Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/27/1986

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, gestern abend erreichte uns die traurige Nachricht, daß unser Kollege Peter Milz nach langer, schwerer Krankheit kurz vor Vollendung seines 52. Lebensjahres verstorben ist. Peter Milz war ein Sohn der Eifel, der er immer eng verbunden blieb. Am 7. Dezember 1934 in Mechernich geboren, erlernte er nach dem Schulbesuch das Stukkateurhandwerk, in dem er sich 1960 selbständig machte. Seit 1958 engagierte er sich politisch. Er wurde Mitglied der CDU, war von 1963 bis 1969 Vorsitzender der Jungen Union des Kreises Schleiden und wurde 1972 Vorsitzender der CDUKreispartei Euskirchen. Von 1969 bis 1972 bekleidete er das Amt des Landrates von Schleiden und nach der kommunalen Neugliederung von 1972 bis 1984 das Amt des stellvertretenden Landrates des Kreises Euskirchen. Dem Deutschen Bundestag gehörte er seit 1972 an. Er war viele Jahre ordentliches Mitglied des Verkehrsausschusses. Außerdem war er Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates von 1976 bis 1980. Wir alle kennen ihn als einen engagierten und tatkräftigen Vertreter seiner Wähler. Den Angehörigen des Verstorbenen, seiner Frau und seinen vier Töchtern, sowie der Fraktion der CDU/CSU spreche ich im Namen des ganzen Hauses meine tief empfundene Anteilnahme aus. Der Deutsche Bundestag wird seinem verstorbenen Kollegen Peter Milz stets ein ehrendes Andenken bewahren. Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen. Meine Damen und Herren, wir setzen die Haushaltsberatungen fort mit der Zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 ({0}) - Drucksachen 10/5900, 10/6209 Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) Ich rufe auf: Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung - Drucksachen 10/6311, 10/6331 Berichterstatter: Abgeordnete Sieler ({2}) Strube Dr. Pfennig Frau Seiler-Albring Dr. Müller ({3}) Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN auf Drucksache 10/6486 vor. Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratungen zwei Stunden vorgesehen. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Glombig.

Eugen Glombig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000690, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ende meiner parlamentarischen Tätigkeit möchte ich auf die Jahre zurückblicken, in denen ich an der sozialpolitischen Gesetzgebung des Bundes mitwirken durfte. Daran möchte ich einen kurzen Ausblick anschließen. Beides hat vieles mit der heutigen Haushaltsdebatte zu tun, nämlich mit den finanziellen Grundlagen der Sozialpolitik. Es gab Zeiten, meine Damen und Herren, großzügiger Leistungsverbesserungen und Zeiten massiver Leistungskürzungen. Rückblickend sage ich: Der Gesetzgeber ist mit beidem oft zu rasch, zu sehr aus der augenblicklichen Situation heraus und ohne rechte langfristige Planung zu Werke gegangen. Es gilt, daraus für die Zukunft zu lernen. Die Sozialpolitik muß langfristiger und systematischer angelegt werden, als dies in der Vergangenheit häufig der Fall war. ({0}) - Das trifft natürlich besonders für Sie von der CDU/CSU zu; aber ich danke Ihnen für Ihren Beifall. ({1}) Was die Hektik der Beratungen und Beschlüsse angeht, meine Damen und Herren, war die sozialliberale Koalition in ihrer Spätzeit keineswegs immer über alle Kritik erhaben; aber seit der Wende ist dieser Mißstand - ich sage, das ist ein Mißstand - zur Dauereinrichtung geworden. Das sage ich nicht einfach so dahin; denn als Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung kann ich dies belegen. Niemals zuvor hat eine Bundesregierung das Parlament mit derart massivem Druck gezwungen, seine Souveränität als Gesetzgeber praktisch aufzugeben. ({2}) - Sie müssen es am besten wissen; denn Sie haben doch Ihre Leute immer wieder getrieben. Da fragen Sie: „Wieso das?" ({3}) Das Parlament wurde zu einem reinen Befehlsempfänger, übrigens nicht zuletzt von Ihnen, von kleinen Koalitionszirkeln, Küchenkabinetten und der Ministerialbürokratie herabgestuft. Ich bedaure dies zutiefst. Ich bin auch davon überzeugt, daß eine solche Demütigung des Parlaments nicht im Interesse der Kolleginnen und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen liegen kann. ({4}) Deshalb hoffe ich, daß der neue Bundestag daraus Konsequenzen ziehen und sich seine vollen Entscheidungs- und Kontrollbefugnisse zurückholen wird. Der 10. Deutsche Bundestag markiert nach meiner Überzeugung den bisherigen Tiefpunkt der parlamentarischen Kultur. Das gilt für das Verhältnis der Mehrheitsfraktion zur Bundesregierung, und das gilt für die Respektierung der Minderheitenrechte der Opposition. Ich meine, so darf es nicht weitergehen. Union und Freie Demokraten haben die in der sozialliberalen Koalition vor allem von der SPD gestaltete Sozialpolitik mitzuverantworten, die FDP als damaliger Koalitionspartner, CDU und CSU, weil sie im Bundestag und Bundesrat fast allen Reformgesetzen zugestimmt haben. ({5}) Trotzdem polemisieren die drei Parteien heute dagegen, weil sie inzwischen einen scharfen Kurswechsel von einer sozialstaatlich orientierten Gesellschaftspolitik zu einer einseitig kapitalorientierten Interessenpolitik vollzogen haben. ({6}) Ich meine, daß es keinen vernünftigen Grund gibt, heute anzuprangern, was damals geschaffen wurde. Im Gegenteil haben jedenfalls die Sozialdemokraten Grund, darauf stolz zu sein. Es ging nicht um unnützen oder gar schädlichen Sozialkonsum, sondern um eine Kette von Reformen, die in ihrer Summe mehr Lebensqualität und mehr konkrete Freiheit gebracht haben. ({7}) Sie haben unsere Gesellschaft menschlicher gemacht, sie haben technisch-ökonomische Zwänge zurückgedrängt und Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, bessere Eingliederungschancen eröffnet. ({8}) Ich bin überzeugt, daß das meiste davon, soweit es nicht von CDU/CSU und FDP wieder vernichtet worden ist, auch auf Dauer Bestand haben wird unter der Voraussetzung, daß diese Koalition in die Opposition geschickt wird. ({9}) Ich will nur einige Beispiele nennen: Erstens. Früher wurde ein großer Teil der Bevölkerung von der Sozialversicherung ausgeschlossen. Heute sind die freiwillige Rentenversicherung und die freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung aus der Lebensplanung von Millionen von Menschen nicht mehr wegzudenken. Ich frage: Wie lange noch? Zweitens. Früher konnte man erst mit dem 65. Lebensjahr eine Altersrente erhalten. Es ist nicht auszudenken, wie hoch heute die Massenarbeitslosigkeit ohne die flexible Altersgrenze in der Rentenversicherung wäre. ({10}) Und es wäre nicht auszudenken, wie hoch die Arbeitslosigkeit sein würde, wenn die Pläne dieser Koalition, vor allem der FDP, zur Abschaffung der flexiblen Altersgrenze unter den jetzigen Bedingungen und praktisch zur Heraufsetzung der jetzigen normalen Altersgrenze von 65 Jahren Wirklichkeit werden würden. ({11}) Drittens. Früher mußten viele Frauen infolge ihrer geringen Löhne auch nach vollem Arbeitsleben im Alter Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Heute gibt es die Rente nach Mindesteinkommen, allerdings leider mit abnehmender Bedeutung, weil die gegenwärtige Regierungskoalition sich weigert, sie zur Dauerlösung auszubauen. ({12}) Viertens. Früher standen viele Frauen nach einer Ehescheidung völlig ohne eigene Alterssicherung da. Jetzt gibt es den Versorgungsausgleich, der ihnen - unabhängig von der Schuldfrage, inzwischen allerdings wieder mit Einschränkungen - einen eigenständigen Rentenanspruch sichert. ({13}) Auch hier muß ich fragen: Wie lange noch? Fünftens. Früher wurde man nach einem Jahr aus der Krankenhausbehandlung ausgesteuert und auf die Sozialhilfe verwiesen. Das ist jetzt anders: Es gibt einen lückenlosen Krankenversicherungsschutz. Und auch hier frage ich: Wie lange noch? Die Regierungskoalition hat j a bereits die Selbstbeteiligung bei Krankenhausbehandlung und Kuren eingeführt. ({14}) Für die Zeit nach der Wahl sind eine umfassende Selbstbeteiligung, die Einführung des Kostenerstattungsprinzips anstelle des Sachleistungsprinzips und Karenztage ({15}) bei der Lohnfortzahlung mit der Folge von Lohnausfällen bis zu 450 DM geplant. ({16}) Dies wäre die Umwandlung der sozialen in eine unsoziale Krankenversicherung. ({17}) Und um auf Sie zurückzukommen, Herr Jagoda. Oft genug habe ich das im Plenum des Deutschen Bundestages getan: Am 10. September 1982 habe ich hier für die SPD-Fraktion erklärt, daß es mit ihr keine Kostenbeteiligung bei Krankenhausbehandlung und Kuren geben wird. ({18}) Wir sind in diesem Punkte anderer Meinung. ({19}) Für uns war und ist eine Bundesregierung keine vorgesetzte Behörde. Wir sind der Meinung, daß wir hier zu entscheiden haben. ({20}) Sechstens. Früher verfielen Betriebsrentenansprüche bei Verlust des Arbeitsplatzes, bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder bei Arbeitnehmerkündigung. Jetzt sind die Betriebsrenten gesichert und ein zuverlässiges Element der Alterssicherung. Auch hier frage ich: Wie lange noch? ({21}) Siebtens. Früher gingen Arbeitnehmer bei Konkurs des Arbeitgebers meistens leer aus. Heute gibt es das Konkursausfallgeld. Das ist und bleibt besonders wichtig zu Zeiten einer Bundesregierung wie dieser, in der die Zahl der Pleiten mit jährlich beinahe 19 000 Fällen auf den höchsten Stand seit 1949 gestiegen ist. ({22}) Achtens. Früher wurden Behinderte je nach Ursache der Behinderung ungleich behandelt, sowohl bei der Anwendung des Schwerbehindertenrechts als auch beim Nachteilsausgleich, dem sogenannten Vergünstigungswesen. Die sozialliberale Koalition hat an die Stelle des Kausalprinzips das Finalprinzip gesetzt, wonach nicht mehr Ursache, sondern Art und Schwere der Behinderung für die Ansprüche maßgebend sind. Damit wurde denjenigen Behinderten, die weder als Kriegsbeschädigte noch als Arbeitsunfallverletzte einen Entschädigungsanspruch haben, erstmals in der Sozialgeschichte unseres Landes ein gleichwertiges Recht auf Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft eingeräumt. ({23}) Das war ein historischer Fortschritt, den die gegenwärtige Bundesregierung leider insofern wieder rückgängig gemacht hat, als sie den sogenannten Zivilbehinderten die Freifahrt auf den Nahverkehrsmitteln gestrichen ({24}) und sie wieder zu Behinderten zweiter Klasse degradiert hat. ({25}) Dies war im übrigen ein besonderes Anliegen von Bundesarbeitsminister Blüm. ({26}) - Das ist keine Unterstellung. Das kann ich Ihnen auf Grund von Interviews, die er in der Sache gegeben hat, nachweisen. Neuntens. Früher mußten die Kriegsopfer um Ihre Rentenerhöhung Jahr für Jahr betteln und gegen ihre ungerechte Behandlung protestieren. Heute gibt es die - wenn auch inzwischen wieder eingeschränkte - jährliche Anpassung der Kriegsopferrenten. Zehntens, meine Damen und Herren: Früher hatten die Betriebsräte kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht in allen Arbeitszeitfragen und bei der Einführung und Anwendung von Maßnahmen, die dazu bestimmt waren, das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen. Heute können sie nach dem Betriebsverfassungsgesetz des Jahres 1972 darüber mit entscheiden ({27}) und die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer wirksamer schützen. Ich frage: Wie lange noch? ({28}) - Dies hat mit der Neuen Heimat allein nichts zu tun. Die Konservativen und Wirtschaftsliberalen ({29}) - nun hören Sie einmal gut zu - geben heute dem Ausbau des Sozialstaats zu Beginn der 70er Jahre die Schuld an der später hereinbrechenden Wirtschaftskrise und der nachfolgenden Notwendigkeit zur Konsolidierung des sozialen Sicherungssystems. Das Gegenteil ist richtig. ({30}) Denn die weltweite Wirtschaftskrise war es, die die Sozialsysteme vor allem wegen der hohen Kosten der Arbeitslosigkeit in die Krise gestürzt hat. ({31}) Es ist schon grober Unfug, meine Damen und Herren, zu behaupten, daß die Sozialpolitik der sozialliberalen Koalition die Krise verursacht hätte. ({32}) Der internationale Vergleich zeigt auch, daß die Bundesrepublik in der Zeit von 1969 bis 1982 hervorragend abgeschnitten hat. ({33}) - Ja. - Die Bundesrepublik hatte von allen vergleichbaren Industrieländern - zusammen mit der Schweiz - auch damals die geringsten Preissteigerungen. ({34}) Sie hatte - nach der Schweiz und Frankreich - im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt auch damals die geringsten öffentlichen Schulden. ({35}) Sie hatte - nach Japan und Frankreich - auch damals den höchsten Produktivitätszuwachs, ({36}) und sie hatte - trotz in der Tat gestiegener Sozialversicherungsbeiträge und Steuern, die bei der CDU/CSU-FDP-Koalition inzwischen ihren Höchststand erreicht haben - von allen vergleichbaren Ländern den geringsten Zuwachs an Lohnstückkosten. ({37}) Von einem Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, wie immer behauptet wurde, konnte nicht im geringsten die Rede sein. ({38}) Daraus folgt, meine Damen und Herren, ({39}) daß die Sozialpolitik in den Jahren der sozialliberalen Koalition durchaus Augenmaß hatte. Deshalb gibt es für mich auch keinen Anlaß, mich von dieser Sozialpolitik nachträglich zu distanzieren. ({40}) Wir haben die Sozialgesetzgebung keineswegs überzogen und mit Geld um uns geworfen. Die Sozialausgaben sind expandiert, weil das soziale Netz durch die Arbeitslosigkeit und Kostensteigerung im Gesundheitswesen schon damals immer mehr belastet worden ist. Wenn Kritik an der Sozialpolitik der sozialliberalen Koalition zu üben ist, dann die, daß es uns damals nicht gelungen ist, diese Strukturprobleme von den Ursachen her zu lösen. ({41}) Wo wäre dies augenfälliger als z. B. im Gesundheitswesen, das von immer neuen Kostenkrisen geschüttelt wird? Wir hatten Mitte der 70er und Anfang der 80er Jahre die Kostenentwicklung in der Krankenversicherung durch wirksame Kostendämpfungsmaßnahmen mittelfristig beruhigt, was auch dieser Koalition zugute gekommen ist. Diese Zeit der Ruhe sollte zur Lösung der Strukturprobleme im Gesundheitswesen genutzt werden. ({42}) Daß die Strukturprobleme dann nicht angepackt wurden, meine Damen und Herren, liegt ({43}) - so paradox das klingen mag - im Erfolg der Kostendämpfungsgesetze begründet. Die durch sie vorübergehend erfolgte Kostensenkung und Stabilisierung haben die Einsicht in die Notwendigkeit einer Strukturreform vermindert, ({44}) vor allem bei den Erbringern von Gesundheitsleistungen. ({45}) Aber es gibt noch einen anderen Grund: Die Vorstellungen der ehemaligen Koalitionspartner über die Inhalte einer Strukturreform im Gesundheitswegen gingen so weit auseinander, daß es zur Strukturreform nicht kommen konnte. ({46}) Aber dann muß man das auch sagen, und ich sage es hier. Aber, liebe Frau Kollegin, von einer Lösung der Strukturprobleme ist auch die heutige Regierungskoalition meilenweit entfernt, ({47}) obwohl Sie dabei die Unterstützung der SPD-Fraktion hätte - immer wieder haben wir ihr das angeboten -, die die CDU/CSU im Bundestag und im Bundesrat der sozialliberalen Koalition verweigert hat. ({48}) - Wenn Sie jetzt nach dem Konsens rufen, ist das schlimm, lieber Herr Kollege. Der jetzigen Koalition fehlt der Wille, aber auch die Kraft zur Lösung dieser Probleme, denn sie ist mit mächtigen Interessengruppen verfilzt, ({49}) die keine veränderten Strukturen wollen, damit es z. B. bei den hohen Gewinnen im Gesundheitswesen bleibt. ({50}) Deshalb verweigert diese Koalition vor der Bundestagswahl jede Auskunft darüber, wie sie die Probleme lösen will. Es gehört zu den schmerzlichen Erfahrungen meiner parlamentarischen Arbeit, daß die sozialliberale Koalition gezwungen war, Sozialleistungsverbesserungen später teilweise zurückzunehmen. ({51}) Eine Sozialpolitik, die in den Wachstumsjahren gut war, konnte nicht mehr ohne Korrektur fortgeführt werden. Deshalb war die Konsolidierungspolitik der sozialliberalen Koalition notwendig und richtig. ({52}) Unsere Absicht war es, die Sozialsysteme sozial ausgewogen - unter gerechter Verteilung der sich daraus ergebenden Lasten - an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, um das soziale Netz zu halten. Wir haben Grund, dazu auch heute noch im Prinzip zu stehen - allerdings nicht in jeder Einzelfrage; hier sei beispielhaft das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz genannt. ({53}) Die sozialliberale Konsolidierungspolitik - das ist besonders wichtig - unterschied sich grundsätzlich von der späteren Kürzungspolitik der „Wende"Koalition. Wir wollten und wir wollen an einer sozialstaatlich orientierten Politik festhalten. ({54}) Privatisierung von Lebensrisiken - ausgerechnet Sie, liebe Frau Kollegin! - lehnen wir ab, und Sie wollen sie. ({55}) Demontage des kollektiven Sicherungssystems lehnen wir ab, und Sie wollen sie. Eine Verschlechterung des sozial- und arbeitsrechtlich geschützten Arbeitnehmerstatus kam und kommt für uns nicht in Frage. Für Sie kommt das allemal in Frage. ({56}) Demgegenüber ist für die Koalition aus CDU/CSU und FDP der Sozialstaatsabbau zum bewußt und willentlich eingesetzten Instrument der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik geworden. ({57}) Ihre Absicht war und ist es, durch Umverteilung von unten nach oben Wirtschaftswachstum zu erzeugen. ({58}) Sie meint, man müsse denjenigen, die sie „Leistungsträger" nennt, mehr geben und es den anderen wegnehmen, ({59}) die nach Ihrer Auffassung zuwenig leisten. ({60}) Sie meint, daß man die Arbeitnehmer schlechter bezahlen, disziplinieren und ihrer gesicherten Rechtsposition berauben muß, um die Arbeitslosigkeit zu verringern. ({61}) - Dies ist, glaube ich, in jedem einzelnen Punkt nachweisbar. ({62}) Um mehr Wirtschaftswachstum zu erreichen, will sie eine andere Republik mit mehr Ungleichheit und mit weniger sozialem Schutz. ({63}) Das ist Ihr Programm, das ja mehrfach in richtungsweisenden Strategiepapieren, z. B. von Graf Lambsdorff, übrigens zuletzt - dies war schon nicht mehr amüsant; dies war schon ein trauriger Vorgang - in der „Bild"-Zeitung, oder von Ministerpräsident Albrecht ungeniert formuliert worden ist. Zwischen einer solchen konservativen und wirtschaftsliberalen Gesellschaftspolitik und der Konsolidierungspolitik, zu der die sozialliberale Koalition gezwungen war, gibt es vom Prinzipiellen her einen unüberbrückbaren Gegensatz. ({64}) Es war mein Anliegen, diesen Gegensatz in meinem Rückblick auf die vergangenen Jahre zur Sozialpolitik noch einmal zu verdeutlichen. ({65}) - Das kann ich mir vorstellen, daß Ihnen das unangenehm ist. Aber bitte stören Sie mich nicht und hören Sie mich erst an! Heute müßte die Regierungskoalition ehrlicherweise zugeben, daß ihr Programm, mit Sozialabbau Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, auf der ganzen Linie gescheitert ist. ({66}) - Ich kenne ja diese Parole von Ihnen. Das einzige, was wirklich funktioniert hat, war die massive Umverteilung von unten nach oben und damit die Bekämpfung der Arbeitslosen statt der Arbeitslosigkeit. ({67}) Das belegen die statistischen Zahlen eindeutig. Nun hören Sie sich das einmal an. Von dem Zuwachs des Volkseinkommens von 1982 bis 1986, insgesamt 302 Milliarden DM, haben die Arbeitnehmer nur 53 Milliarden DM - das sind klägliche 17,5 % - erhalten. ({68}) Der Rest ging an die Kapitalbesitzer und Unternehmer sowie an den Staat. Betrachtet man den Teil des seit 1982 zusätzlich erarbeiteten Volkseinkommens, der nach Abzug der zusätzlichen Steuern und Sozialabgaben zur Verteilung zur Verfügung stand, so ergibt sich, daß die Arbeitnehmer hiervon nur 26 %, die sehr viel kleinere Gruppe der Kapitalbesitzer und Unternehmer aber stolze 74 % erhalten hat. ({69}) - Aber Sie haben davon sicher schon gehört. Die versprochenen Erfolge, die mit dieser Umverteilungspolitik verbunden sein sollten, sind völlig ausgeblieben. Es gibt rund 400 000 Arbeitslose mehr als 1982. Die durchschnittlichen Nettoreallöhne der Arbeitnehmer sind niedriger als im Jahre 1982. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen liegt inzwischen bei über 700 000. Immer weniger Arbeitslose erhalten noch Arbeitslosengeld. Im Jahre 1982 erhielten noch 51,1 % der Arbeitslosen diese Versicherungsleistung. Inzwischen sind es nur noch 36,1 %. Der Anteil der Arbeitslosenhilfeempfänger unter den gemeldeten Arbeitslosen ist im gleichen Zeitraum von 15,4 auf 26,9 % angewachsen. ({70}) Immer mehr Arbeitslose müssen Sozialhilfe in Anspruch nehmen. 13 % der gemeldeten Arbeitslosen bezogen im Herbst letzten Jahres Sozialhilfe. Neuere Zahlen liegen nicht vor. Von 1982 bis zum Herbst letzten Jahres hat sich die Zahl der Arbeitslosen, die Sozialhilfe beziehen, verfünffacht. Eine aktuellere Zahl liegt nicht vor. 42 % der arbeitslosen Frauen waren im Herbst letzten Jahres ohne Arbeitslosenunterstützung. Inzwischen erhalten 58 % der arbeitslosen Jugendlichen unter 20 Jahren weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe. ({71}) Von den arbeitslosen Jugendlichen ohne Berufsausbildung sind es sogar 74 %. Arbeitslose Schwerbehinderte sind durchschnittlich 20,2 Monate arbeitslos und damit doppelt so lange wie die Arbeitslosen insgesamt. Die Verschlechterung des Schwerbehindertenschutzes, die diese Regierungskoalition durchgesetzt hat, meine Damen und Herren, wird diese Situation eher noch zuspitzen. ({72}) - Das ist doch bewiesen. Armut unter den Arbeitslosen ist wieder fester Bestandteil dieser Gesellschaft geworden. In immer stärkerem Maße werden die sozialen Lasten der Arbeitslosigkeit auf die Betroffenen, ihre Familien und die Sozialhilfe abgewälzt. ({73}) - Ja, auf Grund von Gesetzesbeschlüssen des Deutschen Bundestages. Das ist doch die Wahrheit. ({74}) Zu diesen Zahlen paßt wirklich - meine Damen und Herren, hören Sie sich das an - wie die Faust aufs Auge die Tatsache, daß die Bundesanstalt für Arbeit Überschüsse in Milliardenhöhe angesammelt hat. Trotz steigender und sich verfestigender Arbeitslosigkeit sind in den Nürnberger Kassen inzwischen 5,5 Milliarden DM aufgelaufen - 5,5 Milliarden DM! ({75}) Diese Überschüsse sind ausschließlich Folge der nachhaltigen Demontage der Arbeitslosenversicherung, ({76}) der eben von mir genannten Kürzungen des Arbeitsförderungsgesetzes. Mindestens anderthalb Millionen Arbeitnehmer haben keinen Dauerarbeitsplatz, und täglich werden es mehr. Sie haben lediglich einen sehr unsicheren, auf höchstens 18 Monate befristeten Arbeitsvertrag. Dies ist auf ein Gesetz zurückzuführen, das sich zynischerweise Beschäftigungsförderungsgesetz nennt und von dieser Regierungskoalition am 1. Mai 1985 in Kraft gesetzt worden ist. ({77}) Die Beziehungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern sind aufs äußerste belastet. Was immer die heutige Bundesregierung an wirtschaftspolitischen Erfolgen aufweisen kann, ist nicht das Ergebnis ihrer eigenen Politik. ({78}) Was auch immer sie meint vorzeigen zu können, sie muß sich mit fremden Federn schmücken. Das Wirtschaftswachstum verdankt sie in erster Linie - ich sage: in erster Linie - dem gewaltigen, mit Haushaltsdefiziten bezahlten Aufrüstungsprogramm der Vereinigten Staaten, also einer Keynesianischen Politik, die sie ansonsten hier, zu Hause, verteufelt. Die begrüßenswerte Preisstabilität verdankt sie dem sinkenden Dollarkurs und den Ölscheichs. ({79}) Den bescheidenen Zuwachs an Arbeitsplätzen verdankt sie der sich weiter ausbreitenden Aufteilung von Vollzeit- in Teilzeitarbeitsplätze und der Arbeitszeitverkürzung, die weitergehen muß und die der Bundeskanzler als dumm, töricht und absurd beschimpft hat. Die destruktive Sozialpolitik seit 1982, die versucht, durch bewußt geplanten Sozialstaatsabbau die Wirtschaftskrise zu beheben, ist, so meine ich, gescheitert. ({80}) Die Zahlen zeigen, daß zwar der unternehmerische Spielraum extrem erweitert worden ist, daß aber Erfolge, die sich für die Masse der Bevölkerung, insbesondere für die Arbeitslosen auszahlen, ausgeblieben sind. ({81}) Die Sinnlosigkeit der Opfer, die Sozialleistungsempfängern und Arbeitnehmern aufgebürdet worden sind, müßte inzwischen jedem klargeworden sein. ({82}) Deshalb bin ich der Überzeugung, daß die Zukunft wieder einer konstruktiven Sozialpolitik gehören wird, die den Sozialstaat sichert. ({83}) Dies kann aber, meine Damen und Herren, keine Rückkehr zur Sozialpolitik der ersten Hälfte der 70er Jahre bedeuten, denn die ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen haben sich zu sehr geändert, als daß man diese Politik ohne weiteres fortsetzen könnte. Ich gehöre zu einer Generation von Sozialpolitikern, die dies in den letzten zehn Jahren lernen mußte. Über diese Veränderungen ist viel diskutiert und geschrieben worden. Das bedeutet: Die Sozialpolitik darf nicht mehr allein auf quantitative Leistungsexpansion, d. h. Leistungsausweitung, setzen. Die historisch gewachsenen Strukturen müssen schrittweise geändert werden. Nur durch Umbau kann der Sozialstaat gerechter, besser und leistungsfähiger werden. Nur so ist ein destruktiver Sozialstaatsabbau vermeidbar. ({84}) Ich habe gesagt: durch Umbau - wir werden Sie in der nächsten Legislaturperiode daran erinnern müssen - und nicht durch die Verfestigung von Besitzständen, die, meine ich, so wie sie bestehen, nicht aufrechterhalten werden können. Ich meine, daß daraus folgende Forderungen abzuleiten sind: Finanz-, Wirtschafts- und Sozailpolitik müssen stärker aufeinander abgestimmt werden. Die Sozialpolitiker haben lernen müssen, daß sich ihre Politik in einen ökonomischen Rahmen einpassen muß, daß sie Prioritäten setzen müssen und daß nicht alles Wünschenswerte finanzierbar ist. ({85}) - Ich freue mich über Ihre Zustimmung. - Die Wirtschafts- und Finanzpolitiker - vor allem von seiten der CDU/CSU und der FDP, so meine ich - müssen umgekehrt erst noch lernen, die sozialen Kosten und Erträge ihres Tuns oder Unterlassens in ihre Rechnung einzustellen. Es geht nicht an, einerseits nur die fiskalischen Folgen von notwendigen Maßnahmen der Beschäftigungs- oder Arbeitsmarktpolitik zu berücksichtigen und daraus zu schließen, daß sie angeblich nicht finanzierbar seien, aber andererseits die Kosten hingenommener Arbeitslosigkeit - es sind derzeit über 55 Milliarden DM im Jahr - bei solchen Planungen und Entscheidungen unter den Tisch fallen zu lassen. ({86}) Die Sozialpolitik muß langfristiger und systematischer angelegt werden. Die ständigen Reparaturarbeiten an unserem Netz der sozialen Sicherheit zerstören die für unseren Sozialstaat notwendige Vertrauensbasis. Es wäre gut, wenn die Zahl der Änderungs- und Ergänzungsgesetze, die pro Legislaturperiode verabschiedet werden - da haben Sie ja in dieser Legislaturperiode einen Rekord geschlagen-, ({87}) drastisch reduziert würde, um jedes einzelne Gesetz gründlicher durchdenken und sorgfältiger beraten zu können, jedenfalls sorgfältiger, als es in der letzten Legislaturperiode geschehen ist. ({88}) Das beste Beispiel hierfür ist die Rentenpolitik, wo die Flickschusterei seit Amtsantritt des gegenwärtigen Bundesarbeitsministers, wie ich meine, beängstigende Formen angenommen hat. ({89}) Es reicht einfach nicht aus, von Fall zu Fall - ({90}) - Sie stimmt ja noch nicht einmal. ({91}) Sie stimmt ja günstigstenfalls bis 1990. Dann ist der Ofen aus. ({92}) Sie machen den Wählern etwas vor, indem Sie nicht den Mut haben, ihnen vor der Wahl zu sagen, wie eine solche Reform aussehen soll, mein bester Herr. So ist es. Ich finde, dies ist nicht in Ordnung. ({93}) - Das kann doch alles nicht wahr sein. Wenn hier jemand die Rentner in dieser Legislaturperiode bestohlen hat, dann sind Sie es gewesen. Alles andere, was dem vorausgegangen ist, ist mit Ihrer Zustimmung erfolgt. - Damit das einmal klar ist. ({94}) Die Sozialpolitik muß über die einzelnen Institutionen hinausgreifen und deren Institutionsegoismus hinter sich lassen. Die Sozialpolitik muß die berufsständischen Privilegien beseitigen, die historisch gewachsen sind. Die Probleme der Sozialpolitik sind in der Tat so gravierend, daß sie allein schon wegen unseres föderalistischen Staatsaufbaus nicht ohne Kooperation über die Parteigrenzen hinweg, d. h. zwischen der jeweiligen Bundesregierung und der jeweiligen Opposition gelöst werden können. Aber ein solcher Konsens ist nicht zum Nulltarif zu haben, er setzt voraus, daß sich CDU/CSU und FDP von einer Sozialpolitik verabschieden, die die Umverteilung von unten nach oben fördert und die auf Sozialabbau und die Aushöhlung zentraler Arbeitnehmerrechte zielt. ({95}) Ich bin aber skeptisch, ob sich die sozialstaatlich orientierten Kräfte in der Koalition durchsetzen werden. Die Änderung des § 116 Arbeitsförderungsgesetz z. B. hat ja gezeigt, daß es in dieser Koalition so etwas wie eine sozialpolitische Stahlhelmfraktion gibt, die letztlich die Oberhand behalten könnte. ({96}) Ein Konsens setzt zudem eine Änderung des Verfahrens voraus. Er ist nicht zu erreichen, wenn wichtige sozialpolitische Entscheidungen zuerst verschleppt, wenn die Lösungsvorschläge dann von der Ministerialbürokratie im Geheimen ausgeheckt werden, wenn danach Koalitionszirkel die Pläne überstürzt absegnen und schließlich die fertigen Gesetzentwürfe dem Parlament mit der Maßgabe präsentiert werden, sie binnen kürzester Frist ohne ausreichende Beratung zu verabschieden. Einen Konsens kann es nur als Ergebnis eines offenen und ehrlichen Diskussionsprozesses geben. Nur so werden sozialpolitische Reformen zustande gebracht werden können, die über den Tag hinaus Bestand haben. Nur so kann unser Volk ausreichende Antworten auf die sozialen Fragen unserer Zeit erhalten, auf die es, so meine ich, einen Anspruch hat. Ich hoffe, daß auch CDU/CSU und FDP dazu bereit und in der Lage sind. - Wir werden sehen. Jedenfalls wünsche ich den Mitgliedern des Deutschen Bundestages in der 11. Wahlperiode den guten Willen dazu, aber auch die notwendige Klugheit und Weisheit. Den Kolleginnen und Kollegen des 10. Deutschen Bundestages, vor allem denen, die es gut mit mir meinten und mir eine faire Chance zur Zusammenarbeit gaben - das waren nicht nur die Mitglieder meiner Fraktion, sondern auch viele Mitglieder der anderen Fraktionen -, danke ich sehr. Das gilt auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SPD-Bundestagsfraktion sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung. Alle diejenigen, die meinen, daß ich sie ungerecht behandelt hätte - das werden wohl nicht wenige sein -, ({97}) bitte ich um Vergebung. - Sie haben besonders darunter gelitten. All das soll nicht mehr vorkommen. ({98}) Ich wünsche Ihnen alles Gute. ({99})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Kollege Glombig, nach Ihren letzten Worten war dies vermutlich die letzte Rede, die Sie vor dem Deutschen Bundestag gehalten haben. Nach sieben Wahlperioden werden Sie dem nächsten Deutschen Bundestag nicht mehr angehören. Wir danken Ihnen für Ihre engagierte, insbesondere der Sozialpolitik geltende parlamentarische Tätigkeit, ganz besonders aber auch für Ihre verdienstvolle Arbeit als Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages und wünschen Ihnen auf Ihrem weiteren Lebensweg alles Gute. ({0}) Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strube.

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Glombig, auch in Ihrer letzten Rede, die Sie vor diesem Hohen Haus gehalten haben, sind Sie sich selbst treu geblieben. ({0}) Ich möchte Ihnen aber hier auch im Namen meiner Kollegen für Ihren politischen Ruhestand alles Gute wünschen. ({1}) -Na, warten wir es mal ab; wir werden ja sehen. ({2}) Ebenso wie der Bundeshaushalt 1987 ein Spiegelbild der vorbildlichen Konsolidierungspolitik der Regierungskoalition ist, ist der Sozialetat ein SpieStrube gelbild der Sicherung und des Ausbaus des sozialen Netzes. ({3}) In Ihrem Wahlprogramm des Jahres 1983 behauptete die SPD, an uns gerichtet - Zitat - : „Ihre soziale Sparpolitik wird Hunderttausenden zusätzlich ihren Arbeitsplatz nehmen." ({4}) - Seien Sie mal ruhig! Nur zwei Wörter, meine Damen und Herren, stören mich an dieser Aussage. Ersetzen wir das Wort „nehmen" durch „geben", und streichen wir das Wort „Spar-", dann wird richtiggestellt: Unsere soziale Politik hat Hunderttausenden einen Arbeitsplatz gegeben. ({5}) Dies ist nicht nur ein Wortspiel, dies ist die Wahrheit. Die SPD versucht, durch Halbwahrheiten, Verdrehung der Sachverhalte und ideologische Kampfaussagen ihr politisches Süppchen auf Kosten der CDU/CSU und der FDP zu kochen. ({6}) Bei genauem Hinsehen entpuppt sich die SPD-Suppe als eine Suppe ohne Fettaugen und ohne Fleischeinlage. ({7}) Auch die ständig wiederholte Behauptung von der Umverteilung von unten nach oben ist nichts anderes als ein Griff in die sozialistische Märchenkiste. ({8}) Die SPD unterliegt der irrigen Meinung, daß durch oftmalige Wiederholung etwas wahr werde. ({9}) Sie sind, meine Kollegen von der SPD, zu einer Partei der leeren Inhalte geworden. ({10}) Die Summe aller Sozialleistungen lagen im Jahre 1982 - nun hören Sie gut zu, Herr Lutz - bei 524 Milliarden DM. Sie wird 1986 auf 604 Milliarden DM steigen. Damit liegen die Sozialleistungen 1986 um 80 Milliarden DM oder 15,3% höher als 1982. ({11}) Pro Kopf der Bevölkerung bedeutet dies einen Anstieg aller Sozialleistungen ({12}) von 8 508 DM auf 9 921 DM oder 16,6 %. ({13}) Nicht Sozialabbau, sondern Sozialausbau ist ein Wesensmerkmal christlich-sozialer Politik. Im Haushaltsplan 1987 ist der Haushalt des Bundesarbeitsministeriums mit 59,5 Milliarden DM wiederum der größte Einzeletat. Er wächst gegenüber 1986 um ca. 1 %. ({14})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, Herr Präsident, ich möchte keine Zwischenfragen zulassen. Die Opposition hat hinreichend Zeit, sich hinterher hier zu äußern. ({0}) Die größten Blöcke sind die Zuschüsse an die Sozialversicherungen mit 36,8 Milliarden DM, die Ausgaben für Kriegsopfer mit 12,4 Milliarden DM und Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz mit 9,7 Milliarden DM. Zur Zahlung für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung stehen 500 Millionen DM zur Verfügung. Meine Damen und Herren, zwischen allen Experten der Rentenversicherung besteht Einvernehmen darüber, daß die kurz- und mittelfristige Finanzentwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung als gesichert angesehen werden kann. ({1}) Zum Ende dieses Jahres und in jedem Kalendermonat des nächsten Jahres werden deutlich mehr als eine Monatsrente als Schwankungsreserve zur Verfügung stehen. Erst vor wenigen Tagen wurde in diesem Hohen Hause das Rentenanpassungsgesetz 1987 verabschiedet. Danach werden die Renten zum 1. Juli nächsten Jahres um 3,7 % erhöht. ({2}) Nach Abzug von 0,7 % Krankenkassenversicherungsbeitrag ergibt sich eine Erhöhung der verfügbaren Renten um 3 %. Wie bereits in diesem Jahr wird auch 1987 die effektive Rentenerhöhung deutlich über der zu erwartenden Preissteigerungsrate liegen. Meine Damen und Herren, bei den Stichworten Geldwertstabilität und Preissteigerungsrate werden für jedermann die feinen, aber doch so bedeutsamen Unterschiede zur SPD-Regierungszeit deutlich. Eine der herausragendsten sozialpolitischen Leistungen der vergangenen Jahre ist die Anerkennung der Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung. ({3}) Mütter bzw. Väter, die am 1. Januar 1986 das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, erhalten in der gesetzlichen Rentenversicherung für jedes Kind, das sie erziehen, die ersten Monate nach Ablauf des Geburtsmonats als Erziehungsjahr angerechnet. Dieses Jahr wirkt rentenbegründend und rentensteigernd. Mit der Anerkennung von Kindererziehungszeiten wurde endlich die Benachteiligung derjenigen abgebaut, die wegen der Erziehung kleiner Kinder nicht oder nur in geringem Umfang erwerbstätig sein konnten. Anfang Juli dieses Jahres hat die Koalitionsrunde beschlossen, auch alle vor 1921 geborenen Mütter von Oktober 1987 an, beginnend mit den ältesten, stufenweise in die Anrechnung von Kindererziehungszeiten einzubeziehen. ({4}) Die hier vorgesehenen Mittel sind für 1987 in den Haushalt eingestellt. ({5}) Nachdem die SPD in 13 Jahren Regierungszeit zum Thema Kindererziehungszeiten im Rentenrecht nur heiße Luft abgelassen hat, aber keine Taten vorweisen kann, ({6}) ist sie nun schnell aufs Trittbrett der Erfolgreichen gesprungen und hat einen eigenen Entwurf vorgelegt, leider wieder nach altem Strickmuster. ({7}) Über 700 000 Frauen, ({8}) die älter als 65 Jahre sind, gingen nach Ihrem Muster leer aus, weil sie keinen eigenen Rentenanspruch haben. - Frau Fuchs, jetzt werden Sie nervös; ich weiß wohl. Sie haben da nichts getan. Das, was Sie ansonsten in der Sozialpolitik gemacht haben, haben Sie auf Pump gemacht. ({9}) Sie gehören eigentlich gar nicht in dieses Haus; Sie müßten nebenan im Pumpenhaus Platz nehmen; da gehören Sie eigentlich hin. ({10}) Von einer Anerkennung der Erziehungszeiten für die sogenannten Trümmerfrauen ist bei der SPD also weiterhin keine Rede, und das ist schlimm, meine Damen und Herren. ({11}) Schlimmer noch ist, daß die SPD, obwohl sie hier null Punkte hat, unfähig ist, sich zu schämen. ({12}) Im Gegenteil: Man kaschiert die eigenen Fehlleistungen mit Schuldzuweisungen an andere. Was noch schlimmer ist: Man schürt Neid und Mißgunst bei den alten Damen. ({13}) Den Rentnern macht man wieder Angst, die Renten seien nicht sicher. Meine Damen und Herren, wer so viel Angst hat, wer so viel Angst schürt und verbreitet und wer sich brüstet, Angst zu haben, der ist regierungsunfähig. ({14}) Solche Politiker brauchen erst einmal eine sehr lange Zeit, um sich selber wieder Mut zu machen. ({15}) Die Menschen draußen im Lande wollen Politiker, die Hoffnung vermitteln, Politiker, denen man Herzensfreude und geistige Frische ansieht, und das findet man nicht bei Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD. ({16}) Sie sehen alle so furchtbar gestreßt aus. Ich habe den Eindruck: Richtig lachen können Sie nur noch einmal im Jahr, und Ihr Herr Vogel geht dann noch in den Keller, damit ihn niemand sieht. ({17}) Meine Damen und Herren, ich habe eingangs das Bild der „SPD-Suppe" gezeichnet und habe gesagt: ohne Fettaugen und ohne Fleischeinlage. Für Fettaugen und Fleischeinlage hat die CDU in der Sozialpolitik gesorgt. Die großen gesellschafts- und sozialpolitischen Weichenstellungen in der Bundesrepublik Deutschland kamen von der Union. ({18}) CDU-Kanzler von Adenauer bis Helmut Kohl, CDUArbeitsminister von Anton Storch bis Norbert Blüm haben diese entscheidenden Reformen in die Wege geleitet und dafür verantwortlich gezeichnet. ({19}) Diese Reformen dokumentieren die sozialpolitische Kompetenz der Union. Erinnern Sie sich bitte: 1950 Bundesversorgungsgesetz, 1951 Montan-Mitbestimmungsgesetz, 1952 Mutterschutzgesetz und das Betriebsverfassungsgesetz, ({20}) - Sicher. Sie hören das doch sicher so gerne. - Weiter: 1953 Schwerbehindertengesetz, 1954 Kindergeldgesetz, 1955 Personalvertretungsgesetz, 1957 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz, Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz und ({21}) - hören Sie gut zu - Einführung der bruttosozialbezogenen dynamischen Rente; ({22}) im gleichen Jahr auch noch das Gesetz über die Altershilfe für Landwirte.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Glombig?

Hans Gerd Strube (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. - 1960 Jugendarbeitsschutzgesetz ({0}) - ja, ich fahre fort - 1961 Bundessozialhilfegesetz und Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer. 1963 folgte dann das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz und 1969 das Arbeitsförderungsgesetz. Nach 1969 waren es dann sozialdemokratische Arbeits- und Sozialminister, ({1}) die verkehrte Zielvorstellungen gegeben haben. Diese verkehrten Zielvorstellungen sind zwar weitgehend in das öffentliche Bewußtsein eingedrungen und haben es gesteuert, letztendlich waren es aber Fehleinschätzungen, die zu Fehlerwartungen führten. ({2}) Sie haben in Ihrer Regierungszeit die trügerische Utopie vom Versorgungsstaat aufgebaut. Folge war die Entpflichtung des einzelnen gegenüber seinem Nächsten. Aber noch bedenklicher war die Lähmung der menschlichen Eigeninitiative. Dieser Versuch des Versorgungsstaates brachte dann leider viele menschliche Zuwendungen zum Erliegen. Die bedenklichste Auswirkung war zweifellos das Aufkommen jenes Versorgungsdenkens, das sehr stark für die politische Lethargie verantwortlich war, die wir bei Regierungsübernahme vorfanden. ({3}) Dahinter stand und steht bei Ihnen die verherrlichte Allmacht des Staates, die den Menschen eine Scheingeborgenheit vorgaukelt, ihn in Wahrheit aber entmündigt. ({4}) Sie sehen, meine Damen und Herren, Kompetenz, Solidität, Aktivität, Innovationskraft auf seiten der Union, ({5}) spiegelbildliche Attribute auf seiten der SPD! ({6}) Die durch Sie notwendig gewordene Konsolidierungspolitik hat den Gestaltungswillen und das Gestaltungsvermögen der Union nicht gelähmt. Haushaltskonsolidierung und aktive Sozialpolitik schließen einander bei uns nicht aus. Norbert Blüm hat bedeutsame sozialpolitische Weichen gestellt. ({7}) An erster Stelle sind das 1985 verabschiedete Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu nennen. Weitere wichtige sozialpolitische Gesetze waren das Vorruhestandsgesetz, das Beschäftigungsförderungsgesetz, aber auch das Arbeitsförderungsgesetz und das Dritte Agrarsoziale Ergänzungsgesetz sowie das Vermögensbeteiligungsgesetz, alles Marksteine unserer Sozialpolitik. Abschließend stelle ich fest, daß wir zufrieden sein können, ({8}) und zwar sowohl mit diesem Sozialetat als auch mit dem Gesamthaushalt 1987. ({9}) Zufrieden sein können wir mit unserer politischen Arbeit in der bald zu Ende gehenden Legislaturperiode. Wer diesen Erfolg leugnet oder sogar ins Gegenteil verkehren will, ({10}) dem müssen noch weitere vier Jahre politische Lehrzeit, ({11}) sprich: Opposition, zugesprochen werden. ({12})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Bueb. ({0})

Eberhard Bueb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000293, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, noch nicht! Meine Damen und Herren! Unser Sozialminister Norbert Blüm tönt landauf, landab, ({0}) der Sozialhaushalt sei noch nie so hoch gewesen; also von Sozialbbau keine Spur. Jedoch sind die Ausgaben für Arbeitsförderung und Sozialhilfe allein durch die langanhaltende Massenarbeitslosigkeit trotz dauernder Kürzungsmaßnahmen von 1980 bis 1986 um rund 100% gestiegen. ({1}) Das sind in diesem Jahr Mehrausgaben von 39 Milliarden DM. Für mich sind diese Mehrausgaben eine Bankrotterklärung einer Wirtschafts- und Sozialpolitik, die nicht verhindern kann und vielleicht auch überhaupt nicht ernstlich verhindern will, daß Massenerwerbslosigkeit und zunehmende Sozialhilfebe19432 dürftigkeit zur ständigen Begleiterscheinung dieser Regierung geworden sind. ({2}) Um das noch als soziale Großtat und qualitative soziale Verbesserung zu verkaufen, braucht es eben einen Karnevalsredner wie Norbert Blüm, der Weltmeister im Gesundrechnen ist und sich hier wieder einmal als statistischer Scharlatan entlarvt hat. Diese Regierung ist in Wirklichkeit für den größten Sozialabbau seit Bestehen dieser Republik verantwortlich. Sie hat planvoll und absichtsvoll Hunderte von Milliarden aus dem Bereich sozialer Ausgaben in andere Sektoren wie Rüstung, Subventionen, Expansionskurs für die Wirtschaft und Steuersenkungen für die Reichen umgeleitet; denn eines wird der Gesundbeter Blüm im Ernst nicht bestreiten können: Allein in diesem Jahr hat diese Regierung den sozial Schwachen durch die unsozialen Einschnitte in das soziale Netz 40 Milliarden DM entwendet, die ihnen, würde die gesetzliche Regelung von 1981 noch bestehen, zugestanden hätten. Das, was diese Regierung an Schweinereien noch vorhat, beschreibt sie im Sozialbericht 1986. ({3}) Die Bundesregierung schreibt dort, daß das Sozialbudget - das ist der Anteil sämtlicher Sozialausgaben am Bruttosozialprodukt - im Jahre 1990 nahezu 29 % betragen soll. Was bedeutet diese Zahl? 1975 betrug die Quote noch 33,7 %. Bereits im Jahre 1982, nach den Sozialabbaumaßnahmen der sozialliberalen Koalition, fiel diese Quote auf 32,8 % zurück. ({4}) Den Herren Kohl und Blüm bleibt es aber vorbehalten, den gigantischen Sozialabbau in die Höhe zu treiben. Bei der geplanten Absenkung der Sozialleistungsquote würden dann im Jahre 1990 den Sozialausgaben sage und schreibe 80 Milliarden DM gegenüber dem entzogen werden, was bei der Fortschreibung der alten Werte von 1982 der Fall gewesen wäre. Bereits jetzt haben Sie auf diesem Weg dem Sozialbudget über 100 Milliarden DM entzogen. Bis zum Jahre 1990 werden Sie bei Fortschreibung der Regelungen, die Sie geplant haben, 350 Milliarden DM den Sozialausgaben entzogen haben. Aber damit nicht genug. Bereinigt man dieses Budget um die Mehrausgaben für Massenerwerbslosigkeit, die ja bei Gott keine qualitative Verbesserung darstellen, so läßt sich zeigen, daß das Sozialbudget während der Verantwortung dieser konservativliberalen Regierung noch drastischer abgesenkt wurde, als dies auf den ersten Blick erscheint. Für den Zeitraum von 1982 bis 1990 müssen weit über 500 Milliarden DM an Umverteilung aus dem Sozialbereich veranschlagt werden. Alle diese Daten, meine Damen und Herren, nenne ich Ihnen, um eines deutlich zu machen: Sozialpolitik ist im wesentlichen auch Verteilungspolitik. ({5}) Wer den Reichen, der Rüstungs- und der Atomindustrie liebedienert, muß den Armen die Augen auskratzen. Gerade zur Bekämpfung der Armut und zur Einführung einer menschenwürdigen Regelung zur Absicherung des Pflegerisikos sei, so heißt es bei der Regierung, kein Geld vorhanden. Ihre Umverteilungsmaßnahmen belegen: Geld ist genug da. Aber die, die es verdienen, erhalten es nicht. ({6}) Die GRÜNEN haben bei den diesjährigen Haushaltsberatungen deshalb zwei grundlegende Änderungsanträge eingebracht, die an den brüchigsten Stellen des Sozialstaates ansetzen, am Problem der Armut und am Problem des Pflegewesens, das grundlegend zu reformieren ist. ({7}) - 11,5 Millionen Menschen, Herr Kollege, in unserem Land haben ein Einkommen von unter 1 000 DM monatlich. Und da sagen Sie: Es gibt keine Armut. ({8}) Wir fordern eine bedarfsorientierte Grundsicherung, die jedem Alleinstehenden mindestens 1 000 DM zur Verfügung stellt, ({9}) alten und erwerbsunfähigen Menschen eine Mindestrente von 1 200 DM. Wir fordern darüber hinaus ein bedarfsorientiertes Kindergeld, welches sich eben nicht an der Ordnungszahl der Kinder orientiert, sondern an den materiellen Bedürfnissen der Kinder, je nach Alter. Zum Ausgleich der durch die Kindererziehung entstehenden Belastungen ist eine Reform der Leistungen für die Betreuung von Kindern notwendig. ({10}) Wir fordern deshalb ein existenzsicherndes Betreuungsgeld, damit vor allem Alleinerziehende, aber auch in eheähnlichen Gemeinschaften und in Ehe lebenden Eltern die Möglichkeit gegeben wird, sich zeitweilig der Erziehung ihrer Kinder zu widmen, ohne Benachteiligungen bei der sozialen Sicherung, ohne Benachteiligungen im Hinblick auf ihre materielle Sicherheit in Kauf nehmen zu müssen und vor allen Dingen ohne auf eine private Unterhaltsleistung anderer angewiesen zu sein. ({11}) - wie Sie unseren Anträgen entnehmen können, haben wir detaillierte Finanzierungsvorschläge gemacht, wie eine solche bedarfsorientierte GrundsiBueb cherung und das Betreuungsgeld und damit weitgehende Freiheit von Armut sichergestellt werden könnten. ({12}) - Sie lachen? Ich habe Ihnen gerade vorhin gesagt: Sie wollen 500 Milliarden DM bis zum Jahre 1990 umverteilen. ({13}) - Drohen wäre so. Ich mache so. Zum zweiten haben wir in diesen Haushaltsberatungen unseren bereits seit zwei Jahren vorliegenden Gesetzentwurf zur Neuordnung der Pflegefinanzierung eingebracht. Wir fordern darin den massiven Ausbau der ambulanten Pflege, die stufenweise Einstellung der Heimpflege, eine Regelung, die die Bedürftigen in die Lage versetzt, selbst über die Form ihrer Pflege und ihrer Lebensweise zu bestimmen. Dieser Staat kann sich eben nur sozial nennen, wenn er verhindert, daß Menschen auf Grund ihrer Behinderung zu Sozialhilfeempfängern werden. Dieser Staat kann sich nur sozial nennen, wenn er es nicht zuläßt, daß Behinderten das Recht verweigert wird, darüber zu bestimmen, wo, wie und durch wen sie sich pflegen lassen wollen. Dieser Staat kann sich eben nur sozial nennen, wenn er der Aussonderung der Behinderten in Großpflegeheimen wirksam entgegenarbeitet. Es wird sich zeigen, ob diese Gesellschaft human ist. Sie ist es jedenfalls so lange nicht, wie sie Leute, die nichts für ihre Behinderung können, in Großheime verbringt. ({14}) Die Vorschläge der GRÜNEN sind unserer Meinung nach auch im höchsten Maße beschäftigungswirksam. Wir haben errechnet: 200 000 neue Arbeitsplätze müßten im Pflegebereich entstehen, um unserem Ansatz gerecht zu werden. Das gigantische Umverteilungsprojekt von unten nach oben, das von der jetzigen Bundesregierung betrieben wird, entzieht allen Argumenten von rechts, daß diese Vorschläge der GRÜNEN nicht finanzierbar seien, den Boden unter den Füßen. ({15}) Wir leben in einer reichen Gesellschaft. Oder bestreiten Sie das? Es kommt darauf an, diesen Reichtum auch denjenigen zugänglich zu machen, die auf der Schattenseite des Lebens stehen. ({16}) Dafür stehen die Änderungsvorschläge der GRÜNEN. ({17})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Adam-Schwaetzer.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Glombig, wir haben uns im Ausschuß wirklich oft gestritten. Ich weiß, daß ich Sie oft provoziert habe; Sie haben mich allerdings genausooft provoziert. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, daß ich Ihnen heute aus vollem Herzen hätte Dank sagen können für die gemeinsame Arbeit der letzten Jahre. ({0}) - Ist er noch da? ({1}) - Gut, dann richten Sie es ihm bitte aus. Ich finde es schade, daß er eine so polemische Rede gehalten hat. Zwischendurch hat es ja ein Intermezzo gegeben, wo man den Eindruck haben konnte, daß er durchaus noch richtige Erkenntnisse aus der Regierungszeit der sozialliberalen Koalition mitgenommen hat. ({2}) Aber offensichtlich hat er diese Erkenntnisse in der Opposition genauso schnell vergessen wie ein paar Kollegen der CDU/CSU die richtigen Erkenntnisse aus der Oppositionszeit, seit sie in der Regierung sind. ({3}) Die unbestrittenen Leistungen von Eugen Glombig weiß die FDP wohl zu würdigen. Meine Kollegen, die mit ihm in den 70er Jahren eng zusammengearbeitet haben, denken gerne an die Zeit zurück. ({4}) Ich möchte gerne eine weitere Vorbemerkung machen. Nachdem ich die Rede von Herrn Strube gehört habe - aber das ist wirklich nur ein Beispiel für all das, was gestern auch abgelaufen ist -, muß ich sagen: Die Selbstbeweihräucherung sowohl der SPD wie der CDU/CSU mag ich eigentlich überhaupt nicht hören. ({5}) Ich finde, man sollte den Mut und die menschliche Größe aufbringen, auch die Leistungen der anderen anzuerkennen. Herr Strube, es hat nicht nur Sozialpolitik gegeben, solange die CDU/CSU an der Regierung war bzw. ist. Es hat auch Sozialpolitik in den 70er Jahren gegeben. ({6}) Wir als Freie Demokraten stehen dazu. Übrigens höre ich von den Kollegen überhaupt keine Kritik z. B. an den Grundlagen des Schwerbehindertenrechtes, höre ich überhaupt keine Kritik an vielen anderen Dingen, die in den 70er Jahren gemacht worden sind. Deshalb, finde ich, sollten wir uns wirklich enthalten, eine solch einseitige Darstellung der Dinge zu geben. ({7}) - Herr Sielaff, Sie sind in diese Kritik durchaus eingeschlossen. Die Sozialgesetzgebung von 1969 bis 1982 hat in der Tat, Herr Kollege Glombig, eine ganze Menge geschaffen. Die FDP steht zum Ausbau der Grundlagen der sozialen Sicherung in den 70er Jahren. Aber nicht einmal Herr Glombig hat bestritten, daß es notwendig gewesen ist, diese Grundlagen an die Finanzierbarkeit der 80er Jahre anzupassen. Das allerdings haben wir getan. ({8}) Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ist wieder einmal der größte Einzeletat des Bundeshaushalts überhaupt. Mit 22 % nimmt er fast ein Viertel der Gesamtausgaben des Bundes ein. ({9}) - Diese 3 % werden uns mit Sicherheit nicht fehlen. Dafür werden Sie schon sorgen. Da bin ich ganz sicher. Denn wenn Sie so weitermachen, wird es auch viele Sozialdemokraten geben, die sagen: Besser FDP wählen und damit eine standfeste Koalition haben. ({10}) Meine Damen und Herren, die größte Herausforderung der nächsten Jahre wird nach wie vor die Arbeitslosigkeit sein. ({11}) Wir sind noch nicht so weit, daß wir sagen könnten, die Probleme des Arbeitsmarktes hätten wir überwunden. Wir werden in den nächsten Jahren noch weitere, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen haben. Denn wie uns das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sagt, wird die weitere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt davon gekennzeichnet sein, daß das Erwerbspersonenpotential Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre weiterhin steigen wird. Das ist einerseits dadurch bedingt, daß nach wie vor die geburtenstarken Jahrgänge auf den Arbeitsmarkt drängen, zum anderen aber auch dadurch, daß die ausländische Bevölkerung einen höheren Anteil am Erwerbspersonenpotential stellt, aber auch dadurch, daß die Frauenerwerbsbeteiligung ansteigen wird. Meine Damen und Herren, die Lebenspläne von Frauen haben sich geändert. ({12}) - Ihr Redner hat dazu aber kein Wort gesagt. - Wir müssen darauf Rücksicht nehmen. Wir dürfen die Frauen nicht nach Hause schicken. Denn jeder hat das Recht auf eine eigene Lebensgestaltung, nicht nur die Männer. ({13}) Wir sollten den Frauen keine falsche Bescheidenheit einreden, ({14}) nach dem Motto: Ihr habt euch auf dem Arbeitsmarkt erst zurückzumelden, wenn alle Männer einen Arbeitsplatz gefunden haben. ({15}) Weil wir - ich hoffe, daß Sie auch jetzt noch klatschen - das ernst genommen haben, weil wir auch gesehen haben, wie sich die Frauen auf den Arbeitsmarkt zurückmelden, haben wir gehandelt. Mit der Siebten Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz und der Einführung von Teilzeitweiterbildung ({16}) haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß Frauen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt schaffen können. ({17}) Wir haben im Haushalt daraus die richtigen Konsequenzen gezogen, meine Damen und Herren. Wir haben die Mittel für Fortbildung und Umschulung schon dieses Jahr drastisch erhöht. Im nächsten Jahr werden wir sie auf diesem hohen Ansatz weiterfahren. Wir hatten 1986 460 000 Neueintritte in qualifizierende Maßnahmen, finanziert von der Bundesanstalt für Arbeit. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, daß hier die richtigen Ansatzpunkte gefunden worden sind. Wir brauchen mehr Qualifikation, um zum einen den Frauen mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt einzuräumen, aber auch, um den jetzigen Arbeitslosen mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu geben. ({18}) Denn über 50 % der Arbeitslosen haben keine abgeschlossene Ausbildung. Das heißt, sie müssen sich sie erst noch erwerben. Die Mittel stehen bereit. Wir fordern sie auf, davon Gebrauch zu machen. Wir haben die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für 1987 auf dem hohen Stand von 1986 gehalten: 110 000. Das ist für alle diejenigen eine Hoffnung und eine Chance, die einem Verlust von Qualifikation durch lange Arbeitslosigkeit vorbeugen wollen. Wir werden darüber hinaus 1987 die Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld für ältere langfristig Arbeitslose verlängern. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit gerade älterer Arbeitnehmer hat sich drastisch erhöht. Darauf müssen wir eine Antwort geben. Wir tun es mit der Verlängerung des Bezugs von Arbeitslosengeld. Meine Damen und Herren, nach wie vor bekennt sich die FDP zu ihrer Verantwortung für die Kriegsopfer, auch vierzig Jahre nach Ende des Krieges. ({19}) Wir halten nach wie vor an der Dynamisierung der Kriegsopferversorgung und der Dynamisierung der Anpassung fest. Wir müssen allerdings in der Zukunft das Älterwerden der Kriegsopfer und ihrer Angehörigen stärker berücksichtigen. Wir haben deshalb sehr viel Verständnis für die Forderungen der Kriegsopferverbände nach einer Verbesserung des Berufsschadensausgleichs. Wir werden sehr sorgfältig prüfen, ob und wann Badekuren für Hinterbliebene gewährt werden können, wann eine Verbesserung der Inanspruchnahme von Kuren durch Pflegepersonen nach dem Tod des Pflegebedürftigen angesetzt werden kann. Wir werden auch die Erhöhung der Zulage für die Begleitung von Blinden prüfen. Kriegsopferversorgung ist eine Verpflichtung, die uns noch auf viele Jahre begleiten wird. Wir werden sie in der Zukunft genauso ernst nehmen wie in der Vergangenheit. Mit dem Haushalt des Arbeitsministeriums haben wir auch die personellen Voraussetzungen für die Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung geschaffen. ({20}) Die FDP-Vorschläge für diese Strukturreform liegen auf dem Tisch, und ich bedauere es etwas, daß sie bisher noch nicht durch konkretere Vorschläge aus den Reihen der Union ergänzt worden sind. Das Sachverständigengutachten der Weisen zum Herbst 1986 macht an einer Stelle auch Aussagen zur Rentenversicherungsstrukturreform, die wir, glaube ich, sehr sorgfältig prüfen und ernst nehmen sollten. Sie verlangen einerseits eine Neubewertung der Ausbildungszeiten, um damit die Konsequenz aus der verlängerten Ausbildung und der verkürzten Lebensarbeitzeit zu ziehen - dies ist in der Tat ein schwerwiegendes Problem, das wir dringend angehen müssen -, und sie nehmen ausführlich dazu Stellung, daß eine ungerechte Behandlung von Frauen in der Rente heute noch gegeben ist. Es ist richtig, Rente ist Lohn für Lebensleistung, aber, meine Damen und Herren, bisher im wesentlichen Lohn für Lebensleistung von Männern. Das können wir auf die Dauer nicht akzeptieren. Auch Kindererziehung, ist Lebensleistung. Deshalb war es wichtig, daß wir mit der Anerkennung eines Jahres der Kindererziehung einen ersten Schritt gemacht haben. ({21}) Ich bekenne mich dazu, daß die bestehende Regelung Lücken hat. Ich habe auch im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen, daß bei denjenigen, die freiwillige Beiträge geleistet haben, und bei denjenigen, die im Jahr nach der Geburt des Kindes gearbeitet haben, noch keine Gleichbehandlung gewährleistet ist. Aus finanziellen Gründen war damals keine andere Lösung möglich. Ich denke aber, daß wir hier in der Zukunft bessere Lösungen finden müssen. Der nächste Schritt ist schon im Haushalt 1987 verankert. Wir haben 250 Millionen DM für die erste Stufe der Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei Rentnerinnen verankert. Auch hier werden die nächsten Schritte konsequent erfolgen, und ich bekenne mich dazu, daß wir in der Strukturreform der Rentenversicherung auch darauf achten müssen, daß in der Zukunft weitere Schritte zum Ausbau getan werden. Die FDP hat ihre Vorstellungen zur Strukturreform der Rentenversicherung auf den Tisch gelegt. Wir wollen eine Stärkung des Versicherungsprinzips unter Beibehaltung des Gedankens des sozialen Ausgleichs und eine neue Bewertung beitragsgeminderter und beitragsfreier Zeiten. Wir wollen einen gleitenden Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand mit der Möglichkeit von Teilzeitarbeit und Teilrente. Wir wollen eine Abdeckung aller versicherungsfremden Leistungen durch den Bundeszuschuß, angemessene Kindererziehungszeiten und Berücksichtigung der Zeiten von Pflege, sobald sie finanzierbar sind, Schutz vor materieller Not im Alter. Lassen Sie mich noch folgendes sagen. Ich bin ganz sicher, daß in vielen dieser Punkte eine breite Übereinstimmung zwischen den drei größeren Fraktionen dieses Hauses herzustellen sein wird; aber über einen Punkt wird es mit den Sozialdemokraten sicherlich keine Verständigung geben. Wir lehnen eine Wertschöpfungsabgabe ab, ({22}) weil sie zukunftsfeindlich ist, weil sie arbeitsplatzfeindlich ist. Wir wollen die Beibehaltung der Umlagefinanzierung mit einer Berechnung des Beitrages nach dem Einkommen der Arbeitnehmer. ({23}) Meine Damen und Herren, Freie Demokraten bekennen sich dazu, daß soziale Sicherung notwendig ist, um Freiheitsrechte abzusichern, um Wahrnehmung von Freiheitsrechten überhaupt erst möglich zu machen. Diese Politik werden wir auch im nächsten Deutschen Bundestag konsequent fortsetzen. ({24})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich erteile dem Herrn Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung das Wort.

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich dem Dank, dem Respekt für Eugen Glombig anschließen, den der Deutsche Bundestag heute morgen dem scheidenden Vorsitzenden des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Ausdruck gebracht hat. Über alle politischen Unterschiede hinweg, die unverwischt bleiben, halte ich die Fähigkeit zu wechselseitigem Respekt für eine unverzichtbare Bedingung der politischen Kultur auch dieses Hauses. ({0}) Ich möchte auch nicht zurückstehen, dem Kollegen Eugen Glombig zu bestätigen, daß er mit Si19436 cherheit in die Reihe großer Sozialpolitiker des Deutschen Bundestags gehören wird. ({1}) Wir sind jetzt vier Jahre im Amt, ({2}) und ich möchte über diese vier Jahre berichten, am besten mit Zahlen. Beim Dunst weiß man nie genau: Ist es Weihrauch oder sind es Stinkbomben? Ich halte mich an Zahlen. Vier Jahre im Amt: 1986 die stärkste Preisstabilität seit 1953, 1986 die höchste reale Einkommenssteigerung der Arbeitnehmer seit 1971, 1986 die höchste reale Rentensteigerung seit 1978. Es zählen nicht Worte, es zählen Taten in der Politik. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP Kolb [CDU/CSU]: An ihren Taten sollst du sie erkennen! 1986 der prozentual geringste Zuwachs der Staatsverschuldung seit 1969, 1986 die niedrigsten Zinsen seit 1978 und 1986 die niedrigste gesamtwirtschaftliche Steuerquote seit 1972. Meine Damen und Herren, an diesen Zahlen lassen sich politische Unterschiede deutlich machen. Sozialistische Umverteilungspolitik holt den Bürgern erst klammheimlich Geld aus der Tasche, um es anschließend lautstark zurückzugeben. ({3}) - Ein Teil bleibt in der Umverteilungsbürokratie hängen. Das ist das alte Rezept. Was noch viel schlimmer ist: Sie erwartet für diese Umverteilung - mit der rechten Hand heimlich nehmen, mit der linken lautstark zurückgeben - auch noch Dank von denjenigen, die ihre Begünstigung selber zahlen. Das ist so ähnlich, als würde der Bürger an sich selbst eine Zahlkarte schicken und müßte sich beim Briefträger bedanken. So ähnlich ist das. ({4}) Abgaben und Zuteilungen sind im Kreisverkehr organisiert. In diesem Teufelskreis verlieren Arbeitnehmer und Unternehmer die Übersicht, nämlich darüber, wem was gehört, und sie verlieren die Lust an der Arbeit. Unsere wichtigste Verteilungspolitik heißt Preisstabilität. Inflation ist immer Umverteilung gegen Rentner und Arbeitnehmer. ({5}) Inflation, das ist der Taschendieb der kleinen Leute. Deshalb ist Preisstabilität eine Verteilungspolitik ohne Formulare und Anträge, ohne Schalter, Genehmigungsbehörden. Preisstabilität ist die leise Sozialpolitik. Die Rentner haben doch gar nichts von einer hohen Rentensteigerung, wenn die Preise noch höher steigen. Die Arbeitnehmer haben doch gar nichts von einer Lohnsteigerung, wenn die Preise noch höher steigen. 1986 - auch noch diese Zahl - haben wir den höchsten realen Zuwachs beim privaten Verbrauch seit 1977. Der Durchschnittsrentnerhaushalt hat gegenüber 1982 allein durch Preisstabilität einen Kaufkraftgewinn, der die Jahresrechnung für Heizung und Strom ausmacht. Ich meine, man müßte diese Zahlen aus den statistischen Gemeinplätzen herausholen: Das ist ein Kaufkraftgewinn von rund vier Monatsmieten. Stellen Sie sich vor, die Bundesregierung und die Mehrheit des Bundestages hätten beschlossen: Wir zahlen den Rentnern vier Monatsmieten. Selbst Sie hätten klatschen müssen. Aber Sie sollen auch jetzt klatschen; denn der Kaufkraftgewinn entspricht diesen vier Monatsmieten. ({6}) Ein Weiteres: Zinssenkung ist unser wichtigstes Investitionsprogramm. Investitionen werden dadurch billiger. Die niedrigen Zinsen 1986 bedeuten gegenüber 1982 einen Investitionsschub, eine Kostenentlastung von 40 Milliarden DM. Wir bleiben allerdings dabei: Wo investiert wird, das entscheiden besser private Unternehmen als staatliche Bürokratien. Bürokratien wissen nämlich entgegen dem sozialistischen Glauben nicht besser, was Bürger brauchen, als diejenigen, die dabei Geld verdienen wollen und auch Geld verlieren können, ({7}) wenn die Investition fehl angelegt ist. Zinssenkung ist ein Investitionsprogramm ebenfalls ohne Formulare, ohne Anträge, Schalter und Genehmigungsbehörden. Meine Damen und Herren, manchmal habe ich den Eindruck, die Sozialdemokraten stellen sich den Himmel als ein Gebäude mit vielen Schaltern vor. Die Eintrittskarte ist ein Formular, ({8}) die beliebteste Einrichtung ist ein Stempel, und das Gütezeichen heißt: genehmigt. Das ist das Paradies der Sozialdemokraten. ({9}) Deshalb heißt die politische Entscheidung auch in diesem Bundestag ganz einfach: Papier und Behörden gegen Bürger und Initiativen. Das ist auch eine Grundentscheidung, die am 25. Januar zu treffen ist. Der Unterschied ist: Die SPD hat eine Vorliebe für den Staatsapparat, wir haben eine Vorliebe für die Staatsbürger. ({10}) Ich will freilich hinzufügen, daß diese Grundregel eine Vorfahrtsregel ist. Wer in Schwierigkeiten ist, kann natürlich nicht im Stich gelassen werden. Ich verkünde hier nicht das Programm eines Nachtwächterstaates. Ich verkünde auch nicht das Programm einer brutalen Marktwirtschaft, sondern das Programm der Sozialen Marktwirtschaft. Dabei ist das Wort „sozial" nicht nur schmückendes Beiwort, sondern Gestaltungsfaktor. Wir lassen diejenigen nicht im Stich, die in Not geraten sind. Deshalb haben wir Kohle und Stahl geholfen. 1987 geben wir fünfeinhalbmal so viel für Anpassungshilfen aus wie 1982. ({11}) Wie kommen Sie eigentlich dazu, zu sagen, wir würden die Arbeitnehmer im Stich lassen? Auch Werften und Bau haben wir nicht im Stich gelassen. Unsere Sozialpolitik überläßt die Arbeitslosen nicht ihrem Schicksal. 600 000 neue Arbeitsplätze seit Herbst 1983! ({12}) Wenn jemand fragt, wo die Wende ist, dann kann ich ihm ganz einfach sagen: 1982/83 800 000 Arbeitsplätze verloren, in den letzten zwei Jahren 600 000 gewonnen. Das ist der Unterschied, ganz einfach: abwärts - aufwärts. ({13}) Daß sich die Zahl nicht in gleicher Weise in der Arbeitslosenstatistik niederschlägt, hat zwei Gründe: Es kommen mehr junge Leute auf den Arbeitsmarkt, als ältere ausscheiden. Es fragen mehr Frauen nach Arbeit nach als je zuvor. Ich kritisiere das überhaupt nicht, sondern beschreibe das nur. Dafür eine Zahl: Im ersten Halbjahr 1986 haben sich 160 000 Frauen arbeitslos gemeldet, die vorher gar nicht erwerbstätig waren und auch nicht in einer schulischen Ausbildung standen. Neue Arbeitsplätze - das ist die beste Politik für Arbeitslose. ({14}) Unsere Arbeitsmarktpolitik legt die Hände nicht in den Schoß. Auch hier wiederum: 1986 haben wir die höchsten Teilnehmerzahlen an beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen seit Verabschiedung des Arbeitsförderungsgesetzes zu verzeichnen.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kirschner?

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Bitte.

Klaus Kirschner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001102, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesarbeitsminister, ist Ihnen die neueste Untersuchung des IAB bekannt, in der das IAB feststellt, ({0}) daß wir im Jahre 1982 jahresdurchschnittlich 22 378 000 beschäftigte Arbeitnehmer, im Jahre 1985, nachdem Sie also drei Jahre an der Regierung waren, 22 177 000 Arbeitnehmer - das dürften nach Adam Riese j a wohl 200 000 weniger sein - hatten? Wenn Sie das Jahr 1986 hinzurechnen, in dem Sie nach eigenen Angaben maximal 200 000 Arbeitsplätze geschaffen haben, dann sind Sie 1986 im Jahresdurchschnitt gerade beim Schnitt von 1982. ({1}) Und ich darf Sie daran erinnern, was das IAB weiter feststellt.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Bitte, Herr Kollege, stellen Sie eine Frage.

Klaus Kirschner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001102, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesarbeitsminister, ich möchte Sie fragen, ob Sie dem zustimmen, wenn das IAB feststellt, daß ohne die gesetzliche Neuregelung des § 105 c AFG, wonach sich arbeitslose Leistungsbezieher ab einem Alter von 58 Jahren der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung zu stellen brauchen - es sind im Jahresdurchschnitt 1986 44 000 -, die Arbeitslosigkeit ganz anders aussehen würde. ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Kollege, es gibt keine Möglichkeit, eine Zwischenrede zu halten. Ich bitte um konkrete Fragen und um eine Antwort des Bundesministers.

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Ich beantworte die Frage kurz und knapp: Mir ist bekannt, daß der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit mit Zustimmung des Statistischen Bundesamtes die Zahlen verkündet hat, die ich hier vorgetragen habe. ({0}) 1986 haben wir die höchste Zahl von Beschäftigten in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die es je gegeben hat. Es gab nie mehr Arbeitnehmer in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen: 29 200 im letzten Jahr der sozialdemokratischen Regierung, 110 000 in diesem Jahr. Das ist mehr als dreimal so viel wie im letzten Jahr der Regierung der Sozialdemokraten. 1986 haben wir die höchsten Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb noch mal: Es zählen Zahlen und nicht Worte. ({1}) Wir geben für Arbeitsmarktpolitik - Zahlen und noch mal Zahlen - ({2}) - Reizen Sie mich nicht! Sonst bringe ich noch ein paar Zahlen! - 11,5 Millarden geben wir für Arbeitsmarktpolitik bei der Bundesanstalt aus; 11,5 Milliarden! 1982 waren es 6,8 Milliarden. Selbst ein Mathematiklehrer, der der GEW angehört, wird zugegeben, daß 11,5 mehr als 6,8 ist. Oder? Da brauche ich ja gar nicht zu streiten. ({3}) Arbeitszeit. Wir haben unseren Beitrag auch zur Arbeitszeitordnung geleistet. Wir haben ein Vorruhestandsgesetz verabschiedet, über das Sie nur geredet haben. Inzwischen sind 62 000 Vorruheständler im Genuß dieses Gesetzes. Erziehungsurlaub mit Arbeitsplatzgarantie: Das ist nicht nur familienpolitisch wichtig und notwendig. Das ist, bei Licht betrachtet, auch eine Arbeitszeitverkürzung, nämlich eine Lebensarbeitszeitverkürzung. Unsere Phantasie beim Stichwort Arbeitszeitverkürzung ist eben größer als die Phantasie derer, die nur auf Wochenarbeitszeitverkürzung starren. Erziehungsurlaub ist Lebensarbeitszeitverkürzung. Im Oktober haben 143 000 Mitbürgerinnen Erziehungsurlaub mit Arbeitsplatzgarantie in Anspruch genommen. Wir haben die Teilzeitarbeit gefördert. Auch Teilzeitarbeit ist eine Form neuer Arbeitszeit abseits der bisher üblichen Vollerwerbstätigkeit. Wir haben die freiwillige Rückkehr ausländischer Arbeitnehmer gefördert. 300 000 ausländische Mitbürger haben freiwillig auf diese Weise den Weg in ihre Heimat angetreten. Und wir haben das Arbeitsrecht überprüft - das ist ja ein sehr umstrittenes Thema auch in diesem Hause -, und zwar, ob das Arbeitsrecht - das weiterhin Schutzrecht bleiben muß - nicht auch wie eine Festungsmauer um die Erwerbsgesellschaft wirkt und die, die draußen stehen, aussperrt. Das wäre ein sehr beschränkter Schutz. Wir wollen Brücken bauen, Brücken in die Erwerbsgesellschaft. Die, die des Schutzes am meisten bedürfen, sind die, die draußen sind. Ihnen muß geholfen werden, daß sie wieder reinkommen in die Erwerbsgesellschaft. ({4}) Der befristete Arbeitsvertrag ist eine Hilfe zum Einstieg in die Erwerbsgesellschaft. Die IG Metall berichtet nach einer Befragung von über 5 000 Betriebsräten, daß schon 60 % der befristeten Arbeitsverträge inzwischen in unbefristete überführt wurden. ({5}) Ich bedanke mich bei der IG Metall sehr für diese Nachricht, zumal da sie wirklich über den Verdacht erhaben ist, sie habe diese Nachricht nur aus Liebe zu Norbert Blüm in die Welt gesetzt. Nein, ich glaube, das ist eine Nachricht von großer Objektivität. Wenn man bedenkt, daß von den verbleibenden 40% weitere in unbefristete überführt werden können und daß darin auch ein Teil jener Arbeitsverhältnisse ist, die als Aushilfe gedacht waren und gar nicht mit dem Wunsch nach Dauerbeschäftigung versehen sind, ist das geradezu ein Rekordergebnis, das selbst meine Erwartungen übertrifft. Der befristete Arbeitsvertrag ist also eine Einstiegshilfe in die Erwerbsgesellschaft! ({6}) Auch die Überstunden sind abgebaut worden: 1970 3,5 Milliarden, 1980 1,8 Milliarden, 1985 1,5 Milliarden. Ich bin ganz sicher, daß auch hier der befristete Arbeitsvertrag geholfen hat, frühzeitig einzustellen und nicht in Überstunden auszuweichen. Aber jetzt doch noch ein kurzer Rückblick. Erinnern wir uns auch angesichts dieser Tatsachen an die wütenden Angriffe der SPD auf dieses Beschäftigungsförderungsgesetz und den befristeten Arbeitsvertrag. Herr Kollege Lutz, Sie werden sich noch erinnern: 19. April 1985, Lutz: „Anschlag auf Menschenwürde!" ({7}) Buschfort, 27. März 1985: „Einmaliger Schritt in längst überwunden geglaubtes frühkapitalistisches Denken!" - Und noch eine Schippe drauf: - „Die Koalitionsfraktionen nehmen den Verfassungsverstoß in Kauf!" Dreßler - das ist nur eine kleine Auswahl -: „Die Arbeitnehmer sollen sich künftig allein nach dem Gewinnkompaß der Unternehmer ausrichten." Also: Verfassungsverstoß; frühkapitalistisches Denken; Gewinnkompaß der Unternehmer. Habt ihr einen noch größeren Hammer, mit dem ihr draufschlagen könnt? Nur: Vorsicht, daß ihr nicht eigenes Porzellan zerschlagt! Vorsicht, Vorsicht! Es könnte nämlich sein, daß der Schaum vorm Mund den Blick auf die eigene Praxis versperrt. ({8}) Für so schlecht, wie der DGB den befristeten Arbeitsvertrag macht, scheint er ihn selber nicht zu halten. Ich habe hier Personalnachrichten des DGB-Bundesvorstandes. „Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Bundesjugendschule des DGB ... Im Haus der Gewerkschaftsjugend Oberursel ist zum 1. Oktober 1986 die Stelle eines Assistenten/einer Assistentin zu besetzen. Die Einstellung ist befristet auf drei Jahre." ({9}) Langsam, ich bin noch nicht fertig. Da schlage ich gestern meine Heimatzeitung, den „General-Anzeiger" Bonn auf. Ich lese natürlich nach den politischen Nachrichten auch einmal den Anzeigenteil. Was sehe ich da? „Die Friedrich-Ebert-Stiftung sucht für ihr Gästehaus ,Politischer Club', Godes-berger Allee 155, Bonn 2 ständige Abruf-Aushilfen ({10}) für den Bereich Hauswirtschaft und Service für Tag- oder Abendeinsatz, möglichst aus dem Raume Friesdorf. Interessentinnen wenden sich bitte schriftlich an die Friedrich-Ebert-Stiftung, Personalabteilung." ({11}) Soll ich noch weitermachen? ({12}) Natürlich darf auch Johannes Rau nicht fehlen. Er stellt in Nordrhein-Westfalen befristet Lehrer ein und läßt als Beklagter vor Gericht seine Anwälte vehement - ich könnte es gar nicht besser - und mit großer Überzeugungskraft für unser Beschäftigungsförderungsgesetz plädieren. Ich zitiere aus dem Schriftsatz der Rechtsanwälte von Herrn Rau: Der Zweck des Gesetzes findet sich schon im Titel. Es soll die Beschäftigung fördern und - wie der erste Abschnitt überschrieben ist - befristete Arbeitsverträge erleichtert zulassen. Die hohe Zahl der Arbeitslosen soll verringert werden. Sehr richtig. ({13}) Auf Seite 19: Es ist nicht verständlich, warum der Arbeitgeber in diesem Falle trotz der mit diesem Gesetz verfolgten Neueinstellungen und damit der Verringerung der Arbeitslosigkeit mit der Unwirksamkeit der Befristung bestraft werden soll. Ich schließe mich inhaltlich voll dem Kanzlerkandidaten der SPD, Johannes Rau, an. ({14}) Ich will doch nur einmal festhalten: Sozialdemokraten und Gewerkschaften machen in ihren Betrieben das, was uns die Sozialdemokraten hier in diesem Bundestag vorwerfen. Wenn das ehrlich ist, dann waren die Pharisäer keine Heuchler. ({15}) Arbeitszeit und Arbeitsrecht, Arbeitsmarktpolitik, Qualifikation ({16}) - es geht noch weiter -, alles muß den Arbeitslosen helfen. Das Wichtigste für Arbeitslose ist, wieder Arbeit zu finden. Einstellen, so früh wie möglich, das ist das Gebot der Stunde. Facharbeitermangel und Qualifizierungsdefizite sind kein Alibi für Einstellungsverweigerungen. Facharbeiter fallen j a schließlich nicht vom Himmel. Wer sich über Facharbeitermangel beklagt, muß Facharbeiter ausbilden in den Betrieben. ({17}) Arbeitslose müssen eingearbeitet und qualifiziert werden. Die Arbeitslosen selber müssen auch mitmachen. Auch das gehört zur Bedingung.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reimann?

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Bitte schön.

Manfred Reimann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001805, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Arbeitsminister, ist Ihnen die Statistik der Bundesanstalt für Arbeit bekannt ({0}) - ja, in Ludwigshafen haben wir leider genauso viele Arbeitslose wie im Bundesgebiet auch; das ist richtig -, ({1}) wonach von 100 % ausgebildeten Facharbeitern nur 45% in ihrem Beruf arbeiten? Läßt das nicht den Schluß zu, daß wir genug Facharbeiter hätten?

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Also, mit Statistiken ist das immer so eine Sache. ({0}) - Ganz ruhig bleiben. Ich sage, daß es Bereiche gibt, in denen wir einen Facharbeiterüberschuß haben und daß es Bereiche gibt, wo wir Facharbeiterdefizite haben. Dort, wo Facharbeiterdefizite sind, muß ausgebildet werden. Ich wende mich ja an die Unternehmer, nicht zu klagen, denn die Klagemauer ist die falsche Adresse, sondern selber dort auszubilden, wo Defizite sind. Ich hoffe, Sie stimmen mir zu, daß die Facharbeiter auch weitergebildet werden müssen, daß sich niemand ausruhen kann, daß auch ältere Arbeitnehmer weitergebildet werden müssen. Der 40jährige arbeitet im Jahre 2 000 noch, und wenn er nicht weitergebildet wird, dann nutzt ihm auch sein Facharbeiterbrief aus dem Jahre 1980 nichts. Mein Appell geht in erster Linie an die Unternehmen: Wir dürfen nicht nur an neue Maschinen denken, sondern wir haben auch dafür zu sorgen, daß moderne Maschinen von qualifizierten Arbeitnehmern beherrscht werden können. ({1}) Modernisierung ist Investieren plus Qualifikation. Nun auch zum sozialen Schutz. Wir haben auch den sozialen Schutz der Arbeitslosen verbessert. Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes wurde für die Älteren verlängert, und wir werden sie noch einmal verlängern. Die jugendlichen Arbeitslosen wurden wieder in das Kindergeld und die Krankenversicherung hineingeholt; Sie hatten sie dort herausgeschmissen. Für die Arbeitslosenhilfe wurde der Ehegattenfreibetrag verdoppelt. Wir mußten sparen - das ist richtig -, aber wir haben nicht nur gespart. Die Leistungseinschränkungen in der Arbeitslosenversicherung umfassen 2 Milliarden DM. Das ist viel, und es ist mir nicht leichtgefallen. Aber wir hatten ein Defizit von 7 Milliarden DM, als wir die Regierung übernahmen, und 12, 13 Milliarden DM standen in Aussicht. 2 Milliarden DM haben wir gespart. Aber inzwischen haben wir Leistungsverbesserungen in einem Umfang von 3,4 Milliarden DM in der Arbeitslosenversicherung durchgeführt. Reden Sie also nicht nur über die 2 Milliarden DM, sondern reden Sie auch über die Leistungsverbesserungen. Wir haben das Arbeitslosengeld für die Arbeitslosen ohne Kinder gekürzt, aber dafür die älteren Arbeitslosen, die lange arbeitslos sind, davor bewahrt, in Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe umstei19440 gen zu müssen. Das ist keine kopflose Zurücknahme, sondern das ist Sparen und Gestalten. Das ist unser Motto. ({2}) Die SPD hat gegen Sparen polemisiert, aber sie hat doch den Sparzwang durch eine Ausgabenpolitik, in der bestellt, aber nicht bezahlt wurde, mit ausgelöst. Bestellen, aber nicht bezahlen: In meiner Heimat nennt man so etwas Zechprellerei. Wer uns Sozialabbau vorwirft, der muß allerdings dafür sorgen, daß das eigene Haus in Ordnung ist. Was schlagen Sie also vor? Welches Haus sollen wir als Test für die Glaubwürdigkeit der Sparvorwürfe der SPD nehmen? Ich schlage vor, wir nehmen uns einmal das Land Nordrhein-Westfalen. ({3}) Nordrhein-Westfalen belastet die Familien rigoros. Kindergartenbeiträge wurden erhöht. Die Belastung der Familien in den Jahren von 1982 bis 1985 betrug 305 Millionen DM. NRW läßt die Jugendlichen hängen. Zwischen 1980 und 1985 wurden die Mittel für die Jugendarbeit in Nordrhein-Westfalen um 395 Millionen DM gekürzt. Nordrhein-Westfalen stellt Alte und Behinderte ins Abseits. Die Mittel für Altenhilfe und Behinderteneinrichtungen wurden zwischen 1980 und 1986 halbiert. ({4}) NRW läßt die Krankenhäuser notleiden. Die Mittel für Baumaßnahmen wurden von 600 Millionen DM in 1985 auf 450 Millionen DM in 1986 gekürzt. NRW kürzt beim sozialen Wohnungsbau. Während in dem 1985 verkündeten mehrjährigen Wohnungsbauprogramm für 1986 noch die Förderung von 29 120 Wohnungen vorgesehen war, werden tatsächlich nur 14 170 gebaut. Sie haben Ihre Vorwürfe auch an Hand von Zahlen - die Sozialhilfe betreffend - belegt. Ich will wiederum einen Vergleich zwischen dem Bund und Nordrhein-Westfalen anstellen. Wenn Sie schon so arbeiten, dann muß ich Ihnen sagen: In Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Sozialhilfeempfänger zwischen 1980 und 1983 um 20 % gestiegen, während sie im Bund um 13 % stieg. Ich weiß nicht, ob das weiterführt, denn ich bin dafür, daß wir uns nicht mit Statistiken begegnen, sondern daß wir die Not des einzelnen im Blick haben und ihm helfen. Aber wenn Sie schon große Geschütze auffahren, dann müssen Sie schon gestatten, daß ich auch die Rückseite der Statistik beleuchte. Frau Fuchs, falls Sie darauf antworten wollen, nenne ich noch einmal die Zahl: Seit 1980 wurden in Nordrhein-Westfalen insgesamt 1,8 Milliarden DM im Sozialhaushalt gespart. Ich kann es Ihnen noch schriftlich geben. ({5}) Und jetzt die Preisfrage: Es sind 1,8 Milliarden DM gespart worden. Wer regiert in Nordrhein-Westfalen? Johannes Rau und die SPD. ({6}) Und wer will in Bonn regieren? Johannes Rau und die SPD. Ich schlage vor, die SPD erledigt erst einmal ihre Hausaufgaben in Düsseldorf, bevor sie uns Nachhilfe in Bonn geben will. ({7})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmude?

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Bitte.

Dr. Jürgen Schmude (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Blüm, ist Ihnen entgangen, daß der Sparzwang für das Land Nordrhein-Westfalen in wesentlichem Umfang darauf zurückzuführen ist, daß der Bund und die Mehrheit der Bundesländer dieses Land bei Bundesergänzungszuweisungen und beim Finanzausgleich über viele Jahr hin in einer Weise benachteiligt haben, die das Bundesverfassungsgericht gerügt hat, so daß die Finanzierung neu gestaltet werden muß? ({0})

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Herr Schmude, ist Ihnen entgangen, daß das schöne Land Nordrhein-Westfalen unter CDURegierungen die anderen Länder mitfinanziert hat und unter SPD-Regierungen zum Kostgänger der anderen Länder geworden ist? ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Westphal?

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen entgangen, daß das Land Nordrhein-Westfalen trotz dieser harten Kürzungsmaßnahmen für Soziales, Familie und Jugend immer noch mehr ausgibt als alle anderen Bundesländer zusammen? ({0})

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Es bleibt dabei, daß Nordrhein-Westfalen in wichtigen Bereichen, z. B. im Familienbereich, Kürzungen durchgeführt hat, wo wir nicht Kürzungen, sondern Leistungsausweitungen vorgenommen haben: 10 Milliarden DM mehr für die Familie; die SPD betrieb Kürzung bei den Leistungen im Familienbereich. Das ist der Unterschied. ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Matthäus-Maier? ({0})

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Blüm, ist Ihnen bekannt, daß Nordrhein-Westfalen trotz der verfasFrau Matthäus-Maier sungswidrigen Benachteiligung durch die übrigen Bundesländer Jahr für Jahr viele hundert Millionen DM für zusätzliche Arbeits- und Ausbildungsplätze für junge Leute bereitstellt, allein in diesem Jahr über 700 Millionen DM? ({0})

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

So wie das andere Länder auch tun. Ich bedanke mich sehr dafür, daß auch Nordrhein-Westfalen in dieser Frage mitwirkt. ({0}) - Das ist kein billiger Wahlkampf. Johannes Rau ist nicht heiliggesprochen. Er muß an seinen Taten gemessen werden. Das ist der alte biblische Spruch - ich verehre die Bibel so wie Johannes Rau -: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Link?

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Wenn das nicht angerechnet wird, bitte.

Helmut Link (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001347, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesarbeitsminister, stimmen Sie mir zu, daß das Land Nordrhein-Westfalen deshalb sparen muß, weil es nach Aussage seines Finanzministers Posser im kommenden Jahr die 100-Milliarden-DM-Schuldengrenze erreicht und daß er in einem internen Brief an seine Ministerkollegen das Land Nordrhein-Westfalen in der Verschuldung mit Brasilien und Mexiko vergleicht? ({0})

Dr. Norbert Blüm (Minister:in)

Politiker ID: 11000204

Herr Abgeordneter Link, ich stimme Ihnen zu. ({0}) Ich will noch einmal zusammenfassen: Wir sparen - das will ich auch an meine Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben sagen - doch nicht für Herrn Flick, wir sparen für Millionen von Beitragszahlern, nämlich für die Arbeitnehmer. Die sind bekanntlich keine Millionäre. „Tischlein deck dich" gibt es nur im Märchen. Wer es in der Politik dennoch versucht, der hat den Knüppel aus dem Sack für die Beitragszahler. Das ist das Ergebnis sozialdemokratischer Politik. ({1}) Die Nettolöhne stiegen von 1970 bis 1982 um 112%, die öffentlichen Sozialleistungen in derselben Zeit um 210%. Da muß man keine Mengenlehre studiert haben: Wenn die öffentlichen Sozialabgaben schneller steigen als die Nettolöhne, ist es ja nur noch eine Frage der Zeit, wann man das ganze System auf Krankenschein umstellen muß, nämlich dann, wenn die Sozialabgaben die Löhne völlig aufgezehrt haben. Ich komme zum zweiten großen sozialen Thema nach der Arbeitslosigkeit, nämlich zur sozialen Sicherheit. Wir mußten die Rentenversicherung - ich gebe zu, das Lieblingskind der Sozialversicherung; auch mein Lieblingskind - vor dem Zusammenbruch bewahren. Kollege Glombig hat davon gesprochen, 1990 wäre der Ofen aus: Mein Gott, wenn wir nicht gekommen wären, wäre er 1983 aus gewesen, Herr Glombig. ({2}) Jetzt steht das Rentenhaus wieder auf sicherem Fundament. Wir können die Renovation der Rentenversicherung - ich spreche bewußt von Renovation - ohne Einsturzgefahr mit Ruhe und Gelassenheit vornehmen, allerdings auch mit großer Entschiedenheit. Hektik ist für einen solchen Versuch die falsche Begleitung, sie ist Gift für eine solide Rentenpolitik. Die Rente ist wieder sicher. Das bestätigen auch alle Fachleute, denn das Geld in der Rentenkasse nimmt wieder zu. Anpassung des Rentensystems heißt nicht Abriß des guten alten Rentenhauses, sondern Umbau. Aus einer lohn- und beitragsbezogenen Versicherung wird kein Fürsorgesystem. Rente bleibt Rente, sie ist kein Altersalmosen, sie ist Alterslohn. Das ist unsere Überzeugung. ({3}) Wir waren auch in der Rentenversicherung nicht nur als Reparaturschlosser, als Rohrschlosser unterwegs, sondern wir haben neue Strukturen installiert. Wir haben die Hinterbliebenenreform durchgesetzt, auf die sieben Jahre in Ihrer Regierungszeit nach dem Verfassungsgerichtsurteil gewartet wurde. Witwen und Witwer sind gleichgestellt mit Zustimmung der Frauenverbände, mit Zustimmung der Gewerkschaften. Unsere Hinterbliebenenreform ist sozial rücksichtsvoll, frauenfreundlich, systemgerecht und praktikabel. Wir haben - gegen alle Proteste sage ich das, und ich nehme das Wort nur einmal in den Mund - ein Jahrhundertgesetz zustande gebracht, nämlich Zeiten der Kindererziehung nach hundert Jahren Unrecht an den Müttern endlich in das Rentensystem eingebracht. ({4}) Jetzt will ich auch wieder ein paar Zahlen nennen. Schon innerhalb der ersten zehn Monate der Geltung des Gesetzes haben 273 Frauen von der Neuregelung profitiert. ({5}) - 273 000, Entschuldigung. Ich bin immer in Gefahr, unsere eigenen Leistungen kleiner zu machen, als sie wirklich sind. ({6}) Es sind also über eine Viertelmillion. 50 000 Mütter haben überhaupt zum erstenmal eine Rente erhalten; die hatten vorher gar keinen Rentenanspruch. Die durchschnittliche Rentensteigerung durch Anrechnung von Kindererziehungszeiten beträgt monatlich 54,40 DM. 1990 werden 5,3 Millionen Mütter den Nutzen der Neuregelung haben. Das wird bis dahin 10 Milliarden DM kosten. Wie kommen Sie eigentlich dazu, uns Vorwürfe über Sozialabbau zu machen. Wir haben den großen familienpolitischen Durchbruch in dieser Legislaturperiode geschafft! ({7}) Um eines bitte ich jetzt noch. Ich habe wiederholt in der Diskussion das Argument mit der Sterbetafel gehört, weil wir für die älteren Frauen die Lösung in vier Schritten bewerkstelligen. ({8}) Ich mache jetzt wirklich nach allen Seiten den Vorschlag: Laßt uns keine Diskussion, auch keine sozialpolitische Diskussion mit der Angst um den Tod führen. ({9}) Laßt uns das als ein Tabu der politischen Auseinandersetzung betrachten. Wo kämen Sie denn hin, wenn ich die Sterbetafel vorführen würde, wer seit 1970 in den 13 Jahren gestorben ist, in denen sie nichts gemacht haben! Das wäre doch geradezu makaber. ({10}) Wollen Sie so eine politische Auseinandersetzung mit zwei Sterbetafeln führen? Ist das nicht geradezu zynisch, rücksichtslos gegenüber den Gefühlen der Alteren? ({11}) Sie haben, stelle ich fest, nichts getan. Reden Sie sich doch nicht mit einmaligen Abstimmungen heraus! Sie haben 13 Jahre nichts getan, und die Nichtstuer machen uns jetzt Vorwürfe. Die Nachzügler maskieren sich als Vorreiter. Wir haben doch keinen Maskenball, oder? ({12}) - Also, Herr Bueb: Boutiquebesitzer bleib bei deinen Klamotten, kann ich nur sagen. ({13}) - Wenn es in Ihrem Geschäft so zugeht, wie Sie heute morgen geredet haben, dann müssen die Leute noch Geld mitbringen, die bei Ihnen arbeiten. ({14}) Sie müssen dem Käufer noch Geld geben. ({15}) Aber lassen wir es beiseite. ({16}) Ich komme auf den ernsthaften Teil der Politik zurück, und dazu zählt Herr Bueb nicht, mit Verlaub gesagt. 700 000 Mütter werden auch nach dem neuen Gesetzentwurf der SPD ausgeschlossen, und zwar nicht stufenweise, sondern endgültig ausgeschlossen: die Witwe eines Beamten, die Kioskbesitzerin, die selbständig ist, 700 000 Mütter endgültig ausgeschlossen. Was wollen Sie uns da Vorschriften machen, uns Vorschläge machen? Bei einem solchen Rentenpfusch sollten Sie erst einmal den Grundkurs Rentengerechtigkeit besuchen, bevor Sie sich als Meisterschüler hier anpreisen. ({17}) Ich gebe zu, wir haben das Ideal nicht erreicht. Ideal wäre gewesen, alles auf einmal zu tun; das gebe ich zu. Mich schmerzt es auch. Alles auf einmal, das Ideal gibt es in der Politik nur selten, auch in der Sozialpolitik. Das ist eine alte Erfahrung. Was heute nicht geht, verschieb es nicht auf übermorgen, bis das Wünschbare machbar ist; fang mit dem an, was heute machbar ist. Das ist alte sozialpolitische Handwerkerweisheit; nach der sind wir verfahren. Man stand vor der Frage: Beginnen wir mit den Älteren oder beginnen wir mit den Jüngeren? Für die Älteren spricht, daß sie ihre Kinder in schwerer Zeit erzogen haben, in schwereren Zeiten übrigens als heute. Sie hatten ihre Kinder im Luftschutzkeller. Das ist ein schwergewichtiger Grund, warum man mit den Älteren hätte beginnen können. Für die Jüngeren spricht: Was soll denn dieses Gesetz? Das Gesetz soll bewirken, daß das Kind, das heute geboren wird, seine Mutter behalten kann und es keinen Zwang gibt, mit Rücksicht auf Renteneinbußen in die Erwerbstätigkeit zu gehen. Dieser Zwang entsteht heute, wenn Kindererziehungszeiten nicht angerechnet würden. Deshalb haben wir mit den Jüngeren begonnen. Aber die Älteren werden in vier großen Schritten in die Erziehungszeiten einbezogen. Ich fasse zusammen: Schrittweise gerecht ist besser als 13 Jahre Stillstand bei den Erziehungszeiten. ({18}) Ich wende mich den Kriegsopfern zu. Wir haben sie von besonderen Sparmaßnahmen ausgenommen. Wir haben die Ausgleichsrenten erhöht. 15 000 Schwerbehinderte erhalten so höhere Leistungen. Wir haben den Berufsschadensausgleich erhöht. Auf diese Weise erhalten 200 000 Versorgungsberechtigte höhere Leistungen. Für 700 000 ältere Menschen haben wir die Kapitalabfindung der Grundrente verbessert. Wir haben die orthopädische Versorgung angehoben. Davon werden 100 000 Personen betroffen. Wir sind nicht am Ende dieses Weges. Aber auch hier gab es keinen Stillstand. Auch ich will die Gelegenheit nutzen, den Kriegsopfern unseren großen Respekt und den Kriegsopferverbänden unseren großen Dank zu sagen für ihren Dienst im Sozialstaat. ({19}) Mein letzter Punkt betrifft das Eigentum in Arbeitnehmerhand. Soziale Sicherheit, meine Damen und Herren, ist ein hohes Gut des Sozialstaats. Aber nirgendwo steht geschrieben, sie sei lediglich eine staatliche oder kollektive Aufgabe. In einer mündigen Gesellschaft tritt Eigenvorsorge neben die allgemeine öffentliche Sicherung. Das bevorzugte Instrument der Eigenvorsorge ist das Eigentum. EiBundesminister Dr. Blüm gentum in unserem Verständnis ist nicht die Spezialität von Kapitalisten, sondern ein Recht der Arbeitnehmer. Wir schlagen mit dem Eigentum in Arbeitnehmerhand sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Eigentum für alle ist die Überwindung des Kapitalismus und die Überwindung des Sozialismus. ({20}) Der Kapitalismus führt dazu, daß nur wenige Eigentum besitzen, und der Sozialismus legt es darauf an, daß niemand Eigentum erwirbt. Weder wenige noch niemand, sondern Eigentum für alle - das ist unser Programm. ({21}) Die Bürger sollen nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Kapitalgeber sein. Wir haben in zwei großen Schritten die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand verbessert. Inzwischen haben 1,1 Millionen Arbeitnehmer 14,2 Milliarden DM Beteiligungskapital. 1983 waren es 770 000, also etwas mehr als die Hälfte. Die Höhe des Beteiligungskapitals lag 1983 unter der Hälfte, nämlich bei 5,5 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, sozialpolitische Alternativen haben nicht nur etwas mit Mark und Pfennig zu tun; da wäre die Sozialpolitik zu klein gerechnet. Auch die Sozialpolitik muß eine Antwort auf die Frage geben: Wie soll die Welt von morgen aussehen? Welche Gesellschaft wollen wir unseren Kindern hinterlassen? Ich wünsche mir nicht die Gesellschaft, in der die Langeweile einer perfekt verwalteten Gesellschaft herrscht und in der die Menschen neben ihrem eigenen Willen auch ihre Freiheit verloren haben. Ich wünsche mir allerdings auch nicht eine Welt, in der Menschen vergessen werden. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der die Fehler des Individualismus wie des Kollektivismus überwunden sind; denn Kapitalismus und Sozialismus bedeuten nur die Wahl zwischen zwei Einsamkeiten. Der Individualismus übersieht den Nächsten, und der Kollektivismus weiß gar nicht, daß es den einzelnen geben kann, der einsam ist. Zwischen Kapitalismus und Sozialismus liegt die Gesellschaft, die wir wünschen. Der Staat darf und der einzelne kann nicht alles. Deshalb muß die Balance zwischen Eigen- und Mitverantwortung immer neu eingependelt werden. Wir brauchen ein neues Gleichgewicht zwischen Eigen- und Mitverantwortung. Es gibt auch Not in unserem Sozialstaat, aber ein Massenelend gibt es nicht. Wir zählen zu den Bessergestellten dieser Erde. Wir leben geradezu auf einer Insel des Wohlstands in einem Weltmeer des Elends. Manche Diskussion - auch in diesem Haus - muß auf die Armen der Erde wie das Gezänk saturierter Privilegierter wirken. Unsere Solidarität mit den Armen der Welt ersetzt nicht die Anstrengungen für die Gerechtigkeit im eigenen Lande. So will ich das nicht verstanden haben. Aber sie relativiert manche Aufregung. Arbeit für alle, Schutz unserer Umwelt, Erhaltung der sozialen Sicherheit, das bleiben die Aufgaben unseres Sozialstaates. Für selbstzufriedene Behäbigkeit gibt es ebensowenig Grund wie für neumodische Katastrophenstimmung. ({22}) Wir nehmen die Herausforderung an. Zu Ihrer Bewältigung bedarf es der Anstrengung aller und der Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Arbeitgebern, Parteien und Regierungen. Meine Damen und Herren, wir leben zwar nicht in der besten aller denkbaren Welten, aber mit Sicherheit im besten aller Staaten, die unsere Geschichte kannte. Unser Sozialstaat hat einen hohen Standard, und dennoch: Unser Sozialstaat ist verbesserungswürdig und verbesserungsfähig. ({23})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Fuchs. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch mir liegt daran, im Namen der SPD-Bundestagsfraktion unserem Kollegen Eugen Glombig noch einmal sehr herzlich für seine ausgezeichnete Rede hier heute morgen zu danken ({0}) und Dank zu sagen für das, was er für die Arbeitnehmerschaft und ihre Familien, für die sozialen Sicherungssysteme in diesem Lande in seiner politischen Tätigkeit getan hat. Ich sage Ihnen: Wenn Sie meinen, Eugen Glombig geht in den Ruhestand, so haben Sie sich geirrt. Wir werden dafür sorgen, daß wir seinen Sachverstand und sein Engagement für unsere politische Arbeit weiter einsetzen können. ({1}) Sein Engagement heute morgen hat nun allerdings die Folge, daß meine Redezeit fast gleich Null ist. Deswegen will ich nur einige Bemerkungen machen. Die Arbeitnehmer sind sehr verärgert: Von ihrem Weihnachtsgeld werden ihnen so viele Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgenommen, daß mehr als die Hälfte des Weihnachtsgeldes weg ist; und das ist nicht Zufall, meine Damen und Herren, denn das ist vor zwei Jahren eingeführt worden. Im selben Jahr, in dem die Zwangsanleihe den Besserverdienenden zurückgezahlt wurde, wurde das Weihnachtsgeld sozialversicherungspflichtig. Das ist Stoltenbergs Politik. ({2}) Dieser Finanzminister hat so viele Schulden gemacht wie noch kein Finanzminister zuvor. ({3}) Dieser Finanzminister hat die höchste Lohnsteuerbelastung der Arbeitnehmer veranlaßt, die wir je Frau Fuchs ({4}) hatten. Diesem Finanzminister haben wir es zu verdanken, daß wir die höchsten Beiträge in der Sozialversicherung haben, und die Beiträge zur Krankenversicherung werden im nächsten Jahr noch einmal angehoben. Dieser Finanzminister verspricht - ohne die Fragen zu beantworten: Welche Aufgaben hat der Staat? Welches Geld brauche ich dafür? - Steuerentlastungen um Milliardenbeträge, die wiederum denen zugute kommen sollen, die mehr als 5 000 DM im Monat verdienen. Alle anderen gehen leer aus, meine Damen und Herren. ({5}) Er will diese Entlastung finanzieren, indem er die Mehrwertsteuer erhöht. Die Verbraucher werden also die Zeche zu zahlen haben. ({6}) Wenn das nicht reicht, will er die Steuerentlastung durch Kreditaufnahme finanzieren. ({7}) Man höre und staune: Staatsverschuldung zur Finanzierung von Steuerentlastungen für Einkommen ab 5 000 DM! Er will auch Subventionen abbauen. Das klingt ja ganz mutig, aber die ersten Subventionen, die er abbauen will, betreffen die arbeitenden Menschen durch Steuerpflichtigkeit von Überstunden und Schichtarbeitszuschlägen. Das ist die Stoltenbergsche Politik. ({8}) Und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, meine Damen und Herren? Er verhält sich bei dieser Debatte wie die drei Affen, die in Japan Unglücksmenschen vor dem Zorn der Götter schützen sollten: nichts sehen, nichts hören, nichts reden. Dabei wäre es seine Pflicht, sich jetzt in die Steuerdebatte einzumischen, damit wir die Zukunftsprobleme der sozialen Sicherungssysteme auch finanziell miteinander verkraften können. ({9}) Aber Probleme haben in der heilen Welt des Norbert Blüm keinen Platz; er macht hier ein Showgeschäft. ({10}) Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Karneval ist j a ganz schön, aber ein Büttenredner als Arbeitsminister ist eine Zumutung für die arbeitenden Menschen in diesem Lande! ({11}) Haben Sie gehört, daß er etwas dazu gesagt hat, wie er Arbeitslosigkeit bekämpfen will? ({12}) Haben Sie gehört, wie er es sich vorstellt, für über 2 Millionen Menschen Arbeit zu schaffen? ({13}) Seine Sprache ist verräterisch. Er spricht nur noch vom Zuwachs der Beschäftigung, und auch da macht er aus dem Floh einen Elefanten; denn Ende 1986 werden wir gerade wieder so viele Erwerbstätige haben, wie wir Ende 1982 gehabt haben. ({14}) Deswegen bleibt es dabei, meine Damen und Herren: Sie, Herr Arbeitsminister, finden sich mit der Massenarbeitslosigkeit, mit der Arbeitslosigkeit von über 2 Millionen registrierten Menschen, bis in die 90er Jahre hinein ab. ({15}) Sie versperren jungen Menschen den Weg ins Arbeitsleben, und Sie beschädigen das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes, wenn Sie sich weigern, jedem die Chance zu geben, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. ({16}) Sie sprechen von den niedrigen Preissteigerungsraten. Niedrige Preissteigerungsraten sind gut. Niedrige Preissteigerungsraten kommen der gesamten Bevölkerung zugute. Niedrige Preissteigerungsraten geben doch den Spielraum, für mehr und nicht für weniger Gerechtigkeit zu sorgen. Ja, wir sind ein reiches Land. Die Unternehmergewinne steigen. Jährlich gibt es einen Kapitalexport in die USA in Milliardenhöhe. Ja, wir haben niedrige Preissteigerungsraten. Aber, meine Damen und Herren, die niedrigen Preissteigerungsraten sind doch kein Grund, den Frauen, die vor 1920 geboren sind, kein Babyjahr anzuerkennen! ({17}) Die niedrigen Preissteigerungsraten sind doch kein Grund, eine Steuerentlastung erst bei einem Jahreseinkommen von 60 000 DM anfangen zu lassen! ({18}) Die niedrigen Preissteigerungsraten sind doch kein Grund, knackigen Offizieren eine Frühpension zu geben, ({19}) während die Trümmerfrauen vom Babyjahr ausgeschlossen werden! ({20}) Also: Niedrige Preissteigerungsraten kommen ' der gesamten Bevölkerung zugute. Niedrige Preissteigerungsraten sind um so mehr ein Grund, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Aber Sie, Herr Arbeitsminister, haben die soziale Gerechtigkeit in den letzten vier Jahren mit Füßen getreten! ({21}) Ich mache das noch einmal an dem Beispiel deutlich, wie Sie die Frauen in der Rentenpolitik behandelt haben: Sie rühmen die 60 %ige Hinterbliebenenversorgung. Keine Frau bekommt nach dieser Reform der Hinterbliebenenversorgung auch nur einen Pfennig mehr! ({22}) Frau Fuchs ({23}) Die Frauen, die ein eigenes Einkommen haben oder eine eigene gute Rente beziehen, müssen sich die Hinterbliebenenrente auch noch auf ihr Einkommen anrechnen lassen. Das ist eine frauenfeindliche Reform geworden, Herr Bundesarbeitsminister! ({24}) Sie haben hunderttausend Frauen im Jahre 1986 die Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente weggenommen und vertrösten sie mit schäbiger Argumentation auf ein Altersruhegeld, das aber erst mit 65 Jahren gezahlt wird. ({25}) Und auch dabei bleibt es: Sie haben unseren Antrag abgelehnt, für 4 Millionen Frauen, die vor 1920 geboren sind, im Jahre 1987 ein Babyjahr anzuerkennen. ({26}) Sie haben ein ungerechtes Kuckucksei ins Nest gelegt. Sie diskriminieren die berufstätigen Frauen, die nach 1920 geboren sind; denn wer durchgängig erwerbstätig war und deswegen keine Versicherungslücke hat - so die Begründung -, bekommt kein Babyjahr angerechnet. Das ist den berufstätigen Frauen gegenüber ungerecht! Wer ausgeschieden ist und freiwillige Beiträge gezahlt hat, bekommt auch kein Babyjahr angerechnet mit der Begründung, es seien keine Versicherungslücken entstanden. Dies fasse ich so zusammen: Ihr Babyjahr schließt auf ungerechtfertigte und nicht vertretbare Weise die Frauengeneration aus, die vor 1920 geboren ist. Sie haben unseren Antrag wiederholt abgelehnt, und Sie haben eine diskriminierende Gesetzgebung in Gang gesetzt, die die Frauen benachteiligt, die im Erwerbsleben gewesen sind. Von daher sage ich abschließend: Ihre Sozialpolitik ist eine Sozialpolitik ohne Kopf und Gefühl. Es wird Zeit, daß wir eine vernünftige Sozialpolitik bekommen! ({27})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Cronenberg.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Zeit ist zu kurz, um die Rede meiner Vorrednerin zu bewerten. Aber spürbar war aus Ihrer Rede, Frau Kollegin Fuchs, die Verärgerung darüber, daß die Koalition in so kurzer Zeit mit so einfachen Mitteln, die wir Ihnen schon 1982 vorgeschlagen hatten, den Laden wieder in Ordnung gebracht hat. ({0}) Frau Kollegin, ich stelle folgendes fest, was die Beschäftigung anlangt: Erstens. Ihre Prognose, wir müßten jetzt mindestens 3 Millionen Arbeitslose haben, war falsch. ({1}) Zweitens. Wir haben 600 000 Beschäftigte mehr als 1982, mehr Beitragszahler, mehr Menschen, die in Arbeit stehen. ({2}) Drittens. Die Sachverständigen erwarten, daß wir im Jahre 1987 250 000 Beschäftigte mehr haben werden. Viertens. Erst haben Sie gesagt, nur im Export sei es ein bißchen besser. Dann haben Sie gesagt, es sei nur eine Investitionskonjunktur. Nun haben Sie mit uns gemeinsam die Feststellung zu treffen: Diese Konjunktur ist erfreulicherweise auch auf den Konsum durchgeschlagen. ({3}) Meine Damen und Herren, die Summe Ihrer Prognosen war so falsch, ({4}) daß ich mit Recht hier feststellen kann: Bleiben Sie bei den Prognosen. Wir bleiben bei den Erfolgen. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zuerst über den Änderungantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/6486.*) Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Mit großer Mehrheit abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Einzelplan 11. Wer dem Einzelplan 11 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung - in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 11 ist mit Mehrheit angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit - Drucksachen 10/6315, 10/6331 - Berichterstatter: Abgeordnete Rossmanith Dr. Müller ({0}) Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/6561 vor. Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung zwei Stunden vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Waltemathe. *) Erklärung des Abg. Lutz Anlage 2

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei einer Haushaltsdebatte würde es naheliegen, über Zahlen zu reden. Darauf möchte ich weitgehend verzichten und statt dessen über die politischen Inhalte sprechen. Im vergangenen Jahr hatte ich, Frau Bundesministerin, namens der SPD-Fraktion zugesagt, daß wir Sie fair behandeln würden, daß wir Ihnen Einarbeitungszeit gönnen würden und daß wir Sie im übrigen nicht an Ihren Worten, sondern an Ihren Taten messen würden. ({0}) Immerhin, es gab ja auch bei uns die Hoffnung, daß der Wechsel im Ministeramt vom Generalsekretär der CDU, den ich mit niemandem vergleichen will, da er bekanntlich unvergleichlich ist, zu Ihnen, Frau Süssmuth, eine neue Politik für die Jugend, für die Familien, für die Frauen, für Gesundheit bedeuten könnte. Nun ist aber der Haushalt 1987 voll von Ihnen zu vertreten. Jetzt müssen wir doch wohl fragen, ob sich daraus tatsächlich eine neue, eine andere, eine bessere Politik ablesen läßt. Beginnen wir mit jenem Teil der Familienpolitik, der aus der Kindergeldgesetzgebung abgelesen werden kann. Der Anteil des direkt aus der Bundeskasse gezahlten Bundeskindergeldes sinkt von Jahr zu Jahr. ({1}) Der Geburtenrückgang wird nicht dazu genutzt - obwohl das immer von der CDU/CSU gefordert worden ist -, die familienpolitischen Leistungen zu verbessern. Was dagegen ansteigt, sind die Steuerausfälle aus den ungerechten Freibeträgen. Für diese Bundesregierung ist nicht jedes Kind gleich. Insoweit ist die Politik, die von der Familienministerin zu vertreten ist, ein Symbol der Ungerechtigkeit. ({2}) Denn nach dem Motto „Leistung muß sich wieder lohnen", ist das Aufziehen von Kindern offenbar nur dann eine große Leistung, wenn die Eltern über das höhere Einkommen verfügen. ({3}) Da ist es berechtigt, zu fragen, ob nicht Johannes Rau recht hat, ({4}) wenn er immer wieder die Frage stellt, weshalb denn eigentlich er für seine drei Kinder steuerlich zweieinhalbmal soviel Geld vom Staat bekommt wie die Serviererin mit drei Kindern oder die arbeitslose Sekretärin mit drei Kindern. ({5}) Die steuerlichen Kinderfreibeträge sollen offenbar mithelfen, den Wohlstand dieses unseres Landes wie gehabt neu zu verteilen, nämlich von unten nach oben. Wo bleibt da nun Ihre neue Politik für die Familie? Wo ist in der Steuergesetzgebung Ihr Beitrag, Frau Süssmuth, für familienpolitische Ziele und Ziele sozialer Gerechtigkeit? ({6}) Nehmen wir das Erziehungsgeld hinzu, jenes Musterbeispiel an bürokratischer Kompliziertheit. Warum gibt es eigentlich keine Änderung im Sinne eines Elternschaftsurlaubsgesetzes, mit dem auch Rücksicht genommen wird auf den Einkommensverlust einer Familie, in welcher ein Elternteil wegen der Kindeserziehung vorübergehend auf bezahlte Berufstätigkeit verzichtet? Wo bleiben also Ihre Initiativen, Ihr Engagement, Ihre Kompetenz, Ihre Leistungen, wenn Sie zulassen, daß die Familien schrittweise von der Wohlstandsentwicklung abgehängt werden? ({7}) Der Sozialbericht der Bundesregierung - also ein unverdächtiger Zeuge - beweist, daß, gemessen am Bruttosozialprodukt, die jetzige Bundesregierung weniger für die Familie aufwendet und bis zum Jahre 1990 weniger aufwenden wird als die sozial-liberale Regierung im Jahre 1981. ({8}) Wo sehen Sie also die epochale politische Wende für die Familie, die uns Ihre Regierung seit 1982 Jahr für Jahr aufs neue verspricht? ({9}) Im Verlaufe dieses Jahres wurden Sie nun mit einem zusätzlichen Titel dekoriert. Die Köpfe Ihrer Briefe und die Schilder an Ihrem Dienstgebäude weisen aus, daß Sie nunmehr auch Ministerin für Frauen sind. Man sollte meinen, daß jemand wie Sie, die Sie ja das Institut „Frau und Gesellschaft" in Hannover beruflich betreut haben, nun die gesellschaftlichen Probleme auch anpackt. Wenn ich mir ansehe, was bisher geschehen ist und was nach Ihrem eigenen Haushaltsentwurf 1987 geschehen soll, kann ich nur feststellen, daß zwar einige Forschungsvorhaben mehr, zusätzlich durchgeführt werden sollen, daß aber auch bisher schon Wissen vorliegt und auch schon längst Forschungsergebnisse bekannt sind, aus denen keinerlei Konsequenzen für Gesetzgebung und Gesellschaftspolitik gezogen werden. Mit anderen Worten: Was sind Sie denn nun? Beauftragte, Pressereferentin für Frauenforschung ({10}) oder Propagandistin für Frauenfragen oder aber tatsächlich Mitglied eines Bundeskabinetts mit der Kompetenz, eigene Initiativen einzubringen oder anderen Kabinettsmitgliedern in die Parade zu fahren, wenn deren Gesetzesvorlagen frauenpolitisch die bisherigen gesellschaftlichen Verhältnisse konservieren und zementieren? Haben Sie denn etwas gegen die Benachteiligung von Mädchen und Frauen bei Bildung, Ausbildung und Berufschancen unternommen? Haben Sie gegenüber Finanzminister und Arbeitsminister Ihr Veto eingelegt, damit die schändliche Ungerechtigkeit nicht eintritt, daß diejenigen Mütter, die älter als 65 Jahre sind, die Leistung von Kindererziehung in der Rente nicht berücksichtigt bekommen? ({11}) Was erklären Sie eigentlich der 70- oder der 80jährigen, weshalb sie von einer bescheidenen Rentenaufbesserung um 25 DM pro Kind ausgeschlossen wird, das sie in schwersten Zeiten aufgezogen hat? ({12}) - Die Dame heißt Rita. Sie sind angeblich auch Bundesministerin für Gesundheit. Gesundheitspolitik findet bei dieser Bundesregierung kaum statt und in dem Ministerium, das den entsprechenden Namen trägt, fast überhaupt nicht. ({13}) Eine Reform der Struktur des Gesundheitswesens steht ins Haus. Wo sind die Vorschläge Ihres Ministeriums dazu, ({14}) mit denen deutlich würde, daß Gesundheitspolitik mehr sein muß als eine reine Krankenversicherungspolitik? Große Gesundheitsgefährdungen gehen bekanntlich von Umweltschäden aus. Damit Sie sich Frauenministerin nennen dürfen, wurden Ihnen wichtige Kompetenzen in den Bereichen der Strahlenhygiene, der Rückstände von Schadstoffen und Chemikalien in Lebensmitteln weggenommen. Nach Tschernobyl haben sich sehr viele Frauen an Sie persönlich und an Ihr Ministerium gewandt. Sie hörten aber lange Zeit überhaupt nichts und bekamen dann zu ihrem Erstaunen eine späte Antwort aus dem Hause Wallmann. Probleme von Gesundheit und Ernährung werden gerade von Frauen aus Sorge um das Wohl der Kinder und der Familie und der richtigen Vorsorge hervorgehoben. Sie haben Anspruch darauf, eine kompetente Antwort auf in diesem Zusammenhang gestellte Fragen zu erhalten. Lebensmittelskandale gab es schon mehr als genug: bei Wein, bei Nudeln, bei Gefrierfleisch, bei Miesmuscheln usw. Wo sind in Ihrem Ministerium daraus Konsequenzen gezogen worden? ({15}) Ein anderes gesundheitspolitisches Thema ist das Problem der AIDS-Krankheit. Hier will ich ausdrücklich lobend hervorheben und anerkennen, daß Sie sich deutlich gegen eine Pflicht zur Meldung von AIDS-Kranken aussprechen. ({16}) Hier haben Sie unsere Unterstützung. Leider mangelt es darüber hinaus an eigenen Initiativen aus Ihrem Hause. Es waren erneut die sonst so sparsamen Mitglieder des Haushaltsausschusses aller Fraktionen, die dafür sorgten, daß die Mittelansätze für weitere Forschungs-, Aufklärungs- und Modellmaßnahmen im Bereich AIDS gegenüber dem Regierungsentwurf erhöht wurden, ({17}) weil Sie sich gegenüber dem Finanzminister offenbar nicht haben durchsetzen können. Dabei handelt es sich nicht um Beträge, die den Bundeshaushalt sprengen: einige Millionen. ({18}) Auch das Thema „Arzt im Praktikum" und seine Leidensgeschichte beweist fachliche Inkompetenz und starrsinnige Rechthaberei mit falschen und widersinnigen Lösungsansätzen. Frau Minister, ganz persönlich bin ich - aber nicht nur ich - doch zutiefst enttäuscht darüber, wie mit der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 26. Juni dieses Jahres zur Frage der Entschädigung von NS-Unrecht umgegangen wurde. Der von diesem Parlament geforderte Bericht war als Arbeitsgrundlage und nicht als Abschlußdokument gedacht. Nun ist Verzögerung schon eine Strategie der Drückeberger. Die Zusammenstellung des Berichts, für den Sie die Federführung übertragen bekommen haben, wurde in Ihrem Hause erst sechs Wochen nach dem Bundestagsbeschluß überhaupt eingeleitet. Nun haben wir den Bericht vor rund drei Wochen erhalten. Er spricht die kalte Sprache der Finanzbürokratie, und er wird nicht geprägt von Menschlichkeit und Mitgefühl. Da genügt es nicht, wenn Sie im Bundestag vor 14 Tagen nachträglich Beanstandungen an einzelnen Formulierungen vorbringen. Es käme darauf an, daß Sie sich auch ganz persönlich für vergessene Opfer, z. B. die Betroffenen der Erbgesundheitsgesetzgebung oder medizinischer Experimente an lebenden Menschen in der Nazi-Zeit, engagieren. ({19}) Auch dabei bitte keine finanzpolitischen Argumente! Es geht nicht um Milliarden, sondern es geht um 250 Millionen DM, von denen die Hälfte von Bundesländern aufgebracht werden soll. Wo ist dort Ihr Engagement, um beispielsweise den vom Berliner Abgeordnetenhaus einstimmig verabschiedeten Antrag in die Tat umzusetzen, um doch noch den Opfern des Nazi-Unrechts, die bislang einfach vergessen wurden, zu einer sehr späten Gerechtigkeit zu verhelfen? ({20}) Sie sind Ministerin für die Jugend. Der Bundesjugendplan ist ein gewichtiges Instrument, um politische, um soziale, um gesellschaftliche Arbeit von Jugendlichen, mit Jugendlichen und für Jugendliche fördernd zu unterstützen und Freundschaft mit der Jugend vieler Länder dieser Welt zu ermöglichen. Die Bundesgelder für diese Arbeit sind seit Jahren kaum angehoben worden, obwohl die vergleichbaren Kosten gestiegen sind. Nun ist zudem auch noch vorweg eine Sperre auf sämtliche Haushaltstitel gelegt worden, die den Zuwendungsempfängern, also in diesem Falle auch den Jugendverbänden, zugute kommen sollten. In Wahrheit findet also eine Kürzung der Mittel statt. Damit müssen wichtige Aktivitäten eingeschränkt werden, und das bedeutet Gängelung freier Jugendarbeit mit finanzpolitischen Tricks. Ich möchte auch an das Schicksal des Berichts der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Jugendprotest im demokratischen Staat" erinnern. Obwohl zu einem großen Teil einstimmige Empfehlungen für neue Perspektiven in der Jugendpolitik vorliegen, wurden keine entsprechenden Konsequenzen gezogen, sondern vier Jahre lang selbstgefällig alle guten Ansätze verhindert. ({21}) Neben den Verschlechterungen beim Jugendarbeitsschutz, in der Bildungsförderung und bei Arbeits- und Ausbildungschancen ist auch nicht zu erkennen, daß die Jugendministerin die Umgestaltung der Jugendvertretungen nach Betriebsverfassungsrecht in Ausbildungsvertretungen verlangt und durchsetzt, obwohl es sich um eine einstimmige Empfehlung des Enquete-Ausschusses handelt. Schließlich noch ein Thema, von dem ausschließlich Männer betroffen sind. Sie sind verantwortlich für den Zivildienst. Warum haben Sie eigentlich zugelassen, daß Zivildienstleistende nach dem neuen Wehrsoldgesetz benachteiligt werden? ({22}) Obwohl Zivildienstleistende einen um ein Drittel längeren Dienst als Bundeswehrsoldaten tun müssen, ({23}) sollen sie beim Entlassungsgeld nur in gleicher Höhe wie Bundeswehrsoldaten abgefunden werden. ({24}) Obwohl sie demnächst zwei Jahre lang zum Dienst herangezogen werden, sollen viele von ihnen nur in einem dieser beiden Jahre das Weihnachtsgeld, den 13. Sold, erhalten. ({25}) Diese Regierungsvorlage hätte doch wohl von Ihnen beeinflußt werden müssen, wenn Ihnen die Ihnen Anvertrauten wirklich am Herzen lägen. ({26}) Darüber hinaus fehlt es in Ihrem Hause an einer Zukunftsplanung für den Zivildienst; denn wird zur Zeit die Zahl der Zivildienstleistenden bei Ihnen zu niedrig angesetzt mit der Folge, daß die tatsächlich entstehende Mehrarbeit für die Betreuung der tatsächlich mehr Dienstleistenden personell nicht aufgefangen werden kann, so ist auf der anderen Seite auch keine Vorsorge getroffen, wie soziale Dienste denn aufrechterhalten werden sollen, wenn infolge des Geburtenrückganges in den 70er Jahren in den 90er Jahren demnächst nur noch zwei Drittel oder noch weniger Zivildienstplätze tatsächlich besetzt werden können. Zusammenfassend bin ich leider zu der Feststellung gezwungen, daß Frau Süssmuth zwar zur Frauenministerin befördert wurde, ohne dafür neue tatsächliche Kompetenzen zu erhalten, daß Sie aber an anderer Stelle Ihres Hauses an Kompetenz eingebüßt haben. ({27}) Auch wir Sozialdemokraten hören und lesen Ihre Reden und Interviews, teilweise jedenfalls, ganz gerne. Wir entdecken aber in der tatsächlichen Politik nirgendwo Ihre Handschrift und Leistungsbereitschaft. Sie können auch weiterhin schöne Broschüren herausgeben und bedeutende Beiträge in Talk-Shows liefern. Leider haben Sie offensichtlich am Regierungstisch nichts zu sagen. ({28}) Es wäre sehr ehrenvoll und süß, Mut zu haben, auch einmal am Kabinettstisch das Wort zu ergreifen und etwas durchzusetzen. ({29}) Aber offensichtlich ist daran bei dem aus Propagandagründen mit neuem Etikett versehenen Ministerium gar nicht gedacht. ({30}) Deshalb hat sich an der falschen Politik auch nichts geändert. Obwohl die Zusammenarbeit mit Ihnen persönlich und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses, denen ich dafür ausdrücklich danken möchte - ich bitte Sie, diesen Dank tatsächlich zu übermitteln -, sehr angenehm und kollegial gewesen ist, wird es sicherlich nicht in Erstaunen versetzen, daß wir den Haushaltsplan für Ihr Ministerium ablehnen werden. ({31})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rossmanith.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit für das Jahr 1987, der eine Steigerungsquote von 4,2 % aufweist - das heißt: es sind jetzt knapp 19 Milliarden DM in diesem Haushalt zusammengefaßt - und der damit deutlich über dem Anstieg des Gesamthaushaltes von etwa 1,9 % liegt, zeigt meines Erachtens geradezu beispielhaft, daß diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen der Familie, als der wichtigsten LeRossmanith bensgemeinschaft in Gesellschaft und Staat, eine besondere Bedeutung zukommen lassen. ({0}) Wir sind der Meinung - und dies drückt sich ja auch in den Haushaltszahlen aus - daß die Förderung der Familie, auch der Teilfamilie, die wirksamste Form der Sozialpolitik ist, weil die Familie unersetzbare Leistungen für die Gesellschaft erbringt und die Grundlage für die besten Lebensbedingungen des einzelnen schafft. Wir haben mit einer neuen Struktur des Lastenausgleiches den Familien wieder den entsprechenden Rückhalt gegeben. Wir haben das höchste finanzielle Niveau seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland im familienpolitischen Teil. Ich bin gerne bereit, noch einmal aufzuzählen, was wir alles in dieser relativ kurzen Zeit - es sind ja erst vier Jahre - geleistet haben. ({1}) - Das wollen Sie nicht hören, das ist mir schon klar. Erstens Erziehungsgeld von 600 DM während der ersten zehn Monate und ab 1988 für ein ganzes Jahr; zweitens Erziehungsurlaub für die Mutter oder den Vater während der Zahlung des Erziehungsgeldes; ({2}) drittens Anrechnung eines Erziehungsjahres in der Rentenversicherung für jedes Kind, das summa summarum etwa 25 DM Rentensteigerung pro Kind und pro Monat ausmacht; ({3}) viertens haben wir die Ausbildungsfreibeträge für die Kinder wesentlich angehoben; fünftens haben wir die Kinderfreibeträge von 432 DM auf 2 484 DM je Kind erhöht, was bei einem durchschnittlichen Jahresverdienst von knapp 40 000 DM eine Steuerersparnis für eine Familie mit zwei Kindern von über 1 000 DM - exakt: 1 092 DM - ausmacht, was sie weniger an Steuern zahlt, was sie mehr an Geld in der Tasche hat; sechstens haben wir die Kindergeldzuschläge bis zu 46 DM je Kind und Monat eingebracht. Ich könnte diese Liste fortführen. Preisstabilität, realer Einkommenszuwachs usw. wären hier zu nennen. ({4}) Wir werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, diesen Weg auch fortführen, auf ihm fortschreiten, um eben die wirtschaftlichen Belastungen, die Kinder verursachen, für die Familien noch weiter zu mildern. ({5}) Ich möchte natürlich auch auf das eingehen, was noch zu tun ist. In einem Haushalt, den wir mit einer Schuldenbilanz von mehr als 300 Milliarden DM übernehmen mußten, war und ist logischerweise nicht alles sofort machbar. Aber was wir tun müssen, ist, die Familie weiter steuerlich zu entlasten, ({6}) das Kindergeld für einkommensschwache Familien und für Mehrkinderfamilien weiterhin zu erhöhen. ({7}) Wir werden den Erziehungsurlaub mit Erziehungsgeld weiter verlängern. ({8}) - Lieber Kollege Walther, sobald die Staatsfinanzen es zulassen. ({9}) - Frau Fuchs, hätten Sie uns nicht diesen Schuldenberg hinterlassen ({10}) - der belastet uns ja Jahr für Jahr mit mehr als 30 Milliarden DM, die allein an Zinsen zu zahlen sind -, dann könnten wir diese Maßnahmen jetzt schon durchführen. ({11}) Und ich nenne Ihnen noch eine weitere Maßnahme: Wir wollen - das ist unser Weg, und das haben wir nach wie vor als Zielsetzung mit in unseren Vorschlägen - auch das Erziehungsjahr auf mehrere Jahre ausweiten. Dieses eine Jahr ist nur einmal der Einstieg. Sobald die Finanzen das zulassen, werden wir es, wie gesagt, um weitere Jahre aufstocken. ({12}) - Auf Herrn Rau komme ich schon noch zu sprechen. - Wir werden die Belastung der Familien mindern und die Familienberatung verstärken, die Sie ja sehr stark vernachlässigt haben. Wir werden auch ganz wesentlich darauf hinwirken, daß wir für den Schutz des ungeborenen Lebens tatsächlich eine wesentliche Verbesserung herbeiführen. ({13}) Die Probleme der sozialen Indikation, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir überwinden. Es bedarf hier sicher sehr vieler Anstrengungen. ({14}) Nur, ich bin der Meinung: In einem Land wie dem unseren, in dem der Wohlstand trotz aller Unken19450 rufe der SPD nicht nur Jahr für Jahr, sondern auch Tag für Tag zunimmt, ({15}) kann es nicht hingenommen werden, daß jährlich mehr als 200 000 Kinder das Licht der Welt nicht erblicken dürfen. ({16}) Mehr als 80 % der Schwangerschaftsabbrüche werden in der Zwischenzeit mit der sogenannten sozialen Indikation begründet. ({17}) Ich empfehle Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD: Geben Sie doch endlich Ihren Widerstand gegen die Stiftung „Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens" auf! ({18}) Sorgen Sie vielmehr dafür, daß auch in den von Ihnen regierten Ländern entsprechende Landesstiftungen eingeführt werden. ({19}) Wir haben diese Mittel in diesem Haushalt und im kommenden Haushalt von 60 Millionen DM auf 80 Millionen DM erhöht. ({20}) - Ich wiederhole das gern. - Mehr als 60 000 Frauen haben diese Hilfen bisher in Anspruch genommen. ({21}) Ich glaube, einen besseren Beweis als diese mehr als 60 000 Frauen gibt es gar nicht; daß diese Maßnahme, diese Einrichtung richtig war. ({22}) Wenn der von mir ansonsten sehr geschätzte Kollege Waltemathe hier von einem Rückgang der Leistungen im Familienbereich spricht, dann muß ich sagen: Lieber Kollege Waltemathe, da muß bei Ihnen eine grobe Verwechslung vorliegen. Denn wir im Bund haben ja, seit wir Regierungsverantwortung tragen, die familienpolitischen Leistungen weiter ausgeweitet, ({23}) während Sie in den Ländern, in denen Sie Regierungsverantwortung tragen - Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg; ich könnte die Litanei fortführen und hier jetzt auch noch das Saarland nennen -, in familienpolitische Maßahmen ganz hart eingeschnitten haben. ({24}) Jetzt komme ich gern auf den Zwischenruf von Paul Hoffacker zurück, was denn der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zum Thema Familienpolitik gemacht habe. ({25}) Johannes Rau hat in seinem Bundesland, für das j a primär er die Verantwortung trägt, zwischen 1980 und 1985 bei den familienpolitischen Leistungen insgesamt 56,2 Millionen DM gestrichen. Das ist seine Antwort zum Thema Familienpolitik. ({26}) - Das hätten Sie jetzt nicht bringen dürfen. Sie haben die Beiträge der Familien gerade für die Kindergärten erhöht. ({27}) Wen trifft das denn? Es trifft gerade die Familien mit mehr Kindern, die zwei, drei Kinder im Kindergarten haben. Die haben diese Leistung zu tragen. Und da erlauben Sie sich jetzt noch diesen Zwischenruf. ({28}) Ich hätte Ihnen einen besseren Zwischenruf zugetraut. ({29}) Wir haben die Familie aber nicht nur rein materiell in den Mittelpunkt unserer Politik gerückt. Die Bundesregierung hat j a mit dem Vierten Familienbericht die Öffentlichkeit sehr wirksam auf die Familie, vor allem die Mehr- Generationen- Familie, aufmerksam gemacht. Heute haben ja viele Kinder und Jugendliche die Chance und das Glück, nicht nur ihre Großeltern, sondern auch ihre Urgroßeltern zu erleben, von deren Erfahrungen zu profitieren und voneinander zu lernen. Wir haben nicht nur den materiellen Rahmen wieder geöffnet und erweitert, sondern wir haben die Familie auch ideell gestärkt, und dies zeigt deutlich seine Wirkung. Ich erinnere Sie an die Untersuchung des EMNID-Instituts vom vorigen Jahr, laut der über zwei Drittel aller jungen Menschen ihre Zukunft wieder positiv und mit sehr viel Zuversicht sehen. ({30}) 1981 - das ist eine interessante Vergleichszahl - lag der Prozentsatz der Jugendlichen, die gesagt haben, daß sie ihre Zukunft positiv sehen, deutlich unter 40 %. Diese positive Lebenseinstellung spiegelt sich auch darin, daß bei den jungen Menschen der Satz mehr und mehr Zustimmung findet: „Ich möchte Kinder haben und ein glückliches Familienleben führen." Wir haben den politischen Rahmen dafür gesetzt. Die Jugend ist auf diesem richtigen Weg. ({31}) Es zeigt für mich auch ganz deutlich, daß die jungen Menschen die Aufgaben der Zukunft sehen, sich ihnen stellen und auch bereit sind, Leistung zu erbringen, statt, wie Sie es jahrelang gemacht haben, Leistung zu verteufeln oder sich Leistung verteufeln zu lassen, ({32}) und daß sie sich auch sozial wieder engagieren. Daß wir diese Wende erreicht haben, wieder Vertrauen geschaffen, Mißtrauen abgebaut haben, ist für mich einer der größten Erfolge unserer Politik. ({33}) Der Erfolg stellt sich auch in der Eingliederung junger deutscher Aussiedler aus den deutschen Ostgebieten und osteuropäischen Staaten sowie Zuwanderer aus der DDR dar. In diesem Jahr werden es 65 000 solcher Bürger sein, die hier Aufnahme finden und eingegliedert werden. Wir haben deshalb den Garantiefonds entsprechend ausgeweitet. Natürlich ist das richtig, was Sie, Herr Waltemathe, gesagt haben, daß wir im gesundheitspolitischen Bereich vor einer ständigen Herausforderung stehen. Trotz eines hohen Standes unserer kurativen Medizin werden wir vor immer neue Probleme gestellt. Ich erwähne nur beispielhaft die Krankheiten AIDS, Krebs und Mukoviszidose. ({34}) - Das denke ich mir, daß Sie das nicht wissen, weil Sie das nicht interessiert und weil Sie sich nicht darum kümmern. Es wäre vernünftiger, daß Sie sich damit erst einmal befassen, bevor Sie diesen Einwurf machen. ({35}) Wir haben allein für Forschung und Aufklärung über AIDS - ich danke Ihnen, daß Sie das erwähnt haben - den Haushaltsansatz auf 20 Millionen DM ausgeweitet. Nur will ich hier das Ministerium insofern in Schutz nehmen, als - das zeigt sich gerade bei AIDS - nach Aufstellung des Haushalts im Lauf des Jahres die eine oder andere Maßnahme dringlich wurde. Das gilt gerade für den Bereich der Kindererkrankung und anderen Entwicklungen. Diese Maßnahmen waren einfach erforderlich. Wir, d. h. die Regierung, der Kanzler, haben ja auch das Ministerium um das Frauenressort zum Frauenministerium ausgeweitet. Das ist für mich ein ganz wichtiger und entscheidender und politischer Schritt. Wir haben mit dem Haushalt 1987 die Voraussetzung für den personellen und organisatorischen Aufbau dieses Ministeriums geschaffen. Es ist unredlich, lieber Ernst Waltemathe, jetzt zu sagen: Wo sind denn die Ergebnisse? Wir fangen ja jetzt erst damit an. Ergebnisse hätten wir sicher schon längst, wenn sich Ihre Regierung, die Sie getragen haben, damals bereits um ein solches Ressort bemüht hätte. ({36}) Lassen Sie mich zum Schluß auch noch den Zivildienst ansprechen. Wir haben die Zahl der Zivildienstplätze mit 64 000 im Jahre 1987 gegenüber dem Jahr 1981 fast verdoppelt. Wir haben damit die Voraussetzung geschaffen, daß jeder, der anerkannterweise aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigert, umgehend seinen Ersatzdienst ableisten kann. Ich möchte deshalb auch an dieser Stelle einmal diesen jungen Zivildienstleistenden für ihre Arbeit danken und ihnen meinen Respekt aussprechen. ({37}) Unsere Verfassung, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, sieht dieses Recht aus Gewissensgründen vor und macht es somit deutlich zur Ausnahme. Ich danke deshalb auch den vielen jungen wehrpflichtigen Soldaten, die durch ihren Dienst den Frieden und unsere Freiheit sichern helfen und somit auch einem Teil ihrer Altersgenossen das Recht auf Wehrdienstverweigerung erst ermöglichen. ({38}) Meinen Dank darf ich der Frau Minister, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Hauses sowie den nach- bzw. zugeordneten Behörden und Institutionen aussprechen für die gute Zusammenarbeit, für das, was wir gemeinsam erreichen konnten. Ich möchte Ihnen, Frau Minister, zurufen: Weiter so! ({39})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Frau Abgeordnete Wagner.

Marita Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002410, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Regierung, die vorgibt, so kinderfreundlich zu sein, fördert die Institution Ehe und hier vor allem die Hausfrauenehe und nicht die Kinder. Von der Familienförderung sind über 60% ehebezogene Leistungen und haben mit Kindern überhaupt nichts zu tun. 68% sind mit steuerlichen Vergünstigungen verbunden. Steuervergünstigungen, vor allem das Ehegattensplitting, haben jedoch den Effekt, daß sie gutverdienenden Ehemännern mit nicht erwerbstätigen Frauen zugute kommen. ({0}) Es werden somit erstens die Gutverdienenden und zweitens die ehelichen Lebensgemeinschaften massiv gefördert, auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen. ({1}) Damit hat sich an einem alten Grundsatz der CDU nichts geändert, der da lautet: Die Belastungen durch Kinder sollen vom Staat nur so weit abgemildert werden, daß die Mehr-Kinder-Familien gegenüber den kinderarmen und kinderlosen Familien der eigenen Schicht ins Hintertreffen geraten. Familienlastenausgleich bedeutet also Kaufkraftausgleich innerhalb der sozialen Schicht. Die Diskrepanz zwischen oberen und unteren Einkommen wird weder durch die Steuer- noch durch die Sozialpolitik berührt. Frau Süssmuth sagt heute zur Verteidigung der Kinderfreibeträge sinngemäß das gleiche. Ohne Kinderfreibeträge würde der Staat dazu beitragen, daß der Lebensstandard von Eltern gegenüber Kinderlosen mit gleichen Einkommen zurückbleibt. Den GRÜNEN geht es eben nicht darum, die Ehe von gutverdienenden Karrieremännern mittels Steuervergünstigungen weiter zu subventionieren und damit die Hausfrauenehe zu stützen. ({2}) Uns geht es nicht darum, mittels Steuervergünstigungen die Frauen in flexible Arbeitsverhältnisse oder in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zu betreiben. Uns geht es auch nicht darum, durch Steuervergünstigung, die die Bezieher hoher Einkommen subventioniert, das Kind des Arztes oder Rechtsanwaltes gegenüber dem Kind eines Arbeiters oder einer alleinerziehenden Frau zu bevorzugen. ({3}) Wir treten für ein direktes bedarfsdeckendes Kindergeld für alle Kinder ein, welches von den Eltern treuhänderisch verwaltet wird. ({4}) Frauenpolitik heißt bei Frau Süssmuth: Modelle, Projekte und wissenschaftliche Erörterungen. Dies kann jedoch niemals Alibi für politisches Nichtstun sein oder politisches Handeln ersetzen. Politisches Handeln findet jedoch im Bereich Fauenpolitik faktisch nicht statt. Frau Süssmuth erklärte auf einer Pressekonferenz: Mehr Frauen als früher wollen Familie und Erwerbstätigkeit miteinander verbinden. Die Bundesregierung will Frauen und Männern nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben. Frauen sollen selbst entscheiden, ob sie berufstätig sein möchten oder sich ausschließich der Familie widmen wollen ({5}) oder ob sie beides miteinander verbinden. Dabei darf Gleichberechtigung nicht zu Lasten der Familie gehen. ({6}) Die moderne junge Frau darf also ganz allein entscheiden, solange es nicht zu Lasten der Familie geht. Warum ist hier eigentlich nie von den Männern die Rede? Sollen sie etwa nicht die Mitverantwortung für die Kinderbetreuung und die Familie übernehmen? Es ist die Frau, die wählen darf. Sie darf dies wählen, sie darf das wählen oder sie darf auch beides zugleich wählen. Niemand schreibt ihr vor, ihr ganzes Glück in der Mutterrolle zu finden. Sie darf sie ganz alleine wählen. Dafür, daß der Arbeitsmarkt eine Rollenfixierung erleichtert, kann doch Frau Süssmuth nichts. ({7}) Frau Süssmuth schreibt niemandem etwas vor. Es ist der Zwang der Verhältnisse, denen die Frauen sich unterwerfen müssen. Dies zeigt doch, welch ein Wert die Wahlfreiheit ist, wenn die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und der geschlechtsspezifische Arbeitsmarkt dominieren, wenn also die Ausgangspositionen so unterschiedlich sind. Es ist liberales Geschwätz, Frau Süssmuth. Wahlfreiheit besteht erst dann, wenn Kinderbetreuung und Haushaltsführung für alle Erwerbstätigen möglich sind. Solange das Erwerbsleben aufgespalten ist zwischen Männern, die hauptsächlich Erwerbsarbeit leisten, und Frauen, die Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren haben, gibt es keine Wahlfreiheit. Erst die Verkürzung der Arbeitszeiten, erst die Umverteilung von Erwerbs- und Hausarbeit auf Männer und Frauen und erst die Umverteilung von Kinderbetreuung auf beide Elternteile macht eine selbstbestimmte Lebensperspektive für Frauen möglich. ({8}) Frau Süssmuth spricht sich für flexible Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge aus. ({9}) - Daß Sie als Mann das sagen, wundert mich nicht. - Sie fordert, die Strukturen auf dem Arbeitsmarkt und im Arbeitsleben flexibler, differenzierter und weniger zentralistisch zu gestalten. Heißt dies nun, daß Frauen demnächst arbeiten können, wann und wie sie wollen? Beileibe nicht, denn das haben wir ja schon alles, und wir wissen auch, wie es in der Praxis mit der kapazitätsorientierten variablen Arbeitszeit, der Arbeit auf Abruf, aussieht. Gibt es viel Arbeit, dann wird die Arbeiterin angerufen und darf arbeiten. Gibt es wenig Arbeit, dann darf sie Mutter sein. Was sich da so nett nach einem Angebot für Frauen anhört, ist eine totale Anpassung weiblicher Arbeitskräfte an die Bedürfnisse der Unternehmer. Flexibel gehen diese Frauen in die Armut - durch niedrige Löhne, später niedrige Renten und keinerlei soziale Absicherung. Dafür haben sie schließlich die Versorgungsinstitution Ehe. Ginge es Frau Süssmuth wirklich um Frauenpolitik, dann müßte sie konsequent die Quotierung aller Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Frauen fordern, um die Frauen in die Lage zu versetzen, an allen Entscheidungen in dieser Gesellschaft auf allen Hierarchieebenen gleichberechtigt beteiligt zu sein. Würde Frau Süssmuth wirklich Frauenpolitik betreiben, dann müßte sie die gesetzliche Aufhebung von Niedrigstlöhnen für Frauen im Erwerbsleben fordern und angehen. Dann wäre auch klar, daß die Kinderbetreuung für Männer wie für Frauen nur eine zeitlich begrenzte Phase im Lebenszusammenhang und in der Lebensperspektive von Frauen ist, daß folglich die Kinderbetreuung als gesellschaftlich notwendige Arbeit in Form von Lohnersatzleistungen für begrenzte Zeit zu bewerten ist. Und was macht Frau Süssmuth in der Gesundheitspolitik? Genausoviel wie ihr Vorgänger Heiner Geißler, nämlich nichts. Sie ist für die schönen Reden zuständig, für die Finanzen und damit für die harten Fakten ist Herr Blüm zuständig. Während die Gesundheit der Menschen durch die in letzter Zeit mit schöner Regelmäßigkeit durch den Rhein fließenden Giftwellen bedroht ist, appelliert die Gesundheitsministerin an die Raucher, auf die Nichtraucher Rücksicht zu nehmen. So wichtig das auch ist, so frage ich mich doch, wo da die Maßnahmen bleiben. Und wo bleibt eine kritische Stellungnahme zu den Giftskandalen der chemischen Industrie? Nach Taten mögen wir j a schon gar nicht mehr fragen. Wir erleben gerade in dem Bereich, der unsere Lebensgrundlagen zerstört und unsere Gesundheit bedroht, eine Politik, die das Verharmlosen, Vergessen und das Sich-mit-der-Umweltkatastrophe-Arrangieren forciert und Widerstand gegen diese Politik durch Verschärfung der Staatsgewalt kriminalisiert und bestraft. ({10}) Gesundheit und das Überleben der Menschen werden dem Profit untergeordnet. ({11}) Eine menschenfeindliche Kosten-Nutzen-Rechnung findet statt, eine neue Bestimmung des Wertes des Menschen. Die Frage lautet offensichtlich heute: Wer ist es wert, trotz wachsender Umweltvergiftung und verknappter Mittel für die soziale und gesundheitliche Versorgung zu überleben? Vom Kampf gegen die Umweltschäden geht es als nächstes zum Kampf gegen die Geschädigten. Da mischt Frau Süssmuth fleißig mit. Wir wenden uns entschieden gegen solche menschenfeindliche Politik. ({12})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Frau Abgeordnete Männle.

Prof. Ursula Männle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001405, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Strategen, scheinen wahrscheinlich geläutert durch härtere Oppositionsjahre, die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und verordnen eine radikale Kurskorrektur in der parteipolitischen Rhetorik. Die Wandlung vom Saulus zum familienpolitischen und frauenpolitischen Paulus ist jedoch trügerisch. ({0}) - Ich sage auch gerne Paula. Ich habe da keine Probleme, Frau Däubler. Erinnern wir uns: Mußten sich nicht Frauen, die bewußt Familientätigkeit als Berufstätigkeit wählten, unter Rechtfertigungsdruck gesetzt sehen? Galt bei Ihnen nicht die Gleichung: Außerhäusliche Berufstätigkeit und Erwerbstätigkeit sind gelungene Selbstbestimmung, Familientätigkeit ist Rollenzwang, Abhängigkeit und Unterdrückung? Lassen Sie mich als Beispiel nur das Mutterschaftsurlaubsgeld anführen. Sie wissen, daß es nur für erwerbstätige Mütter galt. Andere Mütter gingen leer aus. ({1}) - Frau Fuchs, ich sage ganz deutlich: nur für Erwerbstätige, nicht für alle Mütter. Sie waren damit weniger wert. ({2}) Die CDU/CSU war es, die das Erziehungsgeld für alle Mütter, die nichterwerbstätigen und erwerbstätigen Mütter, und, Frau Wagner, auch für die Väter, ({3}) verbunden mit Beschäftigungsgarantie, verabschiedet haben. Erinnern wir uns weiter: Wer hat erstmals die Anerkennung der Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung für Mütter durchgesetzt? ({4})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Und die Berufstätigen kriegen nichts!) Wir waren es, die jetzt eine Lösung gefunden haben, alle Mütter, die vor 1921 geboren sind, stufenweise einzubeziehen. Wir proklamieren keineswegs, die Ideallösung gefunden zu haben. Ich sage ganz deutlich: Die Stufenlösung ist keine Ideallösung. Aber, Frau Fuchs, wir wehren uns gegen Ihre Attacken, gegen die Attacken der SPD, die sachliche Kritik mit Heuchelei und Zynismus zu verwechseln scheinen. Wir wehren uns gegen die Alternative, alle Mütter auszugrenzen, eine Totalausgrenzung zu machen. Jetzt machen Sie mit Ihrem Vorschlag wiederum eine Teilausgrenzung. ({0}) - Sie haben es jahrelang praktiziert. Haben Sie etwas eingeführt? ({1}) Nichts haben Sie gemacht. ({2}) Ich meine, diese von uns eingeführte und bis 1990 zu praktizierende Lösung ist eine finanzpolitisch vertretbare Stufenlösung. ({3}) - Nein, ich möchte dies im Zusammenhang vortragen. Wir haben uns für eine Teillösung, für eine frauenpolitische und frauenfreundliche Teillösung entschieden. Sie haben nur geredet, Frau Fuchs, getan haben Sie nichts. ({4}) Erinnern wir uns weiter: Sie sprechen auch so viel von den Berufschancen der Frauen. Sie waren es doch, die in Ihrer Regierungszeit einen Nullbeitrag zu der damals schon erkennbaren überproportionalen Frauenarbeitslosigkeit lieferten. Ja, Sie kassierten sogar frauenbegünstigende Bestimmungen des Arbeitsförderungsgesetzes. Wir haben mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz, mit der siebten Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz frauenfreundliche Maßnahmen eingeleitet. Wir haben die Arbeitsmarktchancen für Frauen verbessert. Ich möchte nur einige Stichworte sagen: Teilzeitarbeit, befristete Arbeitsverträge für Frauen, Erleichterung des Wiedereinstiegs ins Erwerbsleben. Wer hat dies getan? Wir waren es. ({5}) Erinnern wir uns weiter. Wie behandeln Sie denn die Familie? Sie haben vorhin so viel davon geredet. Sie erhöhten zwar damals kurz vor der Wahl das Kindergeld, kassierten es aber hinterher wieder ein, haben es pauschal gekürzt für Arme wie Reiche. ({6}) Sie werfen uns eine unsoziale Familienpolitik vor, weil wir ein nach Einkommen gestaffeltes Kindergeld einführten und Kinderfreibeträge und Ausbildungsfreibeträge wesentlich erhöhten. Wer so großen Wert wie Sie auf Steuerprogression legt, der muß auch ja zu Freibeträgen sagen. Nur diese sind sozial gerecht. ({7}) Maßstab für unsere Politik ist, Familien mit Kindern gegenüber Ehepaaren ohne Kinder nicht zu benachteiligen; dies ist unser Maßstab. ({8}) Sicherlich nicht zuletzt waren Sie es auch, die sich nichts einfallen ließen und sich auch nichts weiter einfallen lassen, ungeborenes Leben durch tätige Hilfe zu schützen. Unsere gesamte Familienpolitik und gerade auch die Bundesstiftung Mutter und Kind haben einen wesentlichen Beitrag zum Lebensschutz, zum Ja zum Kind geleistet. Die heute zu beschließende Erhöhung der Mittel um 20 Millionen DM ist ein weiterer Beweis für eine Politik, die Leben schützt. Mit welchem Hohn überschütteten Sie die Stiftung und verweigerten Sie die Hilfe in den von Ihnen regierten Bundesländern! Und auch jetzt fehlt es an Hilfe durch Herrn Rau in Nordrhein-Westfalen. Dies alles zu verdrängen und die Hände in Unschuld zu waschen, ist schon eine Meisterleistung, und zwar eine Meisterleistung an Unglaubwürdigkeit. Ich glaube nicht, daß Ihre Rechnung aufgehen wird, die darauf setzt, daß die Wählerinnen und Wähler vergeßlich sind, daß sie nur Worte bewerten und nicht die unterlassenen Taten. Wir haben vor der Wahl einiges versprochen, und wir haben es gehalten. Der Wähler kann dies abschecken. Er kann nachsehen, was wir versprochen haben. Er kann überprüfen, was wir gehalten haben. Wir werden, meine Damen und Herren, fortfahren in der von uns begonnenen Politik der Familienfreundlichkeit und damit auch der Frauenfreundlichkeit. ({9}) Ich scheue mich nicht zu sagen: Familienpolitik ist auch Frauenpolitik, Frau Wagner, und Frauenpolitik ein Teil von Familienpolitik, nicht ausschließlich, aber auch. Meine Damen und Herren, es ist schon interessant, daß Rufe aus unterschiedlichen Richtungen, von Konservativen und Progressiven, ({10}) nach Wiedereinzug der Gefühle in die eiskalte Welt der Produktion, nach Arbeitsformen und Lebensweisen, die die Menschen nicht in einen rationalen und einen emotionalen Teil zergliedern, nach Sinngebung und Selbstverwirklichung durch Arbeit in der linken Ecke der Politik verstummen, wenn das Thema Familie, Familientätigkeit, aber auch das Thema Ehrenamtlichkeit berührt wird. Familie scheint tabu zu sein, wenn es um gesellschaftliche Anerkennung der dadurch erhaltenenen Leistungen geht. Familie gerät nicht selten zum Thema Nummer eins, wenn über Entfremdung, Begrenzung, Konflikt und Gewalt geredet wird. Meine Damen und Herren, Wärme, Glück, Geborgenheit sind heute Werte, die von vielen gesucht werden. ({11}) Sie können in der Familie erfahren und gelebt werden, und sie können im Dienst an anderen, im ehrenamtlichen Dienst und auch im Pflegedienst an anderen ihren Ausdruck finden. Wir Politiker und wir Politikerinnen können dazu beitragen, daß diese Werte in unserer Politik umgesetzt werden. Das partnerschaftliche Miteinander von Frauen und Männern in der Familie, neue Wege zur Vereinbarkeit oder zur Aufteilung von Familien und Erwerbstätigkeit für Mütter und Väter sind für uns sehr wichtig. Diese Aufgabe zu lösen ist zunächst natürlich einmal Sache der Ehepartner selbst. Keine Partei, keine Regierung darf Ehepaaren vorschreiben, wie sie ihre Aufgaben verteilen. ({12}) Aber Staat, Gesellschaft, Arbeitgeber, alle Betroffenen können ein familien- und partnerfreundliches Klima schaffen. Dazu sind wir aufgerufen durch unsere Politik. Dazu haben wir die Weichen gestellt, und darin werden wir fortfahren. ({13}) Meine Damen und Herren, wir sind bei diesen Problemen - Frauen, Familie - häufig sicherlich in einer sehr emotionsgeladenen Diskussion. Wir sind auch auf einem Wege, daß wir sagen müssen, Politik für Frauen befindet sich auf einer Gratwanderung. Zu vielfältig sind die Lebenssituationen, aber auch zu unterschiedlich die daraus folgenden Wünsche und Bedürfnisse. In freier Entscheidung und nur partnerschaftlich mit den Männern können die heute noch beträchtlichen Benachteiligungen, die ich nicht unter den Teppich kehren will, beseitigt werden. Aber auch nur so können die neuen Problemlösungen durchgesetzt werden. Meine Damen und Herren, ich muß leider zum Schluß kommen, weil meine Redezeit abläuft. Mit der Entscheidung des Bundeskanzlers, eine weitere Ministerin in das Kabinett zu nehmen und ihr darüber hinaus die Kompetenz für Frauenfragen zu geben, hat für diese Bundesregierung die Frauenpolitik einen erhöhten Stellenwert erhalten. ({14}) - Frau Schmidt, 18 neue Stellen sind für diesen Bereich geschaffen worden, und die Mittel für die Verbesserung der sozialen und rechtlichen Stellung der Frauen sind ebenfalls erhöht worden, und zwar um 2,4 Millionen DM. Ist das nichts? Das bedeutet fast eine Verdoppelung. Frauenpolitik erfordert Ideen, Tatkraft, Durchsetzungsvermögen. Zur Frauenpolitik gehört aber auch unendlich viel Geduld, gehört viel Zusammenarbeit aller Betroffenen: aller Ministerinnen im Kabinett, aller Minister im Kabinett, der Parlamentarier und Parlamentarierinnen. Daß die Ministerin die Bereitschaft findet, daß sie ihre Politik durchsetzen kann, daß sie die Bereitschaft findet, Kooperation zu erfahren, das wünschen wir ihr und uns allen im Interesse aller Frauen. ({15})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eimer.

Norbert Eimer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000458, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzte Haushaltsdebatte dieser Legislaturperiode, eine der letzten Debatten dieser zu Ende gehenden Wahlperiode ({0}) - doch, ich werde schon wiederkommen -, ist nicht nur ein Rechenschaftsbericht dieser Regierung mit all ihren Erfolgen, ist nicht nur ein Ausblick auf die Arbeit, die sich diese Koalition für die nächste Legislaturperiode vorgenommen hat; nein, diese Debatte zeigt auch die geistige Leere, mit der die Opposition gegen diese Regierung anrennt. ({1}) In der Wirtschaftspolitk sind die Fakten klar gegen die Opposition. Es ist geradezu peinlich, wie sie Fakten nicht zur Kenntnis nehmen will. ({2}) Die wirtschaftliche Entwicklung hat uns auf allen Gebieten der Politik recht gegeben. Was bleibt da einer Opposition noch sehr viel übrig? Das Zahlenwerk des Haushalts hat mein Kollege Rossmanith sehr ausführlich gewürdigt. Ich glaube, dem braucht man nichts hinzuzufügen. Es zeigt sehr deutlich, wo die Schwerpunkte liegen. Es zeigt, daß die Regierung auch bezüglich dieses Haushalts mit Erfolg arbeitet. ({3}) Nun versucht es die SPD durch eine Mischung von Versprechen und dem Schüren von Neid. Was ist denn das Gerede von der angeblichen Umverteilung von unten nach oben, das man bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten hört, anderes? Tatsache ist aber - das kann man nachlesen und nachrechnen -, daß diese Regierung mehr für die Familien ausgibt, als vorher zur Verfügung stand. ({4}) Allein 1986 sind es ca. 10 Milliarden DM mehr für die Familien. Die familienbezogenen Sozialausgaben betrugen im Jahre 1982 insgesamt 64,2 Milliarden DM; 1986 werden es 78,5 Milliarden DM sein. Das sind ca. 22 % mehr. Man muß darüber hinaus berücksichtigen, daß dies alles bei Preisstabilität geschieht. Inflation - so weiß jeder - begünstigt die Sachbesitzer und schädigt vor allem die kleinen Leute. Stabilität hilft ihnen aber. 5% Inflation bei einem Einkommen von 2 000 DM pro Monat bedeuten einen Verlust von über 1 000 DM im Jahr. Diesen Verlust hat die Stabilitätspolitik dieser Regierung dem Bürger erspart. Aber ich will noch einmal auf die angebliche Umverteilung zurückkommen. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Diskussion um die Gesetze des Familienlastenausgleichs und an die Anhörungen im Ausschuß. Ich tue das deswegen, weil ich hier im Plenum gegen diese Regelung gestimmt und gesprochen habe. Ich möchte meine Kollegen an die Anhörung und an das Diagramm von Professor Oberhauser erinnern, der uns allen nachwies, daß mit viel Aufwand und mit viel Bürokratie dieselbe Verteilung erreicht wird, die wir vorher auch schon hatten, aber keinesfalls eine Umverteilung von unten nach oben. Ich war damals gegen das Gesetz, meine Kollegen von der SPD, weil ich es für umständlich und bürokratisch hielt. Ich glaube, das trifft heute noch zu. Aber das Argument von der Umverteilung ist falsch. Es wird vergessen oder verschwiegen, daß es Eimer ({5}) Einkommensgrenzen gibt, daß es einen Sockelbetrag gibt. So wende ich mich gegen Ende dieser Legislaturperiode nicht nur an die Opposition, die unsinnige Behauptung nicht mehr aufzustellen, sondern ich wende mich auch an unseren Koalitionspartner, mit uns gemeinsam zu versuchen, die Sozialgesetze einfacher, unbürokratischer und durchsichtiger zu gestalten. Ich glaube, der Kollege Glombig hat hier für uns alle einen guten Hinweis gegeben. Ein derart einfaches System hindert auch den politischen Gegner mit einem selektiven Wahrnehmungsvermögen daran, sich unzulässig mit Argumenten für eine nicht stimmende Propaganda zu bedienen. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir nicht mehr Sozialpolitik nur danach beurteilen dürfen, wieviel Geld auf der Hand des Bürgers ankommt, wir müssen auch fragen, mit welchem Aufwand und mit welchen Folgen. Wir haben gerade in dieser Legislaturperiode feststellen müssen, daß gutgemeinte Änderungen auf vielen Gebieten unbeabsichtigte Folgen in anderen Gesetzen hervorgerufen haben. Diese unbeabsichtigten Folgen hatten wir beim Erziehungsgeld, bei Erziehungszeiten in der Rentenversicherung und in anderen Bereichen. Wir reden immer vom sozialen Netz und haben gar nicht zur Kenntnis genommen, daß wir eigentlich ein soziales Mobile haben: Wenn wir an einer Stelle eingreifen, tanzt das ganze System durcheinander. Die alten Rezepte der Sozialpolitik bringen zwar das Geld an den Bürger, diese Rezepte bringen aber auch komplizierte und undurchsichtige Sozialgesetze. Ich sehe hier eine der Hauptaufgaben der Koalition in der nächsten Legislaturperiode: die Sozialgesetze von ihrem bürokratischen Ansatz zu befreien. ({6}) Auf der anderen Seite hat diese Koalition aber eine Reihe von Verbesserungen vorgenommen, wenn auch nicht in dem von uns gewünschten Umfang. Ich komme zum Erziehungsgeldgesetz, das im Gegensatz zum vorherigen Mutterschaftsurlaubsgesetz auch für Mütter ausgezahlt wird, die vor der Geburt ihres Kindes nicht erwerbstätig waren. Wahlweise können auch Väter diesen Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen. Nach vielen Absichtserklärungen und Anläufen ist es dieser Koalition auch gelungen, Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung endlich einzuführen. Seit dem 1. Juli 1986 bekommen Alleinerziehende mit einem Kind unter sieben Jahren einen 20 %igen Zuschlag zum Sozialhilferegelsatz. Arbeitende Alleinerziehende können nachgewiesene Betreuungskosten für das erste Kind bis zu 4 000 DM, für jedes weitere Kind bis zu 2 000 DM absetzen. Auch das Zusammenleben der Generationen ist durch Wohngeldfreibeträge verbessert worden. Wir haben gehandelt, während sich die Familienpolitik von SPD und GRÜNEN in unbezahlbaren Forderungen erschöpft. ({7}) Die FDP konnte in dieser Koalition einen wichtigen Teil ihrer Familienpolitik verwirklichen, nämlich die Familie ideell und finanziell zu stärken. Wir haben die Situation Alleinerziehender verbessert, das Zusammenleben der Generationen erleichtert, wo dies gewünscht wird. Für uns ist Familienpolitik eine bessere Berücksichtigung der Familien in allen Politikbereichen, von Wohnungspolitik bis hin zur Sozialpolitik. Wir wollen weitere Verbesserungen vornehmen, wenn dies finanziell möglich ist. Ich wiederhole das, was ich schon öfters gesagt habe: Wohltaten auf Pump wird es mit uns nicht geben. ({8}) Aber diese Regierung ist nicht nur im Bereich der Familienpolitik ein ganzes Stück weitergekommen, sondern auch im Bereich der Chancengleichheit für Frauen im Berufsleben. Ich will hier ein Beispiel vorbringen, das sich in meiner unmittelbaren Umgebung abgespielt hat: Ich war gerade bei meinem Schreiner. ({9}) - Lassen Sie doch diese kindlichen Zwischenrufe! - Bei diesem Schreiner stellte sich ein Mädchen vor, das in diesem Beruf eine Lehre beginnen wollte. Dieser Schreiner sagte: Nein, das geht nicht, weil die Gesetze entgegenstehen; ich habe keine eigenen Sozialräume usw. Ich habe ihn dann darauf aufmerksam gemacht, daß im Bundestag - gegen den Willen der SPD - in diesem Bereich eine Änderung vorgenommen wurde und daß jetzt gerade kleine und mittlere Betriebe Mädchen einstellen können, weil Hemmnisse abgebaut worden sind. ({10}) Acht Tage später, Frau Kollegin Fuchs, konnte ich feststellen, daß dieser Schreiner ein Mädchen eingestellt hat. ({11}) Ein Gesetz dieser Regierung, das von der Opposition mit dem Wort „Sozialabbau" diskriminiert wurde, hat es einem Mädchen erlaubt, einen qualifizierten Handwerksberuf zu erlernen. Ich wünsche mir, daß die SPD-Kollegen einmal zu diesen jungen Frauen gehen und ihnen erklären, warum sie damals gegen unsere Gesetzgebung gestimmt haben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Eimer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier? - Bitte sehr.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Norbert Eimer, ({0}) - ich kenne ihn gut - meine Frage lautet: Warum muß man, wenn man sich zu Recht freut, daß dieses junge Mädchen den Ausbildungsplatz bekommen hat, gleichzeitig die SPD diffamieren, wo du doch weist, daß wir seit Jahren intensiv gemeinsam dafür eingetreten sind, daß Frauen in Männerberufe hineinkommen, und überhaupt erst die Möglichkeiten geschaffen haben, daß sie Schreiner und ähnliches werden können? ({1})

Norbert Eimer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000458, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Liebe Ingrid Matthäus, ich kenne deine Intentionen, und ich weiß, daß es auch deine Meinung ist, daß mehr Frauen in Männerberufe hineinkommen sollen. Aber der Wunsch allein nützt nichts; wir müssen auch die Gesetze ändern, damit das ermöglicht wird. ({0}) - Modellversuche allein genügen nicht. Wir müssen die Gesetze ändern, die dies verhindern. Ich darf Sie daran erinnern, daß es im Deutschen Bundestag eine Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft" gegeben hat und daß dort gerade von Frauen gefordert wurde, im sozialen Bereich die Gesetze so zu ändern, ({1}) daß Frauen eben nicht mehr behindert werden. Genau damit haben wir begonnen, ({2}) und diesen Weg müssen wir weitergehen. ({3}) Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist notwendig, daß wir uns in der nächsten Legislaturperiode die Arbeit dieser Kommission „Frau und Gesellschaft" noch einmal anschauen, denn bisher ist auf diesem Gebiet zuwenig getan worden, und es war gerade die SPD, die uns immer daran gehindert hat, hier weiterzukommen. Es waren gerade die Frauen, die hier massiv eine Änderung gefordert haben. Dabei geht es nicht um einen Abbau von Schutzgesetzen, sondern, wie der Kollege Glombig heute sehr eindringlich und sehr richtig gesagt hat, um eine andere Organisation von Schutzgesetzen. Meine Damen und Herren, in der Jugend gibt es, wie wir aus Umfragen ersehen können, in den vergangenen vier Jahren eine deutlich bessere Stimmung. Die Jugend glaubt wieder, daß sie eine Zukunft hat. Sie weiß wieder, daß man sich die Zukunft selbst erarbeiten muß. ({4}) Wir sind weg von der Angst vor der Zukunft, die der jungen Generation viel zu lange eingeredet worden ist. ({5}) Wer der Jugend eine Zukunft in einem demokratischen Gemeinwesen eröffnen will, in einem Staat, in dem Toleranz herrscht, in einem Staat, in dem die Achtung vor der Meinung des anderen herrscht, in einem Staat, in dem die Entscheidungen nach demokratischen Methoden, nicht durch die Kraft der Ellenbogen getroffen werden, der muß aber sein Verhältnis zur Gewalt ordnen. In unserem Staat wird der Gewaltbegriff zunehmend relativiert; es gibt eine Verharmlosung von Gewalt, ein Predigen von Gewalt durch Leute, die sich selbst als Friedensforscher bezeichnen. ({6}) Wie kann eine Gesellschaft friedlich werden, wenn es Menschen wie Robert Jungk gibt, die sich für Gewalt gegen Sachen, die nach ihrer Meinung Lebens- und menschenschädigend sind, aussprechen? Das heißt doch nichts anderes als dies: Wenn eine Entscheidung nicht meinen Vorstellungen entspricht, wenn ich im demokratischen Mehrheitsprozeß unterlegen bin, habe ich das Recht, dagegen mit Gewalt vorzugehen; der Zweck heiligt die Mittel, und ich selbst - Robert Jungk - bestimme, ob Demokratie für mich gilt oder nicht. Meine Damen und Herren, ich kann diese Meinung nicht teilen. ({7}) Gewalt gegen Sachen ist auch Gewalt gegen demokratische Entscheidungen. ({8}) Wir selbst müssen doch zugeben, wie schwer es uns fällt, in einem demokratischen Entscheidungsprozeß eine Niederlage hinzunehmen. Es ist Kennzeichen einer Demokratie - nur so kann sie funktionieren -, daß es den Konsens gibt, daß man Mehrheitsentscheidungen akzeptiert. Wenn dies aber schon uns Erwachsenen schwerfällt, wieviel schwerer mag es einem Jugendlichen fallen, der viel ungeduldiger ist und der moralisch sehr viel rigoroser an Probleme herangeht als jemand, der etwas älter ist? Es ist das Kennzeichen aller totalitären Bewegungen, daß Mehrheitsentscheidungen nicht akzeptiert werden, daß man den Widerstand gegen Mehrheitsentscheidungen moralisch begründet. Demokratie kann ich aber nicht nur dann für mich beanspruchen, wenn ich bei einer Mehrheitsentscheidung gewinne; ich muß sie auch akzeptieren, wenn ich unterliege. ({9}) Ich sehe hier eine ganz gefährliche Entwicklung, weil es Politiker gibt, deren Verhältnis zur Gewalt und deren Verhältnis zu Mehrheitsentscheidungen nicht geklärt ist, ja, die sogar Gewalt rechtfertigen. Gewalt beginnt aber nicht erst bei Gewalt gegen Eimer ({10}) Menschen, sondern bereits bei Gewalt gegen Entscheidungen der Mehrheit. ({11}) Wenn wir der Jugend eine friedliche Welt hinterlassen wollen, müssen wir ihr auch sagen, daß Mehrheitsmeinungen toleriert werden müssen. Wir gehen diesen Weg. Wir reden der Jugend nicht nach dem Munde. Wir sagen ihr, daß Demokratie keine bequeme Sache ist. Aber diese Regierung bietet der jungen Generation nicht nur ein abstraktes Prinzip an, sondern auch konkrete Verbesserungen der Zukunftsperspektiven. Wir haben die Mittel des Bundesjugendplans von 128 Millionen DM im Jahre 1982 auf 138 Millionen DM im Jahre 1986 aufgestockt. Die Chancen für Ausbildungs- und Arbeitsplätze wurden verbessert. Die Zahl der Ausbildungsplätze hat sich deutlich erhöht. Der Anteil der arbeitslosen Jugendlichen liegt in der Bundesrepublik Deutschland deutlich unter dem EG-Durchschnitt. In einigen Bundesländern haben wir sogar mehr Angebote an Ausbildungsplätzen als Jugendliche, die danach suchen. Wir müssen deswegen fortfahren in dieser Wirtschaftspolitik, die die Rahmenbedingungen für mehr Ausbildungsplätze schafft. So haben wir vor allem auch beim Benachteiligtenprogramm zur Förderung der beruflichen Eingliederung Jugendlicher eine Erhöhung von 67 Millionen DM 1982 auf 335 Millionen DM 1986 vorgesehen. Wir haben noch nicht alles erreicht, aber vieles auf den Weg gebracht. So ist es notwendig, daß wir in der nächsten Legislaturperiode das Jugendwohlfahrtsgesetz novellieren. So ist vor allem eine Reform der Heimerziehung notwendig, eine Ausweitung der Mitwirkung, Mitbestimmung und Mitverantwortung der Jugendlichen, eine Gewährleistung der Grundrechte auch in Erziehungseinrichtungen, eine Verbesserung der Beratung der Eltern in Erziehungsfragen. Wir gehen mit dem Bewußtsein an die Arbeit, daß es zu schaffen ist, und mit Optimismus. SPD und GRÜNE dagegen betreiben Schwarzmalerei und verbreiten Zukunftspessimismus bei den Jugendlichen. Wir sind überzeugt, meine Damen und Herren, daß unsere Methode die bessere ist. Vielen Dank. ({12})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rusche.

Herbert Rusche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001906, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 13. November 1986, also vor zwei Wochen, hatten wir eine Debatte zu AIDS. Damals gab es eine bemerkenswerte Einigkeit bei allen Fraktionen darin, daß Aufklärung und Abbau von Angst und Hysterie die wichtigste Aufgabe im Zusammenhang mit dieser Krankheit ist. Geld, so alle Fraktionen in diesem Haus, sollte im Zusammenhang mit dieser Krankheit ausreichend zur Verfügung stehen. Leichte Zweifel an der Aufrichtigkeit all dieser guten Beiträge war lediglich bei den GRÜNEN festzustellen. Aber wir haben die damalige Beschlußempfehlung mitgetragen und sie so, wie sie da stand, begrüßt. Heute, zwei Wochen später, verabschieden wir einen Haushalt, der genau das Gegenteil der damaligen Versprechungen beinhaltet. ({0}) - Nein, nein. Dem Haushalt werden wir nicht zustimmen. Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht. In Großbritannien z. B. gibt die Regierung für 1987 20 Millionen Pfund Sterling - das sind 60 Millionen DM - nur für Aufklärung aus. Sie wollen mit - popeligen, möchte ich fast sagen - 2,275 Millionen DM die Gruppen, die die Aufklärung - also das Wichtigste im Zusammenhang mit AIDS - betreiben, unterstützen. Das ist keine Unterstützung, das ist einfach lächerlich. Die Durchführung von dringlichen Maßnahmen, Gestaltung von Rundfunk-, Fernsehspots, Zeitschriftenanzeigen, Broschüren, ist so nicht gewährleistet. Die Deutsche AIDS-Hilfe hat für das Jahr 1987 75 Projekte geplant, die sehr wahrscheinlich alle scheitern müssen, weil die Mittel dafür nicht zur Verfügung stehen. Deswegen möchte ich hier an Sie appellieren, unserem Änderungsantrag zuzustimmen und die Mittel für Maßnahmen gegen AIDS im Jahre 1987 zu erhöhen. ({1}) - Bitte schön, Herr Kollege.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Bitte sehr, Herr Abgeordneter Rossmanith.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Abgeordneter, ist Ihnen bekannt, daß die Ansätze des Bundeshaushalts 1987 für AIDS, für Aufklärung und Forschung, weit über den Betrag hinausgehen, den Sie genannt haben, und fast exakt 20 Millionen DM umfassen? ({0})

Herbert Rusche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001906, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sicher, da ist die Forschung dabei. ({0}) - Ja, sicher. Ich habe Ihnen eben einen Betrag von um die zwei Millionen DM genannt, der hauptsächlich in die Aufklärung gehen soll. Ein Teil davon soll in irgendwelche Fernsehspots gesteckt werden, auf die die Gruppen, die sich am meisten mit AIDS beschäftigen, gar keinen Einfluß haben. Mir geht es um eine konsequente Aufklärung durch die Gruppen, die zu dem Thema arbeiten. ({1}) - Wollen Sie noch eine Frage stellen?

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Noch eine Zwischenfrage?

Herbert Rusche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001906, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gerne.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Aber Sie wissen, Ihre Redezeit geht zu Ende?

Herbert Rusche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001906, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, ja, sicher.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie mir zustimmen, daß der Betrag, den Sie genannt haben, der ist, den wir, der Kollege Waltemathe und meine Wenigkeit, im Berichterstattergespräch - der Kollege Dr. Müller von Ihrer Fraktion war bei diesem Gespräch nicht dabei - für zusätzliche Aufklärungsmaßnahmen aufgestockt haben? ({0})

Herbert Rusche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001906, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Müller war bei dem Gespräch dabei. ({0}) - Ist egal, streiten wir uns nicht darüber! Auf jeden Fall gestehe ich Ihnen das zu. Aber im internationalen Vergleich ist das ein lächerlich geringer Betrag, den Sie für das Jahr 1987 zur Verfügung stellen. Wichtige Projekte der Deutschen AIDS-Hilfe werden scheitern, wenn nicht mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden. Ich möchte Sie zum Abschluß noch einmal bitten: Unterstützen Sie unseren Änderungsantrag, um eine vernünftige Arbeit der Deutschen AIDS-Hilfe zu ermöglichen und um auch - das werden wir in diesem Jahr natürlich nicht schaffen - den Anschluß an die internationale Entwicklung zu schaffen, damit wir den Vergleich mit anderen Ländern nicht scheuen müssen, die in diesem Bereich mehr tun. Ich danke Ihnen. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kroll-Schlüter.

Hermann Kroll-Schlüter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rusche, ich darf die Zahlen noch einmal richtigstellen. Die Zahlen, die Sie genannt haben, beziehen sich auf jene Mittel, die zur Bekämpfung der AIDSKrankheit ausgegeben werden. Insgesamt sind im Haushalt 20 Millionen DM veranschlagt. Das ist im Vergleich zu den vergangenen Jahren eine beträchtliche Erhöhung. ({0}) Dann möchte ich mich mit dem auseinandersetzen, was mehrmals zur Familienpolitik gesagt worden ist. Die letzte familienpolitische Tat der SPD war eine Kindergeldkürzung, und zwar für alle gleich. Nun sagt Herr Rau, wir wollen, daß ein für alle gleiches Kindergeld wieder eingeführt wird. ({1}) Das bedeutet, Frau Fuchs, daß ein Hochverdiener wie Herr Apel oder Sie ({2}) das gleiche Kindergeld bekommen soll wie jemand, der nur ein Drittel dessen verdient, was Sie verdienen. Das bedeutet, daß jemand, der 60 000 DM im Monat verdient, nach Ihrer Vorstellung genauso viel Kindergeld bekommen soll wie jemand, der 40 000 DM im Jahr verdient. ({3}) Das ist Ihre Regelung. ({4}) - Nun bleiben Sie doch bitte einmal ruhig! Ich will nur die Tatsachen darlegen. ({5}) Dann behaupten Sie ({6}) - nein, bitte nicht; ich möchte das jetzt im Zusammenhang ausführen - und Herr Rau, unsere Kindergeldregelung bedeute, daß die Reichen dreimal soviel bekämen wie die niedrig Verdienenden. ({7}) - Frau Fuchs, das ist die glatte Unwahrheit. Ich sage es Ihnen jetzt. Sie können es ja widerlegen. Der niedrig Verdienende mit drei Kindern bekommt heute bei uns im Monat 508 DM Kindergeld. Der Verdiener mit 36 000 DM Jahreseinkommen und drei Kindern bekommt heute 508 DM Kindergeld. Der hoch Verdienende mit 100 000 DM bekommt heute bei unserer Regelung 508 DM bis 528 DM Kindergeld. ({8}) - Einen Moment! Das, was Sie sagen, ist ja nicht wahr. Ich habe in unsere Regelung Kindergeld und Freibeträge einbezogen. Was Sie den Bürgern ständig verschweigen, ist - deswegen sage ich das jetzt in aller Nüchternheit und in aller Offenheit -, daß es heute beim Kindergeld auch eine Einkommensgrenze gibt. Wer über 50 000 DM verdient, bekommt weniger. Das verschweigen Sie ständig. ({9}) - Frau Fuchs, es tut mir leid: Sie waren zu kurz im Ministerium, als daß Sie davon Ahnung haben könnten. ({10}) - Sie bezweifeln meine Zahlen. ({11}) Dann muß ich sagen: Meine Zahlen sind exakte Zahlen. Sie sagen die glatte Unwahrheit hier und in der Öffentlichkeit. ({12}) Das habe ich Ihnen nachgewiesen bzw. das weise ich Ihnen nach. ({13}) Für den Dialog mit der jungen Generation ist es wichtig, ({14}) die politischen Tatsachen darzulegen, die Wahrheit zu sagen, wahrhaftig zu sein. ({15}) Jede Generation hat ihre Zukunft - nicht immer eine gute. Wir arbeiten für eine gute Zukunft der heutigen Generation. Die Jugend zu fördern und zu fordern ist eine der wichtigsten Maßstäbe unserer Jugendpolitik. Schwarzmalerei und Panik schaffen weder einen einzigen Arbeitsplatz noch einen Ausbildungsplatz ({16}) noch sind sie in der Lage, Jugendlichen Zukunft und Zuversicht zu geben. Junge Leute diskutieren, demonstrieren, engagieren sich. Sie wollen eine gerechtere Welt. Das ist gut so. Junge Leute fragen bohrend bis zum Kern der Wahrheit, lehnen Ideologisierungen und totalitäre Ansprüche ab, verlangen mit Recht nach Sinnvermittlung in der Erziehung, sind für neue Wege offen, wehren sich aber entschieden gegen die Aufgabe des Bewährten. Sie stehen zu ihren Eltern und Geschwistern in der Familie, betrachten einen umfassenden Lebensschutz auch für das ungeborene Kind als eine zentrale Aufgabe. Ein Kompliment an diese Haltung der jungen Menschen von heute! ({17}) Sie sind bereit zum sozialen Engagement, und das nicht nur einmal im Jahr, am Tag der Jugend. Die Umwelt ist für junge Menschen ein weites Feld großartiger praktischer Betätigung und hervorragender, vorbildlicher Taten. ({18}) Wir sollten auch dies bedenken: Die Lebensvorstellungen junger Menschen sind unterschiedlicher als früher. Mehr als früher existieren innerhalb der jungen Generation Meinungsvielfalt, kontroverse Diskussionen und unterschiedliche Verhaltensweisen. Um so wichtiger ist es, jungen Menschen Gestaltungsmöglichkeiten zu geben, damit sie Verantwortung tragen können. ({19}) Auch der junge Mensch muß immer wieder neu erfahren: Er trägt Verantwortung für sich und andere. Das verpflichtet gegenüber allen Mitmenschen, gegenüber kommenden Generationen. ({20}) Seine persönliche Entwicklung ist keine isolierte Entwicklung: ({21}) Nächstenliebe verlangt Solidarität, Gerechtigkeit und Friedfertigkeit. ({22}) Junge Menschen müssen erfahren können, daß es wichtig ist, aufeinander zuzugehen. Auch wir sind gehalten, auf sie zuzugehen. Wir haben den Versuch unternommen, auf sie zuzugehen, mit ihnen gemeinsam zu handeln. ({23}) Die Ergebnisse: Selten gab es so viele Lehrstellen wie heute. Das ist noch nicht genug. Aber auf diesem Weg können wir das Ziel für diese jungen Menschen erreichen. ({24}) Für den Abbau der Arbeitslosigkeit ist die Perspektive günstig. In der Bundesrepublik Deutschland liegt die Jugendarbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Niveau innerhalb der EG. Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 20 Jahren sank um über 10 % oder 14 000 im Vergleich zum Vorjahr. Die aktive Arbeitsmarktpolitik wird heute auf dem höchsten je erreichten Niveau betrieben. Junge Menschen sind daran überproportional beteiligt. Es gibt eine Steigerung um 60 % in den vergangenen drei Jahren. Dank des wiedergewonnenen finanziellen und Handlungsspielraums konnten auch die BAföGLeistungen beständig gesteigert werden. ({25}) Seit 1985 erhalten Eltern wieder Kindergeld für arbeitslose Jugendliche bis zum Alter von 21 Jahren. ({26}) Sie haben das Kindergeld für arbeitslose junge Menschen gestrichen; wir haben es wieder eingeführt. ({27}) Sie haben das Kindergeld gekürzt; wir haben es erhöht. ({28}) Zur gleichen Zeit versprach Johannes Rau, den Kindergartenbeitrag in Nordrhein-Westfalen zu streichen. Das Ergebnis: Der Kindergartenbeitrag wurde von 20 DM bis 100 DM erhöht. ({29}) Die Reform des Rechts auf Wehrdienstverweigerung hat sich bewährt. Der Jugendschutz wurde verbessert. ({30})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter - Kroll-Schlüter ({0}): Schlimme Video-Filme wurden bekämpft. ({1}) Es gibt beachtliche Erfolge im Kampf gegen die Drogensucht. Der Bundesjugendplan wurde ausgebaut. Damit hat die Bundesregierung nicht nur im materiellen Bereich Zeichen gesetzt, sondern darüber hinaus auch eine Perspektive eröffnet. Über diese notwendigen konkreten Maßnahmen hinaus gilt es, diese fortzusetzen, in einen positiven, konstruktiven Dialog mit den jungen Menschen weiter einzutreten, der sich auch mit den grundlegenden Fragen unserer Gesellschaft befaßt. Wir müssen auch bereit sein, ungewöhnliche Lösungen der jungen Menschen vorurteilsfrei aufzugreifen ({2}) und den jungen Menschen die Chance zu geben, ihre Ideen in einem demokratischen, sozialen, freiheitlichen Rechtsstaat durchzusetzen. ({3}) Wir wollen helfen, fördern und fordern. Wir setzen auf Mitverantwortung und Eigeninitiative junger Menschen. Wir stellen Mut zur Zukunft gegen die Zukunftslosigkeit einer rot-grünen Politik. Ich danke Ihnen herzlich. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat Frau Abgeordnete Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kroll-Schlüter, ich habe an sich nicht vor, mich mit dem zu beschäftigen, was Sie sagen; aber lassen Sie mich eine kleine Korrektur anbringen, die zugleich über den Stil urteilt, in dem Sie sich auseinandersetzen. Sie wissen ganz genau, daß die Kindergartenbeiträge in Nordrhein-Westfalen für den Normalverdiener bei 35 DM liegen. Gerade Sie wissen das. ({0}) - Entschuldigung, die Menschen mit 100 DM Beitrag, von denen Sie gerade gesprochen haben, haben ein Einkommen von über 100 000 DM. Jetzt sage ich Ihnen: Wenn Sie diese Familien vertreten, dann tun Sie mir leid. ({1}) - Herr Hoffacker, gern. Aber seien Sie so freundlich, sich in 20 Minuten noch einmal zu melden. Ich würde jetzt sehr gern zur Frau Süssmuth kommen. Ich komme noch einmal auf das Kindergeld, und ich gebe Ihnen dann das Wort. ({2}) - Dann muß ich das jetzt ablehnen, weil ich sonst gar nicht in meine Rede einsteigen kann. ({3}) Diese Vorbemerkung zu Herrn Kroll-Schlüter war deswegen erforderlich, meine Damen und Herren, weil es so deutlich zeigt, daß die CDU Familienpolitik und Frauenpolitik mit Wahlkampf verwechselt, ({4}) und ich finde - das tut mir furchtbar leid -, das haben die Familien und Frauen draußen überhaupt nicht verdient.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Abgeordnete Däubler-Gmelin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Hoffacker?

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. Herr Präsident, wenn Sie zugehört hätten, wüßten Sie, daß ich ihm gesagt habe, daß ich die Zwischenfrage in 20 Minuten gern gestatte. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Abgeordnete, gilt das für Ihre gesamte Redezeit?

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, nein. ({0}) Herr Präsident, vielleicht darf ich das noch einmal wiederholen, damit es jeder, vorne oder hinten, mitbekommt: In etwa 20 Minuten komme ich noch einmal auf das Kindergeld und die Kindergartenfreibeträge, und ich habe Herrn Hoffacker angeboten, daß er seine Frage dann sehr gern stellen kann. ({1}) Jetzt, meine Damen und Herren, möchte ich Sie darum bitten, sich wenigstens bei diesem Punkt um den Stil der Auseinandersetzung zu bemühen, den die Frauen in der Diskussion über ihre Belange wollen. Damit Sie sehen, daß wir im Gegensatz zu Ihnen eigentlich immer dazu bereit waren, darf ich jetzt mit einem Lob beginnen. Ich fand es nämlich sehr gut, daß sich Frau Süssmuth auch schon zu einer Zeit als Frauenministerin verstanden hat, bevor ihr Ministerium die offizielle Bezeichnung erhielt, auch wenn die Kompetenzen, wie Sie das ja auch beklagen, dem Titel nicht entsprechen. Ich fand es deswegen gut, Frau Süssmuth, weil Sie sich damit in eine Tradition eingereiht haben, die schon bei Frau Schwarzhaupt begonnen hat, über Frau Focke, Frau Huber und Frau Fuchs fortgesetzt wurde. ({2}) - Ja, auch über Frau Brauksiepe, danke schön. Übrigens auch über Frau Karwatzki; ich darf Sie da ausdrücklich mit einbeziehen. ({3}) - Natürlich auch Frau Strobel, selbstverständlich. ({4}) Diese Frauen wollten wirklich für die Interessen der Frauen einstehen. Das finde ich gut, weil wir wissen, daß die Frauen eine Lobby brauchen, in den Parteien, in den Parlamenten oder in der Regierung, und weil ich glaube, daß die Frauen, die sich so verstehen, darin recht haben. Man kann nämlich, wie z. B. Ihre Beiträge vieler Kollegen heute morgen gezeigt haben, bei Männern nicht immer das gleiche Interesse an der Durchsetzung von Rechten von Frauen voraussetzen. Manchen von ihnen geht es mehr um die Wählerstimmen als um die Rechte der Frauen. ({5}) Deswegen fand ich es gut daß Sie, Frau Süssmuth, gesagt haben: Jawohl, auch ich nehme die Verpflichtung auf. Frau Süssmuth, wenn ich hier von Verpflichtung spreche, dann, so glaube ich, bietet die Diskussion um Ihren Haushalt und um Ihre Politik auch den geeigneten Anlaß, auf das einzugehen, was derzeit in den Interviews, in den Fragen der Journalisten und auch in den Fragen der Frauen immer deutlicher hörbar wird. Es werden nämlich immer deutlicher Zweifel laut. Nicht Zweifel an dem, was Sie sagen - damit das ganz klar ist; das finde auch ich in vielen Punkten sehr sympatisch -, aber Zweifel daran, ob Sie sich in Ihrer Partei, in der Regierung durchsetzen können und ob Sie das wollen. ({6}) Diese Zweifel will ich hier vortragen, und ich habe die Bitte - Sie werden nachher sicherlich noch reden -, daß Sie darauf eingehen. Die Zweifel berühren Sie zunächst als CDU-Parteifrau. Da haben Sie ja mittlerweile wunderschöne Beschlüsse. Aber die Frauen fragen: Warum fangen die mit der Verbesserung der Repräsentanz der Frauen im Parlament eigentlich nicht sofort an? ({7}) Sie wissen ganz genau, daß es auch bei uns nicht einfach war, durchzusetzen, die Zahl der weiblichen Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion von 22 auf 44 Frauen zu erhöhen. Warum schafft die CDU trotz Ihrer Versprechungen höchstens eine Steigerung von 18 auf 21, wobei noch nicht mal diese drei sicher sind? ({8}) Die Zweifel, Frau Süssmuth, die Hauptzweifel beziehen sich auf Ihre Rolle und Ihre Tätigkeit als Mitglied dieser Bundesregierung. Nehmen wir doch zunächst einmal das Erziehungsgeld, über das heute schon so viel geredet wurde. Lassen Sie uns doch nicht pausenlos darüber streiten, wer das parteipolitisch eigentlich früher wollte. Wir haben mit dem Mutterschaftsurlaubsgeld für eine Gruppe von Frauen angefangen, weil der Bundesrat unter ihrer Leitung 1979 mehr nicht mitgemacht hat. Wir haben immer gesagt: Wir wollen eine Ausweitung auf die Hausfrauen und auf die Selbständigen. Wir haben selbstverständlich erklärt, daß wir mit der Ausweitung einverstanden sind. Sie wissen ja auch, daß wir nicht gegen dieses Gesetz gestimmt haben. ({9}) - Schauen Sie doch in den Protokollen nach, bevor Sie hier falsche Dinge erzählen. Wahrscheinlich interessiert Sie das als Männer nicht so sehr. Frau Süssmuth wird das besser wissen, sie wird es richtigstellen. Interessant, Frau Süssmuth, ist nicht der Grundsatzstreit, sondern die Frage, ob Ihr Gesetz unter frauen- und familienpolitischen Gesichtspunkten nicht hätte besser gemacht werden können und müssen. ({10}) Nachdem wir 1979 mit 750 DM pro junger berufstätiger Mutter angefangen hatten, und Sie 1982/83 auf 510 DM gekürzt haben und jetzt 600 DM geben, ist das nicht gut, ({11}) auch dann nicht, wenn Sie die Hausfrauen einbeziehen. Und noch etwas: Wenn das Geld knapp ist, dann muß es doch jedem klar sein, der Frauen- und Familienpolitik macht, daß man eine alleinerziehende junge Mutter, die von dem Geld leben muß, nicht genauso behandeln kann wie eine Frau mit 10 000 DM Familieneinkommen. ({12}) Sie wissen ganz genau, daß sich dieser Unterschied entweder in mehr für die alleinerziehende junge Mutter oder in einer Einkommensbegrenzung hätte niederschlagen müssen. ({13}) Frau Süssmuth, wir sind der Auffassung, das hätten Sie bedenken und ändern müssen. Daß Sie es nicht getan haben, war falsch. Das zweite, meine Damen und Herren ({14}) - die Zwischenrufe der Männer zeigen nur, daß sie das offensichtlich gar nicht wissen wollen -, ist die Frage des Kündigungsschutzes. Vor einem Jahr, als das Erziehungsgeld hier diskutiert wurde, Frau Süssmuth, haben Sie gesagt: Warten Sie doch einmal ab, ob sich die Verwässerung des Kündigungsschutzes tatsächlich gegen die jungen Frauen auswirkt. Da haben wir gesagt: Gut, warten wir ab. Und wenn Sie heute bei den Gewerbeaufsichtsämtern nachfragen - wir tun das -, dann werden auch Sie feststellen, daß sich nicht nur die Anträge auf Kündigung, die gestellt wurden, um ein Mehrfaches erhöht haben, sondern daß tatsächlich auch gekündigt wird. Diese Verwässerung des Kündigungsschutzes ist schädlich, das muß nicht sein. Die berufstätigen jungen Frauen sollten doch nicht ausbaden müssen, daß die Hausfrauen einbezogen werden. Das muß nicht sein, wenn man etwas für die Frauen tun will. ({15}) Ich sage Ihnen noch eines: Sie wissen nicht und wir wissen nicht, was da unter der Hand an Praktiken des Hinausdrängens tatsächlich noch abläuft. Und genau das macht uns Sorge. ({16}) Wir erwarten von Ihnen, daß für die Frauen erheblich mehr getan wird. Und das ist auch möglich. Noch eines: Ich kann nicht begreifen, warum beispielsweise eine junge Schuhverkäuferin, die Erziehungsurlaub nimmt, auch noch dazu dienen muß, die Statistik über die Beschäftigung der Bundesregierung zu schönen. Die Bundesregierung praktiziert nämlich Tricks, um nach außen zu sagen: Mit der Beschäftigung der Frauen ist es gar nicht so schlimm, sie nimmt zu: Sie zählen nicht nur die Schuhverkäuferin, die Erziehungsurlaub nimmt, sondern dazu noch einmal die Vertreterin auf dem gleichen Arbeitsplatz. Sie zählen doppelt. ({17}) Das tun Sie 150 000 mal in diesem Jahr. Wissen Sie, ich habe das auch nicht geglaubt, aber wenn Sie es nachlesen wollen, dann brauchen Sie nicht nur bei der Bundesanstalt für Arbeit nachzulesen, sondern Sie können das sogar im Jahresgutachten der fünf Weisen nachlesen. Sie finden in Ziffer 90, daß in den 250 000 Mehrbeschäftigten, von denen Sie ausgehen, diese Frauen mit enthalten sind. ({18}) Ich sage Ihnen: Das ist nicht nötig und nicht korrekt. ({19}) - Sie brauchen sie nicht doppelt zu zählen. Sie müssen 150 000 abziehen. Frau Süssmuth, Sie müssen das deshalb tun, weil Sie sonst nach außen den Eindruck vermitteln, mit der Frauenbeschäftigung sei alles in Ordnung, wogegen es doch in Wirklichkeit immer schwieriger wird. Die Arbeitsbedingungen der Frauen verlangen, daß die Frauenministerin sich um sie kümmert. ({20}) Wer so verfährt wie Sie, der schwindelt nicht nur mit den Tricks der Statistik, sondern der verschleiert das Problem, der hilft nicht den Frauen, sondern der entmutigt sie. Genau das gleiche ist der Fall beim Babyjahr. Auch da kann ich es einfach nicht mehr hören, daß Sie ausschließlich aufrechnen wollen. Alle Leute wissen mittlerweile, daß wir 1972 daran gescheitert sind, daß Sie damals nicht mitgemacht haben, daß wir deswegen nicht einmal den Einstieg geschafft haben. Alle Frauen wissen heute auch, daß wir Sozialdemokraten sagen: Wir helfen Ihnen dabei, das Babyjahr durchzusetzen, weil wir uns im Interesse der Frauen und Familien nicht so verhalten, wie Sie das tun. ({21}) - In diesen zehn Jahren haben gerade Sie uns, Frau Verhülsdonk, nicht in dem Maße geholfen, in dem wir Ihnen heute helfen. ({22}) - Diese ganze Schreierei, diese ganze Streiterei bringt überhaupt nichts. Entscheidend ist vielmehr die Tatsache, daß wir von einer Frauenministerin, auch wenn sie Mitglied dieser Regierung ist, erwarten, daß sie gemeinsam mit uns die Verbesserungen für die Frauen durchsetzen kann, die heute geboten sind. ({23}) Es geht um das, was heute möglich ist. Beim Babyjahr ist es doch nicht so, daß es heute neu wäre, daß das Geld kostet. Das haben wir Ihnen schon 1983 und 1984 gesagt. Wir haben Ihnen auch gesagt, daß alle Mütter draußen wissen, daß dieses Geld natürlich nicht zweimal ausgegeben werden kann. Man kann es entweder nur für die Frühpensionierung der Bundeswehroffiziere ({24}) oder für die Mütter ausgeben. Man kann es entweder nur für die Steuersenkungen von Spitzenverdienern oder für die Mütter ausgeben. ({25}) Wir haben Ihnen auch gesagt, wir seien bereit, die richtigen Prioritäten mit nach außen zu verantworten. Auch haben Sie ganz genau gewußt, daß Sie dieses „Jahrhundertwerk" mit falschen Etiketten anpreisen. Und wir sind auch jetzt noch bereit - wir haben das mehrfach gesagt -, zu helfen. Lassen Sie uns den Schritt für alle Mütter gemeinsam tun. Wir halten es für unglaublich ungerecht - ich sage das an diesem Podium sicher schon zum zehn19464 1 ten Mal -, zunächst sämtliche Mütter auszugrenzen, die vor 1921 geboren sind. ({26}) Wir halten es für völlig unmöglich - und ich finde es traurig, daß Sie immer noch auf dieser Zumutung beharren -, die älteren Mütter bis Ende 1990 warten zu lassen, obwohl auch Sie wissen, daß ein Viertel der Mütter das nicht mehr erleben wird. ({27}) - Ich halte es für unglaublich, meine Damen und Herren, wie Sie darauf jetzt wieder reagieren, ({28}) obwohl Sie ganz genau wissen, daß die Rentenversicherungsträger das nicht nur uns, sondern auch Frau Süssmuth und Ihnen sagen. ({29}) Ich halte es geradezu für bedauerlich, daß Sie so tun, als ob von den fünf Millionen Müttern, die eigentlich in den Genuß des Babyjahres kommen müßten, tatsächlich eine große Zahl profitieren könnten. Dabei wissen Sie doch ganz genau, daß es in diesem Jahr nicht mehr als 5 % sein werden: etwa 250 000. Das ist noch nicht einmal die Zahl, die Sie für das Jahr 1986 eingeplant hatten; das ist bedauerlich. Und jetzt sage ich Ihnen noch etwas, Frau Süssmuth: Wenn es Ihnen um die Frauen und Mütter geht, dann müssen Sie auch denen, die jetzt im Prinzip einen Rentenanspruch haben, dabei helfen, daß sie ihn wirklich bekommen. Denn wir wollen doch nicht - ich denke, ich gehe da mit Ihnen einig; jedenfalls für uns Sozialdemokraten gilt das - die Mütterleistung ganzer Gruppen ausschließen. Das können doch auch Sie nicht wollen. ({30}) Ich will Ihnen jetzt einmal vier Punkte nennen, in denen dieses heute geltende Gesetz verbessert werden muß. Hören Sie gut zu, damit Ihnen das ein für allemal klar wird. Da gibt es eine Menge Vertriebener unter den Frauen, die z. B. von Königsberg nach Dänemark ausgelagert wurden, ({31}) die dort ihre Kinder bekamen und deswegen keine Babyjahr-Anrechnung bekommen. ({32}) Das ist das eine, Frau Süssmuth, was Sie aufgreifen und verbessern müssen. Sonst bleibt das ungerecht. Da gibt es eine zweite Gruppe, nämlich diejenigen Frauen, die z. B. als Hausfrauen ohne eigene Rente das getan haben, was ihnen empfohlen wurde, als wir die Rentenversicherung für sie geöffnet haben: Sie haben sich nachversichert und sollen deswegen keinen Babyjahrzuschlag bekommen. Auch die werden ausgegrenzt. Von Ihnen! ({33}) Das halte ich für unmöglich, das müssen Sie ändern! ({34}) Da gibt es eine dritte Gruppe, die der Kriegerwitwen, deren Männer im Krieg geblieben sind und die deswegen gezwungen waren, ihre Kinder mit ihrer Hände Arbeit zu ernähren, ({35}) die über Ihrer Verdienstgrenze von etwa 140 DM im Monat liegen und deswegen kein Babyjahr bekommen. Das ist ein Skandal; die müssen einbezogen werden. Das hätten Sie schon längst aufgreifen müssen. ({36}) Die vierte Gruppe, Frau Süssmuth, der Sie sich annehmen müssen, sind die Mütter, die z. B. zwei Kinder haben, die über keine eigene Rente verfügen, die ihr ganzes Leben Hausfrau waren und denen Sie jetzt zumuten, sich für weitere drei Jahre nachzuversichern, bevor sie überhaupt in den Genuß des Babyjahres kommen. Manchmal, Frau Süssmuth, habe ich den Eindruck, daß nicht nur Ihre Kollegen hier, sondern auch Ihr Ministerium das noch gar nicht ganz durchschaut hat. Wenn ich mir nämlich durchlese, was in Ihren Broschüren steht, die man kostenlos auf Hochglanz bekommt, bemerke ich: Die Frauen finden dort nichts darüber. ({37}) Wenn Sie aber z. B. das lesen, was die Rentenversicherungsträger - hier die Bundesanstalt für Angestellte - an konkreten Auskünften geben - und alle Frauen sollten das lesen -, dann stellen Sie fest, daß hier die tatsächlichen Ausnahmen und Ausgrenzungen enthalten sind. Und ich sage Ihnen: Das stimmt. Die Frauen merken das, wenn sie Anträge stellen. Die werden dann abgelehnt. Ich sage Ihnen: Eine Frauenministerin darf das nicht auf sich beruhen lassen. Die muß das aufgreifen, selbst wenn es die Kollegen nicht gern hören. ({38}) Lassen Sie mich zu einem weiteren Punkt kommen, nämlich zu der Situation berufstätiger junger Frauen. Darüber, daß sich da noch viel ändern muß, brauchen wir, glaube ich, ebenfalls nicht zu streiten. Da gibt es die vier großen A: Ausbildung, Arbeitslosigkeit, Arbeitsbedingungen, Aufstiegsmöglichkeiten, wo sich vieles ändern muß. Es stimmt natürlich nicht, Herr Eimer, daß die Welt und die Entwicklung erst vor zwei Jahren angefangen hätten. Wir haben früher angefangen. Und es geschah - man sollte ausdrücklich und sehr deutlich sagen - damals häufig auch mit Ihrer Hilfe. Aber an der Verbesserung müssen nicht nur andere Leute mitarbeiten. Da müssen nicht nur die Wirtschaft und der Handel und der Betrieb ran. Sondern selbstverständlich muß auch eine Frauenministerin ran. Selbstverständlich muß auch sie sich darum kümmern, was mit den Bundesgesetzen los ist. Sie wissen genau, Frau Süssmuth, daß ich das Beschäftigungsförderungsgesetz anspreche. Auch Sie haben ausdrücklich gesagt, auch Sie wollten nicht, daß es frauenfeindliche Auswirkungen aufweise. Sie haben sogar versprochen: Wenn Ihnen nachgewiesen würde oder Sie davon überzeugt wären, daß z. B. Textilarbeiterinnen benachteiligt würden, würden Sie sich für eine Änderung einsetzen. Nur, das Problem ist doch, daß Ihr Versprechen bis heute in der Luft hängt. Das zerrinnt alles so. Sie sagen bestenfalls, die Untersuchungen, die man Ihnen zusendet, seien nicht korrekt. Die werden pauschal abgelehnt. Wenn wir Sozialdemokraten fragen, geben Sie auf konkrete Fragen keine Antwort. Aber im Vorspann Ihrer Texte gibt es dann um so mehr Blümsche Ideologie. Ich sage Ihnen: Es gibt zwei Dinge, die Sie machen können und müssen; und die fordern wir von Ihnen. Bei der Bundesanstalt für Arbeit existieren nicht nur die Zahlen, sondern auch ein Forschungsinstitut, das Aussagen und Wertungen sehr schnell auf den Tisch legen kann, wenn die Regierung es nur will. Dieses Forschungsinstitut der Bundesanstalt für Arbeit sollte schnell einen Auftrag von Ihnen bekommen. Es hat ihn immer noch nicht. Statt dessen vergeben Sie Forschungsaufträge, die irgendwann einmal in mehreren Jahren vielleicht Ergebnisse bringen können. Das ist viel zu spät, so verdrängt man ein Problem. Der zweite Punkt. Wenn Sie schon eine monatliche Beschäftigtenstatistik führen, Frau Süssmuth - und ich halte das für sehr gut -, dann sollten Sie die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse der Männer und Frauen in die Statistik aufnehmen. Ich sage Ihnen, die gesamte Öffentlichkeit wird erstaunt die Augen aufreißen, was da herauskommt. Denn das Beschäftigungsförderungsgesetz hat tatsächlich die Auswirkung, daß Frauen, die arbeitslos sind, kaum noch andere als befristete Arbeitsverträge angeboten bekommen. ({39}) Frau Süssmuth, wenn wir schon bei Arbeitsbedingungen sind, habe ich eine Bitte. Ich fände es schön, wenn Sie als Frauenministerin sich auch mit Ihren Kollegen unterhalten würden. In deren Ressort dürfen Sie zwar kompetenzmäßig nicht eingreifen - das weiß ich wohl -, aber als Frauenministerin haben Sie, glaube ich, auch die Verpflichtung, sich mit dem zu beschäftigen, was Ihre Kollegen Engelhard und auch Schwarz-Schilling tun oder nicht tun. In jedem Jahr werden Vorschläge für Richterwahlen an Obersten Bundesgerichten vorgelegt. Wir haben in diesem Land hervorragende Richterinnen und Juristinnen. Dennoch erleben wir immer wieder - wir monieren das, Sie monieren es nicht, und das ist ein Skandal, weil sich dann nichts ändert -, daß keine Frauen in diesen Richterwahllisten aufgeführt sind. Das geht jetzt so, seit Sie die Regierung übernommen haben. ({40}) - Vorher war es anders. Sie wissen das ganz genau. ({41}) Es ist sogar in diesem Jahr anders, Herr Werner. Das darf ich Ihnen sagen, weil ich hoffe, Sie meinen Ihre Frage ernst und es geht Ihnen nicht wieder nur um Wahlkampf. Sie wissen ganz genau, daß wir Sozialdemokraten dafür gesorgt haben, daß jetzt beide Senate des Bundesverfassungsgerichts wenigstens eine Frau haben. Auch für den Bundesgerichtshof muß das so werden. ({42}) Ich fände es gut, Frau Süssmuth, wenn Sie sich darum kümmern würden. Daß ich Minister Schwarz-Schilling angesprochen habe, hat einen anderen Grund. Gerade die Bundespost stellt viele Frauen ein. Sie tut es auf Teilzeitbasis. Sie tut es häufig ohne Kündigungsschutz. Sie tut es häufig ohne Versicherungsschutz. Der neueste Fall, den ich Ihnen nachher gern übergebe, ist, daß Postgehilfinnen, die man ausgebildet hat, danach nur zu Aushilfszwecken mit Kettenarbeitsverträgen eingestellt werden. Der schlimmste Fall, den ich hier gesehen habe: Es wurden 17 Kettenarbeitsverträge in 18 Monaten vereinbart. Der 18. Kettenarbeitsvertrag wurde nicht mehr bewilligt, weil die junge Frau schwanger wurde und die Post sich die Mutterschutzkosten sparen wollte. Für solche Skandale - da haben Sie recht - gibt es Gott sei Dank Gewerkschaften und Arbeitsgerichte. Aber ich sage Ihnen: Eine Frauenministerin muß das auch auf Regierungsebene aufgreifen. Wenn sie das nicht tut, wenn sie derartige Dinge unterläßt, dann entzieht sie sich der Verpflichtung und auch dem Vertrauen, das die Frauen in sie setzen. ({43}) - Natürlich ist es gesetzeswidrig, aber sagen Sie das Herrn Schwarz-Schilling. Er läßt es doch trotzdem machen. Das ist doch genau das, was ich moniere. ({44}) Offensichtlich muß es ihm doch jemand sagen. Jetzt komme ich noch einmal zum Familienbereich. Da, Herr Hoffacker, können Sie gern noch einmal fragen, wenn Sie möchten. Schauen Sie, Frau Süssmuth hat sich in der letzten Zeit mit der Deutschen Liga für das Kind angelegt. Die Deutsche Liga für das Kind ist j a ein sehr honoriger Verein. ({45}) - Einen Moment noch, Herr Hoffacker. Dem Verein gehören ziemlich viele Organisationen an, etwa die Bayerische Jugendhilfe, der Bund deutscher Hebammen, der Bundesverband der Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen, Adoptiveltern auf Bundesebene, der Akademikerinnenbund, der Deutsche Familienverband, der Kinderschutzbund, u. ä. Mit denen haben Sie sich angelegt, weil die Deutsche Liga für die Rechte des Kindes in Familie und Gesellschaft Ihnen vorgerechnet hat, wie es mit Ihren familienpolitischen Leistungen steht. ({46}) Diese darf ich Ihnen jetzt einfach einmal vortragen. Die Zahlungen nach dem Bundeskindergeldgesetz sind danach seit 1981 bis 1986 von 18,9 auf 14,2 Milliarden DM zurückgegangen. Die Zahlungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sind von 2,4 auf 1,5 Milliarden DM zurückgegangen. Das nur zu Ihren Zahlenangaben, Herr Kroll-Schlüter! Meine Damen und Herren, auch unter Anrechnung der Kindererziehungszeiten, auch unter Anrechnung der Steuervergünstigungen kommt diese Aufstellung zu dem Ergebnis, daß sich ungeachtet der preislichen Unterschiede die Lasten und die Vorteile für Familien negativ entwickelt haben. ({47}) Sie kommen zu dem Ergebnis, daß Ihre Bundesregierung in diesen fünf Jahren 1 Milliarde DM weniger für Familien ausgibt. Nun haben Sie, Frau Ministerin Süssmuth, dazu einen Presseartikel veröffentlicht. Sie werfen der Liga vor, sie sei unseriös. Sie werfen ihr Manipulation vor. ({48}) Wissen Sie, Frau Süssmuth, wenn Sie sich daraufhin genau vorrechnen lassen müssen, daß die Zahlen natürlich stimmen, weil es alles amtliche Zahlen sind, dann finde ich das sehr peinlich. Ich glaube, dies stärkt das Vertrauen nicht. Ich bin ganz sicher, daß sich, wenn Sie heute wiederum auf Ihrer Version beharren sollten, die Deutsche Liga für das Kind wiederum melden wird. Wir werden es dann wieder im Bundestag vortragen. Jetzt bitte schön. ({49})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Abgeordnete Gmelin, das ist zwar meine Aufgabe, aber ich habe keine Einwendungen. - Nachdem Sie also lange am Mikrophon ausgeharrt haben, stellen Sie bitte Ihre Frage.

Dr. Paul Hoffacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000934, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. Frau Abgeordnete, es geht mir um den Kindergartenbeitrag in Nordrhein-Westfalen. Ist Ihnen bekannt, daß der Ministerpräsident Rau und sein Finanzminister Dr. Posser vor der Wahl 1980 lauthals verkündet haben, es gebe einen Nulltarif für die Kindergartenbeiträge, und nach der Wahl der Betrag von 35 DM bis auf 100 DM gestaffelt nach Einkünften eingeführt worden ist?

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Hoffacker, ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, daß Sie jetzt die Zahl 35 DM, die ich vorher genannt habe, bestätigt haben. ({0}) Ich glaube, man sollte das noch einmal wiederholen, und zwar einfach deshalb, weil sich die Zahl, die Herr Kroll-Schlüter vorhin genannt hat, in wirklich unglaublicher Weise davon unterscheidet. ({1}) Was Herr Rossmanith vorhin sagte, ist insofern leider Gottes auch nicht richtig, weil die bayerischen Beiträge, wie Sie wissen, erheblich höher liegen. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Sie können den Versuch zu einer Zusatzfrage machen.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Uhr läuft weiter. Ich gehe davon aus, daß mir das nicht angerechnet wird.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Die Uhr läuft weiter, Frau Kollegin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich gestatte es gerne.

Dr. Paul Hoffacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000934, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin, es geht mir doch um den Casus cnactus - das haben Sie doch verstanden -, daß vor der Wahl gesagt worden ist: wir haben den Nulltarif, daß aber nach der Wahl ein Betrag von 35 bis 100 DM eingeführt wurde. Es geht mir darum, ob Sie das wissen.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000347, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wissen Sie, Herr Hoffacker, jetzt will ich es für Sie noch einmal wiederholen, weil Sie offenbar nicht bereit sind, das zur Kenntnis zu nehmen. ({0}) Sie argumentieren wirklich pausenlos mit falschen Zahlen. Deswegen muß man hier noch einmal sehr deutlich herausstellen: Die Zahlen, die Herr Rossmanith genannt hat, und die Zahlen, die Herr Kroll-Schlüter genannt hat, sind reiner Wahlkampf. ({1}) Die Zahlen in Nordrhein-Westfalen liegen erheblich niedriger als in Bayern. ({2}) Sie sollten meiner Ansicht nach aufhören, derart mit Zahlen zu jonglieren. Die Familien draußen wissen j a doch, daß Sie nicht recht haben. ({3}) Jetzt lassen Sie mich noch einmal einen letzten Punkt nennen. Frau Süssmuth, jetzt komme ich noch einmal zu Ihnen. Sie haben gestern in einem Interview mit der „Brigitte", wie ich finde, in sehr deutlicher Art und Weise über Ihre Hoffnungen und auch über Ihre Ergebnisse geredet. Ich fand das gut und will zum Schluß noch einmal aufgreifen, was dort steht. „Brigitte" hat gefragt: Sie hatten bisher die Sympathie vieler Frauen, gleich welcher politischen Richtung. Ist Ihnen bewußt, daß sich das nach Tschernobyl geändert hat? Dann wurde weiter gefragt: viele sind enttäuscht, daß Sie sich auf die Seite der Kernkraft-Befürworter geschlagen haben, die nur beschwichtigen. Sie wissen, was ich damit anspreche, daß ich einen ganz wichtigen Punkt aufgreife, in dem Sie vollständig versagt haben, und zwar so, daß man Ihnen auch die Kompetenzen „Gesundheitsschutz/Umweltbereich" weggenommen hat: Das war die Situation nach Tschernobyl. Wenn Frauen den Frauen in der Politik einen Vertrauensvorschuß geben, tun sie das nicht deshalb, damit die Frauen nur das gleiche wiederholen, was die Regierung sowieso immer sagt. Frauen tun das deshalb, damit in Situationen, die ungeklärt sind, die Verantwortungsbewußtsein und Vorsicht erfordern, diese auch zur Geltung gebracht werden. ({4}) Tschernobyl, Frau Süssmuth, war so ein Fall. Sie haben am 6. Juni hier im Hause den Müttern erklärt, es brauche sich niemand von ihnen um das Wohlergehen ihrer Kleinst- und Kleinkinder Sorgen zu machen. Sie würden ungefährdet aufwachsen können. Woher wissen Sie das eigentlich? Natürlich gibt es viele Wissenschaftler, die Ihnen das bestätigen. Aber es gibt mindestens genauso viele, die sagen, daß die Langzeitrisiken und -gefahren so groß seien, daß man solch leichtfertige Aussagen nicht machen darf. ({5}) Wenn Frauen in der Politik als Frauenminister wichtig sind, dann doch deshalb, weil sie in solchen Fällen sagen müssen: Jawohl, wir sind vorsichtig; wir halten uns zurück; wir nehmen wenigstens im Interesse der Frauen und Familien das Atomenergierisiko nicht weiter in Kauf. - Ich fürchte, Frau Minister, daß Sie hier Vertrauen, das in Sie gesetzt wurde, nicht erfüllt haben. Ich bedaure das sehr. Ich hätte es sehr gerne anders gehabt. Danke schön. ({6})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Ich erteile der Frau Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit das Wort.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Minister:in)

Politiker ID: 11002287

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß mit sehr viel Aufwand versucht worden ist, uns Untätigkeit und mir Unfähigkeit vorzuwerfen, weil wir offenbar zu stark sind. ({0}) Ich habe sehr deutlich den Eindruck, daß wir in diesen vier Jahren zu viel bewegt haben und daß Sie mit Attacken antworten und fragen, wo die Taten seien. Wir haben durchaus weit mehr Taten aufzuweisen, als in der Regierungserklärung versprochen waren. ({1}) - Frau Fuchs, zu den Arbeitslosenzahlen komme ich gleich auch noch. Zunächst geht es um den Bereich Familien-, Jugend-, Frauen- und Gesundheitspolitik. ({2}) - Eins nach dem anderen. Die Bilanz, die wir aufzuweisen haben, ist eine Bilanz nicht nur der kleinen Kurskorrekturen, sondern der großen Weichenstellungen, und dies in einer Zeit, in der nicht damit zu rechnen war. Ich denke, daß ganz entscheidende Weichenstellungen erfolgt sind, indem wir neben der Förderung der Erwerbsarbeit mit einer ausschließlichen Bewertung des Menschen von der Erwerbsarbeit her Schluß gemacht haben. ({3}) Wenn ich den Nürnberger Beschlüssen entnehme, daß Sie nun auch unserem familienpolitischen Programm gerade in diesen Punkten folgen, ist ja offenbar ein Lernprozeß in Gang gekommen. ({4}) - Ihr Lachen zeigt nur, daß Sie nichts Besseres zu bieten haben.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Bundesministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Matthäus-Maier?

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Minister:in)

Politiker ID: 11002287

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. ({0}) - Das macht nichts. Sie haben sehr viel Redezeit gehabt. Zunächst möchte ich meinen Part darstellen. ({1}) - Sie kommen sicherlich dran. Ich möchte zum zweiten sagen, daß dies keine kurzfristige Aufgabe ist, sondern daß gerade die Frage, wie wir die Familientätigkeit sowohl der jungen Familien wie der Familien mit älteren Familienangehörigen bewerten, bisher historisch absolut zu kurz gekommen ist. Wenn mir Frau DäublerGmelin sagt, wir hätten hier eine Zukunftsaufgabe, würde ich uneingeschränkt zustimmen; nur ist sie bisher völlig unbeachtet gelassen worden. Wenn Sie heute die Frage stellen, wie wir mit dem Sterben der Frauen umgingen, dann muß ich Sie fragen, wie Sie 20 oder zumindest 13 Jahre damit umgegangen sind. Da haben Sie nach den sterbenden Frauen nicht gefragt. ({2}) Ich denke - das möchte ich hier ausdrücklich aufgreifen -, daß wir damit Schluß machen sollten, daß irgend jemand auf das Ableben von irgend jemandem wartet. ({3}) Das gilt sowohl für die Anerkennung von Erziehungszeiten im Rentenrecht wie für die Entschädigungsfrage, die Sie eben angesprochen haben. Kein Mensch ist so zynisch, mit diesem Gedanken zu spielen. ({4}) Ich denke, daß zunächst einmal die Handlungen in der Familienpolitik nachzuweisen sind, und zwar sowohl im Bereich der Verbesserung des Familienlastenausgleichs wie auch der Förderung der jungen Familie. Wir haben das Thema Familie und älterer Mensch erstmals besetzt. Es war gar nicht mehr von der Mehrgenerationenfamilie die Rede. ({5}) Ich glaube und hoffe, daß wir eine Gemeinsamkeit haben, wenn wir gerade der Pflegetätigkeit in der nächsten Legislaturperiode unsere ganz gezielte und nachdrückliche Aufmerksamkeit entgegenbringen. ({6}) Ich möchte hier für die Koalitionsregierung noch einmal deutlich machen, wie viele Probleme ihr gleichzeitig als Hausaufgaben auf den Tisch gelegt worden sind. Es geht nicht nur um die Frage „junge Familie und ältere Frauen", sondern im Verbund mit Jugendarbeitslosigkeit, mit allgemeiner Arbeitslosigkeit auch um die Frage der generellen sozialen Sicherung. Die Lösung kann nicht sein, Prioritäten zu setzen für die einen oder die anderen oder Gräben zwischen den Generationen aufzureißen; wir nehmen für uns vielmehr in Anspruch, bei großen Problemen beides in Angriff genommen zu haben, keinen Graben zwischen den jüngeren und älteren Frauen aufzureißen ({7}) und den Graben zwischen erwerbstätigen und nichterwerbstätigen Müttern endlich zuzuschütten. ({8}) Wenn Sie heute sagen, Sie sind mit uns der Auffassung, daß es darum geht, auch den nichterwerbstätigen Müttern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, dann kann ich dankbar entgegennehmen, daß Sie das heute so sagen; aber bei der Mutterschaftsurlaubsregelung hat es keinen Pfennig für die nichterwerbstätigen Mütter gegeben. ({9}) Wenn Sie weiter erklären, wir hätten die Alleinerziehenden nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt, dann muß ich auch zurückfragen, wo die Alleinerziehenden in der Mutterschaftsurlaubsregelung berücksichtigt wurden. Sie wurden nicht berücksichtigt. Das Mutterschaftsurlaubsgeld wurde auf die Sozialhilfe angerechnet. Es ist erstmalig, daß das Erziehungsgeld nicht auf die Sozialhilfe angerechnet wird. ({10}) Ich denke, daß es nicht nur eine allgemeine familien- und frauenpolitische Leistung ist, hier Teilzeitarbeit ermöglicht zu haben, sondern daß dies gerade für die alleinerziehenden Mütter einen hohen Stellenwert hat. Insofern, denke ich, müssen wir uns hier nicht sagen lassen, wir hätten die Interessen der Alleinerziehenden überhaupt nicht berücksichtigt. Ganz im Gegenteil. Mit Blick auf Schwangerschaftskonflikte ist hier durchaus ein Zusammenhang zwischen neuen Rechtsansprüchen beim Erziehungsgeld und der Nichtanrechnung auf Sozialhilfe gesehen worden. ({11}) Ich glaube, es wäre an der Zeit, die Stiftung „Mutter und Kind" nicht mehr kontrovers ins Gespräch zu bringen. ({12}) Denn die Auffassung in der Bevölkerung - auch bei den Frauen - ist eine ganz andere als die, über welche hier im Parlament kontrovers debattiert wird. ({13}) Was die Armut der Frauen betrifft, so wird auch so getan, als sei sie von uns herbeigeführt worden. Uns wird vorgeworfen, wir hätten eine Familienpolitik auf den Weg gebracht, die die Frauen nur ins Haus abdrängen wollte. ({14}) Das Gegenteil ist der Fall. ({15}) Ich glaube, daß keine der Koalitionsparteien und niemand von der Regierung um den Erziehungsurlaub hätte kämpfen müssen, wenn es darum ginge, die Frauen ins Haus zurückzubringen und ihnen keine Sicherung auf dem Arbeitsmarkt zu gewähren. ({16}) Ich denke, daß ich draußen so viel Glaubwürdigkeit besitze - so selbstbewußt möchte ich das hier jedenfalls formulieren -, ({17}) daß die Frauen wissen, daß ich in der Frage der Minderung von Konflikten zwischen Familie und Beruf mit denjenigen, die bisher darum gefochten haben, Seite an Seite weiter darum fechten werde, damit die bestehenden Konflikte abgebaut werden. ({18}) - Ich mache das keinesfalls als Pressebüro. Herr Jaunich, ich muß Ihnen sagen: Die Leistungen, die bereits jetzt im Wahlprogramm stehen, nämlich Fortführung des Erziehungsgelds in ein zweites Jahr, Fortführung der Anerkennung von Steuerfreibeträgen ({19}) - Sie werden das alles noch in den Haushalten der nächsten Jahre finden - und die Anerkennung von Erziehungszeiten, sind auch im Haushalt 1987 eingebracht. ({20}) Sie nehmen für sich in Anspruch, Wahlprogramme und Entschließungen hier auf den Tisch zu legen. Wenn wir sagen, die Steuerpolitik besteht keinesfalls darin, nur die Reichen zu berücksichtigen, wenn wir vielmehr Grundfreibeträge und Steuerfreibeträge für Kinder in die Steuerpolitik einbringen, ({21}) dann nehme ich für uns in Anspruch, daß unsere Leistungen im Bereich der Familienpolitik genauso hochwertig sind und sogar das übertreffen, was Sie mit dem Kindergeld wollen. ({22})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Matthäus-Maier? - Bitte sehr.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Süssmuth, da Sie die Steuerpolitik ansprechen: Können Sie denn bestätigen, daß durch das Wiedereinführen der Kinderfreibeträge durch Sie - was besonders bedauerlich ist, weil wir sie 1974 alle gemeinsam in diesem Hause, also auch mit Ihren Stimmen, abgeschafft haben, weil sie unsozial sind - die Kinder eines Höchstverdieners mit über 260 000 DM Einkommen im Jahr - 260 000 DM! ({0}) zweieinhalbmal soviel -

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Kollegin, darf ich bitten, die Frage ganz kurz zu stellen.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Entschuldigen Sie, wenn ich von dem Mob unterbrochen werde, dann möchte ich - ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Kollegin MatthäusMaier, die Geschäftsordnung sieht vor, daß kurze Fragen zu stellen sind. ({0})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Minister:in)

Politiker ID: 11002287

Ich denke, daß Ihre Frage klar ist. ({0})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Ich bitte doch um Aufmerksamkeit. Ich bitte, kurze Fragen zu stellen und nicht Erklärungen hinzuzufügen. Bitte sehr.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wäre viel schneller fertig, wenn ich nicht ununterbrochen durch Gejohle unterbrochen würde. ({0}) Frau Minister, ich glaube, Sie haben die Frage verstanden, daß also Kinder eines Höchstverdieners mit über 260 000 DM Einkommen im Jahr ({1}) zweieinhalbmal soviel Steuererleichterungen bewirken wie die Kinder einer Familie mit 36 000 DM im Jahr. ({2})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Entschuldigung, noch einen Augenblick, Frau Ministerin. Frau Kollegin Matthäus-Maier, haben Sie einen Teil dieses Hauses als „Mob" bezeichnet?

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In der Tat, und ich empfinde das Gejohle auch so.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Abgeordnete Matthäus-Maier, ich rufe Sie zur Ordnung. ({0})

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wundere mich, daß Sie diesen Teil dort drüben nicht zur Ordnung rufen!

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Matthäus-Maier, ich rufe Sie zum zweitenmal zur Ordnung. ({0}) Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Minister:in)

Politiker ID: 11002287

Ich möchte zu der Frage eine grundsätzliche und eine konkrete Bemerkung machen. Vielleicht kann ich jetzt auch einmal in Ruhe sprechen; das hätte auch Vorteile. ({0}) - Warten Sie es doch bitte ab. Der erste Punkt ist der, daß wir sicherlich kontroverse Auffassungen in der Frage der Anerkennung der in der Familie erbrachten Leistungen im Steuerrecht haben. ({1}) Wir sind der Auffassung, daß Familienpolitik nicht staatliche Subventionspolitik ist, auch nicht Almosenpolitik, sondern daß die Leistungen, die von Familien erbracht werden, auch im Steuerrecht berücksichtigt werden müssen. ({2}) Ich halte es für einen Skandal, daß wir uns vieles als steuermindernd einfallen lassen; aber wenn es um Leistungen in der Familie geht, streiten wir uns darüber, ob das denn angehen kann. ({3}) - Ich halte die Anerkennung von Leistungen, die in der Familie erbracht werden, für gerecht. ({4}) Nun zum nächsten Punkt. Sie haben Entlastungen im Steuerrecht angesprochen. Hier haben wir in der Tat zuvor Einkommensgrenzen beim Kindergeld eingeführt. Jemand, der 260 000 oder 280 000 DM im Jahr verdient, erhält gegenüber dem Ehepaar mit drei Kindern, welches - unterhalb der Einkommensgrenzen - 370 DM Kindergeld bekommt, 260 DM an Kindergeld. Sein Betrag unterscheidet sich um 110 DM. ({5})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Frau Ministerin, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Minister:in)

Politiker ID: 11002287

Ich muß sagen: Meine Zeit läuft ab, ich kann keine weitere Zwischenfrage beantworten. Ich möchte hier sagen: Das, was Sie nun fordern, was wir durch die Einführung von Einkommensgrenzen abzufedern bemüht sind, müßten Sie eigentlich auf viele andere Bereiche übertragen. Ich wünschte mir sehr, daß Sie dies nicht nur bei Kindern zum Problem machen, sondern generell fragen, was Sie denn sonst alles begrenzen wollen. Daß Sie das ausgerechnet bei Kindern tun, halte ich für kaum verantwortbar. ({0}) Keiner von uns sagt, daß die Familienpolitik schon den Stand erreicht hat, der den Familien zukommt. Aber wir haben sie erstens wieder an die Leistungsentwicklung angeschlossen. Zweitens haben wir durch die konsequente Förderung der jungen Familie dafür Sorge getragen, daß Familiengründung erleichtert wird. Sie wissen sehr wohl, daß das Erstkindergeld seit 1975 nicht ein einziges Mal erhöht worden ist. Ich frage mich, wo denn die Förderung der jungen Familie liegt. ({1}) Drittens. Wir haben im Bereich der Anerkennung der Pflegetätigkeit einen ersten Schritt gemacht. Wir werden hier nicht stehenbleiben, sondern wir werden dies konsequent weiterführen. ({2}) Sie kennen selbst den Gesetzentwurf, den wir zur Entlastung der pflegenden Frauen eingebracht haben. Nach dem, was hier zur Frauenpolitik gesagt worden ist, werden Sie mir wahrscheinlich doch zustimmen, daß in kaum einer Zeit frauenpolitisch so viel bewegt worden ist, wie in den letzten Jahren. ({3}) Sie mögen ja für sich erklären: Wir hatten mehr in Ausbildung. Das hatten Sie aber nicht einmal, weil wir die geburtenstarken Jahrgänge zu versorgen haben, sowohl an den Universitäten wie bei den Ausbildungsplätzen. Sie können nicht leugnen, daß wir noch nie so viele erwerbstätige Frauen auf dem Arbeitsmarkt hatten. Ich entnehme einer Statistik - ich weiß nicht, ob diese stimmt; es ist wohl eine Arbeitslosenstatistik und keine Erwerbstätigenstatistik, die monatlich geführt wird ({4}) - Frau Däubler-Gmelin, ich werde mich erkundigen -, daß von den 600 000 neuen Arbeitsplätzen 80 % auf die Frauen entfallen. ({5}) Es ist auch zutreffend, daß insgesamt mehr als 60% von den zusätzlichen und neu geschaffenen Ausbildungsplätzen auf Frauen entfallen sind. ({6}) Darin, daß wir im Bereich des Rentenrechts noch längst nicht alle zu lösenden Aufgaben gelöst haben, stimme ich Ihnen zu. Ich lasse mir aber nicht sagen, ich wäre in jener Zeit untätig gewesen. ({7}) Ob es um die Frage des Aufgreifens der ungeregelten Dinge oder der unzureichend geregelten Dinge geht oder ob es sich um Angelegenheiten des Justizministers oder des Postministers handelt, ({8}) - diesen habe ich als ersten angesprochen -, so versichere ich Ihnen, daß die Frauenpolitik gegenwärtig sehr eng mit diesen Ressorts zusammenarbeitet und daß die zuständigen Kollegen das auch bestätigen können. ({9}) - Ich denke, daß Sie hier Auswirkungen aufgeführt haben, die in einer gesetzlichen Regelung vollzogen sind, ({10}) bei der wir noch eine Reihe von Korrekturen nachzuschieben haben. ({11}) - Warten Sie ab! Ich gehe nicht davon aus, daß wir Probleme, die anstehen, liegenlassen. ({12}) - Ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie mir das schreiben, aber der größte Teil dieser Problemlage ist mir vertraut. Es geht aber nicht an, hier aufzustehen und zu sagen: Wie ungereimt ist die Rentenpolitik! Ältere Frauen bekommen doch jetzt erstmals einen Anspruch! Wenn Sie die freiwillige Nachversicherung ansprechen, frage ich Sie: Was ist denn mit den 800 000 Müttern, die bei Ihnen in die Regelung überhaupt nicht hineinkommen? ({13}) Da frage ich mich, wie ernst Sie - ({14}) - Ich habe Ihren Gesetzesantrag gelesen, und da kommen die Frauen, die keinerlei Anwartschaft auf Rente haben, nicht vor. ({15}) Es kommen nur diejenigen vor, die bereits ins Rentensystem hineingewachsen sind. ({16}) Ich möchte noch einmal sagen: Wenn wir tatsächlich eine zukunftsweisende Politik betreiben wollen, haben wir zwar im Augenblick die Priorität der sozialen Sicherung für diejenigen, die gar keine haben, zu setzen, aber dabei kann man, glaube ich, nicht nur nach dem Maßstab der Erwerbstätigkeit vorgehen. ({17}) Wenn ich die hier schon angesprochenen Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz sehe, ist auch deutlich, daß der Zugang zum Arbeitsmarkt, die berufliche Fortbildung, der berufliche Aufstieg und auch die Wiedereingliederung nicht allein durch Verhandlungen mit den Tarifpartnern, sondern in erster Linie durch gesetzliche Neuregelungen festgelegt worden sind. Das gilt auch für die Wiedereinführung des Unterhaltsgeldes bei beruflichen Fortbildungsmaßnahmen von Frauen, die auf Grund von Sparmaßnahmen 1980 gestrichen worden sind. Es ist weiß Gott nicht so, daß wir uns mit dem Reden zufriedengeben. Hier ist gefragt worden: Wo ist die Elternfamilie? Dazu sage ich: Wo ist denn in den Gesetzentwürfen seit 1948 der Mann überhaupt berechtigt gewesen, Leistungen in Anspruch zu nehmen? Erstmalig haben auch Männer Ansprüche nach dem Gesetz über Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub erhalten. ({18}) Wir lassen uns nicht sagen, daß wir keine gemeinschaftliche Verantwortung von Männern und Frauen für die Familie wollten. Nur wissen Sie genauso gut wie wir, daß dies ein Prozeß ist, den wir nicht von heute auf morgen zu Ende führen können ({19}) und um den wir gemeinsam kämpfen müssen. Abschließend möchte ich noch etwas zur Jugendpolitik sagen. Sie behaupten, wir hätten da nichts getan. Die Erhöhung von 128 Millionen auf 141 Millionen DM ist hier schon genannt worden. Es geht aber nicht nur darum, mit Zahlen zu jonglieren. Wir müssen auch deutlich machen, wo inhaltliche Schwerpunkte liegen: bei der internationalen Jugendarbeit, bei der Jugendverbandsarbeit, bei den sozialpädagogischen Hilfen im Bereich der Benachteiligtenprogramme und der Hilfen gegen Jugendarbeitslosigkeit bis hin zur Selbsthilfeförderung. Hier ist eine Menge neu getan worden. ({20}) - Ich kann Ihnen die neuen Ansätze in der Praxis durchaus vorweisen und Ihnen schriftlich übermitteln. ({21}) Zum Schluß noch ein Wort zur Gesundheitspolitik. Da erklären Sie, wir hätten außer Kostendämpfung überbaut nichts diskutiert. In unserem Hause werden jedoch die vorrangigen Gesundheitsziele er19472 arbeitet, und wenn ich bedenke, wie noch vor einem Jahr gegen die Prävention gekämpft wurde, ({22}) so ist die breite Zustimmung bemerkenswert, die wir inzwischen in der Öffentlichkeit gefunden haben, ({23}) und ich bin sicher, daß wir diesen Weg weitergehen. Zu AIDS bleibt zu sagen, daß Sie, Herr Rusche, die 20 Millionen angesprochen haben. England beginnt, jetzt erst, ({24}) während wir längst begonnen haben. England hat ein staatliches Gesundheitswesen. Für unser Land haben Sie nur die Leistungen des Bundes aufgeführt, nicht aber die der Länder in diesem Bereich. ({25}) - Es tut mir leid; meine Redezeit ist nicht nur abgelaufen, sondern ich bin sogar längst darüber hinweg. ({26})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, Sie haben nicht das Wort. Wenn eine Zwischenfrage abgelehnt ist, sollten Sie nicht am Mikrophon so tun, als könnten Sie sie doch stellen.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Minister:in)

Politiker ID: 11002287

Aber Sie wissen, in welchem Umfange die Mittel für AIDS erhöht worden sind, und es hat sich im vergangenen Jahr auch gezeigt, daß dann, wenn tatsächlich notwendige und unaufschiebbare Aufgaben anliegen, die Mittel nachträglich im Haushalt auch bewilligt worden sind. Ich möchte Sie wissen lassen: Wir sind ganz sicher, daß wir auf dem richtige Wege sind. Wenn Sie hier verbreiten, es sei alles zum Schlechteren bestellt, ({0}) wird Ihre Verteidigungsposition immer schwächer werden. Ich glaube, das hat auch die heutige Debatte gezeigt. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/6561. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Bei vier Ja-Stimmen und einigen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Einzelplan 15. Wer dem Einzelplan 15 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit - in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Der Einzelplan 15 ist mit Mehrheit angenommen. Meine Damen und Herren, wir treten in die verkürzte Mittagspause ein. Wir werden die Beratungen um 14 Uhr fortsetzen. Die Sitzung ist unterbrochen. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe auf: Einzelplan 16 Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Drucksache 10/6316, 10/6331 Berichterstatter: Abgeordnete Kühbacher Gerster ({0}) Dr. Weng ({1}) Dr. Müller ({2}) Hierzu liegen Änderungsanträge vor, und zwar von der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksachen 10/6529 bis 10/6534. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist eine Beratung von 90 Minuten vorgesehen. Das Haus ist damit einverstanden? - Dann kann ich die Aussprache eröffnen. Das Wort hat der Abgeordnete Kühbacher.

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Umweltschutz in der Bundesrepublik. Herr Minister, ich denke, besser als das, was der „Express" dazu schreibt - „Sauerei" -, kann man das, was sich im Moment in der Bundesrepublik abspielt, gar nicht bezeichnen. Herr Minister, die Schonzeit von 100 Tagen, die einem neuen Minister gewährt wird, ist vorbei. Sie stehen heute auf dem Prüfstand, d. h. es ist zu fragen, was die Bundesregierung wirklich an Umweltschutzpolitik macht. Dazu fällt mir zunächst nur ein bildhaftes Beispiel ein. Wir hatten Mitte des Sommers einen größeren Unfall. Dabei gab es erheblichen Blechschaden: Ein Kotflügel war mehr als nur verbeult. Mit diesem Blechschaden wurde das Auto in die Reparatur gegeben. Nach ganz kurzer Zeit - ich sage einmal: innerhalb von drei Stunden - meldete der Reparateur: Auto wieder in Ordnung. Was war geschehen? Das Auto hatte einen neuen Kotflügel - ich sage einmal: Herr Zimmermann war weg, Herr Wallmann kam -, und ansonsten war frischer Lack über alles gesprüht worden. Aber, Herr Minister, die Rostflecken der Umweltschutzpolitik dieser Bundesregierung sind geblieben. Der Rost, Herr Minister, wird heute um so deutlicher, als sich der Rost ja durchfrißt. ({0}) Von daher verlangt die Opposition von der Bundesregierung, daß sie an eine Grunderneuerung innerhalb unserer Wirtschaft geht. Die heißt - um beim Auto zu bleiben -: Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie nicht nur den Rost überlakkiert, sondern daß sie an diesen Rost mit einer Stahlbürste grundsätzlich herangeht oder - das wäre eigentlich erforderlich - eine Vollverzinkung des Unterbaus vornimmt. So etwa stelle ich mir das bildlich vor. Herr Minister, haben Sie eigentlich, nachdem Sie Ihr Amt angetreten haben, nachdem Sie einige Monate im Amt waren und bis heute die Möglichkeit hatten, Ihren Etat inhaltlich auszuweiten, die nötigen Anstrengungen gemacht? Ich sage Ihnen: Nein. Es reicht nicht aus, Herr Minister, daß Sie in der chemischen Industrie sehr medienwirksam irgendwelche Anlagen abnehmen, sich fotografieren lassen, mit einem gewinnenden Lächeln in die Offentlichkeit treten, und anschließend passieren diese „Sauereien", wie sie der „Express" beschreibt. Herr Minister, Sie sind nicht dazu da, in Form von Beschwichtigungen der Wirtschaft zu suggerieren, es könne alles so bleiben, wie es ist. Von Ihnen verlangt die Bundesrepublik Maßnahmen. Allerdings nicht in der Form, wie das nun diskutiert wird: durch Bestrafung der Täter. Vielmehr geht es hier um Maßnahmen grundsätzlicher Art. Niemand von uns glaubt doch, daß bei der BASF oder woanders Arbeiter die Leitungen ansägen und dieses giftige Zeug absichtlich in den Rhein leiten. Darum geht es nicht. Es geht um eine grundsätzliche Bestandsaufnahme, z. B. im Bereich des Chemiegesetzes, der Altlasten, der Altstoffe. Hier, Herr Minister, leisten Sie die Grundsatzarbeiten nicht. Wenn ich mir z. B. die Personalausstattung des Umweltbundesamtes ansehe, dann liegen über 170 neue Personalstellen als Forderung auf dem Tisch. Mit diesen neuen Arbeitskräften sollen gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben erledigt werden. Was wird durchgesetzt? Knapp 20 Stellen für das Bundesumweltamt. 150 bleiben auf der Strecke, während wir auf der anderen Seite für den Verteidigungsbereich ohne große Mühe 2 000 neue Planstellen für die Soldaten schaffen, - die notwendig sind für den Sicherheitsbereich - über 1 000 neue Polizeiplanstellen, so notwendig diese sind. Sie, Herr Minister, setzen nicht einmal 70 neue Stellen für das Umweltbundesamt durch. ({1}) Ich habe das Gefühl, Kollege Gerster, das Interesse an einer tatsächlich handhabbaren Umweltpolitik ist gar nicht gewollt. ({2}) Herr Minister, Ihr Etat mit rund 430 Millionen DM muß sich daran messen lassen, was in der Bundesrepublik sonst noch mit 430 Millionen DM gemacht wird. Herr Minister, wenn ich das im Einzelplan 10 richtig sehe, geben wir für die Landwirtschaft die gleiche Summe z. B. für die Lagerhaltung von Butter in der Bundesrepublik Deutschland aus. Für Umweltschutzaufgaben in der gesamten Industriepolitik der Bundesregierung sind nur 430 Millionen DM da, so wie für die Lagerhaltung von Butter ebenfalls 430 Millionen DM da sind. Um Magermilch zu Futterzwecken umzuarbeiten, sind 440 Millionen DM eingesetzt. Ihr Umweltschutzetat ist nicht höher. Es ist doch eigentlich eine Schande, daß Sie sich nicht durchsetzen können oder - so sage ich einmal - nicht wollen. Herr Minister, es gibt noch ein schlimmeres Beispiel. Ich will das nicht gegeneinander ausspielen, aber es gehört in die Hinterköpfe der Bevölkerung, die uns zuhört. Der Umweltschutzhaushalt beträgt ein Siebtel des Haushalts für Wehrforschung und militärische Entwicklung, die wir gestern abend beschlossen haben. 2,8 Milliarden DM gibt diese Regierung für den Bereich Wehrforschung und militärische Entwicklung aus, für den Umweltschutz 430 Millionen DM. Daran wird Ihre Politik gemessen werden. Herr Minister, es geht nicht, nur mit Kukidentlächeln über diese Probleme hinwegzugehen, der Regierung ein Pflaster zu verschaffen. Herr Minister, wir brauchen keine Lackierer in dieser Aufgabe, wir brauchen Leute, die den Umweltschutz tatsächlich anpacken. Ich wünsche mir, daß nach dem 25. Januar Ihr Kollege Matthiesen an Ihrer Stelle sitzt. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Gerster ({0}).

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Diese Pflichtübung des Kollegen Kühbacher gibt nicht den Haushaltspolitiker Kühbacher wieder. Der ist nämlich bedeutend besser. ({0}) Er hat konstruktiv mitgearbeitet. Alternativen zu dieser guten Politik gab es ja nicht. ({1}) Für diese Mitarbeit im Ausschuß möchte ich dir, lieber Klaus-Dieter Kühbacher, sehr herzlich danken. Für deine Pflichtübung hier haben wir natürlich Verständnis. Das muß offenbar so sein. Meine Damen, meine Herren, die SPD hat während ihrer Regierungszeit nicht für saubere Luft gesorgt, sondern in ihren Reden für heiße Luft. Die SPD hat nicht den kranken Wald kuriert, sondern sich im Dickicht ideologischer Glaubenskriege verheddert. Die SPD hat die Einführung des schad19474 Gerster ({2}) stoffarmen Autos über ein Jahrzehnt verschlafen. Dafür hat sie den Karren immer tiefer in den Dreck gefahren. Diese betrübliche Bilanz mußte die Union 1982 bei der Regierungsübernahme ziehen. ({3}) Ein Berg von Arbeit lag vor uns. - Es trifft zu, Herr Hauff: Natürlich konnte der Herr Baum in einer SPD/FDP-Koalition ({4}) bei einer miserablen Wirtschaftspolitik ({5}) kaum bessere Umweltpolitik machen. Der Wille war schon da, aber die Bremsen durch Sie, Herr Hauff, gezogen. ({6}) Meine Damen, meine Herren, ein Berg von Arbeit mußte bewältigt werden, um die Schäden versäumter SPD-Politik zu korrigieren. Unsere Umweltpolitik ist in den letzten Jahren eine Aufholjagd gewesen. Sie war notwendig, um zu verhindern, daß unsere Umwelt vor die Hunde geht. Heute kann gesagt werden: Wir haben auf vielen umweltpolitischen Feldern die Dinge wieder im Griff. Zudem sind die Weichen für eine ökologische Offensive gestellt, die jetzt möglich ist, nachdem wir die Grundlage gelegt und die Fundamente stabilisiert haben. Im Gegensatz zur SPD brauchen wir keine leeren Versprechungen. Wir können Fakten vorweisen. ({7}) Erstens: Luftreinhaltung. Noch 1982 wurden bundesweit 2,9 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Luft geblasen. Schon in diesem Jahr wird sich die Belastung um 20 % auf 2,3 Millionen Tonnen reduzieren, bis 1988 auf 1,6 Millionen Tonnen und bis 1993 auf unter eine Million Tonnen. Ähnlich positiv ist die Entwicklung beim Stickoxid. ({8}) Wurden 1982 noch 3,1 Millionen Tonnen ausgestoßen, werden es 1988 nur noch 2,5 Millionen Tonnen sein und 1995 weniger als 1,6 Millionen Tonnen. ({9}) - Herr Penner, ich werde zu diesem Thema kommen, keine Sorge. Zweitens Bodenschutz. Beim Bodenschutz mußte diese Regierung praktisch bei Null anfangen. ({10}) Im Februar 1985 legte sie ihr Bodenschutzkonzept vor. Konkrete Maßnahmen auf der Basis dieses Konzeptes werden zur Zeit von einer Bund-LänderKommission erarbeitet und stehen vor dem Abschluß. Damit hat die nächste Bundesregierung schon zu Beginn der Wahlperiode eine tragfähige Grundlage zur Lösung der Probleme unseres Bodens. ({11}) Drittens Abfallverringerung. Mit der vierten Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz wurde ein entscheidender Schritt nach vorn zur Verringerung der Abfallberge getan. ({12}) Die Industrie weiß jetzt, daß sie mit gesetzlichen Maßnahmen rechnen muß, wenn sie sich freiwilligen Maßnahmen zur Reduzierung des Müllaufkommens verweigert. Viertens Lärmschutz. ({13}) Durch eine Verschärfung der Grenzwerte für Pkw, Lkw und Omnibusse, europaweit, haben wir erreicht, daß bis 1989 stufenweise eine Lärmverringerung in diesem Bereich um 90 % eintreten wird. Für Lärmschutzmaßnahmen bei Bundesfernstraßen hat der Bund die Mittel gerade auf jährlich 250 Millionen DM erhöht. Fünftens Gewässerschutz. ({14}) Die Lage unserer Gewässer hat in diesen Tagen - das ist gar nicht zu bestreiten - eine bedauerliche Aktualität erfahren. ({15}) Es hat auch mich tief erschüttert, daß die Bemühungen der letzten Jahre, die zu einer erfreulichen Verbesserung der Sauerstoffqualität im Rhein geführt hatten, praktisch über Nacht durch fahrlässige, gewissenlose und möglicherweise kriminelle Vernachlässigung von Sicherheitsvorkehrungen zunichte gemacht wurden. Die Bedrohung unserer Trinkwasserversorgung und Massenfischsterben sind die Folgen unverantwortlichen Verhaltens einzelner. Wir werden - darauf können Sie sich verlassen - auf diese Vorkommnisse entschlossen reagieren. ({16}) Wir werden dafür sorgen, daß alle Maßnahmen, auch gesetzliche, ergriffen werden, um solche Vorfälle, auch Unfälle genannt, für die Zukunft auszuschließen. ({17}) Wir begrüßen ausdrücklich, daß der Bundesumweltminister schnell reagiert und solche Maßnahmen Gerster ({18}) nicht nur angekündigt hat, sondern auch ganz konkret plant. ({19}) Zunächst stehen jetzt die Verantwortlichen in der chemischen Industrie in der Verantwortung, auch entsprechende freiwillige Maßnahmen zu ergreifen. Sollten Sie diese Chance nicht nutzen, werden wir gesetzliche Maßnahmen durchsetzen. ({20}) Allerdings werden wir eine emotionale Verteufelung der Chemieindustrie nach dem Schnittmuster mittelalterlicher Alchimie à la SPD/GRÜNE ablehnen, ({21}) aber damit das klar ist: Wir lassen uns unsere natürlichen Lebensgrundlagen gerade auch in den Gewässern von niemandem zerstören. ({22}) Der Rhein war immer Lebensstrom, er darf kein Todesstrom werden. ({23}) Sie können sich darauf verlassen, daß entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. ({24}) Meine Damen, meine Herren, wenn gerade die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion hier glauben, durch Lautstärke Umweltkompetenz besonders deutlich machen zu sollen, so sollten wir noch einmal zu den Entwicklungen bis zum Jahre 1982 zurückkehren. Zur Reinhaltung der Luft haben Sie seit 1974 so gut wie nichts getan. ({25}) Als wir die Regierung 1982 übernahmen, fanden wir nur leere Schubladen vor. ({26}) Die jetzige Bundesregierung hat Sofortmaßnahmen zur Entstickung und Entschwefelung von Kraftwerksabgasen eingeleitet. Die Entgiftung der Autoabgase in anderen Industrieländern, wie in den USA, hat die SPD in den 70er Jahren glatt ignoriert. Erst von dieser Bundesregierung wurden entscheidende Maßnahmen zur Durchsetzung des Katalysators und auch zur weiteren Verbreitung von bleifreiem Benzin ergriffen. Besonders erfreulich ist, daß diese Bemühungen auch im europäischen Rahmen bereits Früchte tragen. Die SPD hat auf diesen Gebieten - dieser Mängelbericht könnte fortgesetzt werden - nichts vorzuweisen. Deswegen würde Ihre Umweltpolitik, meine Damen und Herren von der SPD, von jedem TÜV-Prüfer heute aus dem Verkehr gezogen. Da gibt es nun diesen bemerkenswerten Herrn Hauff. Nach einigen erfolglosen Ehrenrunden durch die verschiedenen politischen Ebenen ist er nun zum umweltpolitischen Hoffnungsträger seiner Fraktion avanciert. Noch im letzten Jahr prangerte Herr Hauff das Waldsterben bei jeder Gelegenheit an. ({27}) Keine zwölf Monate später hatte er seine Krankenbesuche im deutschen Wald vergessen und wechselte im Galopp die Pferde. Vom Kernenergiepapst der 70er Jahre, dem es seinerzeit mit dem Bau des Schnellen Brüters nicht schnell genug voranging, entwickelte er sich jetzt zum Befürworter weiterer Kohlekraftwerke und deklariert sich als Kernenergieaussteiger Nummer eins. Der Eifer des Konvertiten kompensiert geistige Windstille; denn nicht der Wind hat sich gedreht, sondern Herr Hauff hat sich wie eine Wetterfahne gedreht. ({28}) Die Perspektive ist klar: Volker Hauff als Umweltminister eines rot-grünen Bündnisses würde uns weitere hunderte von Kohlekraftwerken bescheren. Sie brauchten dann, Herr Hauff, nicht mehr in den Wald zu gehen, den würde es bald nicht mehr geben. Sie passen Sich jedenfalls dem umweltpolitischen Slalom Ihrer Fraktion an, die bereits in jener Kurve liegt, die die GRÜNEN ansteuern. Die SPD selbst hat in ihrer 13jährigen Regierungszeit umweltpolitisch nichts auf die Beine gestellt. Jetzt springt sie auf den Emo-Zug der GRÜNEN, den irgendwelche Angstverbreiter aufs Gleis schieben. Das ganze Unternehmen wird dann SPDPolitik genannt. Ich bin einmal gespannt, Herr Hauff, welche Bilanz Sie für Ihre Fraktion, für Ihre Regierungszeit von 1969 bis 1982 nachher vorlegen werden. Das wird sicherlich ein Stapel leerer Blätter sein, den Sie hier präsentieren werden. Meine Damen, meine Herren, die Union wird in der ökologischen Offensive bleiben. Durch die Konzentration der Haushaltsmittel für Umweltschutz, Naturschutz und Reaktorsicherheit in einem Einzelplan haben wir eine deutliche Verbesserung der umweltpolitischen Wirkungsmöglichkeiten. Die Bildung eines neuen Ministeriums ist dabei ein eindrucksvoller Beleg der Handlungsfähigkeit dieser Regierung und unterstreicht den hohen Stellenwert des Umweltschutzes in unserer Politik. ({29}) Lieber Kollege Kühbacher, Sie glauben, hier einen anderen Eindruck erwecken zu sollen als in den Haushaltsberatungen. Gerade Sie waren es doch, der im Berichterstattergespräch besonders - und wie mir scheint, zu Recht - die außerordentliche politische Leistung des Umweltministers Wallmann unterstrichen hat. Ich wundere mich, daß Sie dies heute nicht wiederholt haben. ({30}) Meine Damen, meine Herren, der Umweltschutz sichert unser aller Lebensgrundlagen. Diesem bedeutsamen Aspekt wurde in der Haushaltspolitik Gerster ({31}) Rechnung getragen. Der Umweltetat hat trotz allgemeiner Sparmaßnahmen deutliche Zuwachsraten zu verzeichnen. So ist der Bereich des Umweltschutzes, wenn man die beiden Haushaltsjahre 1986 und 1987 zusammenzählt, um rund 18 % gestiegen. Der Haushaltsausschuß hat das Personal für das Ministerium noch einmal gegenüber dem Regierungsansatz um 10 % aufgestockt. So wird es in Zukunft ein eigenes Referat zur internationalen Zusammenarbeit bei der Sicherung kerntechnischer Einrichtungen geben, um diese zu koordinieren, und ein eigenes Referat, das sich in Zukunft besonders mit Störfällen in industriellen Anlagen beschäftigen wird. ({32}) Im Sachhaushalt haben wir ebenfalls erhebliche und vergleichbare Erhöhungen durchgesetzt. Ich will hier nur zwei Bereiche nennen, z. B. die Erhöhung der Mittel zur Förderung des Naturschutzes um 73 % und - mit Rücksicht auf die Umweltschutzaktionen der Umweltverbände im Rahmen des europäischen Umweltjahres 1987 - die Bereitstellung von 1 Million DM für die Durchführung solcher Aktionen durch diese Verbände, wobei ergänzend darauf hinzuweisen ist, daß das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit von den globalen Sparmaßnahmen ausgenommen ist. Die Frage: Was haben die Sozialdemokraten dagegen zu bieten? Sie haben, nachdem sie Weltmeister in Sonderprogrammen der 70er Jahre waren, auch heute nichts anderes zu bieten als wiederum ein Sonderprogramm, von dem nur der Name positiv ist, nämlich „Sondervermögen Arbeit und Umwelt", ein Name, der aber nicht kaschieren kann, daß sich hinter diesem Programm möglicherweise zwar ein guter Wille, aber ansonsten kaum realisierbare Politik verbirgt. Die Folgen dieses Programms liegen auf der Hand. Erstens. Subventionen nach diesem Programm würden in Zukunft um so höher ausfallen, je größer der Umfang der Umweltverschmutzung eines Betriebes wäre. Die Wirtschaft würde jedes Eigeninteresse am Umweltschutz verlieren und nur warten, bis der Staat den Geldbeutel aufmacht. Dies stellt das Verursacherprinzip auf den Kopf. ({33}) Zweitens. Es würde keine zusätzlichen Umweltinvestitionen, sondern nur eine Umschichtung der Finanzierung zu Lasten des Steuerzahlers geben. Drittens. Es wäre kein wirksamer Beitrag zur Lösung von Beschäftigungsproblemen, sondern es gäbe nur - wie bei den Programmen der Vergangenheit - beschäftigungspolitisch unerwünschte Strohfeuer. Deswegen, meine Damen, meine Herren, verbirgt sich hinter diesem Programm nichts anderes als ein Subventionsprogramm der Sozialdemokraten, die wieder mehr auf staatliche Planung und weniger auf die Durchsetzung des Verursacherprinzips, wie es zur Durchsetzung einer vernünftigen Umweltpolitik notwendig ist, abzielen. Meine Damen, meine Herren, Umweltpolitik muß - und das geschieht nun durch uns - aus der Aufholphase in die Gestaltungsphase übergeleitet werden. Umweltschutz darf auf Dauer nicht Reparaturbetrieb sein, sondern muß Element einer weit vorausplanenden Zukunftsgestaltung werden. ({34}) Um diese Politik ist diese Bundesregierung bemüht. Ich danke vor allem dem Minister für Umwelt, Walter Wallmann, der die 100 Tage Bewährung, Herr Kollege Kühbacher, nicht nur bestens genutzt, sondern auch Grundlagen für eine erfolgreiche Fortsetzung dieser Politik in der Zukunft gelegt hat. Schönen Dank. ({35})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hönes.

Hannegret Hönes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000924, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer der Schwerpunkte in der Umweltpolitik dieser Legislaturperiode war der Kampf gegen das Waldsterben. ({0}) Angesichts der dahinsiechenden Wälder, angesichts des politischen Drucks in der Bevölkerung entschloß sich die Bundesregierung im Frühjahr 1983 zu einigen vollmundigen Großankündigungen. Als „Jahrhundert- Entscheidung" wurde damals verkündet, man wolle Abgasgrenzwerte schaffen, die bis an die Grenze des technisch Möglichen gingen. Heute müssen wir dem gescheiterten Umweltminister Zimmermann und seinem Konkursverwalter Wallmann sagen: ({1}) Aus Ihrer Jahrhundert-Entscheidung ist ein Jahrhundert-Flop geworden, auch wenn Sie das nicht gerne hören. ({2}) Denn Ihre Politik der Entgiftung unserer Wälder ist in doppelter Hinsicht gescheitert. Gescheitert sind Ihre Maßnahmen zur Verringerung der Schadstoffe aus den großen Kohlekraftwerken. ({3}) Gescheitert sind Ihre Maßnahmen zur Entgiftung der Autos. ({4}) Statt der großspurig versprochenen Einführung des Katalysators ({5}) - ja, ich habe einen -, ({6}) statt eines dringend notwendigen Tempolimits haben Sie eine Ungeheuerlichkeit vollbracht: ({7}) - bitte, begeben Sie sich nicht noch unter Ihr eigenes Niveau, meine Herren ({8}) durch Ihre Scheinmaßnahmen sind mehr als 1,4 Millionen Diesel-Pkw als umweltfreundlich eingestuft worden. Durch diesen Humbug ist die Luft nicht nur um kein einziges Gramm Gift ärmer geworden. Schlimmer noch: Ihnen, Herr Wallmann, liegt seit dem 5. November eine Expertise des Umweltbundesamtes zur Bewertung der Wirkung von Diesel-Abgasen auf dem Tisch, in der klipp und klar steht, daß Diesel-Abgase krebserzeugend sind. Was also haben Ihre steuerlichen Erleichterungen für das sogenannte abgasarme Auto gebracht? ({9}) Ich will es Ihnen sagen: zum einen eine steuerliche Mehrbelastung für den Fiskus von 1,2 Milliarden DM - das wäre noch das Geringste -, zum anderen eine Mehrbelastung des Menschen mit gefährlichen krebserzeugenden Rußpartikeln um 15 000 Tonnen jährlich. ({10}) Damit wird ein ungeheures Krebspotential geschaffen. Die Debatte um den Haushalt des Bundesumweltministeriums, meine Damen und Herren, findet in einer Zeit der Serienanschläge auf unsere natürlichen Lebensbedingungen durch die fortgesetzte kriminelle Fahrlässigkeit der chemischen Industrie statt. ({11}) Für Herrn Wallmann ist die „Grenze des Erträglichen" inzwischen erreicht. Für uns ist sie schon lange überschritten. ({12}) Was deshalb not tut, sind nicht weitere „Spitzengespräche" mit den Bossen der Chemie-Konzerne, sondern konkrete Maßnahmen zur Entmachtung der Chemie-Industrie. Die Chemie muß gezwungen werden, rückhaltlos offenzulegen, welche Giftstoffe sie produziert und wo sie diese unter welchen Bedingungen lagert. Die Produktion aller in der Bundesrepublik nicht zugelassenen Pestizide muß verboten werden. ({13}) Es stehen drastische Novellierungen der Gefahrgut-und der Störfallverordnung an. Und noch eines haben die Katastrophen und Unfälle der letzten Wochen deutlich gemacht: Eine grundsätzliche Umorientierung der chemischen Produktion in Richtung auf eine gefahrlose „sanfte Chemie" ist notwendig. ({14}) Alle diese Maßnahmen würden die Gewinne der Chemie-Konzerne drastisch schmälern. Und da diese der Bundesregierung heilig sind, wird sie auch weiterhin alle Vorschläge der GRÜNEN zur Entgiftung der Chemie ablehnen, werden sich Bayer, BASF, Hoechst, und wie sie alle heißen, weiterhin auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit der Menschen hierzulande und in der Dritten Welt hemmungslos bereichern können. ({15}) - Das ist Praxis, Herr Kollege! ({16}) Der groß angekündigte Kampf der Bundesregierung gegen das Waldsterben war ja ebenfalls spätestens in dem Moment beendet, als die Automobilindustrie ankündigte, sie werde eine Schmälerung ihrer Profite zugunsten des Waldes nicht hinnehmen. ({17}) Mit dieser Regierung im Amt sind die nächsten Katastrophen programmiert. ({18}) Deshalb muß sie abgelöst werden. So einfach ist das, Herr Kollege. ({19}) Herr Minister Wallmann, Sie sind angetreten als jemand, der die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger nach Tschernobyl ernst nimmt und für Glaubwürdigkeit wirbt. ({20}) Inzwischen wird immer deutlicher, daß sich hinter der natur- und umweltschützerischen Fassade Ihres Ministeriums die harte Truppe der Atomenergie-Fanatiker versammelt hat. ({21}) - Ja! Daß für Sie die Sicherung der Interessen der Atomindustrie mehr bedeutet als die Sicherheit der Menschen, ist in den letzten Tagen deutlicher geworden als je zuvor. ({22}) Nur auf Grund einer Indiskretion und wegen des immer stärkeren öffentlichen Drucks haben Sie schließlich die Flucht nach vorne ergriffen und gestern die alarmierende Studie des TÜV Norddeutschland vorgelegt, die seit mindestens vier Monaten in Ihren Schubladen schmort. Diese TÜV-Untersuchung über die Ereignisabläufe bei einem Super-GAU in den Atomkraftwerken Stade, Brokdorf, Krümmel und Brunsbüttel ist höchstgradig alarmierend. ({23}) - Ja. Aber ich habe sehr effizient arbeitende Kollegen. ({24}) Sie könnten froh sein, wenn auch Sie solche hätten. Dann wären Sie vielleicht etwas besser informiert und könnten bei Ihrem Minister etwas mehr Druck machen. Es ist ja eine Katastrophe, daß diese TÜVUntersuchungen erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangen. ({25}) Über ein Drittel der bei uns betriebenen Atomkraftwerke sind Siedewasser-Reaktoren. In der TÜV-Studie aber heißt es wörtlich: „Für deutsche Siedewasser-Reaktoren sind bisher noch keine Risiko-Analysen durchgeführt worden." Das ist eine wirklich unglaubliche Neuigkeit. Denn das bedeutet, daß für ein Drittel Ihrer Atomkraftwerke noch nicht einmal eine Abschätzung der möglichen Unfall-Abläufe und ihrer Auswirkungen existiert. - Herr Wallmann, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie meinen Ausführungen folgen würden. ({26}) - Ich bin nicht wichtig, aber meine Argumente sind wichtig. ({27}) Das bedeutet weiterhin: Das zentrale Pro-Atomenergie-Argument der Bundesregierung von der angeblichen Sicherheit unserer Atomkraftwerke ist auf Sand gebaut, unseriös und erwiesenermaßen Volksverdummung. Selbst über den Versagensmechanismus des Reaktor-Sicherheitsbehälters ist nach Aussage des Technischen Überwachungsvereins - ich zitiere - „nach heutiger Kenntnis keine präzise Aussage möglich". Bitte sparen Sie sich die Mühe, Herr Minister, diese TÜV-Untersuchung nachträglich als unbedeutenden „Vor-Entwurf" abzuqualifizieren. Denn in ihrer Stellungnahme vom 13. August 1986 bestätigt auch die Gesellschaft für Reaktorsicherheit die Aussagen des Berichtes und betont, daß ihr die Ergebnisse „sinnvoll" erscheinen. Wenn das geläufige Wort von dem Vorrang der Sicherheit vor der Wirtschaftlichkeit irgendeinen Sinn haben soll, dann müssen jetzt politische Konsequenzen gezogen werden. ({28}) Wir fordern Sie auf, diese Reaktoren, über die nicht einmal eine Risikostudie vorliegt, unverzüglich außer Betrieb zu nehmen. ({29}) Wir erinnern daran, daß für einen der sechs Siedewasser-Reaktoren die politische Voraussetzung besonders günstig ist. ({30}) - Ja, dann müssen Sie aber die Sitzungen anders legen, Herr Vorsitzender, ({31}) nicht während wichtiger Debatten, in denen ich als Sprecherin meiner Fraktion hier zur Politik Ihrer Regierung Stellung nehmen muß. - Ich meine den Siedewasser-Reaktor Würgassen in Nordrhein-Westfalen. Wir begrüßen es, daß auch Hamburgs Energiesenator Kuhbier gestern abend die einzig angemessene Forderung nach Stillegung aller Siedewasser-Reaktoren erhoben hat. Nach den Abschätzungen des TÜV muß bei den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel bei einem schweren Störfall schon nach 3 bis 21 Stunden mit dem Versagen oder Bruch des Sicherheitsbehälters gerechnet werden. Alle Katastrophenschutzpläne basieren jedoch auf der Hoffnung, daß die Reaktorkuppel wenigstens zwei Tage lang dicht bleibt. Im 25-km-Radius dieser beiden Atomreaktoren leben insgesamt etwa 650 000 Menschen. Ich fordere Sie noch einmal eindringlich auf: Stellen Sie diese Atomkraftwerke ab, bevor es eine Katastrophe gibt! ({32}) Meine Damen und Herren, die stärkste Stütze der Wallmannschen Atompolitik ist der Glaube, es gebe keine Alternative. Wir GRÜNEN haben vor wenigen Tagen noch einmal mit einer breit angelegten Aufklärungskampagne über die Machbarkeit und die Vorteile des kurzfristigen Atomenergieausstiegs begonnen. Die Behauptung, ohne Atomenergie ginge es nicht, ist ein morsches Lügengebäude. Immer mehr Menschen werden das erkennen. ({33})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun hat der Abgeordnete Dr. Weng das Wort.

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will meine Rede zum Etat des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit mit zwei Vorbemerkungen beginnen. Die erste Vorbemerkung betrifft den wichtigen Bereich des Artenschutzes. Jeder Naturfreund weiß, daß die vom Aussterben bedrohten Greifvögel Dr. Weng ({0}) und hier insbesondere die Falken einen besonders hohen Symbolwert haben. ({1}) Hätte nicht z. B. die Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz durch mühsame Bewachung der Horste dieser schönen Vögel deren Ausplündern verhindert, wären sie bei uns längst ausgestorben. Das Motiv der Nesträuber: Für junge Falken ist viel Geld zu bekommen, weil diese insbesondere als Jagdfalken im Orient hohe Preise erzielen können. ({2}) Daß hierbei auch in unserem Land in der Vergangenheit viel Illegales geschehen ist, ist unter Vogelschützern ein offenes Geheimnis. In Kenntnis solchen Symbolwerts dieser Vogelart halte ich einen Politiker für schlecht beraten, der einen lebenden, zur Jagd abgerichteten Falken als Gastgeschenk nach Saudi-Arabien mitnimmt. ({3}) Sicherlich hätte es ein vergoldeter Mercedes-Benz oder BMW auch getan. ({4}) Meine zweite Vorbemerkung in Sachen Mangel an Sensibilität: Meine Damen und Herren, was sich in den letzten Tagen und Wochen nach dem Motto „Wer ist das größte Schwein am Rhein?" in der täglichen Presse abspielt, kann einen verantwortungsbewußten Politiker nicht ruhen lassen. ({5}) Ich bin ja nun wirklich von Berufs wegen der Chemie verbunden und weiß, daß die Qualität unseres Lebens ohne Leistungen von Chemie und Pharmazie nicht nur erheblich vermindert wäre, sondern gar nicht mehr vorstellbar ist. Aber gerade der Teil der Betriebe, der die gesetzlichen Auflagen befolgt oder sogar, was sehr häufig ist, erhebliche Vorleistungen für den Umweltschutz erbringt, muß sich rigoros von den schwarzen Schafen in den eigenen Reihen distanzieren. Sehen die Verantwortlichen denn nicht, was ohne die erforderliche Vorsorge an unwiederbringlichen Werten zerstört wird? Sehen sie nicht auch, in welcher Weise ihr Verhalten in der politischen Landschaft den Weg für Träumer und für Schreihälse bereitet? Ich bin dem Umweltminister für seine klaren Äußerungen auf die Vorfälle verbunden und halte die schnelle Reaktion der FDP-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg und hier meines Freundes Ernst Bauer für bemerkenswert, der fordert, eine ständige Überwachung des Rheins vorzusehen. ({6}) Der Herr Umweltminister hat in seinen Erklärungen deutlich gemacht, daß meine Fraktion mit dem Wunsch, ein eigenes Umweltministerium einzurichten, politisch richtig lag. Ein solches Ministerium ist ein Selbstläufer, d. h. Umweltpolitik wird in Zukunft die angemessene Beachtung finden. Dem hat auch auf unsere Anträge hin der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages Rechnung getragen. Die Haushaltsgruppe der Koalition aus CDU/CSU und FDP hatte von Anfang an beschlossen, für dieses Ministerium sowohl bei Personal- wie bei den Finanzmitteln Erhöhungen zu ermöglichen, damit mit bestmöglicher Personalausstattung und genügend Sachmitteln gearbeitet werden kann. Der Fehler der GRÜNEN in Hessen allerdings, das neue Umweltministerium zu einem Selbstbedienungsladen für Parteigenossen zu machen - hierzu hat sich ja der Bund der Steuerzahler in Hessen mit dem Hinweis geäußert, dies sei ein einsamer Rekord -, wird sich in Bonn nicht wiederholen. ({7}) Der Schwerpunkt in der Verbesserung des Ansatzes der Finanzmittel liegt im Bereich der Naturschutzprojekte mit gesamtstaatlicher Bedeutung. Hier haben wir auch die politische Auseinandersetzung mit dem Finanzminister nicht gescheut. Der Bund fördert nämlich seit 1979 den Flächenankauf und biotoplenkende Maßnahmen in Landschaften von herausragendem Naturschutzwert. Projektträger können Landkreise und Gemeinden, aber auch geeignete Umweltschutzverbände sein, die dann die Aufgabe haben, die angekauften Flächen zu unterhalten. Dies ist keine eigentliche Bundesaufgabe. Das Finanzministerium wollte die Zuwendungen auslaufen lassen. Wir hielten es für wichtig, den in Umweltfragen engagierten Bürgern zu zeigen, daß wir politische Signale zu setzen bereit sind. ({8}) Der Haushalt sieht auch die Mittel für die Verbesserung der Strahlenschutzvorsorge vor und zieht damit notwendige Folgerungen aus der Katastrophe von Tschernobyl. Um die Pannen von damals, insbesondere die Pannen bei der Unterrichtung der Bevölkerung, in Zukunft wirkungsvoll zu vermeiden, ist der Ausbau eines flächendeckenden Meßnetzes der Überwachung der Radioaktivität erforderlich. ({9}) Aus Gründen sparsamen Umgangs mit Steuermitteln fordern wir die Bundesregierung allerdings auf, die vorhandenen Einrichtungen der Länder ebenso wie - privatvertraglich abgesichert - private Meßeinrichtungen bestmöglich in ein solches Überwachungsnetz einzubeziehen. Natürlich rettet uns das nicht vor Katastrophen, meine Damen und Herren von den GRÜNEN. Aber es ist schon lästig, solche unsinnigen Zwischenrufe zu hören, wenn Sie wissen, daß eine Katastrophe im Ausland - von uns völlig unbeeinflußbar - geschehen ist. Ich weiß nicht, ob Ihre Freunde das kürzlich in Moskau entsprechend angesprochen haben. Wenn j a, hat es auf Dr. Weng ({10}) jeden Fall nichts bewirkt. Die übrigen Blöcke in Tschernobyl sind erneut in Betrieb. ({11}) Daß wir bei einer solchen Katastrophe im Ausland die Bevölkerung künftig wenigstens im Sinne bestmöglicher Information schützen wollen, müssen Sie schon zugestehen.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Hönes?

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, nein, ich möchte keine Zwischenfragen zulassen. ({0}) Es wäre nach meiner Überzeugung nicht vertretbar, wenn die Bürger einerseits als Steuerzahler und andererseits als Stromverbraucher doppelt bezahlen müßten, daß nahezu identische Meßstellen direkt nebeneinander eingerichtet und betrieben würden. Dies, Herr Minister, bitten wir bei Ihrem Bemühen für dieses flächendeckende Überwachungsnetz zu berücksichtigen. Entschlossenes Handeln bei erkennbaren wie bei erkannten Fehlentwicklungen, das ist verantwortungsvolle Umweltpolitik. Diese Politik ist zu schade, um sie roten oder gar grünen Ideologen zu überlassen. Wer Umweltpolitik als ein Vehikel benutzen will, um mit vorgehaltener Sonnenblume den Marsch in einen anderen Staat, in eine andere Gesellschaftsordnung zu unternehmen, wird auf unseren erbitterten Widerstand stoßen. ({1}) Herr Umweltminister, das von Ihnen geführte Ministerium ist im Sinne seriöser Umweltpolitik ein wichtiger Hoffnungsträger in der Bevölkerung. ({2}) Der Haushaltsausschuß hat dem Rechnung getragen, das Parlament in seiner Mehrheit wird ihm folgen. Ihr persönlicher Einstand ist gut. Der Erfolg der Koalition in diesen für unsere Zukunft so wichtigen Fragen muß durch Ihre weitere Arbeit sichergestellt werden. Die FDP-Fraktion sichert Ihnen hierbei bestmögliche Unterstützung zu. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hauff. ({0})

Dr. Volker Hauff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Geschichte der Umweltpolitik in der Bundesrepublik hat gezeigt, daß jede einzelne Umweltmaßnahme den Verursachern von Umweltverschmutzung mühsam abgerungen werden mußte. Wir alle haben es erlebt. Wir Sozialdemokraten und Teile der damaligen Freien Demokraten - den Grafen Lambsdorff will ich da ausdrücklich ausnehmen - haben die dafür notwendigen Konflikte mit den wirtschaftlichen Interessen nicht gescheut. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Auch Sie knüpfen an und bauen auf bei der Vielzahl ihrer Maßnahmen auf dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, ein wirklich wegweisendes Gesetz, auf dem Abwasserabgabengesetz, das in die Zukunft gewiesen hat, auf dem Abfallbeseitigungsgesetz, das richtig war. Wir haben zum erstenmal in der Geschichte ein Umweltforschungsprogramm, von der Bundesregierung verabschiedet, zum erstenmal einen Sachverständigenrat für Umweltfragen eingerichtet und Gott sei Dank die wichtigste Einrichtung, Herr Kollege Baum, das Bundesamt für Umweltschutz eingerichtet. ({0}) Das sind Maßnahmen, auf die ich stolz bin, zu denen ich mich bekenne und die zeigen, daß auf diesem Gebiet zu Zeiten der sozialliberalen Koalition erfolgreich gearbeitet wurde. ({1}) Richtig ist: Auf vielen Bereichen haben sich die Probleme weiter zugespitzt. Die Welt ist nicht stehengeblieben, sie wird auch nicht stehenbleiben. Mit neuen Problemen müssen wir uns jetzt auseinandersetzen. Heute ist die Chemie in aller Munde. Auch hier gilt: Wer nicht fähig ist zum konstruktiven Konflikt, der wird keinen Fortschritt erreichen. Wer nur betriebswirtschaftliche Interessen sieht, der wird der Verantwortung für die Zukunft nicht gerecht. Lange vor den Chemieunfällen, sehr lange, Jahre vorher, vor Sandoz, vor Ciba-Geigy, vor AKZO, vor Hoechst, vor BASF hat die SPD-Bundestagsfraktion ein umfassendes Konzept für eine umwelt-und gesundheitsverträgliche Chemiepolitik erarbeitet. Dieses Konzept haben wir nach wirklich jahrelangen Anstrengungen und intensiven Diskussionen zusammen mit der IG Chemie erarbeitet. Mit den Arbeitnehmervertretern aus dieser Industrie waren wir uns einig, daß dieses Konzept einer umwelt- und gesundheitsverträglichen Chemiepolitik Arbeitsplätze sichert. ({2}) Wir sind mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund einer Meinung: nur umweltverträgliche Arbeitsplätze sind auf die Dauer sichere Arbeitsplätze. Mit unserem Konzept, das dem Deutschen Bundestag seit dem März dieses Jahres vorliegt ({3}) - ich nehme gerne zur Kenntnis, daß Sie es nicht gelesen haben -, ({4}) streben wir eine umweltverträgliche und vorsorgende Chemiepolitik an. Mit diesem Antrag, in dem eine Vielzahl von Maßnahmen angekündigt ist, haben wir vorgeschlagen, das Chemiegesetz zu aktualisieren, um mit den Schadstoffen besser fertigzuwerden, ein Arbeitsprogramm vorzulegen, nach dem in sechs Jahren die Altstoffe abgearbeitet werDr. Hauff den sollen, die Gefahrstoffverordnung weiterzuentwickeln, die Gefahren durch Chemikalien im Haushalt zu verringern durch Kennzeichnungspflicht, durch Forschungsprogramme, den Gesundheitsschutz durch eine Zurückdrängung gefährlicher und überflüssiger Ersatzstoffe bei den Lebensmitteln zu ermöglichen, die Beteiligung der Arbeitnehmer zu verbessern und nicht zuletzt eine verschuldensunabhängige Haftung einzuführen und eine Umkehr der Beweislast. Seit März liegt dieser Antrag dem Deutschen Bundestag vor, lange, lange vor diesen Unfällen. Wir haben uns eben um eine solche vorsorgende Chemiepolitik gekümmert, als es noch keine Unfälle gab. Wir wissen, daß Vorsorge notwendig ist zum Schutze der Umwelt, aber auch zur Sicherung und Erhaltung der Arbeitsplätze. Wir wissen auch, welche Bedeutung die Chemie für unsere Industriegesellschaft hat. Aber wir wissen auch, daß die Risiken der Chemie verringert werden müssen, und zwar ohne daß Unfälle stattfinden. ({5}) Ein bißchen vorausdenken muß ja nicht immer schädlich sein. Deswegen haben wir unsere Vorschläge vorgelegt, nicht als Reaktion, sondern aus Sorge um die Zukunft und aus Sorge um die Arbeitsplätze in dieser Industrie. Nun ist sehr interessant: Wie waren eigentlich die Reaktionen damals? Heute redet ja alles über Chemie. Aber wie war es in diesem Frühjahr, als wir das vorgelegt haben? Der Verband der Chemischen Industrie hat unsere Vorschläge kaltschnäuzig und zynisch vom Tisch zu wischen versucht. ({6}) „Bevormundung der Verbraucher", „Eigenverantwortlichkeit der Hersteller", „Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft", das waren die Kampfparolen, die dabei verwendet wurden. ({7}) Das habe ich nicht anders erwartet. Aber daß sich dieser Chemieverband dabei auf die willfährige parlamentarische Unterstützung durch die CDU verlassen konnte, das war das eigentlich Besorgniserregende dabei. (Hornung ({8}) Ohne jede ernsthafte Diskussion haben Sie in diesem Jahr unser Konzept abgelehnt - ein Liebesdienst an die Chemie-Manager. Viele von Ihnen haben über unser Konzept sogar gelacht - ich erinnere mich noch sehr genau an die ersten Debatten hier -, so ähnlich, wie einige von denen gelacht haben, als wir 1961 den blauen Himmel über der Ruhr gefordert haben. Nur: Diesmal ist Ihnen das Lachen ein ganz klein bißchen schneller vergangen. ({9}) - Vielen Dank. Ich möchte gern im Zusammenhang reden. ({10}) Schneller, als uns lieb war, haben wir mit einer Serie von verhängnisvollen Chemiekatastrophen recht bekommen. Es begann mit dem Brand in Basel bei Sandoz. Tagelang war die Regierung sprachlos. Das wurde - das fand ich wirklich sehr interessant - nachträglich damit begründet, daß die zuständige Stelle in Basel die Telex-Nummer ausgewechselt hat und daß die Bundesregierung zwei Tage gebraucht hat, um die Telex-Nummer herauszufinden. Warum um alles in der Welt, Herr Wallmann, haben Sie eigentlich nicht jemanden hingeschickt, so wie der Verband der Chemischen Industrie? Der Bundesregierung stehen wirklich alle Transportmöglichkeiten zur Verfügung. ({11}) - Das ist noch eine N. N.-Stelle. Die Stelle ist ja da. Aber die sind im Ministerium zur Zeit alle N. N. ({12}) Warum eigentlich, Herr Wallmann, haben Sie geschwiegen, als Ihre Freunde von der chemischen Industrie eine Woche nach dem Unfall in allen großen Tageszeitungen eine Anzeige veröffentlicht haben „Lieber Fisch! Es wird Dir guttun, daß die chemische Industrie die organische Belastung der Gewässer in den letzten zwanzig Jahren um mehr als 20% gesenkt hat"? Meine Frage ist: Warum haben Sie eigentlich dazu geschwiegen? Warum haben Sie sich nicht dazu durchringen können, diese Anzeige als das zu bezeichnen, was sie ist, nämlich ein kaltschnäuziger Versuch, mit Millionen von Mark Millionen von Menschen für dumm zu verkaufen? ({13}) Statt dessen haben Sie das Gegenteil getan. Sie waren in der letzten Woche bei Hoechst, weil Sie sich „einen unmittelbaren Eindruck von der Sicherheitstechnik" verschaffen wollten. Sie haben anschließend verkündet, Sie seien „beeindruckt von der deutschen Sicherheitstechnik". Nur: Das war vor den Unfällen. Erst als Maßnahmen unausweichlich waren, kam es zu einem Gespräch. Dann mußten die Chemie-Leute Ihnen in die Hand versprechen, daß sie freiwillig bereit sind, das alles zu verändern. Wir haben damals ganz andere Forderungen vorgelegt, als es die deutschen Unfälle noch nicht gab. Wir haben in der Tat ein anderes Haftungsrecht mit unserem Antrag hier im Deutschen Bundestag gefordert. Wir haben einen Warn- und Alarmplan für den Rhein gefordert. ({14}) - Wir haben konkrete Maßnahmen zur Verbesserung gefordert. Wir haben gefordert, daß die Störfallverordnung verändert und ergänzt, daß beispielsweise wassergefährdende Stoffe mit einbezogen werden müssen. ({15}) Warum um alles in der Welt haben Sie es hier im Deutschen Bundestag alles abgelehnt, wenn Sie mittlerweile dafür sind? ({16}) Nein, die Begründung für Ihre kurzfristige und interessengebundene Entscheidung lieferte der Verband der Chemischen Industrie danach, als er ebenfalls in einer Anzeige behauptete: „Wir haben in der deutschen chemischen Industrie einen hohen Sicherheitsstandard erreicht. Die bisher erzielten Erfolge bestärken uns in der Verantwortung für Mensch und Umwelt." ({17}) Das wurde dort behauptet, alles nach der Melodie: So was mag in der Schweiz vorkommen, bei uns ist das unmöglich. Mittlerweile hat sich herausgestellt: Lügen haben kurze Beine. Die Wahrheit kam mit einer Serie von schweren Störfällen in unserem Land ganz schnell ans Licht: ({18}) bei BASF, bei Hoechst, bei Bayer. Jeden Abend gibt es neue Schreckensmeldungen. Ein „Rhein-Fall" jagt den anderen. Während wir hier zusammengekommen sind, werden uns die Meldungen der Nachrichtenagenturen hereingereicht, daß heute mittag wieder ein neuer Störfall bei Hoechst passiert ist und daß in unbekannter Menge wieder neue Schadstoffe eingetragen wurden. ({19}) Jetzt endlich bequemt sich die Regierung, nachdem sie unsere Vorschläge über Wochen hinweg abgelehnt hat, jetzt endlich bequemt sich die Mehrheit und sagt: Es muß tatsächlich etwas geschehen. Jetzt endlich wird zugegeben, daß da Handlungsbedarf besteht. Jetzt werden Arbeitsgruppen eingesetzt, Prüfungsaufträge vergeben, Maßnahmen werden angekündigt. ({20}) Jetzt endlich kommen die Störfallverordnung, die verschuldensunabhängige Haftung und die Verbesserung der Sicherheitstechnik in die Diskussion; aber, meine Damen und Herren, eben nur in die Diskussion. Zutreffender hätte man es nicht machen können als Herr Kollege Gerster, indem er die Regierung dafür gelobt hat, daß sie nicht nur Ankündigungen macht, sondern auch plant. Also eine großartige Sache, daß da nicht nur angekündigt wird, sondern auch geplant wird. Nein, es ist Zeit zum Handeln. Meine Frage ist: Warum haben Sie all die Maßnahmen, die Teil unserer Vorschläge vor mehreren Monaten waren, eigentlich abgelehnt, zuletzt vor zwei Wochen hier im Deutschen Bundestag? Jetzt soll mittlerweile alles geprüft werden. Wie soll da der Bürger eigentlich noch Zutrauen zu einer Regierung haben, die so verfährt? ({21}) Dabei bleibt Ihre Entscheidung merkwürdig unentschieden und ungenau. Es wird nicht deutlich, ob Sie wirklich wollen oder ob Sie nur beruhigen wollen. Der Eindruck verdichtet sich: Diese Regierung macht auf umweltpolitischem Gebiet jeweils das, was unvermeidlich ist, ({22}) aber von einer wirklich vorsorgenden Umweltpolitik ist sie meilenweit entfernt. ({23}) Ich bleibe dabei: Wo wirtschaftliche Macht zur Bedrohung von Mensch und Natur wird, ist es unsere Aufgabe, dieser wirtschaftlichen Macht Grenzen zu setzen. Das ist die Tradition der SPD in 120 Jahren. ({24}) Wir wissen uns dabei im Grundsätzlichen auch einig mit dem Bundespräsidenten, der vor kurzem sagte - wörtlich -: Die Umweltfrage ist selbst zur Überlebensfrage der Menschheit geworden. ({25}) - Hören Sie doch wenigstens zu, was ich vom Bundespräsidenten hier vortrage. Nur wenn wir die Natur um ihrer selbst willen schützen, wird sie uns Menschen erlauben zu leben. Deswegen gehört der Umweltschutz als Staatsziel auch ins Grundgesetz hinein, ({26}) nur: Auch davon wollen Sie nichts wissen. ({27}) Ich sage Ihnen: Der Tag wird kommen, an dem auch Sie erkennen müssen, daß es vernünftig und richtig ist, den Umweltschutz als Staatsziel ins Grundgesetz hineinzuschreiben, aus diesen Überlegungen. So verdichtet sich am Ende der Legislaturperiode der Eindruck, daß Herr Hartkopf doch recht hatte, als er prophezeite, Herr Wallmann werde in der Umweltpolitik nur Propaganda machen und allen wirklichen Konflikten ausweichen. Meine Damen und Herren, das alles muß man - um ein Wort des verehrten Herrn Bundeskanzlers zu gebrauchen - jetzt endlich einmal auf den Punkt bringen. Herr Wallmann, Sie waren nie in Hollywood, jedenfalls haben Sie dort nie gearbeitet, aber von Public Relations verstehen Sie eine ganze Menge. Die Bilanz der Umweltpolitik sieht entsprechend aus. Auch Herr Gerster kann darüber nicht hinwegtäuschen. Die Katalysator-Fahrzeuge kommen nur im ersten Gang voran. ({28}) Beim Verbot des verbleiten Normalbenzins bleibt es bei Ankündigungen. Die chemische Industrie braucht vorläufig mit keinerlei Verschärfungen zu rechnen. Das neue Bundesnaturschutzgesetz löste bei den anerkannten Naturschutzverbänden Hohngelächter aus. Die Einwegverpackungen wachsen nach der famosen „Lex ALDI" weiter an. Die Sanierung der Altlasten wird nicht angepackt. Die Atomkraft wird weiter ausgebaut, ({29}) und über das Tierschutzgesetz sind nicht nur die Tierschützer empört. Angesichts dieser Ausgangslage kann es auch nicht verwundern, daß in der mittelfristigen Finanzplanung für das Umweltministerium bis 1990 eine Verringerung der Mittel gegenüber dem Ansatz 1987 vorgesehen ist, ein einmaliger Vorgang von diesem doch so unglaublich wichtigen und zukunftsorientierten Ministerium. Die Mittel sinken im Laufe der mittelfristigen Finanzplanung ab. Nominal, ohne jede Preissteigerung, ({30}) steht 1990 nach der mittelfristigen Finanzplanung weniger Geld zur Verfügung als 1987. Meine Damen und Herren, es verstärkt sich der Eindruck: Hier handelt es sich um ein Wahlkampfministerium, das jetzt seine Funktion zu erfüllen hat und dann wieder in die Wüste geschickt wird. ({31}) Aber das paßt ja auch zu den Vorstellungen, die der derzeitige Amtsinhaber bei seiner Amtsübernahme geäußert hat. ({32}) Wörtlich hat Herr Wallmann gesagt: „Mein Wunschministerium ist das nicht." ({33}) Herr Wallmann, ich muß Ihnen ehrlich sagen: Ich glaube Ihnen das; und ich sage: Die Menschen spüren das auch. In gewisser Weise kann ich das aus Ihrer Sicht auch verstehen, daß das Ihre Meinung war. Nur - es tut mir leid -: Diese umweltpolitische Untätigkeit wird langsam zur Gefahr für die Zukunft unseres Landes. ({34}) Umweltpolitik ist Gesellschaftspolitik, gerade in der Industriegesellschaft, und deswegen müssen Arbeit und Umwelt miteinander verknüpft werden. Wir brauchen keine symbolischen Einzelaktionen und keine Kassandrarufe, sondern in der Tat eine grundlegende ökologische Erneuerung der Industriegesellschaft. Das ist der Sinn unserer Vorschläge. ({35}) - War eigentlich das Bundes-Immissionsschutzgesetz nichts? War das Abfallbeseitigungsgesetz nichts? War das Umweltbundesamt nichts? War der Sachverständigenrat eigentlich nichts? Reden Sie doch nicht so dumm daher! Die Umweltpolitik der sozialliberalen Koalition hat Profil gehabt, ({36}) sie hat Profil gehabt, und ich bin stolz auf sie! ({37}) Deswegen haben wir unsere Vorschläge vorgelegt: für eine Chemiepolitik, für ein Sondervermögen „Arbeit und Umwelt", für eine sichere Energieversorgung ohne Atomkraft und für eine neue Landwirtschaftspolitik. Die derzeitige Mehrheit im Deutschen Bundestag lehnt diese Vorschläge ab, aber Tag für Tag wird deutlicher: Diese Bundesregierung ist nicht mehr in der Lage, auf dem Gebiet der Umweltpolitik für die Mehrheit der Menschen in unserem Lande zu sprechen, ({38}) und das wird in den nächsten Wochen noch sehr viel deutlicher werden. Diese Regierung - zunächst Herr Zimmermann, jetzt Herr Wallmann - hat umweltpolitisch versagt, und deswegen ist es an der Zeit, daß diese Regierung abgelöst wird. ({39})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den vergangenen vier Jahren haben wir bei wachsender Wirtschaft und steigendem Energieverbrauch zugleich beachtliche Verbesserungen beim Schutz unserer Umwelt geschaffen. Das böse Wort von der unausweichlichen „Kaputtindustrialisierung" ist widerlegt; ({0}) die Zahlen sprechen für sich und sind unbestreitbar. ({1}) Wir sind z. B. in diesem Jahr, im Jahre 1986, zum erstenmal zu einem Nettoimporteur von Luftschadstoffen geworden, ({2}) zum erstenmal in der Geschichte Deutschlands als einer Industrienation! ({3}) Daß Sie, Herr Kollege Hauff, an der Gifthysterie zuerst Ihr umweltpolitisches Magersüppchen kochen wollen, was sich bei jedem Anlaß zeigt, verstehen wir ja. Aber, Herr Kollege Hauff, daß nach dem Großbrand in Basel tonnenweise die toten Aale angeschwemmt wurden, zeigt doch, wie erfolgreich unser Gewässerschutz bis dahin war. ({4}) Denn diese Aale gab es früher, als andere regierten, im verschmutzten Rhein nicht! ({5}) Als nicht wir, sondern andere regierten, gab es diese Fische nicht! ({6}) Übrigens, Herr Kollege Hauff, ({7}) Ihre Chemiepapiere, die der SPD, haben wir am 28. Oktober im Umweltausschuß ausführlich beraten. Zwei Kollegen von der SPD sind anwesend gewesen, Sie nicht, Herr Kollege Hauff! ({8}) Gewiß, Pessimisten sind ja Leute, die immer irgendwie recht haben, weil man in der Regel mehr erwartet, als erreichbar ist. Aber Pessimisten haben die Welt noch nie vorangebracht, so wenig, wie Sie, Herr Kollege Hauff, ({9}) z. B. das schadstoffarme Kraftfahrzeug in Ihrer Regierungszeit vorangebracht haben. ({10}) Nun, für die Erfolge unserer Gewässerschutzpolitik ist das Chemieunglück bei Basel ein schlimmer Rückschlag. Wir sind entschlossen, daraus und aus den jüngsten Störfällen in der deutschen Industrie die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. ({11}) Die chemische Industrie wird alles ihr Mögliche zur Revitalisierung des Rheins unternehmen müssen. ({12}) Die technische Sicherheit der chemischen Betriebe muß optimiert werden. Mit Verstärkung der inhärenten Sicherheit, mit Mehrfachsicherungssystemen, geschlossenen Kühlkreisläufen und Schadstoffvernichtungsanlagen ist Vorsorge zu treffen, daß sich schwere Störfälle nicht wieder ereignen. Besondere Aufmerksamkeit ist auf Wartung und Überwachung sowie Fachkunde und Zuverlässigkeit des Betriebspersonals zu richten. Die Störfallverordnung muß auf wassergefährdende Stoffe erweitert und die Verpflichtung zur Meldung von Störfällen überprüft werden. Das beste Umweltschutzrecht nützt nichts, wenn seine Einhaltung nicht ausreichend überwacht wird. ({13}) Die derzeitige Praxis ist verbesserungsbedürftig. Verwaltungsvorschriften und technische Regelwerke sind notwendig, um die Effizienz des Vollzugs zu steigern. Wir begrüßen, daß der Bundesumweltminister dazu zwei Beratergruppen eingesetzt hat. Sie werden schnellstmöglich konkrete Vorschläge für die Verbesserung der betrieblichen und staatlichen Sicherheits- und Notfallmaßnahmen in der chemischen Industrie sowie zur Behebung der ökologischen Schäden im Rhein erarbeiten. Wir konnten gestern im Umweltausschuß feststellen, daß der Bundesumweltminister und sein rheinland-pfälzischer Kollege unverzüglich und umsichtig gehandelt haben, nachdem der Störfall bei BASF bekanntgeworden war. Alle erforderlichen Vorsorgemaßnahmen wurden ergriffen, die Bevölkerung umgehend informiert. Es gibt für uns keine Alternative zum technischen Fortschritt, aber Alternativen zu Art und Form des Fortschritts. Meine Fraktion bekennt sich zum humanen ökologischen Fortschritt. Dazu haben wir uns auch in den vergangenen Jahrzehnten bekannt - mit großem Erfolg. ({14}) Der Rhein war bis zu diesem Störfall wieder ein Fluß mit einer großen Artenvielfalt geworden. Viele Fische sind dort wieder heimisch geworden, die dort in den 60er und 70er Jahren nicht mehr hatten leben können. ({15}) Das muß hier mal in aller Klarheit gesagt werden. Wir haben den Rhein gesäubert. Wir haben das Bodensee-Sanierungsprogramm durchgeführt. ({16}) - Wir als Union, auch in Baden-Württemberg. 10 Milliarden DM haben wir dafür ausgegeben, noch bevor es einen einzigen GRÜNEN gab, noch bevor Sie mit Ihren Papieren kamen. Das lassen wir uns nicht nehmen. Das wollen wir hier in aller Klarheit einmal feststellen. ({17}) Wir haben ein neues Umweltministerium, ({18}) und wir können feststellen, daß der Bundesumweltminister bereits ein großes Programm umgesetzt, eine Menge auf den Weg gebracht hat. Wir haben mit dem neuen Ministerium schnell Tritt gefaßt, auch mit dem neuen Umweltausschuß. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Wir werden unseren Weg für eine bessere Umwelt konsequent weitergehen. Vielen Dank. ({19})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Schäfer, ich konnte Ihnen keine Möglichkeit geben, weil der Abgeordnete Dr. Laufs seine Redezeit schon lange überschritten hatte. Das Wort hat der Abgeordnete Baum.

Gerhart Rudolf Baum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000111, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten Schwarzweißmalereien hier beenden. Ich stelle hier aus eigener Kenntnis vieler Jahre Umweltpolitik fest: Alle Parteien haben auf dem Umweltsektor Verdienste. Es gab in der früheren Koalition große Fortschritte, und Sie müssen anerkennen, daß es auch jetzt, in den letzten vier Jahren, erhebliche Fortschritte im Umweltschutz gegeben hat. ({0}) Es gab Fehler. Das muß man hier auch öffentlich sagen. Die haben aber alle zu verantworten. Es gab in allen Parteien Widerstände. Und die GRÜNEN haben den Umweltschutz nicht entdeckt, meine Damen und Herren. Sie wollen j a eine andere Wirtschaftsordnung. Und ich sage Ihnen: Umweltschutz ist nur in dieser Wirtschaftsordnung überhaupt effizient zu gestalten. ({1}) Es ist also keine Erblast zu verarbeiten. Vieles, was in dieser Legislaturperiode geschehen ist, wäre nicht geschehen, wenn keine Vorarbeiten dagewesen wären. Das muß man auch mal zugunsten der Ministerien, der Beamten in den Ministerien - der Minister macht die Gesetzentwürfe ja nicht selber - sagen. ({2}) Deshalb sollten wir jetzt hier mit den Schuldzuweisungen aufhören und uns überlegen: Was ist im Interesse unserer Umwelt wirklich zu tun? ({3}) Vieles ist früher in großer Gemeinsamkeit geschehen. ({4}) Genscher hat in einer ganz wichtigen Aufbauphase - wir haben beispielsweise die Verfassung geändert - die Unterstützung aller Parteien in diesem Hause gehabt. ({5}) Ich frage mich, warum die Opposition sich heute bei vielen Gesetzen, die wir auch in diesen letzten Wochen und Monaten gemacht haben, der Zusammenarbeit verweigert. ({6}) Es müßte doch wieder möglich sein, hier enger zusammenzuarbeiten. ({7}) Ich verhehle auch nicht, daß meine Fraktion bei einigen Projekten in dem einen oder anderen Punkt noch weiter gegangen wäre. Und wir haben eine Menge verabschiedet, meine Damen und Herren von der Opposition. Wir haben wichtige Umweltgesetze im Wasserbereich, im Luftbereich, im Abfallbereich novelliert. Der Umweltschutz hat in den letzten Jahren einen wichtigen, zusätzlichen Impuls bekommen. Wir werden in Koalitionsverhandlungen im Bereich des Naturschutzes auf einige Punkte zurückkommen. Das gilt auch für die Staatszielbestimmung. Herr Hauff, ich freue mich ja, daß Sie diese Grundgesetzänderung so vehement vertreten. Wir hatten in der sozialliberalen Koalition etwas Mühe, Sie davon in Gänze zu überzeugen. Jetzt haben wir Sie davon überzeugt, ({8}) und wir werden darüber jetzt mit unserem Koalitionspartner reden. ({9}) Das sind eben die verteilten Rollen. In der Opposition reden Sie anders als in der Regierung. Offenbar ist das eine Rollenverteilung, die unvermeidlich ist. Was zum Rhein zu sagen ist - ich habe sehr wenig Redezeit -: Wir müssen alle daran interessiert sein, daß die Gesetze, die der Deutsche Bundestag verabschiedet hat, auch angewandt werden. ({10}) Wir haben festgestellt, daß es Vollzugsdefizite gibt. Wir müssen von hier aus, meine ich, auch an die Länderbehörden und die Länderparlamente appellieren, alles zu tun, um den Vollzug der Wassergesetze sicherzustellen. Es muß eben überwacht und kontrolliert werden; sonst machen wir hier Gesetze für den Papierkorb. Das ist die Hauptaufgabe. Im Vordergrund steht nicht unbedingt ein neuer Regelungsbedarf. Vielmehr ist erforderlich die Anwen19486 dung der vorhandenen Regeln, sind erforderlich Überwachung und Kontrolle. ({11}) Dann müssen wir natürlich auch - Herr Wallmann, das ist ja auch Ihre Meinung - einige Regeln überprüfen. Wir haben 1980 die Störfallverordnung in der alten Koalition verabschiedet. Das ist ein wirklich guter Ansatz, aber sie muß fortgeschrieben werden. Wir müssen wissen, was daraus geworden ist. Natürlich müssen wir das Umweltchemikaliengesetz ändern, Herr Hauff. Darüber sind wir uns einig. Alle Unfälle haben etwas mit Pflanzenschutzmitteln zu tun. Wir müssen uns deshalb auch fragen: Müssen Pflanzenschutzmittel in dieser Weise produziert, gelagert und verwendet werden? Das Grundwasser muß ja auch bei normaler Bewirtschaftung geschützt bleiben. ({12}) Es stehen also wichtige Aufgaben vor uns. Meine Partei wird ihren Beitrag dazu leisten, diese Aufgaben zu bewältigen. Wir halten nichts von Katastrophenszenarien. Wir halten nichts davon, wochenlang immer nur ein Thema zu bearbeiten. Wir wollen, daß alle Themen präsent bleiben. Dazu gehört z. B. auch die Frage, Herr Wallmann, ob wir jetzt nicht endlich bestimmte Stoffe und Produkte verbieten müssen, damit sie nicht in unseren Abfall kommen. Es reicht also nicht, nur eine Ein-TagesPolitik zu betreiben, sich mit nur einem Thema zu beschäftigen und andere Themen nicht mehr zu sehen. Keine Katastrophenstimmung, keine Verharmlosung, sondern berechenbarer, entschlossener Umweltschutz wie unter dieser Regierung. Herr Wallmann, Sie haben unsere Unterstützung. ({13})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit das Wort gebe, möchte ich Sie noch einmal eindringlich bitten, etwas mehr Ruhe zu bewahren und sich mit Ihren Zwischenrufen zurückzuhalten. Ich weiß, daß die Zwischenrufe das Salz in der Suppe einer Debatte sind. Ich habe selber viel Freude daran. Aber die telefonischen Anrufe von draußen - inzwischen auch aus dem Ausland - häufen sich in einem beachtlichen Umfang. Die Anrufer beschweren sich über das Haus. ({0}) Sie alle könnten einen werbenden Beitrag für den Parlamentarismus leisten, wenn Sie sich entsprechend vernünftig, zurückhaltend verhielten. Das ist eine eindringliche Bitte des Präsidiums. Nun, Herr Minister, kann ich Ihnen das Wort geben in der Hoffnung, daß mein Appell nicht völlig vergeblich war.

Dr. Walter Wallmann (Minister:in)

Politiker ID: 11002415

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich bin der Meinung, man sollte auf manche schrillen Wahlkampftöne, die wir hier gehört haben, nicht eingehen. Man sollte darüber hinweggehen und zur Sache kommen. Das Thema Umwelt - ich denke, das ist nicht nur meine Überzeugung - verträgt ja am wenigsten Polarisierungen oder Ideologisierungen oder Selbstgerechtigkeit. Ich sage in aller Ruhe: Natürlich hat es auch vor dieser Bundesregierung Leistungen für den Umweltschutz gegeben. Natürlich hat es guten Willen gegeben. Ich pflege nicht schwarzweiß zu malen. Ich behaupte nicht, daß es die Einsicht und den guten Willen nach Parteigrenzen getrennt gebe. Nein, so ist es nicht. ({0}) Ich will Ihnen versichern: Es geht gerade in der Umweltpolitik um eine Politik des Augenmaßes, um eine Politik, die das Ganze ins Auge faßt und nicht mit Teilwahrheiten operiert und vor allem keine Standpunkte verabsolutiert. Ich bin der festen Überzeugung, das erwarten auch unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger von uns. Sie wollen keine selbstgerechten Positionskämpfe, sondern sie wollen die Auseinandersetzung in der Sache, die freimütige Diskussion. Da sollten wir aufeinander hören können. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden verstehen, daß ich als erstes den Mitgliedern des Haushaltsausschusses für die Unterstützung bei der sachgerechten Ausstattung des Bundesumweltministeriums danke. Ich habe Anlaß dazu. Ich möchte ausdrücklich den Bundesfinanzminister in diesen Dank einbeziehen. Der Haushalt des Bundesumweltministeriums sieht 518 Mitarbeiter vor. Das sind 229 mehr, als bisher für diese Aufgaben in den Ressorts der Bundesregierung zur Verfügung standen. Diese Steigerung um fast 80 % unterstreicht mehr als viele Worte den politischen Willen, der hinter der Organisationsentscheidung des Bundeskanzlers im Juni dieses Jahres stand und steht, als dieses neue Ministerium eingerichtet wurde. Der Personalbestand des Umweltbundesamtes konnte ebenfalls ganz deutlich erhöht werden. Damit ist die Verwirklichung des Stufenplanes für einen mittelfristigen personellen Ausbau eingeleitet worden. Wesentliche Verbesserungen konnten auch bei der Ausstattung des Ministeriums und des Geschäftsbereichs mit Sachmitteln erreicht werden. Das Haushaltsvolumen wurde gegenüber dem Regierungsentwurf um nahezu 10 % aufgestockt. Mit dem Haushalt 1987 sind die Voraussetzungen für die Fortsetzung einer erfolgreichen umweltpolitischen Arbeit im nächsten Jahr geschaffen. Ich möchte aber hinzufügen, meine Damen und Herren: Neue und wachsende Aufgaben im Umweltschutz werden auch in den kommenden Jahren finanzielle Konsequenzen für den Bundeshaushalt fordern. Allerdings wäre es ein Fehlschluß zu glauBundesminister Dr. Wallmann ben, das umweltpolitische Engagement der Bundesregierung und die umweltpolitischen Wirkungsmöglichkeiten könnten an der Höhe des Haushaltsvolumens des Umweltschutzressorts alleine gemessen werden. Die Bundesregierung setzt mit ihrer Umweltpolitik letztlich nur den Handlungsrahmen zur Durchsetzung des Umweltschutzes. Die Vollzugsaufgaben liegen fast ausschließlich in der Zuständigkeit der Länder. Finanzielle Leistungen, Forschungsvorhaben, Pilotprojekte für die Umweltpolitik werden durch andere Ressorts, vor allem durch das Forschungsministerium, zur Verfügung gestellt. Die Umweltpolitik der Bundesregierung orientiert sich am Verursacherprinzip. Das heißt, die Verantwortlichkeit der Verursacher von Umweltbelastungen darf nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Finanzielle Investitionshilfen kommen daher für die Bundesregierung nur insoweit in Betracht, als sie die wirtschaftliche Verantwortlichkeit des Verursachers nicht in Frage stellen. Geeignete Förderungsinstrumente in diesem Sinne sind zinsgünstige Kredite und steuerliche Sonderabschreibungen. Auch hier können wir auf bemerkenswerte Erfolge verweisen. Allein die zinsgünstigen Kredite, die vom ERP-Sondervermögen und von den Banken des Bundes für Umweltschutzinvestitionen vergeben werden, erreichen im Jahre 1986 eine Größenordnung von rund 3 Milliarden DM. Die nach der Sonderabschreibungsregelung des § 7 d des Einkommensteuergesetzes erhöhten abschreibungsfähigen Umweltschutzinvestitionen sind als Folge der Umweltpolitik der Regierung Kohl im Jahre 1985 auf nahezu 4 Milliarden DM angestiegen. All diese Zahlen, meine Damen und Herren, finden Sie nicht im Haushalt des Bundesumweltministeriums. Alles dieses muß man aber hinzudenken, wenn man über das Engagement dieser Bundesregierung und der sie tragenden Koalition der Mitte für Umwelt und Naturschutz miteinander diskutiert. Die Umweltpolitik der Bundesregierung stellt sicher, daß diese positive Entwicklung auch in Zukunft anhält. Die Bundesregierung hat in den letzten vier Jahren mit Mut und Entschiedenheit außerordentlich anspruchsvolle Umweltstandards durchgesetzt, gegen Widerstände aller Art. Wer erinnert sich noch daran? Ich merke in diesem Zusammenhang an: Widerstände, Herr Kollege Hauff, die vor allem aus den Reihen der Industrie gekommen sind, wo uns gesagt worden ist: Was uns dort abverlangt ist, können wir finanziell überhaupt nicht leisten. Aber weil wir wußten, daß dies alles erforderlich war, haben wir es durchgesetzt. Ich brauche Sie doch nicht daran zu erinnern: Sie hatten in Ihrem Haushalt, als Sie die Verantwortung als zuständiger Minister trugen, ({1}) für die Forschungsunternehmungen im Zusammenhang mit dem Waldsterben 200 000 DM zur Verfügung. Mein Kollege Riesenhuber hat heute einen Projektbestand für diese Forschungsvorhaben in Höhe von 75 Millionen DM. ({2}) Freuen Sie sich doch mit uns darüber, daß in einer solchen Weise, in dieser unerhörten finanziellen Größenordnung das Engagement durchgesetzt worden ist! ({3}) Ich erinnere, meine Damen und Herren, an die Großfeuerungsanlagen-Verordnung und die TA Luft. Es sind 50 Milliarden DM Investitionen für Maßnahmen der Luftreinhaltepolitik, die hier allein der Industrie abverlangt werden. ({4}) Was hat man uns 1983, als das geschah, alles vorausgesagt? Es wurde gesagt, daß wir damit scheitern würden. Als Beispiel sind auch die Katalysatorfahrzeuge zu nennen. Herr Kollege Hauff, ich finde, wir sollten hier nicht nur mit dem Finger auf die anderen zeigen, sondern wir sollten dann auch fragen: Sind wir vielleicht selbst Irrtümern unterlegen, und haben nicht vielleicht andere, die jetzt Verantwortung tragen, in diesem oder jenem Bereich mehr erreicht, weil man selbst das nicht durchsetzen konnte, was man selbst auch gern erreicht hätte? Ich will gar nicht bestreiten, daß Sie einen entsprechenden Willen gehabt haben. Unsere erfolgreichen Maßnahmen wollen wir heute nicht euphorisch und selbstgerecht beurteilen. ({5}) Aber wenn wir darüber reden, dann können wir feststellen: Diese Bundesregierung hat an Leistungen im Umweltbereich mehr aufzuweisen, als zu Ihrer Zeit auch nur an Zielvorstellungen formuliert worden ist. ({6}) Ich bin entschlossen, diesen - zugegebenermaßen durchaus schwierigen - Weg weiterhin fortzusetzen. Ein Wort im Zusammenhang mit dem schweren Kernkraftwerksunglück in der Sowjetunion und dem Chemieunglück in der Schweiz. Das alles hat uns überdeutlich vor Augen geführt: Das Leben in unserer hochtechnisierten, hochindustrialisierten Welt bringt neben vielen, vielen Vorteilen, sozialer Sicherheit, Wohlstand, natürlich auch ernste Risiken für Mensch und Umwelt mit sich. Sagen wir doch, meine sehr verehrten Damen und Herren auch von der Opposition, gemeinsam, daß wir das, was wir heute als eine ganz aktuelle Herausforderung hier oder dort begreifen und sehen, vor Jahren nicht einmal als Thema geahnt haben! Das ist die Wahrheit. ({7}) Wir haben heute Erkenntnisse, Einsichten, die wir vor Jahren nicht gehabt haben. Unsere Aufgabe heute und in Zukunft bleibt es deswegen, die Industriegesellschaft, in der wir leben, so zu gestalten, daß die natürlichen Lebensgrundlagen geschont werden, daß die Menschen in ihr auf Dauer ein humanes Leben führen können. Das ist doch unsere gemeinsame Aufgabe und, wie ich denke, auch unsere gemeinsame Überzeugung. Da mag man über diesen oder jenen Weg miteinander streiten. Die Antwort der Umweltpolitik auf diese Herausforderung für uns alle kann doch nur „Umweltvorsorge" heißen. Die Bundesregierung hat entsprechende Grundsätze in ihren Leitlinien „Umweltvorsorge" festgeschrieben. Wir haben sie im September dieses Jahres vorgelegt, und wir haben bereits in dieser Legislaturperiode danach gehandelt, soweit dies möglich war. Umweltvorsorge wird auch in Zukunft das zentrale Anliegen der Umweltpolitik und der sie tragenden Koalition der Mitte sein. ({8}) Ich will einige Schwerpunkte unserer künftigen Umweltpolitik darstellen. Nur ganz kurz: ({9}) Erstens. In den letzten vier Jahren stand die Luftreinhaltung im Zentrum unserer umweltpolitischen Anstrengungen, und wir haben Erhebliches erreicht und werden noch mehr erreichen. Wir haben auch beim Ausstoß von Schwefeldioxid und Stickstoffoxiden Entscheidendes getan. Deswegen sagen wir nicht: Hier ist alles getan. Wir werden weiter zäh an dieser Arbeit und Aufgabe wirken. In den nächsten Jahren geht es vor allem um den Vollzug bei der Luftreinhaltung. Dabei sind die Verursacher und natürlich die Bundesländer in einer besônderen Pflicht. Die Sitzung des Umweltministerrates der EG in dieser Woche hat gezeigt, daß es im Rahmen der Gemeinschaft hier noch ein unglaublich hartes Stück Arbeit gibt. Zweitens. Gewässerschutz. Seine herausragende Bedeutung ist ganz besonders sichtbar geworden nach dem schweren Brandunglück und den schlimmen Konsequenzen bei Sandoz in Basel. Die Aufgabe der nächsten Jahre besteht darin, die mit den Novellen zu den Wassergesetzen eingeleitete Vorsorgepolitik im einzelnen durchzusetzen. Vorrangiges Ziel ist die Verminderung gefährlicher Stoffe, und zwar nach dem Stand der Technik und vor allem zum Schutz des Grundwassers. ({10}) Drittens. Abfallbeseitigung, Abfallproblematik, ein Prüfstein für die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit unserer Wirtschaft. Ich sage das in aller Klarheit: Wer nicht freiwillig mitzieht, muß wissen, daß die im neuen Abfallgesetz vorgesehenen schärferen Maßnahmen über Verordnungen angewendet werden. ({11}) Nur, meine Damen und Herren, ich wehre mich ganz entschieden, Kooperationen eine Absage zu erteilen, vielmehr gilt: Kooperationen, wo möglich, wenn sie nicht erreichbar sind, dann handelt dieser Staat entschlossen und sachgerecht. ({12}) Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit sagen: Ich habe gar nicht verstanden, was Sie von der SPD in diesem Zusammenhang in Presseerklärungen zum Ausdruck gebracht und angedeutet haben. Wenn Sie sagen, diese Bundesregierung, dieser Bundesminister stellt ab auf Vereinbarungen, auf Kooperationsmodelle; was hat eigentlich Ihr Ministerpräsident Rau in Nordrhein-Westfalen dazu am 9. November gefordert, was hat eigentlich Ihr zuständiger Minister, Herr Matthiesen, an Vereinbarungen mit der chemischen Industrie für das Land Nordrhein-Westfalen geschlossen? Nichts anderes als freiwillige Vereinbarungen mit der Chemieindustrie. Was haben Sie eigentlich 1975 getan? Herr Dr. Lippold hat in diesem Hause zweimal darauf hingewiesen: Vereinbarungen mit der Automobilindustrie, daß es zehn Jahre lang keine Veränderungen geben dürfe. Ich habe gar nichts dagegen, daß auch Sie Vereinbarungen geschlossen haben. Ich finde das gut. Ich habe aber etwas gegen Verteufelungen, meine Damen und Herren, weil wir damit in unserer Gesellschaft nicht weiterkommen. ({13}) Mit der TA Abfall nehmen wir ein ganz neues Handlungsfeld in Angriff. Viertens. Bodenschutz. Das ist Neuland, das wir hier betreten. ({14}) Aber wir alle wissen, in welchem Umfang wir hier gefordert sind. Vorgesehen und nötig ist ein gemeinsamer Maßnahmenkatalog zum Schutz des Bodens. Die Arbeiten sind weit fortgeschritten. Fünftens. Naturschutzrecht. Herr Kollege Baum, Sie haben mehrfach darauf hingewiesen, und ich unterstütze dieses: Wir haben jetzt die Artenschutz-novelle verabschiedet. Dies ist nur ein erster Schritt. In der kommenden Legislaturperiode werden wir gründlich alle miteinander, wie ich hoffe, zu beraten haben, wo es weitere Veränderungen geben muß. Da mag es hier oder dort unterschiedliche Auffassungen geben, aber der Handlungsbedarf ist vorhanden, und wir werden uns in der kommenden Legislaturperiode entsprechend verhalten. Sechstens. Die Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Großbrand in der Schweiz, in Basel, aber auch die Vorfälle in der Bundesrepublik Deutschland in der letzten Zeit haben deutlich gemacht, daß es nicht ausreicht, strenge Umweltschutzanforderungen für den ordnungsgemäßen Betrieb von Industrieanlagen durchzusetzen. Entscheidend ist die Störfallvorsorge. ({15}) Meine Damen und Herren, bevor ich dazu etwas sage, will ich Gelegenheit nehmen, auf eine Agenturmeldung einzugehen, die mir gerade auf den Tisch gekommen ist. Es heißt da: Gegen neue Umweltgesetze als Konsequenz aus den jüngsten Störfällen in der chemischen Industrie hat sich der Vorstandsvorsitzende der BASF ausgesprochen. Auch Gesetze könnten den Unternehmen die Verantwortung nicht abnehmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will mit aller Klarheit sagen: Ich habe niemals die Meinung geteilt, daß man ganze Gruppen, Unternehmungen, gesellschaftliche Gruppierungen pauschal verurteilen dürfte, sondern ich halte immer dafür zu differenzieren, dann die Dinge aber auch beim Namen zu nennen. Nachdem ich gesagt habe: Ich stehe weiterhin zur Kooperation, kann doch kein Zweifel bestehen, daß ich dies auch für die chemische Industrie meine. Ich will auch mit Deutlichkeit sagen: All die Vorfälle sind sorgfältig voneinander zu differenzieren. Aber ich sage auch mit aller Deutlichkeit: Diese Aussage, die ich aus der Agenturmeldung zitiert habe, kann ich nicht nur nicht nachvollziehen, sondern ich weise sie mit aller Deutlichkeit zurück. ({16}) Was für eine Logik soll im übrigen darin stecken? Wir hier in Bonn haben - genau wie die Verantwortlichen im Bereich der Länder und Kommunen - unsere Entscheidungen nach unserer Sacheinsicht zu treffen. Die Entscheidungen sind hier in Bonn in den politischen, verfassungsrechtlich dafür vorgesehenen Gremien - nirgendwo sonst, weder in Vorstandsetagen der Gewerkschaften noch irgendwelcher Großunternehmungen - zu treffen, und wir setzen diejenigen durch, die erforderlich sind. ({17}) Also, es kommt, wie ich sagte, ganz wesentlich darauf an, Störfallvorsorge zu betreiben. Wir haben für folgende Maßnahmen und gesetzliche Regelungen mit Hilfe einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe, die ich einberufen habe, folgende Vorbereitungen zu treffen: wie die Schadstoffliste der Störfallverordnung erweitert, verschärft werden muß; wie den Anforderungen an die Einführung eines sicherheitstechnischen Regelwerkes, das auf den Stand der Technik, nicht mehr auf die Régeln der Technik abzustellen hat, entsprochen werden kann; wie die Einführung geschlossener Kühlkreisläufe im Bereich besonderer Gefahrenquellen zu erreichen ist, wie sie durchsetzbar ist, wie sie technisch im einzelnen auszugestalten ist; wie Ablauf und Auswertung von Störfallmeldungen zu verbessern sind und wie die Sicherheit von Lagern für chemische Produkte, und zwar nicht nur bei den Großbetrieben, gewährleistet werden kann. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind ganz konkrete Herausforderungen und Fragestellungen. Wir werden sie beantworten und die entsprechenden Entscheidungen herbeiführen. ({18}) Siebtens. Der Schutz vor gefährlichen Stoffen muß im Sinne der Umweltvorsorge zum frühestmöglichen Zeitpunkt und nicht erst im Störfall einsetzen. Vor uns liegt die große Aufgabe, auch alle alten, auf dem Markt befindlichen Stoffe systematisch zu erfassen, zu bewerten, nach Gefährlichkeiten einzustufen, zu kennzeichnen, zu beschränken oder zu verbieten. Eine unerhörte Herausforderung, die übrigens auch eine entsprechende personelle Ausstattung - nicht nur beim Bund, sondern vor allem auch bei den Ländern - verlangt, wie sich manche das nicht immer klarmachen. ({19}) Unsere moderne Industriegesellschaft wird ja nicht zuletzt daran gemessen, wie sie mit dem Gefahrenpotential auch der chemischen Stoffe fertig wird. Ich halte darum das Thema Chemikalien auf Dauer für einen Schwerpunkt vorsorgender Umweltpolitik. ({20}) Die Chemie hat uns auch unendlich viel geholfen, wir haben ihr viel zu verdanken. Das soll in diesem Zusammenhang auch gesagt werden, damit es auch hier keine Einseitigkeiten und Verzerrungen gibt. ({21}) Schließlich: Zentrale Aufgabe in den kommenden Jahren ist der Strahlenschutz. Wir sind gerade dabei, das Gesetz miteinander zu beraten. Ich will deswegen dazu jetzt keine Aussagen machen. Zum Thema Reaktorsicherheit habe ich hier mehr als einmal Stellung genommen. Ich darf hier noch einmal den zusammenfassenden Bericht, den die Bundesregierung Ihnen am 12. November vorgelegt hat, erwähnen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Aufgaben, die von uns in den kommenden Jahren bewältigt werden müssen, sind nicht einfach. Sie verlangen uns viel, viel Engagement ab. Ich will nur sagen: Diese große Herausforderung verlangt die Zusammenfassung aller konstruktiven Kräfte in unserem Land, in der Bundesrepublik Deutschland. Ich bin überzeugt, daß viele zum konstruktiven Zusammenwirken bereit sind. Und ich bin davon überzeugt, daß wir die vor uns stehenden Aufgaben erfolgreich bewältigen können. Ich danke Ihnen. ({22})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Schäfer.

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der amtierende Präsident hat vorhin das Haus gebeten, in den Lei19490 Schäfer ({0}) denschaften etwas zurückhaltender zu sein. Wir haben das alle akzeptiert. Trotzdem meine ich, daß viele in diesem Haus wie auch bei den Bürgern die Leidenschaft umtreibt. Betroffenheit, Bitterkeit und auch Verantwortung mischen sich. Ich meine, daß jeder in diesem Haus - ich will keine Fraktion ausnehmen - auch deswegen so engagiert über die Umweltproblematik debattiert, weil wir wissen, daß wir in diesem Politikbereich letztlich der Verantwortung für unsere Kinder und deren Kinder gerecht werden müssen. Die eigentliche Aufgabe der Umweltpolitik liegt darin, auch den nachfolgenden Generationen eine lebensfähige, eine lebenswürdige, eine überlebensfähige Umwelt zu hinterlassen. ({1}) Wenn es so ist und wenn es dazu unterschiedliche Lösungsansätze gibt, dann muß man - auch mit Leidenschaft - über den besten, den verantwortbarsten Weg streiten, zumal in einem demokratischen Parlament. Was wir nicht vertragen können, Herr Wallmann, ist Selbstgerechtigkeit. Ich will der Versuchung widerstehen, mich selber so zu verhalten. ({2}) Zwei Bemerkungen will ich machen, was die Vergangenheit angeht. In aller Kürze: Es trifft zu, Herr Kollege Baum, daß wir gemeinsam in der sozialliberalen Koalition von 1971 bis 1977 nach dem damaligen Kenntnisstand vorbildliche Umweltpolitik geleistet haben, ({3}) die uns niemand wegnimmt. ({4}) Es trifft auch zu, daß Sie von der damaligen Opposition, der CDU/CSU, zugestimmt haben. Aber es trifft auch zu, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, daß es nicht einen einzigen Bereich der Umweltpolitik gab, wo ein weitergehender Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für mehr Umweltschutz im Deutschen Bundestag eingebracht worden wäre ({5}) oder auch nur ein einziges Bundesland über den Bundesrat einen einzigen Gesetzentwurf für mehr Umweltschutz eingebracht hätte. ({6}) Deswegen, Herr Kollege Baum, genügt es nicht, die mangelnde Gemeinsamkeit hier zu beklagen, wenn man nicht gleichzeitig deutlich macht, daß wir in diesem Hause auf mehr Umweltschutz drängen und es uns leider nicht gelingt, Sie für eine gemeinsame vernünftige Politik zu gewinnen. ({7}) Ich nenne einen zweiten Punkt, Herr Kollege Wallmann. Das gehört zum Thema Selbstgerechtigkeit und mangelnde Aufrichtigkeit. Sie haben beklagt, daß im früheren Haushalt des Forschungsministeriums für die Bekämpfung und Ursachenerforschung des Waldsterbens weniger Mittel als nach 1982 ausgegeben worden seien. Sie müssen doch wissen - und falls Sie es nicht wissen, sage ich es Ihnen jetzt -, daß in keinem Wahlprogramm der Parteien, die 1980 für den Bundestag kandidierten, auch nicht im Wahlprogramm der GRÜNEN, die bereits damals zur Bundestagswahl angetreten sind, das Wort „Waldsterben" überhaupt vorgekommen ist. Nicht eine der Parteien! ({8}) - Das stimmt! Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, daß ich nicht die Unwahrheit sage. ({9}) Seit 1981 ist dies ein Thema. Ich will noch etwas zur Bitterkeit sagen, die viele Menschen - nicht nur Menschen in diesem Hause - befällt. Die Menschen sind zunehmend betroffen und verbittert, wenn sie täglich Nachrichten hören, wie die Naturverseuchung voranschreitet. 150 000 tote Aale! Das Waldsterben geht weiter. Das macht die Menschen betroffen. Was sie besonders erbittert, ist die Reaktion der Bundesregierung. Es ist immer das gleiche Schema, ob es die Katastrophe in der fernen Ukraine oder die Chemieunfälle im Rhein sind: Zunächst Ratlosigkeit, dann Beschwichtigung - kann bei uns nicht passieren; auch nach der Katastrophe in Basel hieß es: Der Stand der Sicherheitstechnik bei der chemischen Industrie schließt dies aus -, dann Betroffenheit, dann erste Ankündigungen, aber kein konkretes, zielgerichtetes Handeln. Ich habe Ihnen genau zugehört, Herr Minister Wallmann. Sie haben angekündigt, was geprüft werden muß, was in Angriff genommen werden muß. Sie haben nicht eine einzige konkrete gesetzliche Maßnahme genannt, mit welcher inhaltlichen Regelung Sie vorsorgende und vorbeugende Umweltpolitik betreiben wollen. ({10}) Dies ist der springende Punkt. Wir bestreiten Ihnen nicht die Fähigkeit, ({11}) schöne, auch sanfte Reden zu halten. Wir bezweifeln bei Ihnen den Willen und die Fähigkeit, das Notwendige zu tun. ({12}) Jetzt bin ich bei den freiwilligen Vereinbarungen. Mein Gott, es ist doch eine Binsenweisheit, Herr Wallmann - das müssen auch Sie wissen, selbst wenn Sie sich erst seit kurzem mit Umweltschutz befassen -, daß man freiwillige Vereinbarungen als ein wichtiges Mittel einer Umweltpolitik schon immer gehandhabt hat. Kein Mensch kann gegen freiwillige Vereinbarungen als solche sein. ({13}) Der Punkt, den wir kritisieren, ist: Wir sind dagegen, daß man freiwillige Vereinbarungen mit denen Schäfer ({14}) als alternativlose Politik betreibt, die Umweltverbrechen ersten Ranges begehen. Mit solchen, die die Umwelt verschmutzen, sind freiwillige Vereinbarungen ohne zusätzliche gesetzliche Maßnahmen nicht möglich. Im übrigen, meine Damen und Herren, liegen die unterschiedlichen Konzepte auf dem Tisch. Unser Konzept für eine vorbeugende Chemiepolitik, die umweltverträglich und gesundheitsverträglich ist, haben Sie ja noch vor vier Wochen, wenige Tage vor den Rhein-Katastrophen abgelehnt. Unser Konzept macht dreierlei deutlich: Erstens. Für uns Sozialdemokraten gibt es kein Aussteigen aus der Industriegesellschaft, auch kein Aussteigen aus der chemischen Industrie. Aber wir gehen zielgerecht den Weg der ökologischen Erneuerung, des ökologischen Umbaus. ({15}) Diese Politik ist zweitens deswegen ohne Alternative, weil sie die Arbeitsplätze in der chemischen Industrie auf Dauer sichert und unserer chemischen Industrie auch morgen den Wettbewerbsvorteil gibt. Drittens. Dieser Weg ist deswegen ohne Alternative, weil er auch den nach uns Kommenden die Lebensnotwendigkeiten und die Lebensvoraussetzungen läßt, die für menschenwürdiges menschliches Leben notwendig sind. Das ist unsere eigentliche Verantwortung, der wir gerecht werden müssen. ({16}) Ich bedanke mich bei Ihnen für das Zuhören und bei Ihnen von der CDU/CSU, daß Sie relativ wenig dazwischengerufen haben. ({17})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Bevor wir zur Abstimmung über die Änderungsanträge kommen, hat der Abgeordnete Kühbacher um das Wort zu einer persönlichen Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung gebeten. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Abstimmung über den Haushalt des Umweltministers erkläre ich für mich - und ich fordere auch meine politischen Freunde auf, das gleiche zu tun -, daß ich dem Haushalt des Umweltministers nicht zustimme, wenngleich wir in den Haushaltsberatungen für mehr Personal und mehr Mittel gestritten haben, leider erfolglos gegen die Koalitionsfraktionen. ({0}) Zu den Änderungsanträgen der GRÜNEN möchte ich meinen Kollegen, aber auch den Koalitionsfraktionen empfehlen, diese Änderungsanträge der GRÜNEN abzulehnen. Ich begründe das wie folgt. Die sechs vorliegenden Änderungsanträge entbehren der Ernsthaftigkeit. Wer wie ich die Beratungen im Umweltausschuß verfolgt hat - ich war die ganze Zeit dabei -, weiß, daß kein solcher Antrag von den Abgeordneten der GRÜNEN in die Haushaltsverhandlungen eingeführt worden ist. Man kann nicht nur, wie Sie es machen, auf verschiedenen Blättern 20 Millionen DM mehr Mittel anfordern und Schauanträge stellen, man muß dafür auch arbeiten. ({1}) Ich verlange von Ihnen, daß Sie nicht nur Schauanträge stellen, sondern auch fleißig sind. ({2}) - Herr Kollege, auch durch Schreien können Sie Ihre Faulheit in den Ausschüssen nicht vertuschen. ({3}) - Unterbrechen Sie mich bitte nicht dauernd, Herr Kollege! Ich fange mit dem für mich beschämendsten Beispiel an. Sie machen hier Bundestagsdrucksachen und können nicht einmal richtig rechnen. ({4}) - Das ist meine persönliche Erklärung zur Abstimmung. Bei 110 Millionen DM bitten Sie um eine Erhöhung um 3,9 Millionen DM und kommen dann rechnerisch - laut Ausdruck der Bundestagsdrucksache - auf 4 Millionen DM. Dies stimmt hinten und vorne nicht. Das zeigt, wie luschig Sie hier arbeiten.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Kühbacher, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie den direkten Bezug zur Abstimmung nicht vergessen dürfen. Herr Abgeordneter Senfft, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich ein wenig zurückhalten würden.

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich fordere meine Kollegen auf, auf diese Leimfängerei der GRÜNEN nicht hereinzufallen. Darum geht es. ({0}) Sie fordern weiter einfach so z. B. für die Luft-und Lärmbekämpfung 10 Millionen DM Forschungsmittel mit einer Begründung, die in drei Spiegelstrichen abgehandelt wird. Ich habe mir die Mühe gemacht, Herr Kollege, sämtliche Unterlagen des Umweltbundesamtes daraufhin durchzuschauen, ob die drei Spiegelstriche dort nicht vorkommen. Sie kommen vor. In diesen Bereichen wird geforscht. Hier werden reine Schauanträge gestellt. ({1}) Sie müssen sich schon der Mühe unterziehen, die Haushaltsansätze zu untersuchen. ({2}) Sie fordern en passant, bei der Wasserwirtschaft weitere 5 Millionen DM zu den 20 Millionen DM Forschungsmitteln dazuzupacken. Wenn Sie sich der Mühe unterzogen hätten, die EDV-Auszüge zu lesen, hätten Sie all diese von Ihnen gewünschten Punkte als Forschungsvorhaben des nächsten Jahres finden können. ({3}) Sie arbeiten nicht gründlich genug. Nun zur Krone Ihres Antrages. Auf einem solchen Blatt Papier fordern Sie, von den für Reaktorsicherheit veranschlagten Mitteln 104 Millionen DM vorzusehen für ({4}) die Entschädigung von Bundesbürgern für die Folgen von Tschernobyl, als wüßten Sie nicht, -

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Kühbacher, ich muß Sie noch einmal darauf aufmerksam machen: Dies geht nun entschieden zu weit. Sie mißbrauchen den § 31 zu einem Debattenbeitrag. ({0}) Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich darauf beschränken würden, zu begründen, wie Sie sich in der Abstimmung zu verhalten gedenken, und nicht in eine erneute Debatte - mit welcher Fraktion des Hauses auch immer - einzutreten.

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich gebe meine Ungeschicklichkeit zu. Liebe Kollegen, ich fordere Sie auf, auf diesen Änderungsantrag über 104 Millionen DM nicht hereinzufallen. Hier wird nur eine Show gespielt. Es geht den GRÜNEN nicht um die Reaktorsicherheit, es geht ihnen nicht um den Schutz der Bevölkerung, ({0}) sondern es soll nur ein Datum abgegeben werden, als würden sie sich dieses Themas annehmen. Ich bitte Sie inständig: Stimmen Sie den Änderungsanträgen der GRÜNEN nicht zu! ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Kühbacher, ich hoffe, daß sich die nachfolgenden Redner, die sich nach § 31 zu Wort gemeldet haben, besser an die Geschäftsordnung halten, als das bei Ihnen der Fall war. ({0}) Es geht ausschließlich darum, daß sie ihr eigenes Abstimmungsverhalten begründen können. ({1}) Die Aufforderung an die Fraktionen und ähnliche Begründungen haben nun wirklich nichts mehr mit der Sache zu tun. Ich lasse mich auch in keine Debatte mit Ihnen ein. ({2}) Das Wort nach § 31 hat der Abgeordnete Suhr. Ich hoffe, daß Sie das, was Sie eben kritisch beleuchtet haben, nun nicht selber praktizieren.

Heinz Suhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002289, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Herr Kollege Kühbacher, selbstverständlich halten wir unsere Anträge trotz dieses kleinen Druckfehlers, den Sie gerade moniert haben, aufrecht. Ich darf Sie aber auch darauf hinweisen, daß wir nächste Woche eine Broschüre veröffentlichen, in der sämtliche Anträge ... ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Suhr, Sie können Ihr Verhalten zur Abstimmung begründen. Ich entziehe Ihnen das Wort.

Heinz Suhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002289, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

... der GRÜNEN enthalten sind, damit sich jeder draußen im Lande eine Meinung bilden kann, wie qualifiziert wir die letzten vier Jahre gearbeitet haben.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Suhr, Sie können Ihr eigenes Abstimmungsverhalten begründen, aber nichts weiter. Das Wort nach § 31 hat der Abgeordnete Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich stimme dem Einzelplan des Bundesumweltministers zu und praktiziere damit das gleiche Stimmverhalten wie die SPD, FDP und CDU/CSU im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages. Ich bin der Meinung, die Öffentlichkeit sollte zur Kenntnis nehmen, daß sich die SPD im Ausschuß und im Plenum unterschiedlich verhält. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nun liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich möchte über die Änderungsanträge der GRÜNEN auf den Drucksachen 10/6529 bis 10/6534 in der Reihenfolge der Nummern abstimmen lassen. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag auf Drucksache 10/6529 ab. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN zuzustimmen gedenkt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt. Wer stimmt dem Änderungsantrag der GRÜNEN auf Drucksache 10/6530 zu? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Keine. Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 10/6531? - Wer stimmt dagegen? - EnthalVizepräsident Cronenberg tungen? - Keine. Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 10/6532? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Keine. Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 10/6533? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 10/6534? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Keine. Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt. ({0}) Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 16. Wer dem Einzelplan 16 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Einzelplan 16 angenommen worden. Ich rufe nunmehr auf: Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - Drucksachen 10/6310, 10/6331 Berichterstatter: Abgeordnete Schmitz ({1}) Frau Zutt Auch hierzu liegen Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN vor, und zwar auf den Drucksachen 10/6483 bis 10/6485 und 10/6567. Im Ältestenrat ist eine Beratungszeit von einer Stunde vereinbart worden. Erhebt sich im Hause Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache. Zunächst einmal hat die Abgeordnete Frau Zutt das Wort.

Ruth Zutt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch nie war der Etat des Landwirtschaftsministeriums so hoch, ({0}) noch nie waren die Lager mit Überschüssen so übervoll, und noch nie ist es der Mehrheit der Landwirte so schlecht gegangen wie im Herbst 1986. ({1}) Das ist die Bilanz nach vier Jahren von Ihnen gestalteter Agrarpolitik. Herr Minister, auch Sie sind angetreten mit dem Anspruch der geistig-moralischen Erneuerung. Empfinden Sie es nicht als Sünde, daß Butter an Kälber verfüttert wird, und zwar tonnenweise, weil sie sonst nicht mehr zu verkaufen ist? Nach vier Jahren Ihrer Politik ist immer noch nicht klar, welchen Kurs Sie in der Agrarpolitik - sowohl in der nationalen wie in der europäischen - fahren wollen. ({2}) Wollen Sie wirklich den Abbau der Überschußproduktion, wozu eine radikale Kursänderung in der europäischen Agrarpolitik notwendig wäre? Oder sind Sie immer noch der Meinung, daß Lebensmittelüberschüsse eine vorübergehende Erscheinung sind? Denn wenige Monate, bevor Sie Landwirtschaftsminister wurden, sagten Sie im März 1982 - ich zitiere -: Wir richten unseren Blick nicht engstirnig auf gerade momentan vorhandene Lebensmittelüberschüsse und glauben nicht, dann sofort die ganze EG-Agrarpolitik reformieren zu müssen. So in der Agrardebatte im März 1982. Ein Jahr vorher hatten Sie im „Bayern-Kurier" den damaligen Bundeskanzler hart angegriffen und geschrieben, daß in unverantwortlicher Weise von Überschüssen geredet werde und der Bundeskanzler über angeblich zu hohe Kosten lamentiere. Man wird den Verdacht nicht los, daß Sie im Grunde immer noch dieser Ansicht sind. Die von Ihnen eingeführte und durchgesetzte Quotenregelung bei Milch hat nicht zu einem Stillstand der Milchproduktion geführt; sie hat sogar im Gegenteil eine weitere Produktionssteigerung und neue Kostenbelastungen mit sich gebracht. Bewirkt hat sie aber durch ihre einzelbetriebliche Kontingentierung, daß der kleine bäuerliche Betrieb in Existenznot geriet. Trotz Quotenregelung ist der Butterberg im Oktober auf 1,5 Millionen Tonnen gestiegen, davon 370 000 Tonnen ungenießbar. Und 1,3 Millionen Tonnen Milchpulver liegen auf der Halde. Jetzt kämpfen Sie ziemlich allein für ein Quotensicherungssystem in der EG, ein neues Monstrum aus Subventionen, nur um Preismechanismen zu verhindern. Wie der Teufel das Weihwasser scheut, so scheinen Sie jede marktgerechtere Preisgestaltung zu scheuen. ({3}) - Ich erkläre es noch. Nicht zuletzt ist Ihre inflexible Haltung, Herr Minister, daran schuld, daß die Bundesrepublik innerhalb der EG in Fragen der Landwirtschaft isoliert ist. Ich stelle fest, daß Ihre Politik nicht nur ein Hindernis für die notwendigen Reformen in der Europäischen Agrarpolitik ist und weitere Haushaltsrisiken mit sich bringt, sondern sie ist auch ein Hindernis für die europäische Integration und Entwicklung überhaupt. ({4}) Für Schäden aus Ihrem Festhalten an einer Agrarpolitik, von der schon vor vier Jahren feststand, daß sie so nicht weitergeführt werden kann, offerieren Sie dann aus dem nationalen Haushalt jeweils Wahlgeschenke in Millionenhöhe. ({5}) Beispiel: Grünbrache. Ohne Konzept, ob die Herausnahme von Flächen aus der Produktion eine ökologisch sinnvolle Maßnahme ist, offerierten Sie den Bauern in Niedersachsen 100 Millionen DM zur Flächenstillegung, die der Finanzminister erstaunlich schnell genehmigte. Trotz Drängen nahmen die Landwirte dieses Angebot nur zögernd an. Der größte Teil, nämlich 65 Millionen DM, wurde gar nicht angenommen, wurde sofort zum Stopfen von Subentionslöchern verwendet, die sich im nationalen Haushalt auftaten: mehr für die Gasölverbilligung, für die Getreidetrocknung und schließlich noch für Betriebskostenzuschüsse zur Gewinnung von Bioäthanol. ({6}) Die Kollegen von den Regierungsfraktionen werden nicht müde, all diese Subventionen als Wohltaten zu preisen. ({7}) Wen wundert's da, wenn immer neue Subventionen sprießen. Aber wo kommen sie an? - Überall, nur nicht bei den Bauern. Auch das in aller Hast verabschiedete Sozialversicherungsbeitragsentlastungsgesetz ({8}) ist von Ihnen als Reparaturmaßnahme nach negativ verlaufenen EG-Agrarpreisentscheidungen vorgelegt und verabschiedet worden - noch rechtzeitig vor den Wahlen in Bayern. ({9}) Wir Sozialdemokraten begrüßen Regelungen, die zu einer sozialen Sicherung der Landwirte führen. Aber dieses Gesetz ist nicht Teil eines durchdachten Konzepts, sondern allenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Das zeigt sich auch an der Hast, mit der das Gesetz verabschiedet wurde, als deren Folge bis zum Abschluß der Haushaltsberatungen erst ein Viertel der eingegangenen Anträge hat bearbeitet werden können. Diese gesetzgeberische Flickschusterei veranlaßte die Vertreterversammlung der Landwirtschaftliche Alterskasse Baden zu einem dringenden Appell, den gesetzlich vorgesehenen Rahmen von 450 Millionen DM auch in diesem Jahr in jedem Fall auszuschöpfen, obwohl das gar nicht geht. ({10}) - Weil wir das alle bekommen haben, Herr Hornung. ({11}) Diese Regierung wird nicht müde, ({12}) sich als Erneuerer der Marktwirtschaft zu brüsten. Nur für die Landwirtschaft soll Marktwirtschaft nicht gelten. Man hält sie sorgfältig unter einer Käseglocke und möchte sie vor jedem Ansatz von Markt- und Preispolitik schützen. Damit, Herr Minister, verlängern Sie nur die Misere der deutschen Landwirtschaft und verhindern die notwendige Strukturanpassung, die allerdings sozial abgefedert werden muß. ({13}) Wen wundert es dann, daß der Sachverständigenrat in seinem gerade vorgestellten Gutachten - das eine im übrigen vernichtende Kritik an der Agrarpolitik der Bundesregierung ausgesprochen hat - die Regierung dringend auffordert, endlich den Kurs zu ändern und eine am Markt orientierte Politik einzuleiten? ({14}) - Sind Sie der Minister oder der Herr Kiechle? ({15}) Es bleibt zu hoffen, Herr Minister, daß Sie und die Regierung den Rat der Sachverständigen annehmen. Ähnliches wie der Sachverständigenrat haben wir allerdings schon vor Jahren gefordert. Wir Sozialdemokraten sind der Ansicht, daß nur durch eine marktgerechtere Preispolitik die Überschüsse in der Europäischen Gemeinschaft vermindert werden und daß nach Vereinbarungen mit der EG über den Abbau der Überschußbestände allmählich die landwirtschaftliche Produktion an die Nachfrage angepaßt werden muß. Für gleichermaßen erforderlich halten wir es, daß Fördermaßnahmen auf ihre Sozial- und Umweltverträglichkeit hin geprüft werden. Das bedeutet unter anderem direkte Einkommensübertragungen für ökologische Leistungen. ({16}) So wie Sie die Europapolitik behindern, blockieren Sie durch Untätigkeit die nationale Umweltpolitik. Schlimmer noch: Man hat den Eindruck, Sie leugnen überhaupt ihre Notwendigkeit. Mit der Ausgliederung des Umweltbereichs in ein eigenes Ressort blieb Ihnen die Aufgabe, dort umweltpolitisch tätig zu werden, wo es agrarpolitisch notwendig ist. Ihr Ressort, Herr Minister, heißt Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Wo ist der ökologische Aspekt in einem der drei Bereiche berücksichtigt? ({17}) Nach wie vor fördern Sie im Forschungs- und Entwicklungsbereich vor allem Vorhaben, deren Ziel die Produktionssteigerung ist. Forschungsförderung im ökologischen Landbau oder nur Informationen darüber werden von Ihnen konsequent verFrau Zutt hindert. Auch die geringsten Umschichtungsanträge werden abgeblockt. ({18}) - Aber so millimeterweise, daß man das vergessen kann. - Statt dessen wird die Bioäthanol-Anlage in Ahausen mit Betriebskostenzuschüssen neuerdings zusätzlich subventioniert. Unbeachtet der ökologischen Auswirkungen gaukeln Sie uns allen aussichtsreiche Zukunftsperspektiven für die Produktion nachwachsender Rohstoffe vor, Zukunftsperspektiven, die Ihr Kollege Riesenhuber so längst nicht mehr fordern möchte. Wir fordern Sie auf, wenigstens gleiche Anstrengungen zu unternehmen zur Erhaltung und Gesundung der Böden und des Waldes. Es genügt nicht, den Bundeskanzler zu einem Beileidsbesuch in den sterbenden Schwarzwald zu entsenden und den Krankenbericht schönfärberisch wie ein Gesundbeter vorzutragen. Die Forderung der über 300 000 Waldbesitzer und Waldbauern anläßlich des Besuchs des Bundespräsidenten auf dem Turner, endlich zu handeln statt nur zu reden, geht an Ihre Adresse, Herr Minister. ({19}) Andernfalls müssen Sie sich nachsagen lassen, daß Sie, wie die Bauern dort äußerten, einer schleichenden Enteignung der Waldbauern Vorschub leisten. ({20}) - Ich habe zitiert.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Abgeordnete, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie Ihre Redezeit deutlich überschritten haben. Das geht auf Kosten Ihrer Fraktion.

Ruth Zutt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das weiß ich. ({0}) Sie brüsten sich gern damit, durch die Ausweitung der benachteiligten Gebiete auf die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche den Landwirten tatkräftig geholfen zu haben. ({1}) Sie haben jedoch keinen Finger gerührt, um die Bergbauernrichtlinie als Grundlage dieser Bezuschussung, die in der sozialliberalen Koalition in der EG eingeführt wurde, endlich an ökologischen Kriterien zu orientieren. Damit wären Ausgleichszahlungen nicht mehr allein an die Fläche und an den Viehbestand gebunden, sondern an das Kriterium umweltgerechter, naturnaher Bewirtschaftung. Einige Bundesländer machen Ihnen das vor. Sie hingegen haben im nationalen wie im europäischen Rahmen versäumt, Maßstäbe zu setzen, wie ökologische Leistungen entgolten werden können. Ich komme zum Schluß: Eine Politik, die Agrarfabriken fördert ({2}) und den bäuerlichen Familienbetrieb immer weiter ins Abseits drängt trotz vollmundiger gegenteiliger Beteuerungen, eine Politik der ungezielten Subventionen, eine Politik, die die fehlende Konzeption zum Programm erhoben hat, eine solche Politik können wir nicht unterstützen. Wir lehnen daher den Haushalt des Landwirtschaftsministeriums ab. Danke. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Schmitz ({0}).

Hans Peter Schmitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Karl Eigen hat durchaus recht, wenn er eben sagte: Der Minister wäre bei dieser Rede von Frau Kollegin Zutt fast ganz blaß geworden. Ich will Ihnen eines sagen: Wir machen nun schon sehr lange Agrarpolitik und im Haushaltsausschuß auch Haushaltspolitik auf diesem Gebiet. Aber wenn Sie hier kritisieren, innerhalb der Agrarpolitik sei zuwenig Markt vorhanden, und wenn Sie die Überschüsse ansprechen und sagen, das müsse eigentlich noch einmal zusätzlich heruntergehen, antworte ich Ihnen: Wo waren Sie denn in den 13 Jahren Ihrer Regierungszeit? ({0}) Sie hätten alles tun können, was Sie hier gefordert haben, aber nichts ist erfolgt. Das finde ich - um es einmal so zu sagen - einfach nicht gerecht. ({1}) Deswegen sollten wir den Bauern draußen deutlich sagen, daß Ihre Vorschläge auf nichts anderes hinauslaufen als darauf, Preissenkungen zu fordern, ({2}) Preissenkungen zu fordern, während wir uns darum bemühen, die Märkte zu stabilisieren, so schwer dies auch ist. Das tun wir u. a. mit dem Agraretat des Jahres 1987. Es ist dies in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland der Agraretat, der am größten ist. Da können Sie gerne nachsehen und, meine Damen und Herren, ich würde auch gern hören, daß Sie dazu ein wenig Beifall spenden. ({3}) Es ist der größte Agraretat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Daran können Sie erkennen, welchen Stellenwert diese Bundesregierung der Agrarpolitik beimißt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, 7,9 Milliarden DM sind gegenüber dem letzten Jahr eine Steigerung um 983 Millionen DM, und der Haushaltsausschuß hat noch einmal etwas draufgelegt. Das heißt, wir haben eine ordentliche Steigerungsrate. Insgesamt steigt der Bundeshaushalt in Schmitz ({4}) diesem Jahr um 2 %; der Agrarhaushalt steigt in den letzten Jahren um 6 %. Er wächst in diesem Jahr insgesamt in eine Größenordnung hinein, mit der wir uns draußen bei den Bauern sehen lassen können. ({5}) Der größte Brocken allerdings ist im Agraretat die Agrarsozialpolitik. Sie macht etwa 60 % des Einzelplans 10 aus. In diesem Bereich beträgt die Steigerung gegenüber dem Vorjahr sogar 16,1 %. Nach den Beschlüssen des Haushaltsausschusses ist eine zusätzliche Anhebung um insgesamt 661 Millionen DM erfolgt. 4776 Millionen DM geben wir für die Agrarsozialpolitik aus! ({6}) Dies ist, so meine ich, neben all den anderen Maßnahmen, auf die ich gleich noch zu sprechen komme, ein Beitrag, der in der Tat auch eine große Anzahl von kleinen und mittleren Betrieben entlastet, also gerade in dem Bereich wirkt, in dem die Einkommen niedriger sind. Die Tatsache, die Sie, Frau Kollegin Zutt, hier kritisiert haben, daß nämlich zwischenzeitlich 330 000 Anträge eingegangen sind und daß die Bearbeitung schleppend ist, beweist ja eigentlich schon von der Zahl her, daß wir den richtigen Weg gegangen sind. Wir haben hier an die landwirtschaftlichen Alterskassen den Appell zu richten, die Bearbeitung nach Möglichkeit rasch vorzunehmen, damit eine große Anzahl von Anträgen noch im Jahre 1986 abgewikkelt werden kann. Ich appelliere an die Alterskassen, dies zu tun! Über die Modalitäten haben wir im Haushaltsausschuß gesprochen; die Möglichkeit dazu besteht. Wir haben die Altershilfe um 105 Millionen DM und die Krankenversicherung um 110 Millionen DM angehoben. In diesem Zusammenhang möchte ich die SPD an eines erinnern: Wären Sie an der Regierung geblieben, hätten Sie in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung in diesem Jahr auf Null kommen wollen. Nach der Finanzplanung des Bundes wollten Sie in diesem Jahr die landwirtschaftliche Unfallversicherung auf Null herunterfahren. Ich finde, wir haben damit richtig gehandelt, daß wir nicht nur die Mittel beibehalten haben, sondern durch unsere Beschlüsse im Haushaltsausschuß auch sichergestellt haben, daß auch die Schwierigkeiten, die wir bei der Unfallversicherung im Nord-Süd-Gefälle haben, beseitigt werden können. ({7}) Dazu sollten Sie einmal etwas sagen! Lassen Sie mich aber auch hinzufügen, daß wir die Agrarsozialpolitik zu einem Kostenentlastungsinstrument, dabei aber gleichzeitig auch zu einem Einkommensübertragungsinstrument gemacht haben. Ich sehe hier deutliche Grenzen! Wir werden uns in der nächsten Legislaturperiode darüber unterhalten müssen, inwieweit wir auch die Agrarsozialpolitik in die Reform mit einbeziehen müssen, denn irgendwann wird dies für das System insgesamt untragbar. ({8}) Lassen Sie mich ein Wort zur Agrarstrukturpolitik sagen. Hier haben wir ebenfalls eine Steigerungsrate in der Größenordnung von fast 15%. Herr Ertl wäre froh gewesen, hätte er das damals gehabt. ({9}) Unter den Voraussetzungen, meine ich, sind die Maßnahmen, die ergriffen worden sind, richtig. So wurden z. B. die Ausgleichszulagengebiete um 4 Millionen Hektar erweitert. Wir haben zwischenzeitlich 6 Millionen Hektar innerhalb der Bundesrepublik Deutschland in diese Ausgleichszahlungen hineingenommen. Wir haben auch die Höchstsumme auf 240 DM je Großvieheinheit erhöht. Dies ist konkretes Einkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich halte das für richtig. Bund und Länder stellen hier insgesamt rund 550 Millionen DM zur Verfügung. Eine ganze Reihe von steuerlichen Maßnahmen, die ich hier nicht im einzelnen aufführen möchte, sind durch diese Bundesregierung verwirklicht worden. Es gab eine Flut von Anträgen gerade im steuerlichen Bereich - die haben wir damals aus der Opposition heraus gestellt -, die von Ihnen allen aus fiskalpolitischen Gründen abgelehnt worden sind. Da frage ich mich: Wo bleibt eigentlich der Beifall von Ihnen, wo wir dies doch jetzt alles gemacht haben? Es ist ausdrücklich zu begrüßen, Frau Kollegin Zutt, daß der Großversuch der Grünbrache im Land Niedersachsen durchgeführt worden ist; denn wir hatten überhaupt keine Kenntnisse in dieser Richtung. ({10}) Daß hier 100 Millionen DM nicht abgeflossen sind, kann uns doch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Es war ein Erwartungshorizont da. Und wir hatten gedacht, es würden trotz der Kürze der Zeit noch 100 Millionen DM abfließen. Nun sind wir bei 35 Millionen DM ausgekommen. Dies ist aber EG-weit der erste Versuch in die richtige Richtung. Und es ist für die Zukunft zu überlegen, dies in die europäischen Verhandlungen einzuführen. ({11}) Dies muß eingeführt werden. Dies muß dann auch von der EG mitfinanziert werden. Ich finde, das ist eine richtige Entscheidung. ({12}) - Dies hat damit überhaupt nichts zu tun. Meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir die überschießenden Beträge in andere Bereiche gelenkt haben, ist ein ganz normaler Vorgang. Sich darüber aufzuregen, Herr Kollege, haben Sie gar keinen Grund. Schmitz ({13}) Lassen Sie mich auch noch ein Wort zur Frage der Existenzsicherung der deutschen Seefischerei sagen. Ich sage das hier ganz bewußt: Wir haben auch hier im Haushaltsausschuß 10 Millionen DM zur Verfügung gestellt, weil wir wissen, daß dort Probleme entstehen. Wir legen größten Wert auf die Feststellung, daß der überwiegende Teil dieser 10 Millionen DM der deutschen Kutterfischerei zur Verfügung gestellt werden wird. Wir haben hier die sichere Zusage des Landwirtschaftsministers, daß er in den Richtlinien dafür Sorge tragen werde, daß das Geld dort auch richtig ankommen wird. Lassen Sie mich gleichermaßen einen Bereich ansprechen, von dem ich glaube, daß er uns eigentlich allen größere Sorge bereiten sollte; denn die Überschüsse innerhalb der EG, Frau Kollegin Zutt, Kollegen der SPD, sind ja nicht von heute auf morgen entstanden. ({14}) Das sind keine CDU-Überschüsse, das sind keine SPD-Überschüsse und auch keine FDP-Überschüsse. Im Hinblick auf die GRÜNEN, die ja in der Ernährung sehr vorsichtig sind, ist das etwas anderes. Wir sind uns unter diesen Voraussetzungen darüber im klaren, daß dies ein großes Problem darstellt, wenn es darum geht, Märkte zu bereinigen, Markt und Preispolitik zu betreiben. Das ist parteipolitisch unstrittig. ({15}) Meine Damen und Herren, die Finanzierung der weiteren EG-Agrarpolitik bereitet uns allen Sorgen. Heute haben sich die Finanzminister darauf geeinigt, den Haushaltsplan des Jahres 1987 als Vorschlag in das Europäische Parlament zu bringen, der mit 76 Milliarden DM eine Steigerungsrate von etwa 3% aufweist. Sie haben sich nicht dazu durchringen können, einen Fonds zur Beseitigung der Überschüsse zu schaffen. Sie haben dies den Landwirtschaftsministern übertragen. Dies ist in der Sache richtig. Trotzdem, meine ich, lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob nicht ein solcher Fonds in der Weiterentwicklung der EG-Agrarpolitik notwendig ist; denn eines ist sicher, daß wir innerhalb der Europäischen Gemeinschaft vor Finanzierungsproblemen stehen und diese gelöst werden müssen. Über eines sollten wir uns aber auch im klaren sein: Es wird zwar vielfach beklagt, daß wir in diesem Jahr 18,8 Milliarden DM in die Europäische Gemeinschaft einzahlen, aber die meisten verschweigen dabei, daß wir auch 10,2 Milliarden DM Rückflüsse haben. Das heißt, im Saldo sind es 8,6 Milliarden DM, die wir also netto zahlen - bei einem Überschuß in der Handelsbilanz mit der Europäischen Gemeinschaft von über 30 Milliarden DM im Jahre 1985 und wahrscheinlich wesentlich mehr im Jahre 1986. Das ist gut angelegtes Geld. Das sind gesicherte Investitionen, gesicherte Arbeitsplätze. Darüber sollte man auch in der deutschen Öffentlichkeit reden, sowohl beim Deutschen Industrie- und Handelstag als auch beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Das ist, meine ich, eine ganz wichtige Frage. Das muß in der Öffentlichkeit einmal laut und deutlich gesagt werden. ({16}) Wenn wir ehrlich miteinander umgehen, müssen wir der Kommission auch sagen, daß ihre restriktive Politik, die letzten Endes nur bedeutet, daß das Heil in der Preissenkungspolitik gesucht wird, auf Dauer keine vernünftige Agrarpolitik sein kann. ({17}) Sie sollte sich in Zukunft mehr an den Bedürfnissen der einzelnen Länder orientieren. Vielleicht muß sie Abschied nehmen von der Illusion, daß man von Kreta bis zu den Shetland-Inseln die gleichen Strukturen herstellen kann. Das ist meiner Meinung nach eine Illusion. Das kann auf Dauer gesehen nicht das Ziel sein, das kann auch nicht die Vorstellung einer europäischen Agrarpolitik sein. Ich rede nicht der Renationalisierung das Wort. Aber es wird innerhalb der Europäischen Gemeinschaft Teilbereiche geben, wo wir über Preis und Menge nicht helfen können. Da ist der richtige Ansatz die Ausgleichszulage. Wenn wir den Willen haben, auch in diesen Bereichen für vernünftige landwirtschaftliche Strukturen zu sorgen, dann sollten wir uns darüber im klaren sein, daß das Geld kostet. Aber das kostet nicht nur Geld, sondern auch Kraft bezüglich der Aufwendungen innerhalb der EG. Wenn ein holländischer Landwirt dreimal so viel Umsatz tätigt - dann trägt er auch dreimal mehr zu den Überschüssen bei - als ein deutscher Landwirt oder wenn ein italienischer Landwirt es mit einer völlig anderen Struktur zu tun hat als ein englischer Landwirt, was die Betriebsgröße angeht, dann läßt sich das nicht einfach über einen - sagen wir - Brüsseler Leisten schlagen. ({18}) Deswegen muß hier der Ansatz liegen. Das kann nicht alleine Aufgabe des Landwirtschaftsministers sein. Vielmehr ist das eine Aufgabe sowohl des Landwirtschaftsministers als auch des Finanzministers und des Wirtschaftsministers. ({19}) Gleichermaßen ist das aber auch eine Aufgabe eines europäischen Gipfels, der sich mit diesen Fragen in der kommenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestages befassen muß. Ich gehe im übrigen davon aus, Frau Kollegin, daß diese Regierung bleiben wird. ({20}) Wir haben die ersten Schritte getan. Die ersten Schritte zur Stabilisierung der nationalen Landwirtschaft sind eingeleitet. Wir haben die gute Hoffnung, daß sich das fortsetzt. Kritik ist im Grunde genommen zwar berechtigt, wenn sie sachlich vorgetragen wird. Polemik hilft uns aber nicht weiter. Die Bauern haben einen Anspruch darauf, daß man ihnen die Wahrheit sagt. Das hat die Regierung Helmut Kohl getan. Das hat Schmitz ({21}) der Landwirtschaftsminister getan. Wir werden dem Einzelplan 10 trotzdem, Herr Kollege Suhr, zustimmen. Wir hoffen, daß die Regierung im nächsten Jahr die gleiche wie in diesem Jahr sein wird. Ich bedanke mich. ({22})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich bitte, diese Unterhaltungen zu unterlassen. ({0}) - Ich rufe Sie zur Ordnung! Herr Kollege, ich möchte Sie darauf hinweisen, daß in den Büros der Präsidenten seit zwei Stunden unentwegt Anrufe eingehen, in denen sich die Zuhörer und Zuschauer am Fernseher über das Verhalten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, nämlich über die zahllosen Zwischenrufe beklagen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen. Hier kann jeder seinen Beitrag zur Verbesserung des Ansehens des Parlaments leisten. ({1}) - Ich sage das an alle Seiten des Hauses. ({2}) Ich habe jetzt nur eingegriffen, weil fortgesetzt Zwischenrufe gemacht worden sind. ({3}) Ich meine das sehr ernst und wende mich dabei an alle Seiten des Hauses. Das Wort hat der Abgeordnete Werner ({4}).

Helmut Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002483, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Einzelplans 10 - Landwirtschaft - läßt auch für 1987 keine klare Linie einer zukünftigen Agrarpolitik erkennen. Die gleiche unausgegorene Zwiespältigkeit, wie wir sie immer von Agrarpolitikern der Regierungsparteien zu hören bekommen, spiegelt sich auch in diesem Haushalt wider. Der Bauer draußen möchte wissen, was er seinem Sohn auf dem 20-, 30- oder auch 50-Hektar-Betrieb raten soll, ob er den Betrieb übernehmen oder lieber aussteigen soll. Aber da findet er keine Antwort bei Ihnen. Sie sagen in einem Atemzug: Der kleine, der mittlere Familienbetrieb soll erhalten bleiben, aber wir brauchen dringend EG-wettbewerbsfähige Strukturen. Das ist nicht miteinander zu vereinbaren. Das gleiche geschieht beim Haushalt. Im Sozialabgabenbereich wird eine schlechte, aber es wird eine Staffelung zugunsten kleiner Betriebe durchgeführt. Jedoch bei großen Posten wie dem Mehrwertsteuerausgleich wird nach dem Prinzip verfahren: Wer da hat, dem wird auch noch gegeben. Herr Minister Kiechle, Sie haben bei der Einführung der Milchkontingentierung verkündet, durch diese Maßnahme würden die Überschüsse abgebaut, und der Preis für Milch werde steigen. Das Gegenteil ist eingetreten. Die Butterberge sind noch mehr gewachsen, und die Erzeugerpreise für Milch sind gefallen. Sie haben sich jetzt für eine lineare Kürzung der Milchquoten um 10 % ausgesprochen. Gleichzeitig halten Sie aus politisch-taktischen Gründen nichts von einer Staffelung des Einkommensausgleichs für die weitere Quotierung, wie dies der Europarat und der bayerische Landwirtschaftsminister Eisenmann ausdrücklich fordern. Sollten diese Einkommenshilfen - gefordert werden 30 Pfennig je Liter produzierter Milch - tatsächlich wieder mit der Gießkanne ohne Prüfung der wirklichen Einkommensverhältnisse verteilt werden, dann wird - erstens - für den Steuerzahler nicht mehr begreifbar sein, daß ein Betrieb mit 100 Kühen und 500 000 Litern Lieferquote für eine gekürzte Lieferung von 450 000 Litern jedes Jahr für 50 000 Liter nicht gelieferter Milch 15 000 DM geschenkt bekommt. Zweitens wird das für den kleinen Betrieb mit 15 Kühen - das ist der Durchschnitt in der Bundesrepublik -, den die 10 %ige Kürzung mit einem Ausgleich von 2 000 DM viel härter trifft, ein weiterer Schritt zur Betriebsaufgabe sein. ({0}) Wir GRÜNEN sehen zwar auch die Notwendigkeit zur Begrenzung der Milchmenge, haben jedoch Anträge erarbeitet, die im Gegensatz zu den Vorschlägen des Ministers den Erhalt bäuerlicher Höfe als Hauptziel im Auge haben. Wir sind für eine stärkere Kürzung der Menge, je größer die Tierbestände sind, und wir sind für eine Erhöhung des Preises für die ersten 50 000 Liter Milch, was kleinen Anlieferern ein deutlich besseres Einkommen geben würde. ({1}) Die Antwort der Regierung auf unsere Anfrage zur Verfütterung von Vollmilch direkt an Kälber, bei der die Milchproduktion um 5% eingeschränkt werden könnte, lautet, ({2}) dies sei aus Gründen der Haltbarkeit, Hygiene und wegen Transportproblemen nicht machbar. - Natürlich kann das jeder machen, aber wir forderten dafür einen Ausgleich. Die Leute sollten dafür einen Zuschuß bekommen; sonst macht es keiner, weil es billiger ist, im Austausch zu verfüttern. ({3}) - Ich weiß ganz genau, wie die zu machen ist. Die Umverteilung wäre ganz einfach zu machen. Jeder Bauer, der bei der Quote um 5 % zurückgeht, kriegt Werner ({4}) dafür meinetwegen diese 30 Pfennig - wir wären jedoch für 50 Pfennig -, daß er die an die Kälber verfüttert. Das ist kein Problem. ({5}) Ich habe eben darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung erklärt hat, das sei wegen Hygiene-, Haltbarkeits- und Transportproblemen nicht machbar. Dabei sind doch die Kälber auf bäuerlichen Höfen seit Jahrhunderten mit Vollmilch aufgezogen worden, und es war kein Transport erforderlich. Wie soll es da weniger Transportprobleme geben, wenn die Vollmilch zur Molkerei gefahren, mit hohem Energieaufwand zu Butter und Magermilch verarbeitet wird und die Butter nach dreijähriger Lagerung dem Magermilchpulver beigemischt wird, um dann wieder auf die Höfe verteilt und an die Kälber als Vollmilchersatzfutter verfüttert zu werden, ({6}) was die EG je Tonne Butter 9 500 DM kostet? Sie, Herr Minister, haben in Brüssel die Unsinnigkeit einer sogenannten Mitverantwortungsabgabe der Bauern für Getreide nicht verhindert. ({7}) - Sie haben dagegengestimmt, aber sie auch nicht verhindert. Man hätte auch ein Veto einlegen können. ({8}) Wenn eine Mitverantwortungsabgabe angebracht wäre, dann nur bei den Diäten der verantwortlichen Agrarpolitiker. Das ist meine Überzeugung. ({9}) Nein, meine Damen und Herren von der Koalition, dieser Haushalt, der Mittel für die Produktion und nicht nur für die Forschung von Biosprit ausgibt, der auf nationaler Ebene für ein Grünbuchprogramm viel Geld zum angeblichen Abbau von Überschüssen vorsieht - denn wir können nicht in Niedersachsen die Überschüsse der EG abbauen -, der noch immer - ({10}) - Ja. Dann wäre es sinnvoller gewesen, diesen Versuch in verschiedenen Kreisen der Bundesrepublik zu machen, damit das in Bayern genauso wie in Niedersachsen kontrolliert würde. Dazu wären nicht 100 Millionen DM notwendig gewesen, sondern das wäre auch mit 20 Millionen DM zu machen gewesen. ({11}) Diesem Haushalt, der für ein Grünbrachenprogramm viel Geld zum angeblichen Abbau von Überschüssen vorsieht, der noch immer eine ökologiezerstörende Flurbereinigung finanziert, der mehr für die Aufgabe bäuerlicher Existenzen als für deren Erhalt tut, können wir nicht zustimmen. Schönen Dank. ({12})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gallus.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Agrarhaushalt ist der Ausdruck des Willens dieser Bundesregierung und dieses Parlaments, unseren Bauern in einer schwierigen agrarpolitischen Situation mit staatlichen Mitteln zu helfen. Wir von der FDP sind der Auffassung, daß durch die Wende und die Wirtschaftspolitik dieser Regierung die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind, das Geld zu verdienen, das wir in dieser Volkswirtschaft brauchen, um den weiteren Anpassungsprozeß unserer Landwirte erträglich zu gestalten. ({0}) Um welche Vielfalt es dabei geht, hat Herr Kollege Schmitz hier deutlich gemacht. Ich bestreite, daß SPD und GRÜNE mit ihren wirtschaftspolitischen Vorstellungen in der Lage wären, gleiches zu leisten. ({1}) Die agrarpolitischen Probleme, meine Damen und Herren, sind aber keinesfalls gelöst. Wir wissen, daß letzten Endes über das Schicksal unserer bäuerlichen Familienbetriebe in Brüssel entschieden wird. Wir Liberale wollen Europa. Wir wissen, daß uns einerseits die Ratifikation der Europäischen Akte weiter voranbringen soll. Gleichzeitig entwickelt sich die europäische Agrarpolitik zum Sprengsatz von Europa. Die FDP-Fraktion ist der Auffassung, daß sich die Regierungschefs der EG der Agrarpolitik annehmen müssen. Die FDP legt Wert darauf, daß zukunftsträchtige Entscheidungen in der EG herbeigeführt werden. Wir meinen, die Tatsache, daß wir in der EG seit Jahren Lagerbestände in Milliardenhöhe vor uns herschieben, darf nicht weiter verdrängt werden. Wenn die normalen Haushaltsmittel nicht ausreichen, muß vorübergehend auch mit Krediten gearbeitet werden. Die Europäer müssen sich darauf verständigen, ihre Agrarproduktion zu reduzieren. Nur dann werden wir auch bei den GATT-Verhandlungen erwarten können, daß Länder - wie die USA ihrerseits - dies durch entsprechende Gegenleistungen beim Substitutenzufluß honorieren. Europa hat 20 % der landwirtschaftlichen Betriebe ohne Hofnachfolge. Flächen und Betriebe müssen aus der Produktion genommen werden, damit die anderen wieder eine Chance bekommen. ({2}) Auch Teilbetriebsstillegungen sind europaweit einzuführen, und, Frau Zutt, die Grünbrache, wenn sie vielleicht auch nicht so gut angelaufen ist, wie wir uns das alle gewünscht haben, ist besser als ihr Ruf. ({3}) Die Milchquote muß realistisch festgesetzt werden. Den Landwirten muß ein voller finanzieller Ausgleich gewährt werden. Dabei sind nach unserer Auffassung alle Instrumente eines solchen Ausgleichs, über die Prämierung der Nichtproduktion bis hin zu Preiserhöhungen, ins Auge zu fassen, und die Molkereistrukturen in Europa müssen an die neue Situation angepaßt werden. Wir wissen, daß wir uns bei diesen schwierigen Verhandlungen auf das Verhandlungsgeschick unseres Herrn Landwirtschaftsministers verlassen können. ({4}) Die Neuordnung des Rindfleischmarktes darf nicht länger von Frankreich verhindert werden. Was Chirac will und was er am 23. Oktober 1986 vor dem Dachverband der Landwirtschaftskammern in Paris verkündet hat, ist nichts anderes, als einen europäischen Verdrängungswettbewerb einzuleiten, weil er davon ausgeht, Frankreich werde dabei Sieger bleiben. Damit muß Schluß sein. Schluß mit den Erzeugungsschlachten in Europa zum Schaden unserer Bauern! An dieser Stelle wiederhole ich eine Forderung, die die FDP seit langem erhoben hat: Schluß mit der Förderung in Überschußbereichen! Schluß mit der staatlich geförderten Kapazitätsausdehnung bei Schweine- und Bullenställen in ganz Europa! Die FDP hat diese Forderung schon 1980 in ihr Wahlprogramm geschrieben. Es ist nur gut, daß meine Parteifreunde und ich den Elan in dieser Frage nicht verloren haben; denn nun haben unsere Bemühungen doch noch Früchte getragen. Bund und Länder sind am Dienstag in der Sitzung des Planungsausschusses übereingekommen, daß ab sofort Kapazitätsausweitungen der Mastschweine-und Mastrinderhaltung nicht mehr gefördert werden. Dies ist ein ganz wichtiger Schritt, insbesondere mit Blick auf Europa. Es gilt jetzt, auch unsere Partnerländer davon zu überzeugen, daß dies der einzig richtige Weg ist. ({5}) Ich bin davon überzeugt, daß in Brüssel das Signal, das wir in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Förderungsstopp gesetzt haben, richtig verstanden wird. ({6}) Ebenfalls seit 1980 fordern wir: Schluß mit Agrarfabriken in Europa! Auch hier stellt sich allmählich ein Erfolgserlebnis ein. ({7}) - Natürlich sind wir für Bestandsobergrenzen, noch bevor die SPD das in den Mund genommen hat. Auch hier stellt sich allmählich ein Erfolgserlebnis ein, ({8}) wenngleich wirksame Beschlüsse noch nicht zustande gekommen sind. Allerdings beobachten wir, wie immer mehr Agrarpolitiker hierzulande von der Richtigkeit unserer Forderung überzeugt sind. Es geht dabei um nicht weniger als um eine Vielzahl unserer landwirtschaftlichen Betriebe, die auf die Einkünfte aus der Tierhaltung angewiesen sind. Wir können und dürfen nicht zulassen, daß ihnen diese Einkommenskapazitäten von einigen wenigen Großbetrieben genommen werden. Wer die Reform der EG-Agrarpolitik will, muß, wie wir von der FDP fordern, vorübergehend mehr Geld aufwenden, um die Krise zu meistern. ({9}) Meine Damen und Herren, wir sind dies Europa und unseren Bauern schuldig. Allerdings sage ich auch: Einige in Europa müssen noch begreifen lernen, daß die Bauern nicht die Riesenspielzeuge der Industrienationen sind. Danke schön. ({10})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich erteile dem Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten das Wort.

Ignaz Kiechle (Minister:in)

Politiker ID: 11001091

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Agrarhaushalt 1987 wird mit einem Zuwachs von 14,2 % auf 7,9 Milliarden DM wie in den Vorjahren überproportional erhöht, trotz des allgemeinen Sparzwangs. Das ist gut so; denn der Haushalt drückt das in Zahlen aus, was die unionsgeführte Bundesregierung politisch will, wofür wir kämpfen: Wir wollen den Bauern in einer agrarpolitisch schwierigen Zeit den Rücken stärken. Das ist unsere Art, Solidarität zu praktizieren; nicht mit Programmen aus Utopia wie die GRÜNEN, auch nicht mit nebulösen Versprechungen von Leuten, die, als sie regierten, in Wirklichkeit massiv Sozialzuschüsse gekürzt haben wie die SPD, sondern mit konkreter Hilfe. ({0}) Wir drücken uns nicht vor der Bewältigung einer verfehlten Politik, die andere in ganz Europa mit zu verantworten haben. Ich empfinde es aber schon als ein wenig empörend, wenn Sozialdemokraten, die die Fehlentwicklungen wesentlich mitverursacht haben, jetzt den Helfern und Sanierern auch noch die mühsame Arbeit erschweren. ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Haushaltsansätze für den Agrarhaushalt können sich nun wirklich sehen lassen: 4,8 Milliarden DM für die Sozialpolitik. Das waren 1982 noch, 3,7 Milliarden DM. ({2}) 358 Millionen DM für die benachteiligten Gebiete. Das waren 1982 noch 62 Millionen DM. ({3}) 644 Millionen DM für die Dieselölbeihilfe. ({4}) Das waren 1982 460 Millionen. Und 1,5 Milliarden DM für den gesamten Anteil des Bundes an der Gemeinschaftsaufgabe. Das waren 1982, verehrte Frau Zutt, 1,05 Milliarden DM. Natürlich ist sich die Bundesregierung darüber im klaren - sie weist auch selbst ständig darauf hin -, daß nationale Maßnahmen die Brüsseler Preispolitik nicht ersetzen können. ({5}) Deshalb kämpfen wir auch für eine bessere Preispolitik. Wir wären froh, wenn wir dabei die Unterstützung auch der Opposition, besonders der SPD, hätten. ({6}) Aber die SPD will sogenannte marktgerechte Preise. Weshalb marktgerechte Preise? Weshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, verstecken Sie sich hinter solchen unklaren Definitionen?

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?

Ignaz Kiechle (Minister:in)

Politiker ID: 11001091

Bitte sehr.

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, daß es einen Zusammenhang zwischen Preisen, Intervention und Überschüssen gibt, und würden Sie mir auch zustimmen, daß es Sünde ist, wenn Butter an Kälber verfüttert wird?

Ignaz Kiechle (Minister:in)

Politiker ID: 11001091

Ich stimme Ihnen zu, daß es solche Zusammenhänge gibt. Aber bei dem Wort „Sünde" zögere ich: Erstens steht da nichts in den Zehn Geboten, ({0}) und zweitens ist es höchstens eine ökonomische Sünde, aber bestimmt keine in dem Sinne, den Sie hier ansprechen. ({1}) Denn Milchfett ist eine Urnahrung für Kälber. Es ist also nicht so, daß man das in den Bereich der Zehn Gebote Gottes rücken sollte. ({2}) - Ja. - Ich habe gefragt: Weshalb verstecken Sie sich hinter so unklaren Definitionen? Weshalb stellen Sie sich nicht vor die Bauern und die Öffentlich- (I keit hin und sagen klipp und klar: Die SPD will den Agrarmarkt durch drastische Preissenkungen sanieren? ({3}) Das wäre zumindest ein Stück Ehrlichkeit; wir könnten dann miteinander streiten, auch wenn wir absolut anderer Meinung sind. Aber statt dessen reden Sie hier von marktgerechten Preisen und überlassen es jedem, was er darunter verstehen soll. Wir wissen, was Sie meinen. ({4}) Die GRÜNEN wollen gestaffelte Preise; das ist auch heute wieder zur Sprache gekommen. Sie wollen Produktionsmittelverteuerung, sie wollen die Wiedereinführung der Produktionsmethoden der Vergangenheit. ({5}) Ich überlasse es Ihnen, diese Dinge zu erläutern. Ich halte von allen dreien nichts. ({6}) Wir, die Unionsparteien, wollen eine Politik, durch die auch die Bauern am Wirtschaftswachstum wieder teilhaben können. ({7}) Wir wollen Gerechtigkeit für unsere Bauern und nicht nur Gerechtigkeit für den Markt. Wir wollen eine Politik, bei der Bauern wieder zunehmende Einkommen über den Preis erwirtschaften können. Uns allen ist aber klar, daß dazu die Überschußproduktion nachhaltig abgebaut werden muß, ({8}) abgebaut durch Mengensteuerung und nicht durch Preissenkungen, die nichts anderes als Einkommensdruck sind. ({9})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ignaz Kiechle (Minister:in)

Politiker ID: 11001091

Bitte sehr.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Bitte sehr, Herr Kollege Werner.

Helmut Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002483, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister Kiechle, wir haben hier vorhin vom Kollegen Baum gehört, daß bei den ganzen Zwischenfällen, die zur Zeit den Rhein belasten, Pflanzenschutzmittel im Spiel sind. Meine Frage ist - das war auch die Frage des Herrn Kollegen Baum -, ob nicht darüber nachgedacht werden sollte und könnte, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln etwas zu redu19502 Werner ({0}) zieren, so daß wir den ökologischen Haushalt bei uns in der Bundesrepublik damit verbessern würden. ({1})

Ignaz Kiechle (Minister:in)

Politiker ID: 11001091

Mit der Konzeption des integrierten Pflanzenschutzes tun wir das. Aber das, was Sie jetzt mit der Landwirtschaft in Zusammenhang bringen, hat nun mit der Landwirtschaft nichts zu tun. ({0}) Bei den Vorfällen, die Sie angesprochen haben, sind Grundchemikalien, aus denen auch Pflanzenschutzmittel hergestellt werden, in den Rhein gelangt. Das verurteilen wir genauso wie Sie. ({1}) Sie sollten diese Dinge aber nicht im Zusammenhang mit der Landwirtschaft erwähnen. ({2}) Ich habe gesagt, wir sind dafür, die Überproduktion durch Mengensteuerung und nicht durch Preissenkungen herunterzufahren. Ich möchte in dem Zusammenhang noch auf eine Frage eingehen, die vorhin von Frau Zutt, aber auch von Herrn Werner angesprochen worden ist, nämlich auf die Frage der Milchquoten. Frau Zutt hat erklärt, die Quotenregelung habe nicht zum Stillstand der Milchproduktion geführt. Frau Zutt, das stimmt nicht: Wir hatten 104 Millionen Tonnen Milchanlieferung, die Quotenregelung hat eine Rückführung auf 99 Millionen Tonnen gebracht. Daß dies noch nicht reicht, ist eine ganz andere Sache. Aber Sie können nicht sagen, es sei dadurch die Produktion nicht zum Stillstand gebracht worden. Wahrscheinlich haben Sie die zusätzliche Produktion gemeint. Was Herrn Werner betrifft: Er hat jedenfalls indirekt meinen Vorschlag erwähnt, als er sagte, er wolle auf alle Fälle bei einer weiteren Kürzung der Milchquote eine Staffelung der in Brüssel zu beschließenden, von uns beantragten Kompensation. Die Frage ist nicht, was der einzelne will, sondern was am Ratstisch in Brüssel durchgesetzt werden kann. Die Frage, vor der wir stehen - ich sage Ihnen das in aller Ruhe - ist: Können wir uns mit unserer die Landwirte berücksichtigenden Konzeption durchsetzen, oder kommt die Konzeption zum Tragen, die die Kommission vorgeschlagen hat, die genau dasselbe Ziel, nämlich die Kürzung der Quote, auf dem Rücken der Landwirte durchsetzen will. Wenn wir durchkommen wollen, können wir Länder, die bei einem solchen Staffelungsvorschlag benachteiligt würden - die Niederlande, Dänemark, Großbritannien -, uns nicht von vornherein zum Gegner am Ratstisch machen. Das ist eine ganz nüchterne Feststellung, keine Wunschvorstellung. Ich wende mich jedenfalls strikt gegen Rezepte, die die Preise für die gesamte Produktion herunterdrücken wollen, um 10 oder 15% Überschußerzeugung abzubauen. ({3}) Ich wende mich auch gegen eine Verdrängungspolitik zu Lasten der schwächeren Erzeuger, z. B. auf kleineren Betrieben oder in marktfernen benachteiligten Gebieten. ({4}) Eine zweite Unredlichkeit, leider auch durch die Sozialdemokraten ausgesprochen, besteht darin, daß sie neben den verklausulierten Preissenkungsforderungen den Bauern einen direkten Einkommensausgleich an Stelle dieser Preise versprechen. ({5})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ignaz Kiechle (Minister:in)

Politiker ID: 11001091

Danke schön. Ich habe jetzt schon zwei Fragen zugelassen. - Das sagen die gleichen Sozialdemokraten, die unsere flankierenden nationalen Maßnahmen der letzten drei Jahre als Milliardencoup bezeichnet haben. Im Gegensatz zu so manchen unredlichen Ideen unserer politischen Gegner bekräftige ich: Solange Brüssel - mit „Brüssel" meine ich die dort konzipierte, nicht nur von einem Mitglied, sondern von immerhin zwölf Mitgliedern zu bestimmende Agrarpolitik - keine ausreichenden Einkommen in der Landwirtschaft möglich macht, werden wir die unzureichende Preispolitik weiter ergänzen: durch die Sozialpolitik, durch die Politik in benachteiligten Gebieten, durch die Steuerpolitik und andere flankierende Maßnahmen. Schon Goethe hat erkannt: Ein jeder Stand hat seinen Segen, ein jeder Stand auch seine Last. ({0}) Bei den Bauern wiegt die Last zur Zeit sehr schwer - trotz ihrer segensreichen Tätigkeit, nämlich der Erzeugung des täglichen Brots. Ich bedanke mich deshalb beim Parlament, bei den Mitgliedern des Finanz- und des Haushaltsausschusses sowie der Bundesregierung für ihr Verständnis und ihre Hilfe, die schwierige Lage der Bauern zu mildern. Wir müssen alles tun, um unsere Bevölkerung noch mehr als bisher zu überzeugen, daß wir die Schönheit unserer deutschen Heimat und eine ausreichende Versorgung mit preiswerten und guten Nahrungsmitteln nur dann behalten können, wenn wir unsere Landwirtschaft entsprechend bezahlen. Wer nur importieren will, bekommt bald die Preise diktiert. Bei der Neuordnung der EG-Agrarpolitik spielt sich zur Zeit ein Kampf zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Konzepten ab. Auf der einen Seite steht das Konzept der „efficient agricultural industry", d. h. einer agroindustriellen Landwirtschaft, wie sie vor allem von Großbritannien geforBundesminister Kiechle dert wird. Auf der anderen Seite versuchen wir, eine Politik der Erhaltung einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft durchzusetzen, damit auch im Jahr 2000 noch Bauernhöfe in allen Regionen unseres Vaterlandes stehen. Während das agroindustrielle Konzept vorwiegend in rein ökonomischen Begriffen - wie bester Standort, Spezialisierung, Intensivierung, maximale Produktion und maximaler Gewinn - denkt, nimmt eine Agrarpolitik für den bäuerlichen Familienbetrieb auch auf Güter Rücksicht, auf die unsere Bevölkerung immer größeren Wert legt: gepflegte Landschaft, nachhaltig fruchtbare Böden, gesundes Grundwasser, artgerechte Tierhaltung und einige andere Dinge mehr. ({1}) Die Bundesregierung hat ihre Wahl getroffen und wird alles daransetzen, ihre Vorstellungen von einer bäuerlichen Agrarpolitik durchzusetzen: zur Erhaltung von Natur und Umwelt, zum Wohl unserer Landwirte und ihrer Familien. Ich denke, das dient auch dem Wohl unseres ganzen Volkes. ({2}) Dies zeigt dieser Haushalt 1987 in Taten und in finanzwirksamem Engagement. ({3})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt 1987 dokumentiert erneut, daß die Bundesregierung die Krise der Agrarpolitik, die sich täglich zuspitzt, einfach ignoriert. ({0}) Obwohl doch alle wissen, daß die Kosten für die EGAgrarpolitik ebenso gigantische Größenordnungen annehmen wie die überquellenden Lagermengen, werden die Einkommensprobleme der Landwirte immer größer. Aber statt national und auf EGEbene endlich Konsequenzen zu ziehen, statt endlich ein Reformkonzept mit Zukunftsperspektiven für die Landwirtschaft vorzulegen, bemüht sich die Bundesregierung lediglich, durch nationale Einzelmaßnahmen die Unruhe, den Zorn und die Enttäuschung der Landwirte bis zum Wahltag einigermaßen unter der Decke zu halten. ({1}) Der Agrarhaushalt, meine Damen und Herren, ist nichts anderes geworden als eine Reparaturwerkstatt für Brüsseler Fehlverhalten, für Brüsseler Fehlschläge und eigenes Unvermögen. ({2}) Herr Minister, weil Sie wieder sagten, welche Last wir Ihnen hinterlassen haben, möchte ich Ihnen etwas vorlesen: Es wird dann in unverantwortlicher Weise von Überschüssen geredet. Der Bundeskanzler und der Bundesminister lamentieren nur noch über die angeblich zu hohen Kosten. Wir glauben jedenfalls feststellen zu können, daß auf jeden Fall mittelfristig, wahrscheinlich langfristig noch mehr, der Weltmarkt für Nahrungsmittel heute schon erste Verknappungserscheinungen zeigt. So schrieben Sie im „Bayernkurier" am 11. April 1981. ({3}) Ein zweites Zitat - es geht ja um die Erblast, Herr Kollege Eigen -: Es kann und darf j a wohl nicht verboten sein, mehr zu produzieren, als im Inland verbraucht wird. Originalton Kiechle in der „Welt" vom 16. Mai 1981. Hören Sie doch endlich auf, von einer Last oder Erblast zu reden. Sie wollten es damals gar nicht anders. ({4}) Wir wissen heute, daß viele Milchbauern durch Ihre Quotenregelung, Herr Minister, in Existenznot geraten sind. Herr Gallus, der vorhin davon gesprochen hat, sagte am 19. November 1986 in einer Presseerklärung: „Das Quotensystem hat auf der ganzen Linie versagt." Wie war es denn? Erst trieb die Quotenverteilung die Milchbauern auf die Barrikaden. Dann, nachdem Franz-Josef Strauß seinem CSU-Minister Kiechle den Kopf gewaschen hatte, ({5}) gab es aus Angst um Wählerstimmen schnell eine Härtefall- und Ermessensregelung, die diesen Landwirten die Existenz sichern sollte. Sie werden doch nicht glauben, daß der Herr Strauß dem Herrn Kiechle dafür die Hand geküßt hat, oder? Aber die Überschüsse nahmen beängstigend zu. So kam nach der bayerischen Landtagswahl der bislang letzte Überraschungscoup von Minister Kiechle: unterschiedslose Kürzung aller einzelbetrieblichen Quoten. Damit würde den Landwirten wieder genommen, was ihnen zuvor über die Härtefallregelung zuerkannt wurde. ({6}) Die Reaktionen waren entsprechend: einhellige Ablehnung durch Bundesländer und Landwirte. Auch bei der EG fand diese Variante wenig Gegenliebe, was uns ja nicht wundert, wenn man weiß, welchen Einfluß der Minister dort noch hat. Weil Ihr Vorschlag, Herr Minister, aber wiederum nur an Symptomen herumkuriert, ist es diesmal nicht weiter tragisch. Wer aber immer noch durch vorläufige Stillegungen ein besseres Marktgleichgewicht und für die Zukunft sogar Preiserhöhungen verspricht, der, Herr Minister Kiechle, verkauft entweder die Land19504 Müller ({7}) wirte für dumm oder er hat jeden Realitätsbezug verloren. ({8}) Ebenso wie bei den Problemen des Milchmarktes scheut sich die Regierung offensichtlich auch, den Landwirten auf die Frage eine Antwort zu geben, wie sie es mit dem Strukturwandel hält.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eigen?

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte schön, Herr Kollege.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Müller, kann ich aus Ihrer Feststellung schließen, daß Sie und die SPD eine Quotenkürzung ohne Entschädigung der Landwirte wollen?

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Eigen, wir haben Ihnen ganz deutlich gesagt: Helfen wird nur eine realistische Quotenkürzung und ein entsprechender Ausgleich für die Landwirte, die schon x-mal von dieser Regierung getäuscht worden sind. Das darf ein zweites Mal nicht passieren. Deswegen ein Ausgleich. ({0}) Auch der Rahmenplan zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" sagt nichts über die zukünftige Ausrichtung der Agrarstrukturpolitik. Fehlanzeige z. B. zu der Forderung der SPD, die sich in diesem Punkt mit den Bundesländern einig ist, daß Fragen des Umweltschutzes - wie z. B. Erhaltung der Alpenregion und Biotopschutz - in die Gemeinschaftsaufgabe aufzunehmen seien. Aber Sie sind ja nicht dafür. Deswegen kann diese Ihre Politik unsere Unterstützung nicht finden. Die Bundesregierung muß endlich etwas unternehmen. Sie muß national und auf EG-Ebene ihre abwartende, passive Haltung aufgeben. Struktur-und marktpolitische Reformen sind notwendig, sonst führt die Krise der Agrarpolitik in Kürze in die Katastrophe. Die Landwirte sehen das. Also handeln Sie endlich! Ein „Weiter so" auch in der Agrarpolitik, wie in Ihrem Wahlslogan angekündigt, wäre für viele landwirtschaftliche Betriebe das Todesurteil. ({1}) Es ist schade, daß der Kollege Dregger heute nicht hier ist. Als er gestern selbstbeweihräuchernde Sätze über Ihre Agrarpolitik - auch zur Lage und den Zukunftschancen der Landwirte - gesagt hat, habe ich mich gefragt, wann der Kollege Dregger wohl das letzte Mal mit Landwirten gesprochen hat. Letztes Jahr kann das nicht gewesen sein, auch nicht vor zwei Jahren. Ich habe eher den Eindruck, das muß 1982 gewesen sein. Da hatten wir aber noch einen anderen Agrarminister, der wenigstens bei den Landwirten angekommen ist, weil sie wußten, daß er ihnen hilft. ({2}) Eine Kritik trifft den Nagel auf den Kopf. Horchen Sie mir einmal genau zu. Ich will zitieren: Viele Bauernfamilien spüren, daß sie den Kopf dafür hinhalten müssen, daß die Agrarpolitik zur Zeit mehr als kopflos betrieben wird. Was zur Zeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft abläuft, ist kein Ruhmesblatt für die verantwortlichen Politiker und Beamten, die man an sich doch ... zu den vernunftbegabten Wesen rechnen sollte. ({3}) Das Zitat stammt nicht von mir, sondern von unserem Kollegen Herrn von Heereman. Ich stimme Ihnen vollkommen zu: Diese Bewertung trifft den Nagel auf den Kopf. ({4}) Ich kann mich dieser Bewertung wirklich von ganzem Herzen anschließen und kann nur sagen, Herr Minister Kiechle: Tun Sie endlich etwas! Geben Sie den Landwirten wieder eine Zukunftschance! Eröffnen Sie ihnen Zukunftsperspektiven, dann werden Sie uns auch auf Ihrer Seite haben. Wir sind jederzeit bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, damit es den Landwirten endlich wieder bessergeht und damit sie wissen, was ihnen die Zukunft bringt. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zuerst über die Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN. Ich rufe diese Änderungsanträge nach der Reihenfolge der Drucksachennummern zur Abstimmung auf. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 10/6483? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 10/6484? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 10/6485? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 10/6567? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 10 ab. Wer dem Einzelplan 10 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist angenommen.

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz - Drucksachen 10/6307, 10/6331 Berichterstatter: Abgeordnete Frau Zutt von Hammerstein Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht - Drucksachen 10/6317, 10/6331 Berichterstatter: Abgeordnete von Hammerstein Waltemathe Dr. Müller ({0}) Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist eine verbundene Beratung der Einzelpläne 07 und 19 sowie ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter de With.

Dr. Hans With (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002536, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben, Herr Minister Engelhard, bei der ersten Lesung des Haushalts am 11. September ausgeführt: In der Tat, ich werde diese Bilanz, meine Damen und Herren, natürlich nicht vorlegen; sie ist so gewaltig und erfolgreich, daß dies schon einige Zeit in Anspruch nehmen würde. Ein bißchen vollmundig, gemessen an der Wirklichkeit. Die Novellierung des Internationalen Privatrechts, das Bilanzrichtliniengesetz, die Anpassung des Urheberrechts, das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, die vom Bundesverfassungsgericht verlangten Änderungen des Versorgungsausgleichs, das sind gewiß Gesetze, die in dieser Legislaturperiode verabschiedet wurden. Nur: Hier gab es Entwürfe oder Vorarbeiten Ihrer sozialdemokratischen Vorgänger. Für das Opferschutzgesetz, auf das wir mit Recht stolz sind, und für die Verbesserung der Strafaussetzung zur Bewährung - sie hätte etwas progressiver ausfallen können - gab es solche Vorarbeiten nicht. Dafür waren wir, die SPD-Bundestagsfraktion, mit Gesetzesentwürfen vorangegangen. Das Gesetz zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts und die Kostennovelle tragen wir gemeinsam, haben wir gemeinsam beschlossen. Hierzu sage ich: gute Beispiele für gute Zusammenarbeit. Was aber ist auf der Strecke geblieben? Die Verwaltungsprozeßordnung z. B., die die öffentlich-rechtlichen Verfahrensgesetze bündeln und den Prozeßgang beschleunigen soll. Zum Insolvenzrecht gab es noch nicht einmal einen Diskussionsentwurf Ihres Hauses. Wird es nun - das ist die Frage - ein echtes Reorganisationsverfahren mit Beteiligung der Mobiliarkredite geben, um Betriebe und Arbeitsplätze retten zu können? Oder wird der soziale Gedanke aus dem Insolvenzrecht verbannt? Ebenso unklar ist, was aus dem Kündigungsschutz und dem Schutz vor unberechtigten Mieterhöhungen im Mietrecht in der nächsten Legislaturperiode werden soll. Hier hatte Ihr Parlamentarischer Staatssekretär auf einer Verbandstagung geplaudert oder aber die Katze aus dem Sack gelassen, und Sie, Herr Minister, haben in der dann folgenden Aktuellen Stunde nur halb und halb dementiert. Die Mieter werden sich bedanken. Im Oktober haben CDU/CSU und FDP noch rasch eine Initiative zum Auslieferungsrecht ergriffen, um eine Lehre aus dem Freitod von Altun zu ziehen. Wir erinnern uns: Dieser türkische Staatsangehörige sprang in Berlin aus dem Fenster, obwohl er rechtskräftig Asyl erhalten hatte, weil er glaubte, an seine Häscher in der Türkei dennoch ausgeliefert zu werden. Aber wiederum haben der Bundesminister der Justiz und die Bundesregierung nur halbherzig gehandelt und überdies erst dann, nachdem seit zwei Jahren ein entsprechender Gesetzentwurf der SPD im Rechtsausschuß unbehandelt blieb. ({0}) - Das stimmt. Es wäre allerdings längst an der Zeit gewesen, gesetzlich festzulegen, daß niemand ausgeliefert werden darf, dem rechtskräftig Asyl gewährt wurde. ({1}) Ebenso gedrückt hat sich die Koalition, auch die Vergewaltigung in der Ehe zu bestrafen. Unseren Gesetzentwurf hierzu haben Sie trotz eines positiven Anhörungsverfahrens immerzu vor sich hergeschoben. Zur Vertuschung Ihrer mangelnden Entscheidungsfreude oder aber Ihrer altväterlichen Denkweise versuchen Sie, diese frauenfeindliche Untätigkeit durch eine schöne Entschließung zu vernebeln. Was sagt dazu eigentlich Frau Ministerin Süssmuth? - Schweigen im Walde. ({2}) Die SPD-Bundestagsfraktion hatte eine Große Anfrage zur Geschäftsbelastung der Justiz eingebracht. Die Bundesregierung hat darauf zugegebenermaßen umfänglich geantwortet. Zu Konsequenzen hat dies allerdings nicht geführt, und zwar trotz stetig steigender Einläufe bei unseren Gerichten. Es wäre lobenswert gewesen, hätten Sie wenigstens Ansätze einer Strukturreform erkennen lassen. Denn eines ist sicher: Die immer länger werdende Verfahrensdauer vor unseren Gerichten, insbesondere vor den Finanzgerichten, ist weder für den Bürger noch für das Rechtsbewußtsein noch für unseren sozialen Rechtsstaat erträglich. ({3}) Die SPD-Bundestagsfraktion hatte eine Große Anfrage zur Reform des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts an die Bundesregierung gerichtet. Die Bundesregierung hat - auch das begrüßen wir - Richtungen in ihrer Antwort erkennen lassen. Wann allerdings diese Reform kommt, steht dahin. Es ist ein untragbarer Zustand, daß mit der noch heute gültigen Totalentmündigung viele Menschen, insbesondere ältere, rechtlich und politisch mundtot gemacht werden können, was in praxi ihren bürgerlichen Tod bedeutet. Die Richter weichen deshalb Gott sei Dank in hohem Maße auf die flexiblere Pflegschaft aus. Um so dringlicher wäre eine baldige Reform. Was gab es denn sonst noch an Gewaltigem und Erfolgreichem? ({4}) Da wurde das Demonstrationsstrafrecht geändert, nachdem die Bundesregierung für ihre Vorlage durch das Anhörungsverfahren einen Verriß ohnegleichen erlitten hat. ({5}) Da gab es die Änderung bei den Beleidigungsdelikten, um die Auschwitz-Lüge fassen zu können. Vorhergegangen war ein wirklich würdeloses Hickhack in den Reihen der Koalition unter dem Eindruck ihrer Stahlhelmfraktion, zum Nachteil aller Gutwilligen. ({6}) - Das hat Herr Vogel schon aus der Zeitung vorgelesen. Sie müßten es am besten wissen. ({7}) Da gab es die Vorschriften über die Schleppnetzfahndung, heftig zusammengeschustert durch das Parlament gepeitscht. Eine durchgängige Anpassung der Strafprozeßordnung zur zweckgerichteten Benutzung von EDV-Anlagen bei der Fahndung, und zwar unter Berücksichtigung des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts, fehlt aber bis heute. Nicht einmal die Rasterfahndung haben Sie gesetzlich geregelt. Und da gab es die Kronzeugenregelung der Koalitionsfraktionen. Am 6. November - das soll noch einmal in Erinnerung gerufen werden - haben Sie, Herr Minister, in der ersten Lesung erklärt: Die Bundesregierung steht voll hinter diesem Entwurf. Ich bekenne mich als Bundesminister der Justiz ausdrücklich dazu. Auf dem Parteitag der FDP haben Sie sich Pressemeldungen zufolge der Stimme enthalten, als es darum ging, Ihre Kronzeugenregelung abzulehnen. Nachdem Franz Josef Strauß alles oder nichts will, hat die Bundesregierung ihre Kronzeugenregelung fallengelassen, schlicht und einfach fallengelassen, ohne Ersatz. Erst voll, dann halb und dann nicht, so könnte man sagen - und das alles innerhalb von nur drei Wochen. Für die FDP ist das ein einziges Trauerspiel.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mann?

Dr. Hans With (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002536, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Verantwortlichen haben ihren justizpolitischen Kredit verspielt, bei den Koalitionspartnern ihre Zuverlässigkeit eingebüßt und bei der Bevölkerung die Glaubwürdigkeit verloren. Mit Sallust frage ich deswegen den Herrn Bundesminister der Justiz: quousque tandem? Wie lange wollen Sie das noch treiben? ({0}) - Sie sagen es, überdeutlich.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter Mann, bitte Ihre Zwischenfrage.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Dr. de With, ist es richtig, daß die Koalition bis vor einer Stunde gebraucht hat, um sich im Rechtsausschuß verbindlich zu der Frage der weiteren Behandlung des Kronzeugengesetzgebungsverfahrens, des sogenannten Antiterrorgesetzes, zu äußern?

Dr. Hans With (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002536, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es ist in der Tat so, entspricht aber der üblichen Sprachweise der Koalition: erst wird der Presse Mitteilung gemacht, und dann, und dann, und dann kommt das Parlament. ({0}) Obwohl es nun eine Kronzeugenregelung nicht mehr geben wird, jagen die Koalitionsfraktionen dennoch die beiden restlichen Artikel ihrer Vorlage mit Hilfe von Sondersitzungen durch den Rechtsausschuß. Der Rechtsausschuß mußte seine Sitzung jetzt unterbrechen, damit wir hier reden können, im Grunde genommen unwürdig, nachdem die Eilbedürftigkeit für Ihre Vorlage durch Entfernen der Kronzeugenregelung weggefallen ist. Die Union will offenbar noch immer ihren Mangel an Fahndungserfolgen durch hektische Betriebsamkeit in der Gesetzgebung überdecken. Gefragt ist eine bessere Koordinierung bei der Fahndung, eine stärkere Mobilisierung bei der Öffentlichkeitsarbeit und die Aufnahme des Dialogs mit dem Umfeld. Die Brüder des ermordeten Ministerialdirektors von Braunmühl haben hier ein exzellentes Beispiel gegeben, das wir würdigen sollten. ({1}) Nein, statt dessen wird der Rechtsausschuß in spanische Schnürstiefel gezwängt und legislatorische Tatkraft zur Schau gestellt. Hier kann man nur Hamlet zitieren: „Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode!" ({2}) Wir lehnen den Justizhaushalt deshalb ab. Dem Haushalt des Bundesverfassungsgerichts stimmen wir selbstverständlich zu. ({3})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete von Hammerstein. von Hammerstein ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. de With, so ist eben die große gute Koalition, daß sie auch eine gute Zusammenarbeit mit der SPD erwähnt. Ich bedanke mich, daß Sie dieses erwähnt haben. Zum Finanzgericht werde ich gleich etwas sagen. Zur Presse, Herr Dr. de With: Diese Koalition informiert Sie sehr schnell über Mitteilungen und Presse, das müssen Sie auch akzeptieren. ({1}) - Sie sehen: Sie werden immer sehr schnell informiert, sonst hätten Sie es jetzt noch nicht gewußt. Bevor ich mich der Rechtspolitik der Bundesregierung zuwende, möchte ich einige Erklärungen zum Haushalt des Bundesministers der Justiz machen. Die Bundesjustiz selbst ist ein wichtiger Teil unseres Rechtsstaats, denn unseren Gerichten und Behörden obliegt die Rechtspflege in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung. ({2}) - Sehen Sie: So gut informieren wir Sie. - Der Anteil der Ausgaben am Gesamthaushalt des Bundes ist sehr gering. Das liegt allerdings daran, daß der Justizhaushalt ein Verwaltungshaushalt ist und daß immerhin 55% des Gesamthaushaltes durch Gebühreneinnahmen gedeckt werden. 90 % der Ausgaben sind Personalkosten und unmittelbar davon abhängige Verwaltungsausgaben. Wir, meine sehr verehrten Damen und Herren in der CDU/CSU-Arbeitsgruppe, waren aufgefordert, jeden Einzelplan nicht zu stark finanziell anzuheben. Wir haben den Justizhaushalt sparsam Bernessen, aber die Belange der Justiz genauestens bedacht. ({3}) - Doch, Herr Kollege, wir kommen sehr gut zurecht. - Der Sicherheitslage wurde Rechnung getragen. So sind auch dem Generalbundesanwalt die nötigen finanziellen Mittel bewilligt worden. Bei den immer häufiger werdenden grausamen Terroranschlägen ist es die Aufgabe jedes einzelnen Politikers, auch der GRÜNEN, dafür Sorge zu tragen, daß unser Generalbundesanwalt sowohl finanziell als auch personell hervorragend ausgestattet wird. ({4}) - Das glaube ich, denn Sie haben gerade sogar dafür plädiert, das Amt für Verfassungsschutz abzuschaffen. Auch in anderen Bereichen haben wir personelle Verstärkungen vorgenommen und die notwendigen Ausgaben veranschlagt. Hier möchte ich insbesondere den Bundesfinanzhof, das Deutsche Patentamt und die Vorbereitung der Errichtung eines Internationalen Seegerichtshofes in Hamburg erwähnen. Der Bundesfinanzhof ist - besonders seit 1980 - so stark belastet, daß die Rechtspflege zu leiden droht. Die Zahl der Eingänge steigt steil an. Herr Dr. de With, wir haben vor kurzem einen neuen Senat im Bundesfinanzgericht eingerichtet, und trotzdem wachsen die Rückstände. ({5}) - Ja, warten Sie ab! Die Lage spitzt sich weiter zu, denn die Zahl der bei den Finanzgerichten der Länder anhängigen Rechtsstreite erhöht sich von Jahr zu Jahr. In Zukunft ist deshalb mit einer weiteren Zunahme der Zahl der Revisionsverfahren zu rechnen. Dem muß der Bundesfinanzhof gewachsen sein, und deshalb, Herr Dr. de With, haben wir für den Haushalt 1987 entsprechende Voraussetzungen geschaffen. Wir werden nämlich einen kompletten neuen Senat, den 10. Senat, einrichten, ({6}) und dabei sind auch die Hilfskräfte und die sächlichen Verwaltungsausgaben mit eingeplant. ({7}) - Das wissen Sie doch, lieber Herr Müller! Das sind wir grundsätzlich. ({8}) Als Berichterstatter habe ich diesem 10. Senat zugestimmt, habe allerdings auch klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sich jeder Richter am Bundesfinanzhof in Zukunft genau überlegen muß, wie viele Aufsätze in Fachzeitschriften und wie viele Bücher er veröffentlicht. Es ist zu hoffen und zu wünschen, daß nun die Dauer der Verfahren abgekürzt wird und die Rückstände abgebaut werden, denn der Bürger hat ein Anrecht darauf, daß seine Gerichtsverfahren pünktlich erledigt werden. ({9}) - Ich sehe, das wird sogar von den GRÜNEN akzeptiert werden. Ich möchte mich nun dem Deutschen Patentamt zuwenden. Es ist nach wie vor eines der größten und leistungsfähigsten Patentämter der Welt, und das soll auch so bleiben. Wir sind so international, daß wir aus unserem Deutschen Patentamt sogar zwei Beamte nach China geschickt haben, die dort das chinesische Patentamt mit einrichten. Wir haben im Haushalt 1987 neue Planstellen bewilligt, und wir haben insbesondere dafür gesorgt, daß eine von Hammerstein elektronische Patentdatenbank eingerichtet wird, die für die Industrie und für die sonstige interessierte Öffentlichkeit wahnsinnig wichtig ist. Man kann sich damit direkt per Telefon über das technische Wissen informieren lassen. Ich bin der Auffassung, wir sollten uns dieser Technik nicht verschließen. ({10}) Ein anderes Vorhaben der Bundesregierung ist jetzt hervorzuheben: Hamburg soll Sitz des Internationalen Seegerichtshofes werden. Wir unterstützen das nachdrücklich und sagen unsere Hilfe zu. Der Bundesminister der Justiz hat die Vorbereitungen der Errichtung des Internationalen Seegerichtshofes übernommen. Es ist sein Ziel, daß sofort mit dem Bau begonnen werden kann, wenn die weitere Entwicklung der mit dem Übereinkommen zum Seerecht zusammenhängenden Fragen dies erfordert. Ich hoffe, Herr Minister, daß wir Erfolg haben, denn es gibt ja auch in den europäischen Partnerländern große Städte bzw. Hauptstädte, die ebenfalls daran interessiert sind, Sitz des Seegerichtshofes zu werden. Lassen Sie mich nun noch einige Bemerkungen zur Rechtspolitik der Bundesregierung machen. Auch dieses letzte Jahr der Legislaturperiode war ein erfolgreiches Jahr der Rechtspolitik. Zahlreiche wichtige und notwendige Gesetze wurden verabschiedet. Ich will hier nicht alle aufzählen, sondern möchte mich auf wenige beschränken. Am 7. November dieses Jahres hat der Deutsche Bundestag das erste Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren beschlossen. Damit ist eines der zentralen Vorhaben der Bundesregierung verwirklicht worden. Wir begrüßen nachdrücklich, daß die Opfer von Straftaten in Zukunft nicht mehr weitgehend hilf- und schutzlos im Schatten des geltenden Rechts stehen, sondern sich ihre Stellung im Strafverfahren entscheidend verbessert. Ich denke dabei an die Umgestaltung der Nebenklage und vor allem an den besseren Schutz der Privat- und Intimsphäre des Verletzten. Den Opfern wird das Recht eingeräumt, Fragen aus dem persönlichen Lebensbereich generell zu beanstanden. Bei der Erörterung höchstpersönlicher Angelegenheiten kann in größerem Umfange als bisher die Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden. Das Spießrutenlaufen vergewaltigter Frauen war eines Rechtsstaates unwürdig; ({11}) es muß endlich der Vergangenheit angehören. Mit dem Gesetz haben wir ein wichtiges Ziel erreicht. Selbstverständlich werden wir über weitere Schritte strafrechtlicher Opferhilfe, etwa über eine noch stärkere Berücksichtigung des Wiedergutmachungsgedankens, nachdenken. Es wurde höchste Zeit, daß den Hinterbliebenen der grausamen Terroristenmorde schnellstens geholfen werden kann. Ich bin der Auffassung, daß das das Wichtigste in dieser Legislaturperiode in diesem Bereich war. Ich möchte aus dem Bereich der Rechtspflege ein weiteres Gesetz ansprechen, das Gesetz zur Erhöhung der Sachverständigenvergütungen, der Zeugenentschädigung und der Anwaltsgebühren, die sogenannte Kosten-Novelle. Die Anpassung der Entschädigungen für Zeugen, Sachverständige und ehrenamtliche Richter war überfällig. ({12}) Seit 1977, also fast zehn Jahre, ist keine Gebührenerhöhung mehr vorgenommen worden. ({13}) - Auf Ihren Antrag. Aber da nun wir in der Koalition die Mehrheit stellen, gehe ich davon aus, daß wir das durchgebracht haben. ({14}) - Danke schön. Besonders begrüße ich die Verdoppelung der Entschädigungssätze für Hausfrauen, einen weiteren kleinen Schritt auf dem Weg zu einer gerechteren Einschätzung der Arbeit von Hausfrauen. ({15}) - Darauf komme ich noch. Für mich als Mittelständler war es ebenfalls sehr notwendig, maßvolle Erhöhungen der Anwaltsgebühren vorzunehmen. Das jetzt verabschiedete Gesetz hat die Gebühren der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt. Für die nächste Legislaturperiode wollen wir eine Strukturreform der Kostengesetze. Leider ist meine Zeit abgelaufen. Wir, die CDU/CSU, stimmen dem Haushalt des Bundesministers der Justiz zu. ({16})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Mann.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen dem Haushalt des Bundesministers der Justiz mit seinem bescheidenen Anteil von 0,15 % am Gesamthaushalt nicht zu. Ich denke, daß im Rechtsausschuß, insbesondere in der Sitzung vom 24. September 1986, zu diesem Haushalt ausreichend Stellung genommen worden ist. Deshalb möchte ich mich heute noch einmal grundsätzlich mit der Rechtspolitik der sogenannten liberal-konservativen Bundesregierung auseinandersetzen. ({0}) Mein bei der letztjährigen Haushaltsdebatte am 28. November 1985 erhobener Vorwurf, die Bundesregierung sei ein Sicherheitsrisiko für den freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat, ist durch die Ereignisse der vergangenen zwölf Monate überzeugend bestätigt worden. An dieser Stelle will ich nur die Stichworte Überwachungsgesetze, Asylrecht und das sogenannte Antiterrorgesetz nennen. ({1}) Die Bilanz der Rechtspolitik der Wende-Regierung vier Jahre nach dieser Wende ist düster, Herr Marschewski. Von einem Glanzstück kann fürwahr nicht die Rede sein. Grundsätze, von denen sich der Bundesjustizminister oder gar die Bundesregierung leiten ließen, sind, Machterhalt und Koalitionsraison ausgenommen, schwerlich erkennbar. Flick-Skandal, der gescheiterte Amnestieversuch im Hinblick auf die Parteispendenverfahren, die Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung mit der Abschaffung der ersten Tatsacheninstanz bei den Verwaltungsgerichten als erstes Sondergesetz für den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf, die Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts, die Einbringung der sogenannten Sicherheitsgesetze mit der am 28. Februar 1986 beschlossenen Einführung des maschinenlesbaren Personalausweises einschließlich der Schleppnetzfahndung und nun heute im Rechtsausschuß als krönender Abschluß, wenn auch ohne Kronzeugenregelung, ein sogenanntes Antiterrorgesetz bilden eine wahrhaft explosive und für die Grundlagen unserer Rechtsordnung brandgefährliche Mischung. ({2}) Bereinigt von der Kronzeugenregelung ist die Zielrichtung Ihrer angeblichen Terrorismusbekämpfung in den gestrigen und heutigen Gesetzesberatungen im Ausschuß noch einmal überdeutlich geworden. Die Antiatombewegung soll mit einem juristischen Flächenbombardement in die terroristische Ecke getrieben werden. ({3}) Herr Dr. Stark, mit der Erweiterung der Vorschriften über die terroristische Vereinigung sollen die RAF, militante Anarchisten sowie die diffuse Szene von autonomen und spontanen Chaoten, wie die „Süddeutsche Zeitung" heute die Kniebeuge der FDP gegen den Unfallvorwurf treffend kommentiert, in einen Topf geworfen werden. Generalbundesanwalt und Bundeskriminalamt werden angesichts der Ausuferung ihrer Zuständigkeiten zu Bundessonderbehörden, die mit föderalen Grundsätzen und der Justizhoheit der Länder unvereinbar sind. Es handelt sich hier um ein weiteres Sondergesetz zur Durchsetzung des Atomprogramms und insbesondere der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf. ({4}) In einem für Ihre rechtspolitische Gesetzgebungsarbeit typischen, die kritische öffentliche Auseinandersetzung scheuenden Eilverfahren, setzen Sie sich unter Mißachtung der parlamentarischen Mitwirkungsrechte der Opposition über alle Einwände hinweg. Die Forderung nach einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Ursachen des Terrorismus wischen Sie mit machtbewußter Mehrheitsgeste vom Tisch. Kohl, Bangemann, Engelhard und Zimmermann als Hüter des Rechtsstaates - wer denkt da nicht an Biedermann und die Brandstifter? ({5}) Das von diesen Herren für das gemeine Volk so gern bemühte Rechtsbewußtsein vermag ich bei Ihnen - leider sitzt nur der Bundesjustizminister auf der Regierungsbank - nicht festzustellen. ({6}) Recht als Mittel zum Machterhalt - das ist zugespitzt die Devise Ihrer Rechtspolitik. Recht als Schutz des Schwächeren und Mittel zum Erhalt oder gar zur Erweiterung bürgerlicher Freiheit ist dieser Regierung im Grunde fremd. ({7}) Die Verketzerung unserer Gesetzesinitiative für ein allgemeines Einsichtsrecht in Umweltakten durch den Kollegen Regenspurger von der CSU vor zwei Wochen ist dafür ein überzeugender Beleg. Da ich Ihnen hinsichtlich der Dimensionen dieser Entwicklung vom freiheitlichen Rechtsstaat zum obrigkeitlichen Sicherheitsstaat nicht böse Absichten unterstellen will, empfehle ich Ihnen zur Lektüre nachdrücklich das Referat, welches der Hannoveraner Staatsrechtler Professor Hans-Peter Schneider auf dem republikanischen Anwältinnen-und Anwältetag in Berlin zum Thema „Von der Bürgerfreiheit zur Sicherheitsversorgung" gehalten hat; auszugsweise in der „Frankfurter Rundschau" vom 8. November veröffentlicht. Schneider führt überzeugend aus, daß ein Staat der Freiheit des ganzen Volkes - ich zitiere letztlich jedoch nur von einer demokratischen Gesellschaft hervorgebracht werden, - kann die nicht der totalen Überwachung und staatlichen Kontrolle unterliegt. Denn die Selbstverwirklichung des einzelnen erfordert unabdingbar Freiräume, die einzig durch Mitbestimmung und mehr Bürgerbeteiligung nicht nur an der politischen Willensbildung, sondern in allen sozialen Lebensbereichen, namentlich im Produktionsprozeß, erkämpft werden können und müssen. Soweit Schneider. ({8}) Wir GRÜNE setzen Ihrem obrigkeitlichen Staatsverständnis und Ihrer Fixierung auf Sicherheit unsere Alternativen für mehr Demokratie entgegen wie z. B. unsere Gesetzesinitiativen zur Einführung eines Umweltgrundrechtes, der Verbandsklage für Natur- und Umweltschutzverbände sowie das erwähnte allgemeine Akteneinsichtsrecht, ({9}) nicht nur für den Umweltbereich, sondern für den gesamten Bereich der öffentlichen Verwaltung. Dazu gehören aber auch die Forderung nach einer Stärkung des Petitionsrechtes als eines Grundrechtes der Bürgerinitiativen sowie - und jetzt hören Sie einmal gut zu - als zentrale Herausforderung für die gegenwärtige Parteiendemokratie der Bonner Republik die Forderung nach Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auf allen politischen Ebenen. Für Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, ist Ruhe immer noch die erste Bürgerpflicht. Sie verwechseln inneren Frieden, Rechtsfrieden mit Friedhofsruhe. ({10}) Politische Spannungen, Kontroversen, Machtkämpfe, auch demonstrativer Druck, Widerspruch und das Recht auf Opposition bilden geradezu die Lebensluft des demokratischen Gemeinwesens. Freiheit, auch politische Freiheit, birgt immer individuelle Risiken, vor denen es keine absolute Sicherheit gibt. Soweit noch einmal Schneider. Wir GRÜNE nehmen den Bürgerwillen - nicht nur wie Sie in Sonntagsreden vom mündigen Bürger - tatsächlich ernst. Sie hingegen malen beispielsweise gegenüber den Hunderttausenden friedlich protestierender Demonstranten der Friedensbewegung oder der Antiatombewegung das Schreckensbild der Straße, ({11}) die ohne Legitimation Druck auf Parteien und Politiker ausübe. Das ist im Kern vordemokratisches obrigkeitsstaatliches Denken. Eine Wurzel dieses Denkens liegt in der Verdrängung der Perversion des Rechts unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Demokratische Rechtspolitik setzt voraus, daß wir die Ursachen der Zerstörung der Rechtsordnung im Dritten Reich verarbeiten. Die Wiedergutmachung des vor allem auch von schrecklichen Juristen im Namen des Rechts - ich erinnere an Herrn Globke und Herrn Filbinger - zu verantwortenden millionenfachen Unrechts der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft ist eine grundlegende rechtspolitische Aufgabe. Auch hier haben Sie versagt. Ich erinnere an das unwürdige Tauziehen innerhalb der Koalition hinsichtlich der Behandlung der sogenannten Ausschwitz-Lüge. In widerlicher Aufrechnungsmentalität - das zu der Frage nach der Stahlhelm-Fraktion - haben Sie, Herr Erhard, wie es der Vorsitzende des Richterbundes ausgedrückt hat, die Ermordung von sechs Millionen Juden mit der Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges zu relativieren versucht. Dieses Gesetz, der Besuch Bundeskanzler Kohls mit Reagan auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg 40 Jahre nach Kriegsende, die jüngste Beleidigung des sowjetischen Parteichefs Gorbatschow durch den Goebbels-Vergleich des Bundeskanzlers sind nicht zufällig. Das beweist die Rede des Kollegen Dregger zum Volkstrauertag. Der Bundeskanzler, von sich selbst mit der Gnade der späten Geburt ausgestattet, Schulter an Schulter mit Alfred Dregger und Franz Josef Strauß bei dem Bemühen, den äußersten rechten Rand des politischen Spektrums abzudecken: Dazu paßt die Diskussion um die Aushöhlung des im Grundgesetz verbürgten Grundrechts auf politisches Asyl in den Sommermonaten zum Zwecke des bayerischen Wahlkampfs. Ganz auf dieser Linie liegt die Behandlung der grünen Wiedergutmachungsinitiativen und die Behandlung unseres Antrags zur Nichtigerklärung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses in der letzten ordentlichen Sitzung des Rechtsausschusses. Mit dem Beschluß zur Einholung eines rechtshistorischen Gutachtens, Herr Kollege Seesing, ob und, wenn ja, inwieweit das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses Ausdruck und Ausfluß von nationalsozialistischem Gedankengut war, versuchen Sie sich um die geschichtliche Verantwortung der Deutschen für die Opfer nationalsozialistischer Gewalt- und Willkürherrschaft herumzudrücken. ({12}) Wir GRÜNE werden auch im 11. Deutschen Bundestag die konkrete Verantwortung für die deutschen NS-Juristen zum Prüfstein für die Demokratiefähigkeit aller im Bundestag vertretenen Parteien machen. Vielen Dank. ({13})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Beckmann.

Klaus Beckmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege de With, ich weiß gar nicht, warum Sie sich hier über das zügige Gesetzgebungsverfahren so aufregen, das wir zur Zeit bei den Antiterrorgesetzen handhaben. ({0}) Ich erinnere Sie daran, daß die sozialliberale Koalition Ende der 70er Jahre beim Kontaktsperregesetz ({1}) mit ähnlicher Durchsetzungskraft aus Notwendigkeit heraus ({2}) dieses Gesetz durchs Parlament gebracht hat, wobei ich allerdings anmerken möchte, daß Sie seinerzeit dagegen waren, demjenigen, der der Kontaktsperre unterlag, einen Rechtsbeistand beizustellen. Diesen Rechtsbeistand haben wir erst in dieser Legislaturperiode mit der Koalition der Mitte durchsetzen können. Das verstehen wir unter liberaler Rechtsstaatspolitik.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten de With?

Klaus Beckmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, im Augenblick nicht. Vielen Dank. ({0}) Ich möchte dem Kollegen Mann zu seinen, wie ich meine, sehr eindrucksvollen Ausführungen ein Wort zuwenden. Verehrter Herr Kollege Mann, offensichtlich befinden Sie sich in einem grundsätzlichen Irrtum über das, was liberale Rechtsstaatspolitik ist. Für uns Liberale ist der liberale Rechtsstaat kein schwacher Staat, sondern ein Staat, der kraftvoll für die Durchsetzung und Einhaltung der Rechte der Bürger eintritt. Das ist unsere Grundüberzeugung. ({1}) Aber Sie, Ihre Fraktion und die GRÜNEN insgesamt, wollen den schwachen Rechtsstaat. Ich möchte einmal an das erinnern, was wir zu Beginn der Legislaturperiode von der Sprecherin der grünen Fraktion in diesem Hause über die Durchsetzung Ihrer politischen Ideen in einer Demokratie, in einem Rechtsstaat unserer Prägung gehört haben. Ihre Sprecherin hat damals gesagt: Wir GRÜNEN, wir sind keine Partei, wir sind eine Bewegung. Wenn wir uns mit unseren Ideen nicht hier im Parlament durchsetzen können, dann gehen wir auf die Straße. Das ist Ihr Verständnis von Parlamentarismus und von Demokratie. ({2}) Auch das müssen die Bürger draußen einmal wissen. ({3}) Meine Damen und Herren, es geht nun auf das Ende der Legislaturperiode zu, aber leider auch, wie wir in diesen Tagen oft gehört haben, auf den Höhepunkt des Wahlkampfes. Bilanzen werden gezogen, Vorsätze für eine neue Legislaturperiode formuliert. Es fällt dabei auf, daß der Bereich der Rechtspolitik in den Darstellungen eigentlich aller Parteien immer nur einen relativ geringen Raum einnimmt. Man fragt sich natürlich, warum das so ist. ({4}) Ich vermag eine Antwort darauf nicht zu geben. Ich kann nur Vermutungen anstellen. ({5}) Ein Grund, so vermute ich, ist darin zu sehen, daß unsere Bürger, unsere Wähler rechtsstaatliche Regelungen manchmal als etwas Unverständliches, etwas Unbedeutendes ansehen. Es müßte daher unsere Aufgabe als Parlament sein, dem Bürger besser als bisher zu verdeutlichen, welche Ziele die Rechtspolitik eigentlich verfolgt, vor allem deutlich zu machen, welche konkreten Auswirkungen unsere Arbeit auf den einzelnen Bürger hat. ({6}) Aber was tut die Opposition, Herr Kollege Emmerlich, statt dessen? Sie debattieren auf Nebenschauplätzen und verlieren sich in Nichtigkeiten. Das ist jedenfalls der Eindruck, der in der Öffentlichkeit von der Rechtspolitik der SPD und denjenigen, die sie betreiben, entsteht. ({7}) Ich verstehe, daß die Opposition darauf bedacht sein muß, die Unterschiede zur Politik der Koalitionsregierung darzustellen, daß sie Standpunkte beziehen und auch Kritik üben muß; aber ich verstehe nicht, warum die SPD nicht so ehrlich ist, zuzugeben, daß zumindest, was den Bereich der Rechtspolitik anbetrifft, ein großes Maß an Übereinstimmung zwischen Opposition und Regierungsmehrheit besteht, daß ein großer Teil der Gesetzesvorhaben in diesem Bereich mit Zustimmung der Opposition bzw. mit Zustimmung der SPD - das ist zur Zeit ein feiner Unterschied ({8}) erarbeitet und verabschiedet werden konnte. Sie sollten ruhig einmal zugeben, Herr Kollege de With - das fände ich gut -, daß so wichtige Gesetzesvorhaben wie das Bilanzrichtliniengesetz ({9}) und das Opferschutzgesetz von Ihnen mit verhandelt und in ganz wesentlichen Teilen mitgetragen wurden. Sie sollten einmal Ihren Wählern sagen, daß diese Scheingefechte um das Demonstrationsstrafrecht und den sogenannten Kronzeugen nur Vorwand sind, um die offensichtlich bestehenden Übereinstimmungen zu vernebeln. ({10}) Sie sollten einmal klarmachen, daß die Parlamentsmehrheit nicht nur ihre eigenen Vorstellungen durchgesetzt hat, sondern sehr wohl auch auf die Vorschläge und Anregungen der SPD bei den Gesetzesvorhaben eingegangen ist und sie mit berücksichtigt hat. ({11}) Ich erinnere Sie daran, daß neben den bereits genannten Gesetzen eine Vielzahl anderer Gesetze ebenso in wesentlichen Punkten von Ihnen mitgetragen wurden. Das geht vom Internationalen Privatrecht über das Urheberrecht bis zum Geschmacks- und Gebrauchsmustergesetz, vom Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität über das Strafverfahrensänderungsgesetz bis hin zu den erst kürzlich verabschiedeten Kostengesetzen, um nur einige Beispiele zu nennen. Aber ich will Ihnen das natürlich nicht vorhalten. Ihre Wähler verlangen vielleicht von Ihnen die Auseinandersetzung mit der Regierung, sie wünschen aber sicherlich von Ihnen keine Polemik. Schade ist eigentlich nur, daß dieses Stück Parlamentsalltag im tagespolitischen Geplänkel so vollständig untergeht. Auch darauf sollte einmal hingewiesen werden, wenn es darum geht, Bilanz zu ziehen. Ich meine, unsere Bilanz kann sich durchaus sehen lassen. Wir können mit Stolz sagen, daß wir in den vergangenen vier Jahren etwas bewegt haben. Wir haben für den Bürger und seine Rechte etwas mehr Platz geschaffen. ({12}) Wir haben angefangen, das Recht zu entrümpeln und zu modernisieren. Zudem haben auch die Rechtspolitiker bewiesen, daß sie noch fähig sind, selbständig zu handeln und entgegen den Vorgaben der Exekutive eigene Vorstellungen zu verwirklichen. Dies ist insbesondere am Beispiel der Beratungen zum Bilanzrichtliniengesetz deutlich geworden. Die Beratungen zu diesem Gesetz waren dadurch gekennzeichnet, ({13}) daß wir uns bemüht haben, den Vorschlägen der Exekutive eigene, zum teil völlig neue Konzeptionen entgegenzustellen. Das ist sicherlich für den einzelnen mit der Materie beschäftigten Politiker befriedigend, bedeutet aber einen Arbeitsaufwand, der nicht bei jedem Gesetzesvorhaben möglich und praktikabel ist. Für mich ist das jedoch ein Beispiel aktiver und vor allem effektiver Parlamentsreform, das Schule machen sollte. Wir Rechtspolitiker, meine Damen und Herren, mußten in den vergangenen vier Jahren überhaupt feststellen, daß der Unterschied zwischen der Rechtspolitik und anderen Bereichen darin besteht, daß die einen ihre Vorhaben in der Zeitung, die Rechtspolitik ihre im Bundesgesetzblatt wiederfinden. Das kennzeichnet nach unserer Auffassung ganz entschieden die Arbeit des Rechtsausschusses. Daß dies nicht ohne aktive Unterstützung und nicht ohne das besondere Engagement des Bundesjustizministers Hans Engelhard und seiner Beamten möglich gewesen ist, ist selbstverständlich. Ihnen gilt daher heute unser aller Dank und die Zusicherung, daß wir uns auch in Zukunft für Ihre Belange und Vorhaben einsetzen werden. ({14}) Zum Schluß, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein Wort zu der bereits vielfach angesprochenen sogenannten Kronzeugenregelung. ({15}) Ich meine, wir sollten auch hier einmal ehrlich sein. Die Aufregung, über die von den Koalitionsfraktionen diskutierte Regelung, auch den Mörder bei entsprechendem Verhalten straffrei zu stellen, hat gerade bei der SPD eine Welle der Empörung ausgelöst; unter Wahlkampf- und Opportunitätsgesichtspunkten durchaus verständlich; von der Warte eines ernsthaften Politikers aus gesehen, dagegen völlig unverständlich, manche sagen auch: heuchlerisch. Das aus zwei Gründen: Zum einen dürfte mittlerweile jedem halbwegs interessierten Bürger klar sein, daß der erste Anstoß zur Einführung der sogenannten Kronzeugenregelung ein Gesetzentwurf des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 1975 war, den der Bundesrat mit der Zustimmung auch der damals SPD-regierten Länder dem Bundestag zugeleitet hat. ({16}) Das kann man alles in den betreffenden Protokollen nachlesen, und jedem, der es immer noch nicht wahrhaben will, kann man es gerne darlegen und beweisen. Zum zweiten: Seit wann - so muß man doch ernsthaft fragen - ist es eigentlich verwerflich, eine Regelung in den Bundestag einzubringen, diese zu diskutieren, eine Anhörung durchzuführen und dann daraus seine Erkenntnise für die weitere Behandlung dieses Vorhabens zu ziehen? Seit wann wollen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, das Parlament und sich selbst zu einer reinen Abstimmungsmaschine degradieren lassen? Das Gegenteil haben Sie doch soeben in Ihren Ausführungen dargelegt. Denn es würde ja nichts anderes bedeuten, als daß man nur noch einen Gesetzentwurf für die Behandlung im Parlament als legitim ansehen würde, der bereits in allen Einzelheiten abgestimmt und vorbehandelt ist. Damit würden Sie sich selbst ad absurdum führen. Das doch wohl nicht. Es muß doch erlaubt sein, ohne daß man gleich als Demokratieschänder oder als Rechtsbeuger beschimpft, ja, nach meinem Empfinden geradezu beleidigt wird, die Probleme zu diskutieren und neue Erkenntnisse zu gewinnen. ({17}) Ich kann aus Ihrem Vorhaben nur den Schluß ziehen, meine Damen und Herren von der SPD, daß Sie, wenn Sie einen Entwurf eingebracht haben, auch stur bis ans Ende an ihm festhalten wollen. Diese Aussicht beruhigt mich allerdings sehr. So wird man Ihnen aber, glaube ich, diesen Gefallen nicht tun: Sie werden nicht in die Verantwortung befördert. Wir jedenfalls, meine Damen und Herren, sind mit der Bilanz der Rechtspolitik dieser Legislaturperiode zufrieden und werden auch in den nächsten Jahren Kurs halten. Den Haushalten des Bundesministers der Justiz und des Bundesverfassungsgerichts werden wir daher gerne zustimmen. Vielen Dank. ({18})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich erteile dem Herrn Bundesminister der Justiz das Wort.

Hans A. Engelhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000472

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der zweiten Lesung des Einzelplans 07 danke ich zunächst einmal sehr herzlich dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages, voran den zuständigen Berichterstattern, Frau Kollegin Zutt, Herrn Kollegen von Hammerstein und Herrn Abgeordneten Suhr. Wir sind auch in diesem Jahr bei unserem dem Umfange nach sehr kleinen Haushalt mit unseren Wünschen gut bedient worden, und ich will dies ausdrücklich hervorheben. ({0}) Dankenswerterweise hat Herr Kollege von Hammerstein Gelegenheit genommen, hier in der Aussprache bereits einige der zentralen Vorhaben, die auch etwas mehr Geld kosten, hervorzuheben. Da steht an der Spitze das Deutsche Patentamt, ({1}) das ja auch von unseren Einnahmen her an der Spitze steht und es mit sich bringt - wie ich eigentlich gerne in jedem Jahr wiederholen möchte -, daß von dem, was wir ausgeben, etwa drei Fünftel auch von uns eingespielt wird. Mit jetzt 205 Millionen DM jährlich an Gebühren steht das Deutsche Patentamt dabei an der Spitze. Der Aufbau einer Patentdatenbank und eine Reihe anderer notwendig gewordener Einrichtungen bringen höhere Ausgaben, ({2}) und bringen es mit sich, daß hier, wenn auch in sehr bescheidenem Ausmaß, prozentual der Justizetat diesmal etwas expandiert ist. Ich möchte aber zum zweiten die Gelegenheit nehmen, jetzt zum Ende der Legislaturperiode sehr herzlich den Mitgliedern des Rechtsausschusses meinen Dank zu sagen. Es ist ja bekannt, daß der Rechtsausschuß zu Ende jeder Legislaturperiode, weil er in so vielen Fragen auch mitberatend tätig ist, jenes Nadelöhr ist, durch das ein Gesetzentwurf - ähnlich wie jenes biblische Kamel - sehr schwer hindurchzukommen pflegt. ({3}) Da ist es dann schon das Problem, den Rechtsausschuß und seine Mitglieder dafür zu gewinnen, mit äußerster Intensität und Anspannung an der Arbeit zu bleiben. Immer wieder geschieht dies, und dafür möchte ich sehr herzlich danken, auch dafür, daß man im Durchblick der Dinge die Akzente richtig setzt und etwa den Gesetzentwurf zum Opferschutz, obwohl relativ spät vorgelegt, in einer in den Einzelheiten sicherlich nicht immer sehr einfachen Beratung noch hat passieren lassen. ({4}) Dafür möchte ich ausdrücklich meinen Dank sagen. Wenn ich über den Rechtsausschuß und seine viele Arbeit spreche, dann kann ich sagen: Die Bundesregierung und im Gefolge das Parlament, wir haben gemeinsam unsere Arbeit getan. Und wenn man dann auf jene vier Jahre zurückblickt, dann wird man unter dem Strich feststellen können: Es reichen die fünf Finger einer Hand aus, um das aufzuzählen, was vorgelegt worden ist, aber in dieser Legislaturperiode nicht im Bundesgesetzblatt seinen Platz finden wird. Das ist dann beispielsweise ein Vorhaben, zu dem vor jetzt genau 30 Jahren die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag den ersten Anstoß gab, die Verwaltungsprozeßordnung, um für drei verschiedene Gerichtsbarkeiten eine einheitliche Verfahrensordnung zu schaffen. 30 Jahre ist dies nicht gelungen. Und auch diesmal hat es sich nicht realisiert. Aber alles übrige - von diesen etwa fünf Vorhaben einmal abgesehen - ist verwirklicht worden; diese Arbeit haben wir geleistet. Und jetzt fällt mir folgendes auf: Die SPD tut sich in der Oppositionsrolle, so wie sie sie versteht, zunehmend schwerer. Es ist j a einmal ganz interessant, Protokolle, noch nicht vergilbtes Papier nachzulesen. Da wurde zunächst einmal bei Haushaltsberatungen gesagt: Der Minister taugt nichts, diese Regierung tut nichts. ({5}) Dann wurde gesagt: Ja, wenn sie etwas tut, dann tut sie das Falsche. ({6}) Und jetzt, wo nicht abzustreiten ist, daß rund 30 Vorhaben - zu einem erheblichen Teil mit Ihren Stimmen - verabschiedet worden sind, überlegt man sich, was man jetzt sagen kann. Da haben wir heute von Herrn Kollegen de With gehört: Das liegt zum ganz erheblichen Teil daran, daß so gute Vorarbeiten von mir vorgefunden wurden, man nur abzuschreiben brauchte; was ist es dann für ein Kunststück, etwas zustande zu bringen? Ich sage Ihnen: Ich finde die Entwicklung ja gar nicht schlecht, daß auch der Ton moderater geworden ist. Denn im November 1984 hat Herr Kollege Dr. Emmerlich in einem auch speziell auf meine Person zielenden rechtspolitischen Rundumschlag ({7}) alles und alles schlechtgeheißen. ({8}) Im Jahr darauf, im November 1985, stand hier - wie könnte es bei einer Dame anders sein - Frau Kollegin Zutt und hat es - neben sehr interessanten haushaltspolitischen Bemerkungen - ganz offensichtlich schwer gehabt darzulegen, warum man diesen Haushalt ablehne. Und heute kommt Herr Kollege de With - eigentlich freue ich mich darüber - und versucht - na, wie sagt man? -, die Kurve zu kratzen. Weil es so schwerfällt, zur Ablehnung zu kommen, ({9}) muß man sich halt manches, was so überzeugend nicht klingt, noch einfallen lassen. Ich will in der Kürze der Zeit auf einiges von dem, was Sie gesagt haben, eingehen. Bei einem Parlamentarischen Abend vor wenigen Wochen ist von einem namhaften Verbandspräsidenten bekundet worden, diese 10. Legislaturperiode sei im Bereich des gewerblichen Rechtschutzes die erfolgreichste gewesen: ({10}) Novellierung des Urheberrechts, Gesetzentwurf zum UWG, aber dann ganz speziell die Änderung des Geschmacksmuster- und des Gebrauchsmusterrechts. Da sind nicht nur die Patentanwälte gut bedient, die sich selbstverständlich freuen. Hier ist für die Innovationskraft in unserem Lande bis hin zu einem deutlichen Zeichen, daß wir zu Berlin stehen ({11}) und nicht nur neue Arbeitsplätze schaffen, sondern Berlin nicht vergessen und hier einen wichtigen Akzent setzen, viel getan worden, was, ausstrahlend in die wirtschaftliche Kraft unseres Landes, vieles und Gutes bewirken wird. Sie sagten, Herr Kollege de With: Die Entlastungsgesetze haben sich nicht realisiert. Dies ist nicht richtig. Wir haben voran dem dringenden Übel abgeholfen, daß das Bundesverfassungsgericht in Gefahr war, von wesentlichen zentralen Entscheidungen abgehalten zu werden, überflutet von der Vielzahl der Verfassungsbeschwerden. ({12}) Hier haben wir etwas getan. ({13}) Auch das Strafverfahrens-Änderungsgesetz wird Wirklichkeit werden. Wir haben als Bundesregierung alles rechtzeitig vorgelegt. Wenn man im Bereich der Zivilprozeßnovelle unter dem Drang der Geschäfte im Rechtsausschuß zum Ende jetzt nicht mehr ganz zurechtkommt, so kann das in der nächsten Legislaturperiode sehr schnell nachgeholt werden. ({14}) Ich sage mit aller Deutlichkeit, weil wieder der Versuch unternommen wird, hier nicht ganz redlich zu argumentieren: Einen Entwurf zum Insolvenzrecht vorzulegen war für diese Legislaturperiode nie beabsichtigt und nie angekündigt. ({15}) - Nein. Hier bedarf es gewissenhafter Arbeit. Da Sie mich in diesem Zusammenhang als „von altväterlicher Denkweise" beschrieben haben, ({16}) sage ich Ihnen eines: Ich lege in allen Bereichen Wert darauf, zunächst das, was wir an Zahlenmaterial und rechtstatsächlichem Wissen haben, sehr, sehr sorgfältig zu prüfen ({17}) und dann mit behutsamen, vorsichtigen, aber, wenn die Richtung stimmt, sehr festen Schritten voranzuschreiten, um die Vorhaben zu realisieren. Das ist sicher besser als dieses Herumgehupfe, diese Schnellschüsse, auf Grund von Tageseinfällen ({18}) Gedankensplitter zu einem Gesetzentwurf zusammenzupressen, daß draußen darüber berichtet wird, man den vordergründigen Beifall bekommt, aber schließlich erschrocken davon Abstand nehmen muß. ({19})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Bundesminister, sind Sie bereit, Zwischenfragen des Abgeordneten Mann und des Abgeordneten de With zuzulassen?

Hans A. Engelhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000472

Ich bedaure. Ich sehe, daß es von der Zeit her schwierig ist. Ich bitte um Verständnis. ({0}) Ich bitte jetzt um Verständnis, ({1}) weil ich in der Notwendigkeit bin, mich eine ganz kurze Zeit Ihnen, Herr Mann, zuzuwenden. ({2}) Herr Mann, Sie haben hier eine Reihe von Äußerungen getan, die erschrecken müssen, weil ich Sie bisher nicht in diesem Umfang als voll in die chaotische Denkweise Ihrer Fraktion eingebunden angesehen habe. ({3}) Wenn Sie antreten, um dieser Bundesregierung zu sagen, sie sei ein Sicherheitsrisiko für den Rechtsstaat, ({4}) wenn Sie den Versuch machen, hier die Behauptung aufzustellen, dieser Bundesregierung gehe es darum, ({5}) gutwillige, aber in politischer Opposition in diesem Lande stehende Bürger in die terroristische Ecke zu drücken, ({6}) dann frage ich Sie, wo Sie überhaupt leben, ({7}) wo Sie Ihre Existenz führen. Denn ich sage Ihnen ganz klar: Wir wissen, daß wir die Freiheit in diesem Lande nach dem Gedanken und Wortlaut unserer Verfassung zu garantieren haben, ({8}) daß aber Teil dieser Freiheit auch ist, der Gewalttat, in welcher Form und wo immer sie auftritt, zu wehren. ({9}) Wenn Sie zwischen einer kritischen Haltung, zwischen einer oppositionellen Haltung, vielleicht einer unbedachten Haltung und kriminellem Tun nicht mehr den klaren, aber den ganz klaren Trennungsstrich zu ziehen wissen: Wir wissen es, und wir werden danach handeln. ({10}) Wir halten auch am Gedanken der repräsentativen Demokratie fest, Herr Mann, so wie sie in unserer Verfassung verankert ist. Deswegen lehnen wir es auch nach den Erfahrungen unserer Vergangenheit in der Weimarer Republik ab, auf allen Ebenen. wie Sie fordern, den Bürgerentscheid an die Stelle der Gesetzgebung der Parlamente zu setzen. ({11}) - Legen Sie ein Konzept vor, dann werden wir uns klar mit diesen Dingen auseinanderzusetzen haben. ({12}) Ich wende mich dagegen, daß Sie hier den Versuch unternehmen, der Bevölkerung zu erklären, sie würde von anderen für dumm gehalten. Gerade wir, die Liberalen, sind es, die etwa ein Wahlrecht wünschen, das dem einzelnen über die Wahl einer Partei hinaus die Auswahl auch einer Person gestattet. ({13}) Das ist repräsentative Demokratie, die den Bürger in seinem Entscheidungsbereich reicher und einflußreicher macht. ({14}) Über all dies können wir reden. ({15}) Nur: Es bleibt der Kernsatz - und damit kehre ich zurück -, daß, was in dieser Debatte und auch bei der Debatte um den Kanzleretat ja klar zum Ausdruck gekommen ist, Ihre Partei der GRÜNEN bis zum heutigen Tag ein klares Verhältnis zur Gewalt, ({16}) eine deutliche Distanzierung, wo dies notwendig ist, eine glasklare Abgrenzung nicht gefunden hat. ({17})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter Mann, der Herr Bundesminister hat keine Zwischenfrage zugelassen. ({0}) Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans A. Engelhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000472

Bitte.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Bitte sehr, Herr Abgeordneter Mann.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, Sie selbst wissen, wie schwierig es ist, in dieser knappen Zeit von zehn Minuten konsequent Gedanken auszuformulieren. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich bei der ersten Lesung des gestern und heute im Rechtsausschuß behandelten sogenannten Antiterrorgesetzes zu der von Ihnen aufgeworfenen Frage unter Hinweis auf das glasklare Parteiprogramm der GRÜNEN hinsichtlich des Grundsatzes der Gewaltfreiheit ({0}) für unsere Fraktion sehr eindeutig Stellung genommen habe?

Hans A. Engelhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000472

Ich habe Ihre Ausführungen, Herr Mann, im Ausschuß nicht gehört. ({0}) Es sollte mich freuen, wenn von Ihnen, aber auch von allen anderen Mitgliedern Ihrer Fraktion und allenthalben draußen im Lande von den Mitgliedern der Partei der GRÜNEN eine klare Haltung zu diesen Fragen bezogen würde. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Einzelpläne. Wer dem Einzelplan 07 - Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz - in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist angenommen. Wer dem Einzelplan 19 - Bundesverfassungsgericht - in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist bei einigen Enthaltungen angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - Drucksachen 10/6320, 10/6331 Berichterstatter: Abgeordnete Echternach Nehm Hierzu liegen Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 10/6490 und 10/6491 vor. Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Beratung ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Meininghaus.

Alfred Meininghaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001458, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat durch Versprechungen und bombastische Ankündigungen im Bereich des Ministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in den zurückliegenden vier Jahren große Erwartungen geweckt. ({0}) Hier sollte die Konjunktur angekurbelt werden, hier sollten wirksame Raumordnungsmaßnahmen eingeleitet werden. - Herr Möller, ich komme darauf zu sprechen, inwieweit das, was Sie hier zwischenbemerken, den Tatsachen entspricht. Minister Dr. Schneider stellte sich als oberster Anwalt der Mieter dar. ({1}) Die Wohneigentumsquote sollte in wenigen Jahren auf deutlich über 50% angehoben werden, und eine Novellierung des Baurechts durch das Baugesetzbuch sollte ein Jahrhundertwerk werden. ({2}) Am Ende dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages ist es daher nicht mehr als recht und billig, wenn wir die Ergebnisse Ihrer Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, einmal analysieren. Dabei stellen wir fest, daß viele Entscheidungen in diesem Bereich nicht auf Grund der realistischen Bewertung der Notwendigkeiten, sondern zu stark nach finanzpolitischen Gesichtspunkten getroffen worden sind. Und dabei stand das Bauministerium sehr häufig hinten an. Die Konjunkturbelebung in der Bauindustrie läßt nach wie vor zu wünschen übrig. ({3}) Denn mit dem kurzatmigen Strohfeuerprogramm zum Wohnungsbau, mit dem Ausstieg aus der direkten Energiespar- und Modernisierungsförderung, mit der Reduzierung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau, mit der endlosen Verschleppung der steuerlichen Förderung selbstgenutzten Wohneigentums, mit einer kurzfristig aufgestockten, mittelfristig aber perspektivlosen Städtebauförderung, mit der drastischen Reduzierung der Investitionskraft der Städte und Gemeinden hat diese Bundesregierung privaten und öffentlichen Bauinteressenten, der Bauwirtschaft und den Arbeitnehmern in der Bauindustrie schwer geschadet, Herr Kollege. ({4}) Dieser Bundesregierung ist es zuzuschreiben, daß trotz eines riesigen Baubedarfs im Städtebau, im Umweltschutz und in der Infrastrukturerneuerung die Bauinvestitionen auf einen absoluten Tiefstand in der Geschichte der Bundesrepublik herabgesunken sind. ({5}) Selbst die schwache Erholung in diesem Jahr läßt schon wieder deutlich nach. Das sagen auch die Wirtschaftsforschungsinstitute, die vorgestern den neuen Ifo-Konjukturtest vorgelegt haben, Herr Kollege. Auch in der Raumordnungspolitik ist die Bilanz eher dürftig. Viele schöne Worte, dazu noch ein Haufen bedrucktes Papier. Ich möchte den Raumordnungsminister fragen: Was ist getan worden, um die immer bedrohlichere Kluft zwischen wirtschaftsstarken und wirtschaftsschwachen Regionen zu begrenzen? ({6}) Was ist angesichts der katastrophalen Arbeitslosenzahlen in den Krisenregionen getan worden? Was wurde getan, um dem rapiden Anstieg der Zahl von Firmenpleiten, von Zwangsversteigerungen gerade auch in diesen Regionen ein Ende zu bereiten? Welche raumordnerischen Maßnahmen haben Sie ergriffen, um den Wettbewerb unter den Bundesländern im Kampf um Arbeitsplätze und Ansiedlungen von Großunternehmen zu beeinflussen? Das lief bisher zu Lasten des Steuerzahlers und zum Schaden der strukturschwachen Regionen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg hat die traurige Realität soeben noch einmal mit aktuellen Zahlen belegt, die ich Ihnen nicht vorenthalten will: Vor vier Jahren betrug der Abstand der Arbeitslosenquoten zwiMeininghaus schen dem reichsten und dem ärmsten Arbeitsamtsbezirk in der Bundesrepublik etwa 10%. Inzwischen hat sich die Schere ständig weiter geöffnet: 1983 waren es 14 %, 1984 waren es 16 %, 1985 18%, 1986 sind es 20 %. Das heißt, die reichsten Regionen sind immer reicher und die armen Regionen sind immer ärmer geworden. Die Krisenregionen stecken in einem Teufelskreis. Viele Bürger sind dauerarbeitslos und haben keine beruflichen Zukunftsperspektiven. Nur ein kleiner Teil bekommt ja noch Geld vom Arbeitsamt. Viele müssen den Gang zum Sozialamt antreten. Ein Teil der besser qualifizierten Arbeitnehmer sucht für sich das Problem durch Abwanderung zu lösen, ohne daß dies allerdings zu einer spürbaren Entlastung für die jeweilige Region führen kann. Die Bundesregierung ist zu einer Gemeinschaftsanstrengung zugunsten dieser Krisenregionen bisher nicht bereit gewesen. Die Anträge der SPD-Fraktion, nämlich in Gemeinden mit besonders hoher Arbeitslosigkeit durch Förderung mit Zuschüssen und Darlehen erforderliche Maßnahmen der Stadterneuerung und Stadtökologie zusätzlich zu ermöglichen und damit Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen, sind von den Koalitionsfraktionen abgelehnt worden. Richtig ist auch, daß einige Jahre zuvor - - Entschuldigung, ich habe mich vergriffen. ({7}) - Das ist nicht fünf Minuten lang so. Besonders große Anstrengungen hat der Bauminister unternommen, um sich als Anwalt und Freund der Mieter darzustellen. Was sind hier die Tatsachen? Richtig ist, daß nach mehrfachen Verschiebungen und letztlich mit fast zweijähriger Verspätung das Wohngeld angepaßt worden ist. Richtig ist auch, daß einige Jahre zuvor den Rentnern und Schwerbehinderten usw. das Wohngeld gekürzt worden ist. ({8}) Wenn nun mit einer Zahlenakrobatik den Wohngeldempfängern vorgegaukelt wird, daß sie heute besser dastünden als je zuvor, ist dies Augenwischerei. ({9}) Man sollte die vier Millionen Mieter, Herr Kollege Dr. Kansy, nicht für dumm verkaufen wollen. ({10}) Alle diese Mieter können rechnen. Sie stellen fest: Die Wohnkosten und die Wohnnebenkosten sind in den letzten Jahren gestiegen. ({11}) Viel zu spät erfolgte die Anpassung des Wohngeldes. Das, was nun als große Wohltat verkauft wird, war eigentlich längst schon überfällig. Völlig abgehoben von der Realität sind die Behauptungen, daß aus dem ehemaligen Vermietermarkt inzwischen ein Mietermarkt geworden sei, ({12}) als ob der Mieter heute unter einem großen Angebot von Wohnungen nur auszuwählen brauche. ({13}) - Ich bezweifle, daß der Minister und vielleicht auch Sie, Herr Kollege Gattermann, wenn Sie mir dazwischenrufen, in Dortmund sei das so, in den letzten vier Jahren einmal Kontakt mit Wohnungssuchenden hatten. ({14}) Wenn das der Fall sein sollte, müßten Sie nämlich wissen, daß bezahlbare und preiswerte Wohnungen auch heute noch Mangelware sind. ({15}) Ich darf Ihnen weiterhin sagen, daß die Kürzungen und Streichungen der Mittel im sozialen Wohnungsbau und im Mietwohnungsbau für viele Familien katastrophale Folgen haben. Wir werden nicht aufhören, darauf hinzuweisen, daß diese Bundesregierung für die unsozialen Entscheidungen im Wohnungsbau verantwortlich ist. ({16}) Bleibt die Frage zu klären, wie es die Bundesregierung mit dem Mieterschutz hält. Diese Frage konnte selbst vor einigen Wochen in einer Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages in diesem Raum nicht geklärt werden. ({17}) Da reden beispielsweise die Herren Staatssekretär Erhard, Minister Engelhard, Graf Lambsdorff und Minister Schneider in der einen oder der anderen Weise über die Notwendigkeit von Flexibilisierung beim Kündigungsschutz und vom Änderungsbedarf beim Kostenmietenprinzip usw. Am nächsten Tag wird von den gleichen Herren erklärt, daß es bei allen Reformüberlegungen nicht darum gehe, den Mieterschutz in Frage zu stellen. Ich frage allerdings hier - diese Fragen sind neulich in der Aktuellen Stunde offengeblieben -: Was sind Ihre wirklichen Absichten? Soll die Wohnung zukünftig dem freien Spiel des Marktes überlassen bleiben? Wollen Sie den Wohnungsmarkt freigeben? Dies wäre unverantwortlich, denn eine Funktionsfähigkeit des Wohnungsmarktes hat es bisher zu keiner Zeit und in keinem Land gegeben. Deshalb sorgen Sie endlich dafür, daß eine Mieterpolitik für die Menschen gemacht wird und nicht versucht wird, Realitäten durch Theorien zu ersetzen. ({18}) Auch die Anhebung der Wohneigentumsquote über 50 %, meine Damen und Herren, ist Wunschdenken geblieben. Dazu hat die Bundesregierung selber nicht unerheblich beigetragen. Einerseits hat die zögerliche Verabschiedung der steuerlichen Neuregelung des selbstgenutzten Wohneigentums viele potentielle Bauherren verunsichert. Andererseits besteht kein Zweifel daran, daß das neue Gesetz in vielen Fällen zu einer Verschlechterung führt. Den Beziehern mittlerer Einkommen, die beim Hausbau auf besondere Hilfen angewiesen sind, wird es ab 1987 noch schwerer als bisher fallen, ein eigenes Haus zu bauen. Für die meisten bleibt es unmöglich. Wie soll eine Familie mit mittlerem Einkommen heute ein Wohneigentum finanzieren? Fachleute und Forscher sind einhellig der Meinung, daß von dieser Neuregelung des Gesetzes keine nennenswerten Impulse für die Wohneigentumsbildung zu erwarten sind. Und die Bilanz im Städtebaurecht? Das als Jahrhundertwerk angekündigte Baugesetzbuch ist in Wahrheit ein unausgereifter Schnellschuß geworden. ({19}) Trotz aller guten Ratschläge von Wissenschaftlern und Bauexperten haben die Koalitionsfraktionen die Novelle durch die parlamentarischen Gremien gepeitscht. Sie verwässert den Umweltschutz im Städtebau, ({20}) sie läßt einer planlosen Stadtentwicklung freien Lauf. Sie schafft neue bürokratische Tatbestände. Sie schwächt das Mitwirkungsrecht der Bürger. Mit diesem Baugesetzbuch sind die Zukunftsaufgaben des Städtebaus nicht zu bewältigen. Dieses Baugesetzbuch ist nach unserer Auffassung ohne Perspektiven und nicht geeignet, einen vernünftigen Ausgleich zwischen den Interessen von Planung und Wirtschaft und Bürgern herzustellen. ({21}) - Ich stimme den Fachleuten zu, Herr Dr. Möller, die da sagen, das Beste am Baugesetzbuch ist die Tatsache, daß viele neue Kommentare geschrieben werden können. ({22}) Zusammenfassend ist nur festzustellen: In den vier Jahren der hinter uns liegenden Legislaturperiode sind die wichtigen gesellschaftlichen Aufgabengebiete in der Wohnungs- und Städtebaupolitik des Bundes zur Nebensächlichkeit degradiert worden. Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung ist konjunktur- und raumordnungspolitisch ohne Initiative, in der Mieterpolitik undurchschaubar, in der Wohneigentumspolitik gescheitert und in der Städtebaupolitik ohne Zukunftsperspektiven. Wir lehnen diesen Haushalt des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau entschieden ab. - Ich danke Ihnen. ({23})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Echternach.

Jürgen Echternach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000429, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ihre Rede, Herr Kollege Meininghaus, war nicht sehr erhellend für die tatsächliche Lage des Wohnungs- und Städtebaus. ({0}) Um so deutlicher war sie für die Lage der Opposition; denn diese Rede von Ihnen, Herr Meininghaus, hat bestätigt, was die Hamburger Wähler bereits vor gut zwei Wochen festgestellt haben, nämlich daß sich die Opposition immer stärker in ihre eigene Verelendungspropaganda verstrickt, daß sie den Blick für die Wirklichkeit verliert und deswegen auch die Glaubwürdigkeit beim Bürger eingebüßt hat. ({1}) Herr Kollege Meininghaus, ich frage mich, woher Sie den Mut nehmen, sich hier vorne hinzustellen, die unübersehbaren Erfolge und Leistungen der Bundesregierung im Bereich des Wohnungs- und Städtebaus nicht mit einem Wort zu würdigen und statt dessen die alte Melodie anzustimmen von der Baumisere und vom Mieterelend, wie wir sie schon vor vier Jahren gehört haben. Damals, vor vier Jahren, zogen Sie und zogen Ihre Trommler durchs Land, um mit der Mietenlüge den Mietern Angst zu machen, ihnen mit Horrorvisionen weiszumachen, daß wir die Mieten um 30 % erhöhen wollten und dann jährlich um weitere 10% steigern wollten, daß wir die Mieter für vogelfrei erklären würden. In diesen vier Jahren hat die Bundesregierung all diese Horrormärchen glänzend widerlegt. In diesen vier Jahren haben wir den großen Durchbruch am Wohnungsmarkt erzielt. Heute spricht niemand mehr wie noch 1982 von einer neuen Wohnungsnot, sondern heute haben wir im Gegenteil endlich den bundesweit ausgeglichenen Wohnungsmarkt erreicht, auf den wir 35 Jahre hingearbeitet haben. ({2}) Heute haben die Mieter und Eigentümer eine so breite Auswahlmöglichkeit am Wohnungsmarkt wie noch niemals zuvor. ({3}) Heute haben wir tatsächlich - ob Sie es bestreiten oder nicht - einen Mietermarkt und keinen Vermietermarkt mehr. Das zeigt auch die Mietenentwicklung. 1982 hatten wir noch eine Mietensteigerung von über 5%. Diese Mietsteigerungsrate ist von Jahr zu Jahr gesunken. Sie beträgt heute noch ganze 1,8 %. Im freiEchternach finanzierten Mietwohnungsbau, in dem ja das Mietrechtsänderungsgesetz gilt, haben wir eine Mietensteigerung von ganzen 1,6%. Das ist die niedrigste Mietensteigerungsrate, seit es überhaupt eine Mietenstatistik in Deutschland gibt. ({4}) Es kommt noch hinzu, daß 1982 die Einkommen sanken, und zwar im Durchschnitt um 2,3%. Heute hingegen steigen sie im Durchschnitt um 4 %. Das bedeutet in der Konsequenz: Zu Ihrer Zeit mußten die Mieter einen immer größeren Anteil des Einkommens für die Mieten aufwenden. Heute sinkt der Mietanteil am Einkommen der Bürger. Hier zeigt sich einmal mehr: Nichts hilft den Mietern so sehr, nichts schützt sie so sehr wie ein ausreichendes Angebot am Wohnungsmarkt, wofür wir gesorgt haben. ({5}) Nicht weniger wichtig für die Mieter ist die massive Anhebung des Wohngeldes. Eine so starke Anhebung des Wohngeldes wie zu Beginn dieses Jahres hat es noch niemals zuvor gegeben: eine Steigerungsrate von mehr als 40%. Die Verbesserung für die Mieter durch das Wohngeld ist sogar noch weit großzügiger ausgefallen, als es ursprünglich einmal von den Kosten her geschätzt worden ist. ({6}) Die Kosten für die Novelle waren auf 920 Millionen DM geschätzt worden. Sie wird tatsächlich um 400 Millionen DM teurer. Das heißt, all Ihr Gerede von der angeblichen Umverteilung, von der sozialen Kälte, von der neuen Armut wird durch diese soziale Großtat schlagend widerlegt. ({7}) Unsere Wohngeldregelung, Herr Kollege Diederich, gilt auch international als vorbildlich. Vor allem ist sie sozial treffsicher. Sie ist wesentlich treffsicherer als die klassische Objektförderung, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil die Objektförderung zunächst direkt nur den Vermieter fördert und oft genug - siehe das Beispiel der Neuen Heimat - beim Mieter gar nicht oder nur unzulänglich ankommt. Insofern ist die Umsteuerung von der Objektförderung auf die Subjektförderung, die wir jetzt vornehmen, eine Politik, die wohnungspolitisch genauso sinnvoll ist wie sozialpolitisch richtig und vernünftig. ({8}) Wir haben im Haushaltsausschuß die Weichen dafür gestellt, daß die direkten Förderungsmittel im sozialen Wohnungsbau auf die Eigentumsförderung konzentriert werden, nachdem es einen bundesweiten Fehlbedarf von Mietwohnungen nicht mehr gibt. Wir wollen gerade sozial schwächeren Mitbürgern die Chance geben, Wohneigentum zu erwerben und damit unabhängiger gegen die Wechselfälle des Lebens zu werden. Dem dient auch die Verbesserung der steuerlichen Eigentumsförderung zu Beginn des nächsten Jahres. Gerade hier zeigen sich auch die erfreulichen Erfolge unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik. Dank der niedrigen Zinsen, dank der sinkenden Baulandpreise und der steigenden Einkommen haben immer mehr Mitbürger - gerade mit mittlerem und kleinerem Einkommen - heute die Chance, ihren Wunsch nach den eigenen vier Wänden zu erfüllen. Deswegen ist es erfreulich, daß im Laufe dieses Jahres die Zahl der Baugenehmigungen für Eigenheime gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 8% gestiegen ist. Einen besonderen Akzent haben wir in dieser Legislaturperiode bei der Städtebauförderung gesetzt. Wir haben sie gesteigert von 220 Millionen DM zunächst auf 280 Millionen DM, dann auf 330 Millionen DM und haben sie jetzt in diesem Jahr und im nächsten Jahr auf 1 Milliarde DM ausgeweitet. Trotz der Verfünffachung der Bundesmittel ist dieses Programm mehr als überzeichnet, und im nächsten Jahr steigen die Anmeldungen sogar noch. Deswegen müssen wir dafür sorgen, daß, wenn jetzt auf Wunsch des Ministerpräsidenten, auch Ihres Noch-Kanzlerkandidaten, die Verantwortung auf die Länder übergeht, diese wichtige Zukunftsaufgabe Städtebauförderung nicht darunter leidet. ({9}) Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf, sicherzustellen, daß die Ausgleichsleistungen des Bundes für die Städtebauförderung gesetzlich gebunden werden, damit sie nicht durch die Länderfinanzminister zweckentfremdet werden können. ({10}) Die massive Förderung der Städtebauförderungsmittel, auch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsbau haben zu einer Belebung der Bauwirtschaft beigetragen. Sie haben dazu beigetragen, daß die Bauwirtschaft den notwendigen Rückgang beim Wohnungsbau verkraftet hat, daß sie in diesem Jahr wieder wächst und nach den Voraussagen der Sachverständigen im nächsten Jahr noch stärker wachsen wird, als es der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung entspricht. ({11}) Insofern, Herr Minister Schneider, haben Sie alle Veranlassung, mit der Bilanz Ihrer Arbeit in dieser Legislaturperiode zufrieden zu sein, auf sie stolz zu sein. Denn all die Prognosen der SPD zu Beginn dieser Legislaturperiode von der angeblichen Verkürzung der Rechte der Mieter, die wir angeblich vogelfrei, zu Freiwild der Vermieter machen würden, der Auslieferung der Mieter an die Willkür der Vermieter, alle Prognosen sind nicht in Erfüllung gegangen. Im Gegenteil: Wir haben die Stellung der Mieter gestärkt, rechtlich gestärkt und am Wohnungsmarkt gestärkt. Wenn überhaupt irgendwo Mieterrechte verkürzt, wenn irgendwo Mieterinteressen verraten und verkauft worden sind, dann ausschließlich bei der Neuen Heimat, die doch eigentlich auf die Gemeinwirtschaft verpflichtet ist. ({12}) Jedenfalls ist kein privater Vermieter, die Sie doch so gern an den Pranger stellen, jemals so skrupellos, so menschenverachtend mit Mietern umgegangen, wie dies die Neue Heimat getan hat. ({13}) Deshalb kann dieser Skandal nicht ohne Wirkung bleiben auf das Recht der Wohnungsgemeinnützigkeit. ({14}) Dabei muß festgestellt werden: Das Fehlverhalten der Neuen Heimat und ihrer Manager ist nicht typisch für die Wohnungsgemeinnützigkeit. Die 2 000 gemeinnützigen Wohnungsunternehmen haben nach dem Kriege geholfen, unser Land wieder aufzubauen und die Wohnungsnot zu beseitigen. Das ist eine Leistung, die anerkannt werden muß. Deswegen kann der Neue-Heimat-Skandal nicht dazu führen, die Wohnungsgemeinnützigkeit, die in 100 Jahren gewachsen ist und sich bewährt hat, zu beseitigen. ({15}) Aber auf der anderen Seite muß Vorsorge getroffen werden, daß sich ein Skandal wie der der Neuen Heimat nicht, noch nicht einmal in Ansätzen wiederholen kann. Deswegen darf es einen solchen gigantischen Wohnungskonzern in dieser Dimension nicht mehr geben. Es darf keine gemeinnützigen Wohnungsunternehmen mehr geben, die bundesweit operieren, sondern ihr Tätigkeitsfeld muß räumlich begrenzt werden und muß einer gemeinsamen staatlichen Aufsicht unterliegen. Es kann auch nicht angehen, daß durch interne und externe Interessenverfilzungen eine wirksame Kontrolle der Geschäftsführung ausgeschaltet werden kann. Alle Geschäfte mit Mitgliedern des Vorstandes und der Aufsichtsräte müssen der Genehmigungspflicht unterworfen werden, und es muß auch eine bessere Außenkontrolle geben. Die Prüfung auf der einen Seite und die Interessenvertretung der Wohnungsunternehmen auf der anderen Seite muß strikt getrennt werden, und die Prüfer müssen spätestens alle fünf Jahre gewechselt werden. Es darf auch keine Verbindung von gemeinnütziger und nichtgemeinnütziger Tätigkeit mehr geben. ({16}) Herr Präsident, abgesehen von diesem Skandal sind die vier Jahre gute Jahre auch für den Wohnungsbau und den Städtebau, auch für die Mieter und Eigenheimer gewesen. Mit diesem Einzelplan stellen wir die Weichen dafür, daß dies auch weiter so bleibt. ({17})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Werner ({0}).

Gerd Peter Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002482, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Beginn die gute Nachricht: Wir GRÜNEN begrüßen die Erhöhung des Wohngeldes, wie das auch Herr Meininghaus in seiner Abschiedsrede getan hat. ({0}) - Richtig, und jetzt ist ja weiter erhöht worden. Nach unserer Meinung ist mit der Änderung im letzten Jahr wirklich ein präziser wirkendes Instrument gegeben als in früheren Jahren, weil regionale Preisunterschiede jetzt besser berücksichtigt werden. Die Ausweitung des Wohngeldes hat aber nicht verhindern können, daß die Mieten weiter steigen. Das gilt zwar nicht für die oberen Preisklassen - da sind die Mietpreise in der Tat gefallen -, aber nach Durchsicht der Mietenspiegel zeigt sich, daß sehr wohl die preiswerteren Wohnungen stetig teurer werden. Die Erhöhung des Wohngeldansatzes ist insofern nicht etwa als eine erfolgreiche Wohnungspolitik zu bezeichnen, sondern ist ein Hinterherhinken hinter den Realitäten der Wohnungsversorgung der Bevölkerung. Das Wichtigste an einem Haushalt ist immer das, was nicht drinsteht. Mit keinem Wort wird erwähnt, daß der Staat durch die steuerliche Eigentumsförderung auf etwa 15 Milliarden DM jährlich verzichtet. Dieses Geld wird mit der Gießkanne verteilt. Wer viel verdient, bekommt viel davon ab. Was der Minister in Sonntagsreden an hehren Prinzipien für das Wohngeld feilhält, wird hier ins exakte Gegenteil verkehrt. Das ganze Prinzip der Eigentumsförderung ist unsozial und ungerecht, weil es vor allem den fördert, der schon hat. Aus diesem Grunde haben wir GRÜNEN den Antrag gestellt, die Eigentumsförderung auf die ausschließliche Förderung von genossenschaftlichen und ähnlichen gebundenen Eigentumsformen umzustellen, ({1}) die sicherstellen, daß mit dem Wohnraum keine Spekulation mehr möglich ist. ({2}) Die Bundesregierung hat jedoch erkennbar einen großen Widerwillen gegen das Wiedererstarken jeder Form von solidarischem, genossenschaftlichem Gedankengut im Wohnbereich, ({3}) weil dies absolut im Widerspruch zu ihrer Grundidee einer brutalen Konkurrenzgesellschaft steht, die sie als soziale Marktwirtschaft bezeichnet. ({4}) Wie sinnvoll unsere Forderung ist, zeigen die Ereignisse um die Neue Heimat. Hier wäre eine gute Gelegenheit gewesen, neue Wege zu beschreiten. Werner ({5}) Mit diesem Haushalt 1987 ist diese Gelegenheit zunächst einmal vertan. ({6}) Am 19. März 1986 haben wir GRÜNEN einen Antrag zur Sanierung der Neuen Heimat eingebracht. Dieser Bundestag war seit der Einbringung dieses Antrages nicht in der Lage, eine Diskussion zu führen, die sich wirklich sachbezogen und angemessen mit dem Problem befaßt, also vor allem mit den Problemen der betroffenen Mieter. Statt dessen haben wir hier viele Male das Schauspiel erlebt, daß der Herr Lambsdorff - ich hätte beinahe gesagt, von Beruf Graf - freitags vor seinem Gerichtstermin in einer äußerst unglaubwürdigen Weise auf die Gewerkschaften eingedroschen hat. Er hat Verhaltensweisen gegeißelt, die er ansonsten als marktwirtschaftlich lobt und preist. Zur Rettung der gebundenen Sozialwohnungsbestände haben weder Lambsdorff noch andere Politiker der Koalition hier irgend etwas beigetragen. Auch der zuständige Minister Schneider hat sich sozusagen an der Geiselnahme der Mieter der Neuen Heimat beteiligt, denn außer Sprüchen und der ständigen Beteuerung „Keine müde Mark für die Neue Heimat!" kam von ihm nichts. Immerhin, der Minister hat erst vor wenigen Tagen ein öffentliches Bekenntnis zur Erhaltung der Wohnungsgemeinnützigkeit abgelegt. Es bleibt aber wohl abzuwarten, was es mit diesem Bekenntnis auf sich hat. In der heutigen Sitzung des Untersuchungsausschusses „Neue Heimat" hörten wir von Ihnen, Herr Minister, Ihr Haus habe noch keine Zeit gehabt, sich gründlich mit dem Gutachten zu befassen, das vor mehr als zwei Jahren Ihr Kollege Stoltenberg zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz in Auftrag gegeben hat. ({7}) Das Gutachten kommt bekanntlich zu dem Schluß, die Wohnungsgemeinnützigkeit sei praktisch abzuschaffen. Herr Minister, für den Fall, daß nach dem 25. Januar 1987 das Ministerium noch in seiner jetzigen Form existiert, und weiter für den Fall, daß es sich wider alles Erwarten noch in den Händen der jetzigen Koalition befinden sollte, sagen wir GRÜNEN Ihnen unsere Unterstützung gegen den Finanzminister bei dessen Wunsch nach Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit zu. Aber wir würden uns nicht auf diese Unterstützung beschränken. Wir GRÜNEN würden weiterhin für eine Politik nach unserem wohnungspolitischen Grundsatz „einmal öffentlich gefördert - dauerhaft sozial gebunden" streiten. ({8}) Hier einen Beginn zu machen durch konkrete Hilfe bei der Neue-Heimat-Krise, mit dem Ziel der Bildung von stiftungsartigen Trägerformen, dezentral, überschaubar, für immer der Spekulation entzogen, wäre eine Aufgabe für diesen Haushalt 1987, diesen Einzelplan 25, Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, gewesen. ({9}) Aber ich bin da realistisch: Von dieser Koalition sind solche Schritte einfach nicht zu erwarten. Darum hat meine Fraktion diesen Änderungsantrag nicht gestellt, der eigentlich unserem NH-Sanierungsantrag entsprochen hätte. Diesen Sanierungs-Antrag, den ich schon erwähnte, kennen Sie sicher. Dort ist von 1,25 Milliarden DM die Rede, die wir als Beitrag des Bundes als Teil der öffentlichen Hand zur Sanierung der Neuen Heimat vorschlagen. Wir haben darauf verzichtet, hier einen Änderungsantrag mit dieser Summe einzubringen, weil uns klar ist, wie es einem solchen Antrag ergangen wäre. ({10}) Trotzdem haben wir die Hoffnung, daß neue Mehrheiten zu einer neuen Wohnungspolitik im Interesse der Mieter finden werden, gerade auch der Mieter der Neuen Heimat, deren Schicksal nach wie vor als ungeklärt zu bezeichnen ist. Wir GRÜNEN wollen dazu helfen, ({11}) das Grundbedürfnis Wohnen mehr und mehr als ein Grundrecht zu behandeln. Vielen Dank. ({12})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Gattermann.

Hans H. Gattermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000637, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Echternach, wenn der Herr Apel und wenn der Herr Vogel wider die ökonomischen Daten reden dürfen, dann darf das auch mein Freund Alfred Meininghaus. ({0}) - Nein, das schadet ihm garantiert nicht. ({1}) Was soll denn so was? Alfred Meininghaus hat hier seine Abschiedsrede gehalten. Und niemand hat ihm in aller Form gedankt, ({2}) was heute schon ein paarmal passiert ist. Ich jedenfalls als Person möchte mich für die hervorragende Zusammenarbeit auf örtlicher Ebene, im Ausschuß und überhaupt, in der Koalition und in der Opposition, ausdrücklich bedanken. ({3}) Meine Damen und Herren, ich habe von den ökonomischen Daten gesprochen. Da ist es nun in der Tat so, daß bei diesem Aufschwung die Bauwirtschaft das Schlußlicht gewesen ist. ({4}) Es hatte eine ganze Weile so ausgesehen, als würde es Schwierigkeiten machen, die Bauwirtschaft sozusagen als letzten Waggon an den Konjunkturzug anzukoppeln. Aber, meine Damen und Herren, der erfolgreichen Arbeit dieser Bundesregierung ist auch dies gelungen. Die Daten aus diesem Jahr im Wirtschaftsbau, im Kommunalbau sind hervorragend. Im Wohnungsbau, bitte, ist eine sehr, sehr zurückhaltende Beurteilung angezeigt, aber auch hier hat man die Null-Marke im letzten Quartal überschritten. ({5}) Auch das finde ich gut. Lassen Sie mich noch anmerken, daß mich insbesondere der Auslandsbau besorgt macht. Aber darauf haben wir keinerlei nationalen Einfluß. Da ist man sozusagen mit zwei Seelen in der Brust ausgestattet; denn was uns über die Ölpreisreduzierung enorm genutzt hat, schadet natürlich der Auftragsvergabe durch OPEC-Länder an unsere Bauwirtschaft im Auslandsbau. Meine Damen und Herren, von daher sieht es also, nach nicht so gutem Anfang, am Ende dieser Legislaturperiode auch für die Bauwirtschaft sehr gut aus. Dafür war diese Politik natürlich maßgeblich verantwortlich. Z. B. niedrige Zinsen, Konsolidierung öffentlicher Haushalte, das sind die Voraussetzungen für Auftragsvergabe im Wirtschaftsbau, im kommunalen Bau insbesondere. ({6}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier ist der Bundesregierung angekreidet worden, daß diese günstigen Daten, die nun auch in der Bauwirtschaft erkennbar sind, regional so verzerrt seien. Es ist angesprochen worden, man habe nichts mit dem Instrument der Raumplanung getan, um das Gefälle zwischen Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg zu verringern. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Sie alle miteinander wissen, daß, wenn die Raumplanung ({7}) und die Raumordnung - jetzt bin ich nämlich bei der Zuständigkeit - ({8}) - Sorry. Wenn die Raumordnung konkret wird - und das wird der Bundesregierung ja vorgeworfen -, dann sind wir bei der Landesplanung. Dann sind wir bei der Zuständigkeit anderer Adressaten. Außerdem: Wo denn in unserer Finanzverfassung hätten wir die Befugnis als Bund, selektiv Mittel zu streuen für die Gemeinde X oder für die Gemeinde Y oder die Region X oder Z? Welche Schwierigkeiten bereitet es, einer bestimmten Region einmal z. B. über bestimmte Stahlstandortprogramme oder ähnliches zu helfen! Der Vorwurf also an die Bundesregierung, daß die Konjunkturdaten nicht allüberall in der Republik gleich günstig sind, ist völlig fehlplaziert. Dieser Vorwurf muß an andere Adressaten gerichtet werden, z. B. auch in meinem eigenen Heimatland, das uns j a demnächst ({9}) einen Kanzlerkandidaten vorführt. ({10}) - Nein, das wollte ich nicht sagen. Einen Kandidaten vorführen, habe ich gesagt. Ich finde, das ist eine subtile Ausdrucksweise. ({11}) Lassen Sie mich aus dem Haushalt zwei Zahlen herausgreifen, weil ich glaube, daß sie von weiterreichender Bedeutung sind. Das eine sind die im Jahre 1987 noch veranschlagten Mittel für die Städtebauförderung mit 1 Milliarde DM. Danach findet sich dann in der mittelfristigen Finanzplanung gemäß der Entmischungsvereinbarung nichts mehr. Ich will für meine Fraktion sagen, daß uns der Finanzpoker in den Gesprächen zwischen Bund und Ländern etwas beunruhigt. Das ist im Interesse der Bauwirtschaft nicht gut. ({12}) Wir möchten nicht, daß die Bauwirtschaft am Ende dieser wirklich greifenden Maßnahme - Kollege Echternach hat auf die vielfache Überzeichnung hingewiesen - in ein Loch fällt. Ich möchte dabei insbesondere an die Länder appellieren, Finanzausgleichsverhandlungen nun wirklich nicht auf der Basis einer Sondermaßnahme von zwei Jahren zu führen. Vielmehr sollte man wohl mindestens von dem gewogenen Mittel des üblichen Finanzeinsatzes des Bundes in diesem Bereich ausgehen. Ich bitte nur, daß diese Verhandlungen zügig geführt werden und daß man zügig zu einem Ergebnis kommt; denn es verunsichert natürlich auch die Bauwirtschaft, wenn in diesem Punkte keine Klarheit herrscht. ({13}) Das zweite, was ich herausgreifen will, ist das Wohngeld. Wir Freie Demokraten haben auch für den Wohnungsmarkt immer auf die Kräfte des Marktes - mit entsprechenden sozialen Hilfen des Staates - gesetzt. Aber primär sind es die Marktkräfte, die auch für die Wohnungsversorgung zuständig sind. Das, was der Staat in diesem Bereich zu tun hat, hat flankierend und sozial zielgenau zu geschehen. Die Strukturverbesserung des Wohngeldgesetzes hat sich bezahlt gemacht; nicht nur dadurch, daß es mehr Geld kostet, ({14}) sondern weil die Mittel auch sehr viel zielgenauer ankommen, nämlich bei den Arbeitslosen, bei den älteren Rentnern mit geringen Renten, bei den Kinderreichen. Genau dort kommen sie an, und genau dort muß sich auch die soziale Verantwortung des Staates im Bereich des Wohnens artikulieren, dort muß sie zum Ausdruck kommen. Es ist gesagt worden, die sonstigen Rahmenbedingungen, nämlich das Mietrecht, seien von uns unglücklich und zu Lasten der Mieter verändert worden. Nun, die Realitäten in der Bundesrepublik Deutschland zeigen - man möge sich in seinen Wagen setzen, durch die Orte, durch die Landschaft fahren und mit den Mietervereinen, mit den Hausund Grundeigentümervereinen und mit den Maklern reden, dann weiß man es -: Der Mietanstieg in dieser Republik tendiert gegen Null. In weiten Landstrichen ist es tatsächlich ein Mietermarkt statt eines Vermietermarktes geworden. Deshalb meine ich, daß diese Bundesregierung und dieser Bundesbauminister ihre Arbeit in dieser Legislaturperiode erfolgreich absolviert hat. ({15}) Deswegen werden wir natürlich diesem Haushalt auch zustimmen. Vor uns liegen Aufgaben, die nur die christlichliberale Koalition ausführen kann, nach dem Wahltag. Das gilt z. B. für die Frage: Wie halten wir es in der Zukunft mit der Wohnungsgemeinnützigkeit? Einen bestimmten Konzern werde ich jetzt nicht namentlich 'ansprechen, weil dieser nämlich nicht der Grund für das ist, was wir im Bereich der Wohnungsgemeinnützigkeit alle miteinander tun müssen. ({16}) Das Gutachten des Bundesministers der Finanzen, das Sie, Herr Kollege Werner, angesprochen haben, sollte bitte sorgfältig studiert werden. Dieses Gutachten fordert auch keinen Kahlschlag bei der Wohnungsgemeinnützigkeit. ({17}) Herr Kollege Werner, Sie haben eben davon gesprochen, daß diese Bundesregierung heftig reagiere, wenn der genossenschaftliche Gedanke wiederbelebt werden solle. Dieses Gutachten - ich mache es mir in diesem Punkt zu eigen; zu dem anderen Punkt will ich mich nicht festlegen, weil ich weiß, wie schwer die Gespräche darüber sein werden - bringt eine ausdrückliche Unterstützung des Genossenschaftsgedankens. Denn die Genossenschaftsidee ist liberalen Ursprungs, meine Damen und Herren. ({18}) Ich danke Ihnen. ({19})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Dr. Schneider.

Dr. Oscar Schneider (Minister:in)

Politiker ID: 11002048

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 25 des Bundeshaushalts steigt im nächsten Haushaltsjahr um 3,8%. Er erreicht mit einem Gesamtvolumen von 6,2 Milliarden DM seinen bisher höchsten Stand. Der Einzelplan 25 leistet insgesamt einen wichtigen Beitrag zu dem von der Bundesregierung verfolgten Kurs der Stabilität, des wirtschaftlichen Wachstums und der sozialen Sicherheit. Den Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsausschusses, namentlich den Berichterstattern Echternach und Nehm, danke ich für die konstruktive und sachverständige Beratung. In den Dank schließe ich die Mitglieder des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und ihren Vorsitzenden Dr. Möller für ihr mitberatendes Votum ein. Ich möchte in diesen Dank besonders herzlich den Herrn Kollegen Meininghaus einschließen, der aus dem Deutschen Bundestag ausscheiden wird. Ich habe Anlaß, ihm für seine sachkundige, fleißige und kollegiale Zusammenarbeit im Bauausschuß zu danken. ({0}) Mein Dank gilt schließlich den Mitarbeitern beider Ausschüsse und denen des Bauministeriums. Meine Damen und Herren, unsere Politik, das Wohnungsangebot zu erweitern, staatliche Eingriffe zurückzuführen, individuelle Hilfen und Entfaltungsmöglichkeiten zu verstärken, hat sich bewährt. Unsere Erfolge und Leistungen in Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sind für alle Bürger unmittelbar spürbar und in den Städten und Dörfern für jedermann sichtbar. Die Wohnungsversorgung ist so gut wie nie zuvor. Zu keiner Zeit konnten Mieter und Erwerber von Wohneigentum aus einem so differenzierten und reichhaltigen Angebot wählen wie heute. Mit einem Mietanstieg von 1,6 % im freifinanzierten Mietwohnungsbau haben wir die niedrigste Mietsteigerungsrate seit Bestehen des Mietindexes. Stabile Preise und wachsende Realeinkommen - in diesem Jahr werden es rund 5% bzw. 60 Milliarden DM sein, die zusätzlich in die Kassen der privaten Haushalte fließen - stärken auch die Wohnkaufkraft der Haushalte. In Verbindung mit den anhaltend günstigen Zinsen und der von uns verbesserten steuerlichen Förderung ist sie die Voraussetzung dafür, daß heute wieder mehr Familien Wohneigentum bilden können. Die Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser liegen im bisherigen Jahresverlauf um 8% höher als im vorigen Jahr. Mit den wohnungspolitischen Sofortmaßnahmen vom März 1982 haben wir das Wohnungsangebot entscheidend erhöht und zugleich die akuten Schwierigkeiten der Bauwirtschaft gemildert. Die heutige günstige Wohnungsversorgungslage ist das Ergebnis dieser von vornherein zeitlich befristeten Hilfen. Die Änderung des Mietrechts hat zusätzlich zur Normalisierung des Wohnungsmarktes beigetragen. Entgegen den Angstparolen der SPD ist die Stellung der Mieter durch diese Maßnahme nicht geschwächt, sondern gestärkt worden. Es hat sich erwiesen, daß ein großes Angebot der beste Mieterschutz ist. Ungeachtet dessen ist der Schutz der Mieter vor einem willkürlichen Verlust der Wohnung für uns ein unverzichtbares Wesensmerkmal der sozialen Wohnungsmarktwirtschaft. Behauptungen, die Bundesregierung plane eine Lockerung des Kündigungsschutzes, entbehren jeder Grundlage. Die Bundesregierung wird dem Wunsch der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft entsprechen und die Lockerung des starren Kostenmietenprinzips in deren Bereich bei der Novellierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes in die Prüfung mit einbeziehen. ({1}) Wir haben das Wohngeld zu dem im internationalen Vergleich wirkungsvollsten System der individuellen Absicherung familiengerechten Wohnens ausgebaut. Die Wohngeldleistungen werden in diesem Jahr auf 3,3 Milliarden DM steigen und sich im kommenden Jahr auf 3,5 Milliarden DM erhöhen. In diesem Jahr haben wir die Bundesmittel für das Wohngeld überplanmäßig zusätzlich um 230 Millionen DM erhöht. Für das kommende Jahr hat der Haushaltsausschuß den Ansatz gegenüber der Regierungsvorlage um 150 Millionen DM angehoben. Damit hilft der Bund einer weitaus größeren Zahl von Haushalten als bisher, und er vermeidet zudem Fehlförderungen. Alle Zahlen belegen die hohe Leistungsfähigkeit und Inanspruchnahme des Wohngeldes. Die Erhöhung des Wohngeldes um mehr als 1 Milliarde DM ist ein Beweis für die sozialen Leistungen dieser Bundesregierung zugunsten einkommensschwächerer Familien in unserer Gesellschaft. Dies ist unsere Solidarität mit den sozial Schwächeren. Das Wohngeld kommt - dies wird in der Öffentlichkeit weitgehend übersehen - als Lastenzuschuß in erheblichem Maße der Wohneigentumsförderung zugute. Insgesamt fließen 300 Millionen DM in die Eigentumsförderung, bei einer durchschnittlichen monatlichen Entlastung von 180 DM. Der Größenordnung nach ist dies fast genau die Summe, um die wir für das kommende Jahr die Finanzhilfen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau zurückführen mußten. Der Verpflichtungsrahmen umfaßt 700 Millionen DM. Eine Verringerung der Gesamtförderung des Bundes für das Wohnen ist damit nicht verbunden. Die Kürzung der Objektförderung wird bei weitem durch die verbesserten Wohngeldleistungen und die Ausweitung der steuerlichen Förderung selbstgenutzten Wohneigentums ausgeglichen. Allein mit der kräftigen Anhebung der Wohngeldleistungen - sie steigen 1987 gegenüber 1985 um 510 Millionen DM - stellt der Bund künftig mehr Mittel für die soziale Sicherung des Wohnens bereit als bisher. Durch die steuerliche Neuordnung erhält eine Familie mit einem Kind, die im nächsten Jahr Wohneigentum erwirbt, insgesamt 15 000 DM mehr steuerliche Förderung als bisher, statt 24 000 DM nunmehr 39 000 DM. Hinzu kommt, daß wir mit der Rückführung der Festlegungsfrist von 10 auf 7 Jahre auch die Bausparförderung verbessert haben. Mit der schrittweisen Anhebung der Mittel für die Städtebauförderung von 220 Millionen DM 1982 auf 1 Milliarde DM in den Jahren 1986 und 1987 hat die Bundesregierung die Sanierung und Revitalisierung unserer Städte und Dörfer vorangetrieben und ihre Wohnlichkeit und Lebensqualität verbessert. ({2}) Wir haben von 1983 bis 1987 - darauf bitte ich zu hören - deutlich mehr Mittel für die Städtebauförderung bereitgestellt als die Vorgängerregierung von 1971 bis 1982. ({3}) In dieser Legislaturperiode waren es insgesamt fast 3 Milliarden DM, von 1971 bis 1982 dagegen nur etwas mehr als 2 Milliarden DM. ({4}) Die Mittel für 1986 und 1987 sind bundesweit um das Vier- bis Sechsfache überzeichnet; dies zeigt die Größe der städtebaupolitischen Aufgaben und die bauwirtschaftliche Bedeutung der Städtebauförderung. ({5}) Das Baugesetzbuch, das morgen dem Bundesrat im zweiten Durchgang zur Zustimmung vorliegt, enthält keine Mischfinanzierungstatbestände mehr. Die Bundesregierung entspricht damit einem einstimmigen Beschluß der Ministerpräsidenten. Die Bedeutung der Städtebauförderung wird nicht unter der Entflechtung der Mischfinanzierung leiden. Die Bundesregierung ist zu einem angemessenen finanziellen Ausgleich bereit. So fließen auch weiterhin Bundesmittel in erheblichem Umfang in die Förderung des Wohnungs- und Städtebaus. Auf Grund der bereits eingegangenen Verpflichtungen wird der Bund bis weit in die 90er Jahre hinein noch Zahlungen von fast 10 Milliarden DM an die Länder leisten. Die Bauwirtschaft wächst weiter. Die Bauinvestitionen werden in diesem Jahr voraussichtlich um gut 1 %, im nächsten Jahr um 3,5% steigen. Das neue Jahresgutachten des Sachverständigenrates ist noch optimistischer und erwartet für 1986 einen Anstieg um 2 %, für 1987 einen Anstieg um 4 %. Diese positive Entwicklung wird vor allem vom Wirtschaftsbau und vom öffentlichen Bau getragen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres lagen die Auftragseingänge dieser beiden Sektoren um 14 % bzw. 10% über den entsprechenden Vorjahresergebnissen. In der Bauwirtschaft sind zur Zeit 12 000 Ausbildungsplätze frei und 10 000 Stellen offen. Die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter hat um 20 %, die der Kurzarbeiter sogar um 54 % abgenommen. Die Zahl der Konkurse ist mit knapp 10 % im bisherigen Jahresverlauf rückläufig. Die Behauptung, die Bundesregierung habe nichts zur Stärkung und Verstetigung der Bautätigkeit unternommen, ist falsch. Wir haben mit dem Sofortprogramm '82, der Verdreifachung der Städtebauförderungsmittel, der Aufstockung der ERPMittel und der Eigenmittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Lastenausgleichsbank, der Verbesserung der Abschreibungsbedingungen für Wirtschaftsgebäude, der Verbesserung der steuerlichen Eigenheimförderung und mit dem wiedergeBundesminister Dr. Schneider wonnenen Handlungsspielraum der öffentlichen Haushalte den strukturellen Anpassungsprozeß der Bauwirtschaft mit gezielten und abgewogenen Maßnahmen kontinuierlich erleichtert. Alles in allem handelt es sich um Stützungsmaßnahmen in einer Größenordnung von 10 Milliarden DM. Wir werden diese erfolgreiche Wohnungs- und Städtebaupolitik fortsetzen. Die breite Streuung von Wohneigentum, die soziale Absicherung familiengerechten Wohnens und die Förderung des Zusammenlebens mehrerer Generationen unter einem Dach oder in der Nachbarschaft sind Daueraufgaben der sozialen Wohnungsmarktwirtschaft. Sie werden auch künftig unverändert die vorrangigen Ziele unserer Wohnungspolitik bleiben. Die Bundesregierung hat die Neuordnung des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechts beschlossen. Wir werden diese schwierige Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode zu lösen wissen. Dabei geht es darum, die sozialen Ziele zu erreichen und den Grundgedanken der Wohnungsgemeinnützigkeit wiederherzustellen. Dies kann nur dann erreicht werden, wenn die staatlichen Hilfen bei dem sozialen Adressaten des Gesetzes, nämlich beim Mieter, ankommen. Vielen Dank. ({6})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, zuerst über die beiden Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN. Wir können gemeinsam abstimmen, nehme ich an. Ich rufe die Änderungsanträge auf den Drucksachen 10/6490 und 10/6491 auf. Wer diesen beiden Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltung? - Die beiden Anträge sind abgelehnt. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 25: Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau in der Ausschußfassung. Wer dem Einzelplan in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Er ist in zweiter Lesung angenommen. Meine Damen und Herren, zu einer direkten Erwiderung gebe ich Herrn Abgeordneten Erhard ({0}) nach § 30 der Geschäftsordnung das Wort.

Benno Erhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000485, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Ich mache nach 22 Jahren Zugehörigkeit zu diesem Parlament zum zweitenmal Gebrauch vom § 30. Der Abgeordnete Mann hat bei der justizpolitischen Debatte mich persönlich genannt, nachdem er zunächst die Perversion des Rechts unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft genannt hat: Wir würden das hier verdrängen, es wäre eine rechtspolitische Aufgabe dieses aufzuarbeiten. Dann hat er weiter gesagt - ich habe absichtlich gewartet, bis ich das Protokoll habe -: Ich erinnere an das unwürdige Tauziehen innerhalb der Koalition hinsichtlich der Behandlung der sogenannten Auschwitzlüge. In widerlicher Aufrechnungsmentalität ... haben Sie, Herr Erhard, wie es der Vorsitzende des Richterbundes ausgedrückt hat, die Ermordung von 6 Millionen Juden mit der Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges zu relativieren versucht. Er hat in Parenthese dazugesagt: „das zu der Frage nach der Stahlhelm-Fraktion". Das paßt da zwar nicht ganz hinein, aber immerhin. Ich erkläre dazu: Ich habe in meinem Leben nie, zu keinem Zeitpunkt irgend etwas von Relativierung hinsichtlich der Judenermordungen gesagt - nie! Wenn irgend jemand in unserem Lande daherkam und sagte, die Juden in Auschwitz seien nicht vergast und zu Millionen ermordet worden, habe ich mich immer dagegen gewehrt. ({0}) Ich habe meinen Finger immer, schon im Hessischen Landtag in den 50er Jahren, auf die Wunde der rechtspolitischen Entwicklung von 1933 an gelegt. Aber ich habe auch immer betont: Wer meint, das deutsche Recht habe 1933 begonnen und 1945 geendet, der irrt. Es gab Tendenzen im deutschen Recht, und zwar völlig übereinstimmende, breitgefächerte Tendenzen, die das, was die Nationalsozialisten ab 1933 daraus gemacht haben, vorher grundgelegt haben. ({1}) Ich habe nie eine Relativierung hinsichtlich der späteren Vertreibungen oder Mordtaten vorgenommen. Ich wehre mich dagegen, in ein solches Licht gesetzt zu werden, und ich will Ihnen jetzt einmal genau sagen, warum. Deswegen habe ich mich auch gemeldet, um es endlich einmal - ich habe mich dessen hier nie gebrüstet - zu sagen: Ich war zehn Jahre alt, als mein Vater unter Berufung auf die Wiederherstellung des Beamtenrechts ({2}) - des Berufsbeamtentums - aus dem Notariat entfernt wurde. Mein Vater hatte 6 minderjährige Kinder. Ich war das zehnjährige dritte. Ich habe mich in den 30er Jahren als junger Bursche mit HJ-Buben bis zum Umfallen geprügelt. Ich habe mein Leben im Kriege aufs Spiel gesetzt, und zwar zweimal, ausdrücklich und gut nachweisbar, um mich von diesem System zu distanzieren. Und dann wird mir hier von Leuten, die damals noch nicht einmal geboren waren, die sich gar keine Mühe machen, nachzugucken, mit wem sie es zu tun haben, solches vorgeworfen! Ich finde das unerhört. Erhard ({3}) ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Dem Haus, denjenigen, die dies soeben mit Beifall bedacht haben, ist zu danken. Ich rufe nun auf: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr - Drucksachen 10/6312, 10/6331 Berichterstatter: Abgeordnete Purps Frau Simonis Dr. Weng ({0}) Hierzu liegen Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 10/6487, 10/6488 vor. Im Ältestenrat ist für die Beratung ein Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Purps.

Rudolf Purps (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001760, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Ist es nun Zufall, oder ist es mehr Regie, daß die Beratung des Verkehrshaushaltes zu später Stunde mit reichlich wenig Publikumswirksamkeit stattfindet? Ist der Minister Dollinger nicht mehr vorzeigbar? ({0}) Hat die von ihm zu vertretende Verkehrspolitik das Licht des Tages zu scheuen? ({1}) Irgendwie hat man j a das Gefühl, daß Minister hier versteckt werden. Denn alle fünf CSU-Minister außerhalb der Fernsehzeit - das hat es noch nicht gegeben. ({2}) Im übrigen, Herr Minister, handelt es sich hier j a nicht um einen Kleckerposten, den wir beraten. Vielmehr ist dieser Haushalt des Verkehrsministers mit 25,68 Milliarden DM der viertgrößte der großen Haushaltspositionen. Seine Steigerung gegenüber dem Vorjahr bleibt mit 1,1 % wieder einmal unter der Steigerung des Gesamtetats. Und hier liegt der Punkt der Kritik. Es gibt nämlich kaum eine Publikation aus dem Bundesverkehrsministerium, in der nicht deutlich darauf hingewiesen wird, daß der Verkehrshaushalt der größte Investitionshaushalt des Bundes ist. Wenn es richtig ist, daß Investitionen Arbeit schaffen und erhalten - diese Regierung ist ja mit der Devise „Subventionen runter, Investitionen rauf, damit es wieder aufwärtsgeht" angetreten -, dann hat der Verkehrsetat im vierten Jahr anhaltender Massenarbeitslosigkeit wieder einmal seine steuerungspolitische Aufgabe verfehlt. ({3}) Da Herr Dr. Dollinger auf die politische und fachübergreifende Gestaltung seines Aufgabenbereichs, auf eine aktive Verkehrspolitik, verzichtet, prägt die buchhalterische Handschrift des Finanzministers seinen Etat. Warum, Herr Dr. Dollinger, sind Sie nicht zum Bundesfinanzminister gegangen und haben ihm gesagt, daß Sie als - sagen wir mal - Investitionsminister einen aktiven Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit leisten wollen und daß Ihr Haushalt wie kein anderer geeignet ist und die Chance bietet, strukturelle Arbeitslosigkeit - und sie ist unser größtes Problem - durch strukturpolitische Maßnahmen in der Verkehrspolitik zu bekämpfen? Nein, Sie und die Verkehrspolitiker der Koalition handeln immer nach dem Motto: „Es gibt viel zu tun; heften wir es ab". ({4}) Jedenfalls sind die investiven Steigerungsraten Ihres Haushalts Jahr für Jahr so mager ausgefallen, daß Sie nicht dazu beitragen können, strukturelle Arbeitslosigkeit abzubauen, geschweige denn aktive Verkehrspolitik zu betreiben. So hätte z. B. eine stärkere Senkung der Dezibelwerte für den Lärmschutz an Bundesstraßen und Bundesautobahnen, wie von mir und der SPD vorgeschlagen, den lärmgeplagten Menschen geholfen, Arbeit und Beschäftigung geschaffen und etwas zum Abbau der Arbeitslosigkeit beigetragen. ({5}) Die SPD hat immer wieder die Verstärkung der investiven Mittel bei der Deutschen Bundesbahn gefordert. Aber Sie haben nicht geklotzt, Sie haben immer nur gekleckert. Damit ist weder der Bahn noch dem Arbeitsmarkt geholfen. Haben Sie denn nicht gesehen, daß sich gerade bei den Investitionen der Bundesbahn die einmalige Chance bietet, durch gezielte Investitionspolitik Arbeit in Regionen zu bringen, die von struktureller Arbeitslosigkeit gebeutelt werden? Dies gilt für die Nordseeküste genauso gut wie für den Bayerischen Wald. Die Bundesbahn versucht, ihr Image zu verbessern, durch neue Konzeptionen und neue Züge Fahrgäste zurückzugewinnen. Das ist ein verkehrsund umweltpolitisch richtiger Weg. Nur, Sie sitzen im Bremserhäuschen und tun nicht das, was erforderlich wäre. ({6}) Von Chancengleichheit kann beim Vergleich Schiene-Straße nicht die Rede sein. Was, Herr Bundesminister Dollinger, ist eigentlich aus den Koalitionsvereinbarungen und den Voten des Bundeskanzlers geworden - Kabinett-Sitzung vom 24. Juli 1985 und Schreiben an den bayerischen Ministerpräsidenten vom 27. August 1984 -, den Einstieg zu einer grundlegenden Verbesserung der Kapitalstruktur der Deutschen Bundesbahn noch in dieser Legislaturperiode zu finden? Man hört und sieht nichts davon. Na ja, hoffen wir, daß diese Schreiben wenigstens sauber und ordentlich abgeheftet sind. Die SPD-Bundestagsfraktion hat mit ihrer Novelle zum Eisenbahngesetz ihre Schularbeiten gemacht. Die Regierung hat geschwänzt und geschludert. Die Eisenbahner werden's zu beurteilen wissen. Auch im Bereich der Seeschiffahrtshilfen ist keine Konzeption erkennbar. Da kaum noch Schiffbau stattfindet, fließen die Neubauhilfen nicht ab, so daß durch ständige Änderungen der Erläuterungen nicht nur Umbau gefördert wird, sondern letztlich immer kleinere Einheiten in die Förderung einbezogen werden. Und auch die Ausflaggung, der durch die pauschalierten Zinsbeihilfen entgegengewirkt werden soll, nimmt nicht ab, sondern erstreckt sich zunehmend - und dies macht große Sorge - bereits auf Ausnahmegenehmigungen während der Flaggenbindung. Damit da kein falscher Eindruck entsteht: Die SPD lehnt die Hilfen nicht ab. Sie will aber deutlich darauf hinweisen, daß die Instrumente stumpf geworden sind und daß im Verkehrsministerium, statt über neue Hilfen nachzudenken, neue Konzepte zu entwickeln, Umstrukturierungshilfen zu geben, Flickschusterei betrieben wird. Dies hilft der Küste auf Dauer ganz bestimmt nicht weiter. Die Arbeitsplätze werden nicht sicherer. Das Dilemma wird nur verschoben. In diesem Zusammenhang muß es einem schon als ein Witz vorkommen, daß nicht einmal der Wunsch der Küstenländer - das konterkariert das Ganze etwas -, der Bund möge mindestens die Hälfte der Kosten der Schiffsentsorgung nach MARPOL tragen, von der Regierung und den Koalitionsfraktionen aufgenommen wird. Wir wissen doch, was an der Nordsee los ist. Wir kennen doch die Gefährdung des Ökosystems durch Ölrückstände, die ins Meer hineingegeben werden, und durch Chemikalien. Warum verschanzen Sie sich eigentlich weiter hinter rechtlichen Bedenken, wenn es zu handeln gilt? Die 6,75 Millionen DM Bundesanteil, die da fällig werden, sind in diesem Haushalt weiß Gott noch zu finden. Ich habe im Haushaltsausschuß beantragt, dieses Geld zur Verfügung zu stellen. Sie haben es abgelehnt. Sie verzichten auch hier auf aktive Mitgestaltung der Politik. ({7}) Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, Sie sind angetreten mit dem Anspruch, die Investitionskräfte zu stärken und im Bundeshaushalt hierzu einen entscheidenden Beitrag zu leisten. Nach vier Jahren kann man feststellen: Außer marginalen Veränderungen hat es im Bereich des Ministers für Verkehr für die Bundesinvestitionen keine richtungsweisenden Impulse gegeben. Der Sündenkatalog ist lang. Er beginnt mit der Privatisierung der Naßbaggerei, zu schnell und überhastet vorgenommen, Verdiensteinbußen bei den Beschäftigten der Wasser- und Schiffahrtsdirektion zwischen 600 und 800 DM im Einzelfall - das muß man sich einmal vorstellen -, Verschleuderung von wertvollem Gerät beinahe zum Schrottpreis - wir haben den Antrag gestellt, der Bundesrechnungshof möge dies einmal prüfen -, Flickwerk bei den Seeschiffahrtshilfen, keine Verstärkung des Umweltschutzes bei Verkehrsausgaben - wie wäre es nämlich sonst möglich, daß Lärmschutzmittel immer noch in den Straßenbau fließen können? -, kein Einstieg in die Entschuldung der Deutschen Bundesbahn - eine Maßnahme, die auch Herr Abs, der ja nicht im Verdacht steht, Sozialdemokrat zu sein, der Bundesregierung empfohlen hat -, keine Haushaltsansätze für Bundesbahnstrecken, die im gesamtwirtschaftlichen Interesse aufrechterhalten werden müssen, nur Verschiebung der Investitionsmittel im Gesamtbereich des Sondervermögens Deutsche Bundesbahn zur Aufhellung der mageren Optik, keine neuen Konzepte zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs. Alle Jahre wieder, Herr Kollege Metz, müssen wir armen Berichterstatter im Haushaltsausschuß dafür sorgen, daß der kombinierte Verkehr bei der Bundesbahn weiter gefördert wird, weil die Regierung nicht in der Lage ist, ein vernünftiges Konzept zur Förderung des Kombiverkehrs, der unsere Straßen entlastet, vorzulegen. ({8}) Herr Bundesminister Dollinger, im vergangenen Jahr hat Ihnen die SPD-Bundestagsfraktion durch Übertragung von Mitteln aus dem Gesamthaushalt in den Einzelplan 12 gezeigt, was Sie hätten tun können, insbesondere für den Bereich der Deutschen Bundesbahn, um zu höheren Investitionen, um zu mehr Arbeit zu kommen, regionalisiert zu Arbeit zu kommen. Sie, die Koalition, haben im vorigen Jahr unsere Anträge abgelehnt. Wir haben sie dieses Jahr erst gar nicht mehr gestellt, weil, wenn wir dann regieren, der ganze Haushalt neu geschrieben werden muß, damit in der Bundesrepublik Deutschland endlich wieder aktive Verkehrspolitik stattfindet. ({9}) Ich hatte Ihnen, Herr Dr. Dollinger, im letzten Jahr gesagt ({10}) - könnt ihr euch denn mal beruhigen, oder geht das nicht? Ich bin ja gleich fertig -: Wir haben Ihren Haushalt gezählt, wir haben ihn gewogen, und wir haben ihn für zu leicht befunden. Ich hatte ein bißchen die Hoffnung gehabt, daß Sie dieses Menetekel ernst nehmen und im 87er Haushalt Ihre Hausaufgaben ordentlich machen würden. Ich stelle fest, das ist nicht geschehen. Sie und die Koalition sind nicht lernfähig. Wir lehnen Ihren Haushalt ab. ({11}) Ich füge aber zugleich hinzu, daß wir auch die Änderungsanträge der GRÜNEN ablehnen werden, und begründe dies wie folgt: Die Forderungen der Fraktion der GRÜNEN in den Bereichen Wasser-und Schiffahrtsverwaltung des Bundes und Bundesfernstraßen sind nur als kontraproduktiv zu beurteilen. Wenn man von 6,25 Milliarden DM Straßenbaumitteln, Herr Senfft, Kürzungen um 3,6 Milliarden DM - das sind fast 60 % dieses Bereiches - verlangt, dann ist das völlig unverständlich. Die Anträge widersprechen jeder finanz-, wirtschafts- und verkehrspolitischen Vernunft. Sie produzieren zusätzliche Massenarbeitslosigkeit. Das sollte man den Leuten draußen einmal ganz deutlich sagen; denn auch Ortsumgehungen sind Menschenschutz und auch Lärmschutzmaßnahmen sind Menschenschutz. Dies ist alles nicht mehr möglich. Es ist sogar nicht einmal möglich - das will ich Ihnen ganz deutlich sagen -, mit dem Restansatz, den Sie lassen wollen, die Verkehrssicherheit unseres Straßensystems zu garantieren, ({12}) da der Erhaltungs- und Unterhaltungsaufwand unseres Straßennetzes dann nicht mehr sachgerecht durchgeführt werden kann. Die Schauanträge stellen Sie woanders; hier im Deutschen Bundestag sind sie verfehlt. Ich danke Ihnen. ({13})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Metz.

Reinhard Metz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001487, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Purps, die Reihenfolge der Behandlung der Einzelpläne wird einvernehmlich festgelegt. Mir ist nicht bekannt, daß irgendein Sozialdemokrat gegen die Plazierung dieses Einzelplans seine Stimme erhoben hätte. - Tun Sie es doch mal. Dann können wir ein anderes Mal schon eher darüber reden. ({0}) - Aber Sie haben recht. Der über 25 Milliarden DM umfassende Verkehrshaushalt ist der viertgrößte Einzeletat und zugleich der wichtigste Investitionshaushalt des Bundes. Jede zweite Mark wird investiert. Damit sichert der Verkehrshaushalt rund eine Viertelmillion Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft und den abhängigen Industrien. Es ist auch wahr: Zehn Minuten für 25 Milliarden DM sind ein bißchen wenig. Da bleiben 24 Sekunden pro Milliarde, und das zwingt eben auch dazu, unter den möglichen vielen Themen zu selektieren. Nachdem die Bundesbahn in den Etatberatungen der letzten Jahre jeweils einen breiten Raum eingenommen hat, möchte ich mich heute insoweit auf einige kurze Feststellungen beschränken. Erstens. Die Bahn befindet sich nach langem Siechtum unter sechs SPD-Verkehrsministern und vier SPD-Finanzministern in den letzten Jahren wieder auf dem Weg der Besserung. Zweitens. Sie ist aber noch nicht über den Berg, sondern sie gehört nach wie vor zu den bedeutenden Finanzrisiken des Bundes in den kommenden Jahren. Die Sünden der Vergangenheit werfen auch hier lange Schatten. ({1}) Drittens. Es ist dem Vorstand gelungen, das Image des Unternehmens deutlich zu verbessern. Die Menschen, die für die Deutsche Bundesbahn arbeiten, haben in den letzten Jahren das zeitweilig verlorengegangene Gefühl wiedergewonnen, für ein von der modernen Industriegesellschaft akzeptiertes Unternehmen mit Zukunftschancen zu arbeiten. Viertens. Die Zuweisungen des Bundes an die Bahn betragen rund 13,8 Milliarden DM. Investitionsansätze von 4,2 Milliarden DM gewährleisten die Finanzierung der neuen Ausbaustrecken ebenso wie Anlagen des kombinierten Verkehrs, von Rangierbahnhöfen und sonstigen dringend notwendigen Rationalisierungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Der Haushaltsausschuß - das ist richtig - hat 100 Millionen DM für den kombinierten Verkehr gesichert, der einen erheblichen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und zur Verringerung der Umweltbelastung durch Verminderung von Abgasen und Lärm leistet. Fünftens. Die Bahn kann sich auf die Unterstützung durch diese Koalition auch künftig verlassen. ({2}) Herr Kollege Purps hat MARPOL angesprochen. Auch ich will das kurz tun. Im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Bundesmitteln für die Finanzierung von Auffanganlagen für ölhaltige Rückstände und Chemikalien in den Häfen können wir auf die Schnelle dem Begehren des Bundesrats nicht zustimmen. Die Bundesregierung weist in diesem Zusammenhang auf schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Finanzierungsbeteiligung des Bundes hin, hat aber zugleich ihre Bereitschaft erklärt, den Fragenkomplex genau zu prüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung müssen wir jetzt abwarten. Ich füge allerdings folgendes hinzu - auch an die Adresse der Bundesregierung -: Die Verhütung von Meeresverschmutzung - gerade auch im Zusammenhang mit der Nordsee - ist ein so wichtiges Problem, daß das Parlament es nicht zulassen sollte, daß die Aufgabe deswegen nicht richtig angepackt wird, weil sich Bund und Länder über angebliche oder tatsächliche verfassungsrechtliche Bedenken streiten. Vor einiger Zeit hat sich der KolMetz lege Bohlsen schon in diesem Sinne für unsere Fraktion geäußert. Wir hätten kein Verständnis dafür, wenn eine etwaige Kostenbeteiligung des Bundes, soweit sie juristisch möglich ist, dennoch unterbliebe. Ich bitte auch den Bundesumweltminister, sich dieser Frage anzunehmen. Mir scheint wegen der gesamtstaatlichen Bedeutung des Meeresumweltschutzes und wegen der Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Häfen eine Lösung des Problems vordringlich zu sein. Das Parlament sollte verhindern, daß Juristen die Frage langfristig hin- und herschieben. Zur Zeit muß man dem Bund allerdings die Chance geben, seine Prüfung zügig zu beenden, bevor man endgültig entscheidet. Bis dahin bitten wir die Bundesländer, die in jedem Fall an den Kosten beteiligt sind, sich ihrerseits nicht hinter dem Bund zu verstecken. Meine Damen und Herren, den Haushaltsausschuß beschäftigen in jedem Jahr nicht nur die Bahn, sondern auch die sogenannten Seeschiffahrtshilfen. Dahinter verbergen sich das Schicksal der deutschen Schiffbauindustrie und das Schicksal der deutschen Handelsflotte. Mit ihnen sind zugleich die wohl akutesten Probleme des Einzelplans benannt, die daher auch im Mittelpunkt der nächsten Sätze stehen sollen. Die Ursachen für den Niedergang der europäischen und der deutschen Handelsflotte sind bekannt. Sie müssen natürlich dennoch immer wieder genannt werden, damit vordergründige Schuldzuweisungen, beispielsweise an die Adresse der Bundesregierung, auch wirklich als unseriös erkannt werden können. Es gibt - um mit der Analyse zu beginnen - Anzeichen dafür, daß das weltweite Transportvolumen langsamer als das weltweite Bruttosozialprodukt wächst. Das liegt u. a. daran, daß sich das Wachstum des Bruttosozialprodukts in den Industrieländern zunehmend im Dienstleistungsbereich und im Bereich technisch hochwertiger Güter vollzieht. Dienstleistungen brauchen aber keinen Schiffsraum. Für die vorhandene Ladung gibt es zu viele Schiffe. Die Überkapazität an Tonnage drückt auf die Frachtraten. Der Wettbewerb wird ruinös. Die Reeder kommen zunehmend in finanzielle Bedrängnis. Die Banken sind immer weniger bereit, Neubauten zu finanzieren, weil jeder Neubau eine weitere Entwertung der von ihnen beliehenen älteren Tonnage bedeuten kann. Subventionen, steuerliche Vergünstigungen, strategische und nationale Gesichtspunkte haben den Schiffbau am Bedarf vorbei stimuliert. Pleiten beseitigen dabei keine Kapazitäten. Die Dollarschwäche verstärkt das Problem deutscher Reeder, Erträge in Dollar einerseits und Kosten in D-Mark andererseits, erzwungene Lohnabschlüsse, das alles wirkt negativ und verstärkt die Tendenz zur Ausflaggung. Angesichts dieser gewaltigen Sogkraft des internationalen Marktgeschehens haben die Anstrengungen der deutschen Reeder und der deutschen Schiffahrtspolitik nicht den gewünschten Erfolg erzielen können. Es gibt zwar Ansätze, die erfolgreich sind; sie reichen aber noch nicht aus. Die Regierung - ich will das noch einmal ausdrücklich betonen, Herr Minister - hat größere Anstrengungen für die deutsche Seeschiffahrt als frühere Regierungen unternommen. Der Trend zur Ausflaggung ist aber, wie wir wissen, nicht gestoppt. Manche Vorschläge, die in dieser Situation gemacht werden, sind untauglich, andere sind erfolgversprechend. Ich will einige dieser Vorschläge ansprechen. Eine Forderung lautet, die Politik müsse festlegen, was eine angemessene deutsche Handelsflotte sei. Diese Forderung ist unrealistisch und nicht erfüllbar. Niemand kann und wird diese Frage seriös beantworten, wie die Flotte aussehen könnte. Es nützt j a nichts, eine bestimmte Tonnagezahl oder eine bestimmte Zahl von Schiffen zu benennen. Man müßte ja auch die angemessene Zusammensetzung der Flotte definieren - ein völlig unmögliches Unterfangen. Aber selbst dann, wenn das ginge, wäre das Problem damit nicht gelöst. Denn was wäre, wenn ein Teil der angeblich angemessenen Flotte nicht beschäftigt wäre? Dann wären wir so schlau wie heute. Ich empfehle also uns allen, diesen Ausdruck nicht mehr zu gebrauchen und diese Forderung nicht mehr zu stellen. Eine andere untaugliche Forderung ist die nach Dirigismus, nach Ladungslenkung. Deutsche Ladungslenkung würde aber den Geschäftsbereich deutscher Reedereien zu einem großen Teil gar nicht erreichen. Die größte deutsche Reederei muß sich 70 % ihres Geschäfts im internationalen Bereich suchen. Gerade diejenigen, denen angeblich geholfen werden soll, halten nichts davon. Ich will kurz zu einem letzten Vorschlag etwas sagen: Wir müssen so schnell wie möglich weitere steuerliche Erleichterungen für die deutschen Reedereien beschließen. Das fordert der Steuerbelastungsvergleich, den die Bundesregierung vorgelegt hat. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die steuerliche Belastung der deutschen Reedereien in ertragsschwachen Zeiten und in Verlustperioden im internationalen Vergleich am höchsten ist. Hier besteht dringender politischer Handlungsbedarf. ({3}) Lassen Sie mich zum Schluß die Worte wiederholen, die ich bei der letzten Aktuellen Stunde über die Werften gesagt habe: Ob es deutschen Schiffbau und eine deutsche Flotte auch in Zukunft gibt, sind keine Fragen an die deutsche Küste, sondern es sind Fragen an das ganze Land. ({4}) Die Menschen an der Küste wollen nicht nur materielle Hilfe, sie wollen vor allen Dingen auch spüren, daß in Bonn und im Binnenland begriffen wird, daß Schiffahrt und Schiffbau und das Schicksal der maritimen Verbundwirtschaft Fragen von nicht nur regionaler, sondern von nationaler Bedeutung sind. Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß dieses Parlament das immer beherzigt. Dem Verkehrshaushalt für 1987, Herr Minister, stimmen wir gern zu. Vielen Dank. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Senfft.

Hans Werner Senfft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002162, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Zuerst einmal möchte ich nachdrücklich bekräftigen, was der Herr Abgeordnete Purps hier ausgeführt hat. Es ist schon ein Unding, daß der drittgrößte Haushalt, der Verkehrshaushalt, zu so später Stunde hier behandelt wird. Das hat sicherlich auch berechtigte Gründe. Dieser Haushalt ist in der Öffentlichkeit nicht vorzeigbar, ohne daß die Menschen, die es betrifft, davon nicht auch berührt wären. ({0}) Es gibt trotzdem Gruppen, die mit dem Haushalt des Verkehrsministers eigentlich sehr zufrieden sein müßten. Da ist zuerst einmal die Straßenbaulobby. Die kann mit dem Verkehrsminister sehr zufrieden sein. Von 1982 bis 1987 ist der Mittelansatz für den Straßenbau um 550 Millionen DM, also über eine halbe Milliarde DM, angehoben worden. Es wird auch weiterhin jede Menge neuer Autobahnen geben: 2 400 Kilometer Autobahnen, 6 000 Kilometer Bundesstraßen, die demnächst über unsere schöne Landschaft hinweggegossen werden. Zweitens kann die Lkw-Lobby zufrieden sein. Sie konnte, seit der Minister regiert, ihren Anteil von 80,4 Milliarden Tonnenkilometer erhöhen auf 91,6 Milliarden Tonnenkilometer im letzten Jahr. Weiterhin kann über hohe Steigerungsraten auch die Pkw-Lobby zufrieden sein. Immerhin ist, seit der Herr Verkehrsminister regiert, der Bestand an Pkw um weitere 3 Millionen gewachsen. ({1}) Außerdem hat es bei den Pkw-Fahrten eine Zunahme von 4 % gegeben, in diesem Jahr erstmals seit langen Jahren wieder eine Erhöhung der gefahrenen Kilometer, eine Erhöhung des Energieverbrauchs. Seitdem der Minister regiert, hat es in den letzten vier Jahren 200 000 Tonnen reale Erhöhung der Stickoxidemissionen und 15 000 Tonnen Erhöhung der Rußemission gegeben, nur aus dem Pkw-Bereich, den Lkw-Bereich noch gar nicht einmal hinzugerechnet. Das sind die Nutznießer Ihrer Verkehrspolitik: Straßenbaulobby, Lkw-Lobby, Pkw-Lobby. Dann kommen wir auf die zu sprechen, von denen hier leider nur sehr selten geredet wird, das sind die von Ihrer Politik betroffenen Menschen. Das sind all die Menschen, die vom Autoverkehr betroffen sind, auch wegen des ausufernden Lärms. Das ist die bedrohte Umwelt. Das ist der Wald, der weiter stirbt. Das sind die Kinder, deren Freiheit in ihrem Lebensraum immer weiter eingeschränkt wird. ({2}) Das sind die älteren Menschen, deren Freiheit eingeschränkt wird, weil sie sich in manchen Bezirken nicht mehr trauen, über die Straße zu gehen. Das sind die Fußgänger, die im Straßenverkehr mehr und mehr bedroht sind. Das sind auch die Fahrradfahrer, die immer wieder Leidtragende des motorisierten Verkehrs sind. Meine Damen und Herren, es hat von 1983 bis 1985 140 000 - man stelle sich einmal diese Zahl vor - verletzte Fußgänger gegeben. 6 000 Fußgänger kamen im Straßenverkehr ums Leben. Es sind 2 000 Fahrradfahrer getötet und 180 000 Fahrradfahrer verletzt worden. Das sind die Zahlen. Das ist das Leid. Das sind die Menschen, über die hier im Parlament leider Gottes so gut wie überhaupt nicht geredet wird. ({3}) Hinzu kommt die Deutsche Bundesbahn als Leidtragende. Hier entwickelt sich geradezu der „Neue Heimat"-Skandal der Bundesregierung. Um es ganz deutlich auszudrücken: Die Bundesbahn ist mit über 38 Milliarden DM verschuldet. Die Verschuldung soll bei dieser Entwicklung bis 1990 auf 50 Milliarden DM anwachsen. Die Bundesregierung hat bei der Entschuldung überhaupt nichts getan. Ganz im Gegenteil, die Verkehrsanteile haben sich weiter verlagert zugunsten des Individualverkehrs und weiterverlagert zugunsten des Straßengüterfernverkehrs. Wir haben jetzt schon eine dramatische Entwicklung im Bereich des Güterverkehrsaufkommens bei der Deutschen Bundesbahn. Hier hat die Bundesregierung überhaupt nichts getan, und hier ist zu erwarten, daß wir etwas noch wesentlich Dramatischeres erleben als bei der Neuen Heimat, nämlich den Zusammenbruch des größten Verkehrsunternehmens der Bundesrepublik überhaupt. ({4}) Diese Entwicklung soll auch in den nächsten Jahren weitergehen. Die sogenannte Tarifreform bei der Deutschen Bundesbahn, hinter der sich nichts anderes verbirgt als eine verschleierte Tariferhöhung, eine Fahrpreiserhöhung, soll dazu führen, daß 3,3 % - so sagt der Bundesbahnvorstand selber - weniger Reisende auf der Schiene fahren. Diese werden demnächst also auf den Pkw umsteigen. Im Güterverkehr ist es so, daß wir entgegen den Planungen schon in diesem Jahr einen Mindererlös von 500 Millionen DM haben. Das ist eine dramatische Entwicklung, die durch die Liberalisierung auf europäischer Ebene weiter vorangetrieben werden wird. Während Ihrer Regierungszeit, Herr Minister, wurden bei der Deutschen Bundesbahn 50 000 ArSenfft beitsplätze vernichtet. Wissen Sie, was das heißt, Herr Minister: 50 000 vernichtete Arbeitsplätze? Das heißt, daß 50 000 jungen Menschen eine anständige Chance verweigert wurde, einen Beruf in einem Zweig zu ergreifen, in dem es normalerweise einen Zuwachs geben muß. Die Bundesbahn darf nicht schrumpfen, sie muß wachsen. 50 000 Arbeitsplätze wurden vernichtet. Bitte erzählen Sie von der Bundesregierung uns nichts mehr davon, daß es Ihnen um die Arbeitsplätze geht. Es geht Ihnen lediglich darum, die Interessen der Straßenbau- und Automobillobby hier zu vertreten, es geht Ihnen nicht um die Arbeitsplätze. ({5}) Wir haben unter dem Strich weniger Reisezüge, wir haben unter dem Strich weniger Bundesbahnstrecken, wir haben bei der Bundesbahn einen radikalen Schrumpfkurs. Wir haben insgesamt gesehen eine für Natur, Umwelt und die betroffenen Menschen negative Entwicklung im Verkehrsbereich. Wahrscheinlich ist das auch ein Grund dafür, daß diese Debatte zu so später Stunde geführt wird und nicht während der Fernsehzeit. ({6}) Unter dem Strich betrachtet bleibt festzustellen, daß eine grundlegende ökologische Wende notwendig ist, eine grundlegende ökologische Wende hin zu mehr Fahrradverkehr, hin zur Unterstützung derjenigen, die kurze Strecken noch zu Fuß gehen, hin zur Unterstützung derjenigen, die öffentliche Verkehrsmittel - Busse, Straßenbahn und die Deutsche Bundesbahn - benutzen. Wir brauchen ein radikales Umdenken im Verkehrsbereich, das endlich einmal auch die negativen Folgeschäden berücksichtigt und zu politischem Handeln zugunsten der ökologisch sinnvollen Verkehrsträger führt. Weil dies meine letzten Ausführungen hier sind, möchte ich meine persönliche Auffassung zu diesen Problemen insgesamt darlegen. Ich glaube, es ist ein Irrtum, wenn man davon ausgeht, daß die freie Raserei auf unseren Straßen mit dem vorhandenen Autcbestand und bei einer weiteren Zunahme des Pkw-Verkehrs auf die Dauer für die Umwelt tragbar sein wird. Das möchte ich hier kraß in Frage stellen. Das ist eine Illusion. ({7}) Es wird sich herausstellen, daß das einzige realitätsorientierte Konzept eine verkehrspolitische Wende sein wird. Zum Schluß noch eine persönliche Betrachtung dessen, was wir hier als GRÜNE erfahren haben. Wir sind vor vier Jahren hier eingezogen und haben - wie in sehr wenigen Bereichen in dieser krassen Form - im verkehrspolitischen Bereich in allen Fraktionen - einige Kolleginnen und Kollegen in der SPD-Fraktion ausgenommen - eine vollkommene Verankerung des Beton- und Asphaltdenkens, was den Verkehr angeht, vorgefunden. Das Betrübliche nach den vier Jahren unserer Arbeit ist eigentlich, daß wir feststellen müssen: Mit einer ähnlichen Haltung, die ich bei den anderen Fraktionen in gleichen Konstellationen vermerken kann, werden wir die vierjährige Arbeit beenden. ({8}) Das zeigt unter dem Strich gesehen, daß ein Umdenken in Ihren Fraktionen leider nicht möglich ist. Das betont wieder einmal die Notwendigkeit, daß in den nächsten Deutschen Bundestag - davon bin ich auch überzeugt - mehr GRÜNE einziehen müssen und werden. Wir werden mit dazu beitragen, daß hier endlich eine ökologische Wende im Bereich der Verkehrspolitik erfolgt. ({9})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Kohn.

Roland Kohn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001168, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Rede von Herrn Senfft kann ich nur sagen: Das Problem ist weniger der Beton in unserer Landschaft als der Beton vor Ihrem Kopf. ({0}) Lassen Sie mich mit dem Wichtigsten beginnen: Diese Bundesregierung hat in der zu Ende gehenden Legislaturperiode eine erfolgreiche Verkehrspolitik gemacht. Wir werden diese Politik auch nach dem 25. Januar 1987 fortsetzen. ({1}) Meine Damen und Herren, meine Vorredner haben alle darauf hingewiesen, welche besondere Bedeutung dem Verkehrsetat zukommt. Man muß sich nur vergegenwärtigen, daß der Investitionsanteil im Verkehrshaushalt über 50 % beträgt. Das macht deutlich, welche volkswirtschaftlichen Konsequenzen mit einer vernünftigen Verkehrspolitik verbunden sind. Wir glauben, es ist eine verkehrspolitische Gesamtkonzeption erforderlich, die eingebettet ist in unsere gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Zielsetzungen. Der Zeitmangel verbietet es mir, hier auf alle Bereiche und alle Aspekte einzugehen. Ich kann deshalb nur einige Punkte, die mir besonders wichtig zu sein scheinen, hervorheben. Ich beginne mit der Deutschen Bundesbahn. Die Bundesregierung hat mit ihrem Konsolidierungsbeschluß vom November 1983 die Grundlagen dafür gelegt, daß die Bundesbahn auf einen vernünftigen Kurs geraten ist. Wir haben es geschafft, das jährliche Defizit der Bahn auf unter 3 Milliarden DM herunterzudrücken. Aber ich verkenne natürlich nicht, daß es in Zukunft eine Reihe von Problemen geben wird. Wir haben bereits in diesem Jahr gesehen, welche Schwierigkeiten sich im Bereich des Güterverkehrs ergeben. Ich weise auch darauf hin, was Herr Gohlke j a immer zu Recht sagt, daß es im Zusammenhang mit Entwicklungen auf europäischer Ebene Finanzrisiken geben wird. Hier muß noch einiges geschehen, das steht völlig außer Frage. Wir Liberalen bleiben dabei: Wir wollen die Bundesbahn zu einem marktorientierten Dienstleistungsunternehmen fortentwickeln. ({2}) Wir sind hierbei ein weites Stück dank der Leistungen des Vorstandes und der Mitarbeiter der Bahn vorangekommen. Meine Damen und Herren, ich möchte hier an das Zehn-Punkte-Programm erinnern, das ich im Juni des Jahres 1985 an dieser Stelle vorgetragen habe, und hier nur stichwortartig erwähnen, was aus unserer Sicht in der nächsten Legislaturperiode geleistet werden muß. Dazu gehört die gesetzliche Verankerung der Transparenzrechnung. Dazu gehört die Lösung der Wegekostenproblematik. Dazu gehört die Herstellung einer unternehmerisch tragfähigen Finanzstruktur: Einstieg in die Entschuldung. ({3}) Dazu gehört auch die Rückendeckung der Politik für ein unternehmerisches Handeln der Bahn, das in der Vergangenheit nicht immer vorhanden gewesen ist. Dazu gehört die Finanzierung der Aus- und Neubaustrecken der Bahn, um diesen Verkehrsträger attraktiv zu machen, und, meine Damen und Herren, dazu gehört auch der Schienenpersonennahverkehr. Nachdem am gestrigen Tage der Kollege Reimann offensichtlich das Plenum des Deutschen Bundestages mit dem Stadtrat von Ludwigshafen verwechselt hat, ({4}) möchte ich doch eine einzige Bemerkung hierzu machen, meine Damen und Herren. Das Problem besteht nicht darin, daß diese Regierung nicht bereit wäre, dafür zu sorgen, daß ein vernünftiger Verkehrsverbund im Rhein-Neckar-Raum entsteht, das Problem bestand darin, daß in der Vergangenheit die kommunalen Gebietskörperschaften aus egoistischen Motiven nicht in der Lage waren, ein vernünftiges Konzept zu entwickeln. Deswegen wurden in den 70er Jahren die Weichen falsch gestellt, mit den Ergebnissen, die wir heute zu beklagen haben. Meine Damen und Herren, was den Bereich des Straßenbaus angeht, kann ich mich hier kurzfassen. Wir haben im Zusammenhang mit dem Bundesverkehrswegeplan Anfang des Jahres ausführlich diese Problematik diskutiert. Wir wollen - übrigens im Gegensatz zu den GRÜNEN -, daß auch in Zukunft Ortsumgehungen gebaut werden. ({5}) Wir wollen, daß Unfallschwerpunkte beseitigt und Netzlücken geschlossen werden. Im übrigen sollte man hier auch noch einmal lobend hervorheben, daß bei keinem anderen Bundesverkehrswegeplan zuvor die ökologische Dimension des Problems eine so starke Beachtung gefunden hat wie bei dem Plan, den wir im Januar 1986 beschlossen haben. ({6}) Meine Damen und Herren, zum Thema Verkehrssicherheit kann ich mich auf die Fortschreibung des Verkehrssicherheitsprogramms beziehen. Wir sind sehr dankbar dafür, daß es gelungen ist, zu einem wesentlichen Rückgang der Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang zu kommen. Hier wird aber in Zukunft noch einiges erforderlich sein; denn die allerjüngsten Zahlen weisen leider in die falsche Richtung. Hier besteht also Handlungsbedarf. Übrigens will ich im Zusammenhang mit der Thematik Verkehrssicherheit noch einen Punkt ansprechen, der mir als Liberalem besonders am Herzen liegt. Wir Liberalen sind der Meinung, daß es ein falsches Argument ist, wenn manche sagen, aus Gründen der Verkehrssicherheit dürfe man die freien Sachverständigen nicht zur Kfz-Überwachung in gleichem Maße zulassen wie die TÜVs. Wir halten das für falsch. Wir unterstützen nachdrücklich die Position unseres Bundeswirtschaftsministers Bangemann.Wir wollen, daß freiberufliche Sachverständige in gleicher Weise zur Kfz-Überwachung zugelassen werden, und ich bin guter Hoffnung, daß wir das erreichen werden. ({7}) Meine Damen und Herren, zum Thema Auto und Umwelt nur einige Zahlen, damit man von diesen ideologischen Diskussionen wegkommt: Im Januar 1986 betrug der Marktanteil unverbleiten Benzins 5%; inzwischen, im Oktober, beträgt er 13%. Vor einem Jahr war nur jedes 35. neue Fahrzeug mit einem Katalysator ausgestattet; heute ist es jedes 7. Fahrzeug. ({8}) Dies macht deutlich, daß wir auf dem richtigen Wege sind, dafür zu sorgen, daß die Umweltbelastung durch Kraftfahrzeuge ({9}) reduziert wird. ({10}) Im übrigen will ich hier nachdrücklich sagen: Meine Fraktion unterstützt aus Überzeugung die Vorgehensweise des Bundesministers Wallmann, dafür zu sorgen, daß innerhalb der Europäischen Gemeinschaft verbleites Normalbenzin so rasch wie möglich aus dem Verkehr gezogen wird. ({11}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir unterstützen das deshalb, weil dies die Verwirklichung der Drei-Säulen-Konzeption ist, die die Freie Demokratische Partei durch meinen Kollegen Hoffie vor Jahr und Tag gefordert hat. Deswegen wollen wir das durchsetzen! ({12}) Eine Bemerkung will ich noch zum Thema Binnenschiffahrt machen. Hier geht es uns vor allem darum, den mittelständischen Bereich und die Partikuliere zu stärken. Herr Bundesverkehrsminister, ich will festhalten, daß es zwei Punkte gibt, an denen Probleme existieren, die gelöst werden müssen. Das betrifft einmal die Thematik der Festsetzung von Tagesmietsätzen für Tankschiffe mit weniger als 700 Eichtonnen durch die Tankfrachtausschüsse. Dies ist ein Schritt in die falsche Richtung. Ebenso muß ich kritisieren, daß bei der Besetzung der Frachtenausschüsse in der Binnenschifffahrt die Abteilung Binnenschiffahrt des Bundes der Selbständigen mit ihren Vorschlägen nicht zum Zuge gekommen ist. Herr Minister, ich bin der Überzeugung: Es hat keinen Sinn, sich verbal für mittelstandspolitische Maßnahmen einzusetzen, dann aber, wenn es ans konkrete Eingemachte geht, zu kneifen. ({13}) Hier besteht Handlungsbedarf. Die Liberalen werden sich dafür einsetzen, daß hier Besserung eintritt. ({14}) Meine Damen und Herren, aus Zeitmangel kann ich jetzt nicht auf die Themen der Seeschiffahrt eingehen - der Kollege Metz hat dazu schon einiges gesagt, dem ich zustimmen kann -, auch nicht auf den Bereich des Luftverkehrs. Ich nenne nur einige Stichworte, zunächst Liberalisierung des Luftverkehrs in der Europäischen Gemeinschaft. Wir halten daran fest. Dazu gehört auch die Frage der Flugsicherheit; Stichwort: Sobernheimer Konzept. Ich kann das hier nicht breit ausführen. Da wird es in der nächsten Legislaturperiode Handlungsbedarf geben. Vor allem aber wird es für den nächsten Deutschen Bundestag Handlungsbedarf beim Thema „Herstellung eines einheitlichen europäischen Verkehrsbinnenmarktes" geben. Ich möchte an dieser Stelle die Bundesregierung auffordern, endlich einen Zeitplan zur Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen aufzustellen. Wir Liberalen sagen j a zum europäischen Binnenmarkt und damit auch zum europäischen Verkehrsmarkt, aber dies darf nicht auf Kosten des deutschen Gewerbes geschehen. Das heißt, wir müssen die Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft angleichen. ({15}) Wir Liberalen sagen: Voraussetzung für die geplante Liberalisierung ist die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen. Daran werden wir uns orientieren. Ich nenne als Stichworte: Kfz-Steuer, Mineralölbesteuerung, technische Überwachung, Überwachung der Sozialvorschriften usw. Meine Damen und Herren, wir wollen ein schrittweises Vorgehen auf dem Weg zu einem liberalisierten europäischen Verkehrsmarkt, um unseren deutschen Verkehrsunternehmen eine Anpassung ohne wirtschaftliche und soziale Nachteile zu ermöglichen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zusammenarbeit innerhalb der Koalition ist im Verkehrsbereich ausgezeichnet gewesen. Ich möchte Ihnen, Herr Minister, ausdrücklich für die sachliche Kooperation und für das gute menschliche Klima danken. Die Freien Demokraten stimmen dem Verkehrshaushalt zu. Wir werden dafür sorgen, daß wir diese erfolgreiche Politik nach 1987 fortsetzen können. Vielen Dank. ({16})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr, Dr. Dollinger.

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ({0}) - Ich kandidiere weiter. Ich werde auch gewählt werden. Machen Sie sich keine Sorgen. ({1}) - Die Regierung wird nach der Wahl gebildet. Ich möchte ein Wort an den Kollegen Purps sagen. Sie sind immer sehr sympathisch und höflich. Ich will versuchen, es genauso zu machen. Sie haben die Frage gestellt, ob ich Sie eigentlich ernst nähme. Das tue ich. Ich stelle an Sie die Frage, ob Sie alles das, was Sie gesagt haben, ernst gemeint haben. Bei Ihrer Sachkenntnis ist das eigentlich gar nicht denkbar. Dem Kollegen Metz danke ich sehr. Er wird nun in Bremen die Schiffahrts- und Hafenpolitik noch verstärkt fortsetzen. Ich hoffe, daß wir dann gut gemeinsam operieren können. Herr Senfft, Sie haben eine Reihe von Dingen genannt, die der Verkehrsminister, das Ministerium, das Parlament, gemacht haben und die richtig sind. Aber das geschah nicht nur zugunsten der Lobbyisten, wie Sie meinen, sondern auch zugunsten der Menschen. Wenn Autos verkauft werden, ist Beschäftigung vorhanden. Wenn Straßen gebaut werden, ist Beschäftigung vorhanden. So einfach, wie Sie es gesagt haben, ist es wirklich nicht. ({2}) Wenn Sie die Deutsche Bundesbahn mit der Neuen Heimat vergleichen, muß ich Ihnen sagen: Sie sollten eine solche Herabwürdigung des Vorstandes und der übrigen Verantwortlichen der deutschen Bahn hier nicht vornehmen. ({3}) Verzeihen Sie, so können Sie es nicht machen: Das Schlechte bei der Bahn macht der Verkehrsminister, und das Gute bei der Bahn macht der Vorstand. - Es ist doch gesetzlich festgelegt, wie die Aufgabenverteilung ist. ({4}) Meine Damen und Herren, der Verkehrshaushalt 1987 stellt in Zahlen geschrieben die Verkehrspolitik der Bundesregierung dar. Ihre Leitgedanken sind: Eigenverantwortung, Leistungsfähigkeit, Zukunftsvorsorge, Gewähr für Sicherheit, für mehr Umweltschutz und für ein zeitgerechtes Verkehrsangebot. Der Verkehrshaushalt 1987 ist zugleich ein Beispiel für den Zugewinn an haushalts- und finanzpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten im Verlauf dieser Legislaturperiode. Vergleichen wir: Der Verkehrshaushalt ist von 1979 bis 1982 nominal um 5% geschrumpft. Die Verkehrsinvestitionen sind in derselben Zeitspanne um real 23 % zurückgegangen. ) Die Investitionsquote ist von 51,2 % auf 47,8 % gesunken. Die Bauziele des Bundesverkehrswegeplans 1980, die sich auf einen Beschluß des Parlaments stützen, wurden nur zu 75% erfüllt. Ich muß schon sagen: Die Opposition SPD sollte hier etwas vorsichtiger mit den Angriffen auf die heutige Verkehrspolitik sein. ({5}) - Meine Damen und Herren, Sie können doch Zahlen nicht bestreiten, auch wenn sie Ihnen unangenehm sind. ({6}) Wir haben demgegenüber 1986 eine weitere Erhöhung der Ausgaben um 270 Millionen DM zu verzeichnen und stehen beim Verkehrshaushalt damit bei 25,7 Milliarden DM. Wenn wir nicht mehr den dritten, sondern den vierten Platz erreicht haben, weil die Bundesschuldenverwaltung mit rund 34 Milliarden DM auf Platz drei steht, so ist das das Ergebnis der Finanzpolitik der vorhergehenden Regierung. ({7}) Die Mittelansätze für Investitionen sind um 3 % auf über 13 Milliarden DM gestiegen. Die Investitionsquote erreicht damit 50,8% gegenüber 45,3 % nach der Finanzplanung der früheren Bundesregierung. Ich glaube, man sollte angesichts dieser Zahlen nicht sagen, daß der Finanzminister die Verkehrspolitik behindere. Das wäre völlig falsch. Ich weise auch darauf hin, daß die Bezugnahme auf Herrn Abs mit seinem Sanierungsplan für die Deutsche Bundesbahn zwar immer wiederholt wird, aber falsch ist; denn Herr Abs hat diesen Plan selbst zurückgezogen. Meine Damen und Herren, die Deutsche Bundesbahn bekommt den Löwenanteil des Verkehrshaushalts, nämlich 54 %. ({8}) Die Lage der Bahn hat sich wesentlich verändert. Das kann man nicht bestreiten. Die Jahresverluste sind zurückgegangen. Die Schulden sind viel geringer angestiegen, als Sie hier behauptet haben und als es noch 1982 erwartet wurde. Es ist auch völlig falsch, wenn Sie hier den Versuch machen, so zu tun, als ob Sie auf Grund Ihrer Arbeit dazu prädestiniert wären, die Bahn zu retten. Das ist nicht der Fall.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Senfft?

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Nein, Frau Präsidentin. Die Zeit ist zu knapp.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine Zwischenfrage. ({0})

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

In bezug auf die Verkehrsentwicklung darf ich sagen: Beim Personenverkehr lag der Verkehrsanteil der Bahn 1982 bei 6,8 %, 1985 bei 7,1 %. Wir haben also keinen weiteren Rückgang zu verzeichnen, sondern eine Zunahme, wenn auch eine geringe. Beim Güterverkehr betrug der Verkehrsanteil der Bahn 1982 28,5%, 1985 29,4 %. Was wir bei der Bahn investieren, ist bekannt. Herr Kollege Purps, wenn Sie sagen, wir sollten mehr bei der Bahn investieren, muß ich hier feststellen, daß die Deutsche Bundesbahn im Jahre 1985 Investitionen in Höhe von 5,9 Milliarden DM geplant hatte, die Bahn aber effektiv leider nur 5,3 Milliarden DM investieren konnte. Wir sind hier 1987 trotzdem auf einer Rekordhöhe, die früher niemals erreicht worden ist. Sie wissen: 1987 hat die Deutsche Bundesbahn Investitionen in Höhe von 6,5 Milliarden DM geplant. Die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn wird sich damit wesentlich verbessern. Ich bin der Überzeugung, daß wir auf dem richtigen Weg sind, eine gute, moderne, attraktive Deutsche Bundesbahn zu schaffen. Zum Straßenbau: Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen wurde hier vom Deutschen Bundestag verabschiedet. 6,25 Milliarden DM sind für das nächste Jahr vorgesehen. Ich danke besonders dem Haushaltsausschuß für seine Bemühungen um die Erhöhungen. Wir werden davon 5,1 Milliarden DM investieren. 2,2 Milliarden DM dienen allein der Erhaltung der Straßen. Das ist ein wichtiger Punkt. Dieser Betrag steigt bis zu den 90er Jahren auf 3 Milliarden DM an! Das Autobahnnetz betoniert Deutschland nicht zu, Herr Senfft. 32 000 km Bundesstraßen und 8 400 km Autobahnen machen 0,2 % der Fläche der Bundesrepublik Deutschland aus. Die letzten Netzlücken werden geschlossen. Wir werden im nächsten Jahr rund 180 km neue Autobahn fertigstellen. Bei den Bundesstraßen handelt es sich vorwiegend um Ortsumgehungen. Wir geben dafür im Zeitraum 1986 bis 1990 rund 5 Milliarden DM aus. Wir haben im Augenblick rund 100 Baustellen. Wir haben mit diesen Ortsumgehungen auch einen wichtigen Beitrag für den Umweltschutz zu leisten. Dabei sollten wir nicht immer nur vom Schutz von Tieren und der Pflanzenwelt sprechen, sondern auch vom Schutz der Menschen. ({0}) Ich glaube, daß wir ein harmonisches Nebeneinander von Natur und Mensch herstellen. Der Abgasgroßversuch hat eines gezeigt - es wird ja immer wieder ein Tempolimit gefordert -: Auf Grund der modernen Technik - schon jetzt 1,5 Millionen schadstoffarme Pkw-({1}) haben wir mehr Einsparungen, als wir hätten, wenn wir ein Tempolimit eingeführt hätten: ({2}) - bei Kohlenwasserstoff um mehr als das Elffache, - bei Kohlenmonoxid um mehr als das 1,5fache und - bei Stickoxiden bereits eine Reduzierung um immerhin 60%. Ich danke all denen, die neue Autos mit Katalysator kaufen. ({3}) Der öffentliche Personennahverkehr wird von uns nicht vernachlässigt. Wir werden im kommenden Jahr für den kommunalen Straßenbau und den öffentlichen Personennahverkehr jeweils 1,4 Milliarden DM ausgeben. Ich glaube, daß wir hier mehr tun als Länder und Gemeinden zusammen. Die Seeschiffahrt hat Kollege Metz ausführlich gewürdigt. Wir müssen alles tun, damit auf diesem Gebiet das erfolgt, was für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Flotte - einschließlich der Häfen - notwendig ist. ({4}) Moderne Industriestaaten wie die Bundesrepublik Deutschland mit ihren intensiven internationalen Verflechtungen benötigen leistungsfähige, umweltverträgliche und kostengünstige Verkehrssysteme, um ihren Lebensstandard bei zunehmendem Wettbewerb erhalten zu können. Daneben erfordert das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilen der Bundesrepublik herzustellen, gute Verkehrsverbindungen gerade für die schwach strukturierten Regionen unseres Landes. ({5}) Im neuen Bundesverkehrswegeplan werden beide Ziele als Grundlage des weiteren Ausbaus unserer Verkehrswege verfolgt. Der Verkehrshaushalt 1987 hilft, diese Ziele zu erreichen. Ich danke den Damen und Herren in den Ausschüssen. Ich danke allen Beschäftigten in den Bereichen Bahn, Straße, Binnenschiffahrt, Hochseeschiffahrt und Luftfahrt für ihren tatkräftigen Einsatz zum Wohle unserer Burger. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zuerst über die Änderungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN. Sind Sie damit einverstanden, daß wir über beide Anträge gleichzeitig abstimmen? - Dann rufe ich die Änderungsanträge auf den Drucksachen 10/6487 und 10/6488 auf. Wer diesen Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Beide Änderungsanträge sind mit gro-Ber Mehrheit abgelehnt. Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 12 ab. Wer dem Einzelplan 12 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr - in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist mit Mehrheit angenommen. Bevor ich den nächsten Einzelplan aufrufe, hat der Abgeordnete Mann zu einer persönlichen Erklärung nach § 30 der Geschäftsordnung das Wort.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in meiner Rede im Zusammenhang mit dem Einundzwanzigsten Strafrechtsänderungsgesetz den Kollegen Erhard in seiner Eigenschaft als Parlamentarischer Staatssekretär, der in hervorgehobener Stellung für die Rechtspolitik der Bundesregierung verantwortlich ist, angesprochen. Es lag und liegt mir fern, den Kollegen Erhard persönlich zu bezichtigen, er relativiere die Ermordung von sechs Millionen Juden mit der Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges. Wenn dieser Eindruck entstanden ist, bedaure ich das aufrichtig und bitte den Kollegen Erhard um Entschuldigung. Danke sehr. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

So stelle ich mir eigentlich ein solches Verfahren vor.

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen - Drucksachen 10/6313, 10/6331 Berichterstatter: Abgeordnete Deres Walther Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Beratung 60 Minuten vorgesehen. Die Redezeit für die Fraktion der GRÜNEN soll 10 Minuten betragen. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Walther.

Rudi Walther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Freund Peter Paterna hat mich vorhin gefragt, warum wir denn eigentlich den Einzelplan 13 ablehnen wollten, da er j a nur das Gehalt des Ministers und seines Parlamentarischen Staatssekretärs umfasse, ob ich denn denen ihr Gehalt nicht gönnen würde. Ich habe gesagt: Zum Sozialamt sollen sie nicht. Aber hinter dem Gehalt steht natürlich die Politik, über die wir hier zu reden haben, und diese Politik steht zur Abstimmung, nicht die Frage, ob wir die Herren bezahlen wollen oder nicht. ({0}) Ich will nur eine kurze Bemerkung zu dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär machen. Er wird zwar im Moment gestört, aber vielleicht kann man ihm sagen, daß ich ihm einen Satz zuwenden möchte. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rawe, ich sage Ihnen bei aller menschlichen Freundlichkeit, die ich Ihnen nicht abspreche: Die Art und Weise, wie Sie knüppelharte schwarze Personalpolitik bei der Post machen, ist der Grund dafür, daß wir Ihren Haushalt mit ablehnen. ({1}) Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie bei Ihrer knüppelharten Personalpolitik auch einmal dafür sorgen würden, daß nicht nur das Parteibuch im Vordergrund steht. ({2}) Meine zweite Bemerkung, die ich zum Minister machen muß, ist etwas umfänglicher. Herr Minister, Sie wissen, daß wir Ihnen seit Jahren einiges vorzuhalten haben, von dem ich hier ein paar Dinge wiederholen muß. Ich will jedoch vorausschicken, was wir nicht kritisieren. Wir kritisieren nicht, daß bei Ihnen die Investitionsrate gesteigert wird. Das wird von uns prinzipiell nicht kritisiert, da wir wissen, das hat etwas mit Arbeitsplätzen bei der Post und in der zuliefernden Wirtschaft zu tun. Wir kritisieren auch nicht, daß die Post Gewinne macht, die in der Offentlichkeit von manchen als viel zu hoch angesehen werden. Wir kritisieren das ausdrücklich nicht. Ich weise nur darauf hin, daß die Gewinne, die die Post macht, natürlich auch Nachwirkungen von Gebührenerhöhungen früherer Postminister, also Vorgängern von Herrn Schwarz-Schilling, sind. Wir kritisieren das ausdrücklich deshalb nicht, weil natürlich auch wir wissen, daß, wer solche hohen Investitionsraten finanzieren muß, dies nicht nur über Schulden machen kann, sondern dafür Gewinne und Abschreibungen braucht. Was uns Sorge macht, Herr Minister, ist, daß die Verschuldung bei der Deutschen Bundespost leider in einem erheblichen Umfang zunimmt. Daß diese enorm ansteigende Verschuldung uns Sorgen machen muß, beweist die Tatsache, daß uns Sachverständige - ich erinnere an Herrn Dr. Christians - jedes Jahr einmal im Postverwaltungsrat vortragen, wie sich die Finanzstruktur bei der Post rapide verschlechtert. Deshalb muß die Frage gestellt werden, welche Alarmglocken in Ihrem Ministerium eigentlich anfangen zu läuten. Denn bei der Vorlage des Posthaushalts 1987 und der Vorausschau für die nächsten Jahre erkennen Sie selber, daß Sie spätestens 1988 rote Zahlen schreiben werden, wenn nichts passiert. Deshalb bitte ich darum, daß Sie uns heute abend hier erklären, wie Sie die sich ungünstig entwickelnde Finanzstruktur bei der Deutschen Bundespost in Ordnung bringen wollen. Ich sage noch einmal: Wir kritisieren nicht die Höhe der Investitionen, aber zumindest einen Teil der Investitionen, die Sie finanzieren. Über die Breitbandverkabelung haben wir oft genug gesprochen. Sie wissen von mir, daß ich mich mit Ihnen in keine medienpolitische Diskussion einlasse. Für mich stellt sich vielmehr die Frage - wie übrigens auch für den Kollegen Friedmann, der dankenswerterweise hier ist -: Wie rentiert sich das Ganze denn? Wir wissen, daß in der Zwischenzeit ein Verlust von 750 Millionen DM aufgelaufen ist und überhaupt nicht abzusehen ist, wann einmal der Breakeven-point erreicht wird, wann also dieser Dienst in die schwarzen Zahlen kommt. Ich denke, Sie sind angesichts der Tatsache, daß der Telefonkunde hier eine Menge mitzufinanzieren und zu subventionieren hat, also auch die Breitbandverkabelung oder Ihr medienpolitisches Hobby zu subventionieren hat, der Öffentlichkeit Rechenschaft darüber schuldig, wann Sie endlich Maßnahmen ergreifen wollen, damit sich dieser Dienst zumindest trägt und die aufgelaufenen Verluste ausgeglichen werden. ({3}) Zweitens ist die Frage zu stellen: Wie halten Sie es eigentlich mit dem Bildschirmtext? Wenn ich richtig rechne, ist dort auch schon ein Verlust von 1 Milliarde DM aufgelaufen. Das Ganze ist ja ein Flop, wie jedermann weiß. ({4}) - Der regiert doch schon vier Jahre. Er muß doch endlich einmal sagen, was er da vorhat, Herr Kollege Pfeffermann. Wenn Sie hier schon dazwischen-krakeelen und damit Ihrem Ruf, der Ihnen vorauseilt, alle Ehre machen, dann muß ich Ihnen das entgegenhalten. Herr Minister, die Frage ist nicht, wie hoch die Investitionen sind, sondern was Sie mit dem Geld machen. Ich sage Ihnen: Ihnen fehlt nach meiner Überzeugung ausreichendes Geld, um die Digitalisierung des Fernsprechnetzes und die Glasfaserverkabelung so schnell voranzutreiben, daß dadurch nicht strukturelle Ungleichgewichte in der Bundesrepublik und regionale Unterschiede in nicht zu vertretendem Maße entstehen. Ich bitte also darum, daß Sie uns hier auch vor der Öffentlichkeit sagen, wie Sie sich das vorstellen. Herr Minister, der eigentliche Vorwurf, den ich Ihnen heute abend zu machen habe, ist, daß Sie nicht mit Menschen umgehen können. Jeder Postminister in der Vergangenheit - das gilt übrigens für jeden Unternehmer - wußte, daß er ein solches Unternehmen wie dieses nur dann führen kann, wenn er sich in Übereinstimmung mit den Betriebs- und Personalvertretungen befindet. Sie steuern ständig auf den Konflikt mit den Personalvertretern zu. ({5}) Daß die Stimmung beim Personal wirklich mies ist, wissen Sie, ist Ihnen oft genug gesagt worden, es sei denn, Sie wären jetzt schon so abgeschirmt, daß Ihnen das keiner mehr sagt. Sie haben das in Nürnberg auf dem Kongreß der Deutschen Postgewerkschaft miterlebt, und da haben Sie sich wirklich ein tolles Ding geleistet. Ich muß Ihnen das jetzt leider vorlesen. Dort haben Sie gesagt: „Wir haben in den letzten Jahren unser größtes Kapital wieder aktiviert, nämlich unsere Haupttugenden Intelligenz, Disziplin, Fleiß und Tüchtigkeit." ({6}) Das Protokoll des Gewerkschaftstages vermerkt an dieser Stelle „Lachen". Ich sage Ihnen, Herr Schwarz-Schilling, das war mehr als peinlich, was Sie sich dort geleistet haben. ({7}) Denn ich frage: Waren denn alle diejenigen, die schon länger als vier Jahre bei der Deutschen Bundespost sind, über die ganze Zeit dumm und faul und haben sie nichts getan? Nein, Herr Minister, so können Sie nicht mit Menschen umgehen. ({8}) Ich sage Ihnen ein Zweites: Wenn Sie Gelegenheit haben, nicht nur Ihre PR-Show zu machen - wie in diesen Wochen -, sondern auch mit den Mitarbeitern vor Ort, mit den lebendigen Menschen der Deutschen Bundespost zu reden, ({9}) dann werden diese Ihnen sagen, daß sie unter der Fülle der Erlasse, Ausführungsverordnungen, Durchführungsverordnungen, Änderungsverordnungen, Gebührenänderungen, Ausführungen zu Gebührenänderungen so ersticken, daß sie überhaupt nicht mehr wissen, was eigentlich Sache ist. ({10}) Es kommen viele Fehlinformationen für die Bürger dabei heraus, weil man gar nicht mehr so schnell nachkommt, wie die Papiere aus dem Bundespostministerium vor Ort angeliefert werden. ({11}) Herr Minister, die Antwort auf diese Frage sollten Sie sich einmal überlegen. Ich bin der festen Überzeugung, daß dies mit darüber entscheidet, ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Bundespost motiviert sind und sich für den Erfolg ihres Unternehmens einsetzen oder ob diese den Eindruck haben müssen: Da ist ein Minister, der auf uns überhaupt keine Rücksicht nimmt. - Deshalb sage ich folgendes noch einmal, Herr Minister. Das meine ich wirklich ganz ernst, und das ist - vielleicht nehmen Sie das an - überhaupt keine Wahlkampfmasche von mir. ({12}) Dies ist ein ganz persönlicher Rat, den ich Ihnen gebe, Herr Minister: Kümmern Sie sich wirklich und endlich um die Menschen in Ihrem Betrieb; ({13}) denn sie dürfen nicht das Gefühl haben: Da oben sitzt einer, der autoritär anordnet, der durchführen läßt und sich nicht um die eigentlichen Probleme der kleinen Beamten vor Ort kümmert, die alles ausbaden müssen, was in Ihrem Ministerium ausgebrütet wird. Ich sage deshalb: Wir danken allen Postmitarbeitern für ihren vorbildlichen Einsatz, die sich nicht durch die Art und Weise, wie der Minister das Unternehmen geführt hat, entmutigen lassen. Ich sage als letztes: Der Bundespostminister ist ein Mann, dem man im Interesse der Post und im eigenen Interesse einen baldigen Ruhestand wünschen muß. ({14}) Wir Sozialdemokraten werden alles tun, damit dieser Wunsch in zwei Monaten schon in Erfüllung geht. Vielen Dank. ({15})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Deres.

Karl Deres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000374, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Walther hat soeben die schwarze Personalpolitik angesprochen. Wenn ich draußen im Lande und auch in den Ministerien herumkomme, dann höre ich immer nur: Ihr von der CDU seid doch viel zu harmlos. Das haben die früher ganz anders und viel radikaler gemacht. ({0}) Zur Frage der Finanzierung der modernen Dienste möchte ich nur einen bescheidenen Satz beitragen: Die gelbe Post, die heute im Defizit ist, hat einmal zu Anfang die Investitionen für das Telefon getragen. Das Telefon trägt heute die Breitbandverkabelung. Wir müssen leider Defizite im gelben Bereich teilweise wieder mittragen, weil die modernen Dienste erfolgreich geworden sind. Ich halte die Entwicklung der Post für vorbildlich in der Fortentwicklung des Geschehens. Daher ist es schon richtig, was hier geschieht. ({1}) Wir haben soeben gehört, daß der Bundespostminister nicht mit Menschen umgehen kann. Rudi Walther bezog sich auf die Nürnberger Rede. Ich höre selbst von SPD-Leuten, daß diese die Rede als ganz hervorragend herausgestellt haben. ({2}) Zum Umgang mit Menschen möchte ich sagen: Meine Damen und Herren, wo gibt es denn einen konfliktfreien Raum? Schon gar nicht in Personalvertretungen oder gar in Betriebsräten! ({3}) Das wären doch Sauregurkenzeiten, wenn es dort konfliktfrei herginge. Ich meine andererseits - wir können es jedenfalls bestätigen -, daß dieser Minister ein guter Mensch und ein tüchtiger Minister ist ({4}) Meine Damen und Herren, Norbert Blüm hat heute morgen die sozialistische Umverteilungspolitik in klassisch-pädagogischer Methodik in zwei anschaulichen Bildern dargestellt: Erstens. Der Versorgungsstaat holt dem Bürger viel Geld aus einer Tasche und gibt ihm nach Abzug hoher Verteilungskosten weniger in die andere Tasche zurück. Dafür erwarten die Umverteiler, so Norbert Blüm, auch noch Dank. Das zweite anschauliche Bild: Der Bürger füllt eine Postanweisung an sich selbst aus, zahlt Gebühren und soll dem Briefträger für die Überbringung des Betrages auch noch danke schön sagen. Auch über Postgebühren kann man Verteilungspolitik machen. Du hast an die Gebührenpolitik des sozialdemokratischen Postministers erinnert, lieber Rudi Walther. Wir haben Grund, uns bei der Deutschen Bundespost - vom Briefträger bis zum Bundespostminister - für Besseres zu bedanken. Wer sich nämlich die ausgesprochen erfolgreiche politische Bilanz der Deutschen Bundespost ansieht, kommt nicht umhin, insbesondere auf folgende Sachverhalte mit Nachdruck hinzuweisen: ({5}) Die Post hat durch ihre Gebührenstabilität einen bemerkenswerten Beitrag zur Geldwertstabilität geleistet. ({6})P) Meine Kollegen von der SPD, Geldwertstabilität kommt nicht allein von den Ölpreisen, sondern es verhält sich wie bei einem Mosaik: Viele Steine müssen ein Bild ergeben. Bei der Stabilität ist unser Bild auch durch die Hilfe der Bundespost positiv. ({7}) - Sie wollten das Geld für etwas anderes ausgeben. Wir haben gespart und sind vernünftig damit umgegangen. Dies ist um so bemerkenswerter, weil der Personalbestand der Post von 1982 bis 1986 nicht nur konstant geblieben ist, sondern um rund 5 000 Arbeitsplätze angestiegen ist. Daneben hat die Deutsche Bundespost einen wesentlichen Beitrag zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit geleistet und die Zahl der Ausbildungsplätze von 1982 bis 1986 um rund 26% von 14 467 auf 18 300 erhöht. ({8}) Und dies als zahlenmäßig letzter Vergleich: 1982 betrugen die Gesamtinvestitionen der Post 12,7 Milliarden DM - zur allgemeinen Erinnerung, vielleicht auch mit Blick in das Publikum: 1 Milliarde sind 1 000 Millionen und nicht, wie die SPD meint, 100 Millionen -, ({9}) 1986 sind es 18,1 Milliarden DM. Damit haben wir eine Steigerungsrate von 42,5%. Die Leistungen der letzten vier Jahre sind das eine, die richtige Weichenstellung für die Zukunft ist das andere. ({10}) Bei einem solchen Unternehmen ist das dringend notwendig. ({11}) Lassen Sie mich einige Anmerkungen dazu machen. Die fernmeldepolitischen Entscheidungen der Gegenwart werden einen entscheidenden Einfluß auf die Weiterentwicklung des Fernmeldewesens, der Wirtschaft insgesamt und unserer Gesellschaft haben. Durch das Zusammenwachsen von Datenverarbeitung und technischer Kommunikation auf der Basis von Mikroelektronik, Glasfaser- und Satellitentechnik werden neue Formen von Dienstleistungen entstehen, die schließlich den Übergang unserer Gesellschaft zur Informations- bzw. Kommunikationsgesellschaft beschleunigen werden. Wir alle wissen, daß die stürmische technologische Entwicklung und die besondere Bedeutung der IuK-Techniken es notwendig machen, auch die Organisation des Fernmeldewesens zu überdenken. Die Regierungskommission „Fernmeldewesen" befaßt sich mit dieser Aufgabenstellung seit letztem Jahr und wird aller Voraussicht nach Anfang nächsten Jahres Ergebnisse vorlegen. Es ist sicher, daß sich der Deutsche Bundestag mit diesen Ergebnissen beschäftigen wird. Herr Minister, wir werden es wie immer in kritischer Form tun, aber schließlich werden wir das Ergebnis, wenn wir es haben, auch mittragen, um den richtigen Weg in die Zukunft zu gehen. Das Angebot preiswerter und leistungsfähiger Kommunikationsdienste stellt für Unternehmen schon heute häufig ein wesentliches Kriterium dafür dar, in welchem Land Produktions- und Verwaltungsstätten angesiedelt werden. Nicht zuletzt aus diesem Grund bildet ein funktionsfähiges Fernmeldewesen, das zum einen den technologischen Fortschritt ausschöpft, sich zum anderen auf den sich wandelnden Markt flexibel einstellen kann, eine wesentliche Standortqualität der Bundesrepublik Deutschland. Die Deutsche Bundespost vollzieht mit der Einführung des dienstintegrierten digitalen Fernmeldenetzes, ISDN, in den öffentlichen Kommunikationsnetzen einen Entwicklungsschritt, der sich in der Bürokommunikation seit längerem andeutet, nämlich die Möglichkeit, Kommunikationsverbindungen über die reine Sprachübermittlung hinaus gleichzeitig auch zum begleitenden Austausch von Texten, Daten und Bildern zu nutzen. Diese Anwendung erscheint schon deshalb äußerst interessant, weil noch in diesem Jahrzehnt an jedem dritten Arbeitsplatz, der über ein Telefon verfügt, auch Terminals für die Text- und Datenverarbeitung auftauchen werden. Im ISDN werden diese Kommunikationsbeziehungen über ein öffentliches Kommunikationsnetz vermittelt werden. Unübersehbar ist der Trend zu immer leistungsfähigeren Fernmeldenetzen, die es gestatten, die sehr schnelle Text- und Datenkommunikation und die Bewegtbildkommunikation in den Informationsprozeß mit einzubeziehen. Deshalb wird es notwendig, das ISDN möglichst ohne zeitlichen Verzug zu einem breitbandigen, integrierten Fernmeldenetz, dem Breitband-ISDN, weiterzuentwickeln, das es erlaubt, vermittelte Glasfaserverbindungen von Teilnehmer zu Teilnehmer zu realisieren. Ein solches Netz wird Kommunikationsformen ermöglichen, die nicht einfach nur eine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Dienste darstellen, sondern die neue Anwendungsformen, z. B. im Bereich der computergestützten Produktion und des Informationszugriffes in Datenbanken, bieten. Die Deutsche Bundespost als Verwaltung des Bundes für das Post- und Fernmeldewesen hat den gesetzlichen Auftrag, eine leistungsfähige Fernmeldeinfrastruktur bereitzustellen und sie technisch und betrieblich weiterzuentwickeln. Dieser Auftrag verpflichtet die Deutsche Bundespost zur Modernisierung ihrer Fernmeldeanlagen. entsprechend dem Fortschritt der technologischen Entwicklung. Informationsversorgung ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, und Daseinsvorsorge verpflichtet zum flächendeckenden Angebot von Telekommunikationsdiensten, wie die Deutsche Bundespost es immer gesehen hat. Mit dem Regierungsbericht „Informationstechnik" hat die Bundesregierung unter Federführung des Bundesministers für Forschung und Technologie im Jahr 1984 eine umfassende Konzeption zur Förderung der Mikroelektronik und der Informations- und Kommunikationstechniken beschlossen. Auch der Bereich der technischen Kommunikation als eine der tragenden Säulen der Informationstechnik ist darin durch ein Bündel innovationsbelebender Maßnahmen näher beschrieben. In diesem Zusammenhang wurde der Bundespost die Aufgabe übertragen, in den technologisch besonders herausfordernden Gebieten der Digitalisierung der Fernmeldenetze und der Einführung der optischen Nachrichtenübermittlung eine langfristige Perspektive sowie ein mittelfristiges Programm zu erarbeiten. Diese Aufträge hat die Deutsche Bundespost bereits 1984 mit dem „Konzept zur Weiterentwicklung der Fernmeldeinfrastruktur" sowie mit dem mittelfristigen Programm erfüllt. Die erarbeiteten Perspektiven bilden einen wesentlichen Orientierungsrahmen, ({12}) der die vielfach parallel zueinander verlaufenden Einzelentwicklungen in den Fernmeldenetzen in ein Gesamtkonzept einfügt, das sogar international erhebliche Beachtung findet. Wer sich abkoppelt, muß wissen, daß er sich dadurch aus dem internationalen Konzert verabschiedet. Die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechniken verläuft heute mit einer Geschwindigkeit, die bis vor wenigen Jahren kaum vorherzusehen war. Neuartige Technologien auf der Basis von Mikroelektronik, von Glasfaser- und Satellitensystemen schaffen immer leistungsfähigere Verfahren der Informationsverarbeitung und -versorgung. Die Deutsche Bundespost hat diese Herausforderung angenommen. Zum Schluß möchte ich ein Wort ...

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, es wird aber auch Zeit.

Karl Deres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000374, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

... zur Privatisierungskampagne von deutscher Postgewerkschaft und Sozialdemokratischer Partei sagen. Das Privatisierungsgerede ist überflüssig wie ein Kropf. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter! Ich muß Sie ermahnen. Sie sind mehr als eine Minute über der Zeit.

Karl Deres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000374, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Fraktion hat mir das erlaubt. ({0}) Diese Privatisierungskampagne ist überflüssig wie ein Kropf. Die Post ist ein öffentliches Unternehmen und wird es bleiben. Niemand soll sich verunsichern lassen, besonders nicht von denen, die z. B. die Neue Heimat für fünf Brötchen privatisiert haben. ({1}) Der Vorsitzende der Deutschen Postgewerkschaft hat ja wohl deshalb den Neue-Heimat-Dämpfer erfahren, weil er nicht nur die Neue Heimat privatisiert hat, sondern auch die Bank für Gemeinwirtschaft im Teilverkauf und den geplanten Teilverkauf der „Volksfürsorge". ({2}) Also, meine Damen und Herren Kollegen von der SPD, im Schulterschluß mit der Postgewerkschaft, mit den Gewerkschaften: Reden Sie nicht von Privatisierung, sondern reden Sie gut über die Deutsche Bundespost! Das ist für ein solches Unternehmen draußen vor den Kunden psychologisch sehr wichtig. ({3})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie sehen die Macht der Geschäftsführer, wenn es um die Redezeit geht. ({0}) Die armen Präsidenten haben zu folgen. Ich rufe Frau Dann als Rednerin auf. ({1})

Heidemarie Dann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000354, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Vorab möchte ich eine Bemerkung machen. Vor so vollem Haus haben wir den Posthaushalt noch nie diskutiert. Ich begrüße alle Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne. ({0}) Das ist etwas sehr Positives. ({1}) - Das habe ich nicht gesagt. ({2}) - Ich möchte meine Zeit nutzen. Wie jedes Jahr in der Haushaltsdebatte wird auch heuer über die Bezüge des Postministers und seines Parlamentarischen Staatssekretärs sowie über die Einnahmen und Ausgaben der Bundesdruckerei geredet. Ich kann Ihnen erzählen, daß die Amtsbezüge des Postministers in diesem Haushaltsjahr 228 000 DM und die seines Staatssekretärs 176 000 DM betragen werden. ({3}) Außerdem kann ich zum wiederholten Mal bekräftigen, daß DIE GRÜNEN die Millionenausgaben der Bundesdruckerei zur Herstellung der maschinenlesbaren Personalausweise für eine verantwortungslose Verschwendung von Steuergeldern halten. ({4}) Dies ist eigentlich alles, worüber wir heute zu beraten haben. Viel mehr steht nicht im Einzelplan 13. Allerdings habe ich kein Interesse, über die Brieftasche des Ministers an dieser Stelle zu debattieren. Viel wichtiger ist es, über den tatsächlichen Posthaushalt zu sprechen, der mit 75 Milliarden DM mehr als ein Viertel - man höre und staune - des gesamten Bundeshaushaltes erreicht, der aber anders als die anderen Posthaushalte nicht vom Bundestag, sondern vom Postverwaltungsrat kontrolliert wird. Das ist ein demokratieschädigendes Verfahren. ({5}) Mit dem Posthaushalt werden unbeherrschbare Großtechnologien finanziert. Mit ihm werden Weichen für die zukünftige Kommunikation und Fernsehkultur gestellt und zwischenbetriebliche Rationalisierungsmaßnahmen eingeleitet. Angesichts dieser einschneidenden Maßnahmen und angesichts des riesenhaften Investitionsvolumens der Deutschen Bundespost von über 18 Milliarden DM reicht es uns nicht, im Postausschuß Regierungsberichte zur Kenntnis zu nehmen, Fragen zu stellen und Empfehlungen auszusprechen. ({6}) Es reicht uns auch nicht, eine Alibidebatte über den Posthaushalt zu führen und über die Gehälter des Postministers abzustimmen. Die GRÜNEN wollen über den gesamten Posthaushalt parlamentarisch beraten und entscheiden. Der Posthaushalt muß sich der parlamentarischen und öffentlichen Diskussion stellen. Nahezu zwingend ist ein weiterer Grund, den Posthaushalt parlamentarisch kontrollieren zu lassen. Postminister Schwarz-Schilling ist ein denkbar schlechter Haushälter. ({7}) Er läßt sich allzu leicht von seinen ökonomischen Erfolgsphantasien und von den Interessen der Industrielobby im Postverwaltungsrat zu völlig un- rentablen und haarsträubenden Ausgaben verleiten. Hierzu einige Beispiele. Bei Einführung des Bildschirmtextdienstes hat die Deutsche Bundespost 450 000 Btx-Modems aufgekauft, ({8}) um so zu günstigen Stückzahlen zu kommen. Die Rechnung des Postministers ging aber nicht auf. Denn statt der erhofften Million Btx-Teilnehmer gibt es bis heute nur gut 50 000 Anschlüsse. ({9}) Daraus folgt, daß die restlichen 400 000 der im Großeinkauf erstandenen Btx-Modems in den Zeughäusern der Deutschen Bundespost auf der Halde liegen. ({10}) Der Rabatteinkauf erweist sich somit als Subventionierung der Industrie. Hier würde mich interessieren, welche Kosten die Lagerung verursacht und wo dies verbucht wird. Mit dem einen Schildbürgerstreich ist es aber nicht getan. Statt darauf zu hoffen, den Btx-ModemBerg so nach und nach abbauen zu können, schlug der Minister erneut zu. Kürzlich bestellte er 50 000 Bildschirmtelefone, sogenannte Biteis, bei der deutschen Industrie. Diese Biteis, nicht zu verwechseln mit der erfolgreichen englischen Musikgruppe, machen jedoch die Btx-Modems überflüssig. Denn mit ihnen kann man telefonieren und zugleich den Bildschirmtextdienst benutzen. Zusätzlich zu dem Modem-Berg wird es also demnächst noch einen BitelBerg geben. Das macht noch einmal 100 Millionen DM extra. Wer teilt sich diesen Kuchen? Loewe-Opta, Siemens, Nixdorf und die Krone GmbH. Kein verantwortungsbewußter Privatunternehmer würde es sich erlauben, derart schlampig zu kalkulieren, jedoch geht der Postminister in dieser Weise mit den ihm anvertrauten öffentlichen Geldern eines Bundesunternehmens um. ({11}) - Beweisen Sie mir das Gegenteil. Einen ähnlichen Flop hat sich der Minister mit den Kabelmilliarden geleistet, die er ohne entsprechenden Bedarf unter die Erde gebracht hat. ({12}) Die Milliarden für Digitalisierung und Ausbau des ISDN-Netzes sind Geschenke an die Industrie. Dies steht in keinem Verhältnis zu dem Gemeinwohlauftrag der Deutschen Bundespost. Die GRÜNEN lehnen die Einführung der unbeherrschbaren ISDN-Technologie ab. Wir werden uns daher auch nicht an dem ISDN-Modellversuch im Bundestag beteiligen. ({13}) Der Bundespostminister subventioniert aber nicht nur die nachrichtentechnische Industrie. Hinter den geschlossenen Türen der Regierungskommission Fernmeldewesen wird seit April 1985 beraten, wie die Rosinen des Ausbaus der Fernmeldeinfrastruktur auf die Privatunternehmen verteilt werden können, ({14}) mit anderen Worten, wie die Gewinne bestimmter Fernmeldebereiche privatisiert werden können, während die Ausgaben bzw. Verluste sozialisiert bleiben sollen. ({15}) Unsere heutige Debatte findet parallel zum Kongreß der Deutschen Postgewerkschaft und zu deren Kampagne „Sichert die Post - Rettet das Fernmeldewesen" statt. Mit dieser Kampagne will die Postgewerkschaft vor allem eine privatwirtschaftliche Ausrichtung der Bundespost, die Privatisierung von Teilbereichen verhindern. Sie setzt sich für die Fortentwicklung der Bundespost als ein an gemeinwirtschaftlichen Prinzipien orientiertes Dienstleistungsunternehmen ein. Diese Forderung unterstützen wir. Darüber hinaus fordern wir, daß die Regierungskommission „Fernmeldewesen" öffentlich tagen soll. Bisher berät sie im geheimen über die Zukunft des Fernmeldewesens und insbesondere über die Öffnung des Telekommunikationsbereichs für Wettbewerb. So lautet auch ihr Auftrag. Was hat diese Kommission zu verbergen, wenn sie sich davor scheut, ihre Überlegungen öffentlich zu erörtern? Welche Geheimnisse will sie bis nach der Bundestagswahl sorgsam hüten? Wir sind der Ansicht, daß die Belange und die Strukturen des öffentlichen Unternehmens Bundespost uns alle angehen. Untersuchungen über eventuelle Veränderungen dieser Strukturen müssen unter Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden. ({16}) Die Geheimniskrämerei der Kommission macht uns äußerst mißtrauisch. ({17}) Es wird gemunkelt, daß die Pläne der Kommission dahin gehen, zum einen die Postbankdienste aus dem Hoheitsbereich der Bundespost abzutrennen. Das würde die Postbank für ihre Kunden weniger attraktiv machen, und die Privatbanken hätten einen Konkurrenten weniger zu fürchten. Zum anderen soll der Monopolbereich der Bundespost so weit eingeschränkt werden, daß die sogenannten Endgeräte nicht nur von der Post angeboten werden, sondern daß dieser lukrative Bereich 19542 Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode - 250. Sitzung. Born, Donnerstag, den 27. November 1986 den Wettbewerbsbedingungen des Marktes ausgesetzt werden soll. ({18}) Gleiches ist für die Mehrwertdienste geplant, die in Zukunft zusätzlich zu den bisherigen Postdiensten auf den von der Post finanzierten ausgebauten Netzen angeboten werden können. Auch der Bereich dieser Zusatzdienste soll privatisiert werden. Mit anderen Worten: Der Ausverkauf der Deutschen Bundespost wird bereits organisiert. Die Bedürfnisse der kleinen Postkunden und die Forderungen der Postgewerkschaft bleiben wieder einmal auf der Strecke. Ich komme zum Schluß. ({19}) Wir wenden uns entschieden gegen diese Demontage des Gemeinwohls. Wir werden uns weiterhin für eine Demokratisierung der Bundespost und für eine soziale und menschengerechte Postpolitik einsetzen. Danke schön. ({20})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Kohn.

Roland Kohn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001168, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Bedeutung der Deutschen Bundespost ist, wie wir alle wissen, besonders groß. Wir Liberalen erkennen ausdrücklich an, daß die Bundespost in der zu Ende gehenden Legislaturperiode beachtliche Erfolge erzielt hat. Trotz der gebotenen sparsamen Haushaltsführung hat sie ihr Personal ständig ausgeweitet. Für die Ausbildung und Beschäftigung insbesondere junger Menschen hat die Post überdurchschnittliche Anstrengungen unternommen. Wir Liberalen unterstützen diese Bemühungen und fordern Sie, Herr Bundespostminister, angesichts der nach wie vor bestehenden Nachwuchsprobleme dazu auf, diese Anstrengungen in den nächsten Jahren noch verstärkt fortzusetzen. Die FDP begrüßt es vor allem, daß die Deutsche Bundespost in dieser Legislaturperiode ohne Gebührenerhöhungen ausgekommen ist. Dies trägt nicht nur zur Kostenentlastung der Bürger bei, sondern auch der Unternehmen, und es ist ein wichtiger Baustein für die erreichte Preisstabilität in der Bundesrepublik Deutschland. Trotz Milliarden-Investitionen in neue Technologien hat die Post hohe Gewinne erwirtschaftet. Sie sind die Grundlage für weitere Investitionen in Zukunftstechnologien und für neue sichere Arbeitsplätze. Wir wissen sehr wohl, daß die Beschäftigten der Post durch die Rationalisierung in vielen Fällen auch persönliche Opfer bringen mußten. Durch die erfolgreiche Wirtschafts- und Finanzpolitik ist aber in der Einkommenssituation der Beschäftigten der Post inzwischen eine deutliche Wende zum Besseren eingetreten. Erst strukturelle Probleme, z. B. auch im einfachen Dienst, konnten gelöst werden. Vor allem aber verfügen inzwischen auch die Angehörigen der Bundespost durch kräftige reale Gehaltssteigerungen, steuerliche Entlastungen und verbesserte soziale Leistungen über ein erhebliches Mehr an Einkommen und Kaufkraft. Ich verweise auf die Feststellungen des Sachverständigenrates. An der durchschnittlichen Einkommenssteigerung, die dieses Jahr wegen der Preisstabilität reale Steigerung bedeutet, haben die Angehörigen des öffentlichen Dienstes in gleicher Weise partizipiert. Die Zeichen stehen gut, daß sich diese positive Entwicklung auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Wie sieht es mit der Zukunft der Deutschen Bundespost aus? Sie steht heute vor der Herausforderung, sich der raschen Entwicklung der modernen Kommunikations- und Informationstechnologien anzupassen. Für die Modernisierung unserer Volkswirtschaft ist eine ausgebaute Infrastruktur im Bereich der Datenverarbeitung und der Datenübertragung von entscheidender Bedeutung. Die deutsche Wirtschaft also ist auf eine leistungsfähige Post angewiesen. Ich sage aber: Mit althergebrachten Verhaltensweisen und überkommenen Organisationsstrukturen wird die Post den gewandelten Anforderungen an ein modernes Telekommunikationssystem in einer fortgeschrittenen Industrienation nicht in vollem Umfang gerecht werden können. Die Institution der Deutschen Bundespost ist als hoheitliche Bundesverwaltung im Grundgesetz gewährleistet. Für die FDP bedeutet dies jedoch keine Garantie einer Monopolstellung auf dem Gebiet der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien. Wir sind überzeugt, daß bei jedem Monopol gesamtwirtschaftliche Verluste auf Grund der fehlenden Antriebs- und Steuerungskräfte des Wettbewerbs unvermeidbar sind. Die I + K-Technik wächst immer mehr mit der Fernmeldetechnik zusammen. Damit vergrößert sich natürlich der Bereich der Dienstleistungen, die sowohl von der Deutschen Bundespost und ihrer Fernmeldetechnik als auch von privaten Unternehmen durch den Einsatz vernetzter peripherer Computer angeboten werden können. Viele dieser Dienstleistungen sind aus der Sicht der Nutzer gegeneinander austauschbar. Die FDP erwartet von der Deutschen Bundespost, daß sie sich dort, wo keine Aufgaben hoheitlicher Daseinsvorsorge zu erfüllen sind, dem Wettbewerb mit anderen Anbietern auf gleichberechtigter Basis öffnet. ({0}) Die Deutsche Bundespost muß die Spielräume für private Anbieter bei Telekommunikationsdienstleistungen ({1}) über den bisherigen Rahmen hinaus erweitern, denn Wettbewerb ist die wirksamste Triebfeder für Fortschritt und höheren Leistungsstandard. Lassen Sie mich an dieser Stelle zu den Äußerungen des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Post, van Haaren, am Mittwoch in Nürnberg etwas sagen, wo er behauptet hat, es ginge hier um Zerschlagung und Entstaatlichungspläne gegenüber der Post. Zerschlagung: Unfug, nein. Entstaatlichung: j a. Das ist die Position der Liberalen. ({2}) Die Bundesregierung hat eine Kommission eingesetzt, die die Organisationsstruktur der Deutschen Bundespost insbesondere im Fernmeldebereich überprüfen und Vorschläge für eine Neuordnung unterbreiten soll. Wir erwarten von dieser Kommission Argumente und Beurteilungsmaßstäbe auch zu der Frage, inwieweit noch ein gesetzliches Monopol der Deutschen Bundespost für bestimmte Dienstleistungen erforderlich ist. Die Kommission muß sich aber auch dazu äußern, ob und inwieweit auf wettbewerblich zu strukturierenden Märkten die Beteiligung eines staatlichen Anbieters in Form der Bundespost weiter erforderlich ist und wie die optimalen Organisationsformen für jene Funktionen zu gestalten sind, die auch künftig in der Telekommunikation durch die staatliche Post wahrgenommen werden sollen. Die Deutsche Bundespost wird auf Dauer ihren hohen Leistungsstand nur dann halten können, wenn sie verstärkte Anstrengungen unternimmt, sich den Erfordernissen eines modernen, marktorientierten Dienstleistungsunternehmens anzupassen. Post- und Fernmeldepolitik ist aber längst keine nationale Angelegenheit mehr. Die wechselseitige internationale Durchdringung der Märkte für Waren und Dienstleistungen der Telekommunikation schreitet immer weiter voran und wird schneller. International tätige Unternehmen wägen bei ihren Entscheidungen über Investitionsstandorte zunehmend auch die Telekommunikationsbedingungen mit ab. Die Rahmenbedingungen hierfür sind in der Bundesrepublik noch nicht attraktiv genug. Bei der Überprüfung des Regulierungsrahmens unseres Fernmeldewesens darf daher auch die europäische und internationale Ebene nicht vergessen werden. Schon heute unterliegt ja das Fernmeldewesen dem Recht der Europäischen Gemeinschaften, der Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs und dem gemeinsamen Wettbewerbsrecht. Wir haben es als hilfreich, aber im Grunde auch als beschämend empfunden, daß erst der Druck aus Brüssel die Deutsche Bundespost zu einem Verzicht auf ihr Monopol beim schnurlosen Telefon veranlaßt hat. Wir wünschen uns von der Post mehr Wettbewerbsorientierung aus eigenem Antrieb. Dies gilt vor allem dann, wenn der gemeinsame Binnenmarkt auf dem Gebiet der Telekommunikation bis zum vorgesehenen Endzeitpunkt 1992 verwirklicht werden soll. Das gemeinsame Ziel ist ein einheitlicher europäischer Markt, was vor allem den Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse voraussetzt. Mit der Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Allgemeinzulassungen von Telekommunikations-Endgeräten ist ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung unternommen worden. Für neue Endgeräte werden künftig gemeinsame Spezifikationen vereinbart. Statt bisher 12 Prüfungen in der Gemeinschaft wird es künftig nur noch einen Endgerätetest geben. Die damit einhergehende Intensivierung des Wettbewerbs wird sich nach unserer festen Überzeugung zum Nutzen der Verbraucher auswirken. Die Vereinheitlichung des europäischen Marktes darf jedoch nicht zu einer Abschottung gegenüber anderen Märkten führen. Vielmehr müssen wir auch im Verhältnis zu Drittländern für Offenheit der Fernmeldemärkte sorgen. Sowenig z. B. die Vereinigten Staaten ihre grundlegenden Probleme des Haushalts- und Leistungsbilanzdefizits durch eine sektorale Handelspolitik oder gar einen selektiven Protektionismus lösen werden, so ernst müssen wir die protektionistischen Strömungen im amerikanischen Kongreß nehmen. Die Europäische Gemeinschaft insgesamt und jeder einzelne Mitgliedstaat werden diese Diskussion nur dann mit Erfolg bestehen können, wenn wir den Weg zur Öffnung der Telekommunikationsmärkte überzeugend darlegen können. Ohne eine solche Öffnung wären Vergeltungsrnaßnahmen im Bereich der Fernmeldeindustrie, aber auch in anderen wichtigen Bereichen, die Folge. Die kommende GATT-Runde, meine Damen und Herren, ist nach unserer Überzeugung das richtige Forum für diese Probleme. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundespost hat in der zu Ende gehenden Legislaturperiode insgesamt einen positiven Weg zurückgelegt. Wir sind deshalb der Überzeugung, daß wir dem Haushalt des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen zustimmen können, damit auch in Zukunft die Deutsche Bundespost eine innovative Politik betreiben kann, so wie wir Liberalen uns das vorstellen. Vielen Dank. ({3})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Paterna.

Peter Paterna (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001679, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Postminister Schwarz-Schilling, Sie haben Ihren 540 000 lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Brief geschrieben und die Aktion der deutschen Postgewerkschaft „Sichert die Post, rettet das Fernmeldewesen" als - wörtlich - „unverantwortliche Kampagne" bezeichnet. Sie sagen - ich zitiere wörtlich -: „Es muß Leute geben, die daran interessiert sind, Angst vor der Zukunft zu schüren." Ich sage Ihnen, es gibt sehr viele Leute, die Gründe liefern, Angst um die Zukunft der Deutschen Bundespost zu haben. ({0}) Dazu gehören der DIHT, der BDI, das Kieler Weltwirtschaftsinstitut, der Sachverständigenrat, die EG-Kommission in Brüssel, die amerikanische Regierung. Deren Stellungnahmen kennen Sie alle; ich will sie hier nicht erneut zitieren. Es gibt aber auch die bekannten Äußerungen Ihres Koalitionspartners. Sie sollten hier heute wenigstens Gelegenheit nehmen, das eine oder andere geradezubiegen. Ich will Ihnen aus dem Protokoll von vorgestern vorlesen, was der Kollege Dr. Weng erzählt hat: „Muß deshalb", so sagte er wörtlich, „zum Beispiel für alle Zeiten die Post ein Monopol auf die Endverbrauchergeräte haben? Kühlschrank und Elektroherd werden schließlich auch nicht beim Elektrizitätswerk erworben." Dann folgt in Klammern: „Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU." Ich würde Ihnen raten, wenn hier im Parlament von FDP-Kollegen ein derartiger blühender Unsinn erzählt und von Ihren Leuten auch noch geklatscht wird, dann schreiben Sie denen mal einen Brief, um die wenigstens ein bißchen über die Deutsche Bundespost aufzuklären. ({1}) Dies ist doch für jeden, der ein bißchen Ahnung hätte, einfach grober Quatsch. ({2}) Und wenn der Herr Graf, dieser real existierende Kapitalismus in personifizierter Form, hier im Plenum die Frage stellt: Gehört ein Schlüsselbereich unserer technischen Entwicklung in die Hand des Staates? - so fragte er wörtlich, und er meint natürlich nein -, dann frage ich, Herr Kollege Pfeffermann: Ist der Graf für Sie eigentlich ein Phantom? Denn Sie behaupten doch, das sei eine Phantomdiskussion bezüglich der Privatisierung. Herr Maschke, der Sie als Sprecher des Postministeriums hinter der Regierung auf der Schlingelbank sitzen, ich frage Sie folgendes. Sie haben gesagt: „Die DPG warnt vor einer Gefahr, die es gar nicht gibt." Ich werde Ihnen gleich eine Gefahr sagen, die es gibt. Diese Gefahr besteht nämlich in Gestalt der niedersächsischen Landesregierung. Herr Minister, da erzähle ich Ihnen einmal etwas, was Sie in Ihrem Hause vielleicht noch nicht vorrätig haben. Die Regierungskommission „Fernmeldewesen" hat bekanntlich die Bundesländer aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, wie sie sich das denn ordnungspolitisch in Zukunft vorstellen. Mit Schreiben vom 20. November hat der niedersächsische Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr ({3}) einen langen Brief geschrieben und seine Formulierungsvorschläge für die Stellungnahme der Bundesländer vorgelegt. Daraus werde ich Ihnen jetzt ein paar Zitate liefern. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie nachher Gelegenheit nähmen, dazu Stellung zu nehmen; denn diese niedersächsische Landesregierung hat exakt die gleiche Koalition, wie Sie sie ja nach dem 25. Januar fortsetzen wollen. ({4}) Erstes Zitat - hören Sie gut zu! -: Für die Zukunft erscheint eine strikte Trennung zwischen hoheitlichen Funktionen und betrieblichen Funktionen notwendig. Ich frage Sie: Halten Sie diese Trennung auch für notwendig, ja oder nein? Zweites Zitat: Die betrieblichen Aufgaben - Herr Kollege Pfeffermann, das hören Sie sich mal ganz genau an des Post- und Fernmeldewesens sind organisatorisch zu trennen. Da wird dem Grundgesetz Genüge getan, indem da oben noch ein Postminister thront, und alles andere darunter wird getrennt. ({5}) Dieses widerspricht Ihren Einlassungen. Die Bundesregierung verweigert dazu bisher jede Aussage. Ich fordere Sie auf, dazu hier Stellung zu nehmen. ({6}) Drittes Zitat. Das wäre ein Zitat für den Finanzminister, der vielleicht die Güte hat, auch einmal einen Augenblick zuzuhören. Herr Minister Stoltenberg - nein, er will nicht. Dann sage ich Ihnen, daß das Geld kostet, was die Niedersachsen wollen. Das Zitat lautet: Sozialleistungen sind - soweit sie notwendig sind - über den Bundeshaushalt ... zu erbringen, nicht aber über die allgemeinen Tarife. Auch dazu wäre eine Stellungnahme der Bundesregierung willkommen. Vierter Punkt - ich zitiere wieder wörtlich -: Eine weitblickende Neuorientierung des Fernmeldewesens sollte nicht eine Entwicklung verbauen, an deren Ende eine vollständige Konkurrenz zwischen staatlichem Netzträger und privaten Netzbetreibern steht. Die Bundesregierung hat gesagt, sie will das nicht. Aber immerhin gibt es mindestens ein Bundesland, das den anderen Bundesländern vorschlägt, so etwas zu machen. Dann, Herr Kollege Pfeffermann, verstehe ich nicht mehr, wie man da von einer Phantomdiskussion reden kann. Die niedersächsische Landesregierung mag zwar nach Auffassung des Kollegen Deres so überflüssig sein wie ein Kropf, aber gegen deren Pläne die Öffentlichkeit zu mobilisieren ist sehr notwendig. ({7}) Fünftes Zitat: Der Dienstleistungsbereich ist nach Auffassung des Länderarbeitskreises in seiner Gesamtheit sowohl für sogenannte Grunddienstleistungen wie auch für sogenannte Mehrwertdienste dem Wettbewerb unter Beteiligung eines staatlichen Anbieters zu öffenen. Man beachte einmal die Reihenfolge: Die Hauptsache sind die Privaten, und der staatliche Anbieter darf sich dann an den Diensten beteiligen. So stellt sich das die niedersächsische Landesregierung vor. Letztes Zitat aus diesem umfangreichen Papier: Zur Eröffnung einer wirksamen Wettbewerbskontrolle wäre darüber hinaus zu erwägen, das staatliche Wettbewerbsangebot aus dem Verbund der Telekommunikationsanstalt herauszulösen und hierzu eine Gesellschaft mit privater Rechtsform zu gründen. Herr Kollege Deres, das ist keineswegs so überflüssig wie ein Kropf, hier darüber zu diskutieren. Seien Sie in Zukunft also ein bißchen vorsichtiger mit solchen polemischen Argumentierungen, wenn Sie keine Ahnung haben. Der Herr Pressesprecher schrieb - ich wiederhole es - in der „telepost": „Die DPG warnt vor einer Gefahr, die es gar nicht gibt." Die Bundesregierung hat erklärt, sie wolle keine Privatisierung. Sie hat erklärt, sie wolle an der Netzträgerschaft festhalten. Der Postminister hat für sich, aber nicht für die Bundesregierung erklärt, er wolle keine Trennung des Post- und Fernmeldewesens. Sie wissen genau, Herr Dr. Schwarz-Schilling, daß der Verweis auf Art. 73 und 87 Grundgesetz nicht zieht; denn alles das, was die niedersächsische Landesregierung hier fordert, können Sie mit der nötigen List auch machen, ohne das Grundgesetz zu ändern. ({8}) Sie müßten wissen, daß, wenn man nur einen Teil dieser Vorschläge realisieren würde, das das Ende der Bürgerpost und der Anfang der Unternehmerpost wäre. ({9}) Sie müßten wissen, daß die postalische Restversorgung für Privatkunden und Mittelständler vor allen Dingen in ländlichen Räumen an den Subventionstropf des Steuerzahlers gehängt würde, wenn man Privaten die Möglichkeit gibt, auf unseren Netzen - da nützt der Eigentumstitel überhaupt nichts - Rosinenpickerei zu betreiben. Insofern hängen Sie sich bitte bei der Privatisierungsdiskussion nicht an den Eigentumstitel auf. ({10}) - Ich kann Ihnen das alles schriftlich geben. Ich weiß normalerweise, wovon ich rede, da seien Sie einmal ganz sicher. Die SPD hält es für unerträglich, wenn die Regierungskommission Fernmeldewesen als Verschiebebahnhof über den 25. Januar hinaus benutzt wird, wenn sie im Sommer schon erklärt, bis zum 25. Januar wolle sie kein Ergebnis haben, und im Sommer schon festlegt, daß sie zehn Tage nach der Bundestagswahl eine dreitägige Klausurtagung macht, um dann die Eckwerte ihrer Vorstellungen zu beschließen. Wenn das so läuft, dann ist das vor dem Wahltag der Versuch des Wählerbetrugs und nach dem Wahltag die Vollendung. ({11}) Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, vor dem 25. Januar zu erfahren, was Sie für machbar halten und was nicht. Es geht nicht an, daß die Bundesregierung wie in der Antwort auf unsere Große Anfrage nur schlicht erklärt: Wir warten die Vorschläge ab, und dann werden wir weiter sehen. Dies ist nicht zu machen. Es gibt eine ganze Reihe von Fragen, die Sie hier zu beantworten haben: Wird eine Trennung des Post- und Fernmeldewesens für ausgeschlossen gehalten? Werden für die Bundesregierung Vorschläge akzeptabel sein, nach denen Teile des Unternehmens etwa in Form von GmbHs betrieben werden? Soll es eine selbständige Zulassungsbehörde geben? Wenn ja, unter welchem Ministerium? Welchen Sinn können nach Auffassung der Bundesregierung Überlegungen haben, nach denen es in Zukunft zwei Verwaltungsräte geben soll? Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung von einer zukünftigen Unternehmensverfassung, in denen von „Vorständen Post" und „Vorständen Telekom" geredet wird? Wir erwarten, daß Sie zu diesen und anderen Fragen hier Stellung nehmen, und bitte nicht in der Ich-Form, sondern für die Bundesregierung, damit hier jeder klar sieht, woran er ist. Vielen Dank. ({12})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Senfft.

Hans Werner Senfft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002162, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben eben über den Verkehrshaushalt geredet, jetzt über den Posthaushalt, und das gibt mir die Gelegenheit, eine Tatsache hier noch einmal anzusprechen, die weitestgehend auch in der Öffentlichkeit nicht bekannt ist, nämlich daß die GRÜNEN als einzige parlamentarische Kraft von der Kontrolle sowohl der Deutschen Bundesbahn als auch der Deutschen Bundespost ausgeschlossen sind. Die GRÜNEN sind die einzige Partei, die das Sondervermögen Deutsche Bundespost und Deutsche Bundesbahn überhaupt nicht überblicken können, weil sie im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost und auch im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn ausgeschlossen sind ({0}) Ich halte das für einen Skandal ({1}) - Nein, im Gegensatz zu Ihnen, Herr Bohl, der Sie gerade sagten, Sie halten das auch für gut, halte ich das für einen Skandal. Ich halte das für vollkommen undemokratisch, und allein das ist Grund für uns, daß wir diesen Etats einfach nicht zustimmen können, wenn wir von der Kontrolle dieser Sondervermögen des Bundes ausgeschlossen sind. Es ist für uns vollkommen unmöglich, hier zuzustimmen. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.

Dr. Christian Schwarz-Schilling (Minister:in)

Politiker ID: 11002128

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte mich natürlich gefreut, wenn ich einmal eine konstruktive Alternative von der Sozialdemokratischen Partei gehört hätte, wie Sie sich die Zukunft der Post und die Konzeptionen bei der modernen Telekommunikation aus Ihrer Warte vorstellen. ({0}) Ich muß Ihnen sagen, Sie müssen ja in der letzten Zeit ungeheuer zurückgesteckt haben; denn wenn ich daran denke, mit welchem Trompetenklang Sie Ihre Große Anfrage gestellt haben und wie Sie diese Große Anfrage dann auch noch als eine Art Broschüre veröffentlicht haben - und ich zitiere: Sie soll uns Gelegenheit geben, in einer Bundestagsdebatte öffentlich eine kritische Bilanz über die von Schwarz-Schilling zu verantwortende Post- und Fernmeldepolitik zu ziehen -, dann frage ich mich: Warum haben Sie eigentlich nach der Antwort auf diese Große Anfrage noch nicht einmal den Antrag im Präsidium gestellt, daß diese Debatte irgendwann einmal stattfindet? Wir hätten uns außerordentlich gefreut! Offensichtlich war die Antwort so, daß Sie lieber gar keine Debatte haben wollten. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?

Dr. Christian Schwarz-Schilling (Minister:in)

Politiker ID: 11002128

Wenn das von meiner Redezeit abgeht, möchte ich es nicht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Da wir Regierungsmitglieder in ihrer Redezeit sowieso nur sehr indirekt beeinflussen können, werde ich jetzt einen Stopp machen. - Bitte, Herr Kühbacher.

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben eben nach sozialdemokratischen Alternativen gefragt. Sollte Ihrer Pressestelle oder Ihrem persönlichen Stab wirklich entgangen sein, daß der Kollege Paterna Leitlinien sozialdemokratischer Postpolitik in, glaube ich, über 50 000facher Auflage verteilt hat, wozu Ihre Pressestelle schon Kommentare abgegeben hat? ({0})

Dr. Christian Schwarz-Schilling (Minister:in)

Politiker ID: 11002128

Herr Kollege, wenn Sie die Zahl 50 000, also die Quantität, als Ersatz für Substanz und Qualität nehmen, gebe ich Ihnen gerne recht. ({0}) Ich muß Ihnen dazu sagen: Wenn dabei herausgekommen ist, daß der Kollege Paterna nun also erklärt, daß in Zukunft die Bemessungen erst einmal gestoppt werden - das ist die völlig neue Innovation sozialdemokratischer Postpolitik, die Sie natürlich nach der Wahl ganz anders werden sehen müssen, denn Sie werden nicht so, wie Sie jetzt meinen, einige Dinge dieser Art einfach abstoppen können -, dann kann ich nur sagen: Sie sind vor der Wahl wieder dabei, Wohltaten zu verteilen, die Sie nachher gar nicht verantworten könnten. Aber Sie brauchen Sie ja auch nicht zu verantworten, weil Sie in diese Verlegenheit nicht kommen werden, Herr Kollege Paterna. ({1}) Meine Damen und Herren, nun möchte ich zunächst etwas zum Kollegen Rudi Walther sagen. Ich bin erfreut darüber, daß Sie sagen, daß Sie mit den Investitionen zufrieden sind. Es wäre ja auch sehr merkwürdig, wenn Sie den Verkehrsminister hier beschimpfen, weil er angeblich zuwenig Investitionen macht, und es dann nicht gut fänden, daß wir 18 Milliarden investieren. Das müssen Sie ja gut finden. ({2}) Sie haben auch davon gesprochen, daß die Gewinne in entsprechender Weise erfreulich sind. Dann sagten Sie aber: Die Verschuldung nimmt zu. ({3}) Dazu muß ich Ihnen sagen: Ich kann Sie nicht verstehen. ({4}) An Investitionen haben wir vorgenommen: im Jahre 1982 12,7 Milliarden, im Jahre 1985 16,7 Milliarden und im Jahre 1986 18 Milliarden DM. Die Entwicklung des Eigenkapitalanteils in der Bilanz der Deutschen Bundespost sieht in der gleichen Zeit so aus: 1982 42,6 %, 1985 44 % und im Jahre 1986 etwa 43%. Das heißt, Sie werden festzustellen haben, daß wir trotz der enormen Investitionen, die die Bundespost geleistet hat, und trotz der Tatsache, daß wir keine Gebührenerhöhungen vorgenommen haben, ({5}) in der Lage gewesen sind, diese Leistungen zu vollbringen, und zwar - das möchte ich betonen - mit der Anstrengung aller Postler und Postlerinnen, die an einem Strang gezogen haben. Wir haben also unser Eigenkapital nicht etwa abgeschmolzen, sondern konnten es bis zum Ende der Legislaturperiode sogar etwas über den Stand von 1982 anheben. ({6}) Wie können Sie da von einer größeren Verschuldung sprechen?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walther? - Bitte schön, Herr Walther.

Rudi Walther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, würden Sie mir bei der Feststellung zustimmen, daß die Frage nach der Eigenkapital- bzw. Fremdkapitalquote allein überhaupt noch nichts über die zukünftige Entwicklung in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Deutschen Bundespost aussagt?

Dr. Christian Schwarz-Schilling (Minister:in)

Politiker ID: 11002128

Sie haben gesagt: Die Verschuldung nimmt zu. ({0}) Ich kann nur von dem sprechen, was sich in den vier Jahren abgespielt hat, und darauf trifft diese Feststellung nicht zu. Wenn Sie die Prognosen nehmen, muß ich Ihnen sagen: Nach den Prognosen aus sozialdemokratischer Zeit würden wir heute bereits tief im Verlust stehen. Und dann kann ich Ihnen nicht sagen, daß die Feststellung, die Sie hier treffen, wirklich gut sei. Wir haben sogar festgestellt, daß wir im Jahr 1986 im Ist besser als im Plan sind. Wir können das - gegenüber früheren Prognosen - heute auch für die Jahre 1987 und 1988 erwarten. Diese Unterlagen sind Ihnen zugegangen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage dese Herrn Abgeordneten Walther?

Dr. Christian Schwarz-Schilling (Minister:in)

Politiker ID: 11002128

Herr Kollege, wenn es die letzte ist, j a. Sie werden Verständnis haben.

Rudi Walther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß der stellvertretende Sachverständige für das Finanzwesen, Herr Dr. Christians ({0}), Ihnen seit Jahren ins Stammbuch schreibt, daß sich die Verschuldungssituation der Bundespost so entwickelt, daß man sie nicht ohne Bedenken sehen kann?

Dr. Christian Schwarz-Schilling (Minister:in)

Politiker ID: 11002128

Ich habe immer Verständnis dafür, daß der Sachverständige für das Finanzwesen immer die vorsichtige Bemerkung macht, daß man über diese Fragen sehr genau nachdenken und dafür Sorge tragen muß, daß sich die Situation nicht verschlechtert. Ich kann nur eines sagen: Ich bin deswegen nicht so besorgt, weil in diesen vier Jahren, Herr Kollege, dies regelmäßig im Zusammenhang mit dem Haushalt vom Sachverständigen so formuliert wurde und wir in diesen vier Jahren das Eigenkapital nicht nur gehalten, sondern erhöht haben. ({0}) Meine Damen und Herren, das gleiche ist auch zu Bildschirmtext und Verkabelung zu sagen. Wenn wir die Beurteilung neuer Dienste auf der Basis vorgenommen hätten, wie Sie es getan haben, würden wir auch kein Telefon eingeführt haben. ({1}) - Natürlich, wir haben damals, als wir das Telefon eingeführt hatten, Anfang dieses Jahrhunderts, über Jahre Defizite gehabt. Die wurden damals im übrigen vom Postwesen ausgeglichen. Die Zeiten ändern sich manchmal. Aus dem Grunde hat keiner Anlaß, hochnäsig auf den anderen Bereich zu blikken. Damals hat die Post das Fernmeldewesen subventioniert, während es heute umgekehrt ist. Es stimmt auch nicht, daß wir für die Digitalisierung kein Geld hätten. ({2}) Wir geben allein in den Jahren 1986 bis 1990 20 Milliarden DM dafür aus. Ich muß Ihnen sagen: Wir könnten gar nicht mehr ausgeben, weil die Umstrukturierung der Industrie von der Analogtechnik auf die Digitaltechnik mit noch größerer Geschwindigkeit gar nicht vonstatten ginge. Die Kapazitätsgrenze wird heute viel mehr durch die Möglichkeiten der Zulieferung und der Umstrukturierung der Industrie als durch unsere Finanzkraft bestimmt. Das ist eine Tatsache. Das kann Ihnen jeder sagen. Ich darf zum Abschluß etwas sagen, was Ihren Redebeitrag angeht: Sie waren so freundlich und haben aus meiner Rede auf dem Nürnberger Gewerkschaftskongreß zitiert. Da hatte ich gesagt: Wir haben in den letzten Jahren unser größtes Kapital wieder aktiviert, nämlich unsere Haupttugenden Intelligenz, Disziplin, Fleiß und Tüchtigkeit. ({3}) Jetzt haben Sie aber leider den nächsten Satz zu zitieren vergessen. Da steht im Protokoll: - Ich finde das gar nicht zum Lachen; denn das sind die Attribute, auf die wir stolz sein können und die unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg genauso wie heute wieder großgemacht haben. ({4}) ({5}) Warum haben Sie diesen Satz nicht auch zitiert? Dann hätten auch Sie das Ganze relativiert. Meine Damen und Herren, ich möchte, wenn ich hier kurz über die letzten vier Jahre spreche, nur einige Eckzahlen nennen: Investitionen: 5,7 Milliarden DM im Jahre 1982, über 18 Milliarden DM im Jahre 1986, Aufträge an den Mittelstand: 4,3 Milliar19548 den DM im Jahre 1982, 7,1 Milliarden DM im Jahre 1985, Eigenkapitalquote: 42,7 % im Jahre 1982, 44 % im Jahre 1985, Gewinn: 2,7 Milliarden DM 1982, 3,6 Milliarden DM 1985, ({6}) Arbeitsplätze: 480 500 1982, 485 000 1986. Meine Damen und Herren, von der SPD ist vorausgesagt worden, die Bundespost werde finanziell in Grund und Boden gefahren - Fehlanzeige! -, die Bundespost werde Tausende von Arbeitsplätzen vernichten - Fehlanzeige! -, die Bundespost werde nicht genug investieren - Fehlanzeige! In allen Daten ist die Bundespost im Jahre 1986 besser als im Jahre 1982. ({7}) Deswegen möchte ich Ihnen sagen: Dann müßte schon eine etwas substantiellere Kritik kommen, als sie hier vorgetragen wird. Ich habe natürlich auch sehr genau gehört, was Sie über die Verkabelung gesagt haben. Sie sprechen hier immer von 750 Millionen DM Verlust. Zu Recht müssen wir beim Paketverkehr von 1,3 Milliarden DM Verlust pro Jahr sprechen. Das ist ein Punkt, der mich sehr umtreibt und wo wir wirklich noch nicht wissen, wie die Lösungen eines Tages aussehen. Denn wir können diese Defizite natürlich nicht ins Unermeßliche steigern. Aber nun bei einem neuen Dienst die Investitionen gleich als Verlust anzusehen, d. h. die Nichtamortisationsdifferenz einer Investition - das ist betriebswirtschaftlich einfach ein solcher Nonsens, daß ich mich eigentlich wundere, daß man das im Deutschen Bundestag wirklich vorträgt. ({8}) Gerade was die Verkabelung angeht, möchte ich doch einmal sagen: Helfen Sie uns doch etwas dabei, daß es bei den Amortisationen besser aussieht! Reden Sie doch einmal mit dem Ministerpräsidenten Börner, das gesamte Angebot von Fernsehen und Rundfunk zu ermöglichen, ({9}) damit wir in der Lage sind, dem Bürger anzubieten, was wir heute technisch können! ({10}) - Meine Damen und Herren, regen Sie sich doch bitte nicht auf; sonst muß ich Sie einmal an den Parteitagsbeschluß der Sozialdemokraten von Essen erinnern, der j a noch heute gültig ist, ({11}) nämlich: Sozialdemokraten in landes- wie kommunalpolitischer Verantwortung werden alle ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen und politischen Mittel einsetzen, um die derzeitige Verkabelungspolitik des Bundespostministeriums zu stoppen. ({12}) Das ist Ihr Beschluß, bis heute gültig. ({13}) Bringen Sie das doch bitte einmal à jour, damit Sie auch dem Bundesverfassungsgerichtsurteil eines dualen Systems mit Kabel und Satellit gerecht werden. Es wird Zeit. ({14})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Würtz? Sie haben noch knapp zwei Minuten.

Dr. Christian Schwarz-Schilling (Minister:in)

Politiker ID: 11002128

Nein.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich stelle wieder ab.

Dr. Christian Schwarz-Schilling (Minister:in)

Politiker ID: 11002128

Nein. Ich möchte jetzt fertig werden. Ich möchte Ihnen eins sagen, wenn Sie die Politik der Bundespost in anderen Bereichen ansprechen. Ich bin dem Kollegen Deres sehr dankbar, daß er schon gesagt hat, was wir an Ausbildungsplatzleistungen erbracht haben, was wir geleistet haben in der Frage der Fortbildung. ({0}) Wir haben zum erstenmal Tausende von Postbediensteten in die entsprechende Fortbildung der Technik, der Mikroelektronik geschickt. Wir haben nicht nur von der einheitlichen Post geredet. Wir haben Postbeamte im Schalterdienst ausgebildet, um bei Fernmeldeleistungen beratend tätig zu sein, d. h. wir haben die Einheitlichkeit des Unternehmens überhaupt erst konkret - nicht nur verbal - in der Praxis in Gang gesetzt. Herr Paterna, Sie sprechen von der Angst vor der Zukunft, von den Phantomen. Ich darf Ihnen dazu folgendes sagen. Die Bundesregierung hat mit großem Bedacht eine Regierungskommission eingesetzt, weil Sie diese Fragen, die so kompliziert sind, nicht auf offenem Markt in der Weise diskutieren können, wie das heute von der Postgewerkschaft leider getan wird. Sie wissen ganz genau, daß es hier Zusammenhänge gibt, die nur beurteilt werden können, wenn man die internationale Lage kennt, wenn man die Historie der einzelnen Länder kennt, wenn man die zukünftigen reinen telematischen Dienste, die kommen werden, kennt und auf diese Weise in der Lage sein wird, auch die Strukturen für die Bundespost und für alle an der Telekommunikation beteiligten Unternehmen richtig vorauszusehen. Da muß ich Ihnen sagen: Wir befinden uns in einer absolut normalen Situation, wenn in einer Demokratie die Parteien und einzelne Bundesländer verschiedene Auffassungen vertreten. Entschieden wird nachher, wenn die Empfehlungen der Regierungskommission da sind. ({1}) Ich habe Ihnen meine persönliche Meinung gesagt. Ich habe Ihnen zitiert, was die Bundesregierung als Antwort auf das Sachverständigengutachten gesagt hat und als Antwort auf Ihre Große Anfrage. ({2}) Dazu stehe ich, und dazu stehen wir. Wir werden sehr interessiert und mit großer Sachkenntnis, so hoffe ich, die Empfehlungen der Regierungskoalition im nächsten Jahr gemeinsam beraten. ({3}) - Nein, nicht zehn Tage; denn ich kann mir nicht vorstellen, daß der Herr Professor Witte in der Lage sein wird, zehn Tage nach der Wahl seine Empfehlungen zu machen. Wenn das so wäre, dann wüßten Sie mehr als ich. ({4}) Meine Damen und Herren, ich darf mich bei den Kollegen der CDU/CSU und FDP für die konstruktive Mitarbeit für ein schwieriges Feld in den verschiedenen Ausschüssen sehr bedanken. Ich darf mich bei den vielen Tausenden von Mitarbeitern bedanken, die sehr schwierige Probleme in den letzten Jahren zu lösen hatten, sehr schwierige Probleme, und die sich von Ihnen nicht haben verhetzen lassen, etwa nicht an einem Strang zu ziehen. Diese Leistung wäre nicht möglich gewesen, wenn wir nicht in der Lage gewesen wären, die Konzepte tatsächlich auch dem einzelnen Mitarbeiter nahezubringen und alle an einem Strang ziehen zu lassen. Dafür bedanke ich mich mit Freude. Ich muß sagen: Sogar auf dem Gewerkschaftskongreß in Nürnberg hatte ich das Gefühl, daß man tatsächlich auch etwas umgelernt hat und sich nicht mehr nur von Ihnen alles sagen läßt. Denn das werde ich Ihnen sagen, wenn Sie davon sprechen, wir würden jetzt beginnen, eine Unternehmerpost zu sein und keine Bürgerpost mehr: Es ist eine Wende geschehen. Vielleicht ist es nicht mehr so weitgehend eine Genossenpost, sondern eine echte Bürgerpost geworden. Das kann man natürlich sagen. ({5}) Meine Damen und Herren, wir werden auf diesem Kurs fortfahren. Wir werden die modernen Technologien einführen. Wir wünschen den GRÜNEN, daß sie sich die Sachkompetenz aneignen. Wenn sie in zehn Jahren einmal tatsächlich ernsthaft über diese Fragen mitreden wollen, sind sie herzlich eingeladen. Das, was hier gesagt worden ist, ist in den meisten Fällen leider falsch. Wir haben keinerlei derartige Aufträge gegeben. Wir haben 45 000 bestellt nicht, Bitels sondern Multitels. - Diese allerdings werden beim Durchbruch von Bildschirmtext eine große Rolle spielen. ({6}) Ich darf mich bedanken und glaube, daß die Deutsche Bundespost diesen Weg weiter erfolgreich gehen wird. Herzlichen Dank. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 13, nachdem wir sichtbar alle erkennen konnten, wie man aus einem Keller eine Mehrheit holen kann. ({0}) Wer dem Einzelplan 13, Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen, in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist mit Mehrheit angenommen worden. ({1}) Ich rufe nun auf: Haushaltsgesetz 1987 - Drucksachen 10/6329, 10/6330 Berichterstatter: Abgeordnete Carstens ({2}) Roth ({3}) Dr. Weng ({4}) Wieczorek ({5}) Frau Simonis Dr. Müller ({6}) Meine Damen und Herren, des Ältestenrat hat für die Beratung einen Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Löffler.

Lothar Löffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Man gerät in ein Labyrinth, in dem uns Ariadnes Wunderfaden nichts hilft und aus dem man nicht wieder herausfindet. Die einen laufen einem trügerischen Phantom nach, das sie mit seinem Blendwerk täuscht. Sie verirren sich gleich den Wanderern, die in der Dunkelheit Irrlichtern folgen, deren Schein sie verlockt. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, das war ein blumiges Zitat aus einer philosophischen Schrift Friedrichs des Großen, geschrieben 1739. ({0}) Der Text liest sich heute wie ein kritischer Kommentar zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1987. Das jährliche Haushaltsgesetz ist ein Stiefkind in der parlamentarischen Behandlung des Etats, zu Unrecht. Denn: Wichtige gesamtwirtschaftliche Wirkungen gehen von diesem Gesetz aus, oft stärkere als von den vielen, vielen Titeln in den Einzelplänen. Ich nenne nur einige Festlegungen, die im Haushaltsgesetz getroffen werden: das Gesamtvolumen des Haushalts, Höhe der Nettokreditaufnahme, Höhe der Kassenverstärkungskredite, Umfang des Bürgschaftsvolumens, der Garantien und der Gewährleistungen. Gerade von dieser Bestimmung gehen besonders starke Wirkungen aus, positive oder negative. Schließlich die Bestimmungen über die Haushaltsführung. Jede Regierung - das ist verständlich - benutzt das Haushaltsgesetz, um Bestimmungen rechtlich verbindlich zu machen, die zwar aus der Sicht der Regierung wünschenswert sind, aber in der Bundeshaushaltsordnung oder im Haushaltsgrundsätzegesetz nicht vorgesehen sind. ({1}) Jede Regierung braucht ein solches Instrument - das soll gar nicht abgestritten werden -, um möglichst Anpassungen und Korrekturen des Haushaltsplanes während seines Vollzuges vorzunehmen. Das ist auch in unserer Regierungszeit nicht anders gewesen. Aber dieses verständliche Bestreben findet seine Grenze dort, wo der politische Wille des Parlaments mißachtet oder verfälscht wird. ({2}) Der frühere Kollege Klaus Gärtner von der FDP und ich haben uns einmal in einer Persiflage Luft gemacht, indem wir ein kurzes Haushaltsgesetz entwarfen und dem damaligen Finanzminister übergaben. § 1 lautete: Die Regierung darf Geld in beliebiger Höhe aufnehmen und für alle möglichen Zwecke ausgeben. § 2 legte fest: Das Geld beschafft sich die Regierung dort, wo sie es herbekommt. In § 4 wollten wir die Bundesregierung schließlich ermächtigen, die Bundeshaushaltsordnung entsprechend ihren Bedürfnissen durch Umschreibung anzupassen. ({3}) Dieser als Scherz gedachte Entwurf ist durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht mehr so weit von der Haushaltswirklichkeit entfernt. ({4}) Irgendwie muß der damalige Scherz in den falschen Aktenordner geraten sein. ({5}) - Die Berlin-Klausel habe ich als Berliner aus verständlichen Gründen weggelassen, aber ich bin bereit, sie aus dem Kopf zu zitieren. Sie lautet: Dieses Gesetz gilt in Berlin gleich zweifach. ({6}) Das sieht dann in der gegenwärtigen Situation so aus: Die Koalition lobt sich dafür, daß sie die Nettokreditaufnahme von 23,7 Milliarden DM im Jahre 1986 auf 22,3 Milliarden DM im Jahre 1987 absenken wird. Das sind 1,4 Milliarden DM weniger. Wie werden sie politisch verantwortungsvoll und wirtschaftlich vertretbar erwirtschaftet? Ganz einfach: Neben einer globalen Minderausgabe von 300 Millionen DM - jeder in diesem Hause weiß, daß ich immer leidenschaftlich gegen die globale Minderausgabe gekämpft habe ({7}) wird in § 4 Abs. 9 eine Haushaltssperre über einige Titelgruppen ausgebracht, die mit 1,1 Milliarden DM im Einzelplan 60 veranschlagt sind. Das ist ein völlig neues Haushaltsgebaren, das es bisher noch nicht gegeben hat. ({8}) Schon bei der Verabschiedung wird also vorgesehen, daß nicht das ausgegeben werden darf, was beschlossen worden ist. ({9}) - Ja, kommt ja noch. Immer mit der Ruhe! Da das keiner versteht, möchte ich ein Bild bringen, der Anschaulichkeit halber leicht vergröbert, so wie Sie es, Herr Kollege Deres, vorhin ebenfalls getan haben: ({10}) In einer patriarchalischen Familie, wie sie heute Gott sei Dank immer weniger werden, sähe das dann so aus: Der Mann gibt seiner Frau 900 DM Kostgeld, legt aber gleichzeitig fest, daß im Tagesdurchschnitt nur 25 DM ausgegeben werden dürfen - das sind dann 750 DM im Monat -, und die übriggebliebenen 150 DM werden für die Miete verwendet. ({11}) Das ist nicht Haushaltswahrheit und auch nicht Haushaltsklarheit. ({12}) § 1 des Entwurfs Gärtner/Löffler - die Regierung darf das Geld in beliebiger Höhe für alle möglichen Zwecke ausgeben - ist damit voll erfüllt. Auch § 2 - das Geld beschafft sich die Bundesregierung dort, wo sie es herbekommt - hat sich in den Haushaltsplan 1987 voll eingeschlichen. Der Ausgleich des Haushalts wird unter anderem dadurch herbeigeführt, daß Bundesvermögen in Höhe von 3,3 Milliarden DM ({13}) verkauft wird. Man verkauft die Kleidung, um den Kleiderschrank zu bezahlen. ({14}) Was wird eigentlich im nächsten Jahr verkauft? Sie sollten es der Bevölkerung im Wahlkampf offen sagen. Als der Bundeskanzler, Herr Dr. Kohl, lieber Kollege Carstens, noch Oppositionschef in diesem Hause war, hat er das Budgetrecht als Königsrecht des Parlaments bezeichnet. Damit wollte er sagen, dieses Recht sei das bedeutendste des Parlaments. Wer aber dieses Haushaltsgesetz liest, kommt zu dem Ergebnis, daß es sich nicht um das bedeutendste, sondern um das undeutlichste Recht handelt, das in diesem Hause verabschiedet werden soll. ({15}) Deshalb sage ich als alter Segler, der ich bin - genauso wie Sie, Herr Finanzminister -: Das ist keine Wende, sondern ein haushaltspolitischer Schlingerkurs. Es wird notwendig sein, das Steuerrad so umzulegen, daß es wieder einen klaren Kurs gibt. ({16}) § 22 des Haushaltsgesetzes bestimmt, daß das Haushaltsgrundsätzegesetz und die Bundeshaushaltsordnung auch auf Anlage E im Kapitel 10 04 angewendet werden müssen. In dieser Anlage werden die Ausgaben für den gemeinsamen Agrarmarkt nachgewiesen. Ein wichtiger Haushaltsgrundsatz ist die Kosten-Nutzen-Analyse. ({17}) Stehen die ausgegebenen Mittel in einem vertretbaren Verhältnis zu dem Nutzen? Diese Frage muß vor jeder Ausgabe untersucht und beantwortet werden. Wie sieht dieses Verhältnis in der gegenwärtigen Situation aus? Es lagern in der EG 1,4 Millionen t Butter und 815 000 t Magermilchpulver. Von den 3,5 Milliarden DM, die dafür vorgesehen sind, werden rund 1 Milliarde DM allein für die Lagerkosten ausgegeben. Eine vertretbare Relation zwischen Kosten und Nutzen ist bei dieser Sachlage nun wahrlich nicht gegeben. ({18}) Ich weiß natürlich auch - dazu war ich zu lange im Haushaltsausschuß und auch im Agrarausschuß tätig -, daß dieses Problem nicht im Hau-Ruck-Verfahren gelöst werden kann, ohne möglicherweise verheerende Folgen für unsere ländlichen Räume und damit für die ganze Gesellschaft herbeizuführen. Ich meine jedoch, daß diese Bestimmungen des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsgrundsätzegesetzes die Bundesregierung verpflichten, ernsthaft und entschieden nach Einkommensalternativen zur Milcherzeugung zu suchen. Aber von diesem Suchen spüren wir wenig. ({19}) Auf eine Lösung des Problems, lieber Kollege Gerster, warten wir bis heute. Bisher hat die Bundesregierung noch nicht einmal dargelegt, wie sie sich die Lösung des Überschußproblems bei Milchprodukten ansatzweise denkt. Wenn Gesetze ihren Sinn als rechtlicher Handlungsrahmen, als Handlungsauftrag, aber auch als Handlungsverpflichtung behalten sollen, dann sollte man sie ernst nehmen und nicht als Arabesken benutzen können. ({20}) Aus dem Gesagten ergibt sich, daß wir dieses Haushaltsgesetz ablehnen. Gestatten Sie mir zum Schluß bitte noch eine persönliche Bemerkung. Diese Legislaturperiode wird in die Geschichte des Deutschen Bundestages als Periode der großen Abschiedsreden eingehen. Dies war auch meine letzte Rede. Sentimentalität war bei diesem trockenen Stoff völlig ausgeschlossen. Dafür bin ich außerordentlich dankbar. Es verbleibt mir nur, Ihnen alles Gute zu wünschen. Ich war gerne hier, aber nun langt es. ({21})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Lieber Kollege Löffler, Sie haben es in den fünf Legislaturperioden und auch an diesem Abend immer verstanden, aus einer trockenen Materie „Haushaltsgesetz" sogar noch eine lebhafte Darstellung zu machen, die uns alle amüsiert und trotzdem inhaltlich lehrreich gewesen ist. Wir verabschieden Sie - ich glaube, das darf ich im Namen aller sagen - mit ein wenig Traurigkeit. Ich darf es als ein guter Freund über lange Jahre hin sagen: Wir haben viele Stunden dort oben im 25. Stock zusammen gearbeitet und gesessen. Manchmal haben wir uns auch gesehnt, hier einmal ins Plenum kommen zu dürfen. Nun war es das letzte Mal. Schönen Dank für die gute Zusammenarbeit! ({0}) Jetzt hat der Abgeordnete Roth ({1}) das Wort.

Adolf Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001889, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen ist es auch mir ein sehr herzliches Bedürfnis, Ihnen, verehrter Herr Kollege Löffler, namens und im Auftrag der Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion ein Wort der Anerkennung und auch des Dankes für die gute Kollegialität zu widmen, einem Manne, der als Haushälter besondere Verantwortung in diesem Parlament getragen hat. Ich habe mir von meinen Kollegen berichten lassen, Sie hätten das immer mit sehr großer und profunder Sachkenntnis, mit viel Fleiß, mit Beharrungsvermögen ({0}) und, wie sich heute abend auch gezeigt hat, mit einer gehörigen Portion Humor getan. Das ist, wie Sie an den aufgehellten Mienen aller hier gesehen haben, kein trauriger Abschied. Wir wünschen Ihnen glückliche Jahre und interessante Aufgaben, denen Sie sich in Ihrem künftigen Leben weiter widmen können. Sie sind jedenfalls jemand, Roth ({1}) der uns in bester Erinnerung bleibt. Herzlichen Dank! ({2}) Zu dem Inhalt Ihrer Rede muß ich allerdings sagen, ({3}) daß in der deutschen Finanzpolitik auch 1987 Soll und Haben zusammenbleiben; das ist ganz wichtig. Das, was wir uns im Haushaltsausschuß in zwölf Beratungswochen erarbeitet und in drei Tagen der zweiten Haushaltslesung - teilweise auch mit Leidenschaft - diskutiert haben, ist ein stabiles Zahlengefüge. Diese Debatte hat der Öffentlichkeit gezeigt, daß die Opposition, insbesondere die SPD, über keine überzeugenden und leider auch über keine glaubwürdigen Alternativen zu unserer erfolgreichen Finanz- und Wirtschaftspolitik verfügt. Die gleiche SPD, der wir das Schuldendesaster von 1982 zu verdanken haben und die unsere Politik der Konsolidierung 1983 zunächst als Akt des „Kaputtsparens" zu diffamieren versuchte, hat uns jetzt vorgeworfen, wir hätten die hinterlassene Haushaltslücke bisher leider „nur" zur Hälfte wieder ausgeglichen. Zugleich aber beklagt sich die SPD als die sprichwörtliche Steuererhöhungspartei in Deutschland über eine zu hohe Abgabenlast in der Bundesrepublik. Sie verspricht Steuererleichterungen ohne Senkung der Steuerlastquote und ohne Absenkung der Staatsquote. Dies bedeutet im Klartext, daß Ihre finanzpolitische Absicht nach wie vor in der rigorosen Verschärfung der Steuerprogression liegt - ohne jede Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen. ({4}) Bereits gutverdienende Facharbeiter würden Opfer Ihrer steuerlichen Umverteilungspolitik sein. Und diese Politik ist weder mit den Geboten der Ausgewogenheit noch mit denen der Gerechtigkeit zu vereinbaren. ({5}) Ihre Finanzpolitik war und bleibt zins- und inflationstreibend. Deshalb ist sie eine schlechte Politik. Am Ende hat immer der kleine Mann die Zeche zu bezahlen. Dies ist die Wahrheit. ({6}) Ein Weiteres ist im finanzpolitischen Konzept der SPD wieder deutlich hervorgetreten: Die SPD will zum verheerenden Programm-Aktionismus der Jahre vor 1982 zurückkehren. Das bedeutet nichts anderes als die Neuauflage der beschäftigungspolitisch verbrämten Schuldenmacherei, und das ist der sicherste Weg in die nächste Wirtschafts- und Beschäftigungskrise. Diesem gefährlichen Weg der SPD werden sich die CDU/CSU und auch die FDP in der Koalition im fünften Haushaltsjahr entgegenstemmen. ({7}) Wir jedenfalls werden unsere Politik der Rückführung der Neuverschuldung konsequent fortführen. Wir werden die Staatsausgabenzuwächse begrenzen und damit den einmal erfolgreich eingeschlagenen Weg fortsetzen. Wir haben durch diese Finanzpolitik das Fundament des Aufschwungs gelegt. Wir haben den Weg in die Traumkombination von Wirtschaftswachstum, steigender Beschäftigung, völliger Preisstabilität, steigenden Reallöhnen, sinkenden Zinsen und Spitzenzuwächsen beim privaten Verbrauch und bei der arbeitsplatzschaffenden Investitionstätigkeit geschaffen. ({8}) Diese Politik hat und behält Erfolg. Meine Damen und Herren, Sie werden ihr am Ende zustimmen müssen. ({9}) Zumindest haben Sie der Kraft der Tatsachen und der Erfolge nichts entgegenzusetzen. Wir haben bei den Ausschußberatungen in den letzten Wochen erneut ein Zeichen gesetzt. Wir haben das Haushaltsvolumen 1987 - Sie haben das eben noch karikiert, Herr Kollege Löffler - gegenüber dem ohnehin knapp bemessenen Regierungsentwurf um 2,5 Milliarden DM gesenkt. Wir haben den Ausgabenzuwachs auf 1,9 % reduziert - und das unmittelbar vor einer Wahl! -, und wir haben die Neuverschuldung um weitere 2 Milliarden DM heruntergedrückt. ({10}) Das wurde erreicht, indem wir beim staatlichen Eigenverbrauch und bei den rechtlich ungebundenen konsumtiven Zuschüssen an den staatsnahen Bereich alle Einsparungsmöglichkeiten wahrgenommen haben. Durch eine in das Haushaltsgesetz aufgenommene Vorschrift werden über sämtliche Einzeletats hinweg 1,1 Milliarden DM durch Sperrung eingespart. Diese Maßnahme schließt an die entsprechende Sperre beim Vollzug des Haushalts 1986 an. Sie hat sich bewährt. Was wir hier ins Auge gefaßt haben, belastet keineswegs die Aufgabenerfüllung des Staates. Denn der Staat profitiert ja von dem international höchsten Stabilitätsgrad, den die Bundesrepublik erreicht hat. Die konsequente Linie unserer Finanzpolitik verfolgen wir allerdings auch im Personalbereich. Alle dem Haushalt 1987 neu ausgebrachten Stellen Roth ({11}) seien es die für den Bereich der inneren Sicherheit, die für Asylangelegenheiten oder auch die für den Umweltschutz - müssen an anderer Stelle eingespart werden. Das Haushaltsgesetz enthält eine entsprechende Einsparungsvorschrift, die im Jahresverlauf zu vollziehen ist. Wir sind der Meinung, daß der Staat seine neuen Aufgaben mit dem vorhandenen Personalvolumen erfüllen muß und kann. Bei einem so großen Personalkörper von rund 300 000 Bediensteten im unmittelbaren Bundesbereich - Beamte, Angestellte und Arbeitnehmer - ist dies möglich. Sparpolitik ist nur glaubwürdig, wenn sie auch den Personalhaushalt einschließt. Kontinuität und Verläßlichkeit, die Gütezeichen von fünf Jahren erfolgreicher Haushaltspolitik, werden auch in Zukunft das finanzpolitische Handeln dieser Koalition und der Regierung bestimmen. Wir werden mit äußerst knapp bemessenen Haushaltsausweitungen zurechtkommen. Den hierdurch gewonnenen Spielraum werden wir für steuerliche Entlastungen, aber auch für die Fortführung der familien- und sozialpolitischen Erneuerung zu nutzen wissen. Das ordnungs- und konjunkturpolitisch vorrangige Ziel, die Finanzierungsdefizite aller öffentlichen Haushalte schrittweise weiter zurückzuführen, bleibt für uns ein bestimmender Faktor. Das ist das beste Rezept, den Aufschwung nicht nur für das Jahr 1987, sondern auch für die Jahre danach zu sichern, und zwar bei anhaltend stabilen Preisen, bei realen Einkommenssteigerungen und bei einer Politik, die für Hunderttausende von Menschen wieder zu sicheren Arbeitsplätzen führen wird. In diesem Sinn danken wir allen, die bei diesem Werk mitgeholfen haben, auch den Kollegen im Ausschuß. Wir danken dem erfolgreichen Finanzminister. Wir sind sicher, daß diese Politik ihre verdiente Anerkennung finden wird. ({12}) Herr Präsident, bevor ich meine Ausführungen beende, muß ich eine Bemerkung zu Protokoll geben. Die der Drucksache 10/6330 beigefügte Ubersicht über das finanzielle Ergebnis der Beratungen des Haushaltsausschusses enthält auf Seite 45 bei den Verpflichtungsermächtigungen in der Spalte 2 versehentlich einige falsche Zahlen. ({13}) Es handelt sich um falsche Computereingaben. Auch das passiert in einem gut funktionierenden Ministerium. Es betrifft die Einzelpläne 02, 04, 05, 15 und 31. ({14}) Dadurch sind auch in den folgenden Spalten vom Ergebnis her falsche Zahlen addiert worden, Herr Abgeordneter Dr. Vogel. ({15}) Die richtigen Zahlen ergeben sich aber aus der Drucksache 10/6329 auf Seite 22. ({16}) Sie sind in der Anlage zur Haushaltsübersicht, hier: Verpflichtungsermächtigungen im Bundeshaushaltsplan enthalten. Ich habe das ausdrücklich zu Protokoll zu geben. Ich bin stolz darauf, daß wir ansonsten ein geordnetes und stabiles Zahlenwerk übergeben können. ({17}) In diesem Sinne möchte ich zum Abschluß der Beratungen in zweiter Lesung die Zustimmung meiner Fraktion zum Bundeshaushalt 1987 und zum Haushaltsgesetz zum Ausdruck bringen. Herzlichen Dank. ({18})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller ({0}).

Dr. Joachim Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001553, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund einer absehbaren Verminderung der Steuereinnahmen um ungefähr 2,9 Milliarden DM, wovon allein 1,6 Milliarden DM auf den Bund entfallen, hat der Finanzminister bereits vor Abschluß der Haushaltsberatungen eine Sperrung von ca. 1,1 Milliarden DM für den Bereich der sachlichen Verwaltungsausgaben, der nicht investiven Zuweisungen und Zuschüsse verkündet. Dies ist in mehrfacher Hinsicht ein Indiz für eine unseriöse Haushaltsführung. Erstens. Als auf eine bestimmte Titelgruppe bezogene Pauschalsperre entwertet sie den Haushaltsplan und damit die parlamentarische Haushaltskontrolle, da die Struktur der Soll-Ansätze in den genannten Bereichen nun natürlich ziemlich nebulos wird. Zweitens. Verstärkt wird dies noch durch die Möglichkeit, daß die Ausgabensperre auch aus anderen Titelgruppen erbracht werden kann, falls sie durch die genannten Titelgruppen nicht vollzogen wird. Ich habe absolut nichts dagegen, daß insbesondere bei Verwaltungsausgaben sparsam mit Steuergeldern umgegangen wird. Aber wo bleibt bei derartigen Pauschalsperren eingentlich das Recht des Parlaments? Wird dadurch die sowieso schon starke Stellung des Finanzministeriums im Haushaltsvollzug nicht weiter gestärkt? Denn er kann natürlich durch seine Vorlagen vergleichsweise ohne parlamentarische Kontrolle entscheiden, was denn nun eingespart wird. Drittens ist schließlich darauf hinzuweisen, daß von den vorgesehenen Mindereinanhmen von 1,6 Milliarden DM bloß 1,1 Milliarden DM durch die Sperre abgedeckt werden, also vermutlich eine weitere halbe Milliarde DM sonstwo im Haushaltsvollzug eingespart werden soll. Wie der Herr, so das Geschirr. Dr. Müller ({0}) Ich halte es auch für eine Entmachtung des Parlaments, ({1}) wenn beim Bildungs- und Wissenschaftsministerium globale Minderausgaben veranschlagt werden, globale Minderausgaben, die in diesem Jahr wieder erhöht worden sind. Ich glaube, wir sollten anfangen, uns innerhalb des Bundestages und innerhalb des Parlaments zu vergewissern, ob wir hier eigentlich noch Herr des Verfahrens sind. Was steckt politisch dahinter? ({2}) Zuerst werden dem gebeutelten Steuerzahler Mondpreise für die Regierungsdienste genannt, um ihm dann hinterher mittels der geringen Ist-Preise das glückselige Gefühl zu vermitteln, in den Genuß eines Sonderangebotes gekommen zu sein. Ich halte das für ein unredliches Verfahren. Es bringt Ihnen, Herr Stoltenberg, zwar kurzfristig gleichzeitig den Ruf des Gönners und Sparers ein, doch gerade in der Finanzpolitik zahlt sich ein derart unseriöses Vorgehen nicht aus. Die Sozialdemokraten wissen, wovon ich rede. Dies bringt mich zu einer grundsätzlichen Bemerkung zur Rolle der parlamentarischen Beratung des Haushalts. Der Berg kreißte und gebahr eine Maus. Unter dieses Motto könnte man die alljährliche hektische Betriebsamkeit der Haushaltsberatungen stellen. Unter Aufwendung erheblicher Betriebsamkeit, materieller, zeitlicher, moralischer und konditioneller Ressourcen, wofür ich übrigens alle Haushälter aller Fraktionen in bewundernder Erinnerung behalten werde, wurden auch in diesem Jahr wiederum nur 0,9 % des Haushalts durch die Ausschußberatung bewegt. Eine hier nicht anstehende - ich betone das Wort nicht - Kosten-Nutzen-Analyse würde zu dem Ergebnis führen, daß dies ein ineffizienter Prozeß ist. Aber es geht hier wohl weniger um Effizienz als um das, was die Systemtheoretiker Legitimation durch Verfahren nennen würden. Betriebswirte würden den ganzen Aufwand als management by endurance bezeichnen oder besser ({3}) - ich übersetze es für dich - management by Sit-in. Auch dies übersetze ich gerne: Führung durch Aussitzen. ({4}) Das ist es. Ich halte es für problematisch, wenn das Parlament das macht. Wenn die Regierung das macht, ist das auch schon schlimm genug. Aber wir sollten das eigentlich nicht tun. ({5}) Gleichwohl gibt die zunehmende Formalisierung und Ritualisierung des Haushaltsverfahrens zu denken. Hinter dem wortreichen Lamento verbirgt sich letztendlich eine stille Entmachtung des Parlaments. Der größte Teil der Ausgaben ist durch Gesetze gebunden, die nicht selber Gegenstand des Haushaltsverfahrens sind. Dazu kommen die Verpflichtungsermächtigungen, die sich in diesem Jahr wieder auf die stolze Summe von 40,5 Milliarden DM summieren. 1985 betrugen die Verpflichtungsermächtigungen noch 35,4 Milliarden DM. Sie weisen seit langem eindeutig eine steigende Tendenz auf. Selbst für einen veränderungswilligen Haushälter oder Haushaltsausschuß oder nur eine Fraktion darin würde es schwer sein, im Zuge der Beratung einen großen Handlungsspielraum vorzufinden. Ich betone dies. Dazu kommt aber, daß es politisch gewollte Schranken für die parlamentarische Haushaltskontrolle gibt. Nicht nur in politisch brisanten Bereichen, etwa den Geheimdiensten oder, wie wir hier gehört haben, bei Post und Bundesbahn, oder im Einzelplan 35, wird der parlamentarischen Öffentlichkeit Einblick in das Haushaltsgeschehen verwehrt. Auch die dem Voranschlag des Haushalts zugrunde liegenden Prozesse sind in der andeutungsvollen Kabbalistik von Erläuterungen und Sprechzetteln versteckt. Sie sind der Ausdruck eines strukturellen Informationsmonopols von Regierung und Ministerien, das nicht selten für eine bewußte Irreführung des Parlaments genutzt wird. Eine Menge an Information kann auch Desinformation sein. ({6}) - Die kriegen Sie noch zu hören, Herr Gerster. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die als Lex Lambsdorff bekanntgewordene Problematik des Rechtsschutzes in Strafsachen für Bundesbedienstete. Abgerundet wird dieses Bild durch den zu beobachtenden Funktionswandel des Parlaments. Aus einem Sammelpunkt bürgerlicher Kontrolle hat sich durch die Bildung von Mehrheitsfraktionen und deren Anbindung an ein Organ der Regierungszuarbeit eine im Dienste des Regierungswillens stehende Abstimmungsmaschine gebildet. Ich halte das für problematisch, gerade wenn es um die Kontrolle des Haushalts geht. Und darüber reden wir j a hier. ({7}) So tritt im Haushaltsverfahren an die Stelle der Gewaltenteilung lediglich eine Mäßigung der staatlichen Gewalt. Etwas mehr Wettbewerb - davon scheinen Sie j a etwas zu verstehen - zwischen den Gewalten stünde dem Haushaltsverfahren gut zu Gesicht. Größere Transparenz und Offenheit bei der Bedarfsfeststellung und eine Verbesserung der informativen Ressourcen des Parlaments, beispielsweise durch ein congressional budget office, wie wir es in den USA haben, ({8}) wären hier zu nennen. - Ich wußte, daß das jetzt kommen würde. Damit habe ich gerechnet, Herr Bohl. Sie als Parlamentarier sollten sich einmal darüber erkundigen. Das ist wirklich ein office, das segensreiche Unterstützungsarbeit für die Parlamentarier in den USA leistet. Ich würde sehr empDr. Müller ({9}) fehlen, darüber nachzudenken, ob man hier nicht so etwas aufbauen könnte. Mir ist bekannt, welche Probleme es aufwerfen würde, wenn nicht das Finanzministerium, sondern wir als Parlamentarier uns das Recht herausnehmen würden, den Entwurf zu machen. ({10}) Mir ist bekannt, wie problematisch das ist. Im Sinne einer Stärkung des Parlaments würde ich aber solch ein Vorgehen zumindest als bedenkenswert erachten. Es würde uns Parlamentariern die Chance bieten, gleichzuziehen mit den Möglichkeiten, die das Finanzministerium und die anderen Ministerien haben. Ich möchte zum Schluß kommen. Es gibt einige Feinstrukturen der Kreditaufnahme, die auch problematisch sind. Obwohl in der Ära Stoltenberg angeblich Konsolidierungserfolge erzielt worden sein sollen, ({11}) nimmt die Belastung des Haushalts durch Zinsausgaben seit 1982 stetig zu. Sie beträgt für den Haushalt 1987 insgesamt 31 Milliarden DM und damit 11,5% der Gesamtausgaben, während 1982 der Anteil 9% betrug. Woran liegt das? Abgesehen von der durch die Bundesregierung stets eifrig befürworteten Hochzinspolitik der Bundesbank liegt das an der auch von Stoltenberg nicht geänderten Struktur der Verschuldung. So entfällt nach wie vor ein großer Teil der Verschuldung auf die Banken. Schon 1970 hat der Wissenschaftliche Beirat beim BMF in einem Gutachten darauf hingewiesen, daß zwischen den Banken kein ausreichender Wettbewerb herrsche, daß die Banken eigene Schuldverschreibungen absetzen wollten und daß demzufolge die Kosten einer bankmäßigen Emission von Staatsschuldpapieren beträchtlich über den Kosten einer direkten Emission an Nichtbanken liegen. Das führt dazu, daß wir allein für Provisionen, Kosten und Marktpflege eine halbe Milliarde DM für die Banken ausgeben. ({12}) Ich gebe zu bedenken, ob diese halbe Milliarde DM für die Banken nicht in den Subventionsbericht der Bundesregierung hineingeschrieben werden sollte, um deutlich zu machen, daß hier den Banken - unnötigerweise, soweit ich orientiert bin - eine halbe Milliarde DM zukommt, die wahrlich für Besseres ausgegeben werden kann. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({13})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Außer mir mit den noch zu erwartenden Verlesungen spricht nun unweigerlich der letzte Redner dieses Abends, Herr Weng.

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Löffler, ich habe Sie persönlich im Ausschuß nicht kennengelernt. Nach Ihrer Rede heute muß ich sagen: Leider habe ich Sie nicht kennenlernen dürfen. Ich glaube, wenn Ihre Fraktion Sie statt des Kollegen Apel in die Haushaltsdebatte geschickt hätte, dann wäre es der Gruppe der Koalition nicht so leichtgefallen, ({0}) die gute Darstellung der Politik in den Medien auch deutlich zu machen. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft auch im Namen meiner Kollegen. ({1}) Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung: Im Bundeshaushalt 1987 ist vorgesehen, für den Salzgitter-Konzern im Hinblick auf den Bau von Containerschiffen auf der Kieler Großwerft HowaldtswerkeDeutsche Werft AG eine Kapitalzuführung in dreistelliger Millionenhöhe zu leisten. Schon deshalb können wir nicht daran vorbeigehen, daß nach heutiger Pressemeldung gegen diese Werft erhobene Anschuldigungen geprüft werden. Sie soll illegal Konstruktionspläne zum Bau von U-Booten nach Südafrika verkauft haben. Der Vizekanzler, Hans-Dietrich Genscher, hat hierzu gestern erklärt, daß ein solcher möglicher Vorfall strafrechtlich gewürdigt werden müsse. Das stimmt, aber es genügt natürlich nicht. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen und sollte richtig sein, daß das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft als Genehmigungsbehörde nicht befaßt war, müßte dies natürlich auch politische Konsequenzen haben. ({2}) Ein Bundesbetrieb als Gesetzesbrecher: Da könnte man ja wohl nicht einfach mit Zahlung eines Bußgeldes, noch dazu aus Steuermitteln, zur Tagesordnung übergehen. ({3}) Am Ende der ersten drei Tage der Debatte über den Bundeshaushalt 1987 steht heute die Abstimmung über das Haushaltsgesetz in zweiter Lesung. Wir haben drei Tage detaillierte Beratungen der Einzelhaushalte der Ministerien geführt. Ich stelle erneut fest: Die Opposition ist echte Alternativen schuldig geblieben. Ich schränke ein: Der Kollege Löffler hat heute abend wenigstens eine freundliche, fröhliche und lustige Alternative deutlich gemacht. In der konsequenten Fortführung unserer Politik der Haushaltskonsolidierung sind und bleiben wir auf dem richtigen Weg. Die rot-grüne Opposition hat nicht einmal den Versuch einer ernst gemeinten Offensive unternehmen können. Der Gesamthaushalt schließt mit einem Ausgabenvolumen von 268,5 Milliarden DM ab, womit die Steigerung gegenüber dem Vorjahr im Soll-SollVergleich nur 1,9 % ausmacht. Die Nettokreditaufnahme konnte durch unsere Beschlüsse auf 22,3 Milliarden DM begrenzt werden. Das ist die niedrigste Nettokreditaufnahme seit zehn Jahren und der Dr. Weng ({4}) niedrigste Anteil der Neuverschuldung im Gesamthaushalt seit 1974. Im Laufe der Haushaltsdebatte sind auch einige ernste Risiken für das kommende Haushaltsjahr aufgezeigt worden. Ich meine, wir haben für diese Risiken bestmögliche Vorsorge geleistet. Wir werden im kommenden Jahr unter der Voraussetzung, daß uns die Wähler in unserer Aufgabe bestätigen, auch die Kraft und die Entscheidungsfreudigkeit haben, das Notwendige im Ablauf des Haushaltsjahres zu tun, um den Vollzug sicherzustellen. Wir sind uns der Tatsache bewußt, daß wenig Spielraum für zusätzliche Ausgaben bleiben wird. Der Finanzminister - meine Damen und Herren, ich sage das mit großem Ernst in Kenntnis der Risiken - der kommenden Bundesregierung wird sicherlich von Anfang an enorm viel Stehvermögen aufbringen müssen, um erfolgreich zu sein. Von der Opposition ist kritisiert worden, wir hätten Rechte des Parlaments wegen der genannten Einsparungen an staatlichem Eigenverbrauch und im staatsnahen Bereich aufgegeben, die wir in der letzten Woche der Haushaltsberatungen beschlossen haben. Wer sich an die zeitlichen Abläufe erinnert, muß nüchtern einsehen, daß uns keine andere Wahl mehr blieb, als die Kürzungen im konsumtiven Bereich umgehend durchzuführen. Den gesamten Haushaltsplan nochmals detailliert zu beraten, um der durch die neue Steuerschätzung veränderten Situation im Sinne unserer politischen Vorgaben Rechnung zu tragen, konnte rein technisch nicht mehr in Frage kommen. Das ist natürlich auch der SPD bekannt. Wenn nun die Steuerschätzer erklären, die Einnahmen des Bundes würden nicht um 12, sondern nur rund 11 Milliarden DM steigen, dann bleibt kein anderes sinnvolles Instrument als das, das der Finanzminister auch im laufenden Haushaltsjahr ohne Schaden angewendet hat, um den Vollzug des Haushalts zu sichern. Meine Damen und Herren, der Bauchladen an Wahlkampfversprechungen, den die SPD-Fraktion in ihrem Entschließungsantrag für die dritte Lesung am morgigen Tag vorlegt, ist nur an einer einzigen Stelle wirklich interessant. Bei den Finanzierungsgrundsätzen auf Seite 7 wird erklärt, die Maßnahmen seien alle ohne Erhöhung der Neuverschuldung durchzuführen, da die Verwirklichung schrittweise nach den finanziellen Möglichkeiten der kommenden Haushaltsjahre eingerichtet werden sollte. Vorsichtshalber sind deshalb auch die Kosten dieser Maßnahmen überhaupt nicht angegeben. Erste überschlägige Schätzungen ergeben einen zumindest zweistelligen Milliardenbetrag. Hierzu keinerlei reelle Finanzierungsvorschläge zu machen, ist eindeutig unseriös. Vielleicht sollten Sie Ihren Wahlkampfslogan doch in „Versprechen statt halten" ändern. ({5}) Wie unseriös solche Operationen sind, zeigt allein das sogenannte Sondervermögen „Arbeit und Umwelt", ({6}) das Bestandteil Ihrer Initiative ist. Die 4,7 Milliarden DM, die Sie für das Programm jährlich benötigen, sollen über einen Zuschlag auf Verbrauch von Strom, Mineralölprodukten und Erdgas finanziert werden, also 4,7 Milliarden DM, die Sie dem Verbraucher auf diesem Umwege zusätzlich aus der Tasche ziehen wollen. Damit wollten Sie in Ihrem Programm „Arbeit und Umwelt" seinerzeit 200 000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, was schon damals von Experten in Zweifel gezogen wurde. Weil das aber noch nicht genug an Versprechungen ist, haben Sie jetzt in der Vorlage, die wir morgen beraten sollen, dieses Programm modifiziert. Sie nennen es „Aktive Arbeitsmarktpolitik" und verdoppeln die Zahl der Arbeitsplätze einfach auf 400 000. So einfach ist das bei der SPD! ({7}) - Das ist zu befürchten, Herr Kollege Gerster. Wir haben dagegen mit unserer Politik nachweisbar bisher 700 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. ({8}) Nach der Prognose des Sachverständigengutachtens sollen es Ende 1987 800 000 Arbeitsplätze sein. ({9}) - Herr Kollege Walther, die Bundesanstalt für Arbeit hat diese Zahl mitgeteilt, ({10}) und in einer ganzen Zahl von Sachverständigengutachten ist diese Zahl immer wieder genannt worden. ({11})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walther?

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Selbstverständlich, Herr Kollege Walther.

Rudi Walther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Weng, erstens herzlichen Dank, daß Sie die Zwischenfrage zulassen, denn zweitens gibt mir das die Möglichkeit, Sie zu fragen, wo es denn eigentlich den amtlichen Nachweis für die von allen möglichen Rednern der Koalition behaupteten Zuwächse an Arbeitsplätzen gibt. Ich habe mich beim Statistischen Bundesamt erkundigt. Solche offiziellen Zahlen gibt es nicht. Das sind alles ominöse Schätzungen. Ist Ihnen das bekannt? ({0})

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Walther, die Zahlen stehen schon so lange im politischen Raum, daß ich jetzt im Moment ({0}) natürlich nicht aus dem Handgelenk sagen kann, wo die Zahlen offiziell bestätigt sind. ({1}) - Bisher hat man ausreden dürfen. Wenn man eine Frage gestellt hat, sollte man die Antwort vielleicht gerade noch abwarten. Danach können Sie ja noch mal fragen. ({2}) Ich habe gesagt: Nach meiner Überzeugung, Herr Kollege Walther, hat die Bundesanstalt für Arbeit diese Zahlen genannt. ({3}) Ich werde aber gerne überprüfen, wo die Zahl - -({4}) - Der Kollege Walther hat ja gefragt: Wo amtlich? Das Sachverständigengutachten ist nach seiner Überzeugung in diesem Sinne wohl nicht amtlich. Ich glaube, daß es müßig ist, hierum zu streiten. Ich kann es hier aus dem Stand nicht belegen, und Sie können das Gegenteil nicht belegen. Ich glaube, daß wir dieses nicht zu vertiefen brauchen. ({5}) - Das ist geprüft, Herr Kollege Diederich. Ich würde sagen: Die Antwort sollte Ihnen zumindest im Moment genügen. ({6}) - Das ist zu vermuten. Da Sie ja morgen hier für Ihre Fraktion noch einmal antreten, dürfen Sie gern darauf zurückkommen. ({7}) Meine Damen und Herren, jedenfalls existiert diese Zahl zweifelsfrei in dem Sachverständigengutachten, das Anfang dieser Woche veröffentlicht wurde. Sie existiert nicht nur in den Köpfen sozialistischer Programmschreiber, wie das bei den Zahlen in Ihren eben genannten Programmen der Fall ist. Wir können mit Befriedigung feststellen, daß mit dem Bundeshaushalt 1987 die seit Beginn der Koalition der Mitte begonnene Haushaltskonsolidierung konsequent fortgeführt wird ({8}) und daß die Vorgaben der mittelfristigen Finanzplanung eingehalten sind. Die allgemeine wirtschaftliche Situation und alle ernst zu nehmenden Voraussagen bestätigen unsere Politik. Unsere Aufgaben in der kommenden Wahlperiode sind vorgezeichnet. Eine große Steuerreform zu wirklich umfassender Entlastung der Lohn- und Einkommensteuerzahler, in größtmöglichem Umfang durch den Abbau von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen finanziert, wird unseren politischen Handlungswillen beanspruchen. ({9}) Meine Damen und Herren, meine Fraktion wird dem Haushaltsgesetz 1987 in zweiter Lesung zustimmen und damit einen Haushalt beschließen, der konsequent sparsam und dennoch gestaltend die Einnahmen und Ausgaben des Bundes für das kommende Jahr realistisch festlegt. ({10})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die §§ 1 bis 30 und den Gesamtplan sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung mit den Korrekturen, die der Abgeordnete Roth ({0}) vorhin vorgetragen hat, auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind mit Mehrheit angenommen. Damit ist die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 ({1}) abgeschlossen. Ich rufe nun Punkt II der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 - Drucksachen 10/5901, 10/6210, 10/6472 Berichterstatter: Abgeordnete Carstens ({3}) Dr. Weng ({4}) Wieczorek ({5}) Dr. Müller ({6}) Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses für den Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990. Wer dieser Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 10/6472 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist mit Mehrheit angenommen. Vizepräsident Westphal Ich rufe Punkt III der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({7}) zu dem Antrag des Bundesministers für Wirtschaft Rechnungslegung über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes" - Wirtschaftsjahr 1984 -- Drucksachen 10/4619, 10/6367 Berichterstatter: Abgeordnete Glos Dr. Weng ({8}) Frau Simonis Dr. Müller ({9}) Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 10/6367 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Diese Beschlußempfehlung des Ausschusses ist einstimmig angenommen worden. Ich rufe Punkt IV der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({10}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Überplanmäßige Ausgaben bei Kap. 1113 Tit. 646 02 - Erstattung der Aufwendungen für die Krankenhilfe an Heimkehrer und durch Gesetz gleichgestellte Personengruppen - Drucksachen 10/5968, 10/6372 Berichterstatter: Abgeordnete Sieler ({11}) Strube Frau Seiler-Albring Dr. Müller ({12}) Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 10/6372 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer gegen die Beschlußempfehlung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist mit Mehrheit angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt V auf: Beratung der Sammelübersicht 184 des Petitionsausschusses ({13}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 10/6427 Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 10/6427 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei drei Enthaltungen ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen. Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 28. November 1986, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.