Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich eröffne die Sitzung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde
- Drucksache 11/6279 Zunächst kommen wir zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Spranger steht uns zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Dr. Emmerlich auf :
Welchen Wortlaut oder genauen Inhalt hatten die Vereinbarungen zwischen dem Bundeskriminalamt und dem Versicherungsdetektiv Werner Mauss aus den Jahren 1972, 1976 und 1981?
Herr Kollege Dr. Emmerlich, mit der von Ihnen jetzt gestellten Frage greifen Sie ein Thema auf, zu dem Ihnen der Bundesminister des Innern im Grunde schon mit Schreiben vom 30. Oktober 1985 - VS-vertraulich - ausführlich geantwortet hat. Bei den genannten Vereinbarungen handelt es sich um mit der Versicherungswirtschaft abgestimmte Abreden des BKA mit dem Ehepaar Mauss über die Art und Weise der Zusammenarbeit im Bereich der kriminalpolizeilichen Verbrechensbekämpfung. In eigenen Ermittlungsverfahren des BKA ist es seit 1981 jedoch nicht mehr zu Einsätzen des Ehepaares Mauss gekommen. Es ist seitens des BKA auch nicht daran gedacht, in Zukunft mit Herrn Mauss in Ermittlungsverfahren zusammenzuarbeiten.
Zu der von Ihnen jetzt erbetenen ergänzenden Auskunft nach dem genauen Wortlaut der genannten Vereinbarungen schlage ich vor, sie in das Ihnen in der Fragestunde am 6. Dezember 1989 zugesagte Schreiben einzubeziehen.
Herr Dr. Emmerlich, Zusatzfrage, bitte.
Den letzten Satz Ihrer Antwort habe ich, weil ich ihn akustisch nicht einwandfrei verstanden habe, nicht ganz begriffen. Ist es möglich, diesen letzten Satz noch einmal vorzulesen?
Wollen Sie ihn bitte wiederholen, Herr Staatssekretär Spranger?
Ich wiederhole und interpretiere anschließend: Zu der von Ihnen jetzt erbetenen ergänzenden Auskunft nach dem genauen Wortlaut der genannten Vereinbarungen schlage ich vor, sie in das Ihnen in der Fragestunde am 6. Dezember 1989 zugesagte Schreiben einzubeziehen.
In dieser Fragestunde haben Sie Zusatzfragen gestellt, und der Kollege Waffenschmidt hat Ihnen eine Antwort auf diese Fragen zugesichert. Dieses Schreiben steht noch aus. Ich bitte um Nachsicht, daß es sich auch deshalb etwas verzögert hat, weil das BKA hier gewisse Prüfungen auf Ihre sehr detaillierten und konkreten Fragen anzustellen hat. Aber die Verzögerung eröffnet die Möglichkeit, jetzt ergänzend Ihre Frage in diesem Schreiben ausführlich zu beantworten.
Nun Herr Dr. Emmerlich, bitte schön.
Gibt es, Herr Staatssekretär, weitere derartige Vereinbarungen zwischen dem BKA einerseits und Privatpersonen andererseits, die zum Inhalt haben, daß polizeiliche Ermittlungsaufträge an Privatpersonen erteilt werden?
Herr Kollege Dr. Emmerlich, die Beantwortung setzt voraus, daß ich die ganze Spannbreite möglicher Vereinbarungen zwischen BKA und anderen Personen über viele Jahre hin abschließend beurteilen kann. Das ist mir nicht möglich, nicht einmal in bezug auf Ihre enge Frage, die sich ausschließlich auf diese drei Vereinbarungen mit dem Ehepaar Mauss konzentriert.
Zweite Zusatzfrage, bitte schön, Herr Dr. Emmerlich.
Herr Staatssekretär, Sie und Herr Kollege Waffenschmidt haben mich in der von Ihnen angeführten letzten Fragestunde und heute zu meinen Fragen auf Fragen verwiesen, die ich in einem bestimmten Schreiben gestellt und unter VS-vertraulich zum Teil beantwortet bekommen habe. Der Gegenstand meiner ersten Zusatzfrage betrifft exakt ein wichtiges Problem, das in diesem meinem Brief ange14666
sprochen, aber bisher nicht beantwortet worden ist. Haben Sie Verständnis dafür, daß ich angesichts dieses Sachverhalts über die Art, wie Sie meine Zusatzfrage beantwortet haben, etwas enttäuscht bin?
Ich kann Ihre gefühlsmäßige Belastbarkeit natürlich nicht genau testen. Deswegen äußere ich Verständnis dafür, daß Sie möglicherweise enttäuscht sind. Aber es sollte Sie in bezug auf den letzten Satz meiner Antwort hoffnungsvoll stimmen, daß Ihnen demnächst ein Schreiben zugeht, in dem Ihnen die Aufklärung zuteil wird, die Sie heute vielleicht noch entbehren müssen.
Ich rufe Frage 2 des Abgeordneten Dr. Emmerlich auf:
Wie lauten die Vereinbarungen zwischen dem Bundeskriminalamt und der Versicherungswirtschaft ({0}) über den Einsatz des Versicherungsdetektivs Werner Mauss sowie über dessen Vergütung und Kostenerstattung?
Außer den Abreden aus den Jahren 1972, 1976 und 1981 gibt es in bezug auf den Versicherungsdetektiv Mauss keine weiteren Vereinbarungen mit dem Bundeskriminalamt. Wegen des Inhalts dieser Vereinbarungen im einzelnen darf ich meinen Vorschlag zu Frage 1 wiederholen und auf das Ihnen bereits in Aussicht gestellte zusammenfassende Schreiben hinweisen.
Herr Dr. Emmerlich, bitte schön.
Soweit mir der Inhalt dieser Vereinbarungen aus öffentlich zugänglichen Quellen und aus dem Antwortschreiben bisher bekanntgeworden ist, habe ich die Sorge, daß eine Polizeidienststelle, nämlich das Bundeskriminalamt, private Interessen in ihre Tätigkeit in einer Weise einbezogen hat, die die Unparteilichkeit und Unbefangenheit der polizeilichen Arbeit mindestens von außen gesehen und für Dritte in Frage stellen könnte. Teilen Sie diese Sorge?
Herr Kollege Emmerlich, diese Bedenken sind ja auch in der schon erwähnten Fragestunde vom 6. Dezember vorgetragen worden. Hier hatte der Kollege Waffenschmidt nach meiner Erinnerung gesagt, daß diese Sorge unberechtigt ist. Ich möchte mich dieser Bewertung anschließen. Ich bin davon überzeugt, daß Ihre Bedenken durch das in Aussicht gestellte Schreiben keine Bestätigung, sondern eine Widerlegung erfahren.
Noch eine Frage, Herr Emmerlich.
Gibt es eine gesetzliche Vorschrift, auf die Sie die Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen stützen oder aus der Sie ihre Zulässigkeit herleiten?
Ich glaube, daß hier die allgemeinen Polizeigesetze ausreichende Rechtsgrundlagen darstellen.
({0})
- Das richtet sich jeweils nach den Polizeigesetzen der Länder. Die Paragraphen sind unterschiedlich. Das Gesetz über das BKA nimmt in diesem Zusammenhang entsprechend Bezug.
({1})
Frau Beer zu einer Zusatzfrage, bitte schön.
Sie führten soeben in den Antworten auf die erste Frage und auch in bezug auf die zweite Frage aus, daß die Antwort mit einem Schreiben erfolgen würde, wobei das Versprechen zeitlich schon etwas zurückliegt; es ist nämlich vom 6. Dezember. Könnte es sein, daß durch diese Beantwortung unter Bezugnahme auf das noch nicht vorliegende Schreiben beabsichtigt ist, auch dieses Schreiben wieder unter VS zu fassen, um so dem Plenum und auch der Öffentlichkeit keine Auskunft über die, wie sich gezeigt hat, berechtigten Fragen zu gewähren und damit die Öffentlichkeit von dieser Fragestunde im Grunde ausgeschlossen wird?
Ich kann Ihnen hier nicht sagen, welche Einstufung dieses Schreiben erhält. Das hängt von dem Inhalt ab. Aber ich gehe davon aus, daß die heute und auch die in der Vergangenheit von Herrn Dr. Emmerlich gestellten Fragen zu seiner Zufriedenheit - vielleicht nicht was die Sache, aber was die Ausführlichkeit und die Detailliertheit anbelangt - beantwortet werden.
Im übrigen, Herr Dr. Emmerlich: In diesem Zusammenhang steht ja auch noch das Angebot des Präsidenten des BKA, mit Ihnen ergänzende Gespräche zu führen.
({0})
Hier können auch zusätzliche Problemkreise mit angesprochen werden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Gansel, bitte schön.
Herr Staatssekretär, da mir Ihre Antworten von einer präzisen Unbestimmtheit zu sein scheinen, möchte ich noch einmal nachfragen: Gibt es denn nun Vereinbarungen zwischen der Versicherungswirtschaft und dem Bundeskriminalamt, oder gibt es sie nicht, und sind solche Vereinbarungen üblich?
Von „präziser Unbestimmtheit" kann nicht die Rede sein. Vielmehr habe ich bei der Antwort auf Frage 2 die Abreden, die der Kollege Dr. Emmerlich in seiner Fragestellung unterstellt, bejaht. Es gab solche Abreden. Über den Inhalt
dieser Abreden wird Herr Dr. Emmerlich konkret unterrichtet.
({0})
- Ich sagte vorhin schon, ich kann bei den Jahrzehnten, in denen das BKA arbeitet, und bei der Fülle der Möglichkeiten nicht sagen: Es ist als einziges eine Vereinbarung im Zusammenhang mit Mauss getroffen worden. Ich kann aber auch nicht ausschließen, daß es die einzige Vereinbarung war.
Frau Abgeordnete Schulte, bitte schön.
Herr Staatssekretär, Ihre unschuldsvollen Ausführungen müssen natürlich etwas anders zu sehen sein. Glauben Sie nicht, daß die Öffentlichkeit nach dem Vorfall um den Juwelier Düe in Hannover und dem Untersuchungsausschuß des niedersächsischen Landtages ein großes Interesse daran hat, daß die Vereinbarungen zwischen dem Bundeskriminalamt und der Versicherungswirtschaft auch der Öffentlichkeit bekannt werden?
Ja, ich kann ein solches Interesse verstehen. Aber die Vereinbarungen stehen nicht im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuß in Niedersachsen.
({0})
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Frage 3 des Abg. Stiegler soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Hennig ist erschienen, aber der fragende Abgeordnete, Herr Schulze ({0}), ist nicht anwesend * ). Es war nicht umsonst, aber vergeblich, daß Sie erschienen sind. Es tut mir leid. Ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Herr Dr. Jahn steht zur Verfügung.
Frage 5 des Abgeordneten Hoss soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 6 des Abgeordneten Gansel auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der DDR dienstlich verpflichtet waren, bei Westreisen anfallende Erkenntnisse ihren Dienststellen mitzuteilen, und worauf stützt die Bundesregierung ihre Erkenntnisse, daß der ehemalige DDR-Staatssekretär und Stasi-Oberst Schalck-Golodkowski bei seinen Reisen in die Bundesrepublik Deutschland, wie zum Beispiel bei dem Aushandeln des Milliardenkredits mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Strauß, keine Informationen an seine Dienststelle weitergegeben hat, die gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland verstoßen haben?
Bitte schön.
*) Die Frage 4 des Abg. Schulze ({1}) wird später doch noch beantwortet. Siehe Seite 14668B.
Herr Kollege Gansel, den ersten Teil Ihrer Frage beantworte ich mit Ja.
Den zweiten Teil Ihrer Frage beantworte ich wie folgt: Der für die Strafverfolgung wegen Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit zuständige Generalbundesanwalt hat seine Bewertung auf die Erkenntnisse aus der Anhörung des Dr. Schalck-Golodkowski gestützt. Darauf habe ich bei der Beantwortung der Zusatzfrage der Abgeordneten Wollny zu der vorangegangenen Frage, die Sie in der Fragestunde vom 17. Januar 1990 gestellt haben, bereits hingewiesen. Weitere gerichtsverwertbare Erkenntnisse hat der Generalbundesanwalt nicht.
Herr Gansel zu einer Zusatzfrage, bitte schön.
Ist es also zutreffend, daß der Bundesregierung bekannt ist, daß Stasi-Mitarbeiter bei Westreisen ihre Erkenntnisse ihrer vorgesetzten Dienststelle sofort mitzuteilen hatten, und daß unmittelbar nach der Anhörung des Untersuchungshäftlings Schalck-Golodkowski dieser entlassen worden ist, so daß sich die Entscheidung des Vertreters des Generalbundesanwalts nur auf die mündlichen Beteuerungen von Herrn Schalck-Golodkowski stützen konnte, er habe seine Erkenntnisse seiner vorgesetzten Dienststelle nicht mitgeteilt?
Was den ersten Teil Ihrer Frage betrifft, antworte ich noch einmal, wie eben, mit Ja, was den zweiten Teil betrifft, wiederhole ich ebenfalls, daß der für die Strafverfolgung zuständige Generalbundesanwalt seine Bewertung, daß ein Anfangsverdacht gegen Dr. Schalck-Golodkowski zu verneinen ist, auf dessen Anhörung gestützt hat.
Sie haben noch eine Frage, Herr Gansel.
Trifft es also zu, daß der Vertreter des Generalbundesanwalts seine Meinung darüber, ob Herr Schalck-Golodkowski bei seiner Tätigkeit als Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes gegen die Interessen der Bundesrepublik verstoßen hat, ausschließlich auf die mündliche Mitteilungen von Herrn Schalck-Golodkowski gestützt hat, der unmittelbar nach der Anhörung freigesetzt wurde?
Herr Kollege Gansel, ich kann nur das wiederholen, was ich eben gesagt habe: Weitere gerichtsverwertbare Erkenntnisse hat der Generalbundesanwalt nicht. Die Zugehörigkeit des Dr. Schalck-Golodkowski zum früheren Ministerium für Staatssicherheit und/oder die Verpflichtung bestimmter DDR-Westreisender zur Unterrichtung des Ministeriums für Staatssicherheit über Erkenntnisse aus der Bundesrepublik Deutschland reichen allein nicht aus, einen Anfangsverdacht wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu bejahen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Emmerlich, bitte schön.
Ich schließe daran an, Herr Staatssekretär: Unterstellt, Mitteilungen des Herrn Schalck an den Stasi oder andere Behörden der DDR
hätten die Interessen der Bundesrepublik Deutschland negativ berührt, welche strafrechtlichen Konsequenzen würden sich aus einem solchen unterstellten Sachverhalt in bezug auf die genannte Person ergeben?
Das ist eine hypothetische Frage, die konkretisiert werden muß, um sie abschließend beantworten zu können, Herr Kollege Emmerlich.
Gibt es noch eine Zusatzfrage? - Der Herr Abgeordnete Müller beabsichtigt eine zu stellen. Bitte.
Herr Staatssekretär, sind auch in anderen Fällen Mitarbeiter des Stasi nur auf Grund ihrer Beteuerungen auf freien Fuß gesetzt worden?
Ich kann dazu hier keine abschließende Äußerung machen.
({0})
Damit sind wir am Ende dieses Fragenbereichs.
Der Herr Kollege Schulze hat mir überzeugende Gründe dafür dargelegt, daß er erst jetzt in den Saal gekommen ist. Der Parlamentarische Staatssekretär Herr Dr. Hennig ist noch da und bereit, seine Frage zu beantworten.
Ich rufe also den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen noch einmal auf. - Ich weiß, daß solche Fragen hier unterschiedlich gehandhabt werden, aber ich glaube, das ist eine vertretbare Regelung.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Schulze ({0}) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorwurf der Berliner Schulsenatorin Volkholz gegen den Inhalt des Jahreskalenders 1990 des Gesamtdeutschen Instituts in Bonn, dieser sei „in hohem Maße friedensgefährdend" und offenbare „revanchistische Gesinnung" in Bonn, sowie die damit begründete restriktive Verteilung dieses Kalenders an den Berliner Schulen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Schulze, das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen hatte den Kultusministern und -senatoren den Kalender für die Verteilung in den Schulen angeboten, hat jedoch seitens des Landes Berlin darauf keine Antwort erhalten, sondern die Vorwürfe der Schulsenatorin zunächst der Presse entnommen. Mittlerweile ist dazu auch ein Schreiben von Frau Volkholz im Gesamtdeutschen Institut angekommen.
Die zentralen Vorwürfe von Frau Volkholz gegen den Kalender, er sei in hohem Maße friedensgefährdend und offenbare revanchistische Gesinnung, sind interessanterweise in diesem Schreiben überhaupt nicht enthalten, sondern nur in der Pressemitteilung der Berliner Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport.
Die Vorwürfe sind absurd und lassen sich durch den Kalender nicht belegen. An dem im Auftrag des Ministeriums entstandenen Kalender haben insgesamt 25 Autoren mit unterschiedlichen politischen Auffassungen mitgearbeitet. Er trägt wie seine Vorgänger der gebotenen Pluralität der Meinungen Rechnung. Sieben Bundesländer haben daher dem Kalenderversand in ihre Schulen bereits zugestimmt, darunter bisher auch drei mit der SPD angehörenden Kultusministern bzw. -senatoren.
In ihrem Schreiben an das Gesamtdeutsche Institut betont Frau Volkholz, daß der Kalender „in einigen Teilen einer kritischen Überprüfung nicht standhält". Im einzelnen moniert sie eine tendenziöse Bildauswahl, die Verwendung bestimmter geographischer Bezeichnungen und Formulierungen „mit offen reaktionärem Gehalt" , wie Frau Volkholz es nennt.
Dazu ist im einzelnen zu sagen:
Der Vorwurf, daß die bundesdeutschen Verhältnisse in bunten Farben, die Situation in der DDR hingegen in der Regel problembeladen-grau gemalt würden, läßt sich nicht aufrechterhalten. Die Durchsicht des Kalenders zeigt, daß dies nicht zutrifft. Dabei hatten die mit der Kalendergestaltung betrauten Mitarbeiter sicher einige Mühe, auch attraktive Darstellungen des DDR-Alltags zu finden. Sie wissen, daß das nicht einfach ist.
Frau Volkholz kritisiert weiter den ungenierten Gebrauch geographischer Bezeichnungen, die angeblich den politischen Status heute polnischer Städte ignorierten. Sie bedauert, daß diese Städte nur mit deutschen, nicht aber mit polnischen Namen genannt werden. Frau Volkholz hat sich den Kalender nicht gut genug angeschaut. Er richtet sich an junge Menschen und soll für sie verständlich sein. Deshalb sind diese Städte jenseits von Oder und Neiße mit den im Deutschen geläufigen Namen genannt, ebenso wie man hier die Städtenamen Warschau und Mailand benützt und nicht die dort heimischen Namen. Hinzugefügt wurde jedoch in aller Regel der heutige Name der Städte. Diese Praxis entspricht auch voll den von allen Kultusministern und -senatoren im Februar 1981 beschlossenen Grundsätzen.
Die Berliner Schulsenatorin kritisiert ferner den Gebrauch von Begriffen wie „Ostgebiete" bzw. „Ostprovinzen des Deutschen Reiches" usw. Hier handelt es sich um einen neutralen Begriff, der eine historische Tatsache kennzeichnet und diese Heimatgebiete von Aussiedlern gegenüber denen aus den deutschen Siedlungsgebieten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa abgrenzt. Auch diese Begriffe entsprechen den von den Kultusministern beschlossenen Grundsätzen.
Die Vorwürfe der Berliner Schulsenatorin entbehren also jeder Grundlage. Gerade Feindbilder sollen durch die Kalendertexte und Fotos abgebaut werden. Alltag und Lebenssituation in unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen sollen transparent gemacht werden. Im Kalender 1990 sind gerade die Felder angesprochen worden, die der Verständigung in Deutschland und Europa dienen.
Ich bitte Sie alle, sich das noch einmal entsprechend anzuschauen.
Wollen Sie eine Zusatzfrage stellen, Herr Kollege?
({0})
- Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Riedl steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Zuerst kommt die Frage '7 des Abgeordneten Gansel:
Hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Kauf von zwei U-Booten durch Israel Genehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz erteilt, und beabsichtigt die Bundesregierung eine Produktionsgenehmigung für den Bau von U-Booten für Israel nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz zu erteilen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter Gansel, die Bundesregierung hat eine Genehmigung zur Herstellung von zwei U-Booten erteilt, die für Israel bestimmt sind. Eine Ausfuhrgenehmigung nach dem AWG wurde nicht ausgestellt.
Was Ihre Frage nach einer von Ihnen so bezeichneten Produktionsgenehmigung betrifft, möchte ich Ihnen mitteilen, daß mit der Genehmigung gleichzeitig die nach dem KWKG erforderliche Exportgenehmigung zu einem exportnahen Zeitpunkt - das ist etwa 1995/96 - in Aussicht gestellt worden ist.
Eine Ausfuhrgenehmigung nach dem AWG bzw. der AWV wurde - ich darf es noch einmal sagen - nicht erteilt. Das Bundesamt für Wirtschaft ist vielmehr gehalten, diese Genehmigung erst bei Vorlage der ebenfalls erforderlichen KWKG-Genehmigung auszustellen. Dies wird, wie ich sagte, etwa 1995/96 der Fall sein.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wir alle wissen zwar, was Ihre Abkürzungen bedeuten; unsere Zuhörer wissen es aber nicht. Ich finde schon, Sie sollten uns die Wortlaute der Gesetzesüberschriften noch benennen.
Herr Präsident, Sie haben recht. Ich habe das früher als Abgeordneter auch immer kritisiert, wenn Staatssekretäre hier solche Antworten gegeben haben.
({0}) Ich gelobe Besserung.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Trifft es also zu, daß die Bundesregierung die Produktionsgenehmigung für den Bau von zwei U-Booten für Israel bereits erteilt hat? - Da Sie mit dem Kopf nicken und ich Ihre Antwort auch so verstanden habe, füge ich den zweiten Teil meiner Frage an: Haben Sie eine Erklärung dafür, daß die Bundesregierung diese Entscheidung getroffen hat, obwohl das Auswärtige Amt im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages versprochen hat, daß eine Entscheidung der Bundesregierung erst nach einer Diskussion im Auswärtigen Ausschuß über die dort vorliegenden Anträge stattfinden soll? Haben Sie eine Erklärung dafür, daß die Bundesregierung ihr Versprechen gebrochen hat?
Herr Abgeordneter, die beantragte Genehmigung ist den Firmen am 18. Januar 1990 nach Vorliegen der Zustimmung des Auswärtigen Amts und des Verteidigungsministeriums übersandt worden.
Ich bin im Augenblick nicht in der Lage, zu sagen, welche Verabredungen zwischen dem Auswärtigen Ausschuß und dem Auswärtigen Amt bestehen, bin aber gern bereit, der Sache nachzugehen. Wie Sie wissen, vertrete ich das Bundesministerium für Wirtschaft. Ich kann zu der von Ihnen zitierten Zusage im Augenblick leider keine Erklärungen abgeben.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Gansel.
Ist dem Bundesministerium für Wirtschaft bekannt, daß dem Deutschen Bundestag seit Juni 1988 ein Antrag der SPD-Bundestagsfraktion vorliegt, in dem gefordert wird, den Verkauf von U-Booten nach Israel nicht zu genehmigen, und halten Sie es für den einer parlamentarischen Demokratie angemessenen Stil, daß solche Anträge an die Ausschüsse verwiesen werden, daß dort die Diskussionen vertagt werden und daß die Bundesregierung in der Zwischenzeit bindende Entscheidungen trifft?
({0})
Herr Abgeordneter, verbindlicher demokratischer Stil ist, daß Anträge mehrheitlich entschieden werden. Sie wissen genauso gut wie ich, daß Ihre Antragstellung von der parlamentarischen Mehrheit keine Zustimmung bekommen hat.
({0})
- Herr Abgeordneter, ich würde mich bei der Wortwahl ja doch etwas den Usancen unterwerfen. Der Herr Präsident notiert sich bereits dieses Wort.
({1})
Ich bin als Bayer ja nicht sehr empfindlich; aber wenn jemand von uns Ihnen das sagen würde, dann würden Sie aus den Latschen kippen.
Herr Staatssekretär, die Ordnungsüberlegungen sind von hier oben anzustellen. Seien Sie so nett und beantworten Sie die Fragen!
Ich habe sie schon beantwortet; nur kann ich nichts dafür, daß der Herr Abgeordnete damit nicht zufrieden ist.
Das letztere ist richtig. „Schweinerei" ist unparlamentarisch, Herr Kollege Gansel.
({0})
Jetzt folgt Herr Dr. Hirsch mit einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält denn die Bundesregierung diesen Teil des Nahen Ostens, in den wir Waffen liefern - nicht nur diese Waffen -,
für ein Spannungsgebiet, oder liegen ihr etwa Informationen darüber vor, daß dort zur Zeit tiefster Frieden herrscht?
Herr Abgeordneter Hirsch, dies ist eine Entscheidung des Bundessicherheitsrats, die ich nicht zu kommentieren habe. Im übrigen sind diese Sitzungen vertraulich. Ich sehe mich außerstande, Einzelerläuterungen aus dieser Sitzung hier bekanntzugeben. Ich bitte um Verständnis. Sie sind ja im Rechtsausschuß und können beurteilen, wie Auskünfte dieser Art von mir zu qualifizieren wären, wenn ich die Vertraulichkeit hier bräche.
Herr Abgeordneter Bohl.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß auch dann, wenn Gesetzentwürfe der Opposition dem Deutschen Bundestag vorliegen, die Bundesregierung berechtigt und verpflichtet ist, sich auf Grund der bestehenden Gesetzes- und Rechtslage zu verhalten, und daß die Entscheidung der Bundesregierung sich auf die bestehenden Gesetze voll und ganz stützt?
Herr Abgeordneter, das ist nicht nur nach der Gesetzeslage richtig; dies entspricht vielmehr auch der jahrzehntelangen Praxis. Wäre es nämlich so, wie Herr Kollege Gansel es im Auge hat - aus seiner oppositionellen Sicht ja durchaus legitim -, dann könnte man mit der Stellung solcher Anträge die gesamte Regierungsarbeit blockieren.
({0})
Deshalb sehe ich auch überhaupt nicht, wie Herr Kollege Gansel hier einen Wortbruch oder gar einen Gesetzesverstoß rechtfertigen würde. Daß er eine politische Wertung abgibt, sehe ich Herrn Kollegen Gansel auf Grund seiner jahrelangen Praxis, die er in diesen Fragen hier an den Tag gelegt hat, ohne weiteres nach.
Frau Abgeordnete Beer, bitte schön.
Herr Staatssekretär, würden Sie die Tatsache - man kann das ja nachprüfen; das muß keine Unterstellung sein - , daß dann, wenn in Ausschüssen einer oder auch mehreren Fraktionen zugesagt wird, vor Entscheidungen zu unterrichten und zu disktutieren, aus Ihrer Wertung nicht auch als Mißachtung der Aufgabe der Parlamentarier - nämlich das Kontrollrecht gerade über solche Entscheidungen wahrzunehmen - verstehen?
Frau Abgeordnete, ich habe vorhin schon gesagt: Mir ist eine solche Zusage nicht bekannt. Ich gebe Ihre Bedenken gerne weiter, aber ich sage es Ihnen noch einmal: Ich bin weder im Auswärtigen Ausschuß gewesen, noch ist aus meinen Unterlagen erkenntlich, daß eine solche Zusage gegeben worden ist. Es tut mir in der Tat sehr leid; ich kann Ihnen nicht anders antworten.
Herr Abgeordneter Müller.
Herr Staatssekretär, würden Sie Ihren Kollegen Schäfer bitte fragen, ob dies eine Panne oder eine bewußte Desinformation im Auswärtigen Ausschuß war?
Ich sagte ja vorhin schon: Ich gehe der Sache gerne nach. Ich werde das selbstverständlich aufgreifen.
Ich rufe jetzt die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Daniels auf:
Welche konkreten Fördermaßnahmen erwägt das Bundesministerium für Wirtschaft zur Steigerung des Fernwärmeeinsatzes und der Kraft-Wärme-Kopplung, die z. B. der Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Haussmann, am 26. Oktober 1989 dem Präsidenten des Deutschen Städtetages, Herrn Rommel, zugesichert hat, und welche Gesetze/Verordnungen sollen diesbezüglich geändert werden?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung mißt der Kraft-Wärme-Kopplung und der Fernwärme unverändert einen hohen energie- und umweltpolitischen Stellenwert bei. Bundesregierung und Bundesländer haben den Ausbau der Fernwärme seit 1977 mit mehr als 3 Milliarden DM Investitionskostenzuschüssen gefördert. Das von Bund und Ländern je zur Hälfte finanzierte Kohieheizkraftwerks- und Fernwärmeausbauprogramm ist 1987 zwar ausgelaufen, gleichwohl fließen aus diesem Programm weiterhin erhebliche Fördermittel in noch nicht abgeschlossene Fernwärmeprojekte. Das Programm ist seinerzeit nicht fortgesetzt worden, weil in einer Reihe von Bundesländern keine Bereitschaft zu einem neuen Bund-Länder-Programm zur Fernwärmeförderung bestand.
Die Bundesregierung prüft aber derzeit im Rahmen einer wirksamen Globalstrategie zur CO2-Reduzierung, ob und gegebenenfalls welche Möglichkeiten zur Förderung des weiteren Ausbaus der KraftWärme-Kopplung und Fernwärme bestehen.
Bundesminister Dr. Haussmann hat Herrn Oberbürgermeister Dr. Rommel, Stuttgart, keine konkreten Fördermaßnahmen zur Steigerung des Fernwärmeeinsatzes und der Kraft-Wärme-Kopplung zugesagt. Bei dem Gespräch am 26. Oktober 1989 im Bundesministerium für Wirtschaft hat die Deutsche Steinkohleninitiative unter Vorsitz von Herrn Oberbürgermeister Dr. Rommel ihre Vorstellungen für eine Kohlepolitik der Zukunft erläutert und dabei auch die finanziellen und wettbewerblichen Nachteile der Fernwärme aus dem Einsatz deutscher Steinkohle angesprochen.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat zugesagt, daß die besondere energie- und umweltpolitische Bedeutung der Fernwärme bei einer Anschlußregelung zum Jahrhundertvertrag angemessene Berücksichtung finden sollte. - Ich nehme an, daß Sie dies gemeint haben.
Herr Dr. Daniels, bitte schön, Zusatzfrage.
Heißt das dann konkret, daß in dieser Legislaturperiode, nachdem diese Förderungen 1987 ausgelaufen sind, von seiten
Dr. Daniels ({0})
der Bundesregierung zur Förderung der Fernwärme und der Kraft-Wärme-Kopplung konkret nichts mehr unternommen wird, obwohl über die Folgen, die sich aus dem drohenden Klimaproblem ergeben, im Parlament seit Monaten Diskussionen laufen und sich auch der Umweltausschuß in dieser Frage, was Effizienzsteigerung angeht, sehr einig ist, daß wir solche Vorschläge auch für die DDR machen? Ist es also tatsächlich so, daß in dieser Legislaturperiode von seiten der Bundesregierung keine konkreten Maßnahmen zur Förderung dieser Bereiche mehr vorgeschlagen werden?
Herr Abgeordneter, dies ist sicherlich nicht so. Ich gehe einmal davon aus, daß die Prüfung durch die Bundesregierung, von der ich soeben gesprochen habe, in dieser Legislaturperiode mit großer Wahrscheinlichkeit - ich möchte sogar fast sagen: mit Sicherheit - abgeschlossen wird und daß wir dann noch in diesem Jahr - es bleiben ja bis zum Ende der Legislaturperiode noch knapp elf Monate - entsprechende Diskussionen und Beratungen durchführen und vielleicht auch Entscheidungen herbeiführen können.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön, Herr Daniels.
Wenn man sich dieses Klimaproblem vor Augen hält - Sie haben soeben von den CO2-Problemen gesprochen -, dann müßte man sich natürlich auch - über das hinaus, was jetzt die konkreten Fördermaßnahmen für dieses Jahr oder die nächsten Jahre angeht - einmal ein Konzept überlegen, wie man im Hinblick auf die nächsten 20, 30 Jahre - ich denke nur an die Klimakonferenz, CO2-Emissionen dementsprechend um 20 % oder, in den Industrieländern, sogar um 40 % zu senken - entsprechend plant und für diesen Zeitraum ebenfalls Maßnahmen vorschlagen. Ist die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode auch noch dazu bereit, längerfristige Maßnahmen zu ergreifen?
Herr Abgeordneter, wir stimmen im Prinzip in dieser Frage voll überein. Sie machen das immer an dieser Legislaturperiode fest. Wenn wir diese Prüfungen rechtzeitig abschließen, was ich wünsche und was angestrebt wird, dann kann man natürlich auch perspektivische Entscheidungen noch in dieser Legislaturperiode treffen. Aber Sie kennen trotz Ihrer relativ jungen Erfahrung hier im Haus den Ablauf im letzten Jahr vor einer Bundestagswahl. Bei uns gehen im Juni die Abgeordneten in die sogenannten Ferien, d. h. sie gehen in den Wahlkampf.
({0})
- Das ist nun mal das Leben einer parlamentarischen Demokratie; so läuft es ab. Ab Juli werden Sie so gut wie keine parlamentarischen Beratungen dieser Art erleben können. Davon gehe ich aus.
({1})
Frau Abgeordnete Beer möchte eine Zusatzfrage stellen, bitte.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung auch nicht beabsichtigt, für dieses Jahr noch Förderrichtlinien für den Wohnungsbau zu beantragen, damit die umweltfreundlichen Heizenergien auch in diesem Rahmen verstärkt genutzt werden können?
Ich glaube, daß der Zeitrahmen, der uns zur Verfügung steht, ein solches nicht ausschließt.
Herr Abgeordneter Wüppesahl zu einer Zusatzfrage.
Herr Riedl, darf ich auf Grund der vorletzten von Ihnen dem Kollegen Daniels gegebenen Antwort davon ausgehen, daß Sie meinen, daß, wenn die Förderrichtlinien nicht bis zum Juni beschlossen sind, das Parlament dann ein knappes Jahr nicht funktionsfähig ist und solche Förderrichtlinien nicht mehr zustande kommen können?
Das Zustandekommen der Förderrichtlinien hängt nicht davon ab, ob das Parlament tagt. Aber eine Diskussion im Parlament - danach bin ich gefragt worden - ist natürlich nach Ende der offiziellen Parlamentssession gar nicht möglich. Das war immer schon so. Herr Abgeordneter, Sie können mich ja steinigen, wenn Sie wollen. Nur kenne ich die Praxis hier im Hause: Drei bis vier Monate vor der Bundestagswahl läuft doch im Prinzip im Haus gar nichts mehr.
({0})
Meine Damen und Herren, dieser Geschäftsbereich hat nun seinen Abschluß gefunden, da die Frage 9 des Abgeordneten Stiegler schriftlich beantwortet werden soll. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch die Frage 10 des Abgeordneten Müntefering im Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung und die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Dr. Sperling im Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Funke auf :
Wie hoch werden die Investitionskosten bzw. der Anteil von Deutscher Bundesbahn und Land an der S-Bahn-Station „NeuBillwerder" ({0}) sein, und wann könnte diese Station in Betrieb genommen werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, dem Bundesminister für Verkehr ist bekannt, daß bei der Freien und Hansestadt Hamburg Überlegungen bestehen, zwi14672
schen den S-Bahn-Stationen „Mittlerer Landweg" und „Nettelnburg" eine weitere Station „Neu-Billwerder" neu einzurichten. Ein Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg hierzu liegt jedoch noch nicht vor. Eine präzise Aussage über Kosten und Bauzeiten ist daher nicht möglich.
Eine Zusatzfrage, Herr Funke.
Herr Staatssekretär, wenn diese Angaben in der nächsten Zeit vorliegen sollten, wie lange benötigt dann das Bundesverkehrsministerium erfahrungsgemäß, um dann die hier angedeuteten Fragen zu beantworten?
Herr Kollege, das Ganze müßte wahrscheinlich in ein Programm im Sinne des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes aufgenommen werden, d. h. es müßte mit den Ländern abgestimmt werden, es müßte eine ganze Reihe von Schritten unternommen werden. Als erstes muß z. B. untersucht werden, ob die Maßnahme volkswirtschaftlich vertretbar ist. Die DB müßte von den Kosten für die Infrastruktur freigestellt werden, es müßte sichergestellt werden, daß dem Bund und der DB keine neuen Folgekosten entstehen, und nach dem, was wir bisher inoffiziell hören, müßte sicherlich auch nachgesehen werden, ob die Kosten nicht unvertretbar hoch werden.
Aus diesem Grund kann ich eine Angabe über einen zeitlichen Ablauf überhaupt nicht wagen.
Sie haben eine weitere Frage, Herr Funke.
Die S-Bahn-Stationen würden dann ziemlich nahe beieinander liegen. Wie ist Ihr Erfahrungswert für die Deutsche Bundesbahn, so nahe aneinanderliegende S-Bahn-Stationen zu akzeptieren?
Normalerweise sind es im Außenbereich, Herr Kollege, 4 km Abstand. In diesem Fall wären es 2 km. Das wäre also zu berücksichtigen.
Herr Wüppesahl möchte eine Zusatzfrage stellen; bitte schön.
Herr Schulte, da der Hauptgegenstand der Frage des Kollegen Funke die S 2/S 21 ist, würde ich Sie gerne bei dieser Gelegenheit fragen, ob nach wie vor noch Pläne existieren, die S 2 bzw. S 21 nach Geesthacht, gegebenenfalls auch nach Lauenburg zu verlängern, insbesondere vor dem Hintergrund der veränderten Grenzsituation, also der Durchgangssituation, die in diesem Bereich eingetreten ist, nach dem ich jetzt hier frage.
Herr Kollege, dazu sind uns im Augenblick keine Überlegungen bekannt.
Dann rufe ich die Frage 32 des Abgeordneten Funke auf:
Wie hoch werden die Investitionskosten bzw. der Anteil von Bund und Land an der von der Freien und Hansestadt Hamburg geplanten Autobahnausfahrt ,,Neu-Billwerder" ({0}) sein, und wann könnte diese Ausfahrt fertiggestellt sein?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, über eine neue Anschlußstelle an der Autobahn A 25 bei Hamburg-Billwerder können derzeit noch keine Angaben gemacht werden. Die Kosten sind indessen von der Freien und Hansestadt Hamburg als Baulastträger zu tragen.
Eine Zusatzfrage? Funke ({0}) : Nein, danke.
Es gibt keine Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Fragen 33 und 34 des Abgeordneten Feldmann auf, der aber nicht im Saal ist. Dann werden seine beiden Fragen der Geschäftsordnung entsprechend behandelt.
Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Kann auf einer eingleisigen Rheinbrücke zwischen Karlsruhe und Wörth zusätzlich zu dem normalen Bundesbahnverkehr noch eine Stadtbahn Karlsruhe-Wörth störungs- und verspätungsfrei betrieben werden, die in den Hauptverkehrszeiten in einer Richtung im Zehn-Minuten-Takt verkehren würde ({1})?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, die Deutsche Bundesbahn teilt mit, daß weder heute noch nach Fertigstellung der neuen eingleisigen Rheinbrücke bei Karlsruhe ein störungs- und verspätungsfreier Stadtbahnverkehr im Zehn-Minuten-Takt möglich ist, wenn außerdem der übliche Reise- und Güterzugverkehr der Deutschen Bundesbahn stattfindet. Er ist aber auch nicht nötig, so die Deutsche Bundesbahn.
Eine Zusatzfrage; bitte schön, Herr Müller.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung, nachdem im vergleichbaren Fall der Anbindung von Rheinstetten an die Stadt Karlsruhe klargeworden ist, daß die Bevölkerung dieses Angebot überaus stark annimmt und daß also ein Bedarf besteht, und nachdem man diesen Bedarf auch auf den ähnlichen Fall der Anbindung Wörths und des dahinterliegenden Gebietes übertragen kann, bereit, sofort zu prüfen - und auch die Bundesbahn zu dieser Prüfung zu zwingen - , ob nicht doch ein zweites Gleis in die vorfindbaren Planungen und in den Bau einbezogen werden kann?
Herr Kollege, die Deutsche Bundesbahn geht davon aus, daß die beiden Strecken nicht vergleichbar sind.
Im übrigen wäre es aber möglich, ein zweites Gleis später noch anzubauen. Dies ist Ihnen wahrscheinlich bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage?
In der Tat ist mir das bekannt. Aber ist sich die Bundesregierung dessen bewußt, daß sie mit dieser Nachlässigkeit, wie ich meine, den Druck auf den sehr problematischen zweiten Rheinübergang mit einer Autobahnbrücke in dieser Region erhöht?
Herr Kollege, die Deutsche Bundesbahn hat Untersuchungen angestellt. Es geht um insgesamt 3 000 Reisende pro Tag. Sie meint deswegen - ich schließe mich dem an -, daß es ausreicht, eine Regionalschnellbahn im Stundentakt zusammen mit einer Stadtbahn im Halbstundentakt zu haben.
({0})
Dann rufe ich die Frage 36 des Abgeordneten Andres auf:
Welche definitiven, über die bekanntgewordenen Beschlüsse des Bundeskabinetts vom 20. Dezember 1989 hinausgehenden Zusagen hat die Bundesregierung der niedersächsischen Landesregierung über die Flughafenanbindung an das IC-Netz gemacht?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, am 12. Dezember 1989 fand unter Vorsitz von Bundeskanzler Dr. Kohl ein Gespräch zwischen Mitgliedern der Bundesregierung und der niedersächsischen Landesregierung statt. Dabei bestand Einigkeit darüber, den Flughafen Hannover-Langenhagen an das IC-Netz der Deutschen Bundesbahn anzubinden.
Eine Zusatzfrage, Herr Andres.
Ich hatte gefragt, ob es definitiv zusätzliche Absprachen oder Zusagen über das hinaus gegeben hat.
Herr Kollege, Sie haben nach den Beschlüssen des Bundeskabinetts gefragt. Ich habe Ihnen gerade gesagt, daß in der vorausgegangenen Woche eine Sitzung im Kanzleramt - so füge ich jetzt hinzu - stattgefunden hat, bei der eine definitive Zusage gegeben wurde.
Bei diesen Gesprächen wurde im übrigen auch von seiten des Landes zugesagt, daß die Frage der Wirtschaftlichkeit so behandelt werden soll, daß das Land gegebenenfalls Zuschüsse gibt, bis die Wirtschaftlichkeit erreicht ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Kann ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß es zwischen dem Kabinettsbeschluß und der definitiven Zusage von Bundeskanzler Kohl einen Unterschied gibt, der darin besteht, daß der Kabinettsbeschluß nur von einem Prüfauftrag spricht, während die Zusage des Bundeskanzlers darauf hinausläuft, daß definitiv zugesagt worden ist: Der Flughafen wird angeschlossen?
Nein, Herr Kollege, hier liegen Sie bestimmt nicht richtig. Ich selber war dabei, als die Zusage am 12. Dezember gegeben wurde. Die Bundesregierung geht eindeutig davon aus, daß Langenhagen angebunden wird. Jetzt geht es darum, die günstigste Lösung zu finden. Es gibt hier Vorschläge, die z. B. um 300 Millionen DM variieren. Das muß jetzt genau geprüft werden. Hier muß ein Optimierungsprozeß stattfinden. Es geht nur um das Wie, nicht um das Ob. Das heißt, der Prüfauftrag des Kabinetts betrifft das Wie; über das Ob wurde schon in der vorausgegangenen Woche entschieden.
Frau Bulmahn möchte eine Zusatzfrage stellen. Bitte schön.
Herr Dr. Schulte, können Sie mir dann bitte erklären, wieso Sie mir am 5. Januar 1990 auf meine Anfrage vom 27. Dezember 1989 folgendes geantwortet haben:
Das Bundeskabinett hat den Bundesminister für Verkehr mit Beschluß vom 20. Dezember 1989 beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Land Niedersachsen eine Anbindung des Flughafens Hannover-Langenhagen an das IC-Netz der Deutschen Bundesbahn zu prüfen. Über das Ergebnis wird bis zum 31. Mai 1990 berichtet. Die hierfür erforderlichen Untersuchungen sind im Gange. Beteiligt daran sind der Bundesminister für Verkehr, die Deutsche Bundesbahn und das Land Niedersachsen. Aussagen über Planungsaufträge und eine zeitliche Realisierung des Flughafenanschlusses können erst nach Vorlage der eingeleiteten Untersuchung getroffen werden.
Frau Kollegin, wenn ich mich richtig erinnere, war es jemand anders, der geantwortet hat. Trotzdem gehe ich in die Verantwortung und sage: Diese Antwort bezieht sich offensichtlich auf das, was ich vorher dem Kollegen Andres geantwortet habe, nämlich auf die Ausfüllung des Wie. Über das Ob ist bereits entschieden.
Jetzt rufe ich Frage 37 des Abgeordneten Andres auf:
Kann die Bundesregierung die Mitteilungen der Presse- und Informationsstelle der Landesregierung Niedersachsen vom 12. Dezember 1989 bestätigen, daß es eine verbindliche Zusage der Bundesregierung an den Ministerpräsidenten Albrecht gibt, der Flughafen Hannover-Langenhagen werde an den IntercityVerkehr und damit an das Schienennetz der Deutschen Bundesbahn angeschlossen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Ja, Herr Kollege, in einem Gespräch am 12. Dezember haben sich unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers - ich wiederhole mich also - die Bundesregierung und die niedersächsische Landesregierung darauf verständigt, den Flughafen Hannover-Langenhagen an das IC-Netz anzubinden.
Zusatzfrage, Herr Andres.
Herr Staatssekretär, auf Grund der Antwort, die Ihr Kollege Frau Bulmahn gegeben hat, waren wir davon ausgegangen, daß es sich lediglich
um einen Prüfauftrag handelt. Wenn es jetzt die verbindliche Zusage gibt, frage ich Sie, wie Sie bis zum 31. Mai die Untersuchungen der unterschiedlichen Varianten, bei denen es um Differenzbeträge von 300 Millionen DM mehr oder weniger geht, abgeschlossen haben wollen.
Herr Kollege, zunächst freue ich mich darüber, daß Sie jetzt mit der Feststellung einverstanden sind, daß es zwischen den Informationen der Bundesregierung und der niedersächsischen Landesregierung keine Lücke gibt. Das will ich als erstes festhalten.
Zweitens arbeiten Bundesregierung, Landesregierung und Deutsche Bundesbahn jetzt intensiv an der Ausfüllung des Wie. Da gibt es ja Vorläufer, die im Laufe dieser Fragestunde auch noch auftauchen werden. Wir fangen also nicht am Nullpunkt an, und deswegen hoffen wir, den Termin einhalten zu können.
Herr Andres, wenn Sie möchten, haben Sie noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich habe Ihnen das mit der Lücke nicht zugestanden. Es gibt offensichtlich unterschiedliche Stände der Berichte und Antworten aus Ihrem Ministerium bzw. für die Bundesregierung.
Ich will noch einmal die Frage stellen. Im Herbst vergangenen Jahres gab es die Aussage des niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr, die Anbindung des Flughafens sei deswegen nicht sinnvoll, weil sie sich nicht rechne. Nun ist mir bekannt, daß viele Varianten geprüft werden, aber Ihrer eigenen Aussage entnehme ich, daß das eine sehr komplizierte Angelegenheit ist. Also noch einmal die Frage: Wie wollen Sie das bis zum 31. Mai hinbekommen? Kann ich davon ausgehen, daß Sie als Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der Landesregierung und den anderen beteiligten Stellen am 31. Mai eine fertige Planungsvariante auf den Tisch legen können?
Gehen Sie bitte davon aus, daß der Prüfauftrag bis zu diesem Datum erfüllt sein wird.
Frau Bulmahn, noch eine Zusatzfrage?
({0}) - Bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie hier verbindlich erklären, daß die Bundesregierung beschlossen hat - ich sage ganz ausdrücklich: beschlossen hat -, daß der Flughafen Hannover-Langenhagen an das Intercity-Netz angeschlossen wird?
Frau Kollegin, ich weiß nicht, zum wievielten Male ich mich jetzt wiederholen soll: Die Bundesregierung hat unter Vorsitz von Bundeskanzler Helmut Kohl der niedersächsischen Landesregierung, vertreten insbesondere durch ihren Ministerpräsidenten, zugesagt, daß Langenhagen angebunden wird. Da gibt es kein Wenn und kein Aber mehr. - Es tut mir leid für Sie, daß ich Ihnen das so sagen muß. Sie hätten wahrscheinlich lieber etwas anderes gehört.
Nein, ich hätte genau das am liebsten gehört. Wenn es kein Wenn und Aber gibt, wenn es einen konkreten Beschluß gibt, ist mir das die liebste Lösung.
Einen Augenblick! Die Diskussion findet bei anderer Gelegenheit statt.
Jetzt, Herr Staatssekretär, kommt nämlich der Wortlaut des Beschlusses. Nach ihm wird in Frage 38 der Abgeordneten Frau Bulmahn, die ich hiermit aufrufe, gefragt:
Wie lautet der Beschluß des Bundeskabinetts vom 20. Dezember 1989 zur Frage der IC-Anbindung des Flughafens Hannover-Langenhagen im Wortlaut?
Das Bundeskabinett faßte am 20. Dezember 1989 zur Frage der IC-Anbindung des Flughafens Hannover-Langenhagen folgenden Beschluß:
Der Bundesminister für Verkehr wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Land Niedersachsen eine Anbindung des Flughafens Hannover-Langenhagen an das IC-Netz der Deutschen Bundesbahn zu prüfen - Ziel der Bundesregierung ist die Anbindung des Flughafens an das IC-Netz der Deutschen Bundesbahn - und der Bundesregierung bis zum 31. Mai 1990 zu berichten.
Dieser Beschluß, Frau Kollegin, basiert auf dem Gespräch zwischen der Bundesregierung und der Landesregierung vom 12. Dezember, bei dem die Anbindung des Flughafens Langenhagen definitiv zugesagt
wurde.
Zusatzfrage, Frau Bulmahn.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß es einen Kabinettsbeschluß gibt, der einen Prüfauftrag beinhaltet, und daß dieser Kabinettsbeschluß die Formulierung enthält, daß es das Ziel der Bundesregierung sei, den Flughafen Langenhagen anzubinden - ich bitte Sie, einmal präzise zu definieren, was Sie unter dem Begriff „Ziel" verstehen - , hier einen IC-Anschluß herzustellen?
Frau Kollegin, der niedersächsischen Landesregierung wurde zugesagt, daß gebaut wird. Über die Fragen der Wirtschaftlichkeit finden noch Untersuchungen statt. Wenn es da Lücken gibt, wird das Land Niedersachsen zuschießen. Dies wurde ausdrücklich von Ministerpräsident Albrecht zugesagt. Über das Ob wird nicht mehr gesprochen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Frau Bulmahn.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß es keinen Beschluß des Kabinetts über einen Anschluß des IC-Netzes gibt, und habe ich Sie weiterhin richtig verstanden, daß es
sogar noch einer Wirtschaftlichkeitsprüfung bezüglich einer möglichen Zusage der Bundesregierung bedarf?
Die Zusage wurde in der Woche vorher dem Ministerpräsidenten von Niedersachsen gegeben - ich sage das jetzt vielleicht zum fünften oder sechsten Mal. Daß wir nur wirtschaftlich bauen dürfen, das ergibt sich aus allen Haushaltsregelungen des Bundes. Ich glaube, es ist sinnvoll, die einzelnen Varianten noch einmal anzuschauen, insbesondere nach dem ganzen Werdegang des Projektes.
Frau Schulte zu einer Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, gilt die verbindliche Zusage der Bundesregierung auch für eine andere Landesregierung nach dem 13. Mai 1990?
Ich gehe davon aus, daß es eine andere Landesregierung nicht geben wird. Aber da es Politik der Bundesregierung ist, die über das Datum, das von Ihnen genannt wurde, hinaus existieren wird, gehen Sie bitte davon aus, daß die Flughäfen, soweit es irgend möglich ist, in der ganzen Bundesrepublik angebunden werden. Dies ist erklärte Politik der Bundesregierung.
Zusatzfrage des Abgeordneten Andres.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen und die Vermutung äußern, daß der Zeithorizont 31. Mai und - das stelle ich für mich fest - die Differenz zwischen der Zusage der Bundesregierung im Gespräch und der konkreten Beschlußfassung des Kabinetts u. a. darauf zurückzuführen sind, daß am 13. Mai dieses Jahres in Niedersachsen Landtagswahlen stattfinden?
Herr Kollege, ich glaube, daß Sie hier nicht richtig liegen.
Ich rufe die Frage 39 der Abgeordneten Frau Buhlmahn auf:
Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um dem Auftrag des Bundesverkehrswegeplans 1985 zu entsprechen, nämlich zu prüfen, ob der Flughafen Hannover-Langenhagen „durch Aus- und Neubau der Schienenanbindung qualitativ besser als bisher ({0}) angeschlossen werden" kann?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin, zur Erfüllung des Prüfauftrags aus dem Bundesverkehrswegeplan 1985 zur Anbindung des Flughafens Hannover-Langenhagen an das Schienennetz der Deutschen Bundesbahn wurden in den Jahren 1985 bis 1987 in Zusammenarbeit mit dem Bund, dem Land Niedersachsen, der Deutschen Bundesbahn sowie weiteren Institutionen Untersuchungen durchgeführt. Die Ergebnisse veranlaßten die Deutsche Bundesbahn zu der Einschätzung, daß das Fluggastaufkommen des Flughafens Hannover-Langenhagen im Jahre 2000 und damit das gewinnbare Potential im
Schienenpersonenfernverkehr nicht ausreiche, um die erforderlichen Investitionen zu rechtfertigen. Inzwischen haben sich die Perspektiven für den Flughafen entscheidend verändert.
Zusatzfrage, Frau Bulmahn.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bitte erläutern, worin der Unterschied in den Perspektiven bezüglich des Fluggastaufkommens besteht, und weiterhin auch erläutern, ob es einen zusätzlichen, neuen Gesichtspunkt gibt, der in Ihren Augen einen zweiten Prüfauftrag rechtfertigt?
Es gibt einen Prüfauftrag über das Wie - das habe ich vorhin ausgeführt - auf Grund der Gespräche vom 12. Dezember. Im übrigen haben sich die Perspektiven insofern geändert, als heute klar absehbar ist, wo es neue Flughäfen noch geben wird, wo Erweiterungen möglich und zulässig sind. Es zeigt sich, daß die Flughäfen voll sind. Im übrigen hat auch die deutsch-deutsche Entwicklung eine veränderte Einschätzung herbeigeführt.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, falls diese zweite Prüfung ergeben sollte, daß eine Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist: Würde das Ergebnis dieser zweiten Prüfung dazu führen, daß die Bundesregierung ihre Zusage rückgängig macht? Oder würde trotz einer Unwirtschaftlichkeit die Bundesregierung bei ihrer Zusage bleiben und sich dann auch in einem entsprechenden Ausmaß - ich möchte Sie bitten, Aussagen über die Höhe zu machen - an der Finanzierung beteiligen?
Frau Kollegin, ich habe vorher schon gesagt, daß die Frage der Wirtschaftlichkeit auch mit dem Ziel geprüft wird, wie sich gegebenenfalls das Land aus Strukturmitteln beteiligen wird. Das Land wird im Falle einer Unwirtschaftlichkeit aufstocken, so daß anschließend die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Das Land setzt hier die Prioritäten aus Strukturgründen anders.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schulte.
Herr Staatssekretär, haben sich nach den Erkenntnissen der Bundesregierung die Perspektiven für den Flughafen Hannover und seine Anbindung im Nord-Süd-Verkehr wie im Ost-West-Verkehr seit November 1989 nicht erheblich verändert?
Frau Kollegin, die alte Prüfung wurde ja im Jahre 1987 beendet. Ich nehme an, Sie haben das Jahr 1987 gemeint. Wenn Sie fragen, ob sich seitdem die Perspektiven verändert haben: ja.
({0})
Ich glaube, das ist schon beantwortet worden.
Herr Andres, letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie noch einmal: Ist es richtig, daß der Bundeskanzler eine Zusage gemacht hat, das Kabinett daraufhin beschlossen hat zu prüfen, mit dem verbindlichen Ziel des Anschlusses, daß die Prüfungsvarianten bis zum 31. Mai vorgelegt werden, und zwar unabhängig davon, wie sich die politische Landschaft in Niedersachsen bewegt oder nicht bewegt, daß es darüber hinaus eine verbindliche Zusage der niedersächsischen Landesregierung gibt, auf alle Fälle zuzuschießen, egal, wie hoch der Bedarf ist?
Es geht hier nicht um die Haltung „egal, wie hoch der Bedarf ist" ; denn die ersten Beträge sind in den ersten Untersuchungen genannt. Von daher bewegt sich also niemand im Niemandsland. Es geht vielmehr darum, daß für den Fall, daß die Wirtschaftlichkeit nicht erreicht wird, das Land Niedersachsen zuschießen will, weil es die Prioritäten aus Strukturgründen anders setzt. Aus diesem Grund können wir davon ausgehen, daß die Zusagen eingehalten werden. Es sind seriöse Zusagen.
Mir ist erstmalig klar geworden, warum der Flughafen „Langen" hagen heißt.
({0})
Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten Pfuhl auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß es politische Kräfte in Nord- und Mittelhessen gibt, die auf Grund der deutsch-deutschen Entwicklung erneut auf die Planung und den Bau der A 4 von Olpe zum Hattenbacher Dreieck drängen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, meine Antwort lautet: Ja, der Bundesregierung sind Äußerungen aus dem betroffenen Raum bekannt.
Zusatzfrage, Herr Pfuhl.
Herr Staatssekretär, sind diese politischen Vorstellungen vielleicht seitens der Bundesregierung initiiert worden?
Herr Kollege, es ist denkbar, daß auf Grund der Gespräche über den deutsch-deutschen Verkehr auch dies mit initiiert wurde. Die Bundesregierung hat insbesondere die Länder abgefragt, welche Entwicklungen aus ihrer Sicht denkbar wären und was im Schienenverkehr oder im Straßenverkehr zu veranlassen wäre. Hier ist also sicher eine Mitwirkung gegeben. Allerdings muß ich sagen: Bis jetzt steht der alte Verkehrswegeplan, in dem diese Strecke gestrichen wurde. Die Gründe kennen Sie.
Zusatzfrage, Herr Pfuhl.
Herr Staatssekretär, welche Antwort hat Ihnen denn die Landesregierung auf diese Frage gegeben?
Eine Neuanmeldung ist nicht erfolgt.
Dann rufe ich die Frage 41 des Abgeordneten Pfuhl auf:
Hat die Bundesregierung die Absicht, diese Forderung zu unterstützen und den Ausbau in den nächsten Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, bis zur Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans einschließlich des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen wird auf Grund der neuen Situation im deutsch-deutschen Reiseverkehr auch die Frage des Bedarfs einer Autobahnverbindung zwischen Krombach und Hattenbach erneut geprüft. Eine Wiederaufnahme der Planungen für die Autobahn A4 im genannten Bereich hängt dabei insbesondere auch von der Einschätzung der Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen ab. Nordrhein-Westfalen hat bisher auch nicht angemeldet. Ich ergänze dies.
Es ist zuächst zu beobachten, ob auf Grund der Entwicklung im deutsch-deutschen Reiseverkehr der Bedarf der ehemals geplanten Autobahn neu einzuschätzen ist. Über die voraussichtlichen Verkehrsströme laufen derzeit Prognoseberechnungen im Auftrag des Bundesministers für Verkehr. Die Notwendigkeit, zwischen dem Verkehrsbedarf und den erwähnten Umweltproblemen abzuwägen, bleibt jedoch bestehen.
Herr Pfuhl, bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen die Stellungnahme des Hessischen Ministers für Wirtschaft und Technik, die in der Presse in Nordmittelhessen veröffentlicht wurde, bekannt, die davon spricht, daß diese Strecke wirtschaftlich nicht notwendig ist und außerdem zu unvertretbaren Eingriffen in die Natur führen würde? Im übrigen sei es illusorisch, an den Weiterbau der A 4 zu denken. Man halte es deshalb für töricht, die Bevölkerung in Unruhe zu stürzen.
Herr Kollege, mir ist diese Äußerung nicht bekannt. Ich habe aber das weitere Verfahren vorhin in meiner Antwort aufgezeigt.
Herr Pfuhl, bitte.
Darf ich also annehmen, daß Sie dem Sinne nach dieser Haltung der Hessischen Landesregierung zustimmen?
Herr Kollege, beim letzten Bedarfsplan hat die Bundesregierung vorgeschlagen, die Strecke zu streichen und dafür Ersatzmaßnahmen zu bauen, um insbesondere Ortsdurchfahrten zu entlasten. Die Länder haben mitgestimmt, Ihre Fraktion übrigens auch. Beide betroffenen Länder haben jetzt im ersten Umlauf im Januar dieses Jahres keine Neuanmeldung vorgenommen.
Durch Zeitablauf ist diese Fragestunde beendet. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Vizepräsident Westphal
Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt
Aktuelle Stunde
auf.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der FDP hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Situation der Akademie der Wissenschaften in Berlin" verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Lüder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat heute eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Situation der Akademie der Wissenschaften in Berlin" beantragt, weil in weniger als Monatsfrist das Abgeordnetenhaus von Berlin endgültig darüber entscheiden will, ob eine Fehlentscheidung festgeschrieben wird oder nicht.
({0})
Wir haben uns hier vor zehn Monaten schon einmal in einer von unserer Fraktion beantragten Aktuellen Stunde mit dem Thema befaßt.
Damals erklärte Kollege Heimann in der Aktuellen Stunde über die zu jener Zeit neu vorliegenden Pläne der rot-grünen Koalition in Berlin, die gerade erst errichtete Akademie der Wissenschaften wieder abzuschaffen, daß eine solche Einrichtung in Berlin nicht gebraucht werde. So war seine Formulierung. Kollege Heimann fragte dabei, wo denn die Einheit Berlins bliebe, wenn auch im Westen eine Akademie der Wissenschaft bestünde. Die Zwischenfrage meines Parteivorsitzenden Graf Lambsdorff - ich zitiere - : „Das heißt, die Ost-Berliner Akademie reicht Ihnen?" blieb unbeantwortet.
Die Frage nach der Einheit Berlins ist nähergerückt. Seit dem 9. November letzten Jahres gehört es wohl zu unser aller Sprachgebrauch, daß die Entwicklungen in der DDR, daß die Perspektiven zur Einheit, die Ansätze für konföderative Strukturen - oder wie immer man das nennen mag - auch zum Überdenken früher eingenommener Positionen auffordern. Dieser Aufforderung soll die heutige Aktuelle Stunde dienen.
Noch hat Berlin, noch hat der Berliner Senat, noch hat die Berliner Koalition die Chance, die Fehlentscheidung des letzten Jahres zu korrigieren und der Berliner Akademie der Wissenschaften zu einer gesicherten Existenz zu verhelfen; ich füge hinzu: wenn es gewünscht wird, auch mit Unterstützung aus dem Bund.
Der Hinweis auf die Akademie in Ost-Berlin kann und darf da nicht bremsen. Seit Öffnung der Mauer sollte dieser Hinweis eher motivieren: Die Öffnung der Grenzen, die Perspektiven des Zusammenwachsens, die Hoffnung auf eine starke Funktion Berlins - beider Teile Berlins in Gemeinsamkeit - im deutschen Staatengefüge der Zukunft verlangen da nach einem Miteinander von Institutionen aus Ost und West. Im Zusammenwirken von Ost und West, von vergleichbaren Institutionen hier und solchen dort sollte Gemeinsames geschaffen werden. Jetzt zeigt sich, daß zum Miteinander Partner gehören. Die Partnerakademie der Wissenschaften in West-Berlin fehlt, wenn das Gesetzgebungsverfahren zur Abschaffung durchgeführt wird. Wenn und solange der Berliner Senat und die ihn tragenden Parteien nicht die Kraft finden, die Fehlentscheidung des letzten Jahres zu korrigieren, machen sie einen deutschlandpolitischen Fehler zusätzlich zu dem wissenschaftspolitischen Fehler, den wir voriges Jahr gerügt haben.
({1})
Auch deutsch- deutsche Wissenschaftskontakte und Forschungsinitiativen sollten zur gemeinsamen Kommunikationschance genutzt und wahrgenommen werden.
Die Akademiefrage war und ist mehr als ein Streit um Formen der Organisation von Wissenschaft. Wir Freien Demokraten haben schon in früheren Debatten deutlich gemacht, welchen Stellenwert wir einer Akademie der Wissenschaften einräumen, da die Konzentration auf die Hochschulen, die der Berliner Senat jetzt anstrebt, auch zu einer Einengung von Wissenschaftsarbeit und Wissenschaftsfreiheit führen kann und führt.
Der Regierende Bürgermeister hat in seiner Regierungserklärung das Kapitel über die Wissenschaft mit „Ausstrahlung durch Vielfalt" überschrieben. Die Chancen zur Vielfalt sind seit Öffnung der Grenzen in Berlin größer geworden. Sie zu nutzen ist eine politische Aufgabe, vor der sich niemand drücken sollte. Vielfalt verlangt vielseitiges Denken, vielfältiges Handeln und vielfache Initiativen. Abbau von Mauern kann und darf aber nicht einhergehen mit Abbau von Wissenschaftsinstitutionen. Wir fördern die Vielfalt der Wissenschaften nur dann, wenn wir vielfache Institutionen fordern.
Deswegen appellieren wir heute an den Senat von Berlin, er möge die Kraft finden, seine Fehler von gestern, wenn schon nicht im Licht besserer Argumente, so doch unter dem Feuerwerk deutsch-deutscher Gemeinsamkeit zu überprüfen und zu korrigieren.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Catenhusen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns ja vor zehn Monaten schon einmal in dieser Runde über die Frage unterhalten, warum es diese mißliche Situation um die Akademie der Wissenschaften gibt. Wir von unserer Fraktion haben schon damals darauf hingewiesen, daß diejenigen, die sich jetzt zu Verteidigern hehrer Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit gegenüber der Akademie der Wissenschaften aufwerfen, ihre Prinzipien im Zusammenhang mit der Gründung dieser Akademie selber nicht ernst genommen haben, daß es hier einen Geburtsfehler gibt und daß diejenigen, die unter diesen Umständen das Konzept der Akademie der Wissenschaften betrieben haben, dafür verantwortlich sind, daß sowohl in der Wissenschaftslandschaft Ber14678
lin als auch in der politischen Landschaft Berlin diese Akademie so umstritten ist.
({0})
Alle diejenigen, die jetzt diese Forderung stellen, hätten sich darum kümmern müssen, Herr Lüder, vor der Gründung der Akademie der Wissenschaften genau diesen wissenschaftspolitischen, wissenschaftlichen und politischen Konsens über die Akademie auszuloten.
({1})
Man hat nun ein halbes Jahr lang geglaubt, dieses Problem durch Umzug der Akademie nach Hessen lösen zu können. Ich sage ganz deutlich: Wenn dieser Umzug nach Hessen ein wirklicher Neuanfang in der Sache gewesen wäre, dann hätte ich mir vorstellen können, daß die Sozialdemokraten in Hessen diesem Neuanfang zugestimmt hätten. Aber es ging doch eigentlich mehr darum, die falschen Strukturen der Akademie im hessischen Exil zu bewahren, nicht um einen Neuanfang, d. h. eine Akademie der Wissenschaften mit für die Wissenschaftslandschaft Hessen nützlichen Zielen aufzubauen.
Wir können heute darüber historisch noch viel debattieren. Aber ich möchte nur auf ein Argument eingehen, das, Herr Lüder, das einzige neue in dieser Debatte von Ihrer Seite her war.
Zwingt uns die Situation nach dem 9. November, diese Frage neu zu überdenken? Ich kenne Wissenschaftler, die an der Akademie der Wissenschaften in der DDR arbeiten. Die sagen mir, daß die Frage, was aus der Akademie der Wissenschaften in der DDR wird, völlig ungeklärt ist. Denn diese Akademie der Wissenschaften übernimmt z. B. auch Aufgaben, die heute bei uns von der Deutschen Forschungsgemeinschaft wahrgenommen werden. Wir werden vor einer völligen Umstrukturierung des DDR-Wissenschaftssystems stehen, bei der auch die Akademie der Wissenschaften ihre jetzige Stellung verlieren wird. Das ist meine Prognose. Müssen wir, weil es eine Akademie der Wissenschaften in der DDR gibt, die einen Counterpart in der Bundesrepublik sucht, diesen Counterpart bestehen lassen oder durch diese Akademie der Wissenschaften in West-Berlin erst schaffen? Ich glaube, auf Grund der ungeklärten Situation der Akademie der Wissenschaften in Berlin ({2}) ist dies falsch. Zweitens scheint doch der verdeckte Anspruch durchzuschimmern, als könnte diese Akademie der Wissenschaften ersatzweise die Funktion einer nationalen Akademie der Wissenschaften für die Bundesrepublik Deutschland erfüllen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Diesem Anspruch wird die Akademie der Wissenschaften in Berlin, bis auf den Ort ihres Zustandekommens, in keiner Weise gerecht. Wir sind auch nicht der Meinung, daß wir eine solche Tendenz unterstützen sollten.
Letzter Punkt. Sie haben davon gesprochen, daß wir gerade in der jetzt offenen deutsch-deutschen Situation ein verstärktes Besinnen auf wissenschaftliche Vielfalt brauchen. Das ist richtig, meine Damen und Herren. Nur, dies gilt auch für die Struktur der Akademie der Wissenschaften in Berlin. Da das Prinzip der wissenschaftlichen Vielfalt meiner Ansicht nach gerade in dem gesellschaftspolitisch sensiblen Feld der Technikfolgenabschätzung nicht dem Zustandekommen dieser Akademie zugrunde lag, sollten wir diese Frage niedriger hängen. Wir sollten überlegen, ob es nicht andere Lösungen gibt, die sinnvollen Anliegen der Akademie der Wissenschaften weiterzuführen, z. B. in einer privatrechtlichen Form, anstatt diesen Grundsatzstreit heute nutzlos weiter auszutragen.
Danke schön.
({3})
Herr Abgeordneter Lenzer ist der nächste.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich solidarisch erklären und inhaltlich voll teilen, was der Kollege Lüder hier vorgetragen hat.
Ich bedaure es, Herr Kollege Catenhusen, daß Sie sich bei Ihrer Argumentation wieder in Grundsatzauseinandersetzungen verwickelt haben - Sie schienen sich dabei aber nicht sehr wohl zu fühlen - , statt das Kooperationsangebot, das ich für die Fraktion der CDU/CSU ausdrücklich unterstreichen und bekräftigen möchte, zu ergreifen. Es ist doch heute überhaupt nicht mehr der Punkt, die Schlachten etwa vom 15. März 1989 in der ersten Aktuellen Stunde, als wir uns damit beschäftigt haben, zu wiederholen.
({0})
So kommen wir doch nicht weiter. Jetzt geht es doch vielmehr darum: Wie kann in einer veränderten deutsch-deutschen oder innerdeutschen Situation - wie Sie wollen - die Akademie der Wissenschaften zu Berlin ihren unverwechselbaren Beitrag leisten?
Wenn der Bundeskanzler z. B. in seiner ZehnPunkte-Erklärung darauf verweist, daß auch der Wissenschaftsaustausch zwischen den beiden deutschen Staaten ein wichtiges Kooperationselement sein kann, dann, meine ich, sollten wir das doch berücksichtigen. Insofern ist das noch einmal eine Chance. Ich bekräftige den Appell des Kollegen Lüder an den Senat von Berlin, und die Frau Senatorin wird sich sicherlich dazu äußern.
Wir sind mit unserer Arbeitsgruppe, der Arbeitsgruppe Forschung und Technologie der CDU/CSU-Fraktion, gerade vorgestern in der Akademie der Wissenschaften der DDR gewesen und haben dort sehr intensiv über die Frage der möglichen Kooperation gesprochen. Ich kann Ihnen nur mitteilen, daß von dieser Seite eine sehr große Bereitschaft zu Kooperationen gesehen wird und bedauert wird, daß die Gesprächskontakte, die einmal bestanden, auch zum Senat von Berlin, in der Zwischenzeit wieder eingeschlafen sind.
Die Kontakte der Wissenschaftler untereinander sind natürlich nie abgerissen, wie sie ja immer ziemlich problemlos zumindest in diesem Bereich bestanLenzer
den haben, von einigen Negativausnahmen einmal abgesehen. Dort ist man sehr offen für Kooperationen. Man wäre wahrscheinlich sehr enttäuscht, wenn unsere Seite, d. h. wenn der Senat von Berlin diese offene Tür zuschlagen würde.
Ich möchte an dieser Stelle im Gegensatz zu Ihrer Auffassung, lieber Kollege Catenhusen, ein Wort des Dankes an die hessische Landesregierung richten. Das war ja nicht der Versuch, Berlin irgendwie das Wasser abzugraben, sondern das in der damals gegebenen Situation durch den Ministerpräsidenten und auch den hier anwesenden Wissenschaftsminister, Dr. Gerhardt, dem ich für seine Bemühungen ausdrücklich danken möchte, gemachte Angebot, die wissenschaftliche Weiterarbeit dieser Akademie zunächst einmal zu retten.
({1})
Daß heute vor dem Hintergrund der innerdeutschen Entwicklungen natürlich ein völlig neues Signal gesetzt werden müßte,
({2})
brauche ich in bezug auf das, was übrigens auch Sie, Herr Kollege Gerhardt, in der Debatte an diesem Pult zur Deutschlandpolitik gesagt haben, überhaupt nicht zu wiederholen. Ich kann das bekräftigen.
Die Berliner Akademie der Wissenschaften hat ihre besondere Aufgabe immer darin gesehen, in der Wissenschaftskooperation mit der DDR, mit der UdSSR, mit den Staaten des Ostblocks, wo sich die Dinge im politischen Bereich ausgesprochen schwierig gestalten, aktiv zu werden. Sie wissen doch selbst, meine Kollegen von der SPD-Fraktion, daß die Wissenschaftler uns vom Forschungsausschuß immer wieder auf ihre guten Kontakte zu der anderen Seite hingewiesen haben. Wir sollten jetzt nicht, verehrte Kollegen, in einem Ideologiestreit verhaftet bleiben. Es ist doch absurd, uns den Vorwurf zu machen, das Kuratorium sei politisch einseitig ausgerichtet. Ich nenne nur einmal die Namen Edzard Reuter, der Kollege Rappe von der Gewerkschaft IG Chemie usw. usf. ; ich könnte das jetzt so fortführen. Dies stimmt doch alles nicht.
({3})
Ich möchte an den Regierenden Bürgermeister, stellvertretend an Sie, verehrte Frau Senatorin, die dringende Bitte richten: Ziehen Sie dieses Gesetz zurück, das sich im Moment im Gesetzgebungsverfahren des Berliner Abgeordnetenhauses befindet! Nehmen Sie davon Abstand, die Berliner Akademie der Wissenschaften aufzulösen! Versuchen Sie vielmehr - ich biete das genau wie der Kollege Lüder an - mit uns gemeinsam, hier den neuen Entwicklungen in der innerdeutschen Situation Rechnung zu tragen! Das Gesetz hat sich wirklich erledigt, wenn sich überhaupt etwas erledigt hat. Ich möchte Ihnen namens der CDU/CSU-Fraktion noch einmal ausdrücklich unsere Hilfe bei der Überwindung dieses Engpasses anbieten.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Briefs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalition nutzt gegenwärtig offenbar jede Gelegenheit für den Wahlkampf. Nichts eignet sich dazu allerdings schlechter als die Berliner Akademie der Wissenschaften.
Bevor ich mich mit der Wissenschaftspolitik der regierenden Koalition, für die die Akademie irgendwie steht, auseinandersetze, nur eines zum Wahlkampf und an die Adresse der FDP. Jeder Versuch, SPD und AL in West-Berlin auseinanderzutreiben, wird scheitern, solange sich der SPD/AL-Senat in Berlin an die Vereinbarungen hält, die zum Abschluß der Koalition von SPD und AL in Berlin geführt haben.
({0})
Doch nun zur Wissenschaftspolitik. Die Wissenschaftspolitik der CDU/CSU und der FDP ist elitär, wirtschaftsorientiert und kapitalabhängig, bürgerfern und undemokratisch. In bestimmten Aspekten ist sie geradezu parasitär. Kaum etwas belegt das besser als die Berliner Akademie der Wissenschaften und das krampfhafte Festhalten der Regierungskoalition an dieser Akademie. Mitglieder der Akademie sind ein geradezu handverlesener Kreis von Repräsentanten von Staat, Großwirtschaft und konservativ geprägter Wissenschaft. Vertreter der Betroffenen, der kritischen Wissenschaft, Querdenker sucht man vergebens. Was haben Wirtschaftsführer wie der Großkonzernschmied Edzard Reuter von Daimler-Benz oder Marcus Bierich, Vorstandsvorsitzender der Bosch GmbH - ein Mann im übrigen aus dem kaufmännischen Rechnungswesen; was hat das mit Wissenschaft zu tun - , mit Wissenschaft zu tun, außer daß sie die Wissenschaft für ihre umweltzerstörende wirtschaftliche Konzentrations- und Wachstumspolitik einsetzen und mißbrauchen? Und wenn sie etwas damit zu tun hätten: Warum sind dann nicht auch z. B. demokratisch gewählte Vorstandsmitglieder der Gewerkschaften Mitglieder der Akademie, der Gewerkschaften, in denen sich Millionen von Arbeitern, Angestellten und Beamten zusammengeschlossen haben,
({1})
um sich u. a. gegen die unsozialen Folgen der Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in diesem Konzern und in der sonstigen Wirtschaft zur Wehr zu setzen?
Ein Skandal allerersten Ranges ist aus unserer Sicht die geringe Berücksichtigung von Frauen. Gerade etwa 10 v. H. der Akademiemitglieder sind Frauen. Die Akademie ist ein fast reiner Männerladen. Zudem: Unter nicht ganz so konservativen Wissenschaftlern hat sich längst herumgesprochen, daß wissenschaftliche Leistung ein gemeinsames Produkt mehrerer, wenn nicht sogar vieler kooperierender Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind. Auch Arbeiterinnen und Arbeiter haben ihren Anteil daran.
„Cäsar besiegte die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch dabei?", so fragt Bertolt Brecht.
({2})
So elitär und in der Struktur hierarchisch wie die bürgerliche Geschichtsschreibung und das Militär ist auch die Akademie der Wissenschaften angelegt. Von einer umfassenden Mitbestimmung der Wissenschaftlerinnen und der Beschäftigten ist deshalb bei der Akademie auch keine Rede. Es kommt hinzu, daß die Mitglieder der Akademie, die aus Großforschungseinrichtungen kommen, eher Manager und nur noch in geringem Maße in der Regel vor Ort und im Feld forschende Wissenschaftler sind. Und wie werden diese Patriarchen und Hierarchen berufen? Vom Senator für Wissenschaft und Forschung und auf Lebenszeit. Es wird noch nicht einmal versucht, den Anschein demokratischer Legitimation zu schaffen.
Zu einem Zeitpunkt, wo sich in der DDR wissenschaftliche Institutionen demokratisieren, wird in West-Berlin und in der BRD mit dem Festhalten an dieser Akademie und an einer elitären, hierarchischen, wirtschaftsabhängigen Wissenschaftspolitik versucht, den Muff unter den Talaren von tausend Jahren wieder hochkommen zu lassen. In einer Zeit, in der in der DDR Wissenschaftler und wissenschaftliche Einrichtungen eine führende Rolle in der Reformbewegung der Bevölkerung übernommen haben, soll mit der Akademie der Wissenschaften in West-Berlin die Wissenschaftspolitik in der BRD noch konservativer werden,
({3})
soll die Wissenschaftspolitik noch mehr auf Verharrung in den unheilvollen Mechanismen der kapitalistisch-industriellen und von wenigen Großkonzernen beherrschten Zwangswachstumsgesellschaft getrimmt werden, sollen die Notwendigkeiten des vernünftigen Umgangs mit natürlichen Ressourcen, menschlicher Arbeits- und Schöpferkraft noch mehr den Imperativen der Wirtschaft und der Profitmacherei unterworfen werden. Zu einer Zeit, wo sich die Wissenschaft in der DDR durch ihre Beteiligung an der Reformbewegung vielleicht sogar selbst die Legitimation durch das Volk verschafft, wird mit der Akademie der Wissenschaften die Notwendigkeit demokratischer Legitimation von Wissenschaft und Forschung in der BRD noch weiter in den Hintergrund geschoben als zuvor. Von einer Rolle, wie sie derzeit Wissenschaftler in der DDR haben, können Wissenschaftler in der BRD sowieso nur träumen.
({4})
Sie werden, auch die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, vom System gut ausgehalten, nicht gerade auf dem Niveau der Industrievorstandsmitglieder, aber immerhin, es reicht, um die Wissenschaft so funktionieren zu lassen, wie das System es haben muß.
({5})
Auch für diese verhängnisvolle systemimmanente ständige Korrumpierung der Wissenschaften steht diese Akademie der Wissenschaften. Aber vielleicht liefert uns die DDR hier zumindest für einen kurzen historischen Augenblick den Hauch eines anderen Modells, einer offenen, von Bürgern und Bürgerinnen nachgefragten, im Dialog weiter vorangetriebenen Wissenschaft, . . .
({6})
Herr Abgeordneter, darf ich Sie eben unterbrechen?
Ich bin gleich zu Ende.
... einer Wissenschaft, die den Menschen bei dringenden Fragen hilft und nicht ihren Ausbeutern, einer Wissenschaft, die dazu beiträgt, die verhängnisvolle Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit einzudämmen und außer Kraft zu setzen.
({0})
Herr Abgeordneter, das war ein Schlußsatz.
Ich meine, wir sind gut beraten, wenn wir dieses Syndrom - letzter Satz, Herr Präsident - von bornierter High-Tech-Begeisterung und konservativer Männergeheimbündelei, wie sie die Akademie der Wissenschaften nun einmal darstellt, unterbinden.
Ich danke Ihnen.
({0})
Das Wort hat der Staatsminister für Wissenschaft und Kunst des Landes Hessen, Herr Dr. Gerhardt.
Staatsminister Dr. Gerhardt ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist bei dieser letzten Wortmeldung klar geworden, welchem Druck, welcher politischen Intoleranz und welchem wissenschaftspolitischen Verständnis sich die SPD in Berlin hat beugen müssen.
({1})
Das macht die Aktuelle Stunde eigentlich erst notwendig, um an die Verantwortlichen den Appell zu richten, auf Grund solcher Motive keine Akademie der Wissenschaften zu schließen. Hier ist ein Stab gebrochen worden über hervorragende Persönlichkeiten. Edzard Reuter und der Hamburger Finanzsenator Krupp empfinden sich ja wohl nicht als Staffage. Es sind ernst zu nehmende Persönlichkeiten, die hochkarätige Beiträge zur gesellschaftlichen EntStaatsminister Dr. Gerhardt ({2})
wicklung der Bundesrepublik Deutschland geleistet haben.
({3})
Ihre Berufung in die Akademie ist gerechtfertigt. Nur politisches Mittelmaß und kleines Karo können jemanden dazu veranlassen, nach dem 9. November ein solches Werturteil über eine Akademie abzugeben.
({4})
Die Akademielandschaft in der Bundesrepublik Deutschland ist vielfältig. Wir haben traditionelle Akademien mit Arbeitsprinzipien, die sie nicht ausreichend in die Lage versetzt haben, sich Themen der Zeit zu stellen. Sie haben ihre Verdienste in anderen Arbeitsbereichen. Die Berliner Akademie hat eine moderne Struktur. Sie hat flexible Arbeitsgruppen. Sie arbeitet zu Themen der Zeit. Es gibt keine politische Kraft in der Bundesrepublik Deutschland, die zum Thema „Automatisierung, Arbeitswelt und künftige Gesellschaft" oder zum Thema „Langfristige Chancen der Sonnenenergienutzung" oder zum Thema „Altern und gesellschaftliche Entwicklung" oder zum Thema „Wissenschaftssprache" die Auffassung vertreten könnte, es sei unnötig, solche Themen zu behandeln, meine Damen und Herren. Ich begrüße es ausdrücklich, daß dies als Themenbereich der Berliner Akademie gesetzt worden ist. Wir könnten noch weitere Fragen zu Themen der Zeit nennen.
Die Berliner Akademie hat die hervorragende Chance, offen zu sein für personellen Wechsel und auch für personelle Ergänzung, im Unterschied zu anderen Akademien, die bei uns arbeiten. Sie bietet als erste Akademie die Chance für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Es müssen nicht nur Persönlichkeiten berufen werden, die ihr Lebenswerk hinter sich hab en. Wir können Querdenker, Nachwuchswissenschaftler, Menschen, von denen wir noch große Leistungen erwarten, durchaus berufen. Die Akademie ist Ergänzungen zugänglich. Sie hat Geburtsfehler, das sei zugegeben,
({5})
aber diese Geburtsfehler können korrigiert werden.
({6})
Wir haben in Hessen den Versuch gemacht, diese Geburtsfehler zu korrigieren. Wir haben ein neues Kuratorium gebildet. Wir haben die Universitäten einbezogen. Der Präsident der Hochschulpräsidentenkonferenz erklärt, mit dem nach der Anhörung geänderten Entwurf, Herr Catenhusen, sei die Zustimmung der hessischen Universitäten sicher. Warum kann denn das Berlin bzw. seine Mehrheit nicht vornehmen? Ich erinnere die sozialdemokratische Opposition daran, daß sie in Berlin die Chance hätte, die Bedingungen im jetzigen Gesetz, die sie als Grund ihrer Ablehnung der Akademie genannt hatte, zu ändern
({7}) und damit der Akademie eine Chance zu geben.
Nein, meine Damen und Herren, man darf sich nichts vormachen lassen. Diese Akademie wird auf Grund ganz kleiner politischer Karos aus der Zeit vor dem 9. November aufgelöst, als in einer Nacht der Koalitionsverhandlungen das Austarieren zwischen dem Thema des Deutschen Historischen Museums und der Akademie dazu geführt hat, die Akademie der Alternativen Liste zur Schließung zum politischen Fraß vorzuwerfen. Das ist der Vorgang, der sich in Berlin ereignet hat.
({8})
Er ist deutschlandpolitisch kleinkariert, er ist wissenschaftspolitisch verfehlt, und er ist für Berlin unvertretbar, meine Damen und Herren.
({9})
Dieses politische Karo ist zu klein, und der Flurschaden ist zu groß.
Hessen - das will ich hier erklären - hält an seiner Einladung fest; es hält die Einladung auch für wissenschaftspolitisch geboten, meine Damen und Herren. Wir wollen es nicht zulassen, daß wegen des politischen Geschmackurteils der Alternativen Liste und mancher Persönlichkeiten in der SPD eine Akademie geschlossen wird, die zur Pluralität der Wissenschaftslandschaft der Bundesrepublik Deutschland und Berlins gehört.
({10})
Wer immer erzählt, daß wir auch Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit ertragen müssen, die entweder der Union oder der FDP querkommen, dem muß ich hier die Frage stellen, ob er nicht auch die politische Kraft aufzubringen hat, ein Gremium weiterarbeiten zu lassen, in dem ihm möglicherweise auf Grund eines Vorurteils politisch die eine oder andere Nase nicht paßt. Der Kern der Schließung Berlins ist das politische Werturteil der Alternativen Liste mit Druck auf den Koalitionspartner, weil ihr Persönlichkeiten in der Akademie nicht gefallen.
({11})
Wo kämen wir in der Bundesrepublik Deutschland hin, wenn wir uns daranmachen würden, Berufungsentscheidungen von Fachbereichen an Universitäten, personelle Berufungsentscheidungen von Akademien, Personalentscheidungen in der Max-PlanckGesellschaft dem politischen Werturteil zu unterwerfen, ob jemand sozialökologisch-moralisch bedeutsamer ist als jemand anders in der Wissenschaftslandschaft?
({12})
Es ist schon das Kernthema, daß noch Zeit zur Umkehr besteht.
Ich wiederhole meine Frage an die Sozialdemokratische Partei, ob sie uns wirklich den tieferen Sinn der Schließung der Akademie der Wissenschaften erklären kann.
({13})
14682 Deutscher Bundestag 11. Wahlperiode Staatsminister Dr. Gerhardt ({14})
Herr Catenhusen, es ist doch eine Ausrede, darauf zu verweisen, daß sich auch die Akademienlandschaft in der DDR ändern muß. Das ist nur natürlich. Akademien haben in diesem System eine ganz andere Funktion gehabt, als wir sie Akademien anheimstellen. Aber das ist doch nicht der Vorlauf und die Konsequenz für die Schließung der Akademie in Berlin, um die wir hier ringen. Sie sollten doch die Geduld aufbringen, den Gesetzentwurf jetzt, nach dem 9. November, in der Beratung mindestens auszusetzen, die weitere deutschlandpolitische Entwicklung abzuwarten und sich darum zu bemühen, vielleicht das bestehende Gesetz in dem Sinne zu korrigieren, wie es die SPD in Berlin bei der Beratung ja erklärt hat.
Auch für die hessische SPD macht es keinen Sinn, den Gesetzentwurf abzulehnen. Frau Riedmüller-Seel hat mir offen erklärt, daß sie, wenn sie es allein machen könnte, einen Gesetzentwurf einbringen würde, wie ich ihn in Hessen eingebracht habe.
({15})
Warum lehnen denn dann Sozialdemokraten ein solches Gesetz ab, meine Damen und Herren?
Der Kern besteht darin, daß eine kleine Koalitionsvereinbarung mit ganz kleinem Karo in einer bestimmten Situation der Berliner Koalitionsvereinbarung getroffen worden ist, um dem Druck der Alternativen Liste nachzugeben, und die SPD nicht die politisch weitsichtige Kraft aufbringt, den 9. November als ein Datum einzubeziehen, das diese alte Koalitionsvereinbarung wirklich als kleines Karo erscheinen läßt.
({16})
Das ist der Kern. Wenn Sie das nämlich könnten, würden Sie der deutschen Wissenschaftslandschaft sagen, daß Sie die Kraft haben, mit der Schließung der Akademie zurückzustehen, ihr angesichts der Notwendigkeiten des 9. Novembers eine neue Chance zu geben.
Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland allen Anlaß, im Zuge der deutschlandpolitischen Entwicklung nicht eine manchen politischen Kräften unliebsame politische Akademie zu schließen, sondern gerade in dieser Entwicklung die Kraft dieser Gesellschaft zu dokumentieren, eine Akademie zu erhalten, die zu Themen der Zeit kontroverse Positionen in die öffentliche Diskussion bringt. Ich fordere die Sozialdemokraten auf, der deutschen Wissenschaftslandschaft nicht dieses traurige Signal zu übermitteln, und ich lasse auch kein Herausreden zu. Es gibt keinen Grund, wegen des Drucks der Alternativen Liste diese hochkarätige Einrichtung zu schließen. Es gibt allen Grund für die Sozialdemokraten in Berlin, das bestehende Gesetz gegebenenfalls zu ändern, aber die Kraft aufzubringen, das richtige deutschlandpolitische Signal zu geben.
Ich teile hier ausdrücklich mit, daß ich vollen Respekt vor der wissenschaftlichen und persönlichen Lebensleistung der Mitglieder der Berliner Akademie habe, und ich wünsche, daß sie weiterarbeiten können.
({17})
Das Wort hat die Senatorin für Bundesangelegenheiten des Landes Berlin, Frau Dr. Pfarr.
Senator Frau Dr. Pfarr ({0}): Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe mir vor dieser Sitzung noch einmal das Protokoll jener Sitzung vom 15. März letzten Jahres durchgelesen, als bereits einmal im Rahmen einer Aktuellen Stunde die Auflösung der Akademie der Wissenschaften zu Berlin hier auf der Tagesordnung stand. Was für eine Aufregung durchzog die damalige Debatte! Welch harte Worte sind da gefallen!
({1})
Von Kulturbarbarei, von Zerstörung der Berliner Wissenschaftsmannschaft, von schallenden Ohrfeigen ist da auf der einen Seite, von Großkapital, Kopfgeburten, subventionierten rückwärtsgewandten Prestigeobjekten auf der anderen Seite die Rede gewesen. Damals wie heute handelte es sich übrigens um eine Angelegenheit, die ausschließlich - ich betone: ausschließlich - in die Zuständigkeit eines Landesparlaments gehört.
({2})
- Das ist ein ganz einfaches Argument. Wenn eine Partei, die bei uns im Abgeordnetenhaus nicht vertreten ist, versucht, hier im Bundestag unsere Landesangelegenheiten zu diskutieren, dann bemerken wir das.
({3})
- Ja natürlich, wir sind bei den Zuständigkeiten von Land und Bund immer formalistisch. Dabei bleiben wir auch und Sie ebenfalls.
({4})
- Nein, das müssen wir nicht, außer im Abgeordnetenhaus.
({5})
Inzwischen hat sich - so hoffe ich jedenfalls - die Erregung gelegt, und der Vorgang kann als das, was er ist, beurteilt werden.
Die Kolitionsfraktionen haben im Abgeordnetenhaus von Berlin einen Entwurf für ein Auflösungsgesetz eingebracht. Der Senat hat dazu Stellung genommen und Änderungsvorschläge für einzelne Bestimmungen gemacht, insbesondere um die Absicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - der wenigen Mitarbeiterinnen und der vielen Mitarbeiter - und der laufenden Forschungsvorhaben mit der notwendigen Eindeutigkeit zu regeln. Übrigens pflegt der Senat nicht die Gesetzentwürfe von Fraktionen des AbSenator Frau Dr. Pfarr ({6})
geordnetenhauses zurückziehen zu können. Dies zu Ihnen, Herr Lenzer.
Der Senat hat vor Abgabe seiner Stellungnahme einen renommierten auswärtigen Wissenschaftler mit einem Gutachten beauftragt. Er sollte unter anderem zu der Frage Stellung nehmen, ob das beabsichtigte Auflösungsgesetz mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art. 5 Abs. 3 GG vereinbar sei; er hat dies bejaht.
({7})
Das heißt, die Auflösung der Akademie der Wissenschaften zu Berlin ist verfassungskonform. Denn wir lösen eine Organisationsform auf und beeinträchtigen nicht die Forschungsprojekte.
({8})
Natürlich ist die Frage legitim, ob angesichts der inzwischen vergangenen Zeit, der vorgebrachten Kritik und der Veränderungen in Ost-Berlin und der DDR die Absicht, die Akademie der Wissenschaften aufzulösen, nicht aufgegeben werde könnte. Es steht sicher einer Regierung gut an, sich Veränderungen nicht zu verschließen, wenn diese den Kern des jeweiligen politischen Handelns treffen.
Die Gründe für die Auflösung der Akademie als öffentliche Körperschaft bestehen aber nach wie vor fort. Sie sind durch die Ereignisse seit dem 9. November nicht entfallen. Ich will sie hier noch einmal nennen: In Berlin mit der Vielzahl seiner Hochschulen und interdisziplinär arbeitenden Forschungseinrichtungen bedurfte und bedarf es nicht dieser Akademie, um interdisziplinäre Forschung zu ermöglichen. All die schönen Projekte, die Herr Kollege Gerhardt genannt hat, können und sollten in den Universitäten betrieben werden.
({9})
Die Akademie hat eine antiquierte Organisationsform. Die in vergleichbaren Einrichtungen geltenden Mitbestimmungsregelungen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen hier völlig.
({10})
Und - für uns ein ganz wesentlicher Grund - angesichts der Überlast, mit denen die Hochschulen konfrontiert sind, müssen die im Land zur Verfügung stehenden Mittel vorrangig dorthin geleitet werden, wo sie am dringendsten gebraucht werden, und nicht in Eliteforschung.
({11}) - Ja, gerne, guter Hinweis, machen wir. ({12})
Es fehlt der Akademie darüber hinaus an einem pluralistisch zusammengesetzten Mitgliederkörper. Ohne die Qualifikation der jeweiligen Mitglieder auch nur in Frage stellen zu wollen, kann eine - ich drücke mich jetzt in der dem Senat eigenen vorsichtigen Form aus - verengte Zusammensetzung nicht ohne Folgen für die Lösung wissenschaftlicher Fragestellungen und Wertsetzungen bleiben.
({13})
Im übrigen zeigen die Diskussion in Hessen und das offenkundige Scheitern einer Übernahme der Akademie durch Hessen ja wohl, daß die Argumente der Kritiker in Berlin nicht an den Haaren herbeigezogen waren; Kollege Gerhardt hat ja soeben einiges eingeräumt.
({14})
Die Auflösung der Akademie als Körperschaft läßt sich durchführen, ohne daß in die Rechte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Mitgliedern eingegriffen wird. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten Beschäftigungsangebote des Landes oder der Universitäten. Sämtliche Forschungsprojekte - zur Zeit sind es 16 mit einer Laufzeit bis 1993 - , also auch die von Ihnen genannten, von uns zum großen Teil hochgeschätzten Projekte, können selbstverständlich zu Ende geführt werden.
({15})
Die entsprechende Förderungszusage für die Landesmittel wird ins Gesetz aufgenommen. Die verwaltungsmäßige Abwicklung der Projekte wird gewährleistet.
Als wesentlicher Grund für die Gründung und Beibehaltung der Akademie ist immer wieder die Katalysatorfunktion in den wissenschaftlichen Ost-West-Beziehungen genannt worden. Schon vor der Öffnung der Mauer, aber erst recht danach gab es bzw. gibt es in Berlin eine Vielzahl von wissenschaftlichen Kontakten und Kooperationen auf allen Ebenen, die vom Senat intensiv unterstützt werden und täglich mehr werden. Dazu bedarf es nicht einer Akademie der Wissenschaften, wie wir sie vorgefunden haben, schon gar nicht einer mit den erwähnten Mängeln. Es bleibt eigentlich nur das Argument, daß der Begriff - ich betone: der Begriff - „Akademie der Wissenschaften" in Osteuropa etabliert ist und es sich dort - anders als bei uns - um eine dominierende Organisationsform in der Wissenschaft handelt.
Wie sich dies in der DDR entwickeln wird, ist bisher noch völlig offen, da die Akademie der Wissenschaften ({16}) keineswegs unumstritten ist und vor tiefgreifenden Strukturveränderungen steht. Niemand hindert sie daran - davor und danach - , die Kontakte mit unseren Universitäten und Mitgliedern unserer Universitäten zu pflegen, was sie auch tun.
({17})
- Täglich.
Es ist - angereget durch ein Interview, das die Senatorin für Wissenschaft und Forschung des Senats von Berlin gegeben hat - über die Frage spekuliert worden, ob sich Akademiemitglieder nach der Auflösung der Körperschaft in einer Einrichtung privater Rechtsform zusammentun könnten.
Senator Frau Dr. Pfarr ({18})
Wir stehen einer solchen Lösung offen und vorurteilslos gegenüber. Das Recht der Vereinigungsfreiheit gilt auch im Wissenschaftsbereich. Für wirkliche Innovation und für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft bietet eine privatrechtliche Lösung viele Vorteile. Wenn sie gelingt, ist auch eine Zusammenarbeit mit dem Land Berlin durchaus vorstellbar, bei der wir dann die von Ihnen heute hier gemachten Kooperationsangebote gern in Anspruch nehmen werden. Aber diese Entwicklung sollte nicht dadurch erschwert werden, daß dieses Hohe Haus die Rolle des Landesgesetzgebers okkupiert.
Vielen Dank.
({19})
Das Wort hat der Bundesminister für Forschung und Technologie.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Die Frau Kollegin Pfarr hat hier darüber gesprochen, daß die Frage eines Akademiegesetzes ausschließlich Landesangelegenheit sei. Rechtlich möchte ich das gar nicht bezweifeln. Aber wir stehen hier in einer sehr umfassenden Diskussion, und so haben wir Berlin in mehreren Debatten seit März letzten Jahres - Herr Catenhusen wies darauf hin - diskutiert.
Es geht wirklich um die Frage des Wissenschaftsstandortes Berlin. Es geht um die Frage, ob seine einzigartigen Chancen in dieser politischen Situation genutzt werden können. Es geht um die Frage, ob die Möglichkeit der Brückenfunktion, die die Akademie der Wissenschaften immer als ihre besondere Aufgabe gesehen hat, hier wirklich ausgefüllt werden kann oder ob dies durch einen Akt des Landesgesetzgebers verhindert wird.
({0})
Hier haben wir wirklich die entscheidende Frage der gesamten Wissenschaftslandschaft Berlin.
({1})
- Ich möchte hier an die Diskussion erinnern, die wir geführt haben. Im Ausschuß und im Plenum ist gesagt worden, daß wir hier mit Problemen in Berlin nicht fertigwürden. Es wurde darüber diskutiert, ob das Hahn-Meitner-Institut eine Zukunft hat, ob Solarenergieprojekte bewilligt werden können, ob der Reaktor rechtzeitig bewilligt werden kann, ob BESSY gebaut werden kann. Bei allen diesen Fragen haben wir in einer intensiven Arbeit zwischen dem Senat des Bundeslands Berlin und der Bundesregierung ausdiskutiert, was wir hier an Lösungen finden. Ich vertraue darauf, daß das, was jetzt vom Senat gesagt worden ist, Bestand hat, daß wir hier im Mai beispielsweise die Genehmigung für den Forschungsreaktor mit einem entsprechenden Sofortvollzug haben nach dem, was das Genehmigungsverfahren leisten kann.
({2})
Aber wenn wir den Standort Berlins mit seinem Glanz und seiner Attraktivität insgesamt erhalten wollen, gerade in den Chancen des Umbruchs, dann gehören hierzu nicht Naturwissenschaft und Technik, sondern ganz genauso die Geisteswissenschaften.
({3})
Frau Kollegin Pfarr, ich folge hier nicht Ihrem Argument, daß wir hier hinreichende andere Institutionen hätten. Wir haben hier genügend - die Kollegen aus dem Forschungsausschuß kennen dies aus jahrelangen Debatten - über die Frage diskutiert, wie hier im Querschnitt Probleme angegangen werden können, wo wissenschaftliche, technische und politische Entscheidungen Orientierungswissen von den Geisteswissenschaften brauchen. Was hier an interdisziplinärer Arbeit in der neuen und einzigartigen Gründung der Akademie der Wissenschaften angelegt worden ist, hat Herr Kollege Gerhardt in einer zutreffenden Weise beschrieben, nämlich die Möglichkeit, in einer Weise, wie es die Universitäten - erst recht nicht unter den Bedingungen der Überlast - nicht leisten können, über die Disziplinen hinweg Probleme des Alterns anzugehen, Umweltstandards zu verstehen, die Frage der Solarenergie und ihrer Integration in wissenschaftlich-technische Systeme aufzuarbeiten, die Möglichkeiten der Einheit der Wissenschaft von Grund auf zu durchdenken.
Hier ist also die Akademie der Wissenschaften nicht etwas, was beliebig ersetzt werden könnte, sondern in ihrem eigenen Recht und ihrer eigenen Qualität kann sie allein eine Leistung bringen, die wir ihr zugetraut haben, die sie sich selbst zugetraut hat und die wir auch zu unterstützen bereit sind.
({4})
Herr Catenhusen, Sie hatten an einer Stelle Ihrer Rede - ich habe jetzt leider nur handschriftlich mitschreiben können, ich würde gern im Protokoll nochmal nachlesen, wie Sie genau formuliert hatten - einen Zungenschlag, der mir ein wenig unheimlich ist.
({5})
Wenn Sie so sprechen, als ob eine unterstellte Gesinnung von Wissenschaftlern Maß für Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit sei, dann sind wir hier in einem Bereich, wo die Diskussion endet, denn der Anspruch der Freiheit der Wissenschaften ist in der Tat, daß ihre Qualität und ihre Brillianz Maßstab sind, nicht aber eine unterstellte Gesinnung Maßstab für ihre Förderung oder gegebenenfalls bei Auflösung der Institution ist. Hier ist man jenseits der Grenzen dessen, was ein vernünftiger Umgang mit Wissenschaft erlaubt.
({6})
Was kann in diesen Wochen getan werden? Es ist ganz offenkundig, daß wir trotz des Angebots, das Hessen hier wiederholt hat, in Berlin einen ausgezeichneten Standort hätten. Wir haben vor zwei Tagen in Ost-Berlin mit Kollegen aus der Humboldt-Universität, aus der Akademie der Wissenschaften geBundesminister Dr. Riesenhuber
sprochen, deren Hunger nach einem Gespräch mit allen wissenschaftlichen Partnern, die sie finden können, beeindruckend ist.
({7})
Ich glaube, daß das, was Albach vorgeschlagen hat, eine gemeinsame Kommission der Akademie der Wissenschaften in Berlin und der Leibniz-Akademie in Ost-Berlin, ein ganz ausgezeichneter Vorschlag ist, und ich hoffe sehr, daß sich diese Gespräche so fruchtbar und tragfähig entwickeln, wie sich das jetzt hier zeigt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte schließlich die Überlegung zu einer privatrechtlichen Form aufgreifen. Ich bin bereit, über alles nachzudenken, was der Sache dient, aber wir müssen von dem ausgehen, was Akademien in klassischer Weise sind. Sie haben eine Tradition als Institutionen der Länder, sie sind als öffentlich-rechtliche Körperschaften organisiert, sie haben in dieser Tradition als öffentlich-rechtliche Körperschaften ihre Rolle in unserem Wissenschaftssystem, nicht etwa als private Organisationen, sondern in dem Maß an Freiheit und den Voraussetzungen, auch im Finanziellen, die der Staat schaffen kann.
Wenn hier der Berliner Senat bei einer solchen Körperschaft einen neuen Weg sucht, bin ich bereit, über jede Möglichkeit zu sprechen, um eine gute Sache zu erhalten und weiterzuentwickeln. Ich würde gerne hören, welche Vorschläge der Senat von Berlin in ein Gespräch bringt. Es ist die Sache des Senats, der in der Weise, wie Frau Pfarr es beschrieben hat, Zuständigkeiten hat und Zuständigkeiten auf sich selbst bezogen hat.
Wir sind bereit - wir haben das in den vergangenen Jahren bewiesen - , alles zu tun, was wir können, um die Attraktivität des Wissenschaftsstandortes Berlin zu erhalten, und zwar in Geisteswissenschaften, in Naturwissenschaften, in der Technik, aber auch in ihrem Zusammenspiel in einem System, das nur zu einer gesamten Verantwortung führt.
({8})
Herr Briefs, ich kann hier nicht diese bornierte High-Tech-Begeisterung, die Sie festgestellt haben, erkennen. Ich kann feststellen, daß nur an wenigen Stellen mit einer solchen Sorgsamkeit und so umfassend an Querschnittsprobleme von Naturwissenschaften und Technik in einer sehr sensiblen Gesellschaft herangegangen wird wie dort. Ich hätte eigentlich erwartet, daß diese Fragen gerade von Ihnen, von den GRÜNEN, unterstützt werden. Sie sind dies hier eindeutig angegangen. Ich möchte insofern dem, was Herr Gerhardt gesagt hat, nichts hinzufügen.
({9})
Ich möchte doch sehr herzlich bitten, daß sich der Senat in Berlin überlegt, welche Möglichkeiten wir schaffen können. Wir haben hier finanziert, und wir sind auch bereit, weiterhin mitzufinanzieren. Die Möglichkeiten, die wir bis jetzt erkannt haben, lagen in der Projektfinanzierung. Hier sind wir in einer bekannten Weise großzügig herangegangen. Wir sind dazu auch in Zukunft bereit.
Alles, was die Möglichkeit gibt, die Akademie in Berlin weiterzuerhalten, weiterzuentwickeln und zu einem glanzvollen Ausweis des Wissenschaftsstandortes Berlin zu machen und als Signal von Freiheit und Liberalität, wie es Berlin immer als Signet getragen hat, auszuweisen, werden wir gerne unterstützen. Eine solche Freiheit ist immer eine Freiheit für alle. Nicht nur Linke haben Rechte.
({10})
Insofern sollte sich die Bereitschaft des Senats von Berlin zu Freiheit und Liberalität erweisen.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Weisskirchen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, der Grundfehler, der gemacht worden ist, ist genau vor drei Jahren geschehen, indem der damalige Senator Kewenig ganz deutlich beschrieben hat, warum denn diese Akademie der Wissenschaften zu Berlin überhaupt gegründet werden solle. Er hat nämlich nicht nur, wie Herr Turner, gesagt, sie sei das Glanzlicht der 700-Jahr-Feier, sondern er hat hinzugefügt, sie soll eine ganz bewußte Konfrontation gegenüber der Hochschulreform der siebziger Jahre sein.
({0})
Das ist der Punkt, und so ist das Ganze auch konturiert worden. Sie können doch bitte schön noch einmal das Jahrbuch 1988 der Akademie der Wissenschaften zu Berlin zu Rate ziehen und einmal hineinschauen. Ich habe das getan. Sie können das an dieser Stelle nachlesen.
({1})
Ein Argument von denen, die Sie angeführt haben, Herr Riesenhuber, schien mir doch etwas zweischneidig zu sein. Ich würde Sie bitten, noch einmal genau auf die Hochschul- und Wissenschaftslandschaft von Berlin zu blicken. Sie kennen sie doch sehr gut. Es gibt eine Reihe von Max-Planck-Instituten; es gibt das WZB; es gibt die Universitäten; es gibt die Hochschulen. Es gibt keine so leistungsfähige, keine so auf die Leistung von Wissenschaft hin orientierte regionale Landschaft von Wissenschaft und Hochschulen wie gerade in Berlin, die in der Lage ist, die Fragen der Zeit so aufzugreifen, wie das gerade in Berlin der Fall ist. Warum - das muß man doch fragen - ist dazu dann zusätzlich noch einmal eine Akademie der Wissenschaften notwendig? Das ist die Kernfrage, die zu beantworten sich lohnt. Da sind wir anderer Auffassung.
Weisskirchen ({2})
Noch ein anderes Argument, das Sie herangezogen haben, hat mit der Ost-West-Verklammerung von Berlin zu tun. Ich finde, das ist ein gutes Argument. Man muß es prüfen. Man muß sich fragen, inwiefern diese Wissenschaftseinrichtungen von Berlin, Hochschulen und Universitäten, zu einer Katalysatorfunktion zwischen Ost und West führen können. Das ist das einzige neue Argument, das Sie jetzt herangezogen haben.
Dann müssen Sie sich aber doch bitte auch die Entwicklung der Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin genauer anschauen. Schauen Sie, warum gibt es gerade dort jetzt die Debatte darüber, daß wesentliche Anteile beispielsweise von Forschungssektionen der Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin an die Hochschulen zurückverlagert werden sollen? Warum wird diese Debatte dort geführt? Genau aus dem gleichen Grund, aus dem es bei uns viele gibt, die sagen: Wir wollen keine zusätzlich auf die Hochschullandschaft aufgepfropfte Akademie der Wissenschaften, weil wir der Auffassung sind, daß die Kraft der Universitäten und Hochschulen gestärkt werden muß. Zusätzliche Leistungen, die das Hochschulsystem selber entwickeln muß, sollen nicht aus diesem Hochschulsystem herausgenommen werden und in Überbehörden, in zusätzliche Behörden wie solche Akademien verlagert werden. Das ist die zentrale Frage.
({3})
- Schauen Sie, Herr Lummer, es geht mir gerade nicht um Ideologie. Dem Herrn Kewenig ging es um Ideologie,
({4})
als er diese Akademie der Wissenschaften begründen wollte. Das war der zentrale Punkt,
({5})
und ich würde Sie, Herr Lummer, herzlich bitten: Lesen Sie die vier Begründungen, die Herr Kewenig in diesem Jahrbuch gegeben hat, noch einmal nach.
({6})
Dazu will ich durchaus sagen, daß man das aus einem konservativen Verständnis heraus, also unter Ihren Gesichtspunkten, akzeptieren kann. Man kann sich auch darüber unterhalten, ob denn solche Gründungen notwendig und sinnvoll sind. Dagegen bin ich nicht, und ich denke, daß man sich durchaus Situationen vorstellen kann, in denen solche Gründungen sinnvoll sind. Nur dürfen sie nicht mit einem ideologischen Anspruch daherkommen,
({7})
sie dürfen nicht gegen Reformen gerichtet sein. Sie
sind dann nicht akzeptabel, wenn sie in ihren inhaltlichen Strukturen nicht auf Demokratisierung angelegt sind, sondern auf das Kooptationsprinzip. Herr Gerhardt, Sie haben diese Debatte ja gerade auch in Hessen geführt, und es gab ja einige Ergebnisse, die dazu geführt haben, daß die Sozialdemokraten und auch Sie Ihre Überlegungen in diesem Punkt verändert haben.
Wenn wir aus dieser Debatte die Schlußfolgerung ziehen könnten, daß wir uns überlegen, ob nicht eine andere Form, ob nicht eine neue Form von Akademie der Wissenschaften in West-Berlin möglich werden kann, kann ich mir gut vorstellen, daß die Sozialdemokraten darüber auch noch einmal neu mit ihrem Koalitionspartner diskutieren.
({8})
In dieser Debatte sollten wir versuchen, die Geburtsfehler zu vermeiden, die damals von Herrn Kewenig ideologisch angelegt worden waren, und sollten uns vielleicht überlegen, ob wir nicht zu neuen Erwägungen kommen. Die GRÜNEN würde ich herzlich bitten, sich dem nicht zu verschließen.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mahlo.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Vorredner, der Herr Kewenig ist alles mögliche, nur eines nicht: Ideologe.
({0})
Ideologen sind Leute, die den Versuch machen, die Wirklichkeit zu verbiegen, bis sie unter ihre Theorie paßt.
Das Problem ist ja, daß der Vorsatz der rot-grünen Koalition in Berlin, aus der Teilstadt Berlin eine Art Provinzidylle zu machen - Motto: die Großstadt ist ein Blumenbeet - , in den letzten Monaten bekanntlich von den Realitäten in Deutschland eingeholt worden ist.
({1})
Nun haben wir eine neue Situation, und man könnte an sich erwarten, daß man in einer neuen Situation eine Koalitionsvereinbarung, die man unter ganz anderen Bedingungen getroffen hat, nun nicht stur abhakt, sondern über sie noch einmal verhandelt. Aber davon ist offenbar nicht die Rede.
Die Behauptung, Berlin habe nicht die 6 Millionen DM für diese Akademie, ist angesichts eines Etats der Universität von 1,3 Milliarden und angesichts der Mittel, die die Akademie selbst einspielt, eine Ausrede.
({2})
Sehr verehrte Frau Pfarr, die Behauptung, die Aufgaben der Akademie mit ihrer Konzentration hochrangiger Wissenschaftler, die interdisziplinär und grenzübergreifend arbeiten, könnten auch von der anonymen Massenuniversität des Typs, wie es ihn in Berlin gibt, mit erledigt werden, ist eine Illusion. Nach dem, was Sie hier gesagt haben, möchte ich sogar meinen: Es ist eine Zumutung, diese Behauptung aufzustellen.
({3})
Die Auflösung einer der wichtigsten akademischen Neugründungen der Nachkriegszeit
({4})
in der augenblicklichen Situation des Neubeginns und des Aufbruchs in Deutschland ist von niemandem in Deutschland mehr zu begreifen.
Nun wissen wir natürlich, daß der Gegenstand Akademie der Wissenschaft nicht in Fünf-Minuten-Beiträgen, parteipolitisch gefärbt, abgehandelt werden kann. Es ist nun einmal so, daß die Dämonisierung dieser Einrichtung von Ihrer Seite erfolgt ist, daß sie als konservative Eliteakademie oder sogar als parasitär stigmatisiert wurde.
({5})
Dann soll man sich nicht wundern, wenn andere die Antworten hierauf nicht schuldig bleiben.
Bekanntlich hat die Akademie inzwischen eine internationale Zusammenarbeit mit etwa 20 anderen Akademien, darunter insbesondere mit der UdSSR, aufgebaut. Bekanntlich hat die Akademie der Wissenschaften in der DDR eindeutig noch in den letzten Tagen ihr Bedauern darüber ausgesprochen, daß die Akademie West-Berlin in Frage gestellt wird.
Der wissenschaftliche Parlamentsdienst des Abgeordnetenhauses in Berlin hat, wie Sie ebenfalls alle wissen, die Auflösung der Akademie in der Form, wie es der Senat jetzt vorhat - die Unterscheidung zwischen Senat und Fraktion empfinde ich, Frau Pfarr, nun wirklich als künstlich -, schlicht für verfassungswidrig erklärt.
({6})
- Der Wissenschaftsdienst hat sie als verfassungswidrig erklärt.
Wenn die gegenwärtige SPD/AL-Koalition sachliche Einwände gegen die Struktur oder gegen die Arbeitsweise hätte und diese vortragen würde, könnte man sich selbstverständlich über Reformen unterhalten; das ist hier heute mehrfach gesagt und mehrfach angeboten worden. Aber davon ist natürlich nicht die Rede. Indem die Vernichtung der Akademie unbeirrt
- auch nach den politischen Umwälzungen in Deutschland - weiterbetrieben wird, zeigt sich, daß es sich um eine rein politisch motivierte Aktion handelt.
({7})
Für die Sozialdemokraten war es ein Bauernopfer auf dem Altar der rot-grünen Koalition, und für die GRÜNEN bzw. die AL geht es schlicht um Ideologie.
({8})
Die Konzentration von unabhängigen Persönlichkeiten und Spitzenwissenschaftlern, die sich ihre Themen selber stellen und die - wie in allen großen Akademien der westlichen Welt, Herr Briefs - das Recht auf Selbstergänzung ausüben, ist für Sie die Verkörperung des Feindbildes schlechthin.
({9})
Diese Auflösung symbolisiert den Haß der GRÜNEN auf alles, was im Verdacht steht, nicht ausreichend nivellierbar zu sein. - Das ist das Problem.
Ich danke Ihnen.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Jäger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 9. November 1989 hat die Geschäftsgrundlage des Koalitionsbeschlusses in Berlin zur Vernichtung der Akademie der Wissenschaften zerstört, und wir stellen fest, daß die die Berliner Koalition tragenden Parteien davon keine Notiz nehmen.
Dieser Beschluß nimmt keinerlei Rücksicht darauf, daß sich jetzt nicht nur die Möglichkeiten einer innerdeutschen Kooperation anbieten, sondern auch ein großes Interesse an einer solchen Zusammenarbeit in anderen Ländern besteht. So hat etwa Professor Martschuk von der Moskauer Akademie der Wissenschaften großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften in Berlin bekundet. Auch das interessiert sie offensichtlich nicht.
({0})
Das, was hier gemacht wird, ist ein Anschlag - das wiederhole ich, auch wenn es schon mehrere vor mir gesagt haben - auf die Freiheit von Wissenschaft und Forschung in der Bundesrepublik Deutschland und damit ein klarer Verstoß gegen Art. 5 des Grundgesetzes.
Wenn dies von GRÜNEN verlangt wird, dann habe ich zwar kein Verständnis dafür, aber mir ist klar, daß bei dem außergewöhnlich merkwürdigen Verhältnis, daß DIE GRÜNEN zu bestimmten Teilen der Verfassung und des Grundgesetzes haben, immer wieder Vorstöße gegen das Grundgesetz kommen; daran hat man sich hier im Haus, meine ich, gewöhnt.
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Aber daß die SPD diese GRÜNEN-Versuche, an unserem Grundgesetz als Mauerspechte zu arbeiten, mitmacht und mitspielt, das ist etwas außergewöhnlich Bedauerliches.
Herr Kollege Catenhusen, wenn Sie sagen, die Akademie der Wissenschaften ist dem Anspruch nicht gerecht geworden, der an wissenschaftliches Niveau oder wissenschaftliches Profil zu stellen ist - entschuldigen Sie vielmals, aber das finde ich eine außergewöhnliche Anmaßung. Die Akademie konnte doch noch gar nicht lange genug arbeiten. Sie können das doch nicht im Ernst behaupten.
Wenn Sie meinen, daß schon die ganze Anlage der Akademie falsch gewesen sei, dann muß ich Sie fragen: Wer waren denn die Gründungsväter? Herr Weisskirchen, im Zusammenhang mit der Ideologie, von der Sie gesprochen haben: Ist denn da der Herr Altbundeskanzler Schmidt jener böse Ideologe?
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Oder ist Edzard Reuter, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und Vorstandsvorsitzender eines der größten deutschen Unternehmen, jener böse Ideologe, der hier seiner eigenen Partei eine Akademie mit elitärem Anspruch in den Pelz setzen wollte?
Meine Damen und Herren, Edzard Reuter hat doch mehr Verstand als der ganze Berliner Senat zusammengenommen! Der kann doch wahrhaftig von Ihnen nicht als ein Mann angesehen werden, der hier Ideologien aufbaut.
Wenn Sie den Vergleich zur Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin ziehen: Wir haben mit denen gerade vor wenigen Tagen Gespräche geführt. Dabei hat sich herausgestellt, daß auch die sich zu ganz bedeutenden Teilen aus der Auftragsforschung von seiten der Industrie in der DDR finanzieren. Es kann gar keine Rede davon sein, daß hier eine reine Akademie der Grundlagenforschung besteht.
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Meine Damen und Herren, ich verstehe folgendes nicht. Frau Senatorin Pfarr hat hier gesagt: Laßt uns doch privat weitermachen; das prüfen wir gern. Aber Sie wissen doch ganz genau: Wenn das privat weitergemacht wird, dann wird der Anteil der von der Industrie in Auftrag gegebenen Forschungen größer und nicht kleiner, weil es dann nur so zu finanzieren ist.
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Damit schlagen Sie doch die Argumente Ihrer eigenen Genossen tot; denn die Grundlagenforschung, um die es Ihnen geht, wird auf diese Weise sicherlich nicht gestärkt werden können, sondern das kann nur ein Notbehelf sein, wenn es denn so sein muß.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich rufe Ihnen zu: Kehren Sie um auf diesem Weg der Gängelung und Knebelung von Wissenschaft und Forschung. Arbeiten Sie mit uns zusammen an einer neuen vernünftigen Lösung für dieses für die deutsche Wissenschaft und Forschung so außergewöhnlich wichtige Projekt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Diederich ({0}).
Meine Damen und Herren! Herr Jäger, ich wäre dankbar, wenn Sie mir gelegentlich die Fundstelle für die Akademie im Grundgesetz, in dem ich immer sehr gern blättere, nennen würden.
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Es sind nicht viele neue Argumente gekommen. Das einzige neue Argument kam von Herrn Gerhardt, der gebeten hat, doch den 9. November als Anlaß zum Überdenken zu nehmen. Vielleicht könnten wir in das Überdenken auch das Deutsche Historische Museum einbeziehen und den Bundeskanzler bitten, auch darüber noch einmal nachzudenken. Dann haben wir wieder eine gemeinsame Diskussionsebene.
Ich sehe nicht, daß die vielfältige Wissenschaftslandschaft in Berlin, Herr Minister, durch organisatorische Veränderungen im Bereich der Akademie gefährdet ist. Das haben Sie auch selbst bestätigt. Wir haben die Freie Universität und die Technische Universität, die überragende interdisziplinäre sozialwissenschaftliche Arbeit leisten; wir haben das Wissenschaftszentrum, das auf dem Gebiet der Sozialwissenschaften in der Welt anerkannt ist. Wir haben darüber hinaus das Wissenschaftskolleg. Ich denke ferner an das Institut für Produktionstechnik, an die MaxPlanck-Institute. Das brauche ich hier nicht alles aufzuzählen, das kennen Sie.
Ich meine, es ist eine unnötige Dramatisierung vorgenommen worden, da der Senat - aus welchen Überlegungen auch immer - zu organisatorischen Veränderungen kommt. Ich stelle noch einmal fest: Die Akademie der Wissenschaften in West-Berlin war mit schweren Geburtsfehlern behaftet, um nicht zu sagen: Sie war eine Fehlkonstruktion.
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Es wäre klug gewesen, wenn der Akademiepräsident Professor Albach, der ja den Umzug nach Hessen auch von einem Allparteienkonsens abhängig gemacht hatte, bei der Annahme der Berufung an die Akademie selbst auf diese Unterlassung hingewiesen und darauf bestanden hatte, daß zunächst einmal der Allparteienkonsens hergestellt wird. Dann hätte es etwas länger gedauert, aber wir wären heute wahrscheinlich weiter.
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Lassen Sie mich nur noch eines sagen: Herr Diepgen ist unter anderem deswegen als Regierender Bürgermeister abgewählt worden, weil den Berlinern die Politik der kostspieligen Aushängeschilder, mit denen die 750-Jahr-Feier drapiert wurde, angesichts der drängenden Probleme, z. B. der Wohnungsnot und der Studienplatzsituation, schlicht auf den Senkel ging, wie man in Berlin sagt. Die Tage der Jubiläumsfeiern sind vorbei. Vielleicht können wir dann auch
Dr. Diederich ({3})
das vergoldete Ladenschild „Akademie" zur Seite tun.
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Ich möchte nicht noch einmal ausführlich wiederholen, was der Kollege Weisskirchen schon gesagt hat. Wer eine wissenschaftliche Körperschaft gründet, die er fast ausschließlich mit Leuten einer politischen Richtung besetzt - lassen wir einmal das Kuratorium heraus und sehen wir auf den wissenschaftlichen Körper - und die Erneuerung der Kooptation überläßt, darf sich nicht wundern, wenn seine Nachfolger etwas andere Vorstellungen haben. Die Akademie war der Ausdruck einer bestimmten hochschulpolitischen Linie - Herr Kewenig hat das deutlich gesagt - der frühen 80er Jahre mit der Tendenz - Herr Jäger, hören Sie zu - der Verlagerung der Forschung aus den Universitäten.
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- Herr Jäger, die Gründung der Akademie war sozusagen eine Gegenreform - Herr Kewenig hat das mehrfach gesagt - , die von der altbekannten Notgemeinschaft für eine Freiheit von der Universität gesteuert war. Hier sollten Pfründe geschaffen werden. Ich denke, man muß das korriegieren können.
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Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal auf den zentralen Punkt hinweisen. Herr Albach möchte die Akademie in den wissenschaftlichen Ost-West-Beziehungen mit einer Katalysatorfunktion versehen. Das wollen heute alle; jeder spricht davon. Man muß es nur machen.
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Ich denke, gerade nach dem 9. November wird eine besondere Institution dafür nicht gebraucht. Es bestehen Hunderte, ja Tausende von Kontakten zwischen Fachwissenschaftlern aus Ost und West, seitdem die Grenzen offen sind. Ich kann mit den Kollegen in Köln und Bonn heute genauso wie mit denen in Leipzig und Ost-Berlin kooperieren. Ich mache gerade gemeinsame Forschungprojekte, und zwar mit Akademiemitgliedern in Ost-Berlin. Dazu brauche ich keinen Koordinierungsausschuß an der Akademie. Dazu brauche ich Forschungsmittel, die es auch gibt und die auch jedes Akademiemitglied einwerben kann.
Sie, Herr Minister, betonen, daß Sie bereit sind, solche Projekte zu stützen. Wir alle, die Akademiemitglieder, aber auch die Wissenschaftler außerhalb der Akademie, werden gern darauf zurückkommen und hochqualitative Projekte machen. Ich denke, wir sollten auf das hören, was die Frau Senatorin aus Berlin hier gesagt hat, daß man Brücken bauen sollte, und sonst die Sache dorthin verweisen, wohin sie gehört, nämlich auf die Landesebene.
Schönen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Lummer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Akademie hat bestanden, als es die Wahlen in Berlin gab. Ich finde, im Prinzip ist in der Politik immer Kontinuität angesagt.
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Wenn man eine solche Akademie abschafft, muß man gute Gründe haben. Da es für mich hier nicht, wie gesagt worden ist, um Wahlkampf geht, sondern um die Sache selbst, suche ich nach dem Gewicht der Gründe. Das eine hat der Kollege Diederich aufgegriffen: Man soll es beim Lande belassen. Es wäre gewissermaßen Usurpation wenn wir hier darüber reden.
Frau Senatorin, viel von dem, was in Berlin geschieht, hat weit darüber hinaus Bedeutung; und es ist angemessen, hier darüber zu reden, genauso wie umgekehrt oftmals das Berliner Parlament über Dinge geredet hat, die überhaupt nicht in seine Kompetenz fielen, weil es sich sagte, davon könne Berlin betroffen sein, Berlin spiele eine besondere Rolle in Deutschland. Genauso hat auch eine solche Akademie in Berlin eine besondere Rolle zu spielen und soll sie spielen. Das Argument verfängt also überhaupt nicht.
Das zweite, was gesagt worden ist, legt den ganzen Widerspruch sozialdemokratischer Argumentation offen. Da ist heute von Herrn Catenhusen gesagt worden und neulich auch von der Senatorin aus Berlin, man solle eine privatrechtliche Form finden. Was bedeutet das eigentlich? Das bedeutet erstens, der Bestand soll bewahrt bleiben. Zweitens, der Standort ist gut. Drittens, die Aufgaben sind auch als sinnvoll beschrieben worden. Das heißt also, man beschreibt die Aufgaben als sinnvoll und will im Grunde nur eine andere Ebene. Ja, ist das eine Argumentation, eine solche Sache, wenn sie einmal da ist, abzuschaffen?
Dann bleibt vielleicht wirklich nur noch das Argument, das in dem Zwischenruf von Herrn Catenhusen zum Ausdruck gekommen ist: Sie hätten das Argument Gegengründung, Gegenreformation oder so etwas nicht in Anspruch nehmen sollen. Wenn das wirklich in diesem Sinn forciert gesagt worden ist,
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und Sie das so verstanden haben, Herr Catenhusen, dann würde ich mich gar nicht genieren, mich dafür zu entschuldigen; denn das fände ich nicht richtig. Aber Sie müssen auf der anderen Seite begreifen, wie tief Ihre Argumente sinken und wie billig sie werden, wenn Sie darauf abheben, daß Sie es sich nicht gefallen lassen, weil es vielleicht eine Renommiergründung der 750-Jahr-Feier war und weil Herr Kewenig versucht hat, das für eine bestimmte Veränderung oder Ergänzung - sage ich einmal - der Reformen in Anspruch zu nehmen, die nach 1968 zustande gekommen sind. Aber als Ergänzung sollte man es doch gelten lassen. Es ist doch nicht ein Weg, wo jener Teil der Wissenschaft in den Universitäten beseitigt wird, der weitgehend demokratisiert ist, sondern es ist ein Stück dazu, das die Pluralität vielleicht sinnvoller und die Offenheit noch größer macht.
Das nächste Argument war: In Ost-Berlin wird sich etwas ändern. Natürlich wird sich etwas ändern. Gott sei Dank wird sich etwas ändern.
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Was sich im wesentlichen ändern wird, wird sich deshalb ändern, weil die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft dort wegen mangelnder Offenheit nicht ausreichend war. Mangelnde Offenheit zerstört immer die Innovationsfähigkeit.
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Das wird sich ändern. Aber in dieser Akademie kommt geradezu ein Stück Offenheit als Ergänzung zu anderen Strukturen zum Ausdruck. Wenn Sie das wegwischen, tun Sie weder Berlin noch der Sache einen guten Dienst.
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Nun scheint es in der Politik immer so zu sein: Die größte Schwierigkeit besteht darin, einen Politiker von einmal gefaßten oder vorgefaßten Meinungen wegbringen zu wollen. Er hat immer Angst, sein Gesicht zu verlieren.
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- Aber ich bitte Sie! Die Argumente, die hier von seiten der Sozialdemokratie kamen, waren nicht sehr stark. Zumindest von Ihrer Seite, Herr Briefs, sind sie emotional stark vorgetragen worden. Ansonsten waren sie ja ausgesprochen billig und ideologisch.
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Es ist offensichtlich so, wie gesagt worden ist: Hier ist ein Stück Vernunft auf dem Altar der Koalition geopfert worden.
Ich denke - das ist ja der Appell, den Herr Lüder in seinem ersten Beitrag ausgesprochen hat -, es geht hier wirklich darum, den Versuch zu machen, neue Einsichten zu vermitteln. Das ist doch gewiß der Sinn dieser Stunde. Das, was nach dem November 1989 geschehen ist, sollte Sie doch zum Nachdenken bringen, ob es nicht wirklich besser wäre, diese Akademie zu erhalten. Das wäre wirklich sehr gut.
Bezogen auf diese neue Situation ist es ja nicht einmal notwendig, daß Sie über den eigenen Schatten springen. Denn Sie können getrost darauf verweisen: Die Lage hat sich verändert, und auf Grund dieser veränderten Lage sind unsere Argumente verändert worden. Dann lassen wir es dabei. - Wie gesagt, wir sind gern bereit, Ihnen dabei zu helfen.
Wenn es um Verbesserung gegangen wäre, dann hätten Sie nicht die Abschaffung betrieben. Verbessern Sie's! Dann sind wir dabei.
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Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 25. Januar 1990, 14 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.