Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es entspricht parlamentarischem Brauch, daß der oder die Älteste in der Versammlung die Leitung übernimmt, bis unter seiner oder ihrer Leitung die Versammlung sich selbst einen Präsidenten gewählt hat. So steht es auch in § 1 Abs. 2 der Geschäftsordnung des 10. Deutschen Bundestages.
Ich bin am 18. Dezember 1913 geboren. Ist jemand im Saale der vor diesem Datum geboren wurde? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. - Dann fällt mir also die ehrenvolle, mich zugleich an die Zahl meiner Jahre erinnernde Aufgabe zu, Sie, meine Kolleginnen und Kollegen, herzlich zu begrüßen und die erste Sitzung des 11. Deutschen Bundestages zu eröffnen.
Mein respektvoller Gruß gilt dem Herrn Bundespräsidenten.
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Wir danken Ihnen sehr, Herr Bundespräsident, daß Sie an dieser konstituierenden Sitzung des 11. Deutschen Bundestages teilnehmen. Sie haben während Ihrer bisherigen Amtszeit viel dafür getan, das uns Gemeinsame zu vertreten und zu vertiefen; zumal mit Ihren Beiträgen zur deutschen Geschichte haben Sie dem Werk der Aussöhnung einen großen Dienst erwiesen.
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Das ausländische Echo hat dies viele von uns auf erleichternde Weise wissen lassen. - Sie sind uns herzlich willkommen.
Ich begrüße zugleich die anwesenden Botschafter und Missionschefs, die sich an diesem für uns wichtigen Tage hier eingefunden haben.
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Meine Damen und Herren, bis zur Beschlußfassung über die Geschäftsordnung, die sich der 11. Deutsche Bundestag im weiteren Verlauf dieser Sitzung geben wird, verfahren wir nach den Regeln, die für den 10. Deutschen Bundestag gegolten haben.
Nach Absprache mit den Fraktionen benenne ich als vorläufige Schriftführer die Damen und Herren Abgeordneten Max Amling, Leni Fischer, Charlotte Garbe, Michaela Geiger, Ernst Kastning, Franz
Heinrich Krey, Uwe Lambinus, Meinolf Michels, Doris Odendahl, Bernd Reuter, Hannelore Rönsch ({3}), Wolfgang Rumpf, Hannelore Saibold, Heinz Schemken, Gerhard Schulze ({4}), Waltraud Steinhauer, Peter Struck, Margitta Terborg, Herbert Werner, Gudrun Weyel, Waltrud Will-Feld, Uta Würfel und Benno Zierer. - Die Abgeordneten Frau Geiger und Herr Amling haben neben mir Platz genommen.
Mir liegt eine Wortmeldung der Frau Abgeordneten Olms zur Geschäftsordnung vor.
: Ich beantrage namens der Fraktion DIE GRÜNEN in Ergänzung der vorgesehenen Tagesordnung im jetzt noch geschäftsordnungsfreien Raum eine Debatte über die eingeschlossenen und verhungernden Menschen in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon.
In Anbetracht der sich Stunde um Stunde verschlechternden Situation der Hungernden und der offensichtlichen Unmöglichkeit, die Menschen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten zu versorgen, haben wir um eine Aktuelle Stunde und um eine Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses ersucht. Beides wurde uns verwehrt. So sehen wir keine andere Möglichkeit, als auf diesem Wege die Situation der verzweifelten, eingeschlossenen, hungernden und kranken Menschen in den Lagern zur Sprache zu bringen.
Den Darstellungen von einer entspannten Lage widerspricht, daß der Belagerungsgürtel seit gestern wieder enger geschlossen wurde und die in die Lager hereingebrachten wenigen Lebensmittel nur für drei Tage reichen. Libanesische Frauen, die gestern den Hungernden Brot bringen wollten, wurden von der Amal-Miliz unter Beschuß genommen.
Frau Abgeordnete, ich bitte, zur Geschäftsordnung zu reden und nicht zur Sache.
In Anbetracht der Eskalation fordern wir Sie, die Abgeordneten des Bundestages, auf, unserem Antrag auf Debatte stattzugeben.
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Danke schön.
Alterspräsident Brandt
Wer wünscht zur Geschäftsordnung das Wort? - Bitte, Herr Abgeordneter Wolf gramm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Für die FDP-Fraktion und für die Fraktion der CDU/CSU lehne ich diesen Antrag ab. Wir haben im Ältestenrat mit Einverständnis des Vertreters der GRÜNEN darüber Einvernehmen erzielt, daß wir diese konstituierende Sitzung genauso wie alle früheren behandeln wollen, d. h. ohne eine Veränderung der Tagesordnung; also auch keine Aktuelle Stunde. Der Anlaß ist sicher ein wichtiger. Wir haben andere wichtige Anlässe, und wir haben noch viele Aktuelle Stunden vor uns. Vier Jahre liegen vor uns. Wir werden diesen Tag in seiner Bedeutung nicht mit einer veränderten Tagesordnung versehen.
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Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute haben wir die Konstituierung des Deutschen Bundestages vorzunehmen. Aktuelle Dinge werden dieses Haus nach der Konstituierung des Bundestages zu beschäftigen haben. Heute sind wir nicht bereit, einem solchen Antrag zuzustimmen. Dies wird zu gegebener Zeit ausführlich geschehen können.
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Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten der Fraktion DIE GRÜNEN. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Gestatten Sie mir, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, daß ich, bevor meine Pflichten als Alterspräsident dann fast schon wieder erfüllt sind, einige Überlegungen vor Ihnen ausbreite.
Ich denke in diesem Augenblick an die Menschen, die sich in Gefahr und Bedrängnis befinden; es sind ihrer viele. Unsere Verbundenheit - das kann ich gewiß für uns alle sagen - gilt den eigenen Landsleuten, aber gleichermaßen den anderen Europäern und den Amerikanern, die im Libanon als Geiseln gehalten werden.
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Im Namen der Menschenrechte und des Völkerrechts appelliere ich an die Geiselnehmer: Lassen Sie die Männer frei, die Sie gefangenhalten. Ich weiß, daß es in Ihrem Teil der Welt viele ungelöste Probleme gibt, eine Vielzahl widerstreitender Interessen und Überzeugungen. Geiselnahme löst jedoch keines der Probleme. Die Berufung auf den Glauben kann dafür nicht in Anspruch genommen werden. Geiselnahme schafft neue Gegensätze; ein Instrument der politischen Auseinandersetzung darf sie nicht sein. Sie darfin der zivilisierten Welt keinen Platz haben, sie muß geächtet werden.
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Ich will ein Wort hinzufügen zu dem, was in diesen Wochen Tausenden von Kindern, Frauen und Männern in Lagern im Libanon widerfahren ist. Wenn Flüchtlinge, ob aus Palästina oder woher immer, Wochen- und monatelang von jeder Versorgung abgeschnitten werden, kann das nur scharfen Protest herausf ordern.
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Meine bescheidene, wirklich bescheidene Bitte geht dahin, daß wir jene Organisationen unterstützen, die sich um humanitäre Hilfe für Flüchtlinge und für die Opfer von Bürgerkrieg und Krieg bemühen, und zusätzlich fordere ich dazu auf, diejenigen gewähren zu lassen und nicht zu behindern, die sich der Aufgabe widmen, Menschen in Not Hilfe zu bringen.
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Es ist unerträglich, wenn unschuldige Menschen zu Opfern gewalttätiger Politik gemacht werden. Deshalb gilt unsere Anteilnahme im besonderen der Zivilbevölkerung, wo immer militärische Auseinandersetzungen stattfinden, ob in Afghanistan oder in Mittelamerika, vor allem aber heute auch in dem irakisch-iranischen Krieg, der nun schon länger als der Erste Weltkrieg dauert und in dem, wie einst vor Verdun, nun vor Basra das Gros einer ganzen Generation zweier Völker zu verbluten droht. Der Bombenkrieg hat inzwischen auch auf die Zivilbevölkerung erheblich übergegriffen. Frieden ist, wenn auch an unterschiedliche Bedingungen geknüpft, das Ziel aller Religionen, Glaubensrichtungen, philosophischen Grundhaltungen. Wir wissen, was das Gegeneinander von Eroberungs- und Religionskriegen in der europäischen Geschichte bedeutet hat und welch vielfältige Interessen in sie hineinwirkten.
Wird das Morgenland nun die schrecklichen Irrwege des Abendlands wiederholen? Ich weiß es nicht. Aber ich meine, wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, die Hoffnung darauf, daß sich die Tendenzen in Richtung Frieden und Toleranz doch noch durchsetzen. Schließlich hat in den schrecklichen Zeiten der europäischen Gewaltverirrung im Dienst der vermeintlich reinen Lehre die Idee der Toleranz im damals islamischen Teil Europas einen wegweisenden Beitrag zur Entwicklung einer universellen Kultur geleistet.
Solche Toleranz ermöglicht es, daß sich Menschen unterschiedlicher Religion und Überzeugung für den Frieden und für die grundlegenden Rechte der Menschen zusammenfinden. Toleranz bedeutet ja nicht das Aufgeben der eigenen Überzeugung und schon gar nicht das Dulden von Feindseligkeit. Toleranz bedeutet, die Glaubensentscheidungen der anderen zu achten und ihre religiösen Gefühle zu respektieren, auch im Gebrauch der Meinungsfreiheit.
Der hier spricht, ist eher für mehr als für weniger Meinungsfreiheit. Ich will mich also für keine Art von Zensur in Anspruch nehmen lassen. Aber wenn die
Alterspräsident Brandt
Entfaltung der Meinungsfreiheit bei uns die religiösen Gefühle anderer Völker und Menschen verletzt, tut es mir aufrichtig leid.
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Und um Brücken zu bauen zum Verstehen zwischen Kulturen und Völkern, zwischen Religionen und Ideen, hoffe ich sehr, daß mein Bedauern überall verstanden und nirgendwo mißverstanden wird. Ich bitte darum.
Wir dürfen - ich sage es noch einmal - die Hoffnung nicht aufgeben, daß sich die Religionen zusammenfinden in gegenseitigem Respekt und in gemeinsamer Leidenschaft für den Frieden zu einer Zusammenarbeit, die den Menschen dient und ihre fundamentalen Rechte sichert.
Lassen Sie mich nun, meine Damen und Herren, der Erwartung Ausdruck geben, daß wir uns alle nach besten Kräften bemühen, dem Auftrag gerecht zu werden, der uns neu oder erneut hierher gebracht hat. Ich will nicht mit großväterlichen Ermahnungen aufwarten und schon gar nicht so tun, als wollte ich mir bei meinem Engagement zwischendurch einfach mal den Mantel der Überparteilichkeit umhängen.
Deshalb belasse ich es bei dem schlichten Hinweis: Wir stehen hier alle in der Pflicht, die uns das Grundgesetz auferlegt.
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Vielleicht darf ich einen Aspekt dessen aufnehmen, was ich vor vielen Jahren aus gleichem Anlaß zu sagen bemüht war: Die demokratische Ordnung lebt von der Gleichwertigkeit derer, denen aufgetragen ist, sich um das Gemeinwohl zu bemühen.
Verantwortung für unseren demokratischen Staat obliegt den Angehörigen der Mehrheit wie der Minderheit. Sie ist keiner Gruppe Vorrecht. Wo sich keine Übereinstimmung erzielen läßt, wird in der Demokratie mehrheitlich entschieden. Dem haben sich diejenigen zu beugen, die in der Minderheit geblieben oder die vor Gericht unterlegen sind. Das gilt, wenn ich die Hinzufügung machen darf, auch für die Volkszählung.
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Aber Pflichten gibt es in beide Richtungen - wenn es denn nur zwei Richtungen sind. Erprobte Verf ahrens-weisen brauchen nicht bei jeder Gelegenheit in Frage gestellt zu werden. Rücksichtnahmen empfehlen sich aus Klugheit, falls eine andere Motivierung nicht schon ausreichen sollte.
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Abgeordnete höheren oder niederen Ranges gibt es nach der Verfassung nicht.
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Für mich ergibt sich hieraus, daß alle Fraktionen über die gleichen Chancen der Mitwirkung verfügen sollten.
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Gewiß, zum Wesen des Parlaments gehört der Streit. Zu einer politischen Kultur in der Demokratie gehört es jedoch auch, daß die Partner der parlamentarischen Auseinandersetzung sich dessen vergewissert halten, was ihnen gemeinsam ist. Das Thema „demokratischer Grundkonsens" braucht nicht für feierliche Gelegenheiten aufgehoben zu werden.
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Es läßt sich auch im parlamentarischen Alltag abklopfen, und in Wirklichkeit geschieht dies ja auch nicht selten. Politische Kultur kann jedenfalls nur gedeihen, wo es Respekt gibt vor der Meinung des Andersdenkenden.
In diese elfte Wahlperiode fällt der 40. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes. Der besondere Auftrag des Grundgesetzes gründet in bitterster Erfahrung aus Gewaltherrschaft und Krieg, aus materieller Not und vielfacher Zerstörung sittlicher Werte. Das aus solcher Verwüstung erwachsene freiheitliche und soziale Erbe weitergeben zu können, bleibt die Genugtuung für Menschen meines Alters und Lebensweges. Von der friedensstiftenden Wirkung unserer grundgesetzlichen Ordnung habe ich hier vor vier Jahren gesprochen. Doch pflegebedürftig bleibt gewiß, was den meisten mittlerweile selbstverständlich erscheint, über all das hinaus, was mit Texten und Institutionen zu tun hat, die Verpflichtung darauf, daß die Würde des Menschen nicht angetastet werden darf.
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Die Verpflichtung hierauf war die erste und grundlegende Gemeinsamkeit derer, die sich vor 40 Jahren zum staatlichen Neubeginn zusammenfanden. Alle demokratischen Kräfte haben in diesem Rahmen ihren Platz, können in ihm ihre Interessen und Überzeugungen vertreten, so auch dort, wo sie Dinge und Verhältnisse anders gestaltet haben wollen. Diese Republik, was immer am parlamentarischen Prozeß und an der bundesstaatlichen Ordnung schwerfällig erscheinen mag, bietet die Voraussetzungen, nicht nur zu bewahren, sondern auch zu verändern, zu reformieren, zu erneuern.
Lassen Sie mich von diesem Platz aus den Jungen in der ganzen Republik sagen: Dies ist auch dann unser Staat, wenn er nicht unter den Bedingungen nationaler Einheit konstituiert werden konnte. Die war nicht erst durch ausländische Siegermächte zerstört worden, sondern schon durch diejenigen, die nicht nur anderen Leid zufügten, das für unvorstellbar gehalten worden war, sondern auch das eigene Volk verbrecherisch in tiefes Unglück gestürzt hatten.
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In dieser Phase der geschichtlichen Entwicklung müssen wir Deutsche uns um Zusammenhalt trotz staatlicher Trennung bemühen, über das hinaus, was humanitär, kulturell und wirtschaftlich unbeschadet der unterschiedlichen Ordnungen gesichert und gefördert werden kann.
Alterspräsident Brandt
Nicht zu ersetzen ist die Pflicht der Deutschen, d. h. der Deutschen in beiden Staaten, zum Frieden und zum Dienst an Europa.
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Verantwortungsgemeinschaft - ein Wort, das in beiden deutschen Staaten benutzt wurde - sollte nicht bloß ein Wort bleiben.
Wir werden, meine Kolleginnen und Kollegen, häufiger gefragt werden und uns selbst zu fragen haben, ob unsere Einrichtungen und Verfahren ausreichen, damit auf neue, neuartige Herausforderungen angemessen reagiert werden kann, um Gefahren abzuwenden, um einer menschenwürdigen Zukunft den Weg zu ebnen. Sicher werden auch in Zukunft Entscheidungen zu treffen sein, deren Tragweite und Risiken nicht restlos abzuschätzen sind. Über zukünftige Lebensbedingungen wird heute bestimmt, in manchen Fällen, ohne daß die Möglichkeit einer Korrektur gegeben ist. Dabei geht es nicht selten um ein Abwägen von Risiken; ein Abwägen, durch das auch Gewissensfragen berührt werden oder berührt werden können.
Es werden darunter Entscheidungen sein, über die sich im politischen Meinungsstreit ein Kompromiß schwer finden läßt. Wir sollten ihn dennoch versuchen. Man kann sich ja auch - sagt mir meine Lebenserfahrung - kühne Kompromisse vorstellen.
Den meisten von uns, zumal von uns Älteren, fällt es nicht immer leicht, die neuen Entwicklungen mitzuvollziehen, die neue Qualität absehbarer Gefahren und Chancen voll zu würdigen. Aber ich weiß: Auch Jüngere geraten in die Gefahr der Resignation, wenn sie sich den komplizierten Zusammenhängen von Technik und Politik ausgesetzt sehen. Solide Erfahrungen im eigenen und im überschaubaren Nahbereich scheinen dann nicht mehr viel wert zu sein. Wir sind miteinander Zeugen einer Zeit tiefgreifender Umbrüche, nicht nur auf wissenschaftlichem und technischem Gebiet, auch im Bereich der internationalen Beziehungen, auch in sozialer Hinsicht und im kulturellen Verhalten.
Offensichtlich verstärkt sich die Tendenz, daß viele von uns kaum noch das Ganze zu sehen vermögen, sondern nur noch die Teile, daß sie tüchtiger darin sind, Einzelinteressen zu vertreten, als sich eine praktische Vorstellung davon zu machen, was Verantwortung für die Gesamtheit bedeutet. Gleichzeitig wachsen jedoch, wenn ich es richtig erkenne, neue Nachdenklichkeit über Fragen der Zukunft und Sensibilität für die uns umgebenden zerstörerischen Tendenzen.
Zu dem, was wir hinzuzulernen hatten, gehörte, daß die Menschheit seit einiger Zeit in der Lage ist, sich selbst zu vernichten. Jedenfalls sind die Gefahren für den Weltfrieden nicht gebannt. Das Wettrüsten ist nicht ausgesetzt. Neue Gefahren für den Frieden sind hinzugetreten.
Die Frage stellt sich: Welchen konkreten Beitrag können wir Deutsche, kann die deutsche Politik, kann dieser Deutsche Bundestag leisten, um die Gefahren der Vernichtung infolge menschlichen oder technischen Versagens bannen zu helfen?
Zum anderen: Das von uns Älteren übernommene Fortschrittsverständnis ist durch die ökologische Krise nachhaltig erschüttert worden. Wir leben inzwischen mit der Erfahrung von Unglücken neuer Qualität. Man beginnt zu begreifen: Bei einer gleichbleibenden Entwicklung von Umweltbelastung und Naturzerstörung droht eine globale Katastrophe. Es ist also an der Zeit, den Fortschrittsbegriff sozial und ökologisch neu zu definieren.
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Was sich ändert, sind nicht nur die Möglichkeiten der Technik, es sind auch die Entscheidungen darüber, welche Ziele der Technik politisch zu setzen sind. Nur wenn man sich dieser Aufgabe stellt, wird sich die soziale und ökologische Erneuerung der Industriegesellschaft bewerkstelligen lassen.
Immer enger wird der Rahmen dessen, was sich in nationaler Verantwortung regeln läßt, immer weiter werden die Gebiete, die internationale Zusammenarbeit, also internationale Entscheidungen brauchen.
Die Frage stellt sich: Welche nationalen, europäischen und internationalen Beiträge von der Bundesrepublik Deutschland und damit nicht zuletzt auch von diesem Deutschen Bundestag zu erwarten sind, um den rasch gewachsenen Bedrohungen konstruktiv zu begegnen und der modernen Zivilisation eine Zukunft zu sichern.
Die Menschheit hat ungeahnte Fähigkeiten entfaltet und mancherorts riesigen materiellen Wohlstand angehäuft. Doch es gibt die Gleichzeitigkeit eines schrecklichen Wachstums von Waffen und Armut. Die Nord-Süd-Gegensätze gehen immer deutlicher zu Lasten derer im Elend. Sie sind kein gesundes Fundament für prosperierenden Welthandel und für den Frieden der Völker.
Die Frage stellt sich, was wir Deutsche in Zukunft zu tun gedenken, um unsere und die europäischen Interessen in den weltweiten Nord-Süd-Zusammenhängen so wirksam wie möglich wahrzunehmen, und wie wir auf internationale Vereinbarungen hinwirken können, durch die Mittel umgelenkt werden: weg von der Rüstung, hin zur Entwicklung.
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Ich möchte hinzufügen dürfen: Das, was die päpstliche Kommission „Justitia et pax" kürzlich zur Überwindung der internationalen Schuldenkrise zu Papier gebracht hat, verdient mehr als marginale Bekundungen des Wohlwollens. Es gibt die in jenem Dokument begründete „geteilte Verantwortung". Dazu gehört ohne Zweifel eine gerechtere Ordnung der internationalen Finanz- und Wirtschaftsbeziehungen.
Wer wollte im übrigen die Augen davor verschließen, daß sich die Industriegesellschaften selbst in einem tiefgreifenden Wandlungsprozeß befinden? Die in der Nachkriegszeit geknüpften Fäden zwischen Wachstum, Beschäftigung und sozialer Sicherung sind lockerer geworden. Hohe Arbeitslosenzahlen ziehen, wenn sie hingenommen werden, schwere gesellschaftliche und soziale Belastungen nach sich. Die Frage stellt sich: Was können, was wollen Wirtschaft
Alterspräsident Brandt
und Politik der Bundesrepublik Deutschland auf sich nehmen, um krisenhaften Entwicklungen im europäischen und im internationalen Bereich zu begegnen? Daß hiervon auch die Zukunft des Sozialstaats abhängt, liegt auf der Hand. Daran, daß uns das Grundgesetz auf den demokratischen und sozialen Bundesstaat verpflichtet, darf bei dieser Gelegenheit erinnert werden.
Schließlich, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen: Es hat früher hochgestellte Narren gegeben, die meinten, an ihrem deutschen Wesen solle die Welt genesen. Heute wissen die meisten: Es gibt keine deutsche Zukunft ohne oder gar gegen Europa.
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Bei uns in der Bundesrepublik beklagen viele - ich nehme mich davon nicht aus - die ärgerlichen Unzulänglichkeiten der Europäischen Gemeinschaft. Aber ohne die EG wollen wir nicht sein, sondern mit einer, die ihre Halbherzigkeiten und Widersprüchlichkeiten hinter sich läßt und die handlungsfähig wird - von der Währung bis zur Sicherheit.
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Ich sage aus voller Überzeugung, mit ganzem Nachdruck: Für die Deutschen in ihrer Gesamtheit gibt es keine Zukunft ohne ein europäisches Haus.
Politisch und militärisch eingebunden ist unsere Bundesrepublik in Vertrag und Organisation des Atlantischen Bündnisses, gemeinsam mit den Freunden in Nordamerika. Mehr noch als andere bleiben wir daran interessiert, daß der Abbau von Spannungen nicht weniger wichtig genommen wird als die Bereitschaft zur Verteidigung.
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In der Welt östlich von uns hat ein nicht nur interessanter, sondern aus meiner Sicht wahrhaft erregender Prozeß von Reformen begonnen, die teilweise umwälzenden Charakters sind. Wenn die Kraft reicht, in der Sowjetunion neues Denken durchzusetzen und in der Außen- und Sicherheitspolitik zu praktizieren, dann könnten sich geschichtlich neue Perspektiven ergeben. Was man dazu von außen tun kann, was in unserem Volk viele erwarten - ich gehöre zu denen - , verlangt ein seriöses Erproben des politischen Gegenübers.
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Das sollte jedenfalls Vorrang vor dem Erproben immer neuer Zerstörungsmittel haben.
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Ohne uns zu überheben oder zu übernehmen: Es bleibt eine besondere deutsche Aufgabe, daran an vorderster Stelle mitzuwirken, daß der gegenwärtige Zustand in unserem Teil der Welt umgewandelt werde in eine dauerhafte europäische Friedensordnung. Dieses Ziel von historischer Dimension könnte in unserer Zeit eine Chance bekommen. Diese wird nur genützt werden können mit der Nüchternheit, die Systemunterschiede sieht und nicht verwischt, und zugleich dem Mut, Chancen möglicher Zusammenarbeit zu ergreifen, nicht nur in den Bereichen von Wirtschaft, Ökologie und Kultur. Mir will scheinen, daß auf allen Seiten - jedenfalls auf mehreren Seiten - Barrieren aus Unwissenheit und Vorurteilen überwunden werden müssen, damit die Chancen einer realistischen Entspannungspolitik wahrgenommen werden können. Eine Politik des Abbaus von Spannungen ist auf dem Hintergrund unserer Geschichte moralische Verpflichtung, sie entspricht auch den Interessen unseres Volkes in seiner Gesamtheit.
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Wessen Verständnis von Politik - wie bei vielen von uns - vom Erbe der Aufklärung geprägt ist, der weiß freilich: Politik ist auch dann nicht frei von Widersprüchen, wenn sie auf vernunftgeleitetes Handeln angelegt ist. Widersprüche zu ertragen, lernfähig zu sein, notwendige Kompromisse zu schließen - das Wort sei noch einmal aufgenommen - gehören zu den Verhaltensweisen einer soliden und selbstbewußten Demokratie.
Die Frage ist, ob die ethisch-moralische Kraft der heute lebenden Menschen mit dem rapiden Anwachsen der auf Zerstörung und Vernichtung angelegten Potentiale Schritt zu halten vermag. Die Frage ist auch, wieweit wir in unseren politischen Entscheidungen fähig sind, langfristig schädliche Folgen gegenwärtigen Handelns abzusehen und uns danach in unserem Verhalten zu richten.
Ich wünsche uns, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, den Weitblick und die Kraft, die Toleranz und die Fähigkeit zum Ausgleich, die wir nötig haben werden, wenn wir Gutes für den Frieden und für unser deutsches Volk bewirken wollen.
In diesem Sinne lassen Sie mich sagen: Auf sinnvollen Meinungsstreit und gedeihliche Zusammenarbeit im 11. Deutschen Bundestag!
({22})
Meine Damen und Herren, bevor ich Tagesordnungspunkt 2 aufrufe, möchte ich Ihnen folgendes mitteilen:
Ich bin darüber unterrichtet, daß die 234 Abgeordneten der CDU und der CSU als Mitglieder von Parteien, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen, gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung erneut - wie in den vorangegangenen Wahlperioden - die Fraktion der CDU/CSU gebildet haben.
Ich bin weiterhin darüber unterrichtet, daß die Fraktion der SPD gegen die Berufung der CDU/CSU-Fraktion auf § 10 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung Vorbehalte angemeldet hat.
({23})
Die anderen Fraktionen haben dem Präsidenten ebenfalls die gemäß § 10 Abs. 2 der Geschäftsordnung erforderliche Mitteilung über die Fraktionsbildung gemacht.
Alterspräsident Brandt
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 2:
Wahl des Präsidenten, verbunden mit Namensaufruf und Feststellung der Beschlußfähigkeit
Ich bitte um Vorschläge zur Wahl. - Herr Abgeordneter Dregger.
Meine Damen und Herren im 11. Deutschen Bundestag! Mit einem Wort des Dankes an den Herrn Alterspräsidenten, der unsere konstituierende Sitzung eröffnet hat, schlage ich im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, deren innere Übereinstimmung von keiner anderen Fraktion übertroffen werden kann,
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als neuen Präsidenten des Hauses unseren Kollegen Dr. Philipp Jenninger vor.
({1})
Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag gehört. Der Abgeordnete Dr. Jenninger ist vorgeschlagen worden. Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist nicht der Fall.
Dann bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für Hinweise zum Wahlverfahren.
Die Wahl findet mit verdeckten Stimmzetteln, also geheim, statt. Gewählt ist - wie sollte es anders sein -, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält.
Die für die Wahl allein gültige weiße Stimmkarte erhalten Sie nach Aufruf Ihres Namens von den Schriftführern vor Betreten der Wahlkabinen.
Sie dürfen, meine Damen und Herren, Ihre Stimmkarte nur in der Wahlkabine ankreuzen und müssen bitte ebenfalls noch in der Wahlkabine die Stimmkarte in den Umschlag legen.
Die Schriftführer haben jeden zurückzuweisen, der seine Stimmkarte außerhalb der Wahlkabine gekennzeichnet oder in den Umschlag gelegt hat. Die Wahl kann in einem solchen Fall allerdings vorschriftsmäßig wiederholt werden.
Bevor Sie die Stimmkarte in die Wahlurne geben, bitte ich Sie, dem Schriftführer Ihren Namen zu nennen.
Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei „Ja", „Nein" oder „Enthaltung". Ungültig sind Stimmen auf nichtamtlichen Stimmkarten sowie Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten.
Abschließend weise ich Sie noch darauf hin, daß die Kennzeichnung Ihres Namens in der Namensliste durch den Schriftführer an der Wahlurne als Nachweis für die Beteiligung an dieser Wahl gilt und die Eintragung in die Anwesenheitsliste ersetzt. - Ich habe mich selbst allerdings schon eingetragen. Ich hoffe, daß auch das gültig ist.
({0})
Ich bitte jetzt die Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Die beiden Schriftführer neben mir werden nun die Namen der 519 Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge aufrufen.
Das alphabetische - ich bitte noch einen Augenblick um Aufmerksamkeit - Namensverzeichnis der Abgeordneten des Deutschen Bundestages liegt auf den Drucksachenwagen in der Eingangshalle aus. Ich bitte Sie, den Namensaufruf zu verfolgen und sich rechtzeitig zur Entgegennahme einer Stimmkarte nach hier vorn zu begeben.
Haben alle Schriftführer ihren Platz eingenommen? - Das ist der Fall.
Ich bitte den Zweitältesten unter uns, den Kollegen Dr. Czaja, mich hier oben kurz zu vertreten, wenn ich zur Wahlhandlung an der Reihe bin.
({1})
Ich eröffne die Wahl und bitte, mit dem Aufruf der Namen zu beginnen.
({2})
Meine Damen und Herren, der Namensaufruf ist beendet. Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführer, ihre Stimme abgegeben? - Das ist offensichtlich der Fall.
Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Zur Auszählung unterbreche ich die Sitzung für 30 Minuten. Die Sitzung wird um 13.16 Uhr fortgesetzt.
({3})
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt. Es wurden 514 Stimmen abgegeben. Ich stelle fest, daß der Bundestag damit beschlußfähig ist.
Von den abgegebenen Stimmen sind 511 gültig. Mit Ja haben 393 Abgeordnete gestimmt.
({0})
89 Abgeordnete stimmten mit Nein. 29 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. 3 Stimmen waren ungültig. Ich stelle fest, daß der Abgeordnete Dr. Jenninger die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses erhalten hat. Er ist damit zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt. Ich frage Sie, Herr Dr. Jenninger: Nehmen Sie die Wahl an?
Herr Alterspräsident, ich nehme die Wahl an.
({0})
Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses. Auch ich selbst wünsche Ihnen, Herr Bundestagspräsident, Glück und Erfolg für das verantwortungsvolle Amt. Ich bitte Sie, Herr Präsident, Ihr Amt zu übernehmen.
({0})
Herr Bundespräsident! Herr Alterspräsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich will mich zunächst bei Ihnen, Herr Alterspräsident, sehr herzlich für die Glückwünsche bedanken, die Sie mir im Namen des ganzen Hauses übermittelt haben. Sie haben zum zweiten Male eine konstituierende Sitzung des Deutschen Bundestages geleitet. Ich danke Ihnen dafür im Namen aller Kolleginnen und Kollegen, auch für das, was Sie uns heute gesagt haben.
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Sie stehen in der Tradition der bisherigen Alterspräsidenten Paul Löbe, Marie-Elisabeth Lüders, Robert Pferdmenges, Konrad Adenauer, William Bonn, Ludwig Erhard und Herbert Wehner. Wir erinnern uns auch dieser Persönlichkeiten in Dankbarkeit.
Ich bedanke mich bei den Mitgliedern des Hauses, die mir das Amt des Präsidenten des Deutschen Bundestages wieder anvertraut haben. Ich versichere Ihnen allen, meine Damen und Herren - selbstverständlich auch denen, die mich nicht gewählt haben - , daß ich das mir übertragene Amt mit der gebotenen Unparteilichkeit und der notwendigen Offenheit nach allen Seiten ausüben werde. Mit Ehrfurcht vor der Aufgabe und mit Liebe zu unserem Land und zu unserem Parlament werde ich meinen Pflichten nachkommen. Ich will versuchen, der Präsident aller Mitglieder dieses Hauses zu sein. Das ist gewiß ein hoher Anspruch und bedeutet auch, daß ich nicht allen alles werde recht machen können.
Mein besonderer Gruß gilt in dieser Stunde auch Ihnen, Herr Bundespräsident. Sie bezeugen durch Ihre Anwesenheit erneut Ihre enge Verbundenheit mit dem Deutschen Bundestag, dem Sie ja selbst viele Jahre als Mitglied und als Vizepräsident angehört haben.
Meine Damen und Herren, mit der Wahl des Präsidenten hat sich der 11. Deutsche Bundestag konstituiert. Ich begrüße alle Kolleginnen und Kollegen, die wiedergewählten und die neugewählten. Mit der Wahl in den 11. Deutschen Bundestag haben Sie den Auftrag von nahezu 371/2 Millionen Wählerinnen und Wählern unseres Volkes erhalten; das sind für die im Parlament vertretenen Parteien 98,7 % der abgegebenen gültigen Stimmen. Dieses eindrucksvolle Votum unserer Bevölkerung ist ein erneuter Beweis für die Stabilität und auch die Autorität unserer repräsentativen parlamentarischen Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland, die - so haben wir heute schon gehört - im Verlaufe dieser 11. Wahlperiode im Jahre 1989 ihren 40. Geburtstag feiern kann.
Meine Damen und Herren, in der vergangenen Wahlperiode hat der Deutsche Bundestag zweimal über sein Selbstverständnis debattiert. Die Fülle der Anregungen, die in diesen Debatten und in der Adhoc-Kommission Parlamentsreform vorgebracht wurden, ist nur zum Teil umgesetzt worden. Ich erwähne beispielhaft die Neufassung und Präzisierung unserer Verhaltensregeln, die Straffung der Plenardebatten durch kürzere Reden sowie häufigere öffentliche Ausschußsitzungen. Aufgabe des 11. Deutschen Bundestages wird es sein, diese Ansätze fortzuführen. Parlamentsreform ist keine zeitlich begrenzte Aufgabe, sondern ein ständiger Prozeß. Ich werde dazu dem
Ältestenrat bis nach der Sommerpause entsprechende Vorschläge unterbreiten. Hier läßt sich aber nichts erzwingen. Weder kann die Mehrheit der Minderheit ihren Willen aufnötigen noch umgekehrt.
Parlamentsreform bedeutet aber auch, die Arbeitsmöglichkeiten des einzelnen Abgeordneten im weitesten Sinne zu verbessern. Dazu gehört die Ausstattung des Parlaments mit moderner Kommunikationstechnik, und dazu gehört ebenso die dringend notwendige Verbesserung unserer räumlichen Situation.
({1})
Das gilt in erster Linie für den Plenarsaal. Wie immer die Entscheidung ausfallen wird, wir müssen sie bald treffen,
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damit der Deutsche Bundestag seine Aufgaben in einem würdigen, aber auch zweckmäßigen, technisch hinreichend ausgestatteten Versammlungsraum wahrnehmen kann. Ich meine, das sind wir nicht nur uns, sondern vor allem denjenigen schuldig, die uns beauftragt haben.
Meine Damen und Herren, wir kommen nicht an der Tatsache vorbei, daß das Ansehen des Deutschen Bundestages in der Öffentlichkeit besser sein könnte. Die Stichworte sind uns allen bekannt: Präsenz im Plenum, Stil der Debatten, überhaupt die Art, in der wir miteinander umgehen.
Wir können diese leider anhaltende Kritik auf die Dauer nicht einfach vom Tisch wischen, sondern müssen uns ernsthaft Gedanken machen, wie wir ihr begegnen können. Vor allem gilt es nach meiner Auffassung, unserem Volk noch mehr als bisher zu verdeutlichen, daß sich die Arbeit des Deutschen Bundestages nicht in den Plenarberatungen erschöpft, sondern daß sich der Prozeß der politischen Willensbildung Woche für Woche in zahlreichen Sitzungen der Parteien, der Arbeitsgruppen und Arbeitskreise der Fraktionen, in Ausschüssen, Unterausschüssen und interfraktionellen Besprechungen vollzieht.
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Auch müssen wir um mehr Verständnis dafür werben, daß der Wettstreit der Meinungen und Ideen ein Wesenselement unserer parlamentarischen Demokratie ist. Die geistige Freiheit, so unbequem sie auch manchmal sein mag, ist die Lebensluft der Demokratie. Eine gesunde Demokratie muß daher auch harte Auseinandersetzungen und gelegentlich mit rhetorischem Temperament geführte Debatten ertragen können. Aber diese müssen auch im Geist der Toleranz und der Fairneß geführt werden und dürfen nicht zu einem geistigen Bürgerkrieg ausarten.
„Demokratie ist Diskussion", so hat Herbert Wehner einmal in einem Aufsatz geschrieben. Zur Diskussion gehören Zuhörenwollen und Zuhörenkönnen. Diskussion setzt die Achtung vor dem anderen voraus. Kein Abgeordneter ist von seinen Wählern beauftragt, den politischen Gegner zu diffamieren.
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Präsident Dr. Jenninger
Jeder Abgeordnete sollte stets daran denken, daß auch der politische Widersacher im Parlament wie er selbst vom Volk gewählt ist.
Zu den Aufgaben, vor denen wir stehen, gehört die Neuregelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse. Die Arbeit der vier Untersuchungsausschüsse der 10. Wahlperiode hat einige Unklarheiten über die relevanten Rechtsgrundlagen deutlich zutage gefördert. Wir werden nach meiner festen Überzeugung nicht daran vorbeikommen, sehr bald diese Unklarheiten zu beseitigen und eindeutige gesetzliche Grundlagen zu schaffen.
Auch über die zeitliche Einordnung der Aktuellen Stunden werden wir uns Gedanken machen müssen.
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Dieses Instrument ist grundsätzlich in besonderer Weise geeignet, frühzeitig die Probleme aufzugreifen, die unser Volk bewegen. Sein Wert hängt allerdings auch von der sorgfältigen Auswahl der Themen und davon ab, daß wir von ihm keinen inflationären Gebrauch machen.
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Beispiel dafür, daß das Parlament sich nicht nur aktueller, sondern auch grundsätzlicher Fragen annimmt, sind die Enquete-Kommissionen. Sie widerlegen zugleich das Vorurteil der Kurzatmigkeit unserer politischen Arbeit. Die Arbeit der Enquete-Kommissionen „Chancen und Risiken der Gentechnologie" und „Technologiefolgenabschätzung" hat exemplarisch deutlich gemacht, daß dieses Parlament zum Dialog mit der Wissenschaft durchaus fähig ist und entgegen landläufigen Vorurteilen auch durchaus in der Lage ist, Politik und wissenschaftlichen Sachverstand zusammenzuführen.
Bei alledem, verehrte Kolleginnen und Kollegen, müssen wir wissen, daß Betriebsamkeit allein noch keine Politik ist und daß die Zahl der Sitzungen noch nichts über die Güte unserer Arbeit aussagt.
({7})
Ein Stück Selbstbesinnung und einige Stunden kreativer, gedanklicher Konzentration auf die tieferen Zusammenhänge einer politischen Frage können manchmal mehr für die konkrete Arbeit bewirken als bloße Geschäftigkeit; denn Geschäftigkeit kann leicht vom Treiben ins Getriebensein umschlagen. Dann gilt nur noch Mephistos Wort: „Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben. " Wir sollten uns daher, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in der jetzigen Wahlperiode wieder einmal die Zeit nehmen, über unser eigenes Selbstverständnis zu sprechen.
Meine Damen und Herren, noch nie und schon gar nicht so lange hat es auf deutschem Boden eine derart freiheitliche, eine derart funktionierende und eine derart stabile Demokratie gegeben wie heute. Das demokratische Prinzip, das System der repräsentativen und parteienstaatlichen Demokratie hat sich bewährt. Daß auch in einer Demokratie und in politischen Parteien manche Mängel bestehen, bestreitet niemand. Solche Mängel gilt es jedoch in aller Offenheit aufzuzeigen und zu überwinden. Die Fähigkeit hierzu hat unser parlamentarisches System in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten vielfach bewiesen.
Carl Friedrich von Weizsäcker hat einmal die parlamentarisch-rechtsstaatliche Demokratie als eine der intelligentesten Kulturerfindungen der Menschheit bezeichnet. Das hindert manche nicht daran, sie immer wieder in Frage zu stellen. Parlamente, die ihren Namen verdienen, die also einen eigenständigen Machtfaktor im politischen System darstellen, sind aber noch nie etwas anderes gewesen als Repräsentanten des Gemeinwesens in allen seinen politischen und sozialen Gegensätzen.
Parlamentarismus hat den Pluralismus zur Voraussetzung und damit die Möglichkeit, Kontroversen und Konflikte offen auszutragen.
Unser Grundgesetz hat die parlamentarische Demokratie aber nicht nur als formales Organisationsprinzip mitgestaltet, sondern als eine wertgebundene Ordnung. Sie beinhaltet ein ausgewogenes Bündel von Rechten und Pflichten. Über die Verfassung selbst, meine Damen und Herren, über ihre Grundwerte, über ihre elementaren Grundprinzipien muß Grundkonsens bestehen und gewahrt bleiben. Nur hieraus ergibt sich das Vertrauen, das den Staat und seine Organe trägt.
Die Übereinstimmung im Grundsätzlichen schließt den Konflikt nicht aus. Konflikt ist unvermeidbar und notwendig. Er gehört zum Wesen der Politik. Aber, meine Damen und Herren, Konfliktlösung wird nicht auf gewaltsamem Wege, sondern durch Diskussion sowie durch politischen und gesellschaftlichen Kampf gesucht. Der Konflikt muß öffentlich in den Formen und innerhalb der Grenzen des Rechts stattfinden.
Dabei gilt auch: Zur verbindlichen Mehrheitsentscheidung in der repräsentativen Demokratie gibt es keine akzeptable Alternative.
Das Mehrheitsprinzip ist nicht zuletzt eine Folge der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl, die Minderheiten gerade nicht diskriminiert, sondern zur Integration beiträgt. Die aus Wahlen hervorgegangene Macht repräsentiert nicht alle, aber sie handelt für alle. Was sie entscheidet, ist deswegen nicht notwendigerweise richtig und wahr, aber gültig und verbindlich. Carlo Schmid, einer unserer Verfassungsväter, hat es einmal so formuliert: „Die Gesetze dieses Staates sind zu befolgen und jenen Anordnungen Gehorsam zu leisten, die kraft dieser Gesetze von den von ihnen für zuständig erklärten Stellen erlassen werden."
Umgekehrt gilt auch, daß die jeweilige Mehrheit nicht berechtigt ist, der Minderheit die Chance zu nehmen, selbst Mehrheit zu werden.
Die Duldung und Legitimierung von Minderheitspositionen in der politischen Auseinandersetzung in Form parlamentarischer Opposition sind deshalb unverwechselbare Kennzeichen freiheitlicher Ordnung. Niemandem wird zugemutet, sich einem unbegrenzten Verfügungsrecht zu unterwerfen. An den Schutz der elementaren Rechte der Person, an die Menschenrechte und Bürgerrechte bleibt auch die Mehrheit unter allen Umständen stets gebunden.
Präsident Dr. Jenninger
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluß noch zwei Bemerkungen. Die in der Europäischen Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten sind von der Zahl ihrer Bürger und von der Leistungsfähigkeit ihrer Volkswirtschaften her stärker als jede der beiden Supermächte. Gleichwohl hat das demokratische Europa von 320 Millionen Menschen praktisch keine Mitsprache, wenn die beiden Großen über das Schicksal auch unseres Kontinents miteinander sprechen. Das ist ein ebenso unbehaglicher wie unbefriedigender Zustand.
({8})
Europa muß eins werden, muß außen- und verteidigungspolitisch mit einer Stimme sprechen. Wir müssen uns darüber klar werden, welchen Beitrag auch der Deutsche Bundestag zur Erreichung dieses großen Zieles leisten kann.
Dazu steht, meine Damen und Herren, nicht im Widerspruch unser beständiges Bemühen, die Teilung unseres Vaterlandes für die Menschen erträglicher zu machen und darauf hinzuwirken, sie eines Tages zu überwinden.
({9})
Lassen Sie uns in dem Bewußtsein an die Arbeit gehen, unserem Volk zu dienen: den Frieden und die Freiheit zu sichern, mit allen Völkern der Welt zusammenzuarbeiten, die Wohlfahrt unseres Volkes zu mehren, insbesondere den Schwachen und Notleidenden unsere Hilfe angedeihen zu lassen - als getreue Sachwalter der Interessen unseres Volkes in guter und nutzbringender Zusammenarbeit mit den anderen Verfassungsorganen unseres Landes und in besonderer Weise mit unseren Bundesländern.
Im Namen des Deutschen Bundestages grüße ich zum Schluß von dieser Stelle aus alle Deutschen und wünsche unserem Tun Gottes Segen.
({10})
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Tagesordnung fort.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Beschlußfassung über die
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
Gemeinsame Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({11})
Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß nach Artikel 53 a des Grundgesetzes
Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes
Meine Damen und Herren, die Geschäftsordnungen haben Sie erhalten. Hierzu liegen fünf Anträge vor. Die Fraktionen der CDU, CSU und FDP beantragen auf Drucksache 11/1, die Fraktion der SPD beantragt auf Drucksache 11/7, die aufgerufenen Geschäftsordnungen für die 11. Wahlperiode zu übernehmen. Die Fraktion DIE GRÜNEN beantragt auf den Drucksachen 11/5, 11/6, und 11/9 Änderungen der Geschäftsordnungen.
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort erteile, darf ich einen Gast in unserem Hause begrüßen. Auf der Tribüne hat der Vizemarschall des Sejm der Volksrepublik Polen, Herr Dr. Mieczyslaw Rakowski, Platz genommen.
({12})
Im Namen des Deutschen Bundestages begrüße ich Sie, Herr Vizemarschall, sehr herzlich in der Bundesrepublik Deutschland. Ihr Besuch dient in besonderem Maße der Pflege der Beziehungen zwischen unseren Ländern, die wir hoch einschätzen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und gute Gespräche hier in Bonn.
({13})
Meine Damen und Herren, das Wort zu den Anträgen zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Kleinert.
. ({14})
- Mit dem Zusatz, der noch nicht genehmigt worden ist, den ich aber hiermit genehmige: Kleinert ({15}).
So hat alles seine Ordnung. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier für unsere Fraktion die Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung begründen. Der Präsident hat schon darauf hingewiesen: Es liegen drei Anträge schriftlich vor.
Ich will mit dem Antrag zur Änderung des bisherigen § 69 der Geschäftsordnung beginnen, der die Frage der Öffentlichkeit von Ausschußsitzungen behandelt.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, ja, ich gehe davon aus, daß alle hier im Raum das Grundgesetz sehr genau kennen. Manche reden ja ständig davon, daß sie es sehr genau kennen. Im Grundgesetz, in Art. 42, steht nun ausdrücklich: „Der Bundestag verhandelt öffentlich." Erst auf besonderen Antrag kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.
Nun wissen wir alle - der Herr Präsident hat gerade in seiner Rede wieder darauf hingewiesen - , daß ein großer Teil der Arbeit des Bundestages nicht im Plenum, sondern in den Ausschüssen stattfindet. In „Kürschners Volkshandbuch - Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode" findet sich auch folgende Feststellung - ich zitiere - :
Während in den Legislaturperioden seit der Wahl des ersten Deutschen Bundestages 1949 bis zum Ablauf der durch die Neuwahlen vom 6. März 1983 ... beendeten neunten Wahlperiode insgesamt ... 1 950 Plenarsitzungen stattfanden, belief sich die Zahl der Ausschußsitzungen im selben Zeitraum auf nicht weniger als 23 800.
Dieser Vergleich zeigt, wie ich denke, in aller Eindrücklichkeit, in welch hohem Maße die Ausschußarbeit zum Kernstück der Parlamentsarbeit geworden ist. Wenn das so ist und wenn der Grundsatz der Öffentlichkeit, wie ihn das Grundgesetz vorschreibt,
Kleinert ({0})
beachtet werden soll, dann ist es unseres Erachtens höchste Zeit, daß die Geschäftsordnung in § 69 geändert wird. Bisher lautet der Grundsatz: im Prinzip nicht öffentlich. Genau das muß umgekehrt werden, damit Geist und Buchstabe des Grundgesetzes auch praktisch umgesetzt werden können,
({1})
daß öffentlich verhandelt wird.
({2})
Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen muß zur Regel werden, nicht umgekehrt. Damit könnte auch etwas dem Rechnung getragen werden, was ansonsten gerade in Ihren Reden, was in wohlfeilen Politikerreden oft im Munde geführt wird, nämlich die schönen Sprüche von mehr Transparenz, von mehr Durchschaubarkeit politischer Entscheidungsprozesse, Bürgernähe; Sie kennen ja sicherlich diese schönen Worte, die auch Sie in den Sonntagsreden gelegentlich oder häufig vorbringen.
Wir wissen als GRÜNE sehr gut, daß mit einer solchen Änderung der Geschäftsordnung der Interessenfilz und der Interessenklüngel, der viele Entscheidungen in diesem Hohen Hause vorfabriziert, nicht aufgelöst wird. Diesen Interessenfilz und Interessenklüngel gäbe es nach wie vor, auch wenn wir die Öffentlichkeit als Grundprinzip durchgesetzt hätten. Da machen wir uns gar keine Illusionen. Aber es wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Hier könnte ein Schritt in die richtige Richtung gegangen werden.
({3})
Deshalb sollten Sie nicht immer nur von Transparenz und Bürgernähe reden. Deswegen fordern wir Sie eindringlich auf: Tun Sie endlich einmal etwas Praktisches dafür! Lassen Sie uns gemeinsam den § 69 entsprechend ändern.
({4})
Der zweite Antrag, der hier zu verhandeln ist, bezieht sich auf den § 31 der Geschäftsordnung. Hier ist in der abgelaufenen Legislaturperiode eine Änderung vorgenommen worden, von der ich mir erlaube, sie als „Lex GRÜNE" zu bezeichnen.
({5})
Persönliche Erklärungen zur Abstimmung sollen nur noch nach der Abstimmung vorgebracht werden können. Genau dies aber entwertet die Möglichkeit der persönlichen Erklärung in entscheidendem Maße. Denn welchen Sinn soll es denn machen, einem Bundestagsplenum individuelle Entscheidungsgründe mitzuteilen, die z. B. von der Fraktionsmeinung abweichen können, wenn das Plenum längst abgestimmt hat? Welchen Sinn soll das machen? Ich sage, daß diese Änderung auch eine Schwächung der Rechte des einzelnen Abgeordneten gegenüber seinen Fraktionen beinhaltet.
({6})
Ich sage ausdrücklich: Lassen Sie uns diesen Fehltritt
aus der letzten Legislaturperiode wieder korrigieren!
Und an Ihre Adresse sage ich: Ertragen Sie es, wenn
Sie einmal eine Viertelstunde länger warten müssen, bis Sie dann zur Abstimmung kommen können! Deshalb lassen Sie uns auch diesen Punkt ändern!
Ein letzter Punkt ist uns wichtig: die Frage der Redezuteilung. Es entspricht der Übung in vielen Länderparlamenten, daß die Fraktionen im wesentlichen gleiche oder zumindest ähnliche Redeanteile haben. Im Bundestag ist das anders, zum Nachteil der kleinen Fraktionen, zum Nachteil der Opposition und zur Bevorzugung der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien, die ohnehin genügend Möglichkeiten haben, öffentlich ihren Standpunkt darzustellen, und die ohnehin in den Medien mit ihrer Politik auch viel mehr Beachtung finden als die Oppositionsparteien.
({7})
Deswegen schlagen wir vor, zum Prinzip der Gleichbehandlung zu kommen und einen entsprechenden Passus in die Geschäftsordnung aufzunehmen.
Meine Damen und Herren, das rote Licht leuchtet. Wir beantragen keine Unmöglichkeiten. Wir beantragen nichts, was man nicht umsetzen könnte. Das Parlament wird keineswegs funktionsunfähig, wenn Sie unseren Anträgen zustimmen. Im Gegenteil: Wir gehen davon aus, daß es ein Schritt in Richtung mehr Parlamentarismus im Sinne eines vernünftigen Parlamentarismus wäre, wenn Sie unseren Anträgen zustimmen würden. Wir bitten Sie deshalb alle um Ihre Zustimmung.
Einen letzten Satz muß ich sagen, weil die Fragen Gemeinsamer Ausschuß, Verfahren nach Art. 115d des Grundgesetzes heute auch noch auf der Tagesordnung stehen. Die Geschäftsordnungen für den Gemeinsamen Ausschuß und für das Verfahren nach Art. 115d des Grundgesetzes lehnen wir ab. Wir sehen keine Notwendigkeit, eine GO für einen Ausschuß zu verabschieden, den wir von seinen Aufgaben und Zielsetzungen her ablehnen. Hier werden Bedingungen für den Spannungs- oder Kriegsfall unter Geheimhaltung geplant und geprobt, Vorbereitungen, von denen wir meinen, daß sie im Gegensatz zu den Lebensinteressen der Menschen in der Bundesrepublik stehen. Deshalb werden wir diese Geschäftsordnungen ablehnen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Seiters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! CDU/CSU und FDP, aber auch SPD beantragen übereinstimmend die Übernahme der Geschäftsordnung aus der letzten Legislaturperiode in die jetzige. Das ist auch vernünftig.
Nicht vernünftig ist es, bereits in der ersten Sitzung des 11. Deutschen Bundestages Änderungsanträge zu stellen. Sie wissen ganz genau, daß es allen Prinzipien und Grundsätzen einer ordentlichen Beratung widersprechen würde, wollten wir bereits heute abschließend über diese Anträge entscheiden. Sie wissen ebensogut, daß wir keine Überweisung an die Ausschüsse vornehmen können, weil die Ausschüsse
überhaupt noch nicht eingerichtet sind. Was sollen diese Anträge also? Es sind Anträge for show in einer Sitzung, die vom deutschen Fernsehen übertragen wird.
({0})
Ich schließe überhaupt nicht aus, daß wir im Laufe der Legislaturperiode Änderungen an dieser jetzt zu verabschiedenden Geschäftsordnung vornehmen. Wir erklären auch unsere Bereitschaft, an diesen Beratungen teilzunehmen. Aber das kann man nicht aus dem Stand machen, sondern das bedarf einer sorgfältigen Beratung. Dafür ist die Geschäftsordnung als die Grundlage unserer Beratungen viel zu wichtig; denn richtig verstanden soll doch die Geschäftsordnung einen vernünftigen Ausgleich und eine Balance darstellen zwischen dem Anspruch der Mehrheit, ihre politischen Entscheidungen auch durchsetzen zu können, und dem Anspruch der Minderheit auf ausreichende Kritik und ausreichende Kontrolle.
Ich wollte jetzt auf die Einzelheiten in der Sache gar nicht eingehen. Nur, ich fühle mich provoziert, auf einen Punkt hinzuweisen, nämlich auf § 31 der Geschäftsordnung, wo es darum geht, daß Erklärungen zur Abstimmung vor oder nach der Abstimmung abgegeben werden können. Mit uns wird es keine Probleme geben, wenn wir uns darauf einigen, daß ein Abgeordneter, der eine von der Haltung seiner Fraktion abweichende Meinung äußern will, das auch vor der Abstimmung tun kann. Aber darum ging es ja überhaupt nicht.
Ich darf einmal daran erinnern, was zu der Entscheidung in der letzten Legislaturperiode geführt hat. Da hatten wir die Debatte über den Nachrüstungsbeschluß; Sie von den GRÜNEN waren dagegen. Das war Ihr gutes Recht. Aber Sie haben doch § 31 der Geschäftsordnung total mißbraucht, denn Sie haben 24 Abgeordnete Ihrer Fraktion vor der Abstimmung nach vorne geschickt, die genau dasselbe gesagt haben, was die Sprecher Ihrer Fraktion schon gesagt hatten. Dagegen haben wir uns gewandt, das ist doch vernünftig.
({1})
Mit anderen Worten: Wir verschließen uns der Debatte auch über eine mögliche Änderung der Geschäftsordnung in der Zukunft nicht. Aber das können wir nicht heute machen.
Deswegen beantrage ich für meine Fraktion und für die Koalition, daß wir die Beratung der Änderungsanträge vertagen und daß wir die Geschäftsordnung aus der 10. Legislaturperiode in die neue übernehmen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Jahn ({0}) ({1}); Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion beantragt ebenfalls Vertagung dieser Anträge. Aber sie verdienen auch eine kurze Antwort in der Sache.
Wir finden es in Ordnung, daß eine Fraktion vor der Annahme der Geschäftsordnung bestimmte Änderungswünsche geltend macht. Nur wäre es leichtfertig, wenn wir das in einer Plenarsitzung ohne gehörige und ruhige Beratung in den dafür zuständigen, aber noch nicht vorhandenen Ausschüssen entscheiden würden. Die Fragen, die damit verbunden sind, sind schwierig. Ganz so leicht, wie sie hier in der Begründung erschienen ist, wird die erstrebte Änderung nicht sein.
Aber niemand kann bestreiten, daß von der Möglichkeit öffentlicher Ausschußsitzungen in diesem Hause bisher zu zurückhaltend Gebrauch gemacht wurde.
({2})
Wir sollten darüber nachdenken und uns verständigen, wie diese Möglichkeit, die eine gute Möglichkeit für das Parlament und seine eigene Darstellung in der Öffentlichkeit ist, besser genutzt werden kann.
({3})
Die Frage, wie Erklärungen zur Abstimmung zu behandeln sind, ist nun aber entstanden, weil wir Fälle von schlimmem Mißbrauch der früheren Regelung erlebt haben.
({4})
Die Antwort darauf, die jetzt in der Geschäftsordnung steht, ist ganz zweifellos auch nicht geglückt. Deswegen muß darüber erneut gesprochen werden. Wir müssen einen Weg finden, der der Erklärung zur Abstimmung einen vernünftigen Platz zuweist und, wenn wir das schaffen, auch Mißbrauch abwehrt.
Zur Frage der Redezeit, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, fällt mir nur ein: Das könnte Ihnen so passen. ({5})
Nein, Fraktionen haben keine Einheitsgröße. Wenn Sie aus guten Gründen die Stärke Ihrer Fraktion in anderem Zusammenhang geltend machen, müssen Sie sich auch gefallen lassen, daß die Stärke Ihrer Fraktion Maßstab bei anderen Entscheidungen dieses Hauses ist.
({6})
Sie sehen, es gibt eine Reihe von Dingen, mit denen nicht nur wir, sondern auch Sie sich auseinandersetzen müssen. Diese Auseinandersetzung wollen wir führen, aber dort, wo das notwendig und möglich ist.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgramm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir werden Geschäftsordnungen ändern. Wir haben sie in jeder Legislaturperiode geändert, und wir werden das sicher auch in dieser tun. Aber wir werden es erst nach sorgfältiger Beratung und im zuständigen Ausschuß tun. Das ist der Geschäftsordnungsausschuß; er ist bis
Wolfgramm ({0})
jetzt noch nicht konstituiert. Deshalb können wir jetzt gar nichts anderes tun, als es zu vertagen.
Im übrigen darf ich darauf verweisen, daß wir am 29. März 1983 bei der Konstituierung des 10. Deutschen Bundestages eine ähnliche Debatte geführt haben. Sie haben auch damals, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, den § 69 der Geschäftsordnung angeführt, der die Öffentlichkeit der Ausschüsse betrifft. Wir haben Ihnen auch damals gesagt, daß darüber erst beraten werden kann, wenn der Geschäftsordnungsausschuß konstituiert ist. Sie haben allerdings die letzten vier Jahre nicht genutzt. Ihr Vertreter im Geschäftsordnungsausschuß hat keinen Antrag vorgelegt, diese Frage zu beraten, geschweige denn, sie zu beschließen.
({1})
Also, wenn Sie in dieser Sache so engagiert sind, wie Sie hier vortragen, dann müssen Sie die nächsten vier Jahre nutzen.
({2})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Anträge, zunächst über die auf Übernahme der Geschäftsordnungen auf den Drucksachen 11/1 und 11/7. Die Anträge der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP und der Fraktion der SPD sind zwar in einem Punkt unterschiedlich formuliert, aber inhaltsgleich. Ich lasse deswegen, wenn Sie damit einverstanden sind, über beide Anträge gemeinsam abstimmen.
Wer diesen Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und Gegenstimmen sind die Anträge angenommen.
Meine Damen und Herren, wenn ich den Antrag des Kollegen Seiters richtig verstanden habe, dann beantragt er eine Vertagung der Abstimmung über die Anträge der Fraktion DIE GRÜNEN. Ist das so? - Also, es ist beantragt, die Abstimmung über die Anträge der Fraktion DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 11/5, 11/6 und 11/9 zu vertagen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:
Festlegung der Zahl der Stellvertreter des Präsidenten
Hierzu liegen drei Anträge vor. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP beantragen auf Drucksache 11/2, vier Stellvertreter des Präsidenten zu wählen. Die Fraktion DIE GRÜNEN sowie die Fraktion der SPD beantragen auf den Drucksachen 11/3 und 11/8, fünf Stellvertreter des Präsidenten zu wählen.
Ich erteile das Wort zur Geschäftsordnung der Abgeordneten Frau Vollmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Inhalt unseres Antrages, um es gleich vorweg zu sagen, handelt es sich eigentlich um eine parlamentarische Selbstverständlichkeit,
({0})
vor allen Dingen um eine demokratische Selbstverständlichkeit.
Für diesen unseren Antrag, die Zahl der Stellvertreter/innen des Präsidenten zu erhöhen, sprechen mindestens fünf gute, demokratische Gründe.
Grund eins - fangen wir mit dem Einfachsten an, was so schwer zu machen ist - : Was ist eigentlich die Aufgabe eines demokratischen Parlaments? Nach unserer Verfassung ist das Parlament Ausdruck der grundgesetzlich vorgesehenen Teilung der Gewalten in diesem Staat. Das Parlament ist gerade nicht ausführendes Organ der Regierung, sondern soll der Regierung kritisch gegenüberstehen. Es hat neben der Aufgabe der Gesetzgebung - und auch die geht faktisch ja immer mehr in die Hände der Ministerien über - vor allen Dingen die Aufgabe der Kontrolle der Regierung. Jede Regierung, die nicht gründlich kritisiert wird, ist immer in der Gefahr, zu viel Macht und zu viel gefährliche Gewalt anzuhäufen und sogar auch illegal zu handeln. Wir hatten in der Vergangenheit mit der Flick-Affäre genügend Beispiele dafür.
({1})
Jetzt frage ich Sie: Wer kann diese Regierung nun eigentlich gründlich und konsequent kontrollieren? Schon der gesunde Menschenverstand sagt, daß dies ganz besonders die Aufgabe der Opposition sein muß. Von daher gäbe es gute und demokratische Gründe - und manche Länder praktizieren dies auch so -, daß der Präsident eines freien Parlamentes von der Opposition gestellt wird, ausdrücklich von ihr. Zumindest ist es ganz und gar undenkbar, daß das Präsidium überwiegend aus Mitgliedern jener Fraktionen zusammengesetzt ist, die sich ihrer Regierung schon subjektiv ganz besonders stark verpflichtet fühlen und darum gerade nicht als das Gremium handeln können, das im Gegenüber zum Regierungshandeln seinen eigentlichen Handlungsauftrag sieht.
Grund zwei: Als im Jahre 1949 der erste deutsche Bundestag zusammentrat, hat der damalige Präsident Erich Köhler in der ihm eigenen Sprache als eine der Hauptaufgaben definiert:
Wir wollen dienen den Armen und Bedürftigen, wir wollen die Selbstsucht in Schranken halten, und wir wollen den Schwachen vor dem Starken schützen.
Er hat damit den unbändigen Willen in der deutschen Bevölkerung damals ausgesprochen, eine ganz neue, freie, demokratische Gesellschaft zu schaffen, in der die Minderheiten von der Mehrheit nicht noch einmal tyrannisiert und unterdrückt werden sollten.
Daraus ergibt sich selbstverständlich, daß die Opposition und damit die Interessenvertretungen der Minderheiten in diesem Parlament von Anfang an eine besondere Bedeutung haben sollten. An diese gemeinsame Überzeugung, die damals unumstritten war, möchte ich Sie auch heute eindringlich erinnern, wenn es um eine so ganz kleine Frage der demokraFrau Dr. Vollmer
tischen Kultur geht, wie die, die wir heute diskutieren.
Alles, was nicht gepflegt und weiterentwickelt wird, droht verlorenzugehen oder sich zu verschlimmern. Das trifft ganz besonders auch auf die demokratische Kultur zu. Dabei sind wir, die GRÜNEN, längst nicht nur die Vertreter der Minderheiten, sondern über drei Millionen Wähler haben uns in der letzten Wahl ihre Stimme gegeben. Sie entscheiden heute darüber, ob Sie diese über drei Millionen Wähler zu Wählern zweiter Klasse machen wollen.
Grund drei: In diesen letzten Wahlen hat die Bevölkerung noch einen Willen eindeutig zur Kenntnis gegeben. Sie hat sozusagen ökologisch gewählt. Sie hat durch die Stärkung gerade der kleineren Parteien zum Ausdruck gebracht, daß sie eine Monokultur von zwei großen Parteien ablehnt. Sie hat gerade die kleineren Parteien ermutigen wollen, sich entscheidend in die Politik der großen einzumischen. Es liegt an Ihnen, diese Ermutigung zur Einmischung zu begreifen und danach zu handeln.
Grund vier: Ich möchte mich jetzt an jede einzelne und jeden einzelnen von Ihnen wenden, die Sie heute Ihr Mandat angenommen haben. Im Art. 38 steht über die Abgeordneten, daß sie Vertreter des ganzen deutschen Volkes sind, „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen". Dies gehört zu den größten demokratischen Errungenschaften. Ich bitte Sie deshalb ausdrücklich, diese Gewissensfreiheit einmal ausnehmend zu nutzen. Es kann ja eine Zeit kommen, in der dieser unschätzbare Gebrauch der Gewissensfreiheit unabhängig vom Fraktionszwang für alle von uns und für unsere Bevölkerung in Überlebensfragen äußerst wichtig wird. Solche Freiheiten mutig zu nutzen, muß man früh genug anfangen zu üben. Sie haben heute dazu, finde ich, eine gute Gelegenheit, die nicht durch die Einschwörung in Fraktionsblöcke beengt werden sollte.
({2})
Wir werden deswegen auch eine geheime Abstimmung über diese Frage beantragen.
Grund fünf: Wie Sie wissen, schlagen wir Ihnen als Kandidatin der GRÜNEN für die Stellvertreterin des Präsidenten Christa Nickels vor. Nicht nur weil ich sie mag, meine ich, daß Ihnen diese Tatsache Ihre Entscheidung sehr einfach machen sollte. Christa Nickels als Kandidatin ist sozusagen eine vertrauenschaffende Maßnahme in Person.
({3})
Sie kennen sie aus ihrer bisherigen Arbeit; Sie kennen sie als eine unabhängige Demokratin mit eigenen Gedanken im Kopf, die sie auch sehr wohl tatkräftig zu vertreten weiß.
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So ein Wirbelwind täte dem Kammerton des Präsidiums, denke ich, sehr gut.
Ich wünsche mir deswegen gerade in dieser Frage eine Solidarität auch über die Parteigrenzen hinweg, gerade auch von der Partei, die sich der Liberalität verpflichtet fühlt und insbesondere auch von den Frauen.
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Ich bitte Sie als freigewählte Mitglieder dieses Parlaments, dieses Stückchen konkreten zivilen Ungehorsams gegen die vorgefaßten Beschlüsse Ihrer Vormänner und Vorreiter doch einmal zu praktizieren.
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Dieses Stückchen Rebellentum würde sicherlich diesem Parlament sehr gut anstehen.
({7})
Machen Sie doch einmal, die Sie jetzt so schimpfen,
({8})
aus Ihrer Mördergrube ein Herz!
({9})
Geben Sie der Freiheitsluft in diesem Parlament doch einmal eine konkrete Chance. Sie würden uns durch eine solche Abstimmung außerordentlich erstaunen,
({10})
aber eigentlich würden Sie sich selbst und der Unabhängigkeit Ihrer Entscheidung damit den besten Dienst tun.
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Frau Kollegin Vollmer, die von Ihnen beantragte geheime Abstimmung gibt es nach der vor wenigen Minuten verabschiedeten Geschäftsordnung für den 11. Deutschen Bundestag nicht. Habe ich Sie vielleicht falsch verstanden? Wollen Sie Ihren Antrag als Antrag auf namentliche Abstimmung aufgefaßt wissen? - Nicht. Dann will ich Ihnen also sagen, daß das unzulässig ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Seiters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Überall dort - das ist meine erste Bemerkung - , wo die Fraktion der GRÜNEN einen Anspruch auf einen Sitz in einem Gremium geltend machen kann, wird sie die Position bekommen, die ihr nach der Geschäftsordnung zusteht. Das gilt für alle Ausschüsse und das gilt für alle Gremien, in die die Fraktionen ihrer Stärke entsprechend Mitglieder entsenden können. Das gilt auch für die Ausschußvorsitze. Wir beabsichtigen nicht, Ihnen durch eine Manipulation des Berechnungsverfahrens irgend etwas von dem zu nehmen, was Ihnen zusteht. Wir legen das gleiche Berechnungsverfahren zugrunde wie in der vergangenen Legislaturperiode.
Ich sage aber ebenso deutlich, daß es keinen Gesichtspunkt gibt, nach dem die GRÜNEN einen Anspruch auf das Amt eines Vizepräsidenten geltend machen können. Es gibt auch keine parlamentarische Tradition oder Übung, wonach jede im Bundestag vertretene Fraktion kraft Gewohnheitsrechts im Präsidium vertreten wäre.
Ich möchte einmal zitieren - vor vier Jahren war dies auch die Auffassung der Sozialdemokratischen Partei -, was damals der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion am Beginn der 10. Legislaturperiode hier im Deutschen Bundestag vorgetragen hat, als sich die SPD damals noch mit uns gemeinsam gegen den vermeintlichen Anspruch der GRÜNEN auf ein Vizepräsidentenamt gewehrt hat.
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Wörtliches Zitat:
Es ist nicht so, daß diejenigen Fraktionen in ihren Möglichkeiten, im Bundestag zu arbeiten, beschränkt werden, die im Präsidium des Bundestages nicht vertreten sind. Seit 1953 hat der Bundestag vier stellvertretende Präsidenten. Es hat seitdem viele Fraktionen gegeben, die keinen Vizepräsidenten stellten. Wir haben
- so die SPD damals niemals gehört, daß deswegen jemandem seine parlamentarischen Rechte beschnitten worden wären.
Meine Damen und Herren, für uns gilt diese Position unverändert auch heute. Verändert hat sich die Position der SPD, und ich finde es höchst bedauerlich, Herr Kollege Vogel, daß Sie uns wegen dieser Haltung angreifen. Der Gesinnungswechsel liegt bei Ihnen. Sie haben vergessen, was Sie vor vier Jahren mit uns gemeinsam hier argumentiert haben, und ich sehe darin einen weiteren Beweis dafür, daß Sie Ihre Anbiederungspolitik gegenüber den GRÜNEN
({1})
nicht nur in Sachfragen, sondern auch in der Geschäftsordnung fortsetzen.
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Niemand soll, meine Damen und Herren, an der Formulierung und am Willen des Grundgesetzes vorbei argumentieren. Unsere Verfassung schreibt doch mit gutem Grund vor, daß die Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages gewählt werden und nicht benannt werden. Und mit ebenso gutem Grund schreibt die Geschäftsordnung vor, daß jeder Vizepräsident in geheimer Wahl die absolute Mehrheit der Stimmen seiner Kollegen braucht. Es geht hier also nicht um die Entsendung eines Mitgliedes durch eine Fraktion in ein Gremium, sondern um das persönliche Vertrauen der Mehrheit der Mitglieder dieses Hauses zu unparteiischer Amtsführung einzelner zu wählender Kollegen. Für die Mitglieder meiner Fraktion möchte ich hier eindeutig und nachdrücklich erklären: Eine solche Vertrauensgrundlage für einen Kandidaten der GRÜNEN zur Wahl in das Amt eines Vizepräsidenten im Deutschen Bundestag ist nicht vorhanden.
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Ich will auf viele Dinge aus der letzten Legislaturperiode gar nicht eingehen, aber folgendes darf ich doch noch einmal in die Erinnerung zurückrufen. Ich will daran erinnern, daß hier im Deutschen Bundestag vom Rednerpult aus Abgeordnete der GRÜNEN zu Blockadeaktionen, d. h. zu strafbaren Nötigungen, aufgerufen haben.
({4})
- Da klatschen Sie; Sie gehören nicht in dieses Parlament.
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Ich will daran erinnern, daß Sie Boykottaufrufe gegen ordnungsgemäß und demokratisch beschlossene Gesetze erlassen haben. Gerade jetzt rufen Sie zum Boykott der Volkszählung auf, die mit demokratischen Mehrheiten hier im Bundestag beschlossen worden ist und deren Verfassungsmäßigkeit vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt wurde, nachdem Sie das Bundesverfassungsgericht, wenn auch vergeblich, angerufen haben. Was Sie machen, ist rechtswidrig und ist Rechtsbruch. Sie zeigen, wie wenig Ihnen an demokratischen Spielregeln gelegen ist, meine Damen und Herren.
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Sie erkennen die demokratischen Spielregeln nicht an, und heute erwarten Sie durch diesen weinerlichen Appell an uns hier, daß wir einen Vizepräsidenten aus Ihren Reihen wählen, der dann hier im Hause über die Einhaltung der demokratischen Spielregeln wachen soll. Wir machen nicht den Bock zum Gärtner - damit das einmal ganz klar ist.
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Wenn hier soviel von Freiheit und von demokratischen Selbstverständlichkeiten die Rede ist, dann will ich auch für die Öffentlichkeit noch einmal in die Erinnerung zurückrufen, daß Sie, die GRÜNEN, zu Beginn dieser Legislaturperiode einen Sprecher gewählt haben, der die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung seiner politischen Ziele nicht ausgeschlossen hat
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und jetzt auf die Frage, wie er nun dazu stehe, antwortete, diese Frage müsse mal in einem Seminar diskutiert werden, meine Damen und Herren.
({9})
Ich kann der Öffentlichkeit nur empfehlen, unsere Dokumentationen „Die Kader der GRÜNEN" und „Die GRÜNEN und die Gewalt" durchzulesen.
({10})
Das ist eine sehr interessante Lektüre. Das will ich nur einmal am Rande sagen.
Die Gerichte haben den Vorwurf ausdrücklich bestätigt, daß sich die GRÜNEN von Gewalt nicht distanzieren.
({11})
Auch deswegen sage ich: Sie können nicht erwarten, daß wir gegen unsere Überzeugung in freier und geheimer Wahl einen GRÜNEN in das Amt eines Vizepräsidenten wählen.
({12})
Meine Damen und Herren, ich will hinzufügen - das ist eine Bemerkung an die Adresse der sozialdemokratischen Fraktion - : Mit unserem Verständnis vom Amte des Präsidenten oder des Vizepräsidenten ist es nicht vereinbar, die Wahl eines grünen Vizepräsidenten mit dem Argument zu begründen - wie Sie, Herr Kollege Vogel, das getan haben -, man müsse auf diese Weise die GRÜNEN an die politische Verantwortung heranführen oder gewöhnen.
({13})
Ich kann mich auch hier wirklich nur wundern. Das Amt des Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages ist nach unserem Verständnis am wenigsten geeignet als sozialpädagogisches Versuchsmodell für die Anwendung und Einhaltung der parlamentarischen Regeln.
({14})
Ein einmal gewählter Vizepräsident ist nicht mehr abwählbar. Seine Entscheidungen hier im Plenum sind oft von großer Tragweite und grundsätzlich un-korrigierbar. Er darf im Plenum für seine Amtsführung nicht einmal kritisiert werden. Stellen Sie sich einmal das Szenario vor!
({15})
Ich kann mir da so einiges vorstellen, meine Damen und Herren.
({16})
Diese herausgehobene Stellung macht seine hohe Verantwortung für die Einhaltung der parlamentarischen Regeln und für eine überparteiliche Amtsführung deutlich.
Genau aus diesem Grunde - ich wiederhole es - hat unsere Verfassung die Wahl des Vizepräsidenten vorgeschrieben. Genau aus diesem Grunde sieht unsere Geschäftsordnung vor, daß das Vertrauen von mehr als der Hälfte der Mitglieder des Deutschen Bundestages in geheimer Wahl erforderlich ist. Die Mitglieder meiner Fraktion sehen sich zu dem geforderten Vertrauensvotum im Interesse einer verantwortlichen Leitung unserer Verhandlungen hier im Parlament nicht imstande.
({17})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmude.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die von Frau Kollegin Vollmer vorgetragenen Erwägungen teile ich nicht in vollem Umfang. Aber ich halte es gar nicht für angemessen, Herr Seiters, hier von einem weinerlichen Appell zu sprechen. Das ist kein guter Stil, mit dem wir die Beratungen beginnen.
({0})
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion beantragt, das Präsidium des Bundestages um einen Vizepräsidenten zu erweitern. Wir wollen damit erreichen, daß entsprechend jahrzehntelanger parlamentarischer Übung alle Bundestagsfraktionen im Präsidium vertreten sind.
({1})
Einen Rechtsanspruch auf die Wahl eines ihrer Mitglieder in das Präsidium hat die bisher nicht berücksichtigte Fraktion der GRÜNEN nicht, einen Rechtsanspruch nicht - darin sind wir uns einig.
Wir wollen diese Wahl mit Zustimmung der anderen Fraktionen möglich machen, indem wir im Präsidium einen zusätzlichen Sitz schaffen. Wer strikt nach dem parlamentarischen Verteilungsrecht vorgeht, müßte zwei Sitze schaffen, damit auch die GRÜNEN im Verteilungsverfahren einen Anspruch bekämen. Eine solche Aufblähung des Präsidiums erscheint uns ebenso unangemessen wie eine strikt nur juristische Vorgehensweise. Wir streben Konsens oder jedenfalls mehrheitliche Veränderung des Präsidiums an, der dann eine entsprechende Verständigung über die Berücksichtigung aller Fraktionen bei der Wahl folgen soll.
({2})
Um der Regierungskoalition das von ihr bisher im Präsidium behauptete Stimmenübergewicht zu erhalten, soll der Präsident bei Stimmengleichheit den Ausschlag geben.
Die Berücksichtigung aller Fraktionen im Präsidium entspricht im Deutschen Bundestag festem parlamentarischem Brauch.
({3})
Seit 30 Jahren ist das mit Ausnahme der bereits strittigen Nichtberücksichtigung der GRÜNEN in der vorigen Wahlperiode ständige Praxis.
({4})
Auch beim vorigen Mal, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir Sozialdemokraten uns in Verhandlungen für fünf Vizepräsidenten unter Berücksichtigung der GRÜNEN eingesetzt,
({5})
damit aber keine Übereinstimmung erzielt.
Sehr geehrte Damen und Herren, die FDP hat seit 1957 - sie hat von vornherein immer einen Vizepräsidenten gehabt - in insgesamt vier Wahlperioden eine geringere Fraktionsstärke gehabt als die GRÜNEN heute,
({6})
einen Vizepräsidenten aber hatte sie immer. Rechtlich zugestanden hat er ihr nicht.
({7})
Aber niemand hat, wie es heute geschieht, von „Privileg" oder „Extrawurst" gesprochen;
({8})
denn es hatte sich in den Jahrzehnten die parlamentarische Anstandspflicht herausgebildet, auch einer Fraktion dieser Größe einen Sitz im Präsidium zu geben.
({9})
Diese Anstandspflicht möchten wir auch den GRÜNEN gegenüber erfüllen, nicht mehr und nicht weniger.
Dabei geht es uns nicht darum, die GRÜNEN aufzuwerten. Wir wollen sie vielmehr in die parlamentarische Arbeit einbeziehen, wie es der Entscheidung ihrer Wähler entspricht.
({10})
Dem Satz, den wir vorhin gehört haben, daß jeder hier im Haus bedenken möge, daß auch sein Widersacher wie er selbst vom Volk gewählt sei, stimme ich voll zu.
({11})
Aber dann ist es abwegig, immer noch mit der Entscheidung der Wähler der GRÜNEN zu hadern und diese Entscheidung nicht akzeptieren zu wollen. Wir schulden ihnen, diesen Wählern, vielmehr denselben Respekt wie unseren eigenen Wählern. Dem werden wir nicht dadurch gerecht, daß wir eine Fraktion von inzwischen 44 Mitgliedern aus bestimmten Bereichen der parlamentarischen Zusammenarbeit ausschließen. Nicht durch Verfahrens- oder Geschäftsordnungsmaßnahmen, sehr geehrte Damen und Herren, sondern durch den Streit in der Sache, auch über die Themen, die Herr Seiters hier angesprochen hat, wollen wir politische Meinungsunterschiede austragen.
({12})
In der Sachbehandlung gibt es zur Mehrheitsentscheidung keine Alternative. Für die Minderheit ist sie oft genug schwer zu ertragen. Eine kluge, um weitestmöglich demokratische Praxis bemühte Mehrheit wird diese Erträglichkeit durch eine faire und großzügige Gestaltung des Verfahrens erleichtern.
({13})
Solche Großzügigkeit schwächt nicht die Position der Mehrheit. Sie stärkt vielmehr die Geltung ihrer Entscheidungen, die von der Minderheit leichter hingenommen werden können. Dazu gehört auch die Entscheidung, um die es heute hier geht. Statt global abzuqualifizieren, wen immer die GRÜNEN vorschlagen werden, schlage ich Ihnen vor, wenn Sie meinen, Sie müßten Vertrauen beweisen, die oder den zu prüfen, die uns vorgeschlagen werden.
({14})
Zum Schluß: Unsere Kollegin Frau Hamm-Brücher hat vor einigen Tagen gesagt, das Selbstverständnis des Parlaments wäre beschädigt und zerstört, wenn eine 44 Kopf starke Fraktion nicht im Präsidium vertreten wäre; dem Ansehen der Altparteien würde dies immens schaden. Genau das ist unsere Auffassung. Damit sichtbar wird, wer sich dieser Einsicht verschließt, beantrage ich namens der Fraktion der Sozialdemokraten namentliche Abstimmung,
({15})
also das genaue Gegenteil von dem, was Frau Vollmer angestrebt hat. Ich möchte aufgeschrieben sehen, wer nach solchen Einsichten, wie sie Frau Hamm-Brücher geäußert hat, handelt und wer nicht.
({16})
Dieser Antrag, Herr Präsident, gilt vorsorglich für jede Entscheidung, die die Sache erledigt. Sollten Sie also in anderer Reihenfolge entscheiden wollen und den Antrag der Koalition vorziehen, bitte ich, über diesen in namentlicher Abstimmung zu entscheiden, weil er ja, wenn er angenommen würde, die anderen erledigen würde.
Danke schön.
({17})
Ich habe Ihnen, Herr Abgeordneter, das Wort noch nicht erteilt; aber Sie sind ohnehin dran: Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgramm.
Ich bedanke mich sehr, Herr Präsident; eine Intuition hat mich geleitet.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir haben diese Debatte ja schon einmal geführt, nämlich vor fast vier Jahren. Dort haben wir festgehalten, daß es seit 1953 keine Änderung in der Zahl der Vizepräsidenten gegeben hat. Übrigens hat der Kollege Porzner für die SPD-Fraktion zu Recht damals eine Veränderung abgelehnt und ausgeführt:
Seit 1953 hat der Bundestag vier stellvertretende Präsidenten. Es hat seitdem viele Fraktionen gegeben, die keinen Vizepräsidenten stellten.
Übrigens hat auch der Reichstag in seiner bewährten Praxis keine Anteile vorgesehen, nach denen jeder Fraktion ein Vizepräsident zugestanden hätte.
({1})
Herr Abgeordneter Jahn, es handelt sich um eine Geschäftsordnungsdebatte.
({0})
Herr Kollege Jahn, das ist nun einmal die Geschäftsordnung. Wir müssen das auf einen anderen Termin verschieben.
Wir haben uns verständigt, daß das eine Debatte zur Geschäftsordnung ist.
({0})
- Herr Kollege, es geht um die Wahl und um die Festlegung der Zahl der Vizepräsidenten. Das ist eine Frage der Geschäftsordnung. Ich räume Ihnen aber die Möglichkeit ein, daß Sie sich im Anschluß daran zu Wort melden.
Bitte sehr, Abgeordneter Wolfgramm, fahren Sie fort.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Kollege Schmude, ich darf festhalten, daß jeder FDP-Kandidat, der in den vergangenen Legislaturperioden zum Vizepräsidenten gewählt worden ist, in geheimer Wahl mit der Mehrheit dieses Hauses gewählt worden ist. Es gibt bei diesem Verfahren keinen Anspruch nach der Stärke der Fraktionen, wie wir das nach Hare/Niemeyer, verfeinert durch Schepers, bei den Ausschußvorsitzenden und bei den Ausschußsitzen überhaupt vorsehen. Es gibt hier eine geheime Wahl. Ich darf aus der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zitieren, die wir gerade beschlossen haben. § 2 Abs. 1 lautet:
Der Bundestag wählt mit verdeckten Stimmzetteln ... in besonderen Wahlhandlungen den Präsidenten und seine Stellvertreter für die Dauer der Wahlperiode.
§ 2 Abs. 2 Satz 1 lautet:
Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält.
Das ist eine andere Position, als einen Berechnungsanteil vorzuschreiben. Wir haben auch keinen Anlaß, diese bewährte Tradition der vier Stellvertreter zu Lasten oder zugunsten einer Fraktion zu verändern.
({0})
Dabei fällt mir übrigens auf, daß ja inzwischen auch die GRÜNEN den Sinn einer Kontinuität entdeckt haben. Obwohl sie erst vier Jahre im Deutschen Bundestag sind, haben sie bei der Konstituierung ihrer Fraktion Anträge, die Zahl ihrer Vorstandsmitglieder zu erhöhen, abgelehnt.
({1})
Ich zitiere dazu die „Süddeutsche Zeitung". Sie schreibt:
In mehreren offenen Abstimmungen entschied die Fraktion, daß der Vorstand wie bisher aus sechs Personen bestehen soll.
({2})
- Nun ja, es gibt ja einige unter den GRÜNEN, die das nicht so gut gefunden haben.
({3})
Wir halten hier fest: - ({4}) - Nun, eines muß ich Ihnen schon sagen: Wenn Sie zum Boykott aufrufen, zum Rechtsbruch gegenüber einem vom Parlament beschlossenen Gesetz, das vom Verfassungsgericht ausgefüllt worden ist, dann haben Sie es wirklich schwer, hier glaubwürdig für den Parlamentarismus zu streiten. Das ist schon eine schwierige Sache!
({5})
Wir halten hier fest: Die Tradition hat sich seit 1953 bewährt. Wir haben keinen Anlaß, sie heute, hier und jetzt, zu ändern.
({6})
Zu einer kurzen Erwiderung erteile ich dem Abgeordneten Jahn das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche jetzt nicht zur Geschäftsordnung, sondern zu Punkt 5 der Tagesordnung und zu den Anträgen über die Zahl der Stellvertreter des Präsidenten.
({0})
Zum anderen muß ich schon dem wiederholten Versuch der Geschichtsklitterung, der hier von Herrn Seiters und eben auch von dem Kollegen Wolfgramm vorgenommen worden ist, klar widersprechen. Unser Kollege Konrad Porzner hat sich vor vier Jahren mit Nachdruck und mit allem Ernst in Ausführung eines Auftrages seiner Fraktion darum bemüht, in den Vorverhandlungen eine Veränderung der Zahl der Stellvertreter des Präsidenten auf fünf zu erreichen. Nur weil keine Einigung darüber zustande gekommen ist, ist es dann bei der Zahl vier geblieben.
Um unsere Auffassung diesmal deutlicher zu machen, haben wir dies nun auch noch in einem eigenen Antrag bekräftigt. Den hätten wir von der Sachlage her genauso vor vier Jahren stellen können.
({1})
Zu einem anderen Geschäftsordnungsantrag erteile ich dem Abgeordneten Kleinert ({0}) das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will erst einmal aus unserer Sicht begründen, weshalb der Antrag auf geheime Abstimmung in diesem Fall so wichtig ist.
({0})
Wir wollen hier in Abweichung von dem ansonsten geübten Verfahren eine geheime Abstimmung durchführen, und zwar deshalb, weil wir davon ausgehen, daß - und das wissen Sie alle - die Abstimmung über die Zahl der Stellvertreter eigentlich die vorweggenommene Wahl ist. Sie alle hier wissen, daß, je nachdem, wie die Entscheidung über diese Anträge ausfallen wird, ein eindeutiges Präjudiz für das, worüber hinterher bei der eigentlichen Wahlhandlung abgestimmt werden wird, produziert wird. Das ist der Hintergrund für diesen Antrag, so zu verfahren, wie Frau Vollmer ihn vorgetragen hat. Weil diese Abstim18
Kleinert ({1})
mung ein Präjudiz ist, bitten wir Sie, einem solchen Verfahren zuzustimmen.
Eines will ich auch noch einmal klarstellen - und insofern war ich für die Ausführungen des Herrn Seiters sogar dankbar - : Herr Seiters, Sie haben hier in wünschenswerter Klarheit deutlich gemacht, worum es Ihnen geht. Sie haben nämlich gesagt: Die gehören nicht in dieses Parlament.
({2})
Herr Seiters, ich will Ihnen dazu ganz unmißverständlich sagen: Das ist eine Unverschämtheit gegenüber den mehr als 3 Millionen Wählern, die die GRÜNEN hierhin gewählt haben.
({3})
Es ist eine Unverschämtheit, und es ist ein Versuch der Ausgrenzung nicht nur von 44 Abgeordneten hier im Bundestag, sondern auch von mehr als 3 Millionen Menschen in diesem Land Bundesrepublik Deutschland.
({4})
Das wirft ein bezeichnendes Licht auf das Demokratieverständnis, das Sie und Ihre Freunde hier nach wie vor vertreten.
({5})
Sie wollen hier mit dem weitermachen, was wir in den vergangenen vier Jahren erlebt haben, nämlich mit einem Umgang, der heißt: ausgrenzen, wegdrücken, am besten vor die Tür setzen. Sie haben aus den vier Jahren offensichtlich nichts gelernt. Das ist der politische Hintergrund, um den es hier geht.
Und, Herr Seiters, wenn ich mir das überlege und wenn ich das zu den schönen warmen Worten in Beziehung setze, die wir heute wieder gehört haben, nämlich: „Alle Parlamentarier-sind gleich; alle haben die gleichen Rechte; niemand darf diskriminiert werden; es gibt keine Parlamentarier erster und zweiter Klasse", wenn ich das mit all diesen schönen salbungsvollen Worten vergleiche, dann muß ich zu dem Ergebnis kommen: ich zweifle daran, daß Sie ein entwickeltes Demokratieverständnis haben. Das ist der politische Hintergrund dieser Debatte.
({6})
Es tut mir leid, daß man hier eine solche Schärfe reinbringen muß. Aber da Sie diesen Hintergrund hier so deutlich formuliert haben, muß das einfach sein, muß hier auch mal klar formuliert werden, worum es eigentlich geht. Sie wollen weitermachen beim Ausgrenzen; Sie wollen weitermachen bei dem Versuch, uns in die Ecke zu stellen, an den Rand zu drängen und zu sagen: Ihr gehört eigentlich nicht dazu.
Ich kündige Ihnen an: Sie werden auch in den nächsten vier Jahren damit keinen Erfolg haben. Machen Sie nur weiter so! Irgendwann wird der Punkt schon kommen, wo auch Sie merken werden, daß Sie damit nicht mehr landen können.
({7})
Zu diesem Geschäftsordnungsantrag erteile ich das Wort dem Abgeordneten Seiters.
Nein; zu einer persönlichen Erklärung nach der Geschäftsordnung, um klarzustellen, daß sich meine Bemerkung auf einen Zwischenruf eines GRÜNEN Abgeordneten mit Blick auf demokratisch zustande gekommene Gesetze hier im Hause und auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezog. Und da sage ich allerdings in aller Deutlichkeit und Klarheit als meine Meinung: Wer nicht bereit ist, demokratisch zustande gekommene Gesetze und Urteile des Verfassungsgerichts zu respektieren, gehört nach meinen Vorstellungen von Demokratie eben nicht in dieses Parlament. Das ist meine Meinung.
({0})
Und das hat mit Formalismus überhaupt nichts zu tun. Das Recht ist die Waffe des Schwachen. Und wenn jeder von uns sich auf den Standpunkt stellen könnte und würde, er brauche demokratische Mehrheiten, Gesetze und Urteile nicht zu respektieren, dann geht diese Demokratie vor die Hunde, und dann wird es ein Recht des Stärkeren zu Lasten der Schwächeren geben. Und weil wir für die Schwächeren sind, kämpfen wir für das Recht und die Einhaltung von Gesetzen.
({1})
Herr Abgeordneter Kleinert ({0}), ich habe schon Frau Kollegin Vollmer darauf hingewiesen, daß dieser Antrag unzulässig ist, weil unsere Geschäftsordnung eine geheime Abstimmung nicht vorsieht. Sie haben keine Änderung der Geschäftsordnung beantragt. Aber selbst wenn Sie dies beantragt hätten, verstieße eine solche Änderung gegen das Grundgesetz. Denn Art. 42 des Grundgesetzes sieht in Abs. 1 Satz 1 vor, daß der Deutsche Bundestag öffentlich verhandelt.
({1})
Bevor ich über die einzelnen Anträge abstimmen lasse, unterrichte ich das Hohe Haus davon, daß die Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine kurze Erklärung zu dem Tagesordnungspunkt, den wir behandeln, zu Protokoll gegeben hat. * )
Wir kommen nun zu den Abstimmungen. Der Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 11/3, fünf Stellvertreter des Präsidenten zu wählen, ist wegen seines zusätzlichen Inhalts der weitergehende Antrag. Hierüber lasse ich zuerst abstimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Antrag der SPD auf Drucksache 11/8 ab. Die Fraktion der SPD verlangt gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache 11/8 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Abstimmungskarte mit Ja, wer dagegen stimmen oder
*) Anlage 4
Präsident Dr. Jenninger
sich der Stimme enthalten will, den bitte ich, die entsprechende Abstimmungskarte in eine der hier vorn aufgestellten Urnen zu legen. Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben? - Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung für zehn Minuten bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses der Auszählung.
({2})
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der Abstimmung über den Antrag der Fraktion der. SPD auf Drucksache 11/8 bekannt. Abgegebene Stimmen 511, davon ungültige Stimmen keine. Mit Ja haben gestimmt 232. Mit Nein haben gestimmt 279. Enthaltungen keine.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 511; davon
ja: 232
nein: 279
Ja
SPD
Frau Adler Dr. Ahrens Amling
Andres
Antretter
Dr. Apel
Bachmaier Bahr
Bamberg
Becker ({3})
Frau Becker-Inglau Bernrath
Bindig
Frau Blunck Dr. Böhme
Börnsen ({4}) Brandt
Brück
Büchler ({5}) Büchner ({6})
Dr. von Bülow
Frau Bulmahn
Buschfort Catenhusen Frau Conrad Conradi
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Diller
Dreßler
Duve
Egert
Dr. Ehmke ({7})
Dr. Ehrenberg
Dr. Emmerlich
Erler
Esters
Ewen
Frau Faße
Fischer ({8}) Frau Fuchs ({9}) Frau Fuchs ({10}) Frau Ganseforth Gansel
Dr. Gautier Gerster ({11}) Gilges
Dr. Glotz
Frau Dr. Götte
Graf
Großmann Grunenberg
Dr. Haack Haack ({12}) Haar
Frau Hämmerle
Frau Dr. Hartenstein Hasenfratz
Dr. Hauchler
Dr. Hauff Heimann Heistermann
Heyenn
Hiller ({13})
Dr. Holtz Huonker Ibrügger
Jahn ({14}) Jaunich
Dr. Jens
Jung ({15}) Jungmann Kastning
Kiehm
Kirschner Kißlinger Klein ({16})
Dr. Klejdzinski Klose
Kolbow
Koltzsch Koschnick Kretkowski Kühbacher Kuhlwein Lambinus Leidinger Lennartz Leonhart Lohmann ({17})
Lutz
Frau Luuk
Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Menzel
Meyer
Dr. Mitzscherling
Müller ({18}) Müller ({19})
Müller ({20}) Müntefering
Nehm
Frau Dr. Niehuis
Dr. Niese Niggemeier Dr. Nöbel
Frau Odendahl Oesinghaus
Oostergeteld
Paterna
Pauli
Dr. Penner Peter ({21})
Pfuhl
Dr. Pick
Porzner
Poß
Purps
Rappe ({22}) Reimann
Reschke Reuter
Rixe
Roth
Schäfer ({23}) Schanz
Dr. Scheer Scherrer Schluckebier
Schmidt ({24})
Frau Schmidt ({25}) Schmidt ({26})
Dr. Schöfberger Schreiner
Schröer ({27}) Schütz
Seidenthal Frau Seuster
Sielaff
Sieler ({28})
Frau Simonis
Singer
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling
Dr. Spöri
Stahl ({29})
Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler Stobbe
Dr. Struck Frau Terborg
Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer
Frau Traupe
Urbaniak Vahlberg Verheugen
Dr. Vogel
Voigt ({30})
Vosen
Waltemathe Walther
Wartenberg ({31}) Weiermann
Frau Weiler Weisskirchen ({32}) Dr. Wernitz
Frau Weyel Dr. Wieczorek
Frau Wieczorek-Zeul Wiefelspütz
von der Wiesche
Wimmer ({33}) Wischnewski
Dr. de With Wittich
Würtz
Zander
Zeitler
Zumkley
Frau Zutt
FDP
Frau Dr. Hamm-Brücher
DIE GRÜNEN
Frau Beck-Oberdorf
Frau Beer
Frau Brahmst-Rock Brauer
Dr. Briefs
Dr. Daniels ({34}) Ebermann
Frau Eid
Frau Flinner Frau Garbe Häfner
Frau Hensel Frau Hillerich
Hoss
Hüser
Frau Kelly Kleinert ({35})
Dr. Knabe Kreuzeder Frau Krieger
Dr. Lippelt ({36}) Dr. Mechtersheimer Frau Nickels
Frau Oesterle-Schwerin Frau Olms
Frau Rust Frau Saibold Frau Schilling
Schily
Frau Schmitt-Bott
Frau Schoppe
Sellin
Stratmann Frau Teubner
Frau Trenz Frau Unruh Frau Vennegerts
Volmer
Weiss ({37})
Wetzel
Frau Wilms-Kegel
Frau Wollny Wüppesahl
Präsident Dr. Jenninger
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein
Austermann
Bauer
Bayha
Dr. Becker ({38}) Frau Berger ({39})
Dr. Biedenkopf
Biehle
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm
Böhm ({40}) Börnsen ({41})
Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen Borchert Breuer
Bühler ({42}) Buschbom Carstens ({43})
Carstensen ({44}) Clemens
Dr. Czaja
Dr. Daniels ({45}) Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger
Dr. Dollinger
Doss
Echternach
Ehrbar
Eigen
Engelsberger
Eylmann
Dr. Faltlhauser
Feilcke
Dr. Fell Fenner
Frau Fischer
Fischer ({46}) Francke ({47})
Dr. Friedmann
Dr. Friedrich
Fuchtel
Ganz ({48})
Frau Geiger
Geis
Dr. Geißler
Dr. von Geldern
Gerstein Gerster ({49})
Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Gröbl
Dr. Grünewald
Günther Dr. Häfele Harries Haungs
Hauser ({50}) Hauser ({51}) Hedrich
Freiherr Heereman von
Zuydtwyck
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Hörster Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({52})
Dr. Hornhues
Frau Hürland-Büning
Dr. Hüsch
Dr. Jahn ({53})
Dr. Jobst
Jung ({54})
Jung ({55})
Kalb
Kalisch Dr.-Ing. Kansy
Dr. Kappes
Frau Karwatzki
Kiechle Kittelmann
Klein ({56})
Dr. Köhler ({57})
Dr. Kohl Kolb
Kossendey
Kraus
Krey
Kroll-Schlüter
Dr. Kronenberg
Dr. Kunz ({58})
Lamers
Dr. Lammert
Dr. Langner
Lattmann
Dr. Laufs
Lemmrich
Lenzer
Frau Limbach
Link ({59})
Link ({60})
Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold ({61}) Dr. h. c. Lorenz
Louven Lowack Lummer Maaß
Frau Männle
Magin Marschewski
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Miltner
Dr. Möller
Dr. Müller
Müller ({62})
Müller ({63})
Nelle
Dr. Neuling
Neumann ({64}) Niegel
Dr. Olderog
Oswald Frau Pack
Pesch Pfeffermann
Pfeifer
Dr. Pfennig
Dr. Pinger
Dr. Pohlmeier
Dr. Probst
Rauen Rawe Reddemann
Regenspurger
Repnik
Dr. Riedl ({65})
Dr. Riesenhuber
Frau Rönsch ({66}) Frau Roitzsch ({67}) Dr. Rose
Rossmanith
Roth ({68})
Rühe
Dr. Rüttgers
Ruf Sauer ({69})
Sauer ({70})
Sauter ({71})
Sauter ({72})
Dr. Schäuble Scharrenbroich
Schartz ({73})
Schemken Scheu
Schmidbauer Schmitz ({74})
von Schmude
Dr. Schneider ({75}) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder ({76}) Schulhoff
Dr. Schulte ({77}) Schulze ({78})
Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Dr. Stark ({79})
Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Dr. Stoltenberg
Straßmeir Strauß
Strube
Frau Dr. Süssmuth
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Dr. Uelhoff Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel ({80})
Vogt ({81})
Dr. Voigt ({82})
Dr. Vondran Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Wallmann
Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg
Weiß ({83}) Werner ({84})
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wilz
Wimmer ({85}) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Dr. Wörner Würzbach Dr. Wulff Zeitlmann Zierer
Dr. Zimmermann
Zink
FDP
Frau Dr. Adam-Schwaetzer Dr. Bangemann
Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg ({86}) Eimer ({87})
Engelhard
Dr. Feldmann
Frau Folz-Steinacker Funke
Gallus
Gattermann Genscher Gries
Grünbeck Grüner
Dr. Haussmann
Heinrich Dr. Hirsch Hoppe
Dr. Hoyer Irmer
Kleinert ({88})
Kohn
Dr.-Ing. Laermann
Dr. Graf Lambsdorff
Lüder
Mischnick Möllemann Neuhausen Nolting
Paintner
Richter
Rind
Ronneburger Dr. Rumpf Schäfer ({89})
Frau Dr. Segall
Frau Seiler-Albring
Dr. Solms Dr. Thomae Timm
Dr. Weng ({90}) Wolfgramm ({91}) Frau Würfel
Zywietz
Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen jetzt zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der FDP, vier Stellvertreter des Präsidenten zu wählen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe nun Punkt 6 der Tagesordnung auf: Wahl der Stellvertreter des Präsidenten
Interfraktionell ist vereinbart worden, daß bei der Wahl der Stellvertreter des Präsidenten kein Namensaufruf erfolgen soll, sondern daß die Wahl der VizePräsident Dr. Jenninger
präsidenten mit Wahlausweis durchgeführt werden soll. Die Wahl selbst erfolgt geheim.
Ich darf Sie vorab davon unterrichten, daß die Fraktion der CDU/CSU den Abgeordneten Stücklen für das Amt des Vizepräsidenten vorschlägt. Die Fraktion der SPD hat die Abgeordneten Frau Renger und Herrn Westphal benannt. Die Fraktion der FDP schlägt den Abgeordneten Herrn Cronenberg vor. Die Fraktion DIE GRÜNEN hat vorgeschlagen, die Abgeordnete Frau Nickels in das Amt des Vizepräsidenten zu wählen.
Ich bitte nun um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Wahlverfahren. Nach Eröffnung der Wahl erhalten Sie hier vorne die Wahlunterlagen ausgehändigt. Diese Wahlunterlagen enthalten einen Wahlausweis sowie die Stimmkarte mit Umschlag. Auf der Stimmkarte sind die vorgeschlagenen Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Ich bitte Sie, auf dem Wahlausweis, der als Nachweis Ihrer Teilnahme an der Wahl gilt, Ihren Namen - gegebenenfalls mit dem Ortszusatz - und Ihre Fraktionszugehörigkeit handschriftlich in Druckbuchstaben einzutragen. Ich bitte um Nachsicht, daß das technisch nicht anders machbar ist. Diese Eintragung erfolgt also auf dem weißen Wahlausweis.
Ihre Stimmkarte dürfen Sie nur in der Wahlkabine ankreuzen. Sie müssen ebenfalls noch in der Wahlkabine die Stimmkarte in den Umschlag legen. Die Schriftführer sind gehalten, jeden zurückzuweisen, der seine Stimmkarte außerhalb der Wahlkabine gekennzeichnet oder in den Wahlumschlag gelegt hat. Die Wahl kann in diesem Fall jedoch vorschriftsmäßig wiederholt werden.
Auf Grund des vorangegangenen Beschlusses über die Zahl der Stellvertreter des Präsidenten können Sie auf der Stimmkarte höchstens vier Vorschläge ankreuzen. Wer sich der Stimme enthalten will, macht keine Eintragung auf der Stimmkarte. Ungültig sind Stimmkarten, die mehr als vier Ankreuzungen, andere Namen oder Zusätze enthalten.
Bevor Sie die Stimmkarte in eine der aufgestellten Wahlurnen werfen, müssen Sie den mit Ihrem Namen versehenen Wahlausweis dem Schriftführer an der Wahlurne geben.
Ich bitte die Schriftführer, die Plätze einzunehmen. - Das ist geschehen.
Ich eröffne die Wahl und bitte, die Wahlunterlagen entgegenzunehmen. Ich bitte, die Stimmkarte anschließend in der Wahlkabine anzukreuzen und in den beigefügten Umschlag zu legen sowie ihn anschließend nach Übergabe des Wahlausweises an den Schriftführer in eine der aufgestellten Wahlurnen zu werfen. Ich darf noch einmal darauf hinweisen: Der Wahlausweis kann schon auf dem Weg zur Wahlurne gekennzeichnet werden.
Meine Damen und Herren, darf ich die bescheidene Frage an das Haus richten, ob inzwischen alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben haben. Auch die Damen und Herren Schriftführer sind aufgefordert, ihre Stimmzettel abzugeben.
Darf ich noch einmal die Frage an das Haus richten: Haben alle Mitglieder des Hauses, auch die Schrift führer, ihren Stimmzettel abgegeben? - Kein Widerspruch. Dann ist das offensichtlich der Fall.
Ich schließe die Wahl und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich darf die Bitte an alle Schriftführerinnen und Schriftführer richten, sich an der Auszählung zu beteiligen. Es werden alle benötigt.
Ich unterbreche jetzt für die Dauer von etwa 30 Minuten die Sitzung. Diese Zeit brauchen wir zur Auszählung. Ich kann nicht ausschließen, wie das bei Wahlen immer möglich ist, daß es noch einen zweiten Wahlgang geben kann. Deswegen bitte ich Sie, sich wenigstens in der Nähe des Plenarsaals aufzuhalten.
Ich unterbreche die Sitzung.
({92})
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das Ergebnis der Wahl der Stellvertreter des Präsidenten bekannt.
Abgegeben wurden 510 Stimmen, davon gültig: 510. Enthaltungen: 1. Ungültige Stimmen: keine.
Von den gültigen Stimmen entfielen auf den Abgeordneten Cronenberg ({93}) 366 Stimmen,
({94})
auf die Abgeordnete Frau Christa Nickels 119 Stimmen,
({95})
auf die Abgeordnete Frau Annemarie Renger 449 Stimmen,
({96})
auf den Abgeordneten Richard Stücklen 375 Stimmen
({97})
und auf den Abgeordneten Heinz Westphal 326 Stimmen.
({98})
Meine Damen und Herren, die Abgeordneten Cronenberg, Frau Renger, Stücklen und Westphal haben damit die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses erhalten. Sie sind damit zu Stellvertretern des Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt.
Ich darf zunächst einmal die Kollegin und die Kollegen fragen, ob sie die Wahl annehmen.
Ich frage Sie, Frau Abgeordnete Renger: Nehmen Sie die Wahl an?
Danke. Ich nehme die Wahl an.
({0})
Ich frage den Herrn Abgeordneten Cronenberg: Nehmen Sie die Wahl an?
Ja, ich nehme die Wahl an.
({0})
Ich frage den Herrn Abgeordneten Stücklen: Nehmen Sie die Wahl an?
Ich nehme die Wahl an.
({0})
Ich frage Herrn Abgeordneten Westphal: Nehmen Sie die Wahl an?
Ich nehme an, Herr Präsident.
({0})
Ich übermittle Ihnen, meine Damen und Herren, die besten Glückwünsche des
Hauses. Auch ich selbst wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg für Ihr Amt und vor allem eine weiterhin gute Zusammenarbeit.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Sitzung des heutigen Tages.
Ich darf Ihnen aber noch eine amtliche Mitteilung zur Verlesung bringen: Interfraktionell wird vorgeschlagen, in den beiden Sitzungswochen vom 9. bis 13. März und vom 16. bis 20. März keine Fragestunden durchzuführen.
Sind Sie mit dieser Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Am Ende der Tagesordnung darf ich Ihnen sagen, daß der Termin der nächsten Sitzung noch nicht feststeht. Er wird Ihnen rechtzeitig mitgeteilt werden.
Die Sitzung ist geschlossen.