Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich möchte zunächst zum Geburtstag gratulieren. Drei Kollegen feiern ihren 60. Geburtstag, der Kollege Pauli, der Kollege Vogt ({0}) und der Kollege Dr. Kreile.
({1})
Allen dreien einen herzlichen Glückwunsch! Ich rufe Punkt VII der Tagesordnung auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 ({2})
- Drucksachen 11/5000, 11/5321, 11/5389, 11/5551 bis 11/5578, 11/5581 Zu verschiedenen Einzelplänen sowie zum Haushaltsgesetz liegen Entschließungsanträge vor. Über diese Entschließungsanträge wird nach der Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz abgestimmt.
Namentliche Abstimmungen finden bei der Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz 1990 sowie über die Entschließungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN sowie der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 11/5874 und 11/5945 statt.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung drei Stunden vorgesehen. Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Dregger.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir stehen am Ende der Haushaltsberatungen. Das herausragende Ereignis dieser Woche war der Deutschlandplan des Bundeskanzlers, allerdings auch die Art und Weise, wie die Fraktionen dieses Hauses darauf reagiert haben.
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Die Qualität dieses Plans liegt darin, daß er die Deutschlandpolitik, die Europapolitik, die Ost-WestSicherheitspolitik miteinander verbindet und dadurch Perspektiven auf einen nationalen und internationalen Konsens aufzeigt, ohne den die deutsche Frage nicht gelöst werden kann.
Wer Unklarheiten an der einen oder anderen Stelle moniert, weiß nicht, worum es geht. Meine Damen und Herren, auch wenn Sie das meinen, Drehbücher für geschichtliche Abläufe im Detail kann es nicht geben.
({1})
Notwendig in einer Zeit des Wandels - das ist auch immer eine Zeit der Ungewißheiten - ist ein festes Fundament, ein klares politisches Ziel und eine weitreichende Perspektive. Die Union verfügt darüber. Unser Fundament ist Deutschland und Europa in einem untrennbaren Zusammenhang.
({2})
Unser klares politisches Ziel ist die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands in einer Föderation.
({3})
Unsere Perspektive ist eine gesamteuropäische Friedensordnung, an der die Sowjetunion im Osten, die Vereinigten Staaten im Westen und das vereinigte Europa von Polen bis Portugal in der Mitte als friedenserhaltende Mitte zwischen den Weltmächten beteiligt sind. Das ist diese weitreichende Perspektive.
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Meine Damen und Herren, was wir zuerst brauchen, ist der nationale Konsens. Er schien am Dienstag wenigstens in diesem Hause nahe zu sein. Der Sprecher der SPD, Karsten Voigt, ein ausgewiesener Kenner der Außen- und Sicherheitspolitik, erklärte nach der Rede des Bundeskanzlers, das Konzept des Bundeskanzlers sei auch das Konzept der SPD. Er sagte wörtlich: „Deshalb stimmen wir Ihnen in allen zehn Punkten zu."
({5})
Sie, meine Damen und Herren der SPD, sollten Ihren Sprecher deswegen nicht schelten, denn auch Willy Brandt, Ihr Ehrenvorsitzender, den Sie gerade zum Aushängeschild, wenn man das so sagen darf, Ihrer Deutschlandpolitik erkoren haben,
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erklärte in Berlin, es gebe nichts, was an dem Deutschlandplan des Kanzlers zu kritisieren sei.
({7})
Inzwischen hat sich die SPD von dem Konsens, der sich am Dienstag anzubahnen schien, wieder entfernt.
({8})
Das ist mir unverständlich, da doch das Eingehen auf den Vorschlag einer gemeinsamen Entschließung, der aus allen Fraktionen des Hauses kam, der SPD die Möglichkeit geboten hätte, sich aus einer Position in der Deutschlandpolitik zu befreien, die angesichts der Veränderungen in Osteuropa, in Mitteleuropa und in der DDR doch völlig unhaltbar geworden ist.
({9})
Frau Seebacher-Brandt hatte Sie, meine Damen und Herren der SPD, doch in einem Aufsatz in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vor einer solchen Torheit gewarnt, aber offenbar vergebens.
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Das ist nicht unser, das ist Ihr Problem.
Was mich, meine Damen und Herren, betroffen macht, ist die Tatsache, daß es nichts mehr zu geben scheint, was von Ihrer Seite, Herr Vogel
({11})
- ich kann ja verstehen, daß Sie das alles aufregt, aber Ihr Verhalten ist wirklich aufregend, auch vom nationalen Standpunkt aus, bedauerlich, sehr bedauerlich; aber die Wahrheit wird man Ihnen sagen müssen, und wir haben sie Ihnen nie erspart und werden das auch heute natürlich nicht tun - , was von weiten Kreisen Ihrer Fraktion und Partei nicht unter Wahlkampfgesichtspunkten gewertet wird.
({12})
Und das machen Sie noch falsch.
Ich sage Ihnen: Wer den nationalen Konsens
({13})
in der Deutschlandpolitik auf der Grundlage eines Konzepts, das alle Zukunftschancen offenhält und alle Entwicklungsmöglichkeiten bündelt - das ist beim Deutschlandplan des Bundeskanzlers der Fall - und das ja Ihren Sprecher Karsten Voigt veranlaßt hat, spontan zu sagen „Das ist auch unser Konzept!" ,
({14})
ablehnt, wird nicht nur die Bundestagswahl verlieren, sondern wird sich auch völlig unabhängig davon unfähig machen, auf die weitere Gestaltung unseres nationalen Schicksals Einfluß zu nehmen.
({15})
Mit anderen Worten: Wer sich in dieser Stunde versagt, der versagt;
({16})
so hat es einer meiner Vorgänger im Amt des Vorsitzenden dieser Fraktion, Rainer Barzel, einmal formuliert.
Meine Damen und Herren, Ihren Entschließungsantrag werden wir ablehnen, sollten Sie ihn zur Abstimmung stellen.
({17})
Wir halten nichts von unaufhörlichen Entschließungen, die massenweise produziert werden. Ich glaube nicht, daß das die beste Politik ist. Aber wenn Sie es wollen, wenn Sie Ihren Entschließungsantrag zur Abstimmung stellen, werden wir ihn ablehnen.
({18})
Heute, meine Damen und Herren, steht die Deutschlandpolitik auf der Tagesordnung, nicht die Westgrenze Polens.
({19})
Dazu haben wir bereits am 8. November eine gemeinsame Entschließung gefaßt.
({20})
Heute stehen auch nicht die atomaren Kurzstrekkenraketen und die atomaren Gefechtsfeldwaffen auf der Tagesordnung.
({21})
Das wird der Fall sein, wenn die konventionellen Abrüstungsverhandlungen in Wien, die zügig und konstruktiv verlaufen, zu einer Vereinbarung geführt haben; wir rechnen damit im nächsten Jahr. Dann wird das atomare Thema hier wieder auf dem Tisch liegen, und dann geht es nicht nur um die Kurzstreckenraketen, sondern auch um die atomare Rohrartillerie, zu der ich, wie Sie wissen, eine ganz bestimmte Meinung habe. Sie haben das in Ihrem Entschließungsantrag zur Deutschlandpolitik, obwohl Sie dieses Thema dort behandelt haben, zunächst vergessen, dann aber in Ihrem zweiten Antrag nachgebessert.
Meine Damen und Herren, aber darum geht es ja jetzt gar nicht. Entscheidend ist doch die Frage: Warum dieses Draufsatteln mit Themen, die entweder gerade behandelt oder/und zur Zeit nicht aktuell sind?
({22})
Das alles, meine Damen und Herren, sind doch Nebelkerzen,
({23})
die verhüllen sollen, wie nackt, wie zerstritten und wie hilflos Sie in Ihrer Deutschlandpolitik dastehen.
({24})
Sie haben Ihre Position in den letzten 40 Jahren eben zu häufig verändert und sind daher heute nicht in der Lage, auf neue Entwicklungen richtig zu reagieren. Wir dagegen können bei unserem klaren Kurs bleiben,
({25})
den wir seit 40 Jahren verfolgen - der übrigens der Verfassungslage entspricht, die ja noch wichtiger als Ihre Beschlußlage ist, die sich dauernd ändert ({26})
und der sich als offenbar erfolgreich erweist.
Meine Damen und Herren, Deutschland geht nicht nur Deutschland an. Deshalb steht in diesen Wochen neben der Deutschlandpolitik die Europapolitik vorn. Beide sind ineinander verschränkt, sie können nicht voneinander getrennt werden.
Der Bundeskanzler steht ständig in persönlichem und telefonischem Kontakt mit unseren Verbündeten. Seine Aufgabe in einer „Führungsrolle der Allianz", so hat es der amerikanische Präsident Bush bei seinem letzten Staatsbesuch hier in der Bundesrepublik Deutschland formuliert, nimmt er intensiv und erfolgreich wahr. Vor allem mit dem französischen Staatspräsidenten Mitterrand und dem amerikanischen Präsidenten Bush hält er beides zusammen: die Europäische Gemeinschaft und die Allianz. Das gilt in anderer Weise auch für unser Verhältnis zur Sowjetunion und zu den Ländern Ostmitteleuropas. Es gibt ständige Telefonkontakte mit Staatspräsident Gorbatschow und mit den Ministerpräsidenten Polens und Ungarns, der beiden Reformländer in Ostmitteleuropa.
({27})
Meine Damen und Herren, man kann ohne Übertreibung sagen: Die konstruktive Rolle der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Gemeinschaft und in der NATO und die sich verstärkende Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit der Sowjetunion und den Ländern Ostmitteleuropas tragen zur Zeit entscheidend dazu bei, daß sich der Wandel in den sozialistischen Ländern, der unvermeidlich ist, friedlich und weitgehend im Konsens vollzieht. Das ist unsere Rolle.
({28})
Daß die Bundesrepublik Deutschland, der westdeutsche Teilstaat des besiegten Deutschlands, diese konstruktive Aufgabe erfüllen kann, ist das Ergebnis der Politik, die von Konrad Adenauer, dem ersten Bundeskanzler und dem ersten Parteivorsitzenden
der CDU, begründet worden ist und von Helmut Kohl so erfolgreich weitergeführt wird.
({29})
Helmut Kohl ist nach Konrad Adenauer der erfolgreichste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland.
({30})
Die Grundlage unserer Erfolge ist die klare Entscheidung für den Westen, d. h. für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Ohne diese Entscheidung, die wir zusammen mit der FDP gegen die SPD und andere Oppositionsparteien durchgesetzt haben, hätten wir heute weder Verbündete im Westen noch Optionen im Osten, sondern der Ring des Mißtrauens hätte sich wieder um uns herum geschlossen.
({31}) An dieser Westbindung halten wir fest.
Die Europäische Gemeinschaft haben wir in dieser Legislaturperiode erheblich nach vorne gebracht. Das ist vor allem dem engen Zusammenwirken von Bundeskanzler Helmut Kohl, Staatspräsident Mitterrand
({32})
und dem ausgezeichneten Präsidenten der Europäischen Gemeinschaft, Jacques Delors, zu verdanken.
({33})
- Meine Damen und Herren, wenn Sie so gut wären wie die französischen Sozialisten, dann wären Sie schon viel weiter.
({34})
- Wenn sie es verdient haben, lieber Herr Vogel, selbstverständlich; ich bin doch gerecht.
({35})
Im Vordergrund steht jetzt die Europäische Währungsunion. Das ist ein bewegendes Thema. Es geht dabei um die D-Mark, um die Unabhängigkeit der Notenbank,
({36})
um die Geldwertstabilität, d. h. um all das, was die Franzosen als die Force de frappe der Deutschen bezeichnen. Es geht aber zugleich um die politische Union zunächst Westeuropas, die wir wollen, und zwar als Modell, wie der Bundeskanzler es in seinem Deutschlandplan gesagt hat, für eine größere, ganz Europa umfassende Friedensordnung.
Zu dieser politischen Union gehören drei Elemente: die Wirtschaftsunion, die Währungsunion und auch die Sicherheitsunion. Diese Elemente parallel zueinander zu entwickeln wäre gesamtpolitisch optimal.
Diese Zielsetzung wird nicht von allen unseren Partnern geteilt. Großbritannien zeigt bisher wenig Interesse an Entwicklungen, die über den Binnenmarkt hinausgehen. Frankreich scheint vor allem, und zwar möglichst bald, das eine zu wollen: die europäische Notenbank, vielleicht auch die europäische Wirt13872
schaftsunion, die europäische Sicherheitsunion bisher jedenfalls nicht.
Angesichts dieser Lage sollten wir diese Parallelität, von der ich gesprochen habe, und zwar insbesondere zwischen Fortschritten in der Wirtschafts- und in der Währungsunion, immer wieder anmahnen.
({37})
Wir sollten ferner dafür eintreten, daß der Weg zur Währungsunion sachgerecht beschritten wird. Das heißt, das Ziel der Währungsunion muß stufenweise angegangen werden. Wir dürfen die zweite und vor allem die dritte Stufe des Delors-Planes erst betreten, wenn die erste Stufe die Voraussetzungen dafür geschaffen hat.
({38})
Sonst könnten wir stolpern. Ich meine nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern die Europäische Gemeinschaft als Ganze.
Die Vorstufe, das Europäische Währungssystem, EWS, war für alle Beteiligten ein Erfolg. In diesem EWS, in dem Unterschiede in der Wirtschaftsentwicklung und in der Geldwertstabilität nach wie vor durch den Wechselkursmechanismus ausgeglichen werden können, seit einiger Zeit aber leider nicht mehr ausgeglichen werden, ist die Bundesbank Anker der Stabilität für alle. Das hat allen genutzt, zumal sich die Bundesbank vor ihren Entscheidungen, die sie in Unabhängigkeit trifft, mit allen Betroffenen abstimmt, für die es von Bedeutung ist. Trotzdem müssen wir Deutschen Verständnis dafür haben, daß diese starke Stellung der deutschen Notenbank nicht überall gern gesehen wird. Aber die Rolle der Bundesbank kann erst enden, wenn eine gleichwertige und gleich handlungsfähige
({39})
auf Geldwertstabilität verpflichtete, d. h. auch unabhängige europäische Notenbank an ihre Stelle treten kann,
({40})
und das nicht nur verbal, sondern auch tatsächlich. Dafür sind wesentliche Voraussetzungen schon geschaffen. Der Delors-Plan, an dem auch der Chef der deutschen Notenbank mitgewirkt hat, enthält unsere Prinzipien. Es geht nur darum, daß sie in die Tat umgesetzt werden. Dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen werden.
Das setzt voraus, daß in der ersten Stufe des DelorsPlans, die jetzt beginnt, die Wirtschafts-, die Finanz-, die Haushalts-, die Geld- und die Steuerpolitiken aller EG-Partner zur Konvergenz gebracht werden.
({41})
Das ist eine schwierige Aufgabe, in der wir Anfangs- und Teilerfolge haben, die aber als Ganzes noch vor uns steht.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, noch einige Überlegungen zur Deutschlandpolitik vortragen. Ich wiederhole, was ich zu Beginn sagen durfte.
({42})
Der Deutschlandplan des Bundeskanzlers führt die Deutschland- und Europapolitik und die Ost-WestSicherheitspolitik zusammen und öffnet damit Perspektiven für ein Ziel, das nur im Konsens und nur im Zusammenwirken aller Beteiligten erreicht werden kann.
Dabei ist klar, daß die Entwicklung der sowjetischen Innenpolitik auch für die Ost-West-Beziehungen von größter Bedeutung ist. Deshalb wünschen wir den Reformbemühungen des sowjetischen Staatspräsidenten nicht nur Erfolg, wir unterstützen sie auch.
({43})
Wir unterstützen sie auch durch Zusammenarbeit in der Wirtschaft und - selbstverständlich in Abstimmung mit unseren Verbündeten - auch durch Zusammenarbeit in der Abrüstungspolitik. Wir sind uns ferner klar darüber, daß auch die Reformbemühungen Ungarn und Polens und der anderen Staaten Ostmitteleuropas, die sich jetzt auf diesen Weg begeben, eine Voraussetzung für den Erfolg der Reformbemühungen in der DDR und damit in Deutschland sind.
({44})
Zusammenarbeit, nicht Konfrontation, ist die bestimmende Größe des neuen Europas. Das gilt nicht nur für den Westen, wo wir diesen Grundgedanken schon weithin verwirklicht haben. Es gilt jetzt auch für den Osten. Staatspräsident Gorbatschow hat erkannt, daß die Sowjetunion die Kooperation mit dem Westen braucht. Diese Zusammenarbeit mit dem Westen ist für die Sowjetunion wichtiger als die Aufrechterhaltung eines Systems von Zwangsverbündeten in Ostmitteleuropa, das ihr nur noch Lasten - moralische, politische und ökonomische Lasten - gebracht hat. Wenn Sie beobachten, wie die Sowjetunion auf die Veränderungen in Ungarn reagiert - aus einer Volksrepublik wird eine freie Republik mit marktwirtschaftlicher Ordnung und einem Mehrparteiensystem - , dann können Sie sehen, daß die Sowjetunion heute auch so handelt, von diesem Grundsatz ausgehend. Die Kooperation ist wichtiger als das Zwangssystem. Ich habe das übrigens bereits vor fünf Jahren in einer Buchveröffentlichung vorausgesagt. Das ist jetzt Gott sei Dank eingetroffen.
({45})
In dieser Zusammenarbeit zwischen Westeuropa und Osteuropa eröffnet sich die Zukunftschance für die Deutschen, auch ihre staatliche Einheit in Freiheit zu vollenden. Ich möchte in diesem Zusammenhang an eine Aussage des deutschlandpolitischen Beraters von Gorbatschow, Professor Datschischew, erinnern. Datschischew sagte Ende Oktober in Weikersheim, in Freiheit und Einheit solle das Deutsche Volk sein Schicksal selber bestimmen. Das brauche Zeit. Allein im gesamteuropäischen Ansatz könne die Deutsche Frage gelöst werden.
({46})
Eine Neutralisierung Deutschlands, wie früher vorgeschlagen, verliere ihren Sinn, wenn es keine Konfrontation mehr gebe.
({47})
- Völlig richtig, das meine ich auch. Dem können wir zustimmen.
Die Verhandlungen in Wien über die konventionelle Abrüstung verlaufen zügig und konstruktiv. Dazu tragen beide Weltmächte in gleicher Weise bei, die Amerikaner auch in Erfüllung eines Versprechens, das sie uns auf dem NATO-Gipfel am 30. Mai 1989 gegeben hatten. Daß wir Deutschen diese auf Abrüstung zielende Politik der beiden Weltmächte in Wien nach Kräften unterstützen, ist klar. Das ergibt sich auch aus unseren nationalen Interessen, und zwar in jeder Hinsicht.
Aber so wichtig es ist, durch eine kluge Deutschland-, Europa- und Ost-West-Politik die Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen es den Deutschen möglich wird, ihr Recht auf Selbstbestimmung auszuüben, wichtiger noch ist im Augenblick das Verhalten der Deutschen selbst. Der Bundeskanzler hat dazu am Dienstag in unserem Hause folgendes gesagt - ich zitiere - :
Wie ein wiedervereinigtes Deutschland schließlich aussehen wird, das weiß heute niemand. Daß aber die Einheit kommen wird, wenn die Menschen in Deutschland sie wollen, dessen bin ich sicher.
Das entspricht exakt meinen Überzeugungen, die ich immer vertreten habe.
({48})
Worauf es jetzt ankommt, ist, alle Deutschen - soweit sie sich als solche fühlen; das ist natürlich eine Voraussetzung - an ihre Pflicht zu nationaler Solidarität zu erinnern. Das gilt zunächst und vor allem für die Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland.
Der Lafontaine-Vorstoß mit dem Ziel, die Deutschen aus der DDR vom - ich zitiere - „Zugriff" auf unser Sozialsystem auszuschließen
({49})
- so ist die Sprache des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden -, war kalt, rücksichtslos und in höchster Weise unsolidarisch.
({50})
Der Gourmet von der Saar sollte zur Kenntnis nehmen, daß die Massenflucht aus der DDR nicht durch unsere Solidarität ausgelöst wurde, sondern durch das Gewaltsystem der Unterdrücker, in dem der Lafontaine-Freund Honecker eine besondere Rolle gespielt hat.
({51})
- Pfui, muß ich auch sagen.
({52})
Wenn die Menschen in der DDR wirklich frei sind, wird die Ost-West-Bewegung aufhören. Mit dem Sozialismus wird auch die Flucht vor dem Sozialismus enden. So einfach ist das.
({53})
Wir, die CDU/CSU, wollen, daß Mitteldeutschland wie Westdeutschland zu einem freien und blühenden Land wird. Das geht nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Deutschen in Ost und West.
({54})
Ich bitte meine Landsleute in Westdeutschland, sich nicht von der Neidkampagne des saarländischen Ministerpräsidenten beeinflussen zu lassen.
({55})
Unsere Landsleute in der DDR bitte ich, sich nicht von interessierter Seite einreden zu lassen, wir hier wollten sie belehren, gängeln und bevormunden. Das ist doch alles Unsinn!
({56})
Der Bundeskanzler hat mit seinem Deutschlandplan den Menschen in der DDR ein Angebot gemacht. Eine frei gewählte Volkskammer - natürlich nicht das jetzige Regime, das ohne Legitimität ist - kann dieses Angebot annehmen, sie kann es verwerfen, oder sie kann Veränderungsvorschläge dazu machen, über die wir mit ihr sprechen werden. Das ist unter Demokraten doch völlig selbstverständlich.
Im übrigen, meine Landsleute in der DDR - ich wende mich jetzt unmittelbar an Sie -, wir, die CDU/ CSU, schätzen Sie hoch ein. Ich denke dabei nicht einmal in erster Linie an Ihre Fähigkeiten auch in technischer und ökonomischer Hinsicht,
({57}) an Ihre kulturellen Leistungen,
({58})
an Ihre großen Musiker, Maler und Wissenschaftler, die wir bewundern. Ich denke vor allem an das moralische Kapital, das Sie sich durch Ihre friedliche Revolution in aller Welt erworben haben.
({59})
Das war wirklich eine Weltpremiere. Das hat es noch nicht gegeben. Sie haben zu Hunderttausenden auf Ihren Straßen demonstriert, und keine Scheibe ist dabei zu Bruch gegangen, kein Mensch ist dabei verletzt oder gar getötet worden.
({60})
Sie haben keine Waffen gehabt.
({61})
Sie haben nur Ihre Kerzen durch Ihre Straßen getragen und sie den Bewaffneten vor die Stiefel gestellt.
Ich habe schon in der Nacht des 9. November im Bundestag gesagt: Ich bin stolz darauf, einem Volk anzugehören, das seinen Willen zum Frieden und zur Freiheit so zum Ausdruck gebracht hat, wie es die Menschen in Leipzig, in Dresden, in Ost-Berlin und in
anderen Städten und Gemeinden der DDR getan haben.
({62})
40 Jahre der Trennung waren lang; aber eine über tausendjährige Geschichte, die uns verbindet, war länger. Deswegen meine ich, daß wir jetzt miteinander darüber sprechen sollten, wie wir unsere gemeinsame Zukunft gestalten. Dazu brauchen Sie und wir Zeit. Der Deutschlandplan des Bundeskanzlers läßt uns diese Zeit. Keiner von uns weiß schon jetzt im einzelnen, was das Richtige ist. Aber wir können voneinander lernen, wenn wir miteinander sprechen.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Wir, die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, sind in den 40 Jahren der Trennung immer ohne Schwanken, klar und entschieden für die Einheit und Freiheit Deutschlands eingetreten.
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Wir solidarisieren uns daher ganz selbstverständlich mit denen in der DDR, die in ihren friedlichen Demonstrationen gerufen haben: Wir sind das Volk! Wir bleiben hier!
({64})
Wir antworten ihnen: Ja, wir sind e i n Volk. Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren, weder von der SED noch von den GRÜNEN noch von der Lafontaine-SPD, meine Damen und Herren.
({65})
Wenn Sie in der DDR zustimmen, werden wir gemeinsam unseren Staat bauen, eine Föderation, wie der Bundeskanzler gesagt hat, d. h. einen Bundesstaat, in dem alle Teilstaaten über ein hohes Maß an Autonomie verfügen, in dem die Vielfalt der deutschen Landschaften und der deutschen Geschichte erhalten bleibt.
({66})
Dieser Staat wird ein Staat des Friedens und der Zusammenarbeit mit allen Nachbarn sein. Er wird eine Politik verfolgen, die dem Vorbild entspricht, das Sie, meine Damen und Herren in der DDR, in Ihrem gewaltfreien Kampf für die Freiheit gegeben haben.
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Diese Politik verbürgt die Zukunft Deutschlands und Europas in einer Welt des Friedens. Wir in der Bundesrepublik Deutschland danken Ihnen in der DDR
({68})
für den großen Beitrag, den Sie für unsere gemeinsame Zukunft bereits geleistet haben.
({69})
Herr Conradi, den Zwischenruf „Hetzer"
({0}) muß ich als unparlamentarisch zurückweisen.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Däubler-Gmelin.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Anfang unserer Haushaltswoche standen die Lage in Deutschland und die Selbstbefreiung der Tschechoslowakei. Heute, am Ende dieser Woche, steht ein Mord, der unser Land erschüttert. Dr. Alfred Herrhausen ist gestern heimtückisch ermordet worden. Jakob Nix, sein Fahrer, liegt mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus. Wir alle sind entsetzt und aufgerüttelt.
Der Mord hat gezeigt, mit welchen Gewaltpotentialen wir es in unserer Gesellschaft zu tun haben. Wir alle wissen, Dr. Herrhausen war eine eindrucksvolle, offene Persönlichkeit. Wir schätzten seinen Sachverstand und seine Bereitschaft zu Gespräch und Rat auch in kontroversen Fragen. Sein Eintreten für den Schuldenerlaß für die ärmsten Länder dieser Welt ist unvergessen und hat ihm großen Respekt verschafft.
Meine Damen und Herren, wir wissen, dieses Attentat hat großes Leid über zwei Familien gebracht. Wir fühlen mit Frau Herrhausen und mit Frau Nix und mit ihren Kindern. Wir hoffen, daß Herr Nix seine Verletzungen übersteht, und wünschen ihm gute Genesung.
({0})
Wir wissen aber auch, die Mörder finden in unserer Gesellschaft keine Unterstützung. Sympathie für das, was immer sie mit solchen Methoden durchsetzen wollen, gibt es nicht, nicht einmal Neugier. Entsetzen und Ablehnung ist das einzige, was sie zu erwarten haben. Wir erwarten, daß die zuständigen Behörden alles tun, um die Täter zu ergreifen. Aus leidvoller Erfahrung wissen wir, daß im Kampf gegen den Terrorismus und für den inneren Frieden Fahndungserfolge entscheidend sind. Wir bleiben besonnen. Der Haß, den diese Mordtat zum Ausdruck bringt, könnte den inneren Frieden unserer Demokratie beschädigen. Wir werden ihn nicht aufkommen lassen.
({1})
Zwei Bilder, meine Damen und Herren, welch ein Gegensatz: der Bombentod in Bad Homburg und die friedliche, gewaltlose, ja sanfte Revolution, die wir auf den Straßen Leipzigs oder Prags in diesen Tagen erleben. Gert Weisskirchen, unser Kollege, hat diese Revolution richtig beschrieben: Sie ist bunt und fröhlich, durch und durch europäisch, und - wir sehen es jeden Tag mit neuem Erstaunen - sie will kein Ende nehmen. Auch bei uns braucht es ganz offensichtlich Zeit, vollständig zu begreifen, was alles, gerade auch bei uns in Deutschland, seit dem 9. November in Gang gekommen ist. Bilder bleiben im Gedächtnis, Bilder aus Berlin, dieser „glücklichsten Stadt der Welt", wie Walter Momper sie in jener Nacht genannt hat: das Hin und Her durch die Mauer und über die Mauer, das Treiben auf der Mauer, aber auch die Trabikolonnen, die unbehelligt durch immer neue Grenzübergänge
fahren. Diese Bilder bleiben haften, gerade weil sie gegen Erinnerungen an ganz andere düstere Bilder stehen.
({2})
Willy Brandt hat in seiner großen Rede hier im Bundestag davon gesprochen, und ich erinnere mich an die bitterkalte Vorweihnachtszeit 1963 beim ersten Passierscheinabkommen in Berlin: Wir Studierende der Berliner Hochschulen - einige von uns sind Abgeordnete dieses Hauses: Wolfgang Roth, Wolfgang Lüder, auch noch andere - versuchten, den vielen alten Menschen mit Sitzgelegenheiten und Decken zu helfen, und die mußten lange warten, bevor sie die Mauerdurchlässe passieren und nach mehr als zwei Jahren Trennung ihre Familien wiedersehen konnten.
Damals habe ich begriffen: Es war eine vernünftige, weil menschliche Ostpolitik, die das ermöglicht hat,
({3})
und seit dieser Zeit kenne ich den Wert der Politik der kleinen Schritte, die damals in Berlin von Willy Brandt und den Sozialdemokraten gegen den erbitterten Widerstand der Union eingeleitet wurde.
({4})
Was haben die sich damals, was haben wir uns damals alles an Kritik, an Beschimpfungen, an Verdrehungen und Verleumdungen gefallen lassen müssen! Und doch hat diese Politik über die Stationen der Ostverträge, des KSZE-Abkommens von Helsinki, über die Abrüstungsvereinbarungen und Abrüstungsverhandlungen genau zu den tiefgreifenden Veränderungen unserer Tage im östlichen Mitteleuropa geführt, die wir erleben dürfen.
Jetzt wird eine europäische Friedensordnung möglich, die diesen Namen auch verdient. Spaltung in Europa, in Deutschland wird überwunden; aus der bloßen Abwesenheit von Krieg zwischen Staaten, die mit tödlichen Massenvernichtungswaffen vollgestopft sind, wird Interessenausgleich mit friedlichen, mit politischen Mitteln. Diese Friedensordnung macht umfassende Beziehungen auf allen Gebieten zwischen guten Nachbarn in Freiheit, Selbstbestimmung und Partnerschaft möglich.
({5})
Wir sind dabei, wir bauen an diesem Europa mit. Die Europäische Gemeinschaft wird weiter entwikkelt und in Richtung unserer östlichen Nachbarn geöffnet. Wenn wir die Chance richtig nutzen, haben auch wir Deutsche in Europa unseren Platz mit engeren Formen der Kooperation beider deutschen Staaten, mit Konföderation oder letztlich auch staatlicher Einheit, wenn sich die Menschen in der DDR und bei uns dafür entscheiden.
({6})
So weit sind wir freilich noch lange nicht, aber jetzt kann, wie Willy Brandt sagt, wieder zusammenwachsen, was zusammengehört.
({7})
Diese europäische Friedensordnung war seit 40 Jahren eines der großen Ziele der deutschen Sozialdemokraten. Auch Gustav Heinemann kämpfte - zunächst als CDU-Mitglied, bis er merkte, daß es keinen Sinn hat - darum in seinen bitteren Auseinandersetzungen mit Adenauer. Der Deutschland-Plan der SPD von 1959, die Ostpolitik der sozialliberalen Regierung, darauf haben sie alle hingearbeitet. Wir haben heute einen Entschließungsantrag vorgelegt, der sagt, worum es geht: um die Wahrung aller Möglichkeiten der Deutschen, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden und in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.
Am Dienstag hat nun der Bundeskanzler hier im Bundestag seine Zehn-Punkte-Erklärung zur Deutschland- und Europapolitik vorgetragen, die sogleich - wir meinen, etwas hochtrabend - „deutschlandpolitisches Sachkonzept" oder gar „DeutschlandPlan" getauft wurde. Wenn es etwas bescheidener ginge, wäre es ganz gut, denn es fehlt wirklich viel an Präzision und auch vieles an Punkten. Trotzdem haben wir diese Erklärung begrüßt, und, Herr Dregger, wir tun das auch heute,
({8})
schon deshalb, weil der Bundeskanzler weitgehend unsere Vorstellungen übernommen hat. Wir finden da viele alte Bekannte wieder, auch viele Vorschläge, die Sie vor kurzer Zeit noch abgelehnt, ja sogar schroff zurückgewiesen haben.
({9})
Sie akzeptieren jetzt - das begrüßen wir natürlich - , daß wir in der Bundesrepublik den Reformprozeß im östlichen Teil Europas nicht einfach als Zuschauer betrachten können, sozusagen im Ohrensessel in der ersten Reihe. Wir sind darin, und wir sind ganz dicht dran: Wenn der Reformprozeß gelingt, dann ist das auch für uns gut, und wenn er scheitert, werden auch wir die Folgen schrecklich spüren.
({10})
Deswegen sagen wir, wir müssen die Reformer und die Reformen aktiv unterstützen, auch in unserem ureigensten Interesse.
In der DDR drängt es besonders; jeder Tag ist hier wichtig, damit neue Hoffnung für die Menschen geschaffen werden kann, damit die Menschen Zukunft haben. Die Zeit drängt; sonst drängen die Menschen. Das sehen wir an den vielen Übersiedlern gerade auch in den letzten Tagen.
Sie sagen jetzt in der Erklärung mittlerweile ja zu Soforthilfe im humanitären Bereich, zu Hilfen, die Westreisen erleichtern. Das sagen auch wir, und deshalb begrüßen wir diesen Punkt. Wir sagen aber auch: Jetzt gibt es kein Hindernis mehr für einen Devisenfonds. Er muß noch in diesem Jahr errichtet werden, damit endlich die Probleme mit dem Besuchergeld aufhören.
({11}) Dazu fordern wir Sie auf.
Sie sagen, Kooperation und baldige Hilfe sollen nicht mehr von immer neuen Vorbedingungen und
Auflagen abhängig gemacht werden. Gut, sagen wir; das begrüßen wir. Es wird ja auch endlich Zeit. Wir sagen das schon etwas länger.
({12})
Die Voraussetzungen, die vorhanden sein müssen, nämlich die Verständigung in der DDR mit der politischen Opposition über freie Wahlen und eine Verfassungsänderung, halten auch wir für vernünftig;
({13})
die gibt es schon, und der „runde Tisch" , er kommt. Also kann es jetzt losgehen mit der Hilfe, und zwar nicht erst übermorgen oder am Tage danach. Wir sagen, wer jetzt immer noch neue Bedingungen formuliert oder neue Hemmnisse aufbaut - und in Ihrer Haushaltsrede, Herr Bundesminister Waigel, waren schon wieder solche Anklänge zu hören - , der richtet Schaden an bei den Reformern und den Reformen in der DDR,
({14})
der schadet gleichzeitig uns in der Bundesrepublik und hat auch noch nicht verstanden, daß sich die Menschen in der DDR, die sich gerade ihr Selbstbestimmungsrecht erkämpfen, nicht schon wieder von irgendwem, auch von uns nicht, auch von Ihnen nicht, bevormunden lassen wollen.
({15})
Die mahnenden Worte der Ost-Berliner Theaterleute an Bundeskanzler Kohl sollten Ihnen allen, meine Damen und Herren, in den Ohren klingen.
In der Zehn-Punkte-Erklärung vom Dienstag gibt es noch vieles andere, was wir begrüßen, zum Beispiel, daß Sie jetzt anfangen, die Politik der kleinen Schritte zu loben.
({16})
Gut, sagen wir. Wir haben uns auch wirklich geärgert, weil Sie uns lange genug und hämisch genug deswegen angegriffen haben.
({17})
Sie bezeichnen jetzt auch den KSZE-Prozeß als Herzstück der Deutschland- und Europapolitik.
({18})
Herr Dregger, warum wundert es Sie eigentlich, daß wir das begrüßen?
({19})
- Nein, es stört uns nicht. Wir haben lange genug darauf gewartet.
({20})
Sie haben doch Ostverträge und Helsinki-Vereinbarung bekämpft.
({21})
Hans-Jochen Vogel hat schon am Dienstag darauf hingewiesen, wie das damals war, daß es nur drei politische Gruppierungen in Europa gegeben hat, die damals nein sagten, als die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten um die parlamentarische Zustimmung zum KSZE-Vertrag geworben haben. Das waren Sie, nämlich die CDU/CSU, die italienischen Neofaschisten und die albanischen Kommunisten.
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Sie haben nein gesagt, und ich kann nur sagen, da befinden Sie sich in einer phantastischen Gesellschaft. Und Sie, meine Damen und Herren, meinen, Sie könnten uns irgendwelche Versäumnisse in der Ostpolitik vorwerfen! Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wir freuen uns über Ihre heutige Auffassung. Das hat Karsten Voigt erklärt, und das sage ich auch heute.
({23})
Mit Ihrer falschen Behauptung, Herr Dregger, wir würden heute von dem abrücken, was Karsten Voigt sagte, können Sie sich auf ihn nicht berufen. Sie müßten vielleicht einmal seine Rede nachlesen.
({24})
Er hat nämlich begrüßt, wie und wo Sie sich geändert haben, aber er hat auch mit ganz klaren Worten - ({25})
- Ich weiß, es ist Ihnen schrecklich unsympathisch. Deswegen sage ich es ganz langsam noch einmal: Er hat ihnen auch klargemacht, wo die Ungereimtheiten in dieser Zehn-Punkte-Erklärung liegen, und er hat mit spitzem Finger auf diese schrecklichen WischiWaschi-Formulierungen in der Erklärung hingedeutet,
({26})
die nur so tun, als sagten Sie etwas Fortschrittliches, und mit denen Sie doch gleichzeitig nur Ihren rechten Flügel besänftigen wollen.
({27})
Daß wir das nicht durchgehen lassen, daß wir das nicht begrüßen, darüber wundert sich außer Ihnen wohl niemand.
({28})
Aber bleiben wir bei der Architektur Europas, bleiben wir beim KSZE-Prozeß. Warum sagen Sie eigentlich nichts Genaues in der Zehn-Punkte-Erklärung zu den Schritten, wie es denn in der EG weitergehen soll, oder über das Verhältnis von EG und EFTA-Ländern? Wie stellen Sie sich denn eigentlich die Öffnung der EG zu den Ländern Mitteleuropas vor? Darum geht es doch. Das müßte in dem Zehn-Punkte-Papier stehen!
Herr Dregger, nicht nur wie der Bundeskanzler die polnische Westgrenze behandelt hat, sondern auch
das, was Sie dazu gesagt haben, war schlichtweg schändlich.
({29})
In der Zehn-Punkte-Erklärung steht überhaupt nichts darüber.
({30})
Sie wissen doch, daß jeder heute sofort aufhören kann, über den Bau einer europäischen Friedensordnung zu reden, wenn in dieser Frage der Garantie der polnischen Westgrenze keine eindeutige Klarheit besteht.
({31})
Wer will - das müßten Sie doch eigentlich langsam verstehen - , daß zusammenwächst, was zusammengehört in Deutschland, der muß hier ganz eindeutig sein.
({32})
Wer über Kooperation, wer über Konföderation, wer über konföderative Elemente oder staatliche Einheit der Deutschen nachdenkt - alles Gedanken, von denen Sie wissen, daß sie bei uns auf Interesse und Zustimmung stoßen, wenn sie auf jede Stufe an die Menschen in der DDR und die Zustimmung der Menschen bei uns und dort gebunden sind - , wer unseren Platz in Europa bestimmen will, der darf in der Frage der polnischen Westgrenze keinen Millimeter Raum für Zweifel lassen,
({33})
und der sollte auch mit dem Begriff der Wiedervereinigung etwas behutsamer umgehen, als dies die Erklärung des Bundeskanzlers tut, als er dies macht, als Sie das machen. Sie setzen nämlich einfach vor „Vereinigung" das Wort „Wieder", obwohl das gar nicht im Grundgesetz steht. So, wie Sie das machen, weist das in unsere Vergangenheit zurück, in die Vergangenheit des Deutschen Reiches, in die Grenzen von 1937, und das macht Angst,
({34})
das macht Mißtrauen, und das brauchen wir nicht, wenn wir um Modelle für die Zukunft ringen.
Übrigens: Ihr Bundesaußenminister, der weiß das. Er hat mit völkerrechtlicher Bindungswirkung die Garantie der polnischen Westgrenze vor der UNO erklärt,
({35})
und der Bundestag - Herr Weng, Sie haben völlig recht - hat das mit großer Mehrheit übernommen, Gott sei Dank; es war ja schwer genug; man weiß ja, wie das intern bei Ihnen ausgesehen hat.
({36})
Aber der Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, der hat auf der Polenreise das befreiende Wort
dazu leider nicht gesprochen, und dabei haben es die Menschen erwartet,
({37})
nicht nur in Polen, sondern auch hier. Das müßte Ihnen der jubelnde Beifall doch eigentlich gezeigt haben, den Bundesminister Genscher ausgerechnet an dieser Stelle bei jener Kundgebung vor dem Schöneberger Rathaus erhalten hat.
({38})
Meine Damen und Herren, Zweifel gibt es bei Ihnen leider immer, auch gerade in letzter Zeit, in Reden, aber auch in Beschlüssen. Jetzt hat die CSU ihren alten Standpunkt trotzig und stur wiederholt. Wir sagen: So geht das nicht. Das müßten Ihnen spätestens die Stellungnahmen nach dem Dienstag zeigen, die aus Polen, aber auch aus anderen Nachbarländern im Westen gekommen sind. Eigentlich hätten Sie die Äußerung des sowjetischen Außenministers dazu gar nicht brauchen dürfen.
Nein, es ist so: Von der Klarheit in dieser Frage hängt nicht nur Ihre Glaubwürdigkeit ab, sondern auch die Chance, daß aus Ihrer Zehn-Punkte-Erklärung überhaupt irgend etwas wird.
({39})
In dieser Frage müssen Sie Farbe bekennen. Wir tun das; unser Entschließungsantrag liegt vor. Er sagt ganz deutlich, daß dies eine unabdingbare Voraussetzung für den Prozeß des Zusammenrückens in Deutschland ist. Das bleibt der fehlende 11. Punkt der Erklärung. Wir sagen: Der muß dazu!
({40})
Aber, meine Damen und Herren, das ist es nicht allein. Wo Sie von Abrüstung sprechen und wo die Erklärung von Abrüstung spricht, reicht sie nicht. Dabei wissen wir doch alle: Abrüstung ist heute nicht nur nötiger denn je, sondern auch möglich geworden. Wir fragen Sie: Wann wollen Sie eigentlich Schluß machen mit der Rüstung, wenn nicht jetzt,
({41})
wo doch die Bilder der friedlichen und der fröhlichen Revolution in den Ländern des Warschauer Pakts tagtäglich über das Fernsehen in alle unsere Stuben kommen, nicht nur in unsere in der Bundesrepublik, sondern auch in die unserer Nachbarn? Unsere Freunde in Amerika sehen doch, was los ist.
({42})
Die Sicherheitslage hat sich verändert, und Ihre Erklärung enthält außer allgemeinen Sprüchen nichts. Sie sagen nichts zur NATO, Sie sagen nichts zur Zukunft der Bündnisse, und heute, am Ende der Haushaltsberatungen, ist das alles noch viel unglaubwürdiger geworden; denn gestern haben Sie gegen unseren ausdrücklichen Wunsch und gegen unsere Stimmen den Verteidigungsetat in einsame Höhen gehoben, trotz aller Streichungsvorschläge etwa zum Jä13878
ger 90 oder zu anderen Vorhaben. Das geht nicht, und es geht auch nicht, daß Sie diese Unsicherheit bei den Atomwaffen belassen. Wir brauchen Klarheit, daß bei uns keine Atomwaffen, keine Raketen mehr modernisiert oder stationiert werden. Oder läßt es Sie eigentlich wirklich kalt, daß mit solchen Waffen auf das Warschau Lech Walesas, auf das Prag von Alexander Dubček und auf die DDR einer Christa Wolf gezielt werden würde?
({43})
Wir sagen dazu nein. Wir haben auch das in unseren Entschließungsantrag aufgenommen. Die Menschen warten darauf.
Sie warten auch darauf, daß Sie dem zustimmen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, zumal der Herr Dregger heute wieder dieses Wort vom nationalen Konsens, von der Gemeinsamkeit der Deutschen in der Deutschland- und Ostpolitik, im Munde geführt hat. Herr Dregger, Sie haben heute das Wort vom nationalen Konsens mehrfach im Munde geführt.
({44})
Ich sage Ihnen: Wir sind dazu bereit, trotz Ihrer Rede, die so gar nichts von Gemeinsamkeit und Konsens verraten hat.
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Uns geht es hier um die Menschen, uns geht es um die Sache, und uns geht es darum, daß Ihre Zehn-PunkteErklärung wenigstens eine kleine Chance auf Realisierung hat.
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Unser Entschließungsantrag ist eine gute Grundlage für diese Gemeinsamkeit auch dann, wenn wir wissen - Ihre Zwischenrufe zeigen das doch ganz deutlich -, daß das Reden vom nationalen Konsens bei Ihnen nur die eine Seite ist.
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Das fällt doch langsam auf. Was habe ich denn da in den letzten Tagen z. B. in der „International Herald Tribune" gelesen? Parteipolitik, so heißt es da, sei immer ein Teil des Kohlschen Denkens. Ich glaube, der Mann hat recht. Bei Herrn Dregger weiß ich das. Der redet nicht nur parteipolitisch, sondern macht hier ganz billige Wahlkampfpolemik. Ich finde das ziemlich traurig.
({48})
Beschwörungen der nationalen Gemeinsamkeit und gleichzeitig Tritte gegen das Schienbein, wenn es geht, auch besonders schmerzhaft, das kommt nicht in Frage. So hätten Sie es zwar gern, aber ich sage Ihnen: Wir sind da ganz selbstbewußt. Da treffen Sie bei uns nicht ins Schwarze. Die Bürgerinnen und Bürger merken längst, wo es bei Ihnen doppelzüngig wird, und sie merken auch, wo Sie mit falschem nationalen Pathos rücksichtslos über die Interessen der Menschen hinweggehen.
({49})
Die haben ein ganz feines Gespür dafür.
Meine Damen und Herren, wir sagen: Wer es wirklich ernst meint mit dieser Zehn-Punkte-Erklärung, wer es, wie wir, ernst meint mit der Deutschland- und Europapolitik,
({50})
der muß auch ein Wort zur Verwirklichung sagen, zur Umsetzung,
({51})
der muß das Zusammenwirken der demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik wollen
({52})
- wir haben das in unserem Entschließungsantrag zum Ausdruck gebracht -, aber der muß auch ein Wort zum Geld sagen. Wir können uns doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß das alles Geld kostet. Herr Bundesfinanzminister, wieviel das kostet und woher Sie das nehmen wollen, hätten wir gern in den Haushaltsberatungen von Ihnen gehört.
({53})
Dazu ist allerdings kein Wort gefallen, auch von Ihnen nicht, Herr Bundesfinanzminister, und das macht uns mißtrauisch.
Uns ärgert auch, daß Sie nicht darauf eingegangen sind, was Berlin zusätzlich braucht, obwohl der Regierende Bürgermeister Berlins, Walter Momper, immer wieder darauf hingewiesen hat, obwohl der Berliner Finanzsenator Meisner konkrete Zahlen genannt hat.
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Sie sind ausgewichen. Berlin ist heute nicht nur eine Stadt der Wiedersehensfreude - Sie als Berliner müßten das wissen - , nicht nur eine Stadt der Begegnung;
({55})
die Berliner Bürgerinnen und Bürger tragen vielmehr ein viel höheres Maß an Belastungen als das, was jetzt schon erhöht auf die Städte, auf die Gemeinden, auf die Verbände und auf die Kirchen zukommt, was mit einer bewunderungswürdigen Bereitschaft zum Engagement geleistet wird.
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Wir sagen deshalb: Wir müssen helfen, und wir hoffen sehr ernsthaft, daß heute bei dem Treffen mit Bürgermeister Momper endlich klarer Tisch gemacht wird.
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Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wissen übrigens noch etwas anderes geFrau Dr. Däubler-Gmelin
nauso gut wie wir, nämlich daß viele Menschen auch bei uns in der Bundesrepublik die Übersiedlerzahlen mit Sorge sehen.
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Sie wissen auch, warum das so ist; denn Sie bekommen ja auch täglich die Briefe, da bin ich ganz sicher. Die Menschen schreiben uns, gerade die Männer und Frauen, die seit Jahren im Schatten Ihrer Regierungspolitik stehen. Die plagt die Sorge, wer denn eigentlich die zusätzlichen Belastungen zu tragen haben wird.
({59})
Das sind die über 700 000 Langzeitarbeitslosen, also die Männer und Frauen, die seit mehr als einem Jahr vergeblich nach Arbeit suchen und die wir uns - ich meine, da sollten wir uns doch eigentlich einig sein - in unserer boomenden Wirtschaft nicht leisten können. Die schreiben uns, und die schreiben nicht aus Neid, wie es manche von Ihnen so locker unterstellen möchten. Auch die wollen, daß wir die Reformen in der DDR unterstützen. Die sind auch nicht gegen die Menschen, die zu uns kommen. Aber die haben Sorgen, und die nehmen wir ernst. Und auch Sie sollten das tun.
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Mir schreiben da alleinerziehende Mütter und Familien mit Kindern, die nicht viel verdienen, die sich durch Ihre Anzeigenkampagne regelrecht verhöhnt fühlen, mit der Sie glauben, Frauen oder Familien verkünden zu müssen, wie schön es sei, Kinder zu haben. Daß dies schön ist, daß Kinder eine Bereicherung sind, verehrter Herr Kollege, das wissen die Menschen so gut, wie Sie es wissen oder wie ich es weiß. Aber ich sage Ihnen, was sie nicht wollen. Sie wollen nicht, daß das immer zum Vorwand genommen wird, daß sie sich hinten an der Schlange anstellen müssen, wenn es Ihrer interessengebundenen Regierungspolitik paßt.
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Diese Männer und Frauen haben ganz andere Schwierigkeiten. Zum Beispiel wenn sie eine Wohnung suchen, die sie bezahlen können, da fühlen sie sich von Ihnen alleingelassen. Sie fürchten, daß diese hohen Übersiedlerzahlen die Wohnungssuche genau für sie noch schwieriger macht,
({62})
und sie befürchten das zu Recht.
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Denn das, was im sozialen Wohnungsbau der vergangenen Jahre von Ihnen versäumt wurde, läßt sich so schnell nicht nachholen. Das wissen Sie, und das wissen wir.
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Das müssen Sie und wir den Menschen auch sagen.
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- Ich weiß, daß Sie das nicht gern hören. Aber schreien Sie nur weiter. Ich kann Ihnen nur sagen: Eines Tages werden auch Sie den Ruf dieser Menschen hören müssen.
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Wir werden das den Menschen aus der DDR sagen müssen, die zu uns kommen wollen. Sie müssen damit rechnen, daß sie lange Zeit bei uns in Notunterkünften leben. Jene, die heute Wohnungen suchen - die Schlangen vor den Wohnungsämtern waren ja schon lang vor den zahlreichen Aus- und Übersiedlern und sind immer länger geworden - , Sie wissen das ebenfalls.
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Was Sie jetzt an Wohnungsbauprogrammen vorhaben - wir sehen das ja -, reicht nicht aus. Das wissen auch Sie. Wir sagen deshalb: Sie müssen erheblich aufstocken. Vor allem ist es wichtig, daß Sie das genau und stetig auf mindestens zehn Jahre anlegen.
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Deswegen wiederhole ich: Ich habe viel Verständnis dafür, wenn mir eine Apothekenhelferin von ihren Sorgen schreibt, die netto 1 600 DM verdient, davon 700 DM Miete für ihre Wohnung bezahlt, deren Tochter in die 12. Klasse geht, die aber nach Ihren Streichungen beim Schüler-BAföG einfach nichts mehr bekommt. Wenn die mir jetzt voll Sorge schreibt, wer denn die Belastungen tragen soll, die neu auf uns zukommen, dann sage ich: Die Frau hat recht. Das ist eine berechtigte Frage.
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Die nehmen wir auf, und nicht nur heute. Denn jeder von uns weiß, was an notwendiger Hilfe für die DDR sein muß und was wir für die Übersiedler brauchen. Jeder von uns weiß: Es ist enorm. Wir sagen: Das muß auf den Tisch des Bundestags, und es muß klar sein, daß nicht schon wieder gerade diejenigen zusätzlich belastet werden, die sowieso schon wenig haben.
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Auch deshalb hätten wir eine andere Steuerreform für richtig gehalten. Frau Matthäus-Maier hat am Mittwoch darauf hingewiesen: Ihre Steuerreform ist ungerecht. Sie gibt denen viel zurück, die das gar nicht brauchen, aber den Arbeitnehmern und den Familien wenig. Im übrigen haben sie das durch die Erhöhung der Verbrauchsteuern ja schon alles vorfinanziert. Sie beharren auf Ihren falschen Vorstellungen. Ja, Sie gehen sogar so weit, neue Steuersenkungen in Milliardenhöhe für Spitzenverdiener und Unternehmer zu versprechen. Woher Sie allerdings die Bausumme für das gemeinsame Haus Deutschland und Europa nehmen wollen, das müssen Sie uns sagen.
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Ich wiederhole: Das sind Milliardenbeträge, wenn Sie auch nur das ernst nehmen, was in der ZehnPunkte-Erklärung steht. Wir beharren hierauf, - ich kann das nur noch mal sagen - , und wir werden das auch in Zukunft tun. Wir sagen: Diese Belastungen dürfen nicht denen aufgebürdet werden, die sowieso nur wenig haben. Darauf werden wir achten.
Für viele junge Leute steht heute der Kampf um die Erhaltung und Verbesserung der natürlichen Lebensbedingungen im Vordergrund. Das ist bei uns so und auch in der DDR. Das ist ihnen wichtig. Das verbindet auch mehr, gerade diese jungen Menschen, als alles andere.
Die Menschen in der DDR und bei uns haben eine Überzeugung gemeinsam: Nicht nur im Fichtelgebirge sterben die Wälder - obwohl es dort besonders schlimm ist - , sondern auch bei uns im Schwarzwald und auch im Harz. Nicht nur in der DDR sind Umweltschutz und Zusammenarbeit dringend erforderlich, und wir fordern Sie auf, wirklich bald damit anzufangen; nein, unsere Lebens- und Wirtschaftsweise muß hier wie dort wie auch in ganz Europa verändert werden. Umweltgerechtes Produzieren muß billiger, umweltschädliches Verhalten muß auch finanziell teurer werden.
({72})
Auch das gehört zu einem deutschland- und europapolitischen Konzept. Das betonen wir an dieser Stelle.
({73})
Ich sprach vorhin von den Bildern von jener fröhlichen und friedlichen Revolution, die wir erleben. Uns alle fasziniert die Fröhlichkeit.
({74})
- Ich weiß nicht, ob Sie das so finden, aber wir auf jeden Fall, auch die Menschen, die hier zuhören, auf jeden Fall.
({75})
Uns alle faszinieren die Fröhlichkeit, der Mut zum aufrechten Gang und das demokratische Selbstbewußtsein, das wir dort sehen und mit dem die Bürgerinnen und Bürger auch Ihnen ins Stammbuch schreiben: Wir sind das Volk. Wir haben das Sagen. Das ist etwas ganz Neues in Deutschland, meine Damen und Herren, und etwas ganz Wertvolles. Darauf sollten wir hören. Ich sage deshalb: In Deutschland gibt es seit dem November, seit dem 9. November, exakt, einen neuen Stolz, auf die Friedlichkeit und auf die Verantwortlichkeit für uns und für das ganze Europa.
({76})
Christian Graf Krockow hat dieses schon vor 18 Jahren „Patriotismus in weltbürgerlicher Absicht" genannt. Da hat er recht. Darauf sind wir stolz.
Danke schön.
({77})
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Mischnick.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Däubler-Gmelin, zunächst eine kurze Bemerkung zu dem, was Sie zum Wohnungsbau gesagt haben. Verehrte Frau Kollegin, das, was wir aus dem Lande hören, ist nicht die Frage: mehr Geld, sondern ist die Frage: Arbeitskräfte, Grundstücke
({0})
und Abbau von Genehmigungshemmnissen, damit man schneller zum Ergebnis kommt. Das sind die Punkte, die im Vordergrund stehen.
({1})
Zur Steuerreform: Wenn Sie hier wieder einmal gerechnet haben, die Erhöhung der Verbrauchsteuern gleiche das aus, was es an Steuersenkung gebe, dann ist das einer der üblichen Rechenfehler, die bei Ihnen in der Fraktion ständig wieder passieren. Diese Behauptung, daß die Verbrauchsteuererhöhungen genauso hoch oder höher gewesen seien als die Steuersenkungen, die wir beschlossen haben und die noch in Kraft treten, ist völlig falsch. Das Gegenteil ist richtig. Und durch die Steuersenkungen haben wir jetzt so viel Steuermehreinnahmen, weil sie die Konjunktur gefördert haben und uns auch für die nächsten Jahre - durch weitere Steuerreformen - in die Lage versetzen werden, die Haushalte entsprechend zu gestalten und beweglich zu machen.
({2})
Aber nun zu den anderen Fragen, die heute im Vordergrund stehen: Meine Damen und Herren, es ist auch interessant, daß es über Tage und Wochen immer wieder den Vorwurf gab, es fehle bei der Bundesregierung, beim Bundeskanzler ein Konzept, man sei völlig hilflos gegenüber der Entwicklung. Nachdem ein Sachkonzept in zehn Punkten vorgelegt worden ist, da geht es plötzlich los, daß man fragt: Warum muß man eigentlich so vieles bringen, das bringen und jenes bringen, daß diejenigen, die im Ausland zunächst davon gesprochen haben, das sei alles eine Frage der möglichst bald vor der Tür stehenden Wiedervereinigung, wenn jetzt Überlegungen langfristiger Art dargestellt werden, plötzlich dazu unter dem Motto Stellung nehmen, das könne eigentlich eine nicht ganz gewünschte, gefährliche Entwicklung werden? Hier sieht man, wie schnell dieselben Kommentatoren,
({3})
Argumentatoren das Gegenteil von dem vertreten, was sie gestern gesagt haben.
({4})
Meine Damen und Herren, wir sehen in diesen zehn Punkten eine Arbeitsgrundlage für die nächste Zeit. Manche davon müssen schnell angepackt werden, andere sind mittelfristig und langfristig von Bedeutung. So haben wir das verstanden. Wir werden dies auch entsprechend umsetzen.
Meine Sorge ist, daß im Augenblick das, was in den Punkten 7, 8, 9 und 10 steht, die Diskussion beherrscht und daß völlig vergessen wird, daß die Punkte 1, 2 und 3 das wiedergeben, was uns unter den Nägeln brennt und was wir in den nächsten Wochen gemeinsam zu
bewältigen haben. Darüber sollten wir uns unterhalten.
({5})
Hier ist mit Recht davon gesprochen worden, daß der Devisenfonds möglichst schnell kommen soll. Wir sind der gleichen Meinung. Wir haben ja Angebote gemacht. Nur gehört dazu, daß beide Seiten zustimmen. Es ist ja nun nicht so, daß wir nur etwas vorlegen und die andere Seite es nur mitnimmt. Es muß vielmehr gemeinsam geschehen. Die Verhandlungen darüber laufen. Ich bin guten Mutes, daß dies jetzt noch vor Weihnachten entschieden wird.
Mit Recht ist gesagt worden, es solle keine Bedingungen geben. Natürlich, wir haben immer den Standpunkt vertreten, daß es keine Bedingungen geben soll. Wir haben allerdings auch klar gemacht, daß bestimmte Hilfeleistungen, die wir uns vorgenommen haben, nur dann wirksam sind, wenn die Voraussetzungen innerhalb der wirtschaftlichen Entwicklung in der DDR dafür vorhanden sind. Wenn man genau nachliest, was in den letzten Tagen und Wochen , sei es von Herrn Modrow als Regierungschef, sei es von Professor Ardenne, der ja sehr eng mit Modrow zusammenarbeitet, über die wirtschaftliche Umstrukturierung in der DDR gesagt wird, dann stellt man fest, daß das genau die Voraussetzungen sind, von denen wir sprechen. Wir wissen, daß dort gesetzgeberische Maßnahmen im Gange sind, um beispielsweise Jointventures möglich zu machen. Daß das alles ein paar Tage dauert, das ist ja nicht bestreitbar. Daß sie dabei sogar ihre eigene Verfassung beiseite legen müssen, da es ja verfassungswidrig wäre, jetzt Joint-ventures zu machen, das wissen wir. Wir gehen davon aus, daß diese Entwicklung in den nächsten Wochen in dem guten Tempo weitergeht.
Wir Freien Demokraten bemühen uns jedenfalls darum, die Gespräche sachlich zu führen, beispielsweise noch im Dezember über Wirtschaftsfragen und Touristikfragen und in einem Symposium miteinander über praktische Maßnahmen zu reden und hier nicht nur Pläne aufzustellen und Überlegungen anzustellen, die dann nicht umgesetzt werden, weil man sich vor den Konsequenzen scheut.
Meine Damen und Herren, mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß die eigenständige Entwicklung in der DDR von den Bürgern gewollt wird. Das respektieren wir; das haben wir immer respektiert. Ich füge allerdings noch eines hinzu: Wir haben uns immer darauf verständigt: Wir reden nicht hinein; wir sind bereit, Ratschläge zu geben, wenn man sie von uns haben will.
Ich füge ein weiteres hinzu: Ich bin etwas erstaunt darüber, wie man das, was in den letzten Jahrzehnten geschehen ist, in letzter Zeit bei uns oft beurteilt und verurteilt. Sind wir uns eigentlich immer alle bewußt, daß diejenigen in der DDR, die noch einen freien Staat erlebt haben, heute 68 oder 70 Jahre alt sind? Das heißt, das praktisch 80 % oder 90 % der Bevölkerung in der DDR nichts anderes als die Nazi-Diktatur und diesen Zwangsstaat erlebt haben. Bitte machen wir es uns nicht so einfach, dann über einzelne urteilen und
sie verurteilen zu wollen, ohne selbst in dieser Situation gelebt zu haben. Das ist mir zu einfach.
({6})
Meine Damen und Herren, wie es nun bei Haushaltsberatungen so ist: Da wird Kritik geübt. Das ist notwendig. Die Opposition muß Kritik üben; das ist ihre Aufgabe. Aber es gibt auch Punkte, über die man versucht gemeinsam Politik zu gestalten. Die Deutschlandpolitik war lange Zeit ein solcher Bereich, wo es gemeinsame Entscheidungen in diesem Haus gab.
Ich begrüße sehr, daß die Zustimmung zu dem Arbeitsprogramm, das in den zehn Punkten zum Ausdruck kommt, gegeben worden ist. Ich muß Ihnen aber ganz offen sagen: Ich verstehe nicht, weshalb man dann glaubt, nun wiederum in Entschließungen Dinge miteinander verbinden zu sollen, die so nicht zusammengehören.
({7})
- Vielleicht sind Sie so nett und hören sich auch die Begründung an, die ich dafür bringe, weshalb ich dieser Meinung bin.
In der Debatte am vergangenen Dienstag hat der Bundesaußenminister gesagt, er würde es begrüßen, wenn der Bundestag dem zustimmen würde. Er hat hinzugefügt - ich darf hier aus dem Protokoll zitieren - :
Wie haben neulich in der Frage der polnischen Westgrenze eine wichtige gemeinsame Entscheidung getroffen.
({8})
Das übersehen Sie. Wir haben hier eine Entscheidung getroffen. Wer diese Entscheidung ständig aufs neue zur Entscheidung stellt, stellt in Frage, ob diese Entscheidung ernst gemeint war. Wir haben sie ernst gemeint.
({9})
400 Abgeordnete haben dieser Entschließung zugestimmt. Dies ist ein Faktum. Wer ständig neue Entschließungsanträge dazu stellt, muß doch draußen den Eindruck erwecken, als gelte eine solche Entschließung nicht. Für uns gilt die Entschließung, vom Beschluß an bis heute. Das gilt ebenso für die 78 Punkte, denen wir hier zugestimmt haben. Wollen Sie durch das Herausgreifen einzelner Punkte vielleicht auch noch den Eindruck erwecken, anderes, was wir beschlossen haben, sei nicht so wichtig? Es ist ein gefährlicher Weg, den Sie mit dieser Form Ihrer Entschließung gehen.
({10})
Ich kann Sie nur herzlich bitten, sich noch einmal zu überlegen, was es bedeutet, wenn Sie immer wieder versuchen, bestimmte Punkte herauszulösen und damit den Gesamtwert des Beschlusses, den wir hier - ich sage: ich freue mich darüber - mit 400 Abge13882
ordneten beschlossen haben, in Frage zu stellen. Den Zweifel säen doch nicht diejenigen, die draußen Fragen stellen
({11})
und die wir auf den Beschluß verweisen können, sondern den Zweifel säen diejenigen, die meinen, man müsse hier ständig aufs neue über diese Dinge beschließen. Ich bedauere das.
({12})
Zweiter Punkt. Sie bringen in dieser Entschließung zum Ausdruck, man solle nun über die Kurzstreckenraketen reden. Sie wissen doch ganz genau, daß festgelegt ist, daß über diese Frage 1992 entschieden wird, und zwar angesichts der Entscheidungen, die in Wien im konventionellen Bereich anstehen. Jeder von uns ist sich im klaren darüber, daß ein Fortschritt bei der Abrüstung der konventionellen Waffen entscheidend dafür ist, wie es bei den nuklearen Waffen weitergeht. Deshalb ist es für die Verhandlungen nicht hilfreich, sondern belastend, wenn man heute in dieser oder jener Form dazu Stellung nimmt. Sie machen denselben Fehler, den Sie bei den Mittelstreckenraketen gemacht haben, als Sie zwar den Beschluß gemeinsam mit uns gefaßt haben, ihn dann aber nicht durchgestanden haben. Das Durchstehen der Entscheidung ist der Grund, warum wir heute in der Abrüstung so weit gekommen sind.
({13})
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen der SPD, auch in der Opposition - wir haben das in der Zeit der Großen Koalition bewiesen - muß man in solchen Fragen, die von uns gemeinsam zu tragen sind, auch einmal durchstehen können.
Lassen Sie mich allerdings eines deutlich hinzufügen: Für uns hat es nie einen Zweifel gegeben, daß alle Überlegungen zur Deutschlandpolitik in die europäische Entwicklung eingebettet sind. Für uns hat es nie einen Zweifel gegeben, daß alle Fragen der Deutschlandpolitik, der Wiederherstellung der Einheit als eine europäische Frage angesehen werden. Nicht die Überwindung der Spaltung Deutschlands führt zur Überwindung der Spaltung Europas, sondern die Überwindung der Spaltung Europas führt zur Überwindung der Spaltung unseres Vaterlandes. Das ist der Weg, den wir immer gegangen sind und von dem wir nicht abweichen werden.
({14})
Warum sagen wir unseren Verbündeten, unseren Partnern in Ost und West nicht immer wieder, daß dies die Basis ist? Erwecken wir nicht den falschen Eindruck, es sei notwendig, solche Grundkonzeptionen ständig durch neue Entschließungen hier zu unterstreichen.
Wir haben in diesem Hause diesen zehn Punkten als Arbeitspapier gemeinsam zugestimmt. Damit wird deutlich, daß es eine Basis ist. Ich habe wenig Verständnis dafür, daß man sich nicht vorher verständigen konnte, die Entschließung an die Ausschüsse zu überweisen - dort liegen noch verschiedene zur Deutschlandpolitik, über die man reden muß - , sondern daß man glaubt, man müsse hier mit einer Abstimmung etwas vorführen.
Meine Damen und Herren, die Menschen in der DDR wollen von uns praktisches Handeln, aber nicht ständig neue Entschließungen.
Ich danke Ihnen.
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert ({0}).
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist gut, wenn auch am letzten Tag dieser Haushaltsdebatte das Thema eine zentrale Rolle spielt, das uns seit Wochen mehr als alles andere beschäftigt hat, nämlich der revolutionäre Umbruch in Osteuropa und besonders die Entwicklung in der DDR. Wir erleben in diesen Tagen Veränderungsprozesse von historischen Ausmaßen, und es ist wahr, daß nichts mehr so ist, wie es noch vor drei Monaten aussah. Es ist auch wahr, daß uns alle hier diese Entwicklung mehr oder weniger unvorbereitet getroffen hat und daß das sicher auch gar nicht anders sein konnte; denn niemand hier hat sich vorstellen können, daß die über Jahrzehnte festgefügte politische Nachkriegsordnung in Europa auf diese Weise in Bewegung geraten würde, und schon gar nicht, daß dies in einer solchen Geschwindigkeit der Fall sein würde.
Gemessen aber an der Tragweite dieser Vorgänge hat es in dieser Debatte diese Woche viel zuwenig nachdenkliche Töne gegeben, viel zuwenig sorgfältige Analysen der ungeheuren Chancen, aber auch der Risiken, die mit dieser Umwälzung verbunden sind,
({0})
und es sind umgekehrt viel zuviel vorschnelle Entschlossenheiten demonstriert worden, und es gab viel zuviel durchsichtige Versuche, traurige und mitunter schreckliche Bilanzen, die besonders in der DDR gezogen werden müssen, zum innenpolitischen Kampfinstrument in der Bundesrepublik umzufunktionieren.
Wer in dieser Woche mit anhören mußte, wie in vielen Reden von maßgeblichen Unionspolitikern das Scheitern realsozialistischer Gesellschaftsmodelle gegen jedes Wort von Sozialismus überhaupt eingesetzt worden ist,
({1})
der muß einfach die Frage stellen: Hat es die friedliche revolutionäre Bewegung in der DDR tatsächlich verdient, in dieser Weise zu innenpolitischen Kampfzwecken in der Bundesrepublik mißbraucht zu werden?
({2})
Ich komme jedenfalls an der Bewertung nicht vorbei,
daß von manchen diese demokratische MassenbeweKleinert ({3})
gung zu solchen innenpolitischen Kampfzwecken bei uns eingesetzt werden soll
({4})
und daß das von Leuten betrieben wird, die ansonsten in Massendemonstrationen bei uns fast immer nur staatsgefährdende Veranstaltungen zur Nötigung von Regierungen erblicken konnten. Wir wissen, wovon wir in diesem Zusammenhang reden.
({5})
Um so weniger kann ich an dieser Stelle verstehen, was die SPD am Dienstag dazu bewogen hat, gegenüber dem Bundeskanzler eilig ihre Bereitschaft zum nationalen Konsens zu erklären. Ich will Ihnen hier auch ganz deutlich sagen: Ich kann es gerade als Grüner nur schwer ertragen, wie sich am Dienstag jene mit ihrer Zustimmung triumphierend und selbstgerecht an die Brust schlagen konnten, die sich in den 70er Jahren nicht einmal zur Zustimmung zu den Ostverträgen entschließen konnten, die gegen den Grundlagenvertrag geklagt haben und die damals nicht einmal der KSZE zugestimmt haben.
({6})
Ich habe das hier nur sehr schwer ertragen können, sage ich Ihnen.
({7})
Meine Damen und Herren, diese kritische Gesamtbilanz trifft in besonderer Weise das vom Bundeskanzler am Dienstag vorgelegte Zehn-Punkte-Programm. Dabei geht es nicht so sehr um einzelne Details. Da gibt es Punkte, gegen die man gar nicht sein kann. Da gibt es andere Punkte, die unterschiedlichste Auslegungen und Interpretationen ermöglichen, und da gibt es viel Widersprüchliches. Wer wollte bestreiten, daß die Entwicklung in den beiden deutschen Staaten etwas mit der gesamteuropäischen Entwicklung zu tun haben muß? Wer wollte widersprechen, wenn in der Erklärung zügige Schritte in der Abrüstung gefordert werden?
Das Problem dieser Erklärung aber sind weniger einzelne Sätze und Formulierungen; das Problem ist der politische Gesamtkontext, in dem dieses Programm steht, und das Problem sind die politischen Absichten, die dahinterstecken. Das Problem sind das Getöse und der Gestus, mit denen das Programm in dieser Woche eingebracht worden ist, meine Damen und Herren.
({8})
Diese Absichten sind zunächst einmal sehr stark von innenpolitischen Zielsetzungen bestimmt, wobei innenpolitisches Kalkül und die Bereitschaft zu außenpolitischem Vabanquespiel sich zu einem problematischen Zusammenhang verbinden.
Worum ging es innenpolitisch? Innenpolitisch ging es darum, daß Herr Kohl nach einer längeren Phase, in der diese Regierung in Sachen Wiedervereinigungsrhetorik eine eher pragmatische Zurückhaltung an den Tag gelegt hat, eines demonstrieren wollte: Er wollte demonstrieren, die CDU ist die Partei der nationalen Wiedervereinigung. Das war der entscheidende Punkt, um den es Ihnen bei dieser Sache ging.
Wozu das führt und welche Untertöne damit jetzt schon freigesetzt sind, hat schon in diesen Tagen Herr Rühe noch viel deutlicher gemacht als Herr Kohl. Während der Kanzler noch bemüht war, in seiner Rede den Widerspruch zwischen einer gesamteuropäischen und einer deutschnationalen Grundorientierung durch ein paar Europafloskeln zu übertünchen, macht die Plakatkampagne der CDU längst viel deutlicher, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Nationaler Taumel ist angesagt.
({9})
- Ich komme noch zu dem „vaterlandslosen Gesellen", Herr Friedmann; Sie können sich da ruhig abregen. - Nationaler Taumel ist angesagt. Dabei wird keine Rücksicht darauf genommen, was die Folgen für die demokratischen Bewegungen in Osteuropa sein werden oder jedenfalls sein können.
({10})
Ihnen geht es darum: Helmut Kohl will die kommenden Wahlen als Wiedervereinigungs-Kanzler gewinnen. Und weil das so ist, ist die Union auch bereit, das zu gefährden, was in Wirklichkeit Voraussetzung für den weiteren demokratischen Entwicklungsprozeß in der DDR und in Osteuropa ist.
Meine Damen und Herren, als Herr Kohl diesen Vorstoß machte, befand er sich natürlich unter dem Druck jener konservativen Leitartikler, die energisches Voranschreiten dieser Regierung in der nationalen Frage seit Wochen einfordern
({11})
und die selbst die über französische Umwege übermittelten Warnungen aus Moskau nur für antideutsche Propaganda in Frankreich halten.
({12})
- Ach, du meine Güte.
Aber der Druck kommt auch von einer anderen Seite. Am Montag dieser Woche hat Herr Schönhuber deutlich gemacht, wie ganz rechts über dieses Thema gedacht wird. Herr Schönhuber hat gesagt, daß das wiedervereinigte, blockfreie und bewaffnete Gesamtdeutschland die Zielsetzung von ganz rechtsaußen sein soll. Ich behaupte nicht, daß die Mehrheit der CDU so denkt wie Herr Schönhuber
({13})
- daß wir uns hier nicht mißverstehen - , aber ich behaupte wohl, daß manche bei Ihnen im Grunde das denken, was Herr Schönhuber offen auszusprechen wagt, nämlich: Deutschland zuerst!
Und genau das ist in diesem Zusammenhang das Problem.
({14})
Das Problem ist weiter, daß Sie auch diese Leute integrieren wollen und dafür das Risiko eingehen, bei uns
Kleinert ({15})
eine nationale Welle in Gang zu setzen, von der ich fürchte, daß sie am Ende nicht einmal bei Ihnen haltmachen wird und mit dazu beitragen kann, jene ganz rechten Kräfte einmal mehr weiter hoffähig zu machen, die Sie ansonsten angeblich so energisch bekämpfen, meine Damen und Herren.
({16})
Herr Abgeordneter Kleinert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Krey?
: Wenn es nicht angerechnet wird.
Nein, wird nicht angerechnet.
Herr Kollege, sind Sie der Auffassung, daß die Bewegungen etwa in den baltischen Staaten, in Polen, aber auch die Äußerungen der Menschen in Leipzig, die die Einheit der deutschen Nation oder die Einheit der polnischen Nation oder die Einheit der Litauer, Esten und Letten betreffen, etwas gegen den Gedanken der Zusammenarbeit und des friedlichen Miteinander der Völker in Europa Gerichtetes oder Ausdruck von real existierenden Tatsachen sind?
Natürlich sind das real existierende Tatsachen. Ich kann Sie beruhigen: Auf das Problem eines denkbaren osteuropäischen Nationalismus komme ich später noch zurück.
({0})
Wenn Sie so lange vielleicht warten können.
Ich greife den innenpolitischen Gedanken an dieser Stelle weiter auf. Herr Schönhuber hat offen gesagt: Deutschland zuerst! In der Union sagt man dies so nicht. Aber daß manche so denken, das ist in diesem Haus hinlänglich bekannt.
Ich will in diesem Zusammenhang nur ein Beispiel anführen: Was ist denn bei Ihnen passiert, als Herr Geißler 1988 davon gesprochen hat, daß die Vorstellung von der „Wiedervereinigung in den Grenzen von 19XY" überholt und gesamtdeutsche Vereinigung nur im Rahmen gesamteuropäischer Abstimmung möglich sei? - Es gab einen Streit, Sie haben Herrn Geißler zurückgepfiffen, und mittlerweile haben Sie ihn fast schon kaltgestellt. Meine Damen und Herren, da können Sie doch nicht davon reden, daß es Nationalismus in der Union als Problem nicht mehr gebe.
({1})
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen auch sagen, was dahinterliegt: Über Jahrzehnte ist in der Union ein Problem nicht wirklich aufgebrochen, das immer schon bestanden hat, nämlich das Spannungsverhältnis zwischen Europa und der sogenannten nationalen Frage. Es ist deshalb nicht aufgebrochen, weil die westeuropäische Integration realpolitisch machbar erschien, das Thema Wiedervereinigung dagegen nur in der politischen Rhetorik eine Rolle spielte. Jetzt erscheint die Zukunft der deutsch-deutschen Beziehungen offen, und jetzt offenbart sich Ihr
ganzes realpolitisches Dilemma: Fahren Sie einen pragmatischen Kurs der kleinen Schritte bei wirklicher Anerkennung der souveränen Entscheidungsmöglichkeiten der DDR und nehmen Sie die Sicherheitsinteressen und Besorgnisse der europäischen Nachbarn vor dem Wiedererstarken eines gesamtdeutschen Nationalstaates wirklich ernst, dann müssen Sie fürchten, jene deutschnationalen und rechten Kräfte zu verprellen, die von Ihnen gerade jetzt den Durchmarsch erwarten.
Umgekehrt aber wissen Sie selbst sehr gut, welche Risiken für den Prozeß einer gesamteuropäischen Friedensordnung quer zu den heutigen Blockgrenzen durch deutschnationale Töne und Wiedervereinigungsrhetorik entstehen. Das ist das politische Problem.
Der Kanzler hat den Ausweg aus diesem Problem in einem Parforceritt gesehen, der gewiß professionell gemacht war, der alles umspannen sollte: das Bekenntnis zum gemeinsamen europäischen Haus ebenso wie die Aufnahme jener deutschnationalen Strömungen, für die Europa immer mehr eine Ersatzlösung für den abgeschnittenen Weg zu nationaler Größe und Macht der Deutschen war. Ich finde es traurig, wie es Ihnen dabei sogar gelungen ist, auch die Sozialdemokraten zu einer völlig unnötigen Geste der Unterwerfung zu veranlassen.
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Spätestens ein zweiter Blick auf Ihr Zehn-PunkteProgramm zur deutschen Wiedervereinigung macht klar, daß dieser Ausweg kein Ausweg ist, und er macht klar, wie sehr maßgebliche Teile der CDU nach wie vor in national-konservative Zielvorstellungen verstrickt sind, die nie davon abgelassen haben, die deutsche Wiedervereinigung als Voraussetzung für die Wiedererlangung nationaler Bedeutung zu verstehen.
Daß das so ist, kann man bei genauem Hinsehen selbst an Ihrem Text noch erkennen. Denn die Botschaft dieses Textes lautet gerade nicht: Wir wollen die gesamteuropäische Friedensordnung; wir wollen die Überwindung nationalstaatlichen Denkens; und wie sich dann, wenn das erreicht ist, die beiden deutschen Teile der gesamteuropäischen Friedensordnung zueinander verhalten, das muß niemanden ängstigen. - Genau so lautet die Botschaft nicht.
Die Botschaft lautet umgekehrt: Wiedervereinigung zuerst, wenn auch in Etappen, und danach wird das Ganze mit ein paar europapolitischen Floskeln angereichert. Meine Damen und Herren, diese Anreicherungen haben vor allem die Funktion, Ihren Wiedervereinigungsvorstoß außenpolitisch abzusichern, keineswegs umgekehrt. Das ist das Problem in dieser Auseinandersetzung.
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Was immer auch bei den GRÜNEN an unterschiedlichen Schattierungen zum Thema Europa- und Deutschlandpolitik zu hören ist, in einem können Sie ganz sicher sein - jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Friedmann - : Wir werden für ein solches Spiel mit
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dem Feuer unsere Zustimmung nicht geben. Herr Friedmann, Sie können uns als vaterlandlose Gesellen beschimpfen, solange Sie wollen - das ist mir gleich - , wir werden es gelassen hinnehmen. Wir werden es um so gelassener hinnehmen, weil wir alle miteinander eigentlich wissen müßten, daß es in der deutschen Parlamentsgeschichte meistens gerade keine Sternstunden waren, wenn sich alle Parteien einig waren.
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Wir sagen auch ganz deutlich: Keine fünf Jahrzehnte nach Auschwitz hätten wir allesamt äußerst allergisch auf alle Töne zu reagieren, die fahrlässig oder absichtsvoll, leichtsinnig oder beabsichtigt nationalistische Wogen in Gang setzen oder in Gang setzen können. Sie können mir bei allen Interpretationskünsten hier nicht erzählen, daß dieses Risiko mit dieser Kampagne, die jetzt losgetreten ist, nicht verbunden ist.
Wir sagen: Gerade in Deutschland muß man mit solchen Dingen aus der Erfahrung der deutschen Geschichte eine Vorsicht an den Tag legen. Daß Sie dies eilfertig, in Eilgeschwindigkeit nicht getan haben, das muß ein zentraler Vorwurf in dieser Debatte sein.
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Der Bundeskanzler weiß so gut wie wir, daß ohne Gorbatschow und seine Politik der Öffnung die ganze Entwicklung in Osteuropa nicht in Gang gekommen wäre. Sie wissen auch, mit welchen ungeheuren politischen und ökonomischen Problemen die Sowjetunion konfrontiert ist. Sie müßten deshalb auch sehr genau wissen, wie sehr nicht nur Gorbatschow, sondern die ganze demokratische Entwicklung in Osteuropa durch Ihre Vorstöße gefährdet ist.
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Sie müßten auch zur Kenntnis genommen haben, wie sehr die Entwicklung in Osteuropa Gefahren des Anwachsens nationalistischer Strömungen mit sich bringt.
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Wollen Sie solche Prozesse zusätzlich dadurch anstacheln, daß auf deutschem Boden eine Renationalisierung von Politik stattfindet, die anderswo zu entsprechenden Reaktionen führt? Es würde nämlich die Perspektive für ein offenes, friedliches und ökologisches Gesamteuropa verbauen, meine Damen und Herren, wenn sich ein neuer Nationalismus in Europa wechselseitig hochschaukeln würde.
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Wem soll damit gedient sein, wenn durch deutschdeutsche Vorschläge und Entwicklungen in der Sowjetunion ein Prozeß in Gang kommt, an dessen Ende
statt Gorbatschow ein Kriegsmarschall im Kreml sitzt?
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Meine Damen und Herren, wie sieht es im Westen aus? Der dänische Ministerpräsident erklärt, er halte eine deutsche Wiedervereinigung nicht für wünschenswert. In Frankreich stoßen Sie auf Skepsis bis Ablehnung. In Italien liegen die Dinge ebenso. Mittlerweile wissen wir, daß niemand im Westen wie im Osten vom Vorstoß des Bundeskanzlers informiert war.
Wie vereinbaren Sie das mit Ihren Floskeln, nach denen die deutsch-deutsche Entwicklung angeblich nur im Kontext gesamteuropäischer Entwicklungen gesehen werden darf?
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Ich will es Ihnen ganz klar sagen: Sie vereinbaren es gar nicht. In Wahrheit ist es so, daß Sie mit Ihren Überlegungen noch hinter Geißler zurückgefallen sind. Weil Herr Kohl die Chance sieht, als Kanzler der Wiedervereinigung ins Wahljahr 1990 zu gehen, werden diese Risiken leichtfertig eingegangen. Weil das so ist, sind Sie auch bereit, eine Sogwirkung in die DDR hinein auszulösen, die das Gegenteil Ihrer immer wiederkehrenden Behauptung, Sie setzten auf das Selbstbestimmungsrecht der Menschen in der DDR, zur Folge hat. Denn, meine Damen und Herren, wie soll das Selbstbestimmungsrecht der Menschen in der DDR überhaupt hergestellt werden, wenn der reiche Onkel aus der Bundesrepublik jetzt schon den denkbaren Endpunkt eines Prozesses vorwegnimmt? Wie soll das denn geschehen?
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Statt durch eine pragmatische Politik der Hilfeleistung ohne Vorbedingungen
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und der intensivierten ökologischen und wirtschaftlichen Kooperation die Zeit und die Möglichkeit für eine souveräne eigene Entscheidung in der DDR zu schaffen, werden wochenlang die Bedingungen für bundesdeutsche Finanzhilfen höhengeschraubt und wird schließlich den Menschen klargemacht: Wir hier im Westen aus der Reiche-Onkel-Position kennen das Ergebnis der weiteren Entwicklung eigentlich schon längst. Ihr könnt vielleicht irgendwann noch etwas dazu sagen. Aber im Grunde wissen wir heute schon, wo das Ganze hingehen wird. - Das ist die Pose, aus der heraus Sie hier auftreten.
Ich meine, wer es mit dem Selbstbestimmungsrecht der Menschen in der DDR wirklich ernst meint, der darf gerade nicht Bedingungen schaffen, die diesen Menschen in der DDR eine echte Entscheidungsalternative nicht mehr lassen.
Gerade Sie, die Sie in der Vergangenheit immer mit dem Selbstbestimmungsrecht operiert haben, sind es
Kleinert ({14})
jetzt, wo es eine Chance gibt, daß dieses Selbstbestimmungsrecht tatsächlich wahrgenommen werden könnte, jetzt, wo es eine Chance gibt, daß es im nächsten Jahr in der DDR eine demokratisch legitimierte Regierung als Verhandlungspartner gibt, die nicht bereit sind, Verhältnisse zu schaffen, damit dieses Recht wirklich souverän ausgeübt werden kann. Sie setzen vielmehr eine Entwicklung in Gang, die die Gefahr in sich birgt, daß das über die Menschen eigentlich schon hinwegrollt, daß die Vorzeichen für das, was am Schluß herauskommen soll, im Grunde genommen jetzt schon gesetzt werden.
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Meine Damen und Herren, aus all diesen Gründen steht derzeit etwas anderes an als ein Stufenplan zur deutschen Wiedervereinigung.
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- Das war eine gefährlich dumme Bemerkung, die ich gerade gehört habe.
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Unerträglich. Ihr intellektuelles Niveau ist wirklich bemerkenswert.
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Es ist furchtbar, was man hier hören muß, grauenhaft.
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Aus all diesen Gründen steht etwas anderes an als ein Stufenplan zur deutschen Wiedervereinigung. - Man glaubt gar nicht, wie das intellektuelle Niveau, das man sonst aus der ersten Reihe hört, noch weiter unterschritten werden kann. Man glaubt es gar nicht! - Die Menschen in der DDR brauchen ein uneingeschränktes Recht zur Selbstbestimmung ihres eigenen Weges. Um das festzustellen, muß man nicht den Traum jener für realistisch halten, die glauben, die DDR könnte es aus eigener Kraft allein schaffen, ein attraktives Alternativmodell zu bilden. Jede Vorwegnahme der Entscheidung über Zweistaatlichkeit oder Wiedervereinigung widerspricht dem Selbstbestimmungsrecht der Menschen in der DDR diametral.
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Wir hätten die Aufgabe, durch humanitäre Hilfe, durch Finanzhilfe, durch wirtschaftliche Unterstützung,
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durch ökologische Zusammenarbeit dazu beizutragen, daß Voraussetzungen entstehen, die die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts ermöglichen. Die Politik in der Bundesrepublik hätte die Aufgabe, die Chancen zu nutzen, die mit der gesamten Entwicklung in der DDR und Osteuropa dann verbunden sind, wenn diese Entwicklung eingebettet wird in den Prozeß der Ausbildung einer gesamteuropäischen Friedensordnung, einer bundesstaatlichen Ordnung in Gesamteuropa.
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Heute gibt es ungeahnte Chancen zur Blocküberwindung und zu substantieller Abrüstung in allernächster Zeit. Es gibt Chancen, die die Mittel frei werden ließen, die dringend gebraucht werden, wenn dem Prozeß der ökologischen Selbstzerstörung bei uns wie im Osten Einhalt geboten werden soll.
Die Chancen für eine friedliche demokratische Entwicklung in Europa stehen günstiger als je zuvor. Es wäre wahrhaftig ein riesiger Gewinn für die demokratische Kultur in ganz Europa, wenn in der DDR und in Osteuropa eine demokratische Erneuerung zum Erfolg führen würde und auch Bestand hätte. Mögen sich Eigentumsformen und Höhe der Staatsquote am Ende signifikant oder nur graduell unterscheiden von dem, was hierzulande in der künftigen Auseinandersetzung herauskommen wird - diese Auseinandersetzung wird es immer geben - , das ist dann gar nicht mehr das Problem.
Wir wollen eine supranationale, gesamteuropäische Friedensordnung mit starken dezentralen und föderalen Entscheidungsstrukturen im Rahmen bundesstaatlicher Vorstellungen.
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Wir wollen kein Europa, das im Grunde als Europa der Vaterländer auftritt, sondern wir wollen die Überwindung der Epoche der Nationalstaaten.
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Wir wollen ein Europa, in dem ernst gemacht wird mit der multikulturellen Gesellschaft, in der eine Vielzahl unterschiedlicher kultureller Traditionen miteinander existieren, sich durchmischen oder auch friedlich miteinander koexistieren.
Wenn das einmal Realität sein sollte, wird die Frage, wie Bundesrepublik und DDR als Teile einer gesamteuropäischen, bundesstaatlichen Lösung ihr weiteres Verhältnis zueinander gestalten, gar nicht mehr so wichtig sein.
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Es wird jedenfalls nicht mehr entscheidend sein für das, was die Menschen in Europa bewegt. Darum muß es in der Zukunft gehen. Wer allerdings die Chancen für eine solche Entwicklung durch Vorstöße gefährdet, die das Risiko nationaler Stimmungsmache, die dann nicht nur auf Bundesrepublik und DDR begrenzbar bliebe, in sich bergen, verspielt mehr Chancen für einen solchen Prozeß, als daß er ihn tatsächlich in Gang setzen kann.
Wer das vorrangig deshalb betreibt, weil er sich davon innenpolitischen Gewinn verspricht, instrumentalisiert eine Chance von historischen Ausmaßen für die Zwecke der eigenen Machterhaltung. Genau darum geht es in dieser Auseinandersetzung. Das ist unser Vorwurf an Ihre Adresse. Deshalb haben wir in
Kleinert ({26})
dieser Woche so energisch widersprochen, sicher nicht immer argumentativ so ausdifferenziert, wie das vielleicht wünschenswert gewesen wäre. Aber wir haben deutlich machen können, daß wir uns aus guten Gründen gegen diesen nationalen Taumel, der jetzt erzeugt werden soll, stellen und weiter stellen werden.
Ich meine, daß es auch der anderen Oppositionspartei sehr gut angestanden hätte, wenn sie nicht gleich Unterschlupf unter dem breit angelegten Mantel des Herrn Dr. Kohl gesucht hätte.
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Herr Kleinert, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Es hätte Ihnen sehr gut angestanden, nicht aus Angst, Sie könnten irgendwie aus dem Rennen geraten, nicht aus Angst, als Neinsager dazustehen, wo die nationale Welle anrollt, bei Herrn Kohl Unterschlupf zu suchen. Es hätte Ihnen gut angestanden, klarzumachen, daß Sie einen eigenen Weg befürworten, einen eigenen Vorschlag haben.
Herr Kleinert, Sie müssen zum Schluß kommen.
Letzter Satz: Meine Damen und Herren, deswegen kann ich die SPD am Schluß nur auffordern: Korrigieren Sie die verhängnisvolle Position, die Sie hier am Dienstag vertreten haben!
Danke schön.
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Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Rose.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich im Rahmen der dritten Lesung des Bundeshaushalts wieder auf haushalts- und finanzpolitische Möglichkeiten zurückkomme, dann fasse ich zusammen, was im Rahmen dieser Woche gesagt wurde.
Es werden drei Linien sichtbar.
Erstens. Haushalts-, finanz- und wirtschaftspolitisch sind wir weiterhin auf dem richtigen Weg. Auch die Opposition erkannte erstmals unseren Erfolg an; denn die Konjunktur ist großartig. Aber sie ist nicht geschenkt, sondern durch eine kluge Politik herbeigeführt.
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Zweitens. Die Opposition befindet sich auf einem schweren Schlingerkurs.
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Ich spreche jetzt nicht mehr von der Deutschlandpolitik; da sind die Wendehälse inzwischen bekannt. Ich beziehe mich auf den Finanzkurs der Sozialdemokraten und der GRÜNEN; denn wieder einmal hat die eine Gruppe mehr Geld zum Ausgeben gefordert und
die anderen Genossen eine zu hohe Verschuldung bemängelt. Eine klare Linie ist das nicht. Aber konsequent mag sie sein; denn mit derartiger Unsolidität ging es mit der SPD-Finanzpolitik schon einmal den Bach hinunter.
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Drittens. Um von der eigenen Unzulänglichkeit abzulenken, versuchte sich die Opposition wieder in den alten Tricks der Demagogie, des Klassenkampfes und des Neids.
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Letztlich erreichte die Opposition mit diesem Horrorgemälde aber gar nichts.
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Im Gegenteil: Wie der Kölner Dom zwar von Tauben beschmutzt werden kann und trotzdem nichts von seiner Großartigkeit verliert, so gut steht auch die Erfolgsbilanz dieser Koalition im objektiven Fachurteil da.
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Deshalb, meine Damen und Herren, zunächst einige Fakten: Im Gegensatz zum SPD-Kurs der 70er Jahre ist unser Markenzeichen: Seit 1983 ist das durchschnittliche Ausgabenwachstum mit 2,5 % nur halb so hoch wie das nominale Bruttosozialprodukt. Bei der SPD lag es bei 8 oder 9 %; das war weit mehr als das Sozialprodukt. Die SPD hat also mehr ausgegeben als eingenommen.
Im Gegensatz zum SPD-Kurs der 70er Jahre ist unser Markenzeichen: Seit 1983 geht der prozentuale Zuwachs der Neuverschuldung deutlich zurück. Hatte die SPD 1982 bei einem geringeren Haushaltsvolumen als heute sage und schreibe 37,7 Milliarden DM neue Schulden gemacht, so kamen wir in diesem Jahr auf unter 17 Milliarden DM und werden auch nächstes Jahr mit 26,9 Milliarden DM trotz Steuerreform und bei geringerer Ansetzung des Bundesbankgewinns deutlich unter der SPD-Hochwassermarke liegen.
Genau gesagt stiegen die SPD-Schulden von 1969 bis 1982 um 15,9 % pro Jahr. Im Finanzplanungszeitraum bis 1993, also unter unserer Verantwortung, werden es nur mehr rund 5 % sein.
Die Zinsen für die alte SPD-Verschuldung belaufen sich auf jährlich mehr als 30 Milliarden DM,
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also auf deutlich mehr als die heutige Nettokreditaufnahme. Das heißt, ohne die SPD-Schulden könnten wir tatsächlich alle bestehenden Probleme beseitigen.
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Dann würde aber der traurige Zustand eintreten, daß wir keine Opposition mehr brauchten; dann wäre es ein bißchen langweilig.
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Deshalb noch ein drittes Faktum. Die SPD wollte immer Beschäftigungsprogramme und deshalb hö13888
here Steuern. Am Ende standen nicht nur 5 % Inflation, sondern auch hohe Schulden und Zinsen sowie eine hohe Arbeitslosigkeit. Wir lehnten staatliche Beschäftigungsprogramme ab, senkten die Steuern und haben jetzt 1,3 Millionen neue Arbeitsplätze. Wir haben niedrige Zinsen, wir haben eine geringe Geldentwertung und endlich wieder nahezu unglaublich zurückgeschraubte Steuer- und Staatsquoten.
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Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, daß wir diesen Kurs für richtig halten und ihn im Interesse der Deutschen auch lange fortsetzen wollen.
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Daß durch die Beratungen im Haushaltsausschuß noch zusätzliche Verbesserungen der Rahmendaten möglich wurden, freut uns und gibt uns die Zuversicht auf nächstes Jahr; denn auch für 1991 werden wir so solide, so rechtzeitig und sachgerecht wie bisher den Haushalt beraten.
Ich möchte nicht unter Vorwegnahme auf den Vorsitzenden, den verehrten Kollegen Walther, aber als sein Stellvertreter allen Kolleginnen und Kollegen für die zurückliegenden Wochen herzlich danken und auch schon im voraus aufrichtigen Dank sagen, wenn wir im nächsten Jahr trotz Wahljahrs ebenfalls gut beraten werden.
In dieser Woche zeichnete sich noch etwas ab, auch darüber sollte man reden: Während die zehn Punkte des Herrn Bundeskanzlers zur Zukunft Deutschlands bei den Sozialdemokraten zumindest am Anfang Zuspruch fanden, geht eine schleichende Welle für einen neuen Sozialismus um, diesmal mit einem menschlichen Antlitz oder mit einem demokratischen Aufkleber. Man wird doch nicht durch die Hintertür einer neuen Deutschlandpolitik auf neue Mehrheiten für olle Kamellen hoffen.
Meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie zur Kenntnis: 1945 war ganz Deutschland ein Trümmerhaufen. Später, schon nach 15 bis 20 Jahren, war jener Teil Deutschlands mit der Marktwirtschaft die stärkste Wirtschaftsmacht Europas und die zweitgrößte Handelsmacht der Welt. Der andere Teil, jener mit der Planwirtschaft, blieb zurück und gesteht jetzt sein Scheitern ein. Das liegt einerseits an Ludwig Erhard und andererseits an Karl Marx. Das liegt aber auch an der Architektur eines modernen, freiheitlichen, leistungsfähigen sozialen Rechtsstaats.
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Wir halten nun einmal die Einheit für richtig: demokratischer Rechtsstaat, parlamentarische Demokratie, Soziale Marktwirtschaft.
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Man kann keines dieser Elemente herauslösen, ohne daß die beiden anderen über kurz oder lang ausgehöhlt und zum Einsturz gebracht werden.
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Die Soziale Marktwirtschaft ist damals gegen die SPD erkämpft und durchgesetzt worden, wie übrigens vieles andere auch. Wir lassen sie nicht über den
Umweg eines falsch verstandenen neuen Deutschlands kaputtmachen. Wir wollen bei uns weder einen demokratischen Sozialismus noch einen Steinzeitsozialismus, noch einen postkommunistischen Sozialismus. Wir wollen gar keinen Sozialismus.
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Denn wir lieben Land und Leute und wollen nicht, daß unsere Mitbürger ihrer Heimat davonlaufen müssen, weil sie es nicht mehr aushalten, weil sie die Nase voll haben.
Wir erleben derzeit wieder das leidige Thema: Marx und sein Erbe. Die SPD ist unfähig, sich von Marx zu trennen.
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Sie ist aber auch außerstande, sich offen zu ihm zu bekennen, und das schafft Verklemmungen.
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Wir müssen aufpassen, daß sich die Geschichte nicht wiederholt.
Das plötzliche Auftauchen Willy Brandts - es klang heute schon an - läßt Ahnungen aufkommen. Es werden doch nicht seine 69er Visionen wiederkommen, seine Träumereien, seine Heilspläne. Von Sprüchen wie damals, „Wir fangen mit der Demokratie erst an", hatten wir bald genug. Wir brauchen jetzt auch nicht die Sprüche vom Anfang eines demokratischen Sozialismus, denn schon damals ging es schief.
Bald nach dem Neubeginn ab 1974 begann die hohe Dauerarbeitslosigkeit, die Staatsfinanzen gerieten durcheinander, die Schuldenpolitik begann. Am Schluß, Ende 1982, gab es das Fiasko.
Meine Damen und Herren, in der Ökonomiewissenschaft wird gerne von Konjunkturzyklen geredet. Der Herr Finanzminister hat am Mittwoch bereits davon gesprochen, daß die biblische Zahl sieben aufgelöst ist, daß sie von uns außer Kraft gesetzt wurde. Aber wir haben ein anderes Gesetz, das gilt: Wenn es eine christlich-liberale Regierung gibt, dann stellt sich eine gute Konjunktur ein; wenn die sozialliberale Regierung kam, ging es mit der Konjunktur abwärts; dann kamen wir wieder mit der christlich-liberalen Regierung, da ging es wieder aufwärts.
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Aber wir wollen nicht, daß es wieder zu einer sozialliberalen, sozial-grünen oder irgendwie sonstigen Truppe kommt, die uns das konjunkturelle Klima kaputtmacht.
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Wir haben also in den sieben Jahren der jetzigen Koalition wieder Boden unter den Füßen bekommen. - Kollege Weng, Sie haben natürlich völlig recht, wenn Sie sagen, daß ich die Liberalen völlig herausgelassen habe; denn so etwas würden sie nie mehr wieder machen, dafür garantieren ja Sie. - Wir haben also wieder Boden unter den Füßen bekommen. Den lassen wir uns nicht entziehen. Die Deutschen haben es nicht verdient, in den 90er Jahren wieder auf die
schiefe Bahn zu kommen. Deshalb werden wir auch alle jüngsten Vorschläge und Bemerkungen der Opposition, besonders in Berlin bei der rot-grünen Tomatentruppe, genau registrieren, natürlich auch, was bei unserem Gedankenaustausch hier im Haus gesagt wurde.
Vogel, Matthäus-Maier, Wieczorek und Genossen, sie alle malten das Bild der Armut und der sozialen Ungerechtigkeit an die Wand.
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Den Arbeitnehmern gehe es schlecht, hieß es bei Ihnen, Wohnungen fehlten, das Geld zum Studieren fehle, die Zahl der Sozialhilfeempfänger nehme zu, und was Sie sonst noch alles erzählt haben. Ich gestehe: Natürlich sind auch wir kein Land ohne Probleme.
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Hunderttausende von Aus-, Um- und Übersiedlern müssen erst einmal versorgt werden. Wir nehmen uns aber der Herausforderung an, im Gegensatz zu Lafontaine, der diese Leute als unerwünscht betrachtet.
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Wir nehmen uns auch der neuen Studentenexplosion an, die vom Wunsch unserer jungen Menschen nach qualifizierter Bildung zeugt. Es sind ja nicht mehr die Soziologen, Politologen oder auch Philologen, die die Hörsäle bevölkern, es sind jetzt die jungen Studierenden, die Informatiker, Techniker, Chemiker, Physiker oder Diplom-Ingenieure werden wollen. Davon braucht unsere Gesellschaft in Zukunft noch mehr. Deshalb unterstützen wir die neue Kraftanstrengung der Bundesregierung und der Länder, soweit sie mitmachen können und wollen.
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Populistisch hat Frau Matthäus-Maier gesagt, sie sei für Wohnungen statt Kasernen.
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Sie sind ja so sympatisch, es ist im Grunde genommen alles nett, was Sie sagen, nur es muß nicht stimmen.
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Aber Sie reden wohl nicht mit den SPD-Verteidigungspolitikern, denn sonst würden Sie auch wissen, daß auch in den Kasernen die Soldatenbuden modernisiert werden müssen und daß im Verteidigungshaushalt einiges dafür getan wird.
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Sie reden offensichtlich auch nicht mit dem Münchener Oberbürgermeister, Ihrem Parteigenossen Kronawitter, der nämlich in einem Brief vor einem Monat an den Gewerkschaftsvorsitzenden Ernst Breit die Verkaufsabsicht der Neuen Heimat Bayern als ein verwerfliches Geschäft bezeichnet hat.
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Aber wir sind es ja gewohnt, hier die großen Moraltöne zu hören und dann knurrend die Fehltritte von SPD-Wirtschaftskritikern zu erleben.
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- Herr Kollege Kansy, Sie haben recht, Onkel Lappas läßt grüßen.
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Herr Abgeordneter Rose, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier?
Aber gern.
Herr Kollege, würden Sie mir, da Sie in diesem Hause als Haushaltspolitiker besser als andere wissen, daß im Verteidigungshaushalt 3,9 Milliarden DM für militärische Bauten enthalten sind, nicht zustimmen, daß dann - das haben wir gefordert - , wenn man 300 Millionen DM davon benutzt, um den sozialen Wohnungsbau zu verstärken, immer noch sehr viel Geld übrigbleibt, um z. B. zugige Kasernen zu sanieren, was wir dringend wollen?
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- Doch! 300 Millionen DM von den 3,9 Milliarden DM.
Frau Kollegin MatthäusMaier, ich sage nachher sowieso noch etwas zum Verteidigungshaushalt; da kommt das extra noch vor. Wir haben natürlich gute Experten, die uns vorgerechnet haben, was man im Einzelplan 14 streichen kann. Wir haben auch einiges gestrichen, was sinnvoll ist, aber nicht mit dieser allgemeine Tour „Wohnungen statt Kasernen" ; das ist einfach zu billig.
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Frau Kollegin, Sie reden offensichtlich auch nicht mit Ihren Parteigenossen, die ländliche Wahlkreise haben; sonst hätten Sie nicht Ihre Steuerpläne wiederholt, die besonders die Fernpendler betreffen. Ich muß hier ganz brutal auch einmal sagen, weil Sie hier den Klassenkampf so sehr schüren und immer wieder Abgeordnete und Großverdiener als die eigentlich schlechten Menschen dieser Gesellschaft darstellen: Es ist natürlich ein Unterschied, ob man mit dem Privat-Pkw tagtäglich 100 Kilometer zum Arbeitsplatz und zurück fahren muß, oder ob man mit dem Dienstauto vom eigenen Heimatort hierher gefahren wird. Das ist ein Unterschied.
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Ich selber bin Vertreter eines ländlichen Wahlkreises; ich weiß, was es bedeutet, und ich weiß, wie meine Leute zu Hause unter einem solchen Steuererhöhungsplan leiden müssen.
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Hier passen Dichtung und Wahrheit einfach nicht zusammen.
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Das gilt vor allem auch für die großzügige Ankündigung, das Kindergeld erhöhen zu wollen. Das sind nur Sprüche, denn am Ende der SPD-Herrschaft wurde das Kindergeld bekanntlich gekürzt, und jetzt sind Sie plötzlich wieder dafür, es zu erhöhen.
Meine Damen und Herren, es ist daher besser, sich weder auf Lafontaines „Rückschritt 90" noch auf Frau Matthäus-Maiers Steuererhöhungspläne einzulassen. Waigel hält die finanzpolitische Linie, so lauteten die anerkennenden Kommentare nach seiner großen Rede am Mittwoch.
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Diese Linie wird von uns im Haushaltsausschuß unterstützt.
Die Wirtschaftspolitik des Wachstums durch Steuerentlastungen ist richtig. Entlastet werden die Bürger, aber auch die Unternehmen. Wenn die SPD meint, wie in dieser Woche geschehen, angesichts der guten Konjunktur brauche man keine Unternehmenssteuersenkungen, so verwechselt sie auch hier Ursache und Wirkung. So wie Arbeitnehmer trotz gestiegener Einkommen steuerlich entlastet wurden, weil sich dies als sozialpolitisch und konjunkturpolitisch wünschenswert darstellte, so brauchen auch die Unternehmen dort Entlastung, wo sie im internationalen Vergleich schlechtergestellt sind und wo sie die Zukunft erst noch bestehen müssen. Kräftige Unternehmensgewinne, punktuell betrachtet, sagen noch lange nichts über die Sanierung oder die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe aus. Es ist unbestritten, daß Frankreich, Japan, Kanada und sogar Österreich den Körperschaftsteuersatz gesenkt haben, Osterreich besonders drastisch von 55 auf 30 %. Bei uns liegt er bei 56 %. Es kann doch niemand behaupten, daß dieser Zustand auf Dauer haltbar ist. Höchstens die Neid- und Strafadvokaten halten diese Höhe für gerecht. Wenn zum 1. Januar 1990 die Absenkung von 56 % auf 50 % und beim Einkommensteuerspitzensatz von 56 % auf 53 % kommt, so ist das gut, aber nicht genügend. Vor allem gibt es auch dringenden Reformbedarf bei der Gewerbekapitalsteuer und bei der betrieblichen Vermögenssteuer.
Wer meint, es gehe darum, den Unternehmern Wohltaten zukommen zu lassen, der liegt falsch. Es geht in erster Linie um eine Reform der Besteuerung von Arbeitsplätzen. Da müßte doch eigentlich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund zu gewinnen sein. Der Investitionsstandort Bundesrepublik muß auf hohem Niveau gehalten, möglichst verbessert werden. Die drängenden Zukunftsaufgaben aller Deutschen verlangen dies.
Meine Damen und Herren, wie ein roter Faden zog sich der Verteidigungsetat durch die Haushaltsreden der Opposition. Der Einzelplan 14 scheint inzwischen zur Melkkuh für die nach sozialer Gerechtigkeit Dürstenden geworden zu sein. Abgesehen von der agrarwissenschaftlichen Einsicht, daß man Kühe auch nur dann melken kann, wenn man sie gut füttert und wenn man ihnen immer wieder Erholungspausen
gibt, spricht auch die sicherheitspolitische Lage nicht für drastische Kürzungen, wohlgemerkt im Haushalt 1990, über den wir reden. Wenn sich für spätere Jahre - und ich sage das ganz freimütig - bei guten Ergebnissen bei den Verhandlungen in Wien ein Handlungsbedarf in Richtung Truppenreduzierung oder Verteidigungsstrukturänderungen ergibt, wird sich niemand gegen Neuerungen sperren,
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wobei nicht gesagt ist, daß es unbedingt billiger kommt. Auch darüber könnte man noch reden; denn auch solche Maßnahmen kosten bekanntlich Geld. Ich frage nur, wenn man hier immer Vorleistungen bringt: Hat denn die DDR ihren Verteidigungshaushalt schon gekürzt? Man kann doch die Bundesrepublik nicht immer mit der Sowjetunion vergleichen. Wir sind in ein Bündnis eingebaut. Dieses Bündnis war Jahrzehnte gut für unsere Sicherheit. Für diese Sicherheit, für dieses Bündnis verzichtet man nicht so leicht, schon gar nicht, solange nicht mehr Schwalben einen wirklichen echten Friedenssommer machen.
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Wir sind deshalb an den Verteidigungshaushalt sehr verantwortungsbewußt herangegangen. Die SPD sprach vom teuersten Verteidigungshaushalt. Ja, gut, in absoluten Zahlen mag das stimmen; aber noch vor wenigen Jahren lagen zum Beispiel Verteidigungshaushalt und Sozialhaushalt eng beisammen. Jetzt stehen allein im Bundeshaushalt für das Sozialwesen rund 70 Milliarden DM, und dann kommen noch die Länderhaushalte und die Bezirke und die Kommunen hinzu. Man soll also die Kirche im Dorf lassen. Außerdem ist mehr als die Hälfte für Personal- und Sachaufwand vorgesehen, während sich die Neubeschaffung auf das zwingend Notwendige beschränkt. So stark könnte man also die Kuh gar nicht melken. Außerdem wollen wir unseren Soldaten kein falsches Signal geben; sie erfüllen den Auftrag dieses Parlaments, den Frieden zu sichern, und sie brauchen sich deshalb auch nicht als unerwünscht zu fühlen.
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Meine Damen und Herren, wenn wir mit der dritten Lesung den Abschluß für dieses Jahr finden, heißt das nicht, daß wir den Blick nicht in die Zukunft richten. In der großen Außen- und Deutschlandpolitik, den Finanz- und Wirtschaftsfragen werden auch Probleme im Mittelpunkt stehen, die unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger persönlich betreffen. Da sind die kleinen Handwerks- und Mittelstandsbetriebe, die unter Nachwuchssorgen leiden. Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, daß z. B. Friseure, Bäcker oder Schlosser bald vor dem Ende stehen, wenn die jetzige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt so weitergeht; sie finden keinen Nachwuchs mehr. Auch eine außertarifliche Bezahlung scheint kein Anreiz mehr zu sein. Die Krawattenberufe haben überhand genommen. Die kostengünstige Schwarzarbeit bekommt beängstigende Ausmaße. Es müssen also andere Rahmenbedingungen her. Das gleiche gilt weithin für die Landwirtschaft, die am stärksten unter dem Strukturwandel leidet. Unsere pflegerischen Berufe, aber auch die so gern als Bürokraten verteufelten Angehörigen
des öffentlichen Dienstes, wozu Eisenbahner, Postler, Finanz- oder Zollbeamte gezählt werden müssen, sie alle brauchen unsere Unterstützung, sie alle erwarten neue Rahmenbedingungen. Wir können insgesamt mit dem 90er Haushalt zufrieden sein. Wir können und wir werden uns aber nicht zufrieden zurücklehnen.
Im Bewußtsein, auch für die nächsten Jahre voll gefordert zu werden, stimmen wir dem vorliegenden Bundeshaushalt und dem Haushaltsgesetz gern zu.
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Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter Wüppesahl.
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Das Protokoll vermerkt an dieser Stelle regelmäßig aufwallende Freude im Hause.
Meine Damen und Herren, wer die ersten knapp zwei Stunden aufmerksam verfolgt hat, der muß den Eindruck haben, er habe ein falsches Video eingeschaltet. Es wurde schlicht und einfach am Thema vorbei gesprochen. Auch die drei Erklärungen, von denen zumindest zwei am Ende der dritten Lesung des Bundeshaushalts 1990 zur namentlichen Abstimmung gestellt werden, gehörten eigentlich in die Deutschlanddebatte von vor zwei Wochen. Ich sehe mich aber genötigt, dieser Vorgehensweise entsprechend, einige zusätzliche Gedanken in die Debatte einzubringen.
({0})
Ich möchte eingangs den mittleren Part einer Erklärung aus der DDR vorlesen, die von allen gesellschaftlich relevanten Gruppen dort inzwischen unterzeichnet worden ist, weil ich glaube, daß es dem Anspruch auf Selbstbestimmung, die von der rechten Seite des Hauses ja ebenfalls eingeklagt wird, am nächsten käme, wenn die Bundesregierung ihre Politik daran ausrichtete.
Dort ist zu lesen:
Entweder:
können wir auf der Eigenständigkeit der DDR bestehen und versuchen, mit allen unseren Kräften und in Zusammenarbeit mit denjenigen Staaten und Interessengruppen, die dazu bereit sind, in unserem Land eine solidarische Gesellschaft zu entwickeln, in der Frieden und soziale Gerechtigkeit, Freiheit des einzelnen, Freizügigkeit aller und die Bewahrung der Umwelt gewährleistet sind.
Oder:
wir müssen dulden, daß, veranlaßt durch starke ökonomische Zwänge und durch unzumutbare Bedingungen, an die einflußreiche Kreise aus Wirtschaft und Politik in der Bundesrepublik ihre Hilfe für die DDR knüpfen, ein Ausverkauf unserer materiellen und moralischen Werte beginnt und über kurz oder lang die Deutsche Demokratische Republik durch die Bundesrepublik vereinnahmt wird.
Laßt uns den ersten Weg gehen.
Dies, meine Damen und Herren, ist tatsächlich von allen relevanten Kräften der DDR unterzeichnet worden.
Die DDR wird also eine Gratwanderung machen müssen zwischen fortschreitenden Versorgungsschwierigkeiten einerseits und weiterem Abgleiten in die wirtschaftliche Abhängigkeit von westlichen Wirtschaften, insbesondere der Bundesrepublik, andererseits. Was aber, wenn die Menschen in der DDR die Chance nutzen zu einem sozialen und ökologischen Aufbau ihrer Gesellschaft einschließlich Selbstbestimmung in Wirtschaft, Betrieb, Verwaltung und Politik? Eine derartige Definition der Selbstbestimmung des deutschen Volkes wird hierzulande zu einiger Verstimmung der Mächtigen ({1}) führen, und das dürfte auch der Grund dafür sein, daß diese Selbstbestimmungsmöglichkeit bereits im Vorfeld zu zerschlagen versucht wird.
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Kohl kam mit seinem Zehn-Punkte-Katalog nicht in die Deutschlanddebatte, sondern in den Haushalt, weil er genau das betreibt, was von den GRÜNEN heute sehr gut herausgearbeitet wurde, nämlich Ablenkung, Ablenkung von den eigentlichen Problemen, die wir auf der Welt und in der Bundesrepublik haben.
Es bestand ja auch kein Abstimmungsbedarf mit den westlichen Alliierten oder irgendein anderer plausibler Grund, weshalb Herr Kohl erst zwei Wochen nach der eigentlichen Debatte mit diesem Konzept kommt. Wir haben erfahren, daß keinerlei Abstimmung durchgeführt wurde, nicht einmal in der Koalition. Herr Genscher, Herr Lambsdorff, Herr Waigel, selbst Herr Rühe waren nicht informiert, als am Dienstag dieses Zehn-Punkte-Konzept vorgetragen wurde.
Natürlich, man kann den Standpunkt vertreten - das ist wohl auch der tiefere Grund dafür, daß sich die SPD am vergangenen Dienstag so vorbehaltslos unterworfen hat - , daß es hier um die nationale Frage geht. Es geht aber nicht an, daß das durch folgende Umstände begleitet wird: Die DDR wird erpreßt - das ist eindeutig angesichts der Art und Weise, in der die Bedingungen formuliert worden sind - , und die Grenzen von 1937 werden als Option auch in diesem Zehn-Punkte-Katalog aufrechterhalten. Von dieser Art und Weise des Vorgehens sind drei Länder betroffen, die Sowjetunion, die Tschechoslowakei und Polen.
So hat Gorbatschow gestern in Rom auch völlig zu Recht formuliert, daß der elfte Punkt fehlt, nämlich die Festschreibung dieser Grenzen, bevor die Deutschen mit einer solchen Vehemenz - Gorbatschow nannte es tolpatschig und plump, was Herr Kohl gemacht hat - die deutsche Frage in den Vordergrund der Diskussion rücken.
Herr Dregger kann die fehlende Abstimmung mit den westlichen Alliierten auch nicht dadurch heilen, daß er sagt, Kohl stünde in ständigen Telefonkontakten. Nachträgliche Informationen sind doch nicht mit Konsultationen zu verwechseln. Das, was die Bundesrepublik ständig von Washington, von Paris und Lon13892
don einklagt, nämlich daß man vor wichtigen Entscheidungen gefragt wird, hätte auch hier geschehen müssen.
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Um so erbärmlicher ist natürlich, daß als vierte Komponente die „Kleinigkeit" festzustellen ist, daß dieses Konzept auch vorbei am Parlament als deutsche Politik nach außen dargestellt wird.
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Das ist besonders erbärmlich für die SPD, aber das richtet sich vor allen Dingen an die Fraktionen von FDP und CDU/CSU. Es ist erbärmlich, daß Sie bei Ihrem Selbstverständnis als Parlamentarier in der Lage sind, sich ein solches Konzept vortischen zu lassen - nicht einmal die Spitzen Ihrer Fraktionen sind ja informiert gewesen - und nachträglich nur noch mit dem Kopf zu nicken. Die Gestaltung, die politische Linie, die durch die erste Gewalt in diesem Lande, das Parlament, gezogen werden müßte, geht aber völlig verloren.
Die gouvernementalen Anflüge von Vogel sind in der SPD-Fraktion zu Recht auf Widerstand gestoßen. Wir erkennen wesentliche Kritiken an dieser Unterwerfung der SPD vom letzten Dienstag in der Resolution nicht mehr wieder. Kräfte in der SPD haben einfach auch erkannt, daß die Profilierung zur Zeit schwer ist, daß sie aber notwendig ist in einer Zeit, in der die Wählerinnen und Wähler im Lande Bonn so ziemlich vollständig in einen Topf zu werfen gewillt sind.
Die SPD steht an dieser Stelle, wo es wieder um eine nationale Grundfrage geht, in einer wirklich traurigen historischen Kontinuität. Ich will das nicht länger ausführen;
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aber sowohl die Zustimmung zu den Kriegskrediten während des ersten Weltkrieges
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als auch die sogenannten Antiterroristengesetze in den 70er Jahren, die nach der Verfassungssystematik des Grundgesetzes schändlichstes Unrecht darstellen, sind solche Beispiele.
Meine Damen und Herren, wenn Herr Kohl meint, er müsse noch in diesem Jahr in die DDR fahren - wir haben eine unselige Diskussion darüber öffentlich erleben müssen - , dann schlage ich vor, daß Herr Kohl mit den Bedingungen, die jetzt in diesem ZehnPunkte-Katalog formuliert sind, am 24. Dezember als Knecht Ruprecht und einem entsprechenden Sack auf den Schultern in der DDR erscheint. Das versinnbildlicht sehr viel deutlicher als mühevolle Analysen über dieses Zehn-Punkte-Konzept, wie zur Zeit die tatsächliche Rolle der Bundesrepublik gegenüber der DDR aussieht.
Ich möchte in diese abschließende Haushaltsdebatte aber noch einen anderen Aspekt einbringen:
Vergangenen Mittwoch erlebte die Südafrikapolitik der Bundesregierung einen schweren Rückschlag. Zum erstenmal seit 1978 wurde die Bundesregierung wegen ihres Waffenhandels und wegen ihrer Handelsbeziehungen mit Südafrika von der Vollversammlung der Vereinten Nationen mit überwältigender Mehrheit verurteilt. Es war der U-Boot-Skandal, der das Faß zum Überlaufen brachte. Mit 106 : 17 Stimmen forderte das Plenum der internationalen Staatengemeinschaft eine Strafverfolgung der Firmen HDW und IKL. Es forderte eine strikte Einhaltung des UN-Rüstungsembargos gegen Südafrika durch die Bundesrepublik in der Zukunft.
Ich weiß wirklich nicht, wann der Herr Bundeskanzler und der Herr Außenminister Genscher begreifen werden, daß sich der U-Boot-Skandal nicht aussitzen läßt. Sie haben es nach drei Jahren noch immer nicht geschafft, daß das Thema aus den Schlagzeilen verschwindet. Im Gegenteil, sie haben es geschafft, daß die Bundesrepublik von der UNO-Vollversammlung veurteilt wurde. Sie haben es geschafft, die Bundesrepublik zum zweitgrößten Handelspartner des Apartheidregimes und zu dessen größtem Waffenlieferanten zu machen. Moralische Werte werden immer hochgehalten, wobei wir inzwischen aber so ziemlich alle hier wissen dürften, daß Politik und Moral leider sehr wenig miteinander zu tun haben.
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In der Südafrika-Frage ist die Bundesregierung heute politisch isoliert. Sie steht für alle sichtbar nicht auf der Seite der Menschenrechte und der Freiheit, sondern auf der Seite der Rassisten und weißen Unterdrücker. Nicht nur der Kanzler und der Bundesaußenminister, sondern auch Verteidigungsminister Stoltenberg waren in dieses schmutzige Geschäft involviert, und mit großer Wahrscheinlichkeit auch Finanzminister Waigel und Innenminister Schäuble.
Das Abstimmungsergebnis in der UNO-Vollversammlung kam zustande, obwohl die Bundesrepublik eine diplomatische Offensive sondergleichen gestartet und Druck vor allem auf die ärmsten Länder dieser Welt unternommen hatte, um sie zu einer Änderung ihres Abstimmungsverhaltens zu bewegen - ein Vorgehen, das hoffentlich genauso scheitern wird wie die augenblicklich - seit zwei Tagen stattfindende diplomatische Offensive im Bereich der Deutschlandpolitik, um zu versuchen, der Welt deutlich zu machen, weshalb Deutschland bereits vor der weitergehenden Integration der EG wiedervereinigt werden soll.
Ich hoffe, daß einige Argumente wenigstens zum Nachdenken angeregt haben, und danke für die Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Weng.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der grüne Kollege KleiDr. Weng ({0})
nert hat heute morgen geäußert, bei einmütigen Parlamentsbeschlüssen sei Deutschland immer auf schlimme Wege gekommen. Ich halte diese Äußerung vor einem Parlament frei gewählter Abgeordneter für eine Frechheit.
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Diese Äußerung enthält außerdem Geschichtsklitterung, weil nicht dargestellt ist, welche Art Parlament unter welchen Umständen bestimmte Beschlüsse gefaßt hat, die Deutschland in schwere Lagen gebracht haben.
Ich sage Ihnen etwas anderes. Wer sich an die Vorstellung des Kollegen Kleinert hier erinnert, weiß, was ich meine: Das deutsche Volk war immer besonders schlecht beraten, wenn es unkritisch hinter Schreihälsen hergelaufen ist.
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Was der Haushaltsausschuß in sorgfältiger detaillierter Beratung seit September erarbeitet hat, hat der Deutsche Bundestag nach der Debatte dieser Woche gestern abend in zweiter Lesung verabschiedet. Heute geht es in dritter Lesung erneut um den Etat des Jahres 1990. Natürlich stand die Plenardebatte zu Beginn unter dem Eindruck der ernormen Umwälzungen in unseren östlichen Nachbarländern, insbesondere in der DDR. Der Herr Bundeskanzler hat im Rahmen dieser Haushaltsdebatte seine politische Führungsaufgabe klar ergriffen und mit seinem ZehnPunkte-Programm zur Entwicklung des Verhältnisses zur DDR die Vorgaben gesetzt, an denen sich die künftige Politik orientieren muß. Unsere Fraktion, die das Ziel eines Europas freier Bürger seit langen Jahren konsequent verfolgt hat, ist ihm hierbei gefolgt. Es ist auch der richtige Augenblick, dem Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und unserem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Mischnick nochmals herzlich für ihr politisches Wirken zu danken, das zu der jüngsten Entwicklung einen wichtigen Beitrag geleistet hat.
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Die notwendigen haushaltspolitischen Konsequenzen werden wir in der Folge ziehen, wenn wir auf Grund von Fakten handeln müssen und handeln können.
Wir beraten heute in dritter Lesung über einen Bundeshaushalt, der auf der Basis solider Finanzierung und bestmöglicher wirtschaftspolitischer Gegebenheiten entstanden ist: Trotz der erheblichen Mehrbelastungen z. B. durch die wichtigen wohnungsbaupolitischen Beschlüsse und auch durch bereits geleistete Vorsorge zur Integration von Aus- und Übersiedlern konnte das Ausgabenvolumen gegenüber dem Regierungsentwurf von 301,3 Milliarden DM um 1,3 Milliarden DM auf ca. 300 Milliarden DM gesenkt werden, was eine Steigerungsrate der Ausgabenseite des Haushalts von nur 3 % bedeutet. Die günstige Prognose bei der Steuerschätzung ermöglichte es uns, zusätzlich die Nettokreditaufnahme gegenüber dem Regierungsentwurf um 6,7 Milliarden DM auf weniger als 27 Milliarden DM zu reduzieren, und dies trotz
der großen Steuerentlastung, die mit der Steuerreform zu Beginn kommenden Jahres in Kraft treten wird, eine Steuerreform - ich sage dies erneut - , die eine der großen Leistungen der Koalition in dieser Wahlperiode ist und bleibt.
Das laufende Haushaltsjahr 1989 wird nach dem augenblicklichen Stand der Haushaltsrechnung möglicherweise mit einer Schuldensituation enden, die erstmals seit langen Jahren echte interne Stabilität bedeutet, daß heißt, die Zinsquote im Bundeshaushalt steigt nicht mehr an. Das konnten wir für das kommende Jahr in der Prognose der Finanzplanung noch nicht erreichen. Es bleibt unser Ziel, dies langfristig zu erreichen. Die Stabilität unserer Währung und die Inflationsfestigkeit wären gefährdet, wenn wir das Ziel einer weiteren Senkung der Schulden aus dem Auge verlören.
Und es benötigt, meine Damen und Herren, deutliches wirtschaftliches Wachstum, wenn wir in der kommenden Wahlperiode, wie es ja auch hier von der Bundesregierung in der Haushaltsdebatte angekündigt worden ist, Spielräume für weitere notwendige steuerliche Entlastungen in der Wirtschaft zur Verfügung haben wollen. Solche Entwicklungen sind erwünscht, sie sind notwendig, sie müssen aber wie seither solide finanziert werden.
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Die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank spielt für uns eine wichtige Rolle, nicht nur wegen der Geldmengenpolitik, sondern auch ganz direkt wegen der Höhe der Zinsen, die ja inzwischen einen der großen Ausgabeposten im Bundeshaushalt darstellen. Die Deutsche Bundesbank ist unabhängig in ihren Entscheidungen, im Unterschied zu anderen Ländern, wo die dortigen Zentralbanken politisch bestimmt sind. Damit ist auch das Urteil der Deutschen Bundesbank und ihre Flankierung für unsere handelnde Politik von besonderer Bedeutung. Zustimmung der Bundesbank, meine Damen und Herren, das ist so wie Zustimmung des Sachverständigenrats, da kann man sich als Haushaltspolitiker in seiner Entscheidung zusätzlich sicher fühlen.
Ich möchte nochmals auf die enorm verbesserte Situation am Arbeitsmarkt hinweisen, wo seit dem Herbst 1983 1,3 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Und ich will besonders darauf hinweisen, daß auch für das kommende Jahr der Sachverständigenrat mit rund 400 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen rechnet. Die Finanz-, die Wirtschafts- und die Haushaltspolitik der Koalition, die wir konsequent fortsetzen, hat diesen Erfolg ermöglicht.
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Auch heute muß die Opposition und muß insbesondere die SPD daran erinnert werden, welche Entwicklung von ihr als Ergebnis der Politik der Koalition vorausgesagt und immer wieder beschrien wurde. Zahlen von 3 oder 4 Millionen Arbeitslosen wurden in den Raum gestellt, Zahlen von 40 Milliarden DM Nettoneuverschuldung waren nicht zu hoch, um in der Öffentlichkeit Horrorgemälde vorzuführen.
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Dr. Weng ({7})
Es ist auch in der Debatte der vergangenen Tage wieder deutlich geworden, an welcher Stelle die Sozialdemokraten munter werden: wenn es darum geht, die Bürger stärker zu belasten, wenn es darum geht, höhere Steuern, mehr Abgaben, Sonderopfer zu verlangen, und wenn es darum geht, von staatlicher Seite aus ganz viel Geld auszugeben.
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Die Diskussion über den Etat des Umweltministeriums hat das ja besonders verdeutlicht. Sie erinnern sich an die Ausführungen der Frau Matthäus-Maier ganz zu Beginn der Haushaltsdebatte. Anstatt die großen Erfolge im Bereich der Umweltpolitik, Verbesserung von Luft und Wasser, diese offensichtlichen Erfolge zu begrüßen, anstatt die internationale Zusammenarbeit zu begrüßen, ohne die es auf der „kleiner gewordenen" Erde letztendlich überhaupt keinen Sinn macht, Umweltpolitik zu betreiben, wird am Volumen eines Einzelhaushalts herumgemäkelt, der nun wirklich keinerlei Aussagekraft über die tatsächlich erreichten Fortschritte in der Umweltpolitik hat.
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Die Koalition ist geradlinig und auf gesicherter Grundlage ihren Weg durch die Haushaltsberatungen gegangen. Das gilt für den Ausschuß in gleicher Weise wie hier in dieser Woche für das Plenum des Deutschen Bundestages. Die Haushaltsdebatte als eine „Stunde der Opposition" , wie es eigentlich sein sollte, als Generalabrechnung mit der Regierungspolitik, als Darstellung eigener Alternativen der Opposition, meine Damen und Herren, hat nicht stattgefunden.
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Wenn das oft unsubstantiierte und - ich erinnere an die Diskussion über den Verteidigungsetat - rein emotionale Feldgeschrei zur Seite bleibt, dann kann man mit Gelassenheit und natürlich auch mit der Freude des Erfolgreichen feststellen: Die Opposition hat keine ernstzunehmende Alternative zur Regierungspolitik geboten.
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- Das sind, Herr Kollege Soell, Fakten.
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Und wenn Sie in dem Umfang, wie ich es in dieser Woche als Sprecher meiner Fraktion für diesen Bereich getan habe, hier die Debatte verfolgt hätten, dann würden Sie mir recht geben, anstatt hier negativ zwischenzurufen.
Die FDP-Fraktion befindet sich an der Seite der leistungsbereiten Bürger, die den Staat tragen und den Wohlstand unserer Menschen erarbeiten. Die Attraktivität der Bundesrepublik wird uns ja nun wirklich zur Zeit täglich eindrucksvoll vor Augen geführt. Unser Weg ist der richtige.
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Meine Damen und Herren, die Regierungspolitik der Koalition der Mitte, die im vorliegenden Haushalt
für 1990 ihre konsequente Fortsetzung findet, hat Bestand. Die Bundestagsfraktion der FDP als bewegende und tragende Kraft stimmt dem Bundeshaushalt 1990 auch in der dritten Lesung zu.
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Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Walther.
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn als noch amtierender Ausschußvorsitzender
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ein paar Bemerkungen allgemeiner Art machen. Denn hinter uns liegen Wochen, die für alle Mitglieder des Haushaltsausschusses ein Höchstmaß an Anspannung und an Arbeit bereithielten. In Anbetracht der großen, umwälzenden politischen Ereignisse seit dem 9. November war es für uns nicht immer ganz leicht, uns auf die Routine der Haushaltsberatungen zu konzentrieren. Das lag auf der Hand.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie bereits eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wieczorek?
Ja, aber es wird nicht angerechnet, Frau Präsidentin.
Herr Kollege Walther, ich bin ein bißchen geschockt. Sie sind unser Vorsitzender. Gibt es einen Anlaß für Ihre nebulöse Bemerkung „noch amtierender Ausschußvorsitzender"?
Sie wissen doch, daß dies ein Amt ist, das der Opposition zusteht, und die nächste Wahl steht vor der Tür.
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Wir haben uns aber, um jetzt wieder zurückzukommen, den sachlichen Zwängen folgend, gleichwohl um eine umfassende Beratung des Haushalts im Rahmen des knappen Zeitplanes bemüht. Daß dies möglich war, meine Damen und Herren, ist zum einen den Obleuten Jochen Borchert, Wolfgang Weng, Helmut Wieczorek und Christa Vennegerts zu verdanken. Sie waren auch in diesem Jahr in besonderem Maße gefordert. Für ihre kooperative Zusammenarbeit bedanke ich mich herzlich.
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Zum anderen, meine Damen und Herren, haben alle Mitglieder des Haushaltsausschusses als Berichterstatterinnen und Berichterstatter zu den jeweiligen Einzelplänen die Beratungen sorgfältig, gründlich und mit hohem Sachverstand vorbereitet. Die Ausschußarbeit ist hierdurch in vielen Fällen von unnötigem Ballast befreit worden, so daß die Beratungen überwiegend straff und auch in streitigen Punkten konzentriert geführt werden konnten. Für diese gute Vorbereitung sage ich allen meinen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuß sehr herzlichen Dank.
In diesem Dank schließe ich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien, insonderheit, Herr Bundesfinanzminister, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Ministeriums und - das darf ich sagen - alle die hilfreichen Geister in der Bundestagsverwaltung mit ein, die uns in diesen vielen Tagen hier im Bundestag so hilfreich betreut haben.
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Man soll das eigene Haus nicht ganz vergessen. Hohes Lob verdienen auch in diesem Jahr wieder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sekretariats des Haushaltsausschusses für ihren unermüdlichen Einsatz.
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Daß ich naturgemäß, Kollege Wolfgang Weng - das liegt so in der Natur der Sache - , dieses hohe Lob Ihrem Haushalt nicht zollen kann, das will ich hier einleitend bemerken. Aber ich will mich zunächst an den Kollegen Mischnick wenden.
Ich möchte noch einmal auf Ihre doch sehr emotional hier vorgetragenen Vorwürfe in Richtung unserer Fraktion im Hinblick auf die Absätze in der von uns vorgelegten Entschließung, von der Sie meinen, sie gehörten nicht hinein, zurückkommen. Ich sage Ihnen: Wer über zehn Punkte für Deutschland spricht, darf diese beiden wichtigen Punkte nicht vergessen.
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Wenn Sie sagen, das, was der Bundeskanzler hier vorgelegt hat, ist nun einmal das Gesamtbild seiner Deutschlandpolitik, wie er sich sie vorstellt, dann gehören die polnische Westgrenze und der Verzicht auf weitere Aufrüstung untrennbar dazu.
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- Herr Kollege Mischnick, wir haben auch anderes beschlossen, was in diesen zehn Punkten steht, und trotzdem steht es darin.
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Ich denke, lieber Herr Kollege Mischnick, das war eine Antwort, die Sie mit Rücksicht auf die CDU/CSU-Mitglieder dieses Hauses geben mußten.
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- Daß es Ihre Überzeugung ist, das weiß ich doch. Aber Sie mußten uns deswegen beschimpfen, daß wir Ihre Überzeugung zu Papier bringen,
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um die Damen und Herren hier zu befriedigen.
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Dann wollte ich mich noch gerne an den Kollegen Kleinert wenden.
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- Doch, er ist ausnahmsweise da. Kollege Kleinert, wir haben ja in den Ausschußberatungen und auch an Ihrem Verhalten in dieser Woche gesehen, wie wenig konsensfähig Sie sind, wie wenig kompromißfähig Sie sind, wie regierungsunfähig Sie sind und wie politikunfähig Sie sind.
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Deshalb sage ich Ihnen: Wenn Sie uns vorwerfen, unsere Haltung zu der Erklärung des Bundeskanzlers sei verhängnisvoll, dann sage ich: Das, was Herta Däubler-Gmelin heute morgen hier vorgetragen hat, war nicht nur hervorragend, sondern auch überzeugend und alles andere als verhängnisvoll.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kleinert, Herr Kollege?
Bitte schön.
Herr Kollege Walther, sind Sie nicht wie ich der Auffassung, daß diese Erklärung des Bundeskanzlers in erster Linie darauf abzielt, in der innenpolitischen Auseinandersetzung der Bundesrepublik klar und deutlich herauszustellen, daß die CDU die Wiedervereinigungspartei in der Bundesrepublik Deutschland ist und daß dahinter im Blick auf den Dezember 1990 eindeutig auch schon Wahlkampfüberlegungen stehen, und sind Sie nicht wie ich der Auffassung, daß dieser Vorschlag erhebliche Risiken enthält, Risiken, die sehr sorgfältig überlegt und analysiert werden müßten, und daß es deswegen auch für Ihre Partei angebrachter gewesen wäre, zunächst einmal innezuhalten und abzuwägen,
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ob man sich auf diesen nationalen Konsens einlassen sollte?
Frau Präsidentin, ich hoffe, die drei Minuten, die der Kollege Kleinert gebraucht hat, um hier zehn Fragen zu stellen, werden nicht auf meine Redezeit angerechnet.
Ich verkünde jetzt allgemein: Zwischenfragen werden nicht auf die Redezeit angerechnet.
Herr Kollege Kleinert, daß bei allem, was der Bundeskanzler tut, natürlich auch parteipolitische Ranküne im Spiel ist, wissen wir. Aber Sie können sich darauf verlassen, daß wir Sozialdemokraten ihm nicht auf den Leim gehen werden und dafür sorgen werden, daß unverwechselbare sozialdemokratische Positionen wie z. B. die Anerkennung der Westgrenze und keine weitere Nachrüstung in das Bewußtsein der Öffentlichkeit geraten.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun aber zum Haushalt. Es liegt ein Ergebnis vor, von dem die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen meinen, es könne sich sehen lassen. In der Tat vermitteln die grundlegenden Eckwerte - die Nettoneuverschuldung und die Begrenzung des Aufwuchses gegenüber dem Vorjahr auf 3 v. H. - auf den ersten Blick ja auch eine passable Optik. Das ist nicht zu bestreiten.
Aber wie so oft täuscht auch hier der erste Eindruck, denn die Ergebnisse des Haushalts sind teilweise geschönt. Wäre alles mit rechten Dingen zugegangen
- ich komme auf die Anhörung vom letzten Freitag zurück -, läge die Steigerungsrate erheblich höher; Sie wissen, wovon ich spreche.
Der Verkauf der Salzgitter AG erscheint nicht, wie die Bundeshaushaltsordnung es zwingend vorschreibt, in einem Einnahmetitel. Die Verwendung des Erlöses wird nicht in Mark und Pfennig in einem Ausgabetitel angegeben, sondern schamhaft in einem Leertitel ohne Ansatz vermerkt. Der Zweck dieser Operation ist klar: Die ordnungsgemäße Veranschlagung hätte die Ausgaben um 2,5 Milliarden DM steigen lassen. Dies hätte die Optik verdorben.
Die Koalitionsfraktionen nehmen um dieses zu vermeidenden Ergebnisses willen einen Verstoß gegen das Gesetz, nämlich gegen § 15 der Bundeshaushaltsordnung, bewußt in Kauf, und das, obwohl der Präsident des Bundesrechnungshofes in der letzten Sitzung des Ausschusses ausdrückliche und berechtigte Bedenken gegen dieses Verfahren erhoben hat.
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- Das hat er nicht gesagt, Herr Kollege Roth. Lesen Sie es bitte nach!
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- Nein, ich bitte um Entschuldigung; er hat auf die Erklärung des Kollegen Carstens hin mehrfach den Finger gehoben und wollte das, was Herr Carstens gesagt hat, zurechtrücken. Ich als Ausschußvorsitzender habe dann die Sitzung abgebrochen, weil Sie alle nach Hause wollten. Das ist die Wahrheit.
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Meine Damen und Herren, unabhängig von dem formalen Vorwurf ist in der Sache der Vorwurf zu erheben, daß Sie mit dem Verkauf der Salzgitter AG eine ganze Region verunsichern und nach der Daimler-Benz/MBB-Fusion zum zweitenmal aktiver Taufpate einer Mammutfusion sind und die Macht einer weiteren Großbank stärken, und das auch noch bei einem vermutlich zu niedrigen Verkaufspreis.
Es ist weiter der Vorwurf zu erheben, daß sich dieser Haushalt dadurch auszeichnet, daß er Risiken ausblendet, auf Grund derer schon heute abzusehen ist, daß es bei den jetzigen Ausgabenansätzen nicht bleiben kann. Dies gilt zunächst und in erster Linie im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung seit dem 9. November. Ich suche bei der haushaltsmäßigen Aufarbeitung dieser Ereignisse, die uns alle tief bewegen, keinen Streit. Gleichwohl appelliere ich vor allen Dingen an Ihre Adresse - damit meine ich Sie auf der rechten Seite des Hauses - für mehr Nachdenklichkeit; denn die Grundannahmen, auf denen der Haushalt für 1990 beruht, gelten seit Öffnung der Mauer nicht mehr. Alles, was der Haushalt zur Berlin-Hilfe, zum Begrüßungsgeld, zur Zonenrandförderung, zur Osteuropahilfe, zu unserem System der sozialen Sicherheit enthält, ist heute schon weitgehend Makulatur.
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Meine Fraktion geht deshalb davon aus, daß ein Nachtragshaushalt erforderlich werden wird, der in vielen Bereichen die jetzigen Ansätze korrigiert. Herr Kollege Weng, ich habe Sie eben so verstanden, daß Sie dieser meiner Feststellung nicht widersprechen wollen.
Dabei hätten mit ein bißchen gutem Willen zur Zusammenarbeit einzelne Probleme schon heute - jedenfalls ansatzweise - gelöst werden können. Ich nenne als Beispiel die Berlin-Hilfe, von der bereits heute feststeht, daß sie nicht ausreichen wird und nicht ausreichen kann. Es ist zwar richtig, daß niemand genau weiß, wie sich die Dinge im Jahre 1990 exakt und genau auswirken und entwickeln werden. Aber Ihr Argument, die Situation müsse abgewartet werden - so haben Sie argumentiert - , verfängt nicht; denn, meine Damen und Herren, die Situation, sie ist schon da.
Es darf nicht mehr zugewartet werden. Ein Blinder mit einem Krückstock kann angesichts der bewegenden Fernsehbilder aus Berlin fühlen, daß auf den Berliner Haushalt zusätzliche Ausgaben im gesamtdeutschen Interesse zukommen, die er allein nicht tragen kann. Dies ist übrigens nicht nur die Einschätzung unserer Fraktion oder des Regierenden Bürgermeisters von Berlin; fast alle, die sich politisch äußern, sind derselben Meinung.
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- Das ist klar. Aber Sie hätten, wenn Sie den guten Willen dazu gehabt hätten, dem Antrag meines Kollegen Dr. Diederichs zustimmen sollen, der zur damaligen Zeit exakt ausgerechnet hat, daß allein für den Nahverkehr 372 Millionen DM fehlen. Ihre Generalsekretärin, Schmalz-Jacobsen, hat sich zur gleichen Zeit ähnlich geäußert. Nun mag es sein, daß Sie von der Dame nichts halten. Aber ich finde: Sie hat sich an der Stelle richtig geäußert.
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- Das nehmen wir zu Protokoll.
Zunächst ist ein Gutteil der Chancen vertan worden, in Richtung Berlin ein Signal zu geben, daß der Bund heute und jetzt - nicht nur irgendwann - zu schneller und effizienter Hilfe bei der Lösung der aktuellen Probleme bereit ist. Wer seine Abneigung geWalther
gen den von ihm ungeliebten Berliner Senat so offenkundig zur Schau trägt, ist ein schlechter Verlierer.
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Schlechte Verlierer bestraft erfahrungsgemäß der Wähler.
Dennoch hoffe ich - vielleicht kann der Finanzminister, wenn er nachher redet, dazu etwas sagen -, daß das heute endlich zustande gekommene Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und dem Berliner Senat diesen schweren Fehler korrigiert. Ich hoffe, Herr Kollege Waigel, daß Sie, wenn Sie nachher reden, das Ergebnis mitteilen. Das wäre schön. Dann würde ein Teil meiner eben gemachten Anmerkungen obsolet.
Signale fehlen auch in anderer Hinsicht. Ich bleibe bei dem hier schon vielzitierten Verteidigungsetat, Herr Kollege Rose. Mit einem Aufwuchs von 2,8 paßt er nicht mehr in die aktuelle politische Landschaft.
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Seine nicht nur marginale Absenkung - so haben Sie es gemacht - wäre ein wirkliches Zeichen gegenüber den Völkern unserer osteuropäischen Nachbarstaaten gewesen, die darangegangen sind, gegen große Widerstände in ihren eigenen Ländern Reformen durchzusetzen. Daß diese Reformprozesse gelingen, liegt auch in unserem Interesse; denn Freiheit und Demokratie in den Ländern des Ostens tragen mehr zur Sicherheit in Europa bei als der Jäger 90, neue Tornados, neue Panzerabwehrhubschrauber oder andere Großwaffensysteme.
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Sparen an dieser Stelle, wie es meine Fraktion vorgeschlagen hat, wäre nicht nur buchhalterische Zahlenkosmetik, sondern ein wirkliches Signal auch in Richtung der Wiener Verhandlungen über die konventionelle Abrüstung gewesen. Dies ist eben nicht mehr die Zeit für die kriegsmäßige Aufstockung der Munition, für Tiefflüge über bewohnten Gebieten oder für waffenstarrende Großmanöver.
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Dabei verkenne ich nicht, daß in einigen Bereichen der Bundeswehr nach wie vor höhere Mittel erforderlich sind. Das Attraktivitätsprogramm mit seinen Verbesserungen für den einzelnen Soldaten war lange überfällig. Gestern hat Herr Kollege Kühbacher hier überzeugend dargelegt, daß Sie bei dem Programm die Unteroffiziere ganz vergessen haben, was nur 7 Millionen DM gekostet hätte.
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Das hat Ihnen gestern abend weh getan. Aber es ist völlig verfehlt, die High Tech der Waffensysteme mit einer Verbissenheit weiter vorwärtszutreiben, als ob sich in den osteuropäischen Staaten nichts bewegt hätte und wir noch mitten in den Zeiten des Kalten Krieges lebten. Wenn schon die jüngste Entwicklung in den Staaten des Ostblocks die Bundesregierung nicht zum Umdenken veranlaßt, dann sollten dies wenigstens fiskalische Gründe tun. Denn die Entwicklung und Beschaffung des Jägers 90 mit Lebenslaufkosten von 100 Milliarden DM engen -ebenso wie die durch den Tornado verursachte Bugwelle - die Handlungsspielräume in unvertretbarer Weise ein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Etat des Verteidigungsministers bietet nach unserer Auffassung Einsparungsmöglichkeiten in Höhe von 3,2 Milliarden DM, Beträge, die wir für andere wichtige Bereiche abziehen könnten - über die wir ja in diesen Tagen geredet haben - , ohne daß der Verteidigungsauftrag hierdurch Schaden nehmen würde. Herr Kollege Rose, es ist doch nicht so, wie Sie gesagt haben, daß wir den Soldaten an den Pranger stellen - um Himmels willen! Das ist überhaupt nicht unsere Absicht
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- nein, das ist überhaupt nicht unsere Absicht -, sondern wir meinen, daß angesichts der Entwicklungen, über die wir jetzt in diesen Wochen reden, hier an der Stelle andere Signale hätten gegeben werden müssen, die mit dem Soldaten, der seine Pflicht für uns tut, überhaupt nichts zu tun haben.
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- Aber natürlich, ich rechne Ihnen das genau vor. Da wär' noch viel mehr Luft drin gewesen. Es lohnt sich, hier mit noch spitzerem Bleistift zu rechnen, z. B. bei den Bundeswehrbeschaffungen mit Verträgen zu Selbstkostenpreisen. - Da guckt der Bernhard Friedmann gleich weg, weil er weiß, daß er da eine Niederlage erlitten hat. ({14})
Nach wie vor steht zu befürchten, daß viele Millionen D-Mark zu Unrecht in den Schatullen der Rüstungsindustrie verschwinden. Aber auch in dieser Frage ist die Bundesregierung, vor allem der Bundeswirtschaftsminister - angeblich aus ordnungspolitischen Gründen - wider besseres Wissen hartnäckig geblieben und nicht bereit, dem Bundesrechnungshof ein wirksames Kontrollrecht einzuräumen, das Mißbräuche verhindern kann. Es war bei uns im Ausschuß ja immer gemeinsame Auffassung, Bernhard Friedmann
- aller Mitglieder des Haushaltsausschusses -, daß dem Bundesrechnungshof ein effizientes Prüfungsrecht gegeben werden muß. Herausgekommen ist mit Ihren Stimmen ein schlappes Anwesenheits- und Informationsrecht des Rechnungshofes bei Ausübung des Preisprüfungsrechts durch das Bundeswehrbeschaffungsamt.
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- Weil Sie ihm keine anderen Instrumente zu geben bereit waren, Herr Kollege Dr. Friedmann. ({16})
In der Sache haben sich die Mitglieder der Koalitionsfraktionen damit von der Bundesregierung geschlagen gegeben und, wie Kollege Helmut Esters hier an
dieser Stelle ausgeführt hat, den Rechnungshof zu einer zahnlosen Gouvernante degradiert, die nur noch als Kurschatten fungiert.
({17})
Aber damit hatte Helmut Esters natürlich nicht ganz recht; denn einen zahnlosen Kurschatten kann ich mir nicht vorstellen.
({18})
Aber, meine Damen und Herren, gleichwohl fügt sich diese Entscheidung nahtlos an eine andere der Koalitionsmehrheit an, nämlich an diejenige, dem Bundesrechnungshof die personellen Ressourcen teilweise vorzuenthalten, die notwendig wären, seine Bonner Außenstelle zu einer echten, schlagkräftigen Abteilung auszubauen.
Ich bedauere diese Entscheidung sehr, weil sie dem Bundesrechnungshof und seiner Bonner Außenstelle nicht gerecht wird; denn gerade dieser Außenstelle verdanken wir wertvolle Prüfhinweise. Als Beispiel nenne ich das Thema, über das wir im Haushaltsausschuß stundenlang gestritten haben, nämlich den Bericht des Rechnungshofes darüber, daß der Bundesverteidiungsminister in den vergangenen Jahren weit über 1 000 ehemalige aktive Soldaten nach ihrer Pensionierung mit ihrem Einverständnis zu langdauernden, jahrelang dauernden Wehrübungen herangezogen hat und diese ehemaligen Soldaten dann auf Grund ihrer Pensionsbezüge und der Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz höhere Nettobezüge als ein vergleichbarer aktiver Soldat hatten.
({19})
In den Genuß dieser Fürsorge sind vor allem hohe und höchste Offiziere gekommen, die nicht gerade zu den 6 Millionen Armen zählen, die es bei uns dank der Politik dieser Bundesregierung noch gibt und die in Johnny Kleins Märchenbüchern überhaupt nicht vorkommen.
({20})
Ein ähnliches Maß an fürsorglicher Hingabe für die Soldaten hätte ich mir vom Minister an anderer Stelle erwartet, nämlich bei der Versorgung von Soldaten auf dem Wohnungsmarkt. Jedermann weiß, daß die Soldaten dort, wo sie stationiert sind, große Probleme mit Wohnungen haben, die vom Bund für diese Zwecke gefördert wurden.
Ich sage immer der staunenden Öffentlichkeit: Als wir das alles im Haushalt erörtert haben, hat der zuständige Staatssekretär gesagt: Das Problem hätten wir für 1990 glatt vergessen - glatt vergessen, hat er gesagt! Das heißt, die Schwierigkeiten der Soldaten werden nicht immer ernst genug genommen.
Wenn sich so etwas schon in dem überschaubaren Bereich der Wohnungsfürsorge der Bundeswehr abspielt, was dürfen wir dann eigentlich von dem angekündigten Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung halten? Ich respektiere und begrüße natürlich, daß sich auf diesem Sektor etwas bewegt, aber dieser Bundesregierung ist dies nicht als Verdienst anzurechnen. Sie zieht lediglich in letzter Minute die Notbremse, weil sie endlich erkennt, daß sie vor dem von
ihr selbst angerichteten wohnungspolitischen Scherbenhaufen steht.
({21})
Ich weiß noch - ich war ja dabei - , wie auf Antrag des jetzigen Parlamentarischen Staatssekretärs Jürgen Echternach, der damals Berichterstatter im Haushaltsausschuß für den Wohnungsbau war, die Koalitionsmehrheit den sozialen Mietwohnungsbau schlicht und einfach gekippt und gestrichen hat, herzlos gestrichen hat. Nun stehen Sie vor dem Ergebnis Ihrer eigenen Politik, und der Jürgen Echternach, der diese Entwicklung persönlich mit zu verantworten hat, sitzt immer noch im Wohnungsbauministerium.
({22})
Nun, meine Damen und Herren, Sie werden sagen, im Zusammenhang mit der Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt wird sich der Jürgen Wohlrabe - Entschuldigung, der Jürgen Echternach - etwas dabei gedacht haben. - Wie komme ich auf Wohlrabe? - Ach, Berlin, ja.
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Ich sage noch einmal: Der Jürgen Echternach hat sich dabei wahrscheinlich etwas gedacht. Auch Sie von der Koalition haben nämlich immer gesagt, es gebe keinen Bedarf mehr für Mietwohnungen, höchstens noch einen geringen in Frankfurt und München, und das könnten die Länder locker aus der Hosentasche bezahlen - so hat er argumentiert. Diese Entwicklung war vorauszusehen. Sie haben es doch erst gemerkt, als Sie die Berliner Wahlen verloren und analysiert hatten, woran das lag.
({24})
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Das Gros der Probleme auf diesem Sektor ist hausgemacht, weil Sie sehenden Auges in Kauf genommen haben, daß Einkommensschwache, Alte, Alleinstehende, Behinderte und kinderreiche Familien sich kaum noch mit preiswertem Wohnraum versorgen können. Sie haben diese Probleme bewußt rechts liegengelassen. Ich sage „rechts" , weil dort durch Armut, soziale Deklassierung und auch durch mangelnden Wohnraum der Boden aufbereitet wird, auf dem jene Partei erstarkt, die hoffentlich wir alle nicht wollen.
({25})
Ihre bisherige Wohnungspolitik fügt sich damit nahtlos in eine Gesellschafts-, Wirtschafts- und Sozialpolitik ein, die die Zweidrittelgesellschaft zementiert und die Interessen des letzten Drittels ausblendet - sechs Millionen Arme!
({26})
Ich befürchte, daß Sie aus den Fehlern der Wohnungsbaupolitik nichts lernen und sie in anderen Feldern der Sozialpolitik wiederholen. Anzeichen hierfür haben wir z. B. im Rahmen der Beratungen des Haushalts für die Bundesanstalt für Arbeit zur Kenntnis nehmen müssen. Das koalitionsinterne Gezerre um die Länge und um die Mittel für die Sprachkurse für Ausiedler war ein Trauerspiel, das mit einer NiederWalther
lage für Arbeitsminister Blüm und der Streichung von 150 Millionen DM endete.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie im Ernst annehmen, Aussiedler könnten in sechs Monaten die deutsche Sprache erlernen. Ich kann mir Ihr Engagement, die Kurse und die Mittel zu kürzen, nur mit Ihrem schlechten Gewissen darüber erklären, daß Sie die Finanzierung dieser Kurse nicht dem allgemeinen Bundeshaushalt, sondern dem Beitragszahler der Bundesanstalt für Arbeit in verfassungswidriger Weise aufgebürdet haben.
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Nur, die Konsequenzen hieraus dürfen nicht heißen: Kürzung der Mittel, sondern müssen heißen: Übernahme der erforderlichen Beträge in den allgemeinen Bundeshaushalt.
({28})
Ihr Rezept, meine Damen und Herren, versagt dagegen den Aussiedlern grundlegende Integrationshilfen und verordnet ihnen das, was die Bundesregierung angesichts der massiven Probleme nicht selten auszeichnet, nämlich Sprachlosigkeit.
Im Hinblick auf die nach wie vor hohe Zahl der Arbeitslosen enthält der Bundeshaushalt keine zukunftsweisenden Weichenstellungen. Insbesondere werden die Belange der vielen Langzeitarbeitslosen nicht hinreichend berücksichtigt. Das Programm zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, das seinen Niederschlag auch im Etat gefunden hat, ist zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung.
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- Ja, mit 6 000, habe ich gelesen. - Aber es reicht nicht aus, um dem Problem wirklich Herr zu werden, Herr Scharrenbroich. Wir haben deshalb einen Antrag eingebracht, der forderte, die Eingliederung Langzeitarbeitsloser zu unterstützen, und dabei die hohe Massenarbeitslosigkeit als das sichtbarste Zeichen für das Versagen der Politik der Bundesregierung kritisiert. Im Ausschuß hat jemand von der Koalition diesen Antrag als Frechheit bezeichnet. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Wir Sozialdemokraten werden uns so lange die Freiheit zu solchen Frechheiten nehmen, bis die Probleme der Massenarbeitslosigkeit gelöst sind.
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Nun hat Kollege Weng den Umwelthaushalt gelobt. Aber Sie wissen, daß das Schönfärberei ist. Ich komme gleich darauf zu sprechen. Der Bundeskanzler hat unter der Überschrift „Arbeitsprogramm der Bundesregierung, Perspektiven der 90er Jahre" am 27. April hier in diesem Hause pathetisch ausgeführt: „Die Schöpfung bewahren, die Zukunft gewinnen - unter diesem Leitgedanken steht unser Arbeitsprogramm. "
Ich bezweifle jedoch, daß aus dem Haushalt des Bundesumweltministers soviel innovative Kraft kommt, damit die Schöpfung bewahrt werden kann. Der Aufwuchs um 80 % ist zwar beeindruckend; aber
wenn man näher hinschaut, weiß man, daß das zum großen Teil Umschichtungen vom Wirtschaftsetat auf den Umweltetat sind. Daher kommt die Steigerung zu einem nicht unerheblichen Teil. Herr Töpfer hat gerade 0,3 % vom ganzen Bundeshaushalt. Er erhält ebensoviel, wie der Verteidigungsminister im nächsten Jahr für die Beschaffung des Waffensystems Tornado bekommt. Zieht man hiervon die Mittel für Strahlenschutz und Reaktorsicherheit ab, so verbleibt für den echten Umweltschutz nur soviel, wie die Bundeswehr für Benzin ausgeben darf. Für den Naturschutz im engeren Sinne sind 50 Millionen DM angesetzt. Das entspricht dem Betrag, den die Bundeswehr an Ersatzleistungen für Übungsschäden und Entschädigungen für Fluglärm ausgeben darf.
Ich habe diesen Vergleich zum Etat des Verteidigungsministers nicht zufällig gewählt. Denn es gab tatsächlich den Plan, ein sogenanntes Umweltkapitel im Einzelplan des Bundesministeriums der Verteidigung einzustellen. Dort fanden wir so hervorragende Umweltschutzzwecke wie: Entschädigungen für Fluglärm. Das wurde als Umweltschutz angesehen. Wäre das durchgekommen, wäre es die Lachnummer des Jahres geworden, meine Damen und Herren. Denn mit dem Motto „erst Krach machen, dann zahlen" ist die Losung des Bundeskanzlers, „die Schöpfung bewahren, die Zukunft gewinnen" , nicht zu verwirklichen.
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Hier wären Maßnahmen ganz anderen Kalibers gefragt gewesen, wie wir sie vorgeschlagen haben: Programm „Arbeit und Umwelt", Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs, Ausbau des Bundesbahnnetzes, Ausbau des kombinierten Schienen-Straßen-Verkehrs. Wir können und dürfen nicht zulassen, meine Damen und Herren, daß wir und unsere Kinder an den Belastungen des Individualverkehrs buchstäblich ersticken.
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Unsere Gewässer schreien nach Sanierung. Mosel und Saar verdrecken, Nord- und Ostsee verrecken. Die Bundesregierung sieht tatenlos zu, mit der ernst dreinblickenden, aber unbeteiligten Miene eines Leichenbestatters, der nicht an den Toten, dafür um so mehr an seinen Geldbeutel denkt. Ich vermag angesichts der drohenden Umweltkatastrophe nicht zu verstehen, warum wir Sozialdemokraten mit unserem Antrag zur Rettung der Nord- und Ostsee und zur Sanierung von Saar und Mosel auf taube Ohren stoßen. Ich vermag das wirklich nicht zu verstehen.
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- Ich komme gleich darauf. - Der Hinweis von Herrn Töpfer - und Ihr Zwischenruf eben -, die Bundesländer könnten zur Sanierung der grenzüberschreitenden Flüsse die Mittel des Strukturhilfegesetzes einsetzen, grenzt wirklich an Zynismus.
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Es ist ein Unding, daß sich die Bundesregierung durch internationale Vereinbarungen verpflichtet, Gewässer zu sanieren, dann aber, wenn es ans Bezah13900
len geht, die Verantwortung den Bundesländern mit dem Hinweis auf das Strukturhilfegesetz zuschiebt,
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genau wissend, daß die Länder die Strukturhilfemittel nicht nur für Gewässerschutz, sondern auch für ganz andere regionale Investitionen benötigen, bei denen sie dann aber sparen müssen.
Mit diesem Teufelskreis kommen wir nie weiter. Wenn Bundesminister Töpfer das schon nicht uns Sozialdemokraten glaubt, dann sollte er wenigstens seinem rheinland-pfälzischen Parteifreund Minister Keller glauben, der in diesem Zusammenhang am 22. September im Bundesrat folgendes gesagt und damit das Dilemma auf den Punkt gebracht hat: „Der Bund bestellt, und die Länder sollen bezahlen." So hat es der Christdemokrat Keller im Bundesrat gesagt. So kann und darf die Vorsorge für die Zukunft nicht betrieben werden.
In ganz anderen Bereichen hat die Mehrheit - darüber haben wir am Dienstag gesprochen - dagegen den Vorsorgegedanken auf die Spitze getrieben. Für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung weist der Etat, quer durch alle Einzelpläne, die gigantische Summe von fast 450 Millionen DM aus. Das ist doppelt so viel wie 1982 und 100mal so viel, wie für die Förderung der Erprobung neuer Wege in der Arbeitsmarktpolitik, also für Modellprojekte für schwer vermittelbare jugendliche Arbeitslose angesetzt ist. In solchen Zahlen spiegelt sich das Selbstverständnis dieser Regierung wider. Die Optik und die Selbstdarstellung werden wichtiger als die Lösung der Sachprobleme.
Dieser Befund läßt sich nicht mit dem Hinweis auf steigende Informationsbedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger entkräften, wie es Bundesminister Klein im Haushaltsausschuß treuen Auges vorgetragen hat. So viel Informationsbedarf, wie die Bundesregierung vorgibt, besteht gar nicht; schon deshalb nicht, weil kein Mensch die Zeit hätte, die vielen Broschüren mit den schönen und weniger schönen Konterfeis unserer Minister genau zu studieren. In Wahrheit geht es denn auch um etwas ganz anderes: um Wahlwerbung im Jahre 1990.
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Wir Sozialdemokraten haben die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in demjenigen Urteil nicht vergessen, das die CDU 1977 als Oppositionspartei gegen die frühere sozialliberale Regierung erstritten hat. Ihre Klageschrift ist uns ein Wegweiser. An Ihren damals erhobenen Forderungen werden wir Sie heute und im kommenden Jahr messen.
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- Herr Bötsch, an Ihnen kann sich sowieso keiner messen, jedenfalls nicht an der Qualität Ihrer Zwischenrufe.
Dieser Haushalt ist deshalb ein Haushalt der Unzulänglichkeiten, der weggeschobenen Probleme und der falschen Prioritätensetzung.
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Kurzum: Er ist ein Erbsenzählerhaushalt, der den wahren Problemen und den weiteren Entwicklungen nicht standhalten wird. Er zeigt nicht nach vorn, meine Damen und Herren. Genaugenommen zeigt er nirgendwo hin. Ein solcher Haushalt kann deshalb nicht unsere Zustimmung finden.
({39})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Herr Dr. Waigel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Betroffenheit und Erschütterung haben wir gestern von dem feigen Anschlag auf den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Alfred Herrhausen gehört.
Mit Alfred Herrhausen haben wir eine außergewöhnliche Persönlichkeit verloren. Er war nicht nur Vorstandsvorsitzender der größten deutschen Bank, sondern gewichtige Stimme in der öffentlichen Diskussion und Ratgeber der Politik. Er wußte dabei immer um die gesellschaftliche und soziale Verantwortung des von ihm geleiteten Kreditinstituts und der privaten Unternehmen insgesamt. Seine Stellungnahmen, insbesondere zur Lösung der internationalen Verschuldungskrise und zuletzt zur wirtschaftlichen Kooperation mit den Ostblockstaaten, haben die öffentliche Diskussion entscheidend vorangebracht.
Der Anschlag auf das Leben Alfred Herrhausens ist eine Herausforderung an Demokratie und Freiheit. Jeder, der ein herausgehobenes politisches, gesellschaftliches oder wirtschaftliches Amt ausübt, muß sich dieser Herausforderung stellen. Wir müssen uns mit unserer ganzen Persönlichkeit für Demokratie und Freiheit einsetzen. Nur wenn wir uns vorbehaltlos und im Bewußtsein aller Risiken dieser hohen Aufgabe verpflichten, können wir Terror und Gewalt die Stirn bieten.
Der Anschlag von gestern ist auch die Eskalation eines unverantwortlichen Geredes über die angebliche Herrschaft eines militärisch-industriellen Komplexes in der Bundesrepublik Deutschland.
({0})
Es muß mit dieser gefährlichen politischen Semantik Schluß sein.
Ich fordere alle Politiker, die Verantwortlichen in den Unternehmen, Gewerkschaften, Kirchen und alle gesellschaftlichen Gruppen auf, sich gemeinsam der Herausforderung des Terrors zu stellen. Es gibt keine Toleranz gegenüber der Intoleranz der Gewalt.
({1})
Wir dürfen denjenigen, die die Botschaft von Frieden und Freiheit immer noch nicht verstanden haben, keine Chance geben.
Meine Damen und Herren, ich darf als Finanzminister dem Haushaltsausschuß, allen Mitgliedern des Haushaltsausschusses und seinem bewährten VorsitBundesminister Dr. Waigel
zenden, Rudi Walther, meinen herzlichen Dank aussprechen.
({2})
Lieber Rudi Walther, du hast dich an das Amt gewöhnt, wir haben uns an dich gewöhnt, und du sollst auch Vorsitzender bleiben.
({3})
- Da hinten hat einer deiner Kollegen mitgeklatscht. Er hat vorher euer kleines Theater nicht mitbekommen, das ihr da zusammen eingeübt habt.
Ich bedanke mich selbstverständlich auch beim Sekretariat des Haushaltsausschusses, wo eine großartige, umfangreiche und sehr präzise Arbeit geleistet wird.
({4})
Ich danke den Fachausschüssen, die sich dem Haushalt intensiv gewidmet haben, und den Fraktionen und Arbeitsgruppen.
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- Ja, es ging so. Aber da der Haushaltsausschuß als der Oberausschuß aller Ausschüsse das Ganze am Schluß zusammengefaßt hat, ist es doch zu einem guten Ende gekommen.
Ich danke natürlich auch den Fachministerien und nicht zuletzt - ich glaube, das wird mir niemand verargen - insbesondere den Damen und Herren im Finanzministerium, vor allen Dingen in der Haushaltsabteilung, die sehr, sehr intensiv und sehr fachkundig auch den Abgeordneten zugearbeitet haben. Herzlichen Dank dafür!
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, man hat uns 1982 vorgehalten, daß wir einen strikten Konsolidierungskurs höchstens ein, zwei Jahre durchhalten würden. Tatsächlich liegt der Ausgabenanstieg des Bundes auch nach acht Jahren mit 3 % klar auf Konsolidierungskurs und entspricht der Rate, die der Finanzplanungsrat immer wieder gefordert hat.
({7})
Im Durchschnitt der Jahre 1982 bis 1990 nahmen die Ausgaben des Bundes nur um 2,6 % zu. Gleichzeitig stieg das Bruttsozialprodukt im Durchschnitt um 5,2 %, also exakt doppelt so schnell. Das ist beispielhafte Konsolidierungspolitik. Dafür erhalten wir das Lob der nationalen wie der internationalen Organisationen, von der OECD bis zum Internationalen Währungsfonds.
Die Staatsquote wird nach den neuesten Zahlen 1990 nur noch 44 % betragen. Die Steuerbelastung wird mit einer Steuerquote von 22,5 % den niedrigsten Stand seit 1959 erreichen. Hätten wir die Steuern nicht gesenkt, läge heute der Kreditfinanzierungsbedarf von Bund, Ländern und Gemeinden, rein rechnerisch, bei null. Nur, das ist eine fiktive Rechnung, weil wir natürlich mit der Steuersenkung die Wirtschaftsbelebung erreicht haben und mit der Wirtschaftsbelebung wieder die steigenden Steuereinnahmen: ein Bilderbuch der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.
({8})
In den Reden der Frau Kollegin Matthäus-Maier und des Kollegen Struck war immer wieder von einem dramatischen Anstieg der Neuverschuldung des Bundes im nächsten Jahr die Rede. Ja, meine Damen und Herren, warum haben Sie die Reden eigentlich nicht 1980, 1981 oder 1982 gehalten? Das hätte uns nämlich gutgetan. Wir hätten uns dann bei der Konsolidierung und auch bei der Akzeptanz dieser schwierigen Maßnahmen nicht so schwer getan.
Natürlich wird die Nettokreditaufnahme 1990 im Zusammenhang mit einer Steuerentlastung, die allein den Bund 10,5 Milliarden DM an Steuereinnahmen kostet, wieder zunehmen. Aber, meine Damen und Herren, es geht doch nicht an, hier immer nur mit den absoluten Zahlen zu arbeiten. Sie müssen doch immerhin bedenken, daß das Bruttosozialprodukt nun um 40 % höher ist als 1982.
Entscheidend ist doch der Anteil der Nettokreditaufnahme des Bundes, aber auch der anderen Gebietskörperschaften, am Bruttosozialprodukt, und da stehen wir gut da. Das ist die entscheidende Konsolidierung, die wir herbeigeführt haben.
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Von diesem nun höheren Bruttosozialprodukt beanspruchen Bund, Länder und Gemeinden in diesem Jahr nur noch 1,3 % und auch im nächsten Jahr trotz der Steuerentlastung nur 1,9 %. Die entsprechenden Anteile für die Jahre 1981 und 1982 lauten 4,9 bzw. 4,4 %.
Ich will noch etwas hinzufügen, was man in der Diskussion vielfach zuwenig berücksichtigt. Man muß oder kann in die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden auch noch die Sozialversicherung einrechnen; auch sie gehört zum öffentlichen Bereich mit dazu. Wenn man das tut, so erwirtschaftet der Staat in diesem Jahr insgesamt sogar einen leichten Oberschuß. Dagegen machte 1981 der Anteil des Staatsdefizits am Bruttosozialprodukt noch 3,1 % und 1982 3,8 % aus.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sich einmal den Outlook des Internationalen Währungsfonds vom Sommer dieses Jahres anzusehen. Dort werden die großen Industrienationen aufgefordert, ihre Sozialausgaben, ihre sozialen Sicherungssysteme langfristig, nicht nur über Jahre, sondern über Jahrzehnte hinweg so zu gestalten, daß sie bestehen können. Wir sind fast das einzige Wirtschaftsland in diesem Geflecht, das sich dieser Herausforderung gestellt hat und das in einer Legislaturperiode sowohl die Gesundheitskosten wie auch die Rentenfinanzen über Wahlperioden hinaus langfristig auf eine verläßliche Grundlage gestellt hat und damit beispielhaft alles positiv beantwortet hat, was die internationale Wirtschafts-, Währungs-, Geld- und Sozialpolitik von uns fordert. Was will man eigentlich noch mehr tun?
({10})
Dann kommt natürlich wieder die alte Leier mit dem Lohnsteuerstaat. Da wird der Marsch in den Lohnsteuerstaat beklagt. Meine Damen und Herren, es gibt doch nur eine einzige Möglichkeit, um den Anstieg der Steuerbelastung der Arbeitnehmer zu verhindern, nämlich die Abflachung des Tarifverlaufs. Weil wir mit der Steuerreform 1990 den gradlinig und sanft ansteigenden Lohn- und Einkommensteuertarif verwirklichen, 1986 bereits einen entscheidenden Schritt durchgeführt haben, 1988 nochmals, geht die Lohnsteuerbelastung der Arbeitnehmer zurück; im Vergleich des Tarifs 1990 gegenüber dem Tarif 1985 für einen verheirateten Arbeitnehmer mit Durchschnittseinkommen und zwei Kindern um über 40 %.
Ich mache ja immer wieder den Vorschlag, wie man objektiv und ohne eine Mark für Informationen aus dem Bundespresseamt die Wahrheit darstellen könnte, nämlich indem man im nächsten Jahr in die Steuerbescheide oder in die Gehaltszettel hineinschreibt: „Das ist Ihre Steuerschuld oder Ihr Lohn nach dem Tarif 1990", und dahinter in Klammern: CDU, CSU und FDP; Klammer zu. Darunter sollte man schreiben: „Das wäre Ihre Steuerschuld nach dem Tarif 1982"; in Klammern SPD. Weil ich koalitionsfreundlich bin, lasse ich die FDP in diesem Zusammenhang weg.
({11})
Meine Damen und Herren, der Zusammenhang zwischen marktwirtschaftlichen Reformen, Konsolidierung, umfassenden Steuerentlastungen und zunehmender wirtschaftlicher Dynamik kann doch von niemand mehr geleugnet werden. Ich zitiere nur den Sachverständigenrat, vor wenigen Tagen:
Mit Blick auf die wachstumspolitische Aufgabe ist und bleibt es wichtig, die Abgabenbelastung weiter zu senken.
Mit dem Beispiel Österreichs können Sie nun wirklich nicht mehr kommen. Österreich hat doch unter einem sozialdemokratischen Kanzler seinen Einkommensteuerspitzensatz von 62 % auf 50 % und den Körperschaftsteuersatz sogar auf 30 % gesenkt. Mein Kollege, der sozialdemokratische Finanzminister Lacina, spricht in diesem Zusammenhang vom „Niedrigsteuerland Österreich" . Was müssen denn die Genossen in Österreich über die Parolen der SPD denken?
({12})
Auch von einer reinen Umschichtung bei den Unternehmenssteuern kann in Österreich keine Rede sein. Die Tarifsenkung der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer wird nur zu einem Teil durch die Erweiterung der Bemessungsgrundlage, im übrigen jedoch durch höhere Verbrauchsteuern finanziert. Ist das denn Ihr Vorbild?
Großbritannien, Frankreich, Belgien und Japan sind dabei, ihre Unternehmen zum Teil massiv zu entlasten. Auch Ihre Behauptung, die Steuerreform in den Vereinigten Staaten führe zu einer Mehrbelastung der Unternehmen, ist nur die halbe Wahrheit. Bezieht man nämlich die erste Stufe von 1981 mit ein, ergibt sich vielmehr eine deutliche Verbesserung. Im übrigen will ich klar sagen, daß ich nicht die gesamte Haushalts- und Fiskalpolitik der Vereinigten Staaten
als Beispiel dargestellt haben möchte. Hier hat es genau an der Abstimmung zwischen Finanzpolitik und monetärer Politik gefehlt, und das Budgetdefizit ist mit ein Grund - deswegen ist es auch in den entsprechenden Kommuniqués der G 7 und der G 10 mit verankert - für die Ungleichgewichte, die entstanden sind und die wir wieder zurückführen wollen.
Wir haben trotz der Reduzierung der Staatsquote, trotz der Reduzierung der Steuerquote und sinkender Kreditaufnahme im Bundeshaushalt 1990 zusätzliche Mittel für neue Aufgaben bereitgestellt und damit Prioritäten gesetzt. Ich nenne das Programm für Langzeitarbeitslose, die Verdoppelung der Wohnungsbau, mittel bis 1993, höhere Ansätze für Familien und Ausbildung, zusätzliche Investitionen in der Verkehrsinfrastruktur und die Fortführung des von mir besonders geschätzten Programms „Stadtsanierung und Dorferneuerung" mit 660 Millionen DM auf einen langfristigen Zeitraum,
({13})
damit sich Länder, Kommunen und alle Beteiligten auch darauf verlassen können.
({14})
Dies ist soziale Politik dieser Bundesregierung, und die Platte von der „Umverteilung von unten nach oben" zieht nicht mehr. Den Menschen ist immer noch am besten geholfen, wenn sie in die Lage versetzt werden, sich selbst helfen zu können.
Aber auch im unmittelbaren Bereich der Sozialpolitik haben wir erhebliche Verbesserungen erreicht. So wurden z. B. die Eckregelsätze in der Sozialhilfe zwischen 1983 und 1989 um real fast 14 % angehoben. In den letzten sechs Jahren der Regierungsverantwortung der Sozialdemokratischen Partei gingen sie demgegenüber um fast 8 % real zurück.
Wer uns vorwirft, wir hätten in der Familienpolitik nichts bewegt, der spricht hier bewußt die Unwahrheit.
({15})
Im Jahre 1990 werden die Leistungen für Familien insgesamt rund 39 Milliarden DM ausmachen und liegen damit um rund 18 Milliarden DM über dem Betrag des Jahres 1985.
({16})
Wir brauchen uns, was Familienpolitik anbelangt - sie ist das Herz und Kernstück unserer Gesellschaftspolitik - , von niemandem einen Vorwurf machen zu lassen,
({17})
und schon gar nicht von denen, die noch in den 70er Jahren über die Familie als Sozialisationsagentur der Gesellschaft gesprochen haben.
({18})
Auch in der Agrarpolitik haben wir in diesem Jahr wieder Akzente gesetzt. Hauptschwerpunkt ist die Agrarsozialpolitik. Wenn man hier sieht, daß die Ausgaben im Jahre 1990 um 3,7 auf 5,3 Milliarden DM
gestiegen sind, während 1983 dafür nur 3,5 Milliarden DM ausgegeben worden sind, dann ist dies neben den Ausgaben für die Gemeinschaftsaufgabe eine gute Bilanz. Wir haben auch in diesem Jahr drei wichtige neue Maßnahmen, die Produktionsaufgaberente, die Flächenstillegung und die Extensivierung sowie den soziostrukturellen Einkommensausgleich anlaufen lassen, die insbesondere den bäuerlichen Familienbetrieben zugute kommen.
Die Politik von Ignaz Kiechle zahlt sich aus. Es zeigt sich, daß sie richtig war. Abbau der Überschüsse ermöglicht wieder Spielräume für Preispolitik. Die Agrarsozialpolitik trägt, Landwirtschaft und Ökologie kommen zunehmend in Einklang. Ignaz Kiechle ist der beste Garant dafür, daß diese Regierung die Bauern nicht im Stich läßt.
({19})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Oostergetelo?
Ich bitte um Verständnis.
Ich möchte noch ein Wort zur Salzgitter-Privatisierung sagen. Die SPD hat sich, wie erwartet, gegen den Verkauf der Salzgitter AG an Preussag gestellt. Wir halten an diesem Plan fest. Wir haben die Privatisierungspläne dieser Bundesregierung bisher ganz konsequent durchgeführt und damit ausgezeichneten Erfolg gehabt.
({0})
Zu Ängsten und Bedenken besteht kein Anlaß. Durch den neuen Konzernverbund wird die Abhängigkeit des Unternehmens von der Stahl- und Werftkonjunktur spürbar vermindert und damit die Sicherheit für Arbeitsplätze verbessert.
Der Erwerber Preussag hat dem Bund im übrigen vertraglich zugesichert, die Funktions- und Verwaltungsstandorte beider Unternehmen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Arbeitsplätze in Salzgitter, Peine, Kiel und an anderen Orten sind deshalb durch den Zusammenschluß nicht bedroht.
Ich bin auch sicher, die Preussag wird den großen Wohnungsbestand in der Region Salzgitter ebenso verantwortungsvoll und mit der gleichen sozialen Rücksichtnahme verwalten wie bisher die Salzgitter AG. Der Vorstand der Preussag AG hat vertraglich zugesichert, keine Veränderungen in den Grundsätzen der Wohnungsverwaltung vorzunehmen. Darüber hinaus sollen bei der Salzgitter Wohnungs-AG, abgesehen von den im normalen Geschäftsgang anfallenden Grundstückstransaktionen, keine Wohnungsverkäufe in größerem Umfange vorgenommen werden. Ich bin sicher, die Salzgitter AG wird im neuen Konzernverbund ihren in den letzten Jahren erfolgreichen Weg fortsetzen können.
({1})
Dieser richtigen zielgerichteten und sachlich begründeten Politik haben auch andere, verantwortungsvolle Vertreter in den Ländern und in den Banken zugestimmt. Das waren Männer und Frauen aus
allen Parteien, die sehr wohl wissen, was hier die sachgerechte Lösung bedeutet.
({2})
Die SPD tut sich natürlich ein bißchen schwer, weil wir ihr durch die Verwendung des Erlöses die Sprache genommen haben; denn man kann natürlich nicht gut gegen etwas sein, was man sonst sehr intensiv fordert. Wenn ich nur zusammenrechne, daß 2,5 Milliarden DM einem Zweck zugeführt werden, den wir eigentlich alle begrüßen, dann ist das in einem Jahr fast mehr, als die SPD während ihrer ganzen Regierungszeit für Umweltpolitik überhaupt ausgegeben hat.
({3})
Ich muß die Kritik vom Kollegen Rudi Walther wegen der Etatisierung in diesem Punkt zurückweisen. Dem Gebot der Haushaltsklarheit und -wahrheit wird Rechnung getragen, indem im Bundeshaushalt ein eigener Titel für die Salzgitterveräußerung mit klarer Zweckbestimmung und Ausweisung der Höhe des Verkaufserlöses in den Erläuterungen dazu ausgebracht worden ist. Das ist doch der typische Fall eines durchlaufenden Postens; so ist das veranschlagt worden. Im übrigen hat der Bundesrechnungshof dazu gesagt, das sei zwar bisher einmalig - die Idee ist auch einmalig und darum sehr positiv -, aber keineswegs als unvereinbar mit den haushaltsrechtlichen Vorschriften bewertet. Damit ist es in Ordnung.
({4})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Walther?
Ihm kann ich es nicht abschlagen.
Also, lieber Theo Waigel, dann frage ich mal so: Wenn das so eine schöne Idee ist, warum machen wir das nicht bei allen Titeln? Denn die Steuern sind ja alle durchlaufende Einnahmen zur Finanzierung von anderen Ausgaben.
({0})
Dann können wir doch einen Bundeshaushalt eigentlich mit Null abschließen.
({1})
Der Bundesrechnungshof hat das akzeptiert.
({0})
Er hat gesagt: Das ist zwar ein einmaliger Vorgang - wir haben eine solche Stiftung aus Bundeserlösen noch nicht gemacht -,
({1})
aber es ist mit der Haushaltswahrheit und -klarheit in Einklang zu bringen. Es ist alles enthalten, was man wissen muß, sowohl der Verwendungszweck als auch die Höhe. Mehr kann man eigentlich nicht verlangen.
- Damit muß sich auch der Vorsitzende des Haushaltsausschusses zufriedengeben.
({2})
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu dem Vorschlag machen, einen deutsch-deutschen Währungsfonds zu errichten. Wir sind bereit, jede Möglichkeit der Zusammenarbeit mit der DDR auf wirtschaftlichem Gebiet unvoreingenommen zu prüfen und auch unkonventionelle Wege zu gehen. Aber es macht zur Zeit wenig Sinn, wie Frau Kollegin Matthäus-Maier über einen deutsch-deutschen Währungsfonds zu spekulieren, solange elementare Voraussetzungen für eine solche geldpolitische Kooperation nicht vorliegen.
({3})
Der in Aussicht genommene Fonds für Reisedevisen kann nur begrenzte Aufgaben erfüllen, nämlich den Bürgern Reisen in den Westen durch den Umtausch ihrer Währung in Devisen zu ermöglichen. Eine allgemeine Annahmeverpflichtung der Deutschen Bundesbank für Ostmark ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig illusionär. Die Bundesbank kann keine Währung aufkaufen und in ihre Reserven einstellen, die überhaupt nicht konvertibel ist. Voraussetzung für Bundesbankinterventionen wäre deshalb zunächst die Freigabe des Exports und Imports der Ostmark durch die Regierung der DDR.
({4})
Angesichts der durch Subventionen völlig verzerrten Preisstruktur in der DDR gibt es zu Zeit auch keine Grundlage für ein realistisches Austauschverhältnis zwischen der Ostmark und unserer Währung. Jede Verteidigung eines unrealistischen Kurses würde erhebliche Interventionen erfordern und damit die Geldwertstabilität in der Bundesrepublik gefährden.
({5})
Nun hat der Kollege Walther ebenso wie auch andere Kollegen der Opposition die Frage nach einem Nachtragshaushalt gestellt.
({6})
Für eine konkrete Ankündigung in dieser Richtung ist heute die Zeit noch nicht reif. Aber es ist davon auszugehen, daß die in Punkt 2 der Zehn-Punkte-Erklärung des Bundeskanzlers aufgeführten Sofortmaßnahmen auch haushaltsrechtliche Vorkehrungen erfordern werden. Auch im Falle eines Nachtragshaushalts werden wir aber an den bewährten Haushaltsprinzipien festhalten, d. h. wir werden die Notwendigkeit der Ausgabedisziplin nicht aus dem Auge verlieren. Es ist geradezu der klassische Fall eines Nachtragshaushalts, sobald wir nämlich einigermaßen sicher wissen, in welche Größenordnungen das gehen kann. Ich glaube, darüber gibt es keine geteilten Meinungen in diesem Hause.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in dieser dritten Lesung des Haushalts noch eine Bemerkung machen, die im Hinblick auf Europa, auf den Binnenmarkt, auf den Finanzplatz Deutschland von besonderer Wichtigkeit ist. Die Verbesserung der Rahmenbedingungen des Finanzplatzes Deutschland ist ein wichtiger Ansatzpunkt unserer Wachstumspolitik. Ein leistungsfähiger Finanzmarkt trägt zur volkswirtschaftlich wirksamsten Verwendung des Kapitals und zur Finanzierung privater Investitionen bei.
Wir haben zuletzt durch die Verabschiedung des Börsengesetzes die Rahmenbedingungen für die Gründung einer deutschen Terminbörse geschaffen und der Anwendung neuer technischer Möglichkeiten im Börsenhandel den Weg geebnet. Investmentrichtliniengesetz und Verzicht auf die Genehmigungspflicht bei Inlandsschuldverschreibungen sind die Stichworte zu weiteren Initiativen.
Ich habe bereits vor einiger Zeit die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer und der Gesellschaftsteuer zu einem möglichst frühen Termin, auf jeden Fall jedoch vor dem 1. Januar 1993 zugesagt. Ich habe mich jetzt entschlossen, den parlamentarischen Gremien die Abschaffung sowohl der Börsenumsatzsteuer als auch der Gesellschaftsteuer zum 1. Januar 1991 vorzuschlagen.
({7})
Damit erfüllen wir einen wichtigen Wunsch aller Börsenbeteiligten. Die Attraktivität des deutschen Finanzplatzes und seine internationale Bedeutung werden damit schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt entscheidend verbessert werden. Das ist bereits vor Inkrafttreten des Binnenmarktes ein Signal. Es ist europapolitisch ein Zeichen. Es entspricht dem, was der Kollege Dregger, was Ministerpräsident Wallmann, was der Finanzminister Kanther und was auch Oberbürgermeister Hauff von Frankfurt gefordert haben. Ich hoffe, wir kommen in dieser Frage im Interesse der Finanzpolitik der Bundesrepublik Deutschland zu einem übergreifenden Konsens.
({8})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eine Schlußbemerkung machen. Frau Kollegin Däubler-Gmelin, Sie hatten heute ein schwierige Aufgabe. Sie müssen zwar gerade telefonieren, aber wenn Sie mir einen Moment zuhören könnten: Wir hätten natürlich neben dem, was Sie uns berichtet haben, sehr gern einen Bericht über Ihre Fraktionssitzung von vorgestern abend bekommen.
({9})
- Ich komme gern, Herr Vogel. Sie dürfen dann aber nicht erschrecken. Ich komme aber nur dann, wenn es so spannend zugeht wie vorgestern abend.
({10})
Ich weiß nicht, ob Sie solche Fraktionssitzungen gern
öfter haben. Wir hätten gern etwas davon gehört. Ich
habe den Eindruck, da hat sich herauskristallisiert,
daß die SPD mehr Flügel hat als normalerweise ein Vogel.
({11})
Ich gebe dem Kollegen Rudi Walther uneingeschränkt recht, wenn er den GRÜNEN Politikunfähigkeit vorwirft.
({12})
Ich wäre ihm nur sehr dankbar, wenn er das auch den Berliner Genossen mitteilen würde.
({13})
Lieber Kollege Walther, zwingen Sie mich nicht, Sie nach Ihrer wirklichen Meinung über die Finanzpolitik des Berliner Senats zu fragen. Sie sind viel zu erfahren, als daß Sie die dilettantische Art, wie dort mitunter Finanzpolitik betrieben wird, nicht auch einer kritischen Würdigung unterziehen würden. Jeden Tag hören wir neue Zahlen; jeden Tag eine neue Forderung. So kann man doch miteinander nicht umgehen.
({14})
Meine Damen und Herren, es lohnt sich nicht, auf das einzugehen, was die GRÜNEN in dieser Woche hier geboten haben. Es ist bodenlos. Ich will nur, damit es nicht unwidersprochen im Protokoll des Bundestages steht, das, was der Kollege Wüppesahl an Unterstellungen gegenüber der Bundesregierung und anderen hier vorgebracht hat, als Unverschämtheiten zurückweisen. Im übrigen ist die Bundesregierung von der UNO nicht verurteilt worden. Auch das war eine unkorrekte Darstellung dessen, was sich dort vollzogen hat.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, am Ende der anstrengenden viertägigen Haushaltsdebatte sind wir zunächst einmal alle froh, daß wir das hinter uns gebracht haben. Aber einige sind fröhlicher, weil sie glauben, die besseren Argumente vorgetragen zu haben und über die wirksameren Konzeptionen für die Gestaltung der Zukunftsaufgaben zu verfügen. Ich gebe ehrlich zu, uns hat diese Debatte ausgesprochen Spaß gemacht.
({15})
Nun habe ich Verständnis dafür, daß mich die Kollegen der SPD wohl nicht als einen objektiven Schiedsrichter der zu Ende gehenden Debatte anerkennen wollen.
({16})
Halten wir es doch vielleicht so, daß wir als Schiedsrichter ein allgemein geschätztes unabhängiges Blatt nehmen, nämlich die „Süddeutsche Zeitung", die der Kollege Struck am Abend des 6. September bei der ersten Lesung des Haushalts bemüht hat. Er hat damals die „Süddeutsche Zeitung" wie folgt zitiert:
Die oppositionelle SPD kann für sich verbuchen, der Debatte die thematische Kontur gegeben zu haben.
Gestern schrieb Gerhard Hennemann in der „Süddeutschen Zeitung" :
Bundesfinanzminister Theo Waigel konnte am zweiten Tag der Bonner Haushaltsdebatte einen überraschend klaren Punktsieg über seine finanzpolitische Widersacherin Ingrid Matthäus-Maier verbuchen.
({17})
- Entschuldigung; es tut mir leid; aber er hat's geschrieben; er hat's geschrieben.
({18}) Ich bin gezwungen, weiter zu zitieren:
Er reagierte sachkundig und abgewogen auf die Vorwürfe der SPD-Opposition. Deren
- auch das ist noch wörtliches Zitat Rhetoriktalent Ingrid Matthäus-Maier mißlang es weitgehend, mit den deutschlandpolitischen Mauerbrocken auch Funken in der Finanzpolitik zu schlagen.
({19}) Waigel brillierte,
- ich werde fast rot ({20})
ohne daß sich der Eindruck einer haushaltspolitisch kaschierten Wahlkampfrede aufdrängte.
({21})
- Ja, über Sie hat das die „Süddeutsche" noch nie geschrieben, Herr Vogel; es tut mir leid.
({22})
Wie sagte damals der Kollege Struck? Ich zitiere wörtlich:
Der Kollege von der Süddeutschen Zeitung, der das geschrieben hat, hat das gut und auch richtig geschrieben.
Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
({23})
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich bei Ihnen allen für diese Debatte.
Ich bitte um Zustimmung zu diesem Haushalt. Wer diesem Haushalt heute in dritter Lesung zustimmt, der hat gut entschieden und kann mit dieser Haushaltswoche zufrieden sein.
Ich danke Ihnen.
({24})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zu mehreren Abstimmungen.
Wir stimmen jetzt zuerst in der Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz 1990 ab.
Hierzu ist gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung von allen Fraktionen namentliche Abstimmung ver-
Vizepräsidentin Renger
langt worden. Das Verfahren ist Ihnen bekannt. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Meine Damen und Herren, sind alle Stimmkarten abgegeben worden? Können wir die Abstimmung schließen? - Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte um Auszählung. * )
Meine Damen und Herren, ich bitte wieder Platz zu nehmen, da wir in den Beratungen fortfahren.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Dazu hat nach § 31 der Geschäftsordnung der Abgeordnete Kleinert ({0}) das Wort.
({1})
- Noch einen Moment, Herr Abgeordneter. Ich bitte erstens die Rednertribüne freizugeben und zweitens Platz zu nehmen. Sonst können wir nicht fortfahren.
Herr Kollege, versuchen Sie es, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will zu den hier vorliegenden Entschließungsanträgen die Position meiner Fraktion darstellen. Wir werden dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Drucksache 11/5933 deshalb nicht zustimmen, weil in diesem Antrag die Auffassung zum Ausdruck kommt, daß der Vorschlag des Bundeskanzlers vom vergangenen Dienstag der Ausübung des Rechts der DDR-Bevölkerung auf freie eigene Entscheidung über ihre Zukunft genutzt habe.
({0})
Wir sind dieser Auffassung gerade nicht und können diesem Antrag deshalb nicht zustimmen.
Wir haben deshalb unseren eigenen Antrag eingebracht. Dieser eigene Antrag ist für uns deshalb wichtig, weil für uns im Rahmen der Weiterentwicklung der deutsch-deutschen Beziehungen zwei Dinge im Vordergrund stehen:
Erstens. Jede Intensivierung der deutsch-deutschen Kooperation, die wir ausdrücklich wollen, muß so angelegt sein, daß dies der Entwicklung hin zu einer gesamteuropäischen Friedensordnung nützt und nicht umgekehrt eine solche Entwicklung gefährden kann.
({1})
Und das bedeutet, daß jeder Renationalisierung von Politik in den beiden deutschen Staaten entgegengetreten werden muß und nicht umgekehrt eine solche Renationalisierung gefördert werden darf.
Zweitens gehen wir davon aus, daß sich Vorschläge, die in der Bundesrepublik Deutschland zur Entwicklung des deutsch-deutschen Verhältnisses gemacht werden, grundsätzlich daran orientieren sollten,
({2})
*) Ergebnis S. 13908 B
daß sie nicht im Widerspruch zur Ausübung des Rechts der Menschen in der DDR auf freie, souveräne Entscheidung über ihren zukünftigen Weg stehen dürfen.
Herr Abgeordneter, Sie geben hier nicht Abstimmungsbegründungen, sondern einen Debattenbeitrag.
({0})
Ich bitte sich kurzzufassen.
Ich habe noch zwei Minuten, und dann bin ich auch fertig.
Ja, aber Sie sollen Ihr Abstimmungsverhalten begründen.
Wir haben deshalb eine eigene Erklärung vorgelegt, die diese beiden elementaren Punkte besonders herausstellt und die herausstellt, welche Schritte jetzt nötig wären im Rahmen der weiteren Entwicklung zwischen beiden deutschen Staaten, nämlich kurzfristige humanitäre Hilfe, langfristige Wirtschafts- und Finanzhilfe, intensive ökologische Zusammenarbeit.
Wer wirklich eine gesamteuropäische Friedensordnung will, kann jetzt nicht mit vorschnellen Parforceritten Zeichen setzen und riskante Entwicklungen in Gang bringen,
({0})
sondern muß sehr sorgfältig eine Politik der Schritte anlegen, die das Selbstbestimmungsrecht der Menschen in der DDR ebenso berücksichtigt wie den Prozeß einer gesamteuropäischen Friedensordnung.
Herr Abgeordneter, Sie begründen einen Antrag, und Sie reden nicht zur Abstimmung. Ich bitte, sich jetzt wirklich kurzzufassen.
Meine Damen und Herren, ich habe hier dargelegt, wieso wir die Notwendigkeit gesehen haben, diesen eigenen Antrag hier zu formulieren,
({0})
und wieso dieser Antrag für uns ein ganz besonderes Gewicht hat.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({1})
Meine Damen und Herren, das Wort zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Knabe erbeten.
({0})
Ich glaube nicht, daß ich irgend jemanden terrorisiere.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist das Recht eines jeden Abgeordneten ({0})
Herr Bötsch, das müßten auch Sie wissen -, bei abweichenden Meinungen hier etwas zu sagen.
Wenn Sie das einem Abgeordneten beschneiden wollen, dann sollten Sie vielleicht das Haus momentan verlassen.
({1})
Sie haben das Wort, Herr Knabe. Bitte fassen Sie sich möglichst kurz, und reden Sie zur Abstimmung.
Der Antrag der GRÜNEN enthält wichtige, von mir voll geteilte Positionen im Verhältnis der beiden deutschen Staaten und der Einbindung in den Prozeß der Friedenssicherung und Einigung Europas. Wir dürfen die Staaten Osteuropas über den Beziehungen zur DDR nicht vernachlässigen.
({0})
Aber ich halte zwei Worte für überflüssig. Im Abschnitt 7 steht:
Getrennt, aber gemeinsam haben DDR und Bundesrepublik die Chance, zum Aufbau des gemeinsamen europäischen Hauses einen wichtigen Beitrag zu leisten.
Ich meine, diese Chance haben sie nur gemeinsam.
({1})
Dieses muß ich hier ausdrücken. Getrennt hieße, dem Selbstbestimmungsrecht der Deutschen vorzugreifen. In welcher Form dieses Gemeinsame zu erfolgen hat, ob in zwei getrennten Staaten oder in einem Staat oder in einer Konföderation, das muß wirklich den Deutschen hier und dort überlassen bleiben. Ich hatte für die Streichung der beiden ersten Worte gestimmt und werde mich jetzt der Stimme enthalten.
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir kommen jetzt zu den weiteren namentlichen Abstimmungen. Die Fraktion DIE GRÜNEN verlangt - wie Sie wissen - zu ihrem Entschließungsantrag auf Drucksache 11/5874 namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Abstimmung.
Sind alle Stimmkarten abgegeben worden? - Ich schließe die Abstimmung und bitte um Auszählung. * )
*) Ergebnis Anlage 2
Ich rufe die nächste namentliche Abstimmung auf. Wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/5945 zum Einzelplan 23. Ich eröffne die Abstimmung. Meine Damen und Herren, sind alle Stimmkarten abgegeben worden? - Ich schließe die Abstimmung und bitte um Auszählung. * )
Wir fahren gleich in den Beratungen fort.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen, weil wir Einzelabstimmungen durchführen und ich sonst nicht die Mehrheitsverhältnisse feststellen kann.
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu den Entschließungsanträgen, bei denen keine namentlichen Abstimmungen verlangt worden sind. Ich rufe sie in der Reihenfolge der Einzelpläne zur Abstimmung auf.
Ich rufe die Entschließungsanträge zum Einzelplan 04 auf. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/5933? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/5934? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/5936? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit übergroßer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen jetzt zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP auf Drucksache 11/5947. Wer wünscht zuzustimmen? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der SPD gegen die Stimmen der GRÜNEN mit Mehrheit angenommen.
Die Fraktion DIE GRÜNEN hat ihre Entschließungsanträge auf den Drucksachen 11/5924 und 11/5925 zum Einzelplan 11 zurückgezogen.
Ich rufe jetzt die restlichen Entschließungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN zum Einzelplan 11 zur Abstimmung auf. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der GRÜNEN auf Drucksache 11/5926? - Die Gegenprobe! - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/5927? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der GRÜNEN auf Drucksache 11/5928? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe jetzt die Entschließungsanträge zum Einzelplan 12 auf. Wer stimmt für den Entschließungsantrag
*) Ergebnis Anlage 3
Vizepräsidentin Renger
der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/5899?
- Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/5944? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe jetzt die Entschließungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN zum Einzelplan 15 auf. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der GRÜNEN auf Drucksache 11/5835? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der GRÜNEN auf Drucksache 11/5929? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 11/5930? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe jetzt den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN zum Einzelplan 23 auf Drucksache 11/5820 auf. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen der SPD mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe jetzt den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN zum Einzelplan 27 auf. Wer stimmt dem Entschließungsantrag auf Drucksache 11/5837 zu? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe jetzt den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN zum Einzelplan 31 auf. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 11/5822? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der GRÜNEN auf Drucksache 11/5823? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Haushaltsgesetz 1990 auf Drucksache 11/5896. Wer stimmt diesem Entschließungsantrag zu? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der GRÜNEN mit Mehrheit abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende unserer Haushaltsberatungen angekommen.
Ehe ich den Dank ausspreche, darf ich noch das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz 1990 bekanntgeben. Meine Damen und Herren, von den vollstimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 378 ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben 226 Abgeordnete des Hauses, mit Nein haben 151 Mitglieder des Hauses gestimmt; eine Enthaltung.
13 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben zehn Abgeordnete, mit Nein haben drei Abgeordnete des Hauses gestimmt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 376 und 13 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 225 und 10 Berliner Abgeordnete
nein: 150 und 3 Berliner Abgeordnete
enthalten: 1
Ja
CDU/CSU
Bauer
Bayha
Dr. Becker ({1}) Biehle
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm
Böhm ({2}) Börnsen ({3})
Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen
Borchert
Breuer
Bühler ({4}) Carstens ({5}) Carstensen ({6}) Dr. Czaja
Dr. Daniels ({7}) Daweke
Deres
Dörflinger Doss
Dr. Dregger Ehrbar
Engelsberger
Dr. Faltlhauser
Dr. Fell
Fellner
Frau Fischer Fischer ({8}) Francke ({9})
Dr. Friedmann
Dr. Friedrich Fuchtel
Ganz ({10})
Frau Geiger Geis
Dr. von Geldern Gerstein
Gerster ({11})
Glos
Dr. Göhner Dr. Götz Gröbl
Dr. Grünewald
Günther
Dr. Häfele Harries
Frau Hasselfeldt Haungs
Hauser ({12}) Hauser ({13}) Hedrich
Frau Dr. Hellwig
Dr. Hennig Herkenrath Hinrichs Hinsken Höffkes
Höpfinger Hörster
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({14}) Dr. Hornhues
Frau Hürland-Büning Dr. Hüsch
Graf Huyn
Jäger
Dr. Jahn ({15})
Dr. Jenninger Dr. Jobst
Jung ({16}) Jung ({17}) Dr.-Ing. Kansy Dr. Kappes
Frau Karwatzki Kiechle
Klein ({18})
Dr. Köhler ({19})
Dr. Kohl
Kolb
Kossendey
Kraus
Kroll-Schlüter Dr. Kronenberg
Dr. Kunz ({20}) Lamers
Dr. Lammert Dr. Langner Lattmann
Dr. Laufs
Lenzer
Frau Limbach Link ({21}) Link ({22}) Lintner
Louven
Frau Männle Magin
Marschewski
Dr. Meyer zu Bentrup
Dr. Möller
Dr. Müller
Müller ({23}) Müller ({24})
Nelle
Neumann ({25}) Niegel
Oswald
Pesch
Petersen
Dr. Pinger
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rauen
Reddemann Repnik
Frau Rönsch ({26}) Frau Roitzsch ({27}) Dr. Rose
Rossmanith Roth ({28}) Dr. Rüttgers Ruf
Sauer ({29}) Sauer ({30}) Sauter ({31})
Frau Schätzle Dr. Schäuble Scharrenbroich Schartz ({32}) Schemken
Scheu
Schmidbauer
Frau Schmidt ({33}) Schmitz ({34})
Vizepräsidentin Renger
von Schmude
Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder ({35}) Schulhoff
Dr. Schulte
({36}) Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer
Seehofer Seesing
Dr. Sprung
Dr. Stark ({37})
Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Dr. Stoltenberg
Strube
Stücklen
Frau Dr. Süssmuth
Susset
Tillmann Dr. Uelhoff Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel ({38})
Vogt ({39})
Dr. Voigt ({40})
Dr. Vondran Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warrikoff
Weiß ({41}) Werner ({42})
Frau Dr. Wilms
Wilz
Wimmer ({43})
Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Würzbach Dr. Wulff Zeitlmann Zierer
Zink
Berliner Abgeordnete
Buschbom Feilcke
Kalisch
Kittelmann Dr. Neuling Dr. Pfennig
Frau Rost ({44}) Straßmeir
FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann Eimer ({45})
Engelhard
Dr. Feldmann
Frau Folz-Steinacker Funke
Gallus
Genscher Grünbeck Grüner
Dr. Haussmann
Heinrich Dr. Hirsch Dr. Hitschler
Dr. Hoyer
Irmer
Kleinert ({46}) Kohn
Dr.-Ing. Laermann Dr. Graf Lambsdorff Mischnick
Neuhausen
Nolting
Paintner
Richter
Rind
Ronneburger
Schäfer ({47}) Frau Dr. Segall Frau Seiler-Albring Dr. Thomae
Timm
Frau Walz
Dr. Weng ({48}) Wolfgramm ({49}) Frau Würfel
Zywietz
Berliner Abgeordnete
Hoppe Lüder
Nein
SPD
Frau Adler
Andres
Bachmaier
Becker ({50})
Frau Becker-Inglau
Bindig
Dr. Böhme ({51}) Brück
Büchler ({52}) Frau Bulmahn Buschfort
Frau Conrad
Conradi
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Diller
Dreßler
Dr. Ehmke ({53}) Dr. Emmerlich Erler
Esters
Fischer ({54}) Frau Fuchs ({55}) Gansel
Dr. Gautier
Gilges
Frau Dr. Götte Großmann
Grunenberg
Haack ({56}) Frau Hämmerle Hasenfratz
Dr. Hauchler
Heistermann
Heyenn
Dr. Holtz
Horn
Huonker
Jahn ({57}) Jung ({58}) Frau Kastner Kastning
Kiehm
Kirschner
Dr. Klejdzinski Klose
Koltzsch
Koschnick
Dr. Kübler Lambinus Leidinger Leonhart Lohmann ({59})
Frau Matthäus-Maier Menzel
Dr. Mertens ({60}) Meyer
Müntefering
Nagel
Nehm
Frau Dr. Niehuis
Dr. Niese Niggemeier
Dr. Nöbel
Frau Odendahl Oesinghaus Oostergetelo
Opel
Pauli
Dr. Penner Peter ({61})
Dr. Pick
Porzner
Poß
Purps
Reimann Frau Renger
Reuschenbach
Reuter
Rixe
Roth
Schäfer ({62}) Schanz
Dr. Scheer Scherrer Schluckebier
Frau Schmidt ({63}) Schreiner
Frau Schulte ({64}) Seidenthal
Frau Seuster
Sielaff
Sieler ({65})
Singer
Dr. Soell
Frau Dr. Sonntag-Wolgast Dr. Sperling
Stahl ({66})
Steiner
Stiegler
Frau Dr. Timm Toetemeyer
Vahlberg Verheugen Voigt ({67})
Vosen
Waltemathe
Frau Dr. Wegner Weiermann
Frau Weiler Weisskirchen ({68}) Dr. Wernitz
Westphal
Frau Weyel Dr. Wieczorek
Wieczorek ({69}) Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspütz
von der Wiesche
Dr. de With Zeitler
Zumkley
Berliner Abgeordnete
Stobbe
Dr. Vogel
Wartenberg ({70})
DIE GRÜNEN
Brauer
Dr. Briefs
Dr. Daniels ({71}) Eich
Frau Flinner Frau Garbe Frau Hensel Frau Hillerich Hoss
Hüser
Frau Kelly Kleinert ({72})
Dr. Knabe Frau Kottwitz Kreuzeder Frau Nickels Frau Rust
Frau Schmidt ({73}) Frau Schoppe
Stratmann Such
Frau Vennegerts
Frau Dr. Vollmer
Volmer
Weiss ({74})
Wetzel
Frau Wollny
Enthalten
Fraktionslos Frau Unruh
Meine Damen und Herren, das Haushaltsgesetz 1990 ist damit angenommen.
In Ihrer aller Namen danke ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung des deutschen Bundestages, die uns bei unserer Arbeit geholfen haben.
({75})
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 6. Dezember 1989, 13 Uhr ein.
Gute Heimreise, schönes Wochenende! Die Sitzung ist geschlossen.