Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
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Meine Damen und Herren, große Trauer und tiefe Bestürzung hat bei uns die Nachricht vom Absturz einer polnischen Verkehrsmaschine bei Warschau in der vorigen Woche ausgelöst. Dabei kamen 183 Menschen ums Leben.
Wir nehmen Anteil an dem Leid und der Trauer der vom Unglück betroffenen Familien, von deren Angehörigen und Freunden. Dem polnischen Volk, seinem Parlament und seiner Regierung spreche ich, wie der Präsident dies gegenüber dem Marschall des Sejm bereits getan hat, im Namen des Deutschen Bundestages auch von dieser Stelle aus noch einmal unsere tief empfundene Anteilnahme aus.
Sie haben sich zu Ehren der Toten erhoben. Ich danke Ihnen dafür.
Vor Eintritt in unsere Tagesordnung möchte ich unserer Kollegin Frau Weyel - allerdings in ihrer Abwesenheit - zu ihrem 60. Geburtstag gratulieren, den sie gestern gehabt hat.
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Vielleicht kann man ihr das übermitteln.
Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung sollen im Rahmen des Tagesordnungspunktes 2 auch die Anträge der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 11/296 - sowie der Fraktionen der CDU/CSU und FDP - Drucksache 11/298 - in verbundener Beratung von insgesamt einer Stunde behandelt werden. Sind Sie mit dieser Erweiterung der Tagesordnung einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2, d. h. die folgenden Anträge in der Reihenfolge ihres Eingangs auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Apel, Roth, Bahr, Frau Blunck, Börnsen ({2}), Dreßler, Duve, Dr. Ehrenberg, Ewen, Frau Faße, Gansel, Graf Grunenberg, Dr. Hauchler, Heyenn, Hiller ({3}), Jansen, Dr. Jens, Jungmann, Klose, Koschnick, Kuhlwein, Dr. Niese, Paterna, Schütz, Frau Simonis, Frau Terborg, Tietjen, Waltemathe, Würtz, Zumkley, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Erhaltung der Arbeitsplätze bei den deutschen Werften
- Drucksache 11/228 Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN
Sicherung von Werftarbeitsplätzen und -standorten
- Drucksache 11/296 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP
Lage der deutschen Schiffbauindustrie
- Drucksache 11/298 Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die gemeinsame Beratung dieser Anträge eine Stunde vorgesehen. - Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Simonis.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Lage der deutschen Schiffbauindustrie spitzt sich katastrophal zu. Für viele kleine und mittlere Werftbetriebe, insbesondere in Schleswig-Holstein, wird die Situation immer hoffnungsloser. Und in seltener Einmütigkeit beurteilen die Landtagsfraktionen im schleswig-holsteinischen Landtag in einer gemeinsamen Entschließung, die Landeszentralbank in Schleswig-Holstein, der Verband der Schiffbauunternehmer, Gewerkschafter und Arbeitnehmer die Situation übereinstimmend. Das ist nicht das Ergebnis augenzwinkernder Zusammenarbeit, um in Bonn Geld lockerzumachen, sondern die Lage ist in der Tat dramatisch.
1986 war der Höhepunkt einer schon länger anhaltenden Schiffbaukrise. Im ersten Quartal dieses Jahres deutet sich leider keineswegs eine Verbesserung an, sondern mit spektakulären Werftinsolvenzen, umfangreichen Entlassungen und zunehmender Kurzarbeit eine Tendenz zum Schlechteren. Die Aufträge gingen gegenüber dem Vorjahr zurück, und zwar auf ein Drittel - , von 1 Milliarde auf 336 Millionen DM - wobei sich diese wenigen Aufträge nur noch auf sechs Werften konzentrierten. Kleine und
mittelständische Werften konnten lediglich 3 % des Auftragsvolumens für sich sichern.
Die Zahl der Beschäftigten ging zurück. Gegenüber 1985 waren es wieder 6 000 Mitarbeiter, die ihre Arbeitsplätze verloren haben. Im März 1987 war auf den Werften in den vier Küstenländern für fast 10 000 Menschen Kurzarbeit angemeldet, und in den nächsten Monaten ist keine Verbesserung zu erwarten.
In Schleswig-Holstein ging 1986 jeder siebte Arbeitsplatz im Schiffbau verloren. Am Jahresende beschäftigten die schleswig-holsteinischen Werften knapp 10 000 Mitarbeiter - das sind 1 900 weniger als vor zwölf Monaten - , und von diesen waren wiederum knapp ein Drittel in Kurzarbeit, wobei sich auch hier eine Verbesserung nicht andeutet.
Dies ist keine Entwicklung, die vom Himmel herabgefallen ist, sondern sie ist seit Jahren absehbar. Und seit Jahren fordern die SPD und die Gewerkschaften ein längerfristig angelegtes Küstenstrukturprogramm, um die Schwächen der vier norddeutschen Küstenländer wirksam zu bekämpfen, um zukunftssichere Beschäftigung zu garantieren.
Die schleswig-holsteinische SPD hat durch ihren Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Björn Engholm, ein Fünfjahreshilfsprogramm für die Küste aufgelegt, das Aussagen zu den Werftstandorten, zu Strukturverbesserungen und zusätzlichen öffentlichen Beschäftigungsanstrengungen zusammenfaßt. Die Wirtschaftsminister der vier norddeutschen Küstenländer haben in einer gemeinsamen Erklärung über alle Parteigrenzen hinweg dringlich Hilfe von Bonn gefordert, weil das Nichtstun der Bundesregierung den Wettlauf der Werften in den Ruin beschleunigt. Der ehemalige Wirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Westphal, dessen Rücktritt weiß Gott kein Regiefehler war, hat im „Flensburger Tageblatt" vom 15. August 1986 beklagt, daß es beim Bund kein eindeutiges Konzept gebe, ob und wieviel Schiffbau für die Bundesrepublik nötig sei. Ich stelle fest: Der Mann hatte und hat immer noch recht.
Nach langem ideologisch bedingtem Ringen, entschließt sich die Bundesregierung 1986, ganze 420 Millionen DM an Strukturhilfe für die Schaffung neuer Arbeitsplätze für die vier Küstenländer zur Verfügung zu stellen. Allein um ein einziges Automobilwerk an einem einzigen Ort in Baden-Württemberg anzusiedeln, stellt die baden-württembergische Regierung im gleichen Zeitraum mehr als 140 Millionen DM zur Verfügung. Und der Neubau einer Musik- und Kulturhalle in Lübeck kostet 60 Millionen DM. Das ist mehr als die Hälfte dessen, was das Land Schleswig-Holstein in zwei Jahren vom Finanzminister zugestanden bekommen hat.
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- Aber Arbeitsplätze schaden noch weniger als Kultur!
Kleckern statt klotzen ist die Devise der Regierung. Entsprechend sind die Resultate. Die Arbeitslosigkeit im Norden nimmt zu.
Die Bundesregierung stimmt zwar per 1. Januar 1987 der EG-Richtlinie über Schiffbauhilfen, die den Mitgliedstaaten erlaubt, für Inlands- und Auslandsaufträge Produktionshilfe bis zu einer Höhe von 28 % zu gewähren, zu und erklärt dann augenzwinkernd, 28 % kämen nicht in Frage, weil ja - so Bangemann - die Obergrenze nicht bedeute, daß man bis dahin fördern muß, sondern nur, daß man es darf, und beläßt den Fördersatz bei 12,5 %. Herr Bangemann, Sie sind ein verbalpolitischer Haarspalter und weiß Gott kein Wirtschaftsminister.
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Niemand wirft der Bundesregierung vor, sie sei für die Misere auf dem Weltschiffbaumarkt verantwortlich. Frachtratenverfall, der Sturzflug des Dollars, Übertonnage auf dem Weltmarkt sind nicht von der Bundesregierung verursacht. Aber von ihr verursacht und zu verantworten sind die strukturpolitischen Versäumnisse, die in einzelnen Regionen im Norden dazu geführt haben, daß die Schiffbaukrise soziale Katastrophen für Arbeitnehmer und ihre Familien bedeutet. Andere Länder in der EG haben die Krise des Weltschiffbaumarkts als ihre eigene nationale Aufgabe begriffen, für die man sich anstrengen muß. Die Bundesregierung begreift überhaupt nichts.
Während in Schleswig-Holstein und im Norden die Arbeitslosigkeit dramatisch zunimmt, macht der Bundeswirtschaftsminister kurz nach der Bundestagswahl energisch darauf aufmerksam, daß an eine Verbesserung der Hilfen für die Werftindustrie nicht gedacht werden kann. Den ideologisch-fiskalistischen Unterbau liefert der Finanzminister, Vorsitzender der CDU in Schleswig-Holstein und als ehemaliger Ministerpräsident mitverantwortlich für die besorgniserregende Strukturschwäche und die Schuldensituation des nördlichsten Bundeslandes.
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Wir, die SPD, haben kein Interesse daran, daß nur einige wenige Großwerften erhalten bleiben. Wir wollen nicht zusehen, wie die kleinen und mittelständischen Betriebe vor die Hunde gehen. Wir haben nicht wie Sie an die Stelle von ökonomischem Sachverstand eine fiskalistische Registrierkasse gesetzt, bei der am Ende das Totsparen auch noch als politischer Sieg gefeiert wird. Denn natürlich können die Mittel im Haushalt nicht abfließen - und Sie sagen listigerweise, Herr Bangemann, daß dies der Grund sei, weswegen Sie an den 12,5 % festhalten -, weil Sie an den 12,5 % festhalten. Das hat etwas miteinander zu tun. Falls Sie es nicht begreifen, lassen Sie es sich einmal von einem Ihrer Beamten erklären.
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Es ist auch nicht wahr, daß der deutsche Schiffbau international nicht konkurrenzfähig und zum Sterben verurteilt sei. Es ist vielmehr notwendig, daß der internationale Subventionswettlauf und die dadurch entstehenden Nachteile durch nationale Hilfen ausgeglichen werden, die die Bundesregierung zur Verfügung stellen wird. Gerade die mittelständischen Werften haben sich hohes internationales Ansehen erworben, so zum Beispiel die Schiffswerft Hugo Peters aus
Wewelsfleth, die sich mit dem Bau von Küstenmotorschiffen einen festen Kundenstamm erworben hat und die sich bei 20 %iger Förderung weiterhin auch im Ausland behaupten kann.
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- Mein Gott, sind Sie ein Zyniker. Es macht Sie nicht gerade lustig, aber es zeigt, was Sie denken.
Ähnliches gilt und galt für die Lindenau-Werft in Kiel. Diese mußte eine Woche nach der Bundestagswahl den Vergleich anmelden, weil sich die Bundesregierung geweigert hat, eine EG-konforme Förderung zuzulassen. Die Landesregierung hat sich augenzwinkernd darauf berufen, daß sie dann keine Liquidationshilfen leisten könnte. Der Unternehmer und die 400 Mitarbeiter betrachten sich als die ersten Opfer dieser unverständlichen Haltung. Auch die anderen kleinen Werften, deren Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze bangen, die Opfer gebracht haben, die freiwillig auf Lohnbestandteile verzichtet haben, müssen um ihre Arbeitsplätze weiter bangen.
Vorausschauende Regionalpolitik, die sich nicht an Wahlkampfterminen orientiert, und kurzfristige, hastige Hilfen anbietet, muß folgende Kriterien erfüllen:
Erstens. Mit Hilfe von Bund und Land müssen auf den Werften langfristig Arbeitsplätze gesichert werden. Das müssen nicht nur Schiffe sein, die hier gebaut werden, dies können genauso gut Produkte im Bereich von Öko- und Aquatechnologie sein. Damit schaffen wir uns auch Exportchancen. Aber ohne Schiffbau werden wir den Anschluß an maritime technologische Entwicklungen verlieren, wertvolles Know-how und Facharbeiterwissen geht verloren.
Zweitens. An den Werftstandorten müssen mehr Ersatzarbeitsplätze in Zusammenarbeit von Bund und Ländern zur Verfügung gestellt werden. Die 100 Millionen DM, die der Bundesfinanzminister für Schleswig-Holstein herausgerückt hat, reichen doch nicht aus, wenn man bedenkt, daß das nächste Steuersenkungspaket, mit dem Sie den Wohlverdienenden Milliardengeschenke machen, allein in Schleswig-Holstein einen Ausfall von 700 Millionen DM bedeutet, also netto 600 Millionen DM weniger in der Kasse, um krisenfeste Arbeitsplätze zu sichern.
Drittens. Wir wollen von Ihnen, daß für die Arbeitnehmer, die nicht mehr im Schiffbau tätig sein können, Umschulungshilfen und ein verbesserter Vorsorgeruhestand geleistet werden.
Wir erwarten, daß Sie sich als Eigentümer verantwortlich fühlen für das größte deutsche Schiffbauunternehmen, die Howaldtswerke in Kiel.
Im Geschäftsjahr 1982/83 waren dort noch über 11 000 Mitarbeiter tätig; heute sind es gerade noch 4 500. In Hamburg wurde die Betriebsstätte auf gegeben, und in Kiel weiß man nicht, wie es weitergeht.
Mit dem Verkauf von dem Hamburger Unternehmensteil geht eine Strategie von Ihnen auf, die im Grunde genommen eine Ausschlachtungsstrategie ist. Sie gliedern den Elektronikbereich, der Gewinne macht, rechtlich aus, Gerüchte gehen um, daß der Handelsschiffsneubau in Kiel eingestellt werden soll. Dann könnten Sie Ihre Ideologisierungs- und Privatisierungskampagnen umsetzen. Dies muß sich fatal für den Norden auswirken.
Wir erwarten von Ihnen, daß Sie sich als Eigentümer engagieren und deutlich machen, daß eine Privatisierung nicht in Frage kommt. Wir erwarten von Ihnen, daß HDW als Handelsschiffsneubauplatz erhalten bleibt. Wir erwarten von Ihnen, daß Sie für andere Produkte, vor allem im Stahlbaubereich, Entwicklungs- und Absatzhilfen geben. Dazu können Rauchgasentschwefelungs- und Rauchgasentstickungsanlagen gehören sowie andere Maßnahmen des Umweltschutzes, Tunnelbaumaschinen und der Brükkenbau.
Jeder Kriegsschiffbauauftrag, der nach Maßgabe unserer militärischen Verpflichtung und Sicherheit notwendig ist - damit will ich einem Ammenmärchen auf Ihrer Seite gleich begegnen - dient, das wissen wir, auch der Sicherung von Arbeitsplätzen.
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Aber die SPD lehnt in einem Gesetzentwurf, den wir unter der Federführung von Norbert Gansel eingebracht haben, die Bankrotterklärung der Wirtschaftspolitik ab, die sich darauf konzentriert, Rüstungs- und Kriegsschiffexporte zu betreiben, weil sie unter anderem auch Arbeitsplätze bedeuten. Wir wollen keine Kriegsschiffexporte in Spannungsgebiete. Wir wollen keine Exporte in menschenrechtsfeindliche Regime, und wir wollen keine Rüstungsexporte in Länder, die von uns Entwicklungshilfe bekommen. Dies haben wir in dem Gesetzentwurf klargemacht; dies hat Ihnen der Kollege Gansel mehr als tausendmal erklärt. Sie hören nur nicht zu,
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damit Sie Ihre Feindbilder aufrechterhalten können.
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Wir lehnen Ihren politischen Zickzackkurs ab, mit dem Sie vor jedem Wahlkampftermin die Arbeitnehmer zu besänftigen versuchen. 1983, zur Bundestags-/Landtagswahl, haben Sie den Erhalt aller Arbeitsplätze bei HDW versprochen. Knapp eine Woche später - Sie haben noch nicht einmal eine Schamfrist von einer Woche vergehen lassen - legen Bund und Land ein Personalabbaukonzept vor, das allein in Kiel 2 500 Werftarbeiter auf die Straße setzt. Vor der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein hat der Finanzminister im Schweinsgalopp 31 Millionen DM ohne Bedingungen der Harmstorf-Gruppe über den Tisch geschoben. Nach der Wahl weiß kein Mensch, wo das Geld ist. Die Werft ist pleite, die Arbeitnehmer sind arbeitslos.
Vor der Bundestagswahl verspricht der Bundesfinanzminister, daß die Werft Nobiskrug für mindestens 650 Mitarbeiter sichere Arbeitsplätze bietet, heute sind es noch knapp 300 Leute, 650 Menschen sind arbeitslos geworden, von denen Sie nicht mehr reden.
Vor der Bundestagswahl verspricht der Bundesfinanzminister dem Land Schleswig-Holstein, daß alle kleinen Werften erhalten bleiben. Nach der Bundestagswahl, wenige Tage später, muß Lindenau den Vergleich einleiten.
Frau Kollegin, ich muß Sie unterbrechen. Die Redezeit ist überschritten.
Ich möchte noch eine Minute sprechen. - Die Nobiskrug kann nur noch als Torso existieren. In Lübeck stellt Orenstein & Koppel den Schiffbau ein. Die Schlichting-Werft baut Arbeitsplätze ab.
Was werden Sie uns wohl zum 13. September versprechen, und was haben Sie eigentlich an Zynismus für den 14. vor?
Eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung - das können wir für Schleswig-Holstein versprechen - wird den Bund in die Pflicht nehmen. Wir werden Ihre ideologisch bedingten Sparorgien nicht mehr unterstützen. Wir werden den Menschen sagen, daß Sie die Staatskassen plündern, um Reichen Geschenke zu machen, und dann kein Geld mehr haben, um eine vernünftige Beschäftigungspolitik machen zu können.
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Ein sozialdemokratischer Finanzminister oder auch eine Finanzministerin wird in Schleswig-Holstein mit den Finanzierungstricks, mit denen Sie sich bis jetzt durchgemogelt haben, ein Ende machen und für den Norden echte Perspektiven erarbeiten.
Ich danke für Ihre große Geduld.
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Das Wort hat der Abgeordnete Bohlsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit mehr als einem Jahrzehnt befindet sich die deutsche Schiffbauindustrie in einer Strukturkrise. Durch staatliche Wachstumsförderungen sind insbesondere in Japan und Korea derart hohe Schiffbaukapazitäten aufgebaut worden, daß der Weltmarkt mit Schiffstonnage regelrecht überflutet wurde.
Die Weltschiffbaukapazitäten betragen zur Zeit ca. 18 Millionen gewichtete Bruttoregistertonnen, davon 7 Millionen in Japan, 2,5 Millionen in Korea und 4 Millionen in Westeuropa. Dem steht gegenwärtig eine Nachfrage von nur 12 bis 13 Millionen gewichteten Bruttoregistertonnen gegenüber. Nicht einmal die Aufgabe des gesamteuropäischen Schiffbaus würde das Überangebot auf dem Weltmarkt beseitigen. So ist, meine Damen und Herren, die Entscheidung für den Erhalt der Werftenstandorte vornehmlich in den norddeutschen Küstenländern eine Entscheidung unter nationalen Gesichtspunkten.
Die deutsche Werftindustrie hat ihre Neubaukapazitäten der schwierigen Marktsituation angepaßt. Da die Nachfrage zuerst bei großen Schiffen zurückgegangen war, trugen zunächst auch die Großwerften die Hauptlast der Kapazitätsanpassungen. Von 1975 bis 1985 wurden die Kapazitäten im Handelsschiffsneubau um mehr als 50 % abgebaut und die Produktion auf hochwertige Spezialschiffe konzentriert. Im Jahre 1986 bewirkten weitere Kapazitätsanpassungen den Verlust von nahezu 5 000 Arbeitsplätzen.
Hauptbetroffene waren in diesem Fall kleinere und mittlere Werften.
Trotz dieses geringen Tonnageausstoßes erweist sich die deutsche Schiffbauindustrie als Schlüsselindustrie der Küstenregion mit großer innovativer Ausstrahlung auf andere Branchen. Der deutsche Schiffsmaschinenbau und die Schiffselektronik trugen dazu bei, den Brennstoffverbrauch moderner deutscher Schiffe gegenüber zehn Jahre alten Schiffen zu halbieren. In der Automatisierung der Schiffsantriebsanlagen sind deutsche Firmen ebenso führend wie im Bereich der Meß-, Regel- und Navigationstechnik. Erinnern will ich hierbei an das hervorragende Knowhow deutscher Werften bei den Fähren, bei den Fahrgastschiffen, bei den Unterseebooten im Off-ShoreBereich, in der Eisbrechtechnik, im Sonderschiffbau. Hier haben deutsche Ingenieure und Techniker sowie unsere deutschen Facharbeiter Hervorragendes geleistet.
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Als im Jahre 1986 ein krasser Auftragseinbruch bei der deutschen Schiffbauindustrie zu verzeichnen war, wurde kurzfristig - und das war ein schnelles Handeln der Bundesregierung - eine Erhöhung der Reedereibeihilfen für Schiffsumbauten auf 20 % von der Regierungskoalition hier mitgetragen.
Im ersten Quartal des Jahres 1987 spitzte sich der Auftragsrückgang gegenüber dem Vorjahr erneut zu. Nach Einschätzung des Verbandes der Deutschen Schiffbauindustrie haben die deutschen Werften in diesem Zeitraum allein Aufträge in einem Volumen von über 1 Milliarde DM an ausländische Konkurrenz verloren.
Antragsschluß für die Inanspruchnahme der Reedereibeihilfen für Schiffsneubau und -umbauten war der 31. März dieses Jahres. Bereits am 2. April ließ sich der Gesprächskreis „Küstenfragen" der CDU/CSU-Bundestagsfraktion durch den Vertreter des Bundesverkehrsministers über den Abfluß der bereitgestellten Fördermittel informieren. Wegen der noch unzureichenden Inanspruchnahme der bereitgestellten Mittel wurde vom Verkehrsministerium die Zusage gegeben, die Antragsfrist bis in den April zu verlängern. Am 4. Mai ließen sich Teilnehmer des Gesprächskreises Küstenfragen in Hamburg in Gesprächen mit dem Deutschen Reederverband wie auch mit dem Verband der Deutschen Schiffbauindustrie über die aktuelle Situation berichten. Bereits am 7. Mai wurde im Gesprächskreis Küstenfragen ein Antrag zur Umschichtung der nicht in Anspruch genommenen Reederbeihilfen formuliert mit der Forderung, das vorhandene Instrumentarium im Rahmen der Haushaltsansätze effizienter einzusetzen und zum Ausgleich der vom Ausland gewährten Schiffbausubventionen die Hilfen für an deutsche Werften erteilte Aufträge auf 20 % zu erhöhen.
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Mit dem heute von der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion eingebrachten Antrag wird das Einvernehmen zwischen den Koalitionsfraktionen bekundet, den Schiffbauzuschuß erstens auch für Exportaufträge zugänglich zu machen und zweitens die bisherige
Förderung von 12,5 % bis auf 20 % zu erhöhen. Hierbei spricht unsere Fraktion die Erwartung aus, daß diese 20 % voll ausgeschöpft werden.
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Dabei wird die Bundesregierung aufgefordert, die Änderung dieses Werftenförderinstrumentariums so zu gestalten, daß die deutschen Werften sofort, also noch in diesem Haushaltsjahr, in den Genuß dieser Förderung kommen.
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Die bisherigen Maßnahmen zur Strukturverbesserung wie Finanzhilfen an die Küstenländer zur Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen und die Bereitstellung von Sondermitteln für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" sind hiervon nicht betroffen und werden im bisherigen Umfang fortgesetzt. Außerdem werden die von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP wieder eingeführten Finanzbeiträge für Reeder, die seinerzeit von der SPD gestrichen wurden, beibehalten. Durch die Öffnung zugunsten von Exportaufträgen für die Werftindustrie entsteht ein dringender Handlungsbedarf zugunsten der deutschen Reeder, und darauf möchte ich aufmerksam machen.
Eine gesunde wettbewerbsfähige deutsche Seeschiffahrt dient nicht zuletzt dem Bestand der Werftindustrie. Daher sollte die Bundesregierung im Bereich der Schiffahrt - und das sind drei Forderungen - erstens steuerliche Entlastungen auf den Weg bringen, zweitens die Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EG harmonisieren und drittens die Schiffsbesetzungsordnung an heutige Besatzungserfordernisse anpassen. Diese Thematik wurde heute auch im Verkehrsausschuß angesprochen, als wir die Aussprache zum Bericht des Bundesverkehrsministers hatten.
Anzuregen wäre in diesem Zusammenhang, einen Prüfungsauftrag an die Bundesregierung zu erteilen, die Vor- und Nachteile eines zweiten Registers, wie es zum 1. Juli 1987 in Norwegen wirksam wird, auch mit Blick auf eine eventuelle entsprechende Anwendung in der Bundesrepublik zu überprüfen.
Ich komme zum Schluß, Herr Präsident, und möchte daran erinnern, daß wir für das Haushaltsjahr 1987 erhöhte Finanzbeiträge an Reeder in Höhe von 160 Millionen DM statt bisher 80 Millionen DM unabhängig von ihren Investitionsausgaben zu gewähren beabsichtigen.
Meine Damen und Herren, ich bitte, dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zuzustimmen; denn die Lage in der deutschen Schiffbauindustrie erfordert ein schnelles Handeln, damit weitere Einbrüche verhindert werden.
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Wir müssen die Anträge der SPD und der GRÜNEN ablehnen.
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Ich bitte um Zustimmung zu unseren Anträgen.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Beck-Oberdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Diskussion um die nationale Umsetzung der 6. EG-SchiffbaubeihilfeRichtlinie handelt es sich um eine Debatte um eine Soforthilfe wegen der alarmierenden Zuspitzung der Situation an der Küste. Es geht hier weniger um eine Diskussion über eine Gesamtkonzeption für die Werften oder die regionale Küstenstruktur insgesamt.
Es ist interessant, daß in einer Debatte im Oktober 1986 in diesem Hause von den Herren Abgeordneten Metz und Dr. Weng sehr unverblümt geäußert worden ist, daß sie eigentlich überhaupt nicht daran glauben, daß es eine Gesamtkonzeption zur Lösung der Werftenkrise geben könne.
Ich finde, vor diesem Hintergrund müssen wir hier diskutieren. Denn eines wollen wir als GRÜNE besonders deutlich machen, auch wenn wir diesen Antrag über die Erhöhung der Sofortsubvention unterstützen: Selbstverständlich gehen wir davon aus, daß Subventionen, wenn sie nur der Festschreibung der jetzigen Werftenpolitik dienen, unsinnig sind und zu nichts anderem führen werden, als daß wir hier von Jahr zu Jahr über neue Subventionen verhandeln. Es geht also eigentlich um eine Diskussion um die Gestaltung der zukünftigen Werftenpolitik und der Küstenstrukturpolitik. Traurig ist dabei allerdings, daß im Zeitraum von 1960 bis 1982 12 Milliarden DM an Subventionen in die Werften geflossen sind, ohne daß damit Strukturpolitik betrieben worden ist. Das Geld ist weg. Jetzt ist der Punkt, an dem gesagt wird: Für die Soforthilfe ist nichts mehr da; wir müssen die Werften leider kaputtgehen lassen, weil in der vergangenen Zeit keine vorausschauende Politik gemacht worden ist.
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Unsere Forderung zur Soforthilfe ist also mit dem Gedanken verknüpft, daß die Werften jetzt erhalten werden müssen, um Zeit für deren notwendige Umstrukturierung zu gewinnen. Es ist völlig unsinnig, wenn der Oberstratege der freien Marktwirtschaft in der Person von Herrn Minister Bangemann diesen Umstrukturierungsprozeß sehr beschönigend als „Gesundschrumpfung" bezeichnet. „Gesundschrumpfung" heißt natürlich nichts anderes, als daß die Werften kaputtgehen sollen; denn er hat die Ideologie vom freien Spiel der Kräfte auf dem Markt vertreten, wobei selbst die Kollegen aus seiner Koalition - das kann man in Debattenbeiträgen, auch in den Landtagen, nachlesen - ihm sagen, daß er nichts von freiem Markt verstanden hat; denn im Schiffbaubereich gibt es natürlich überhaupt keinen freien Markt mehr. Das weiß inzwischen jeder, der nur Zeitung liest.
Jetzt aber auch zu der Diskussion mit der SPD: Von der SPD wird jetzt Umstrukturierung angeboten, ein Begriff, unter dem sie „Ersatzarbeitsplätze schaffen" versteht. Das ist eine genauso gefährliche Argumen692
tation; denn Ersatzarbeitsplätze schaffen heißt auch Kapazitätsabbau. Die Länder, auch die SPD-regierten Länder, haben, als die Finanzspritzen vom Bund über den Art. 104a GG kamen, die Kröte geschluckt, daß das mit der Forderung nach Kapazitätsabbau im Werftenbereich verbunden wurde. Es heißt also auch für sie: Kaputtmachen der bestehenden Produktionsstrukturen und dann nebenan auf der grünen Wiese neue Gewerbe - und sie denken dabei vor allen Dingen an High-Tech - aufbauen.
Seit den großen Werfteneinbrüchen hat aber eine Debatte über die sinnvolle Zukunft der Werften begonnen. Sie wird in den Betrieben, von den Gewerkschaften und auch in den Parteien geführt. Da ist Voraussetzung und Grundgedanke: Erhalt der Standorte, der Produktionsstätten, der Arbeitsplätze, des hochqualifizierten Know-how, welches es auf den Werften gibt, und Nutzung all dieses Potentials zu einem Produktionsumbau - und nicht Erhalt dieser Produktionsstätten, wie das der Wirtschaftsminister Lenz in Bremen auch ganz unverblümt zugibt, bis das Tal durchschritten ist, bis zum Jahr 1990/91, wenn der neue Fregattenbau der NATO ansteht ({1})
für zivile Produktion oder Konzentration auf einen technologisch anspruchvollen Schiffbau. Dazu gehört auch, Anreize für eine Orientierung der Entwicklung von Spezialschiffbau zu geben, z. B. neue Antriebsformen zu schaffen, die energiesparender sind, einen Schiffbau herbeizuführen, der in sich umweltfreundlicher ist.
Deswegen finden Sie in unserem Antrag die wichtigen Teile 4 und 5, wo auf diese Art von Umstrukturierungsmaßnahmen im Bereich Konversion abgezielt wird, wo wir fordern, daß auch der Minister für Forschung und Technologie hier seinen Teil beizutragen hätte, nämlich durch die Bereitstellung von Geldern, um überhaupt in die Entwicklung dieser Konversionstechnologie mit einzusteigen. Ich meine die Entwicklung in Richtung auf das Schiff der Zukunft, wobei es nicht nur um die Senkung von Betriebskosten, sondern, wie eben schon gesagt, auch um die Entwicklung anderer Antriebsarten und darum geht, die Umweltbelastungen im Schiffbau, durch Schiffbau und durch Schiffbetrieb zu senken.
Dazu gehört als zweites Standbein, das sich für die Werften ankündigt und bei den vorhandenen Produktionsstrukturen auch anbietet, die Forschung und Entwicklung im Bereich alternativer, schiffbaufremder ziviler Produktion, und es gehören Vermarktungshilfen dazu, denn daß das nicht von heute auf morgen auf dem Markt konkurrieren kann, ist keine Frage; auch hier muß es Vermarktungshilfen geben. Es sind inzwischen erste Listen solcher möglichen Produktpaletten, die als schiffbaufremde Produkte auf die Werften gehören könnten, entwickelt worden. Die Frau Kollegin Simonis hat das eben schon angesprochen.
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- Wenn Sie sagen „Das ist alles Theorie", dann
haben Sie sich damit nicht beschäftigt und dann
beweisen Sie, daß Sie nur zwischen dem Wachstum
der alten Strukturen und dem Kaputtmachen wählen können,
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daß Sie sich aber nicht in die Zukunft hineindenken und sich nicht vorstellen können, was Umstrukturierung von Industrie sinnvollerweise überhaupt bedeuten könnte.
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Das Wort hat der Herr Abgeordneter Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der FDP-Bundestagsfraktion möchte ich zunächst einmal der Bundesregierung ausdrücklich Dank dafür sagen, daß sie beabsichtigt,
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den Schiffbauzuschuß von derzeit 12,5 % auf 20 % zu erhöhen und eine wirksamere Förderung auf dem Inlandsmarkt und im Schiffsexport zu ermöglichen.
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Durch diese Maßnahme wird von der Bundesregierung ein weiterer Schritt unternommen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Werften im europäischen und im internationalen Bereich wiederherzustellen. Durch die Sechste EG-Schiffbauhilferichtlinie, die am 1. Januar 1987 in Kraft getreten ist, sind bereits die hohen Subventionen anderer EG-Länder, die bis zu 50 % und mehr staatliche Förderung gewährten, auf 28 To des Auftragsvolumens reduziert worden.
Das Beispiel Großbritannien hat gezeigt, was passiert, wenn versucht wird, überhöhte Schiffbaukapazitäten gegen den Markt zu erhalten. Dort hat die Verstaatlichung der Schiffbauindustrie zur totalen Zerschlagung der mittelständischen Werften geführt. Der Lösungsansatz für diese Probleme kann auch aus ordnungspolitischen Erwägungen nicht lauten: Wir treten in einen weltweiten Subventionswettlauf ein, sondern hat zu lauten: Wir müssen erreichen, daß andere Länder ihre Subventionen abbauen. Nur dann haben die deutschen Werften wegen ihres technischen und technologischen Know-how eine reelle Chance auf dem Weltmarkt.
Der Kollege Apel hat bei der Einbringung des SPD-Antrages die Bundesregierung aufgefordert, ihren Pflichten gegenüber den Arbeitnehmern und den kleinen und mittleren Werftbetrieben nachzukommen. Ich glaube, daß die SPD hier einige Fakten ignoriert oder ganz einfach nicht wahrhaben will. Meine Damen und Herren, Sie erwecken den Eindruck, als müßte hier jemand zur Jagd getragen werden. Die Tatsachen allerdings stehen dem entgegen.
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Tatsache ist, daß die Leistungen der Bundesregierung für die Küste ganz erheblich sind.
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- Ach, Frau Unruh, Sie erinnern mich manchmal wirklich an einen Panther, an den rosaroten und an Inspektor Clouseau. Das stimmt doch nicht! Hier sind die Tatsachen:
Erstens. Im Herbst 1986 hat der Bundestag Finanzhilfen für die Küstenländer von insgesamt 300 Millionen DM beschlossen. Gleichzeitig wurden die Fördermittel im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" um 120 Millionen DM aufgestockt.
Zweitens. Die Zinszuschüsse bei Fremdwährungsfinanzierung wurden erhöht.
Drittens. Die Konditionen bei Aufträgen aus Entwicklungsländern wurden verbessert.
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Viertens. Die Zweckbestimmungen für Neubau- und Umbauhilfen wurden erweitert.
Fünftens. Die Förderung von Schiffsumbauten wurden mit einem Fördersatz von 20 % der Umbaukosten für Großumbauten erstmals eingeführt.
Sechstens. Außerdem wird der deutsche Schiffbau zur Zeit bereits durch Reederhilfe und Werfthilfe - im Haushalt 1987 sind hierfür 530 Millionen DM eingestellt - in beachtlichem Umfang gefördert. Beim Export wird den Werften über die VIII-E-Förderung der Werfthilfe zu Entwicklungshilfekonditionen eine beachtliche Unterstützung gewährt. Insgesamt muß entgegen der Behauptung der SPD festgestellt werden, daß die Bundesregierung durch ein umfangreiches Maßnahmenpaket die Wettbewerbsposition der Werften verbessert hat.
Die Bundesregierung hat mit diesen Maßnahmen auch der Tatsache Rechnung getragen, daß die notwendige Umstrukturierung und Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen die finanziellen Möglichkeiten der Länder allein überschreiten würde.
Es bleibt festzustellen - das gilt ganz allgemein -, daß die Umstrukturierungsmaßnahmen im wesentlichen vom Bund finanziert werden.
Die Lage der Schiffbauindustrie und insbesondere der kleinen und mittleren Werften hat sich in den vergangenen Monaten weiterhin verschlechtert. Der Auftragsbestand ist weiter rückläufig. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Gerade gestern hat mich eine der betroffenen mittelständischen Werften angeschrieben und darauf hingewiesen, daß sie zur Zeit in Vertragsverhandlungen stehe und zum wiederholten Male - zum drittenmal innerhalb von sechs Monaten - von einer niederländischen Werft unterboten werde. Ein Vertragsabschluß ist nur dann zu erwarten, wenn sofort geholfen wird. Dies ist kein Einzelfall.
Deshalb habe ich auch den Bundeswirtschaftsminister auf die Gefahr hingewiesen, daß auf Grund der Ankündigung, die Werfthilfe zum 1. Januar 1988 wirksam werden zu lassen, möglicherweise laufende Vertragsverhandlungen aufgeschoben und Vertragsabschlüsse zurückgestellt werden könnten. Vor diesem Hintergrund erwartet die FDP-Bundestagsfraktion, daß die Bundesregierung Möglichkeiten findet, wie aus dem vorhandenen Etat Aufträge, die schon
1987 hereingeholt werden, entsprechend gefördert werden können.
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Meine Damen und Herren, unsere Werften sind leistungsfähig. Unsere Schiffbauer können etwas. Die Bundesregierung will ihnen helfen, und der Deutsche Bundestag sollte sie dabei unterstützen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Koschnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie schnell die Zeit vergeht, wie schnell aber auch die Prognosen und Hoffnungen der Bundesregierung vergehen. Denn was ist geblieben von den vollmundigen Aussagen der Herren Bundesminister Bangemann und Stoltenberg während der Aussprache in der letzten Aktuellen Stunde zur Schiffbaupolitik am 22. Oktober letzten Jahres? Was versprach man sich nicht alles von der Bündelung der Werftförderungsmaßnahmen und der zusätzlichen von Bund und Ländern zur Verfügung zu stellenden Mittel für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, und was ist das Ergebnis?
Mit den heute vom Verband der Deutschen Schiffbauindustrie festgestellten katastrophalen Auftragseinbrüchen bei den deutschen Werften ist das Sterben vieler Meiner und mittlerer Werften verbunden, die an ihren in der Regel einwohnermäßig kleinen Standorten häufig genug die wichtigste Industriekomponente des Ortes waren und bei deren Schließung die Arbeitslosenquote auf über 20 % herauf schnellen wird.
Herr Bangemann hatte noch im Oktober 1986 betont - ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten - :
Wir wissen, daß die Schiffbauindustrie eine wichtige Schlüsselindustrie für die Küste ist. Deswegen ist eine gewisse Zahl von leistungsfähigen Werften erforderlich, die es übrigens noch gibt; denn man sollte angesichts der allgemeinen Situation nicht die Augen davor verschließen, daß es eine Reihe von mittleren und kleineren Werften gibt, die auf Grund einer vernünftigen Geschäftspolitik leistungsfähige Arbeitsplätze bieten und deswegen keine Konkurrenz zu fürchten haben .. .
Derselbe gewichtige Vertreter der Bundesregierung wird doch wohl heute zu der Einsicht gekommen sein, daß es gerade diese kleinen und mittleren Betriebe sind, die jetzt den Bach hinuntergehen.
({0})
Wenn ein so renommierter Betrieb wie der des auch wegen seiner Qualität und Tüchtigkeit im SchiffbauVerband einflußreichen Unternehmers Kurt Jansen aus Lehr nicht mehr unter vernünftigen Bedingungen
weiterarbeiten kann, dann macht das deutlich, wohin die Reise geht, wenn der Bund nicht eingreift.
Sie wissen, wir fordern nicht einfach mehr Subventionen oder das Schließen der Augen vor internationalen Entwicklungen. Wir sehen sehr wohl, was die fernöstliche Konkurrenz an Möglichkeiten hat, gegen die man nicht einfach mit Erhaltungs- und Verdrängungssubventionen arbeiten kann. Wir müssen umstrukturieren. Wohl aber sehen wir die Verzerrungen am europäischen Schiffbaumarkt; wir sehen, wie unsere Werften ihre verzweifelten Versuche um Aufträge - belegt durch schärfste Kostenkalkulationen, modernste Technik und Qualität der Arbeit - am Ende nicht erfolgreich abschließen können, weil sie gegen ein Preisangebot staatlich hochsubventionierter europäischer Konkurrenz antreten müssen und natürlich - insbesondere als kleine und mittlere Betriebe - nicht gegen die staatliche Schiffbauförderungspolitik anderer Länder gewinnen können.
Meine Herren der Bundesregierung, Sie sprechen vom freien Markt, vom internationalen Wettbewerb, von der Durchsetzungsfähigkeit kreativer Unternehmer und wollen nicht wahrhaben, daß freier Markt und Wettbewerb nur da ein wirkliches Regulativ ist, wo zumindest die staatlichen Rahmenbedingungen einheitlich gestaltet sind.
Aber das ist es ja, was uns an der Küste - und zwar ohne Unterschied der politischen Einstellung oder des gesellschaftlichen Status, ohne Differenzierungen bei den Länderregierungen, Parteien, Unternehmern wie Arbeitnehmern - so bedrängt. In der Europäischen Gemeinschaft wird immer noch unterschiedlich gefördert, sowohl der Höhe als auch der Sache nach.
Zwar hat die Bundesregierung dazu beigetragen, daß in der EG Höchstsätze vereinbart wurden, doch Herr Bangemann denkt gar nicht daran, diese Höchstsätze für unsere eigene Schiffbauförderung zu übernehmen. Er läßt die Exportaufträge für den Handelsschiffbau fast völlig ungestützt, und auch die Aufträge für die eigenen Reeder erfahren nicht die Hilfen, wie sie die anderen europäischen Länder ihren Unternehmen gewähren.
Wenn ich jetzt von meinem Kollegen Manfred Richter höre: Jetzt haben wir doch alles, jetzt tun wir doch alles!, dann kann ich nur sagen: Ja, verdammt noch mal, warum stellen Sie Anträge? Handeln Sie oder stimmen Sie unserem Antrag zu! - Das ist die Antwort.
({1})
Das Ergebnis ist jedenfalls eindeutig: Der Auftragsbestand ist weiter zurückgegangen mit katastrophalen Aussichten für viele Unternehmen. Das Sterben unserer Werften geht weiter, ja es beschleunigt sich rapide. Manche Regionen an der Küste, gerade in CDU-geführten Ländern, veröden industriell. Die Arbeitslosenzahlen schnellen beängstigend nach oben, und die Kommunen bluten allmählich aus wegen der sich daraus ergebenden sozialen Belastungen und geringeren Steuereinnahmen.
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- Ihnen muß man es dreimal und viermal sagen, bis Sie begreifen, wie es in den Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen aussieht.
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Es war kein Sozialdemokrat, sondern der langjährige Minister der CDU-Regierung Schleswig-Holsteins, Gerd Lausen, der erst vor kurzem wieder erklärte: „Wenn die schrillende Alarmglocke nicht zum Sterbeglöckchen der Schiffbauindustrie werden soll, sind rasche Staatshilfen unumgänglich." Ich rede nicht wie ein Blinder von der Farbe. Ich habe die Werftkrisen an der Weser erlebt. Ich habe festgestellt, wie sich die Bundesregierung, wie sich Herr Lambsdorff zurückgezogen haben,
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als Konzepte gefordert worden sind und sie, als wir sie geliefert hatten, nicht akzeptiert worden sind.
Sie haben damals gehofft, daß ich über die Klippe gehe. Sie haben gehofft, daß die SPD in Bremen zugrunde geht. Wir haben gekämpft - nicht um Subventionen, sondern um eine vernünftige Schiffbaukonzeption, die wir vom Bundeswirtschaftsministerium nicht bekommen haben.
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Im übrigen: Wenn die Christdemokraten jetzt Zwischenrufe machen, wundert mich das sehr. Sie haben doch etwas mehr getan als die Freien Demokraten. Sie müßten eigentlich zufrieden sein mit dem, was ich sage. Aber Sie hören ja auch nicht hin. Sie kriegen nur große Wellen mit, sehen die Arbeitslosen und möchten es nicht wahrhaben. Schrecklich genug für die Kollegen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
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- Weil sie Hoffnung hatten, nachdem Sie versagt hatten. Und wir haben mit ihnen offen gesprochen.
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Am Ende haben uns die Werftarbeiter mit 64 % gewählt, weil sie akzeptiert hatten, daß wir die Wahrheit gesagt und sie nicht belogen haben, wie es bei Ihnen der Fall war.
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Wir haben den Leuten nicht am Tage der Wahl die Wahrheit über HDW gesagt, wir haben uns vorher gestellt.
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Ich knüpfe jedenfalls an die Forderung meiner Kollegin Simonis vom 6. November 1986 im Haushaltsausschuß an, doch die über verschiedene Haushaltstitel verteilten Schiffbauförderungsmittel an einer Stelle zusammenzuführen und dann auch einheitlich und umfassender zu fördern. Ich greife auf, was meine Kollegen Gansel und Waltemathe am 25. Oktober 1986 hier gesagt haben. Obwohl Sie sagten, das sei nicht erforderlich, wir würden das schon schaffen, ist heute festzustellen: Nichts ist geschaffen worden. In
Schleswig-Holstein, in Niedersachsen, in Bremen wird es immer schlimmer; weniger in Hamburg - da ist schon bald nichts mehr.
Inzwischen haben wir - vor allem die Arbeitnehmer auf unseren Werften - erleben müssen, daß die Kollegen Gansel und Waltemathe recht hatten mit ihren Befürchtungen. Die Bundesmaßnahmen, so wie sie im Herbst 1986 konzipiert wurden, sind nicht geeignet, das Werftsterben zu beenden.
Die allgemeine Klage des Herrn Bangemann, die Subventionierung müsse ein Ende haben, ist nichts als Schall und Rauch, wenn nicht zumindest unsere Partner in der EG eine solche Politik mitvertreten. Sowenig Stahl und Kohle alleine gegen staatliche Subventionen und Förderungen anderer Länder auf Dauer bestehen können, sowenig - zumal bei der viel geringeren Kapitalausstattung - kann das unsere Schiffbauindustrie. Gesundbeten ist nicht die Antwort, sondern sofortige Hilfe des Staates ist geboten. Ich sage: sofortige Hilfe, nicht erst 1988. Unsere Werften kriegen keine Aufträge, wenn nicht sofort gehandelt wird.
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Nun kenne ich selbst die Finanzmisere unseres Staates. Ich glaube auch nicht an die unerschöpfliche Geldvermehrung unseres obersten Kassenverwalters. Ich bin deshalb mit meinen Freunden der Auffassung, daß wir nicht zunächst nach Verstärkung der Haushaltsmittel rufen, sondern die Bundesregierung auffordern sollten, jetzt und sofort sämtliche Schiffbauförderungsmittel zusammenzuführen und aus den vorhandenen, aber nur im geringen Umfange abgerufenen Mitteln die gemeinsam von allen Küstenländern geforderten 20 % für Inlands- und Auslandsaufträge im Handelsschiffneubau und -umbau zu gewähren. Nicht bis 20 %; 20 % haben wir gesagt.
({11})
Weil damit keine zusätzlichen Bundesmittel in Anspruch genommen werden, sondern die bereits bewilligten nur sofort ausgeschöpft werden können, bitte ich insonderheit die Kolleginnen und Kollegen der CDU und FDP aus den Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen, unseren Antrag zu unterstützen.
Ich gehöre nicht zu denen, die einen Spalt in die Fraktionen treiben wollen. Ich weiß aus eigener Regierungserfahrung, wie wichtig eine geschlossene Unterstützung durch die die Regierung tragenden Abgeordneten ist. Dennoch habe ich auch erlebt, daß eine Korrektur des Regierungshandelns durch das Parlament - das setzt Einsicht bei der Mehrheit voraus - von großer Bedeutung auch für die Regierung sein kann. Hier könnten wir beweisen, daß nicht zu Hause Sprüche gemacht werden und hier mit Nein gestimmt wird. Hier könnten wir die Einheit Norddeutschlands feststellen. Einmal würden wir dann so handeln, wie es die bayerischen Kollegen querbeet durch die Fraktionen tun, wenn es um um bayerische Anliegen geht: Wir würden einmal geschlossen Norddeutschland darstellen.
({12})
Uns Sozialdemokraten geht es bei unserem Antrag nicht um eine publizitätswirksame Aktion, sondern um eine konkrete Unterstützung für eine krisengeschüttelte Region, um die Sorgen von Menschen, die mit ihrer Arbeitsleistung Entscheidendes für den Wiederaufbau und die Wiederbelebung unserer Wirtschaft nach 1948 getan haben und die zu Recht darauf hoffen, daß wir sie nicht mit dem Wortgeklingel unveränderlicher Marktgesetzlichkeit im Stich lassen, sondern daß der Bundestag beweist, daß er bereit ist, auch die Bundesregierung zur sofortigen Hilfe anzutreiben.
Deswegen beantrage ich, im Antrag der sozialdemokratischen Fraktion unter a nach den Worten „im Bereich der Schiffbauhilfen" das Wort „sofort" einzusetzen.
Zweitens bitte ich im Namen meiner Fraktion um namentliche Abstimmung. Ich möchte gern sehen, wo die norddeutschen Abgeordneten bleiben.
({13})
Herr Kollege Koschnick, für das Zitieren brauchen Sie nicht mehr die Zustimmung des Präsidenten. Aber „Donnerwetter" überlegen Sie sich das nächste mal bitte.
({0})
Jetzt hat der Bundesminister für Wirtschaft das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst einmal daran erinnern, daß wir, als wir vor Monaten hier zum erstenmal über die Veränderung der Lage im Schiffbau diskutiert haben, vor dem Hintergrund eines Vorschlags diskutieren konnten, der Ihnen gemeinsam von der deutschen Schiffbauindustrie, von den Küstenländern und dem Bund unterbreitet worden ist. Damals - das war die gemeinsame Position, die auch vom Verband der Deutschen Schiffbauindustrie nicht bestritten worden ist - sind wir alle davon ausgegangen, daß im deutschen Schiffbau eine Überkapazität besteht, unabhängig von der Frage, auf welchem Subventionsniveau Schiffbau unterstützt wird, und daß das einen Abbau von 10 000 Arbeitsplätzen notwendig macht. Das war die unbezweifelte Voraussetzung, von der auch die Küstenländer, der Gutachter und die deutsche Schiffbauindustrie ausgegangen sind. Jetzt soll man nicht so tun, als ob nur die Bundesregierung diesen Abbau noch für notwendig hält. Er ist notwendig; denn die Situation der deutschen Schiffbauindustrie hat sich - das ist richtig - nicht verändert. Sie hat sich dramatisch verschlechtert. Deswegen ist diese gemeinsame Voraussetzung heute nach wie vor noch richtig.
Das zweite ist, man muß sich darüber verständigen können, was die Gründe dafür sind. Hier darf man nicht nur auf die Subventionierung in anderen Ländern verweisen. Gott sei Dank hat sich Herr Koschnick einmal aufgerafft, anzuerkennen, daß es der Bundes696
regierung gelungen ist - und zwar zum erstenmal und entgegen der Skepsis, die weit verbreitet war -, eine obere Grenze der Subventionen in der Europäischen Gemeinschaft mit 28 % des Auftragswertes einzuführen.
({0})
Ich habe in dieser Debatte gesagt - auch der französische Kollege hat es übrigens gesagt - , daß wir diese obere Grenze als eine Aufforderung zur Abwärtsbewegung derjenigen verstehen, die darüber liegen, und nicht als Aufforderung zum Aufzonen des allgemeinen Subventionsniveaus. Das würde uns überhaupt nichts nützen. Denn was solche Subventionen für Arbeitsplätze bedeuten, kann man sehr gut an den Ländern sehen, die höher subventionieren.
Wir hatten in der Bundesrepublik 1976 47 000 Arbeitsplätze im Handelsschiffneubau. Wir hatten 1985 22 000. Das ist ein Abbau von 53 %.
({1})
- Natürlich ist das fürchterlich. Aber das ist doch nicht eine Frage, die allein die Bundesregierung zu beantworten hat. Sie wissen ganz genau, daß wir in der Weltschiffstonnage einen Überhang haben, der zum Frachtverfall geführt hat - deswegen gibt es keine Neubauten - , daß wir natürlich auch in anderen Ländern Subventionen haben, daß wir beispielsweise im Lohnniveau Unterschiede haben, auf die ich noch kommen will.
({2})
Aber nun hören Sie sich wenigstens einmal die Zahlen an. Bei uns gibt es einen Abbau von 53 % , in Frankreich einen solchen von 32 500 Arbeitsplätzen auf 17 000 - das sind 46 % - , in Italien, das zugegebenermaßen das höchste Subventionsniveau in der gesamten Europäischen Gemeinschaft hat, von 22 000 auf 10 000 rund gerechnet - das sind 53 % - , in den Niederlanden von 20 000 auf 6 400 - 69 % - und in Großbritannien, wo die Schiffbauindustrie weitgehend verstaatlicht ist, von 47 000 auf 13 000, das sind 71 %. Das ist der Beweis dafür, daß man mit Subventionen keine Arbeitsplätze erhält, sondern daß jede subventionierte Industrie wettbewerbsunfähig wird und Arbeitsplätze verliert. Deswegen ist es keine Dogmatik und keine bloße marktwirtschaftliche Philosophie, die wir vertreten, wenn wir gegen Subventionierungen sind, sondern es ist die bittere Erkenntnis, daß man wettbewerbsfähig sein muß, wenn man Arbeitsplätze erhalten will.
Lassen Sie mich sagen - es hat noch niemand jetzt hier gesagt -,
({3})
was dabei auch mit berücksichtigt werden muß, was aber nicht Sache der Bundesregierung ist, sondern der Tarifparteien.
({4})
- Das ist kein Märchen, Herr Apel. Natürlich mögen Sie das nicht, denn Sie beschreiben und malen sich
eine Welt aus, in der man hohe Löhne zahlen kann und gleichzeitig dann mit Ländern wie Korea konkurrieren muß. Das kann nicht funktionieren.
({5})
- Nein, das wollen wir nicht.
({6})
- Lassen Sie mich das zu Ende bringen, Herr Apel, weil ich sowieso wenig Zeit habe.
({7})
- Herr Präsident, ich möchte keine Zwischenfragen zulassen.
({8})
- Das hat nichts mit Tapferkeit zu tun. Ihren Mut bringe ich noch allemal auf, Herr Apel; da können Sie sicher sein.
({9})
Wir haben ein Strukturprogramm für die Küste schon im Herbst des vergangenen Jahres mit Leistungen des Bundes von 300 Millionen DM und zusätzlich 120 Millionen DM der Länder, also insgesamt 420 Millionen DM zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen erarbeitet. Das ist nicht eine Subvention zur Erhaltung einer Struktur, die nicht mehr lebensfähig ist.
({10})
Denn das bleibt ja nun wahr, meine Damen und Herren: Welche Bundesregierung kann denn durch Subventionen Tarifabschlüsse ausgleichen, die überhaupt keine Rücksicht darauf nehmen, wie es dem einzelnen Betrieb geht?
({11})
Natürlich kann man 4 % Lohnerhöhung bei den grollen Betrieben der Automobilbranche wegstecken. Aber 4 % Lohnerhöhung ist eben für eine mittelständische Werft in Niedersachsen oder in Schleswig-Holstein das Aus.
({12}) Das wollen Sie auch nicht hören.
({13})
Bei dem Lohnanteil, den heute der Schiffbau immer noch hat, ist das eine erhebliche Belastung.
({14})
Wir wollen deswegen keine neuen und keine höheren Subventionen, sondern zusätzlich zu dem, was wir
bereits in diesem Strukturprogramm beschlossen haben, werden wir, wie wir das auch schon in den vergangenen Monaten gemacht haben, die vorhandenen Hilfen flexibel einsetzen. Wir haben Umbauten in die Möglichkeit der Bezuschussung mit aufgenommen. Wir sind bei dem Charakter der zu bezuschussenden Maßnahmen sehr weit gegangen, an Grenzen, die man nicht mehr überschreiten kann. Wir werden jetzt die nicht abfließenden Mittel so flexibel einsetzen, daß in der Tat, soweit es geht, solche Hilfen wirksamer werden. Wir müssen aber dabei von Daten ausgehen, die die Bundesregierung auch durch die größte Aufstockung von Hilfen nicht beeinflussen kann und die den Strukturwandel unausweichlich machen, nämlich:
Die Frachtraten sind verfallen, weil das Frachtraumangebot zu groß ist. Das ist nicht eine Entwicklung, die die Bundesregierung zu verantworten hat.
({15})
Die Reederhilfe des Bundesministers für Verkehr, bisher eine Hauptstütze für den Absatz auch der deutschen Werften, wurde 1987 nur zu einem Teil von deutschen Reedern in Anspruch genommen. Warum? Es ist dieselbe Antwort wie vorhin bei den Werften: Wenn man sich bei der ÖTV brüstet, daß man in einem Jahr zweistellige Lohnsteigerungsraten durchsetzt, dann muß man sich nicht wundern, wenn deutsche Reeder bei diesem Kostendruck ausflaggen müssen. Sie wollen nicht ausflaggen; sie werden gezwungen auszuflaggen, weil sie sonst den Kostendruck und den Wettbewerb mit anderen Reedern nicht aushalten können; das ist die traurige Wahrheit.
({16})
Wir werden, meine Damen und Herren, die Obergrenze von 28 % soweit es geht, nach unten bringen. Das heißt, wir hätten auch heute schon mit 25 % oder niedriger abgeschlossen. Aber das ist in der EG natürlich nicht so ohne weiteres durchsetzbar. Die 28 % sind jedenfalls eine Obergrenze, die uns nach meiner Ansicht einem fairen europäischen Wettbewerb aussetzt, und das wollen wir ja.
Unsere VIII-E-Hilfe war bis jetzt eine große Unterstützung . Aber andere Länder matchen diese Hilfe. Das ist ja eben das Schicksal von Subventionen: Wenn einer in irgendeinem Bereich günstiger ist als ein anderer, dauert das eine Zeitlang, und dann wird man in der gleichen Weise ausgestochen. Das kann man nur verbessern, indem man das Subventionsniveau herunterbringt; aber das erreicht man nicht, indem man es wieder aufstockt, wie es die Folge des SPD-Antrages wäre.
({17})
- Deswegen wollen wir im Rahmen eines subventions- und haushaltspolitisch vertretbaren Finanzvolumens die Hilfen so modifizieren, daß sie den Problemen wirksamer begegnen, ohne daß der Strukturwandel dadurch aufgehalten wird.
({18}): Sie kommen nicht zur EG,
Sie bleiben hier!)
Lassen Sie mich sagen, wie wir das machen werden. Wir wollen das, was wir bei den Reederhilfen einsparen und was wir gern ausgegeben hätten, wenn die Möglichkeit dazu bestanden hätte, nicht einsetzen, um eine alte Auftragshilfe wiederzubeleben, die wirkungslos ist und ein neues Instrument von Subvention wäre. Wir wollen im Falle von Subventionen anderer Länder, die unsere eigene Obergrenze übersteigen, diesen Wettbewerbsnachteil ausgleichen, also das tun, was man im Jargon Matching nennt. Wenn also ein Auftrag verlorengeht, nur weil ein anderes Land ein höheres Subventionsniveau hat, werden wir dieses höhere Subventionsniveau mit diesen Mitteln ausgleichen. Mit Matching, d. h. mit Wettbewerbshilfen ist gleichzeitig ausgeschlossen, daß Hilfen gezahlt werden, wenn die Wettbewerber gar nicht subventioniert anbieten. Zunehmend ist es der Fall, daß Wettbewerber außerhalb Europas ohne Subventionen im Wettbewerb durchaus bestehen können. Wir wollen, daß diese Neuregelung, die natürlich unter der Voraussetzung steht, daß sich die Bundesländer entsprechend beteiligen und daß die EG-Kommission sie genehmigt, auch, soweit es geht, sofort wirkungsvoll wird. Das heißt, man kann sie in den Haushaltsbeschlüssen für das Jahr 1988 umsetzen, man kann sie aber auch, soweit das möglich ist, schon heute für die Positionen verwenden, die in Auftrag genommen werden könne, so daß kein Attentismus zu entstehen braucht.
Weil das alles die vorhandenen Mittel ausschöpfen kann - unter der Voraussetzung, daß dieser Strukturprozeß von allen weiter unterstützt wird - , halten wir diese Maßnahmen für eine ausreichende Hilfe. Allerdings muß eines sicher sein: Wer glaubt, mit welcher Hilfe auch immer, diesen Wandlungsprozeß aufhalten oder ihn nur verlangsamen zu können, der tut den Arbeitnehmern bei den Werften und auch den Küstenländern keinen Gefallen. Wenn der Nord-SüdVergleich immer wieder herangezogen wird, hat das damit zu tun, daß natürlich die süddeutschen Länder aus einer alten Industriezeit weniger Strukturprobleme haben.
({19})
Es hat aber auch damit zu tun, daß sie sich stärker dem Strukturwandel stellen und öffnen, als das manche rückständigen Parteien und Politiker in den Küstenländern wollen.
({20})
Deswegen kann die Lösung nicht darin liegen, daß wir die politischen Fehler der Gewerkschaften oder der Parteien, die den Strukturwandel nicht wollen, durch Subventionen ausgleichen
({21})
- das wäre der falsche Weg - , sondern wir wollen den gleichen Dynamismus, die gleiche wirtschaftliche Leistungskraft erreichen, die in den süddeutschen Ländern entsteht, weil sich die Menschen dort dem modernen Wirtschaftsprozeß stellen. Wir wollen, daß das auch die Wachstumsregel für norddeutsche Länder wird. Dazu wird die Bundesregierung beitragen.
({22})
Meine Damen und Herren, Sie wissen, wie schwierig es ist, kurz vor einer namentlichen Abstimmung hier noch an das Rednerpult zu kommen. Ich bitte um Aufmerksamkeit für den letzten Redner dieser Debatte, Herrn Kollegen Hinrichs.
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind heute zusammengekommen, um die dramatische Lage der Schiffbauindustrie zu diskutieren. Ich glaube, es sollten keine Argumente hineinkommen, die mehr mit dem Wahlkampf zu tun haben. Es ist die Gelegenheit für uns Politiker von der Küste klarzumachen, wie groß die maritime Verantwortung und die Aufgaben der Bundesrepublik sind. Wir sind das zweitgrößte Welthandelsland. Wir verfügen über wenig Rohstoffe, wir müssen importieren, verarbeiten und wieder exportieren, und ein großer Teil davon geht über See. Daraus folgen unsere maritime Abhängigkeit, aber auch verteidigungspolitische und strategische Notwendigkeiten, auf die Staatssekretär Würzbach vor kurzem wieder hingewiesen hat. Wir brauchen daher eine eigene Schiffahrt, wir brauchen einen eigenen Schiffbau.
({0})
Aber Grenzen zieht der internationale Markt, und dort liegt das Problem. Jedes Land, das Schiffbau betreibt, muß ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einer wettbewerbsfähigen Schiffbauindustrie und den Hilfen herstellen, die notwendig sind, um die nationalen Aufgaben zu erfüllen. Der Markt zwang uns, in den letzten zehn Jahren die Kapazität der Schiffbauindustrie auf unter die Hälfte herabzusetzen. Die schlechte Auftragslage des letzten Jahres hat dazu geführt - darüber besteht Einigkeit an der Küste -, daß noch einmal die Kapazität zurückgenommen werden muß.
Es ist aber nicht richtig, Herr Kollege Koschnick, daß Sie sagen: Der Bund tut nicht genug dafür. Der Bund leistet mehr direkte Hilfe als früher, und er leistet auch indirekte Hilfe, indem er den Umstrukturierungsprozeß an der Küste fördert.
Sie haben auf 1983 verwiesen. Damals hat der Bund Bremen in die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" aufgenommen. Seit dieser Zeit besteht diese Förderung. Das sollten Sie nicht unterschlagen, wenn wir über die Probleme von damals diskutieren. Damals wollten gerade mittlere Werften auch nicht, daß eine Großwerft allein gefördert wird.
Heute geht es darum, daß wir dem verbliebenen Schiffbau, der sich auf hochwertige Spezialschiffe, auf hochwertige Umbauaufträge und auf den Marineschiffbau konzentriert hat, die notwendigen Hilfen geben. Es geht darum, dieses Know-how und diese Arbeitsplätze zu erhalten. Die vorgesehenen Mittel fließen nicht ab. Das Instrumentarium muß daher flexibler und effektiver werden. Die 6. EG-Richtlinie läßt uns den Spielraum dafür.
Heute ist die Situation so, daß die Werften interessante Anfragen über Aufträge in Höhe von mehreren hundert Millionen D-Mark vorliegen haben. Das konnte ich gerade in diesen Tagen feststellen. Die
Werften wollen bei der Beantwortung dieser Anfragen wissen: Kann ich dieselben Subventionen wie im übrigen Europa einrechnen? Die Werften fragen: Bekommen wir ebenfalls diese Hilfe bis zu 20 %? Kommt die Hilfe sofort?
Viele Betriebsräte haben mir in den letzten Wochen geschrieben. Auch sie haben darum gebeten: Stockt doch die Hilfe auf, wie es in Europa üblich ist! Dehnt sie auf den Export aus und helft möglichst schnell!
Ich glaube, es ist richtig, wie in dieser Situation die zuständigen Minister entschieden haben, so daß wir dies heute in unserem Antrag bereits begrüßen können. Davon sollte auch die Opposition ausgehen. Wir können das heute festschreiben.
({1})
Einen Augenblick, Herr Kollege. Ich möchte Ihnen gern ein bißchen mehr Ruhe verschaffen. Darf ich darauf hinweisen, daß dies ein Redner ist, der das Recht hat, auch gehört zu werden.
({0})
Ich wäre dankbar, wenn die Kollegen Platz nehmen oder, wenn sie nichts zu tun haben, das nicht hier tun.
Bitte schön, fahren Sie fort.
Wir konnten heute diesen Beschluß der Minister begrüßen, und wir können ihn festschreiben. Die Hilfe soll bis zu 20 % gewährt werden. Sie wird so gestaltet - und das ist doch entscheidend - , daß die Werften umgehend ihre Aufträge für 1987 hereinholen können. Damit weiß auch die sehr bedeutende Zulieferindustrie, woran sie ist.
Ich kann den Werften und den Betriebsräten heute mitteilen, daß wir ihre Wünsche erfüllen und daß wir sehr prompt gehandelt haben.
({0})
Das Ergebnis bedeutet, daß trotz des Subventionsabbaus und trotz geringerer Steuereinnahmen als geschätzt diese Hilfen für unseren Schiffbau erhalten bleiben. Darin sehe ich einen Erfolg für die Küste.
Darum meine ich, daß der SPD-Antrag, der von einem früheren Vorschlag der Küstenländer abgeschrieben wurde, durch unseren Antrag überholt wurde. Unser Antrag ist konkreter. Bei dem SPD-Vorschlag ist nicht einmal die Finanzierung klar, denn Sie sagen, daß nur der größte Teil der erforderlichen Mittel aus der Umschichtung gedeckt werden kann.
Wir erwarten jetzt von der Administration - das richtet sich an Herrn Dr. Bangemann -, daß das umgesetzt wird, was wir heute auch mit Ihrer Partei beschlossen haben.
({1})
Darum bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen, weil er auf die aktuelle Situation eingeht und dadurch der Küste sofort helfen kann.
Ich danke Ihnen.
({2})
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Aussprache. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen. Dazu darf ich zunächst sagen, daß wir Anträge auf namentliche Abstimmung über die Anträge der SPD, der GRÜNEN sowie der CDU/CSU und der FDP vorliegen haben.
Ich werde so verfahren, daß wir nacheinander alle drei namentlichen Abstimmungen abwickeln, und zwar in der Reihenfolge des zeitlichen Eingangs. Das heißt, wir stimmen zuerst über den Antrag der SPD-Fraktion ab. Wenn die Abstimmung geschlossen ist, werden die Urnen ausgewechselt, und wir kommen sofort zur Abstimmung über den Antrag der GRÜNEN. Im Anschluß daran werden die Urnen erneut ausgewechselt, und wir stimmen über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der FDP ab. Ich wäre also dankbar, wenn Sie für alle drei Abstimmungen im Saal blieben.
Ich eröffne die Abstimmung - Sie kennen das Verfahren - über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/228.
Darf ich bitten, daß die Kollegen, die abgestimmt haben, den Raum vor den Urnen freimachen. Denn es gibt immer noch Kollegen, die herandrängen.
Darf ich fragen, ob alle Abgeordneten, die von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen wollen, ihre Stimme abgegeben haben?
Ich kann jetzt die erste Abstimmung schließen.*)
Ich bitte, die Urnen auszuwechseln. - Sind die Urnen ausgewechselt?
Ich kann die zweite Abstimmung eröffnen. Es handelt sich um die namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE GRÜN EN auf Drucksache 11/296.
Ich eröffne die Abstimmung.
Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß nach dieser Abstimmung eine dritte namentliche Abstimmung stattfindet.
Meine Damen und Herren, ist noch ein Abgeordneter im Saal, der von seinem Stimmrecht Gebrauch machen möchte?
Ich denke, ich kann jetzt abschließen. Die zweite namentliche Abstimmung über den Antrag der GRÜNEN ist nun geschlossen.**) Ich bitte, die Urnen auszuwechseln und mir ein Zeichen zu geben, wenn dies erfolgt ist.
Wir kommen nun zu der dritten der namentlichen Abstimmungen. Es geht um den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 11/298. Ich eröffne die Abstimmung.
*) Ergebnis Seite 704 B **) Ergebnis Seite 705 D
Gibt es noch Kollegen, die an der Abstimmung teilnehmen wollen und das bisher nicht getan haben? - Sie sollten das jetzt sofort tun.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstimmung und teile Ihnen mit, daß nun die Auszählung erfolgen wird und die Ergebnisse zu einem späteren Zeitpunkt im Laufe der Abwicklung der Tagesordnung bekanntgegeben werden.*)
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({0})
- Drucksache 11/285 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuß ({1})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit
Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Für eine gerechte und beschäftigungswirksame Steuerpolitik
- Drucksache 11/16 -Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Finanzausschuß ({2})
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Hauhaltsausschuß
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Beratung dieser Tagesordnungspunkte zwei Stunden vorgesehen. - Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Der Bundesminister der Finanzen hat das Wort zur Begründung seines Gesetzentwurfes.
Einen Augenblick noch, Herr Minister. Damit ich keinen Fehler mache: Dies wird auf die Zeit angerechnet. Ich eröffne also die Aussprache und gebe Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Steuersenkungs-Erweiterungsgesetzes 1988 soll ein Teil der für 1990 geplanten Punkte der Steuerreform auf den 1. Januar 1988 vorgezogen und damit die bereits für 1988 beschlossene zweite Stufe des Steuersenkungsgesetzes 1986/87 um 5,2 Milliarden DM aufgestockt werden. Insgesamt wollen wir so die Lohn-und Einkommensteuerbelastung mit Wirkung vom Januar nächsten Jahres um fast 14 Milliarden DM verringern. Die Koalitionsparteien haben sich auf diese zusätzliche Entlastung geeinigt. Dabei ist vor allem die weitere Stärkung der Binnennachfrage ein wichtiges Ziel.
Im Gesamtzeitraum 1985 bis 1990 soll die Einkommen- und Körperschaftsteuer um insgesamt fast 50 Milliarden DM - das sind nahezu 2,5 % des Bruttosozialprodukts - gesenkt werden. Die schon im
*) Ergebnis Seite 707 A
letzten Jahr in Kraft getretene erste Stufe des Steuerentlastungsgesetzes und die ebenfalls 1985 verbesserten Abschreibungsbedingungen für Wirtschaftsgebäude führen in den kommenden Jahren zu Steuermindereinnahmen von jährlich rund 14 Milliarden DM. Weitere rund 14 Milliarden DM Lohn- und Einkommensteuer sollen, wie schon gesagt, mit der verstärkten Steuerentlastung 1988 an die Bürger zurückgegeben werden. Im Jahre 1990 wollen wir mit der endgültigen Einführung des sanft ansteigenden Tarifs, des linear-progressiven Tarifs, in der Einkommensteuer, der Absenkung der Körperschaftsteuer für einbehaltene Gewinne, der nachhaltigen Erhöhung des Grundfreibetrages, der Erhöhung der Kinderfreibeträge und anderen Punkten noch einmal eine Nettoentlastung von rund 20 Milliarden DM in Kraft setzen. Wir sehen, wie Sie wissen, für 1990 eine Bruttoentlastung von fast 40 Milliarden DM vor. 19 Milliarden DM sollen dabei durch Umschichtungen im Steuersystem, insbesondere durch den Wegfall von Steuervergünstigungen und Sonderregelungen, ausgeglichen werden. Wir werden auch Finanzhilfen in diese Diskussion einbeziehen.
Meine Damen und Herren, diese verschiedenen, in sich abgestimmten Schritte führen zu einer Steuerreform, einem spürbaren Rückgang der Steuerquote und einer verbesserten Steuerstruktur. Das ist nach unserer Überzeugung der richtige Weg, um die Wachstumskräfte unter schwierigeren weltwirtschaftlichen Vorzeichen zu stärken, berufliche Leistung und Investitionsfähigkeit zu fördern und so auch bessere Bedingungen für mehr Beschäftigung zu schaffen.
({0})
Die Wettbewerbsbedingungen sind in der Tat vor allem durch die starken Wechselkursveränderungen kurzfristig schwieriger geworden. Das ist ein zentraler Punkt der aktuellen konjunktur- und wirtschaftspolitischen Diskussion. Man muß sich wirklich einmal veranschaulichen, was wir bei den Wechselkursen erlebt haben: Von Februar 1985 bis Februar 1987 hat sich die Deutsche Mark gegenüber dem amerikanischen Dollar um mehr als 85 % aufgewertet, gegenüber den 14 für uns handelspolitisch wichtigsten Währungen im Durchschnitt immerhin auch um fast 20%.
Heute geht unter diesem Vorzeichen die wirtschaftliche Dynamik unserer Volkswirtschaft von den internen Faktoren aus. Bereits im letzten Jahr ist die Binnennachfrage preisbereinigt um beachtliche 3,7 % angestiegen. Auch 1987 können wir in diesem zentralen Sektor mit einem realen Zuwachs von über 3 rechnen.
Die veränderten Wettbewerbsbedingungen aber, die veränderten Terms of Trade, hinterlassen bestimmte Spuren in unserem Export und verpflichten alle, zu der erforderlichen Anpassung für mehr Wettbewerbsfähigkeit auch in der Exportwirtschaft zu sorgen. Damit leistet die Bundesrepublik übrigens auch einen Beitrag zur Verstetigung der internationalen Wirtschaftsentwicklung und einem schrittweisen Abbau der starken Handelsbilanzungleichgewichte. In realer Rechnung, d. h. wenn man den Einfluß der im letzten Jahr stark gesunkenen Importpreise ausschaltet, sind die Importe der Bundesrepublik
Deutschland 1986 bereits um 6,2 % gestiegen. In realer Rechnung heißt hier: in Mengen. Der Handelsbilanzüberschuß ist, so gerechnet, bereinigt um rund 20 Milliarden DM zurückgegangen. Wenn in diesem Jahr diese Preiseffekte in ihrer Wirkung nachlassen, wird der Umschwung auch in den nominalen Zahlen zunehmend sichtbar werden.
Wir brauchen solche klaren Zeichen, wenn wir den von den schwerwiegenden Handelsungleichgewichten ausgehenden Druck auf die Weltwirtschaft verringern, die Wechselkurse stabilisieren und auch die Gefahren weltweiter Handelskonflikte mit unübersehbaren Folgen sowohl für die Industriestaaten als auch für die hochverschuldeten Entwicklungs- und Schwellenländer abwenden wollen.
Andere Länder mit teilweise noch höheren Überschüssen, also vor allem Japan, müssen ebenfalls das interne Wachstum stärker in den Mittelpunkt ihrer politischen Entscheidungen stellen. Sie müssen die nach wie vor bestehenden erheblichen Hindernisse für den freien Warenaustausch durch Öffnung ihrer Märkte abbauen. Auf der anderen Seite müssen die Länder mit hohen Importüberschüssen, also vor allem die Vereinigten Staaten von Amerika, durch die Verringerung ihrer überhöhten Defizite in den öffentlichen Haushalten inländische Nachfrage und inländische Produktion wieder stärker zur Deckung bringen, die privaten Investitionsbedingungen verbessern und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit ihrer Volkswirtschaft fördern.
Nur durch eine international besser abgestimmte Politik, durch stärkere Koordination und Kooperation unter Einbeziehung auch bestimmter steuerpolitischer Entwicklungen können wir die richtigen Antworten auf diese weltwirtschaftlichen Herausforderungen finden. Dagegen könnte der Versuch, die anstehenden Probleme im nationalen Alleingang, durch Protektionismus oder durch den Einsatz der Wechselkurse als handelspolitische Mittel zu lösen, schwere Erschütterungen zur Folge haben. Deshalb ist die intensivere Abstimmung der Finanz-, Wirtschafts- und Währungspolitik, wie sie beim Pariser Treffen der Finanzminister und Notenbankpräsidenten der großen Industrieländer vor drei Monaten eingeleitet wurde, in der aktuellen Situation besonders wichtig.
Wie Sie wissen, steht auch die Entscheidung der Bundesregierung, die Steuerentlastung im nächsten Jahr zu verstärken, in einem solchen Zusammenhang. Deshalb liegt uns daran, die parlamentarische Beratung dieses Gesetzentwurfes möglichst bald zum Abschluß zu bringen. Ich bitte Sie alle um Ihre Unterstützung.
Das setzt voraus, daß die Diskussion nun nicht durch solche Änderungsvorschläge ausgeweitet wird, die noch einer besonderen Prüfung bedürfen. Ich bitte Sie deshalb, die Ergänzungsvorschläge des Bundesrates zur Verlängerung der Auflösungsfrist für Rücklagen aus der Veräußerung von landwirtschaftlichem Grund und Boden nach § 6 b Einkommensteuergesetz und zur uneingeschränkten einkommensteuerlichen Berücksichtigung von Kindern unter 18 Jahren jetzt nicht aufzugreifen. Ich will nicht verkennen, daß uns
mit diesen Vorschlägen auch Fragen gestellt sind, die wir ernst nehmen müssen. Ich möchte aber - ({1})
- Können Sie nicht einmal in Ruhe zuhören, Frau Kollegin? Es fällt Ihnen offenbar sehr schwer. Das fiel vorhin schon auf.
({2})
- Ja, es fällt Ihnen schwer, das ist wohl wahr. Ich vermute, daß auch Ihre Fraktionskollegen bei Ihren internen Beratungen darunter leiden. Ich habe dafür Mitgefühl.
({3})
- Das ist aber schön! Ich habe gerade über die Welt geredet und komme jetzt wieder stärker auf unsere eigenen nationalen Probleme zu sprechen.
Wir verkennen also nicht, daß hier Fragen aufgeworfen sind, die wir sorgfältig erörtern müssen. Ich will daran erinnern, daß der Deutsche Bundestag die Bundesregierung in einer Entschließung aufgefordert hat, im Laufe dieser Wahlperiode zur besseren Harmonisierung der steuerlichen Freibeträge für Kinder und der Kindergeldleistungen ein Konzept vorzulegen. Wir werden das tun und werden in Verbindung damit auf den vom Bundesrat angesprochenen Punkt zurückkommen.
Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden leichten Abschwächung des Wirtschaftswachstums in diesem Jahr sind im In- und Ausland zum Teil die Stimmen wieder vernehmlicher geworden, die von uns einen noch größeren Beitrag durch expansive Finanzpolitik fordern. Dabei wird meist übersehen, daß es für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland mit einem Exportanteil von über 30 % unserer volkswirtschaftlichen Leistung praktisch unmöglich ist, gleichzeitig - was von uns erwartet wird - den Exportanstieg bzw. die -überschüsse einzuschränken, die Importe kräftig zu steigern und dann noch hohe Zuwachsraten beim realen Bruttosozialprodukt zu erzielen.
Die bis 1990 vorgesehenen Steuerentlastungen werden im Ergebnis dazu führen, daß die Nettokreditaufnahme der öffentlichen Hände bis zum Ende dieses Jahrzehnts vorübergehend ansteigt. Auch das ist nicht neu. Sie können diese Einschätzung im Protokoll des Deutschen Bundestages nachlesen. Ich habe sie im letzten Dezember - ich glaube, am 14. Dezember war die letzte steuerpolitische und finanzpolitische Debatte der vergangenen Wahlperiode - hier ausgesprochen.
({4})
- Wenn Sie es nicht gewußt haben, empfehle ich es Ihnen zur Lektüre! Man kann ja manchmal feststellen, daß für manche Kollegen das, was hier im Deutschen Bundestag in einer Spezialdebatte gesagt wurde, einige Monate später eine große Überraschung darstellt. Gut ist das für die parlamentarische Diskussion nicht, meine Damen und Herren.
Für eine umfassende Steuerreform und eine starke Steuerentlastung erscheint dies vertretbar - ich habe das auch damals gesagt - , allerdings unter einer unverzichtbaren Bedingung: daß der Kurs zurückhaltender Ausgabenentwicklung und strenger Ausgabenbegrenzung konsequent fortgesetzt wird.
({5})
Meine Damen und Herren, seit 1982 haben die Ausgaben des Bundes im Jahresdurchschnitt um 1,7 zugenommen. Das ist per annum die Bilanz der letzten vier Jahre. Das entspricht nur gut einem Drittel des Anstiegs des Bruttosozialprodukts.
({6})
- Ja, Frau Kollegin, ohne diese Politik hätten wir nicht das ungewöhnliche Maß an Preisstabilität erreicht, das - um das hinzuzufügen - auch eine große sozialpolitische Errungenschaft ist.
({7})
Gleichgerichtete, wenn auch zuletzt bei einigen Ländern und Gemeinden etwas nachlassende Anstrengungen der übrigen Gebietskörperschaften haben das Finanzierungsdefizit des öffentlichen Gesamthaushalts von 4,9 % des Bruttosozialprodukts im Jahre 1982 auf 2,2 % im Jahre 1986 sinken lassen. Wenn es jetzt - ich sage das auch unter Einbeziehung der Zahlen der heutigen Steuerschätzung, die wir in unserer Projektion der letzten Woche schon ziemlich genau vorausgeschätzt haben - bis 1990 voraussichtlich wieder auf einen Wert von bis zu 3 % unserer volkswirtschaftlichen Leistung ansteigt, ist das bei einer gleichzeitigen spürbaren Verringerung der Steuerbelastung und der Steuerquote auf dem Hintergrund des geschilderten Gesamtkonzepts vertretbar.
Im einzelnen geht es bei der Vorlage um eine weitere Anhebung des Grundfreibetrages um 216 DM bzw. 432 DM sowie des Haushaltsfreibetrages für Alleinstehende mit Kindern um 216 DM.
Es geht zum zweiten um eine verstärkte Abflachung der Progression des Einkommensteuertarifs. Dies ist ein weiterer Zwischenschritt hin zu dem von uns vorgesehenen linear-progressiven Tarif.
({8})
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich komme gleich gerne zu einer Zwischenfrage. - Diese Maßnahme kommt über 60 % der Steuerpflichtigen zugute, was wirklich zeigt, daß die auch heute in ganz anderem Zusammenhang von der SPD wieder vernehmbaren Behauptungen, es sei eine Steuerpolitik für die Reichen oder die sogenannten Besserverdienenden, vollkommen abwegig sind.
({0})
Das Schwergewicht der Entlastung im Progressionstarif liegt im Interesse der Mehrzahl der Steuerpflichtigen und auch der Mehrzahl der Arbeitnehmer. - Bitte sehr, Herr Kollege.
Herr Abgeordneter Sellin zu einer Zwischenfrage, bitte.
Hinsichtlich der Passage zur Steuerschätzung, die Sie in der letzten Woche vorgenommen haben, würde mich interessieren: Von welchen angenommen Wachstumsraten gehen Sie denn aus? Das heißt: Die voraussichtliche Höhe der Steuereinnahmen hängt ja wesentlich davon ab, welche Wachstumsraten Sie zugrunde gelegt haben. Von daher ziehe ich auch Ihre These in Zweifel, daß die Nettoneuverschuldung in den nächsten Jahren 30 Milliarden DM betragen wird.
Die Steuerschätzung geht für das kommende Jahr, wenn ich das jetzt exakt erinnere, von einem nominalen Wachstum von 4,5 % aus. Das scheint mir realistisch zu sein. Ich will es jetzt mit diesem einen Satz als Antwort bewenden lassen, denn wir reden in anderem Zusammenhang über Annahmen für die Steuerschätzung. Jetzt reden wir über die Begründung des Steuersenkungsgesetzes.
({0})
- Natürlich ist das eine Antwort, für das nächste Jahr; das können Sie doch nicht bestreiten.
Schließlich geht es um die Anhebung des Ausbildungsfreibetrages und um die Verbesserung der Sonderabschreibungen für kleine und mittlere Betriebe.
Meine Damen und Herren, durch den Ihnen vorliegenden Antrag der Fraktion der SPD „Für eine gerechte und beschäftigungswirksame Steuerpolitik ", wie es heißt, ist die Frage nach der Verteilungswirkung der Steuerentlastung gestellt. Ich will auch kurz auf diesen Punkt eingehen. Natürlich ist es ganz legitim, dieses Thema aufzuwerfen. Wir haben diese Diskussion nach meiner Einschätzung auch schon intensiv geführt, auch in der Aussprache über die Regierungserklärung. Wir haben dabei klargemacht, daß die prozentuale Entlastung im unteren und mittleren Einkommensbereich von 1986 bis 1990 wesentlich höher sein wird als bei den wirklichen Spitzenverdienern.
Was ich einmal vorsorglich kritisch zu einigen Anmerkungen der Opposition sagen möchte, ist: Sie können diese Verteilungswirkung nur im Gesamtzusammenhang beachten. Wir haben bewußt 1986 die Entlastungen für die unteren Einkommensgruppen und die Besserstellung der Familien als ersten Schritt vollzogen, weil das am dringendsten war. Wenn Sie fair argumentieren, müssen Sie natürlich die Gesamtentlastung 1986 und 1988 zusammennehmen,
({1})
wenn denn noch eine von rationalen Argumenten bestimmte Diskussion in diesem Hause erfolgen soll.
({2})
Dagegen würden nach dem vorliegenden SPD-Antrag die steuerlichen Grenzbelastungen für die Bezieher mittlerer Einkommen in unvertretbarer Weise erhöht. Auch diese Diskussion, meine Damen
und Herren, haben wir ja in Verbindung mit dem sogenannten Rau-Tarif bereits im letzten Jahr geführt. Bereits ab 1988 würden nach Ihren Vorstellungen zahlreiche Facharbeitereinkommen in einem wesentlich stärkeren Maße als nach den Steuervorschlägen der Bundesregierung der Besteuerung unterworfen. In den Fällen, in denen es nach den SPD-Vorschlägen zu einer anfänglichen Entlastung käme, würde der steilere Progressionsverlauf schon nach wenigen Jahren zu Mehrbelastungen führen.
Wir müssen endlich einmal versuchen, darüber Einvernehmen zu erzielen, daß die ökonomischen und sozialen Wirkungen einer anspruchsvollen Steuerentlastung, einer weiterführenden Steuerreform nicht nur in der Momentaufnahme bewertet werden können. Wir müssen von der Wirklichkeit der arbeitenden Menschen ausgehen, die, wenn sie heute 35 oder 45 sind, in der Perspektive ihres Berufswegs doch die berechtigte Erwartung haben, daß ihre steuerpflichtigen Einkommen in zehn Jahren einmal um 30 %, 50 %, im Falle beruflichen Aufstiegs auch um 60 höher sein werden als heute. Diese Zeitachse gehört zu einer vertieften steuerpolitischen Debatte. Es macht keinen Sinn, einem 35jährigen zu sagen: Solange du 32 000 DM verdienst, bist du geringer Verdienender und mußt entlastet werden; aber wenn du später einmal 52 000 DM verdienst, dann bist du ein höher Verdienender und mußt belastet werden. Das macht doch keinen Sinn, wenn wir eine langfristig angelegte Steuerpolitik mit Hilfe eines vernünftigen und dauerhaften Steuertarifs erreichen wollen.
({3})
Ich muß unter dem Gesichtspunkt Steuergerechtigkeit auch noch einmal kurz die SPD-Vorschläge zur Abschaffung der steuerlichen Kinderfreibeträge aufnehmen. Von der steuerlichen Bemessungsgrundlage können heute Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und vieles andere steuerentlastend abgezogen werden. Die Kollegen der sozialdemokratischen Opposition sind für mich bis heute eine überzeugende Antwort darauf schuldig geblieben, warum sie das akzeptiert haben - in ihrer Regierungszeit zum Teil auch noch ausgebaut haben - und nun ausgerechnet die wirtschaftlichen Belastungen, die Eltern für den Unterhalt und die Erziehung ihrer Kinder übernehmen, steuerlich nicht im selben System anerkennen wollen.
({4})
- Bitter sehr, Frau Matthäus-Maier.
Zu einer Zwischenfrage die Abgeordnete Frau Matthäus-Maier.
Herr Finanzminister, ist Ihnen entgangen, daß wir z. B. bei der großen Steuerreform 1974/75 ausdrücklich versucht haben, bei den Sonderausgaben eine Begrenzung auf eine lineare und nicht auf eine progressive Abzugsfähigkeit vorzunehmen?
Sie mögen es vielleicht versucht haben.
({0})
- Gut. Aber es läßt sich gar nicht bestreiten, daß Sie die nach der Leistungsfähigkeit gestalteten Freibeträge und Sonderregelungen, die entsprechend der Progression bei mittleren und höheren Einkommen zu einer stärkeren Entlastung führen, im wesentlichen nicht angetastet haben. Vielmehr haben Sie sie im wesentlichen bestätigt. Ich könnte Ihnen einige Entscheidungen - bis zum Jahr 1981 - in Erinnerung rufen. Zum Teil haben Sie sie noch ausgebaut. Und jetzt sagen Sie, daß das, was als ein Grundprinzip unser Steuersystem bestimmt, bei Aufwendungen der Eltern für ihre Kinder aber nicht kennzeichnend sein darf. Ich halte das unverändert für einen Widerspruch.
({1})
- Bitte, Herr Apel.
Herr Apel zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Stoltenberg, können Sie sich daran erinnern, daß wir diese Regelung
- dem Staat muß jedes Kind gleich viel wert sein, deswegen weg mit den Freibeträgen und Ersatz durch ein einheitliches Kindergeld - damals einstimmig beschlossen haben, d. h. Koalition, dann auch CDU/ CSU und dann auch die Mehrheit im Bundesrat
- also auch das Land Schleswig-Holstein -, und zwar mit dem durchgängigen Argument - Sie wie wir - , daß es in der Tat nicht angehen kann, daß Vater Staat je nach den Einkommensverhältnissen der Eltern Unterschiede macht - wie gesagt, unter der Rubrik: dem Staat muß jedes Kind gleich viel wert sein - , und wie bewerten Sie heute Ihre damalige Position?
Daran kann ich mich sehr gut erinnern, Herr Kollege Apel. Das war im Frühjahr 1974. Wenn Sie darauf eingehen, müssen wir hier natürlich die parlamentarische Lage noch einmal kurz exakt darstellen.
Es gab damals zwei unterschiedliche Konzepte: das der in der Opposition befindlichen CDU/CSU und das der sozialdemokratisch geprägten oder geführten Bundesregierung. Diese Konzepte sind in ein Vermittlungsverfahren gekommen. Die damals von uns gewünschten stärkeren Steuerentlastungen waren in dem Vermittlungsverfahren nur um den Preis zu bekommen, daß wir Ihnen hier eine Konzession gemacht haben. Das war ein Kompromiß. Es hat ja eine denkwürdige Nachtsitzung beim damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt gegeben, an die Sie sich wahrscheinlich auch noch ganz gut erinnern werden. Wir beide sind, glaube ich, im Augenblick die einzigen Teilnehmer dieses Gesprächs, die jetzt im Plenum des Deutschen Bundestages sitzen.
Die Grundlage für das damalige Zugeständnis, das wir gemacht haben, Herr Kollege Apel, war die Versicherung der Bundesregierung, der Sie angehört haben, daß das Kindergeld regelmäßig erhöht wird. Das haben Sie in den folgenden Jahren nicht getan. Sie haben es 1981 für alle gekürzt, auch für die Bezieher geringerer Einkommen.
Wir haben aus dieser bitteren Erfahrung die Konsequenz gezogen, daß es doch wieder richtig ist, die Familienpolitik, die Förderung der Kinder auf das duale System aufzubauen, d. h. auf eine Kombination von steuerlichen Freibeträgen und Kindergeld. Damit wählen wir den besseren Weg.
({0})
Darin sind wir uns heute, belehrt durch schlechte Erfahrungen der Jahre 1974 bis 1982, einig.
({1})
- Bitte sehr, Herr Kollege Gattermann.
Es geht weiter. Auch ich finde das sehr lebhaft. Herr Gattermann, bitte.
Herr Bundesminister, Sie haben es gerade angesprochen, aber würden Sie es bitte verdeutlichen: Ist es richtig, daß der schöne Satz „Dem Staat ist jedes Kind gleich lieb und teuer" dazu geführt hat, daß die Erstkinder in der Bundesrepublik Deutschland unter den Haushaltszwängen der amtierenden Finanzminister mit 50 DM über ein Dezennium abgespeist worden sind?
Das ist absolut zutreffend, Herr Kollege Gattermann. Das kann man dieser Diskussion hinzufügen. Man könnte auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und viele andere Elemente eingehen.
Wir sind nach den zum Teil bitteren Erfahrungen seit 1974 der Auffassung, daß wir beide Säulen brauchen. Durch die Einkommensgrenze beim Kindergeld - die wir eingeführt haben, nicht Sie - und durch den Kindergeldzuschlag, den wir für die Bezieher niedriger Einkommen, die die steuerlichen Möglichkeiten nicht nutzen können, zusätzlich eingeführt haben, haben wir heute ein vergleichsweise besseres und gerechteres System, das allerdings in einigen Punkten durchaus noch verbesserungsfähig ist. Darin gebe ich Ihnen recht. Darauf kommen wir in dieser Wahlperiode auf der Grundlage einer Entschließung des Deutschen Bundestages zurück.
Nun bitte ich Sie um Verständnis dafür, daß ich in meinen Ausführungen fortfahren möchte. Ich denke an die Kollegen, die in der vorgesehenen Diskussionszeit noch sprechen möchten.
Gerade in der Verteilungsdiskussion müssen wir darüber hinaus verstärkt die Frage nach den Zusammenhängen zwischen den steuerlichen Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen und die arbeitenden Menschen auf der einen und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit und damit unsere langfristigen Wachstumsaussichten auf der anderen Seite einbeziehen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß in vielen westlichen Industrieländern erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um die oft
ohnehin niedrige Steuerbelastung der Unternehmen zu senken und so günstigere Standortbedingungen für arbeitsplatzschaffende Investitionen zu erreichen. Wenn wir diese Entwicklung nicht zur Kenntnis nehmen und nicht bestimmte Folgerungen daraus ziehen, dann werden wir negative Wirkungen in der Beschäftigung erfahren, werden wir vielleicht am Ende etwas mehr Gleichverteilung an Einkommen erzielen, aber auf wesentlich niedrigerem Niveau für fast alle, als es bei einer leistungsgerechten Besteuerung möglich ist. Wer diese Zusammenhänge ignoriert, verschließt die Augen vor den tatsächlichen Gegebenheiten bei unseren Partnern und bei unseren Wettbewerbern.
Ich bin davon überzeugt, meine Damen und Herren, daß die in den Koalitionsgesprächen vereinbarte Steuerpolitik bessere Voraussetzungen schafft, um die Herausforderungen der Zukunft meistern zu können.
Schönen Dank.
({0})
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, möchte ich Ihnen die von den Schriftführern mitgeteilten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekanntmachen. Zuerst haben wir über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 11/228 abgestimmt. Es wurden 403 Stimmen abgegeben. Es war keine ungültig. Mit Ja haben 177 Kollegen gestimmt, mit Nein 226. Es hat keine Enthaltung gegeben.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 402; davon
ja: 177
nein: 225
Ja
SPD
Frau Adler
Andres
Bachmaier
Bahr
Bamberg
Becker ({0}) Frau Becker-Inglau Bindig
Dr. Böhme ({1}) Börnsen ({2}) Brück
Büchler ({3})
Frau Bulmahn Catenhusen
Frau Conrad
Conradi
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Diller
Dreßler
Dr. Ehmke ({4}) Dr. Emmerlich
Erler
Ewen
Frau Faße
Fischer ({5}) Frau Fuchs ({6}) Frau Fuchs ({7}) Frau Ganseforth Gansel
Dr. Gautier Gerster ({8}) Gilges
Dr. Glotz
Frau Dr. Götte Großmann Grunenberg
Dr. Haack Haack ({9}) Haar
Hasenfratz Dr. Hauchler
Dr. Hauff Heimann Heistermann Heyenn
Hiller ({10})
Dr. Holtz Huonker
Jahn ({11}) Jansen
Dr. Jens
Jung ({12}) Jungmann Kastning
Kiehm
Kirschner
Kißlinger
Klein ({13})
Dr. Klejdzinski
Koltzsch
Koschnick Kretkowski Kühbacher Lambinus Leidinger Lennartz
Lohmann ({14})
Frau Luuk
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Menzel
Dr. Mitzscherling
Müller ({15}) Müller ({16})
Müller ({17}) Müntefering
Nagel
Frau Dr. Niehuis
Dr. Niese Niggemeier Frau Odendahl Oesinghaus Oostergetelo Paterna
Dr. Penner Peter ({18}) Pfuhl
Porzner
Reimann
Frau Renger Reuter
Rixe
Roth
Schäfer ({19})
Dr. Scheer Scherrer
Frau Schmidt ({20}) Schmidt ({21})
Dr. Schmude Dr. Schöfberger
Schütz
Seidenthal Frau Seuster Sielaff
Frau Simonis Singer
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl ({22})
Steiner
Frau Steinhauer
Stobbe
Dr. Struck Frau Terborg Frau Dr. Timm
Frau Traupe Urbaniak
Vahlberg
Verheugen Dr. Vogel
Voigt ({23}) Waltemathe Weiermann
Frau Weiler Weisskirchen ({24}) Dr. Wernitz
Frau Weyel
Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspütz
von der Wiesche Wimmer ({25})
Dr. de With
Wittich Zumkley
DIE GRÜNEN
Frau Beck-Oberdorf Frau Beer
Brauer
Dr. Briefs
Dr. Daniels ({26}) Ebermann
Frau Eid Frau Flinner Frau Garbe Häfner
Frau Hensel Frau Hillerich
Hoss
Kleinert ({27})
Dr. Knabe Kreuzeder Frau Krieger
Dr. Lippelt ({28}) Dr. Mechtersheimer Frau Nickels
Frau Oesterle-Schwerin Frau Rust
Frau Saibold
Schily
Frau Schmitt-Bott
Frau Schoppe
Stratmann Frau Teubner
Frau Unruh Frau Vennegerts
Frau Dr. Vollmer
Weiss ({29})
Wetzel
Frau Wilms-Kegel
Frau Wollny
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein Austermann Bauer
Bayha
Dr. Becker ({30}) Frau Berger ({31}) Biehle
Dr. Blank Dr. Blens
Böhm ({32}) Börnsen ({33})
Dr. Bötsch Bohl
Breuer
Buschbom
Carstensen ({34}) Clemens
Dr. Czaja
Dr. Daniels ({35}) Daweke
Frau Dempwolf Dörflinger
Doss
Dr. Dregger Echternach Ehrbar
Vizepräsident Westphal
Eigen
Engelsberger Eylmann
Dr. Faltlhauser Feilcke
Dr. Fell
Frau Fischer
Fischer ({36}) Francke ({37}) Dr. Friedmann
Dr. Friedrich
Fuchtel
Ganz ({38}) Geis
Dr. Geißler
Dr. von Geldern Gerstein
Gerster ({39}) Dr. Göhner
Gröbl
Dr. Grünewald Günther
Frau Hasselfeldt Haungs
Hauser ({40}) Hauser ({41}) Hedrich
Freiherr Heereman von
Zuydtwyck Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinsken
Höpfinger
Hörster
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({42}) Dr. Hornhues
Frau Hürland-Büning
Dr. Hüsch
Dr. Jahn ({43}) Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung ({44}) Jung ({45}) Kalb
Dr.-Ing. Kansy Frau Karwatzki Kittelmann
Klein ({46})
Dr. Köhler ({47}) Kolb
Kossendey
Kraus
Kroll-Schlüter Dr. Kronenberg
Dr. Kunz ({48}) Lamers
Dr. Lammert
Dr. Langner
Lattmann
Dr. Laufs
Lemmrich
Lenzer
Frau Limbach Link ({49}) Link ({50}) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold ({51}) Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Lummer
Maaß
Frau Männle
Magin
Marschewski
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner Dr. Möller
Müller ({52})
Nelle
Dr. Neuling Dr. Olderog Oswald
Frau Pack Petersen
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pinger
Dr. Pohlmeier Dr. Probst Rauen
Rawe
Reddemann Repnik
Dr. Riedl ({53})
Dr. Riesenhuber
Frau Rönsch ({54}) Frau Roitzsch ({55}) Roth ({56})
Rühe
Dr. Rüttgers Ruf
Sauer ({57})
Sauer ({58})
Sauter ({59}) Scharrenbroich
Schartz ({60})
Schemken Schmidbauer Schmitz ({61})
Dr. Schneider ({62}) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder ({63}) Schulhoff
Dr. Schulte ({64}) Schulze ({65})
Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Seiters
Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Dr. Stark ({66})
Dr. Stavenhagen
Straßmeir
Frau Dr. Süssmuth
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Dr. Uelhoff Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel ({67})
Vogt ({68})
Dr. Voigt ({69})
Dr. Voss
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg Weirich
Werner ({70}) Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wilz
Wimmer ({71}) Wissmann
Dr. Wittmann Dr. Wörner Würzbach
Dr. Wulff
Zink FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg ({72}) Eimer ({73}) Engelhard
Dr. Feldmann
Frau Folz-Steinacker Funke
Gallus
Gattermann Gries
Frau Dr. Hamm-Brücher Heinrich
Dr. Hirsch
Dr. Hoyer Irmer
Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick Neuhausen Nolting
Paintner
Rind
Ronneburger Dr. Rumpf Schäfer ({74})
Frau Dr. Segall
Dr. Solms Dr. Thomae
Wolfgramm ({75}) Frau Würfel
Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Die zweite Abstimmung betraf den Antrag der Fraktion der GRÜNEN auf Drucksache 11/296. Dabei hat es 401 abgegebene Stimmen gegeben. Keine war ungültig. Mit Ja haben 38 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 360. Es hat 3 Enthaltungen gegeben.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 400; davon
ja: 38
nein: 359
enthalten: 3
Ja
SPD
Jansen
DIE GRÜNEN
Frau Beer
Brauer
Dr. Briefs
Dr. Daniels ({76}) Ebermann
Frau Eid
Frau Flinner Frau Garbe Häfner
Frau Hensel Frau Hillerich Hoss
Kleinert ({77})
Dr. Knabe
Kreuzeder Frau Krieger
Dr. Lippelt ({78})
Dr. Mechtersheimer
Frau Nickels
Frau Oesterle-Schwerin Frau Rust
Frau Saibold Schily
Frau Schmitt-Bott
Frau Schoppe Sellin
Frau Teubner
Frau Unruh
Frau Vennegerts Frau Dr. Vollmer Weiss ({79}) Wetzel
Frau Wilms-Kegel Frau Wollny
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein Austermann Bauer
Bayha
Dr. Becker ({80}) Frau Berger ({81}) Biehle
Dr. Blank Dr. Blens
Böhm ({82}) Börnsen ({83})
Dr. Bötsch Bohl
Breuer
Buschbom
Carstensen ({84}) Clemens
Dr. Czaja
Dr. Daniels ({85}) Daweke
Frau Dempwolf
Vizepräsident Westphal
Dörflinger
Doss
Dr. Dregger
Echternach
Ehrbar
Eigen
Engelsberger Eylmann
Dr. Faltlhauser Feilcke
Dr. Fell
Frau Fischer
Fischer ({86}) Francke ({87}) Dr. Friedmann
Dr. Friedrich
Fuchtel
Ganz ({88}) Geis
Dr. von Geldern Gerstein
Gerster ({89}) Dr. Göhner
Gröbl
Dr. Grünewald Günther
Frau Hasselfeldt Haungs
Hauser ({90}) Hauser ({91}) Hedrich
Freiherr Heereman von
Zuydtwyck Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinsken
Höpfinger
Hörster
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({92}) Dr. Hornhues
Frau Hürland-Büning Dr. Hüsch
Dr. Jahn ({93}) Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung ({94}) Jung ({95}) Kalb
Dr.-Ing. Kansy Frau Karwatzki Kittelmann
Klein ({96})
Dr. Köhler ({97}) Kolb
Kossendey
Kraus
Kroll-Schlüter Dr. Kronenberg
Dr. Kunz ({98}) Lamers
Dr. Lammert
Dr. Langner
Lattmann
Dr. Laufs
Lemmrich
Lenzer
Frau Limbach Link ({99}) Link ({100}) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold ({101}) Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Lummer
Maaß
Frau Männle
Magin
Marschewski
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner Dr. Möller
Müller ({102})
Nelle
Dr. Neuling Dr. Olderog Oswald
Frau Pack
Petersen
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pinger
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rauen
Rawe
Reddemann Repnik
Dr. Riedl ({103})
Dr. Riesenhuber
Frau Rönsch ({104}) Frau Roitzsch ({105}) Roth ({106})
Rühe
Dr. Rüttgers Ruf
Sauer ({107})
Sauer ({108})
Sauter ({109}) Scharrenbroich Schartz ({110})
Schemken
Schmidbauer Schmitz ({111})
Dr. Schneider ({112}) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder ({113}) Schulhoff
Dr. Schulte
({114}) Schulze ({115}) Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Seiters
Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Dr. Stark ({116})
Dr. Stavenhagen
Dr. Stoltenberg Straßmeir
Frau Dr. Süssmuth
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer Dr. Uelhoff Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel ({117})
Vogt ({118})
Dr. Voigt ({119})
Dr. Voss
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg Weirich
Werner ({120}) Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms Wilz
Wimmer ({121}) Wissmann
Dr. Wittmann
Dr. Wörner Würzbach Dr. Wulff
Zink
SPD
Frau Adler Andres
Dr. Apel Bachmaier Bahr
Bamberg
Becker ({122})
Frau Becker-Inglau Bindig
Dr. Böhme ({123}) Börnsen ({124}) Brück
Büchler ({125})
Frau Bulmahn Catenhusen
Frau Conrad
Conradi
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Diller
Dreßler
Dr. Ehmke ({126})
Dr. Emmerlich
Erler
Ewen
Frau Faße
Fischer ({127})
Frau Fuchs ({128})
Frau Fuchs ({129})
Frau Ganseforth
Gansel
Dr. Gautier
Gerster ({130})
Gilges
Dr. Glotz
Frau Dr. Götte Großmann
Dr. Haack Haack ({131})
Haar
Hasenfratz Dr. Hauchler
Dr. Hauff Heimann Heistermann
Heyenn
Hiller ({132})
Dr. Holtz Huonker Jahn ({133})
Dr. Jens
Jung ({134}) Jungmann
Kiehm
Kirschner Kißlinger Klein ({135})
Dr. Klejdzinski
Koltzsch Kretkowski
Kühbacher Lambinus Leidinger Lohmann ({136})
Frau Luuk
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Menzel
Dr. Mitzscherling
Müller ({137}) Müller ({138})
Müller ({139}) Müntefering
Nagel
Frau Dr. Niehuis
Dr. Niese
Niggemeier Frau Odendahl Oesinghaus Oostergetelo Paterna
Dr. Penner Peter ({140}) Pfuhl
Porzner
Reimann
Frau Renger Reuter
Rixe
Roth
Schäfer ({141})
Dr. Scheer Scherrer
Frau Schmidt ({142}) Schmidt ({143})
Dr. Schmude Dr. Schöfberger
Schütz
Seidenthal Frau Seuster Sielaff
Frau Simonis Singer
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling Stahl ({144})
Steiner
Frau Steinhauer
Stobbe
Dr. Struck Frau Terborg Frau Dr. Timm Frau Traupe Urbaniak
Vahlberg
Verheugen Dr. Vogel
Voigt ({145}) Waltemathe Weiermann
Frau Weiler Weisskirchen ({146}) Dr. Wernitz
Frau Weyel
Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspütz
von der Wiesche
Wimmer ({147})
Dr. de With Wittich
Zumkley
FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg ({148}) Eimer ({149})
Engelhard
Dr. Feldmann
Frau Folz-Steinacker Funke
Gallus
Gattermann Gries
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Heinrich
Dr. Hirsch
Vizepräsident Westphal
Dr. Hoyer Irmer
Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick Neuhausen Nolting
Paintner
Rind
Ronneburger
Dr. Rumpf Schäfer ({150})
Frau Dr. Segall
Dr. Solms
Dr. Thomae Wolfgramm ({151}) Frau Würfel
Enthalten
SPD
Grunenberg Kastning
Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.
Die dritte der namentlichen Abstimmungen ging über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 11/298. 402 Stimmen wurden abgegeben. Keine war ungültig. Mit Ja haben 225 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 177. Es hat keine Enthaltung gegeben.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 401; davon
ja: 225
nein: 176
Ja
CDU/CSU
Dr. Abelein
Austermann
Bauer
Bayha
Dr. Becker ({152}) Frau Berger ({153}) Biehle
Dr. Blank
Dr. Blens
Böhm ({154}) Börnsen ({155}) Dr. Bötsch
Bohl
Breuer
Buschbom
Carstensen ({156}) Clemens
Dr. Czaja
Dr. Daniels ({157}) Daweke
Frau Dempwolf Dörflinger
Dr. Dregger
Echternach
Ehrbar
Eigen
Engelsberger
Eylmann
Feilcke
Dr. Fell
Frau Fischer
Fischer ({158}) Francke ({159}) Dr. Friedmann
Dr. Friedrich
Fuchtel
Ganz ({160}) Geis
Dr. Geißler
Dr. von Geldern Gerstein
Gerster ({161})
Dr. Göhner
Gröbl
Dr. Grünewald Günther
Frau Hasselfeldt Haungs
Hauser ({162}) Hauser ({163}) Hedrich
Freiherr Heereman von
Zuydtwyck
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höpfinger Hörster Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({164}) Dr. Hornhues
Frau Hürland-Büning Dr. Hüsch
Dr. Jahn ({165})
Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung ({166})
Jung ({167})
Kalb
Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki Kittelmann
Klein ({168})
Dr. Köhler ({169}) Kolb
Kossendey
Kraus
Kroll-Schlüter
Dr. Kronenberg
Dr. Kunz ({170}) Lamers
Dr. Lammert
Dr. Langner
Lattmann Dr. Laufs Lemmrich Lenzer
Frau Limbach Link ({171}) Link ({172}) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold ({173}) Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Lummer
Maaß
Frau Männle Magin
Marschewski
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner
Dr. Möller
Müller ({174})
Nelle
Dr. Neuling Dr. Olderog Oswald
Frau Pack
Petersen
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pinger
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rauen
Rawe
Reddemann Repnik
Dr. Riedl ({175})
Dr. Riesenhuber
Frau Rönsch ({176}) Frau Roitzsch ({177}) Roth ({178})
Rühe
Dr. Rüttgers Ruf
Sauer ({179})
Sauer ({180}) Sauter ({181}) Scharrenbroich Schartz ({182}) Schemken
Schmidbauer Schmitz ({183})
Dr. Schneider ({184}) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder ({185}) Schulhoff
Dr. Schulte
({186}) Schulze ({187}) Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Seiters
Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Dr. Stark ({188})
Dr. Stavenhagen
Dr. Stoltenberg Straßmeir
Frau Dr. Süssmuth
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer Dr. Uelhoff Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel ({189})
Vogt ({190})
Dr. Voigt ({191})
Dr. Voss
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil
Dr. Warnke Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg
Weirich
Werner ({192}) Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms Wilz
Wimmer ({193})
Wissmann
Dr. Wittmann Dr. Wörner Würzbach
Dr. Wulff
Zink
FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Baum
Beckmann Bredehorn Cronenberg ({194})
Eimer ({195})
Engelhard
Dr. Feldmann
Frau Folz-Steinacker
Funke
Gallus
Gattermann Gries
Frau Dr. Hamm-Brücher
Dr. Haussmann
Heinrich Dr. Hirsch Dr. Hoyer Irmer
Kohn
Dr.-Ing. Laermann
Mischnick Neuhausen Nolting
Paintner Richter
Rind
Ronneburger
Dr. Rumpf Schäfer ({196})
Frau Dr. Segall
Dr. Solms Dr. Thomae
Wolfgramm ({197})
Frau Würfel
Nein
SPD
Frau Adler Andres
Bachmaier Bahr
Bamberg
Becker ({198})
Frau Becker-Inglau
Bindig
Dr. Böhme ({199})
Börnsen ({200})
Brück
Büchler ({201}) Frau Bulmahn
Catenhusen Frau Conrad Conradi
Frau Dr. Däubler-Gmelin
Vizepräsident Westphal
Daubertshäuser
Diller
Dreßler
Dr. Ehmke ({202})
Dr. Emmerlich
Erler
Ewen
Frau Faße
Fischer ({203})
Frau Fuchs ({204})
Frau Fuchs ({205})
Frau Ganseforth
Gansel
Dr. Gautier Gerster ({206})
Gilges
Dr. Glotz
Frau Dr. Götte Großmann Grunenberg
Dr. Haack Haack ({207})
Haar
Hasenfratz Dr. Hauchler
Dr. Hauff Heimann Heistermann
Heyenn
Hiller ({208})
Dr. Holtz Huonker Jahn ({209})
Jansen
Dr. Jens
Jung ({210}) Jungmann Kastning
Kiehm
Kirschner Kißlinger Klein ({211})
Dr. Klejdzinski
Koltzsch Koschnick Kretkowski
Kühbacher Lambinus Leidinger Lohmann ({212})
Frau Luuk
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Menzel
Dr. Mitzscherling
Müller ({213}) Müller ({214})
Müller ({215}) Müntefering
Nagel
Frau Dr. Niehuis
Dr. Niese Niggemeier
Frau Odendahl Oesinghaus
Oostergetelo
Paterna
Dr. Penner Peter ({216})
Pfuhl
Porzner
Reimann Frau Renger
Reuter
Rixe
Roth
Schäfer ({217})
Dr. Scheer Scherrer
Frau Schmidt ({218}) Schmidt ({219})
Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schütz
Seidenthal
Frau Seuster Sielaff
Frau Simonis Singer
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling Dr. Spöri
Stahl ({220}) Steiner
Frau Steinhauer
Stobbe
Dr. Struck
Frau Terborg Frau Dr. Timm Frau Traupe Urbaniak
Vahlberg
Verheugen Dr. Vogel
Voigt ({221}) Waltemathe Weiermann
Frau Weiler Weisskirchen ({222}) Dr. Wernitz
Frau Weyel
Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspütz
von der Wiesche Wimmer ({223})
Dr. de With Wittich
Zeitler
Zumkley
DIE GRÜNEN
Frau Beck-Oberdorf Frau Beer
Brauer
Dr. Daniels ({224}) Ebermann
Frau Eid
Frau Flinner Frau Garbe Häfner
Frau Hensel Frau Hillerich Hoss
Kleinert ({225})
Dr. Knabe
Kreuzeder
Frau Krieger
Dr. Lippelt ({226}) Dr. Mechtersheimer
Frau Nickels
Frau Oesterle-Schwerin Frau Rust
Frau Saibold Schily
Frau Schmitt-Bott
Frau Schoppe Sellin
Frau Teubner Frau Unruh Frau Vennegerts
Volmer
Weiss ({227})
Wetzel
Frau Wilms-Kegel
Frau Wollny
Dieser Antrag ist angenommen worden.
Jetzt fahren wir in unserer Debatte fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Spöri.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben hier heute ja so etwas wie eine Premiere. Die Bundesregierung ändert die von ihr selbst beschlossene Steuersenkung 1988, noch bevor sie in Kraft getreten ist. Die bereits für 1988 gedruckten Steuertabellen sind Makulatur und müssen nunmehr eingestampft werden. Von einer vorausschauenden und berechenbaren Steuerpolitik oder gar von Ruhe an der Steuerfront kann nicht die Rede sein, meine Damen und Herren.
({0})
Das jetzt nachgeschobene Reparaturgesetz ist vielmehr ein unfreiwilliges Eingeständnis der Bundesregierung, daß unsere wirtschaftspolitische Kritik an der Entlastungsstufe 1988 voll berechtigt war, meine Damen und Herren.
({1})
Was veranlaßt wirklich den Herrn Bundesfinanzminister, jetzt hoppla hopp nachträglich eine Änderung der Entlastungsstufe 1988 vorzuschlagen? Ist es die inzwischen gewonnene neue Einsicht, daß die als größte Steuerreform aller Zeiten gepriesene Steueränderung etwas unausgewogen ist? Das wäre ja in der Tat ein überzeugender Grund, meine Damen und Herren. Denn durch die von Ihnen beschlossene Steuersenkung 1988, Herr Stoltenberg, werden einseitig die Bezieher hoher und höchster Einkommen begünstigt. Verheiratete Arbeitnehmer mit einem Monatsgehalt bis zu 4 000 DM sollten nach dem von Ihnen ursprünglich beschlossenen Gesetz keine müde Mark bekommen; das sind die Fakten.
({2})
Den durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmern und Familien wird mit diesem von Ihnen beschlossenen Steuersenkungsgesetz zugemutet, daß sie bei jeder Lohnerhöhung einen immer höheren Anteil ihres Gesamteinkommens als Lohnsteuer abzuführen haben. Während also für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen damit der Marsch in den Lohnsteuerstaat weitergeht, erhalten Spitzenverdiener lukrative Steuergeschenke.
Diese verteilungspolitische Schieflage Ihrer bisherigen Steuerpolitik müßte in der Tat korrigiert werden. Im Jahre 1988 für eine Steuersenkung verfügbare Mittel müßten eigentlich auf die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen konzentriert werden. Wenn es Ihnen wirklich um mehr Steuergerechtigkeit ginge, dann bräuchten Sie heute keinen eigenen Entwurf vorzulegen, dann könnten Sie unseren bereits seit langem vorliegenden Tarifvorschlägen zustimmen.
({3})
Ich finde es sowieso etwas ideologisch verbohrt, meine Damen und Herren, daß Sie nicht in der Lage
sind, einer aus Gerechtigkeits- und Haushaltsgesichtspunkten eindeutig besseren Alternative zuzustimmen, nur weil es der Vorschlag der Opposition, der SPD, ist. Das entspricht nicht der demokratischen Kultur in diesem Haus.
({4})
Meine Damen und Herren, der von Ihnen vorgelegte Entwurf - ich gehe jetzt darauf ein - , der in erster Linie einen nochmaligen Nachschlag für Betuchte bringt, beweist wieder einmal, daß Steuergerechtigkeit nicht zu den Zielen Ihrer Politik gehört.
({5})
Für die heute vom Bundesfinanzminister nachgeholte Flickschusterei war nicht maßgebend, ein offenkundig ungerechtes Gesetz nachzubessern; die Bundesregierung glaubt vielmehr, mit dieser Nachbesserung den in Paris angemahnten Forderungen der anderen westlichen Industrieländer nach einem Beitrag der Bundesrepublik zur konjunkturellen Stabilisierung gerecht zu werden. Unsere Welthandelspartner beklagen bereits seit langem, daß von der Bundesrepublik keine hinreichenden binnenwirtschaftlichen Impulse zur Stärkung der Weltwirtschaft ausgehen. Nun fürchten unsere Partner zu Recht, daß bei uns ein konjunktureller Einbruch droht, meine Damen und Herren. In der Tat - das verdeutlichen auch die neuesten Daten des Münchener Ifo-Instituts - zeigen die wichtigen Kunjunkturindikatoren weiter nach unten. Die Kapazitätsauslastung und die Auftragsbestände in der deutschen Industrie gehen zurück. Die Geschäftslage wird von den Unternehmen immer skeptischer beurteilt. Auch die OECD kommt in ihrer neuesten Prognose zu einer revidierten Wachstumsschätzung für die Bundesrepublik. Selbst die Bundesregierung geht inzwischen davon aus, daß in diesem Jahr ein Anstieg des Bruttosozialprodukts von real nur noch 1,8 % zu erreichen ist.
({6})
Die in dem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung enthaltenen Wachstumsannahmen werden damit deutlich nach unten geschraubt. Einige Institute gehen sogar nur noch von einem realen Wachstum von 1 % aus.
Es zeigt sich also, meine Damen und Herren, daß unsere bereits vor der Bundestagswahl geäußerten konjunkturellen Befürchtungen und nicht die von Ihnen betriebene konjunkturpolitische Schönfärberei der heutigen Realität entsprechen.
({7})
Es zeigt sich auf Grund dieser Zahlen und dieser Datenentwicklung eindeutig, daß Ihre Konjunkturlüge inzwischen wie eine Seifenblase geplatzt ist.
({8})
Wir sind uns mit unseren westlichen Handelspartnern einig, daß die enormen außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte abgebaut werden müssen. Eine immer deutlicher werdende Konjunkturabschwächung bei uns ist mit diesem Ziel nicht vereinbar. Daher sind in der Tat politische Impulse zur Erhöhung der Binnennachfrage dringend geboten. Noch dringlicher spricht die auch von Ihnen nicht mehr länger zu leugnende Gefahr dafür, daß wir mit über 2 Millionen Arbeitslosen in eine tiefe Rezession hineinrutschen könnten.
({9})
Meine Damen und Herren, wir sind im Prinzip mit der Bundesregierung einig, daß auch Steuerentlastungen die Binnennachfrage ankurbeln und damit einen wichtigen Beitrag zu mehr Beschäftigung leisten könnten. Dies gilt aber nur, wenn die Entlastung vorrangig den Bevölkerungskreisen zugute kommt, die damit nicht Finanzanlagen im Ausland erwerben, sondern die zusätzlich verfügbaren Mittel tatsächlich in Nachfrage hier in unserem eigenen Staate umsetzen.
({10})
Die Bundesregierung geht mit dem vorliegenden Gesetzentwurf jedoch genau den falschen wirtschaftspolitischen Weg: Während Bezieher hoher und höchster Einkommen 1988 zu den ohnehin vorgesehenen 4 000 DM Entlastung zusätzlich 2 000 DM Entlastung erhalten, d. h. also insgesamt 6 256 DM, werden verheiratete Normalverdiener mit insgesamt 94 DM im Jahr abgespeist; das sind nicht einmal 8 DM im Monat.
({11})
Oder, um es deutlicher zu sagen: Den Spitzenverdienern spendiert diese Bundesregierung jeden Monat ein Wochenende in Paris, die Normalfamilie kann sich eine Kiste Limonade kaufen.
({12}) So sehen die Fakten aus.
Dies ist nicht nur ungerecht, es ist auch wirtschaftspolitisch verfehlt. Eine spürbare Konjunkturstärkung können Sie von einer derartigen Maßnahme nicht erwarten. Graf Lambsdorff hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die USA für die Steuerpolitik der Bundesregierung nur noch Spott und Hohn übrig haben.
({13})
Herr Bundesfinanzminister, die Ihnen in dem Pariser Louvre-Abkommen auferlegten Schulaufgaben haben Sie mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf nicht gemacht.
({14})
Sie müssen damit rechnen, bei dem kommenden Weltwirtschaftsgipfel in Venedig von den anderen Industriestaaten noch mehr unter Druck gesetzt zu werden.
Was wollen Sie dort eigentlich anbieten? Von dem für 1990 groß angekündigten, bisher noch nicht finanzierten Steuerpaket sind heute, im Jahre 1987, keine positiven Konjunkturimpulse zu erwarten, und unsere Vorschläge für einen ernsthaften Versuch, über mehr öffentliche und private Umweltinvestitionen die Binnenkonjunktur zu stärken, haben Sie doch, durchweg aus ideologischer Verblendung, abgeschmettert, und das werden Sie in einem Jahr genauso verspätet bereuen, wie Sie heute die falsche Struktur des Steuersenkungsgesetzes bereut haben.
({15})
Meine Damen und Herren, mit Ihrer konkunkturpolitisch völlig verfehlten Politik riskieren Sie, daß der Dollar nach einem ergebnislosen Weltwirtschaftsgipfel in Venedig, Herr Stoltenberg, wieder absackt und die Probleme unserer Exportwirtschaft weiter zunehmen. Mit Ihrer Finanzpolitik, deren Ergebnis nur eine ungerechte Umverteilung und nicht spürbare Konjunkturbelebung ist, stellen Sie die Weichen, daß die Massenarbeitslosigkeit bei uns ungehindert weiter ansteigt. Die Zunahme der saisonbereinigten Arbeitslosigkeit während der letzten Monate zeigt deutlich, daß Ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik in eine Sackgasse führt, an deren Ende wir die traurige Rekordmarke von drei Millionen Arbeitslosen übertreffen werden.
({16})
So muß man objektiv feststellen: Die von der SPD vorgeschlagene Umstrukturierung der Steuersenkung 1988 ist für die meisten Bürgerinnen und Bürger eindeutig vorteilhafter, selbst unter Schonung der öffentlichen Haushalte um 5 Milliarden DM.
Hierzu fünf entscheidende Argumente: Erstens. Nach dem von uns vorgeschlagenen Tarif wird der Grundfreibetrag auf 5 022 DM für Ledige und 10 044 DM für Verheiratete angehoben. Das sind immer noch 270 bzw. 540 DM mehr als nach dem von Ihnen vorgelegten Änderungsgesetz.
Zweitens. Unsere Vorschläge, die 5 Milliarden DM weniger kosten, führen dazu, daß Verheiratete bis zu einem Bruttoeinkommen von etwa 80 000 DM und Ledige bis zu einem Bruttoeinkommen von immerhin noch 43 000 DM im Jahr weniger Steuern zahlen als nach dem von Ihnen eingebrachten Gesetzentwurf. Nicht nur der ledige Durchschnittsverdiener, sondern auch und gerade der gut verdienende verheiratete Facharbeiter, Angestellte, Ingenieure und Meister sowie die kleinen und mittleren Unternehmer werden nach unseren Tarifvorschlägen stärker entlastet. Das sind die Fakten.
({17})
Drittens. Durch die von uns vorgeschlagene Anhebung des Kindergeldes auf monatlich 100 DM für das erste Kind, 200 DM für das zweite Kind und 300 DM für das dritte und jedes weitere Kind - der Herr Bundesfinanzminister ist eben darauf eingegangen - wird den Familien und vor allen Dingen den kinderreichen Familien spürbar geholfen. Sie dagegen haben mit Ihrer jetzt eben verteidigten Umstellung
auf Kinderfreibeträge ein ungerechtes System geschaffen, das einkommensstarke Familien kraß bevorzugt. Und damit, meine Damen und Herren, verschenken Sie wiederum den möglichen kräftigeren Nachfrageimpuls einer gerechten Familienpolitik.
({18})
Viertens. Insgesamt führen unsere steuerpolitischen Vorschläge - allein das Gesamtbild zählt - für 1988 im Vergleich zu Ihren Vorschlägen dazu, daß 80 % der Verheirateten und 70 % der Ledigen günstiger behandelt werden. Das sind die Fakten, über die heute entschieden wird, nicht etwa irgendwelche herausgeklaubten Einzelbeispiele.
Fünftens. Die breite Mehrheit der Steuerzahler wird also stärker entlastet, obwohl durch die Vorschläge der SPD - was ja für die öffentliche Investitionskraft und damit für die Beschäftigungspolitik ganz entscheidend ist - 5 Milliarden DM weniger Steuerausfälle für Bund, Länder und Gemeinden zu verkraften sind als durch die Vorschläge der Bundesregierung. Dies zeigt, wie kraß einseitig die von der Bundesregierung vorgesehenen Steuersenkungen ausgerichtet sind.
Meine Damen und Herren, die Alternative der SPD zur Steuersenkung 1988 beweist, daß eine gerechte Tarifgestaltung möglich ist, die gleichzeitig auch unter dem Gesichtspunkt einer stärkeren Inlandsnachfrage wirtschaftlich vernünftig ist. Die Bundesregierung setzt jedoch mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf den eingeschlagenen Weg der Umverteilung von unten nach oben über die Steuerpolitik 1988 konsequent fort.
Meine Damen und Herren, nun zum schönen Jahr 1990: Für das Jahr 1990 ist ja die große Superreform angekündigt. Für 1990 sind aber leider keine konkreten Angaben über die Entwicklung der Steuerbelastung aus heutiger Sicht möglich. Herr Stoltenberg, Sie haben nämlich erst die Speckseite Ihrer Steuerpläne 1990, den Steuerentlastungsteil, der Öffentlichkeit präsentiert. Wie der andere Teil, die Finanzierungs- und Belastungsseite, aussieht, wollen Sie den Wählern, den Bürgern immer noch verschweigen. Erst nach den letzten Landtagswahlen in diesem Jahr, nach der Wahl in Ihrer schönen Heimat Schleswig-Holstein, wollen Sie den Bürgern die Wahrheit über dieses Steuerpaket sagen.
({19})
Dieses Versteckspiel wird sich nicht lohnen, Herr Stoltenberg.
({20})
Gegenwärtig weiß die Mehrheit der Bürger also nicht - und das ist eigentlich ein Skandal - , wie sich das Steuerpaket 1990 für sie tatsächlich auswirkt. Ob sie entlastet oder belastet werden, ist völlig offen. Nur die kleine Zahl der sehr gut Verdienenden, für die der Spitzensteuersatz gesenkt werden soll, kann wirklich sicher sein, daß sie der absolute Gewinner des Steuerpakets ist.
Meine Damen und Herren, Herr Stoltenberg, Sie bringen die öffentlichen Haushalte mit Ihrer Politik einseitig ungerechter Steuergeschenke in immer masDr. Spöri
sivere Schwierigkeiten. Sie haben bereits selbst einen Anstieg der Haushaltsdefizite der Gebietskörperschaften auf 3 % des Bruttosozialprodukts im Jahr 1990 angekündigt. Im Klartext heißt das, meine Damen und Herren, daß Bund, Länder und Gemeinden 1990 70 Milliarden DM neue Schulden aufnehmen werden.
Dem .Bund werden 1990 mindestens 45 Milliarden fehlen, auch wenn Sie, Herr Stoltenberg, bisher nur eine geplante Neuverschuldung von etwas mehr als 30 Milliarden DM zugegeben haben. Und bei dem Haushaltsdefizit des Bundes von 45 Milliarden DM ist dann noch nicht einmal berücksichtigt, daß das heutige Ergebnis der Steuerschätzung ein weiteres Loch von wahrscheinlich 7 Milliarden DM für 1990 aufreißen wird, für das Sie keine Deckung haben, Herr Bundesfinanzminister.
({21})
Sie, der große Konsolidierungsheld, sitzen in Wahrheit auf einer selbstgebastelten haushaltspolitischen Zeitbombe, Herr Stoltenberg.
({22})
Sie tun nur so, als ob Sie das alles noch im Griff hätten. Doch ich sage Ihnen: Jetzt, wo der Konjunktur-Boom vorbei ist, jetzt, wo die Bundesbankgewinne abnehmen, haben Sie Ihren Haushalt mittelfristig nicht mehr im Griff.
Wie wollen Sie angesichts dieser trostlosen Haushaltsperspektive ohne Erhöhung der Mehrwertsteuer eigentlich noch zurechtkommen? Mit Subventionsabbau, bei dem Sie bisher wirklich jeden Erfolgsnachweis schuldig geblieben sind, werden Sie Ihre Haushaltsprobleme nicht in den Griff bekommen. Ich sage Ihnen: Sie werden die Mehrwertsteuer in diesem Hause erhöhen. Und es ist zu befürchten, daß Sie die Mehrwertsteuer sogar um zwei Prozentpunkte, nämlich von 14 % auf 16 %, erhöhen werden.
Herr Abgeordneter Spöri, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Uldall?
Lassen Sie mich - ich bin am Ende - zusammenfassen: Das von der Bundesregierung eingebrachte Reparaturgesetz verspielt die Chance, unser Steuersystem gerechter zu machen. Es verspielt auch konjunkturpolitische Chancen. Sicher ist lediglich, daß es die öffentliche Verschuldung bis 1990 um 16,5 Milliarden DM zusätzlich verschärft. Die Koalition wird es daher bald bereuen, daß sie unseren Antrag für eine gerechte und gleichzeitig beschäftigungswirksame Steuerpolitik heute ablehnt. Gehen Sie daher in sich, Herr Uldall! Es ist noch Zeit bis zur Abstimmung.
Herzlichen Dank.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Gattermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Spöri, Sie haben soeben einen eindrucksvollen Fünf -Argumente-Katalog vorgetragen. Ich will ihn ergänzen: Sechstens. Sie treiben den Facharbeiter der Mineralölwirtschaft sofort, alle übrigen aufstrebenden Arbeitnehmer mit einem time-lag von ein bis zwei Jahren in eine Eiger-Steilwand eines Progressionstarifs hinein, der wirklich nicht zu verantworten ist.
Siebtens. Sie muten dem Arbeitnehmer an der Drehbank mit vier Kindern das Erlebnis zu, daß sein Nachbar mit mitarbeitender Ehefrau steuerlich genauso zur Kasse gebeten wird. Dadurch fördern Sie also die kinderlose Ehe in erheblichem Umfange.
({0})
Achtens, lieber Herr Spöri. Sie haben mit dem Rau-Tarif schon bei der Bundestagswahl Schiffbruch erlitten. Sie werden damit auch im nächsten Frühjahr im Ländle keinen Blumentopf gewinnen.
({1})
Herr Abgeordneter Gattermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Wenn der Herr Präsident die Großzügigkeit hat, sie nicht auf meine Redezeit anzurechnen.
Er hat sie. Gattermann ({0}) : Er hat sie. - Bitte schön.
Also, Herr Kollege Gattermann, ich möchte Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß auch die Kollegin Frau Noelle-Neumann, die Ihnen näher als mir steht, bei ihren demoskopischen Umfragen herausgefunden hat, daß aus dem ursprünglich geplanten offensiven Thema Steuerpolitik für die Koalition im Bundestagswahlkampf ein Defensivthema geworden ist. Und zweitens: Wollen Sie eigentlich in diesem Parlament weiter so tricky verfahren, daß Sie unseren Tarifentwurf für 1988, der 20 Milliarden DM weniger Entlastungsmasse enthält, mit Ihrem Tarif von 1990 vergleichen? Das ist doch ein völlig unseriöser Vergleich, Herr Gattermann.
Also, sehr verehrter Kollege Spöri, wie nahe mir Frau Noelle-Neumann steht,
({0})
wage ich mangels persönlicher Bekanntschaft nicht zu bewerten. Es kommt mir auch nicht auf die Kaffeesatzleserei an.
({1})
Ich sehe nur das Ergebnis der Wahl hier in der Sitzverteilung des Deutschen Bundestages.
({2})
- Ich lasse jetzt keine weiteren Zwischenfragen mehr zu.
({3})
Ich will aber den zweiten Teil der Frage noch beantworten, Herr Spöri. Es hat nun wirklich keinen Sinn: Wir haben uns über die Vergleiche, die Seriosität von Vergleichen und die Zulässigkeit von Vergleichen hier in der letzten Steuerdebatte ausgiebig unterhalten. Lesen Sie nach, was wir damals dazu gesagt haben. Das ist die Antwort auf Ihre Frage.
Das Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz 1988 fügt sich nahtlos in die steuerpolitische Konzeption dieser Koalition aus CDU/CSU und FDP ein. Das ist eine seit fünf Jahren in Konsistenz betriebene Steuerpolitik. Wir werden sie weiter so konsequent wie bisher führen.
Dieses Konzept lautet nämlich: Rücknahme der überzogenen Steuerlast auf allen Ebenen - ich betone: auf allen Ebenen - : bei den Unternehmen und den Selbständigen ebenso wie bei den Arbeitnehmern und den Familien. Der Leistungswille der arbeitenden Menschen und die Wachstumskräfte der Wirtschaft sind zu stärken. Das ist eine zentrale Aufgabe unserer Steuerpolitik. Und der werden wir genügen.
({4})
Der erste Schritt bei dieser Strategie war eine Entlastung der Unternehmen, überwiegend bei den ertragsunabhängigen Steuern 1984. Dann kam der nächste Schritt mit der ersten Stufe des Steuersenkungsgesetzes, der eine eindeutige familienpolitische Orientierung hatte. Erst 1988 - so das noch im Bundesgesetzblatt stehende Steuersenkungsgesetz 1986/1988 - kommt die Entlastung der progressiv besteuerten Bürger an die Reihe.
Mir ist wirklich unverständlich, wie bei einer solchen Steuerpolitik Ihre Propaganda mit dem unsozialen Steuerrecht gerechtfertigt werden soll. Was ist eigentlich daran auszusetzen, wenn man zuerst dafür sorgt, daß die Wirtschaft wieder anspringt, wenn man zum zweiten dafür sorgt, daß die Familien entlastet werden,
({5})
und wenn man zum dritten dafür sorgt, daß die überbordende Steuerbelastung der progressiv besteuerten Bürger reduziert wird?
({6})
Der nächste Schritt ist die für 1990 angekündigte Steuerreform.
Und nun ist mir diesem Gesetzentwurf etwas passiert: Wir haben einen Teil aus diesem Konzept für 1990 im Volumen von 5,2 Milliarden auf das Jahr 1988 vorgezogen.
Dazu fällt Ihnen natürlich wieder nichts anderes ein, als von der „Fortsetzung dieser ungerechten Politik" zu reden. Aber wenn Sie sich die Verteilung nur einmal dieser 5,2 Milliarden DM anschauen, werden Sie merken, daß die ganz überwiegend im Bereich kleiner
und mittlerer Unternehmer und geringer verdienender Arbeitnehmer und Selbständiger liegt.
({7})
Mit diesem Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz kommen wir einer Verpflichtung aus dem Louvre-Abkommen nach, Herr Spöri. Dieses Abkommen wird nach meiner Meinung in der Diskussion ein wenig unterbewertet. Immerhin ist mit diesem Abkommen eine Währungsinterventionspolitik erreicht worden, die den rapiden, rasanten Fall des Dollars gebremst hat. Ich wage mir nicht vorzustellen, welche Auswirkungen eine weitere ungebremste Talfahrt für unseren Export und auch für unsere Haushaltsentwicklung gehabt hätte. In diesem Zusammenhang ist das Vorziehen dieses 5,2-Milliarden-Paketes zur binnenkonjunkturellen Stützung zugesagt worden.
({8})
Das ist eine Situation, die - wenn auch nicht in den Dimensionen - mit dem Weltwirtschaftsgipfel 1978 vergleichbar ist. Doch im Gegensatz zu 1978 hüten wir uns davor, nun in irgendwelchen konjunkturpolitischen Aktionismus zu verfallen, sondern wir bleiben in der Konsistenz unserer steuerpolitischen Konzeption und beschleunigen einen ohnehin projektierten Schritt teilweise.
({9})
Meine Damen und Herren, man kann sich möglicherweise darüber streiten, was 5,2 Milliarden DM Nachfrage konjunkturpolitisch bewirken sollen. Aber bitte, vergessen Sie doch nicht, daß wir hier die Kumulation mit den 8,5 Milliarden DM haben, die ohnehin auf Grund unserer früheren Gesetzgebung erst 1988 zum Tragen kommen werden. Das heißt: Es handelt sich um ein Volumen von rund 14 Milliarden DM, und das ist interessanterweise, Herr Apel, exakt das Steuermindereinnahmenvolumen der Steuerreform von 1975.
({10})
Also, man wird einem Paket von 15 Milliarden DM eine gewisse binnenkonjunkturstärkende Wirkung mit Sicherheit nicht absprechen können.
Herr Bundesfinanzminister, wir haben dieses Gesetz hier eingebracht, wir werden es zügig beraten, so daß schon auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Venedig insoweit ein gewisser Teilvollzug des Louvre-Abkommens vermeldet werden kann. Weiteren Druck, Herr Kollege Spöri, wird es natürlich immer geben; das ist so üblich. Diesen Druck werden wir aber mit diesen Maßnahmen durchaus aushalten können.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Spöri, Ihre Vorstellungen zur Steuerpolitik, Ihr Antrag für eine gerechte und beschäftigungswirksame Steuerpolitik enthält nichts als die Rezepte von gestern. Sie wollen die überzogenen Grenzsteuerbelastungen sowohl bei der Einkommensteuer festschreiben, Sie wollen die Tarifbelastung für die thesaurierten Gewinne bei der Körperschaftsteuer auf dem Niveau von 56 % festschreiben, Sie wollen also im Ergebnis - anders ausgedrückt - den Unternehmen die nicht zuletzt wegen des internationalen Steuersenkungstrends und der
sich daraus ergebenden Wettbewerbssituation notwendige Entlastung verweigern. Meine Damen und Herren, da hoffe ich auf einen Umdenkungsprozeß auch in der SPD.
Mitte April habe ich in der „Hamburger Morgenpost" aus dem Papier des Herrn von Dohnanyi zur Situation der Reeder als einen Forderungspunkt entnommen, daß die ertragsunabhängigen Steuern für Reeder drastisch gesenkt werden sollen. Das ist in der Subventionslandschaft nicht besonders verwunderlich, aber die Begründung dafür ist interessant. Die Begründung ist nämlich, daß im internationalen Steuerwettbewerb die Belastung für die Reeder in Deutschland zu hoch sei. Wenn man verstanden hat, worum es für die Reeder geht, dann hoffe ich, daß man das in einem exportorientierten Land wie der Bundesrepublik Deutschland auch für die gesamten makroökonomischen Rahmenbedingungen versteht.
({11})
Meine sehr verehrten Damen und Herren von den GRÜNEN, Ihre Alternativen sind in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Das ist Ihr Glück, denn ich habe in einer Umfrage gelesen, daß gerade im Wählerpotential der GRÜNEN die Auffassung am stärksten vertreten ist, daß die Steuern gesenkt werden müßten. Wer dann aber Ihr Programm mit Steuererhöhungen, Abschaffung des Ehegattensplitting und was der schönen Horrorinstrumente mehr sind, lesen würde, müßte eines Besseren belehrt werden. Ich habe das hier nur deshalb gesagt, weil wir alle miteinander, meine Damen und Herren, aufgerufen sind, hier wirklich Aufklärungsarbeit zu leisten. Die Wähler sollen doch, Herr Kollege Spöri, keine Katze im Sack kaufen.
({12})
- Die kriegen Sie in diesem Jahr noch vorgelegt.
Herr Kollege Spöri, enden möchte ich mit einer Empfehlung für den Spitzenkandidaten in BadenWürttemberg. Die Schwaben haben ein ungewöhnlich ausgeprägtes Gespür dafür, daß die eigene Überzeugung und das eigene Wissen in Übereinstimmung mit dem stehen muß, was man sagt. Da ich weiß, wieviel Sachverstand und Kenntnis der Zusammenhänge bei Ihnen vorhanden ist, spüren die Schwaben natürlich, daß solche Horrorgemälde mit reiner verteilungspolitischer Polemik, wie Sie sie hier dargestellt haben, eigentlich kein echter Spöri sind.
({13})
Herr Abgeordneter Gattermann, gestatten Sie zum Schluß noch eine Frage des Abgeordneten Stratmann?
Ja, bitte, gerne.
Bitte sehr.
Herr Gattermann, wenn ich Ihre Äußerungen zu den steuerpolitischen Vorschlägen der GRÜNEN-Programmatik anhöre, kommt mir die Frage, ob Ihnen auch schon bei der Lektüre von FDP-Programmen nach einem halben Absatz die Puste ausgeht oder ob Sie bereit sind, Programme ganz zu lesen und sie dann auch in ihrer Gänze zu bewerten?
Lieber Herr Kollege Stratmann, ich lese Programme vollständig. Ich habe auch aus Ihrem Programm etwas mehr gelesen als die drei Punkte, die ich hier erwähnt habe. Aber das sind doch die springenden Punkte: Abschaffung des Ehegattensplitting,
({0})
Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 60 %,
({1})
Einführung einer progressiven Vermögensteuer, Ausbau der Gewerbesteuer zur Wertschöpfungsteuer, Einführung einer Serie von Umweltabgaben wie Schadstoffabgaben, Chlorsteuer, Sondermüllabgabe, Verpackungsabgabe usw.
({2})
Dann haben Sie in der Tat - das will ich Ihnen zugestehen - im Vergleich zu den anderen Parteien einen sehr hohen Grundfreibetrag ausgewiesen. Das konzediere ich Ihnen. Aber, lieber Herr Stratmann, Sie können ein Wirtschaftssystem und einen Staat wie diesen nicht mit Menschen finanzieren, die sich darauf beschränken, maximal im Rahmen ihrer Freibeträge Einkommen zu erwirtschaften.
Schönen Dank.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Hüser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde in den nächsten vier Jahren mit Sicherheit hier versuchen, auch das deutlich zu machen, was nach Ihrer Meinung in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt genug ist, nämlich unsere steuerpolitischen Vorschläge. Vielleicht liegt es auch daran, daß wir bei der letzten Wahl leichte Einbußen erlitten haben. Wenn unsere steuerpolitischen Vorschläge bekannt wären, bin ich sicher, daß wir auch da einen großen Rückhalt innerhalb der Bevölkerung bekämen.
Ich möchte jetzt aber auf die Gesetzesinitiativen, die hier vorgelegt worden sind, eingehen. Es wird für die Geschichte wohl schwer nachvollziehbar sein, welches Konzept hinter den vielen Steuerbeschlüssen eigentlich steht. Das letztjährige „Jahrhundertwerk der Steuersenkung 1986/88" wird einmal schnell zur kleinen Steuerreform degradiert, an der dann noch weiter herumgeflickt wird. Der erste Teil der zweiten großen Steuerreform wird auf die zweite Stufe der ersten großen Steuerreform vorgezogen. Was uns sonst noch bevorsteht, werden wir wohl erst noch in den nächsten Jahren erfahren. So ein Wirrwarr kann
wohl wahrlich nicht als konzeptionelle Politik betrachtet werden.
({0})
Wir würden dies bei uns als Chaos bezeichnen.
In der Präambel zu diesem Erweiterungsgesetz steht als Zielsetzung zu lesen, daß es um die „Verstetigung der insgesamt nach oben gerichteten wirtschaftlichen Entwicklung" gehe. Es wäre wohl treffender gewesen, wenn Sie von einer „Verschärfung der insgesamt nach oben gerichteten Umverteilung" geschrieben hätten; denn auch dieses Gesetz, die Erweiterung des Steuerausfallvolumens um 5,2 Milliarden DM zusätzlich zu den schon in der letzten Legislaturperiode für 1988 beschlossenen Steuerausfällen von 8,5 Milliarden DM, wirkt eindeutig unsozial. Da können Sie sich, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, noch so sehr in semantischen Verrenkungen üben, es wird einfach bei dieser Tatsache bleiben.
Lassen Sie mich dies im einzelnen an zwei Punkten begründen. Sie feiern hier einmal die Anhebung des Grundfreibetrages. Diese Anhebung des Grundfreibetrages von 216 DM setzt das steuerlich gewährte Existenzminimum auf etwas über 4 700 DM, 4 752 DM genau, hinauf. Die zusätzliche Steuerersparnis von gerade 4 DM kann ja wohl kein Grund zum Feiern sein. Dazu reichen die 4 DM mit Sicherheit nicht aus.
Grund zum Feiern haben allerdings gerade diejenigen, die nicht nur diese 4 DM einstecken, sondern auch eine kräftige Anreicherung durch das Steuersenkungs-Anreicherungsgesetz erhalten.
Wenn wir uns das einmal ganz konkret für einen Spitzenverdiener mit 130 000 DM zu versteuerndem Jahreseinkommen anschauen, dann stellen wir fest, daß die Entlastung der zweiten Stufe des Steuersenkungsgesetzes in Höhe von 2 069 DM noch einmal um 1 059 DM angereichert wird. Hier wird sehr deutlich, was das Wort „Anreicherung" bedeuten soll. 1990 wird noch einmal um 3 619 DM erhöht. Wir haben hier also in fünf Jahren von Ihnen ein Steuergeschenkpaket für diese Personen geknüpft bekommen, das die Steuer um über 8 000 DM pro Jahr verringert. Für Spitzenverdienerehepaare macht dies sogar fast 17 000 DM aus. Das ist wahrlich eine radikale Politik. Das ist eine Entlastung für Spitzenverdienerehepaare, die im Monat - und das sollte man auf der Zunge zergehen lassen - viereinhalb mal so hoch ist wie die Steuerentlastung für einen Ledigen mit geringem Einkommen im ganzen Jahr.
Lassen Sie mich noch etwas zur Umverteilung insgesamt sagen. Sie argumentieren immer damit, daß bei dem gesamten Steuersenkungspaket die unteren Einkommensschichten stärker entlastet werden als die oberen Einkommensschichten. Das ist aber meiner Meinung nach eine bewußte Irreführung der Wähler und Wählerinnen und stellt die Tatsachen auf den Kopf. Fakt ist doch eindeutig, daß alle Spitzenverdiener von allen Maßnahmen des Steuersenkungspakets profitieren, sowohl von der Anhebung des Grundfreibetrages als auch von der Abflachung der Progression und natürlich von der Reduzierung des Spitzensteuersatzes. Somit tragen nach der Steuersenkung die Spitzenverdiener zum Steueraufkommen relativ weniger bei als vorher, und das ist doch eindeutig eine Umverteilung von unten nach oben. Das können Sie nicht wegdiskutieren.
Sie heben zweitens als besonders familienfreundlich hervor, daß die Ausbildungsfreibeträge angehoben werden und daß Sie den Haushaltsfreibetrag, den Alleinerziehende erhalten, um den gleichen Betrag wie den Grundfreibetrag anheben. Zu letzterem hat der Verband alleinstehender Mütter und Väter in einem Brief an den Bundeskanzler eindeutig klargestellt, daß dies nicht als großzügige Geste darzustellen ist, sondern daß dieses durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geboten ist.
Es liegt natürlich vollauf auf Ihrer Linie, meine Damen und Herren von der Koalition, daß Eltern mit hohen Einkommen zweieinhalbmal so stark entlastet werden wie Familien mit geringem Einkommen, vorausgesetzt natürlich, daß diese Eltern überhaupt genügend Geld haben, ihren Kindern eine Ausbildung zahlen zu können, die über das 18. Lebensjahr hinausgeht bzw. eine auswärtige Unterbringung erfordert. Diese unsozialen steuerlichen Freibeträge können einfach den Flurschaden nicht wettmachen, der durch die Streichung des Schüler-BAFöG entstanden ist. Solche Maßnahmen wie die Streichung des Schüler-BAFöG stellen eine bildungspolitische Selektion dar, die durch die progressiv entlastenden steuerlichen Ausbildungsfreibeträge in der Regel nur noch verstärkt wird.
Lassen Sie mich noch einen wichtigen Punkt bei der Erhöhung der Ausbildungsfreibeträge und der Haushaltsfreibeträge erwähnen, der in der Regel in der steuerpolitischen Debatte kaum beachtet wird. Durch das Steuersenkungsgesetz sind für ausländische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, deren Familien in ihren Heimatländern leben, diese Freibeträge gestrichen worden. Für den deutschen Fiskus sind diese Familien anscheinend nicht existent. Dies ist wohl eine Variante der Ausländerpolitik, mit der über eine steuerliche Schlechterstellung den Ausländern die Heimreise schmackhaft gemacht werden soll. Für die Bundesregierung sind eben nicht alle Familien gleich. Freundlich ist die Regierung nur zu bestimmten Familien: Sie müssen erstens deutsch sein. Zweitens müssen die Eltern verheiratet sein. Drittens müssen die Eltern die gute alte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung vollziehen. Und viertens müssen sie noch reich sein. Das ist eine ideale, förderungswürdige Familie, wie sie genau den Konzepten der CDU/ CSU entspricht.
Allerdings sind auch für die SPD die Bedingungen für eine merkliche finanzielle Förderung kaum anders, nur - das gestehe ich zu - daß im Punkt 4 etwas abgeschwächt wird. Auch Sie haben sich dagegen ausgesprochen, Inlands- und sogenannte Auslandskinder gleich zu behandeln. Ebenso wollen Sie auch das Ehegattensplitting unverändert beibehalten.
({1})
- Sie wollen doch - das ist aus diesem Antrag, den Sie einbringen, ersichtlich - nicht an das Ehegattensplitting heran.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Matthäus-Maier?
Ja, bitte. Ich nehme an, Sie rechnen es mir nicht auf die Zeit an.
Natürlich nicht, bitte schön.
Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege, daß wir noch im Jahre 1982 - leider wurde danach diese alte sozialliberale Regierung gestürzt - einen Gesetzentwurf zur Beschränkung des Splittingvorteils auf 10 000 DM im Jahr eingebracht haben?
Das ist mir nicht bekannt.
({0})
Wenn das so ist, dann werden wir vielleicht eine Möglichkeit finden, daß wir in diesem Bereich zusammenarbeiten können.
({1})
Allerdings noch ein Punkt zu den Kinderfreibeträgen, die Sie abschaffen und durch ein Kindergeld ersetzen wollen. Wenn man das Kindergeld für das erste Kind mit den jetzt schon gewährten Zulagen - Kindergeld und Kinderfreibeträge, und den Vorteilen, die man daraus zieht - vergleicht, dann macht das gerade eine Erhöhung von 4 DM aus. Das kann doch wahrlich keine Alternative sein. Dies ist aber auch nicht weiter verwunderlich, da Sie an das Gesamtprinzip im großen und ganzen nicht herangehen, sondern auf der Steuersenkungsschiene beharren wollen, gegen das Votum der Gewerkschaften, wobei wir auch hier mit den Gewerkschaften auf einer Linie liegen.
Jetzt komme ich, Herr Gattermann, zu den Vorschlägen, die wir in die Steuerdebatte einbringen wollen: Wir haben in unserem Programm „Umbau der Industriegesellschaft" einen Umbau des Familienlastenausgleichs gefordert, ein Umbau weg von der Eheförderung hin zu einer finanziellen Unterstützung von Kindern, die ausreichend ist, den finanziellen Mindestbedarf der Kinder zu decken. Dies bedeutet nicht, daß nur für das erste Kind 100 DM und dann gestaffelt nach der Ordnungszahl Kindergeld gezahlt wird, sondern daß ganz deutlich je nach Alter des Kindes für jedes Kind Kindergeld in einer Spanne von 210 bis 450 DM bezahlt werden soll. Dieser Umbau ist durch entsprechende Umverteilungen im Steuersystem finanzierbar.
Lassen Sie mich jetzt zu einem weiteren Punkt kommen, der in diesem Gesetzentwurf angesprochen ist. Der Gesetzentwurf beinhaltet auch eine Erweiterung der Sonderabschreibungen für kleine und mittlere Unternehmen. Abgesehen davon - diese Kritik ist auch aus der Wirtschaft gekommen -, daß kleine und mittlere Unternehmer auf steuerliche Sonderregelungen in ihrem Investitionsverhalten so gut wie gar nicht
reagieren können, schon aus dem einfachen Grund, weil den kleinen Unternehmen in ihren Betrieben die Steuerfachabteilung fehlt
({2})
- das glaube ich nicht; lesen Sie die Kritiken aus der Wirtschaft zu diesen Empfehlungen, dann müssen Sie mir Recht geben -, möchte ich hier eine grundsätzliche Kritik an der Art und Weise, wie Investitionsförderung betrieben werden soll, anbringen.
Der hier gewählte wirtschaftspolitische Ansatz ist angesichts der zu bewältigenden Probleme gerade bei der Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit und dem Abbau der Umweltzerstörung nach unserer Meinung absolut untauglich. Dies gilt auch - das möchte ich hier betonen - für den Gegenvorschlag der SPD, eine zeitlich befristete, steuerfreie Investitionsrücklage für kleine und mittlere Unternehmen einzuführen.
Lassen Sie mich dies begründen: Beide Maßnahmen stellen erstens eine Verringerung des Kapitalnutzungspreises dar und geben somit einen Anreiz, Arbeit durch Kapital zu ersetzen, also weitere Rationalisierungen mit den entsprechenden Folgen für den Arbeitsmarkt durchzuführen.
({3})
Zweitens werden durch beide Maßnahmen jegliche Investitionen gefördert, egal ob es sich um Investitionen handelt, die die Umwelt entlasten oder um solche, die sie zusätzlich belasten.
Wir GRÜNEN halten es dagegen für absolut notwendig, alle Mittel - und gerade auch die Mittel für die Förderung der Wirtschaft - darauf zu konzentrieren, daß wir zu einer umweltverträglichen Wirtschaftsweise gelangen. Dieser großen Koalition aus Umweltignoranten hier in diesem Hohen Haus
({4})
ist es dagegen wohl offensichtlich egal, ob umweltverträglich oder umweltschädlich investiert wird.
({5})
- Ich habe hier sehr deutlich differenziert!
({6})
- Das glaube ich nicht, Herr Spöri, aber wir können uns im Finanzausschuß darüber bestimmt noch unterhalten.
({7})
- Die werden kommen, bestimmt. ({8})
Durch den vorliegenden Gesetzentwurf der Koalition werden gerade dem Bereich der Umweltschutzinvestitionen der Gemeinden Mittel entzogen werden. Es ist ja bekannt, daß ungefähr drei Viertel dieser Investitionen von den Kommunen getragen werden. Für die Kommunen, die schon in diesem Jahr mit einem Defizit abschließen werden, dürften die gesam716
ten steuerlichen Ausfälle, die auf sie zukommen werden, zu einer glatten Finanzkatastrophe ausarten, zumal wenn die steigenden Sozialhilfebelastungen noch hinzugerechnet werden. Es ist schon zynisch, wenn der Herr Staatssekretär Voss aus dem Finanzministerium im „Handelsblatt" schreibt - ich möchte zitieren - :
Die Kommunen werden sich durch eine restriktive Finanzpolitik die Finanzierungsspielräume selbst schaffen müssen. Aus einem übermäßigen Ausgabegebaren kann kein Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch den Bund abgeleitet werden.
Wenn wir sehen, daß diese finanziellen Ausgaben eben hauptsächlich auf der Erhöhung der Sozialhilfe beruhen, halten wir das für reichlich zynisch.
Lassen Sie mich zum Schluß noch eine kurze Anmerkung zur Finanzierung machen. Vor nicht allzu langer Zeit haben Sie noch jegliche Erhöhung der Nettoneuverschuldung als Teufelszeug weit von sich gewiesen. Die härtesten Kürzungen im sozialen Bereich wurden mit Konsolidierungsargumenten begründet. Wichtige Leistungsgesetze für die nächsten vier Jahre werden einfach ausgeschlossen. Aber für die unsoziale Steuerreform, für die Verteilung von Steuergeschenken wird jede Ideologie beiseitegefegt, und mit den gewagtesten Argumenten wird einer nicht unerheblichen Neuverschuldung das Wort geredet. Ich kann dem Kollegen Sellin nur darin recht geben, daß die 30 Milliarden mit Sicherheit nicht ausreichen werden. Hier zeigt sich unserer Meinung nach sehr deutlich, daß Sie nichts weiter als eine konzeptionslose Lobbyistenpartei sind.
({9})
Wir werden dazu beitragen, daß dies auch in der Öffentlichkeit kundgetan wird.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Uldall.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Man muß sich wirklich schon ganz große Mühe geben, um in Ihrer Politik, Herr Spöri, eine klare Linie zu erkennen. Wenn man sich einmal Ihre heutigen Ausführungen und die der vergangenen Monate vor Augen hält, waren es auf der einen Seite Forderungen nach höheren Ausgaben und auf der anderen Seite - was wir heute gehört haben - Klagen über ein zu hohes Defizit; dann war es Kritik an zu hohen Subventionen, aber auch wieder die Forderung nach neuen Subventionen. Herr Spöri, das alles paßt nicht zueinander,
({0})
und ich gebe Ihnen den guten Rat: Wenn Sie in
Baden-Württemberg die 28,5 %-Grenze überschreiten wollen, müssen Sie zunächst einmal dafür sorgen,
daß Sie einen klaren finanzpolitischen Kurs verfolgen.
({1})
Ich kann nur sagen, in ganz erfreulichem Gegensatz dazu steht die mehrteilige Steuerreform, die die Koalitionsparteien 1986, 1988 und 1990 in einem geschlossenen Gesamtprogramm zur Steuersenkung durchführen.
({2})
Dieses Programm ist vom Umfang und von der Konzeption her in der Geschichte der Bundesrepublik wirklich einmalig.
({3})
Alle SPD-Vorschläge dagegen laufen immer auf Steuererhöhungen oder bestenfalls auf eine konstante Steuerlast hinaus. Damit bleibt die SPD auf ihrem alten Kurs von vor 1982, als Steuersenkungen bei den direkten Steuern immer mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer verbunden waren.
({4})
Das veranlaßt den Abgeordneten Spöri zu einer Zwischenfrage. Gestatten Sie sie?
Ja, die darf er gleich stellen. Ich halte es immer für gut, wenn der Kollege Spöri versucht, sich durch gute Fragen etwas schlauer zu machen, indem er sich dann meine guten Antworten anhört. Aber zunächst möchte ich diesen Gedanken zu Ende führen:
Damals wurden durch Ihre steuerpolitischen Maßnahmen die bescheidenen Nettoentlastungen, die Sie letztlich durchgeführt haben, immer wieder durch das Zusammenspiel von Inflation und Steuerprogressionen aufgezehrt. Wenn man sich ansieht, wie in den 70er Jahren, als Sie die Verantwortung hatten, mit der Mehrwertsteuer umgegangen worden ist, kann man nur erkennen: 1977 wurde die Mehrwertsteuer erhöht, 1979 wurde die Mehrwertsteuer erhöht. Wenn wir weiter so vorgegangen wären, wären wir heute bei einer Mehrwertsteuer von 16 %.
({0}) Jetzt Herr Spöri, bitte.
Oh, sehr gnädig!
Vielleicht können Sie mich einmal ein bißchen schlau machen; ich habe nämlich folgende Probleme. Sie haben gerade gesagt, all unsere Vorschläge zur Steuerreform liefen auf Steuererhöhungen hinaus. Wie können Sie das mit der Tatsache in Übereinstimmung bringen, Herr Uldall, daß wir als Kontrast zu Ihrem Steuersenkungsgesetz 1986/88 mit einem Entlastungsvolumen von 20 Milliarden DM ein Gegenkonzept mit dem gleichen Entlastungsvolumen entwickelt haben, das lediglich die Entlastungsmasse gerechter zugunsten der Mehrheit der Bevölkerung verteilt, nicht im Verhältnis 1: 50 zugunsten der BezieDr. Spöri
her von Spitzeneinkommen? Was ist daran Steuererhöhung, Herr Uldall?
Lieber Herr Spöri, ich habe meine Rede damit eingeleitet, daß ich gesagt habe, Sie würden mit Ihren steuerpolitischen Maßnahmen einen Zickzackkurs fahren.
({0})
Deswegen fällt es mir jetzt auch gar nicht schwer, Ihnen zu sagen: Gucken Sie einmal in Ihr Programm „Umwelt und Arbeit". Das Programm „Umwelt und Arbeit" ist ein reines Steuererhöhungsprogramm. Solange Sie Ihre Steuerpolitik mit solchen Programmen untermauern, kann ich wirklich nur sagen: Bei Ihnen kommt immer ein Mehr, aber nie ein Weniger für den Steuerzahler heraus.
({1})
- Wollen Sie noch eine Zwischenfrage stellen oder wollen Sie nur lamentieren?
Ich darf Sie nur noch fragen: Ist Ihnen eigentlich gar nicht bekanntgeworden, daß Ihre eigene Bundesregierung, die Sie hier in diesem Haus unterstützen, inzwischen wesentliche Teile unseres Programms „Arbeit und Umwelt" abgekupfert hat
({0})
und über die Kreditanstalt für Wiederaufbau durchführt? Ist Ihnen das nicht bekannt?
Nein, mein lieber Herr Spöri, das ist nicht so, denn wir verfolgen einen grundsätzlich anderen Kurs, um die Konjunktur zu beleben. Das werde ich Ihnen im Verlaufe meiner Rede noch einmal darstellen.
Lassen Sie mich jetzt aber zurückkommen zu meinen Ausführungen -
Ehe Sie das tun, möchte ich den Abgeordneten Spöri darauf aufmerksam machen, daß unsere Geschäftsordnung nicht ganz zu Unrecht vorsieht, daß die Fragen kurz und präzise, also Zwischenfragen und nicht Zwischenreden sein sollten. Wenn Sie sich dessen in Zukunft befleißigten, würden Sie es dem Präsidenten unheimlich erleichtern, die Zeiten nicht anzurechnen.
({0})
Herr Abgeordneter, Sie können nun fortfahren.
Meine Damen und meine Herren, ich hatte dargestellt, daß die Sozialdemokraten eine Mehrwertsteuererhöhung in Permanenz durchgeführt haben und daß die Sozialdemokraten heute, wären sie noch an der Regierung, bereits einen Mehrwehrtsteuersatz von 16 % erreicht hätten, wenn man das fortgeschrieben hätte. Wenn die Sozialdemokraten in ihrem Antrag, der uns heute vorliegt, sagen: „Die Erhöhung der Mehrwertsteuer . . ist abzulehnen" , dann heißt das doch nichts anderes als das: Bitte, liebe Koalition, mache um Gottes willen nicht die Politik, die wir immer betrieben haben. Meine Damen und Herren, insofern kann ich nur sagen: Die Steuerreform, die wir hier verfolgen, ist eine Steuerreform, um die Leistungsbereitschaft der Steuerzahler wieder zu fördern.
({0})
Die Steuerreform bringt mehr Gerechtigkeit mit sich. Die Steuerreform ist sozial ausgewogen.
Unsere Steuersenkungen werden in Teilschritten vollzogen, und zwar deswegen, weil wir 1986 nicht das Geld hatten, um eine Steuersenkung in einem Schritt durchzuführen. Deswegen haben wir zunächst einmal die Steuern für die Bezieher niedriger Einkommen gesenkt. Dem so entstandenen Nachholbedarf wird mit der Verabschiedung des SteuersenkungsErweiterungsgesetzes 1988 Rechnung getragen, das nichts anderes als ein Angleichen an die Maßnahmen beinhaltet, die 1986 vorgenommen worden sind. Deswegen ist es falsch, nur die Steuerentlastungen eines einzelnen Teilschritt zu sehen. Alles, was die Sozialdemokraten und auch die GRÜNEN hier an Beispielen - isoliert auf einen Teilschritt bezogen - gebracht haben, ist falsch. Man muß alle drei Schritte unserer langfristig angelegten Steuerpolitik gemeinsam betrachten.
Deswegen zählt alleine ein Vergleich der Steuerbelastung von vor 1986 mit der Steuerbelastung von 1990. Wenn ich mir diese Zahlen einmal ansehe, dann komme ich hier zu sehr interessanten Ergebnissen, die die ungerechtfertigten Vorwürfe der Sozialdemokraten wirklich als falsch deklassieren. Ein verheirateter ungelernter Arbeiter mit zwei Kindern und einem Brutto-Arbeitslohn von 22 500 DM kommt bei uns im Jahre 1990 auf eine hundertprozentige Steuerentlastung.
({1})
Bei den Sozialdemokraten mußte er damals eine Steuerlast von 1 500 DM tragen.
({2})
- Da kann ich nur sagen, Herr Spöri: Einem Niedrig-verdiener eine solche Steuerlast aufzubürden, ist meines Erachtens nun wirklich nicht als sozial zu bezeichnen.
Wir haben in der Debatte vorher über die Werften gesprochen. Deswegen möchte ich einmal die Entwicklung der Steuerbelastung eines durchschnittlich verdienenden Werftarbeiters aufzeigen. Er hat heute einen Stundenlohn von etwa 17 DM. Wenn Sie diesen Stundenlohn bei einem durchschnittlichen Bezug von 13,8 Monatsgehältern nach den Tarifverträgen und einer 3- oder 4 %igen Steigerung der Einkommen auf das Jahr 1990 hochrechnen,
({3})
werden Sie feststellen, daß er dann 43 000 DM zu versteuerndes Einkommen erzielen wird. Bei diesem Arbeitnehmer, der ja nun wahrlich nicht als ein Großverdiener zu bezeichnen ist, erreichen wir 1990 im Vergleich zu 1985 eine Entlastung um 37,2 %. Er zahlt in Zukunft 3 420 DM statt 5 400 DM Steuern.
({4})
Da kann ich wirklich nur sagen: Eine Entlastung um 37 % bei der Steuerzahlung ist für diesen typischen Arbeitnehmer eine großartige Leistung dieser Koalition.
({5})
- Herr Spöri, selbst wenn Sie „unglaublich" dazwischenrufen: Ich habe auch das Beispiel eines leitenden Angestellten, der ein Einkommen von 120 000 DM erzielt. Er wird nicht um 37 %, sondern um 30 % entlastet. Sie sehen sehr wohl, welche soziale Ausgewogenheit bei einer Gesamtbetrachtung der Entlastungsschritte festzustellen ist.
({6})
Herr Abgeordneter, Sie gestatten noch eine Zwischenfrage?
Die gestatte ich gerne. Ich hatte ja vorhin leider nicht die Ehre, Herrn Spöri eine Frage stellen zu dürfen. Deswegen freut es mich um so mehr, daß der Wissensdrang bei ihm so ungehemmt ist.
Sie kamen leider erst zum Schluß meiner Rede.
Lieber Herr Kollege Uldall, Sie erzählen laufend etwas von der Entlastung im Jahr 1990 für typische Arbeitnehmerhaushalte. Ist Ihnen bekannt, daß es sich bei den Beispielen, die Sie anführen, um reine Bruttoentlastungswerte handelt, d. h. es ist gar nicht eingerechnet, was auf diese Arbeitnehmer an Zusatzbelastungen durch Ihre Entscheidung in der Koalition zukommt, im Herbst dieses Jahres eine zusätzliche Belastung in Höhe von 19 Milliarden DM durch den Abbau arbeitnehmerspezifischer Steuervergünstigungen und die Erhöhung indirekter Steuern zu beschließen, wie Herr Stoltenberg das heute noch im Finanzausschuß angekündigt hat? Ist Ihnen nicht bekannt, daß man die Entlastung an Hand von Beispielen nur korrekt berechnen kann, wenn man Bruttoentlastung und Zusatzbelastung zusammen sieht?
Herr Spöri, natürlich ist mir das bekannt. Aber Sie haben die Antwort ja schon selber gegeben:
({0})
Bisher liegen ja noch keine Pläne im Detail vor, wie diese 19 Milliarden DM zusammenzubekommen sind.
({1})
Ich kann Ihnen daher nur raten: Stellen Sie jetzt keine Zwischenfragen, sondern investieren Sie die Zeit für das Entwickeln entsprechender Streichungsvorschläge, damit diese dann verwirklicht werden können. Wenn diese Vorschläge vorliegen, können wir auch ausrechnen, wie sich die Nettoentlastung insgesamt auswirkt.
({2})
Es ist also falsch, wenn man immer nur Teilschritte betrachtet. Man muß vielmehr das Ganze im Auge
haben. Dieses Ganze ergibt insgesamt ein sehr gutes, abgerundetes Bild.
Genauso ungereimt ist die Forderung der SPD nach der Abschaffung der Kinderfreibeträge, die wir immer wieder hören und mit der auch fürchterlich viel Polemik betrieben wird. Wissen Sie eigentlich, wann der Vorteil der Kinderfreibeträge am höchsten ist? Der Vorteil der Kinderfreibeträge ist um so höher, je höher die Spitzenbelastung, die Grenzsteuerbelastung ist.
({3})
Deswegen kann ich Ihnen nur eins sagen: Sie mildern diese Ungerechtigkeiten in dem Moment, in dem Sie die entsprechenden Spitzensteuersätze, Grenzsteuersätze reduzieren.
({4})
- Völlig richtig. Denn das ist die Kehrseite des progressiven Steuersystems.
({5})
Wenn Sie jetzt konsequent wären, Herr Apel und Herr Spöri,
({6})
müßten Sie in Ihrer eigenen Drucksache den Abschnitt 1.3 streichen. Denn hier schreiben Sie:
Der Abbau von Steuervergünstigungen für
Arbeitnehmer ({7}) ist abzulehnen.
({8})
Ist Ihnen denn das Weihnachtsfest des Reichen genausoviel wert wie das Weihnachtsfest des Armen? Warum fangen Sie nicht an, auch hier zu streichen? Sie sind hier an einem elementaren Punkt des gesamten progressiven Steuersystems angekommen. Entweder krempeln Sie das ganze Steuersystem um, oder Sie bleiben im System. Aber das, das was Sie machen, ist Flickwerk und reine Polemik.
({9})
Meine Damen und Herren, die Steuerpolitik der Bundesregierung, die in dem vorliegenden Antrag noch einmal untermauert wird, ist darauf ausgerichtet, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stetig zu verbessern. Dazu leistet das Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz einen wichtigen Beitrag. Indem die Steuerzahler von 5,2 Milliarden DM Steuerlasten befreit werden, erhöhen wir die Nachfrage, und damit werden Wachstumskräfte weiter gestärkt und so die positive Wirtschaftsentwicklung verstetigt.
Wesentliche Komponenten sind die Entlastung durch die Anhebung des Grundfreibetrags und die weitere Abflachung der Grenzbelastung in der Progressionszone. Mit der Anhebung des Grundfreibetrags fallen 500 000 bisher steuerpflichtige Bürger aus der Einkommensteuer heraus. Die vorgesehene geringere Grenzbelastung im Progressionsbereich, in dem sich mittlerweile zwei Drittel der Steuerzahler befinden, kommt vor allen Dingen dem Mittelstand zugute. Hier zeigt sich, mit welcher langfristigen Zielsetzung
unsere Wirtschafts- und Konjunkturpolitik angelegt wird.
({10})
Diese Entlastung, die wir für die Bürger schaffen, beträgt gemeinsam mit der Entlastung 1986 und der Entlastung 1990 - der Finanzminister hat es vorhin vorgetragen - etwa 50 Milliarden DM,
({11})
die zusätzliche Nachfrage bei uns in der Bundesrepublik bedeuten.
Herr Spöri, das ist viel mehr als das, was Sie durch noch so gut ausgefeilte Beschäftigungsprogramme oder Programme „Arbeit und Umwelt" oder wie die Dinger immer heißen, jemals erreichen könnten.
({12})
Es ist eine Steuerpolitik und eine Konjunkturpolitik aus einem Guß, die sich nicht an kurzfristigen und kurzatmigen Gesichtspunkten ausrichtet,
({13})
sondern das ist eine Politik, die unsere Konjunktur langfristig stabilsiert.
Ich will Ihnen das an den Investitionsmöglichkeiten zeigen, die ein Handwerksmeister hat. Nehmen wir einmal an, ein Handwerksmeister erzielt zusammen mit seiner Frau, die im Betrieb mitarbeitet - meistens arbeiten auch noch die Kinder mit -,
({14})
einen Ertrag von 100 000 DM. Durch besonderen Fleiß und durch besonderen Einsatz steigert er seinen Ertrag, um Kapital bilden zu können, um neue Maschinen anzuschaffen, die er benötigt, um seine Wettbewerbsfähigkeit behaupten zu können. 1985, als der Tarif noch galt, den die Sozialdemokraten festgelegt hatten, mußte er von 1 000 DM zusätzlichem Einkommen etwa 500 DM an das Finanzamt abführen. Es verblieb ihm gerade die Hälfte, um seine Rücklage zu stärken und sich weitere Maschinen zu kaufen,
({15})
deren Nachfrage sich natürlich auch konjunkturfördernd auswirkt. Wenn wir unsere Steuerreform abgeschlossen haben, werden ihm nicht 500, sondern fast 700 DM verbleiben. Daran erkennen Sie die positive Wirkung unserer Steuerpolitik auch für den Mittelstand.
Lassen Sie mich zusammenfassen, meine Damen und Herren. Das vorgezogene Entlastungspaket 1988 kann als ausgewogen angesehen werden. Es paßt in den Zusammenhang der großen Steuerreform, die folgende Merkmale hat. Die Steuerreform ist aus einem Guß. Sie ist bei weiterhin strenger Ausgabendisziplin solide finanziert. Sie begünstigt in ihren Schritten immer zuerst die Bezieher kleinerer Einkommen und
erst später die Bezieher größerer Einkommen, und sie schaft schließlich den Mittelstandsbauch in der Progressionszone ab, diese Ungerechtigkeit, die uns alle hier in der Bundesrepublik seit Jahren belastet hat.
Die CDU/CSU-Fraktion wird deswegen den Bundesfinanzminister bei der zügigen Durchsetzung seiner steuerpolitischen Vorschläge unterstützen.
Vielen Dank.
({16})
Das Wort hat der Abgeordnete Poß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Entlastungsbeispielen, die der leider nicht mehr vorhandene Abgeordnete Gattermann und Herr Uldall gebracht haben, will ich eigentlich nur auf die Entwicklung der Lohnsteuerquote verweisen, die die Gesamtwirkung Ihrer Politik offenkundig macht. Die Lohnsteuerquote wird bis Anfang der neunziger Jahre auf über 19 % ansteigen. Da nützen all Ihre vernebelnden Beispiele überhaupt nichts.
Auch was die positiven konjunkturellen Wirkungen, von denen der Herr Bundesfinanzminister sprach, angeht, muß ich z. B. auf Rundschreiben von Banken an ihre Aufsichtsgremien verweisen, die in diesen Tagen davon sprechen, die Eigenansparung gerade bei den Beziehern höherer Einkommen, also die Sparquote, würde sich in den nächsten Jahren gewaltig erhöhen; man müsse sich Gedanken über die Verwendung des Geldes machen. Das beweist doch wohl, welche Binnenwirkung und konjunkturelle Wirkung von diesen Maßnahmen zu erwarten ist. Ich glaube, Sie verbinden mit diesen Maßnahmen ganz einfach auch konjunkturell und wirtschaftspolitisch falsche Hoffnungen.
({0})
Es gibt andere Widersprüche. Der Herr Bundesfinanzminister sprach letzte Woche davon, daß die Steuern in drei Stufen und in vier Jahren um 49 Millionen DM gesenkt werden sollen. Vielleicht kann Herr Stoltenberg oder einer der nachfolgenden Redner einmal erklären, wie diese Rechnung zusammenkommt. Nach meiner Rechnung auf Grund der Materialien des Finanzministeriums ergibt sich in der Tat eine Nettoentlastung von 48 Milliarden DM, aber in acht Jahren, nämlich von 1983 bis 1990, und zwar bei kompensatorischen Steuererhöhungen von 31 Milliarden DM, wozu auch die Mehrwertsteuererhöhung von 1983 gehört, die Herr Dr. Stoltenberg so gerne unterschlägt.
({1})
Mit dem heute zu beratenden Gesetzentwurf dokumentiert die Bundesregierung ja selbst, daß Kohls größte Steuerreform aller Zeiten unzulänglich, ein Flop war. Auch mit der angekündigten Steuerentlastung 1986/1988, wo eine durchschnittliche Entlastung von 1 023 DM je Steuerzahler erreicht werden sollte, wird der Wähler getäuscht. Diese Durchschnittssumme erinnert schnell an die obskure Entlastungssumme, die der Herr Stoltenberg im Bundestagswahlkampf verkündet hat, nämlich durch das
Steuerpaket 1990 würden die Steuerzahler durchschnittlich um 1 000 DM entlastet. Leider werden die Bürger erst nach den Landtagswahlen im Herbst dieses Jahres merken, daß das nicht so ist. Dann werden sie erkennen, daß die Bürger gar nicht gemeint waren, als die Herren Stoltenberg, Bangemann und Geißler eine durchschnittliche Steuerentlastung von 1 000 DM für jeden Steuerzahler versprachen.
Denn es ist doch so, wie Herr Spöri in einem Zwischenruf deutlich gemacht hat: Bei den Entlastungsbeispielen ist der Belastungsteil überhaupt nicht berücksichtigt. Hier wird von Bruttoentlastung gesprochen, und die Nettoentlastung wird verschwiegen. Es werden verschwiegen: Verbrauchsteuererhöhung, Streichung von Sonderregelungen, Steuersubventionen etc. pp.
Die Zweifel bei den Bürgern an diesem Bundesfinanzminister werden wachsen, wenn sich viele noch erinnern, was Herr Stoltenberg im Bundestag bei der Haushaltsdebatte im Dezember letzten Jahres mit Stentorstimme vorgetragen hat: Die Trendwende bei den Investitionen ist erreicht; die Kraft des Aufschwungs ist ungebrochen und erhält jetzt einen neuen Schub. Alles hehre Worte.
Im Wettstreit mit Herrn Bangemann und Herrn Ost hat Herr Dr. Stoltenberg das Wirtschaftswachstum nach oben jubeln wollen. Von 4 % Zuwachs des Bruttosozialprodukts war da die Rede, dann von 3 %, dann von 2,5 %, schließlich um die 2 % herum, und jetzt sind wir bei 1,8 % angelangt. Da kann ich nur sagen: Welche hohle Worte!
Wenn dann alles ganz anders kommt, als man verkündet hat, dann stellen sich verantwortliche Regierungsmitglieder wie der Herr Bangemann hier hin und sagen: Ob wir ein halbes Prozent Wachstum mehr oder weniger haben, darauf kommt es ja gar nicht an. Ihm ist wohl gar nicht klar, was 1 % Wachstum überhaupt bedeutet, was damit verbunden ist, daß das 20 Milliarden DM sind, daß damit Arbeitsplätze verbunden sind. Aber das ist die bekannte Kompetenz dieser Bundesregierung, und Milliarden an Steuerausfällen sind die Folge auch dieser Fehlprognose, was zu erhöhter Staatsverschuldung führt.
Was dem Bundesfinanzminister nach meinen Einsichten und Berechnungen heute von den Steuerschätzern wohl gemeldet werden wird, ist keine Überraschung. Hier erhält der Bundesfinanzminister die Quittung für seine bewußt hochgejubelten falschen Aufschwungparolen. Nur weil er sich jetzt nicht mehr vor der Wirklichkeit herausleugnen kann, weil die Wirklichkeit seine Wunsch- und Traumwelt eingeholt hat, kommen die richtigen Zahlen auf den Tisch. Er korrigiert nur dieses abgelaufene Jahr. Weil er gar nicht mehr anders konnte, hat er die Wirtschaftsdaten angepaßt, die er dem Arbeitskreis „Steuerschätzung" vorgibt und die dieser Arbeitskreis zugrunde legen muß. Für das laufende Jahr waren das jetzt ein reales Wirtschaftswachstum von 1,8 % und eine Inflationsrate von 2 %. Dabei reden Sie immer von inflationsfreiem Wachstum. Der Inflationsaufschlag ist in den gesamtwirtschaftlichen Annahmen dieser Bundesregierung auch für das Jahr 1987 höher als die reale Wachstumsrate.
Sie haben im Ablauf des letzten Jahres also bewußt einen Aufschwungsirrtum und eine Aufschwungslüge eingeleitet, indem Sie den Steuerschätzern bewußt ein um 30 Milliarden DM erhöhtes Bruttosozialprodukt nachgemeldet haben, um höhere Steuereinnahmen konstatieren zu können, um sich selbst in Stimmung zu bringen. Diese Rechnung ist mit dem heutigen Tag gescheitert. Wenn die Zahlen auf den Tisch kommen, ist klar, daß Sie sich reichgerechnet haben. Sie haben versucht, mit Taschenspielertricks über den 25. Januar zu kommen.
({2})
Ich kann Ihnen das alles mit Zahlen belegen.
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- Sie haben sich im Herbst letzten Jahres um 27 Milliarden DM reichgerechnet. Das wissen Sie ja selbst.
Ich mache hier den Steuerschätzern keine Vorwürfe, aber ich glaube, man muß Ihnen politische Vorwürfe wegen dieser offenkundigen Wahlmanipulation machen. Ohne daß sonst noch irgendwelche bedeutenden Änderungen bei den Wachstumsvorgaben der Bundesregierung vorgenommen wurden, müssen die Steuerschätzer für den Zeitraum bis 1990 heute Steuermindereinnahmen von insgesamt 60 Milliarden DM gegenüber der letzten Steuerschätzung ausweisen, und allein für 1990 beträgt diese vorläufige Korrektur 18 Milliarden DM. Das treibt die Nettokreditaufnahme nach oben, und wir wissen, was das bedeutet. Wir kommen dann zu den berühmten 3 %, von denen der Herr Bundesfinanzminister neuerdings spricht, die rund 70 Milliarden DM ausmachen. Man stelle sich vor, Sozialdemokraten könnte ein solcher Vorwurf gemacht werden!
Wie rettet sich der Herr Bundesfinanzminister? Er sagt: Das ist gar nicht schlimm, daß wir fast das dreifache der bisher mit 24,5 Milliarden DM vorgesehenen Verschuldungsplanung für 1990 vorsehen müssen. Das ist nur eine geringfügige vorübergehende Erhöhung der Nettokreditaufnahme. Ich sage: Das ist eine Begriffsmanipulation. Wer soll den Worten und Zusagen des Bundesfinanzministers noch trauen können? Hier wird das Scheitern einer groß angekündigten dauerhaften Konsolidierungspolitik dokumentiert. Herr Stoltenberg, an dieser Stelle sind Sie gescheitert; Sie müssen es nur noch zugeben.
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Ich zitiere Sie - Erklärung vom 2. Juli 1985 im Deutschlandfunk - : „Nach meiner Auffassung müssen wir in der kommenden Wahlperiode unter 20 Milliarden DM Nettoneuverschuldung kommen". Wer kann angesichts dieser Zahlen noch bestreiten, daß Herr Stoltenberg inzwischen zum erfolgreichsten Märchenerzähler in der Bundesrepublik Deutschland geworden ist?
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Er macht dieser Funktion auch alle Ehre, wenn er das Märchen von den guten und den schlechten Schulden erzählt. Die schlechten Schulden sind die Ausgaben, die Schulden, die die Sozis gemacht haben, die guten Schulden sind die Schulden, die der Herr Dr. StoltenPoß
berg macht, auch wenn Länder und Gemeinden durch diese Schuldenbelastung ihre notwendigen Aufgaben nicht mehr finanzieren können. Dabei wachsen die Ausgaben von Ländern und Gemeinden durch die Politik dieser Bundesregierung noch, die ihren Haushalt entlastet und die Lasten auf Länder und Gemeinden verschiebt. In den kommenden Monaten werden Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, die Aufgabe übernehmen müssen, denjenigen, die keine Arbeit oder Angst davor haben, den Arbeitsplatz zu verlieren, zu erklären, warum die Bundesregierung 60 bis 70 Milliarden DM Neuverschuldung in einem Jahr für vertretbar hält, um die Steuern für die Reichen zu senken, wenn es aber um zusätzliche Arbeitsplatzinvestitionen geht, die Gefahr des Staatsbankrotts an die Wand malt.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Faltlhauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Poß: es gibt keine „guten" und „schlechten" Schulden. Es gibt aber sehr wohl einen wesentlichen Unterschied: ob man neue Schulden aufnimmt, um damit Investitionen zu finanzieren und dadurch Arbeitsplätze zu schaffen, die Konjunktur zu stabilisieren bzw. zu verbessern, oder ob man diese Schulden - wie Sie es während Ihrer Regierungszeit getan haben - nur zur Deckung konsumtiver Ausgaben, die man vorher großzügig über das Volk ausgeschüttet hat, aufnimmt.
({0})
Herr Spöri hat sich hier hingestellt und mit lockerer Hand einige Begriffe in diesen Saal geworfen. Er hat von einer „Konjunkturlüge " gesprochen. Ich hatte zunächst den fatalen Eindruck, daß er sich über die Reduktion der Wachstumszahlen des Bruttosozialprodukts gefreut hat. Herr Kollege Spöri, wenn Sie von einer „Konjunkturlüge" sprechen, muß ich fragen: Sind fünf Jahre eines konstanten Aufschwungs eine „Konjunkturlüge"? Sind fünf Jahre konstanten Abbaus von Defiziten, die Sie uns geschaffen haben, eine „Konjunkturlüge"? Ich glaube, das ist nicht der Fall!
({1})
Seien Sie sicher: Die notwendige Korrektur der Wachstumszahlen ist eine Konjunkturdelle, kein Totalschaden.
Herr Spöri, Sie haben an diesem Platz Krokodilstränen über die Verschuldung vergossen. Da zündet die SPD ein Haus an und macht Schulden wie ein Weltmeister. Dann kommt dieser Finanzminister Stoltenberg, löscht das Haus, und hinterher stellen Sie sich hierher und sagen: Wir hätten das ohne Wasser wesentlich besser gelöscht.
({2})
Ich glaube, das war ein etwas peinlicher Auftritt, Herr Spöri: Ohne diesen Finanzminister hätten wir heute pro Jahr eine Neuverschuldung von mehr als 60 Milliarden DM netto. Das sind die Tatsachen.
Und noch etwas, Herr Spöri: Sie haben 3 Millionen Arbeitsplätze angekündigt; weitsehend und weitblikkend, wie man als Spitzenkandidat offenbar zu sein hat. Das hat auch Herr Roth im alten Plenarsaal wiederholt versucht. Auch er ist mit einer derartigen Ankündigung gescheitert. Es sind eben nicht 3 Millionen Arbeitslose geworden, und zwar auf Grund der erfolgreichen Politik dieser Bundesregierung. Das ist eine Wunschmarke von Ihnen, wie mir scheint. Sie sollten eigentlich aus den vergangenen Erfahrungen gelernt haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Spöri?
Weil er gerade so schön steht, will ich ihm auch noch folgendes sagen.
({0})
- Selbstverständlich.
Ich halte es nicht für gut, daß Sie in diesem Plenum am Nachmittag der Öffentlichkeit gegenüber aus einer geschlossenen Ausschußsitzung vom Vormittag angebliche Aussagen des Finanzministers zitieren, und noch dazu falsch zitieren. Ich halte es in einem doppelten Sinne für einen schlechten Stil. Sie haben nämlich zum einen falsche Angaben gemacht, und Sie haben das zum anderen auch noch in der Öffentlichkeit getan.
({1})
Bitte, Herr Kollege Spöri.
Herr Kollege Faltlhauser, ist Ihnen bekannt, daß die Ankündigung, die indirekten Steuern zu erhöhen, die ich unter Bezugnahme auf die Ausschußsitzung zitiert habe, von Herrn Stoltenberg mehrmals auch im Plenum des Deutschen Bundestages gemacht wurde und ich insofern keinerlei Indiskretion begangen habe?
Sie haben davon gesprochen, daß Herr Stoltenberg den Brand des Hauses gelöscht habe. Ist Ihnen bekannt - Sie sind ja noch nicht so lange im Finanzausschuß - , daß die Bundesschuld seit 1982 um 100 Milliarden DM gewachsen ist
({0})
und daß dieses Wachstum der Bundesschuld größer ist als die Bundesschuld, die jemals ein sozialdemokratischer Finanzminister zu verantworten hatte?
Zunächst zum ersten: Bekannt ist mir nur eines, Herr Spöri: daß dieser Bundesfinanzminister und auch andere Kollegen aus der Fraktion die Erhöhung von Verbrauchsteuern bisher nur als letzte Möglichkeit mit ins Kalkül einbezogen, aber niemals, so wie Sie es hier dargelegt haben, gesagt haben: Wir werden Verbrauchsteuern erhöhen. Das hat auch, wenn wir jetzt schon einmal dabei sind, der Finanzminister heute in der Früh nicht gesagt, und das hat er nach meiner Kenntnis auch in diesem Plenum noch nicht gesagt.
({0})
- Wollen Sie die Antwort auf Ihre zweite Frage hören? ({1})
Zweitens. Wenn Sie hier von Schulden sprechen, dann müssen Sie zunächst einmal von den Wachstumsraten der Schulden sprechen. Sie haben in den letzten beiden Jahren Ihrer Regierungszeit unter Schmidt jeweils ein Wachstum der Nettoneuverschuldung von 44 % gehabt. Im ersten Jahr der Regierungszeit Kohl waren es 23 %, im zweiten Jahr waren wir bereits bei Null. Und dann haben wir die Schulden auf bis fast 20 Milliarden DM abgebaut.
({2})
Heute hätten wir ohne diesen Finanzminister eine Nettoneuverschuldung pro Jahr - ich habe es schon gesagt - von mehr als 60 Milliarden DM! Wir leiden - dieses Land leidet - unter dem großen Berg von Schulden, die Sie gemacht haben. Wir müssen nämlich Zinsen in einem Ausmaß zahlen, daß nicht mehr gesund ist. Diesen großen Schuldenberg haben Sie mit Ihrer Politik aufgeschüttet.
({3})
Das ist meine Antwort auf Ihre zweite Frage.
Nun kommt der Abgeordnete Glos und bittet um eine Zwischenfrage.
Herr Kollege Glos.
Herr Kollege Dr. Faltlhauser, würden Sie bitte die Liebenswürdigkeit haben, dem Herrn Kollegen Dr. Spöri mitzuteilen, daß die Neukreditaufnahme, die in der Zeit von Herrn Minister Stoltenberg stattgefunden hat, bedeutend geringer war als die Summe der Zinsen, die Herr Stoltenberg zu zahlen hatte, und zwar für Schulden, die seine Vorgänger gemacht haben?
({0})
Herr Abgeordneter, Sie können sich setzen. Denn dies ist eine Dreiecksfrage, die ich selbstverständlich nicht zulasse. Ich bitte den Abgeordneten Dr. Faltlhauser, nunmehr fortzufahren.
Ich bin gern bereit, so freundlich zu sein, diese Feststellung an Herrn Spöri weiterzugeben. ({0})
Meine Damen und Herren, Sie von der SPD verlangen, daß die Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Einkommenssituation entlastet werden. Dann kommt diese Bundesregierung mit dem größten Entlastungsvolumen der Nachkriegszeit, und trotzdem protestieren Sie hier mit allen möglichen Behauptungen.
({1})
Die größte Steuerreform, deren ersten vorgezogenen Teil wir heute in erster Lesung debattieren, ist jedoch in besonderer Weise arbeitnehmerfreundlich.
({2})
Und hier stehen Zahlen gegenüber Behauptungen: Die Entlastung von der Steuerschuld beträgt nach dem Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz im Vergleich zum Tarif 1981 in der unteren Proportionalzone 12,2 %, in der Progressionszone 11 % und in der oberen Proportionalzone 3,4 %.
Allein diese nüchternen Zahlen, Herr Spöri, widerlegen die unsinnige Behauptung von der Umverteilung von unten nach oben oder von der Förderung der Reichen.
({3})
Ein Spitzenverdiener muß auch künftig jede zweite Mark an Steuern abführen, ein Steuerpflichtiger in der unteren Proportionalzone hingegen nur etwa jede zehnte Mark.
Jeweils rund 7 Milliarden DM werden für die Anhebung des Grundfreibetrages und die Absenkung des Eingangssteuersatzes eingesetzt. 16,6 Milliarden DM werden überwiegend zur Entlastung unterer Einkommensschichten und von Familien zur Verfügung stehen, während die Kappung des Spitzensteuersatzes auf 53 % - die Wiederherstellung des Zustandes, wie er vor 1974 gegeben war - nur etwa 1 Milliarde DM kostet. Ist dies Umverteilung von unten nach oben? Ich glaube, die Zahlen belegen das Gegenteil.
Beispiele machen dies deutlicher: Ein lediger Durchschnittsverdiener mit einem Jahreseinkommen von 43 000 DM zahlt künftig 15,8 % weniger Steuern. Wenn er verheiratet ist und zwei Kinder hat, beträgt die Entlastung 24,6 %. Oder ein anderes Beispiel: Unter Berücksichtigung des Kindergeldes bleibt ein Monatseinkommen von 2 859 DM für einen Verheirateten mit zwei Kindern belastungsfrei. Dieser Betrag ist für uns deshalb so interessant, weil die SPD ein Wahlversprechen gemacht hat; ein Wahlversprechen, mit dem sie ankündigte, Verheiratete mit zwei Kindern - unter Gegenrechnung des Kindergeldes - bis zu 2 800 DM steuerfrei zu stellen. Dies haben wir jetzt durch unsere Tarifgestaltung und unsere Steuerreform übertroffen. Das sind nicht Versprechungen, sondern Tatsachen, die durch diese Regierung geschaffen werden.
Was hat die SPD - Herr Uldall hat hier schon einige Ausführungen dazu gemacht - dagegenzusetzen? Wenn man Ankündigungen hier in diesem Hause sowie solche in Programmpunkten, die auf Ihren Parteitagen eine Rolle gespielt haben, sammelt, dann kommt eine Vielzahl von Aussagen zusammen: Einschränkung des Ehegatten-Splittings - Frau Matthäus-Maier hat es dankenswerterweise hier heute noch einmal klargestellt, daß Sie das wollen -, Sparbuchsteuer, Bodenwertzuwachssteuer - Sie können das auch Witwenenteignungssteuer nennen -, die Erhöhung der Grundsteuerbelastung, Rücknahme aller seit 1983 erfolgten Steuersenkungen, Arbeitsmarktabgabe, Ausbildungsplatzabgabe, Erweiterung und Verschärfung der Gewerbesteuer,
Verbrauchssteuer auf Luxusgüter, Sonderabgabe „Arbeit und Umwelt" und derlei mehr. Das ist eine Summe, die es geradezu peinlich erscheinen läßt, daß Sie hier als eine Partei auftreten, die die Steuern senken will. Sie sind die Steuererhöhungspartei, wir sind die Steuersenkungspartei!
({4})
Im Rahmen des Steuersenkungs-Erweiterungsgesetzes 1988 wird auch eine Komponente der Koalitionsvereinbarung mit Wirkung vom 1. Januar 1988 vorgezogen, die mir bedeutsam erscheint: die Verbesserung der Sonderabschreibung zur Förderung kleinerer und mittlerer Betriebe nach § 7 g des Einkommensteuergesetzes. In der Öffentlichkeit wird diese Maßnahme vielfach als d i e Mittelstandskomponente bezeichnet. Dies ist irreführend. Denn die entscheidende Mittelstandskomponente ist die Beseitigung des Mittelstandsbauchs in der Tarifgestaltung.
({5})
Durch die Schaffung des linear progressiven Tarifs wird die Leistung der mittleren Einkommen, ob von Arbeitnehmern oder Gewerbetreibenden oder kleinen Handwerkern, am stärksten entlastet. Der Tarif ist bereits an sich d i e Mittelstandskomponente. Der § 7 g ist dabei ein zusätzliches Anreizinstrument für die Investitionen des gewerblichen Mittelstands.
In diesem § 7 g steckt eine dreifache Verbesserung: zum einen die Verdoppelung des Höchstbetrags der Sonderabschreibungen von 10 auf 20 %; zweitens die Erweiterung des Zeitraums für die Inanspruchnahme auf drei Jahre und drittens die Erweiterung des Kreises der geförderten Betriebe.
Die Wahlfreiheit für die Verteilung der Sonderabschreibungen auf die ersten drei Jahre bietet eine Möglichkeit, Gewinnschwankungen mit der Folge einer endgültigen Steuerersparnis auszugleichen. Ein Beispiel: Wenn ein verheirateter kinderloser mittelständischer Fuhrunternehmer einen Lkw zum Preis von 200 000 DM kauft, kann er bei Gewinnen zwischen 100 000 und 140 000 DM im Zeitraum von 1988 bis 1991 allein eine Steuerersparnis von 2 360 DM erwirtschaften, ohne daß der Zinseffekt berücksichtigt wird.
Wir sollten aber, liebe Kollegen, im Lauf der Debatte im Ausschuß überlegen, ob die drei Jahre ausreichend sind
({6})
oder ob man den Dehnungseffekt etwas erweitert und den Vorschlag des Kollegen Glos aufgreift, das vielleicht auf fünf Jahre auszudehnen.
Gerade die kleinen Unternehmer, Herr Hüser von den GRÜNEN, sind gezwungen, mit dem spitzen Bleistift zu rechnen. Die brauchen keine Finanzabteilung. Die können sich die Vorteile dieses § 7 g sehr wohl selbst errechnen. Und sie werden sie sich errechnen. Deshalb sind wir zuversichtlich, daß die jetzt für diesen § 7 g angesetzten 1,5 Milliarden DM tatsächlich ausgeschöpft werden - zum Wohl der Schaffung von Arbeitsplätzen in diesem Land.
({7})
Wir haben ein Steuerentlastungskonzept der Bundesregierung vor uns. Es ist ein großes Vorhaben. Wir haben hier heute einen ersten Schritt vorliegen, der weiß Gott beifallswürdig ist ({8})
nicht nur in diesem Saal, sondern auch draußen bei den Steuerzahlern.
({9})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Matthäus-Maier.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Finanzminister Stoltenberg, Sie bezeichnen Ihre Steuersenkungspläne für die nächsten Jahre als Steuerreform. Ich versuche, zu zeigen, daß das Wort „Reform" für dieses Paket absolut unzutreffend ist. Ich finde das schade. Denn ich glaube, wir brauchen Reformen in unserem Steuerwesen.
Sie haben, Herr Stoltenberg, im Unterschied zur sozialliberalen Koalition eine Mehrheit nicht nur im Bundestag, sondern auch im Bundesrat, die wir während der 13 Jahre sozialliberaler Koalition nicht hatten, weswegen unsere Reformpläne in vielen Fällen im Bundesrat gescheitert sind. Sie aber haben eine solche Mehrheit. Darum finde ich es traurig, daß Sie das, was jede regierende Partei, welche auch immer, im Steuerrecht reformieren muß, nicht angehen, von der Reform der Gewerbesteuer, der Einheitswerte und der Besteuerung der Alterseinkünfte gar nicht zu reden; die werden gar nicht in Angriff genommen; aber ich spreche jetzt nur von diesem Paket.
Beispiel eins: Die Steuerfreiheit des Existenzminimums ist auch nach Ihren großen Plänen nicht gewährleistet. Zu begrüßen ist ausdrücklich, daß Sie genau wie die Vorgängerin, die sozialliberale Koalition, den Grundfreibetrag weiter gehoben haben. Aber das bleibt doch weit hinter dem Existenzminimum zurück. Ich glaube, daß Sie auch verfassungsrechtlich gehalten wären, den Grundfreibetrag sehr viel höher anzuheben. Ich weiß, daß in Ihren eigenen Reihen Pläne von 8 000 und 10 000 DM Grundfreibetrag diskutiert worden sind. Deswegen ist mir völlig unverständlich, warum Sie nicht einer deutlichen Anhebung des Grundfreibetrages den Vorzug geben vor den ungerechten Senkungen der Steuer bei Spitzeneinkommen. Da hätten Sie uns an Ihrer Seite.
({0})
Zweites Beispiel. Ein rationaler, gerechter Kinderlastenausgleich wird auch bei diesen Steuerplänen von Ihnen nicht in Angriff genommen. Im Gegenteil: Wir haben das bekannte Durcheinander von Kindergeld, Einkommensgrenzen beim Kindergeld, Kinderfreibeträgen bei der Steuer und dem Kindergeldzuschlag festzustellen.
Herr Stoltenberg, Sie haben sich, glaube ich, bei der Frage von Herrn Apel eben geirrt, als Sie sagten, Sie hätten 1974 der Einführung des Kindergeldes nur zugestimmt als Ergebnis des Vermittlungsausschus724
ses. Ich habe Ihren Antrag, den Antrag der CDU/CSU-Fraktion, vom 10. Juli 1974 hier vorliegen,
({1})
in dem die CDU/CSU-Fraktion - er gehörte dem Bundestag nicht an; deshalb kann ich nicht sagen: „Sie" - genauso wie SPD und FDP im Bundestag beantragt hatte, daß der Kinderfreibetrag bei der Steuer aus familien- und sozialpolitischen Gründen
- das heißt doch wohl: Das andere ist unsozial! - ersetzt werden soll durch das gleich hohe Kindergeld für alle. Ich werde Ihnen nachher diesen Gesetzentwurf geben.
Was ist eigentlich in diesen zehn Jahren bei Ihnen vorgegangen, daß Sie, sobald Sie die Mehrheit hatten, davon wieder heruntergegangen sind? Ich muß Ihnen sagen: Eine Partei, die das Kind von Herrn Flick - so er denn überhaupt eines hat - zweieinhalbmal soviel steuerlich entlastet wie das Kind des Fahrers von Herrn Flick, darf hier nicht herkommen und sagen, daß Sie eine soziale Steuerpolitik gemacht haben.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Uldall?
Bitte.
Darf ich, da ich hier schon so lange warten mußte, noch einmal auf den Grundfreibetrag zurückkommen? Ich möchte Sie fragen, Frau Kollegin, ob Ihre Kritik an der mangelnden Erhöhung des Grundfreibetrages nicht etwas peinlich ist, wenn ich feststelle, daß Sie den Grundfreibetrag nur auf 5 000 DM erhöhen wollen, wir aber den Grundfreibetrag auf 5 600 DM, mithin um 600 DM mehr, erhöhen.
Ich glaube, Herr Kollege Uldall, Sie machen einen Denkfehler.
({0})
- Moment! Gerade die Zahlen aus unserem Gesetzentwurf zeigen, daß wir den Grundfreibetrag bereits im Jahre 1988 auf 5 022 DM erhöhen wollen,
({1})
nämlich 270 DM mehr, während Ihre Vorschläge erst für das Jahr 1990 gelten. Bis dahin würden wir den Grundfreibetrag längst noch einmal anheben.
({2})
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Uldall.
Frau Matthäus-Maier, habe ich vorhin den Kollegen Spöri richtig verstanden, daß er eine weitergehende Steuerentlastung gar nicht vornehmen möchte?
Entschuldigen Sie, selbstverständlich haben wir ausdrücklich beschlossen und im Wahlkampf zugesagt, daß wir auch 1990 eine weitere Steuersenkung vornehmen wollen. Der
Unterschied zu Ihnen ist der, daß wir sagen: Wir wissen heute noch nicht, erstens wie die konjunkturelle Lage ist und zweitens wie hoch die Inflationsrate ist. Nur wenn Sie diese kennen, wissen Sie, ob es überhaupt heimliche Steuererhöhungen gibt. Drittens wollen wir uns nicht in die peinliche Situation begeben wie Sie, die bereits vor zwei Jahren ein Gesetz für 1988 verabschiedet haben und es dann, bevor es überhaupt in Kraft tritt, ändern müssen, weil Sie merken, daß Sie schiefgelegen haben.
({0})
- Nein, Sie können doch verstehen, daß ich nun weitermachen möchte.
Ich glaube auch, daß ich die Zusage, das nicht mehr anzurechnen, dann nicht mehr einhalten kann. Das wäre nicht sehr fair. Im übrigen würden Sie, Herr Abgeordneter Uldall, dem Präsidenten einen großen Gefallen tun, wenn auch Sie Ihre Hand nicht unbedingt in der Hosentasche hätten.
({0})
Herr Stoltenberg, ich möchte zum Kinderlastenausgleich noch ein weiteres sagen: Unabhängig von der Ungerechtigkeit des Kinderfreibetrages bei der Steuer geht, glaube ich, eine schlimme Ungereimtheit bei dem heutigen Kinderlastenausgleich weitgehend unter. Sie haben auf der einen Seite den steuerlichen Kinderfreibetrag der Höchstverdiener besonders entlastet. Dann haben Sie aber Einkommensgrenzen beim Kindergeld eingeführt mit der gegenteiligen Wirkung, so daß Sie insbesondere bei mittleren Einkommen, nämlich bei einem Nettojahreseinkommen von etwa 40 000 bis 50 000 DM, ein sogenanntes Mittelstandsloch haben. Das sind Familien mit Kindern, die sowohl weniger als die Geringerverdienenden als auch viel weniger als die Höherverdienenden bekommen. Ich wundere mich, daß insbesondere Sie von der FDP dieses Mittelstandsloch hinnehmen. Es gibt wirklich nur eine Antwort darauf: Ersetzung dieses Durcheinanders durch das gleich hohe Kindergeld für alle, 100 DM für das erste, 200 DM für das zweite und 300 DM für jedes weitere Kind.
Sie lassen in Ihrem Familienlastenausgleich auch weiterhin das wirklich ungerechte Steuersplitting bestehen. Dieses Steuersplitting führte im Jahre 1981 zu einem Vorteil von 14 837 DM. Nach dem Gesetzentwurf für 1988 ({0}) steigt der Steuervorteil durch das Splitting auf 19 561 DM im Jahr und 1990 auf 22 844 DM. Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU: Können Sie es wirklich hinnehmen, daß durch die bloße Heirat eines Spitzenverdieners oder einer Spitzenverdienerin
({1})
- ohne Kinder, heißt das; da sind keine Kinder in der Ehe zu betreuen - ein Steuervorteil von über 22 000 DM entsteht? Es gibt eine Menge Leute, die ein Jahr lang arbeiten müssen, um dies zu verdienen.
({2})
Übrigens, damit Sie das auch wissen: Auch die Ungerechtigkeiten z. B. gegenüber einem Witwer mit Kindern, der das Splitting nicht hat, oder einer alleinstehenden Mutter mit Kindern, die das Splitting auch nicht hat, entnehme ich den Äußerungen von Alfred Dregger aus dem Jahre 1984, als er, als wir darüber gestritten haben, gesagt hat, eine Reform des Ehegattensplitting werde in Aussicht gestellt, weil er die Ungerechtigkeit sehe. Sie hätten jetzt die Chance, im Rahmen Ihrer Steuersenkungspläne eine wirkliche Reform des Familienlastenausgleichs mit unserer Hilfe durchzuführen.
Drittes Beispiel: Die Unternehmensbesteuerung begünstigt risikolose Kapitalanlagen im Vergleich zu Investitionen. Auch diese strukturelle Ungereimtheit packen Sie bei Ihren Steuersenkungsplänen nicht an. So weigern Sie sich bis heute, die tatsächliche steuerliche Erfassung der wirklich hohen Zinseinkünfte zu realisieren. Jemand wie Wolfram Engels von der „Wirtschaftswoche", der nun wirklich nicht in dem Verdacht steht, den Sozialdemokraten besonders nahezustehen, schrieb dieser Tage in der „Wirtschaftswoche " :
Zieht man das Resümee der Steuerreformpläne, führen sie zu dem Ergebnis, daß die Diskrepanzen in der Besteuerung
- er meint: zwischen Risikokapital und Anlagekapital nicht vermindert, sondern vergrößert werden. Risikotragendes Kapital, produktive Investitionen und die Eigenkapitalfinanzierung am Markt werden im Ergebnis zusätzlich diskriminiert sein. Für die Bezieher hoher Einkommen oder die Besitzer großer Vermögen wird es noch attraktiver, ihre Mittel im Ausland in Geldvermögen oder Grund und Boden anzulegen. Arbeitsplätze werden so nicht geschaffen.
Besser als der Herr Engels können Sozialdemokraten das gar nicht formulieren. '
({3})
Wir fordern Sie auf, unseren Vorschlag der steuerfreien Investitionsrücklage für kleine und mittlere Unternehmen anzunehmen.
Viertes Beispiel: Die Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, eine wichtige Reform, die wir, wenn wir die Mehrheit hätten, genauso in Angriff nehmen müßten wie Sie, wird nicht in Angriff genommen. Sie sprechen zwar vom Abbau von Subventionen, also auch Steuersubventionen, doch der bisherige Erfolg läßt Schlimmes ahnen. Wenn Sie überhaupt einmal - jetzt meine ich nicht Sie, sondern Teile der CDU/CSU-Fraktion - , nach Beispielen gefragt, was Sie denn einschränken wollten, eine Antwort geben, taucht immer wieder das Stichwort Weihnachtsfreibetrag und das Stichwort Arbeitnehmerfreibetrag auf.
Herr Stoltenberg, heute morgen haben Sie im Ausschuß gesagt, diese beiden Freibeträge würden im Kern erhalten. Aber auch Sie haben auf meine ausdrückliche Frage: Schließen Sie aus, daß diese beiden Arbeitnehmerfreibeträge eingeschränkt oder abgeschafft werden? keine klare Antwort gegeben.
({4})
Ich will hier für die Öffentlichkeit sagen, warum wir uns dem Abbau dieser Arbeitnehmerfreibeträge entschieden widersetzen: Sie sind nämlich ein Ausgleich dafür, daß Arbeitnehmer erstens durch die Lohnsteuer im Unterschied zu Selbständigen direkt zur Kasse gebeten werden und daß sie zweitens nicht die Gestaltungsfreiheit wie Selbständige haben.
Dafür ein Beispiel: Setzen sich zwei Unternehmer abends bei gutem Essen hin und diskutieren, wie sie die Pläne der Gewerkschaft zur Einführung der 35Stunden-Woche erfolgreich verhindern können, können sie die Aufwendungen selbstverständlich als Bewirtungsspesen steuerlich absetzen. - Setzen sich am nächsten Abend zwei Arbeitnehmer aus den Betrieben der beiden Unternehmer in dieselbe Wirtschaft und diskutieren ebenfalls beim Abendessen, wie sie die Pläne ihrer Gewerkschaft auf Einführung der 35-Stunden-Woche besonders effektiv unterstützen können, können sie die Aufwendungen für die Bewirtung selbstverständlich nicht steuerlich absetzen. Zum Ausgleich für diese Ungerechtigkeit gibt es den Arbeitnehmerfreibetrag.
Ich möchte zum Schluß kommen. Mit der Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat haben Sie eine große Chance, zu einer wirklichen Reform zu kommen. Sie wissen, daß ich nicht häufig etwas Positives über den amerikanischen Präsidenten Reagan sage, aber eines ist festzuhalten: Auch wenn man seine Steuerreform im Detail kritisieren und sagen kann, das eine oder andere hätten wir in diesem Lande anders gemacht, eines haben Demokraten und Republikaner im amerikanischen Kongreß sicher gemacht, eine richtige Steuerreform, nämlich eine Senkung der steuerlichen Belastung mit gleichzeitiger drastischer Ausdehnung der Bemessungsgrundlage. Ich kann Ihnen nur sagen, nutzen Sie Ihre Mehrheiten und versuchen Sie diese Reform. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft, die uns in unseren Zeiten wirklich heftig kritisiert hat, hat auf ihrem Steuergewerkschaftstag in Dortmund vor wenigen Wochen gesagt: Der Weg in das Steuerchaos ist bei dieser Bundesregierung noch schlimmer geworden. Dem ist nichts hinzuzufügen.
({5})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich kann die Aussprache schließen.
Zu den Tagesordnungspunkten 3 a und 3 b schlägt der Ältestenrat Überweisung der Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Andere Vorschläge werden offensichtlich nicht gemacht. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. Mai 1987, 9 Uhr ein.
Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Arbeitstag.
Die Sitzung ist geschlossen.