Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich zu erheben.
({0})
Am 31. Oktober ist die indische Ministerpräsidentin Indira Gandhi an den Folgen eines Attentats ums Leben gekommen. Die Nachricht vom Tod der indischen Politikerin hat weltweit Trauer, Bestürzung und Empörung hervorgerufen.
Indira Gandhi war in den Jahren 1966 bis 1977 und seit 1980 Ministerpräsidentin Indiens und seit 1966 Vorsitzende der indischen Kongreßpartei. Im Verlauf ihrer bewegten politischen Vergangenheit setzte sie sich für die Lösung der vielschichtigen innenpolitischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme ihres Landes ein. Es ist zu hoffen, daß das große Volk Indiens nach der Erschütterung seinen inneren Frieden wiederfindet.
Indira Gandhi war eine herausragende politische Persönlichkeit, die sich für die Freiheit und Einheit Indiens verdient gemacht und durch ihr starkes politisches Engagement innerhalb der blockfreien Staaten weltweit Bedeutung erlangt hat.
Im Namen des Deutschen Bundestages habe ich zum Tode von Indira Gandhi dem Präsidenten der Lok Sabha der Republik Indien telegrafisch kondoliert und unser tief empfundenes Beileid ausgesprochen.
Meine Damen und Herren, mit großer Erschütterung haben wir auch die Nachricht von dem verabscheuungswürdigen Mord an dem Priester Popieluszko aufgenommen, der das polnische Volk in tiefe Trauer gestürzt hat. Dieser Mordanschlag traf einen Menschen, der über die Grenzen Polens hinaus wegen seines Bekennermuts und seiner solidarischen Gesinnung die Bewunderung aller erfuhr. Dem polnischen Volk gelten unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme.
Es ist unser aller Wunsch und unsere Hoffnung, daß es den Verantwortlichen überall in der Welt gelingt, den Terrorismus zu überwinden und durch eine Politik des Ausgleichs und des Friedens ihren Völkern eine gesicherte Zukunft zu schaffen.
Ich danke Ihnen.
Meine sehr verehrten Damen und Heren, ich habe erst einmal Glückwünsche auszusprechen.
Am 3. November 1984 hatte der Abgeordnete Schlaga seinen 60. Geburtstag. Wir gratulieren ihm herzlich.
({1})
Heute wird der Abgeordnete Dr. Czaja 70 Jahre alt. Wir gratulieren ihm ebenfalls sehr herzlich.
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Meine Damen und Herren, auf der Ehrentribüne nimmt an der Sitzung des Deutschen Bundestages Frau Dr. Colette Flesch teil, die Vorsitzende der Demokratischen Partei Luxemburgs und langjährige Außenministerin. Wir begrüßen sie herzlich.
({3})
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat beantragt, den Antrag auf Drucksache 10/2241 - Anzahl der Stellvertreter des Präsidenten - als Punkt 2 auf die heutige Tagesordnung zu setzen. Der Antrag ist rechtzeitig eingebracht. Auf Grund einer zwischenzeitlich getroffenen interfraktionellen Vereinbarung soll dieser Antrag als Punkt 2 der Tagesordnung im Anschluß an die Wahl des Präsidenten des Deutschen Bundestages aufgerufen werden. Die bereits erfolgte amtliche Mitteilung vom heutigen Tag ist damit gegenstandslos geworden.
Ich rufe jetzt den Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Wahl des Präsidenten des Deutschen Bundestages.
Bitte erlauben Sie mir einige wenige Worte.
Am 25. Oktober dieses Jahres habe ich Ihnen die amtliche Mitteilung zur Kenntnis gebracht, daß Herr Dr. Barzel sein Amt als Präsident des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt hat. Das macht die Wahl eines neuen Bundestagspräsidenten erforderlich.
Ich möchte, meine Damen und Herren, heute daran erinnern, daß es das Anliegen Dr. Barzels war, die Stellung des Bundestags im Verfassungsgefüge zu stärken. Auf seine Anregung hin haben
Vizepräsident Frau Renger
wir am 20. September darüber eine umfangreiche Aussprache geführt, die in der Öffentlichkeit auf großes Interesse gestoßen ist. Diese Debatte ist die Grundlage für die Reformbemühungen zur parlamentarischen Arbeit und zur Stärkung der Rechte des Parlaments. Wir hoffen, daß diese Bemühungen im Interesse des Bundestages in der dafür geschaffenen Ad-hoc-Kommission zügig weitergeführt werden.
({4})
Für die Amtsführung Dr. Barzels als Präsident des Deutschen Bundestages haben wir ihm Dank zu sagen.
({5})
Die Fraktion der CDU/CSU hat für die Wahl des Präsidenten des Deutschen Bundestages Herrn Dr. Philipp Jenninger vorgeschlagen. Weitere Vorschläge sind nicht eingegangen.
Meine Damen und Herren, ich bitte jetzt um Ihre Aufmerksamkeit für einige notwendige Hinweise zum Wahlverfahren.
Nach § 2 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung wird der Präsident mit verdeckten Stimmzetteln gewählt; d. h. gemäß § 49 der Geschäftsordnung, es wird geheim gewählt. Den für die Wahl allein gültigen weißen Stimmzettel erhalten Sie nach Aufruf Ihres Namens durch die Schriftführer vor Betreten der hier vorne rechts und links aufgestellten Wahlzellen. Die Schriftführer müssen jeden zurückweisen, der seinen Stimmzettel außerhalb der Wahlzelle gekennzeichnet oder in den Umschlag gelegt hat. Die Wahl kann in diesem Falle jedoch vorschriftsmäßig wiederholt werden. Ich hoffe, das wird nicht der Fall sein.
Bevor Sie den Stimmzettel in die Wahlurne geben, nennen Sie bitte dem Schriftführer an der Wahlurne Ihren Namen zur Kennzeichnung der Namensliste. Denn diese Kennzeichnung Ihres Namens in der Namensliste dient als Nachweis für die Teilnahme an dieser Wahl.
Gültig sind nur Stimmen mit einem Kreuz bei „Ja", „Nein" oder „Enthaltung". Ungültig sind Stimmen auf nichtamtlichen Stimmzetteln sowie Stimmzettel, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten.
Für die Wahl des Präsidenten des Deutschen Bundestages sind die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses erforderlich.
Meine Damen und Herren, ich bitte jetzt die Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen. Die verehrten beiden Schriftführer neben mir werden jetzt mit dem Namensaufruf in alphabetischer Reihenfolge beginnen. Ich bitte den Namensaufruf zu verfolgen, damit Sie rechtzeitig an die Urne treten können.
Ich eröffne die Wahlhandlung.
({6})
Meine Damen und Herren, der Namensaufruf ist beendet. Haben alle ihre Stimmkarten abgegeben? Haben auch die Schriftführer ihre Karten abgegeben? - Wir wollen noch einen Moment warten.
Ich darf noch einmal fragen, ob alle ihre Stimmkarten abgegeben haben. - Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Für die Dauer der Auszählung unterbreche ich die Sitzung für 30 Minuten.
({0})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt. Die Zahl der Mitglieder des Deutschen Bundestages ist 520. Abgegebene Stimmen: 471, davon gültig: 469. Mit Ja haben 340 Mitglieder des Deutschen Bundestages gestimmt, mit Nein haben 105 Mitglieder gestimmt. Enthaltungen: 24, ungültige Stimmen: 2.
Meine Damen und Herren, Herr Dr. Philipp Jenninger hat die Stimmen der Mehrheit des Hauses erhalten. Er ist damit zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt.
Ich frage Sie, Herr Dr. Jenninger, ob Sie die Wahl annehmen.
Ich nehme die Wahl an, Frau Präsident.
({0})
Somit haben wir gleich den Glückwunsch des Hauses ausgesprochen. Wir wünschen Ihnen alles Gute.
Verehrter Herr Präsident, wenn Sie bitte Ihren Platz einnehmen wollen.
({0})
Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke für das Vertrauen, das Sie mir entgegengebracht haben. Denjenigen unter Ihnen, die eine andere Entscheidung getroffen haben, gilt mein voller Respekt. Alle aber bitte ich Sie um Unterstützung und kollegiale Zusammenarbeit. Ich werde mich um eine gerechte und unparteiische Amtsführung bemühen und will für jedes Mitglied dieses Hauses da sein, unabhängig davon, ob Sie mich gewählt haben oder nicht.
Ich übernehme, meine Damen und Herren, das Amt des Präsidenten des Deutschen Bundestages mitten in der laufenden Legislaturperiode. Ich übernehme dieses Amt auch deshalb gern, weil ich unser Land liebe und weil unser Staat, die freiheitlichPräsident Dr. Jenninger
ste Republik, die es je auf deutschem Boden gab, es wert ist, für ihn zu arbeiten.
({0})
Der Erste in diesem Hause zu sein bedeutet für mich nicht besondere Würde und Glanz, sondern vorbildliche Arbeit und Dienst für unser Volk. Unsere freiheitliche Demokratie lebt vom Engagement aller Bürger, und sie lebt von dem besonderen Dienst derer, die vom Volk gewählt sind und die ihre Aufgabe mit Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß erfüllen sollen.
Mit besseren Worten hat dies einmal Theodor Heuss, mein schwäbischer Landsmann, der erste Präsident unserer Republik, ausgedrückt - ich zitiere -:
Demokratie stirbt als Institution wie als Lebensgesinnung an dem ,Ohne-Mich`, sie lebt aus dem ,Mit-Mir`, und dieses ,Mit-Mir` buchstabiert weiter ,Mit-Dir`.
So weit Theodor Heuss.
Konrad Adenauer hat es so formuliert:
Demokratie kann man nicht allein mit noch so ausgeklügelten Gesetzen verwirklichen. Sie sind nur eine Voraussetzung. Demokratie ist vor allem eine Frage des Verhaltens der Menschen, ihres persönlichen Verhaltens zueinander und ihres Verhaltens zum Staat.
({1})
Demokratie muß gelebt werden.
Wir alle, meine Damen und Herren, sind gefordert, aus der Vergangenheit und der Gegenwart heraus die Zukunft zu gestalten. Sie wird entscheidend davon bestimmt werden, ob es uns gelingt, fünf große Aufgaben zu bewältigen: den Frieden zu sichern und zu erhalten, die Arbeitslosigkeit abzubauen, die technologische Entwicklung zu beherrschen, eine gesunde Umwelt wiederherzustellen und zu bewahren und der Dritten Welt Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.
Nach meiner Überzeugung handeln wir nur dann richtig, wenn wir dabei den Menschen in den Mittelpunkt stellen mit den Grundwerten der Freiheit, der Solidarität und der Gerechtigkeit und wenn wir unseren Auftrag im Geiste der Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen erfüllen.
Meine Damen und Herren, in diesen Tagen stellen viele Bürger unseres Landes besorgt die Frage, ob Unabhängigkeit und Integrität unserer politischen Organe noch gegeben sind. Es herrschen da und dort Zweifel, ob die Politiker in ihrem Denken und Handeln auch immer das Wohl des Staates und seiner Bürger im Sinn haben. Wir alle sind an dieser Diskussion nicht unschuldig. Wir sollten deshalb auch alle mithelfen, daß diese „Vertrauenskrise" alsbald überwunden wird.
Dabei darf nichts unter den Teppich gekehrt werden.
({2})
Die Bürger wollen Klarheit, nicht Ausreden und Zank.
({3}) Wir dürfen sie nicht enttäuschen.
Menschen und Systeme haben ihre Mängel. Es wäre unredlich, das zu leugnen und so zu tun, als sei alles in bester Ordnung. Wo Fehler gemacht worden sind und gemacht werden, müssen diese rückhaltlos aufgeklärt und abgestellt werden. Wo sich Mißtrauen ausgebreitet hat, muß Glaubwürdigkeit wieder einkehren. Die Auseinandersetzungen darüber sollten jedoch alle Beteiligten selbstkritisch, aber auch fair, offen, aber auch intellektuell redlich führen. Nichts zerfrißt die Glaubwürdigkeit der Politiker erbarmungsloser als Heuchelei!
({4})
Mein besonderer Appell geht in diesem Zusammenhang auch an unsere Medien. Wir fordern eine wahrheitsgemäße Berichterstattung und eine faire Kommentierung der Vorgänge. Auch unsere Medien tragen ein großes Stück Verantwortung nicht nur für das Funktionieren, sondern auch für die Erhaltung unserer freiheitlichen Demokratie.
({5})
Die kritische Begleitung unserer Arbeit durch die Medien ist in unserer Demokratie nicht nur unabdingbar; wir wollen sie auch. Aber die soviel beschworene Transparenz öffentlichen Lebens darf nicht zum Selbstzweck werden, und Berichterstattung darf nicht zu einem lukrativen Geschäft neuzeitlicher Massenunterhaltung degenerieren, in denen sich einige anmaßen, Polizist, Staatsanwalt, Zeuge, Richter und Berufungsgericht in einem zu sein.
({6})
Ich bin ganz und gar gegen jene sehr deutsche Neigung, die Dinge zu dämonisieren. Man kann nicht das Fehlverhalten einzelner zur Staats- oder gar zur Systemkrise umfälschen. Ich bin für Reinigung und Konsequenzen dort, wo sie nötig sind. Aber ich bin gegen das Geraune von der „Götterdämmerung" und gegen die zur Mode gewordene pauschale Infragestellung der Institutionen unseres freiheitlichen Rechtsstaates.
({7})
Mit aller Kraft und Entschiedenheit müssen wir daher der Behauptung entgegentreten, Politik und Politiker dieser zweiten deutschen Republik seien käuflich.
({8})
Präsident Dr. Jenninger
Dieses Gemeinwesen ist keine gekaufte Republik.
({9})
Wir haben eine stabile Demokratie, die in aller Welt Ansehen und bei vielen Völkern Vertrauen und Freundschaft gewonnen hat. Die Grundrechte, die Prinzipien des demokratischen und sozialen Rechtsstaats, die Gewaltenteilung, auch das demokratische Mehrheitsprinzip und der Verzicht auf Gewalt sind und bleiben hervorragende Merkmale der Bundesrepublik Deutschland. Dieser Staat verdient das Vertrauen seiner Bürger, auch und gerade seiner jungen Bürger.
({10})
Dieses Parlament leistet viel zuviel an ernsthafter, harter und sachbezogener Arbeit, als daß wir uns die maßlose Karikatur einer Verschwörung von Geld und Politik aufnötigen lassen dürfen. Politik in unserem Land, meine Damen und Herren, ist doch, wie wir alle wissen, das Ergebnis eines vielfältigen Meinungsbildungsprozesses, über den sich niemand mit Geld bestimmenden Einfluß verschaffen kann.
({11})
Unser Land darf sich angesichts großer innen- und außenpolitischer Herausforderungen nicht paralysieren lassen von Vorfällen, die die für unsere Ordnung eben nicht kennzeichnend sind.
({12})
Wir, meine Damen und Herren, das Parlament, dürfen dies erst recht nicht.
({13})
Der unvergessene Carlo Schmid, viele Jahre Vizepräsident dieses Hauses, hat einst gesagt: „Wenn man in der Politik alles chemisch rein machen will, dann stirbt man am ersten Schnupfen."
({14})
Ein Parlament ist sicherlich nicht zuvörderst eine moralische Anstalt und auch kein Ort, an dem alle sich unentwegt in Bekundungen ihres gegenseitigen Wohlwollens erschöpfen müssen. Aber ebenso richtig ist, daß sich die Bürger in uns, ihren gewählten Abgeordneten, auch in ihren Erwartungen an die moralische Dimension der Politik vertreten sehen wollen.
Welche Folgerungen ergeben sich daraus? Wir dürfen nicht andere Maßstäbe predigen, als wir für uns gelten lassen wollen.
({15})
Wir sind als unmittelbar vom Volkswillen legitimierte Abgeordnete in diesem Haus, um unserem
Volk zu dienen. Wir kommen nicht primär hierher, um zu verdienen.
({16})
Es ist wahr und darf ruhig ausgesprochen werden, daß anderswo - in Verbänden, gesellschaftlichen Organisationen, in der Wirtschaft, in freien Berufen, im Bereich der Medien - weitaus höhere Einkommen erzielt werden. Aber das muß jeder wissen, bevor er sich um einen Sitz im Deutschen Bundestag bemüht.
({17})
Das Kürzel „MdB" hinter dem Namen der Mitglieder dieses Hauses ist eine Auszeichnung.
({18})
Wir machen die Gesetze, meine Damen und Herren. Wir gestalten entscheidend die Innen- und Außenpolitik dieses Staates. Wir bilden den institutionellen Mittelpunkt des politischen Lebens der Bundesrepublik Deutschland.
Wir erheben nicht den Anspruch, besser zu sein als andere. Der Deutsche Bundestag ist keine Versammlung von Säulenheiligen. Aber wir wollen auch nicht schlechter behandelt werden als andere.
({19})
Das heißt, meine Damen und Herren, die Abgeordneten haben das gleiche Anrecht auf personale Würde, auf Intimsphäre, auf Datenschutz und auf Schutz vor öffentlicher Vorverurteilung wie jeder andere Bürger in unserem Land.
({20})
Die Parteien sind auf die Unterstützung der Bürger, der gesellschaftlichen Organisationen und Unternehmungen angewiesen, wenn sie nicht zu vom Steuerzahler ausgehaltenen Filialen des Staates werden sollen. Daran ist nichts Zwielichtiges. So will es auch das Parteiengesetz.
Ich darf in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, an die Ausführungen in dem Bericht der vom Bundespräsidenten berufenen Sachverständigenkommission erinnern, in dem zum Thema Parteienspenden ausdrücklich festgestellt worden ist - ich zitiere -:
Angesichts gewisser Kontroversen in der Öffentlichkeit besteht Anlaß, darauf hinzuweisen, daß Spenden an politische Parteien weder verboten noch moralisch bedenklich, sondern verfassungspolitisch erwünscht und geradezu unentbehrlich sind, wenn man an der Staatsunabhängigkeit der Parteien festhalten will.
({21}) Dadurch,
- so heißt es weiter daß der Bürger einen Teil seines Einkommens
als private Spende freiwillig den Parteien zuPräsident Dr. Jenninger
wendet, macht er von seinem Recht auf politische Teilhabe Gebrauch und erfüllt eine legitime staatspolitische Aufgabe. Im Prinzip sind Spenden deshalb nichts Ehrenrühriges, sondern Ausdruck einer anerkennenswerten politischen Betätigung.
So weit das Zitat aus diesem Bericht.
Meine Damen und Herren, diejenigen, die die Parteien unterstützen, dürfen sich aber nick anmaßen, die Politik bestimmen zu wollen.
({22})
Was in diesem Zusammenhang bislang zutage gefördert wurde, ist - ungeachtet aller wichtigtuerischen Übertreibung - bedrückend. Die Vorstellung, Politiker oder politische Entscheidungen kaufen zu können, muß von uns unerbittlich zurückgewiesen werden. Sie steht unserer politischen Ordnung feindlich gegenüber.
({23})
Versuche dieser Art werden auch in Zukunft scheitern, denn in unserer parlamentarischen Demokratie wird nichts vertuscht.
({24})
Es ist ja gerade der Vorteil dieses Systems, daß es ohne Ansehen von Parteien und Personen die Kraft aufbringt, Klärung zu schaffen und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Ich möchte deshalb meinem Amtsvorgänger, unserem Kollegen Dr. Barzel, an dieser Stelle ausdrücklich meine Hochachtung und meinen Respekt vor seiner Entscheidung bekunden.
({25})
Mit seinem Schritt hat er ein Zeichen für die Glaubwürdigkeit unserer Ordnung und für die Fähigkeit des demokratischen Systems gesetzt, sich selbst zu korrigieren.
({26})
Meine Damen und Herren, schließlich sollten wir alle der Versuchung widerstehen, aus Vorfällen, die bereits Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses und der ordentlichen Gerichte sind, ohne Rücksicht auf die Folgen parteipolitische Vorteile ziehen zu wollen. Wir haben allen Grund, unseren Kollegen, die sich der schwierigen Aufgabe im 1. Untersuchungsausschuß stellen, zu vertrauen, daß sie gründliche und gute Arbeit leisten.
Bonn ist nicht Weimar. Wir würden aber auf diesen Weg geraten, wenn die Stoßrichtung nicht mehr tatsächlichen oder vermeintlichen Mißständen, sondern der Verächtlichmachung des demokratischen Systems selbst gilt.
({27})
Solchen Anfängen gilt es zu wehren. Wir sollten
bedenken, daß maßlose gegenseitige Attacken am
Ende nicht bloß den politischen Gegner, sondern das Parlament insgesamt und damit alle seine Mitglieder in Verruf bringen. Mein schwäbischer Landsmann Karl Julius Weber hat in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein späteres Diktum Winston Churchills vorweggenommen, als er schrieb:
Die vollkommenste Verfassung ist doch nur die, welche die wenigsten Fehler hat.
Daran sollten wir bei unserer Arbeit denken. Was wir tun, ist nie vollkommen, aber den guten Willen sollten wir uns gegenseitig allzeit unterstellen.
Fanatismus, Besessenheit und Kompromißlosigkeit sind dem Wesen der Demokratie fremd,
({28})
die bei aller ihrer Unvollkommenheit immer noch weniger Fehler hat als alle anderen bekannten Staatsformen der Geschichte und Gegenwart.
Meine Damen und Herren, wir haben eine Herausforderung, aber keine Krise der parlamentarischen Demokratie zu bestehen. Unser Parlament ist besser als sein Ruf, wenn auch nicht so gut, wie es sein könnte. Gestatten Sie mir deshalb einige kurze Anmerkungen zur weiteren Arbeit in dieser 10. Legislaturperiode.
Erstens. Wir haben hier vor einigen Wochen eine Debatte zur Stellung und Arbeit des Deutschen Bundestages, zum Selbstverständnis dieses Parlaments geführt. Das große Engagement dieses ganzen Hauses macht es mir zur Verpflichtung, der Arbeit der Ad -hoc- Kommission Parlamentsreform, deren Vorsitz dem Präsidenten anvertraut ist, besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
({29})
Bei diesem Bemühen, die Rolle des Souveräns zu stärken, hat sich mein Vorgänger durch eigene Initiative und tatkräftige Förderung von Anregungen aus der Mitte des Hauses besondere Verdienste erworben, Verdienste, die wir nicht vergessen werden. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Kollegen Dr. Barzel überdies für seine stets faire, besonnene und untadelige Sitzungsleitung danken. Ich will mich bemühen, seinem Beispiel zu folgen.
({30})
Zweitens. Wir werden uns den bestehenden Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages zuzuwenden haben, um zu prüfen, ob der rechtliche Rahmen ausreicht, der die Unabhängigkeit der Abgeordneten sichert. Ich habe die Gewißheit, daß alle Fraktionen des Hauses hierzu bereit sind. Ich bin auch bereit zu prüfen, ob noch mehr Transparenz möglich und notwendig ist. Aber ich mache in diesem Zusammenhang aus meiner persönlichen Auffassung keinen Hehl: Ich will nicht den Abgeordneten mit den sogenannten gläsernen Taschen.
({31})
Präsident Dr. Jenninger
Ich will den Abgeordneten nicht unter Ausnahmerechte stellen. Auch der Abgeordnete hat Anspruch auf Wahrung des Steuergeheimnisses.
({32})
Meine Damen und Herren, der hohe moralische Anspruch, daß der Volksvertreter in seinem Gesamtverhalten nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln hat, läßt sich selbst durch beste Verhaltensregeln niemals sichern.
Drittens. Wir sind der föderativen Grundstruktur unseres Staatswesens verpflichtet. Es ist nicht gut, wenn der Bund seine Kompetenzen unbekümmert ausschöpft. Die Länder sind oft näher an den Problemen und benötigen ausreichenden Spielraum zu eigenverantwortlicher Gestaltung. Auch hier gilt: Konsens entsteht nur aus der Vielfalt der Interessen.
Viertens. Wir sollten vermeiden, daß, bevor ein Gesetz verkündet ist, bereits die Novellierung desselben eingeleitet wird.
({33})
Das Recht, das wir setzen, muß verläßlich sein, damit es Wirkungskraft entfalten kann.
Schließlich: Nicht in der veröffentlichten Meinung und den Medien, nicht in der Exekutive, nicht in der Rechtsprechung, sondern hier im Deutschen Bundestag ist der Ort, wo die kritische Auseinandersetzung um den besten Weg der deutschen Politik stattzufinden hat. Hier fallen die richtungsweisenden politischen Entscheidungen. Das sind wir dem Bundestag, dem Theodor Maunz das Prädikat „zentralstes" Organ des Bundes verliehen hat, schuldig.
({34})
Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, in den vergangenen beiden Jahren durfte ich ein Stück mithelfen bei der Gestaltung der Politik gegenüber dem anderen Staat auf deutschem Boden. Ich verschweige nicht, daß mich diese Erfahrung und die menschlichen Schicksale, denen ich im geteilten Deutschland begegnet bin, tief bewegt haben. Ich werde das im neuen Amt nicht vergessen.
Dieses Parlament hat sich für die Freundschaft mit dem Westen, für das Bündnis und für die Werte-gemeinschaft mit den freiheitlichen Demokratien Westeuropas und Nordamerikas entschieden. Zugleich hat der Deutsche Bundestag niemals einen Zweifel gelassen an seiner Entschlossenheit zu einer langfristigen Verständigung mit dem Osten. Niemand in diesem Haus will die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges mit Gewalt revidieren. Aus dem fortbestehenden Ost-West-Gegensatz und aus dem Grunddissens in der deutschen Frage erwächst den Deutschen in Ost und West jedoch eine besondere Verantwortung für die Stabilität in Europa, für den Frieden, für praktische Fortschritte zugunsten der Menschen.
Zwischen den Verantwortlichen ist der Dialog unbefangener, sind die Kontakte zahlreicher geworden. Das gilt erfreulicherweise auch für die Menschen auf beiden Seiten der Grenze. Diese Bemühungen beider Staaten auf deutschem Boden richten sich gegen niemanden. Ich bin - im Gegenteil - überzeugt: Sie entsprechen den Interessen aller europäischer Völker.
Der Deutsche Bundestag meint es mit der Zielsetzung des Grundlagenvertrages ernst, „normale gutnachbarschaftliche Beziehungen" zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zu entwickeln. Die deutsche Frage ist nicht primär eine Frage der Grenzen, des Territoriums und der Bündnisse. Sie ist fundamental eine Frage der Menschenrechte, der Freiheit, der Selbstbestimmung und des Friedens.
({35})
Aber das Recht auf Selbstbestimmung, das allen Völkern der Welt eingeräumt wird, können wir niemals preisgeben!
({36})
Meine Damen und Herren, in diesem Hause erhebt niemand Gebietsansprüche gegen andere Staaten, steht jedes einzelne Mitglied zu dem verpflichtenden Verzicht auf Gewalt als Mittel der Politik. Wir stehen zu allen geschlossenen Verträgen; es gibt in diesem Hause keinen Gedanken an Revanchismus. Dieser Deutsche Bundestag hat nur einen Wunsch: Er will Frieden, Selbstbestimmung, Wohlfahrt und den Anspruch auf persönliches Glück - nicht nur für die Deutschen, für die Menschen in Deutschland, sondern auch für alle unsere Nachbarvölker in Ost und West.
({37})
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns in diesem Sinne wieder gemeinsam an unsere Arbeit gehen.
Ich danke Ihnen und grüße von diesem Platz aus alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland.
({38})
Meine Damen und Herren, das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Reents.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist unüblich, daß im Anschluß an die Neuwahl eines Präsidenten im Bundestag eine Aussprache stattfindet; das wissen wir. Aber es ist auch unüblich, denke ich, daß die Antrittsrede eines gerade gewählten Präsidenten in eine aktuelle Debatte derart massiv eingreift, wie das soeben geschehen ist.
({0})
Wir sind deswegen der Ansicht, daß im Anschluß an diese Antrittsrede hier eine Aussprache stattfinden sollte.
Es ist vorgesehen, daß der Bundestag am 15. November zu dieser Frage debattiert. Man muß sich allerdings fragen, was denn am 15. November noch
debattiert werden soll, wenn der neugewählte Präsident in derart massiver Weise ein Bild vom Bundestag, vom gesamten Plenum des Bundestages in der Öffentlichkeit erzeugt,
({1})
das so nicht vorhanden ist, über Themen, über die es tiefgreifende Kontroversen außerhalb des Bundestages und hier im Bundestag gibt.
({2})
Ich möchte deswegen beantragen, daß das Recht eingeräumt wird, auf diese Antrittsrede hin eine Debatte zu eröffnen.
({3})
Herr Abgeordneter Reents, es ist nicht zulässig, zu diesem Tagesordnungspunkt eine Debatte zu führen. Ihr Antrag ist deswegen nicht zulässig.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN
Anzahl der Stellvertreter des Präsidenten - Drucksache 10/2241 Meine Damen und Herren, interfraktionell ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart worden.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Dr. Bötsch.
({0}) - Entschuldigung; ist erledigt.
Frau Abgeordnete Dr. Hickel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion DIE GRÜNEN beantrage ich im Zusammenhang mit der heutigen Wahl des Bundestagspräsidenten, die Anzahl der Stellvertreter des Präsidenten zu erhöhen, und zwar auf fünf, und den fünften Stellvertretersitz in der Reihe der stellvertretenden Bundestagspräsidenten den GRÜNEN zuzusprechen.
Der Antrag liegt Ihnen schriftlich vor. Wir haben ihn bereits bei der konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestages im März 1983 gestellt. Ich begründe ihn heute noch einmal angesichts der inzwischen eingetretenen Veränderungen wie folgt.
Die gleiche Situation wie damals besteht dadurch, daß die Anzahl der stellvertretenden Präsidenten weder im Grundgesetz noch in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages festgelegt ist. Daher ist der Bundestag frei, die Anzahl der Stellvertreter des Präsidenten zu bestimmen. Nach langjähriger Praxis dieses Hauses spielt dabei die Größe der Fraktion keine Rolle.
Zur Begründung führe ich ferner an - und das sind jetzt die Punkte, die sich seit März/April 1983 geändert haben -: Seit dem vergangenen Jahr haben die GRÜNEN durch die Erfolge in den Landtags-, Kommunal- und Europawahlen den alten Einwand der Altparteien vom vorigen Jahr entkräftet, daß man einer kurzlebigen kleinen Splitterpartei keinen Vizepräsidenten zugestehen könne. Davon kann wohl inzwischen keine Rede mehr sein.
({0})
Ich begründe unseren Antrag ferner mit folgender Überlegung: Wegen der zunehmenden Krise des Vertrauens in die Vertrauenswürdigkeit von Parlamentariern, von der ja soeben sehr lang die Rede war, halten wir es heute im Interesse dieses Hauses für wichtig, daß gerade die GRÜNEN mit einer Vizepräsidentin dem Präsidium angehören; denn es gehört, wie Sie wissen, zu den Pflichten des Präsidiums, Vorwürfen wegen des Unterlaufens der Verhaltensregeln für Abgeordnete nachzugehen; und dabei sollte diejenige Fraktion, die von diesen Vorwürfen nicht betroffen ist,
({1})
jedenfalls beteiligt sein.
({2})
Ich begründe unseren Antrag weiter damit: Das alte Argument, das im letzten Jahr gebracht wurde, daß wegen der Rotation grüner Abgeordneter unserer Fraktion keine Vizepräsidentin zugestanden werden könne, ist ja wohl spätestens seit der Neuwahl eines Bundestagspräsidenten heute mitten in der Legislaturperiode hinfällig geworden.
({3})
Es stünde unseres Erachtens diesem Hause wohl an, wenn gerade der heutige Tag nicht nur den Amtsantritt eines neuen Bundestagspräsidenten, sondern auch die Normalisierung in der Besetzung des Bundestagspräsidiums überhaupt zum Inhalt hätte,
({4})
damit das, was hier jahrelang gute Praxis und parlamentarische Sitte in diesem Hause war, wieder Platz greift, daß nämlich jede Fraktion einen Vizepräsidenten stellt. Es handelt sich hier um eine politische Entscheidung und nicht um eine Entscheidung, bei der man künstlich irgendwelche Paragraphen der Geschäftsordnung beiziehen sollte. Überlegen Sie sich gut, ob Sie hier politisch oder rein formal argumentieren wollen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bötsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch der zweite von den GRÜNEN heute gestellte Antrag beschäftigt dieses Parlament nicht zum erstenmal, sondern wir haben uns ja zu Beginn der Legislaturperiode schon ausführlich mit dem Begehren der GRÜNEN auseinandergesetzt, einen weiteren Vizepräsidenten zu stellen. Im Gegensatz zu meiner Vorrednerin ist die Fraktion der CDU/CSU der Auffassung, daß sich die Verhältnisse, die damals zu einer negativen
Entscheidung geführt haben, bis zum heutigen Tage nicht geändert haben.
({0})
Zugegeben: Die Mehrheitsverhältnisse in manchen Kommunalparlamenten und manchen Landesparlamenten haben sich geändert. Wir haben aber hier im Hause darüber zu entscheiden, wie die Vizepräsidenten des Bundestages - und nicht die eines Landtages oder die Bürgermeister in Kommunalparlamenten - zu wählen sind, und das haben wir zu Beginn der Legislaturperiode in der ersten Sitzung des Deutschen Bundestages für die gesamte Legislaturperiode entschieden.
Ich darf mich bei der Frage des Minderheitenschutzes - weil auch dies in der Diskussion eine Rolle gespielt hat - auf das beziehen, was der Herr Kollege Porzner zu Beginn dieser Legislaturperiode ausgeführt hat, wo er darstellte, daß die Minderheitenrechte einer Fraktion, und sei sie noch so klein, in der Geschäftsordnung ausführlich geregelt sind. Danach sind die GRÜNEN in allen Ausschüssen vertreten, und sie sind dort, wo die Plenarsitzungen vorbereitet werden, nämlich im Ältestenrat, vertreten. Die Argumente, die zu Beginn der Legislaturperiode zu unserer Entscheidung führten, stellen sich heute nicht anders dar.
Frau Kollegin, hinsichtlich der Normalisierung der Verhältnisse muß ich Sie berichtigen: Es gab in diesem Hause immer wieder Zeiten, wo es auch Fraktionen gab, die keinen Vizepräsidenten gestellt haben. Insofern ist es unrichtig, wenn Sie sagen, daß früher immer alle Fraktionen einen Vizepräsidenten gestellt hätten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von den GRÜNEN - ich sage das mit Respekt -, daß sie die Geschäftsordnung kennen, haben Sie, glaube ich, in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht nur bewiesen, sondern Sie haben das auch weidlich ausgenutzt. Insofern haben Sie auch mit Ihrer Agitation nachgewiesen, daß Ihre Darstellungsmöglichkeiten auch ohne einen eigenen Vizepräsidenten in vollkommener Weise gegeben sind.
({1})
- Ich wiederhole: So wie Sie die Darstellung betreiben, können Sie das auch, ohne daß Sie einen Vizepräsidenten stellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da sich die Tatsachen nicht geändert haben, haben wir auch keine Veranlassung, die Rechtsvorschriften unserer Geschäftsordnung zu ändern, und deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jahn ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beschluß, den der Deutsche Bundestag über die Zahl der Vizepräsidenten am 29. März des vergangenen Jahres gefaßt hat, ist für die ganze Wahlperiode gefaßt worden. Mein Kollege Porzner - vielen Dank, daß Sie daran erinnert haben, Herr Dr. Bötsch - hat damals nicht nur dies gesagt, sondern auch hinzugefügt, wir hätten es vorgezogen, wenn es zu einer Vereinbarung über diese Frage gekommen wäre, und wir hätten auch eine Möglichkeit zur Einigung gesehen. Nachdem dies aber damals nicht gelungen ist, ist jetzt kein Ansatz für eine neue Regelung gegeben. Der Beschluß, der damals gefaßt worden ist, gilt für diese Wahlperiode,
({0})
und es sind auch - darauf ist mit Recht hingewiesen worden - keine neuen Umstände eingetreten,
({1})
die den Bundestag veranlassen könnten, diesen seinen Beschluß umzustoßen. Wir, die Fraktion der SPD, werden deshalb Ihrem Antrag, meine Damen und Herren, nicht zustimmen.
Da ist noch etwas, Frau Kollegin Dr. Hickel, worüber Sie ein bißchen flott hinweggegangen sind. Wie wäre es eigentlich, wenn wir jemanden aus Ihren Reihen wählen würden? Da wüßten wir nur eines sicher: daß man nicht weiß, für wie lange wir ihn wählen würden.
({2})
- Herr Fischer, Sie sollten manchmal erst nachdenken, bevor Sie Ihre Zwischenrufe machen.
({3})
In diesem Fall liegt der Unterschied zumindest darin, daß bei Ihnen schon vorher angekündigt wird, daß Sie nicht auf Dauer dableiben wollen.
({4})
Ich meine, Sie haben Grund, diese Frage hier nicht abzutun, sondern ernsthaft einmal das Prinzip der Rotation, die Sie nach wie vor als ein wesentliches Element Ihres Selbstverständnisses ansehen, in ein Verhältnis zur Arbeit in diesem Hause zu bringen.
({5})
Wenn Sie das getan hätten, hätte man in der Tat einen Ansatz, neu darüber nachzudenken und zu diskutieren. Unter den gegebenen Umständen jedenfalls ist auch dies ein Punkt, der dafür spricht, es bei dem einmal gefaßten Beschluß zu belassen.
Vielen Dank.
({6})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hickel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß schon sagen: die Art, wie hier zu unserem Anliegen argumentiert wird, finde ich sehr armselig. Sich hier auf Paragraphen der Geschäftsordnung zurückzuziehen, die in diesem Fall gar nicht zwingend angewendet werden müßten, die man genausogut nicht anziehen könnte, weil, wie gesagt, im Grundgesetz über die Anzahl der stellvertretenden Präsidenten nichts gesagt wird, ist armselig. Es ist ebenfalls armselig, einfach nur darauf hinzuweisen, daß man vor einem Jahr schon einmal einen Beschluß gefaßt habe. Inzwischen hat sich in diesem Land und auch in diesem Bundestag vieles geändert.
Wir haben übrigens mit der Rotation gar nicht angefangen, sondern das sind, wie man weiß, andere. Wir sind auch diejenigen, bei denen man weiß, wann sie rotieren und wer rotiert. Das wird bei ans alles vorher geplant, bei Ihnen nicht.
({0})
Es geht uns im übrigen auch nicht, was hier unterstellt wurde, um die Darstellungsmöglichkeit, die wir im Parlament haben,
({1})
sondern es geht uns darum, daß dieses Präsidium in einer ehrlichen Weise, die den Bürger überzeugt, zusammengesetzt ist
({2})
und nicht die einzige Fraktion, die an den gegenwärtigen Verunsicherungen der Bevölkerung nicht beteiligt ist, davon ausgeschlossen ist.
({3})
Ich muß schon sagen, an Tagen, an denen dauernd davon gesprochen wird, daß man zu einer Befriedung des Parlaments kommen möchte, die zu neuen Grundlagen für unsere Arbeit hier im Parlament führt, stünde es uns allen wohl gut an, eine gerechtere und ehrlichere Zusammensetzung unseres Präsidiums anzustreben.
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An Tagen, an denen immerzu davon gesprochen wird, daß dieses Parlament einen Selbstreinigungsprozeß hinter sich bringen wolle - der neue Präsident hat vorhin mit großen Worten von derartigen Selbsterkenntnissen gesprochen -, ist der Zeitpunkt erreicht, um mit diesem Selbstreinigungsprozeß einen Anfang zu machen, indem man ein ehrliches Präsidium zusammensetzt.
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In dieser Situation, meine Damen und Herren, ist es eine politische Entscheidung, die nicht mit einem willkürlichen Rückgriff auf die Geschäftsordnungsparagraphen zu treffen ist, den GRÜNEN einen Vizepräsidenten zuzubilligen, da sie die einzige Fraktion sind, die frei von den „geflickten" Verdächten ist und die eine wachsende politische Kraft im Lande repräsentiert, die nicht mehr wegzudiskutiren ist. Ich weiß nicht, wie das zu den großen Worten paßt, die vorhin der Präsident gesagt hat, daß nichts unter den Teppich gekehrt werden solle, wenn wir in Zukunft nicht im Präsidium vertreten sein sollen.
Ich finde, daß Ihre Entscheidung, die in den vorangegangenen Redebeiträgen zum Ausdruck gekommen ist, außerordentlich furchtsam und auch unehrlich, um nicht zu sagen: verlogen, ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgramm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ihre Anmerkungen, Frau Kollegin Dr. Hickel, über die Rotation waren sehr interessant. Ich habe keine Äußerung von den Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU oder der FDP gehört, daß wir Ihnen in diesem Gebaren zu folgen gedenken, wie wir Ihnen auch in vielen anderen Bereichen Ihres Gebarens nicht folgen wollen.
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Ich möchte hier klar erklären, daß für die Fraktion der Freien Demokraten dieses Präsidium seine Aufgaben erfüllen wird, daß es ein ehrliches Präsidium sein wird,
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daß es unseren Vorstellungen von Gerechtigkeit in diesem Hause voll Rechnung tragen wird.
Aber kommen wir zu der Frage, um die es geht! Sie wollen hier einen Beschluß des Bundestages vom vergangenen Jahr verändern. Es war ja gar nicht so, daß damals in irgendeinem Beitrag auch nur der Ausdruck „Splitterpartei" gebraucht worden wäre. Die Ausgangsposition war die, die Porzner damals erklärt hat: daß der Deutsche Bundestag seit 1953 nach seiner Geschäftsordnung und seinen Beschlüssen dazu nie mehr als vier Stellvertreter des Präsidenten gehabt hat. In dieser Kontinuität ist der Deutsche Bundestag auch im vergangenen Jahr geblieben. Die Freien Demokraten sind der Meinung, daß dieser Beschluß richtig war, daß sich daran nichts geändert hat. Wir bleiben bei diesem Beschluß.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/2241 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Vier Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt.
Präsident Dr. Jenninger
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 7. November 1984, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.