Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Kolleginnen und Kollegen, vor 25 Jahren, am 3. April 1959, trat der erste Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags sein Amt an.
Art. 45 b des Grundgesetzes bestimmt:
Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen.
Das Gesetz über den Wehrbeauftragten füllt diesen Auftrag des Grundgesetzes aus, sichert zusätzlich die Grundrechte der Soldaten und die Grundsätze der Inneren Führung.
Fünf Wehrbeauftragte dienten seitdem dem Deutschen Bundestag. Durch ihre Tätigkeit wird der Deutsche Bundestag innerhalb der Bundeswehr wirksam. Die Arbeit des Wehrbeauftragten bezeugt den Willen und den Erfolg unserer Demokratie, daß auch unter den Bedingungen von Befehl und Gehorsam Freiheit, Demokratie und sozialer Rechtsstaat fest verankert sind.
Ich danke Ihnen, Herr Wehrbeauftragter, lieber Herr Berkhan, sowie allen Ihren Mitarbeitern für Ihre erfolgreiche Tätigkeit.
({0})
Meine guten Wünsche begleiten Sie und Ihre Mitarbeiter in die Zukunft. Der Deutsche Bundestag weiß Ihre Arbeit zu schätzen und fühlt sich der Bundeswehr verpflichtet.
Ich danke Ihnen.
({1})
Wir werden nachher eine Feierstunde haben. Deshalb werde ich mich hier bald zurückziehen müssen.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um den Zusatzpunkt „Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Vorlage der Sechsten Wohngeldnovelle - Drucksache 10/1235 -" erweitert werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Wohngeld- und Mietenbericht 1983
- Drucksachen 10/854, 10/1144 Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Dr. Czempiel Frau Rönsch
Ferner rufe ich den Zusatzpunkt zur Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
Vorlage der Sechsten Wohngeldnovelle
- Drucksache 10/1235 Es ist eine gemeinsame Beratung des Tagesordnungspunktes 11 und des Zusatzpunktes sowie eine Aussprache von zwei Stunden verabredet. - Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kansy.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wohngeld-
und Mietenbericht 1983 gibt uns seit mehr als einem Jahr wieder Gelegenheit, im Plenum des Deutschen Bundestags eine wohnungspolitische Bestandsaufnahme durchzuführen. Als wir uns hier im Dezember 1982 zum letztenmal über die Mieten unterhielten, Herr Kollege Waltemathe, malte die SPD ein Horrorgemälde über die künftige Mietentwicklung an die Wand. Gemeinsam mit einigen Spitzenfunktionären des Deutschen Mieterbundes, die diese notwendige und von uns immer respektierte Interessenvertretung der Mieter für SPDWahlkampfzwecke mißbrauchten, überbot man sich in Angstmacherei. „Vogelfrei" sollten die Mieter nach Ihrer Ankündigung werden. Nein, Herr Jahn, das sind sie nicht.
({0})
Am 6. März 1983 ist die Republik vom Vogel frei geworden, aber nicht die Mieter.
({1})
Mit diesem Wohngeld- und Mietenbericht, meine Damen und Herren, zerplatzt diese Angstkampagne wie ein roter Luftballon.
({2})
Die Mieten sind nicht stärker gestiegen als in den letzten Jahren.
({3})
Nach Ihrer Pleite bei den Mieten, meine Kollegen von der SPD, haben die Angstmacher vom Dienst ein neues Objekt gefunden: das Wohngeld. Und wieder tut sich der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, unser Kollege Jahn, bei passender Gelegenheit - als Mieterbundpräsident auftretend - hervor und hat die Parole ausgegeben: „Wohngeld gleich Hohngeld". Mehr als 2,6 Milliarden Deutsche Mark im Jahr, meine Damen und Herren von der SPD ({4})
die Sie uns diese desolate Finanzsituation des Staates hinterlassen haben -,
({5})
die wir für Wohngeld ausgeben, nennen Sie Hohngeld. Das sind Mittel, die vom deutschen Steuerzahler, der in der Mehrheit Mieter ist, für diesen Zweck ausgegeben werden.
Für die CDU/CSU war und bleibt das Wohngeld ein unverzichtbarer Bestandteil der sozialen Wohnungsmarktwirtschaft. Wir haben deshalb einen Beschlußentwurf initiiert - er liegt dem Hohen Haus vor -, das Wohngeld an die Entwicklung der Mieten und Einkommen anzupassen. Die Kollegin Rönsch wird das näher erläutern.
({6})
Ich möchte uns alle auffordern, meine Kollegen, anläßlich dieser Debatte den Blick im wesentlichen nach vorn zu richten;
({7})
denn unabhängig von der viel zitierten Bonner Wende befindet sich der Wohnungsmarkt in einer entscheidenden Umbruchsituation.
({8})
Die Wirklichkeit des Mietenmarktes hat die oft ideologisch geprägte Diskussion der Vergangenheit bereits eingeholt und überholt. In weiten Bereichen ist die Vermietungssituation ausgeglichen. Zur Vermeidung von Leerständen müssen Mieten bereits zurückgenommen werden oder sie müßten eigentlich zurückgenommen werden. Sie können es ja nicht so ohne weiteres, z. B. im Bereich des sozialen Wohnungsbaus.
Statt dessen steigen die Mieten, insbesondere im sozialen Wohnungsbau durch den Abbau zeitlich begrenzter Subventionen, die im vergangenen Jahrzehnt reichlich gewährt worden sind. Das ist ein hautnahes Beispiel für die Praxis der vergangenen Jahre, Politik auf Pump zu machen, auf Kosten der Zukunft.
({9})
Die steigenden Mieten sind aber nicht mehr oder nicht mehr vollständig am Markt durchsetzbar.
({10})
Eine groß angelegte gemeinsame Untersuchung des Verbandes rheinischer und westfälisch-lippischer Wohnungsunternehmen aus dem letzten Jahr kommt zu folgendem Ergebnis - ich zitiere -:
({11})
Die Marktlage ist dadurch gekennzeichnet, daß steigende Mieten, vor allem kosten- und förderungsbedingt,
- meine Herren von der SPD nicht mehr akzeptiert werden, da sie oberhalb von Marktpreisen liegen.
Weiter wird in dem Bericht festgestellt, daß die teuren neu gebauten Sozialwohnungen der letzten Jahre oft mit Haushalten belegt wurden, die in der Leistungsfähigkeit überfordert sind.
Was ist das für ein seltsamer sozialer Wohnungsbau, den Sie uns hinterlassen haben? Junge Familien oder Familien, die wegen Arbeitslosigkeit umziehen müssen, werden mit staatlicher Vermittlung in die teuersten Neubeujahrgänge gesteckt, während in älteren und preiswerteren Beständen oft Mieter sitzen, die wirtschaftlich besser dastehen.
({12})
- Nein, Herr Kollege Waltemathe. Wir müssen - das Wort haben Sie leider vergessen; es stand früher manchmal auf Ihren Fahnen - wie in anderen Bereichen der Politik an die Solidarität der Mieter untereinander appellieren.
({13})
Wie auch in der gerade vor wenigen Tagen übergebenen Gewos-Studie wird deswegen von vielen Praktikern der Wohnungswirtschaft der Vorschlag gemacht, eine Art Solidarmiete einzuführen, um diese Mieten zu entzerren.
({14})
Das würde bedeuten, daß innerhalb eines bestimmten Gebietes ein Wohnungsunternehmen, das sowohl ältere preiswertere als auch neue teure Wohnungen hat, eine Mietannäherung vornimmt,
ohne daß eine einzige Mark zusätzlich in die Kassen dieses Unternehmens fließt.
({15})
Wer solche Denkansätze einer Solidarmiete, die der Wohnungsbauminiser im Rahmen des Wohnungsvereinfachungsgesetzes 1984 aufgegriffen hat, sofort wieder polemisch zerredet, wird seiner Verantwortung als Wohnungsbaupolitiker im Jahre 1984 nicht gerecht.
({16})
Eine solche Regelung, meine Damen und Herren, würde auch unnötige Leerstände vermeiden, die wir heute in weiten Bereichen, insbesondere in großstädtischen Kernregionen, schon haben,
({17})
wo der Mieter intakte Wohnanlagen wegen steigender Kostenmiete, also wegen staatlich verordneter Sozialmiete, verläßt und der Vermieter diese Miete nur dann erhöhen kann, wenn er den Nachweis führt, daß eine Mieterhöhung zu Leerständen führt. Hier läßt man, meine Damen und Herren, das Kind erst in den Brunnen fallen, bevor man eine Mietanpassung machen kann.
({18})
Es bestreitet ja niemand, daß die Probleme regional unterschiedlich sind; Selbstverständlich gibt es örtlich nach wie vor Bedarf an preiswertem Wohnraum für bestimmte Bevölkerungskreise,
({19})
und zwar trotz des Wohngeldes. Die CDU/CSU sieht jedoch eine gute Möglichkeit, hier Bindungen im Rahmen der Novellierung des Gemeinnützigkeitsgesetzes langfristig sicherzustellen. Aber, meine Damen und Herren, örtliche und gruppenspezifische Probleme können doch nicht die Richtschnur für die Bestandspolitik der nächsten Jahrzehnte sein. Eine zeitnahe, neuformulierte Bestandspolitik ist die wohnungspolitische Hauptaufgabe der Zukunft.
Angesichts der im Schnitt doch sehr guten Wohnraumversorgung ist es deswegen im Rahmen der Konsolidierung des Haushalts durchaus vertretbar, auch die den Wohnungsbau in verschiedener Weise begünstigenden Subventionen in Frage zu stellen. Insofern - ich unterstreiche das - ist es verständlich, daß die staatliche Direktförderung des Wohnungsbaus, die gezielten steuerlichen Erleichterungen und sogar die Inanspruchnahme von Elementen der Regelbesteuerung von verschiedenen Seiten in Frage gestellt werden. Das, was jedoch, meine Damen und Herren, in den letzten Monaten vom Sachverständigenrat, von der Bundesbank, von verschiedenen Professoren der Nationalökonomie, von Wirtschaftsinstituten oder - neuerdings, in dieser Woche - vom Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer, dessen Präsident von gigantischen Fehlinvestitionen spricht,
({20})
an Vorschlägen gemacht wird, geht weit über eine planvolle Reduzierung hinaus. Das wohnungspolitische Kind wird sozusagen mit dem Bade des geforderten Subventionsabbaus ausgeschüttet.
({21})
Das Kind, meine Damen und Herren, wird zu Recht schreien, wie die Kollegen der SPD das schon während meiner ganzen Redezeit tun.
({22})
Denn trotz Vermietungsschwierigkeiten und einiger regional doch sehr unterschiedlicher Leerstände bleibt ein Ersatz- und Ergänzungsbedarf von etwa 250 000 bis 300 000 Wohnungen jährlich übrig. Wir wissen leider nicht genau, wieviel, wo und in welcher Größe. Die Verschiebung der Volks-
und Wohnungsstättenzählung, meine Kollegen von den GRÜNEN, ist allein aus diesem Grunde beklagenswert.
({23})
Im einzelnen ist deswegen vieles diskutierbar. Alle Professoren, alle Institute, alle Verbände sollen uns Vorschläge machen; wir hören uns das an. Die Reduzierung des Bauherrenmodells ist diskutierbar; die Reduzierung der degressiven Abschreibung ist diskutierbar; die Einstellung des sozialen Mietwohnungsbaus - nicht von uns so gefordert ({24})
ist zumindest in einer offenen Gesellschaft diskutierbar;
({25})
die Abstempelung des Wohngeldes als überflüssiger Subvention ist diskutierbar; Kritik an verstärkter Eigentumsförderung, mehr oder weniger deutliche Aufhebung des Gemeinnützigkeitsprinzips und so manches andere sind diskutierbar. In der Summe jedoch - ich glaube, darin, meine Damen und Herren Kollegen des ganzen Deutschen Bundestages, sind wir uns doch einig - ergibt das noch lange keine marktwirtschaftliche Konzeption sondern bestenfalls eine Nichtkonzeption des Wohnungsbaus. Denn irgendwer muß aus irgendwelchen Motiven künftig selbst einen reduzierten Wohnungsbau Weiterbetreiben: der klassische Investor - dann müssen wir ihm langfristige Renditeerwartungen ermöglichen -, der Steuersparinvestor, der Staat mittels sozialen Wohnungsbaus oder der Häuslebauer, wenn wir ihn in die Situation versetzen. Sollte jedoch die derzeitige Diskussion ausufern, so wird das zu Verunsicherung und Attentismus bei allen potentiellen Bauherren führen.
Nach Auslaufen der erfolgreichen Sonderprogramme der Regierung Kohl darf der Wohnungsbau mit rund 100 Milliarden DM Jahresumsatz
({26})
- rund 100 Milliarden DM; genau sind es 120 Milliarden DM, Herr Kollege Waltemathe - und rund 900 000 Beschäftigten im Bauhaupt- und -nebengewerbe allein im Wohnungsbau nicht durch solche Diskussionen, die jetzt von Professoren allerorten angezettelt werden, in ein neues Loch fallen. Allerdings müssen wir der Bauwirtschaft offen sagen: Stellen Sie sich auf einen reduzierten Wohnungsbau ein, insbesondere im Mietwohnungsbereich! Stellen Sie sich auf mehr Eigenheimbau ein! Stellen Sie sich auf Stadt- und Dorferneuerung ein! Die CDU/CSU wird in den nächsten Jahren beides forcieren.
({27})
Langfristig stetige Bedingungen, die die Wirtschaft zu Recht fordert, heißen nicht Beibehaltung der hohen Bauleistung von heute, sondern Anpassung an den reduzierten Bedarf. Was die Bundesregierung 1982 zur Belebung des Wohnungsbaus mit einem Konjunkturprogramm gemacht hat, war keine ordnungspolitische Langzeitperspektive, sondern ein Notprogramm wegen eines darniederliegenden Wohnungsbaus. - Herr Müntefering, Sie wissen, was Sie hinterlassen haben.
Herr Minister Dr. Schneider, 420 000 Baugenehmigungen im Jahr waren die höchste Zahl seit zehn Jahren. Wir gratulieren Ihnen zu dieser Leistung. Die CDU/CSU-Fraktion wird Sie, Herr Minister, auch künftig bei der schweren Aufgabe unterstützen,
({28})
einerseits mehr marktwirtschaftliche Elemente in die Bestands- und Neubaupolitik zu bringen,
({29})
andererseits die staatliche Mitverantwortung im Wohnungsbau gegen Tendenzen zu verteidigen, die jegliche staatliche Förderung des Wohnungsbaus als fehlgeleitetes Kapital betrachten.
Wer an irgendeinem grünen Tisch zu der Erkenntnis gekommen sein sollte, in einer Familie, die bereit ist, sich für ein Eigenheim krummzulegen, auf Urlaub und auf sonstwas zu verzichten, würde der Vater plötzlich zur Mutter sagen: „Du, Mama, wir verzichten auf ein Eigenheim, wir machen jetzt auf Risikokapital", der geht an den Realitäten dieses Lebens meilenweit vorbei.
({30})
Die Wohnung ist selbstverständlich ein Wirtschaftsgut. Aber sie ist auch der unverzichtbare Mittelpunkt unseres Lebens und wird es für die CDU/CSU auch künftig sein.
Danke schön.
({31})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Waltemathe.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem uns Herr Dr. Kansy vorgeworfen hat, wir malten Horrorgemälde, war das, was er eben vorgeführt hat, eine semantische Miniatur. Zum Semantischen konnten wir schon gestern in der Fragestunde etwas feststellen.
({0})
- Ich werde Ihnen das übersetzen. Gestern hatte schon Ihre Frau Kollegin Hürland Schwierigkeiten, zu unterscheiden, was die CDU und ihr Staatssekretär Dr. Jahn wohl verstehen unter freier Miete, Marktmiete, freier Marktmiete, festgelegter Miete, frei vereinbarter Miete. Zum Schluß kam heraus, man sollte von Ausgleichs- oder Solidarmiete sprechen, und das ganze Gesetz, das da in der Mache ist, sollte man ein Vereinfachungsgesetz nennen, weil es komplizierter wirklich nicht geht.
Meine Damen und Herren, der Minister Dr. Oscar Schneider ist ein großer Meister, nämlich im Ankündigen.
({1})
- Im Ankündigen. Wahrscheinlich haben Sie nicht mitbekommen, was ich hinterher gesagt habe. - Kurz nach dem 1. Oktober 1982 bezeichnete er sich als ein Anwalt der Mieter.
({2})
Wenn Sprache einen anderen Sinn als einen semantischen hat, hätte das bedeuten müssen, sich der gerechten Sache von Mietern anzunehmen.
({3})
Soweit es aber überhaupt zu Taten gekommen ist, war von einem Anwalt der Mieter nichts mehr zu erkennen. Da wurde erst einmal ein Mieterhöhungsgesetz für frei finanzierte Wohnungen durch das Parlament gepeitscht, das in erster Linie die Mieter traf. Jetzt muß man befürchten, daß mit der Einführung neuer Preisvorschriften im öffentlich geförderten, also im sozialen Wohnungsbau der Schutz der Mieter von Sozialwohnungen wegradiert werden soll.
Diese Bundesregierung erklärt nämlich Schutzvorschriften zu Investitionshemmnissen und verfährt dann nach einer sehr einfachen Ideologie: Der Markt soll die Wohnraumverteilung und die Miethöhe bestimmen. Hinweg also mit Belegungsbindungen bei Wohnungen, die mit Milliardenaufwand staatlich gefördert wurden, um für breite Schichten der Bevölkerung Wohnraum sicherzustellen. Hinweg also mit Preisbindungen, die dazu dienen sollten, für das normale Arbeitnehmereinkommen die Wohnung auch bezahlbar zu halten.
({4})
Hinweg also mit den Rechten der Mieter, auch bei
der Wohnungsmodernisierung ein Wörtchen mitzureden. Er soll getrost ausziehen, wenn er die MieterWaltemathe
höhung nach der Modernisierung nicht aufbringen kann.
({5})
Ihrer Ideologie von Marktwirtschaft folgt eine ausgeklügelte Strategie, und da schließen Sie sogar die Verkabelungspläne des Postministers mit ein. Natürlich, so sagt die Regierung, gehöre zu ihrer Marktwirtschaft auch eine soziale Komponente. In der Regierungserklärung des Bundeskanzlers Kohl vom 4. Mai 1983 steht der bedeutsame Satz: „Sozialer Wohnungsbau wie Wohngeld gehören zur Idee der Sozialen Marktwirtschaft." Na, ist das nicht schön?
({6})
Dann brauchen wir also doch noch Sozialwohnungen? Da muß das Wohngeld wohl doch noch eine soziale Ausgleichsfunktion erfüllen?
Welche Konsequenzen zieht nun der Bundesbauminister aus den Ankündigungen des Bundeskanzlers? Er kündigt erstmal selbst etwas an, und er betont, daß der Markt sozial blind sei, und deshalb sei das Wohngeld eines der wesentlichsten wohnungspolitischen Instrumente. Der Herr Dr. Schneider war schon länger als ein halbes Jahr im Amt, und die Eckdaten für den Bundeshaushalt sowie für die neue Finanzplanung dieser Bundesregierung waren schon längst festgelegt, als er den Bundestagsausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau über die vordringlichen, konkreten Planungen, wie man das nennt, „seines Hauses" unterrichtete. Er sagte es ganz klipp und klar und gab es den Abgeordneten sogar schriftlich: das Wohngeld solle so rechtzeitig angepaßt werden, daß es spätestens am 1. Januar 1985 gesetzlich zur Verfügung stehe. Als er das im Juni 1983 sagte, mußte er wohl wissen, welcher Zusagen vom Bundesfinanzminister er sicher sein konnte. Oder, Herr Minister, muß ich davon ausgehen, daß Maßnahmen und Termine in dieser Regierung gar nicht erst miteinander abgestimmt werden?
Meine Damen und Herren, sowohl unter wohnungs- wie unter sozialpolitischen Gesichtspunkten kann schlechterdings nicht bestritten werden, daß dringender Anpassungsbedarf beim Wohngeld vorhanden ist. Deshalb gibt es auch wieder eine neue Ankündigung des Herrn Bundesbauministers, Pressemitteilung von vorgestern. Erstens, Herr Dr. Kansy, stellt er fest: Die Einkommensentwicklung wird in den nächsten Jahren wohl gedämpfter verlaufen. Er stellt auch fest, daß es immer noch Neubaubedarf gibt. Er sagt weiter: Die Wohnungspolitik muß dafür sorgen, daß auch die Bevölkerungsgruppen, die sich trotz eigener Bemühungen am Markt nur schwer selbst versorgen können, eine Wohnung finden und bezahlen können. Daraus ergäben sich für ihn die Schwerpunkte der Wohnungspolitik für die laufende Legislaturperiode.
Dann liest man da:
({7})
„Dazu gehört zweitens" - Sie müssen das mal lesen - „eine Wohngeldnovelle, die nicht allein der realen Kaufkrafterhaltung des Wohngeldes dienen soll." Diese kündigt er erneut an, wie im Juni 1983, damals mit Datumsnennung. Jetzt läßt er das Datum weg.
({8})
Die Fraktionen dieses Hauses sind sich eigentlich immer einig gewesen, daß es keine automatische jährliche Indexanpassung von Wohngeld gibt. Deshalb sind wir auch gegen Indexmieten. Gestern wurde damit ja noch ein weiterer Mietenbegriff eingeführt.
({9})
Es soll also keinen Automatismus mit jährlichen Indexanpassungen geben. Aber wir waren uns auch immer darüber einig, daß die Mieten- und Einkommensentwicklung etwa alle drei Jahre zur Angleichung der Wohngeldleistungen zwingt.
({10})
Die letzte Novelle trat am 1. Januar 1981 in Kraft. Der 1. Januar 1985 ist also das wirklich allerletzte Datum für eine dringend notwendige gesetzliche Wohngeldkorrektur.
({11})
Meine Damen und Herren, ich darf darauf hinweisen: Eine Wohngeldtabelle hat noch nie länger als vier Jahre gehalten.
Nun geht aus dem Wohngeld- und Mietenbericht ganz klar hervor, daß mehr als ein Drittel aller Wohngeldempfänger, also all derjenigen, die von ihrem Einkommen her Anspruch auf Förderung haben, Mieten oder Wohnkosten tragen, die die Höchstsätze des geltenden Wohngeldrechts bereits übersteigen. Diese überschießenden Beträge können also überhaupt nicht bezuschußt werden, obwohl es sich zum Teil auch um Sozialmieten handelt. Eine weitere Freigabe der Sozialmieten würde diese Tendenz sogar noch verstärken.
Damit tritt in zunehmendem Maße ein Tatbestand ein, der gegen das Gesetz verstößt, denn das Gesetz schreibt vor, daß jedenfalls die Sozialmieten für Durchschnittseinkommen tragbar sein müssen und daß diejenigen, die unterhalb dieser Durchschnittseinkommen verdienen, einen individuellen Zuschuß über das Wohngeld erhalten. Der Minister selbst hat immer davon gesprochen, daß eine 25% des Nettoeinkommens übersteigende Mietbelastung für die Bewohner nicht zumutbar sei. Deshalb ist es dringend erforderlich, daß die Bundesregierung auch nach ihren eigenen Maximen handelt.
Im übrigen, meine Damen und Herren, weist der Wohngeld- und Mietenbericht aus, daß die 5. Novel4598
le, die am 1. Januar 1981 in Kraft trat, genau die richtigen Akzente gesetzt hatte. Damals haben wir Sozialdemokraten durchgesetzt, daß nicht bloß mit der berühmt-berüchtigten Gießkanne Geld unter die Leute gebracht wird, sondern wir haben ganz gezielt familienpolitische Akzente für Familien mit Kindern, für Alleinerziehende usw. gesetzt. Wir mußten uns damals natürlich mit unserem Finanzminister auseinandersetzen; Finanzminister sind übrigens auch dazu da, zu bremsen und die Bäume nicht in den Himmel wachsen zu lassen. Es ging um die Höhe der Gelder, die in den Haushalten von Bund und Ländern zur Verfügung gestellt werden sollten. Wir haben aber bewiesen, daß das Volumen, das dann schließlich zur Verfügung gestellt wurde, nämlich 600 Millionen DM - davon trugen der Bund und die Länder jeweils 300 Millionen DM -, zur Wiederherstellung der für alle veränderten Wohnkaufkraft nicht nur ausreichte, sondern daß darüber hinaus von diesem Betrag 380 Millionen DM für gezielte familienpolitische Verbesserungen eingesetzt werden konnten.
({12})
Der Sprecher der CDU, Herr Dr. Möller - heute Ausschußvorsitzender; damals Ihr Sprecher und Obmann -, warf uns damals in der Debatte vor, wir hätten nicht genügend für die Rentnerhaushalte bereitgestellt,
({13}) Wir müßten noch mehr Geld bereitstellen.
({14})
Doch kaum hatten Sie am 1. Oktober 1982 die Regierung übernommen, hat diese Bundesregierung ausgerechnet die familienpolitischen Fortschritte im Wohngeldrecht zusammengestrichen. Sie haben die Behinderten geschröpft, und sie haben die Rentner zur Kasse gebeten.
({15})
Die CDU/CSU mag jetzt in diesen Tagen noch so viele Ankündigungen und Versprechungen zur Familienpolitik im Zusammenhang mit einer irgendwann einmal kommenden Reform des Steuertarifs machen: Sie werden nicht vergessen machen können, daß Sie bei den gezieltesten und wirksamsten Maßnahmen für Familien - bei der Ausbildungsförderung und bei der Wohngeldgesetzgebung - den größten Kahlschlag vorgenommen haben. Viele Familien mit Kindern können sich deshalb nicht ausreichend großen Wohnraum leisten, weil Sie nämlich deren Wohngeldansprüche zurückgeschnitten haben. Das waren Ihre Taten gleich nach dem 1. Oktober.
({16})
Wenn nun die Bundesregierung schon nicht handelt, d. h. keine Anpassung des Wohngeldrechts vornimmt, sondern nur ankündigt, etwas tun zu wollen, während sie fertige Gesetzesvorschläge hat, sie jedoch in den Schubladen läßt, so frage ich Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, was Sie eigentlich tun, um diese Regierung auf Trab zu bringen.
({17})
- Ja, auf Trab bringen. Ich meine nicht, daß das ein Auftrabbringen ist, wenn da steht „frühestens 1. 1. 1986".
({18})
Der Herr Bundesankündigungsminister Dr. Schneider hat haarscharf Handlungsbedarf in folgenden Bereichen erkannt.
Erstens. Bauland ist planerisch genügend ausgewiesen. Es wird aber vielfach nicht auf den Markt gebracht. Um Eigentumsförderung zu betreiben, müßte dieses Investitionshemmnis beseitigt werden. Dazu hat er einen Baulandbericht vorgelegt. Die tatsächliche Handlung des Bauministers: Null.
Zweitens. Die Eigentumsquote im Wohnungsbereich soll auf 50 % heraufgesetzt werden. In Klammern will ich sagen: Das bedeutet, daß es dann logischerweise immer noch 50 % Mieterhaushalte geben müßte. Mit dem Finanzminister hat nun der Herr Schneider verhandelt. Was dabei herausgekommen ist, weiß eigentlich niemand so genau; denn die Papiere liegen bei ihm im Panzerschrank. Aber das „Handelsblatt" weiß es. Das weiß nämlich, daß Herr Dr. Stoltenberg 10 Milliarden aus dem Wohnungswesen und dem Städtebau herausschneiden will
({19})
- auch eine Null-Lösung. Ist dieses Schneiderwerk eigentlich mit Ihnen abgesprochen worden, Herr Bundeswohnungsbauminister?
Drittens. Die Realeinkommen - und damit die Wohnkaufkraft - gehen zurück. Die Mieten steigen, auch durch gewollte Gesetzgebung dieses Bauministers und dieser Bundesregierung. Er bereitet vor, daß die Sozialmieten abgeschafft werden. Der Ausgleich über Wohngeld wird zwar angekündigt - siehe Pressemitteilung von vorgestern -, aber erst einmal hinausgeschoben.
({20})
Viertens. Das Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht soll geändert werden. Dr. Schneider weiß auch schon wie. Was macht man also? Man wartet erst einmal ab und läßt den Bundesfinanzminister eine Kommission berufen, die nun sagen soll, wo es langgehen soll. Wozu brauchen wir eigentlich einen Bundesbauminister, wenn doch alles in anderen Ministerien entschieden wird?
({21})
Wieso, meine Damen und Herren, legt Herr Dr. Schneider nicht endlich die längst fertigen Pläne für die dringend notwendige Wohngeldanpassung auf den Tisch? Wenn er es nicht tut: Wir sind doch das Parlament; wir können doch nachhelfen. Deshalb darf ich Sie ganz herzlich bitten, Herr Dr.
Kansy und meine Damen und Herren von der Regierungskoalition: Nehmen Sie unseren Antrag auf Drucksache 10/1235 zum 6. Wohngeldgesetz an, damit Herr Dr. Schneider endlich einmal seine Pflicht tun kann. - Vielen Dank.
({22})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Grünbeck.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Der Wohngeld- und Mietenbericht 1983 der Bundesregierung belegt die Thesen liberaler und marktwirtschaftlicher wohnungspolitischer Positionen.
({0}) Ich darf dies begründen.
Erstens. Trotz großer staatlicher Anstrengungen in der Förderungskulisse und der damit verbundenen angestrebten Ziele lassen sich die starken Kräfte des Marktes in der gesamten wohnungspolitischen Landschaft nicht mehr übersehen. Anders ausgedrückt: Der Markt selbst reguliert, was wir Freien Demokraten seit Jahren in der Wohnungspolitik anstreben. Das Mietniveau gleicht sich immer mehr an, bis auf wenige Ausnahmen in Ballungsräumen oder Schwerpunktorten. Die Kostenmiete im sozialen Wohnungsbau erreicht allmählich da und dort die Vergleichsmiete und wir sind aufgefordert, neben der regionalpolitischen Bedeutung der Wohnungsbauförderung die sozialen Aspekte in der Zukunft stärker als bisher durch subjektgebundene Förderung auszugestalten.
Zweitens. Auch der Wohngeldbericht zeigt eindeutig marktwirtschaftliche Strukturen. Die Wohngeldausgaben in Bund und Ländern sind 1982 um 46 % auf 2,67 Milliarden DM gestiegen, wobei 1,8 Millionen Wohngeldempfänger, also 28 % mehr als vor der letzten Novelle, registriert wurden.
Ich weiß nicht, Herr Kollege Waltemathe, wo Sie eigentlich Ihre Behauptung hergezogen haben, die Sie gerade hier aufgestellt haben.
({1})
Bei einer durchschnittlichen Mietsteigerung von 6 % bei den Wohngeldempfängern ergeben sich die angestrebten Strukturverschiebungen: Die Wohngeldzahlungen an Erwerbstätige mit kontinuierlichen Einkommensentwicklungen haben um 12 Vo abgenommen, und die Wohngeldleistungen an Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und sonstige Nichterwerbstätige haben um 22 % zugenommen.
Die Position der FDP-Fraktion war, ist und bleibt, daß das Wohngeld ein Instrument der sozialen Abfederung in einer marktwirtschaftlich orientierten Wohnungspolitik ist und als eine Leistung der Solidargemeinschaft auch in Zukunft bestehenbleiben soll. Wir begrüßen deshalb den Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen, wobei es unser Wunsch ist, daß bei der nächsten Wohngeldnovelle
nicht primär eine Aufbesserung des Volumens des Wohngeldes selbst, sondern vor allem eine zielgerechte, hauptsächlich in Richtung Vereinfachung gehende Neustrukturierung unter Berücksichtigung der Beanstandungen des Bundesrechnungshofes bzw. der Wünsche der Länder erfolgt.
Darauf möchte ich näher eingehen. Laut Bericht des Bundesrechnungshofes wurden zum Teil hohe Fehlerquoten bei Wohngeldprüfungen festgestellt, wobei im einzelnen bemerkt wurde, daß die Ermittlung des Einkommens nicht klar geregelt ist und daß die Freibeträge manchmal falsch oder gar nicht berücksichtigt wurden. Ferner wurden die Überleitung der Wohngeldansprüche auf Sozialhilfeträger und der Ansatz der wohngeldfähigen Miete bei Heimbewohnern beanstandet. Es fehlt auch eine klare Festsetzung des Zeitpunktes, wann der Wohngeldanspruch beginnt bzw. entfällt, und unklar ist schließlich oft die Entscheidung, wann denn ein Wohnraum überhaupt bezugsfertig ist.
({2})
- Ich würde damit nicht protzen, Herr Waltemathe!
Der Rechnungshof stellt fest, daß die Fehler überwiegend aus Mängeln in der Bearbeitung, nicht aus unklaren Rechtsvorschriften resultieren. Ich möchte dem eigentlich widersprechen. Meine Damen und Herren, die Praxis hat gezeigt, daß das Instrumentarium der Wohngeldvorschriften viel zu kompliziert ist
({3})
und in der Praxis sehr schwer angewandt werden kann. Die Forderung drängt sich auf, das Wohngeldrecht zu vereinfachen, in der Praxis handhabbar zu machen und möglicherweise die damit verbundene Feinabstimmung zu vernachlässigen und durch eine Härteregelung mit regional- und familienpolitischen Akzenten zu ersetzen.
Die Fluktuation der Sachbearbeiter in den Wohngeldstellen und eine oft mangelhafte Praktizierung der ständigen Fort- und Weiterbildung im Blick auf die fortgeschriebene Gesetzgebung bzw. Rechtsprechung sind - so der Rechnungshof - eine Quelle sehr vieler Bearbeitungsfehler, die in Zukunft vermieden werden sollten. Schließlich sollte noch der Wunsch der Länder berücksichtigt werden, daß Komplikationen und Überschneidungen durch Einführung des Sozialgesetzbuches wie beispielsweise die Rechtsänderung durch die Neuregelung der Krankenversicherung der Rentner künftig vermieden werden sollten.
Wir begrüßen deshalb die Arbeit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Pauschalierung der Wohngeldzahlungen an Bezieher von Sozialhilfe und Kriegsopferfürsorge und die angestrebte Zusammenarbeit zwischen den Sozialhilfebehörden und den Wohngeldstellen.
({4})
Wir bitten allerdings die Bundesregierung, die vom Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau geforderten Termine einzuhalten und insbesondere zu berücksichtigen, daß die zuschußfähigen Höchstbeträge für Miete und Belastung nach regionalem Mietniveau angehoben werden können.
({5})
Gerade in gewissen Ballungsräumen wie beispielsweise in München ergibt sich heute schon eine Bewilligungsmiete bei der degressiven Förderung von DM 9,60 bis DM 10 - da gebe ich Ihnen, Herr Waltemathe, recht - in bestimmten Wohngebieten, wobei die wohngeldfähige Miete in München eben zur Zeit bei DM 7,50 liegt. Das heißt also, der Mieter muß aus eigener Kasse schon etwa DM 2 bis DM 2,50 bezahlen, obwohl er nur ein Wohngeld von DM 1 bis DM 2 erhält.
Dabei ist vielleicht einmal die Frage der Nachsubventionierung zu überprüfen. Es gibt bedeutende Fachleute aus der Wohnungswirtschaft, bei uns in München etwa Herrn Dr. Michael Schneider, die der Subventionierung bei der degressiven Förderung eine große Bedeutung beimessen und meinen, daß damit die Lage der Mieter, nicht der Vermieter, verbessert werden muß. Geschehen könnte dies ferner durch die Anhebung der Einkommensobergrenzen und durch eine entsprechend strukturierte Nachsubventionierung. Meine Damen und Herren, fast alle Länder haben ein solches Programm inzwischen ohnedies aufgelegt. Der Bund sollte sich allerdings nach unserer Auffassung nicht beteiligen, zumal dafür - das wissen Sie - die gesetzliche Grundlage fehlt.
Grundsätzlich muß man natürlich auch die Unternehmen der Wohnungswirtschaft fragen, ob man bestimmte Projekte degressiver Förderung nach-subventionieren soll, wenn im gleichen Unternehmen eine große Zahl von Projekten mit günstiger Finanzierung inzwischen zu einem recht soliden Wohnungsbestand geworden ist. Wäre nicht auch hier eine gewisse Mischkalkulation bei den Wohnungsunternehmen überlegenswert?
Die Regierungsfraktionen haben ferner zu Recht gefordert, daß der Bewilligungszeitraum für die Wohngeldberechnung herangezogen werden soll und nicht die Einnahmen aus den letzten zwölf Monaten, wie das bisher geschehen ist.
Richtig, vor allem aber praktischer und gerechter ist auch die Forderung, daß die wohngeldfähige Höchstmiete der allgemeinen Mietenentwicklung angepaßt werden soll.
Man sollte auch künftig darauf achten, daß der Fehlbelegung wirksam entgegengetreten wird. Wir haben in München Beispiele mit einer Regelung, die eine absolut positive Bilanz zuläßt. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die kürzlichen Ausführungen von Professor Dr. Gert aus Göttingen bei einer Tagung in Mannheim verweisen, der sehr fundiert Fakten über die Mietpreisverzerrungen und die Fehl- und Unterbelegung aufgelistet und zu Recht von einem geldwerten Vorteil berichtet hat. Längst geistert das Wort von der Differentialrente
durch die Landschaft. Die Entwicklungen sind auch hier regional völlig unterschiedlich. Aber dennoch pflichte ich Herrn Professor Gert bei, wenn er fordert, daß ein Wohnungsmarketing zum Gebot der Stunde gehöre. Dazu gehört sicher eine ganze Reihe von Instrumenten, wobei die Privatisierung oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nach unserer Auffassung eine bestimmte Rolle spielen wird.
Ich würde allerdings davor warnen, hier in eine Euphorie auszubrechen, zumal beispielsweise der Verkauf der bundeseigenen Sozialwohnungen an der Basis erheblich mehr Kummer macht, als wir wahrhaben wollen. Wenn man das begrüßenswerte Ziel, zu privatisieren, anstrebt, dann muß man auch Konzepte haben, wie die bundeseigenen Sozialwohnungen mit Bindungsfristen unter Berücksichtigung aller humanen und sozialen Aspekte veräußert werden können.
Die künftige Entwicklung wird zweifellos dahin gehen, daß wir mehr und mehr zu einer Marktmiete gelangen, die durch das Instrument Wohngeld sozial begleitet wird, wobei wir besonders unterstreichen, daß beim Wohngeld familienfreundliche Strukturen den Vorrang haben und die regionale Anpassung berücksichtigt werden muß.
In diesem Zusammenhang sei mir erlaubt, eine alte Forderung der FDP, unterstützt auch durch verschiedene Länder wie z. B. Bayern, zu wiederholen: ob man nicht langfristig gesehen die föderative Lösung anstreben sollte. Das heißt, daß man unter Berücksichtigung der völlig unterschiedlichen Strukturen unserer Länder - auf der einen Seite Stadtstaaten und auf der anderen Seite die Flächenstaaten - und auch unter Berücksichtigung der völlig unterschiedlichen Versorgungsstruktur in den Ländern den sozialen Mietwohnungsbau und die Wohngeldstrukturierung den Ländern überläßt, wobei dies natürlich über einen Finanzausgleich geregelt werden muß. Wenn wir im Zuge der Steuerreform 1986 über eine Neuverteilung der Einnahmen und Ausgaben diskutieren, sollten wir diese Aspekte nicht außer acht lassen.
Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zum Mietenbericht machen. Der Bericht weist eindeutig aus, daß die Nachfrage nach preisgünstigen Wohnungen wächst, daß der Wunsch nach Wohneigentum in der Bundesrepublik ungebrochen ist, ja, sich eher verstärkt, und daß sich die Meldungen vermehren, daß 1983 die Zahl der leerstehenden Mietwohnungen zugenommen hat. Dies trifft auch schon auf Mietwohnungen in Ballungsräumen zu.
In diesem Zusammenhang darf man bedauern, daß wir keine Volkszählung durchgebracht haben
({6})
und eigentlich im gesamten wohnungsbaupolitischen Instrumentarium mit unsicheren Zahlen rechnen müssen.
({7})
Die FDP-Fraktion wird Bestrebungen der Bundesregierung unterstützen, der Eigentumsförderung, gleich ob als Eigenheim oder als Eigentumswohnung, auch künftig verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. Dabei bleibt für uns die unverzichtbare Forderung bestehen, daß das selbstgenutzte Wohneigentum steuerfrei gemacht werden muß.
({8})
Der Mietenbericht weist allerdings auch eindeutig aus, daß alle, aber auch alle Schwarzmalerei in bezug auf die Verbesserung der Vergleichsmietenregelung falsch war. Im Gegenteil, die Investoren im Wohnungsbau haben dieses Angebot angenommen und alle Katastrophenmeldungen über Mietpreisexplosionen stimmen nicht. Ich kann mir vorstellen, daß Ihnen der Index nicht paßt, Herr Waltemathe, aber ich kann es Ihnen nicht ersparen, ihn Ihnen vorzulesen: 1976 gab es ein Plus von 4,9 %, 1980 ein Plus von 5,1 % und 1983 von 5,0 %. Das sind die Realitäten. Ich halte es in diesem Zusammenhang wirklich für verantwortungslos, gerade unseren sozial schwächsten Bevölkerungsgruppen Angst einzujagen.
({9})
Das ist alles andere als ein Kampf um soziale Gerechtigkeit, das ist Verunsicherung und ganz billiger Wählerstimmenfang.
({10})
Im übrigen war ich im Ausschuß erstaunt, daß es Leute gibt, die auf der einen Seite Mietpreissteigerungen beklagen, auf der anderen Seite überhaupt keine Hemmungen haben, beispielsweise die Anhebung der Verwaltungskosten- oder der Instandhaltungskostenpauschale zu fordern, wobei die wohlweisliche Erkenntnis zu verschweigen war, daß dies zu Mietpreissteigerungen führen muß.
({11})
- Sie! Damit wir uns da richtig verstehen!
({12})
Im nachhinein erweisen sich auch die Mietzeitverträge als richtig, zumal da sich zumindest damit in der Hausbesetzerszene eine völlige Entkrampfung ergeben hat. Auch im Studentenwohnheimbau erleben wir durch die Einführung der Zeitmietverträge eine strukturelle Verbesserung.
Wir begrüßen auch die Maßnahmen zur Modernisierung durch Mieter, zumal da sich hier eine erfolgreiche Bilanz vorweisen läßt. Allein von 1973 bis 1977 - dafür haben wir zuverlässige Zahlen - haben 1,4 Millionen Mieter, also insgesamt 10% aller Mieter, Modernisierungs- und Verbesserungsmaßnahmen vorgenommen. Und der Trend steigt. Es war richtig, dafür Bausparmittel einzusetzen. Dem Justizminister ist es zu danken, daß durch Mustervereinbarungen die Rechtssicherheit auf diesem Gebiet zugenommen hat. Auch bei Umzug und bei
Übertragung an Mietnachfolger gibt es heute auf diesem Gebiet kaum noch Schwierigkeiten.
Lassen Sie mich zum Schluß die Bundesregierung eindringlich bitten, möglichst bald die Entscheidung herbeizuführen, welche Finanzmasse für die wohnungspolitischen Instrumente im nächsten Haushalt zur Verfügung steht. Wir hoffen, daß möglichst bald eine Einigung zwischen dem Wohnungsbauminister und dem Finanzminister zustande kommt. Wir begrüßen ausdrücklich die Absicht, daß man sich im Vorfeld der Haushaltsentscheidungen sorgfältig abstimmt. Das ist besser, als sich hinterher über die Zunahme von Schulden zu streiten. Mit steigenden Schulden ist immer ein Zinsanstieg verbunden und ein Zinsanstieg ist bekanntlich der größte Feind aller wohnungspolitischen Investitionen.
({13})
Hier beginnen dann sowohl die Eigenheimbauer als auch die Investoren für den Mietwohnungsbau zu zögern, weil sie die steigenden Belastungen fürchten. Daher ist eine seriöse Finanzpolitik eine der besten Voraussetzungen für die Fortentwicklung unserer Bauwirtschaft.
({14})
Wir bitten allerdings um eine baldige Entscheidung, weil die bauwilligen Investoren aus guten Gründen darauf warten, die Kapitalwirtschaft für ihre Dispositionen diese Entscheidungen braucht und die Bauwirtschaft gerade in der arbeitsmarktpolitischen Problematik dabei eine große Rolle spielt.
Ich darf abschließend bemerken: Der Bericht der Bundesregierung zur Wohngeld- und Mietensituation in der Bundesrepublik Deutschland beweist, daß durch gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten eine Entwicklung bei uns möglich war, die in der Welt ohne Beispiel ist. Die Ausstattung beim Wohnen hat ein Niveau erreicht, das sich sehen lassen kann.
Wir begrüßen aber auch alle wohnungspolitischen Instrumente im sozialen Bereich, zumal da wir zur Verpflichtung der Solidargemeinschaft stehen. Der Wohngeld- und Mietenbericht 1983 der Bundesregierung belegt eindeutig, daß wir auf dem richtigen Wege sind.
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Sauermilch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 8. Juni 1983, zu Beginn der Arbeit des 16. Ausschusses des 10. Deutschen Bundestages, erklärte der Bundesbauminister Schneider wörtlich:
Die Sechste Wohngeldnovelle ist in Vorbereitung.
({0})
Ich gehe davon aus, daß sie spätestens zum 1. 1. 1985 in Kraft treten kann.
Um das Wohngeld einigermaßen zeitgerecht anpassen zu können, wurde bisher für Zeiträume von drei Jahren hochgerechnet. So war die Fünfte Wohngeldnovelle bis 1984 vorausgerechnet.
Wie aber ist die Realität? Dazu konstatiert die „Wirtschaftswoche" am 23. März unter der Überschrift „Wohngeldnovelle ohne Termin":
Seit der letzten Anhebung des Wohngeldes zum 1. Januar 1981, so klagen Schneiders Experten im Wohnungsbauministerium, seien schon bis heute zahlreiche einkommensschwächere Haushalte aus der staatlichen Förderung herausgefallen, obwohl sie den Zuschuß zu ihren Wohnkosten nötig hätten.
({1})
Statt der derzeit rund 1,8 Millionen Haushalte müßten nach ihren Schätzungen rund 2 Millionen Wohngeld kassieren.
Und etwas weiter unten:
... Dietmar Kansy, wohnungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, erklärt es jetzt nur noch für erforderlich, „schon in diesem Jahr das Gesetzgebungsverfahren für eine zeitgerechte Wohngeldnovellierung einzuleiten" - von einem Termin für das Inkrafttreten ist nicht mehr die Rede.
({2})
Unter dem Druck der bohrenden Fragen der Opposition, auch im 16. Ausschuß, erklärte der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Jahn schließlich jüngst, daß, nach mindestens einem vollen Jahr verzögerung, endlich am 1. Januar 1986 die Novelle in Kraft treten solle.
Auf das Finanzvolumen dieser Novelle darf man im übrigen gespannt sein.
Bei der zutage getretenen Halbherzigkeit oder, in einer anderen Auslegungsvariante, bei der zutage getretenen Durchsetzungsschwäche des Bauministers gegenüber seinen Kabinettskollegen mögen erhebliche Zweifel an der Einhaltung dieses bereits einmal verschobenen Termins angebracht sein. Es verdichtet sich eigentlich die Vermutung, daß vor allem der kühle Rechner aus dem Norden auf einem eingefrorenen Stapel von einigen hundert Millionen DM einfach hocken bleibt und Herr Schneider höchstens ein paar Scheinchen aus diesem Stapel herausziehen kann, um ein höchst bedenkliches Modell zu realisieren.
({3})
Die späte Neufestlegung eines schon einmal geplatzten Termins scheint somit in dem zur Zeit vergeblichen Anrennen des Bundesbauministers gegen einen Eisberg begründet zu sein.
({4})
Soweit zur zeitlichen Seite der Angelegenheit.
Ich komme jetzt zu den Altlasten und den Erbsünden der etablierten Parteien im Wohlgeld- und Mietenbereich.
({5})
- Warten Sie mal ab, Herr Kansy.
Die SPD/FDP-Regierung ist verantwortlich dafür, daß z. B. Wehrpflichtige und BAföG-Bezieher von der Wohngeldzahlung ausgeschlossen wurden
- siehe 2. Haushaltsstrukturgesetz 1982.
({6})
Die CDU/CSU/FDP-Regierung ist verantwortlich dafür, daß z. B. der Schwerbehindertenfreibetrag weggefallen ist - siehe Haushaltsbegleitgesetz 1983.
({7})
Dabei, Herr Grünbeck, kann die FDP einen doppelten Rittberger für sich verbuchen, indem sie die negativen sozialen Folgen beider Partnerschaften zu verantworten hat.
({8})
Die Wähler haben das neuerdings auch südlich des Weißwurstäquators begriffen und Konsequenzen gezogen.
({9})
Man fragt sich, wie lange sich die FDP-Minister noch werden halten können, wenn sie nur noch ein Wählerpotential haben, das in einigen Orten in Telefonzellen Platz hätte.
({10})
Soweit der Wohngeldbereich.
({11})
Nun zum Mietenbereich: Höherverzinsung öffentlicher Baudarlehen, Fehlbelegungsabgabe, siehe 2. Haushaltsstrukturgesetz, zuständig: SPD/ FDP, 1981. Staffelmieten bei Neubauten, siehe Mietrechtsänderungsgesetz, zuständig: SPD/FDP, 1982.
({12})
Was bedeutet das nun konkret? Die sozialen Konsequenzen sind bedenklich. 6% Mietpreissteigerungen
({13})
- im Schnitt -,
({14})
erheblich gestiegene Nebenkosten durch Kumulation von Maßnahmen auch aus anderen Ressorts benachteiligen bestimmte Gruppen besonders.
({15})
Ich meine, das sollten wir sehr ernst nehmen. Es sind nämlich vor allem die Sozialhilfeempfänger, die BAföG-Bezieher und die Behinderten, die darunter zu leiden haben. In vielen Fällen bleibt auch eine Entlastung der Mieter durch die Besonderheit der Wohngeldbegrenzungen aus, einerseits weil der Staat nur einen Teil der die zumutbare Eigenbelastung des Mieters übersteigende Miete übernimmt -
Herr Abgeordneter Sauermilch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Grünbeck?
In Anbetracht der Kürze der Zeit, die wir zur Verfügung haben - was ich ohnehin als eine Ungerechtigkeit empfinden muß -,
({0})
mögen Sie mir bitte verzeihen, wenn ich jetzt meinen Redebeitrag zu Ende führe.
Andererseits ist eine bestimmte Höhe der Miete vom Mieter ab einer Obergrenze selbst zu tragen. Schließlich wird auch eine Qualitätsstaffelung berücksichtigt. Dadurch entstehen sehr merkwürdige Verhältnisse. Die Miete übersteigt oft nicht nur bei teuren Neubauten die Höchstgrenze, sondern auch bei überteuerten schlechten Altbauwohnungen, in denen vor allem besonders Einkommensschwache wohnen.
Erhebungen zu Mietwerttabellen haben gezeigt, daß für schlechte Wohnungen absolut teilweise höhere Mieten gezahlt werden müssen. Möglich wird das dadurch, daß bestimmte Mieter wie Ausländer, alleinerziehende Frauen, Wohngemeinschaften und kinderreiche Familien von den Vermietern systematisch diskriminiert werden.
({1})
Diese Gruppen werden doppelt benachteiligt, einmal durch die schlechte Wohnung, zum anderen durch die unverhältnismäßig hohen Mieteigenanteile gegenüber anderen Wohngeldbeziehern.
({2})
Was sich hier langsam, aber sicher verdichtet, ist eine Wohnungsnot neuer Art, eine nicht quantitative, sondern eine qualitative.
Übrigens mehren sich die Anzeichen dafür, daß der soziale Wohnungsbau mittelfristig liquidiert wird. Die Abschaffung der Kostenmiete durch das
Wohnungsrechtsvereinfachungsgesetz wird zu weiteren Mietpreissteigerungen führen,
({3})
die vor allem Wohngeldbezieher treffen. 44 % der Wohngeldbezieher wohnen schließlich im sozialen Wohnungsbau. Gesamtwirtschaftlich gesehen programmiert die Bundesregierung auf Kosten unserer gesamten Umwelt mit ihrer Wachstumsideologie weitere Massenarbeitslosigkeit.
Darin liegt auch ein Sprengsatz für das Wohngeld. Es beginnt ein Prozeß der Umschichtung der Wohngeldempfänger. Von 1981 bis 1982 ergibt sich folgendes Bild: Angestellte minus 12 %, Beamte minus 7 %, Selbständige minus 8 %. Aber: Sozialhilfeempfänger plus 32 %, Nichterwerbstätige plus 11 %, Beschäftigungslose plus 50 %. Die drohende Dynamik zeigt sich daran, daß bisher nur 12 % aller beschäftigungslosen Haushaltsvorstände Wohngeld beziehen.
Angesichts dieser Situation kann es niemanden verwundern, wenn die GRÜNEN weder dem Wohngeld- und Mietenbericht noch dem vorliegenden Antrag der SPD etwas Positives abgewinnen können. Das ist Augenwischerei.
({4})
Deswegen haben wir auch schon im Ausschuß gegen die Anträge von CDU und SPD gestimmt. Was man den Menschen gestern weggenommen hat, kann man ihnen nicht heute als strukturelle Verbesserung verkaufen wollen.
Die GRÜNEN bleiben bei ihrer Forderung nach Zurücknahme der unsozialen Streichungen, ob unter Schmidt ({5}) oder unter Kohl ({6}).
({7})
Dazu fordern die GRÜNEN den Ansatz angemessener Mittel für die 6. Wohngeldnovelle in Höhe von 800 Millionen DM, unter anderem, um der beschriebenen Dynamik der neuen qualitativen Wohnungsnot Herr werden zu können. Deckungsvorschläge sind in unseren alternativen Haushaltsvorschlägen vorhanden.
({8})
Wir fordern die Verantwortlichen auf, wirkliche Hilfe endlich für die besonders benachteiligten Gruppen wahrzumachen. Dazu gehören die Ausländer, die alleinerziehenden Frauen, die Kinderreichen, die Behinderten; dazu gehören auch die Wohngemeinschaften von Behinderten, die Wohngemeinschaften von Frauen, von Männern und von Homosexuellen. Dazu gehören die Interessen der Kinder und der alten Menschen. Dazu gehört auch eine gute Infrastruktur außerhalb der Wohnungen. Schließlich gehört dazu auch das Mitspracherecht der Betroffenen.
Eine wirkliche Verbesserung der Verhältnisse bringen nur eine neue Form von Gemeinnützigkeit auf kommunaler Ebene und die Ausklammerung des Kapitalmarkts bei der Finanzierung.
Ich danke Ihnen.
({9})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Rönsch.
Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Wenn Herr Kollege Waltemathe unserer Fraktion Vergeßlichkeit vorgeworfen hat,
({0})
dann muß ich der Opposition allerdings vorhalten, daß sie die Goldmedaille in der Disziplin der Vergeßlichkeit verdient hätte;
({1})
haben Sie doch vergessen, wie hoch die Arbeitslosenzahlen waren, die Sie uns überlassen haben,
({2})
haben Sie doch vergessen, wie hoch die Schuldenlast war, die Sie uns überlassen haben. Stellen Sie bitte auch hier die Frage: Wie hoch ist sie jetzt?
Haben Sie persönlich, Herr Waltemathe, eventuell vergessen, daß Sie an dem GEWOS-Bericht mitgearbeitet haben,
({3})
der aussagt, daß eine Wohnungsmittelmiete - von uns Solidarmiete genannt - für die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften zu empfehlen sei? Ich würde Ihnen empfehlen, doch einmal bei der Wohnungsbaugesellschaft „Neue Heimat" nachzufragen, wie sie dazu steht.
({4})
Jetzt zum Herrn Kollegen Sauermilch ({5}). Wenn Herr Kollege Sauermilch die Zahlen aus dem Bericht nicht mehr so ganz im Kopf hat, habe ich dafür volles Verständnis, hat er doch momentan ganz andere Dinge, die die fraktionsinternen Vorkommnisse betreffen, im Kopf. Wir verstehen das.
({6})
Ich will deshalb die Fakten und die Zahlen aus dem Wohngeld- und Mietenbericht hier noch einmal vortragen. Die von der Bundesregierung im Januar 1984 im elften Wohngeld- und Mietenbericht vorgelegten Zahlen weisen aus, daß Bund und Länder an 1,8 Millionen Wohngeldempfänger rund 2,6 Milliarden DM Wohngeld gezahlt haben. Damit haben 11 % aller Mieter der Bundesrepublik Wohngeld erhalten. 93 % davon waren Mieter, 7 Y° erhielten als Eigentümer Lastenzuschuß.
Bei den betreffenden Empfängern wird damit ein Drittel der finanziellen Belastung für den Wohnraum abgedeckt. Somit hat die CDU/CSU-geführte Bundesregierung im Jahre 1983 Wohngeld etwa in der gleichen Höhe eingesetzt, wie im Jahre 1982
unter anderen Vorzeichen veranschlagt worden war.
Die konstante Höhe der Wohngeldausgaben zeigt, daß das Wohngeld seine soziale Funktion gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erfüllt. Die Ausgabenentwicklung in früheren Berichtszeiträumen zeigte stets eine fallende Tendenz mit wachsendem zeitlichen Abstand von der jeweils letzen Novellierung. Daß dies zur Zeit nicht so ist, hat seinen Grund in der Tatsache, daß zunehmend Haushalte mit arbeitslosem Haushaltsvorstand in die Wohngeldberechtigung hineinwachsen.
Trotz dieses bedauerlichen Anlasses ist dies für die Betroffenen beruhigend und bestärkt uns in der Forderung nach Erhaltung und Fortentwicklung des Wohngelds als Stütze einer sozialen Wohnungsmarktwirtschaft.
Die Ausgaben lagen damals allerdings um 43 % höher als 1980. Dies hat schon Finanzminister Lahnstein ({7}) veranlaßt, vorn damaligen Bundeskanzler Schmidt ({8}) eine Änderung des Wohngelds mit dem Ziel der Einsparung von Leistungen zu fordern.
({9})
Ich nehme an, die katastrophale Haushaltslage wird ihn damals dazu veranlaßt haben. Das seinerzeitige Kabinett konnte sich allerdings zu einem Kurs der vernünftigen Haushaltsführung nicht entschließen. Man entschied halbherzig, die Ausgabenentwicklung erst einmal zu beobachten. Auch in diesem Fall führte das zögernde Handeln uns weiter auf den Weg in die hohe Staatsverschuldung.
({10})
- In die hohe Staatsverschuldung, die wir von Ihnen übernehmen mußten und die wir momentan bereinigen.
({11})
- Herr Kollege, Sie müßten vielleicht doch ab und zu einmal die neuesten Zahlen lesen. Ich verstehe, daß Sie sie ignorieren wollen, weil sie zu gut sind und nicht in Ihr Programm passen.
({12})
Mit dem 2. Haushaltsstrukturgesetz versuchte die damalige Bundesregierung schließlich, den besorgniserregenden Höchststand der Wohngeldzahlungen zu korrigieren. Die neue Bundesregierung will allerdings die Wohngeldzahlungen auch für die Zukunft sicherstellen.
({13})
Sie mußte deshalb 1983 mit dem Haushaltsbegleitgesetz weitere Konsolidierungsmaßnahmen vorsehen, die Sie, meine Herren und Damen von der SPD, schon längst hätten einleiten müssen.
So meinen wir z. B., daß man Schwerbehinderte Haushaltsmitglieder bei der Wohngeldberechnung nicht doppelt zählen muß, da wir davon ausgehen, daß durch die Behinderung kein Raummehrbedarf
besteht. Weiter wird der Freibetrag für Alleinerziehende nur noch dann gewährt, wenn diese nicht nur kurzfristig vom Haushalt abwesend sind, und nur noch für Kinder unter zwölf Jahren.
({14})
- Herr Kollege Schmitt, ich komme gleich darauf zu sprechen. - In der Regel hat dieser Personenkreis nur dann zusätzliche Belastungen, wenn wegen Berufstätigkeit oder Ausbildung die Kinder von haushaltsfremden Personen betreut werden müssen.
Auch im Haushalt lebende mitverdienende Kinder tragen mit ihrem Verdienst zum Lebensunterhalt der Familie bei und entfallen deshalb jetzt bei der Anrechnung. Im BAföG-Darlehen für Studenten sind die finanziellen Mittel, die für den Lebensunterhalt notwendig sind, enthalten, so daß auch hier zusätzliches Wohngeld nicht mehr gezahlt werden kann.
Wenn auch heute von Ihnen wieder Anträge vorgelegt werden, die statt auf eine Finanzpolitik der Vernunft auf Expansion abzielen,
({15})
so werden wir auch diese ablehnen, weil wir weiterhin den Haushalt konsolidieren wollen.
({16})
Wir wollen, daß das Wohngeld auf die persönlichen Verhältnisse des einzelnen Haushalts abgestellt ist,
({17})
und haben deshalb Doppel- und Sondervergünstigungen abgebaut. Wir wollen, daß sich der Wohngeldempfänger auch in Zukunft auf die Hilfe des Staates verlassen kann.
({18})
Um das sicherzustellen, waren Anpassungen und Beseitigungen von Verzerrungen notwendig.
Herr Waltemathe, zu Ihrer Frage sage ich Ihnen gleich noch etwas. Aber Sie kennen ja die Beschlußempfehlung für unseren Antrag, Herr Kollege Waltemathe.
Wir wollen, daß das Wohngeld auch in Zukunft seiner Funktion der sozialen Absicherung des Wohnens gerecht wird. Deshalb haben die Regierungsfraktionen die Bundesregierung aufgefordert, noch 1984 das Gesetzgebungsverfahren für die sechste Wohngeldnovelle zur Anpassung des Wohngeldes an die Entwicklung der Mieten und Einkommen einzuleiten. Sie soll zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens jedoch zum 1. Januar 1986 in Kraft treten.
Wohnungsbauminister Schneider hatte bis Mitte vergangenen Jahres noch gehofft, daß die sechste Wohngeldnovelle zum 1. Januar 1985 in Kraft treten könnte. 1987/88 sollte dann eine zweite Teilnovelle nachfolgen. Trotz der sich jetzt deutlich abzeichnenden Stabilisierung mußten wir aber erkennen, daß durch die von Ihnen verursachte Schuldenlast diese Anpassung verzögert wird,
({19})
da sich auch die Wohngeldzahlungen nur an der gesamtwirtschaftlichen Situation orientieren können. Wir haben deshalb vorgeschlagen, beide Anpassungen spätestens am 1. Januar 1986, Herr Kollege Waltemathe, zusammenzuziehen.
({20})
Aber das ist nicht die einzige Ursache. Im Wohngeldbericht ist nachgewiesen, daß durch die verschiedenen, kurz aufeinanderfolgenden Wohngeld-novellen in den vergangenen Jahren der normale Arbeitsablauf bei den Wohngeldstellen erheblich gestört war.
({21})
Es kam zu längeren Bearbeitungszeiträumen - das steht im Bericht, Herr Waltemathe; lesen! - und zu einer erhöhten Fehlerquote bei der Ermittlung des Wohngeldanspruchs.
Weiter wollen wir mit der sechsten Novelle die zuschußfähigen Höchstbeträge für Mieten und Belastungen nicht mehr nach Gemeindegrößenklassen, sondern nach dem regionalen Mietniveau veranschlagen.
({22})
Damit sollen im Bericht festgestellte Mietunterschiede bei vergleichbar großen Städten vermieden werden. Es hat sich gezeigt, daß die Gemeindegröße kein hinreichend genaues Indiz für das örtliche Mietenniveau ist.
Im geltenden System wird auch das Problem der Umlandgemeinden nicht gelöst. Die Umstellung auf das regionale Mietenniveau trägt den jeweiligen Besonderheiten der Gemeinden ebenso Rechnung wie den Besonderheiten der Umlandgemeinden. Nachteile für einzelne Städte werden dadurch vermieden, daß die Umstellung zusammen mit den Anpassungen erfolgen wird. Strukturpolitisch wird dadurch keine Änderung eintreten, da wohl z. B. niemand von Kassel nach Rüsselsheim umziehen wird, nur weil er dort mehr Wohngeld erhält.
({23})
- Da soll man sehr gut leben können, auch werden dort ganz intelligente Menschen geboren.
({24})
- Dafür habe ich Verständnis; einen solchen Kanzler konnten Sie noch nie stellen.
({25})
Auch soll bei der Einkommensermittlung grundsätzlich die im Bearbeitungszeitraum zu erwartende Einnahme berücksichtigt werden, damit der Verwaltungsaufwand bei den Behörden verringert wird. In Zusammenarbeit mit den Ländern sollen außerdem die Wohngeldzahlungen an Empfänger von Sozialhilfe und Kriegsopferfürsorge verein4606
facht werden. Sie, meine Herren und Damen von der SPD, haben dieser Umstellung des Systems teilweise zugestimmt, ohne allerdings dem Minister die dafür notwendige Bearbeitungszeit einräumen zu wollen.
({26})
Sie glauben, hier wieder einmal eine Gelegenheit gefunden zu haben, über Ihr Nichtstun in der Vergangenheit mit Polemik hinweggehen zu können.
({27})
- Selbstverständlich, Herr Waltemathe.
({28})
Aber ich habe Sie gerade darauf hingewiesen, daß auf Grund der ganzen Punkte, die im Wohngeldbericht aufgeführt worden sind, Bearbeitungszeit notwendig ist. Das haben Sie zwar eingesehen, aber Sie wollen dem Minister die Zeit nicht einräumen.
({29})
- Ich verstehe Ihre Aufregung. Sie wird sich jetzt noch verstärken; denn jetzt kommen wir zum Mietenbericht. Ich habe angesichts Ihrer Situation, meine Herren und Damen von der Opposition, durchaus Verständnis dafür, daß Sie den Aussagen im vorgelegten Mietenbericht wenig Aufmerksamkeit schenken wollen,
({30})
müssen Ihnen doch die Aussagen, die Sie noch vor gut einem Jahr und auch in jüngster Zeit gemacht haben, in ausgesprochen unangenehmer Erinnerung sein.
({31})
- Das ist genau das Problem. Der Herr Kollege Jahn war am Anfang zwar ganz kurz da, als Kollege Kansy gesprochen hat. Aber ich habe menschliches Verständnis dafür, daß er dann gegangen ist. Denn er wird j a auch durch die neuen Zahlen aus der jüngsten Vergangenheit eingeholt. Er kann es einfach nicht ertragen, hier die Wahrheit zu hören.
({32})
Noch zu Beginn des Jahres 1983 wurde von Ihnen von einer Mietsteigerungsrate von 30% und mehr gesprochen. Der Mieterbund behauptete gar, Mieter würden vogelfrei. Darauf müssen wir hier immer wieder hinweisen, weil das eine so katastrophale Äußerung war, die die Mieter total verunsichert hat. Zur Staffelmiete hieß es: Kann der Mieter nicht mehr zahlen, fliegt er raus. Dies alles galt dem am
1. Januar 1983 in Kraft getretenen neuen Mietengesetz, das die Interessen von Mietern und Vermietern sozial ausgewogen gegenüberstellte.
Der vorgelegte Bericht zeigt die Mietentwicklung für die Jahre 1982 und 1983 auf und widerlegt die von Ihnen damals gemachten Prognosen mit seinen Aussagen eindeutig. Da Sie, Herr Kollege Waltemathe, dazu noch nichts gesagt haben, nehme ich an, daß die Herren und Damen Nachredner von Ihnen dazu dann noch Äußerungen machen werden.
({33})
Während die Steigerungsrate im Jahre 1982 bei 5 % lag, betrug sie in den ersten zehn Monaten 1983 5,3 %. Sie schwächte sich im Laufe des Jahres 1983 noch ab und lag im Dezember des vergangenen Jahres nur noch bei 4,6 % über dem Wert vom Dezember 1982. Ich hoffe für Sie, daß Sie die Gelegenheit hier heute wahrnehmen und Ihre unrichtigen Aussagen aus der Endphase des letzten Wahlkampfes richtigstellen. Sie haben hier ein breites Forum und die Gelegenheit dazu, all das richtigzustellen, womit Sie damals die Menschen unbegründeterweise Angst eingejagt haben.
({34})
Die Mieten im Althausbestand stiegen 1982, also vor der Gesetzesänderung zum 1. Januar 1983, durchschnittlich um 5,2 %.
Ich muß jetzt einen Sprung machen, weil ich noch auf die Mietentwicklung im sozialen Wohnungsbau eingehen will, aber gesehen habe, daß meine Zeit abläuft. Hinsichtlich der Mietentwicklung im sozialen Wohnungsbau, die mit der neuen Mietgesetzgebung in gar keiner Weise zusammenhing, obwohl Sie es den Mietern glauben machen wollten - siehe Hamburg -,
({35})
ist zu sagen, daß die Steigerungsrate in den ersten elf Monaten des Jahres 1983 bei 6,5 % lag.
Dies war erstens das Resultat der noch von der alten Bundesregierung beschlossenen Gesetzesänderung zum Abbau von Mietverzerrungen im sozialen Wohnungsbau. Dadurch erhöhen sich Zinsen und Abgaben.
Zum zweiten lag das an der verfehlten Förderpolitik für die Sozialwohnungen in Ihrer Regierungszeit. - Herr Kollege Waltemathe, ich würde hier zuhören, wenngleich ich verstehe, daß Sie es nicht hören wollen. - Die Kosten für die Mietwohnungen laufen auf Grund der degressiven Förderung immer weiter auseinander.
Drittens spielten Steigerungen der kommunalen Gebühren eine Rolle, die bei den Vermietern lediglich Durchlaufposten sind. Auch hier beruhigte sich allerdings im November 1983 die Steigerungsrate;
sie lag gegenüber dem Vergleichsmonat 1982 nur noch bei 5,2 %.
Wenn auch die durchschnittliche Mietsteigerung im Berichtszeitraum mit 5,3 % über der Steigerungsrate bei den Lebenshaltungskosten allgemein lag, so ist doch festzustellen, daß die Steigerung der Lebenshaltungskosten gegenüber den vergangenen Jahren erheblich reduziert werden konnte.
({36})
Auch hier zeigte sich der Erfolg einer sozialen Wirtschafts- und Finanzpolitik, die den Preisauftrieb bei
den allgemeinen Lebenshaltungskosten eingrenzte.
So konnte unser Wohnungsbauminister Oscar Schneider zufrieden feststellen: Die Mietenentwicklung 1983 verläuft in ruhigen Bahnen; von einer Mietenexplosion kann keine Rede sein.
({37})
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Czempiel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Rönsch, Ihnen möchte ich zunächst einmal sagen: Wenn wir hier heute zusammen sind, beurteilen wir die Politik Ihrer Regierung und nicht die vergangener Zeiten.
({0})
Ich möchte Ihnen dazu eines sagen: Sie haben hier wieder von der Arbeitslosenzahl gesprochen. Wir wären froh, wenn sie heute auf dem Stand von damals wäre, als Sie die Regierung übernahmen.
({1})
Ich möchte jetzt mit einem Beispiel anfangen. Bitte, stellen Sie sich einmal vor - wenn Ihnen das möglich ist -, Sie wären Angestellter im einfachen Dienst und hätten zwei Kinder, von denen das eine zu 80 % schwerbehindert und das andere ein Lehrling mit einem Einkommen von 300 DM wäre. Ihre Frau kann wegen des Schwerbehinderten Kindes natürlich nicht dazuverdienen, kann nicht berufstätig sein. Wir unterstellen, Sie verdienten im Monat 2 160 DM brutto. Das sind - jetzt legen Sie mich bitte nicht auf den Groschen genau fest - 1 580 DM netto. Dazu kämen - ich will da sehr ehrlich sein - noch ein 13. Monatsgehalt sowie 300 DM Urlaubsgeld. Das ergibt ein Nettoeinkommen zwischen 1 600 und 1 700 DM.
Eine solche Familie bekam, wenn man eine anrechenbare Miete von 650 DM zugrunde legt - das ist heute ein ganz normaler Preis -, vor dem '1. März 1983 205 DM Wohngeld. Heute werden ihr 51 DM abgezogen; sie erhält also nur noch 154 DM, und zwar auf Grund Ihrer politischen Entscheidungen. Die Doppelberechnung für das schwerbehinderte Kind fällt weg, und das Lehrlingsgeld von 300 DM wird angerechnet, d. h. es wird nicht mehr unberücksichtigt gelassen.
({2})
In der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 15. März 1984 heißt es:
Das Wohngeld ist als verläßliches Instrument der sozialen Wohnungsmarktwirtschft in seinem Leistungsniveau zu erhalten.
Dieses Leistungsniveau, meine Damen und Herren, ist nach unserer Auffassung und nach dem soeben genannten Beispiel längst unterschritten
({3})
Denn das Wohngeld entspricht keinesfalls mehr der Mieten- und Einkommensentwicklung in unserem Land.
So sind 1982 die Mieten und die Belastungen der Wohngeldempfänger gegenüber dem Vorjahr laut Bericht im Schnitt um 7 % gestiegen, während die Wohngeldzahlungen gleichgeblieben sind.
({4})
Wenn auch eine lineare Kürzung des Wohngeldes von Ihrer Seite unterblieb, so waren die Einsparungen doch dergestalt, daß die Wohngeldzahlungen in ihrem Kernbestand inzwischen gefährdet sind.
Lassen Sie mich ein zweites Beispiel nennen. Da bekommt ein Rentner im Monat 1 000 DM. Für die Krankenkasse gehen 50 DM ab, so daß ihm 950 DM im Portomonnaie verbleiben. Ab 1. Juli dieses Jahres, also nach der Rentenerhöhung, sollte er theoretisch 34 DM mehr bekommen. Die Krankenkassenbeiträge wurden aber um 2 % heraufgesetzt; er muß dafür 20 DM zahlen. Zieht man diese von den 34 DM ab, bleibt ihm ein Plus von 14 DM Erhöhung. Er bekäme also nach Adam Riese 964 DM ausgezahlt, 14 DM mehr als vorher. So weit, so gut. Jetzt wird das Wohngeld aber nicht nach diesem Nettobetrag von 964 DM, sondern nach seiner Bruttoeinnahme von 1 034 DM berechnet, und das bedeutet beim Wohngeld ein Minus von 20 DM.
({5})
Zieht man diese von den 964 DM ab, erhält der Rentner nach dem 1. Juli 1984 noch 944 DM, d. h. 6 DM weniger als vor der Rentenerhöhung. So sieht die Wirklichkeit aus, meine Damen und Herren.
({6})
Wir haben bei den Wohngeldempfängern immerhin 46 % Rentner.
Welche soziale Funktion, so muß man fragen, betrachtet man außerdem auch noch die Mietsteigerungen, hat denn das Wohngeld heute noch? Wenn dann von einem Hohngeld gesprochen wird,
({7})
dann trifft das genau die Wahrheit.
({8})
Dieses Wohngeld sollte doch einst dazu dienen, angemessenes und vor allem familiengerechtes Wohnen wirtschaftlich möglich zu machen.
({9})
Was blieb davon übrig? Das Netz der sozialen Sicherung, auf das wir in der Bundesrepublik allesamt, auch Sie, stolz sind und waren,
({10})
wird von Tag zu Tag großmaschiger; denn man kann die Wohngeldentwicklung nicht losgelöst von all den vielen anderen Einschnitten betrachten.
({11})
- Ich sage dazu gleich noch etwas. - Von dieser Regierung werden Einsparungen in der Hauptsache bei den unteren Einkommensschichten vorgenommen
({12})
und nicht etwa bei Beziehern von Einkommen von über 5 000 DM im Monat.
({13})
Da hört man nichts. Das Wohngeld sollte aber für diejenigen Menschen bei uns sein, die am unteren Ende der Einkommensskala stehen
({14})
und die gleichzeitig für sie unerträglich hohe Mietbelastungen zu tragen haben. Das sind heute vor allem die vielen, vielen Arbeitslosen,
({15})
das sind die Rentner, das sind die Behinderten. Hier aber trifft es ganz besonders hart die Familien, bei denen sowieso die vielfältigsten Kürzungen zusammenlaufen,
({16})
seien es Beitragserhöhungen bei der Arbeitslosen-
und der Rentenversicherung, Streichung des Schüler-BAföG, Belastung durch Mehrwertsteuererhöhung, Neuregelung bei Mutterschaftsurlaub usw.
Hessen ermittelte beispielsweise, wie hoch die Wohngeldeinbußen in den Fällen waren, die nach dem 1. März 1983, also nach dem neuen Recht, entschieden wurden. 31,5% der Antragsteller mußten Kürzungen hinnehmen,
({17})
die meisten so zwischen 20 und 40 DM. Bei einigen aber - das waren die meisten Familien, bei denen vieles zusammenkam - mußten Kürzungen zwischen 80 und 100 DM hingenommen werden.
({18})
Sie alle sind von den negativen Änderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz und durch das Hinauszögern einer Anpassung des Wohngeldbetrages betroffen.
({19})
In Nordrhein-Westfalen wird jeder zehnte Haushalt, der im Dezember 1982 noch Wohngeld erhielt, jetzt bei der Anwendung des geänderten Wohngeldrechts ab 1. März 1984 einen ablehnenden Bescheid erhalten.
({20})
Die kommunalen Spitzenverbände bemerken hierzu, daß die Zahl der Anspruchsberechtigten infolge sinkender Einnahmen und steigender Mieten erheblich zugenommen habe, so daß die Zahl der Anträge laufend ansteigt. Die Wohngeldobergrenzen sind ja längst überholt und können nur durch eine Novellierung, die so schnell wie irgend möglich vorgenommen werden sollte, aufgefangen werden.
({21})
Für uns Sozialdemokraten ist eine Wohnung jedenfalls kein Gegenstand des gehobenen Konsums, sondern neben Gesundheit, Nahrung und Arbeit eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein menschliches Leben und dessen Entwicklung.
({22}) Wohnung ist eben mehr als nur Unterkunft.
({23})
Die SPD verweist mit Stolz darauf, daß unter ihrer Federführung bei der Fünften Wohngeldnovelle vor allem familienpolitische Gesichtspunkte tonangebend waren.
({24})
Damals kam es zu überproportionalen Anhebungen der Beträge in der Wohngeldtabelle für Haushalte mit vier und mehr Personen, d. h. für kinderreiche Familien.
Wir beschlossen die Einführung eines Freibetrages für mitverdienende Kinder. Dieser Freibetrag ist seit dem 1. März 1983 gestrichen. Diese Maßnahme ist völlig unverständlich,
({25})
denn bei der Berechnung des Jahreseinkommens einer Familie schlägt sie ja mit zu Buche. Die frühere Regelung sollte der Tatsache Rechnung tragen, daß mitverdienende Kinder nicht ihren gesamten Verdienst nun der Familie zum Lebensunterhalt zur Verfügung stellen können. Dieser Freibetrag bezog sich ja sowieso auf einen Personenkreis, der in der Regel über ein geringes Einkommen verfügt und von dem nicht erwartet werden kann, daß das bisher freigehaltene Einkommen nunmehr im
Haushaltsbudget der Familie zur Abdeckung der Mietkosten zur Verfügung gestellt wird.
Konnten nach der Fünften Wohngeldnovelle Alleinerziehende bisher für jedes Kind unter 16 Jahren einen Freibetrag von 1 200 DM absetzen, so ist dies jetzt nur noch für Kinder unter 12 Jahren möglich, als ob nicht gerade Kinder zwischen 12 und 16 Jahren ganz erhebliche Mehrkosten verursachen würden. Außerdem wird der Freibetrag für Alleinerziehende - Frau Rönsch hat das j a vorhin schon gesagt - nur noch erwerbstätigen oder auszubildenden Alleinerziehenden, die länger vom Haushalt entfernt sind, gewährt. Die frühere Regelung sollte als familienpolitische Maßnahme der Situation der Alleinerziehenden Rechnung tragen. Wer weiß, wie schwierig es gerade Alleinerziehende haben, der wird unsere Maßnahmen verstehen. Dieser Personenkreis wird zu Recht als besonders förderungsbedürftig angesehen. Die neue Regelung führte zu einer verstärkten wirtschaftlichen Belastung der ohnehin bereits angespannten Haushalte alleinerziehender Elternteile.
Ein weiteres Beispiel: Schwerbehinderte mit einer Minderung der Erwerbstätigkeit um wenigstens 80 % konnten bei der Bestimmung der Höchstbeträge des für eine Familie zu berechnenden Wohngeldes doppelt gezählt werden. Man ging davon aus, daß Schwerbehinderte einen besonderen Wohnbedarf haben - ich möchte Frau Rönsch hier widersprechen, die gesagt hat, dies sei nicht der Fall - und daher eine höhere Miete zahlen oder größere Belastungen insgesamt aufbringen müssen.
({26})
- Nein. ({27})
Diese Bestimmung ist gestrichen, und das führt im Bereich der mit Behinderten lebenden Familien zu einer Verringerung des Wohngeldanspruchs, ohne daß ihren tatsächlichen wirtschaftlichen Belastungen begründeterweise Rechnung getragen wird.
Diese Reihe ließe sich, was das Wohngeld anlangt, beliebig fortsetzen. Sie läuft immer wieder auf eine erhebliche Verschlechterung der Situation der Familien hinaus. Dies wird durch Parteien vertreten, die sich, bevor sie in der Regierungsverantwortung standen, zum selbsternannten Familienadvokaten machten.
({28})
Der heutige Zickzackkurs im Familienbereich läßt sich auch nicht dadurch geradebiegen, daß immer wieder die mißliche Finanzlage und die Erblast bemüht wird. Ich habe vorhin schon auf die Arbeitslosen hingewiesen; wir wären froh, wenn die Arbeitslosenquote noch auf dem damaligen Stand wäre.
({29})
Meine Damen und Herren, die Menschen in der Bundesrepublik sind ja alle willig zu sparen. So ist das doch gar nicht.
({30})
- Alle. Aber wenn es nur diejenigen trifft, die arm sind, wenn es nur diejenigen trifft, die am unteren Ende der Skala stehen, dann stimmt die ganze Richtung nicht.
({31})
Durch die Zuordnung zum Sozialgesetz ist das Wohngeld eine eigenständige, auf Dauer angelegte Sozialleistung. Dabei muß man immer im Auge behalten - dies ist für die gesamte Wohngeldentwicklung wichtig -, daß das Wohngeld alle Schwankungen bei der Sozialhilfe mit auffängt. Wird weniger Sozialhilfe gezahlt, geht das Wohngeld hinauf, und umgekehrt.
Die mißliche Entwicklung beim Wohngeld, die sogenannte Liberalisierung im Bereich des Mietrechts und die Stagnation in der Einkommensentwicklung belasten daher einen großen Teil von Familien nachhaltig und führen zu einer verstärkten Inanspruchnahme der Sozialhilfe, so daß die Reduzierung der Ansprüche nach dem Wohngeldgesetz nicht zu einer Kostenersparung, wie Sie meinen, führt, sondern in einem erheblichen Umfang lediglich zu einer Kostenverlagerung zuungunsten der Sozialhilfe.
Die SPD-Fraktion beantragt daher, die Novellierung bereits zum 1. Januar 1985 durchzuführen,
({32})
was rein technisch auch möglich ist und was, will man, die soziale Gerechtigkeit nicht völlig über Bord werfen und überhaupt noch etwas gelten lassen, dringend erforderlich ist.
({33})
Das Wort hat der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen darf ich ein Wort des Dankes richten an die Mitglieder des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau für die sachgerechte und beschleunigte Beratung des Wohngeld- und Mietenberichts. Ich richte auch ein Wort des Dankes an meine Mitarbeiter im Bundesbauministerium für die solide Arbeit, die bei der Vorlage des Wohngeld-und Mietenberichts geleistet worden ist.
({0})
Dieser Wohngeld- und Mietenbericht, meine Damen und Herren - ich blicke zunächst nach links, weil es immer gut ist,
({1})
die „Feindbeobachtung" ernst zu nehmen - ({2})
- Das ist eine militärische Metapher, die bei soviel Friedensfreunden einmal anwendbar erscheint.
({3})
Dieser Wohngeld- und Mietenbericht ist ein Leistungsbericht, ein Erfolgsbericht,
({4})
eine Vorlage der Regierung, die alle Kritiker vom 10. Dezember 1982 widerlegt und die alle Polemiker Lügen straft, am meisten den sozialdemokratischen Abgeordneten des Deutschen Bundestages - in Personalunion mit dem Präsidenten des Deutschen Mieterbundes - Gerhard Jahn.
({5})
Frau Kollegin Dr. Czempiel, ich möchte in einem Punkt auf Sie eingehen. Sie waren der Auffassung, daß die durchschnittliche Miete für die Haushalte bei 650 DM liege. Frau Kollegin, ich muß Sie berichtigen. Nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes liegt die durchschnittliche Miete genau bei 367 DM; bei Luxuswohnungen allerdings liegt die Durchschnittsmiete bei 804 DM. Sie haben den Durchschnitt aus Luxuswohnungsmiete und durchschnittlicher Miete gezogen. Dieser Vergleich ist nicht ganz zulässig.
({6})
Meine Damen und Herren, Sie dürfen glauben: Es erfüllt mich ein Gefühl der Zufriedenheit,
({7})
der Vorfreude, hier reden zu dürfen. Denn ich will Ihnen sagen: Der Wohngeld- und Mietenbericht und die sich abzeichnende Mietenentwicklung lassen erste Auswirkungen der Neuregelung des Mietrechts erkennen. Herr Kollege Waltemathe, um es vorweg zu sagen: Die vorliegenden Zahlen widerlegen die bei der Verabschiedung des neuen Mietrechts erhobenen Vorwürfe, es werde eine Mieten-explosion geben, eklatant.
Wir wollen einmal die Zahlen sprechen lassen, nüchterne Zahlen, die nicht ich ermittelt habe, sondern das Statistische Bundesamt und an denen zu zweifeln niemand ein Recht hat.
({8})
Insgesamt stiegen die Mieten 1980 um 5,1 %. 1981 sind sie um 4,3% gestiegen und 1982 um 5%. 1983 lag der Anstieg bei 5,3 %. Diese Steigerung um 5,3 % ist ganz wesentlich auf den überproportionalen Anstieg der Sozialmieten auf Grund der mietenpolitischen Entscheidungen der alten Regierung und der alten Koalition, nämlich auf Grund der höheren Verzinsung der alten Wohnungsbaudarlehen, zurückzuführen.
({9})
- Ich habe nur eine Feststellung getroffen, und die ist richtig.
({10})
Meine Damen und Herren, dabei ist zu berücksichtigen, daß die Lebenshaltungskosten 1983 nur um 2,9 % angestiegen sind. Das ist übrigens ein politischer Erfolg dieser Regierung, an den Sie nie geglaubt haben.
({11})
Diese Zahl - 2,9% Anstieg der Lebenshaltungskosten - dokumentiert doch auch eine ganz gewaltige soziale und wirtschaftliche Entlastung unserer Haushaltungen!
({12})
Ich darf Ihnen folgendes sagen: Von 1976 bis 1982 war es umgekehrt. Da betrug der Anstieg der Lebenshaltungskosten insgesamt 30,6 %, und die Mieten sind um 26, 4 % gestiegen.
({13})
Meine Damen und Herren, gegenüber dem entsprechenden Vorjahrsmonat - das sind die entscheidenden Zahlen - ist der Mietanstieg jeweils kontinuierlich abgesunken, nämlich von 4,8 % im November 1983 auf 3,8% im März 1984, wenn ich alle Mieten zusammennehme. Wenn ich aber nur auf die Neubaumieten im frei finanzierten und im sozialen Wohnungsbau abstelle, also die Wohnungen nehme, die nach 1948 gebaut worden sind, habe ich sowohl im frei finanzierten wie im sozialen Wohnungsbau einen Mietanstieg von nur 3,3 % im März 1984. Ist das kein Erfolg?
({14})
Das straft doch all das Lügen, was hier erzählt worden ist!
({15}) Sie haben doch gesagt: 10 %.
({16})
Ich mag dieses Mieten-Blatt gar nicht mehr vorzeigen. Da stand doch drin: 10 % durchschnittlicher Mietenanstieg. Das war doch damals Ihre Behauptung!
({17})
Da stand doch drin: Jahr für Jahr soll die Miete um 10 % steigen!
({18})
Da stand doch drin: Die Mieter werden vogelfrei. Da stand doch drin: 15 Milliarden Mark werden aus den Taschen vieler Mieter in die Taschen weniger Vermieter fließen.
Meine Herren, mir ist die Sache zu ernst, als daß ich auf diese Polemik noch einmal eingehen möchte.
({19})
Aber der Herr Kollege Jahn ist nicht hier.
({20})
- Ich komme gleich darauf.
({21})
Meine Damen und Herren, wichtig ist dabei, daß der Mietanstieg von 3,3% im frei finanzierten wie im sozialen Wohnungsbau
({22})
sich auf über 10 Millionen Wohnungen bezieht, die nach 1948 gebaut worden sind. Bei den etwa 5 Millionen Wohnungen, die vor 1948 gebaut worden sind, liegen die Zahlen leicht höher. Meine Damen und Herren, hätten Sie jemals solche Zahlen vorzuweisen gehabt, was wären das für Stimmen gewesen!
Der Oppositionsführer im Deutschen Bundestag, Hans-Jochen Vogel, hat in einem Gastkommentar der „Westfälischen Nachrichten" am 11. Dezember 1982 als Kanzlerkandidat gesagt: „Das Mieterhöhungsgesetz 1983 ist ein massiver Angriff gegen die elementaren Interessen vieler Millionen Bürger."
({23})
Was ist von diesem „Angriff" geblieben? Meine Herren, er sollte in den Spiegel sehen, es würde sich seine Röte im Gesicht noch etwas verstärken.
({24}) Er müßte sich nämlich schämen.
Wie ist es denn? Da erscheint im „General-Anzeiger" in Bonn am 24./25. März 1984 folgender Bericht:
Fußballkarten und Fahrräder als „Dankeschön" für neue Mieter.
Zu zum Teil kuriosen Methoden greifen seit einiger Zeit verschiedene auf dem Brüser Berg tätige Baufirmen, um Mieter für ihre Wohnkomplexe zu werben. Mit „Dankeschön-Geschenken" warten sie im Fall eines Vertragsabschlusses auf. Auch Leute, die einen Mieter vermitteln können, sollen für ihre Mühe belohnt werden ...
({25})
Bei einer anderen Wohnanlage trifft das Glück
jeden dritten Mieter, der noch bis zum 31. März
seinen Mietvertrag abschließt. Hier wirbt der
Bauträger mit einer Reise nach Frankreich für zwei Personen. Damit aber nicht genug: Der Gewinner erhält obendrein noch zwei Tribünenkarten für das Europa-Meisterschaftsspiel der deutschen Fußball-Elf in - ganz nach Wunsch - Straßburg oder Paris. Selbstverständlich gehören auch die Unterbringung in erstklassigen Hotels mit feinem Diner, Taschengeld und eine Stadtführung dazu.
({26})
Meine Damen und Herren, die Zahlen und die Tatsache, daß man in Bremerhaven, verehrter Kollege Waltemathe, und in Bocholt die Mietenspiegel korrigieren muß, und zwar nicht nach oben, sondern für bestimmte Wohnungskategorien um 13% nach unten, beweisen doch, daß unsere Mietrechtskorrektur eine Korrektur für die Mieter war. Deswegen bleibe ich bei meiner Behauptung: Ich bin und bleibe ein Anwalt der Mieter.
({27})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Menzel?
Ich habe nur beschränkt Zeit, aber lieber Herr Kollege Menzel, bitte sehr.
Herr Minister, wenn sich die Lage an der Mietenfront so rosig, wie Sie es hier zum Ausdruck bringen, darstellt: Warum treten Sie dann in Überlegungen ein, die Mietgesetze neu zu gestalten? Das wäre dann doch gar nicht notwendig.
Verehrtester Kollege Menzel, Sie sind mir jetzt ein willkommener Eideshelfer.
({0})
Das, was wir mit sorgfältiger Planung erreichen wollen, wollen wir ausschließlich mit Rücksicht auf die Sozialmieter, und zwar auch für die Mieter tun, die Sie draußen im Regen, in der Kälte stehenlassen.
({1})
Sie denken nur an die Mieter, die durch die Mietenentwicklung, durch das Fördersystem in besonderer Weise begünstigt sind. Ich und meine Freunde denken auch an die Mieter, die sozial überfordert sind. Das, was wir da vorgeschlagen haben, ist eine erste Überlegung,
({2})
nämlich die sogenannte Solidarmiete, eine Mietform, mit der in Unternehmen für größere Wirtschaftseinheiten ein komplexer Mietpreis ermittelt werden kann.
({3})
Das geschieht unter sozialer Absicherung und vor allen Dingen unter dem Schutz der genehmigenden Behörde, denn das Sozialmietsystem, das Kostenmietsystem wird im Prinzip nicht angetastet.
Da schreibt beispielsweise in der neuesten Ausgabe der „Der langfristige Kredit" - eine seriöse Zeitschrift - der Chef der Neuen Heimat, ein Mann, der es wissen müßte - ich meine den jetzigen Chef der Neuen Heimat, Herrn Hoffmann -,
({4})
was man tun soll, um bedrängten Sozialmietern, die die Opfer einer verfehlten Mietenpolitik der letzten zehn Jahre geworden sind, bei denen nach dem Auslaufen der degressiv gestaffelten Zinsaufwendungsbeihilfen die Sozialmieten, steil nach oben gehen und alle sozial zumutbaren Grenzen übersteigen, zu helfen:
Als Lösung schlagen wir vor, den Unternehmen erweiterte Möglichkeiten zu eröffnen, auch nicht unmittelbar benachbarte Wohnanlagen mit unter Umständen unterschiedlichem Wohnwert zu Wirtschaftseinheiten zusammenzufassen und die Mieten dann für die einzelnen Wohnungen analog zum Wohnwert so festzulegen, daß sich in der Summe an der Kostenmiete nichts ändert.
Den gleichen Gedanken hat mein Amtsvorgänger, Herr Karl Ravens, schon 1978 in einer Zeitschrift geäußert. Und die GEWOS - nicht eine Institution der CDU/CSU oder der FDP oder dieser Bundesregierung - schreibt in einem hervorragenden, fachlich hochqualifizierten Gutachten, das mir am Mittwoch in Hamburg übergeben worden ist, unter anderem:
Mietentzerrungen können durch Nachsubventionierungen,
- wofür Sie kein Geld haben, weil Sie es vorher verbraucht haben daneben aber auch durch einen Aufwandsausgleich zwischen Wohnungen mit zu hohen Preisen und Wohnungen mit unterschiedlichen Mieten erreicht werden.
Das schlägt die GEWOS vor.
Ich darf Ihnen sagen: Das sind ja nicht die einzigen. Ich könnte noch eine Reihe von Eideshelfern zitieren, u. a. einen Menschen, der es wissen muß,
({5})
nämlich den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbezirk GmbH, Essen, Herrn Dr. Preißler. Er tritt mit gleichlautenden Vorschlägen an.
Also, meine Herren: Bisher waren Sie bei Ihren wohnungswirtschaftlichen Vorschlägen wenigstens nur im Verhältnis zur CDU/CSU und zur FDP isoliert; jetzt sind Sie isoliert vom DGB, von der Neuen
Heimat und von den Bergleuten. Wer glaubt Ihnen denn überhaupt noch ein Wort?
({6})
- Was wir vorschlagen? Ich habe Ihnen einen Gesetzentwurf zugeleitet.
({7})
- Den Ländern.
({8})
- Sie wissen ganz genau, was ich will. Ich spiele immer mit offenen Karten. Sie haben die Chance, sich einmal in Ihrem Leben als Freund der Mieter zu erweisen: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu!
({9})
Ich biete die Chance. Ich lade Sie ein. Sie können mir helfen. Wer mir hilft, hilft den Mietern.
Noch ein Wort. In letzter Zeit häufen sich Meldungen über Leerstände. Ich darf sagen: Hier warne ich vor Übertreibungen. Ich darf daran erinnern, daß noch vor wenigen Jahren eine Leerstandsreserve von zwei bis drei Prozent der Wohnungen gefordert wurde. Selbst bei Unternehmen, die heute Leerstände beklagen, liegt die Leerstandsquote, von Ausnahmefällen abgesehen, unter 1%. Dies ist kein Zeichen einer neuen Krise, sondern ein Normalisierungsprozeß. Normalisierung bedeutet auch, daß Unternehmer, die falsch kalkuliert haben, in einem Marktprozeß Preisabschläge und Vermietungsprobleme hinnehmen müssen.
Wir haben stets darauf hingewiesen, daß es darauf ankommt, die Ertragsaussichten im frei finanzierten Wohnungsbau zu verbessern, um ein günstiges Klima für Investitionen in diesem Bereich zu schaffen. Die Lebensversicherer haben beispielsweise ihre Direktinvestitionen im Mietwohnungsbau 1983 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Das verdient Dank und Anerkennung.
({10})
Sie wissen: Die Lage am Mietwohnungsmarkt hat sich deutlich entspannt. So werben in Neubaugebieten die Vermieter mit Zeitungsanzeigen, wie ich sie vorhin angeführt habe.
Aber etwas darf ich bei dieser Rede natürlich nicht vergessen.
({11})
- Darauf komme ich gleich. Das ist die Steigerung meiner Rede, weil ich hier die größten Erfolgszahlen bringen kann.
({12})
Die Erfolge unserer Wohnungspolitik zeigen sich nicht nur in der sozialen Mietenentwicklung, sondern vor allem in der Bautätigkeit. Im Jahre 1983 stieg die Zahl der zum Bau genehmigten Wohnungen um 25% auf 420 000 Wohnungen. Diese Entwicklung wird sich in den Fertigstellungszahlen der
Jahre 1984 und 1985 niederschlagen. Der hohe Bauüberhang von 590 000 Wohnungen am Jahresbeginn 1984 stützt diese Erwartung. Die Wohnungsbauinvestitionen sind bereits seit Mitte 1983 nach oben gerichtet. An diesen Feststellungen ändert auch das Fertigstellungsergebnis des Jahres 1983 wenig, weil die niedrige Zahl der Fertigstellungen in diesem Jahr durch die ungünstigen Rahmenbedingungen der Jahre 1981 und 1982 bedingt ist. Also hier wirkt sich Ihre Wohnungspolitik negativ auf die Bilanz 1983 aus.
({13})
Der Wohngeld- und Mietenbericht dokumentiert außerdem den hohen sozialpolitischen Stellenwert des Wohngelds.
({14})
Besonders im Jahr 1983 hat das Wohngeld seine Leistungsfähigkeit bewiesen. Die Ausgaben für das Wohngeld waren mit 2,6 Milliarden DM trotz der leider unausweichlichen Einschnitte bei Vergünstigungen für bestimmte Personengruppen fast so hoch wie 1982.
({15})
Darin kommt zum Ausdruck, daß das Wohngeld auch die Funktion hat, Härten aufzufangen, die durch den Verlust des Arbeitsplatzes und sonstiger Einkommenseinbußen im Bereich des Wohnens aufgetreten wären. Die Wohngeldleistungen an Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger sind deutlich gestiegen. Die Anzahl dieser Haushalte hat sich von 1981 auf 1982, wo Sie an der Regierung waren, fast verdoppelt und macht etwa 7 % aller Wohngeldempfänger aus.
({16})
Also, bei Schuldzuweisungen immer die richtige Adresse erwischen.
Dann, meine Damen und Herren, ein Wort zu dieser Erklärung im Ausschuß. Sie dürfen schon glauben, daß ich daran noch denke. Ich war damals davon ausgegangen, daß wir das Wohngeld in der 10. Legislaturperiode zweimal anheben würden. Ich hatte mich in einem Irrtum befunden. Der war bedingt dadurch, daß ich den Aussagen sozialdemokratischer Wohnungspolitiker mehr geglaubt hatte, als sie es verdient hatten. Ich hatte wirklich befürchtet, es würde nicht gelingen, auf die 3,5%, 4 % Mietsteigerung zu kommen. Sie hatten 10% angenommen. Ich hatte gedacht, es würden ungefähr 6% bleiben. Wäre es bei 6 % Mietsteigerung geblieben, wäre eine Anhebung des Wohngeldes zum 1. Januar 1985 am Platze gewesen. Nachdem die Steigerungsrate jetzt aber nur die Hälfte beträgt, ist eine einmalige Anhebung des Wohngeldes in dieser Periode in jeder Hinsicht zu rechtfertigen - in jeder Hinsicht zu rechtfertigen!
Ich bin mit dem Herrn Bundesfinanzminister - damit auch hier Klarheit besteht - einig, daß wir in der 10. Legislaturperiode, im Jahre 1986, das Wohngeld angemessen erhöhen werden. Eine präzise Zahl vermag ich in Abstimmung mit dem Herrn Bundesfinanzminister jetzt deswegen noch nicht zu nennen, weil das Wohngeld mit einer Reihe anderer
haushaltswirksamer Leistungen in Verbindung steht, über die zur Zeit noch beraten wird.
({17})
- Die Zahl in den Nachrichten, Herr Kollege Sauermilch, war falsch.
({18})
- Die wurde von mir niemals genannt. Ich möchte das eindeutig berichtigen.
({19})
Aber ich sage: Wir werden das Wohngeld sozial angemessen, wirtschaftlich vertretbar und haushaltspolitisch finanzierbar anheben.
({20})
Meine Damen und Herren, bei einem typischen Ein-Personen-Rentner-Haushalt - diese Haushalte machen 50 % der Wohngeldempfänger aus - beträgt das monatliche Wohngeld bei einem Einkommen von 800 DM und einer Mietbelastung von 250 DM 85 DM. Damit wird der Mietanteil am verfügbaren Einkommen von rund 30% auf rund 20 % gesenkt. Bei einem Zwei-Personen-Rentner-Haushalt
- sie machen rund 10 % der Wohngeldempfänger aus - beträgt das monatliche Wohngeld 120 DM bei einem monatlichen Einkommen von 1200 DM und einer Mietbelastung von 330 DM. Auch hier wird also die Mietbelastung von rund 30 % auf 20 % gesenkt. Bei einem Fünf-Personen-ArbeitnehmerHaushalt mit einem monatlichen Einkommen von 2 000 DM und einer Mietbelastung von 490 DM beträgt das Wohngeld 170 DM. Die Mietbelastung wird hier von rund 25% auf 16% gemindert. - Diese drei Beispiele sind typisch für zwei Drittel aller Wohngeldempfänger. In diesem Zusammenhang von „Hohngeld" zu sprechen, halte ich für in höchstem Maße unverantwortlich - um mich sprachlich sehr gelinde und zurückhaltend auszudrücken.
({21})
Herr Kollege Waltemathe, Sie hatten noch ein Wort zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz gesagt und zu anderen Vorhaben. Dies zum Schluß: Ich habe sofort eine Bund-Länder-Kommission einberufen. Die hat votiert. Es war von vornherein klar, daß die steuerrechtliche Komponente dieses Problems gesondert zu überprüfen sein würde. Ich sehe, was die Gesetzgebung im gemeinnützigen Wohnungsbereich angeht, keine so große Dringlichkeit. Bevor wir entscheiden, wollen wir das exakt prüfen.
Eines allerdings kann ich für die Bundesregierung sagen und auch ausdrücklich für den Bundesfinanzminister feststellen: Die Wohnungsgemeinnützigkeit steht prinzipiell nicht zur Diskussion. Es wird auch in Zukunft eine gemeinnützige Wohnungswirtschaft geben. Die Diskussion in den Expertenkreisen dreht sich lediglich darum, ob die Wohnungsgemeinnützigkeit ihren sozialen Adressaten noch erreicht und ob einige Fragen des Wettbewerbs in der heute bestehenden Form für die Zukunft aufrechterhalten werden können.
Und was machen wir dann? Wir beseitigen beispielsweise das Gesetz über Wohnbesitzwohnungen. Meine Damen und Herren von der SPD, seien Sie doch froh, daß wir diesen sozialistischen Bastard aus der Welt nehmen! Diese Wohnbesitzwohnungen, das war doch ein Rettungsversuch eines Menschen, der unter dem Strohhalm bereits fast ertrunken war. Sie wissen doch, wer dieses Gesetz initiiert hat, wem es hätte helfen sollen. Seien Sie doch froh, daß wir dieses Gesetz, das zu nichts nütze war, beseitigen.
Und das andere: Beispielsweise soll nach der Ablösung von öffentlichen Mitteln bei Eigenheimen eine Bindungsfrist entfallen. Die hat keinen Sinn mehr. Allein wenn wir diese Entscheidung treffen, schließen wir mit einem Schlag 500 000 Akten. Das nenne ich Entbürokratisierung, das nenne ich Rationalisierung.
({22})
Eine besondere Wohnberechtigung für ältere Sozialwohnungen entfällt. Diese Regelung ist durch die Mietenentwicklung weitgehend überholt. Sie ist sehr verwaltungsaufwendig und verschwindet jetzt.
Die Vorschriften über die Mindestausstattung von Sozialwohnungen soll gestrichen werden. Warum? - Weil hier sinnlos kontrolliert wird. Hier gibt es eine echte Entlastung der Verwaltung.
Zur Unternehmensmiete habe ich das meinige gesagt.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß und stelle fest, was ich auch am 10. Dezember 1982 schon gesagt habe: Ich werde mit dem nächsten Wohngeldbericht einen Leistungsbericht und einen Erfolgsbericht vorlegen können. Alle, die das damals nicht geglaubt haben, haben sich geirrt. Und alle, die damals polemisiert haben - und das waren nicht wenige, am meisten der Präsident des Deutschen Mieterbundes -, sind durch die Tatsache Lügen gestraft worden. So werden auch die heutigen Prophetien morgen und übermorgen wieder Lügen gestraft werden.
Vielen Dank.
({23})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 14,1 Millionen Haushalte, d. h. Familien und Alleinstehende, sind von dem, was Sie hier in der Mietrechts-und Wohnungspolitik entschieden haben, Herr Minister Schneider, unmittelbar betroffen, und Millionen von ihnen können Ihre Selbstgefälligkeit zu diesem Miet- und Wohnrecht nicht teilen.
({0})
Denn die Bonner Wende bedeutet für viele Familien in unserem Lande höhere Mieten, weniger Wohngeld und eine sich immer weiter öffnende Schere zwischen Mietbelastung und Einkommen. Herr Minister, wenn ich Sie höre, kann ich nur feststellen, daß Sie in Ihrem Ministerium von der sozialen Wirklichkeit unseres Landes isoliert sind,
({1})
daß Sie das, was Millionen Menschen bedrückt seit dem 1. Oktober 1982, nicht in Ihre politische Entscheidungen einbeziehen. Denn entscheidend ist doch, daß seit 1982/83 die Mieten stärker gestiegen sind als die Lebenshaltungskosten insgesamt.
({2})
- Das weisen die Zahlen des Mietberichtes doch nach.
({3})
Nun sagen Sie, die Mieten sind auch früher gestiegen. Gut, dies räumen wir ein. Aber, meine Damen und Herren, die Mietsteigerungen seit 1982/83 sind verbunden mit sinkendem Realeinkommen, mit Kürzungen der Sozialleistungen, mit Verminderungen des Wohngeldes. Diese Kürzungen treffen Familien, die zugleich jetzt mehr für die Miete aufwenden müssen.
Der Mietenindex verschleiert die wirkliche Situation vor allem für die Mieter in den Großstädten und Ballungsgebieten. Lesen Sie doch den Mietenbericht einmal im einzelnen nach! In den Städten mit über 100 000 Einwohnern liegen die Mieten ohnehin um 10 bis 12% über dem Durchschnitt der Mietentwicklung.
({4})
In diesen Städten zahlen wir heute Erstmieten von 10,20 DM kalt für einen Quadratmeter. Das sind für eine Familie, die ein Einkommen von 1 500 DM hat, 612 DM Nettomiete für eine Wohnung von 60 qm. Ich muß fragen: Wer von den breiten Schichten unseres Volkes kann das noch bezahlen?
({5})
Diese Mietsteigerungen, meine Damen und Herren, sind das Ergebnis der Wendepolitik seit dem Oktober 1982.
({6})
- Ich werde es Ihnen jetzt beweisen.
Da ist zum einen die Auswirkung des Mieterhöhungsgesetzes vom 10. Dezember 1982. Herr Minister, Sie zitieren hier Mietspiegel von Bremerhaven und anderen nördlichen Gefilden. Ich weiß nicht, ob Sie den Mietspiegel von Nürnberg kennen. Dieser Mietspiegel von Nürnberg - das ist ja Ihr Wahlkreis; vielleicht ist das eine Lex Schneider - weist Mietsteigerungen von 1982 auf 1983 von im Schnitt 45% auf.
({7})
Schmitt ({8})
- Ich werde dem Herrn Minister diesen Mietspiegel überreichen. Nach dem Mietspiegel vom 1. Januar 1982 betrug der Preis für einen Quadratmeter in mittlerer Wohnlage 4,25 DM bis 4,80 DM. Nach dem Mietspiegel vom 1. Oktober 1983 lag der Preis - bezogen auf dasselbe Baujahr und dieselbe Lage
- bei 6,50 DM bis 8,10 DM. Meine Damen und Herren, das ist die soziale Wirklichkeit, an der Herr Schneider vorbeigeht!
({9})
Mieterhöhungen sind zurückzuführen auf die Ausschöpfung der 30 %igen Obergrenze, auf die große Zahl von Umzügen in den Städten und nicht zuletzt auch auf die steigende Zahl von Modernisierungen, die die Mieten in die Höhe treiben. Das Ergebnis ist, daß wir in den Städten eine steigende Zahl von Obdachlosen und Wohnungssuchenden haben. Allein in München gibt es 8 000 Obdachlose und 8 000 Wohnungssuchende.
({10})
Dafür, meine Damen und Herren, trägt Ihre Wohnungspolitik die Verantwortung.
Aber nicht nur die Altbauten sind betroffen, sondern auch die Sozialmieter sind durch Ihre administrativen Entscheidungen zu höheren Mietzahlungen gebracht worden; denn Sie tragen die Verantwortung für die allgemeinen Zinsanhebungen, die wir 1982 beschließen mußten. Sie tragen letzten Endes auch die Verantwortung für den Wegfall von Mietpreisbindungen und für höhere Instandhaltungspauschalen.
Meine Damen und Herren, wir haben es gestern in der Fragestunde erlebt: Unter der Tarnkappe der Entbürokratisierung und unter den Schalmeienklängen des Herrn Staatssekretärs, der den Sozialmietern niedrige Anfangsmieten verspricht, der von Solidarmiete, Ausgleichsmiete und Genehmigungsmiete spricht, verstecken sich doch Mieterhöhungen, geht der Weg vom sozialen Wohnungsbau dorthin, was Sie eigentlich als Ihr Ziel ansehen, nämlich in die freie Marktwirtschaft, in der Angebot und Nachfrage allein die Mieten bestimmen sollen.
Wenn wir das hören, meine Damen und Herren, können wir nur eines feststellen: Sozial bleiben dann nur die Versprechungen des Bundesbauministers, der den Mietern immer wieder sagt, das alles, was hier geplant werde, sei nicht so schlimm, denn man spanne j a das Netz des Wohngeldes.
({11})
Der Bundesbauminister sagt: Wer die Miete auf Grund unserer marktwirtschaftlichen Konzeption nicht mehr bezahlen kann, dem helfen wir mit Wohngeld! Aber, Herr Minister, von Versprechungen kann man keine Miete bezahlen.
({12})
1982, 1983 und auch jetzt schon wieder haben Sie
Wohngeldverbesserungen versprochen. Sie können
uns aber noch nicht sagen, wann, wie und in welcher Höhe; denn nicht Sie bestimmen, sondern der Finanzminister diktiert, was Sie an Wohngeldausgleich erbringen können.
Deshalb meinen wir, daß die allgemeine Wohnungspolitik dafür sorgen muß, daß das Gleichgewicht zwischen Vermietern und Mietern nicht weiter zu Lasten der Mieter verändert werden darf. Das soziale Mietrecht darf nicht weiter ausgehöhlt werden. Der preiswerte Altbaubestand muß zugunsten der einkommensschwachen Mieter erhalten bleiben.
({13})
Der öffentlich geförderte soziale Wohnungsbau muß auf die Schwerpunkte des Wohnungsbedarfs konzentriert werden. Auf die Objektförderung kann nicht verzichtet werden. Das Wohngeld muß rechtzeitig an die Mietentwicklung angepaßt werden. Die Lasten aus Mieterhöhungen, meine Damen und Herren, können nicht ständig den Städten und Kreisen als den Sozialhilfeträgern aufgebürdet werden.
Herr Minister, mit einem Aprilscherz - möchte ich sagen - hat Sie der Deutsche Mieterbund zu einem Mieterhöhungsminister gemacht. Ich hoffe, daß Sie die politische Entscheidung der Münchner Wähler am 1. April 1984 nachdenklich gemacht hat. Die Münchner, Ihre bayerischen Landsleute, haben ja mit Georg Kronawitter nicht nur einen erfolgreichen und bewährten Oberbürgermeister, den Nachfolger von Jochen Vogel, neu gewählt
({14})
- ich weiß, daß Sie das nicht gerne hören, daß Sie das nicht gerne zur Kenntnis nehmen wollen -,
({15})
sondern mit der Abwahl von Herrn Kiesl haben Sie, Herr Minister, hat Ihre Wohnungspolitik auch eine schallende Ohrfeige von den Betroffenen, von den Münchner Wählern erhalten.
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Ihnen, Herr Minister Schneider, kann ich nur sagen: Reden sie nicht nur freundlich zu den Mietern und über die Mieter, sondern berücksichtigen Sie bei Ihren politischen Entscheidungen - auch gegenüber Ihrer Fraktion, auch gegenüber dem Finanzminister - deren Interessen. Denken Sie in der Wohnungspolitik nicht nur an die Investoren; denn wir brauchen nicht Wohnungen, die Leerstehen, die unbezahlbar sind, sondern wir brauchen Wohnungen für unsere Familien überall in der Bundesrepublik, vor allem in den Großstädten.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe zunächst Tagesordnungspunkt 11 zur Abstimmung auf. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf Drucksache 10/1144 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen.
Wir stimmen nunmehr über den Zusatzpunkt ab: Antrag der Fraktion der SPD: Vorlage der Sechsten Wohngeldnovelle, Drucksache 10/1235.
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Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? Danke schön. - Enthaltungen? - Der Antrag ist damit abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unser heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 11. April 1984, 13 Uhr ein.
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.