondern als Förderungsämter betätigen. Ich ärgere mich derzeit über meine eigenen Behörden in Rheinland-Pfalz im Zusammenhang mit einem Fall, den ich für unglaublich halte. Ein junger Pianist, der bereits vor einigen Jahren von deutschen Eltern adoptiert wurde, der international gefragt ist, bekommt die deutsche Einbürgerung nicht. Hier gibt es eine Härtefallregelung, d. h. es wäre möglich, obwohl er die zehn Jahre noch nicht erfüllt hat. Der Mann ist in Deutschland integriert. Der Mann erfährt in seinem künstlerischen Wirken ständig Nachteile, weil er noch nicht einmal Pässe bekommt. Er kann nicht an Wettbewerben teilnehmen, weil die Erteilung eines Visums so lange dauert usw. Es gibt also eine Reihe von Fällen, in denen wir mit dem Gesetz auch wirklich mehr Einzelfallgerechtigkeit und etwas mehr Großzügigkeit, z. B. bei der Einbürgerung, erreichen wollen. Hier gibt es viel Kleinlichkeit in allen Bundesländern, unabhängig von der parteilichen Ausrichtung der Regierung. Hier muß es Änderungen geben. Das neue Ausländerrecht soll und muß der Integration der seit langem hier lebenden ausländischen Mitbürger dienen. Der dienen auch die genannten exemplarischen Neuregelungen. Ich verkenne nicht, daß es auch Problembereiche gibt. So ist die Übernahme der geltenden Regelung, Gerster ({12}) welche einen ausreichenden Wohnraum als Integrationsvoraussetzung kennt, aus verständlichen Gründen umstritten, wenn auch derzeit kaum verzichtbar. In die Bundesrepublik Deutschland sind im letzten Jahr bekanntermaßen 840 000 Menschen zugewandert. Ich kenne kein Land, das in jüngerer Zeit annähernd vergleichbare Unterbringungsprobleme durch derartige Zuwanderungen bekam. Hier ist doch ganz klar, daß Deutsche den erhöhten, grundgesetzlich vorrangigen Schutz der Freizügigkeit genießen. Schon aus diesem Grund können wir z. B. die Frage des Familiennachzugs nicht vom Nachweis ausreichenden Wohnraums trennen. Dies können offenbar nur Sozialdemokraten, die, wie ihr stellvertretender Bundesvorsitzender Lafontaine, ja zumindest den Eindruck erwecken, zuwandernde Ausländer seien immer und bedingungslos willkommen; zuwandernden Deutschen müsse man dagegen eine Mauer der Kaltherzigkeit entgegenstellen. ({13}) - Herr Kollege Penner, der Mann macht uns keinen Kummer. ({14}) Wir werden nur sein verantwortungsloses Gerede offenlegen. Ich darf das einmal an einem Beispiel deutlich machen. Ihre Partei, Herr Lafontaine und andere, auch Herr Schröder in Niedersachsen, versuchen, die Menschen gegenüber deutschen Aus- und Übersiedlern aufzuwiegeln, indem sie nach wie vor behaupten, diese würden begünstigt, diese würden durch finanzielle Leistungen angelockt und würden sogar bei den Wohnungen bevorzugt. Sie müssen schon einmal die SPD-Politik überprüfen. Auf der einen Seite beklagen Sie, daß wegen der deutschen Zuwanderer Wohnungsprobleme bestehen. Auf der anderen Seite wollen Sie bei Ausländern die Voraussetzung eines ausreichenden Wohnraums als Integrationsvoraussetzung nicht gelten lassen. ({15}) Das heißt, Sie begünstigen die Ausländer und hetzen gegen die Deutschen. Das ist die Realität. ({16})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Augenblick, meine Damen und Herren. Es gibt die Möglichkeit der Kurzintervention.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich verstehe, daß die Kollegen von der SPD das nicht wollen, weil ich dann ebenfalls noch eine Kurzintervention habe.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Es macht die Sache leichter; man kann dann hier ruhiger verhandeln.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen, meine Herren! Ich möchte bei Abwägung aller humanen und humanitären Pflichten, die wir sehr sorgfältig abwägen müssen, klarstellen: Wer politisch verfolgt ist, muß immer bei uns Aufnahme finden können, um sein Leben zu retten. Wenn er als Ausländer nicht in dieser Gefahrenlage ist, muß er Verständnis dafür haben, daß zunächst Deutsche sowohl verfassungsrechtlich wie politisch-moralisch Vorfahrt vor Ausländer haben müssen und nicht umgekehrt, wie Sie das zum Teil verkünden. Damit bin ich mitten im Ausländergesetzentwurf der SPD. Dieser Entwurf räumt Ausländern unentziehbare Zuwanderungs- und Aufenthaltsrechte ein, ohne die Kehrseite der Medaille zu beachten, nämlich die unverzichtbare Notwendigkeit, die Integration zu fördern. Der SPD-Entwurf predigt in Anlehnung an die Vorstellungen der GRÜNEN das Land der offenen Tür und vernachlässigt weitestgehend, was danach im Interesse der zugewanderten Ausländer mit diesen in deren und im allgemeinen Interesse zu geschehen hat. Die Tür wird geöffnet, aber die Innenausstattung wird vergessen. Dies würde die Integration der hier lebenden Ausländer erschweren, die Widerstände der Deutschen gegen Ausländer mobilisieren, und damit ein vernünftiges Zusammenleben auf Dauer unmöglich machen. Wer die Ausländerproblematik, so wie das die Sozialdemokraten machen - ich bringe das jetzt auf den Punkt - , vor allem durch offene Tore und anschließend durch das Wahlrecht zu einem sehr frühen Zeitpunkt lösen will, verhindert Integration und verhindert ein vernünftiges Miteinander zwischen Deutschen und Ausländern. ({0}) Die CDU/CSU-Fraktion setzt auf ein anderes, geregeltes und damit funktionierendes Modell: erstens die Integration der seit langem hier lebenden Ausländer, zweitens natürlich Offenheit für EG-Arbeitnehmer und Offenheit für politisch Verfolgte, aber auch drittens Begrenzung für Nicht-EG-Ausländer und politisch Nicht-Verfolgte. Die Zuzugsbegrenzung, Herr Kollege Schröer - da will ich das gerne begründen, was Sie eben durch einen Zwischenruf gefragt haben - , ist die Voraussetzung für die Integration. Denn eine unkontrollierte Zunahme von Ausländern aus nicht-europäischen Kulturkreisen würde die Integration von ausländischen Mitbürgern aus diesen nicht-europäischen Kulturkreisen, die ja ohnehin sehr schwierig ist, wie Sie wissen, weiter erschweren. ({1}) Integration ist aber zugleich Voraussetzung für die weitere Aufnahmebereitschaft der Deutschen gegenüber Ausländern. Je mehr die hier lebenden und auf Dauer hier bleibenden Ausländer durch Integration nicht neben Deutschen, sondern zusammen mit Deutschen leben, also in einem Miteinander, statt einem Gerster ({2}) Nebeneinander, desto mehr wächst die Akzeptanz der Bürger gegenüber Ausländern. Die Bereitschaft der Bürger, mit Ausländern vernünftig zusammenzuleben, muß gestärkt und darf auf keinen Fall vermindert werden. Daher müssen die Einreise und der Aufenthalt von Ausländern grundsätzlich erlaubnispflichtig bleiben, und nach illegalen Einreisen muß der Aufenthalt beendet werden. Daher muß unser Grundrecht auf politisches Asyl in Zukunft auch etwas ehrlicher diskutiert und konsequenter gehandhabt werden. In unser Land kamen im letzten Jahr 121 000 Asylbewerber einschließlich ihrer Familienangehörigen. ({3}) Nach Großbritannien kamen im gleichen Jahr rund 2 500 Asylbewerber. Sind nun die Lebensverhältnisse in Großbritannien so viel schlechter, oder liegt das am Verfahren? ({4}) Ich glaube auch, daß es sich in unserem Land - auch für Ausländer - besser als in Großbritannien leben läßt. Und doch ist der Unterschied nicht 1 : 50. Das ist die Relation der Zahlen. Daher liegt es natürlich am Verfahren. Die Anerkennungsquote in den Asylverfahren liegt derzeit bei gut 3 %. Die Verfahren sind kürzer. Die während der Verfahren geltend gemachten Abschiebungshindernisse haben nicht zugenommen, sondern wegen der Entwicklung in Osteuropa eher abgenommen. Dennoch wird noch zu selten ein zu Unrecht in Anspruch genommener Aufenthalt beendet. Wir werden daher im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf den Wegfall der gerichtlichen Beschwerdeinstanz bei offensichtlich unbegründeten Fällen drängen. Dadurch kann in offensichtlich unbegründeten Fällen die Aufenthaltsdauer auf nicht mehr als vier Wochen verkürzt werden. Nur dann kann eine unberechtigte Inanspruchnahme unseres Asylrechtes begrenzt werden. Das neue Ausländerrecht und das Asylverfahrensrecht gehören zusammen und werden daher von uns gemeinsam beraten und verabschiedet werden. Ich möchte mich an dieser Stelle mit der CSU und der FDP, den Kritikern und dem bevorstehenden Verfahren noch kurz auseinandersetzen. Der vorliegende Gesetzentwurf basiert auf einer Übereinkunft, welche die Kollegen Fellner und Dr. Hirsch nach längeren Vorberatungen mit mir im April letzten Jahres getroffen haben. Ich verhehle nicht, daß der danach folgende Referentenentwurf zunächst kritisch von uns aufgenommen, dann aber in mehreren Gesprächen gemeinsam mit dem Innenminister, Herrn Dr. Schäuble, nachgebessert und dann dem Kabinett vorgelegt wurde. Auch heute ist klar: Das letzte Wort spricht natürlich das Parlament. Das ist ja auch wiederholt und zutreffend hier betont worden. Das heißt, wir werden jeden konstruktiven Vorschlag gewissenhaft prüfen und, soweit vertretbar, übernehmen. Das hindert mich nicht, schon heute den Kollegen Fellner und Dr. Hirsch sehr herzlich zu danken. Diese Zusammenarbeit war erfreulich und erfolgreich. Man darf einmal sagen: Ohne diese freundschaftliche Kooperation käme es nach meiner festen Überzeugung in dieser Wahlperiode nicht zu einem neuen Ausländerrecht. ({5}) Zu den Kritikern: GRÜNE und Alternative, einzelne Ausländergruppen und vor allem kleinere Zirkel lehnen ein neues Gesetz in Bausch und Bogen ab. Es sind die gleichen Leute - ich sagte das bereits -, die bereits seit vielen Jahren kritisieren, das Gesetz sei viel zu sehr mit Gummiparagraphen bestückt, und die nun plötzlich meinen, eine rechtliche Klarstellung sei ebenfalls von Übel. Was gilt denn nun eigentlich? Gelten Ermessensspielräume und die Zersplitterung der Verwaltungspraxis als besser, oder gelten klare Rechtsansprüche für ausländische Mitbürger als besser? Ich bestreite niemand das Recht zur Kritik. Aber niemand kann mir das Recht bestreiten, die Glaubwürdigkeit von Leuten in Zweifel zu ziehen, die gestern in gleicher Lautstärke völlig unterschiedliche Argumente vorgetragen haben. Ich möchte deutlich machen, daß wir jeden konstruktiven Vorschlag aufnehmen und in der Beratung berücksichtigen. Ich möchte aber auch deutlich machen, daß wir mit Sicherheit ({6}) - nicht an einem halben Tag - genügend Zeit dafür aufbringen können. Da bin ich beim Verfahren. Wir wollen und werden die Beratungen bis zum Mai im Bundestag abschließen. Kritiker aus Interessenverbänden sagen, das sei zu kurz. Ich möchte darauf antworten: Erstens. Seit Jahren sind die hier strittigen und umstrittenen Fragen hinlänglich bekannt, diskutiert und immer wieder von neuem nach allen Seiten durchleuchtet worden. Zweitens. Das sollte man der Öffentlichkeit gegenüber auch einmal sagen: Seit Jahren arbeiten ganze Kompanien von hauptamtlichen, für die Ausländerbetreuung und die Ausländerlobbypolitik freigestellte Funktionäre aus Kirchen, Gewerkschaften, Verbänden an und mit diesem Thema. ({7}) - Nein. Sie sind auch ein Funktionär, das ist nichts Negatives. Das ist eine Ist-Beschreibung. Herr Wartenberg, ich bin diesen Leuten an Akademien, Hochschulen, in Kirchen, Gewerkschaftshäusern, Rundfunk und Fernsehen ständig begegnet. Das Thema ist weitestgehend ausgereizt. Die Behauptung, diese Gruppen hätten nicht Zeit gehabt, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen, ist nicht überzeugend. Wir haben in der Fraktion einen Mann für dieses Ausländerrecht, und wir haben mindestens 300 hauptamtliche Leute, die nichts anderes machen, als Tagungen zu diesem Thema zu veranstalten. Wenn wir ehrlich sind, sind das manchmal bessere Experten als wir. Zu glauben, daß sich diese Leute nicht entsprechend Gerster ({8}) äußern könnten, entspricht einfach nicht den Realitäten. Drittens. Wir werden daher entscheiden, CDU/CSU und FDP. Ich darf die SPD zur kritischen Mitberatung und Mitwirkung herzlich einladen. Ich bin mir sicher, daß wir das Mögliche und Nötige tun, und möchte deutlich machen, daß wir natürlich die Kritik der Kirchen auch aufnehmen, aber differenziert sehen. Herrn Schröer ist es entgangen, daß z. B. der Vorsitzende der Bischofskonferenz gestern eine ganz andere Erklärung abgegeben hat, die ich aus Zeitgründen jetzt nicht zitiere, die aber in der Zusammenfassung ganz klar macht, daß das neue Gesetz eine Verbesserung darstellt, daß er nur auf der Basis dieser Verbesserungen noch weitere Bedenken hat, die wir natürlich kritisch prüfen werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hirsch?

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön, Herr Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, könnten Sie in Ihrer Rede noch lobend hervorheben, daß von der gesamten Fraktion der GRÜNEN wenigstens der Abgeordnete Such noch anwesend ist? ({0})

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Dr. Hirsch, das kann ich bestätigen, wobei es mich nicht wundert, weil das in etwa der Regelbesetzung der GRÜNEN etwa auch am Donnerstag ab 17 Uhr und freitags in der Regel so ab 9, 10 Uhr entspricht. ({0}) Vielen Dank für die Klarstellung. Meine Damen, meine Herren, lassen Sie mich zum Abschluß auf einen Gesichtspunkt hinweisen. Ich möchte schon heute unsere deutschen Mitbürger, aber auch unsere ausländischen Mitbürger auffordern: Ergreifen Sie die mit diesem neuen Gesetz jetzt zu schaffenden neuen Chancen, auch aufeinander zuzugehen, statt sich gegeneinander aufzuwiegeln und voneinander trennen zu lassen. Es ist keine Frage, daß nur in der Gemeinsamkeit für deutsche und ausländische Mitbürger eine gute Zukunft liegt, und ich bin sicher, daß wir mit diesem Gesetz einen wesentlichen Beitrag zu dieser Verständigung leisten können. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Innenminister des Landes Schleswig-Holstein, Herr Professor Bull. Minister Dr. Bull ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind zwei Gründe, aus denen ich hier das Wort zur beabsichtigten Neuregelung des Ausländerrechts ergreife. Zum einen sind die Innenminister der Länder in besonders hohem Maße an diesem Thema der Gesetzgebung des Bundes interessiert. ({1}) - Ich bin ja da. ({2}) Die Landesregierung und besonders die Innenminister müssen sich der Öffentlichkeit und den Betroffenen gegenüber immer wieder verantworten für die rechts- und sozialstaatlich angemessene Umsetzung des Ausländerrechts. Ständig sind wir mit schwierigsten Rechtsanwendungsproblemen konfrontiert, ständig müssen wir auch Entscheidungen treffen, die vom Gesetz des Bundes so vorgezeichnet sind, für die betroffenen Menschen aber oft hart, manchmal unerträglich erscheinen. Um der Einheitlichkeit der Verwaltungspraxis willen und um keine Sogwirkung in der einen oder anderen Richtung entstehen zu lassen, nehmen wir es manchmal sogar hin, daß Entscheidungen des Bundes oder anderer Länder als Richtlinie gelten, die das einzelne Land aus seiner Einschätzung heraus so nicht getroffen hätte, und dies ist auch ein Stück Antwort auf das, was Herr Abgeordneter Gerster eben sagte, daß auch in Ländern, die von Sozialdemokraten regiert werden, manchmal harte Entscheidungen gefällt werden müssen. Es gibt da eine starke Einbindung in Vorgaben des Bundes, insbesondere bei der Einbürgerung. Die Einwirkung der Länder über den Bundesrat ist gerade im jetzigen Gesetzgebungsverfahren, den Gesetzentwurf der Bundesregierung betreffend, nicht wirksam genug. Die Damen und Herren Funktionäre, von denen Sie, Herr Gerster, eben sprachen, ersetzen ja wohl nicht die Arbeit der Parlamentarier, des nach der Verfassung zuständigen Gesetzgebers. ({3}) - Es klang bei Ihnen ganz so, als könnte das Parlament auf eine ausführliche und gründliche Debatte verzichten, weil doch schon so viele Tagungen veranstaltet worden sind. Die Bundesregierung hat ihren Gesetzentwurf erst mit Schreiben vom 5. Januar 1990 dem Bundesrat zugeleitet und hat gleichzeitig die Vorlage als besonders eilbedürftig bezeichnet, so daß diese schon nach drei Wochen, also vor Eingang der Stellungnahme des Bundesrates, diesem Hohen Hause zugeleitet werden konnte. Der Bundesrat seinerseits war aber bei aller Bereitschaft, sehr schnell zu arbeiten, erst Ende Januar in der Lage, den Entwurf im Ausschuß zu beraten. Das Plenum des Bunderates kann, wie Sie sicher wissen, erst in einer Woche, am 16. Februar, seine Stellungnahme beschließen. ({4}) Ich möchte deshalb einige wesentliche Punkte der Kritik - auch aus der Ausschußberatung des Bundesrates - hier schon heute vortragen. Minister Dr. Bull ({5}) Ich melde mich hier heute aber noch aus einem zweiten Grund zu Wort, nämlich weil die sozialdemokratisch regierten Länder an der Alternative zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung mitgewirkt haben, an dem Entwurf eines Bundesausländergesetzes, den die SPD-Bundestagsfraktion dankenswerterweise erarbeitet hat, wobei sie Vertreter der Länder Berlin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein an der Arbeit hat teilnehmen lassen. Dafür sind wir dankbar. Wir haben unsere Erfahrungen und Vorschläge in diesen Fraktionsentwurf einbringen können, und es soll deutlich werden, daß die A-Länder hinter diesem Entwurf stehen. Dieser Entwurf ist von Ihnen, Frau Abgeordnete Trenz, und ebenso von Ihnen, Herr Abgeordneter Gerster, völlig verzerrt dargestellt worden; das wird die weitere Diskussion ergeben. Wir verkennen nicht, daß der Entwurf der Bundesregierung in manchen Punkten deutlich fortschrittlicher ausgefallen ist als seine Vorgänger, die ja in der regierungsinternen Diskussion steckengeblieben sind. Auch die Bürgerrechts- und Ausländerorganisationen sowie die Kirchen, die im Ergebnis den Regierungsentwurf äußerst kritisch beurteilen, erkennen an, daß er in einigen durchaus wichtigen Punkten Verbesserungen enthält, z. B. die Rechtsansprüche auf Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsberechtigung, daß er ein Recht auf Wiederkehr für junge Ausländer und für Rentner einführt und daß er ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der Ehegatten regelt. Aber wir kritisieren, daß der Entwurf den somit beschrittenen Weg nicht konsequent weitergeht, sondern an verschiedenen Stellen halbherzig bleibt, die Tatbestandsvoraussetzungen zu eng zieht und sie zum Teil im Vergleich zu den bisher bundeseinheitlich geltenden Regelungen sogar höherschraubt. Das gilt insbesondere für die Vorschriften über den Familiennachzug, die Aufenthaltsverfestigung und die Einbürgerung, aber auch für die an sich ja positiv zu bewertende Wiederkehr-Regelung. Die Altfallregelung in § 98 des Entwurfs erscheint uns ebenfalls unzureichend. Der Mangel an Konsequenz und an Großzügigkeit ist offensichtlich auch der Grund dafür, daß dieser Entwurf so umfangreich und unübersichtlich ausgefallen ist. Der materielle Teil des Ausländerrechts im geltenden Gesetz umfaßt rund 20 Paragraphen. Ebenso ist es im SPD-Entwurf. Die Bundesregierung braucht dafür die dreifache Zahl von Paragraphen, über 60. Natürlich muß man anerkennen, daß damit die eine oder andere Frage im Gesetz selbst beantwortet wird, die sonst in den Verwaltungsvorschriften geregelt werden müßte; aber es ist doch ganz offensichtlich, daß die zahllosen Vorbehalte und Einschränkungen, die die Bundesregierung für nötig hält, zu einer Aufblähung des Gesetzestextes geführt haben, die man nur beklagen kann. In diesem Labyrinth von fein gesponnenen Normen werden sich ja vielleicht nach einiger Zeit - ich befürchte, erst nach Jahren - die Mitarbeiter der Ausländerbehörden zurechtfinden, die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger aber ganz gewiß nicht. ({6}) Es ist doch so - das wissen Sie als Experten doch -, daß schon das gegenwärtige Recht außerordentlich schwer zu verstehen ist, daß man sich intensivst einarbeiten muß, wenn man alle Feinheiten erkennen will. ({7}) Es muß ein Anliegen der Gesetzgebung sein, dies zu vereinfachen, dies klarer und auch für den Normalbürger und die Normalbürgerin verständlicher zu gestalten. ({8}) Wäre die Bundesregierung so vorgegangen wie die SPD-Fraktion, hätte sie also generell in der gebotenen Liberalität Rechts- und Regelansprüche eingeräumt, ohne dabei nun wieder so stark zu differenzieren und zu hohe Anforderungen zu stellen, dann hätte man eben auch weniger Zusatzklauseln, Ausnahmeklauseln, Härteklauseln gebraucht. Der Entwurf der SPD-Bundestagsfraktion beweist, daß schon in dem Gesetz selbst weitgehend abschließende Regelungen getroffen werden können, wenn man es nur will, wenn man sich nur zu einer solch konsequenten Politik durchringt. Meine Damen und Herren, wenn ich hier Großzügigkeit und Liberalität einfordere, muß ich wohl noch einem möglichen Mißverständnis entgegentreten: Ziel deutscher Ausländerpolitik kann nicht sein - ich denke, daß hier ein ganz weitgehender Konsens besteht - , so viele Menschen wie nur möglich zur Einreise zu bewegen oder ihnen Anreize dazu zu geben. Wir sind zwar eines der reichsten Länder dieser Welt, und wir können sehr, sehr viele Ressourcen aufbringen, um mit denen, die zu uns wollen, menschlich anständig umzugehen. Aber wir sind trotzdem nicht in der Lage, alles Elend dieser Welt in unseren engen Grenzen zu bewältigen. Wir haben aber eine Verpflichtung, sehr geehrter Herr Bundesminister, insbesondere gegenüber Hunderttausenden von Menschen zu erfüllen, die wir oder die unsere Vorgänger, die insbesondere die deutsche Wirtschaft mit ihren Familienangehörigen als Arbeitskräfte gerufen haben. Arbeitskräfte, das sind nicht seelenlose Maschinen. Es sind Menschen gekommen. Hier sind nicht Produktionsfaktoren verlagert worden, wie man das vielleicht abstrakt ausdrücken könnte, sondern eben Menschen. Um deren persönliche Schicksale und deren Familienschicksale geht es. Menschen wollen mit ihren Familien zusammenleben. Deswegen sind die Regeln über den Nachzug von Ehegatten und Kindern so unerhört bedeutsam.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäuble? Minister Dr. Bull ({0}): Bitte sehr, Herr Minister.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte schön, Herr Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Bull, würden Sie mir bitte bestätigen, daß in der Behandlung der hier einstmals als Arbeitnehmer angeworbenen und jetzt hier lebenden Ausländer grundsätzlich zwischen den beiden Gesetzentwürfen kein Unterschied besteht, und würden Sie mir bitte zweitens erklären, welche Regelungen der Zuzugsbegrenzung Ihr Gesetzentwurf enthält? Minister Dr. Bull ({0}): Sehr gerne, Herr Dr. Schäuble. Ich werde im Laufe der weiteren Ausführungen auf die Unterschiede eingehen. ({1}) Ich werde vor allen Dingen auch darauf eingehen, daß das von Ihnen vorgetragene und so stark betonte Unterscheidungsmerkmal Staatsangehörigkeit dem Problem nicht gerecht wird. ({2}) - Die Zuzugsbegrenzungsregelung ist in den ersten Paragraphen des Gesetzes und jeweils in dem Paragraphen über die Art der Aufenthaltserlaubnis enthalten. Ich möchte nicht meine Redezeit darauf verwenden, Ihnen die Lesezeit zu ersparen. Ich möchte gerne fortfahren in meinem Gedanken. ({3}) Es geht um Menschen, die hierher zu uns gekommen sind, die den Wunsch haben, mit ihren Familien zusammenzuleben. Es geht um Menschen, die, nachdem sie viele Jahre hier bei uns leben - und das ist keine Frage des Zuzugs; deshalb paßte die Frage hier nicht herein -, ({4}) schließlich keine Ausländer im eigentlichen Sinne mehr sind, sondern Inländer mit fremdem Paß, Eingewanderte auf dem Weg zur Integration in die einheimische Bevölkerung. Um solche Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, geht es zu einem ganz wesentlichen Teil bei unserer heutigen Gesetzgebungsaufgabe. Die haben oft sehr große Schwierigkeiten, in der Umgebung weiterzuleben, die rechtlich noch als ihre Heimat gilt. Das wissen alle, die sich damit befaßt haben. Deshalb sind eben außer den Regeln über Familiennachzug und über die Einbürgerung auch die Regeln über das Recht auf Wiederkehr so unerhört wichtig. Herr Dr. Schäuble, die Unterscheidung zwischen deutschen und fremden Staatsangehörigen allein löst unser Problem nicht. Sie ist zu grobschlächtig. Sie darf nicht die alleinige Grundlage einer Rechtspolitik sein, die auf einem anständigen Umgang mit Menschen, die hier bei uns wohnen, abzielt. Ich brauche vielleicht auch nur das Beispiel British Empire einzuführen. Wenn Sie den Vergleich mit den Einwanderern in England ziehen, dann hat die Staatsangehörigkeit dort eine ganz andere Qualität, eine ganz andere Bedeutung, nämlich eine viel geringere, weil sehr viel mehr Menschen mit anderer Hautfarbe als der der Ureinwohnerschaft von Großbritannien staatsangehörig sind. ({5}) Bei diesem Gesetz geht es insbesondere - um das zusammenzufassen - um die Menschlichkeit gegenüber all denen, deren Leben schon durch ihr langes Hiersein bei uns geprägt ist - durch Aufenthalt, durch Schulbildung und ähnliche Verknüpfungen mit unserem Land. ({6}) - Ich habe doch schon gesagt: in den ersten Paragraphen des Gesetzes. Lesen Sie es doch bitte nach. ({7}) - Die Zuzugsbegrenzung ist drin. Ich werde mich nicht darauf einlassen, hier jetzt von Ihnen abgefragt zu werden. Lesen Sie das bitte nach. ({8})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Kollege Gerster, Sie können auch die Interventionsmöglichkeit nutzen, wenn Sie es wollen. Aber ich meine, man sollte einen Redner nicht dauernd stören. - Herr Minister, jetzt kommt also eine solche Intervention. Sie haben das Recht, zu sagen, ob Sie sie wollen oder nicht. Minister Dr. Bull ({0}): Ich möchte sie jetzt nicht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte schön, Herr Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, - ({0}) Minister Dr. Bull ({1}): Ich möchte die Intervention nicht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Dann habe ich Sie falsch verstanden. Wollen Sie eine Frage eines Abgeordneten beantworten? Minister Dr. Bull ({0}): Ich beantworte eine Frage, ja.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte schön, Herr Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wunderbar! Herr Minister, ich bin ja froh, daß wir so einen hervorragenden Fachmann aus der sozialdemokratischen Ebene zum Ausländerrecht hier haben. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Aber jetzt geht es um eine Frage, Herr Kollege Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es wird Ihnen deswegen überhaupt nicht schwerfallen, meine Frage zu beantworten, die lautet: Wo haben Sie in dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, an dem Sie mitgewirkt haben, eine Bestimmung, die der Zuzugsbegrenzung dient? Bitte, nennen Sie diese Bestimmung. ({0}) Minister Dr. Bull ({1}): Ich antworte: In den §§ 3, 4, 5 und in den entsprechenden weiteren Paragraphen, die den Zuzug und Nachzug von Familienangehörigen regeln. ({2}) Meine Damen und Herren, ich sehe mich hier als Redner in einem Parlament und nicht in einem juristischen Seminar, bei dem erst einmal klargestellt werden muß, welcher Text zugrunde liegt. Das ist hier klar. Lesen Sie also bitte selber nach. Die sozialdemokratisch regierten Bundesländer haben es sich bei den Beratungen insbesondere im Ausschuß für Innere Angelegenheiten des Bundesrates wahrlich nicht leichtgemacht. Über 50 Änderungsanträge dokumentieren den Versuch, diesen Regierungsentwurf entscheidend zu verbessern und ihn den Vorstellungen möglichst weitgehend anzunähern, die in dem SPD-Entwurf enthalten sind. Dazu gestatten Sie mir einige Detailbemerkungen. Zum Familiennachzug. Warum denn beschränkt dieser Entwurf die Zulässigkeit auf die Wahrung der häuslichen Gemeinschaft? Ist der Bundesregierung nicht bekannt, daß sich zum Beispiel Arbeitskräfte aus betrieblichen Gründen häufig monatelang getrennt von den übrigen Familienmitgliedern an Montageorten aufhalten müssen? Gilt der verfassungsmäßige Schutz der Familie nur, wenn alle unter einem Dach zusammenleben? Warum sollen hier nun plötzlich strengere Forderungen als bisher aufgestellt werden? ({3}) Den Nachzug von Ehegatten will der Entwurf davon abhängig machen, daß die Ehe schon im Zeitpunkt der Einreise des Ausländers bestanden hat und von diesem bei der erstmaligen Beantragung der Aufenthaltserlaubnis angegeben worden ist. Im Innenausschuß des Bundesrats ist dazu mit Recht gesagt worden, das schutzwürdige Interesse auf Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht unabhängig davon, ob die Ehe vor oder nach der Einreise geschlossen wurde. ({4}) Es gibt für die Schlechterstellung der erst später Heiratenden keinen Rechtfertigungsgrund. Für den Kindernachzug soll Voraussetzung sein, daß sich beide Elternteile im Bundesgebiet befinden. Warum dies denn? Es gibt doch zahlreiche Gründe dafür, daß Familien getrennt leben. ({5}) Warum sollen die Kinder nicht bei demjenigen Elternteil aufwachsen können, der ihnen die größeren Lebenschancen bieten kann? ({6}) Meine Damen und Herren, der Bundesregierung scheint besonders wichtig die Klausel zu sein, daß ausländische Familienangehörige nur nachziehen dürfen, wenn ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht. Aber warum kann es den Familien nicht überlassen bleiben, selbst zu beurteilen, ob ihr Wohnraum für die Aufnahme weiterer Familienmitglieder ausreicht oder nicht? ({7}) Müssen die Ausländerbehörden jetzt die Wohnsituation prüfen? Können sie es überhaupt? Wenn - wie es Ihr Gesetz formuliert - der Wohnraum deshalb nicht ausreichend ist, weil er den auch für Deutsche geltenden Rechtsvorschriften hinsichtlich Beschaffenheit und Belegung nicht genügt, dann ist die gebotene Abhilfe doch nicht Sache der Ausländerämter, sondern vielmehr der Wohnungsbehörden oder der Baubehörden. ({8}) Vor allem ist dies Aufgabe einer Wohnungspolitik, zu der der Bund seinen Teil beitragen muß und auch die von Ihnen mit Recht immer wieder berufene Privatwirtschaft. ({9}) - Ich kann aus Zeitmangel darauf nicht antworten. Wir werden uns bei anderer Gelegenheit weiter unterhalten. ({10}) - Sie auch; Sie erst recht, lieber Herr! ({11}) Ich bitte noch um etwas Redezeit, Herr Präsident, wenn das möglich ist. Es gab viele Interventionen der Damen und Herren hier im Saal.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich bin großzügig gewesen, Herr Minister. Ich wäre dankbar, wenn Sie zum Schluß kämen. Minister Dr. Bull ({0}): Ich bin zu großzügig gewesen. Ich werde jetzt sehr zusammenfassen. Die Kritik richtet sich insbesondere auch dagegen, daß die Verfestigung des Aufenthaltsstatus' nicht hinMinister Dr. Bull ({1}) reichend gesichert wird. Auf diese Weise kann die Geburt eines Kindes in einer Ausländerfamilie zum ausländerrechtlichen Fallstrick, zum Schicksalsschlag werden. Es fehlt die Zeit, dies im einzelnen zu erläutern. Aber die Frage ist doch wohl gestattet: Können wir als gute Christen so etwas denn wollen? Bei der Wiederkehroption gibt es viel zu komplizierte Voraussetzungen und zu lange Fristen. Der Entwurf ist in verschiedener Hinsicht kleinlich, im schlechten Sinne bürokratisch und realitätsfremd. Er ist auch illiberal, rigoros, wo Rechte hier lebender ausländischer Staatsbürger eingeschränkt werden. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Minister, ich muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen. Minister Dr. Bull ({0}): Lassen Sie mich schließen mit einem Zitat aus einer Stellungnahme der Organisation „Bündnis Türkischer Einwanderer" in Hamburg, das in einer Presseerklärung formuliert hat: „Wir Einwanderer bekennen uns zu diesem Land und fühlen uns daher mitverantwortlich für die politische und gesellschaftliche Entwicklung in diesem Lande." Wir sollten, meine Damen und Herren, als Deutsche, die an dem Gesetzgebungsprozeß beteiligt sind, unsererseits unsere Verantwortung gegenüber diesen Mitmenschen und gegenüber allen anderen, die hier rechtmäßig und friedlich mit uns leben wollen, wahrnehmen. Das wäre zugleich ein großer Beitrag zum Frieden in der Welt. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Lüder.

Wolfgang Lüder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001390, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Bull, ich finde es sehr gut, mit welcher Offenheit Sie hier einmal dargelegt haben, wie Gesetzentwürfe entstehen. Meist wird ja gesagt, wir machten sie in den Fraktionen. Natürlich arbeitet jede Fraktion mit den ihr nahestehenden Landesregierungen zusammen. ({0}) - Ich habe es doch gerade begrüßt. Ich finde es nur schade, daß Sie sich bei der Zitierung von Paragraphen irgendwo verheddert haben müssen. Die Paragraphen, die Sie genannt haben, gibt es, aber sie behandeln nicht das, was der Kollege Schäuble hier abgefragt hat. ({1}) Wir werden in der nächsten Woche die Anhörung im Innenausschuß haben. Dazu ist der Bundesrat auch geladen. Wir werden Gelegenheit haben, dort die Fragen weiter zu vertiefen. Ich nehme an, daß Sie oder Ihre Behörde dort auch vertreten sein werden, um uns dann Auskunft über das zu geben, was Herr Kollege Schäuble und Herr Kollege Hirsch hier abgefragt haben. Bis dahin sind wir dann klüger. Ich glaube, daß es notwendig ist, diese Fragen zu beantworten. Man sollte in einer heiklen ausländerpolitischen Debatte nicht einfach etwas im Plenum sagen, was dann auch noch gedruckt wird. ({2}) - Er hat die §§ 3, 4, 5 und 11 genannt, soweit mich mein Gedächtnis nicht trügt. Diese Paragraphen tragen das nicht. ({3}) - Ich kann doch meine Redezeit nicht damit vergeuden, einen SPD-Entwurf vorzulesen. ({4}) - Ich war lange genug Landwirtschaftssenator Berlins, um zu wissen, was Mist ist - wenn Sie mir das in einem Zwischenruf vorwerfen. ({5}) Herr Minister Bull, Sie sagen, das Plenum des Bundesrats könne erst in der nächsten Woche dazu Stellung nehmen. Die Eilbedürftigkeit des Verfahrens ist von Ihnen angesprochen worden. Man kann wirklich miteinander darüber sprechen, ob wir nicht eher hätten anfangen sollen. Aber alle Entwürfe, die vorliegen, haben die Erkenntnisse aus den Diskussionen genutzt, die es über die Jahre gegeben hat. Vielleicht kann der Bundesrat sogar die Erkenntnisse aus der Anhörung in der nächsten Woche mit nutzen, bevor er seine abschließende Stellungnahme gibt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Such?

Wolfgang Lüder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001390, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte schön, Herr Such.

Manfred Such (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Lüder, nachdem die FDP hier morgens eine Stärkemeldung eingeführt hat, habe ich an Sie die Frage: Würden Sie mir recht geben, ({0}) daß die Fraktion der GRÜNEN heute morgen hier prozentual stärker vertreten ist als die gesamte Regierungskoalition? ({1})

Wolfgang Lüder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001390, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Im Zusammenhang mit der Präsenz in Prozenten sollten wir immer vorsichtig miteinander umgehen. Meine Damen und Herren, wenn sich die Koalitionsfraktionen mit der Bundesregierung auf eine Novellierung des Ausländergesetzes verständigen werden und wenn wir alle hier über eine Neufassung des Ausländerrechts diskutieren, dann müssen wir meines Erachtens vorweg zweierlei grundsätzlich feststellen - ich bin für die Klarstellung dankbar, die auch Herr Bull hier gegeben hat - : Wir haben ein geltendes Ausländerrecht, und dieses geltende Ausländerrecht ist für uns Liberale nicht befriedigend. Wir werden einer Neufassung des Ausländerrechts nur dann zustimmen - dieses wollen wir - , wenn Verbesserungen für die Menschen mit dem ausländischen Paß erreicht werden. Aber die Ausländerdebatte fängt doch nicht bei Adam und Eva an, oder - um es ein bißchen polemisch zu sagen - : Wir wollen - um im Bilde zu bleiben - nicht vergessen, daß auch Adam und Eva in unserem Lande Ausländer wären, gegen die Ausländerbehörden das ausländerrechtliche Instrumentarium anzuwenden versuchen würden. ({0}) Ich bin über die Intervention von Herrn Schröer überrascht, der praktisch die Anhörung schon vorweggenommen hat. Wir gehen offen in die Anhörung. Ich unterstreiche das, was Herr Kollege Hirsch hier gesagt hat: Wir haben Eckdaten, über die wir uns verständigt haben. Auf Grund dieser Eckdaten werden wir offen weiter beraten. Vieles aus dem Entwurf ist nicht in den Eckdaten festgeschrieben. Deshalb verstehe ich nicht, wieso Sie, Herr Kollege Penner, vorhin signalisierten, daß es weitere Gespräche nicht geben werde. Wenn wir uns gemeinsam um ein Ausländergesetz bemühen, das ausländerrechtliche Debatten in Zukunft versachlichen könnte, dann wäre doch wirklich ein Vorteil auch für die Menschen mit einem ausländischen Paß erreicht. Wir wollen, daß durch die Anhörung auch das berücksichtigt wird, was vielleicht an der einen oder anderen Stelle - an manchen Stellen mit Sicherheit - nicht akzeptabel hereingeschrieben ist. Aber Kritik an den Eckdaten, über die sich die Koalition verständigt hat, habe ich bisher auch von den Kirchen nicht gehört. Die Eckdaten sind ausländerfreundlich, und die Eckdaten sind ausländerrechtlich ein Fortschritt gegenüber dem, was wir haben. Wir wollen uns folgender Gesichtspunkte bewußt bleiben, von denen wir uns bei den Beratungen leiten lassen: Erstens. Bundesjustizminister Engelhard hat gestern aus guten Gründen erklärt, daß unser Grundgesetz eine gute Grundlage für eine Verfassung des einheitlichen Deutschlands werden könnte. Der liberale Minister hat dabei selbstverständlich das Asylrecht nicht ausgenommen. Die Unantastbarkeit des Grundrechts auf Asyl für jeden politisch Verfolgten gilt uneingeschränkt. Wir Liberalen werden das weder durch Bundesrecht einschränken noch durch europäische Maßnahmen unzulässig begrenzen lassen. Wir sind uns unserer Verantwortung vor der Geschichte bewußt. Liberale wurden in jeder Diktatur zu Opfern, die nach Asyl suchen mußten. Zweitens. Wir sehen die Gefahr, daß, wer vom Ausländer spricht, schon im Wort den Aussätzigen mitschwingen läßt. Man muß als Anwalt nur einmal eine Ausländerbehörde besucht haben, um zu sehen, wie diskriminierend schon der Ausländerbegriff für viele unserer Verwaltungen ist. Es sollte uns nachdenklich stimmen, daß Diktaturen unerwünschte Personen willkürlich zu Ausländern machen. Nur so ist erklärbar, daß wir nach bisheriger offizieller DDR-Terminologie für unsere Landsleute drüben zu Ausländern erklärt wurden. Es muß uns auch nachdenklich stimmen, daß in keinem europäischen Land der negative Mißklang bei der Erwähnung des Ausländers so geartet ist wie bei uns. Drittens. Wir haben gerade beim Zusatzabkommen zum Schengener Abkommen gesehen, daß unsere Vertragspartner im Gegensatz zu uns europäische Mitbürger nicht als Ausländer, als foreigner, bezeichnen; wir greifen zur Hilfskonstruktion des Drittausländers mit allem Gusto, der in dieser Deklassierung liegt. Ich glaube, wir müssen miteinander nach Wegen suchen, um auch zu einer ausländerrechtlichen Sprache zu finden, die als Ausländer wirklich denjenigen bezeichnet, der hier gemeint ist, und die Ausländer, Drittausländer, EG-Ausländer und andere nicht differenzierend behandelt. Viertens. In der gestrigen rechtspolitischen Debatte bestand Einigkeit zwischen allen Fraktionen, daß das Recht von der Akzeptanz durch den Bürger lebt. Wir werden nur dann ein akzeptierbares Ausländerrecht erreichen, wenn wir im Ausländer auch den Mitbürger sehen, der Anspruch auf Solidarität und Hilfe in Notfällen hat. Lassen Sie mich in aller Offenheit sagen, Herr Minister: Die Frage der doppelten Staatsangehörigkeit, die auch in meiner Partei durchaus diskussionsfähig ist und diskutiert wird, werden wir, wenn wir uns mit dem deutschen Parlament in Berlin wiedertreffen, sicherlich noch viel offener und viel weltläufiger behandeln als jetzt. Zwei Pässe in einer Brieftasche wird man akzeptieren müssen. Die Frage des Bruchs mit der Identität des Ausländers, der hier jahrelang gelebt hat und der trotzdem Deutscher werden will, werden wir - davon bin ich überzeugt; ich sage das als meine persönliche Meinung - später sicherlich anpacken müssen, und wir werden sie anpacken. Meine Damen und Herren, wir wollen mit diesem Ausländerrecht Verbesserungen erreichen. Wir gehen offen in die Anhörung hinein. Wir haben die Karten auf den Tisch gelegt; wir haben dargelegt, von welchen Eckdaten, von welchen Ausgangspunkten wir ausgehen. Wir sind überzeugt davon, daß wir in dieser Legislaturperiode für unsere Mitbürger mit dem falschen Paß, mit dem Fremdenpaß, mit dem Ausländerpaß hier Regelungen finden, die von den Deutschen dann auch akzeptiert werden. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt hat Frau Dr. SonntagWolgast das Wort.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002191, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Wir beraten diese Gesetzentwürfe zum Ausländerrecht in einer für die Betroffenen ja seltsamen Stimmungslage: Einerseits müssen sie nicht mehr so oft als schlagzeilenträchtige Streitobjekte herhalten, auch nicht mehr so oft als Sündenböcke für die Wohnungsmisere und Beschäftigungsprobleme, andererseits fühlen sie sich bei der sozialen und der menschlichen Zuwanderung angesichts der neuen Ströme der Zuwanderer, also der Aus- und Übersiedler, noch weiter an das Ende der Schlange geschubst. Staunend und verbittert registrieren viele, daß dieser Staat, von dem sie früher ja so oft Begriffe im Katastrophenjargon wie „Flüchtlingsschwemme", „Dammbruch" und „Das Boot ist voll" hörten, jetzt mit Tempo und Ideen seine Aufnahmefähigkeit unter Beweis stellt. Um es klar zu sagen: Ich freue mich darüber, daß das möglich ist. Nur, es bleibt festzuhalten, daß der Wahrheitsgehalt von Parolen, mit denen jahrelang eine restriktive Politik gegenüber Menschen außerhalb der EG verteidigt wurde, vom Sturm dieser neuen Entwicklung hinweggefegt worden ist. Eine so turbulente Phase, wie wir sie jetzt erleben, eine Phase, die alte Grenzen und nationale Trennungen überflüssig macht und die ein neues nachbarschaftliches Miteinander eröffnet, verlangt auch ein Ausländerrecht, das nicht nur zur Stabilisierung beiträgt, Herr Minister, sondern das mit dem Blick nach vorn Weltoffenheit, Humanität und Liberalität gewährleistet. Als ein solches Signal verstehen wir Sozialdemokraten unseren Gesetzentwurf. Die Vorlagen der Bundesregierung werden diesem Anspruch nicht gerecht. Geliefert wird da ein Reglementierungsinstrument, kühl kalkuliert, doch bar jeder Mühe, auf Fragen von morgen eine Antwort zu finden. Die betroffenen Ausländer und ihre Organisationen, nicht nur die hier so viel zitierten Verbände, wittern Schikanen. Das Schlimme ist, die Urheber der Gesetzentwürfe haben mit ihren Absichtserklärungen Erwartungen erweckt, die der Text einfach nicht erfüllt. Vieles wirkt so, als würde da mit Gönnermiene eine Tür weit geöffnet, um sie dann mit lauter Hürden unpassierbar zu machen. Ich will das an einigen wenigen Beispielen erläutern: Das Ausländerrecht - so beteuern ja alle - soll eine sichere Lebensplanung ermöglichen. Wer zu uns kommt, will und soll wissen, woran er ist. Aber diese „Lebensplanung" darf ja nicht heißen: jahrelanges Hangen und Bangen in Ungewißheit, immer auf Abruf und vorsichtig, ob der Ablauf langer Fristen und schwierige Bedingungen auch eingehalten wird bzw. erfüllt werden. Deswegen schlagen wir Sozialdemokraten ein klar gegliedertes, stufenweises Aufenthaltsrecht vor, schließlich nach acht Jahren das Niederlassungsrecht. Und es ist nun einmal einer der schwersten Mängel des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, daß er dieses Niederlassungsrecht nicht enthält. Am Anwerbestopp halten auch wir Sozialdemokraten, um es deutlich zu sagen, grundsätzlich fest. Aber wir wollen Erwerbstätigkeit dann ermöglichen, wenn die Bundesanstalt für Arbeit sie befürwortet und wenn der Arbeitgeber Wohnraum zur Verfügung stellt. Das heißt: Wir nehmen diejenigen in die Pflicht, die ein Interesse an der Beschäftigung von Ausländern haben. Wer unter diesen Umständen kommt, der muß aber eine Daueraufenthaltsgenehmigung erhalten. Deswegen halten wir die Pläne der Bundesregierung, den Aufenthalt zwecks Arbeitsaufnahme vorübergehend zu bewilligen, für unakzeptabel, für familienfeindlich und gesellschaftspolitisch bedenklich. Denn das wäre unserer Meinung nach ein Einstieg ins Rotationsprinzip, das Ausländer zur Manövriermasse, zu Lückenbüßern auf dem Arbeitsmarkt degradiert. Das nächste Beispiel: der vielbeschworene Ehegatten- und Familiennachzug. Jahrlang wurden die menschlichen Härten der bisherigen Praxis beklagt. Wenn Ausländerinnen nicht als Erwerbstätige, sondern als Ehepartnerinnen kamen, mußten sie drei bis fünf Jahre warten, um ihren Aufenthaltsstatus überhaupt abzusichern. Wenn der Mann starb oder bei Scheidung oder Trennung liefen Frauen Gefahr, ungewollt in ihr Heimatland zurückgeschickt zu werden. Und überdies haben Männer diese Rechtslage oft als Druckmittel benutzt, um ihre Frauen zu Wohlverhalten zu zwingen. Die SPD fordert deswegen für nachgezogene Ehegatten ein wirklich eigenständiges Daueraufenthaltsrecht, ebenso für Kinder bis 16 und unter bestimmten Voraussetzungen bis 18 Jahre. Die Bundesregierung knüpft dagegen die Nachzugsmöglichkeit an zahlreiche Bedingungen, z. B. an die strengen Kriterien ausreichenden Wohnraums. Und da muß ich hier einmal sagen: Schon die Geburt eines weiteren Kindes kann eine Familie, die bisher mit sogenanntem ausreichenden Wohnraum versorgt war, vor schier unlösbare Probleme stellen. Denn der akute Wohnungsmangel drückt ja die Chancen ausländischer Familien ohnehin auf Null herunter. Wohnungsknappheit, von der Bundesregierung verschuldet, wird so zum Instrument der Ausgrenzung und Abschottung, und das können wir nicht dulden. Und für deutsch-ausländische Paare sollen Verbesserungen, die jahrelang gefordert wurden, entfallen. Mit anderen Worten, meine Damen und Herren: Der grundgesetzlich verbriefte Schutz von Ehe und Familie wird eben doch nicht gewährleistet. Das ist ein Armutszeugnis für eine Regierung, die sich wegen ihrer angeblichen familienpolitischen Leistungen so gerne selbst auf die Schulter klopft. ({0}) Es ist ja nicht zu übersehen und sollte besonders zu denken geben, daß gerade die Kirchen und nicht nur irgendwelche kleinen Zirkel hier massive Proteste angekündigt haben. Die Erfahrung lehrt, daß Kinder und Jugendliche, die mit ihren Eltern in deren Heimat zurückkehren müssen, dort nicht mehr Fuß fassen. Sie fühlen sich ausgeschlossen, diffamiert, sie möchten zurück. Das gilt übrigens in besonderem Maße für Mädchen, die hier so etwas wie den Hauch von Selbstbestimmung der Frau kennengelernt haben ({1}) und im Herkunftsland in die traditionelle Rolle der Unterordnung zurückgedrängt werden. Sie wollen zurück in die Bundesrepublik. Deswegen haben wir Sozialdemokraten ihnen in einer eigenen Vorlage eine Wiederkehroption eröffnet. Das verspricht auch die Bundesregierung. Aber sie pflastert diesen Weg dann eben wieder mit Hindernissen, auch mit Bedingungen, die an den Lebensverhältnissen vorbeigehen. ({2}) Schließlich noch ein Wort zur politischen Betätigung. Sie ist Kernstück jeder Demokratie, muß jedermann zugänglich sein. Der Vorschlag der SPD lautet deshalb knapp und logisch - ich zitiere - : „Die politische Betätigung der Ausländer richtet sich nach dem auch für Deutsche geltenden Versammlungs-, Vereins- und Strafrecht." Was dagegen der Regierungsentwurf hier an Beschränkungs- und Untersagungsmöglichkeiten vorsieht, meine Damen und Herren, ist Gängelung, ist in Paragraphen gefaßtes Mißtrauen und einer selbstbewußten Demokratie unwürdig. ({3}) - Lesen Sie bitte den Passus durch. Dann werden Sie sehen, wo die Einschränkungen liegen. ({4}) Auch wir wissen, meine Damen und Herren, daß das Zusammenleben von Deutschen und Ausländern von sozialen Konflikten begleitet sein kann, auch von Ängsten. Soziale Konflikte zu entschärfen darf aber keine Einbahnstraße zu Lasten der Ausländer sein. Angst muß man nicht mit Abschottungsritualen bekämpfen, sondern mit Gelassenheit und Aufklärung. Deswegen rate ich: Sagen wir doch, daß die Zugewanderten einst von Wirtschaft und Politik gerufen worden sind; und sagen wir, daß sie ganze Branchen schützen und unsere Gesellschaft bereichern, nicht nur mit Pizza und Kebab, sondern mit ihrer Sprache, ihrer Literatur und Musik und nicht zuletzt auch mit ihrer Fähigkeit, Freunde und Familien generationenübergreifend aneinander zu binden. Meine Damen und Herren, zum Auftakt der 90er Jahre, mittendrin in einer Phase internationaler Bewegungen, können wir nicht mehr festschreiben, daß die Bundesrepublik, bitte schön, kein Einwanderungsland sei. Sie verkennen da die Zeichen der Zeit, Herr Minister, wenn Sie in Ihrem Ausländergesetz anmerken, daß das, was Sie Integrationszusage an Ausländer nennen, sich nur rechtfertigen läßt - ich zitiere -, „wenn und weil es sich hierbei historisch um einen in dieser Größenordnung einmaligen, d. h. endlichen Vorgang handelt". Sehen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, eben darin steckt der Irrtum. Denn die Zuwanderung läßt sich einfach nicht per Knopfdruck abschalten. Sie ist, solange es noch Unfreiheit und wirtschaftliche Not gibt, ganz gewiß kein endlicher Vorgang. ({5}) Wir werden auf diesem Gebiet - das ist mein letzter Satz - noch unendlich viel erleben. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Als nächster Redner spricht Herr Meneses Vogl.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern sagte mir ein sozialdemokratischer Kollege, als wir über die jetzige Situation in der Bundesrepublik sprachen, er habe etwas Angst, die bundesdeutsche Demokratie sei nicht so verwurzelt, wie alle glaubten. Sie hat Wohlstand gebracht, Autos, tolle Häuser, Urlaub. Aber sie steht auf wackligen Füßen in kritischen Situationen, wenn es ums Teilen geht, wenn es darum geht, ein bißchen mehr zu geben, als es unser Wohlstand erlaubt. Die Demokratie ist wie die Freundschaft. Sie zeigt sich am deutlichsten, wenn es uns nicht gut geht. Die Bundesregierung will demnächst ein Gesetz verabschieden lassen, das Ausländer und Ausländerinnen, nunmehr gesetzlich legitimiert, zu gläsernen Menschen macht. Das heißt konkret, alle Menschen, die nicht deutsch sind, werden vollkommen durchleuchtet, unter der Prämisse einer Gefahrenabwehr. ({0}) Das Ausländerzentralregister, meine Damen und Herren, ist eines der perfektioniertesten Erfassungsinstrumente zur vollkommenen und willkürlichen Erfassung, Durchleuchtung und behördlichen Selektierung und Diskriminierung von Ausländerinnen und Ausländern. Es ist ein wahrer Selbstbedienungsladen für Ausländerbehörden, Arbeitsämter, Polizeiämter, Staatsanwaltschaften und Geheimdienste. In diesem Ausländerregister werden weit über 100 Millionen Daten von ca. 10 Millionen Ausländern bis jetzt gespeichert. Man muß sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Ich glaube, daß die meisten Kollegen hier im Bundestag, die Öffentlichkeit sowieso, gar nichts davon wissen. 10 Millionen Ausländer werden völlig durchleuchtet, nur weil sie nicht deutsch sind. Ist das wirklich Angst oder ist es Arroganz? Oder ist es nur Arroganz? Auf jeden Fall, gleichgültig ob Angst oder Arroganz, für eine Demokratie ist dieses Register eine Zumutung. Eine weitere Zumutung für die Demokratie ist der Entwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Ausländerrechts. Er soll zu einer Zeit im Schnellverfahren durchgepeitscht werden, in der dieses Land nur noch eines kennt, nämlich Deutsche. Auch das neue Ausländergesetz folgt dieser Maxime. In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es: „An erster Stelle zu nennen ist die VerpflichMeneses Vogl tung zur Aufnahme von Deutschen. " Diese historische Pflicht hat Ihrer Ansicht nach - ich zitiere weiter -„Vorrang vor der Überlegung, Ausländern einen Zuzug in das Bundesgebiet zu ermöglichen". ({1}) Diese Argumentation fällt vor dem Hintergrund der Zuwanderung von über 700 000 Aus- und Übersiedlern im letzten Jahr zunehmend auf fruchtbaren Boden. Sie trifft auf einen Boden und ein gesellschaftliches Klima, wo alle Ausländer Platz machen müssen für deutsche Volkszugehörige, die ihre Vorzugsbehandlung allein der Grundgesetzanmaßung zu verdanken haben. ({2}) - Nein, überhaupt nicht. Ich bin keineswegs gegen die Aussiedler und Übersiedler. Ich möchte nun auf jene Teile des neuen Gesetzentwurfs eingehen, der die Flüchtlinge betrifft, also Menschen, die bei uns Schutz vor Verfolgung suchen. Um das Grundrecht auf Asyl überhaupt wahrnehmen zu können, müssen Flüchtlinge die Möglichkeit haben, die Grenzen dieses Landes zu erreichen. Der Gesetzentwurf hat hier sehr hohe Hürden errichtet. Ich will die wichtigsten benennen. Erstens, es besteht eine generelle Paß- und Visumspflicht. Gelingt es einem Flüchtling in seinem Heimatland, die zumeist gut bewachten deutschen Botschaften zu erreichen, so kann ihm dennoch das Einreisevisum verweigert werden, ({3}) und zwar ohne Angabe von Gründen, ohne Rechtshilfemittelbelehrung und ohne die Zulassung eines Widerspruchs. Zweitens. Ausländer und somit auch Flüchtlinge können nach § 60 schon aus bloßen Verdachtsgründen an der Grenze wieder zurückgewiesen werden. Drittens. In den §§ 73 und 74 sind die restriktiven Bestimmungen gegen Beförderungsunternehmen noch weiter verschärft worden. Fluggesellschaften, die Ausländer ohne gültige Einreisedokumente befördern, sollen bis zu 5 000 DM Zwangsgeld entrichten und werden dazu angehalten, grenzschutzpolizeiliche Aufgaben wahrzunehmen. Meine Damen und Herren, diese wenigen Beispiele mögen genügen und zeigen, daß die drakonischen Einreiseregelungen dem Grundsatz folgen: Wir müssen draußen bleiben. Von einer angeblichen Weltoffenheit und Liberalität, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, kann keine Rede sein. Wenn es dort weiter heißt: Die Integrationskraft der Bundesrepublik sei nicht unerschöpflich, dann meinen Sie damit immer nur die Ausländer und selbstverständlich nicht die Deutschen. Der zweite, sehr gravierende Einschnitt im neuen Ausländerrecht betrifft die bei uns geduldeten, das heißt permanent von der Abschiebung bedrohten sogenannten De-facto-Flüchtlinge. Es sind jene rund 300 000 Flüchtlinge, die sich bei ihrer Schutzsuche nicht auf das Grundgesetz, sondern auf die Genfer Flüchtlingskonvention berufen, die Flüchtlingen einen Schutz vor Abschiebung gewährt. In allen anderen westeuropäischen Ländern wird die Genfer Flüchtlingskonvention angewendet; hier wird sie ausgehebelt. Zwar ist der Wortlaut dieser Konvention weiterhin im neuen Ausländerrecht übernommen worden, wonach Flüchtlinge aus dringenden humanitären Gründen nicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden dürfen, jedoch in der konkreten Ausgestaltung sollen die De-facto-Flüchtlinge künftig dem normalen Asylverfahren unterworfen werden. Ich komme mit meiner Redezeit wahrscheinlich nicht zurecht. ({4}) Ich komme jetzt auf weitere, meines Erachtens fatale Konsequenzen, die in der Neuregelung enthalten sind. Nach § 67 wird über den Aufenthalt von Ausländern nur auf der Basis der im Bundesgebiet zugänglichen Erkenntnisse entschieden. Damit sind ausdrücklich die bundesdeutschen Auslandsvertretungen von dem Prinzip der Amtshilfe zu Ermittlungen befreit. Damit wird alles auf den Kopf gestellt. Eigentlich wäre es die Aufgabe des Staates, Flüchtlingen Schutz vor Verfolgung zu gewähren und alle diesbezüglichen Fakten zusammenzutragen. Statt dessen muß bei uns der Flüchtling die Beweislast hinsichtlich der Verfolgungsgründe tragen. Erst nach acht Jahren endlich kann ein De-facto-Flüchtling einen Daueraufenthalt in der Bundesrepublik erhalten. Die neue Aufenthaltsbefugnis knüpft übrigens an den eingestampften Ausländer-Referentenentwurf ihres ehemaligen Innenministers Zimmermann an, nur hieß die Befugnis damals noch „Gestattung". Die Neuregelung fällt in diesem Bereich sogar noch schärfer aus als bei Zimmermann. Überhaupt hat der neue Bundesinnenminister ganz kräftig in die Trickkiste gegriffen. Sah der Zimmermann-Entwurf eine Zweiteilung des Ausländerrechts in einen Integrations- und in einen Abschreckungsteil vor, so hebt der neue Entwurf diese Trennung einfach nur auf, ohne jedoch im Kern irgendeinen wichtigen Punkt zurückzunehmen. So ist es bei der Differenzierung in unterschiedliche Aufenthaltstitel geblieben. Der zweite Trick des Ministers: er hat als konservativer Technokrat den rechtspopulistischen Ballast des Zimmermann-Entwurfs einfach gestrichen. In der Sache ist der neue Gesetzentwurf gegenüber dem Zimmermann-Entwurf kaum entschärft worden. Die beiden Tricks haben jedoch ausgereicht, der Öffentlichkeit ein angeblich völlig neues Ausländergesetz zu präsentieren. Es reichte auch aus, die einst widerspenstigen Liberalen der FDP an die Leine zu legen. Für die GRÜNEN gibt es also von der Sache her - im Unterschied zu den anderen Fraktionen - keinen Grund, dieser Neuregelung des Ausländerrechts zuzustimmen. Für uns bleibt es dabei: das neue Ausländergesetz schafft nicht mehr, sondern weniger Rechtssicherheit. Es ist nicht liberaler, sondern soll den weiteren Zuzug von Ausländern begrenzen und schnellere Abschiebungen ermöglichen. Flüchtlinge genießen immer weniger den Schutz vor Abschiebung, sondern dieser Staat schützt sich überwiegend vor Ausländern und Flüchtlingen. Dies ist die Angst der Mächtigen vor Hilflosen oder die Arroganz der Mächtigen vor hilflosen, zufluchtsuchenden Menschen, die Angst oder die Arroganz der Mächtigen vor den Ohnmächtigen. In einigen Jahren - das werden Sie merken - werden Gesetze nicht mehr ausreichen. Wir werden Mauern und Grenzen mit Stacheldraht errichten müssen, denn die Armut und das Elend in der Welt wachsen, und die Menschen werden weiterhin flüchten. Dann werden wir als Demokraten wahrscheinlich zu Mördern werden müssen. Danke schön. ({5})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fellner.

Hermann Fellner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich insbesondere den letzten Satz nicht richtig verstanden habe, wie vieles, was von der SPD und den GRÜNEN heute gesagt worden ist, wirklich nicht zu verstehen ist. ({0}) Nach zwei Stunden Debatte gäbe es natürlich eine Menge von Dingen, die man klarstellen und richtigstellen sollte. Ich muß mir das deshalb ersparen, weil ich überzeugt bin, daß nur der Blick in den Gesetzentwurf viele daran gehindert hätte, hier solche Reden zu halten. Wir haben mit den Fragen, die an uns gestellt worden sind, keinerlei Probleme. Wir können auch die beantworten, die Herr Bull gestellt hat. Er hätte sie sich auch selber beantworten können, wenn er unseren Gesetzentwurf gelesen hätte, und wenn er den der SPD gelesen hätte, hätte er unsere Fragen beantworten können. Er hat leider beides nicht getan. Ich meine - diesen Appell möchte ich an dieser Stelle schon aussprechen - : Alle Ausländer, die meinen, sie müßten sich hier von SPD und GRÜNEN vertreten lassen und würden von denen vertreten, kann ich nur herzlich bitten, auf diese Verunsicherung nicht hereinzufallen. ({1}) Ich finde, Menschen, die Ausländern auf diese Art und Weise angst machen, die auch eine so böse Sprache führen, können gar keine guten Ratgeber und keine guten Freunde sein. ({2}) Wenn ich an dieser Stelle sogar die These wage: Wir haben uns in der Ausländerdiskussion in der Kontinuität auch früherer politischer Entscheidungen in der Bundesrepublik bewegt, dann möchte ich Ihnen, weil ich ihn als den vielleicht am härtesten formulierten Kabinettsbeschluß empfinde, einmal zitieren, was im Kabinett noch 1982 beschlossen worden ist: Das Kabinett ist sich einig, daß für alle Ausländer außerhalb der EG ein weiterer Zuzug unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten verhindert werden soll. Nur durch eine konsequente und wirksame Politik der Begrenzung läßt sich die unverzichtbare Zustimmung der deutschen Bevölkerung zur Ausländerintegration sichern. Dies ist zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens unerläßlich. Das ist 1982 entschieden worden. ({3}) Wenn wir es jetzt so formuliert hätten, hätten Sie wahrscheinlich fürchterlich aufgeschrien. ({4}) - Es ist jedenfalls unter Helmut Schmidt so gelaufen. ({5}) - Lieber Winfried Penner, ({6}) wenn Sie sagen wollen, Sie sind von der FDP regiert worden, dann sagen Sie das einmal deutlich. ({7}) Meine Damen und Herren, ich zitiere das doch nur deshalb, weil ich meine, daß selbst dann, wenn das früher gesagt worden ist und wir diese Position jetzt hätten, wahrlich kein Grund besteht, Ausländern angst zu machen. Die Position ist klar: Wir akzeptieren das Hiersein derjenigen, die wir geholt haben, und von denen wir wissen, daß sie auf Dauer hierbleiben werden. Wir wollen, daß sie sich integrieren können. Aber damit dieser Integrationsprozeß nicht noch zusätzlich erschwert wird, meinen wir - wie es damals schon geheißen hat -, daß wir den Zuzug begrenzen müssen. Wenn die SPD nicht ständig von Lafontaine überholt würde, dann wäre es ihr natürlich nicht passiert, damals einen solchen Ausländergesetzentwurf vorzulegen, der keinerlei Zuzugsbegrenzungen vorsieht. Damit habt ihr wirklich Pech gehabt. Wenn die SPD das, was Lafontaine jetzt bezogen auch auf die Aus- und Übersiedler predigt, auf ihre Ausländerpolitik bezogen hätte, dann hätte es einen solchen Gesetzentwurf überhaupt nicht geben können. Es ist einerseits schlimm, daß Lafontaine, wenn es um das Recht der Aus- und Übersiedler geht, in dieser polemischen Form eine Mauer aufbauen will, und für Sie ist es andererseits nahezu tragisch, daß Sie das zu dem Zeitpunkt der Vorlage des Entwurfs Ihres Ausländerrechts noch nicht gewußt haben, denn sonst hätten Sie es entsprechend formuliert. Deshalb füge ich noch eines hinzu: Die Ausländer wissen bei Ihnen auch jetzt nicht genau, ob Sie, bezogen auf die Rechte und Behandlung der Ausländer, in einem Vierteljahr nicht auf der gleichen polemischen und demagogischen Welle schwimmen, wie Sie es mittlerweile in der Aus- und Übersiedlerpolitik tun. ({8}) Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einen grundsätzlichen Gedanken zu der Kritik von vielen an diesem Ausländerrechtsgesetzentwurf. Wir werden all den Hinweisen, die von den Organisationen gegeben worden sind, selbstverständlich sorgfältig nachgehen. Wir werden sie entsprechend würdigen, so wie wir natürlich auch die Arbeit von karitativen Organisationen, die sich um die Ausländer kümmern, würdigen. Aber ich bitte auch zu sehen, daß die Aufgabenstellung und die Interessenlage für diejenigen, die sich speziell um die Ausländer bemühen, anders gestaltet ist als die Verantwortung der Politik, die die Gesamtheit der Bürger eines Landes zu vertreten hat und sich dafür durch Wahlen legitimieren muß. Wenn wir, wie Minister Schäuble gesagt hat, ein partnerschaftliches Land bleiben wollen, müssen wir in unserer gesamtpolitischen Verantwortung dafür Sorge tragen, daß das, was wir mit diesem Ausländergesetz entscheiden, von der Masse der Bevölkerung - ich meine damit die gerecht und vernünftig denkende Masse der Bevölkerung - akzeptiert werden kann. Deshalb verstehe ich die Kritik an diesem Entwurf, wie sie vorgetragen worden ist, als Wunsch auf Abänderung. Wir werden den Entwurf im Ausschuß sorgfältig beraten. Ich hoffe, daß die SPD sachgerecht mitarbeitet. ({9}) - Wenn ich den Vorsitzenden des Innenausschusses sehe, habe ich wenig Sorge. Er hat bisher noch die Autorität gehabt, seine widerstrebende Truppe auf Vordermann zu bringen. ({10}) - Der Kollege Bernrath weiß, daß ich ihn nicht kaputtmachen will. ({11}) Ich meine, daß wir jetzt in aller Aufrichtigkeit und mit Sorgfalt an die Beratungen der Paragraphen gehen sollten. Das Argument, daß das alles neu und nicht bekannt sei, darf nur jemand anwenden, der sich wirklich noch nie damit beschäftigt hat. Dann soll er aber auch jetzt schweigen. Ich meine, daß wir genügend Zeit haben, das sorgfältig zu beraten. Ich denke aber auch, daß wir jetzt möglichst bald entscheiden müssen. Denn die Art von Diskussion, die jetzt angezettelt worden ist, dient den Ausländern beileibe nicht. Danke schön. ({12})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Wartenberg.

Gerd Wartenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002430, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe schon viele seltsame Debatten in diesem Hause erlebt. Aber eine ausländerrechtliche Debatte, in der von der Koalition pausenlos nur ihr Angstgegner Lafontaine thematisiert wird, ist wirklich das Merkwürdigste, was bis jetzt dagewesen ist. ({0}) Ich will auch auf den unzulänglichen Versuch, den Sie unternommen haben, Herr Schäuble, eingehen, nämlich zu sagen, die Sozialdemokraten ({1}) seien restriktiv, wenn es um Aus- und Übersiedler geht, weil sie dort versuchten, das, was sich an sozialen Problemen auftürmt, mit der Form und der Zahl der Einreisen zu verbinden, während sie dies bei den Ausländern nicht täten. Das stimmt nicht. ({2}) Wir sind ganz konsequent. Deswegen ist unser Ausländergesetzentwurf weder ein pseudoliberaler noch ein bürokratischer Entwurf. Denn genau in den Paragraphen, auf die sich Professor Bull bezogen hat, steht als eindeutiges Kriterium des sozialen Elements der Einreise, daß zukünftig nur derjenige einreisen darf, dem der Arbeitgeber eine Wohnung nachgewiesen hat ({3}) und der gleichzeitig eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis hat. Das heißt, unser Gesetzentwurf ist - genau wie unsere Überlegungen zur Aussiedler- und Übersiedlerproblematik - davon geprägt, daß die sozialen Probleme am Anfang gelöst werden müssen und nicht hinterher. ({4}) Wir wollen nicht nochmals erleben, wie in den 50er/ 60er Jahren, ({5}) daß die Menschen von der Industrie hereingeholt werden und die Gesellschaft als Ganzes und die Steuerzahler für die sozialen Folgelasten zuständig sind. ({6}) Es ist absolut untauglich, wenn Sie versuchen, unsere Position zu Aus- und Übersiedlern in einen Gegensatz zu unserer Position zu Ausländern zu stellen. ({7}) Herr Lüder, wenn Sie das in den Paragraphen unseres Gesetzentwurfes nicht gefunden haben, müssen Sie aus Versehen die Urheberrechtsnovelle, die auch auf dem Tisch liegt, gegriffen haben. Wenn Sie lesen könnten, würden Sie das finden. ({8}) - Lesen kann er offensichtlich nicht. Sonst hätte er es wohl gefunden. Das, was Herr Bull zitiert hat, sind genau die Paragraphen der Restriktion der Einreise, Wartenberg ({9}) die sozial verbindlich und deswegen auch so konsequent ist, im Unterschied zu allen Ihren Voraussetzungen. Der zweite Punkt - er ist wirklich ärgerlich, und das geht ganz besonders in Richtung FDP - : Sich hier hinzustellen und der deutschen Öffentlichkeit zu sagen, wir, die FDP, seien für alles offen, wir seien bereit, über alles zu diskutieren, obwohl nach der Terminplanung dieses Gesetz am 11. Mai 1990 im Bundesrat durch sein soll, nachdem in einer Kampfabstimmung im Innenausschuß ein Termin für eine Anhörung durchgepeitscht wurde, nachdem der Bundesrat überspielt wurde, d. h. dieses Gesetz in allerkürzester Zeit nach sieben Jahren Vorbereitung, in denen man nicht zu Potte gekommen ist, durchgepeitscht werden soll, ist nicht fair. ({10}) Das ist die Situation. Ihre pseudoliberale Offenheit kennen wir. Zum Schluß werden zwei Halbsätze hinter dem Komma verändert, und dann wird der Öffentlichkeit vorgeplustert, Sie hätten noch sachbezogene Änderungen vorgenommen. Im Dezember vergangenen Jahres ist uns gesagt worden: Wir führen ein paar Gespräche mit euch, wir sind offen. Gleichzeitig wurde gesagt - und das ist ja auch ganz realistisch - , daß sich die Koalition zwischen den Eckpunkten CSU und FDP keinen Millimeter mehr bewegen könne. Warum heucheln Sie der Öffentlichkeit vor, daß Sie offen seien und daß Sie noch den Willen hätten, zusammen mit den Sozialdemokraten etwas zu ändern? Ich finde, das ist nach dem Vorlauf, den dieses Gesetz gehabt hat, eine Schamlosigkeit. ({11})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Fellner?

Gerd Wartenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002430, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, ich habe nur ganz wenig Zeit. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich wäre dankbar für eine gewisse Mäßigung der Ausdrücke, die zwar alle noch erträglich sind, aber nicht mehr lange. ({0})

Gerd Wartenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002430, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich will konkret auf drei Punkte eingehen, warum in diesem Gesetzentwurf soviel falsch läuft. In diesem Gesetzentwurf ist das, was man eigentlich will, nämlich Rechtssicherheit zu schaffen und Ermessensentscheidungen zurückzudrängen, nicht enthalten. Das gilt insbesondere für die Wohnraumfrage, hinsichtlich der Menschen - nicht so, wie Sie es dargestellt haben, Herr Schäuble - , die schon hier leben und eine Wohnung haben. Nach Ihrem Gesetzentwurf kann jemand, der hier ist und seinen Status verfestigen will, diesen Status nicht erhalten, weil er statt einer vorgeschriebenen Vier-Zimmer-Wohnung vielleicht nur eine Drei-Zimmer-Wohnung hat. Das geht nicht. Das ist einfach nicht akzeptabel; denn wäre das so: Was machen Sie eigentlich mit all den vielen Deutschen, die selbst mit Wohnraum unterversorgt sind? Die Versorgung mit einer ausreichenden Wohnung liegt sowohl bei Deutschen wie bei Ausländern leider nicht nur im Befinden des einzelnen, sondern sozusagen in Angebot und Nachfrage. ({0}) - Nein, überhaupt nicht. Sie sollen gar nicht anders behandelt werden. Aber ich kann ihnen ihre Rechte doch nicht vorenthalten, nur weil ein Beamter sagt: Eigentlich müßtest du eine Vier-Zimmer-Wohnung haben, du hast aber leider eine Drei-Zimmer-Wohnung, und deswegen darf dein Kind nicht hierherkommen. - Das geht nicht. Das ist eine Ungleichbehandlung. ({1}) Übrigens widerspricht das auch dem Bemühen, die Ermessensentscheidung zurückzudrängen. Hiermit ist der Ausländer wieder von einem Beamten abhängig. Das ist im übrigen der Hauptkritikpunkt auch vieler Personen aus Kirchen und aus Verbänden. ({2}) Im Asylrecht gibt es sehr unzulängliche Vorschriften, bezogen auf die De-facto-Flüchtlinge. Wir haben immer mehr De-facto-Flüchtlinge. Ihr Rechtsstatus ist ungesichert. Nun ist es relativ schwierig, diesen Gesetzentwurf allein zu beraten, weil man eigentlich das Asylverfahrensgesetz und Änderungen hinnehmen müßte. Das führt natürlich dazu, daß insbesondere Verbände, Organisationen, aber auch wir sehr unzufrieden damit sind; denn wir wissen nicht, wie das in bestimmten Bereichen miteinander korrespondiert. Ich denke etwa an § 1 des Asylverfahrensgesetzes in bezug auf die Genfer Konvention. Das ist nicht ganz deutlich. Dort müßte eine ganze Menge getan werden, insbesondere mit Blick auf die De-facto-Flüchtlinge. Ich will einen weiteren konkreten Punkt im Asylbereich darstellen. ({3}) - Ja, ich habe schon mehrere genannt, z. B. Wohnraum. Das sind alles sehr konkrete Punkte. Bei der Einreise mit Flugzeugen wird es eine neue Regelung geben. Die Pässe sollen zukünftig vom Flugpersonal eingesammelt werden können. Man stelle sich das in einem Jumbo vor. Nun wird man sicherlich Regelungen für Erste-Klasse-Fliegende finden. Bundestagsabgeordnete werden wohl nicht davon betroffen werden. ({4}) Wartenberg ({5}) - Ich will einfach einmal die Betroffenheit von Menschen darstellen. ({6}) In einem Jumbo werden also alle Pässe eingesammelt, und hinterher wird eine Riesenmenge verteilt. Das geht ja nun nicht. Also werden Lufthansa-Stewardessen gucken müssen: Wer sieht wie ein Problemfall aus? Dessen Paß muß ich einsammeln. ({7}) Hier wird Privatpersonal zu diskriminierenden Handlungen verpflichtet. Die Lufthansa und andere Verkehrsgesellschaften wehren sich zu Recht dagegen. ({8}) Der Personalrat und auch die Leute, die dort beschäftigt sind, sagen: Es ist eine absolute Zumutung, daß sozusagen im Vorfeld einer Stewardeß im Asylrecht ein Auftrag gegeben wird, indem sie quasi das Mißtrauen schon vorformulieren soll. Dies ist absolut unmöglich. ({9}) Dieses muß gestrichen werden, und herausgenommen werden. Ein letztes Wort zum Ausländerzentralregister. Ich gebe dem Kollegen Meneses Vogl von den GRÜNEN recht. Dies ist ein Gesetz, das leider jetzt hier im Verbund mit überwiesen wird ({10}) und das unglaublich große Probleme mit sich bringt. ({11}) Es gibt sonst keine Datei in der Bundesrepublik Deutschland, in der Persönlichkeitsprofile durch Datensammlung hergestellt werden; nur in diesem Bereich geschieht dies. Wer sich allein die Datenfelder und die Vernetzung der Möglichkeiten anguckt, stellt fest: Dies ist eine Diskriminierung der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Ausländerzentralregistergesetz muß ganz sorgfältig diskutiert werden. Ich halte das für eine der problematischsten Dateien, die wir in der Bundesrepublik haben, und für eine der Dateien, ({12}) die in der Politik übrigens fast noch nie, auch von uns nicht, deutlich angesprochen worden sind. Vielen Dank. ({13})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, es war korrekt; die Redezeit war zu Ende. Aber über eines wundere ich mich immer - Herr Abgeordneter, ich wollte gerade auch Sie ansprechen - : Die Lungen der Abgeordneten sind unglaublich leistungsfähig; sie holen nicht ein einziges Mal eine Sekunde Luft. So komme ich also nicht dazu, Herr Abgeordneter Hirsch, den Redner zu fragen, ob er eine Zwischenfrage zuläßt. Es tut mir leid. ({0}) Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt vor, die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 11/4732, 11/4958, 11/5637, 11/5828 und 11/6321 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es dazu andere Vorschläge? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Es wird dann so verfahren. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Wieczorek, Dr. Hauchler, Dr. Holtz, Roth, Dr. Ehrenberg, Dr. Gautier, Dr. Jens, Jung ({1}), Dr. Kübler, Meyer, Müller ({2}), Dr. Skarpelis-Sperk, Dr. Sperling, Bindig, Brück, Luuk, Dr. Niehuis, Schanz, Schluckebier, Toetemeyer, Duve, Adler, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Stand der multilateralen Handelsverhandlungen ({3}) - Drucksachen 11/5089, 11/5626 Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist für die Beratung eine Stunde vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Ich kann also so verfahren. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Dr. Wieczorek.

Dr. Norbert Wieczorek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002502, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Wenn man das Welthandelsvolumen 1988 mit immerhin 2 880 Milliarden US-Dollar betrachtet und wenn man dabei bedenkt, daß die Bundesrepublik mit 323 Milliarden US-Dollar dabei die größte Handelsnation war, dann, meine ich, ist es schon Zeit, sich über die GATT-Verhandlungen zu unterrichten, von deren Erfolg sehr viel abhängt. Wie weit das Interesse daran ist, ist eine zweite Frage. Aber wir hielten und halten es für notwendig, daß diese GATT-Runde ein Erfolg wird. Wir haben das auch in unserem Berliner Programm gesagt. Herr Kollege Kittelmann, bei Berlin müßten Sie eigentlich mithören. Wir sagen nämlich im Berliner Programm, daß wir die Chancen der Bundesrepublik Deutschland im weltweiten Wettbewerb wahren und für die Entwicklungsländer neue Chancen eröffnen wollen. Ein fairer Welthandel muß durch sanktionsfähige internationale Regeln gesichert werden. Wir lehnen es aber, um das gleich an dieser Stelle mit zu sagen, ab, dies in Form von Exportoffensiven insbesondere in den Entwicklungsländern zu tun. Denn wir müssen auf deren besonderen Entwicklungsstand Rücksicht nehmen, und wir müssen auch darauf Rücksicht nehmen, daß sie ja bei weitem nicht die Stärksten in diesem Spiel sind. Dies gilt dann auch und gerade für den Bereich der multinationalen Unternehmen. Wir müssen nun die Uruguay-Runde daraufhin prüfen, ob Grundsätze unserer Handels- und Wirtschaftspolitik in den Verhandlungen ausreichend berücksichtigt werden. Diese Grundsätze definiere ich wie folgt: Stärkung des GATT als Institution zur Beilegung von Streitigkeiten, weiterer Abbau der Zölle und anderer protektionischer Handelshemmnisse, Erweiterung der Zuständigkeiten des GATT insbesondere bei Dienstleistungen, Schutz geistigen Eigentums und Schutz bei der Industriepolitik und Reform des Handels mit landwirtschaftlichen Produkten. Dabei geht es allerdings darum, den landwirtschaftlichen Familienbetrieb zu erhalten, bei dem wir ja wissen, daß er durch eine umweltverträgliche Produktion dem Landschaftsschutz und dem Umweltschutz helfen kann. ({0}) - Sie kennen doch die Vorschläge, die auch wir dazu gemacht haben. Da sind wir doch - so hoffe ich - gar nicht so weit voneinander entfernt. Außerdem sind wir der Ansicht: Wir sollten darauf achten, daß die Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern geschützt wird, und zwar sowohl in bezug auf die Menge - daß sie genug haben - , aber auch in bezug darauf, daß sie ihre eigene Produktion entwickeln können. Schließlich geht es noch um die Zurückdrängung unfairer Handelspraktiken. Ich nenne hier nur dumping, laser beaming und industrial targeting usw. ({1}) - Das mache ich für Sie gern anschließend. Ich glaube, die anderen verstehen es schon. Gerade mit diesen Maßnahmen wird der Wettbewerb zunehmend behindert, und damit wird ein freier Austausch von Gütern in Frage gestellt. Die Verhandlungen in Genf laufen schon seit gut drei Jahren und sollen in diesem Jahr zum Abschluß gebracht werden. Da von diesen Verhandlungen - ich habe vorhin die Ausgangszahlen genannt - bei uns ganz entscheidende Fragen unserer Einkommensentwicklung, der Kohlepolitik, der Finanz-, der Verkehrs- und Rechtspolitik berührt werden, sind wir der Ansicht, daß es notwendig ist, daß sich der Deutsche Bundestag mit diesen Fragen beschäftigt. Dies gilt, auch wenn die Zuständigkeit formal bei der EG liegt. Da wir aber nun bei weitem die größte Handelsnation sind, ist es wohl auch unsere Aufgabe, uns damit zu beschäftigen. Ich habe ein bißchen den Eindruck, als wäre es der Bundesregierung ganz recht gewesen, wenn wir das nicht getan hätten. Denn es werden auch möglicherweise einige Ergebnisse dabei herauskommen, die man nicht so gerne noch vor dem Wahlkampf in die Öffentlichkeit bringen möchte. Aber vielleicht bekommen wir dazu noch ein paar Erläuterungen. Ich möchte nun zu den einzelnen Verhandlungsbereichen ein paar Bemerkungen machen. Es geht zunächst um den Marktzugang, um Agrarverhandlungen, um institutionelle Fragen und um die weitere Entwicklung des GATT-Vertragswerkes und um neue Themen im GATT. Beim Marktzugang geht es nicht nur um die klassischen Fragen wie Zollabbau und den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse z. B. im Rohstoff- und Textilhandel. Vielmehr geht es auch um den Subventionsabbau und insbesondere um Art. XIX des GATT, der schon in der Tokio-Runde Verbesserungen erfahren hat, der aber immer noch sehr ref ormbedürftig ist. Es mag zwar auch sein, daß der Zollabbau nach den letzten Runden nicht mehr die große Rolle spielt, aber es gibt immer noch sehr entwickelte Länder, die bei den Zöllen Schwierigkeiten machen. Ich möchte hier nur Australien nennen. Es gibt auch eine Reihe von Schwellenländern, die inzwischen in einem Status sind, wo sie sehr wohl ihre Märkte mehr öffnen könnten, als das bisher der Fall war. In der Kennedy- und in der Tokio-Runde wurden die Zölle nach einer allgemeinen Formel abgebaut. heute wird diskutiert, ob es nicht ein System von Angebot und Nachfrage in diesen Bereichen gibt. Wir möchten uns dafür aussprechen, soweit wie nur irgend möglich ein solches System nicht zu wählen, sondern bei den allgemeinen überprüfbaren Regeln zu bleiben. Wir möchten dabei die Bundesregierung, wenn sie diesen Ansatz hat, ausdrücklich unterstützen. Der Zollabbau muß nach unserer Auffassung auch durch den Abbau der nichttarifären Hemmnisse ergänzt werden. Diese Hemmnisse überragen in vielen Bereichen inzwischen die Bedeutung von Zöllen. Wir hätten gerne mehr darüber gehört, welche Möglichkeiten in diesem Bereich bestehen. Insbesondere interessiert uns die Frage: Gibt es hier eine Möglichkeit, das zu quantifizieren? Gibt es die Möglichkeit, zu solchen allgemeinen Runden zu kommen? Uns interessiert, ob dies möglich ist. Gehört haben wir dazu bisher nichts. Was den Handel mit Rohstoffen angeht, so ist mir die Antwort, die wir auf unsere Anfrage bekommen haben, nicht ganz behaglich; dies gilt besonders für die Kohle. ({2}) Denn wir wissen ja von der EG-Kommission, daß Australien inzwischen sehr darauf drängt, die Märkte zu öffnen. In der Kommission scheint ein Nachgeben möglich zu sein. Wenn dies aber geschieht, dann sehe ich nicht, wie unser Kohlebergbau erhalten bleiben kann, wie dann die Kohlevorrangpolitik fortgesetzt werden kann und wie dann unter diesen Bedingungen der Jahrhundertvertrag erfüllt werden kann. Was das für soziale Folgen hat, brauche ich Ihnen nicht zu schildern. Deswegen meine ich: Hier wären wir gut beraten, gemeinsam die Bundesregierung zu drängen, um ihr den Rücken für Brüssel zu stärken, denn darüber wird in Brüssel entschieden. ({3}) Hier zeigt sich übrigens auch exemplarisch, daß, auch wenn man Freihändler ist, man auch immer einDr. Wieczorek mal sündigt. Ich meine, es gibt aber notwendige Sünden in diesem Zusammenhang, denn es gibt nun einmal auch gesellschaftspolitische und sozialpolitische Erfordernisse, die zu berücksichtigen sind. Wir haben das ja auch in vielen Ausnahmefällen getan. Ich nenne hier nur den Bereich Textil. Bei dem Bereich Textil meine ich, daß natürlich die Interessen der Entwicklungsländer geschützt werden müssen. Das ist zu verstehen. Aber wir haben auch den Schutz unserer Industrie zu berücksichtigen. Da gilt es wohl nach Branchen zu differenzieren. Es gibt Bereiche in der Textilindustrie, etwa bei Garnen und Stoffen, wo eigentlich Wettbewerb stattfinden könnte. In anderen Bereichen wiederum, bei Bekleidung und Schuhen, ist es ausgesprochen schwierig. Ich meine, hier sollten wir aber vor allen Dingen darauf drängen, daß die Achtung von Markenzeichen, Design und Geschmacksmustern endlich besser durchgesetzt wird, weil diese natürlich einen echten Wettbewerbsvorteil bedeuten. Auf die Dauer macht es keinen Sinn, mit Subventionen Lohndifferenzen auszugleichen. ({4}) Die von der Bundesregierung unterstützte Reform des Art. XIX des GATT scheint mir auch unbedingt notwendig zu sein, denn gerade in diesem Bereich sind ungeheure Unsitten und Mißbräuche eingetreten. Das fängt mit den Grauzonenmaßnahmen bei freiwilligen Exportbeschränkungen und Marktabsprachen an. Dies sind letzten Endes Maßnahmen, die häufig dem Recht des Stärkeren folgen und damit die Grundphilosophie des GATT gefährden. Nun zum Subventionsabbau, der in diesen Bereich mit hineingehört. Wir sind zwar alle dafür, aber er ist schwierig, wie wir wissen. Trotzdem würde es gerade uns als Bundesrepublik gut anstehen, hier weitere entscheidende Schritte zu machen, denn nur auf diesem Wege kann man dann Anspruchsgrundlagen gegenüber anderen Ländern gewinnen, und die sind sehr notwendig, denn in diesem Subventionsbereich wird ja immer noch sehr viel Jux und Dollerei betrieben. ({5}) Die Auseinandersetzung, die wir etwa über den Airbus hatten, ist ja ein deutliches Beispiel dafür, daß Subventionen der verschiedensten Art gewährt werden, bei uns, aber auch bei Boeing über den Verteidigungshaushalt. Ich glaube, darüber muß man sich dann ernsthaft auseinandersetzen. ({6}) - Das ist richtig: Wer im Glashaus sitzt, muß mit kleinen Kieselsteinen werfen; aber Sie wissen auch, daß es immerhin eine sozialliberale Bundesregierung war, die die Subventionen einmal gekürzt hat. Ich wollte den Zwischenruf gern aufnehmen. Bei der jetzigen Bundesregierung hört man darüber immer viel, aber es fehlt ein bißchen daran, wie es in der amerikanischen Werbewirtschaft heißt: „Where is the beef?' . ({7}) - Das war sicherlich etwas, was für die Leute dort sehr erfreulich war. Das führen wir dann jetzt im Zusammenhang mit den besonderen Verkehrsnotwendigkeiten, die sich nun stellen, wieder ein. Aber ich möchte jetzt gern nicht über Zonenprobleme, sondern über GATT sprechen. Ich muß allerdings eines hinzufügen: Wir werden auch bei diesen Verhandlungen verstärkt die mitteleuropäischen Länder und deren Interessen einbeziehen müssen. Ich meine nicht nur den Wirtschaftsraum DDR, sondern gerade auch Polen, Ungarn und Tschechoslowakei, denn wir haben hier das Problem, daß diese Länder zwar zum Teil Beobachterstatus haben, zum Teil Mitglied sind, daß aber Übergangsregelungen gelten, die auf die Dauer so nicht aufrechtzuerhalten sind. Ich darf an die Codices erinnern. Zum Subventionsabbau habe ich meine Bemerkungen gemacht. Wir müssen allerdings auch einsehen, daß es Subventionen etwa im Bereich der Versorgungssicherheit, beim Verbraucherschutz und unter Umweltgesichtspunkten geben wird. Hier befinden wir uns zum Teil in Auseinandersetzungen, wo die Problematik mit dem rein marktwirtschaftlichen Kostendenken nicht allein befriedigend gelöst werden kann. Ich möchte zweitens auf den Bereich der Landwirtschaft zu sprechen kommen. Bei den landwirtschaftlichen Produkten hat es von Anfang an im GATT ein Sonderregime gegeben. Wenn es jetzt die Amerikaner sind, die sagen, dies müßte alles abgeschafft werden, ist das besonders lustig, denn es war der amerikanische Kongreß, der damals durchgesetzt hat, daß der Agrarbereich aus dem GATT herausgenommen wurde. Wenn ich mir die Forderung etwa von Herrn Yeutter und anderen ansehe und gleichzeitig sehe, was die neue amerikanische Farm Bill vorsieht, dann habe ich keinerlei Verständnis mehr für diese Art, Politik zu machen, bei der zwar der Subventionsabbau von allen gefordert wird, zu Hause aber in einem neuen Gesetz gerade fortgeschrieben wird. ({8}) Ich meine, daß natürlich das, was im Agrarbereich geschieht, im Bereich der EG vorangetrieben werden muß. Die EG wird auch im Agrarbereich beim GATT noch Federn lassen müssen. Ich glaube, darüber müßten wir uns ganz ehrlich aussprechen können. Wir sollten aber darauf achten, daß Grundelemente der EG-Agrarpolitik - ich habe das vorhin im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Familienbetrieben und dem gesagt, was damit verbunden ist - erhalten bleiben. Ich nenne nur Aspekte des Landschafts- und Umweltschutzes, die für uns vorrangig sind. Ich kann in aller Deutlichkeit feststellen, daß ich beim Lesen der Antwort auf diese Frage nicht gerade vor Begeisterung gejauchzt habe. Denn es ist unbestritten, daß natürlich auf den US-amerikanischen Plains oder in Australien oder in Argentinien viel besser und billiger Getreide produziert werden kann. Das ist also nicht der Punkt. Es muß uns allerdings darum gehen, daß wir die Kosten, die damit weltweit verbunden sind - es wird jetzt ja auch über die Bodenerosion und die Veränderung des Klimas diskutiert - , auch mit zu tragen haben. Deswegen ist die Frage schon ganz entscheidend, welche Art von Landwirtschaft wir uns leisten. Wenn ich daran denke, daß in den USA nicht nur das Grundwasser durch Überdüngung und alles das, was wir auch kennen, Pestizide und chemische Stoffe - ({9}) - Ich bin zufällig noch in einem Kreistag, und wir haben auch Wasseruntersuchungen durchgeführt. Da haben wir schon Probleme. ({10}) - Natürlich absichtlich. Aber ich wollte den Zufall auf den Einwand beziehen: Da haben wir allerdings schon Probleme, verehrter Herr Kollege, ob in dem Bereich noch alles den EG-Vorschriften entspricht. Ich möchte daran lieber nicht rühren und statt dessen etwas anderes sagen. Wir haben in den USA das Problem - ({11}) - Woher komme ich wohl? Aus Groß-Gerau natürlich. Ein schöner Kreistag mit 52 % SPD-Mehrheit! ({12}) - Das kann nur ein Berliner sagen, der ja noch nicht einmal weiß, wie man über 100 fährt. ({13}) - Ja, im nächsten Wahlkampf kannst du das verwenden. Aber jetzt wollen wir einmal fortfahren. Ich halte das, was in den USA in der Landwirtschaft passiert, insbesondere in den Plains, auch deshalb für sehr gefährlich, weil das Grundwasser nicht nur verdorben, sondern auch zunehmend aufgebraucht wird und weil damit natürlich eine Versteppung und Verwüstung eintreten kann, die uns allen Sorge macht. ({14}) Ich glaube also, in der Frage der Landwirtschaftspolitik sind wir gut beraten, zwar die notwendigen Konzessionen zu machen, aber auch darauf zu achten, daß wir eine lebensfähige, umweltorientierte Landwirtschaft in Europa behalten. Nun zum Bereich der tropischen Produkte. Da ist einiges getan worden, aber auch hier befriedigt mich die Antwort nicht. Es wird gesagt, es sei ein Handelsvolumen von 20 Milliarden Dollar betroffen. Das ist ja schön; aber eigentlich geht es doch darum, was man für die betreffenden Länder zusätzlich tun kann. Ich glaube, da müßte man noch ein bißchen mehr Butter bei die Fische tun. Denn es sind ja gerade die ärmeren Völker, die in diesem Bereich Handel treiben, allerdings auch mit einem Problem, über das wir zu Recht diskutieren. Das ist zum einen die Frage des Schutzes der tropischen Regenwälder auf dem Holzsektor, aber es geht auch darum, daß solche Länder in der Landwirtschaft eben nicht darauf umgestellt werden, nur zu exportieren, während die Eigenversorgung der Bevölkerung hintansteht. Hierin müssen wir einen Bereich sehen, in dem wir mit den Regeln des simplen Handels nicht weiterkommen. Ich bin aber dafür, das, wenn es notwendig ist, im GATT einzufangen, damit es ein vernünftiges Regelwerk gibt, nicht aber dieses Gesetz des Dschungels, das wir im Moment in diesem Bereich haben. Eine kleine Bemerkung kann ich mir in diesem Zusammenhang nicht verkneifen: Die Antwort auf unsere Frage nach den Tee- und Kaffeesteuern hat mich schon ein bißchen amüsiert. Entweder hat die Presse frei erfunden, daß Herr Bangemann das gesagt hat, oder er hat es gesagt. Ich habe den Eindruck, Sie mußten den früheren Wirtschaftsminister wieder einmal in Schutz nehmen, möglicherweise ohne genau darauf zu sehen, ob er es denn nun wirklich gesagt hat oder nicht. Die Vermutung, die Presse habe das frei erfunden, scheint mir bei diesem Thema aber wirklich ungewöhnlich phantasiereich zu sein. Nun zu den institutionellen Reformen des GATT. Wir begüßen die Bereitschaft der Bundesregierung, das GATT zu stärken. Das GATT hat sicherlich ähnliche Funktionen wie IWF und Weltbank. Es sollte daher in eine permanentere Institution übergeführt werden. Wir begrüßen, daß die Außenminister sich treffen, und zwar künftig alle zwei Jahre, aber das ist nach unserer Ansicht nicht genug. Wenn es denn Länderberichte gibt, müssen sie auch aufbereitet und ausgewertet werden, und es müssen Konsequenzen gezogen werden. Allerdings meine ich, daß sich diese Länderberichte nicht - wie die IWF-Berichte - immer mit den kleineren oder ärmeren oder schwächeren Ländern zu beschäftigen hätten, sondern daß dann auch bei den großen Handelsnationen Tacheles geredet werden muß. Da gibt es jede Menge zu berichten, und da wird mancher Bericht dann auch uns in der Bundesrepublik möglicherweise sehr ärgern. Aber wenn man das eine will, muß man auch das andere tragen. Wir würden jedenfalls einen solchen Weg voll mitgehen. Was das GATT als Institution angeht, so möchte ich als weiteren Punkt das Streitbeilegungsverfahren ansprechen. Es ist dort immer noch besser als in vielen anderen Bereichen, und es sollte weiter gestärkt werden. Wir haben gesehen, daß manches dadurch nicht zu schaffen ist. Ich denke an den Hormonstreit oder an die amerikanischen Zollgebühren. Entscheidend scheint mir aber in diesem Zusammenhang eines zu sein - ich hoffe, daß das die Meinung des gesamten Hauses ist - : Wir müssen gerade unseren amerikanischen Freunden sehr deutlich sagen, daß sie sich mit ihrer Export Trading Act, mit ihrem 301-Verfahren, mit Maßnahmen, die sie einseitig ansetzen können, eigentlich nicht in der Position befinden, darüber zu urteilen, was nun dem GATT konform ist oder nicht. Wir möchten Sie ausdrücklich auffordern, mit dafür zu sorgen, daß in den GATT-Verhandlungen geregelt wird, daß es solche Möglichkeiten einseitiger Maßnahmen, wie sie etwa im 301-Verfahren vorgesehen sind, nicht mehr geben kann. Nun zu den neuen Themen: Die fanden wir spannend, und ich muß sagen, daß mir die Beantwortung der Fragen in diesem Bereich auch Freude gemacht hat. Da hat man sich wirklich Mühe gegeben. Lassen Sie mich dazu nur ein paar Anmerkungen machen. Da gibt es zum einen das Dienstleistungsproblem. Da werden wir sehr schnell in die Bereiche kommen, die bei uns heikel sind, in den Baubereich und andere. Die Debatte über das Ausländerrecht, die hier vorher gelaufen ist und die wir zum Teil mitgehört haben, trifft genau diesen Punkt. Ich meine, die Bundesregierung wäre sehr gut beraten, wenn sie frühzeitig sagen würde, daß neue Freizügigkeiten, wenn sie sich aus den GATT-Verhandlungen ergeben, genau das Recht von fremden Arbeitern betreffen, hier zu arbeiten und zumindest zeitweise hier zu wohnen. Das muß man frühzeitig sagen! Man darf nicht erst hinterher mit den Ergebnissen aus Genf mit der Tür ins Haus fallen; denn das wäre gerade wieder der Nährboden, auf dem diejenigen, die Ausländerfeindlichkeit schüren, Erfolg hätten. Deswegen meine ich, wir sollten in dem Zusammenhang offener fahren. Ich möchte Sie dazu auffordern. Das gleiche gilt im übrigen auch für die Berufsvereinigungen. Auch für Ärzte, Dienstleister und ähnliche wird künftig mehr Freizügigkeit vorgesehen werden. Wir behandeln dieses Problem jetzt schon in der EG mit Hängen und Würgen, aber künftig wird es, wenn es im GATT geregelt wird, auch weltweit existieren, zumindest bei den GATT-Mitgliedern. Das geht dann sogar bis zu solchen Fragen wie: Wer kann hier Staatsdiener sein? Die Antwort scheint so einfach zu sein: Das kann nur ein Deutscher sein. - Nur, wie ist das denn in den Bereichen, in denen woanders etwas privatrechtlich geregelt wird, was bei uns über den Staat geregelt wird? Ich glaube, hier sollten wir uns sehr bemühen, das, was aus dem Bereich GATT kommt und was Ergebnis der Verhandlungen sein wird, aus zwei Gründen rechtzeitig zu diskutieren: einmal, weil, wie ich schon gesagt habe, die Bevölkerung ein Anrecht darauf hat, sich rechtzeitig einstellen zu können, zweitens aber auch, weil es nur durch Offenheit in diesem Punkt geschafft werden kann, daß wir nicht in eine Situation kommen, wo das im Wahlkampf zum gegenseitigen Schlagabtausch mißbraucht wird; denn das würde möglicherweise das Gesamtergebnis GATT, von dem wir alle hoffen, daß es ein gutes wird, mehr als gefährden. Ich spare mir jetzt eine Bemerkung zum local content. Ich fürchte, da wird die gute Absicht nicht beibehalten werden können. Ich möchte aber zum Schluß noch etwas zum Schutz des geistigen Eigentums sagen. Wir sind sehr dafür, daß in diesem Bereich etwas gemacht wird und mehr Rechtssicherheit kommt. Ich glaube aber, es wird sehr notwendig sein, in diesem Bereich auch dafür zu sorgen, daß Entwicklungsländer Zugang zu diesen Technologien haben. Das heißt, es darf nicht von einer Konzernentscheidung abhängig sein, ob z. B. ein bestimmtes Pharmaprodukt in Lizenz hergestellt werden darf oder nicht. Ich glaube, hier müssen wir auch Überlegungen anstellen, ob es Zwangslizenzen geben sollte, ob es bestimmte Regeln für die Ausnutzung solcher Technologien geben sollte. Gerade im Hinblick auf die Entwicklungsländer müssen wir so etwas als Gegengabe dafür bieten, daß diese Entwicklungsländer bereit sind, den Schutz des geistigen Eigentums auch zu ihrer Sache zu machen. Gerade aus der Situation, die dort gegeben ist, können wir das nach unserer Auffassung nicht auf der heutigen Basis machen, wonach das eine private Entscheidung ist, durch die möglicherweise ganze Regionen von solchen technischen Entwicklungen, insbesondere auch im Pharmabereich oder in verwandten Bereichen, abgehängt werden. Hier muß eine klare Regelung gefunden werden. ({15}) - Forschen ist freiwillig. Aber die Ergebnisse der Forschung, die von uns allen mitbezahlt wird - daran muß man immer ein bißchen denken - , sind ja wohl dazu da, der Menschheit insgesamt zu dienen. Hier kann nicht der pure Kommerz die einzige Regel sein. Gerade wenn man sagt, wir wollen euch künftig darauf festlegen, daß ihr anerkennt, daß es diese Rechte gibt - denn es geht ja darum, die Piraterie, die bisher möglich ist, abzuschaffen; dafür sind auch wir -, muß es ein Äquivalent geben, Herr Kollege. Vielen Dank. ({16})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kittelmann.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir danken der Bundesregierung für die Beantwortung der Großen Anfrage, weil sie, wie auch mein Vorredner schon zu Einzelfragen betont hat, eine gute Gelegenheit ist, über den Stand zu reflektieren, obwohl die letzten Monate seit der Beantwortung der Anfrage schon wieder bestimmte neue Grundlagen gesetzt haben. Das Treffen der EG-Außenminister am Montag dieser Woche hat eine chronische Krankheit im Welthandel auch bei uns in Europa erneut zum Thema der Wirtschaftspolitiker gemacht, nämlich den Protektionismus. Gerade angesichts der sich abzeichnenden deutschen Wirtschafts- und Währungsunion muß uns Deutschen als Angehörigen der nach Ost und West am stärksten exportorientierten Nation an der Beseitigung der Geißel Protektionismus wohl mit am meisten gelegen sein. Trotz des Zieles eines gemeinsamen europäischen Marktes glauben die Regierungen Frankreichs, Italiens, Spaniens und Portugals, sie könnten weiterhin z. B. an Importquoten für japanische Pkw festhalten. Dabei sollen, was einem vernünftigen Menschen kaum noch verständlich ist, in Großbritannien produzierte Autos auf diese Quote angerechnet werden, weil auf ihrer Motorhaube „Toyota" oder ,,Datsun' steht. Da werden in den USA hergestellte Kopiergeräte plötzlich auf Beschluß der EG-Kommission zu japanischen Geräten, weil das zentrale Steuerungsele15056 ment aus Japan kommt. Da beschwören einerseits die USA den freien Welthandel und begrenzen andererseits - aus vermeintlichen Gründen der nationalen Sicherheit - die Importquote von Maschinen zur Papierproduktion. Das sind nur wenige Beispiele von Protektionismus, die ich weiter fortführen könnte und die allein in der letzten Woche in der Öffentlichkeit eine Rolle gespielt haben. Protektionismus ist aber auch der entscheidende Feind der internationalen Arbeitsteilung. Er steht den Prinzipien des GATT diametral entgegen. Diesen Regeln des GATT haben sich immerhin 96 Staaten formal unterworfen. Sie geben vor, unter Beachtung des GATT 95 % des Welthandels abzuwickeln. Da wird noch sehr viel getäuscht, da wird noch sehr viel geschoben, da wird noch sehr viel an den Prinzipien vorbei an Sondervereinbarungen getroffen. Die von mir willkürlich genannten Beispiele von Protektionismus, wie ich sie eingangs meiner Rede erwähnt habe, machen deutlich, wie dringend notwendig eine Reform des GATT ist. Dabei kann es nicht darum gehen, das Regelwerk an die Verstöße anzupassen, sondern dabei geht es darum, die bestehenden Regeln zur besseren Durchsetzung zu bringen. Wir ermuntern die Bundesregierung seit Jahren, in dieser Frage jede Form von Härte zu beweisen. Dies allerdings auch mit reinem Gewissen des Widerstandes gegen Versuchungen, die an uns herangetragen werden. Jedes Regel- und Vertragswerk - damit auch das GATT - kann nur dann wirken, wenn dahinter auch die Entschiedenheit aller Vertragspartner steht, die Regelungen umzusetzen. 1986, Herr Bohl, in Punta del Este, begann die Uruguay-Runde; sie hat damals das neue GATT durchgesetzt, und die neuen Entwicklungen in Ost-Europa werden in den nächsten Wochen in dieser Frage Bedeutung für das GATT gewinnen. Die Staaten des RGW - soweit man das ganze noch so nennen kann - , dessen auf Autarkie angelegtes System gescheitert ist, werden aktiver Teil des GATT werden. Zwar haben beispielsweise die Tschechoslowakei und Kuba als Gründungsmitglieder schon mitgewirkt, aber es zeigte sich während der letzten Jahrzehnte, daß planwirtschaftlich organisierte Volkswirtschaften mit ihren Außenwirtschaftsmonopolen nicht in ein System des freien Welthandels zu integrieren sind. Aber diese neue Position der Staaten im Osten Europas erfordert auch Veränderungen im GATT, die die CDU/CSU nachdrücklich anfordert. Wir sollten nicht vergessen, daß sich aus den Veränderungen erhebliche strukturelle Verschiebungen im Welthandel ergeben könnten. Mittlerweile - eigentlich schon seit einiger Zeit - hat auch die Sowjetunion Interesse an einer Mitgliedschaft im GATT gezeigt. Da zeigt es sich, wie schnell sich die Welt verändert. Lange hat sie das GATT als amerikanisches Instrumentarium zur Steuerung der Weltwirtschaft angesehen. Zwar ist es für eine Mitgliedschaft der Sowjetunion noch zu früh, weil die wirtschaftlichen Realitäten der UdSSR noch nicht den Herausforderungen eines freien Welthandels gerecht werden, aber wir teilen die inzwischen vernünftige Ansicht der US-Administration, daß den Sowjets ein Beobachterstatus im GATT gewährt werden sollte. Die Veränderungen im Osten Europas werden die Verhandlungen über die GATT-Reformen nicht leichter machen, aber sie machen sie auf jeden Fall interessanter. Wir wissen, bei den Verhandlungen geht es um 15 Themenbereiche, die in vier zentrale Themenblöcke unterschieden werden: Da gibt es zunächst die institutionellen Reformen, darüber hinaus die traditionellen Sektoren, die die Handelsregeln verbessern sollen und in denen Sonderregelungen und Sonderrechte abgebaut werden müssen. Ich denke hier nur an die für Deutschland immer interessanten Verhandlungen und Diskussionen über das Welttextilabkommen. Der Kollege Niegel wird nachher unter anderem etwas zu der Agrarsituation sagen. Weiterhin geht es auch um die Ausdehnung des GATT auf neue Bereiche. Hierzu hat Herr Wieczorek vorhin schon die Fragen der Dienstleistungen und des Schutzes des geistigen Eigentums erwähnt. Gerade in der Frage des Schutzes des geistigen Eigentums werden allerdings die von ihm erwähnten Probleme, wahrscheinlich nicht über GATT zu regeln sein; abgesehen davon, daß es unserer Politik widerspricht, den Zugang der Dritten Welt von Zwangstechnologien abhängig zu machen. Wir hatten die ganzen Probleme jahrelang bei der Seerechtskonferenz, und da schlummern sie auch noch in einer anderen Frage. Darüber hinaus streben wir mit der Uruguay-Runde Maßnahmen der allgemeinen Marktöffnung an, weil dies aktiver Beitrag zu mehr Handeln sein kann. Wir brauchen weitere Zollsenkungen, den Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen und gezielte Importerleichterungen etwa für tropische Produkte im Interesse der Entwicklungsländer. Meine Damen und Herren, das alles geschieht nicht nur in einem handelspolitischen Umfeld von Protektionismus, Bilateralismus, Sektoralismus und Regionalismus, das ich geschildert habe, sondern da gibt es auch noch die berüchtigten Selbstbeschränkungsabkommen, die viele Länder untereinander abschließen. Vor allen Dingen Japan entwickelt sich da zum Weltmeister. Der Regionalismus findet seinen stärksten Ausdruck in dem Versuch einiger unserer Partner in der EG, den Binnenmarkt als eine geschlossene Veranstaltung zu sehen. Ähnliche Bestrebungen können wir im pazifischen Raum beobachten. Wir haben die politische Aufgabe, darauf zu achten, daß sich dieses nicht durchsetzt. Für uns sollte eines klar sein: Für die Bundesrepublik Deutschland überwiegen die gesamtwirtschaftlichen Vorteile einer aktiven Beteiligung an der Uruguay-Runde. Deshalb ermuntere ich die Bundesregierung zu weiterem positiven Verhandeln. Für die Bundesrepublik, für die CDU/CSU-Fraktion besteht zur Erneuerung und Stärkung des GATT als Institution keine Alternative. An die Adresse der SPD darf ich etwas Nachdenkliches sagen. Ich finde, daß Sie dabei sind, die Möglichkeiten des GATT zu überfrachten. Die in Ihrer Anfrage angesprochenen sozialen und ökologischen Grundstandards, die Sie im GATT festgeschrieben haben wollen, würden dieses Regelsystem im GATT überfordern. Wir sind ebenfalls für Grundstandards. Wir sind auch für ökologische Grundstandards. ({0}) Aber wir zweifeln daran, daß dieses im GATT möglich ist. Ähnliches gilt für die Frage der Zwangslizenzen, die Sie, Herr Wieczorek, vorhin angesprochen haben. Die Frage des Engagements der multinationalen Konzerne wird auch nicht so lösbar sein, wie Sie es sich vorstellen. ({1}) - Ihr hättet eure Redezeit doch teilen sollen; dann hättest du auch etwas sagen können, Wolfgang. Ich bin sicher, daß der schwierigste Teil der Verhandlungen der Bundesregierung noch bevorsteht. Es wird immer wieder Störfaktoren geben wie das amerikanische Handelsgesetz, also einseitige Maßnahmen von Verhandlungspartnern. Es wird schwierig werden, in der Vielzahl von Fragen Einigkeit zu erzielen. Aber nur diese Einigkeit kann dem Welthandelssystem helfen, kann der Vielzahl protektionistischer Störversuche widerstehen. Wir müssen alles tun, um die Durchsetzungskraft zu stärken. Wir wollen die Liberalisierung des Welthandels. Die CDU/CSU unterstützt die Verhandlungsführung der EG. Sie unterstützt vor allen Dingen die Position der Bundesregierung in den Gremien der Europäischen Gemeinschaft, wo immer noch „Europrotektionismus" eine für Europa notwendige Entwicklung des freien Welthandels gefährdet. Europa wird also die Herausforderung nur bestehen, wenn es nicht wie im 19. Jahrhundert Wälle um seine Volkswirtschaft errichtet. Die heutige Debatte über das GATT, die schon am kommenden Mittwoch im Wirtschaftsausschuß fortgesetzt wird, war, glaube ich, eine wesentliche Zwischenetappe im Rahmen einer für die Öffentlichkeit nicht immer erkennbaren, aber für uns Wissende doch deutlich werdenden wichtigsten Konferenzen, die im Moment in der Welt stattfinden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Volmer.

Dr. Ludger Volmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002393, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den laufenden GATT-Verhandlungen steht eine strukturelle Neuordnung des Welthandels mit Gütern und Dienstleistungen auf der Tagesordnung - gegen den erklärten Willen vieler DritteWelt-Länder. Die dominanten westlichen Staaten versuchen mit aller Macht, ihr Freihandelsdogma auf die bisher ausgesparten Sektoren, z. B. Landwirtschaft, Dienstleistungen, Investitionen auszuweiten. Strategisches Ziel ist vor allem die unbegrenzte Liberalisierung im Dienstleistungsbereich, z. B. bei Banken, Versicherung, Transport, Rechnungswesen, Medien, Kultur. DIE GRÜNEN lehnen die globale Einverleibung nationaler Märkte durch die uneinholbar überlegenen westlichen Unternehmen ab. Wir stellen uns grundsätzlich gegen den angestrebten Abbau nationaler Regulierungsrechte im Dienstleistungsbereich. Falls sich eine kapitalorientierte Liberalisierung nicht abwenden läßt, unterstützen wir die Forderung vieler Dritte-Welt-Länder nach Personenmobilität für ausländische Dienstleistungsanbieterinnen und -anbieter und für Arbeitskräfte; d. h. dann müßten alle Menschen der Dritte-Welt-Länder auch hier Arbeitsplatzmöglichkeiten bekommen. Jede Verschärfung der internationalen Regeln für den Schutz geistigen Eigentums, wie jetzt bei den GATT-Verhandlungen vor allem von den USA gewünscht, muß verhindert werden. Im Gegenteil sollte ein System von Pflichtlizenzen bei gestaffelter Gebührenbelastung für arme Länder eingerichtet werden, womit diesen Zugang zu geschütztem Wissen und Erfindungen bei der Grundbedarfsdeckung, z. B. Medikamente, medizinische Geräte, Produktionsmittel, Pflanzenzüchtungen verschafft wird. ({0}) Das Verbot von Investitionsauflagen im GATT-Rahmen, zum Beispiel Mindest-Inlandsanteil, Devisenbeschränkungen, Beteiligungskapital, das vor allem von den USA gefordert wird, lehnen DIE GRÜNEN grundsätzlich ab, weil auf diese Weise die wirtschaftspolitischen Steuerungsmöglichkeiten gegenüber ausländischen Investoren pauschal beseitigt würden. DIE GRÜNEN treten dafür ein, daß die Arbeitsbedingungen aller beteiligten Staaten an die zentralen Normen der ILO angeglichen werden, u. a. Arbeitszeit, Mindestlohn, Sozialversicherung, gewerkschaftliche Rechte, Nichtdiskriminierung. ({1}) Außerdem müssen die Lieferinteressen der ärmsten Länder bevorzugt berücksichtigt und ökologische Aspekte beachtet werden. Für die von den GRÜNEN geforderte Neuausrichtung des GATT ist sein Status als internationales Vertragswerk nicht angemessen. Wir treten deshalb für die institutionelle Weiterentwicklung des GATT zu einer regulären Unterorganisaion der UNO ein, in der alle Ländergruppen gleichberechtigt mitwirken. ({2}) Wir widersprechen entschieden der Grundideologie des GATT, daß eine fortschreitende Weltmarktintegration der Regionen und das Wachstum des internationalen Handels den Wohlstand aller beteiligten Handelspartner mehrt. Angesichts vielfältiger und unterschiedlicher Produktionsvoraussetzungen und der ökologischen Bedingungen der Agrarregionen zieht gerade im Agrarbereich der verschärfte internationale Wettbewerb die wirtschaftliche und soziale Verelendung wie auch die ökologische Verödung benachteiligter Regionen nach sich. Unter dem Gesichtspunkt einer ausgewogenen Regionalentwick15058 lung, der Ernährungssicherung und der Erhaltung ökologisch angemessener Agrarkulturen muß die landwirtschaftliche Produktion auch auf Standorten aufrechterhalten werden können, die unter Weltmarktgesichtspunkten nicht wettbewerbsfähig sind. Wir plädieren daher für eine Regionalisierung von Wirtschaft und Handel im Agrarbereich. Wir plädieren darüber hinaus für Handlungsspielräume für bilaterale und nach sozialen Erfordernissen differenzierte Handelsabkommen. Wir widersprechen den GATT-Apologeten, die Bilateralismus und Regionalismus als schärfste Bedrohung der Weltwirtschaft ausgemacht haben. Wir weisen globale Lösungsstrategien zurück, die unter dem Imperativ eines weltweiten multilateralen Handelssystems alle Regionen und Gesellschaften der Welt über denselben Kamm eines erbarmungslosen internationalen Wettbewerbs scheren möchten. Jedenfalls muß innerhalb des GATT sichergestellt sein, daß Maßnahmen, die Staaten zum Schutz der eigenen landwirtschaftlichen Produktion vor billigen Agrareinfuhren, zur Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung, zur Förderung der landwirtschaftlichen Entwicklung in benachteiligten Regionen, zur Angebots- und Preissteuerung der landwirtschaftlichen Binnenmärkte wie auch zum Schutz der Umwelt und der Verbraucherinnen und Verbraucher ergreifen, respektiert und nicht als Handelshemmnisse sanktioniert werden, soweit sie nicht Ernährungssicherung und Wohlfahrt anderer Staaten beeinträchtigen. Deshalb treten wir dafür ein, die Legitimität handelsbeschränkender Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, der Verbraucherinnen und Verbraucher, der Ernährungssicherung und der landwirtschaftlichen Entwicklung in benachteiligten Regionen anzuerkennen. Aus menschenrechtlichen, ökologischen und friedenspolitischen Gründen sind für DIE GRÜNEN sofort wirksame Eingriffe in das bisherige Welthandelssystem unerläßlich. Ziel ist die vollständige Unterbindung des Welthandels durch kategorische Export-sowie Importverbote im Rahmen des GATT in den folgenden besonders sensiblen Bereichen bzw. Gütergruppen: Handel mit menschlichen Organen, Rüstungsgüter und Rüstungstechnologien, Atomtechnologien und -reaktoren, Tropenholz aus Primärwäldern, gentechnologisch gewonnene Produkte und Lebewesen sowie entsprechende Kenntnisse, Nahrungsgüter und Futtermittel aus Hungergebieten, geschützte Tiere bzw. aus ihnen gewonnene Produkte, umweltzerstörerische Produkte mit hohem Gefährdungspotential, z. B. FCKW, harte Drogen und Giftmüll. Dies, meine Damen und Herren, was ich Ihnen vorgetragen habe, sind Passagen aus dem neuen Entwurf der GRÜNEN zu einem ökologischen Außenwirtschaftsprogramm, formuliert von Thomas Fues und Klaus Seitz. Mit diesem Programm werden wir in der Zukunft gegen die große Koalition der Weltmarktstrategen antreten. ({3})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Funke.

Rainer Funke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000624, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich der SPD dafür danken, Herr Dr. Wieczorek, daß sie diese Anfrage gestellt und so gründlich vorbereitet hat. Weil Sie sie so gründlich vorbereitet haben, haben Sie auch die richtigen Antworten von der Bundesregierung bekommen, die ebenfalls gründlich ({0}) - doch, ich meine, schon insgesamt sehr gründlich - und sehr befriedigend ausgefallen sind. Kaum ein Land in der Welt ist von der weltwirtschaftlichen Verflechtung so abhängig wie die Bundesrepublik Deutschland. Ein Drittel des erwirtschafteten Bruttosozialprodukts ist in der Bundesrepublik Deutschland vom Export abhängig. Kaum ein Land der Welt hat so wie die Bundesrepublik Deutschland vom freien Welthandel profitiert. 40 Jahre GATT sind auch 40 Jahre Erfolg für die Bundesrepublik Deutschland. Wir sind abhängig vom offenen multilateralen Welthandelssystem. Ziel der Uruguay-Runde ist es, dieses bislang erfolgreiche GATT-System fortzuentwickeln, insbesondere noch bestehende Handelshemmnisse abzubauen. Dazu zählt auch - Herr Dr. Wieczorek, ich teile Ihre Meinung völlig - der nichttarifäre Bereich, denn dort wird sehr gesündigt. Hinzu kommt, daß regionale Integrationsbestrebungen wie z. B. die EG besser in das bisherige GATT-System eingebunden werden müssen. ({1}) - Ich komme gleich dazu. USA, Kanada, das ist ein typisches Beispiel, nachdem diese Länder die gemeinsamen Verträge geschlossen haben. Gerade für uns Europäer wird der bisher bestehende Agrarprotektionismus bei den weiteren Verhandlungen ein wesentlicher Prüfstein sein. Gerade die Entwicklungsländer haben einen Anspruch darauf, daß sich die Industrieländer nicht abschotten, sondern ihre Märkte sogar stärker öffnen. GATT als multilaterales Welthandelsabkommen muß offen sein für den freien Welthandel in alle Richtungen. Dieser Welthandel darf keine Einbahnstraße zugunsten der Industrieländer sein. Hier darf sich die Agrarlobby der Europäischen Gemeinschaft nicht gegen die Entwicklungsländer durchsetzen. Das gleiche gilt für den Prüfstein Textilabkommen, das im Jahre 1991 ausläuft und das auch in das multilaterale GATT-System eingebunden werden sollte. Auf diesen Gebieten, also sowohl im Agrarbereich als auch im Textilbereich, sind bisher gute Fortschritte erzielt worden. Es wird Aufgabe der nationalen Regierungen, aber auch der Parlamente sein, dafür zu sorgen, daß diese Zwischenergebnisse gegen Widerstände im eigenen Land zu guten Verhandlungserfolgen gebracht werden. In allen westlichen Wirtschaftsnationen, meine Damen und Herren, nimmt der Primärbereich, also Bergbau und Landwirtschaft, aber auch der SekundärbeFunke reich, Industrie, an Bedeutung ab. Dienstleistungen werden immer bedeutsamer. ({2}) Dies gilt auch für den gesamten internationalen Austausch. Aus diesem Grunde ist es konsequent und richtig, daß in die Uruguay-Runde Dienstleistungen und der Schutz geistiger Eigentumsrechte einbezogen worden sind. Gerade für die Bundesrepublik Deutschland spielt der Dienstleistungsbereich auch international eine immer größere Rolle, so daß die Ergebnisse der GATT-Runde auch daran gemessen werden, ob unsere Interessen im Bereich des Schutzes der Dienstleistungen einschließlich der Finanzdienstleistungen und des Schutzes geistigen Eigentums hinreichend berücksichtigt werden. Es gibt ja bereits Fortschritte im Bereich der Produktpiraterie. Unser Gesetz gegen die Produktpiraterie dürfte Vorbild sein. Insgesamt sind ja auch diese Fragen, zum Teil mit recht ordentlichem Erfolg, in Montreal behandelt worden.. Dies ist auch - genauso wie die bisherigen Fortschritte in der Uruguay-Runde - ein maßgebliches Verdienst unseres früheren Bundeswirtschaftsministers Dr. Bangemann, der sich diesen Verhandlungsrunden mit großem Einsatz gewidmet hat. Der abschließende Erfolg der Uruguay-Runde wird mit davon abhängen, daß die großen Industrienationen einschließlich der USA zwischenzeitlich nicht einseitig Handelshemmnisse errichten, die anderen Ländern, insbesondere den Schwellenländern, aber auch Industrieländern, als Vorwand dienen können, ihrerseits protektionistische Politik zu betreiben. Insoweit darf ich auch - genauso wie Sie, Herr Dr. Wieczorek - daran erinnern, daß die USA mit ihrem Handelsgesetz und auch mit einseitigen Bestimmungen über die Stahleinfuhr kräftig gesündigt haben. Gerade in einer Zeit, in der militärische, politische und wirtschaftliche Blöcke immer mehr an Bedeutung verlieren, müssen die westlichen Länder mit gutem Beispiel vorangehen. Wir dürfen unseren großen Markt nicht als Festung betrachten, sondern müssen für die Bemühungen der mittel- und osteuropäischen Staaten offen sein, ihre Produkte in unserem großen Markt abzusetzen. Wenn wir dies nicht tun, enttäuschen wir nicht nur das Streben der Mittel- und Osteuropäer nach mehr Wohlstand und mehr Freiheit, sondern werden wir diese Völker auch politisch enttäuschen mit Auswirkungen, für unsere Sicherheit, für unsere eigenen wirtschaftlichen Entwicklungen, die wir noch gar nicht übersehen können. Freier Welthandel ist Grundlage unseres Wohlstandes und wird auch die Grundlage für unsere Welthandelspartner sein. Hier hat die Bundesrepublik als eine der wichtigsten Handelsnationen der Welt, auch im Hinblick auf die innere Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft, eine große Aufgabe. Wir Liberalen ermuntern die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, die Politik des freien Welthandels gegenüber den anderen Vertragsländern durchzusetzen, aber auch gegenüber dem Protektionismus im eigenen Land kämpferisch aufzutreten. Vielen Dank. ({3})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Niegel.

Lorenz Niegel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! GATT bedeutet: General Agreement on Tariffs and Trade; zu deutsch: Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen. In den GATT-Runden wurde zunächst über Zollsenkungen beraten. Heute haben diese Runden den Charakter internationaler Handelskonferenzen angenommen. Oberstes Ziel dieser Bemühungen ist es, den weltweiten Protektionismus zurückzudrängen. Dabei geht es neben Zöllen um Subventionen, Praktiken bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, Einfuhrverfahren und Mengenbeschränkungen, Abschöpfungen und technische Normen. Die Zuständigkeiten sind sehr weit gefaßt. Sieben GATT-Runden haben stattgefunden; die achte läuft. Die Uruguay-Runde ist bemerkenswert, weil auch der Landwirtschaftsbereich einbezogen wurde, dem eine Schlüsselrolle zufällt. Zum jetzigen Stand ist zu sagen, daß die Runde in allen Verhandlungsgruppen unter erheblichem Zeitdruck steht. Das letzte Jahr der Verhandlungen hat begonnen. Nur in wenigen Themenbereichen zeichnen sich greifbare Verhandlungsergebnisse ab. Beobachter fragen sich ernsthaft, ob die gesetzten Verhandlungsziele in der noch zur Verfügung stehenden Zeit verwirklicht werden können. Eine besondere Haltung nehmen die USA zum Agrarbereich ein. Über das Ziel der Verhandlungen auf dem Agrarsektor sollte man sich wenigstens in einem einig sein: Das Störpotential weltweiter Überschüsse mit der Folge eines ruinösen Subventionswettlaufes soll verschwinden. Angestrebt werden sollten faire internationale Handelsbeziehungen. Die Meinungen über den Weg, diese Ziele zu erreichen, liegen weit auseinander. Keineswegs kann der Weg, den die USA fordern, akzeptiert werden, innerhalb von fünf bis zehn Jahren sämtliche staatlichen Mittel nicht nur für Exporterstattungen, sondern auch für agrarpolitische Maßnahmen innerhalb der GATT-Mitgliedsländer abzuschaffen. Das würde unabsehbare Folgen für Millionen von Bauern in Europa, Japan und vielen anderen Ländern der Erde haben. Nach meiner Auffassung kann die deutsche und europäische Landwirtschaft nicht dem Abenteuer eines völligen Freihandels ausgesetzt werden, wie die USA und die Cairns-Gruppe dies von uns fordern. Maximale Forderungen führen weder hier noch dort zum Ziel. Die Forderungen der USA und der CairnsGruppe zu akzeptieren würde bedeuten, eine Agrarstruktur anzustreben, wie sie in Form von Großfarmen in den USA oder Kolchosen im Osten bekannt ist. Die Landwirtschaft hat in unserem Bereich über die Sicherung der Nahrungsversorgung hinaus eine umwelt- und landespflegerische sowie soziologische Bedeutung. ({0}) Auf die Abhängigkeit der Landwirtschaft vom Klima und anderen Faktoren braucht man gar nicht eigens hinzuweisen. Man muß auch die hohe Besiedelungsdichte und den hohen Lebensstandard z. B. in Mitteleuropa berücksichtigen, was auch Auswirkungen auf die Preisgestaltung und die Marktpolitik haben muß. ({1}) Auf Grund der veränderten Welternährungslage, der Verknappung der Nahrungsmittelreserven und der Zunahme der Bevölkerung sollten die Überlegungen der USA neu überdacht werden. Ich möchte einen Hinweis auf die Funktion der Agrarpolitik als solche geben: Bereits Joseph von Ägypten ließ vor mehr als 4 000 Jahren Scheunen zur Einlagerung von überschüssigen Nahrungsmitteln zum Ausgleich für schlechtere Jahre bauen. Er war sozusagen der erste Agrarpolitiker aller Zeiten. Seit dieser Zeit hat sich nur eines geändert, daß nämlich die schlechten Ernten weniger geworden sind, aber das Prinzip der Agrarpolitik als solches ist das gleiche geblieben. Es ist sinnvoller, Agrarüberlegungen anzustellen, wie unter den dargelegten Gesichtspunkten ein Ausgleich der Agrarmärkte erreicht werden kann, z. B. auch mit der Produktion von nachwachsenden Rohstoffen. Während die Vereinigten Staaten ihre agrarpolitische GATT-Forderung mit dem Trade Bill Act unterstrichen und damit drohten, haben wir gehandelt, in dem wir Überschüsse reduzierten und versuchten, ein Marktgleichgewicht zu erhalten durch Milchkontingentierung, durch Marktstabilisatoren z. B. beim Getreide, durch Flächenstillegung und den Anbau nachwachsender Rohstoffe. Diese Vorleistungen müssen angerechnet werden. Im Interesse der in der Landwirtschaft tätigen Menschen muß die Preispolitik auch weiterhin Grundlage der landwirtschaftlichen Einkommenspolitik bleiben. Wir unterstützen die Bemühungen der EG, eine Gesamtverpflichtung aller GATT-Partner zum substantiellen Stützungsabbau durchzusetzen. Jedem Staat sollte es auch überlassen bleiben, wie er seine Stützung kontrollierbar reduziert, sei es durch Preissenkung oder durch direkte mengenrückführende Maßnahmen. ({2}) In der nun anstehenden Schlußrunde muß endlich eine Konzentration auf die eigentlichen Probleme des Weltagrarhandels erfolgen. Alle Mitgliedstaaten des GATT müssen sich verpflichten, den Wettlauf bei den subventionierten Agrarexporten insbesondere in die RGW-Länder zu beenden. ({3}) Dies kann nur durch verbindliche Vorgaben für Agrarhandelsvereinbarungen erreicht werden. Wichtig ist es auch, daß entstehende Mengeneinschränkungen nicht durch Importe sofort wieder zunichte gemacht werden. Deshalb begrüße ich es, daß die EG im Rahmen einer Gesamtlösung einen Einbezug der Getreidesubstitute fordert. Die deutsche Agrarwirtschaft hat auch gezeigt, daß sie am Agrarexport und -import interessiert ist. 53 Milliarden DM ist eine stolze Zahl für Deutschland als eines der größten Agrarimportländer. Auf die 29 Milliarden DM an Agrarexporten können wir ebenfalls stolz sein. Hier sei ein Hinweis auf die Hormonproblematik bei Rindfleischimporten aus den USA angebracht. Hingewiesen sei aber auch auf die Beschränkungen der USA bei Importen. Im Gegensatz zu ihrer Agrarpolitik verhalten sich die USA bei der Frage der Überführung des Welttextilabkommens in die GATT-Regelungen sehr restriktiv. So haben sie für die Zeit nach Ablauf des jetzigen Welttextilabkommens nach 1991 ein System weltweiter Globalquoten für zehn Jahre mit deutlichen Schutzwirkungen vorgeschlagen. Die Reaktion der EG und der Entwicklungsländer dazu war ablehnend. Das amerikanische Beschränkungssystem würde z. B. die Exporte der EG in die USA und in andere Industrieländer sehr beschränken; es sieht im übrigen keinerlei Gegenleistungen von Seiten der Schwellen- und Entwicklungsländer vor. Ein vorsichtiger Abbau des Welttextilabkommens während einer längeren Übergangszeit kann nur erfolgen, wenn die Niedrigpreisländer ihre eigenen Märkte öffnen, Subventionen abbauen, das Antidumping-Verfahren den Bedürfnissen des Textilsektors anpassen und einem wirksamen Abwehrmechanismus gegen unerlaubte Nachahmung von Mustern und Modellen zustimmen. Ein wichtiger Punkt wird auch der Schutz des geistigen Eigentums sowie der gewerbliche Rechtsschutz sein. Auch hier ist die Linie der Bundesregierung zu unterstützen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Ich erteile das Wort dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Beckmann.

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Herr Präsident! Mehr sehr verehrten Damen! Meine Herren! Für die Bundesrepublik Deutschland als großes Importland und als bedeutender Exporteur ist das offene multilaterale Welthandelssystem, das durch das GATT repräsentiert wird, lebenswichtig. Die von der GATT-Ministertagung im September 1986 in Punta del Este eingeleitete multilaterale Verhandlungsrunde, die sogenannte Uruguay-Runde, tritt 1990 in die entscheidende Schlußphase ein. An deren Ende steht das GATT-Ministertreffen vom 2. bis zum 7. Dezember, auf das sich die 97 GATT-Vertragspartner im vergangenen Herbst geeinigt haben. Bei den Verhandlungen geht es um die Sicherung deutscher Handelsinteressen bis in das nächste Jahrhundert hinein. Die starke Handelsverflechtung der Bundesrepublik verdeutlicht, daß elementare deutsche Interessen berührt sind. Der Ausfuhranteil am Bruttosozialprodukt betrug bei uns 1988 32,4 %, der Einfuhranteil 26,7 %. Die Verhandlungsanliegen der GATT-Partner, die knapp 95 % des Welthandels auf sich vereinen, sind sehr weit gesteckt. Die Uruguay-Runde soll besteParl. Staatssekretär Beckmann hende Handelshemmnisse abbauen, das GATT weiterentwickeln und an neue Herausforderungen anpassen, dem einseitigen Vorgehen großer Handelspartner entgegenwirken - ich nenne nur das Stichwort US-Handelsgesetz - , regionale Integrationsbestrebungen, z. B. den EG-Binnenmarkt, in ein offenes Handelssystem einbinden und schließlich Entwicklungsländern neue Handels- und Entwicklungsperspektiven eröffnen und sie zunehmend in die GATT-Disziplinen einbeziehen. Dadurch, meine Damen und Herren, soll insgesamt das GATT als Welthandelsordnung erneuert und gestärkt werden. Die GATT-Verhandlungspartner stehen unter Erfolgszwang. Nur durch konkrete Verhandlungserfolge kann einem fortschreitenden Protektionismus wirksam begegnet werden. Ein erfolgreicher Abschluß der Uruguay-Runde ist, wie auch die USA mehrfach betont haben, Voraussetzung für alle Bemühungen, die starken Tendenzen zu einseitigen Handelsmaßnahmen in den USA zurückzudrängen. In den 15 Einzelbereichen der Verhandlungen verfolgen die Verhandlungspartner u. a. die Zielsetzung, mehr Marktwirtschaft und verbesserten Marktzugang in den traditionellen Sektoren zu erreichen; hier geht es um den Abbau von Zöllen und mengenmäßigen Beschränkungen, aber auch um andere nichttarifäre Handelshemmnisse wie technische Handelshemmnisse - Normen ({0}) und auch Subventionen. - Das ist ja eben hier genannt worden, Herr Kollege. Es geht weiter darum, institutionelle Reformen vorzunehmen, die durch klarere Regelungen, z. B. für Schutzmaßnahmen an den Grenzen, aber auch bei Streitschlichtungsverfahren zu mehr Handels- und Handlungssicherung führen sollen. Es geht auch darum, die Ausdehnung des GATT auf neue Bereiche, den Handel mit Dienstleistungen und den Schutz geistigen Eigentums, zu vereinbaren. Meine Damen und Herren, trotz ihrer anspruchsvollen Tagesordnung ist die Uruguay-Runde bisher gut vorangekommen. In der Schlußphase der Verhandlungen geht es nun darum, Verhandlungsziele in konkrete, greifbare Ergebnisse zu fassen. Dies ist gewiß keine einfache Aufgabe. Es ist zu erwarten, daß einige der problematischen Themen, die bereits die Halbzeitbilanz der Runde im Dezember 1988 sowie im April 1989 belastet haben, erneut im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen werden. Aus der Interessenlage unserer Verhandlungspartner, insbesondere der USA, kommt es für den Erfolg der Uruguay-Runde entscheidend darauf an, den Marktzugang zu verbessern. Schlüsselthemen bleiben hier Agrar und Textil, letzteres insbesondere für die Entwicklungsländer. Nach unserem Eindruck hat die Europäische Gemeinschaft in diesen Bereichen mit besonderem politischen Interesse bei einer Reihe von GATT-Partnern einerseits mit Blick auf die Grundsätze der gemeinsamen Agrarpolitik und andererseits mit Rücksicht auf die sozio-ökonomischen Auswirkungen eines Strukturwandels dieser Sektoren eine recht vernünftige Verhandlungslinie aufgebaut. Im Agrarbereich hat die Europäische Gemeinschaft mit ihrem letzten Beitrag für die Agrarverhandlungen vom Dezember 1989, der substantielle Schritt zur Verbesserung des Marktzugangs und Abbau von Stützungsmaßnahmen anbietet, ein Gegengewicht zu überzogenen US-Forderungen gesetzt. Im Textilsektor setzt sie sich für ein angemessenes Übergangssystem nach Auslaufen des Welttextilabkommens 1991 ein und für Verpflichtungen der fortgeschrittenen Entwicklungsländer zu mehr Marktöffnung, Beachtung des Musterschutzes und stärkere Einbindung in GATT-Regeln. Bislang, meine Damen und Herren, hat sich die EG im Wettstreit der Interessengegensätze gut behauptet. Dies schließt aber nicht aus, daß bei Textil wie auch bei Agrar in den künftigen Verhandlungen noch einiger Zündstoff liegen kann. Internationaler Druck auf die Gemeinschaft, den Marktzugang bei Energierohstoffen, vor allem im Kohlebereich, zu verbessern, ist jetzt auch in den Verhandlungen der Uruguay-Runde entstanden; Herr Kollege Dr. Wieczorek hatte vorhin darauf hingewiesen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Eigen?

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Bitte schön.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist in den Verhandlungen einiger Zündstoff nicht vor allen Dingen deshalb enthalten, weil von den Verhandlungspartnern sehr viel Unehrlichkeit im Spiel ist, und können wir die Hoffnung haben, daß die Bundesregierung als Berater der EG-Kommission sicherstellt, daß auch wirklich ausgewogen verhandelt wird? Alle Länder wollen einen liberalen Weltmarkt dort, wo sie exportieren wollen, und alle Länder wollen einen gewissen Schutz dort behalten, wo sie sensible Wirtschaftsbereiche haben; bei der Landwirtschaft merkt man es ganz besonders. Können wir sicher sein, daß Sie sich entsprechend einsetzen, daß auch unsere Interessen richtig gewahrt werden?

Klaus Beckmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000133

Herr Kollege Eigen, Ihrem Petitum entsprechen die ständigen und nachhaltigen Bemührungen der Bundesregierung. ({0}) Meine Damen und Herren, im Gesamtkontext der Verhandlungen steht auch im Bereich der Energierohstoffe eine Entscheidung an. Energierohstoffe waren bereits Gegenstand vorangegangener multilateraler Verhandlungsrunden im GATT. Es wird deshalb auch jetzt kaum möglich sein, sie aus den Verhandlungen der Uruguay-Runde herauszuhalten. Die Bundesregierung wird bei den Verhandlungen allerdings darauf achten, daß unsere kohlepolitischen Interessen gewahrt bleiben. Deshalb setzen wir uns dafür ein, daß diese Verhandlungen wegen dieser Interessen, nämlich Gründe der Energieversorgung sowie regionale und sozialpolitische Aspekte, in den Gremien behandelt werden, in denen sie am besten zur Geltung gebracht werden können. ({1}) Meine Damen und Herren, die Themenpalette der Runde ist weit gespannt, Herr Kollege Funke. Lassen Sie mich deshalb insbesondere zwei der sogenannten neuen Themen im GATT herausgreifen, bei denen die Bundesrepublik aktives Interesse an konkreten Verhandlungsergebnissen hat: den Schutz geistigen Eigentums und den Handel mit Dienstleistungen. Die Uruguay-Runde soll für diese zunehmend wichtigen Bereiche des Welthandels erstmals multilaterale Handelsregeln entwickeln. Für die Bundesrepublik Deutschland wird das Ergebnis im Bereich Dienstleistungen erhebliches Gewicht für die Bewertung des Gesamterfolgs der Runde haben. Wir sind gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft überzeugt, daß der internationale Dienstleistungshandel weltweit ein erhebliches Wachstumspotential besitzt. Dieses Potential kann nur dann optimal genutzt werden, wenn die vielfältigen Handelsschranken weltweit abgebaut werden. Die Verhandlungsgruppe im Bereich Dienstleistungen hat ihren bei der Halbzeitbilanz in Montreal erhaltenen Auftrag, bis Ende 1989 die notwendigen Elemente eines Abkommensentwurfs zusammenzustellen, zum großen Teil erfüllt. Eine Vielzahl noch offener Fragen bleibt jedoch noch zu lösen. Wir streben mit den anderen EG-Partnern bis zum Ende der Uruguay-Runde ein allgemeines Rahmenabkommen, eine Standstill-Verpflichtung gegen weitere Handelsbeschränkungen und möglichst konkrete Liberalisierungsverpflichtungen an. Die Verhandlungen über die Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels werden aber aller Voraussicht nach in jedem Fall nach Abschluß der Uruguay-Runde fortgesetzt werden. Beim zweiten neuen Verhandlungsthema, Handelsaspekte des Schutzes geistigen Eigentums, umfassen die Verhandlungen sowohl angemessene materielle Normen als auch Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte. Dabei geht es nicht zuletzt um die Verhinderung des Handels mit gefälschten Waren, der sogenannten Produktpiraterie. Die Verhandlungslinie der Europäischen Gemeinschaft zielt dabei darauf ab, die Verhandlungsergebnisse in den allgemeinen GATT-Rahmen einzubinden und daher auch mit den allgemeinen GATT-Prinzipien wie Inländerbehandlung, Meistbegünstigung, Transparenz und Streitschlichtung in Einklang zu bringen. Meine Damen und Herren, ein Ausblick: Zielrichtung der Bundesregierung in der Uruguay-Runde bleibt es, Drittlandsmärkte für unsere Waren weiterhin offenzuhalten bzw. zu öffnen. Grundsätzlich gilt für alle fünfzehn Verhandlungsbereiche der UruguayRunde: Verhandlungen dürfen keine Einbahnstraße sein. Auf Grund der deutschen Position im Welthandel bestehen aber auch seitens der Verhandlungspartner hohe Erwartungen an unsere Bereitschaft zu aktiver Mitwirkung an Verhandlungsergebnissen. Meine Damen und Herren, unser ökonomischer Wohlstand beruht ganz entscheidend auf der weltwirtschaftlichen Öffnung der deutschen Wirtschaft. Es gibt kaum ein anderes Land, das derart intensiv und erfolgreich in die internationale Arbeitsteilung eingebunden ist. Aus handelspolitischer Sicht ist das GATT der Ast, auf dem wir sitzen. Es liegt in unserem eigenen Interesse, der Uruguay-Runde zum Erfolg zu verhelfen, damit dieser Ast nicht verdorrt und abbricht, sondern erhalten und gestärkt wird. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, die Aussprache über die Große Anfrage der SPD ist beendet. Ich rufe den Zusatzpunkt 13 zur Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema Die Teilgenehmigung für die Pilotkonditionierungsanlage Gorleben als Prüfstein der neuen deutsch-deutschen Umweltpolitik der Bundesregierung verlangt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Wollny.

Lieselotte Wollny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002560, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren, sofern noch vorhanden! Mit der Räumung des Hüttendorfes auf dem besetzten Platz der Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben hat unser Staat wieder einmal unter Beweis gestellt, was er unter Demokratie versteht. Demokratie, das heißt bei uns: Polizei in Aktion. Nicht die berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger zählen, sondern die Interessen der Atomindustrie. Mit dem Einsatz von mehr als 2 000 Polizisten, Bundesgrenzschutzbeamten, schwerem Räumgerät und Wasserwerfern wurde über Lüchow-Dannenberg wieder einmal der Ausnahmezustand verhängt. Dieses Vorgehen gibt nicht nur eine Ahnung vom Atomstaat, es ist der praktizierte Atomstaat. ({0}) In Gorleben wurde den Menschen aus der DDR, die sich ebenso wie die Menschen hier gegen die atomare Zukunft in Ost und West zur Wehr setzen, ein sehr beeindruckender Anschauungsunterricht in westlicher Demokratie gegeben. ({1}) Die Befürchtungen der beteiligten DDR-Bürger, daß der allgegenwärtige Stasi-Staat bei einem Anschluß an die BRD ({2}) gegen einen Überwachungs-Atomstaat ausgetauscht werden könnte, ist von der Realität bereits eingeholt. Wußten Sie, daß sich die BRD-Staatspolizei ({3}) im Vorfeld der Demonstration am 3. Februar Informationen über Atomkraftgegner in der DDR besorgt hat? Woher soll die Volkspolizei die gehabt haben, wenn nicht aus Stasi-Akten? ({4}) Ich denke, das beweist zur Genüge, daß Atomstaat und Stasi-Staat Zwillingsbrüder sind. ({5}) Ich will an dieser Stelle aber auch mit einigen Mißverständnissen aufräumen. Der Bau der sogenannten Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben ist zum wichtigen Bestandteil der Atomenergienutzung geworden. Sie ist eine Anlage zur Ergänzung der Wiederaufarbeitung, um die dort anfallenden atomaren Abfälle zu behandeln, um zur Aufarbeitung nicht geeignete Brennelemente zu zersägen und zu verpakken. Diese Anlage rückt immer mehr in den Mittelpunkt des sogenannten Entsorgungsnachweises. Das Gerede von der PKA als Beitrag zur direkten Endlagerung ist eine Propagandalüge. Solange es kein Endlager gibt, gibt es auch keine Entsorgung. ({6}) Aber auch mit dem Bau der PKA wird der Salzstock von Gorleben nicht tauglicher, Herr Friedrich. Es werden lediglich Fakten geschaffen, um diesen Salzstock auf Biegen und Brechen gesundzubeten. Damit ist die Regierung vollends zum Handlanger der Atomwirtschaft geworden, die auf die Genehmigung zum Bau der PKA gedrängt hat. Dafür wird nicht einmal der Anschein eines rechtmäßigen Verfahrens gewahrt. ({7}) Es wird genehmigt, obwohl keine Konzepte vorliegen, wie in der PKA der Nachweis über den Verbleib des Spaltmaterials erbracht werden soll. So wurden bei der Genehmigung die Interessen der betroffenen DDR-Bevölkerung gänzlich ignoriert. 70 % der von den radioaktiven Abgaben betroffenen Menschen leben auf DDR-Gebiet. Man verweigert ihnen, obgleich es jetzt möglich wäre, die minimalen Rechte, ihre Einwände vorzubringen. ({8}) Sie dürfen zwar klagen. Aber bezahlen vielleicht Sie es, Herr Harries, wenn sie klagen wollen? Diese Regierung weist auch an dieser Stelle die Bürgerinnen und Bürger aus der DDR in ihre Schranken und zeigt, was sie von Demokratie hält. Trotzdem wird der Widerstand in Ost und West gegen die Atomanlagen weitergehen. Wir werden am 11. März 1990 in Stendal gemeinsam demonstrieren. Wir werden weiterhin arbeiten, ganz gleich, ob es Siemens, KWU, RWE oder wie auch immer heißt. ({9})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Abgeordnete Wollny, Sie wissen, daß dieser Platz nicht der geeignete Platz ist, um zu Demonstrationen aufzurufen. ({0}) - Ich mache Sie darauf aufmerksam. ({1}) - Das ist die mildeste Form, die ich gewählt habe. ({2}) Das Wort hat der Herr Abgeordnete Harries.

Klaus Harries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000814, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die erteilte Teilgenehmigung für die Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben nun ausgerechnet zum Prüfstein für die deutschdeutsche Umweltpolitik zu machen ist der Höhepunkt der Demagogie und der Heuchelei. In Lüchow-Dannenberg hat in den letzten Wochen zu keinem Zeitpunkt und zu keiner Stunde ein Ausnahmezustand geherrscht. Die Bewohner dieses Kreises sind wie immer im Rahmen der Gesetze ihrer friedlichen Arbeit nachgegangen. ({0}) Wer gegen die Gesetze verstoßen hat, sind die Besetzer des Grundstücks in Gorleben. Die richtige Antwort, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, auf diese demagogische und heuchlerische Aktuelle Stunde wird Ihnen durch das Verhalten der Bewohner der DDR erteilt, die die Wiedervereinigung am liebsten heute haben wollen und die vor allen Dingen unsere Hilfe haben wollen und brauchen, um die Umweltkatastrophen, die drüben herrschen, sehr schnell bewältigen zu können. Das ist ein Beweis des Vertrauens der Landsleute drüben zu uns. ({1}) Das Verhalten der SPD und der GRÜNEN in diesem Punkt ist aber auch insgesamt verantwortungslos. Die GRÜNEN nutzen weiterhin jeden Vorwand - hier die Errichtung der Pilotkonditionierungsanlage -, um gegen die Kernenergie Stimmung zu machen. Der Teufel einer angeblichen Gefährdung wird an die Wand gemalt. ({2}) Die SPD bietet drei unterschiedliche Erscheinungsbilder auf drei Ebenen. Vor Ort, in Lüchow-Dannenberg, in Gorleben, zeichnen und fördern Sie das Bild einer Gefährdung der Bevölkerung dort. Im Land, kurz vor der niedersächsischen Landtagswahl, tut Herr Schröder so, als habe er mit der gesamten Kern15064 energie überhaupt nichts zu tun, als trage er keine Verantwortung für die Entsorgung. Er macht hier eine schleichende Politik und drückt sich vor der Verantwortung. ({3}) Was den Bund angeht, bin ich sehr neugierig auf das, was Sie heute an dieser Stelle vor der Öffentlichkeit sagen. In Ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Kernenergieabwicklung haben Sie sich zur Pilotkonditionierungsanlage als Teil der Entsorgung bekannt. Ich bitte um eine ganz eindeutige Erklärung hier, wie Sie weiterhin dazu stehen. Gut wäre es auch, Ihre Politik dann vom Bund über die Länder bis zum Standort Gorleben, bis vor Ort durchlässig zu machen. ({4}) Das wäre ein Beitrag für eine glaubwürdige Politik und für eine politische Kultur. Beide Parteien - das ist ja auch wieder geradezu das Demagogische - treten für die direkte Endlagerung ein. ({5}) Wenn Sie die direkte Endlagerung wollen, dann brauchen Sie die Konditionierung, dann brauchen Sie eine korrekte Verpackung, dann brauchen Sie in einer Versuchsphase die Pilotkonditionierungsanlage. Meine Damen und Herren, wir alle sollten bedenken - aber insbesondere Sie sollten bedenken -, daß in der DDR zusätzliche Katastrophen gerade bei der Energieversorgung relativ kurzfristig zu erwarten sind. Wir handeln da; wir bereiten uns auf diese Situation vor. Ich sage an dieser Stelle dem Bundesumweltminister Dank für das, was er hier vorbereitet. Wir sind bereit und in der Lage, das zu tun. Wir sind es aber nur, meine Damen und Herren, weil wir Kernkraftwerke haben, die genügend Strom auch in den Osten, nach Rumänien und auch in die DDR, leiten können. Die Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben ist ein wichtiger Baustein der gesamten Kernenergie. Die Anlage gehört zum Entsorgungskonzept der Bundesregierung. Die direkte Endlagerung setzt die Verpakkung voraus. Rechtsgrundlage ist § 9 des Atomgesetzes. Gorleben ist auch der richtige Standort, meine Damen und Herren. ({6}) Dort steht ein Zwischenlager; es wird zur Zeit untersucht, ob dort ein Endlager möglich ist. Diese Untersuchungen sind abzuwarten. Wir wissen noch nicht, ob das Endlager dort errichtet werden kann. Aber vorhandendes Zwischenlager und voraussichtlich zu erwartendes Endlager rechtfertigen den Standort Gorleben. Dort sollen, wie Sie wissen, 35 Tonnen abgebrannter Brennelemente konditioniert werden. Eine Gefährlichkeit besteht nicht. Die Konditionierung - das wissen Sie; Sie haben es nicht angesprochen, Frau Wollny - bedeutet, daß entweder die abgebrannten Brennstäbe sicher im Pollux-Behälter verschweißt oder daß sie zersägt werden; das ist die zweite Art der Konditionierung. Dabei wird Krypton frei, aber in einer Menge, die überhaupt nicht gefährlich ist. Die Grenzwerte werden nicht erreicht. ({7})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluß.

Klaus Harries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000814, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich darf das später fortsetzen. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Schütz.

Dietmar Schütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002093, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, meine Stimme zu entschuldigen; ich habe eine tiefe Erkältung und nichts anderes. Wenn wir über die Konditionierungsanlage in Gorleben reden, so will ich vorweg eines ganz klar sagen: Wir lassen uns nicht auf ein Sankt-Florian-Spiel ein; wir erklären, daß wir diese Konditionierungsanlage in Gorleben in diesem Verfahren nicht wollen. Wir erklären aber, daß wir eine Konditionierungsanlage für eine direkte Endlagerung brauchen. ({0}) - Wir Sozialdemokraten. ({1}) - Ich komme darauf. Erstens. Warum wollen wir diese Pilotkonditionierungsanlage nicht? Der genehmigte Antrag zur Pilotkonditionierungsanlage hat immer noch entscheidend den Entsorgungsweg über die Wiederaufarbeitung zum Gegenstand. Diesen wollen wir nicht; das wissen Sie. Wir wollen die direkte Endlagerung. Nach dem Antrag, Herr Harries, bezieht sich die Konditionierung von Brennelementen in erster Linie auf solche, die aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht wieder aufgearbeitet werden können, z. B. Brennelemente aus Leichtwasserreaktoren mit der Wiederaufarbeitung von Uran, mit bestimmten Mischoxidbrennelementen und mit erhöhtem Abbrand sowie Brennelemente aus Hochtemperaturreaktoren und auch Kernelemente und in Ausnahmefällen Brenn- und Brutelemente aus Brutreaktoren als Sonderelemente. Das sind alles Ausnahmebereiche. Die Anlage soll aber die Aufgabe erfüllen, das Umladen von Abfallgebinden, die bei der Wiederaufarbeitung von Brennelementen aus deutschen KernSchütz kraftwerken anfallen, in Behältern für die Zwischen- und Endlagerung vorzunehmen. Das ist die Hauptkonditionierung, die dort vorgenommen werden soll. Sie soll auch Instandsetzungsarbeiten in sogenannten heißen Zellen für Transportbehälter, Transport- und Lagerbehälter usw. durchführen. Der Antrag ist also offensichtlich vor dem Hintergrund einer vollkommen anderen, aus Regierungssicht möglicherweise noch intakten Entsorgungswelt gestellt worden. Dieses Entsorgungskonzept ist mittlerweile Makulatur. Wir haben immer noch kein neues Konzept. Gleichwohl wird aber diese Konditionierungsanlage gebaut, die jedenfalls viele Funktionsbereiche untersuchen soll, die inzwischen völlig obsolet geworden sind. Ohne Prophet zu sein, sage ich, daß auch andere Bereiche, die untersucht werden sollen, obsolet werden. Gleichwohl soll dies weiter untersucht werden. Es wird sich vor allem nicht auf die direkte Endlagerung mit den direkt unterzubringenden Brennelementen konzentrieren. Wir müssen aus Wackersdorf lernen und diesen Weg der Konditionierung hin zu anderen Bereichen aufgeben und uns auf die direkte Endlagerung konzentrieren. Zweitens. Warum wollen wir die PKA nicht in Gorleben? Es macht natürlich Sinn, meine Damen und Herren, eine Konditionierungsanlage an dem Ort der tatsächlichen Endlagerung vorzusehen. Wir haben das hier schon häufig besprochen, alle Anzeichen sprechen dafür, daß Gorleben für eine direkte Endlagerung nicht in Frage kommt. Ich habe schon häufig die Bedenken gegen das Salzlager Gorleben formuliert. Die geologischen Sicherheitsbarrieren sind eine nach der anderen dahingeschmolzen. Von vieren blieb jetzt nur noch eine übrig. Das will ich hier aber nicht alles wiederholen. Jeder Schritt, der den Standort Gorleben verfestigt, ohne daß wir Standortalternativen überprüft haben, wird von uns abgelehnt. Wir wissen, daß die normative Kraft des Faktischen eine derartige Beharrungsfunktion hat, daß wir vorher und nicht nachher diese Probleme bedenken müssen. Aber Sie in der Regierungskoalition machen an dieser Stelle immer weiter. Warum können wir z. B. für die Pilotkonditionierung nicht den Sachverstand und auch die sächlichen Mittel in Karlsruhe bei der KFK weiter ausnutzen? Von dort kommt der gesamte bisher vorgelegte Sachverstand. Von dort kommen auch die Personen. Da kann vieles gemacht werden. Also kurz gesagt: Karlsruhe wäre als Forschungsreservoir durchaus ein Kapazitätsstandort. Drittens. Das Genehmigungsverfahren zur PKA ist mehr als fragwürdig. Die Genehmigungsbehörde hat bei der öffentlichen Anhörung erklärt: „Es steht zur Zeit nicht in der Macht der Genehmigungsbehörde, eine bessere Beteiligung der DDR-Einwohner zu erreichen", und „grundsätzlich können DDR-Einwohner Einwendungen einreichen." Meine Damen und Herren, jetzt besteht die rechtliche Möglichkeit, die Bewohner in der DDR zu beteiligen. In dieser Situation schließt die Landesregierung das Verfahren ab und beginnt schon mit dem Bau der Anlage. Dies ist nicht nur ein verfahrensrechtlicher Skandal, sondern macht auch deutlich, wie mit den Rechten der Deutschen in der DDR umgegangen wird. Juristisch ist die Angelegenheit eindeutig und klar. ({2}) Wenn Niederländer in Lingen Einspruchsrechte haben, dann können Deutsche in Gorleben erst recht davon Gebrauch machen. Wenn wir im französischen Cattenom die Einspruchsrechte für Deutsche begehren, dann müssen sie für Deutsche in Gorleben allemal gelten. ({3}) Ich fordere die Bundesregierung auf, das zu bedenken und das Verfahren inhaltlich wegen des Entsorgungskonzepts, örtlich wegen der Standortverfestigung in Gorleben und verfahrensrechtlich wegen der Nichtbeteiligung der DDR-Bürger zu wiederholen. Ich weiß, daß eine niedersächsische SPD-Regierung dieses Verfahren wieder neu aufgreifen wird. Das wird sie so oder so machen. ({4}) - Danke sehr. ({5})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Laermann.

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte versuchen, in aller Kürze, einige prinzipielle Positionen hier darzulegen. Erstens. Die Entwicklung des parallelen Entsorgungspfades für abgebrannte Brennelemente aus Kernkraftwerken ohne Wiederaufarbeitung ist seit Ende der 70er Jahre immer wieder gefordert worden. Ich erinnere an die Berichte der Enquete-Kommission. Die FDP hält deshalb eine Pilotkonditionierungsanlage seit langem für dringend erforderlich. Ich denke, daß darauf nicht verzichtet werden kann. ({0}) Zweitens. Diejenigen, die den Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie grundsätzlich fordern oder die diesen deshalb fordern, weil die Entsorgung nicht gesichert sei, müßten sich doch logischerweise mit besonderem Nachdruck für eine Konditionierungsanlage einsetzen. Diesen Widerspruch, meine Damen und Herren, insbesondere von den GRÜNEN, sollten Sie einmal auflösen. ({1}) Denn auch gerade dann, wenn die Kernkraftwerke stillgelegt werden oder stillgelegt werden sollten, müssen doch die sichere Entsorgung und die Konditionierung und die Endlagerung der Brennelemente und von Reaktorkomponenten verwirklicht werden. Das muß doch Ihr Interesse sein. ({2}) Wo wollen Sie denn eigentlich damit hin, wenn Sie das alles nicht mehr wollen, wenn Sie jetzt in Stendal demonstrieren wollen oder wenn etwa Greifswald stillgelegt wird. Wo soll das denn hin? Sie müssen daran interessiert sein, in erster Linie das Loch zu finden, um da alles Ungeliebte zu beerdigen. Aber ich frage Sie auch: Wenn Sie auch die Kernenergie in der DDR nicht wollen, und wenn die Kernkraftwerke aus unseren Sicherheitsüberlegungen und aus unserer Sicherheitsphilosophie heraus stillgelegt werden, wie wollen Sie denn dann eigentlich die Energieversorgung in der DDR oder in anderen Ostblockländern sichern? ({3}) Wollen Sie weiterhin 320 Millionen t Rohbraunkohle verfeuern? ({4}) Wollen Sie das denn? ({5}) Genau das wollen Sie! Drittens. Die Fraktion der GRÜNEN möchte mit ihrem Antrag zu dieser Aktuellen Stunde den Eindruck erwecken, also ob mit dieser Anlage ein Gefährdungspotential vorhanden ist, von dem die Bürger der DDR besonders betroffen sind. Das ist doch nahezu schon Demagogie. Aber radioaktive Auswirkungen und Risikopotentiale sind selbst bei Störfällen in einer solchen Konditionierungsanlage extrem gering. Ich behaupte: Sie sind so gut wie nicht vorhanden. Sie sind nicht vorhanden. Wenn sie denn überhaupt vorhanden sein sollten, dann vermag ich nicht einzusehen, ob das Gefährdungspotential für Bürger diesseits oder jenseits der Elbe eine unterschiedliche Qualität haben sollte. Diese Erklärung müssen Sie mir noch einmal geben. Ich denke, es gibt keinen Grund, wegen der inzwischen eingetretenen politischen Veränderungen im deutsch-deutschen Verhältnis das förmliche Beteiligungsverfahren neu zu eröffnen, ({6}) denn die Sicherheitsinteressen der Bürger in der DDR werden genauso berücksichtigt wie die in der Bundesrepublik. Wo gibt es da eigentlich einen Unterschied? Können Sie mir das erklären? ({7}) Der Rechtsweg für DDR-Bürger wird ihnen nicht beschnitten, er wird nicht eingeschränkt, sie können Klage gegen die Genehmigungsentscheidung einlegen. Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion begrüßt nachdrücklich die vorgesehenen Maßnahmen der niedersächsischen Landesregierung, die Bürger und Kommunen in der DDR über die Anlagen, über die Sicherheitsberichte, über ihre Rechte im atomrechtlichen Verfahren zu informieren. Ich denke, dies muß man hier einmal sagen und nicht hier so in Demagogie machen und etwa auf Stasi-Methoden abheben. Letztens möchte ich hier, damit noch eine gewisse Substanz hineinkommt, für meine Fraktion erklären und feststellen, daß wir uns generell - da gibt es überhaupt kein Vertun - , also nicht nur im deutschdeutschen Verhältnis, für wechselseitige grenzüberschreitende Mitwirkungsmöglichkeiten der Menschen an Erörterungs- und Genehmigungsverfahren bei technischen Großprojekten jedweder Art einsetzen werden. Ich denke, auf dem Wege zu Europa müssen wir diesen Schritt machen. Ich halte ihn für notwendig. Ich halte es auch für notwendig, daß wir den Bürgern mehr als bisher, bevor politische Entscheidungen getroffen worden sind, in die Überlegungen, die zur Entscheidung führen sollen, einbeziehen müssen. Wir müssen viel stärker den Dialog mit dem aufgeklärten Bürger suchen. ({8})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kübler.

Dr. Klaus Kübler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001238, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn betonen, daß wir Sozialdemokraten für Entsorgung sind. Ich füge jetzt nicht ironisch hinzu: weil wir die eigene Erblast sozialdemokratischer Kernenergiepolitik und die Erblast in Zukunft konservativer Kernenergiepolitik tragen und lösen müssen. Aber ich will genauso deutlich sagen: Unser sozialdemokratisches Entsorgungskonzept - dies ist nicht neu - ist aber die konsequente, direkte Endlagerung, übrigens ein Konzept - dies muß man immer wieder sagen - , das schon seit langem vom deutschen Gewerkschaftsbund, von den Gewerkschaften und von zahlreichen Experten als der richtige Weg angesehen wird. ({0}) Wir sehen die Schwächen und konzeptionellen Defizite dieser so geplanten Anlage. Wir sagen nicht generell etwas gegen eine Konditionierungsanlage. Wir sehen die Schwächen und Defizite darin, daß diese Anlage letztlich wieder den Kernbrennstoffkreislauf über die Wiedervereinigung einschließt und damit letztlich konzeptionell gegen die direkte Endlagerung steht. ({1}) - Ich bin mir sicher, Herr Kollege Probst, daß dies eben dahintersteckt: nach wie vor die Wiederaufarbeitung voll einzuplanen. Wenn dies nicht der Fall ist, wäre von Herrn Grüner eine entsprechende eindeutige Erklärung hier wünschenswert. Lassen Sie mich ein zweites sagen. Die getroffene Entscheidung, Antragstellung ist auch nicht ausgereift, denn solange ein Endlagerstandort nicht feststeht - und für Gorleben ist dies bislang noch nicht entschieden - , so lange kann auch eine Konditionierungsanlage, auch eine Pilotkonditionierungsanlage, die normalerweise - da sind wir uns wohl einig - in unmittelbarer Nachbarschaft des Endlagerstandortes angesiedelt werden sollte, nicht gebaut werden. ({2}) - In Karlsruhe haben wir eine kleine Pilotkonditionierungsanlage, und wir stehen auf dem Standpunkt, daß dies unter dem Aspekt der Entwicklung und Forschung ruhig auch noch weiterlaufen kann. ({3}) Dies ist eine voreilige Standortentscheidung, ({4}) weil immerhin der endgültige Standort der Endlagerung nicht feststeht. Ich kann Ihnen wirklich nicht den Vorwurf ersparen, daß hier in der Tat zum jetzigen Zeitpunkt fahrlässig und sicherheitstechnisch unzureichend, auch organisatorisch und - ich betone es - auch ökonomisch jetzt die Entscheidung noch nicht reif ist. ({5}) - Herr Probst, von dem, was ich sage, bin ich überzeugt. Lassen Sie mich ein drittes sagen. Unabhängig davon - ich sage das jetzt sowohl für die Kernkraftbefürworter wie für die Kernkraftgegner - , ob die Kernkraftwerke in der Bundesrepublik und in der DDR in absehbarer Zeit abgeschaltet werden oder nicht, entsorgt werden muß in jedem Fall der schon viel zuviel vorhandene Müll. ({6}) Das gilt auch - ich betone auch dies - für Abfälle, die bei der derzeit laufenden Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente aus deutschen Atommeilern im Ausland anfallen. Das können wir überhaupt nicht bestreiten. Hieran zeigt sich eben einmal mehr, daß dieser Weg möglicherweise falsch ist. Nun kommt der entscheidende Punkt. Es geht um den Bundesumweltminister. Der Parlamentarische Staatssekretär Grüner ist ja Gott sei Dank sehr aktiv. Ich sage jetzt nicht „aktionistisch". Er ist wirklich in Sachen deutsch-deutsche Zusammenarbeit sehr aktiv. Um so weniger verständlich ist es, wenn jetzt in der Frage der Entsorgung ohne verbindliche Abstimmung mit der DDR vollendete Tatsachen geschaffen werden. ({7}) - Nein, denn dabei geht es nicht nur um das Betroffensein einzelner Personen, nämlich der Deutschen in der DDR aus der Nachbarschaft zu Gorleben heraus, und auch nicht nur darum, daß das Engagement von bundesdeutschen und DDR-Umweltschutzgruppen jetzt besonders groß ist, ein Engagement, das ich im übrigen ausdrücklich begrüße. Es geht auch darum, daß es doch nicht so sein kann, daß wir ein westdeutsches und ein ostdeutsches Entsorgungskonzept haben. ({8}) Es geht deshalb nicht nur um die Beteiligung der Bürger, sondern wirklich auch darum, daß wir - Herr Probst, ich betone das - ein für alle Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR einheitliches Entsorgungssystem erarbeiten und finden. ({9}) Diese gesamtdeutsche Aufgabe - ich gebrauche diesen Begriff hier bewußt - verbauen Sie, wenn Sie jetzt mit einer westdeutschen Teillösung kommen. ({10}) - Herr Probst, wo bleibt da eigentlich Ihr gesamtdeutscher Ansatz? Das frage ich Sie jetzt, weil Sie selbst da ja sehr stark engagiert sind. Wir Sozialdemokraten fordern Sie deshalb auf, umgehend gemeinsam mit der DDR ein einheitliches Entsorgungskonzept, also ein System, eine Technologie, einen Standort für die Entsorgung durch direkte Endlagerung für alle Kernkraftwerke in der Bundesrepublik und in der jetzigen DDR zu erarbeiten und zu realisieren. Ich danke Ihnen. ({11})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Abgeordnete Friedrich.

Dr. Gerhard Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002657, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Wollny, Ihre Anspielungen liefen darauf hinaus, den Stasi und die Polizei in einem demokratischen Staat ein bißchen in die Nähe zueinander zu bringen. Solche Auffassungen machen mich wirklich fassungslos, ({0}) und ich kann den Kollegen von der SPD nur gratulieren, wenn sie solche Koalitionspartner bekommen. Meine Damen und Herren, das einzige relativ Erfreuliche an der heutigen Debatte ist, daß die GRÜNEN ansatzweise beginnen, sich mit Themen zu beschäftigen, die einen Bezug zu innerdeutschen Fragen haben. Aber natürlich sind Sie miserable Anwälte unserer Landsleute in der DDR. Denen wollten Sie vor kurzem noch die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen. ({1}) Sie wissen genau, daß dann überhaupt keine Debatte darüber mehr sinnvoll wäre, ob man diesen Landsleuten in der DDR die Möglichkeit gibt, in irgendeinem Verfahren hier in der Bundesrepublik Einwendungen zu erheben. ({2}) - Sie sind deutschlandpolitisch so im Abseits, daß Sie das Dilemma nur dadurch lösen können, daß Sie sich baldmöglichst hinter irgendwelchen Büschen verstecken! ({3}) Mich wundert überhaupt nicht, daß Sie es jetzt zum zentralen deutschlandpolitischen Anliegen machen, daß eine Nuklearanlage gestoppt wird, wobei ich sagen muß, daß ich eigentlich gar nicht genau weiß, was Sie wollen. ({4}) Ich habe mir die Anträge der GRÜNEN in Niedersachsen angeschaut. Die haben gesagt, sie wollen einen Stopp der momentanen Baumaßnahmen, damit die Landsleute aus der DDR noch Einwendungen erheben können. Die Frau Kollegin Wollny habe ich jetzt so verstanden, daß sie die Anlage überhaupt nicht will. Frau Wollny, dann interessiert es Sie doch gar nicht, was die Mitbürger in der DDR zu der Anlage sagen. Was Sie hier vortragen, ist doch kraus: Entweder geht es Ihnen um ein Verfahren, und Sie sind nicht von vornherein - nur dann ist dann ein Verfahren sinnvoll - gegen die Anlage, gegen ein bestimmtes Ergebnis, oder Sie wollen uns hier nur verwirren. Ich bitte, daß Sie wirklich ehrlich sagen, was Sie wollen. Wir wissen doch, es geht Ihnen nicht darum, zu hören, was die Leute aus der DDR sagen, sondern Sie wollen diese Anlage nicht, Sie wollen solche Anlagen nirgendwo. ({5}) Das wissen wir. Insofern hätten wir uns gar nicht Ihre Reden anhören müssen. Interessant an der heutigen Debatte ist wieder, was die SPD sagt, wie sie sich zu dem Projekt äußert. ({6}) Hier ist schon gesagt worden: Die SPD will den Ausstieg. Das wissen wir. Aber sie gibt ehrlicherweise zu, daß mit dem Ausstiegsbeschluß der atomare Müll nicht weg ist, weder der Müll vom Herrn Töpfer, den er politisch verantwortet und den ich politisch mitverantworte, noch der Müll vom Herrn Hauff, den auch Sie politisch zu verantworten haben. ({7}) - Selbstverständlich, Herr Kollege. Sie haben gesagt: Wir sind grundsätzlich für eine Pilotkonditionierungsanlage. - Das ist aber so lange unglaubwürdig, solange Sie nicht sagen, wo diese Konditionierung stattfinden soll. ({8}) - Lassen Sie mich doch reden. Es tut mir leid, aber ich kann nicht gleichzeitig reden und Ihnen zuhören. Das ist wirklich schwierig. ({9}) Wenn Sie eine Anlage wollen - mit Wiederaufarbeitung hat das relativ wenig zu tun, und diese Anlage wäre auch dann einsetzbar, wenn man ein Entsorgungskonzept änderte - , dann müßten Sie sagen, wo. ({10}) Ich verstehe nicht, wenn der Kollege Schütz sagt, er sei dagegen, daß in dieser Anlage HTR-Brennelemente konditioniert werden sollten. Die müssen doch auf jeden Fall endgelagert werden, von Ihnen und auch von uns. Ich verstehe auch nicht, warum Sie Einwendungen gegen den Standort erheben, weil er neben einem - aus Ihrer Sicht ungeeigneten - künftigen Endlager liegt. Ich habe bisher nur mitbekommen, daß wir diese Endlagerstätte zur Zeit untersuchen. Herr Schütz, mir ist völlig unklar woher Sie schon wissen, daß dieser Standort als Endlager ungeeignet ist. ({11}) Ich kann dazu heute keine Aussage machen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sollten uns den wichtigeren Themen in der Nuklearpolitik zuwenden. Es wäre sinnvoll, auch einmal eine Aktuelle Stunde zur Sicherheit der Nuklearanlagen in der DDR durchzuführen, jedenfalls wird es notwendig sein, viele Stunden darüber zu reden. Das ist viel, viel wichtiger. ({12}) Ich habe den Eindruck, wenn ich das einmal mit einem Vergleich darstellen darf - Herr Präsident, das ist mein letzter Satz - , daß Sie über etwas reden, das genauso einzuschätzen ist, wie das Lagerfeuer von Pfadfindern, wenn es darum geht, über Klimaprobleme zu sprechen. Von ähnlicher Bedeutung ist diese Anlage. ({13})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Frau Abgeordnete Wollny.

Lieselotte Wollny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002560, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Friedrich, Sie haben eben gesagt, es sei demagogisch, wenn ich die Volkspolizei oder die bundesdeutsche Polizei mit dem Stasi in Verbindung bringe. Nun haben wir ja keinen Stasi mehr, den soll es angeblich nicht mehr geben. Aber von dem Kripochef in Lüchow ist berichtet worden: Er bestätigte, daß im Vorfeld der Anti-PKA-Demonstration auf Grund von Informationen, daß dazu auch Teilnehmer aus der DDR erwartet wurden, der Leiter der Lüchower Kriminalpolizei zusammen mit einem Kripohauptkommissar - der übrigens den Staatsschutz in Lüchow vertritt Frau Wollny am 30. Januar und am 2. Februar die Leiter der Volkspolizeikreisämter in Osterburg und Salzwedel aufsuchte. ({0}) Nun erzählen Sie mir mal - heute wird gesagt, es habe sich nur darum gehandelt zu erfahren, wie groß die Zahl eventuell sein würde -, woher die Volkspolizei solche Zahlen haben sollte, wenn nicht aus Stasi-Akten, wo sie bisher gesammelt worden sind. Werfen Sie uns also da nichts vor. Inzwischen sind übrigens vom Innenministerium in Niedersachsen solche Kontakte untersagt worden. Unterstellen Sie mir also nicht, daß ich sie zusammengebracht hätte. Sie haben den Weg zusammen ganz alleine gefunden. ({1}) Das wollte ich in erster Linie dazu sagen. Damit verabschiede ich mich eigentlich auch schon. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner.

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr froh darüber, daß von den Sprechern der sozialdemokratischen Fraktion unsere gemeinsame Verantwortung für eine Endlagerung betont worden ist. Darum geht es hier. Der immer wiederholte Versuch von Frau Wollny, angebliche Kapitalinteressen der Atomindustrie in einem Widerspruch zu unseren Allgemeininteressen zu sehen, soll den Eindruck erwecken, als gehe es hier nicht um grundlegende Fragen, die wir gemeinsam zu lösen haben, und als handelte die Industrie nicht in einem Rahmen, den der Deutsche Bundestag vorgegeben hat. ({0}) Ich möchte es immer wieder klarstellen: Im Augenblick wird es nirgends so deutlich, wie in der DDR, wie eng der Zusammenhang zwischen unmittelbarer Arbeitsplatzgefährdung und Versorgung mit Energie ist und wie sehr Menschen, die ebenfalls darunter zu leiden haben, daß sie systematisch mit Unwahrheiten verunsichert werden, doch wissen, daß ihre Arbeitplätze in Gefahr sind, wenn aus Gründen, die eine andere Regierung zu verantworten hat, in der DDR etwa Anlagen gebaut worden sind, die unter Sicherheitsgesichtspunkten oder - wie die Braunkohlenkraftwerke - unter Umweltgesichtspunkten nicht vertretbar sind. ({1}) Ich meine, wir sollten diese Zusammenhänge in einer solchen Diskussion sehr deutlich machen. Die Sozialdemokraten fordern die direkte Endlagerung, Herr Dr. Kübler. Wir sind ungeheuer daran interessiert - ich erinnere an die gemeinsamen Beschlüsse der Regierungschefs von Bund und Ländern; damals unter Vorsitz von Bundeskanzler Schmidt -, diese direkte Endlagerung als eine zusätzliche Möglichkeit vorzusehen und mit Nachdruck voranzutreiben. Ich bin weit davon entfernt, zu sagen, wir seien in diesem Vorantreiben so schnell vorangekommen, wie das wünschenswert ist. Wir müssen alles daransetzen, die heute gegebenen technischen Möglichkeiten umzusetzen. Es muß eine endlagergerechte Verpackung radioaktiver Abfälle, insbesondere die Konditionierung abgebrannter Brennelemente zum Zwecke der direkten Endlagerung, entwickelt und demonstriert werden; dies in zwei unterschiedlichen Verfahren, Herr Dr. Kübler, die es auch möglich machen, diese Konditionierung je nach den Verhältnissen, die wir in einem Endlager antreffen werden, zu ermöglichen, auch wenn etwa unterschiedliche Lösungen gefordert wären. Es kommt entscheidend darauf an, daß wir technisch nach dem heutigen Wissensstand alle Möglichkeiten bei der Konditionierung einschließen. Das wäre eine konsequente direkte Endlagerung, Herr Kollege Dr. Kübler. Das wäre aber nicht der Weg, den etwa die DDR in der Endlagerung gegangen ist; denn dieser Weg ist ein Weg des Exports in die Sowjetunion ({2}) mit der Wiederaufarbeitung ohne entsprechende Abfallrücklieferung. Das ist nicht der Weg, den wir politisch verantworten können. Wir waren uns hier immer einig darin, daß etwas, was wir hier produzieren, auch hier verantwortet werden muß. ({3}) - Auch gestern noch. Das gilt für den Müll und in noch höherem Maße für radioaktive Abfälle. Es entspricht dieser Politik, daß wir die Konditionierung für dringend notwendig halten, daß wir dieses Pilotprojekt für dringend notwendig halten. Aber es ist eine Falschmeldung, wenn versucht wird, den Bürgern einzureden, es gehe hier um eine Auflösung von Kernbrennstoffen, und wenn auf diese Art und Weise der Zusammenhang mit einer Wiederaufarbeitungsanlage hergestellt wird, der hier einfach nicht gegeben ist. Auch die Gegner der Kernenergie müssen sich in der vollen Verantwortung für die Endlagerung sehen. ({4}) Jeder, der in diesem Land Verantwortung trägt, muß sich dann, wenn er eine solche Konditionierungsanlage ablehnt, die Frage gefallen lassen, wie sein Weg tatsächlich aussieht. Das ist natürlich auch die Frage nach dem Standort. Es ist von Herrn Dr. Friederich völlig richtig gesagt worden, daß wir nicht wissen, ob Gorleben im Ergebnis - also dann, wenn wir unten im Salzstock sind - alle die Erwartungen erfüllt, die wir an eine solche Endlagerung haben. Aber es kann doch nicht im Ernst hier gefordert werden, nach einer neuen Möglichkeit zu suchen, ehe die begonnene nicht erforscht ist, neue zeitliche Verzögerungen in einem Ausmaß auf sich zu nehmen, das nicht verantwortet werden kann, und zwar in Kenntnis der Tatsache, daß die politische Atmosphäre in unserem Lande in einen Zustand gebracht worden ist, in dem praktisch kein Standort mehr Zustimmung finden wird. ({5}) Deshalb ist es unehrlich, wenn man in der Diskussion über Gorleben nach einem anderen Standort ruft, während man in Wahrheit die Politik verfolgt „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß". Ich meine deshalb, daß wir uns in dieser Frage der Endlagerung zu den technischen Möglichkeiten, die mit der Pilotkonditionierungsanlage verbunden sind, bekennen müssen. Die Bundesregierung hat sich jedenfalls verpflichtet, durch Forschungs- und Entwicklungsarbeiten dazu beizutragen, die direkte Endlagerung von Brennelementen zur Einsatzreife zu bringen. Das ist im Kabinettsbeschluß vom 6. Juni 1989 bekräftigt worden. Wir stehen in der Kontinuität der Verantwortung, die insbesondere die Beschlüsse der Regierungschefs von Bund und Ländern aus dem Jahre 1979 angedacht haben. Was immer man aus heutiger Sicht zur Nutzung der Kernenergie sagt: Wir haben die Verpflichtung, dieses Thema zu einem vertretbaren Ende zu bringen. Der Vorwurf, mit der Pilotkonditionierungsanlage sei bereits über die Endlagerung im Salzstock Gorleben positiv entschieden, ist unbegründet. Ich möchte fast sagen: leider unbegründet; ich wollte, wir wüßten schon sicher, daß Gorleben der geeignete Standort ist. Wenn wir wüßten, wie es in Gorleben unten aussieht, wäre möglicherweise technisch in dieser Pilotkonditionierungsanlage auf die eine oder andere Variante zu verzichten. Jedenfalls ist das Ergebnis des Erkundungsverfahrens völlig offen, auch wenn wir weiterhin von der Eignungshöffigkeit des Salzstocks Gorleben ausgehen. Es ist auch die Unterstellung zurückzuweisen, der grenznahe Standort in Gorleben sei gewählt worden, um den Bürgerinnen und Bürgern der DDR zumindest einen Teil etwaiger radiologischer Auswirkungen aufzubürden. ({6}) In dem laufenden atomrechtlichen Genehmigungsverfahren muß der Nachweis geführt werden, daß hinsichtlich der Schutzvorkehrungen keinerlei Auswirkungen - ob für Bürger der DDR oder für Bürger der Bundesrepublik - nicht vertretbarer Art von einer solchen Anlage ausgehen. ({7}) Das ist eine Verpflichtung aus dem Atomgesetz. Das gilt nach unserer Rechtslage auch für Ausländer, also etwa auch für Niederländer. Deshalb ist es eine wirkliche Irreführung der Öffentlichkeit, wenn mit dieser Aktuellen Stunde hier und ihrem Schwerpunkt der Eindruck erweckt werden soll, als ob unterschiedliches Recht für Bürger der DDR und für Bürger der Bundesrepublik gilt. ({8}) Das Atomgesetz gewährleistet allumfassenden Schutz für jeden, diesseits und jenseits der Grenze. Entscheidend aber ist in dieser Lage - wir alle wissen, daß die Bürger der DDR bisher keine Möglichkeit gehabt haben, von dem nach unserer Rechtsordnung gegebenen Recht, ihre Einwendungen vorzubringen, Gebrauch zu machen; das ist erst seit dem Fall der Mauer möglich - , daß die DDR-Bürger nach Auffassung der Bundesregierung vor dem zuständigen Verwaltungsgericht ihre Einwendungen im Klageweg vorbringen können. Eine Wiederholung der Öffentlichkeitsbeteiligung für diese Pilotokonditionierungsanlage ist auch von daher nicht erforderlich. Ich füge hinzu: Ich kann mir keine Einwendungen von Bürgern der DDR vorstellen, die nicht auch schon bisher vorgebracht worden sind. Im übrigen haben sich in diesem Verfahren die niedersächsische Landesregierung und das Bundesumweltministerium um Information bemüht. Wir selber bemühen uns darum, eine Informationsstelle für DDR-Bürger einzurichten. Wir haben mit den Behörden der DDR entsprechende Kontakte aufgenommen. Es bleibt also dabei: Es gibt kein minderes Recht für Bürger der DDR. Wir gehen jedem Einwand nach. Unsere Gerichte sind unabhängig genug, um etwaige Gefährdungen für jeden Bürger dieses Landes, aber auch für die Bürger außerhalb unserer Grenzen zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen, und zwar auf der Basis eines Gesetzes, das wir hier im Deutschen Bundestag verabschiedet haben und das den Maßstab höchster Sicherheit zur Grundlage von Entscheidungen in diesem Felde gemacht hat. ({9})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stahl.

Erwin Stahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002212, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eigentlich schon symptomatisch für den Deutschen Bundestag, daß die GRÜNEN zu jeder Teilerrichtungsgenehmigung, die in diesem Bereich nach Maßgabe des Gesetzes gegeben wird, Aktuelle Stunden beantragen. ({0}) Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, gestern waren wir uns hier im Deutschen Bundestag darüber einig, daß wir bei der Sonderabfallbewältigung weite und schnelle Schritte gehen müssen. Dies, meine ich, sollte von hier aus ein Appell an Sie sein, Frau Wollny. Wenn Sie hier vor dem Deutschen Bundestag sagen, Demokratie heißt bei uns Polizeieinsatz, dann, verehrte Frau Wollny, beleidigen Sie alle Stahl ({1}) die Polizisten, die ihre Pflichten im Kreis LüchowDannenberg tun. ({2}) Denn es ist wohl unbestritten, Frau Garbe und Frau Wollny, daß diese Leute nur ihre Pflicht tun. Sie tun das, was wir als Gesetzgeber hier im Deutschen Bundestag verabschiedet haben. ({3}) Ich will Ihnen sagen: Ich schäme mich, wenn ein Abgeordneter dieses Hauses - egal, auch wenn er bei den GRÜNEN ist - solche Redensarten führt, weil er glaubt, im Wahlkampf vielleicht in Niedersachsen einen kleinen Vorteil zu bekommen. Ich schäme mich, sage ich Ihnen ausdrücklich. ({4}) Natürlich kann man, Frau Wollny, anderer Meinung zum Standort, zur Technologie und insgesamt zur Kernenergienutzung sein. Aber ich bitte doch wirklich recht herzlich darum - in der schwierigen Situation, in der unser Land jetzt ist -, daß wir hier im Deutschen Bundestag derartige in den Augen der Bürger drüben in der DDR kleine Probleme nicht in dieser Form hochziehen und sie dann in diese gesamte Sache mit hineinnehmen. ({5}) Ich würde herzlich darum bitten, daß wir uns das wirklich einmal mit allem Ernst überlegen. Denn es ist doch wohl unbestritten, daß wir durch den nationalen Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung, den viele in unserem Haus ersehnt haben, vor allem Sie, die Fraktion der GRÜNEN, ({6}) trotzdem für die Endlagerung dieser abgebrannten Brennelemente und radioaktiven Abfälle sorgen müssen. Ich entsinne mich - Sie rücken jetzt viel weiter ab - , daß vor einigen Monaten auch Sprecher von Ihnen hier von diesem Pult unmißverständlich gesagt haben, daß Sie Mitverantwortung für die radioaktiven Abfälle tragen wollen, wenn Kernkraftwerke abgeschaltet werden. ({7}) Wenn dem so ist, meine Damen und Herren von den GRÜNEN - der richtige Weg ist nun einmal nicht die Wiederaufarbeitung, sondern die Bearbeitung und Endlagerung -, dann bitte ich Sie wirklich herzlich, unabhängig von der Standortdiskussion - Herr Harries, Sie haben sie sehr emotional eingebracht - mit zu überlegen, ob man eine derartige Technologie, die im großen Maßstab dann, wenn es einmal so weit ist, 1999 verfügbar sein muß, sozusagen aus dem Handgelenk, etwa in der Form des Spruches eines Lehrers: „Morgen ist die Welt anders! ", erledigen kann. ({8}) Dies ist doch sicherlich unmöglich. Deshalb ist es notwendig, eine Pilotanlage zu bauen. Dann kommen Sie natürlich hierher und sagen: Diese hilft sogar der Wiederaufarbeitungstechnologie oder ersetzt sie sogar. ({9}) - Frau Garbe und Frau Wollny, ist Ihnen eigentlich bekannt, daß man bei der Wiederaufarbeitung ein Naßverfahren benötigt, weil es sonst gar nicht möglich ist? ({10}) Diese Pilotanlage basiert auf einem Trockenverfahren. Bei der Wiederaufarbeitung müssen Sie 5 cm lange Stückchen haben, damit das Inventar ausgelaugt werden kann. Bei dieser Pilotanlage werden wir erst einmal die 5 m langen Brennelemente ausprobieren, weil wir sie nicht zerschneiden wollen. ({11}) - Natürlich. - Diese Endlagergebinde, diese großen Dinger wiegen 70 t. Ich weiß nicht, ob Sie aus dem Bereich der Technik wissen, daß es nicht ohne weiteres möglich ist, mit 70 t schweren Behältern in einem Schacht, in einem Untertagebetrieb zu hantieren. ({12}) Wenn dies nicht klappt, Frau Wollny, dann ist es natürlich notwendig, parallel, um Zeit einzusparen, auch kürzere Gebinde auszuprobieren, d. h. Brennelemente auf die Länge von 1,60 m zuzuschneiden und sie in Behälter zu füllen. ({13}) Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen. Wir haben Verträge mit den Franzosen, nach denen wir den hochradioaktiven Abfall abnehmen müssen. Dieser Abfall wird in Kokillen angeliefert. Da die Sicherheit nach unseren gesetzlichen Voraussetzungen nicht reicht, ({14}) ist es notwendig, diese Kokillen dann wieder in Stahlbehälter einzubringen, damit sie dann irgendwo in einem genehmigten Endlager untergebracht werden können. ({15}) Ich meine, dies sollten Sie wirklich einmal bedenken. Im übrigen verehrte Frau Garbe, ich will auf Ihren Zwischenruf nur eine Antwort geben: Ich nehme an, daß Sie auch dafür da sind, darauf zu achten, daß die Gesetze, die wir hier verabschieden, auch wirklich beachtet werden. ({16}) Stahl ({17}) Dies gilt jedoch nicht nur für alle Menschen, sondern dies sollte eigentlich auch für Abgeordnete des Deutschen Bundestages gelten. Schönen Dank fürs Zuhören. ({18})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Wir sind am Ende der Aktuellen Stunde. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 14. Februar 1990, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.