Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Themen der Kabinettssitzung, die der Chef des Bundeskanzleramts mitgeteilt hat, sind den Fraktionen bekannt.
Die Bundesregierung hat weiter mitgeteilt, daß der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Herr Möllemann, berichtet.
Das Wort hat der Herr Bundesminister Möllemann.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Das Kabinett hat heute den von mir vorgelegten Entwurf für ein neues BAföG beschlossen,
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also für eine Neuregelung und Umstrukturierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes.
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Schon im Herbst 1990 werden Studierende staatliche Leistungen bis zu 890 DM monatlich erhalten, die sie aber später nicht mehr in voller Höhe, sondern nur noch zur Hälfte zurückzahlen müssen.
Studierende, die bisher keine BAföG-Leistungen bekamen, weil sie Familien mit mittleren Einkommen entstammen, werden neu in den Kreis derjenigen aufgenommen, die diese staatliche Studienfinanzierung in Anspruch nehmen können.
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Bereits im nächsten Jahr erhalten 160 000 von derzeit 260 000 geförderten Studierenden mehr Geld. Weitere 70 000 werden in die Förderung einbezogen werden. Damit wird die Zahl der BAföG-Empfänger auf einen Schlag um etwa 30 % steigen, nämlich von derzeit 328 000 auf demnächst 428 000 Geförderte. Das bedeutet, daß die Ausgaben des Staates für diesen Bereich auf 3 Milliarden DM pro Jahr steigen. Das sind 650 Millionen DM mehr als nach geltendem Recht.
Im einzelnen sieht der Gesetzentwurf, was die wesentlichen Veränderungen angeht, folgende Verbesserungen vor:
Erstens. BAföG wird künftig nicht mehr als Volldarlehen, sondern, wie ich bereits sagte, zu 50 % als Zuschuß gewährt.
Zweitens. Die Einkommensgrenzen, bis zu denen BAföG gezahlt wird, erhöhen sich drastisch. Beispielsweise durfte eine Familie mit einem auswärts studierenden Kind bislang nicht mehr als 4 800 DM brutto verdienen; dann fiel sie aus der Förderung heraus. Künftig beträgt die Höchstgrenze 6 200 DM.
Drittens. Vielen Studenten gelingt es - auch wegen der Überfüllung der Hochschulen und unzureichender Studien- und Prüfungsbedingungen derzeit nicht, ihr Examen innerhalb der Förderungshöchstdauer abzuschließen. Sie werden künftig zwei Semester länger gefördert, sofern sie sich innerhalb der Höchstdauer zum Examen gemeldet haben und ihr Studium innerhalb der nächsten zwei Semester auch abschließen können.
Der vierte Punkt betrifft die Krankenversicherung. Der Krankenversicherungszuschlag von gegenwärtig 45 DM wird auf die tatsächliche Höhe der Beiträge angehoben, auf 65 DM.
Fünftens. Die Bedarfssätze werden um 3 % angehoben, so daß der Höchstsatz 890 DM beträgt.
Sechstens. Pflege und Erziehung eines Kindes bis zum Alter von drei Jahren sollen bei der Bemessung der Förderungsdauer künftig berücksichtigt werden.
Siebtens. Für behinderte Studenten verbessern sich die Förderungs- und Rückzahlungsbedingungen. Wer durch eine Behinderung länger studieren muß als eigentlich vorgesehen, erhält nach Ablauf der Förderungshöchstdauer BAföG zu 100 % als Zuschuß.
Ich finde, daß dieses Gesetz ein wichtiger Eckstein in der Reform des Bildungswesens ist, den sich diese Bundesregierung vorgenommen hat. Ich bin deswegen sehr froh, daß das Kabinett heute so beschlossen hat.
Meine Damen und Herren, ich bitte, Fragen zu diesem Themenkreis zu stellen. - Das Wort hat Frau Abgeordnete Odendahl.
Herr Minister Möllemann, warum folgen Sie nicht den Empfehlungen des BAföG-Beirates und nahezu aller Sachverständigen, Schüler-BAföG wieder einzuführen? Warum erhalten Sie ausgerechnet im Bereich der Schülerförderung den BAföG-Kahlschlag aufrecht? Was führte Sie dazu, auch noch auszuführen, daß es weniger finanzielle Gesichtspunkte waren, die Sie zu dieser Entscheidung kommen ließen, sondern mehr ordnungspolitische?
Der entscheidende Grund, Frau Kollegin Odendahl, dafür, daß wir die Einführung eines allgemeinen Schüler-BAföG nicht vorgenommen haben, liegt darin, daß dies den Kostenanstieg für diesen Bereich, der jetzt 650 Millionen DM für Bund und Länder beträgt, auf 1 Milliarde DM steigern würde -350 Millionen DM mehr. Dies war nicht vertretbar.
Wir glauben, zweitens, nach diesem entscheidenden Schritt, daß es unter diesem Gesichtspunkt auch vertretbar ist, wenn im Regelfall die Familien für die Kinder im Schüleralter aufkommen. Die Länder haben im übrigen sogenannte Härtefallregelungen, die in besonders schwierigen Situationen Familien die Möglichkeit geben, Schüler-BAföG zu bekommen.
Wir haben die Schüler, die auf dem zweiten Bildungsweg die Hochschulreife anstreben, allerdings zusätzlich in die Ausbildungsförderung hineingenommen. Dies, wie übrigens der Löwenanteil meines Reformentwurfs, den das Kabinett heute liebenswürdigerweise beschlossen hat, ist auch identisch mit dem Gesetzentwurf, den Sie in der vergangenen Woche vorgelegt haben.
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Die Tatsache, daß er im Wortlaut gleich ist, bekräftigt meine Vermutung, daß hier Kongenialität am Werk gewesen sein muß.
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Noch eine weitere Frage, bitte schön.
Herr Minister Möllemann, nachdem Sie unseren Gesetzentwurf wohl schon gelesen und zur Kenntnis genommen haben, darf ich Sie fragen, ob Sie trotz Ihrer Ausführungen bezüglich der nötigen Finanzmittel etwas mittelfristigere Überlegungen zur Schülerförderung anstellen werden?
Ich bin sehr zufrieden damit, daß der Referentenentwurf meines Hauses von Ihnen im Wortlaut übernommen worden ist. Ich habe auch darüber hinweggelesen, daß von Ihnen eine auf Grund einer technischen Panne entstandene Fehlerstelle mit übernommen, abgeschrieben worden ist.
({0}) Das ist nicht weiter schlimm.
Ich bin im wesentlichen politisch froh darüber, daß die Koalition in den Kernpositionen Unterstützung durch die größte Oppositionspartei hat.
Es gibt einen Bereich, in dem wir offenbar unterschiedlicher Meinung sind. Das ist die Frage der Einführung einer allgemeinen Schülerförderung. Ich habe Ihnen dargestellt, daß dies aus den genannten Gründen nicht in Betracht gezogen wird.
Der Abgeordnete Kastning hat sich zu Wort gemeldet.
Herr Minister, ich frage Sie zu der Kernposition Schüler-BAföG: Wo bleibt, wenn Sie aus ordnungspolitischen Gründen - das sind Ihre Worte; ich denke auch an die Rede hier zur Einbringung des Bildungshaushalts vor einigen Wochen - das Schüler-BAföG nicht wiederherstellen wollen, das auch von Ihrer Partei immer wieder propagierte Bürgerrecht auf Bildung? Angesichts der Daten der letzten Sozialerhebung zum BAföG frage ich weiter: Bleiben Sie bei der Absicht, das Schüler-BAföG nicht wiederherzustellen, obwohl der Anteil der Kinder aus Arbeiterfamilien an den Studierenden gesunken ist und noch unter dem Wert von 1982 liegt?
Das Bürgerrecht auf Bildung wird derzeit in einem zuvor nie dagewesenen Maße genutzt. Wir hatten noch nie so viele Schülerinnen und Schüler auf den weiterführenden Schulen, noch nie so viele Studentinnen und Studenten.
Es ist zutreffend, daß wir im letzten Jahr einen Rückgang des Anteils der Kinder aus Arbeiterfamilien an den Studierenden von 8,3 auf 8,2 % hatten. Dies als einen dramatischen Prozentsatz zu bezeichnen, weigere ich mich nun allerdings nachhaltig.
Ich glaube, daß die Tatsache, daß wir BAföG so ausweiten, wie wir es jetzt tun, daß wir deutlich machen, daß auch Bezieher mittlerer Einkommen BAföG, das künftig zur Hälfte als Zuschuß gewährt wird, bekommen können, schon auf die Sozialfunktion der Förderung hinweist. Das ist das Entscheidende.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wetzel, bitte.
Herr Minister, Sie haben soeben in Ihren Ausführungen das Problem des Rückgangs der Zahl von Studierenden aus Arbeiterfamilien als geringfügig dargestellt, aber ich darf Ihnen an Hand der 12. Sozialerhebung die Tatsache in Erinnerung rufen, daß die Struktur unserer Hochschullandschaft deswegen so bedenklich ist und von der Fortexistenz materieller Bildungsprivilegien zeugt, weil 8 % der Kinder aus Arbeiterfamilien studieren, während mehr als 40 % der Kinder aus der Gruppe der Selbständigen, der Beamten und der höheren Angestellten studieren. Das ist das strukturelle Defizit in unserer Hochschullandschaft.
Daran knüpft sich meine Frage, ob Sie das Problem, daß in der Bildungslandschaft nach wie vor materielle Bildungsprivilegien, Klassenstrukturen fortexistieren, anerkennen.
Meine weitere Frage ist: Ist Ihre Auffassung, daß das Problem zu vernachlässigen sei, eventuell darauf zurückzuführen, daß wir eine hohe Zahl von StudieDeutscher Bundestau - 11. Wahlperiode Wetzel
renden haben und daß Sie den Zuwachs der Zahl der Studierenden beschränken möchten?
Zum einen ist festzustellen, daß die Kinder aus Arbeiterfamilien insbesondere durch diese BAföG-Novelle gefördert werden und davon künftig nur noch 50 % zurückzahlen müssen. Das ist eine deutliche Verbesserung für Kinder aus Arbeiterfamilien.
Nicht gefördert werden Kinder aus Familien jenseits der Einkommensgrenzen. Offenkundig ist das Finanzkriterium in allen Fällen nicht das Entscheidende. Es bringt doch nichts, hier mit Klassenbegriffen herumzuoperieren, die mittlerweile selbst in den Staaten aufgegeben werden, die sich bemüht haben, ihre gesamte politische Philosophie auf Klassenbegriffe zu gründen. Ich finde es absurd, in unserer gesellschaftlichen Realität mit einem solch veralteten Vokabular zu arbeiten. In anderen Bereichen wird gerade damit aufgeräumt. Ich finde, wir haben es nicht nötig, das hier zu tun.
Was den zweiten Teil Ihrer Frage betrifft: Die Bundesregierung wird ihre Politik des Offenhaltens des Zugangs zu den Bildungseinrichtungen fortsetzen und sich dort, wo es Zugangsbeschränkungen gibt, bemühen, diese aufzuheben. Das Ziel des von mir initiierten, von der Bundesregierung beschlossenen und von den Ländern übernommenen Sonderprogramms ist, den Zugang zu den Studienfächern, in denen es Beschränkungen gibt, möglichst offen zu gestalten.
Frau Dr. Hamm-Brücher.
Herr Bundesminister Möllemann, ich stimme mit Ihnen voll überein in der Grundsatzfrage, daß die Neuerung beim BAföG, wonach die Hälfte der BAföG-Zuschüsse nicht zurückgezahlt werden muß, ein guter Weg ist, um wieder mehr Kindern - ich sage immer vorsichtig: aus sozial schwachen Familien - den Zugang zum Studium und zu weiterführenden Bildungsabschlüssen zu eröffnen. Ich bin mit Ihnen auch der Ansicht, daß es noch nie eine solche Expansion in einem Bildungssystem gegeben hat, übrigens nicht nur bei uns, sondern überall in Europa und in der Welt. Wir liegen da noch nicht einmal an der Spitze.
Ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß es nach allen Untersuchungen und Sozialstatistiken offenkundig ist, daß die quantitative Expansion in der Relation insgesamt zur Folge hatte, daß die unteren Bildungsschichten nicht aufgeholt haben. Das müssen wir doch einfach feststellen. Hier müssen auch neue Überlegungen ansetzen.
Ich frage Sie, ob Sie da ansetzen; denn ein Anteil von insgesamt 8 % an Jugendlichen aus sozial schwachen und Arbeiterfamilien ist nach wie vor ungeheuer wenig. Wir schwanken da hin und her. Wir sind noch nicht wieder ganz auf dem alten Stand. Es geht nicht um die absolute Zahl des Wachstums, sondern um die Relation zwischen bildungsnahen und bildungsfernen gesellschaftlichen Schichten. Ich würde Sie bitten, uns zu sagen, welche Überlegungen Sie dazu anstellen.
Nachdem wir, Frau Kollegin Dr. Hamm-Brücher, jetzt mit diesem Gesetz jedenfalls die Fördermöglichkeiten für Studierende aus sozial schwächeren Familien spürbar verbessern, werden wir uns Gedanken darüber machen müssen - eine Patentantwort habe ich darauf ebenfalls nicht - , welches denn die Motive dafür sind, daß Eltern ihren Kindern einen bestimmten Bildungsweg empfehlen bzw. daß sich junge Erwachsene für eine bestimmte Fortführung ihres Berufsbildungs- und Laufbahnweges entscheiden. Es fällt ja auf, daß sich in unterschiedlichem Maße Prozentanteile derer, die die Studienberechtigung haben, für ein Studium oder aber für den Gang in einen Beruf entscheiden.
Ich halte es gar nicht einmal für prinzipiell schlecht, wenn sich in einer Situation, in der wir bei 1,5 Millionen Studierenden befürchten müssen, daß ein Teil der jetzt Studierenden nicht notwendigerweise im erlernten akademischen Beruf tätig werden kann, junge Menschen dafür entscheiden, sich möglicherweise nach dem Abitur einen Beruf anzueignen, der dann vielleicht Tätigkeiten im Bereich des mittleren Managements eröffnet. Das ist im Grunde sogar vernünftig.
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Ich möchte mit Ihnen vermeiden, daß es sozusagen eine automatische Zuordnung gibt, daß Kinder glauben, aus sozialen oder finanziellen Gründen den gleichen Berufsweg gehen zu müssen, den die Eltern gegangen sind. Materielle Gründe gibt es dafür nach meinem Dafürhalten eigentlich nicht.
Eine Frage, Herr Abgeordneter Kuhlwein.
Herr Bundesminister, vielleicht können Sie sich in die Situation einer Arbeiterfamilie mit zwei heranwachsenden, 16, 17 oder 18 Jahre alten Kindern,
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die vor der Frage steht, wie man eigentlich das Familienbudget finanzieren soll, wenn man diese Kinder in weiterführende Schulen schickt und sie etwa das Abitur machen läßt, nicht ganz hineindenken. Dies ist doch damals die Begründung dafür gewesen, daß wir gemeinsam, Herr Möllemann, Schüler-BAföG eingeführt haben, übrigens mit einstimmigem Votum des ganzen Deutschen Bundestages.
Das, was hier vorgetragen wurde, macht doch deutlich, daß es einen statistisch nachweisbaren Zusammenhang zwischen dem Rückgang des Prozentsatzes der Arbeiterkinder an den Studierenden seit 1982 und der Streichung des Schüler-BAföG gibt. Das heißt, sie kommen gar nicht so weit, daß sie Ihre Verbesserungen im Studenten-BAföG werden in Anspruch nehmen können.
Ihre letzte Bemerkung macht ja doch wieder deutlich, daß es nicht nur mit Kostenargumenten begründet wird, warum Sie auf die Wiedereinführung des Schüler-BAföG verzichtet haben. Es steckt doch etwas Ordnungspolitisches dahinter. Wir können lange darüber streiten, wo wer in Zukunft welche Ausbildung
machen soll. Vielleicht einigen wir uns sogar darüber. Aber ich möchte vermeiden, daß in Zukunft wieder Arbeiterkinder diejenigen sind, die auf das duale System mit seinen Sackgassen, die es da immer noch gibt, verwiesen werden, und daß Akademikerkinder und Mittelschichtenkinder auf die Hochschulausbildung verwiesen werden. Das ist eine Situation, in der sich die Eliten ständig wieder aus sich selbst heraus ergänzen.
Meine Frage: Meinen Sie es jetzt ordnungspolitisch, oder hat es ausschließlich finanzpolitische Gründe? Wenn es ausschließlich finanzpolitische Gründe hat, wann können wir dann mit der Reform rechnen, die das Schüler-BAföG wiederherstellt?
Herr Kollege Kuhlwein, Ihre Argumentation baut auf zwei gedanklichen Trugschlüssen auf. Der erste besteht darin, daß Sie die von 8,3 auf 8,2 gesunkene Quote von Arbeiterkindern unter den Studierenden mit einer vermeintlich gleichfalls gesunkenen Quote von Schülerinnen und Schülern, die Kinder von Arbeitern sind, auf den weiterführenden Schulen gleichsetzen. Dies ist ausweislich der Bilanzen der Kultusminister nicht der Fall. Interessanterweise gibt es die Friktionen dort, wo anschließend gefördert wird. Offenbar ist die Förderung nicht der entscheidende Punkt. Auf den Gymnasien - das weisen auch Ihre Kultusminister, also die der SPD, aus - haben wir noch nie eine so hohe Quote von Arbeiterkindern gehabt wie jetzt.
Der zweite Trugschluß ist der in Ihrer Frage - ich finde - unnötig anklingende persönliche Aspekt. Ich komme aus einer Familie, die die Finanzierung des Studiums von drei Söhnen eben nicht erbringen konnte, bei der die drei Söhne trotzdem allesamt studiert haben, weil sie nebenher massiv gearbeitet haben.
Ich finde es ganz gut, wenn es bei der Studienfinanzierung jetzt diese Verbesserungen gibt. Deswegen halte ich es nicht für angemessen, wenn Sie sagen, jemand, der meine Position vertritt, müsse sich offenbar nicht in die Situation von Arbeiterfamilien hineindenken können. Ich unterstelle ja auch nicht, daß sich alle in Ihrer Fraktion nicht in ein Problem hineindenken können, das Sie anders lösen wollen als ich.
Herr Abgeordneter Daweke, Sie haben das Wort.
In diesem Zusammenhang, Herr Minister Möllemann: Wie beurteilen Sie das Verhalten der von der SPD geführten Länder, die ja seit 1982 einen erheblichen Anteil der BAföG-Mittel beim Schüler-BAföG gespart haben und die ebenso wie der Bund nicht ins Schüler-BAföG eingestiegen sind, also die ersparten Beträge hierfür auch nicht verwendet haben, wie es beispielsweise das Saarland getan hat, das statt Schüler-BAföG inzwischen ein Buch überreicht?
({0}) - Ja, das ist der Lohn der guten Tat.
Die zweite Frage in dem Zusammenhang bezieht sich auf Schüler und Studierende an Abendgymnasien und Kollegs. Wir alle erhalten zur Zeit ja Briefe. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das, was das Kabinett in diesem Zusammenhang heute morgen beschlossen hat, auch noch kurz erläutern würden. Das ist für die Arbeit in unseren Wahlkreisen sehr wichtig.
Zunächst haben die Bundesländer allesamt, aber in besonders auffälliger Weise die von der SPD regierten die durch die Beschlußfassung des Parlaments im Jahr 1989 frei werdenden Mittel, die sie zuvor anteilig zu einem Drittel aufgebracht hatten, nicht weiterhin für ein Schüler-BAföG verwandt. Da gibt es eine gewisse Diskrepanz zwischen Erklärungen hier und Praxis dort.
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Zweitens entspricht es einer gängigen Praxis - die ich nun permanent konstatiere - , daß wir von unseren sozialdemokratischen Kollegen hier gemahnt werden, mehr zu tun, daß sie aber dort, wo sie die Verantwortung für den Hochschulbereich tragen, das nicht unbedingt tun. So konnte man gestern hören und heute lesen, daß es Herr Schleußer, Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, für absolut unnötig hält, für die Sicherung des wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen mehr Mittel aufzuwenden.
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Ich hoffe sehr, daß die Bundesländer diesem Entwurf zustimmen; denn er bringt ja auch den Bundesländern Mehrkosten von über 200 Millionen DM. Ich wäre froh, wenn es hier einen Konsens geben könnte.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Auch künftig werden die Besucher des Abendgymnasiums oder des Kollegs unabhängig vom Einkommen und Vermögen der Eltern Leistungen nach dem BAföG bekommen. Alle Gerüchte, die verbreitet worden sind - die Förderung auf dem zweiten Bildungsweg werde eingeschränkt - , sind unzutreffend. Im Gegenteil: Wir schließen bestimmte Bereiche des zweiten Bildungsweges wie Berufsfachschulen und Fachoberschulen, die bislang nicht gefördert wurden, ausdrücklich in die Förderung ein, weil wir sagen: Es gibt halt junge Menschen, die ihre Begabungspotentiale erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennen, gerade auch solche aus sozial schwachen Familien. Diese jungen Menschen wollen dann noch in diesen Bildungsbereich einsteigen. Ihnen muß Unterstützung gegeben werden.
Herr Abgeordneter Wetzel.
Herr Minister, Sie geben mir Gelegenheit, genau an diesem Punkt anzuknüpfen; er betrifft den zweiten Bildungsweg.
Ich bin nicht Ihrer Auffassung, die Sie gerade geäußert haben. Vielmehr denke ich, daß die vorgelegte BAföG-Novelle eine einschneidende VerschlechteWetzel
rung für die Absolventen und Absolventinnen von Kollegs und Abendgymnasien mit sich bringt; denn die elternunabhängige Förderung wird auf diejenigen Absolventinnen und Absolventen beschränkt, die bei Beginn des Studiums das 30. Lebensjahr vollendet haben oder vor Beginn des Studiums bereits fünf bzw. sechs Jahre berufstätig waren. Ich möchte wissen, wie die Bundesregierung diese ihre Auffassung begründet, wie sie diese Einschränkung im Bereich von Förderungsmaßnahmen für Absolventinnen und Absolventen des zweiten Bildungsweges erklärt.
Die Begründung hierfür liegt in der Gleichbehandlung von Studierenden des ersten und zweiten Bildungsweges. Ich bin froh, daß es darüber jedenfalls zwischen Regierungskoalition und SPD keinen Dissens gibt. Die Gesetzentwürfe sind da identisch. Das kann ja nicht nur den erstgenannten Grund haben. Vielmehr bin ich sicher: aus Überzeugung identisch.
Es geht darum, daß junge Menschen, die Abitur machen, gelegentlich sagen: Wir machen zunächst eine Lehre, um anschließend zu studieren.
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Solche jungen Menschen, die das tun und damit in aller Regel keinen Fehler machen, werden auch künftig elternabhängig gefördert, d. h. wenn das Einkommen des Vaters, der Mutter, der Eltern gemeinsam die Einkommensgrenzen übersteigt, die ich beschrieben habe, werden sie nicht gefördert. Liegt das Einkommen darunter, werden sie gefördert. Gleiches soll auf dem zweiten Bildungsweg angewandt werden.
Nur machen wir eine Einschränkung und begünstigen damit den zweiten Bildungsweg. Wir sagen: Wenn junge Menschen nicht nur eine Lehre gemacht haben, sondern tatsächlich auch berufstätig waren - zusammen also sechs Jahre; drei oder dreieinhalb Jahre Lehre, zweieinhalb bis drei Jahre Berufstätigkeit; dann werden noch der Wehrdienst bzw. der Zivildienst und die Arbeitslosigkeitszeiten angerechnet - , waren sie so lange von zu Hause weg und unabhängig von den Eltern, daß man den Eltern schlecht abverlangen kann, eine weitere Ausbildung zu finanzieren. Das halte ich für vertretbar. Der zweite Bildungsweg meinte immer das Umsteigen von seinerzeit berufstätig gewesenen in diesen Bereich. Und Berufstätigkeit nur mit Lehre zu definieren, wird man vernünftigerweise nicht tun wollen.
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- Ich sagte es gerade. Weil ich vorhin gesagt habe, man solle das nicht persönlich machen, nehmen wir einen x-beliebigen Fall. Nehmen wir an, die Tochter oder der Sohn eines meiner Kabinettskollegen würde eine Lehre machen und anschließend studieren wollen, dann werden Sie doch nicht annehmen wollen, daß der Steuerzahler unseren Kindern, nur weil sie eine Lehre gemacht haben, BAföG bezahlen soll.
Darf ich daran erinnern, daß wir noch einen zweiten Punkt der Kabinettsberichterstattung zu behandeln haben, und bitten, die
Fragen und auch die Antworten sehr kurz zu halten.
Herr Kollege Kastning.
Ich werde es versuchen. - Immer wenn die Argumentation eng wird, Herr Minister, neigen Sie dazu, halbe Wahrheiten zu sagen; so vorhin mit dem Zitat des SPD-Landesfinanzministers. In einer überregionalen Tageszeitung lese ich:
Die Finanzminister von Bund und Ländern sehen trotz weiter steigender Studentenzahlen keinen Anlaß, mehr Geld in die Hochschulen und die Universitäten fließen zu lassen . . .
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Mir ist nicht bekannt, daß - schön wäre es ja - die SPD in allen Ländern und auch noch im Bund den Finanzminister stellt. Ich frage Sie in Anknüpfung an Herrn Daweke: Wo hat denn der Bund, diese Bundesregierung das eingesparte Geld aus dem Schüler-BAföG-Kahlschlag gelassen - wenn Sie schon Länder fragen, was sie damit gemacht haben -? Weiter frage ich: Darf ich in Zukunft - und wenn ich es nicht darf, bitte ich um eine ausführliche schriftliche Erläuterung, warum nicht - sagen: Dieser Bildungsminister benutzt das Schüler-BAföG bzw. dessen Nichteinführung als ein staatliches Steuerungsinstrument in der Bildungspolitik, statt es für die Verwirklichung gleicher Bildungschancen zu nutzen.
Zunächst, Herr Kollege Kastning, ist ihre Aussage, daß es schön wäre, wenn die SPD alle Finanzminister stellte, weniger als eine Halbwahrheit.
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Zweitens. Ich habe mich auf einen Brief des Finanzministers von NRW, Schleußer, bezogen, der in dem von Ihnen soeben teilweise vorgelesenen Zeitungsartikel erwähnt wird. Der Bundesfinanzminister war an dieser Aktion nicht beteiligt. Das ist ein Irrtum dieser Zeitung.
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- Das macht die Sache aber nicht besser. Ich will nur sagen: Indem wir hier als Koalition sagen, wir wollen das Schüler-BAföG in Gänze nicht wieder einführen, und das auch begründen, kritisiere ich doch nur diejenigen, die hier im Bundestag sagen, wir müssen mehr tun, und es dort, wo sie die Verantwortung haben, nicht tun. Verstehen Sie? Sie müssen sich an Ihrem eigenen Anspruch messen lassen, wenn sich Ihre eigene Partei nicht konsequent verhält. Ich habe ja nicht den Anspruch erhoben, daß wir demnächst das Schüler-BAföG wieder voll einführen.
Der nächste Punkt: Ob Sie die Behauptung, die Sie anführten, künftig aufstellen dürfen? Ja, dürfen tun Sie es; nur nicht mit meiner Zustimmung. Sie ist falsch. Ich habe versucht, darzustellen, daß für die Frage, wieviel Kinder aus welchen Familien in die Gymnasien und die Realschulen gehen, offenkundig derzeit ein Schüler-BAföG nicht entscheidend zu sein scheint, nach der Tatsache zu urteilen, daß wir noch
nie so viele Kinder auch aus diesen Familien - auch prozentual - auf weiterführenden Schulen hatten. Es gibt keinen Rückgang in diesem Bereich. Der Rückgang von 0,1 % ergibt sich - das sagte ich bereits - im Bereich der Studierenden. Offenbar gibt es dort andere als materielle Motive. Denn die Studierenden kriegen ja BAföG.
Also ich würde Sie schon bitten, sich auch gedanklich ein bißchen mehr anzustrengen, Herr Kollege Kastning. Dann macht der Disput mehr Spaß.
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Herr Kollege, ich muß darauf aufmerksam machen: Wir haben nur noch fünf Minuten für den nächsten Punkt.
Ich möchte darauf zumindest reagieren dürfen, indem ich sage: Ich finde das, was der Herr Minister soeben getan hat, ziemlich hochnäsig. Ich möchte ihn bitten, seine eigene Haushaltsrede durchzulesen; dort hat er nämlich genau das SchülerBAföG unmißverständlich als Steuerungsinstrument beschrieben. Ich möchte das zurückweisen dürfen, was soeben gesagt worden ist, Frau Präsidentin.
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Herr Kollege Kastning, ich habe in meiner früheren Zeit als eine der aktiven Sportarten, die ich betrieben habe, das Boxen betrieben. Ich mag Leute nicht leiden, die einem vor den Latz knallen und, wenn sie einen zurückbekommen, dann weinen. Sie haben gerade ausgeteilt, jetzt haben Sie einen zurückbekommen, so ist das nun mal.
Frau Odendahl, noch eine kurze Frage, bitte schön. Ich darf dann auch um eine kurze Antwort bitten.
Herr Minister, ich weiß nicht, ob Sie Frauen als Boxpartner akzeptieren, aber nachdem Ihre Antwort nicht ganz klar war, frage ich Sie noch einmal mit aller Deutlichkeit: Wollen Sie BAföG in Zukunft zu einem bildungspolitischen Steuerungsinstrument machen, ja oder nein?
Ich werde BAföG weiterhin als bildungspolitisches Steuerungsinstrument zum Ausgleich von Benachteiligungen einsetzen, wie das dieses Gesetz in hervorragender Weise tut. Es fördert Jugendliche besonders nachdrücklich, die aus einkommenschwachen Familien kommen.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zum nächsten Punkt aus der Kabinettsitzung: befristete Gebührenermäßigung für Postpakete nach der Volksrepublik Polen. Hierzu hat sich bereits Herr Abgeordneter Börnsen gemeldet. Bitte, Sie haben das Wort.
Entschuldigung, Frau Präsidentin, ich dachte, wir würden einen kurzen einleitenden Bericht bekommen.
Der Herr Postminister ist selbst zur Beantwortung bereit.
Herr Bundesminister, es soll ab 1. November 1989 eine Befreiung der nach Polen zu schickenden Pakete von der Postgebühr vorgenommen werden. Dieses wird von uns grundsätzlich anerkannt und begrüßt, nicht zuletzt weil es auch über die Arbeiterwohlfahrt auf unsere Initiative sicherlich mit zurückzuführen ist. Aber meinen Sie nicht, daß die Tatsache, daß die ersten Anregungen auf den August dieses Jahres zurückzuführen sind, während das erst zum 1. Dezember eingerichtet werden soll, darauf hinweist, daß man sich im Postministerium und in der Bundesregierung sehr viel Zeit genommen hat, um sich diesem Sachverhalt zu stellen, und daß es auch heute nicht nachvollziehbar ist, daß erst zum 1. Dezember, nicht aber zum 1. November diese Befreiung vorgenommen werden soll?
Herr Bundesminister, bitte sehr.
Herr Kollege Börnsen, ich muß Sie hier korrigieren: Die Regelung beginnt am 1. November und wird bis zum 31. März dauern. Wir haben mit diesen fünf Monaten extra die gesamte Winterzeit einbezogen, weil sich gerade durch die Witterungsverhältnisse, wie wir das aus den früheren Jahren kennen, besondere Schwierigkeiten bei der Bevölkerung ergeben. Wir wollten dafür Sorge tragen, daß diese Regelung noch einen erheblichen Zeitraum über die Weihnachtszeit hinaus Gültigkeit hat. Es stand zunächst nur eine Zeit von drei Monaten zur Debatte, und wir haben sie auf fünf Monate ausgedehnt; es beginnt am 1. November 1989.
Haben Sie noch eine Nachfrage? - Bitte.
Nein. Aber um solche Mißverständnisse zu klären, möchte ich Sie bitten, die entsprechenden Pressemeldungen, die heute über den Ticker gelaufen sind, zu korrigieren. Danach ist es der 1. Dezember.
Ich bedanke mich für diesen Hinweis. Ich werde das unverzüglich tun. Ich sage Ihnen nur: Es ist heute im Kabinett so beschlossen worden, wie ich es eben gesagt habe.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pfeffermann.
Herr Minister, hätten Sie die Freundlichkeit, darüber hinaus noch ein paar Eckdaten über das bekanntzugeben, was Sie nun eigentlich beschlossen haben, wenn schon die erste Information über die Presse nicht stimmt, wie wir eben festgestellt haben, und würden Sie - ich fürchte, daß die Zeit knapp ist - noch ein herzliches Dankeschön dafür entgegennehmen, daß die Dinge zum Laufen gebracht werden? Ich finde, daß diese Maßnahmen der Bundesregierung in erfreulichem Gegensatz zu dem steht, was ich in diesen Tagen auf anderem Sektor in der Zeitung lese. Hier wird die Möglichkeit zur Hilfe
von Menschen für Menschen eröffnet, während ich gerade heute mit Bedauernis in einer anderen Zeitung lese, daß sich der Ministerpräsident aus Nordrhein-Westfalen vor seinen Landesminister in der Diskussion um den Wohnungsmarkt gestellt hat, wo es darum geht, daß herausgestellt wird, daß dort Aussiedler und Umsiedler nicht in ungewöhnlicher Weise gegenüber Einheimischen bevorzugt würden. Während hier das soziale Klima belastet wird, tut die Bundesregierung auf einem anderen Sektor erfreulicherweise etwas, um den Menschen die Möglichkeit zur Hilfe zu ermöglichen. Wie das aussieht, würde ich jetzt ganz gern mal etwas präziser erfahren, Herr Minister.
Ich darf mit Genehmigung der Präsidentin auf einige Punkte eingehen. Es trifft zu, was Kollege Börnsen gesagt hat, daß das Postministerium von verschiedenen Hilfsorganisationen - wobei ich nicht alle Hilfsorganisationen nennen möchte; es sind weit mehr, als hier eben genannt wurden - und vor allen Dingen aus weiten Kreisen der Bevölkerung darauf hingewiesen wurde: Bitte helft doch! Wir wollen einen Beitrag für die schwierige Situation in Polen leisten. - Das war etwa seit August/September.
Im Unterschied zu der früheren Aktion im Jahre 1982 haben wir keine volle Gebührenbefreiung vorgenommen, sondern wir haben die Befreiung für den Anteil vorgenommen, den die Deutsche Bundespost nach den internationalen Vereinbarungen für sich beanspruchen kann. Das sieht so aus, daß bei einem Paket zwischen 10 und 15 kg, für das jemand 40,40 DM zu bezahlen hätte, er den der Bundespost zustehenden Anteil von 17 DM jetzt nicht zu bezahlen hat. Nach den internationalen Vereinbarungen müssen wir weiterhin für den Durchgang an die DDR 6 DM und als Endvergütungsanteil an Polen, weil dort die Hauptarbeit der Verteilung geschieht, 17,40 DM bezahlen. Wir haben aber an die polnische Regierung das Ersuchen gestellt, ebenfalls daran zu denken, eine Befreiung vorzunehmen. Wir verzichten also auf unseren Anteil, mit der Konsequenz, daß ein solches Paket nicht mehr 40,40 DM, sondern nur noch 23,40 DM an Porto kostet.
Wir haben festgestellt, daß auf Grund der Aktion 1982 bei der vollständigen Gebührenbefreiung etwa eine Verzehnfachung des Paketaufkommens entstanden ist. Wir nehmen an, daß es diesmal nicht in der gleichen Größenordnung sein wird; aber es wird etwa in der Größenordnung des fünf- bis sechsfachen Volumens gegenüber den bisherigen Zahlen sein.
Diese Zahlen sind beachtlich. Sie wissen - das möchte ich hier einmal kurz sagen - : Im Jahre 1988 sind rund 970 000 Postpakete von der deutschen Bevölkerung an Polen versandt worden. Nun kam in diesem Jahr eine Gebührenerhöhung hinzu, so daß es für den Postkunden jetzt besonders hart gewesen wäre, bei der besonderen Situation die hohen Kosten zu tragen.
Nach unseren Berechnungen wird es in dem Zeitraum von fünf Monaten einen Gebührenausfall von etwa 30 Millionen DM geben. Nach der Haushaltsordnung und nach den internationalen Vereinbarungen darf die Bundespost auf einen solchen Gebührenausfall nicht verzichten. Deswegen waren entsprechende Abstimmungsgespräche mit dem Auswärtigen Amt und mit dem Finanzminister erforderlich, aus welchen Titeln und mit welchem Abrechnungsmodus eine Erstattung erfolgt. Das ist dann innerhalb von sechs Wochen zu einer zufriedenstellenden Klärung geführt worden, so daß wir ab 1. November mit dieser Gebührenermäßigung beginnen können.
Letzte Frage zu diesem Thema, Frau Faße.
Herr Minister, stimmen Sie mir zu, daß es nicht alleine um Geschenkpakete zu Weihnachten gehen kann, auch nicht alleine nur darum, Kleidungsstücke zu schicken, sondern daß wir es zur Zeit in Polen auch mit hungernden Menschen zu tun haben? Von daher meine Frage: Sind Sie bereit, die Befristung, die Sie jetzt vorgenommen haben, gegebenenfalls zu verlängern?
Um nicht vor diese Notwendigkeit gestellt zu werden, habe ich hart dafür plädiert, daß wir eine Zeitspanne nicht nur von drei Monaten, sondern von fünf Monaten nehmen. Ich kann nur jeden dazu auffordern, dieses innerhalb der fünf Monate zu nutzen. Es ist nicht so, daß nach diesen fünf Monaten nichts mehr geschickt werden könnte, sondern es ist nun ein Vorzug, dieses zu einem besonders günstigen Preis zu tun. Es ist also im Grunde genommen ein zusätzlicher Appell an die Bevölkerung, Pakete nach Polen zu verschicken. Auf Grund des bisherigen Volumens ist aber ersichtlich, daß auch jetzt schon sehr stark davon Gebrauch gemacht wird, so daß wir davon ausgehen können, daß auch über die Zeit der Gebührenermäßigung hinaus Pakete in erheblicher Anzahl nach Polen verschickt werden.
Meine Damen und Herren, damit ist die für die Befragung der Bundesregierung vorgesehene Zeit abgelaufen. Ich beende die Befragung der Bundesregierung.
Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde
- Drucksache 11/5381 Meine Damen und Herren, ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf.
Die Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Dr. Ehmke ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Herr Staatssekretär Dr. Priesnitz steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Es handelt sich um die Fragen 3 und 4 des Abgeordneten Oostergetelo. Er ist nicht im Saal; es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. - Danke schön, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf.
Vizepräsidentin Renger
Die Frage 5 des Abgeordneten Wüppesahl wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Die Frage 6 des Abgeordneten Catenhusen wird auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Die Fragen 7 und 8 des Abgeordneten Müller ({1}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Rawe steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe Frage 48 des Herrn Abgeordneten Börnsen ({2}) auf:
Warum wird bei der Erfassung der Arbeitsbedingungen der bei der Deutschen Bundespost Beschäftigten der Schicht- und Nachtdienst erfaßt, aber schwere körperliche Tätigkeit und Bildschirmarbeit beispielsweise nicht?
Herr Kollege Börnsen, die Arbeitsbedingungen der bei der Deutschen Bundespost Beschäftigten werden im Sinne statistisch verwertbarer Daten nicht erfaßt. Aber Sie wissen so gut wie ich, daß die Erfüllung des Dienstleistungsauftrages Nachtarbeit und Einsätze in Schichtarbeit erfordert, wobei im Betriebsdienst in vielen Fällen auch schwere körperliche Arbeiten zu leisten sind.
Ausgleichsansprüche dafür erwachsen ausschließlich auf Grund gesetzlicher oder tarifrechtlicher Regelungen, wenn die im einzelnen festgelegten Kriterien erfüllt sind. Um diese Anspruchsvoraussetzungen der Beschäftigten feststellen zu können, werden die dazu erforderlichen Daten formblattmäßig erhoben und verarbeitet.
Bezüglich der Bildschirmarbeit ist anzumerken, daß auf Grund des Tarifvertrages Nr. 366 die Beschäftigten regelmäßig augenärztlich untersucht und gegebenenfalls mit entsprechenden Sehhilfen ausgestattet werden. Darüber hinaus werden ihnen tarifvertraglich zusätzlich bezahlte Kurzpausen gewährt, so daß es auch da einer zusätzlichen Erfassung nicht bedarf.
Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.
Wenn Sie erlauben, Herr Staatssekretär, werde ich die Zusatzfrage in Zusammenhang mit der Frage 49 stellen.
Ich rufe die Frage 49 des Abgeordneten Börnsen ({0}) auf:
Ist es mit dem Datenschutz vereinbar, daß Daten über die Personalausfälle bei der Deutschen Bundespost an den Bundesrechnungshof weitergegeben werden?
Herr Kollege Börnsen, personenbezogene Daten über die Personalausfälle bei der Deutschen Bundespost werden dem Bundesrechnungshof gemäß § 95 der Bundeshaushaltsordnung übermittelt. Nach § 95 der Bundeshaushaltsordnung sind Unterlagen, die der Bundesrechnungshof zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält, ihm auf Verlangen innerhalb einer bestimmten Frist zu übersenden oder seinen Beauftragten vorzulegen. Dem Bundesrechnungshof und seinen Beauftragten sind die erbetenen Auskünfte also zu erteilen.
Diese Vorschrift geht als bereichsspezifische Vorschrift gemäß § 45 des Bundesdatenschutzgesetzes den Übermittlungsvorschriften des § 24 dieses Gesetzes vor und rechtfertigt so die Übermittlung der Daten an den Bundesrechnungshof. Aber auch nach den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes in § 24 wäre eine Übermittlung personenbezogener Daten an den Bundesrechnungshof gerechtfertigt.
Im übrigen hat das Bundespostministerium - Pardon, Frau Präsidentin, ich muß jetzt natürlich die neue Bezeichnung verwenden: das Bundesministerium für Post und Telekommunikation - mit Verfügung vom 4. Oktober 1989 die Oberpostdirektionen davon informiert, daß nicht vorgesehen sei, daß die für den Bundesrechnungshof erstellten Erhebungsblätter anderweitig verwendet werden dürfen, und ausdrücklich Anweisung erteilt, daß gegebenenfalls noch vorhandene Doppel zu vernichten sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börnsen.
Herr Staatssekretär, was hat denn den Bundesrechnungshof wann veranlaßt, solche Daten über Personalausfälle bei der Bundespost einzufordern, und, auf Ihre letzte Mitteilung bezogen, wie konnte denn der Eindruck entstehen, daß dies nicht nur für den Bundesrechnungshof zusammenhängende Daten seien, sondern sie einer Auswertung Dritter ebenfalls zugeführt werden können? Wenn dieser Eindruck nicht entstanden wäre, hätten Sie diese Mitteilung am 4. Oktober an die OPDs nicht zu machen brauchen.
Herr Kollege Börnsen, Sie wissen, daß gerade, wenn es um Datenschutz geht, vielerseits Argwohn entsteht. Ich kann im einzelnen nicht beurteilen, woraus dieser Argwohn entstanden ist. Ich habe Ihnen wahrheitsgemäß berichtet, wie die Sachlage ist. Wir haben auch alles getan, um zu vermeiden, daß hier ein falscher Eindruck entsteht.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börnsen.
Ich hatte, Entschuldigung, Herr Staatssekretär, zu Anfang gefragt, was den Bundesrechnungshof veranlaßt habe, diese Datensammlung anzufordern.
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich will aber gerne im Hause Nachfrage halten, ob wir den Bundesrechnungshof dazu noch einmal um Auskunft gebeten haben. Dann stelle ich Ihnen diese Auskunft selbstverständlich zur Verfügung. Es ist das Recht des Bundesrechnungshofs,
diese Anfragen bei uns einzufordern, und dann haben wir sie zu geben.
Noch eine Zusatzfrage. Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ist der Personalrat hier mit einbezogen gewesen? Wenn es sich um einen solchen sensiblen Tatbestand handelt, der in die Datenschutzproblematik hineinragt, wäre das sicherlich zu überlegen.
Nein. Wenn die Datenschutzproblematik tatsächlich betroffen gewesen wäre, hätten wir den Personalrat sicherlich eingeschaltet. Ich habe Ihnen gerade dargetan, daß er das nicht ist, denn auch der Bundesrechnungshof darf diese Daten nicht entgegen den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes gebrauchen.
Sie haben noch eine Frage. Bitte.
Dann möchte ich Sie fragen, Herr Staatssekretär: Hat es im Bereich der Oberpostdirektionen denn Doppel gegeben?
Herr Kollege Börnsen, ich muß das wie Sie vermuten. Aus diesem guten Grunde haben wir die Anweisung erteilt, daß sie zu vernichten seien. Ich kann es im einzelnen nicht belegen.
Frau Abgeordnete Faße.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Untersuchung des Bundesrechnungshofes erfolgt ist, weil die Fehltage bei der Post im letzten Jahr massiv gestiegen sind?
Entschuldigung, Frau Faße, ich muß nicht Motivforschung bezüglich der Gründe des Rechnungshofs betreiben.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Dann will ich mich darauf beziehen, daß Sie bei den vorherigen Antworten gesagt haben, daß Sie Arbeit am Bildschirm als eine besondere Belastung ansehen, sonst würden die Untersuchungen ja nicht stattfinden. Ich frage Sie: Kann ein Ministerium nicht Einfluß darauf nehmen und, wenn es um die Definition schwerer Arbeit geht, bei Fragebögen des Bundesrechnungshofs sagen, Bildschirmarbeit müßte mit aufgenommen werden?
Der Bundesrechnungshof soll eigentlich die Bundesregierung kontrollieren. Ich sehe wirklich nicht ein, warum wir nun noch die Fragen des Bundesrechnungshofs richtig stellen sollen.
Ich rufe Frage 50 auf - Frau Faße, Sie sind schon wieder dran - :
Warum werden durch den Bundesrechnungshof bei der Erfassung der im Ermittlungszeitraum erkrankten Beschäftigten bei der Deutschen Bundespost jeweils neben dem Namen und dem
Vornamen auch die Nationalität, der Familienstand und die Anzahl der nach dem 31. Dezember 1979 geborenen Kinder vermerkt?
Frau Kollegin Faße, wenn Sie einverstanden sind, möchte ich beide Fragen im Zusammenhang beantworten.
({0})
Ich rufe dann auch Frage 51 der Frau Abgeordneten Faße auf:
Warum werden bei der Erfassung der Krankentage der bei der Deutschen Bundespost Beschäftigten zusätzlich die Krankentage, die u. a. durch Mutterschutz und Schwangerschaft bedingt sind, und der Krankheitsbeginn, u. a. vor, nach und während des Urlaubes oder Sonderurlaubes festgehalten?
Der Bundesrechnungshof hat gemäß § 88 der Bundeshaushaltsordnung den gesetzlichen Auftrag, die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes einschließlich seiner Sondervermögen zu prüfen. Unterlagen und Auskünfte, die der Bundesrechnungshof zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält, sind ihm auf Verlangen zur Verfügung zu stellen oder seinen Beauftragten vorzulegen. Wegen der vom Gesetzgeber gewährleisteten Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofs bei der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes sieht die Bundesregierung keine Möglichkeit, zu Art und Inhalt des Prüfungsverfahrens kritisch Stellung zu nehmen. Dessenungeachtet hat die Bundesregierung dem Bundesrechnungshof von Ihren Anfragen Kenntnis gegeben.
Sämtliche - dies zu Frage 51 - aufkommenden Ausfalltage müssen aus verschiedenen Gründen, z. B. wegen der Vertreterberechnung, wegen der Personalansatzsteuerung, erfaßt werden. Deshalb werden neben den Ausfalltagen infolge von Erkrankungen auch solche wegen Mutterschutz bzw. Schwangerschaften und Entbindungen bzw. Kuren und Nachkuren erfaßt. Bei der Berechnung des Krankenstandes werden von den Gesamttagen aber die Tage infolge Mutterschutz bzw. Schwangerschaft und Entbindung abgezogen. Der Krankenstand ist also nur das Verhältnis der Ausfalltage der echten Erkrankungen zu den Bestandstagen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.
Würden Sie meine Vermutung bestätigen, daß, wenn ich von dem Gesamtprozentsatz 3 Punkte abziehe - das betrifft den Urlaub nach dem Mutterschutz -, ich einen Faktor bekomme, der in alle statistischen Unterlagen eingeht und aus dem eventuell Folgerungen gezogen werden können?
Folgerungen können Sie aus allen möglichen Überlegungen ziehen. Ich habe Ihnen gerade dargestellt, wie wir die Ausfalltage berechnen.
Weitere Zusatzfrage, bitte, Frau Kollegin.
Sie haben also durchaus nachgefragt, was mit den Zahlen gemacht wird, die sich aus
Mutterschaftsurlaub und Schwangerschaft ergeben. Haben Sie vielleicht auch nachgefragt, warum der Bundesrechnungshof nach Nationalitäten fragt und warum er nach Familienstand und nach der Anzahl der nach dem 31. Dezember 1979 geborenen Kinder fragt? Wenn Sie beim zweiten Fragenkomplex nachgefragt haben, haben Sie das vielleicht auch beim ersten gemacht.
Frau Kollegin Faße, ich habe Ihnen gesagt, wir haben Ihre Anfrage dem Bundesrechnungshof mitgeteilt. Ich weiß jetzt nicht aus dem Kopf, wie detailliert der Bundesrechnungshof darauf geantwortet hat. Aber ich stelle Ihnen diese Antwort des Bundesrechnungshofs selbstverständlich gerne zur Einsicht zur Verfügung.
Eine weitere Zusatzfrage. Sie haben noch zwei Fragen.
Ich möchte fragen, wie sich die Post auf die Auswertungsergebnisse, die ganz anonym sein werden, einstellt. Denn es könnte beispielsweise herauskommen, daß junge Frauen mit Kindern hohe Fehlzeiten haben. Das ist so ein mögliches Ergebnis.
({0})
Würden Sie sagen, die Post wirft das Ganze in den Papierkorb, oder ziehen Sie daraus Schlußfolgerungen?
Frau Kollegin Faße, Sie haben danach gefragt, wie der Bundesrechnungshof diese Angaben auswertet. Wir haben nicht vor, sie auszuwerten.
Er wird sich wundern. Herr Abgeordneter Börnsen.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, wenn die Bundesregierung dem Bundesrechnungshof von den Fragen des heutigen Tages bereits Kenntnis gegeben hat, dem Bundesrechnungshof auch mitzuteilen, daß dem Parlament durch die Form der Fragestellung, u. a. nach Nationalität oder nach Schwangerschaften, zumindest Mißverständnisse ermöglicht worden sind und daß diese Mißverständnisse, die bei uns erzeugt werden, bei den betroffenen Arbeitnehmern dazu führen können, daß dort die Furcht entsteht, als würde das Auswirkungen auf ihre Personalbeurteilung haben?
Herr Kollege Börnsen, ich will Ihnen ganz offen sagen, daß ich das nicht tun werde. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Ich habe vorhin schon auf die Aufgabenteilung zwischen Bundesrechnungshof und Bundesregierung hingewiesen. Ich will gar nicht verhehlen, daß ich mich manchmal sehr darüber wundere, wie sehr über den Auftrag hinaus, den der Bundesrechnungshof eigentlich hat, dieses Parlament dem Bundesrechnungshof Zusatzaufträge gibt. Als Regierung möchte ich mich daran nicht beteiligen.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage?
({0})
- Das ist nicht der Fall. - Danke schön, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Voss steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Daniels ({1}) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Verkauf der wegen Umweltbelastung geschlossenen Kohlekraftwerke Barbara 1 und 2 aus Bexbach, Saarland, an eine Firma in Indien, und kann sie bestätigen, daß der Kaufpreis wesentlich über dem Schrottwert von 1,5 Mio. DM lag?
Danke schön, Frau Präsidentin.
Herr Kollege Dr. Daniels, ein Weiterbetrieb des Kraftwerks in der Bundesrepublik Deutschland hätte vorausgesetzt, daß das Kraftwerk mit Rauchgasreinigungsanlagen ausgestattet wurde. Das schied aus wirtschaftlichen Gründen aus. Deshalb bot sich eine Veräußerung der Teile an, deren wirtschaftliche Verwendung in Indien noch sinnvoll war. Hierfür konnte ein Verkaufspreis erzielt werden, der über 1,5 Millionen lag.
Welche Umweltschutzbestimmungen für das Kraftwerk bei einem Weiterbetrieb in Indien gelten und in welcher Form die übernommenen Anlagen dort betrieben werden, ist der Saarbergwerke AG nicht bekannt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Daniels.
Da es sich hier um einen umweltpolitischen Skandal erster Ordnung handelt - ein Kohlekraftwerk, das hier nicht mehr genehmigungsfähig ist, wird nach Indien exportiert - , wollte ich die Bundesregierung fragen, ob sie die indische Seite über die Probleme, die mit dieser Anlage verbunden sind, zumindest informiert hat und ob sie Schritte unternommen hat, einen solchen Verkauf zu unterbinden, da der Bund an der Saarbergwerke AG mehrheitlich beteiligt ist.
Sie können davon ausgehen, Herr Kollege, daß sich die indische Regierung über die Problematik, die mit dem Betreiben eines derartigen Kohlekraftwerks verbunden ist, im klaren ist. Es hat ja Bestrebungen gegeben, hier die notwendigen Entschwefelungsanlagen und die Rauchgasreinigungsanlagen einzubauen. Nur hätte das vorausgesetzt, daß die indische Regierung bereit gewesen wäre, die Finanzhilfemittel, die ihr zur Verfügung stehen, hierfür abzuzweigen, und dazu war die indische Regierung nicht bereit.
Auf Grund dieses Umstands ist es halt nicht zu dem Ergebnis gekommen, das durchaus wünschenswert gewesen wäre.
Zweite Zusatzfrage.
Sie halten den Verkauf also für akzeptabel. Sie haben gesagt: über 1,5 Millionen DM. Ich möchte ganz konkret wissen: Wie sah denn nun der Verkaufspreis aus? An wen konkret ist denn verkauft worden?
Sie wissen, Herr Kollege, daß hier eine Essener Firma eingeschaltet gewesen ist. Sie hat von der Saarbergwerke AG das Recht erworben, das Kraftwerk zu demontieren und die noch verwertbaren Teile in Indien zu verwerten.
Nach meiner Kenntnis ist es so, daß nicht alle Teile in Indien wiederverwertbar sind, so daß es auch aus diesem Grunde durchaus denkbar erscheint, daß die Umweltschutzmaßnahmen, die wünschenswert sind, in Indien auf diese Weise ergriffen werden müssen. Aber darüber ist Definitives zur Zeit nicht bekannt.
Die Frage 20 des Abgeordneten Uldall wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Riedl steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Urbaniak auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die italienische Regierung zu veranlassen, beim Stahlkodex die Auflagen des EG-Ministerrates vom Dezember 1988 zur Produktionsreduzierung einzuhalten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, es ist Aufgabe der EG-Kommission, die Einhaltung ihrer auf Grund des Beschlusses des Ministerrats vom 21. Dezember 1988 erteilten Genehmigung zu überwachen. Die Kommission hat den Ministerrat bei seiner Tagung am 26. September dieses Jahres darüber unterrichtet, daß Italien die meisten der in der Genehmigung verlangten Stillegungen und Veräußerungen von Anlagen zur Stahlherstellung durchgeführt hat bzw. fristgerecht durchführen wird.
Für vier Anlagen hat Italien allerdings Fristverlängerung beantragt. Für drei dieser Anlagen konnte ein neuer akzeptabler Stillegungszeitpunkt gefunden werden, nicht aber für das Hochofenwerk und das Stahlwerk in Bagnoli. Die Kommission und elf Mitgliedstaaten wären mit Rücksicht auf die gute Stahlkonjunktur bereit, eine Verschiebung des Schließungstermins vom 30. Juni 1989 auf den 31. März 1990 zu akzeptieren.
Italien, das zunächst eine Verschiebung bis zum 30. Juni 1990 verlangt hatte - also drei Monate länger - , war demgegenüber nicht bereit, überhaupt einen festen Schließungstermin zu akzeptieren. Das Problem wird vom Industrieministerrat deshalb weiter behandelt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Urbaniak.
Herr Staatssekretär, wie hoch schätzt die Bundesregierung die Chance ein, daß die im Kodex festgelegten Stillegungstermine auch tatsächlich eingehalten werden? Wenn man einen Kodex vereinbart, an den alle Mitgliedstaaten gebunden sind, kann ja nicht einer ausscheren.
Welche Möglichkeiten hat also die Bundesregierung, mit dazu beizutragen, daß der Kodex mit den vereinbarten Terminen auch eingehalten wird?
Herr Abgeordneter, zunächst muß ich Ihnen sagen, daß die Bundesregierung, so wie Sie es ausgedrückt haben, natürlich schon auch im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Stahlindustrie an der strikten Einhaltung dieses Kodex' absolut interessiert ist.
Wegen der italienischen Weigerung, die Flüssigphase in Bagnoli bis zum 31. März 1990 zu schließen, hat die Kommission - dies ist z. B. ein Beitrag zur Einhaltung dieses Kodex' - noch keine Zahlung aus der im Dezember genehmigten Beihilfe freigegeben. Da ist also kein Geld geflossen. Die Kommission hat auch - das ist ganz wesentlich - angekündigt, gegen Italien ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn Italien die Entscheidung vom Dezember 1988 nicht respektiert. Herr Abgeordneter, das Einhalten dieses Kodex' wird also mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln - ich sage es einmal so - erzwungen werden.
Eine Zusatzfrage.
Nun gibt es ja, wie Sie ausgeführt haben, in drei Fällen eine Verlängerung, wobei den Italienern sicher schon bereits eine finanzielle Hilfe zuteil geworden ist, damit die Umstrukturierung erfolgt. Kann man eigentlich einmal erfahren, wie hoch sich diese Mittelzuweisung bisher beläuft?
Herr Abgeordneter, ich habe eben nachgesehen und festgestellt, daß ich die Zahlen mit den Teilbeträgen nicht zur Verfügung habe. Ich werde sie Ihnen aber so schnell wie möglich zustellen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Urbaniak auf:
Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß die EGKommission beim Europäischen Gerichtshof wegen dieses Verhaltens Klage einreicht, um die deutsche Stahlindustrie vor den Konsequenzen dieses italienischen Verhaltens zu schützen?
Die Bundesregierung unterstützt die EG-Kommission bei ihrer Aufgabe, die Beihilfedisziplin der Gemeinschaft auf der Grundlage des Stahlsubventionskodex' durchzusetzen. Das habe ich bei der Beantwortung der Frage 21 eben schon dargelegt, und das gilt natürlich auch für eine Klageerhebung, falls sich Anhaltspunkte für Verstöße ergeben. Ein Verstoß liegt aber nur dann vor, wenn beispielsweise Beihilfen gewährt werden, ohne daß Italien die dafür in der Kommissionsentscheidung genannten Voraussetzungen einhält, und dies muß geprüft werden.
Herr Abgeordneter, ich will hinzufügen: Ich halte es angesichts der riesigen Beträge, um die es hier geht, für eine absolute Notwendigkeit, daß sich Italien an diesen Kodex hält. Sonst wäre es ja für die Politik in der Bundesrepublik Deutschland, die die Subventionsfreiheit für die deutsche Stahlindustrie trotz großer Schwierigkeiten durchgesetzt hat, eigentlich sehr schwer, diese Politik gegenüber der Stahlindustrie und den Stahlarbeitern zu rechtfertigen.
Eine Zusatzfrage.
Wir wollen ja nicht speziell die Italiener treffen, sondern es geht uns nur um eine Gleichbehandlung in der Europäischen Gemeinschaft nach dem vereinbarten Kodex.
({0})
Kann denn davon ausgegangen werden, daß dann, wenn man tatsächlich nicht zu den Terminabsprachen und ihrer Einhaltung kommt, eine Klageerhebung durch die EG-Kommission in Aussicht genommen wird?
Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen da im Prinzip zustimmen, aber Sie wissen ja aus Ihrer langjährigen Erfahrung genauso gut wie ich, daß Prognosen über den Ausgang von Gerichtsverfahren nicht nur im eigenen Land, sondern auch auf europäischer Ebene außerordentlich schwierig zu stellen sind. In der Grundtendenz stimmt Ihnen die Bundesregierung natürlich zu.
Ich gehe also davon aus, daß die Bundesregierung die EG-Kommission dann drängen wird, hier Klarheit zu schaffen und letztlich die eigenen Beschlüsse überprüfen zu lassen, um zu einer Gleichbehandlung der Industrien in der EG zu kommen.
Davon können Sie ausgehen, und die Bundesrepublik Deutschland bzw. die Bundesregierung steht hier ja nicht allein. In dieser Frage steht Italien allein, und die übrigen EGStaaten teilen die Auffassung der Bundesregierung. Um es ein bißchen objektiver zu sagen: Wir befinden uns hier mit den übrigen EG-Ländern in einem vollen Konsens.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Vondran.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir denn darin zustimmen, daß sich die europäische Rechtslage seit 1985 durch die Bemühungen der Bundesregierung sehr weitgehend verbessert hat und daß der Subventionskodex, juristisch gesehen, wasserdicht geworden ist, daß es aber immer noch sehr große Probleme damit gibt, dieses europäische Recht nun auch tatsächlich durchzusetzen?
Herr Abgeordneter, hier muß ich Ihnen - ich muß sagen: leider - voll zustimmen, denn an der Einhaltung dieses inzwischen ja auch volkswirtschaftlich bewährten europäischen Stahlkodex hängt natürlich sehr viel Glaubwürdigkeit unserer gesamten europäischen Politik. Wenn sich ein Land daran nicht hält, sondern im Gegenteil, wie in diesem Fall Italien, einseitig Milliardensubventionen kassiert, kann dies ja überhaupt nicht im Sinne der europäischen Integration sein. Ich bin allerdings optimistisch, daß in diesem Falle die Einsicht siegt. Was in anderen Politikbereichen Europas den Italienern dann wieder zugestanden werden muß, das will ich hier einmal außen vor lassen.
({0})
Herr Vondran, Sie konnten nur eine Zusatzfrage stellen.
Dann rufe ich die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Daniels auf:
Wie ist der Stand der Diskussion und die Meinung der Bundesregierung zu den vorgeschlagenen Stromdurchleitungsrechten der EG-Kommission?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Danke schön. - Herr Abgeordneter Dr. Daniels, im Zusammenhang mit der Verwirklichung des Binnenmarktes auch im Energiebereich hat die EG-Kommission im Juli dieses Jahres einen Richtlinienvorschlag für den Transit von Strom über das Hochspannungsnetz vorgelegt. Dieser Vorschlag zielt auf verstärkte Zusammenarbeit auf der Ebene der Verbundunternehmen ab.
Die Bundesregierung steht diesem Vorschlag grundsätzlich positiv gegenüber. Die Bundesregierung sieht darin einen sachgerechten Ansatzpunkt, auf der Grundlage des bestehenden Ordnungsrahmens der Elektrizitätswirtschaft die stromwirtschaftliche Zusammenarbeit über die nationalen Grenzen hinweg zu intensivieren. Über Einzelheiten der konkreten Ausgestaltung wird derzeit in den zuständigen Gremien in Brüssel verhandelt.
Zu der weiteren Frage unmittelbarer Netzzugangsrechte auch für Endverbraucher von Strom - das sind die sogenannten Common Carrier - hat die EG-Kommission vorgeschlagen, zunächst vertieft zu untersuchen, ob eine derartige Durchleitungsregelung sachgerecht ist und wie sie gegebenenfalls ausgestaltet sein könnte. Die EG-Kommission will zu diesem Zweck zwei Ausschüsse einsetzen: einmal aus Vertretern der Mitgliedstaaten, zum anderen aus Vertretern aller interessierten Parteien, also Elektrizitätswirtschaft und Verbraucher, einschließlich Privatverbraucher; dies will ich ausdrücklich unterstreichen.
Die Bundesregierung begrüßt diesen verfahrensmäßigen Ansatz. Sie wird sich an den Arbeiten konstruktiv beteiligen und, wenn es geht, das Parlament, wie es aus Ihrer Anfrage auch hervorgeht, von Fall zu Fall zügig informieren.
Zusatzfrage, Dr. Daniels.
Wie beurteilen Sie denn in diesem Zusammenhang die gemeinsame Erklärung der europäischen Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die eine solche Durchleitungspflicht ablehnen?
Herr Abgeordneter, Sie haben ja aus meinen Ausführungen schon gemerkt, daß die Bundesregierung grundsätzlich positiv
zu dieser EG-Initiative steht. Wir werden dieses Thema in den Ausschüssen natürlich zu behandeln haben. Ob es allerdings glücklich ist, schon vorweg, bevor dieses schwierige Thema beraten ist, durch einseitige Erklärungen, wie es hier der Fall war, auf die Entscheidung Einfluß zu nehmen, weiß ich nicht. Die Bundesregierung läßt sich jedenfalls durch Vorwegerklärungen - von welcher Seite auch immer - in ihrer grundsätzlichen Haltung nicht beeinflussen, hier eine für den Verbraucher möglichst günstige Regelung herbeizuführen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Sind denn der Bundesregierung Planungen bekannt, die jetzt schon Stichleitungen, z. B. aus Frankreich, zu großen Stromabnehmern in der Bundesrepublik vorsehen, und wie würden Sie solche Projekte, wenn sie jetzt schon in der Planung sind, beurteilen?
Ich kenne so etwas nur aus vereinzelten Pressemeldungen. Wir sind zur Zeit dabei, Herr Abgeordneter, dies zu verifizieren. Ich nehme an, daß Sie sich auf solche Pressemitteilungen beziehen. Sollte sich etwas an Sachverhalt erhärten, bin ich gern bereit, Ihnen das mitzuteilen. Wir prüfen das zur Zeit nach.
({0})
- Für den Fall, daß es sich verifiziert, bekommen Sie selbstverständlich schriftlich Bescheid.
({1})
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Bitte sehr.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Eigen sowie die Frage 26 des Abgeordneten Hinsken werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich komme dann zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Sieler ({0}) sowie die Fragen 29 und 30 der Abgeordneten Frau Steinhauer werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Wimmer steht zur Verfügung. - Verehrter Herr Staatssekretär, wir haben Sie zu lange warten lassen. Denn: Die Fragen 31 und 32 des Abgeordneten Reuter sind zurückgezogen worden. Die Fragen 33 und 34 des Abgeordneten Dr. Mechtersheimer sowie die Fragen 35 und 36 der Abgeordneten Frau Dr. Götte sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. - Sie können also direkt wieder ins Ministerium gehen. Danke schön.
Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit: Die Fragen 37 und 38 des Abgeordneten Dr. Klejdzinski werden auf Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 39 und 40 des Abgeordneten Haack ({1}) werden auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr: Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schulte steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Frage 41 des Abgeordneten Gerster ({2}) wird auf Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Antretter auf:
Sind Informationen zutreffend, denen zufolge die im „Vordringlichen Bedarf" eingestufte B 462 im Bereich zwischen Waldstraßen-Brücke und Gaggenau-Mitte auf einer Länge von 170 m in vierspuriger Bauweise untertunnelt werden soll?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, der Bedarfsplan enthält für dieses Projekt zwei Abschnitte in der Stufe „Planungen", also nicht „Vordringlicher Bedarf", mit folgendem Protokollvermerk:
Die Planungsarbeiten sollen fortgeführt werden; bei Baureife soll gebaut werden, soweit finanzielle Mittel innerhalb der Landesquote verfügbar sind.
Das Bundesverkehrsministerium hat aus Lärmschutzgründen unter Berücksichtigung der besonderen städtebaulichen Situation eine Eintunnelung der B 462 im Abschnitt Waldstraßenbrücke bis zur Anschlußstelle Gaggenau-Mitte auf rund 210 m in Aussicht gestellt.
Bitte, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist diese begrüßenswerte Absicht der Bundesregierung so zu verstehen, daß die Maßnahme unter Umständen noch während der Laufzeit des „Vordringlichen Bedarfs", also bis zum Jahre 2000, realisiert werden soll?
Ja, Herr Kollege.
Sie haben noch eine Zusatzf rage.
({0})
- Die wünschen Sie nicht.
Dann darf ich die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Antretter aufrufen:
Sieht die Bundesregierung gegebenenfalls die Möglichkeit, zu erwartende Beeinträchtigungen des Schloßbereichs am Eingang von Bad Rotenfels, des Kurgebiets und der damit verbundenen fast 300 m langen Stützmauern entlang der Murg, des Rothermas und des Freibades dadurch zu vermeiden, daß dieses gesamte Gebiet untertunnelt wird?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, für den Bereich Schloß, Kurgebiet und Freibad am Eingang von Bad Rotenfels ist davon auszugehen, daß bei einem vierstreifigen Ausbau der B 462 Lärmschutz ohne Eintunnelung erreicht werden kann.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß eine Eintunnelung ähnlich, wie Sie sie zu der vorhergehenden Frage für erstrebenswert gehalten haben, für diesen Teil von der Bundesregierung in jedem Fall ausgeschlossen wird?
Die Lärmwerte sind wahrscheinlich so, daß eine Eintunnelung nicht nötig ist. Wir werden diese Frage aber vor der endgültigen Entscheidung noch einmal prüfen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
({0})
- Keine weiteren Fragen.
Ich rufe die Frage 44 der Frau Abgeordneten Bulmahn auf:
Welches Verkehrsaufkommen haben die Intraplan Consult im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr sowie die Beratergruppe Verkehr und Umwelt im Auftrag der Firma Thyssen jeweils für die sogenannte Magnetbahn-Magistrale Hamburg-München ermittelt, und woher stammt dieses Verkehrsaufkommen im einzelnen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin, die Intraplan Consult GmbH ermittelte ein Verkehrsaufkommen von ca. 37 Millionen Personen pro Jahr, von dem ca. 23 Millionen von der Eisenbahn und ca. 14 Millionen vom Individualverkehr bzw. vom Luftverkehr stammen. Die Firma Thyssen gibt das Verkehrsaufkommen mit 102 Millionen Personen pro Jahr an. Die diesen Angaben zugrunde liegende Studie wurde bisher nicht veröffentlicht.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Bulmahn.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt der Bundesminister für Verkehr die jeweilige Zuverlässigkeit der beiden Verkehrsprognosen, und mit welchem Ergebnis hat der Herr Bundesminister für Verkehr Neuberechnungen des Verkehrsaufkommens für die sogenannte Magistrale, aber auch für die beiden anderen zur Diskussion stehenden Anwendungsstrecken vorgenommen?
Frau Kollegin, wir planen, daß das Thema noch in diesem Jahr ins Kabinett kommt. Dies bedeutet, daß wir alle Daten, die zugrunde liegen könnten, noch einmal überprüfen. Es ist ein riesiger Unterschied zwischen 37 Millionen Personen pro Jahr und 102 Millionen Personen pro Jahr. Ich weiß nicht, ob die Wahrheit in der Mitte liegt oder ob Interessengründe dafür sprechen, daß irgendwelche Gutachten heiliggerechnet wurden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, welche Haltung nimmt der Bundesminister für Verkehr zu der Auffassung ein, daß die sogenannte Magnetbahnmagistrale zu keiner merklichen Entlastung des Straßen-und des Luftverkehrs, also zu keiner Lösung der bestehenden Verkehrsprobleme, beiträgt, dagegen die Bundesbahn einen Abzug von Fahrgästen gerade auf ihren Neu- und Ausbaustrecken befürchten muß, und wie begründen Sie Ihre Auffassung?
Frau Kollegin, wenn das Bundeskabinett erst im Verlauf des Rests dieses Jahres entscheidet, kann ich in der Fragestunde eine Entscheidung nicht vorwegnehmen. Aber es ist sicherlich klar, daß das System ICE der Deutschen Bundesbahn durch die neue Möglichkeit des Transrapid nicht gefährdet werden kann. Es ist auch klar, daß wir ein Gesamtverkehrssystem für die Zukunft brauchen, im Rahmen dessen wir Technologie auf hohem Niveau anbieten, aber nicht das eine System auf Kosten des anderen Systems kaputtmachen.
Die Bundesregierung - sprich: der Bund - hat weit über 1 Milliarde DM an Forschungsmitteln in das neue System Transrapid investiert. Diese Mittel sollen nicht verloren gehen. Wir haben einen Vorsprung im Vergleich zu allen anderen Ländern in der Welt, die ebenfalls auf dieser Schiene forschen. Diesen Vorsprung wollen wir beibehalten, wir wollen ihn nutzen. Wir wollen damit aber nicht das kaputtmachen, was die Deutsche Bundesbahn erreicht hat und demnächst erreichen wird.
Ich rufe die Frage 45 der Frau Abgeordneten Bulmahn auf:
Wie hoch sind nach Schätzung der Intraplan Consult die jährlichen Gesamtkosten für die sogenannte Magnetbahn-Magistrale Hamburg-München, und mit welchen jährlichen Erlösen rechnet die Intraplan Consult aus dem Betrieb der sogenannten Magnetbahn-Magistrale?
Frau Kollegin, die Intraplan Consult GmbH schätzt die jährlichen Gesamtkosten auf 4,81 Milliarden DM. Die jährlichen Erlöse wurden zu 1,55 Milliarden DM errechnet. Hierbei wurde allerdings nur der derzeitige Durchschnittserlös pro Personen-Kilometer der Deutschen Bundesbahn im Fernverkehr unterstellt.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Bulmahn.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt der Bundesminister für Verkehr angesichts des von Intraplan ermittelten Kostendeckungsgrades von weniger als einem Drittel die von Thyssen behauptete mögliche private Eigenfinanzierbarkeit des Projekts, und hält der Bundesminister für Verkehr die Bereitstellung öffentlicher Mittel für den Bau und den Betrieb der Magnetschwebebahn für verantwortbar und vertretbar?
Der Sprecher der Firma Thyssen in diesem Bereich hat bereits angekünParl. Staatssekretär Dr. Schulte
digt, daß ein System ohne öffentliche Unterstützung wahrscheinlich nicht finanzierbar sei. Das ist der erste Punkt, den wir festhalten müssen.
Der zweite Punkt ist: Wenn das neue System fertig ist, wenn es in unser Gesamtverkehrssystem eingepaßt werden kann, dann ist es sicherlich auch denkbar, daß es öffentliche Mittel dafür gibt. Das muß dann von diesem Parlament entschieden werden. Wir geben ja auch Geld für den Straßenbau, für die Bundeswasserstraßen oder für den Luftverkehr aus.
Noch eine Zusatzfrage? - Keine weitere Zusatzfrage.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Hinsken und die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Wüppesahl sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit ist die Fragestunde beendet.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. Dann wird eine Aktuelle Stunde aufgerufen.
Ich unterbreche die Sitzung.
({0})
Wir fahren in den Beratungen fort.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Diskussion über Pläne zur Erhöhung des Benzinpreises und sonstige Veränderungsprogramme für Wirtschafts- und Finanzpolitik
Die Fraktion der CDU/CSU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Wissmann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sinn der Aktuellen Stunde ist die Klärung der Standpunkte in aktuellen Zukunftsfragen, die unsere Bürger berühren. Sinn dieser Aktuellen Stunde heute ist, darauf hinzuweisen und eine Klärung darüber herbeizuführen, daß die Sozialdemokraten einerseits noch in der Haushaltsdebatte vom 6. September hier in ihren Reden gesagt haben: Wir haben ein Umbauprogramm für Wirtschaft und Umwelt für die Zukunft, wir haben ein neues ökologisches Steuerkonzept, andererseits aber zwischen dem 6. September und heute offensichtlich geworden ist, daß die Sozialdemokraten in den Fragen, zu denen sie damals ein einheitliches Konzept vortrugen, tief zerstritten sind.
Ich will deutlich machen, daß die CDU in der Haushaltsdebatte darauf hingewiesen hat, daß die Sozialdemokraten ihr Steuerkonzept als ein großes Umverteilungsinstrument gebrauchen wollen. Diese Vermutung ist inzwischen in den letzten Wochen durch die Äußerungen von Frau Fuchs, von Herrn Scherf, von Herrn Wedemeier und anderen bestätigt worden. Frau Fuchs hat erklärt, daß die Einnahmen aus der Erhöhung des Benzinpreises auch zur Finanzierung sozialpolitischer Maßnahmen verwendet werden sollen.
Unsere Kritik ist auch von Wirtschaftsexperten der Sozialdemokratie bestätigt worden. Herr Jens hat noch vor wenigen Tagen im „Handelsblatt" das Steuerkonzept ausdrücklich in Frage gestellt. Herr Ehrenberg hat auf die Problematik der Erhöhung des Benzinpreises hingewiesen.
Mit anderen Worten: Wir wollen in dieser Debatte wissen, was die SPD in der Steuer- und Umweltpolitik wirklich will. Wer spricht eigentlich für die Sozialdemokraten in dieser entscheidenden Zukunftsfrage?
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In der Haushaltsdebatte vor wenigen Wochen haben Herr Vogel, Herr Roth und andere ein Zweites betont, nämlich die marktwirtschaftliche Orientierung der SPD. Immer wieder ist dieses deutlich geworden. In den letzten Tagen forderte die SPD Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Sozialräte, Wirtschafts- und Sozialfonds und staatliche Rahmenplanung. Die Bremer SPD spricht von der Vergesellschaftung als Mittel der Wirtschaftspolitik. Der „Spiegel" weist mit Recht darauf hin, daß 14 Monate vor der Wahl vor allem Dissonanzen die Wirtschafts- und Steuerpolitik der SPD bestimmen.
Herr Apel geht so weit zu sagen - ich wäre froh, wenn er auf Ihrer Rednerliste genauso auftauchte wie Frau Fuchs -,
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es fehle der SPD in diesen Fragen offensichtlich an ökonomischem Verstand. Ich wäre dankbar, wenn Herr Dreßler heute einmal sagen würde, warum er das Konzept von Frau Fuchs unterstützt hat und ob er seine Meinung in der Zwischenzeit geändert hat.
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Herr Engholm hat eine Frage gestellt - und sie auch gleich beantwortet - : „Stellen wir uns" - die Sozialdemokraten - „in der Öffentlichkeit eigentlich als dynamische, kompetente Alternative dar?"
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Er gibt die Antwort: „Wir sind davon noch ein ganzes Stück entfernt."
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Ich fordere Sie, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, auf, uns heute zu sagen, da es eine aktuelle und bedeutende Zukunftsfrage ist: Welches Konzept stellen Sie eigentlich den Vorstellungen von CDU, CSU und FDP zur Wirtschafts- und Umweltpolitik gegenüber?
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Welches Konzept stellen Sie eigentlich den Beschlüssen des Bundesparteitages der CDU in Bremen zur ökologischen Orientierung der Wirtschaftspolitik gegenüber? Wir haben dort klar gesagt: Wir wollen die
Probleme der Umweltpolitik, wenn es geht, mit marktwirtschaftlichen Mitteln lösen. Wir haben gesagt: Wir wollen steuerliche Anreize, jedoch Abgaben nicht zu Umverteilungsinstrumenten degenerieren lassen.
Wir wollen heute von Ihnen wissen: Was ist eigentlich Ihr Konzept? Wie sieht eigentlich Ihre Zukunftskonzeption für die nächsten Jahre aus? Ich finde, der Bundestag hat Anspruch auf eine Klärung dieser Fragen.
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Das Wort hat der Ministerpräsident des Saarlandes, Herr Lafontaine.
({0})
Ministerpräsident Lafontaine ({1}): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, dafür bedanken, daß Sie uns Gelegenheit geben, die Grundzüge unseres Regierungsprogramms darzustellen. Wenn es auch schwer ist, das in zehn Minuten zu tun, ich will es gleichwohl versuchen.
Die Aufgaben der 90er Jahre werden durch drei Themen bestimmt. Erstens. Es geht darum, die Umwelt zu bewahren. Zweitens. Es geht darum, soziale Gerechtigkeit wiederherzustellen. Drittens. Es geht darum, die ökonomische und finanzielle Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und des Staates zu bewahren.
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Das ist die Zielsetzung des Programmes „Fortschritt 90", das noch in Bearbeitung ist.
Gleichwohl freuen wir uns, daß Sie mitten in der Diskussionsphase lernen wollen, daran interessiert sind, wir wir uns die Erreichung dieser Ziele vorstellen.
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Ich beginne, da bisher von über 25 Punkten nur ein Punkt bekannt ist, zunächst ganz bewußt mit unseren Vorstellungen zur sozialen Gerechtigkeit.
1. Wir wollen eine deutliche Absenkung der Lohnsteuer und der Einkommensteuer durch eine Veränderung der Grundfreibeträge, weil wir es nicht für zulässig halten, daß der Marsch in den Lohnsteuerstaat immer weiter fortgesetzt wird.
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Ihr Gegenprogramm ist, daß Sie die Unternehmensteuer senken wollen. Es wurden Zahlen bis zu 25 Milliarden DM genannt. Ich erwähne das der Vollständigkeit halber.
2. Wir wollen die Wiedereinführung der Weihnachtsfreibeträge. Wir sehen es als soziale Ungerechtigkeit an, daß Sie diese Weihnachtsfreibeträge gestrichen haben.
3. Mit diesen beiden Vorschlägen geht eine Rentenerhöhung einher.
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Ich vermisse bei Ihnen Bleichlautende Vorschläge.
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Wenn Sie lernen wollen, weise ich darauf hin, daß aus den beiden erstgenannten Tatbeständen eine Rentenerhöhung folgt.
4. Wir wollen eine Verbesserung der Sozialleistungen. Auch das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen. Gleichlautende oder ähnliche Vorstellungen des Weiter-so-Programms - so möchte ich Ihre Vorstellungen einmal umschreiben - sind nicht bekannt.
({7})
5. Wir wollen Ausgleichszahlungen für Schwerbehinderte. Auch hier vermisse ich Vorstellungen von Ihrer Seite, über die wir gerne in einem partnerschaftlichen Dialog mit Ihnen diskutieren würden. Ich kenne sie nicht.
6. Wir wollen das Schüler-BAföG wiedereinführen. Auch hier ist bei Ihnen Fehlanzeige. Wir wollen das Studenten-BAföG umbauen. Das ist der erste Punkt, wo die Diskussion in unseren Reihen Sie offensichtlich befruchtet hat. Das Bundeskabinett hat heute nachgezogen. Wir anerkennen das, wenn es auch nicht ganz unseren Vorstellungen entspricht. Wir anerkennen aber, daß Sie nach und nach Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre revidieren.
({8})
7. Wir wollen die Kfz-Steuer abschaffen. Wir vermissen dazu von Ihnen irgendwelche präzisen Angaben.
({9})
Es gibt zwar allgemeine Erklärungen, aber das Datum fehlt, das Volumen fehlt.
8. Wir wollen die Kleinsparer von der Steuerlast befreien. Ihnen ist wohl entgangen, daß auch das ein sozialpolitischer Vorschlag ist. Von Ihrer Seite fehlt dazu bisher jede Vorstellung. Entweder Sie rechnen damit, daß weiterhin Steuern hinterzogen werden - auch von kleineren Sparern - , oder Sie meinen, wenn wir schon die Großen entlasten, verschweigen wir das Problem bei den Kleinen, das insbesondere darin besteht, daß sie steuerehrlicher als die Großen sind.
({10})
9. Wir erarbeiten einen Vorschlag für die Pflege kranker älterer Menschen. Auch hierzu fehlt eine Initiative der Bundesregierung. Wir begrüßen es, daß das Land Baden-Württemberg einen Vorstoß gemacht hat. Hier besteht ein erheblicher Diskussionsbedarf. Wir stehen zur Verfügung.
10. Wir wollen 200 DM Kindergeld ab dem ersten Kind. Wiederherstellung der sozialen Gerechtigkeit heißt für uns eben Beseitigung der Ungerechtigkeit,
Ministerpräsident Lafontaine
die darin besteht, daß die Kinder der Besserverdienenden durch Sie weitaus günstiger als die Kinder der Normalverdiener behandelt werden.
({11})
11. Wir wollen das Programm „Arbeit und Umwelt" finanzieren.
({12}) Es liegt in Umrissen vor.
({13})
- Warten Sie doch! „Arbeit und Umwelt" ist ein Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, ein Programm zur Förderung staatlicher Nachfrage. Ähnliche Vorstellungen auf Ihrer Seite fehlen. Sie können sich auch mit diesem Punkt 11 auseinandersetzen.
12. Wir haben in unserer Kommission Vorschläge zur Aktivierung der Weiterbildung gemacht. Bei Ihren Weiter-so-Programmvorstellungen stellen wir nur fest, daß die entsprechenden Bundesmittel bei der Bundesanstalt für Arbeit gekürzt worden sind - ein Anachronismus, der zeigt, daß Sie überhaupt nicht begriffen haben, was die aktuellen Probleme des Arbeitsmarkts sind.
({14})
13. Wir haben Vorschläge für den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus gemacht.
({15})
Ich erwähne das, damit Sie mit den Vorstellungen konfrontiert sind. Auch hier werden Sie von Ihrer eigenen Politik eingeholt. Sie haben nicht bemerkt, daß Ihre Wohnungsbaupolitik von einer eklatanten Fehleinschätzung geprägt war. Ich habe noch die Worte des ehemaligen Wohnungsbauministers in den Ohren, der gesagt hat: Es gibt keine Probleme auf dem Wohnungsmarkt.
({16})
Nun werden Sie von Ihren eigenen Fehleinschätzungen eingeholt.
({17}) Wir sind bereit, Ihnen hier Nachhilfe zu geben.
Nach diesen 13 Vorschlägen zur Sozialpolitik komme ich zur Umweltpolitik.
14. Wir wollen eine Senkung der Rüstungsausgaben.
({18})
Sie haben vielleicht noch nicht begriffen, daß Umweltpolitik nicht nur dort gemacht wird, wo jemand „Umwelt" auf dem Türschild stehen hat,
({19})
sondern daß die Militärausgaben weitaus mehr als viele andere Etats etwas mit Umweltpolitik zu tun haben. Daher ist die Senkung der Rüstungsausgaben ein erster Schritt.
({20})
15. Wir wollen ein Abschaffen der Tiefflüge. ({21})
Das hat tatsächlich etwas mit Umweltpolitik zu tun.
({22})
Sie raffen sich nicht dazu auf, solche Entscheidungen zu treffen.
16. Das ist der einzige Punkt, den Sie kennen. Jawohl, wir wollen eine Verteuerung des Mineralöls und des Gases,
({23})
weil wir dies natürlich finanzieren wollen und weil wir in der Vergangenheit gelernt haben, daß Preissignale sehr wohl geeignet sind, Verbraucher zu anderem Verhalten anzuleiten. Wer Preise für soziale Güter nicht verändern will, hat die Marktmechanismen nicht verstanden und setzt eindeutig und einseitig auf staatliche Interventionen.
({24})
17. Wir wollen das Tempolimit. Wer beklagt, daß die Umwelt zerstört wird, und wer über die Belastung durch CO2 jammert, der soll doch dort anfangen, wo er durch reine administrative Maßnahmen den Einstieg machen könnte. Wer das Tempolimit nicht befürwortet, ignoriert auch die Zahlen, die aus Italien und anderen Ländern über die Rettung von Menschenleben und über die Bewahrung der Menschen vor Gesundheitsschäden vorliegen.
({25})
18. Wir wollen den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und eine neue Entfernungspauschale.
19. Wir wollen die Einführung linearer und zeitgestaffelter Stromtarife. Auch hier haben Sie lange Jahre gebraucht, um überhaupt nachzuziehen. Hätten Sie bereits vor Jahren hier intelligente Preissignale gesetzt, wäre der Stromverbrauch gesunken und damit ein wichtiger Schritt zur Erhaltung unserer Umwelt getan worden.
20. Wir wollen Abgaben auf Luftschadstoffe, auf Massentierhaltung, auf Einwegverpackungen, auf Abwasser erheben. Es gibt von Ihrem Umweltparteitag Prüfaufträge - wir haben das mit Interesse zur Kenntnis genommen - und einen Beschluß zum Wasserpfennig. Aber von dem, der auf dem Umweltparteitag nur Prüfaufträge zustande bringt, darf man ja wohl nicht erwarten, daß er gewillt ist, sie in der Regierung umzusetzen.
({26})
Der beste Beweis ist in den letzten vier Jahren erbracht worden.
21. Wir wollen den Katalysator für alle; in dieser Hinsicht gibt es ähnliche Vorstellungen.
22. Wir wollen das Verbot von FCKW. Hierzu gibt es einmal die Erklärung von Ihnen, Sie wollten das auch; zum anderen wollen Sie Vereinbarungen mit der Industrie.
({27})
Ministerpräsident Lafontaine
Zusammenfassung: Wir setzen im Gegensatz zu Ihnen auf Markt; Sie setzen auf Ordnungsrecht und auf Abgaben. Wir sehen als zentralen Punkt unserer Wirtschaftspolitik die Steigerung der Energieproduktivität. Wer sich auf den Märkten der Zukunft behaupten will, meine Damen und Herren, der muß jetzt dafür Sorge tragen, daß durch die Steigerung der Energieproduktivität unsere Volkswirtschaft die notwendigen Schritte zu mehr Wettbewerbsfähigkeit macht.
({28})
Zum Schluß, meine Damen und Herren: Wir reden über zwei Wege. Sie haben 1987 nicht gelogen. Sie haben gesagt „Weiter so", und genauso verhalten Sie sich. Unser Fortschrittsprogramm ist ein Alternativprogramm. Ich habe 22 Punkte aufgezählt. Wer wirklich den Erfordernissen der Zeit gerecht werden will, der braucht einen strukturellen Eingriff in unseren Wirtschaftsprozeß,
({29})
und dieser strukturelle Eingriff heißt: ökologischer Umbau der Industriegesellschaft. Ich habe Ihnen jetzt in 22 Punkten das Ergebnis einer langjährigen Debatte vorgetragen. Sie steht Ihnen noch bevor; wir sind dazu angetreten, diese Politik bald umzusetzen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Gattermann.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte gedacht, daß die Debatte in der SPD zu F 90 und zur Fortschreibung des Godesberger Programms parteipolitisch im wesentlichen darauf ausgerichtet sei, wirtschaftspolitische und finanzpolitische Kompetenz zu entwickeln, ohne zugleich die sozialpolitische Kompetenz zu verlieren, und auch das Ganze ökologisch stimmig zu machen.
Verehrter Herr Ministerpräsident, was Sie jetzt hier eben in Ihren Punkten 1 bis 13 vorgetragen haben, waren alte sozialpolitische Ladenhüter, die in der einen oder anderen Formulierung durchaus früher schon angetroffen werden können. Unter den Punkten 14 und 15 kamen zwei populistische Themen. Die Sicherheitspolitik wurde in Frage gestellt, weil es immer populär ist, zu sagen: Dort sparen wir ein. - Die Tiefflüge fehlten natürlich auch nicht.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das einzig Konkrete ist die Geschichte mit dem Benzinpreis. Man könnte sich die Sache ganz einfach machen. Man kann sich ein Wahlplakat in dieser Art vorstellen: Wollt ihr 80, 100, 120 fahren und 2,50 DM für einen Liter Benzin zahlen, wählt SPD! ({1})
Man könnte auch meinen, indem man Herrn Apel zitiert: Die Leute zahlen ein Jahr lang frustriert ihren erhöhten Benzinpreis, und dafür warten sie dann auf die Lohnsteuerrückerstattung. - Ich muß die Leute warnen: Sie müssen den Umverteilungsschwund einkalkulieren. Sie werden mit Sicherheit nicht das wiederbekommen, was sie bezahlt haben.
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Wenn es wenigstens noch der Umwelt dienen würde, wäre das gut, aber die Leute sollen offenbar, da sie das Geld zurückbekommen sollen, genauso weiterfahren wie vorher, und die Reichen tun es ohnehin. Das alles ist also unausgegoren, bringt überhaupt nichts.
Nun wird das Geld von Frau Fuchs gleich noch zur Finanzierung sozialpolitischer Leistungen ausgegeben. Für finanzpolitische Kompetenz spricht das nicht. Herr Ministerpräsident, Sie könnten sie aber demonstrieren, indem Sie endlich diese Ungewißheit in der Finanzierungsfrage bei der Kohle beseitigen würden, indem Sie wie Ihr Kollege Ministerpräsident Rau Ihren Drittelanteil zusagen und auch bezahlen. Das wäre finanzpolitische Solidität.
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Die finanzpolitische Solidität soll dann auch bei den 200 DM Kindergeld bewiesen werden. Wie wollen Sie denn 6 Milliarden DM aus dem Splitting herausholen, Frau Kollegin?
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- Ja, ich weiß es, ich habe es nachgerechnet. Sie müssen bei den Kinderlosen total streichen.
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- Das ist gar kein Quatsch, das ist präzise berechnet.
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Wenn Sie es bei allen machen, müssen Sie auf einen Splitting-Vorteil von 3 700 DM herunter, was einem gemeinschaftlichen Bruttoeinkommen von 60 000 DM entspricht.
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Dieser Finanzierungsvorschlag ist unsolide. Ich meine, der Vorschlag ist in der Sache diskussionsfähig; aber Sie wollten doch gerade über den Finanzierungsvorschlag Ihre Kompetenz nachweisen, und diese sehe ich wirklich nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin, wie gesagt, traurig, daß ich hier nichts habe lernen können. Was im Grunde genommen angesprochen ist, nämlich marktwirtschaftliche Mechanismen für mehr Umweltschutz zu aktivieren, ist fürwahr eine Aufgabe, der man sich widmen muß. Aber so, wie Sie es dargestellt haben, geht es nicht.
Wenn ich darüber nachdenke, wie man ein tröstliches Wort zum Ende sagen kann, fällt mir ein, daß der lateinische Zitatenschatz meist sehr fundiert ist. Ich würde sagen: Ut desint vires, tarnen est laudanda voluntas.
({8})
Gattermann Herzlichen Dank.
({9})
Das Wort hat der Abgeordneten Kleinert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gattermann, daß ein Gralshüter der Marktwirtschaft wie Sie beim Mineralöl plötzlich entdeckt, daß die Lenkungsfunktion des Preises zu bezweifeln ist, finde ich schon sehr eigenartig.
({0})
Meine Damen und Herren von der CDU, ich muß Ihnen gleich zu Anfang sagen: Ich empfinde diese vorgezogene Wahlveranstaltung als ein ziemlich groteskes Unternehmen. Da registrieren wir in den ganzen Jahren, in denen Sie die politische Verantwortung tragen, wie Jahr für Jahr Umweltprobleme zunehmen und die soziale Ungerechtigkeit in der Bundesrepublik größer geworden ist. Da erleben wir die praktische Unwirksamkeit Ihrer Umweltpolitik, die sich auf konventionelle Instrumente von Ressortverwaltung beschränkt. Da besteht längst Einigkeit in der Wissenschaft und in der Publizistik weit über die Grenzen der Oppositionsparteien hinaus, daß mit den klassischen Mitteln einer Umweltpolitik, die sich auf die Rolle von Korrektur- und Rep araturinstanzen beschränkt, die Probleme nicht zu lösen sind. Sie fragen am besten einmal bei Herrn Biedenkopf nach; er hat das diverse Male öffentlich dargestellt.
Überall das besteht in weiten Teilen der Gesellschaft mittlerweile Konsens. Vielen ist längst klargeworden, daß wir neue Wege brauchen und daß umweltpolitische Zielsetzungen in die Wirtschafts- und Finanzpolitik integriert werden müssen. Und jetzt kommen Sie daher und wollen diejenigen madig machen, die über solche neuen Wege zur Lösung von Umweltproblemen nachdenken.
({1})
Meine Damen und Herren, es ist grotesk, was hier abläuft. Natürlich gibt es bei der SPD offene Fragen. Aber ich sage Ihnen auch: Lieber Dissonanzen als gar kein Konzept.
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Das muß man über Ihre Vorstellungen leider so sagen.
Sie hatten lange Jahre Zeit, den Beweis anzutreten, daß es auf anderen Wegen möglich ist, wirksame Umweltpolitik zu betreiben, und Sie haben das nicht geschafft, Herr Töpfer. Ihre Bilanz ist ungenügend, und deshalb sind Sie von den Regierungsparteien die allerletzten, die die Oppositionsparteien deswegen zu kritisieren hätten, weil Steuern und Abgaben jetzt nach ökologischen Kriterien ausgerichtet werden sollen.
({3})
Es ist schon etliche Jahre her, daß wir als GRÜNE Vorschläge für ein System ökologischer Steuern und Abgaben vorgelegt haben. Damals waren wir mit solchen Gedanken noch ziemlich allein auf weiter Flur.
Das hat sich geändert. Ich sage hier nachdrücklich: Es ist gut, daß sich das geändert hat. Es ist gut, wenn die SPD mittlerweile den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft als zentrales Reformziel versteht. Es ist gut, daß jetzt auch die SPD dafür eintritt, daß wir Steuern und Abgaben nach ökologischen Kriterien ausrichten sollen. Es ist gut, daß die SPD mittlerweile anerkannt hat, daß es höchste Zeit ist, in der Verkehrspolitik neue Wege zu gehen, und daß es darum gehen muß, das Autofahren an den Preis anzunähern, den es für die Volkswirtschaft in der Bundesrepublik tatsächlich hat. Das heißt nun einmal Erhöhung der Mineralölsteuer. Ich sage hier ganz deutlich: In diesen Grundsatzfragen gibt es völlige Übereinstimmung mit den Kollegen von der SPD.
Eines muß allerdings dabei klar sein: Umweltsteuern und Sonderabgaben für die Umwelt sind nicht dazu da, den Staatssäckel zu füllen.
({4})
Der Weg, den gerade die Scheinheiligenfraktion von CDU und CSU bei der Erdgassteuer eingeschlagen hat, ist grundsätzlich falsch.
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Energiesteuern einzuführen, bloß um den Haushalt auszugleichen, damit Sie hinterher das Geld für den Anstieg der Rüstungsausgaben ausgeben können, das genau geht nicht.
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Deswegen sage ich kritisch auch an die Adresse der SPD: Umweltsteuern und Umweltabgaben sind dann sinnvoll, wenn sie zielgerichtet zur Entlastung von Umweltproblemen eingesetzt werden, wenn sie für den ökologischen Umbau eingesetzt werden, wenn sie für die Umstellung der Energieversorgung eingesetzt werden, für die Entgiftung der Böden, für die Sanierung der Flüsse, für die Sanierung der Trinkwasservorkommen, für die saubere Nordsee und gegen die Ursachen des Waldsterbens.
Wenn die Bürger Klarheit darüber haben, daß dieses Geld wirklich der Umwelt zugute kommt, dann wird auch die Bereitschaft da sein, finanzielle Belastungen in Kauf zu nehmen. Wenn aber Unklarheit darüber herrscht, ob das Geld am Ende nicht doch wieder für andere Zwecke verbraucht werden soll, dann wird das der Akzeptanz solcher Vorschläge in der Bevölkerung schaden.
({7})
An dieser Stelle haben Sie etlichen Klärungsbedarf; das muß man kritisch anmerken.
Natürlich entstehen durch die Verteuerung der Energiepreise Probleme. Ich sage hier ganz deutlich: Für bestimmte Bevölkerungsgruppen wird es einen sozialen Ausgleich geben müssen. Es wird angesichts der Umverteilungspolitik, die Sie in den letzten Jahren betrieben haben, sogar mehr als bloß einen Ausgleich geben müssen. Aber das muß aus der sozialen Umverteilung finanziert werden und nicht durch neue
Kleinert ({8})
Umweltsteuern und ökologisch sinnvolle Sonderabgaben.
({9})
Es ist hier leider nicht die Zeit, in eine Detaildiskussion über unterschiedliche Konzepte des ökologischen Umbaus einzusteigen; darüber müssen wir zwischen SPD und GRÜNEN diskutieren. Es geht aber darum, deutlich festzustellen: Der Grundansatz ist richtig. Er ist nicht deshalb richtig, weil er dem Staat kurzfristig mehr Geld bringen würde. Er ist richtig, weil es ein sinnvolles zusätzliches Mittel der ökologischen Umsteuerung und Umlenkung sein kann, wenn über den Preis umweltschädliches Verhalten bestraft und umweltfreundliches Verhalten belohnt werden.
Meine Damen und Herren, Sie haben dazu gar nichts anzubieten außer den alten Klamotten von der Steuererhöhungspartei, den Sprüchen und abgenudelten Platten von sozialistischem Abgabenstaat. Deswegen sind sie bislang kein kompetenter Gesprächspartner.
({10})
Ich finde das wirklich nicht fair. Ich muß darauf achten, daß die Redezeit von fünf Minuten eingehalten wird. Wenn ich Sie bitte, aufzuhören, können Sie nicht einfach eine Minute länger reden.
({0})
- Ich bitte wirklich darum; es ist kein Vergnügen, die Kollegen zu mahnen.
Jetzt hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Faltlhauser.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hier hat gerade einer der möglichen Kanzlerkandidaten der SPD gesprochen. Wenn es der andere mögliche Kanzlerkandidat nicht vermieden hätte, diese Rede anzuhören, und rechtzeitig gekommen wäre, dann hätte er als eifriger Lehrer zu seinem Mitkandidaten sicherlich gesagt: „Thema verfehlt! "
({0})
Herr Lafontaine, das war ein Tiefflug durch das Bundestagsplenum über 22 Punkte hinweg, aber keine Aussage zu dem Thema, das hier auf der Tagesordnung steht. Ich frage mich überhaupt: Wo bleiben denn eigentlich die übrigen Kritiker dieses Programmes, die sich öffentlich sehr deutlich gemeldet haben? Sie dürfen heute offenbar nicht reden. Sie sind nicht da!
({1})
Es wäre vielleicht interessant, auf diese Weise den Zustand der SPD zu erkunden.
In meinem Wahlkreis, im Nordwesten von München, gibt es ein großes Unternehmen. Dorthin fährt täglich ein Arbeitnehmer zur Arbeit; nennen wir ihn Johann Huber. Er ist einer von vielen, die jeden Tag eine lange Strecke - in diesem Fall von einem kleinen Dorf in der Nähe von Landsberg - hin zur Arbeitsstelle zurücklegen müssen. Sie fahren dabei eine erkleckliche Anzahl von Kilometern.
Der Huber ist ein Durchschnittsverdiener: 42 000 DM verdient er. Er hat zwei Kinder. Ihn haben wir durch unsere Steuerreform zwischen 1986 und 1990 um 1 932 DM entlastet. Das sind monatlich 161 DM. Jetzt kommen Herr Lafontaine und Frau Matthäus-Maier und sagen: 50 Pf mehr Steuer aufs Benzin.
({2})
Der Mann fährt, eine Strecke gerechnet, 60 km. Allein an seinen Arbeitstagen fährt er also 26 000 km im Jahr. Sie muten ihm folglich eine zusätzliche Belastung von 1 185 DM pro Jahr zu; das sind monatlich 100 DM mehr. Anders gesagt: Sie nehmen diesem Arbeitnehmer zwei Drittel dessen, was wir ihm durch unsere Steuerreform gegeben haben, über die Benzinpreissteigerung wieder ab. Dann aber sagt Herr Lafontaine hier an diesem Pult, daß er ein Programm für die soziale Gerechtigkeit machen wolle. Das Gegenteil ist der Fall: Unsozial ist dieses Programm!
({3})
Dann haben Sie eine Korrekturmaßnahme vorgesehen - aus schlechtem Gewissen wohl - : eine Fernpendlerpauschale. Ich habe irgendwo, nicht in ihrem Programm, gelesen, daß sie 300 Millionen DM dafür zur Verfügung stellen wollen. Aber das sind bestenfalls 10 Pf für den Fernpendler.
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Gerechnet nach dem Grenzsteuersatz nach der Splittingtabelle für den Durchschnittsverdiener mit 22 sind das positiv 286 DM in der Steuererklärung.
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Das heißt, es bleibt eine Mehrbelastung für diesen Beispielfall von 900 DM übrig.
Hilft dann die Entfernungspauschale, die Sie auch genannt haben, einer der vielen möglichen Vernebelungsvorschläge? Sie hilft ihm nicht. Sie hilft bestenfalls dem Kollegen, der in die S-Bahn einsteigen kann, aber nicht demjenigen, der draußen auf dem Dorf wohnt und auf den Pkw angewiesen ist.
({6})
Hilft die Beseitigung der Kfz-Steuer? Auch die haben Sie ja genannt. Die Abschaffung der Kfz-Steuer, meine Damen und Herren, ist eine Illusion. Wir erinnern uns: Gerade an SPD-Ländern ist schon in der Vergangenheit, in den 70er Jahren, der Versuch gescheitert, die Kfz-Steuer abzuschaffen; die brauchen das Geld. Unterhalten Sie sich doch einmal mit denjenigen, die in den Ländern nach Geld jammern. Die Kfz-Steuer wird mit Sicherheit nicht als Wunderwaffe einsetzbar sein.
Dementsprechend waren auch die Kommentare: Das Programm, das Sie hier vorgetragen haben, Herr
Lafontaine, „ist nicht ausgegoren, nicht ausreichend durchdacht, schlimm, sozialpolitisch sehr problematisch" - das sagt Karl Schiller. Ein anderer: „Das ist ein Programm, das ist gegen den kleinen Mann gerichtet. " Das sagt Hans Apel, Ihr Vorgänger, Frau Matthäus-Maier. Recht haben die Genossen! Ich halte dieses Programm, so wie es dasteht, unter dem Strich gerade für den kleinen Mann für einen Skandal. Gehen Sie nur hinaus und sagen Sie den Leuten, was Sie eigentlich wollen. Wir werden ihnen vorrechnen, was unten herauskommt.
Sie, Frau Matthäus-Maier, haben gesagt: In der Diskussion um das SPD-Programm „beginnt unsere Meinungsführerschaft zu bröckeln". Frau Kollegin, nicht bröckeln! Es sind riesige Brocken, die Ihnen mittlerweile um die Ohren fallen. Ich glaube, das wird auch in Zukunft so sein. Wir werden dafür sorgen, daß die Arbeitnehmer wissen, was auf sie zukommt.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Schäfer ({0}).
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein gutes Zeichen, daß wir heute auf Antrag der CDU/CSUFraktion über unser Konzept des ökologischen Umbaus diskutieren. Wir würden uns bei Gelegenheit bei Ihnen gern revanchieren und auch eine Aktuelle Stunde über Ihr Konzept beantragen, aber leider gibt es kein Konzept der Regierungsparteien für eine Antwort auf die ökologische Herausforderung.
({0})
Sie verwalten die Umweltprobleme, mehr schlecht als recht. Wir wollen sie lösen, meine Damen und Herren.
Wenn wir die drohende Klimakatastrophe zumindest in ihren Auswirkungen begrenzen wollen - darin besteht Übereinstimmung -, müssen wir bis zum Jahre 2000 mindestens 20 % weniger Energie verbrauchen als heute. Realität aber ist: Der Energieverbrauch steigt wieder, am stärksten im Verkehrsbereich, und die Prognosen zeigen steil nach oben. Wenn Sie, Herr Faltlhauser, ausgerechnet Sie, die Sie für die neue Armut und die sozialen Ungerechtigkeiten verantwortlich sind, hier in grellen Farben das Schreckgespenst des armen Bürgers an die Wand malen, der künftig 50 Pf mehr pro Liter Benzin bezahlen muß und dadurch angeblich in die neue Armut gestürzt wird, sind dies schiere Krokodilstränen. Ihnen fehlt jedes Recht, angebliche soziale Ungerechtigkeiten anzuprangern.
({1})
Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, reden nicht über die sozialen Probleme, die vielen Millionen Menschen drohen,
({2})
wenn durch den Treibhauseffekt ganze Länder überflutet und fruchtbare Äcker in unfruchtbare Wüsten verwandelt werden.
({3})
Die Benzinpeise liegen heute real niedriger als 1972 - kein Wunder, daß der Verbrauch ständig steigt. Und da wollen Sie uns weismachen, daß Öko-Steuern auf Energieverbrauch und Benzin, die zudem an anderer Stelle voll zurückgegeben werden, sozial unzumutbar seien und die Wirtschaft in den Ruin treiben. Ihnen ist die Parole „Freie Fahrt für freie Bürger" - das zeigt Ihre Haltung zum Tempolimit - allemal wichtiger als die Lebenschancen der nach uns kommenden Generationen.
({4})
Diese Art des „In-den-Tag-hinein-Regierens" , buchstäblich nach dem Motto: „Nach uns die Sintflut", wird den Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht gerecht.
({5})
Ihre Politik bleibt im übrigen auch hinter dem Bewußtsein der Bürger weit zurück. Eine klare Mehrheit hält heute den Umweltschutz für die wichtigste innenpolitische Aufgabe und ist auch bereit, dafür persönliche Opfer zu bringen.
Der ökologische Umbau ist die zentrale politische Aufgabe des nächsten Jahrzehnts. Unsere Vorschläge zum ökologischen Umbau sind ein erster richtiger Schritt, das ökologisch Notwendige in ökonomische Motivation umzusetzen. Wir haben als einzige Partei ein geschlossenes marktwirtschaftliches ökologisches Gesamtkonzept entwickelt.
({6})
Wir belasten dabei weder die sozial Schwachen noch die Fernpendler: durch die volle Rückgabe der Ökosteuer an den Bürger
({7})
und für notwendige Umweltschutzinvestitionen bleibt die Entscheidungsfreiheit bei dem einzelnen: Energiesparer werden belohnt, Energieverschwender müssen zahlen. Das ist die marktwirtschaftliche Logik.
({8})
Wer die Klimakatastrophe verhindern will, Herr Töpfer, braucht Kraft und Mut statt nur Ankündigungen und nachdenklicher Reden.
({9})
Schäfer ({10})
Er braucht durchsetzbare Gesamtkonzepte, nicht politische Eintagsfliegen wie die CO2-Abgabe à la Töpfer.
({11})
Es ergeht diesem Vorschlag wie vielen Vorschlägen von Ihnen, Herr Umweltminister. Auch dieser Vorschlag wird auf die längste Bank Deutschlands geschoben: Die Regierungsbank.
({12})
Unsere Vorschläge zum ökologischen Umbau sind ein erster Schritt, die ökologische Trendumkehr einzuleiten. Wir setzen auf marktwirtschaftliche Lösungen. Denn wir haben aus den Ölpreiskrisen der Vergangenheit gelernt, daß Preissignale auch für den Umweltschutz wirken. Deswegen wollen wir das Mittel des Preises auch für den ökologischen Umbau einsetzen, damit umweltfreundliches Produzieren belohnt und umweltschädliches Produzieren künftig über den Preis belastet wird.
({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Zywietz.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich das hier so betrachte, dann muß ich feststellen: Ich kann keinen Fortschritt darin erkennen, daß der Staat künstlich den Ölscheich spielen soll. Die Bürger unseres Staates haben zweimal erlebt, was politisch und wirtschaftlich geschieht, wenn Benzin- und Ölpreise drastisch erhöht werden. Hier brauchen wir keinen künstlichen Nachhilfeunterricht. Zweimal reicht, Herr Ministerpräsident. Ich kann keinen Fortschritt darin erkennen.
Ich kann es auch nicht als sozial ausmachen, wenn diejenigen, die verkehrspolitische Alternativen haben und nicht zwingend auf das Auto angewiesen sind, begünstigt werden und wenn die Landbevölkerung belastet wird: durch die Preiserhöhungsvorschläge, die Sie gemacht haben. Darin kann ich kein soziales Augenmaß erkennen.
Ich kann auch nicht erkennen, daß Ihre politischen Vorschläge widerspruchsfrei und glaubwürdig sind. Wenn Kohleverbrennung die Umwelt belastet, dann kann ich nicht verstehen, warum Sie für die Saarbergwerke und den hohen Plafond an Förderung im Saarland so kämpfen und sich das aus der Bundeskasse bezahlen lassen und noch nicht einmal einen Eigenanteil herbeischaffen. Dann lassen wir einmal die Märkte, die Sie hier so gelobt haben - das war schon einigermaßen verwunderlich - , wirken. Nehmen wir einmal die ganze Kohleunterstützung für die Produktion im Saarland weg. Dann werden wir sehen, wie das regional und sozial wirkt. Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Sie preisen auf der einen Seite eine Erhöhung um etwa 50 Pf und halten auf der anderen Seite die Hand für Produktionszuschüsse auf, die wir im wesentlichen mit Bundessubventionen sowohl direkt als auch über die Finanzierung bei den Knappschaftsrenten ganz erheblich mitfinanzieren. Können Sie mir einmal sagen, wie das zusammengeht und was das mit vernünftigem ökologischem Umbau oder mit sozialer Symmetrie zu tun hat? Ich kann das weiß Gott nicht erkennen. Diese Aufklärung müßten Sie erst einmal leisten.
Wenn hier gesagt wird, lieber Harald Schäfer, die Regierung müßte erst einmal ein Öko-Konzept vorlegen
({0})
- Frau Kollegin, auf der anderen Seite waren Sie noch selber dabei - : Richtig ist, daß Herr Genscher und damit die FDP Anfang der 70er Jahre, damals in der Koalition mit der SPD, mit dem Freiburger Parteitag den ersten Nagel für entsprechende Aktivitäten im Bereich der Ökologie eingeschlagen hat.
({1})
Zu dieser Seite des Hauses muß man, wenn man der Wahrheit die Ehre gibt, sagen, daß wir in der Energiesparpolitik und damit bei der Umweltbelastung und in der Förderung alternativer Energien erhebliche Fortschritte gemacht haben. Ich sage doch nicht, daß wir alles erreicht haben. Aber im Vergleich zu dem, was möglich ist, ohne im gesamtwirtschaftlichen Kreislauf Schäden an anderer Stelle zu verursachen auch im Vergleich zu dem, was im uns umgebenden Ausland geschehen ist, brauchen wir unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.
Ein bißchen mehr an strikter Anwendung des Verursacherprinzips wäre in Ordnung. Aber da kann ich dem Herrn Ministerpräsidenten des Saarlandes nur sagen: Dann verzichten Sie doch auf all die Unterstützung bei der Kohle; denn die Kohle ist nicht umweltfreundlich. Das können Sie drehen und wenden, wie Sie wollen.
({2})
Verzichten Sie doch als Konsequenz aus dieser angeblich ökologischen Einstellung auf die künstliche Förderung der Kohle, vor allem dann, wenn diese aus fremdem Geld kommt.
Ich habe mir sagen lassen, daß Sie sich als Förderer der Kumpel aufspielen. Sie erweitern Ihr Kabinett und stellen einen teuren Koch ein, aber die Arbeitsplätze der Kumpels lassen Sie sich von hier bezahlen. Noch nicht einmal einen Anteil wollen Sie finanzieren, wie das Nordrhein-Westfalen getan hat.
Statt dessen gehen Sie mit einer Dreistigkeit her und betätigen sich hier als Lehrmeister. Machen Sie die Schularbeiten lieber zu Hause. Eine gute Vorbildfunktion ist immer noch das Beste, wenn man pädagogisch wirken will.
Nach dem, was ich von Ihnen gehört habe, Herr Ministerpräsident, ist mir der Ausdruck des Kollegen Dreßler im Zusammenhang mit der Gesundheitspolitik in den Sinn gekommen. Er hat vom „Abkassiermodell" gesprochen. Ich nehme dieses Stichwort einmal auf: Das, was hier versucht wird, ist ein Abkassiermodell ganz eklatanter Art.
({3})
- Es ist ein Abkassiermodell ganz extremer Art.
Zu der Behauptung, das Geld werde auf andere Weise den Bürgern wieder zugute kommen, sage ich
nur: Die Worte höre ich wohl, aber die Botschaft glaube ich noch lange nicht. Insofern kann ich nicht viel Sinn in Ihren Vorschlägen erkennen.
Vielen Dank.
({4})
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Voss.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Lafontaine, Sie haben ein beachtliches Bündel von Maßnahmen hier vor uns ausgebreitet. Ob es nun 22 oder 25 Punkte, wie Sie zuletzt gesagt haben, waren, spielt an sich keine Rolle.
({0})
- Nein, das hat er selbst gesagt, Herr Kollege Roth. Ich habe 22 Punkte gezählt, aber zuletzt hat Herr Lafontaine von 25 Punkten gesprochen. Das spielt aber keine große Rolle.
Zur Finanzierung all dieser Punkte haben Sie offensichtlich die Erhöhung der Benzin- und Mineralölsteuer ins Auge gefaßt. Aber dieses Konzept, meine Damen und Herren, ist widersprüchlich und mit gravierenden Unzulänglichkeiten behaftet. Lassen Sie mich das kurz begründen.
Erstens. Sie brauchen für den Umbau nach Ihren Vorstellungen 30 Milliarden DM und wollen das durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer um rund 0,50 DM hereinbekommen. Das wird in unserem Land Literpreise für Benzin von 1,60 bis 1,80 DM bedeuten. Das sind Preise, die wir bisher nie gehabt haben.
Dennoch, meine Damen und Herren, sollen diese Preise ohne jede Wirkung auf das Verhalten der Autofahrer sein.
({1})
- Meine Damen und Herren, Sie müssen rechnen. Die 30 Milliarden DM können nur hereinkommen, wenn sich das Verhalten der Autofahrer nicht verändert, d. h. wenn der Verbrauch unverändert bleibt. Hiermit liegt ein Widerspruch ganz klar auf der Hand: Kommen aus der Steuererhöhung 30 Milliarden DM auf, wird das umweltpolitische Ziel verfehlt. Wird dagegen infolge der hohen Treibstoffkosten weniger gefahren, so entsteht eine Finanzierungslücke, die entweder durch zusätzliche Steuereinnahmen an anderer Stelle oder durch eine höhere Verschuldung geschlossen werden muß.
Zweitens. Die SPD will zum Ausgleich der Benzinpreisverteuerung die Kraftfahrzeugsteuer abschaffen. Hiervon würden diejenigen am meisten profitieren, die die Umwelt am stärksten verschmutzen. Bei einem Hubraum von 1 600 cm3 beträgt die Entlastung durch den Wegfall der Kfz-Steuer 364 DM bei nicht schadstoffarmen Pkws, bei einem schadstoffarmen Pkw dagegen nur 211 DM.
({2})
Das politische Ziel, die spezifischen Schadstoffemissionen zu verringern, wird bei dieser Konzeption also nicht erreicht.
Drittens. Auch die Frage nach der sozialpolitischen Vertretbarkeit und Verträglichkeit Ihrer Vorschläge muß man mit einem klaren Nein beantworten; denn warum allein der Autofahrer und warum gerade die Bewohner des ländlichen Raums - der Kollege Faltlhauser hat bereits darauf hingewiesen - die Hauptlast tragen sollen, ist völlig unerfindlich.
Viertens. Die Zielvorstellungen der SPD berücksichtigen nicht die politische Entwicklung in Europa. Wirksame Umweltschutzpolitik ist heute im nationalen Maßstab allein kaum noch möglich. Wir müssen nicht nur die Umweltstandards aufeinander abstimmen, sondern uns auch dem Wettbewerb der europäischen Steuersysteme stellen. Deshalb gilt es, Betriebe und Arbeitsplätze nicht zusätzlich zu belasten, sondern im Saldo steuerlich zu entlasten und so auf den europäischen Binnenmarkt vorzubereiten.
Meine Damen und Herren, dem vernichtenden Urteil, das dieses Konzept aus Ihren eigenen Reihen, aber natürlich auch an anderer Stelle erfahren hat, ist an sich nichts hinzuzufügen: fehlender ökonomischer Sachverstand. Schlimmer geht es kaum!
Danke sehr.
({3})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier fünf Feststellungen treffen:
Erstens. Unser Konzept ist ökologisch vernünftig.
({0})
Wer's nicht glaubt, erinnere sich nur an die 70er Jahre: Die Reaktion der Verbraucher und der Wirtschaft auf die beiden Ölpreisexplosionen hat gezeigt, daß Preissignale von Bürgern und Industrie sehr wohl verstanden werden und zu einem energiesparenden Verhalten führen.
({1})
Die Fahrleistung ging in diesen Jahren zurück, der Durchschnittsverbrauch neu zugelassener Pkw ebenfalls. Das wird auch so weitergehen. Wir wissen, daß die Modelle der Oko-Autos in der Schublade liegen, und diese Autos werden in den Fabriken tatsächlich gebaut werden, wenn wir über eine höhere Energiebesteuerung den entsprechenden marktwirtschaftlichen Anreiz geben.
({2})
Dies wird auch nicht dadurch behindert, daß wir das Aufkommen ganz zurückgeben. Herr Zywietz, Sie haben sich versprochen. Sie haben vom „Abkassiermodell" gesprochen. Wir haben kein Abkassiermodell, weil wir alles zurückgeben,
({3})
aber Ihre Gesundheitsreform, die ist tatsächlich ein Abkassiermodell!
({4})
Bei uns ist das Konzept aufkommensneutral. Das heißt, der Staat gibt das zurück, was er einnimmt. Aber beim einzelnen heißt das nicht: individueller Ausgleich; im Gegenteil,
({5})
der, der wenig Energie verbraucht, wird bei der Umschichtung gewinnen, und der, der viel Energie verbraucht, wird bei der Umschichtung finanziell zuzahlen. Das ist auch die Idee des Verursacherprinzips, wir sind da nur ehrlicher als Sie.
({6})
Zweitens. Unser Konzept ist wirtschaftspolitisch vernünftig. Es ist zukunftsorientiert. In den 90er Jahren wird in der Wirtschaft nicht der die Nase vorn haben, der die besten Panzer und Fregatten baut, sondern der, der die modernste Umwelt- und Energieeinspartechnologie exportiert.
({7})
Meine Damen und Herren, das heutige Steuerrecht ist ökonomisch verkehrt; es zeugt von ökonomischer Inkompetenz. Das Öl, das wir von der OPEC importieren, ist steuerlich vergleichsweise gering belastet, aber das Wertvollste, was wir in diesem Lande haben, nämlich die Arbeitskraft unserer Arbeitnehmer, der Techniker, der Ingenieure, wird vergleichsweise hoch besteuert. Der Marsch in den Lohnsteuerstaat ist jeden Tag nachzuweisen.
({8})
Herr Wissmann, was ist eigentlich ökonomisch dagegen einzuwenden - ({9})
- Frau Präsidentin, es ist etwas laut! - Was ist eigentlich ökonomisch dagegen einzuwenden, wenn wir hier umschichten und die Leistung von Arbeitnehmern und Unternehmern steuerlich entlasten und die Mineralölsteuer auf überwiegend importiertes Öl etwas verschärfen?
({10})
Ich halte das für ökonomisch und ökologisch in Ordnung!
Drittens. Unser Konzept ist solide finanziert, Herr Voss, und das wissen Sie auch. Wir gehen bei unseren Berechnungen davon aus, daß die 30 Milliarden DM Mehraufkommen dadurch entstehen, daß der Energieverbrauch gestoppt wird.
({11})
Das Stoppen wäre schon ein großer ökologischer Fortschritt. Wenn wir darüber hinaus - was wir ja wollen
- erreichen, daß die Menschen und die Wirtschaft Energie einsparen, würde das in der Tat zu einem geringeren Mehraufkommen führen. Aber wir kennen doch gemeinsam die Steuerschätzungen. Wir haben in der Mitte der nächsten Legislaturperiode - und vorher könnten wir das ja nicht verwirklichen - ein Steueraufkommen von rund 600 Milliarden DM. Wenn wir bei der Mineralölsteuer durch das Sparen der Bürgerinnen und Bürger 3 oder 4 oder auch 5 Milliarden weniger Zuwachs haben, ist das eben die Belohnung für das Energiesparen. Sie wissen doch besser als alle anderen hier im Raum, daß das dynamische Steuersystem dies an anderer Stelle voll auffängt. Es gibt hier überhaupt keine Finanzierungslücke, die entstehen könnte!
({12})
Vierter Punkt: Dies ist europäisch möglich. Wenn Sie nicht immer nur hinter den anderen Ländern herlaufen, sondern im ECOFIN-Rat, also im Rat der Wirtschafts- und Finanzminister,
({13})
endlich solche Überlegungen einbringen, werden wir gar keine Schwierigkeiten haben, dies auch in Europa umzusetzen.
Fünfte und letzte Feststellung: Unser Konzept ist auch sozial verträglich. Meine Damen und Herren, das unterscheidet unser Konzept von den anderen Konzepten, auch dem der GRÜNEN. Die soziale Verträglichkeit kommt dadurch zustande, daß wir das gesamte Aufkommen wirklich zurückgeben: durch eine Anhebung des Grundfreibetrages bei der Steuer, durch die Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer und durch die sozialen Ausgleichsmaßnahmen bei der Rente, bei den Schwerbehinderten. Ich glaube nicht, daß es ein sozial verträglicheres Umschichtungsmodell gibt.
Wenn dann gesagt wird, die Bezieher großer Einkünfte können die 50 Pf wegstecken, die anderen aber nicht, dann ist das im Einzelfall richtig. Aber ich sage Ihnen: Wir können die ungerechte Einkommens-und Vermögensverteilung in diesem Lande doch nicht über die Ökosteuer lösen!
({14})
Dazu brauchen wir 200 DM Kindergeld; dazu brauchen wir Bekämpfung der Wohnungsnot; dazu brauchen wir die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, mit der Sie sich längst abgefunden haben;
({15})
dazu brauchen wir eine Besteuerung der Steuerhinterzieher von Millionenbeträgen.
({16})
- Das ist nicht unter meiner Würde. ({17})
Das machen wir in den 20 Punkten, die Herr Lafontaine vorgetragen hat.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Wir sind Ihnen ökologisch und ökonomisch überlegen, meine Damen und Herren.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Uldall.
Frau Präsidentin! Meine Damen und meine Herren! Frau Matthäus-Maier, Sie haben die Erfahrungen aus den 70er Jahren angesprochen, als die Benzinpreise im Zuge der Ölkrise stiegen. Sie haben aber bei Ihren Schilderungen eins vergessen, daß nämlich als Folge dieser Erdölkrise Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik in einem Maße entstand, das bis dahin keiner bei uns gekannt hatte.
({0})
Sie haben im Zuge der Erdölkrise Staatsschulden in einem Umfang gemacht, wie es keiner bisher gekannt hatte.
({1})
Und dann haben Sie den Mut, davon zu reden, daß das hier ein Konzept sein soll, das finanziell in sich ausgewogen ist! Sie wollen jetzt eine dritte Erdölkrise künstlich erzeugen.
({2})
Ich sage Ihnen: Bedenken Sie bitte die Folgen, die Sie damals, in den 70er Jahren, alle haben miterleben müssen. Wir wollen nicht, daß jetzt etwas Gleiches wieder eintritt.
({3})
Meine Damen und meine Herren, die sozialdemokratischen Vorstellungen über die Steuerpolitik stellen sich bei näherem Hinsehen als das heraus, was sozialdemokratische Steuerpolitik schon immer gewesen ist, nämlich eine Politik der Umverteilung. Der Staat, so sind ja die Vorstellungen der Sozialdemokraten, soll so viel wie möglich einnehmen und dies dann den Bürgern zuteilen, so wie er, der Staat, es für richtig hält. Nicht Fleiß, nicht Tüchtigkeit und nicht Leistung
({4})
sollen darüber entscheiden, wie hoch das Einkommen des einzelnen ist, sondern es soll darüber durch den Staatsapparat entschieden werden, der bestimmte Regeln aufstellt, wie das Einkommen zu verteilen sei. Nicht der erzielt ein hohes Einkommen, der viel arbeitet,
({5})
sondern derjenige, der sich in dem Gestrüpp Ihrer Bestimmungen, Ihrer Regelungen, Ihrer Vergünstigungen, Beihilfen und Unterstützungsmaßnahmen am besten auskennt. Ein solches trickreiches Vorgehen wünschen wir uns nicht.
({6})
Meine Damen und Herren, in vielen Ländern geht man jetzt mit großen Mühen daran, dem Markt wieder mehr Geltung zu verschaffen, weil der Nutzen für den
Bürger so am größten ist. Das sollte für Sie Anlaß sein, über Ihre Steuerpolitik noch einmal im Grundansatz nachzudenken. Von „Fortschritt '90" könnte man nur dann sprechen, wenn die Sozialdemokraten diese überholten Vorstellungen über stärkere Umverteilung über Bord werfen würden. Aber das Gegenteil ist der Fall: Ein gewaltiges Umverteilungsprogramm über Steuererhöhungsmaßnahmen wird jetzt in Gang gesetzt.
({7})
Wie hoch dieses Volumen ist, wird erst deutlich, wenn man sich einmal vor Augen führt, welch gewaltige Finanzmasse eine Erhöhung um 50 Pf bewegen wird.
({8})
Diese Mehreinnahmen, die da erzielt werden, sind genauso hoch wie zusammengenommen: Tabaksteuer, Kaffeesteuer, Zuckersteuer, Branntweinsteuer, Kapitalverkehrsteuer, Versicherungsteuer, Wechselsteuer, Vermögensteuer, Biersteuer und Grundsteuer, die alle Bürger auch zu entrichten haben.
({9})
Das alles zusammengenommen, meine Damen und Herren, ist das, was die Sozialdemokraten hier mal eben in einen riesigen Topf hineinwerfen.
Meine Damen und Herren, neu an diesem Programm ist lediglich eines: daß die Begründung hierfür von dem abweicht, was Sie bisher als Begründung gegeben haben. Jetzt muß die Ökologie als Grund dafür herhalten, daß eine Umverteilung plötzlich notwendig sein soll. Dabei weiß jeder, daß die Erhöhung des Benzinpreises nur zu einem unbedeutenden Rückgang der gefahrenen Kilometer und damit des Schadstoffausstoßes führen wird.
Wenn die SPD tatsächlich dieses Ziel verfolgen will, dann sollte sie sich unseren Plänen anschließen. Wir haben dargelegt, wie durch eine Besteuerung der Motoren, die einen übermäßigen Schadstoffausstoß haben, entsprechende Abhilfe geschaffen werden kann.
({10})
Meine Damen und Herren, eine Bewertung dieser Politik will ich abschließend nicht vornehmen. Vielmehr will ich einen Finanzexperten dieses Hauses zitieren, der über Jahre für die Finanzen der Bundesrepublik verantwortlich war. Er sagte:
Wer solche Steuern erfindet, dem ist der ökonomische Sachverstand abhanden gekommen.
({11})
Das war Hans Apel.
Und weiter heißt es bei ihm:
Die Höhe des Benzinpreises verändert kaum die verbrauchten Liter. Es gilt also, daß man mit solchen Preiserhöhungen einen großen Industriestandort auf Dauer kaputtmacht.
Diesen Bewertungen von Hans Apel habe ich nichts hinzuzufügen.
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
({0})
- Zwei Minuten, meine Damen, meine Herren.
({1})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf eine Bemerkung des Herrn Staatssekretärs Voss zurückkommen, die bei mir den Eindruck hat aufkommen lassen, daß der Kenntnisstand des Herrn Voss über die Möglichkeiten marktwirtschaftlicher Lenkungsinstrumente jedenfalls für das, was man von einem Staatssekretär im Finanzministerium erwarten sollte, sehr unterentwickelt zu sein scheint.
({0})
Herr Voss, ich habe bei Ihrer Rede den Eindruck gewonnen, daß Sie den Sinn von Ökosteuern oder ökologischen Sonderabgaben bis heute nicht verstanden haben.
({1})
Der Sinn solcher Steuern oder Abgaben besteht gerade nicht darin, daß sie deswegen erhoben werden, damit die Staatseinnahmen ansteigen. Es ist doch vielmehr so, daß im optimalen Fall das Mittelaufkommen aus solchen Steuern oder Abgaben relativ gering sein, gegen Null tendieren soll. Das ist doch das fiskalische Ergebnis dieser Geschichte. Nur auf diesem Wege werden Sie es erreichen können, daß das klassische marktwirtschaftliche Instrument Preis als Instanz zur ökologischen Umlenkung sinnvoll wird.
Wir jedenfalls wollen Umweltsteuern nicht aus finanzpolitischen Gründen, sondern aus umweltpolitischen Lenkungsinteressen.
({2})
Ich habe das Gefühl, Sie begreifen einfach nicht, daß man Steuerpolitik überhaupt auch aus umweltpolitischen Gründen einsetzen kann.
({3})
An diesem Punkt ist die Bundesregierung nach wie vor begriffsstutzig.
({4})
Ich will hier eines noch einmal klarstellen. Die großen Zukunftsaufgaben sind: Umwelt bewahren, soziale Gerechtigkeit und, will ich hinzufügen, wirksame Abrüstung - da hat Herr Lafontaine völlig recht. Wer wirkliche Lösungen in der Umweltfrage will, der muß Umweltpolitik als Wirtschafts- und Finanzpolitik anlegen und der muß aus den Barrieren der Ressortverwaltung ausbrechen. Herr Töpfer, die Bürger erwarten von Ihnen nicht, daß Sie noch öfter den Rhein durchschwimmen. Die Bürger erwarten von der Politik auch keine bloßen Ankündigungen für die Lösung der Umweltfrage. Sie erwarten eine Politik, die praktische Maßnahmen durchführt, die vorankommt, die Lösungen präsentiert. Und eine Lösung kann nur im ökologischen Umbau bestehen. Wir haben da in etlichen Punkten Differenzen zu den sozialdemokratischen Vorschlägen. Wir werden den Streit um die richtigen Etappen des ökologischen Umbaus führen. Aber diesen Streit können wir leider nur mit der SPD führen, weil Sie nichts Vergleichbares anzubieten haben.
Danke.
({5})
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Töpfer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eingangs dieser Diskussion sind drei wichtige Ziele für die kommenden zehn Jahre in unserem Land dargestellt worden: ökologische Stabilität, soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Stabilität. In den Zielen sind wir uns sicherlich alle einig. Nur, wir stellen diesen drei Zielen ein anderes nachhaltig voran: Wir wollen in den nächsten zehn Jahren dem Siegeszug und der Faszination der Freiheit in Gesellschaft und Wirtschaft in Europa insgesamt zum Durchbruch verhelfen. Das ist der erste zentrale Punkt.
({0})
Die Tatsache, daß in dieser Aktuellen Stunde bisher noch niemand darauf aufmerksam gemacht hat, daß Erich Honecker heute zurückgetreten ist, zeigt fast symbolhaft auf die Person hin, das Scheitern einer sozialdemokratischen Politik, die wir nicht zur Grundlage unserer Politik machen.
({1})
Zweitens. Soziale Gerechtigkeit ist für uns nach wie vor dadurch einzubringen, daß wir wirtschaftliche Stabilität gewährleisten. Sieben Jahre wirtschaftliches Wachstum ohne Inflation ist die beste sozialpolitische Maßnahme gewesen, die wir in den letzten sieben Jahren überhaupt durchführen konnten. Das ist das Markenzeichen unserer Politik.
({2})
Dazu kommt, daß dieses wirtschaftliche Wachstum auch noch ökologisch abgesichert wird. Damit kommen wir zu der Frage des ökologischen Konzepts. Wenn wir festhalten, daß unser entscheidendes Ziel die Durchsetzung von Freiheit auch in Wirtschaft und Gesellschaft ist, dann ist es ganz selbstverständlich, daß unser Ziel eine ökologische Marktwirtschaft ist. Ich halte es für wichtig, daß wir noch einmal deutlich machen: Diese ökologische Marktwirtschaft basiert
für uns auf zwei Säulen: auf dem Ordnungsrecht und auf marktwirtschaftlichen Anreizen.
({3})
Ich halte zunächst einmal fest, daß ich es nach wie vor für bemerkenswert halte, daß von den Rednern der Sozialdemokraten, die bisher hier gesprochen haben, nicht einer das Wort „Ordnungsrecht" auch nur in den Mund genommen hat.
({4})
Das kann ich doch wohl nur so deuten, daß Sie mit dem, was wir in dieser Legislaturperiode an Ordnungsrecht durchsetzen, offenbar voll einverstanden sind.
Wir haben in dieser Legislaturperiode das Gesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung verabschiedet. Wir haben in dieser Legislaturperiode das neue Chemikaliengesetz verabschiedet. Wir haben in dieser Legislaturperiode das neue Bundes-Immissionsschutzgesetz verabschiedet. Wir haben das Abwasserabgabengesetz, die neue Störfall-Verordnung, die TA-Abfall, die Verwaltungsvorschriften für das Wasserhaushaltsgesetz geschaffen. Das ist der Ordnungsrahmen für eine ökologische Marktwirtschaft.
({5})
In diesem Ordnungsrahmen gilt es marktwirtschaftliche Anreize zu geben.
({6})
Meine Damen und Herren, es ist schon faszinierend zu sehen, daß Ihnen immer noch nicht aufgefallen ist, daß mit einem klaren Ordnungsrahmen ein Programm „Arbeit und Umwelt" unmittelbar verbunden ist. Allein die deutsche Chemie hat im letzten Jahr ausweislich der Aussage der IG Chemie, Papier, Keramik 1,4 Milliarden DM für Umweltschutzmaßnahmen investiert,
({7})
und zwar auf Grund klarer ordnungsrechtlicher Vorgaben. Wir haben mit diesem Ordnungsrecht ein Programm „Arbeit und Umwelt" verwirklicht, das über 400 000 Arbeitsplätze geschaffen und gesichert hat. Dies haben wir nicht mit Hilfe eines Umverteilungsmechanismus getan, sondern durch klares Ordnungsrecht.
In den Rahmen hinein setzen wir dann Anreize. Wir fangen nicht erst damit an, sondern es gibt sie bereits. Eines, meine Damen und Herren, haben Sie ja doch mit entwickelt und mitgetragen: Wir geben einen klaren Rahmen im Wasserrecht vor. Wir sagen: Innerhalb des Rahmens werden die genehmigten Ableitungen mit einer Abgabe belegt.
({8})
- Das habe ich doch gerade gesagt. Herr Abgeordneter Schäfer, wenn Sie zugehört hätten, dann wüßten Sie, daß ich gesagt habe: Daran haben Sie doch mitgewirkt.
({9})
Das ist doch eine klare Bestätigung unseres Konzepts: Ordnungsrahmen plus Anreiz bei den sogenannten Restverschmutzungen, die wir noch haben. Es ist wichtig, daß das so ist, weil dann nämlich durch marktwirtschaftliche Anreize tatsächlich ein Ansporn gegeben wird, die Technik weiterzuentwickeln und die Umwelt darüber hinaus zu entlasten. Das ist ein Konzept, an das wir uns durchgängig halten.
Frau Abgeordnete Matthäus-Maier, wenn es diesen Motor denn wirklich gibt, dann halte ich es für sehr viel zielführender, etwa so vorzugehen, wie es die Amerikaner tun, die nämlich einen Flottenverbrauch vorgeben - Ordnungsrecht - und innerhalb des Ordnungsrechts sagen: Wir können über Preise weiter gehen. Alles andere ist keine soziale Regelung. Das ist eine ordnungspolitische Konzeption, die in sich schlüssig ist.
({10})
Das gilt jedoch nicht für eine Regelung, derzufolge Benzin 2,50 DM kostet.
Meine Damen und Herren, ich frage mich eigentlich immer: Wo sind denn die ganzen Argumente geblieben, die Sie uns bezüglich der Vermarktung von Umwelt genannt haben? Dies haben wir doch nicht erfunden, sondern sie sind uns immer wieder vorgehalten worden. Wenn wir in Fragen von Kompensations- und Zertifikatsregelungen auch nur diskutieren, war bei Ihnen schon der Hinweis auf die Vermarktung der Umwelt da.
Lassen Sie mich noch einen Satz zur Kohle sagen, meine Damen und Herren. Gerade weil wir wollen, daß Kohle auf Dauer für die Energieversorgung mit genutzt werden kann, müssen wir heute daran arbeiten, daß diese Nutzung von Kohle umweltverträglich erfolgt. An dem Punkt waren wir uns einig, solange es um die Schadstoffe SO2 und NO. ging. Durch die Beseitigung von SO2 und NO. haben wir Kohle mit über 20 Milliarden DM belastet, und zwar in voller Übereinstimmung aller.
Jetzt auf einmal, wo wir sehen, daß uns der Schadstoff CO2 große Probleme bereitet, wird derjenige, der sich einfallen läßt, zu CO2 ebenfalls Lösungen anzubieten, bezichtigt, er habe etwas gegen Kohle einzuwenden.
({11})
Meine Damen und Herren, wo bleibt denn dort die Logik? Wo bleibt denn die Logik, wenn ich hingehe und sage: Wir wollen andere Kraftwerkstypen haben, die einen höheren Effizienzgrad in der Kohlenutzung haben und damit auch direkt CO2 sparen? Wo bleibt denn dort die Logik? Sie selbst sind doch hingegangen und haben gesagt: Wir brauchen eine Luftschadstoffabgabe.
Wir wollen die Kohle auf Dauer in der Energieversorgung behalten. Das ist jedoch nur möglich, wenn sie umweltverträglich genutzt wird. Das ist die Zielsetzung, die damit verbunden ist.
({12})
Dabei, meine Damen und Herren - lassen Sie mich das deutlich sagen - , stehe ich allerdings auf dem Standpunkt, daß es so etwas wie eine gesamtstaatliche Solidarität mit den Regionen gibt, in denen Kohle gefördert wird, und daß man dort auch gesamtstaatliche Ausgleichsleistungen über das hinaus, was eine Region im Augenblick leisten kann, einzubringen hat. Dies ist für mich eine ganz andere Aufgabenstellung.
({13})
- Also, wissen Sie, meine Damen und Herren, dies ist die Position der Bundesregierung und nicht nur meine Position.
Lassen Sie mich einen weiteren Satz dazu sagen. Meine Damen und Herren, wenn ich denn also von Konzept oder von Konzeptlosigkeit spreche, dann stelle ich eines fest: Von der Bundesregierung wird hier ein klares Konzept der ökologischen Marktwirtschaft nicht angekündigt, sondern durchgesetzt,
({14})
und zwar mit einem klaren Ordnungsrahmen und mit klaren Anreizen innerhalb des Ordnungsrahmens.
Das einzige, was wir als Konzept von Sozialdemokraten bekommen, ist ja nicht die Energiesteuer; das einzige, von dem Sie sprechen, ist die Mineralölsteuer.
({15})
Das ziehen Sie für die Finanzierung selbst zurück.
Das, was bei der Finanzierung übrigbleibt, ist der Hinweis auf den Rüstungshaushalt. Diesen Hinweis, meine Damen und Herren, haben wir besser aufgegriffen. Denn wir haben klargestellt, daß die Voraussetzung dafür, daß wir Rüstungsausgaben vermindern können, eine klare Sicherheitspolitik ist. Diese Sicherheitspolitik geht gegenwärtig auf. Siehe mein Eingangsstatement. Es ist der Tag, an dem Erich Honekker zurückgetreten ist, weil eine klare Sicherheitspolitik aufgeht.
({16})
Dann, meine Damen und Herren, werden Positionen verfügbar, die wir insgesamt brauchen, um auch den Frieden mit der Natur zu machen.
Meine Damen und Herren, ich freue mich darüber, daß auch Sie davon überzeugt sind, daß die Konzeption bei uns ist und daß der aktuelle Finanzierungsansatz bei Ihnen ist. Darüber können wir uns weiter streiten.
({17})
Das Wort hat der Abgeordnete Dreßler.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wann hat es jemals eine so schwache Koalition, eine so schwache Bundesregierung gegeben, daß sie es nötig hatte, 15 Monate vor einer Bundestagswahl im Entstehen befindliche Oppositionskonzepte im Parlament zu hinterfragen, weil sie konzeptionell nichts mehr zu bieten hat, weil sie konzeptionell am Ende ist? Wann hat es das jemals gegeben?
({0})
Herr Töpfer, es ist völlig richtig: Im Öko-Programm der SPD findet Erich Honecker nicht statt. Das ist völlig richtig; das haben Sie glasklar erkannt.
Die neunziger Jahre, meine Damen und Herren, werden an die Sozial- wie an die Umweltpolitik in gleicher Weise hohe Anforderungen stellen. Wegen gewiß auch im nächsten Jahrzehnt knapper öffentlicher Mittel werden beide Politikbereiche mitunter in Konkurrenz zueinander stehen.
Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß sich Umwelt- und Wirtschaftspolitik auf der einen und die soziale Gerechtigkeit mit ihren klassischen wie neuen Aufgaben auf der anderen Seite miteinander verbinden lassen. Wer beispielsweise einen Weg findet, die Belastung von Luft, von Wasser und Erde mit gesundheitsschädlichen Stoffen zu minimieren, der verringert auch die heutigen hohen Kosten für Erkrankungen der Atemwege oder des Herz- und Kreislauf systems.
({1})
Wer gesundheitsgefährdende Stoffe aus der Produktion verbannt, der nimmt Lasten von der Rentenversicherung, weil beispielsweise die Frühverrentung wegen berufsbedingter Krankheiten zurückgehen wird.
({2})
Daß das so ist, ist nicht bestreitbar.
({3})
- Ich danke, daß Sie es auch nicht bestreiten. - Wer die Wirtschaft also zwingt, umweltfreundliche Produkte herzustellen und ökologisch verträgliche Verfahren anzuwenden, der tut etwas für die Sicherung von Wettbewerb, für die Beschäftigung, für die Renten und für die Krankenkassen in der Zukunft. Das ist so, und nur Ignoranten begreifen das nicht.
({4})
Darüber hinaus stellen sich der Sozialpolitik in den 90er Jahren neue Aufgaben, die mit der Herstellung unserer natürlichen Umwelt nur sehr wenig zu tun haben. Es macht sich in unserem Lande Altersarmut breit, auf die die klassische Sozialpolitik bis heute keine Antwort gefunden hat. Wir müssen vor allem für jene im Alter etwas tun, die nicht die Chance hatten,
über ein langes Berufsleben hinweg ausreichende Rentenanwartschaften zu sammeln. Wir müssen auch für die etwas tun, die im Alter pflegebedürftig werden, sowie für jene, die heute unter sehr oft harten Bedingungen überhaupt Pflege leisten.
({5})
Und wir müssen etwas tun, was über Ihre Flickschusterei im Gesundheits-Reformgesetz hinausgeht. Das, was Sie politisch durchgesetzt haben, ist höchst fragwürdig und wird entgegen Ihren Sonntagsreden auf dem Verwaltungswege mit Ihrer stillschweigenden Billigung noch weiter zusammengestrichen.
({6})
- Sie haben eine Aktuelle Stunde beantragt, um über unser Konzept zu reden. Sie scheinen es nicht gelesen zu haben. Herr Lafontaine hat Ihnen 22 Punkte sozialpolitischer Art in höchstem Maße kredenzt. Sie nehmen sie überhaupt nicht zur Kenntnis. Entweder wollen Sie nun mit uns diskutieren, oder Sie lassen es. Jetzt haben Sie es angefangen, jetzt müssen Sie das auch zu Ende führen. Zur Zeit sind wir nämlich dran.
({7})
Ich bin mir sicher, daß Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, weder die ökologische Erneuerung mit ihren klaren sozialpolitischen Konsequenzen in Angriff nehmen noch sich den neuen, von mir skizzierten sozialpolitischen Aufgaben widmen werden. Sie werden die Dinge zum Schaden aller treiben lassen. Ihre Gesamtpolitik ist auf den Abbau ausgerichtet.
Ich bin überzeugt, daß die Menschen bereit sind, für eine gesunde Umwelt und auch für eine moderne Sozialpolitik materielle Opfer zu bringen. Aber natürlich darf das nicht auf dem Rücken der ohnehin schon Benachteiligten ausgetragen werden. Deswegen sind in unserem Konzept Ausgleichszahlungen vorgesehen. Ich nenne noch einmal als Beispiel Zahlungen an Schwerbehinderte, damit der Wegfall der Kraftfahrzeugsteuer ausgeglichen wird. Weitere Beispiele sind eine geänderte Fernpendler- und Entfernungspauschale. Wir werden dafür sorgen, daß diejenigen, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, Transferleistungen erhalten, weil sich bei ihnen die veränderten Grundfreibeträge nicht direkt auswirken. Das ist eine gelungene Kombination aus ökologischem und sozialpolitischem Umbau.
({8})
Die Diskussionen der letzten Wochen haben klar gezeigt, daß weder CDU/CSU noch FDP die Fähigkeit und den Willen haben, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Ihre Äußerungen - auch die, die Sie heute gemacht haben - sind, was die Perspektive betrifft, mut- und kraftlos. Was diese Gesellschaft braucht, ist hingegen ein mutiges Bekenntnis zur Veränderung. Genau diesen Mut bringt die Sozialdemokratie auf.
({9})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Jobst.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn sich Herr Kollege Dreßler heute sehr allgemein über das Zukunftsprogramm der SPD eingelassen hat, dann hat das, glaube ich, seine guten Gründe; denn er hat ja wie der Kollege Rappe von der SPD gewarnt, daß dieses Programm reichlich romantisch ausgestattet sei.
Die massive Verteuerung des Benzins, die die SPD vorhat, ist ganz eindeutig eine Kriegserklärung an den ländlichen Raum, ruiniert das deutsche Fernverkehrsgewerbe, blutet die deutschen Seehäfen aus.
({0})
Dieses Programm bringt nicht Fortschritt, sondern es ist Rückschritt für unser Land. Dieses Programm der SPD entspringt einer autofeindlichen Ideologie mit dem Ziel einer Umverteilung zu Lasten der Autofahrer.
Das Auto wird von Ihnen von der SPD verteufelt, obwohl die Menschen in unserem Land immer mehr Autos kaufen. Wir müssen davon ausgehen, daß unsere Gesellschaft mit dem Auto leben muß und auf das Auto angewiesen ist. Das wird so bleiben. Die Entwicklung der ländlichen Räume und unserer Ferienverkehrsgebiete wäre ohne Straßen, ohne Lkw und ohne Pkw nicht möglich gewesen. Die Menschen hätten abwandern müssen. Wir hätten die Arbeitsplätze und die Betriebsansiedlungen in den ländlichen Räumen nicht erreicht, und die Probleme in den Ballungsräumen wären weit größer geworden. Das Auto ist also unverzichtbar. Wer dies nicht sieht, treibt eine realitätsferne, schädliche, grenzlandfeindliche und ungerechte Politik.
Die Bürger und die Wirtschaft in den ländlichen Räumen, insbesondere die Berufs- und die Fernpendler, würden durch diese massive Besteuerung des Benzins schwer getroffen und bestraft werden. Ganze Betriebsstandorte würden kaputtgehen. Der Ausgleich über Kilometerpauschale bei der Einkommen-oder Lohnsteuer, den Sie ankündigen, kann nur in unzureichender Weise erfolgen. Diejenigen, die keine oder nur wenig Steuern zahlen, bekämen nur Belastungen und keine Entlastung.
({1})
Das deutsche Fernverkehrsgewerbe würde aus dem Markt geworfen und die Seehäfen würden ausbluten, weil die Transporte in die Niederlande um mehrere 100 DM billiger als zu den deutschen Seehäfen wären.
Wer solche Steuern erfindet, dem fehlt wirklich jeder ökonomische Sachverstand, wie Ihr früherer Bundesfinanzminister Apel ausgeführt hat.
Und da stellt sich der Herr Lafontaine hier her und spricht von Wiederherstellung der sozialen Gerechtigkeit. Was Sie wollen, Herr Lafontaine, ist doch ganz einfach: den Bürgern, den Autofahrern in die Tasche greifen.
Vor Ort redet die SPD ganz anders. Es ist eine doppelzüngige, eine heuchlerische Politik, die getrieben wird. Vor Ort fordern Sie die Erhöhung der Mittel für
den Bundesfernstraßenbau und eine bessere Verkehrsinfrastruktur. Hier im Deutschen Bundestag stellen Sie Anträge auf Kürzung der Mittel.
Die gleiche Heuchelei erleben wir bei der Diskussion über das Tempolimit. Verkehrssicherheit ist für uns eine zentrale Aufgabe. Aber ich frage Sie nur, Herr Lafontaine, der Sie sicher mit einem schweren Wagen hierher gefahren sind, mit welcher Geschwindigkeit Sie von Saarbrücken nach Bonn gefahren sind.
({2})
Die Richtgeschwindigkeit, die wir haben, hat sich bewährt.
Auch dies muß festgestellt werden: Die meisten Kilometer an Autobahnen sind in Ihrer Verantwortung von 1966 bis 1988 gebaut worden.
({3})
Weiteres Wachstum und steigende Umweltbelastung sind eine Herausforderung unserer Zeit. Wir reden nicht nur von Umweltschutz. Wir handeln auch.
Unser verkehrspolitisches Ziel ist es, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Die Bahn, die in der Zeit der SPD zu einem Auslaufbetrieb degradiert wurde, muß wieder leistungsfähiger und attraktiver werden.
({4})
Wir sind dazu auf dem besten Weg dank der Vorstellungen der Unternehmensführung und dank der mutigen politischen Entscheidungen. Wir wissen alle: Dies ist nur mittelfristig und langfristig zu erreichen.
Wenn Sie hier in massiver Weise die Autofahrer belasten wollen, sollten wir eines nicht übersehen: Jeder vierte Arbeitsplatz in unserem Land hängt von der Automobilindustrie ab. Zehntausende von Arbeitsplätzen bringen Sie mit Ihren Vorschlägen in Gefahr.
Dem deutschen Bürger wird deutlich, was bei einem rot-grünen Bündnis auf uns zukäme: die Zerstörung wichtiger Grundlagen unserer Wirtschaft und die Gefährdung unserer Arbeitsplätze.
Wir brauchen eine Politik der Vernunft, nicht der ideologischen Verblendung, und einen vernünftigen Ausgleich zwischen den Notwendigkeiten des Umweltschutzes und der Wirtschaft.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Roth.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für diesen Sonderparteitag der SPD mit Gästen im Plenum im Deutschen Bundestag!
({0})
Wir konnten unser Konzept breit darstellen.
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Übrigens, Herr Ministerpräsident, der Initiator dieser Aktuellen Stunde, Herr Wissmann, hat sich klammheimlich nach Ihrer Rede aus dem Saal geschlichen.
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So wirkungsvoll war das.
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Meine Damen und Herren, diese Debatte hat doch gezeigt, daß Preise als Instrument zur Umsteuerung in einer schwierigen ökologischen Situation unverzichtbar sind und daß natürlich auch Energiepreise - es sind nicht nur Mineralölpreise, sondern durchweg Energiepreise - ein wichtiges Element darstellen, um ökologisch umzusteuern. Mein Vorredner hat offenbar noch gar nicht gemerkt, was im Verkehrsbereich der Bundesrepublik Deutschland in diesem Sommer und Herbst stattgefunden hat.
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Wir sind ja nicht mehr am Rande eines Verkehrsinfarkts, sondern er findet jedes Wochenende statt, und dort die Preise als Steuerungselement abzulehnen verstärkt das Chaos und bedeutet den Verzicht auf Politik.
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Es ist durchaus ungewöhnlich - das gebe ich zu -, ein Jahr vor einem Wahltag klar zu sagen: Wir sind auch bereit, aus Umweltgründen Steuern zu erhöhen. Das hat bisher noch keine Partei in der Bundesrepublik Deutschland vor Wahlkämpfen gewagt. Aber wir glauben, daß dies notwendig ist, und zwar notwendig von der Sache, aber auch notwendig von der Glaubwürdigkeit der Politik her. Wir haben die Bereitschaft, an der Stelle den Bürgern zu sagen, daß wir in Teilbereichen weniger Verkehr wollen und dies notfalls auch über den Preis erzwingen wollen. Das gehört zur Glaubwürdigkeit der Politik.
Im übrigen, Herr Jobst, zu der Frage, ob das Auto überhaupt noch ein taugliches Instrument zur Fortbewegung in Zukunft sein wird: Soweit sind wir doch. Sie sagen hier, das Auto ist für den ländlichen Raum unverzichtbar. Das ist völlig richtig, aber dann muß man dem Auto auch den Bewegungsspielraum lassen, der notwendig ist, damit es überhaupt noch bewegt werden kann.
Zum ländlichen Raum, weil Sie sich da als Lobbyist aufgeführt haben: In diesem Konzept wird eine Fernpendlerpauschale vorgesehen, in diesem Konzept wird eine Entfernungspauschale vorgesehen, d. h. derjenige, der notwendigerweise auf das Auto angewiesen ist,
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wird natürlich entlastet und wird natürlich in seiner Bewegungsfähigkeit gefördert.
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Das ist eine Position, die meines Erachtens gerade auch dem ländlichen Raum hilft.
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Das Gesamtkonzept enthält natürlich auch eine Veränderung der Verkehrspolitik. Wir brauchen den Ausbau des Nahverkehrs und müssen auch mithelfen, den Ferntransport, der den Bewegungsspielraum auf unseren Autobahnen derzeit zerstört, wieder auf die Schiene zu bringen. Diese Investitionen müssen finanziert werden, und da haben wir den Mut, dem Bürger zu sagen: Das kostet Geld, das kostet Öko-Steuern. Dazu stehen wir, das werden wir durchsetzen, zuerst natürlich gegen Widerstände auch in unseren eigenen Reihen, selbstverständlich. Eine Diskussion hat sich die SPD immer geleistet. Dies werden wir durchsetzen auf unserem Parteitag, im Wahlprogramm und dann im Bundestag mit einer neuen Mehrheit.
Vielen Dank für Ihre Hilfe heute; es war ein ganz guter Start für uns im Plenum.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Lippold.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Roth hat gerade davon gesprochen, daß er die Chance erhalten habe, das Konzept der SPD klar vorzustellen. Herr Dreßler war in der Formulierung schon etwas vorsichtiger und hat von dem im Entstehen begriffenen Konzept gesprochen. Nun setzt ein Konzept natürlich, Herr Dreßler, eine gewisse Schlüssigkeit und eine gewisse logische Konsistenz voraus. Ich will mich jetzt mal nicht selbst damit auseinandersetzen, sondern nur mal so die Schlagzeilen und Titelzeilen aus den letzten Wochen zitieren. Da heißt es: „Programm der SPD mißfällt auch bayerischen Genossen." Das gleiche könnte ich zitieren für Baden-Württemberg, das gleiche könnte ich zitieren für Schleswig-Holstein.
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Darin steht: „SPD streitet weiter um Umweltkonzept!" Darin steht: „Apel gegen Erhöhung der Benzinsteuer" , „Höhere Mineralölsteuer in der SPD strittig" . Herr Ehrenberg, wie heute schon angesprochen, kritisiert in der eigenen Fraktion diese Vorstellung als völlig unzureichend, unzutreffend, als fehlgreifend.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun haben sich natürlich auch andere führende Politiker mit den Vorstellungen der Kritiker in den eigenen Reihen auseinandergesetzt. Ich habe von Herrn Engholm gelesen, was er zu Apels Einlassungen gesagt hat: Er hat sie eine pessimistische Variante mit hoher Wahrscheinlichkeit genannt.
Was ist an diesem Ganzen Konzept? Was ist daran wirklich Konzept? Wir müssen uns heute damit bef assen, weil Sie mit dem, was Sie aussagen, von vermeintlich kräftig sprudelnden Quellen sprechen -„les fontaines", nicht Lafontaine. Ich glaube aber, daß diese vermeintlich sprudelnden Quellen versiegen, bevor sie überhaupt das, was Sie verteilungsmäßig beabsichtigt haben, erreichen können.
Ihr potentieller Koalitionspartner, Schloßgesprächspartner, hat Ihnen gerade noch einmal deutlich vorgehalten - ich brauche immer noch nicht die eigenen Reihen zu zitieren - : Das Aufkommen aus den Steuern soll gegen Null tendieren.
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- Im optimalen Fall. Im weniger optimalen Fall würde das heißen: auf die Hälfte. Wenn dem aber so ist, Herr Kleinert, dann wäre das ein umweltpolitischer Erfolg.
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Nur, dann wäre die gesamte Verteilungsdiskussion völlig unsolide, völlig unhaltbar, und dann hätte Herr Lafontaine vorhin zu 99 % über Dinge gesprochen, die er nach Ihrer eigenen Aussage überhaupt nicht einhalten kann, wenn das Papier ökologisch überhaupt etwas wert sein soll.
Sie haben völlig recht, Herr Kleinert: Es ist ökologisch nichts wert. Wir haben schon darüber diskutiert, Herr Schäfer, und Sie sehen in den Diskussionen nicht gut aus: Entweder sprudeln die Einnahmequellen - dann ist das ökologische Ziel verfehlt -, oder die Einnahmequellen sprudeln nicht - dann ist Ihre Sozialpolitik eine Seifenblase, die platzt, bevor sie richtig aufgeblasen ist.
Das heißt, was Sie haben, ist kein Konzept. Sie haben lediglich die Vorstellung, daß man mit neuen verteilungspolitischen Träumen eventuell Wähler betören könnte, und das Ganze nennen Sie ökologischen Umbau der Marktwirtschaft.
Ich darf auf eine andere Position eingehen. Herr Kleinert ist davon ausgegangen, daß die Bilanz dieser Bundesregierung umweltpolitisch ungenügend sei. Herr Töpfer hat gerade die verschiedenen Positionen skizziert. All das, was wir gemacht haben und was dankenswerterweise gemacht wurde, hat Erfolge gezeitigt. Auch da verweise ich nicht auf Zeugen aus den eigenen Reihen.
Schon vor längerer Zeit habe ich Ihnen mehrfach in diesem Hause vorgehalten, daß Sie, wenn Sie unsere Umweltpolitik kritisieren, immer vergessen, was Herr Matthiesen zum Erfolg unserer Luftreinhaltepolitik gesagt hat und was sie für einen Beitrag zum Gesundheitsschutz leistet. Er hat sich jetzt erfreulicherweise dazu geäußert - das tun Sie nicht - , was wir für die Gewässerreinhaltung leisten; denn er hat jetzt nach langen Diskussionen endlich zur Kenntnis genommen, wie wir z. B. die Schwermetallbelastung in den Flüssen gesenkt haben. Er hat endlich einmal die Prozentsätze, die Sie in diesem Hause, wenn ich sie zitiert habe, angegriffen haben, dargestellt. Jetzt frage ich: Kritisieren Sie auch die Matthiesen-Ansätze bei den Erfolgen in der Gewässerreinhaltung, in der Reinhaltung unserer Flüsse? - Nein, das ist völlig falsch.
Unsere Umstrukturierung im Umweltbereich ist einerseits auf Ordnungsrecht gestützt. - Übrigens, Herr Lafontaine, wenn Sie sagen, das sei unser Bier: Gehen Sie doch einmal in die Ausschußdiskussionen
Dr. Lippold ({3})
Ihrer Partei. Jedesmal, wenn wir ordnungsrechtliche Vorstellungen entwickeln, sagen Ihre Freunde, das sei nicht weitgehend genug. - Also, diese klare Polarisierung, wie Sie sie versucht haben, ist nicht zutreffend. Wir haben eine erfolgreiche ökologische Politik. Wir werden diese Politik weitermachen, und wir werden genüßlich abwarten, wie Sie sich weiter streiten. Ich glaube, es wird am Ende eh nicht mehr herauskommen als jetzt, nämlich kaum etwas.
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Meine Damen und Herren, damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für morgen, Donnerstag, 19. Oktober, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.