Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD hat fristgerecht eine Erweiterung der heutigen Tagesordnung beantragt. Diesen Antrag werden wir im Anschluß an die Aktuelle Stunde behandeln.
Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 6 auf: Aktuelle Stunde
Möglicher illegaler Betrieb der Plutoniumfabrik Alkem und die politische Verantwortung der Bundesregierung
Die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem erwähnten Thema verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hönes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde! Die Hanauer Atomanlagen sind gleichzeitig das Zentrum und das Negativsymbol der bundesdeutschen Atomindustrie. Aber nicht nur das. Heute und in Zukunft sind diese Anlagen gleichzeitig der Prüfstein Nummer eins für die Haltung der Bundestagsparteien, für ihre nukleare Vergangenheit und für ihre atomare Zukunft.
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Am 16. Oktober 1986 wurde gegen den Chef der Plutoniumfabrik Alkem, Wolfgang Stoll, und gegen den Geschäftsführer der Nukem und der RBU, den CDU-Bundestagsabgeordneten Warrikoff, Anklage erhoben wegen unerlaubten Betriebs von Atomanlagen. Am selben Tag wurde gegen drei hochkarätige langjährige Mitarbeiter im hessischen Ministerium für Wirtschaft und Technik Anklage erhoben wegen Beihilfe zum illegalen Betrieb einer atomaren Anlage.
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Wegen Hanau laufen zur Zeit weitere staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Bundesinnenminister Zimmermann sowie gegen weitere Geschäftsführer der Nukem und der RBU.
Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann das Verfahren gegen SPD-Minister Steger eröffnet wird, dessen Beamte stets - so Steger - „auf Weisung" des Ministers handelten.
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Da wird in Hessen der Umgang mit Plutonium -20 000 mal giftiger als Zyankali - ohne die erforderlichen Genehmigungen in dünnwandigen Gebäuden direkt unter der Flugzeugwarteschleife des Frankfurter Flughafens gebilligt und vor der Offentlichkeit abgesichert.
Da wird unter der Aufsicht von sozialliberalen wie christliberalen Bundesregierungen der Aufbau des heute größten Lagers für atombombenfähige Stoffe in irgendeinem Nicht-Atomwaffenstaat der Welt ohne die gesetzlich vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung vorangetrieben, weil - so ein ministerieller Vermerk - „eine voll aufgeklärte und informierte Öffentlichkeit" den ganzen Spuk vielleicht verhindert hätte.
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Da einigen sich 1978 das SPD-geführte Bonner Forschungs- und das Innenministerium mit dem FDP-geführten hessischen Wirtschaftsministerium und der Firma Alkem darauf, in Sachen Plutonium selbst die belgische Regierung und ihre Behörden zu täuschen und unter falscher Bezeichnung ein heimliches Plutoniumlager im Ausland zu unterhalten; so die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Um so erregtere Debatten heute in der belgischen Öffentlichkeit und im belgischen Parlament.
Was dem Ganzen jedoch die Krone aufsetzt, ist die jüngste Stellungnahme der hessischen SPDSpitze zu all diesen Vorgängen.
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Nachdem all das Genannte aufgeflogen ist, nachdem mehrjährige Aktenrecherchen der Hanauer Staatsanwälte zu ersten Anklagen geführt haben, stellt sich der hessische Ministerpräsident an das Rednerpult und erklärt, die Hanauer Firmen produzierten auf gesetzlicher Grundlage, an einen vorzei18876
tigen Genehmigungsentzug sei überhaupt nicht zu denken.
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Auf die Anklageerhebung gegen sein eigenes Haus verhält sich Börner genauso wie kürzlich der Bundeskanzler gegenüber der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl: Augen zu, durch und weitermachen.
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Im Beton ist nicht das leiseste Rieseln zu vernehmen. Und warum? Weil die Wiesbadener Parteikollegen selbst viel zu tief im Hanauer Plutoniumsumpf stecken.
Allein wir GRÜNEN fordern heute im parlamentarischen Raum die größtmögliche Offenlegung und Öffentlichkeit in Sachen Hanau.
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Noch haben wir bezüglich Hanau zwei Koalitionen: auf der einen Seite alle sogenannten staatstragenden Parteien, die der Hanauer Affärensumpf verbindet und wie Pech und Schwefel zusammenhält und die das Licht der Öffentlichkeit fürchten, ja wohl auch zu fürchten haben; auf der anderen Seite die viel größere Koalition der Umwelt-, Anti-AKW-, Dritte-Welt- und Friedensbewegung, die mit der morgigen Großdemonstration
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in Hanau - unterstützt von den GRÜNEN in Hessen und auf Bundesebene - den Auftakt für weiteren außerparlamentarischen Widerstand machen und die dort demonstrieren
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gegen die ökologische Zeitbombe in Hanau, gegen die völkerrechtswidrige Verarbeitung von Uran aus der Apartheidregion Namibia in Hanau, gegen ein Los Alamos in Hessen, wo bei quasi militärischer Geheimhaltung und ohne funktionierende internationale Kontrollen alles möglich zu sein scheint.
Wir rufen die Beschäftigten der Hanauer Atombetriebe und ihre Gewerkschaften auf, nicht länger die eigene Lebensperspektive an die Plutonium-Glücksritter zu binden, sondern Initiativen für die machbare und notwendige Umstellung der Hanauer Betriebe auf andere Produkte zu ergreifen.
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Schon heute gibt es Solargeräte von Nukem. Wir rufen die atomkritischen SPD-Mitglieder und alle anderen Umweltschützer und Friedensfreunde auf, sich an der morgigen Großdemonstration in Hanau zu beteiligen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laufs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rechtsstaatlichkeit ist unteilbar.
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Was ist das für eine Heuchelei, wenn GRÜNE mit spitzfindigen Konstruktionen vorgeben, sich um den gesetzmäßigen Vollzug des Atomrechts im Falle Alkem zu sorgen und gleichzeitig - um nur ein Beispiel zu nennen - die Listenführerin der GAL in Hamburg im Magazin „Der Spiegel" in dieser Woche erklärt, sie habe kein Problem damit, wenn ein paar Fensterscheiben kaputtgehen,
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und zu den Anschlägen auf Strommasten sagt: „Daß solche Masten als Symbole kippen, finde ich persönlich durchaus richtig."
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Wenn Ihnen von den GRÜNEN Rechtsstaatlichkeit etwas bedeutet, dann gehen Sie an die Offentlichkeit und fordern Sie endlich zur Gewaltlosigkeit bei der morgigen Demonstration in Hanau auf.
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Die Firma Alkem ist in der Tat ein Schlüsselunternehmen für die Kernenergienutzung. Sie ist deshalb das Ziel eines mit allen Mitteln geführten Angriffs der GRÜNEN und auch der SPD auf die Energiepolitik des Bundes. Bei aller sonstigen Wirrnis im SPD-Programm zur Bundestagswahl: Die SPD hat sich im Sog der GRÜNEN ohne Wenn und Aber in Nürnberg, Herr Kollege Hauff, auf den Weg gemacht,
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die kerntechnische Industrie und damit insgesamt 150 000 wertvolle Arbeitsplätze so bald wie möglich zu vernichten.
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Sie beschloß in Nürnberg die Änderung des Atomgesetzes mit dem Ziel der Stillegung aller Atomkraftwerke, die Abschaltung der ersten Atomkraftwerke in den nächsten beiden Jahren sowie ein Exportverbot für unsere hochleistungsfähige Kerntechnik. Und das, ohne vorher mit den Betriebsräten angemessen über alle Konsequenzen zu sprechen.
Mit Eiseskälte, die gewöhnlich dogmatische Ideologen kennzeichnet, setzt sich die SPD über Arbeitnehmerinteressen hinweg.
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Wir können den betroffenen Arbeitnehmern und deren Familien nur sagen: Glauben Sie kein Wort von der Umstrukturierung Ihrer hochspezialisierten, hochqualifizierten Arbeit durch die SPD; nur die Politik dieser Bundesregierung von CDU/CSU und FDP kann Ihre berufliche Existenz in Zukunft sichern.
Wir erleben das Lehrstück, wie sich die Hessische Landesregierung vom Auftrag unseres Atomrechts
entfernt, um eine ungeliebte Industrie kalt zu erledigen.
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Jahrzehntelang wurde der Betrieb der Firma Alkem überhaupt nicht beanstandet. Seit einem Jahr stockt das Alkem-Genehmigungsverfahren. Seit einem Jahr ist der Genehmigungsbescheid praktisch fertig. Es ist unerträglich, daß eine Landesregierung, die in Auftragsverwaltung des Bundes alle Sachfragen abklärt und vorentscheidet, das Atomgesetz nicht nach Sinn und Zweck aktiv vollzieht, sondern die Energiepolitik des Bundes unterläuft und den Ausstieg aus der Kernenergie verfolgt.
Die maßlosen Angriffe der hessischen Landesregierung gegen die Geschäftsführung der Hanauer Nuklearbetriebe
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sind ein erbärmliches Ablenkungsmanöver. - Lesen Sie nach, was der Wirtschaftsminister in Wiesbaden gesagt hat.
Es ist j a richtig, daß Ministerpräsident Börner laut Erklärung vom 5. November - anders als der Kollege Hauff in Nürnberg oder der hessische Wirtschaftsminister - keinen Anlaß sieht, die Hanauer Nuklearbetriebe stillzulegen. Wie belastbar das Wort des Herrn Börner nach dem Wahltag ist, wird sich zeigen.
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In der Zusammenarbeit mit den GRÜNEN war er jedenfalls überaus flexibel, zurückhaltend ausgedrückt. Er könnte übrigens die überfällige Entscheidung im Alkem-Genehmigungsverfahren umgehend nach Recht und Gesetz treffen.
Man muß sich aber erinnern: Die SPD hat den Ausstieg auf ihrem Nürnberger Parteitag beschlossen und die wirtschaftliche Tätigkeit von Firmen wie Alkem kategorisch abgelehnt. Mit Eiseskälte wird das Vertrauen unzähliger Menschen - von Arbeitnehmern, Wissenschaftlern, Beamten und Eigentümern - in die Verläßlichkeit einer seit Jahrzehnten vertretenen Regierungspolitik zerstört. Vertrauensschutz, d. h. die Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns, ist ein elementarer Grundsatz unseres Rechtsstaats. Hören Sie auf, ihn mit Füßen zu treten. Die Behandlung der Hanauer Nuklearbetriebe durch die hessische Landesregierung, insbesondere durch den hessischen Wirtschaftsminister,
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schon die Sprache, die hier öffentlich verwendet wird, ist für ein Industrieland wie Hessen beschämend und unwürdig.
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Das Wort hat der Abgeordnete Reuter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß diese Aktuelle Stunde, die auf Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN stattfindet, als Auftakt zur Großdemonstration gegen die Nuklearbetriebe in Hanau am morgigen Samstag gedacht ist.
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Als Abgeordneter dieses Raumes bin ich natürlich besorgt über diese Entwicklung, insbesondere auch über die Art und Weise, wie hier jetzt in einer Debatte mit Fünf-Minuten-Beiträgen so schwierige und komplexe Themen abgehandelt werden.
Meine Damen und Herren, 1975 hat der Deutsche Bundestag durch die Verabschiedung der dritten Novelle zum Atomgesetz einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis bei der Nutzung der Kernenergie Rechnung getragen. Gemäß § 7 haben sich die Hanauer Betriebe einem Genehmigungsverfahren, an dem die Öffentlichkeit beteiligt ist, zu unterziehen.
Es ist aus unserer Sicht ein unmöglicher Zustand, daß nach elf Jahren noch kein einziges Genehmigungsverfahren der betroffenen Firmen abgeschlossen werden konnte. Es muß jedem Abgeordneten dieses Parlaments zu denken geben, wie hier mit beschlossenen Gesetzen verfahren wird.
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Unsere Schlußfolgerung kann daher nur lauten, in zukünftig zu verabschiedenden vergleichbaren Gesetzen realisierbare Übergangsfristen vorzuschreiben. Denjenigen, die eine sofortige Stillegung der Hanauer Betriebe fordern, kann ich nur entgegenhalten: Man kann nicht mit Hilfe von Tricks und juristischen Spitzfindigkeiten aus der Kernenergie aussteigen; das ist vielmehr nur auf Grund von politisch verantwortbaren realistischen Konzepten möglich.
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Hierbei ist auch eine breite Zustimmung der Bevölkerung notwendig.
Wir Sozialdemokraten werben für den Ausstieg aus der Kernenergie in einem überschaubaren Zeitraum. Wir lehnen jedoch einen utopischen, nicht realisierbaren sofortigen Ausstieg ab.
Zu dieser naiven Utopie zählt auch die sofortige Stillegung der Hanauer Nuklearbetriebe. Die Hauptverantwortung für die noch nicht abgeschlossenen Genehmigungsverfahren tragen nach unserer Auffassung die Manager, die ihre Aufgaben nur unzulänglich erfüllt haben. Herr Kollege Laufs, nicht die Parteitagsbeschlüsse der SPD von Nürnberg und Offenburg gefährden Arbeitsplätze in Hanau, sondern dieses Fehlverhalten. Sozialdemokraten werden nicht zulassen, daß diese Diskussionen und eventuelle Maßnahmen auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen werden.
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Eine sofortige Stillegung müßten die Arbeitnehmer mit Arbeitslosigkeit bezahlen, während die Anteilseigner sich nach geeigneten Produktionsstätten im Ausland umsähen und die Manager vielleicht noch mit Abfindungen nach Hause gingen.
Die Bevölkerung der Region Hanau ist wegen morgen in Sorge. Das Demonstrationsrecht ist die Pressefreiheit des kleinen Mannes.
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Aber dieses Recht darf nicht von gewalttätigen Gruppen mißbraucht werden, deren Ziel es ist, unser demokratisches Staatswesen zu demontieren.
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Ich begrüße ausdrücklich, daß es unter den GRÜNEN besonnene Kräfte gibt,
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die sich von der geplanten Großdemonstration in Hanau distanzieren.
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An alle, die zu dieser Demonstration aufgerufen haben, appelliere ich sehr eindringlich, einen eindeutigen Trennungsstrich zur Gewalt zu ziehen.
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- Dann warte ich auf Ihr Wort, mit dem Sie heute morgen eindeutig und klar sagen, daß Sie sich von Gewalt distanzieren.
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Ich stelle abschließend fest, daß eine sofortige Stillegung der Hanauer Nuklearbetriebe aus atomrechtlichen Gründen nicht möglich ist und sicher der falsche Weg wäre, aus der Kernenergienutzung auszusteigen.
Sozialdemokraten handeln nach Recht und Gesetz, auch der hessische Minister für Wirtschaft und Technik, Steger. Ein Ausstieg ist nur auf politischem Weg möglich, und hierfür werden wir uns allerdings nachhaltig einsetzen.
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- Das heißt im Klartext, daß wir uns um Mehrheiten in diesem Haus bemühen, um Gesetze ändern zu können, und daß wir nicht spektakuläre Auftritte in der Öffentlichkeit und Maßnahmen wählen, wie sie von Ihnen befürwortet werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Professor Laermann.
Dr.-Ing. Laermann: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat schon etwas Gespenstisches an sich, wenn hier am Vorabend einer Demonstration das Parlament für Reklamezwecke für eine solche Demonstration sozusagen mißbraucht wird. Ich finde, daß dies mit verantwortlicher Politik nichts zu tun hat.
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Frau Kollegin Hönes, ich muß Ihnen sagen: Es wäre
fair und richtig, die Fakten korrekt darzustellen.
Ich habe nicht den Eindruck, daß Sie gewillt und
bereit sind, solche Fakten korrekt darzustellen. Sie malen hier das Schreckgespenst des hochgiftigen Plutoniums an die Wand.
({1})
Das können Sie in einem Atemzug mit Blei nennen, denn dieses ist auch nicht wesentlich ungiftiger.
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Das nächste, was ich Ihnen sagen will: Sie reden von den Hanauer Nuklearbetrieben.
({3}) - Wie alle Schwerstmetalle.
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- Wir haben hier zwischen der Giftigkeit und der Radioaktivität zu unterscheiden. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Das zweite, was ich sagen will: Sie reden von den Hanauer Nuklearbetrieben und unterstellen, diese seien das Zentrum der atomaren Macht im Land. Sind Sie sich eigentlich darüber im klaren, daß es hier sehr unterschiedliche Betriebe mit sehr unterschiedlichen Produktionsstrukturen gibt? Sind Sie sich eigentlich darüber im klaren, daß, von diesen Betrieben ausgehend, die Versorgung von Forschungs- und Materialtestreaktoren erfolgt, und zwar nicht nur in unserem Land, sondern auch mit Lieferungen ins Ausland?
Wenn Sie hier den Vorwurf erheben, daß hier Uran aus Namibia verarbeitet wird, sind Sie sich dann im klaren darüber, daß die Uranlieferungen aus Namibia erst einmal zur Trennarbeit, nämlich zur Anreicherung, in die Sowjetunion verbracht werden
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und daß dann im Rahmen des Euratom-Vertrags dieses Uran hier nur zu Brennelementen verarbeitet wird? Sie malen - zwar nicht heute, aber in anderem Zusammenhang - das Schreckgespenst an die Wand, hier solle der Grundstock dafür gelegt werden, daß die Bundesrepublik zur Atomwaffenmacht wird. Wir stehen nach wie vor zum Nichtweiterverbreitungsvertrag.
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Wir unterwerfen uns nach wie vor der strikten Kontrolle durch Euratom und die Internationale Atomenergiebehörde.
({7})
- Daran ändert auch Ihre Schreierei nichts. Schreien war noch nie ein Argument. Ich versuche, Ihnen hier einige sachliche Argumente klarzumachen.
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- Aber das scheint vergebliche Liebesmüh zu sein.
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Dr.-Ing. Laermann
Sie stellen sich hier hin und tun so - das hat schon der Kollege Laufs gesagt -, als ob Sie sich zum Gralshüter des Rechts in unserem Land aufwerfen.
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Gleichzeitig billigen und bejubeln Sie Rechtsbrechung in Ihrem Umfeld.
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Sie fordern j a geradezu dazu auf, Rechtsbrechung zu betreiben. Ich glaube Sie sind überhaupt nicht berechtigt, in diesem Sinne hier Rechtspositionen zu vertreten, wenn Sie auf der anderen Seite der Gewalt das Wort reden.
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Ich will Ihnen sagen, wie einer Ihrer Minister, nämlich der hessische Umweltminister, die Dinge sieht. Er bedauert, daß man erst bei der Anklage angekommen sei, nun müsse der Prozeß eröffnet werden. Das wird - so wörtlich - „eine unglaublich lange und zähe Auseinandersetzung, für die man Geduld und Schlitzohrigkeit braucht." Können Sie mir verraten, wo man noch das Einstehen und das Eintreten für Rechtstaatlichkeit findet, wenn man mit solchen Äußerungen an die Dinge herangeht?
Was ist denn eigentlich geschehen? Auch wir beklagen und bedauern, daß die Überleitungsbestimmungen schon seit elf Jahren in Kraft sind und die
I) Genehmigungen bisher nur zum Teil erteilt worden sind. Die Frage ist aber an die zuständige Genehmigungsbehörde, an die hessische Landesregierung zu richten, warum und wieso die Genehmigungen bisher nicht erteilt worden sind. Es kann doch nicht angehen, Herr Minister Steger, daß Sie einerseits vor zwei Jahren sagen: Das Genehmigungsverfahren ist korrekt, die Unterlagen sind korrekt, das Management ist in Ordnung. Dann wird festgestellt: Der TÜV Bayern hat Einwände erhoben. Er hat gesagt: Die Unterlagen sind überhaupt nicht genehmigungsfähig. Bisher haben Sie diese Einwände und die Stellungnahme offensichtlich dem jetzt zuständigen Bundesminister für Umwelt nicht vorgelegt. Dann bedauern Sie die Unfähigkeit des Managements und drohen mit der Stillegung. Sie ziehen die Stillegungsverfügung wieder zurück. Nun ist wieder das Management schuld. Ich weiß nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Wenn in irgendeinem Unternehmen ein Manager versagt, dann ist es eine unternehmerische Entscheidung, wie zu verfahren ist. Es wird aber kein Mensch auf die Idee kommen, dies Unternehmen zu schließen, schon gar nicht, wenn 3 000 Arbeitsplätze, 3 000 Menschen direkt betroffen sind, wenn kein Anlaß besteht, auch nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, aus Sicherheitsgründen eine Schließung vorzunehmen.
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Hier geht es nur um die Verfolgung formaler Delikte. Das möchten wir auch einmal deutlich festgestellt wissen. Es ist kein Zweifel daran erhoben worden, daß - siehe die Stellungnahme der RSK, siehe die Stellungnahme der hessichen Landesregierung - die Sicherheit dieser Anlage beeinträchtigt sein könnte, die Sicherheit für die Arbeiter in den Anlagen und für die Menschen, die in der Umgebung wohnen. Es gibt keine Beeinträchtigung in Fragen der Sicherheit. Hier geht es nur um formale Delikte. Es ist unverantwortbar, das Schicksal von 3 000 Menschen zur Disposition zu stellen.
Danke.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schmidbauer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Aktuellen Stunde - die Frau Kollegin Hönes hat es vorher ja deutlich gemacht - setzen die GRÜNEN ihre Strategie fort, die ihren Ausgangspunkt am 7. Oktober 1984 bei einer Landesmitgliederversammlung in Mainhausen hatte. Der Beschluß der GRÜNEN vom 7. Oktober 1984 lautet - ich zitiere -: „Die Hanauer Nuklearbetriebe müssen stillgelegt werden." Die Begründung: „Die Plutoniumfabrik Alkem arbeitet ohne Genehmigung und illegal."
({0})
Am 20. November 1984 kündigen die GRÜNEN ihr Konfliktbündnis mit der SPD auf. Begründung: Die SPD lasse zu, daß der Ausbau der Plutoniumwirtschaft nicht verhindert werde. Ein Papier des SPDAtomexperten Klaus Traube vom März 1985 sorgte dafür ({1})
- hören Sie doch einmal zu; diese ewige Schwätze-rei; um was geht es Ihnen eigentlich? -, daß es wieder zu einer Annäherung zwischen SPD und GRÜNEN kam; denn in diesem Papier wurde u. a. gegen den Betrieb der Firma Alkem Stellung bezogen. Ministerpräsident Börner hielt nach einem Zeitungsbericht dieses Papier zwar für tollpatschig und verfrüht, wohl unter dem Aspekt, daß in Nordrhein-Westfalen ein Wahltermin anstand. Im Mai kommt eine rot-grüne Arbeitsgruppe, der sogenannte Doppelvierer, zusammen, um Empfehlungen für die Strategie des rot-grünen Bündnisses in Hessen bezüglich der Atomenergiepolitik auszuarbeiten. In einem Punkt wird dieser Doppelvierer sehr deutlich. Es heißt dort - ich darf zitieren -: „Unabhängig von der Genehmigungsfähigkeit des Antrags sind alle zur Verfügung stehenden politischen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Durchsetzung der Plutoniumwirtschaft zu verhindern." Genau diese Doppelstrategie wird jetzt weitergefahren. Dies ist - und das wird auch heute durch eine solche Aktuelle Stunde deutlich - das gemeinsame strategische Ziel dieses Konfliktbündnisses. Damit ist die SPD im übrigen voll auf den Kurs der GRÜNEN
eingeschwenkt. Es geht hier nicht um Rechtsfragen, es geht nicht um die Fragen der Sicherheit,
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es geht ihnen um die Stillegung. Joschka Fischer hat ja in einem Interview am 3. Februar noch einmal erklärt - ich darf zitieren -: „Wir sind für die Stillegung von Alkem." Dazu ist Ihnen in der Tat jede Polemik recht. Es werden alle Möglichkeiten genutzt: Es gibt Koordination zwischen den Initiatoren in Hanau, zwischen einzelnen Presseorganen - Kollege Reuter hat ja neulich im Ausschuß sehr deutlich darauf hingewiesen -, und nun gibt es den Aufruf zur Großdemonstration, es gibt parallel dazu Ihre Polit-Show, Frau Hönes. In diesem Aufruf wird übrigens wider besseres Wissen behauptet - Sie haben das vorhin auch gesagt -, bei Alkem werde waffenfähiges Plutonium verarbeitet
({3})
und angemessene, internationale Kontrollen zur Vermeidung eines militärischen Mißbrauchs würden bis heute verhindert.
Ich möchte feststellen: Erstens. Von den Hanauer Betrieben gehen keine Gefahren für die Mitarbeiter und die Umwelt aus, die nicht zu verantworten wären.
({4})
Eingehende Prüfungen und Untersuchungen der Experten gaben zu keinem Zeitpunkt Anlaß zum Einschreiten. Sie brauchen nur einmal die Berichte der Reaktorsicherheitskommission und der Strahlenschutzkommission nachzulesen, die dies ja seit Jahren wiederholt bestätigt haben.
Zweitens. Seit Jahren hat die Bundesregierung auf eine rasche Abwicklung der Genehmigungsverfahren in Hanau, insbesondere bei Alkem, gedrängt.
Drittens. Wir wollen, daß diese Verfahren in strikter Sachlichkeit und sorgfältig durchgeführt werden. - Ich habe das Protokoll noch einmal nachgelesen.
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Herr Steger, Sie werden nachher ja wohl dazu Stellung nehmen. Es lohnt sich, das, was Sie am 20. Februar gesagt haben, aus der Sicht dieser Debatte heute noch einmal nachzulesen und zu überprüfen. Viertens. Wir fordern die rot-grüne Koaliton in Hessen auf, ihre Hausaufgaben endlich zu machen und nun nicht auch noch die Bundesregierung in ihren hessischen Eiertanz mit einzubeziehen.
Fünftens. Wir fordern den Ministerpräsidenten des Landes Hessen auf, nicht nur, wie er dies am Mittwoch in seiner Regierungserklärung getan hat, zu sagen, daß er den Betrieb für legal hält, sondern auch endlich dafür zu sorgen, daß diese Betriebe auf Dauer weiterarbeiten können.
Sechstens. Wir fordern den Ministerpräsidenten des Landes Hessen auf, den Arbeitern und Angestellten der Hanauer Betriebe durch solche verbalen Beteuerungen nicht Sand in die Augen zu streuen, sondern dem Treiben der GRÜNEN endlich Einhalt zu gebieten und damit auch die Arbeitsplätze in diesem Betrieb zu sichern. Zur Not könnte er ja einmal seine Dachlatte nehmen, um für Ordnung zu sorgen
({6})
und nicht zum Helfer der Neinsager und Aussteiger zu werden.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Lenzer.
({0})
- Er ist mir soeben gemeldet worden.
({1})
Aber Sie müssen schon selbst wissen, Herr Abgeordneter, ob Sie jetzt reden wollen oder nicht.
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- Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit einigen wenigen Vorwürfen auseinandersetzen, die hier erhoben worden sind, und zwar zunächst einmal mit dem Vorwurf der mangelnden Kontrolle. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, endlich zur Kenntnis zu nehmen, daß die Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland bewußt ausschließlich friedlich genutzt wird. Es ist ein ungeheuerlicher Vorwurf, der übrigens auch von Teilen der SPD, meine Herren von der SPD, erhoben wird, daß friedliche und militärische Nutzung der Kernenergie hier bei uns nicht säuberlich getrennt würden. Bitte unterlassen Sie das, und rufen Sie bitte auch Ihren Ministerpräsidenten Lafontaine zur Ordnung. Er spielt ebenfalls mit diesem Gedanken.
({0})
Die Unterscheidung zwischen friedlicher und militärischer Kernenergienutzung ist über Ost-West-Grenzen hinweg eine wesentliche Errungenschaft der internationalen Staatengemeinschaft. Mehr als 120 Staaten haben den Kernwaffen-Nichtverbreitungsvertrag unterschrieben, sind also Mitgliedstaaten dieser Vereinbarung. Sie haben sich verpflichtet, auf Herstellung und Besitz von KernwafLenzer
fen zu verzichten und Kernenergie nur für friedliche Zwecke zu nutzen. Zu diesen Mitgliedstaaten gehört auch die Bundesrepublik Deutschland. Allerdings sagt dieser Vertrag auch ganz eindeutig aus, daß keinerlei Diskriminierung - Herr Hauff, Sie erinnern sich daran; Sie waren damals Mitglied der Bundesregierung und haben das ebenfalls unterstützt - irgendeines Staates erfolgen dürfe.
({1})
- Bleiben Sie zunächst einmal bei dem, was Sie selbst gesagt haben, und machen Sie sich Gedanken über Ihre eigenen Äußerungen. ({2})
Ziel in der Bundesrepublik Deutschland - ohne Diskriminierung, wie es in Art. 3 und 4 dieses Nichtverbreitungsvertrages steht - ist der friedliche Zugang zur Kernenergienutzung ausschließlich zum Zwecke der Energieerzeugung und sonst überhaupt nichts.
Dann wird der Vorwurf der mangelnden Kontrolle erhoben. Ich verstehe das überhaupt nicht. Sind Sie denn nicht endlich einmal bereit, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen? Die Kernenergieanlagen in der Bundesrepublik Deutschland sind quasi gläserne Anlagen. Sie unterstehen der Kontrolle der IAEO, sie unterstehen der Verifikationskontrolle, auch der direkten Kontrolle durch Euratom. Übrigens wirken bei diesen Kontrollen jederzeit, wie das bei der IAEO normal ist, auch Inspektoren aus Ostblockstaaten mit. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß man sich, wenn der geringste Verdacht nachweisbar wäre oder bestünde, daß hier Waffenplutonium hergestellt würde, diesen Propagandaknüller seitens des Ostblocks entgehen lassen würde. Das glaubt doch wohl keiner, der die Hose mit der Beißzange anzieht.
Die Technik der Plutoniumverarbeitung ist überhaupt nicht für Waffenplutonium geeignet. Es handelt sich dort um oxidisches Material und nicht um Schwermetall; so müßte es nämlich sein, um überhaupt Waffen herzustellen. Aber ich glaube, es ist müßig - es geht Ihnen j a auch nicht um die Sachdiskussion -, in irgendeiner Weise detailliert nachzuweisen, was dort wirklich passiert.
Eines kann ich Ihnen sagen und weise in dem Zusammenhang auf langjährige Forschungen und sehr sorgfältige Studien der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hin. Es ist ganz deutlich geworden - das trifft für alle Länder der Erde zu, wo leider solch eine Kernwaffe entwickelt worden ist -: Niemand ist in diesem Falle den Weg über die friedliche Nutzung, über einen Leistungsreaktor gegangen. Man ist immer über Spezialanlagen gegangen,
({3})
über Schwerwasserreaktoren mit einer besonderen
kritischen Anordnung. Nehmen Sie das bitte zur
Kenntnis. Auch die Sowjetunion ist nicht in erster
Linie den Weg über Leistungsreaktoren gegangen, obwohl beispielsweise Tschernobyl eine solche kombinierte Anlage gewesen ist.
({4})
Dies aber mit der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere mit der Firma Alkem zu vergleichen ist eine geradezu absurde Unkenntnis der Fakten und offenbart eine Böswilligkeit, die hinter all diesen Anwürfen steckt.
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Sie wollen einen strategisch wichtigen Punkt der deutschen friedlichen Nutzung der Kernenergie treffen,
({6})
nämlich das Entsorgungskonzept. Sie wissen, daß hier die Rücknahmeverpflichtung für abgebrannte und wiederaufgearbeitete Brennelemente von der Cogema, aus Cap la Hague und später aus Wackersdorf besteht. Ihnen geht es überhaupt nicht um die Besorgnisse einiger Menschen, Ihnen - und leider auch Teilen der SPD - geht es darum, an diesem Punkt die friedliche Nutzung der Kernenergie in unserem Lande zu blockieren und ein für allemal zunichte zu machen.
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Lassen Sie mich zum Abschluß sagen: 500 hochqualifizierte Arbeitskräfte arbeiten bei Alkem. Das ist für Sie alles nichts. Es ist einfach bedrückend für jeden anständigen Kerl, mit welcher Kaltschnäuzigkeit, mit welch ungeheurem Zynismus Sie über die Not und Existenzängste dieser Menschen und ihrer Familien hinweggehen. Darüber sollten Sie sich Gedanken machen.
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Lassen Sie mich als letztes noch sagen: Wenn man sich diese feine Demonstrationsgesellschaft - von den Autonomen in Hanau über den Kommunistischen Bund bis zum Info-Büro „Freies Wacker-land", bis zu den Südafrika-Freunden und weiß der Kuckuck was - betrachtet, weiß man, was hier läuft.
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Es ist die gleiche feine Gesellschaft, die überall, wo mit der Eisenstange, wo mit der Maske und mit dem Schutzhelm demonstriert wird, zu finden ist.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Catenhusen.
Herr Lenzer, anstatt Krokodilstränen über die 500 Arbeitsplätze in Hanau zu vergießen, sollten Sie sich vielleicht einmal Gedanken machen, wieso Sie die Politik einer Bundesregierung unterstützen, die Massenarbeitslosigkeit -2 Millionen Arbeitslose in unserem Lande - in ihrer Politik bewußt in Kauf nimmt.
({0})
Ich möchte auch noch ein zweites Argument anführen, Herr Lenzer. Ich denke, daß Sie das Märchen, daß die militärische und zivile Nutzung der Kernenergie technisch trennbar sei, natürlich noch jahrelang weitererzählen können. Allein die Tatsache, daß wir bisher den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben haben und ihn zumindest bis 1995 einhalten müssen, obwohl j a Teile Ihrer Fraktion damals eine andere Meinung hatten,
({1})
kann uns davor bewahren, daß die technischen Möglichkeiten, die in Hanau geschaffen werden, auch zu militärischen Zwecken genutzt werden.
Es wäre schön, wenn vielleicht Herr Wallmann in der heutigen Debatte einmal begründet, warum er heute - im Unterschied zu früher - von der Notwendigkeit dieses Atomwaffensperrvertrages überzeugt ist.
Die Brisanz der heutigen Diskussion liegt natürlich darin, daß in Hanau die nukleare Infrastruktur entwickelt und bereitgehalten wird, um die Vision des Plutoniumstaates auch in der Bundesrepublik Deutschland Wirklichkeit werden zu lassen, denn die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf und der Schnelle Brüter in Kalkar sind Teile des Plutoniumbrennstoffkreislaufs, der künftig von Hanau seinen Ausgang nehmen soll. Hier wird schon heute auf Vorrat Plutonium in Tonnenmengen gelagert. Es ist lächerlich, Herr Lenzer, gerade wenn Sie der Meinung sind, daß in der Bundesrepublik alles gläsern sei, daß der Plutoniumbunker der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zum Staatsgeheimnis erklärt wird, daß die Öffentlichkeit nicht erfahren darf, in welchem Umfang dort schon heute Plutonium gelagert wird. Warum wird denn hier eine Geheimhaltungspolitik betrieben, wie wir sie sonst in dieser Hinsicht nur von einem Atomwaffenstaat erwarten können? Hier soll ja auch das Plutonium gelagert werden, das in der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague und künftig in Wackersdorf aus Brennelementen deutscher Leichtwasserreaktoren abgetrennt werden soll. Hier werden die Brennelemente für den Schnellen Brüter gefertigt, und hier bemüht man sich seit langem, das gleiche Plutoniummischoxid für den Einsatz in Leichtwasserreaktoren in sogenannten MOX-Brennelementen zu erproben, um notfalls auch die Plutoniumwirtschaft ohne Schnelle Brüter betreiben zu können.
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten wenden uns gegen den Marsch in die Plutoniumwirtschaft. Plutonium ist der giftigste Stoff, den der Mensch bisher in das Ökosystem eingebracht hat.
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Plutonium ist ebenso, wie das in Hanau verwandte hochangereicherte Uran grundsätzlich für militärische Zwecke verwendbar. Herr Lenzer, Sie sollten vielleicht zur Kenntnis nehmen, daß Präsident Carter einen Versuch hat durchführen lassen, um herauszufinden, ob aus Leichtwasserreaktoren abgebranntes Plutonium grundsätzlich für militärische Zwecke, für eine Bombe, nutzbar wäre; und diese Bombe ist tatsächlich explodiert.
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- Ja, mit großem Aufwand. Aber der Diebstahl solchen Plutoniums wäre ein großes Sicherheitsrisiko. Etwa 5 Kilogramm Plutonium aus dem Brutmantel eines Schnellen Brüters in Kalkar wären für den Bau einer Atombombe allerdings genau geeignet.
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Vor diesem Hintergrund geben natürlich die Vorgänge um dieses Genehmigungsverfahren in Hanau und die in der Presse wiederholt berichteten Schlampereien der Firmen im Umgang mit diesem Material einen gewissen Eindruck davon, wie sorglos man diesen Weg in den Plutoniumstaat beschreitet.
In der Energiepolitik der SPD macht mittel- und langfristig die Weiterführung dieser nuklearen Aktivitäten der Hanauer Firmengruppe keinen Sinn. Die Hanauer Firmengruppe wäre aber ohne massive staatliche Förderung und Subventionierung auch nie entstanden. Es sind insgesamt eine halbe Milliarde DM öffentlicher Mittel zum Aufbau dieser Gruppe bereitgestellt worden.
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Wenn wir diese Firmengruppe umstrukturieren wollen, müssen wir davon ausgehen, daß der Staat eine Mitverantwortung dafür trägt, daß dieser Firmengruppe mittel- und langfristig neue Ziele gesetzt werden. In dem Sinne, Herr Lenzer, gehen uns schon die Sorgen der Beschäftigten verdammt etwas an. Nur wollen wir gemeinsam einen Ausweg aus dieser Situation suchen.
Lassen Sie mich zum Abschluß ein offenes Wort an Frau Hönes sagen. Frau Hönes, hier zu einer Demonstration aufzurufen, so ohne Wenn und Aber, wo im Aufruf ausdrücklich enthalten ist: „Wir lassen uns nicht spalten", d. h. die Autonomen und die Militanten dürfen gleichberechtigt, ohne daß man seitens der Demonstrationsleitung Vorkehrungen trifft, an dieser Demonstration teilnehmen, wird dazu führen, daß all die Gruppen, die nicht in Hasselbach bei der Friedensbewegung waren, nach Hanau gehen.
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Sie wissen, daß z. B. der Kollege Bastian aus Ihrer Fraktion im Sommer einen offenen Brief an die Anti-AKW-Bewegung gerichtet hat, in dem er sie vor der Gewalt gewarnt hat. Sie stellen heute von seiten der GRÜNEN einen Persilschein aus, ohne gleichzeitig Autonomen und Militanten deutlich zu sagen: Dort ist kein Platz für euch!
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Frau Abgeordnete Hönes, Zwischenfragen sind in der Aktuellen Stunde nicht möglich.
Meine Damen und Herren, ich finde das als Sozialdemokrat, der seit langer Zeit gegen Kernenergie ist, schlimm.
({0})
Daß Sie hier keinen Satz darüber verlieren, daß Sie Arm in Arm mit den Autonomen und Militanten dort auftreten wollen, finde ich schlimm.
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Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine kurze Bemerkung zu dem, was eben unter dem Stichwort Plutoniumwirtschaft vorgetragen wurde. Das ist ja merkwürdig, Herr Abgeordneter, daß alles, was früher gegolten hat, heute unverändert den Einstieg in den Plutoniumstaat bedeutet, aber früher natürlich nicht. Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen, wie Sie eigentlich im Zusammenhang mit Kalkar einen derartigen - Verzeihung - Unsinn reden, denn dort gibt es bis zur Stunde und in absehbarer Zeit, wenn ans Netz gegangen wird, natürlich keine Brut-, sondern lediglich Konversionsraten. Vielleicht haben Sie sich damit auseinandergesetzt: Wäre Kalkar so wie projektiert jetzt ans Netz gegangen, würde es 600 Jahre dauern, bis so viel spaltbares Material erbrütet worden ist, daß ein gleichgroßes Kernkraftwerk betrieben werden könnte.
Was Wackersdorf angeht, so wissen Sie doch genauso gut wie ich, daß es das Ergebnis des Entsorgungskonzepts ist, das im September 1979 von Bundeskanzler Helmut Schmidt und allen Regierungschefs der Länder verabschiedet worden ist.
({0})
Das ist doch die Wahrheit.
({1})
Nun zur Sache, meine sehr verehrten Damen und Herren. Vorweg will ich feststellen: für die Bundesregierung besteht kein Zweifel, daß der bisherige Betrieb der Hanauer Brennelementfabriken rechtmäßig war und ist. Aber ich füge hinzu: Die elfjährige Dauer der Genehmigungsverfahren für die Hanauer Brennelementfabriken - Verfahren, die ja immer noch nicht abgeschlossen sind - kann nicht akzeptiert werden. Wer die Verantwortung oder die wesentliche Verantwortung dafür zu tragen hat, mag dahingestellt bleiben; entscheidend ist, daß nach rund elfjähriger Verfahrensdauer - seit der Novelle zum Atomgesetz 1975 - die Genehmigungsverfahren immer noch nicht zum Abschluß gekommen sind.
({2})
- Herr Abgeordneter, Sie sollten solche Bemerkungen nicht machen. Ich habe sehr begrüßt, was vorgestern der Abgeordnete und frühere sozialdemokratische Staatsminister Reitz im Hessischen Landtag zu diesem Thema gesagt hat. Dies nenne ich Haltung und Klarheit.
Meine Damen und Herren, ich habe mich über die Entwicklung in der Vergangenheit gründlich informieren lassen. Leitende Beamte meines Hauses und ich selbst haben Gespräche mit den Verantwortlichen der hessischen Landesregierung und mit ihren leitenden Beamten geführt. Ich dränge auf eine zügige Abwicklung der gewiß komplizierten Genehmigungsverfahren. Wir drängen auf schnelle Entscheidungen. In einem besonders wichtigen Gespräch vor rund zwei Monaten habe ich erklärt, daß die anstehenden Entscheidungen zum frühestmöglichen, sachlich vertretbaren Zeitpunkt getroffen werden müssen.
Im übrigen bin ich der Auffassung, daß es sachlich falsch war, im Jahre 1975 für die erforderlichen Genehmigungen keine Fristen zu setzen. Ich halte das für falsch. Für mich ist deswegen auch von Interesse gewesen, daß die in dem Schreiben des hessischen Wirtschaftsministers, Herrn Dr. Steger, genannten Fristen, die für das laufende Genehmigungsverfahren in diesem Jahr vorgesehen sind, nicht etwa vom Wirtschaftsministerium in Wiesbaden einseitig festgelegt worden sind, sondern auf Vorschlag der Betreiberfirma festgesetzt wurden.
Schließlich will ich noch anmerken, daß über das weitere Vorgehen wegen des Alkem-Genehmigungsverfahrens weiterhin intensive Abstimmungen zwischen dem hessischen Wirtschaftsministerium und dem Bundesumweltministerium stattfinden.
Bei dieser von der Fraktion der GRÜNEN beantragten Aktuellen Stunde geht es den GRÜNEN im übrigen natürlich nicht um eine sachgerechte und zügige Entscheidung in der Sache, also bei diesen Genehmigungsverfahren.
({3})
Meine Damen und Herren, hier werden im Deutschen Bundestag Profilierungsbemühungen fortgesetzt, und der vordergründige Krach zwischen GRÜNEN und SPD in der hessischen Landespolitik
soll hier noch einmal aufgeführt werden. Das ist die Wahrheit.
({4})
Die GRÜNEN lassen auf Staatskosten Gutachten anfertigen.
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Sie verhöhnen die SPD, ihren Koalitionspartner, öffentlich. Sie machen den Koalitionspartner lächerlich. Es ist Sache der Sozialdemokraten, es ist eine Frage ihrer Selbstachtung und ihrer Würde, wie sie darauf reagieren.
Hier ist ein Zitat vorgetragen worden, das ich gern wiederholen möchte, Herr Präsident. Ein Mitglied des Kabinetts Börner erklärte vor kurzem in der „taz":
Wir sind erst bei der Anklage angelangt. Der nächste Punkt ist die Frage, ob das Gericht den Prozeß eröffnet. Das wird eine unglaublich lange und zähe Auseinandersetzung, für die man Geduld und Schlitzohrigkeit braucht.
Der hessische Ministerpräsident schweigt zu dieser Aussage, zur Aussage eines Mitglieds des Kabinetts, also der Landesregierung Hessens. Er schweigt, obwohl ein Mitglied seines Kabinetts erklärtermaßen ein unabhängiges Gericht in eine, wie es da heißt, politische Auseinandersetzung - ich betone: Auseinandersetzung - hineinziehen will.
Meine Damen und Herren, es stellen sich schon Fragen, z. B. die Frage: Was herrscht da für eine Politik und was für ein Rechtsverständnis? Was die Sache angeht, so ist es doch ganz offensichtlich die Strategie der GRÜNEN, einen zügigen Abschluß des Genehmigungsverfahrens mit Tricks und - ich zitiere noch einmal - mit „Schlitzohrigkeit" zu verhindern. Sachgerechte Arbeit soll auf diese Weise blockiert werden.
({6})
Die SPD ist offenkundig hilflos.
Auch deswegen ist die Bundesregierung und hier insbesondere der Bundesumweltminister verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Genehmigungsverfahren sachlich und ohne jeden politischen Druck zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu einem Abschluß gebracht werden können. Ich habe darauf hingewiesen, daß ich nicht die Absicht habe, heute darüber zu diskutieren, wer die Verantwortung für die ungewöhnlich lange Dauer der Genehmigungsverfahren trägt.
Aber eines will ich feststellen: In den vergangenen Jahren, in denen die Genehmigungsverfahren nicht zu Ende geführt worden sind, lag die Regierungsverantwortung in Hessen bei den Sozialdemokraten. In all diesen Jahren hat die SPD nicht ein einziges Mal Anlaß gesehen, auf einen schnelleren Abschluß dieses Verfahrens hinzuwirken.
({7})
Sie, meine Damen und Herren von der SPD, sollten sich nicht nur zu dieser Tatsache bekennen, Sie sollten vor allem der grünen Strategie des Druckausübens und der Schlitzohrigkeit
({8})
eine Strategie der Sachlichkeit und der Ehrlichkeit und Entschlossenheit entgegensetzen.
Meine Damen und Herren, die hessische Landesregierung hat allen Anlaß, im Rahmen ihrer Verantwortung für das weitere Genehmigungsverfahren Klarheit zu schaffen. Die Bundesregierung wird sich an dem parteipolitischen Schauspiel nicht beteiligen. Sie wird darauf dringen und dafür sorgen,
({9})
daß Entscheidungen ausschließlich aus sachlichen Gründen und im Rahmen des geltenden Rechts getroffen werden.
({10})
Ich erteile dem hessischen Staatsminister für Wirtschaft und Technik, Herrn Dr. Steger, das Wort.
Staatsminister Dr. Steger ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst einige Anmerkungen zu Feststellungen, die hier im Laufe der Debatte getroffen worden sind.
Erstens. Die hessische Landesregierung gewährleistet als die zuständige Aufsichts- und Genehmigungsbehörde die strikte Einhaltung aller Sicherheitsbestimmungen, die hier materiell bei der Aufsicht der Hanauer Betriebe anzuwenden sind, so daß die geltenden Schutzziele des Atomgesetzes voll erfüllt werden.
({1})
Zweitens. Die Genehmigungsverfahren haben einen Stand erreicht, daß für alle Betriebe, Frau Abgeordnete Hönes, eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden hat und die Unterlagen, die im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren vorgesehen sind, ausgelegt wurden, so daß sich die Bürger darüber ein Bild haben machen können, um welche Anlagen es sich handelt und welche Maßnahmen in den laufenden Genehmigungsverfahren vorgesehen sind, um die Sicherheit dieser Anlagen hochzuzonen. Denn das ist ja der Zweck der laufenden Genehmigungsverfahren,
({2})
was leider in der öffentlichen Debatte oft verkannt wird. Auch ich bedauere es, daß diese Genehmigungsverfahren so lange gedauert haben. Denn es hat zehn Jahre gedauert, bis wir einen Stand erreicht haben, daß eine Öffentlichkeitsbeteiligung und die Auslegung der Unterlagen möglich war.
Ich will jetzt nicht nachkarten, Herr Bundesminister Wallmann, wer wie lange wofür als zuständiger Ressortminister in Bonn und in Wiesbaden Verantwortung getragen hat. Ich teile Ihre Ansicht, daß es
Staatsminister Dr. Steger ({3})
ein Fehler war, in dieses Gesetz keine Fristen oder sonstige Instrumentarien aufzunehmen, die es der Genehmigungsbehörde gestattet hätten, einen stärkeren Druck auf die Betreiber auszuüben, die Unterlagen, die im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren erforderlich sind, tatsächlich fristgerecht und auch vollständig einzureichen.
Drittens. Der Ministerpräsident des Landes Hessen hat in einer Regierungserklärung vor dem Hessischen Landtag vorgestern ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es ein untauglicher Versuch wäre, den Ausstieg aus der Kernenergie über Tricks in den Genehmigungs- oder Aufsichtsverfahren zu erreichen. Dies verbietet allein der Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht, das in seinem Kalkar-Urteil festgestellt hat, daß es eine normative Entscheidung des Gesetzgebers war, die besonderen Risiken der Kernenergie für akzeptabel zu halten und gesetzlich zu normieren. Aber es ist wohl unstrittig, daß es auch eine Entscheidung des Gesetzgebers sein kann und darf, diese politische Wertentscheidung über eine andere Mehrheit im Gesetzgebungsverfahren zu ändern. Und darum bemühen wir uns; daraus will ich gar kein Hehl machen. Aber, ich glaube, man kann uns das Differenzierungsvermögen zutrauen, sich um andere politische Mehrheiten zu bemühen, aber auf der anderen Seite auch die bestehenden Gesetze exakt und korrekt auszuführen.
Viertens. Herr Abgeordneter Laufs, wenn Sie hier feststellen, wir entfernten uns vom Atomgesetz,
({4}) ist das ein Bumerang,
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der natürlich Ihren Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit trifft;
({6})
denn er verfügt im Rahmen des Art. 85 über alle rechtlichen Instrumente, um sicherzustellen, daß die zuständigen Landesbehörden,
({7})
die in Bundesauftragsverwaltung, nicht als eigene Angelegenheiten der Länder, hier für den Bund handeln, rechtstreu und gesetzestreu handeln.
({8})
Sie wissen, daß aus diesem Grunde auch ein intensiver Meinungsaustausch zwischen dem hier zuständigen Ressortminister der hessischen Landesregierung und dem Bundesumweltminister stattgefunden hat. Der Bundesumweltminister ist über alles informiert, was in Hanau vorgeht und welche Schritte wir dort unternommen haben.
Deswegen kann ich ausdrücklich dementieren, daß das Genehmigungsverfahren in Alkem irgendwo verschleppt wird.
({9})
Die Debatte im hessischen Landtag hat ja gezeigt, daß wir unter Bedingungen vollkommener Transparenz arbeiten. Alle Akten sind dort zitiert worden, und ich habe dort bekräftigt, was ich hier bekräftigt habe: Es gibt keine Weisung von mir, dieses Verfahren zu verzögern, im Gegenteil;
({10})
aber es gibt noch nicht einmal einen Referentenentwurf, weil es in der Tat - ich nenne nur das Problem Handschuhkastentechnik und daraus abgeleitete Fragen der Arbeitssicherheit - von der RSK noch Aufträge gibt, die abzuarbeiten sind.
Man kann uns vieles unterstellen, Herr Abgeordneter Laufs, aber gerade im Hinblick auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen kann es nicht das Interesse irgendeines Beteiligten sein, auch nicht des Hessischen Ministers für Wirtschaft und Technik, hier Verzögerungen einzubauen,
({11})
sondern unser Interesse ist es, schnell und zügig zu entscheiden. Immerhin haben wir die Verfahren auf einen Stand gebracht, den es bisher noch nicht gab.
Fünftens. Ich darf darauf verweisen, Herr Abgeordneter Laermann, daß wir beim Fall „Raum 13 der RBU" schon damals Anlaß zu erheblicher Kritik am Verhalten des Managements hatten und daß wir hier rechtlich eine andere Beurteilung hatten als der damalige Bundesinnenminister. Es ist also nicht so, daß wir nicht gehandelt hätten, wo wir es für geboten hielten, sondern wir haben unseren Teil, um die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, getan. Deswegen mußten wir den Firmen auch Fristen setzen, wobei ich Sie, Herr Bundesminister Wallmann, in einem Punkt etwas korrigieren muß. Ich bitte um Entschuldigung, aber nur ein Teil der Fristen, die wir in unserem Brief gesetzt haben, sind von der Firma vorgeschlagen, was z. B. den Endpunkt der Verfahren angeht. Dies war nicht von den Firmen. Ich muß hier deutlich darauf hinweisen, daß wir die geringen Möglichkeiten, die wir als atomrechtliche Genehmigungsbehörde hatten, um das Verfahren zu beschleunigen, voll genutzt haben. Aber sie stehen immer vor der Situation, daß Sie außer der Stillegung praktisch kein Instrument haben, um die Betreiber zu zwingen, die Unterlagen vollständig und fristgerecht einzusetzen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch zwei politische Anmerkungen. Frau Abgeordnete Hönes, ich kann Sie nicht hindern, von diesem Plenum aus Angriffe gegen den realpolitischen Flügel Ihrer eigenen Partei zu starten,
({12})
Staatsminister Dr. Steger ({13})
nur muß ich meinen Kabinettskollegen Fischer ausdrücklich gegen Ihre Angriffe in Schutz nehmen.
({14})
Es sollte Ihnen zu denken geben, daß die hessischen GRÜNEN den von Ihnen zitierten Demonstrationsaufruf nicht mit unterschrieben haben.
Meine Damen und Herren, ich muß auch den Herrn Bundesminister Wallmann korrigieren. Herr Börner hat nicht geschwiegen. Er hat Herrn Fischer ausdrücklich und abschließend mitgeteilt, daß er die von seinem Gutachter gezogenen rechtlichen Schlußfolgerungen für falsch hält, daß die hessische Landesregierung daher die Hanauer Betriebe nicht stillegen wird, weil sie dafür keinen Anlaß sieht.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Michels.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Dr. Steger, es ist festzustellen, daß die Brennelementefabrik Alkem seit 1975 auf der Grundlage einer Übergangsregelung betrieben worden ist. Um so anstößiger aber muß das heutige Gezerre empfunden werden, das es um Alkem gibt. Die hessische Landesregierung ist sowohl für die Genehmigung als auch für die Überwachung der Betriebe, insbesondere für Alkern, zuständig.
Den GRÜNEN, meine Damen und Herren, geht es, wie hier schon mehrfach festgestellt worden ist, nur darum, diese Aktuelle Stunde im Parlament dazu nutzen, zur Demonstration aufzurufen. Sie sollten mal darüber nachdenken, was sie dabei insgesamt anrichten.
Meine Damen und Herren, das wirkliche Problem, um das es hier geht, hat seine Ursache in der Handlungsunfähigkeit der hessischen Landesregierung.
({0})
Ihr Handeln wird immer stärker durch die politischen Zielsetzungen der GRÜNEN bestimmt.
Die GRÜNEN haben zumindest drei Ziele: ({1})
Erstens. Sie wollen die hessische Energiepolitik zum Hebel ihrer politischen Absichten machen.
Zweitens. Sie wollen sich dabei der SPD, in diesem Fall der hessischen Landesregierung, als Handlanger bedienen. Dies geht so weit, daß sie die SPD zwingen, sich, wenn sie, wie wir in Hessen erleben, an der Macht bleiben will, selbst aufzugeben.
Drittens. Die GRÜNEN wollen die Handlungsfähigkeit des Staates mehr als nur in Frage stellen.
({2})
Wie weit diese Selbstverleugnung der SPD mittlerweile gediehen ist, mögen Sie an der Entwicklung der Aussagen der SPD zur Kernenergienutzung selbst erkennen.
1956 hieß es auf dem SPD-Parteitag in München:
Die Atomenergie kann zu einem ungeahnten Wohlstand führen. Atomenergie kann zum Segen für Hunderte von Millionen Menschen werden, die noch im Schatten leben müssen.
({3})
1973 wurde in der ersten Fortschreibung des Energieprogramms die Forderung nach einem beschleunigten Ausbau der Atomenergie erhoben.
1979 hieß es auf dem SPD-Parteitag in Berlin:
Es ist keineswegs sicher, ob langfristig der zusätzliche Strombedarf allein durch Kohlekraft gedeckt werden kann.
Insoweit könne daher nicht nur auf die weitere Nutzung der Kernenergie, sondern auch auf den Zubau von Kernkraftwerken prinzipiell nicht verzichtet werden.
Von diesem Zeitpunkt an aber geriet die SPD immer stärker in die Abhängigkeit von einer Partei, die unsere Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung im Grunde ablehnt. Wer die Politik der SPD von morgen richtig einschätzen will - wenn die SPD dabei bleibt -, der geht am besten gleich zum nächsten Parteitag der GRÜNEN;
({4})
denn die Mehrheit der SPD kann gar nicht mehr schnell genug die Politik der GRÜNEN zu ihrer eigenen Leitlinie machen.
({5})
Heute bestimmt in Hessen ein Joschka Fischer, was die Landesregierung darf und was sie nicht darf. Ministerpräsident Börner ist in Wahrheit Handlungsbeauftragter von Herrn Fischer geworden.
({6})
Deshalb sind auch nicht zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen getroffen worden, so, wie man sie hätte treffen können und müssen. Deshalb gibt es so viel Unsicherheit mit dem Ergebnis, daß sich heute die Staatsanwaltschaft mit dem Fehlverhalten einer handlungsunfähigen Regierung beschäftigen muß.
Meine Damen und Herren, dies alles müssen wir zu einer Zeit hinnehmen, wo sich die SPD immer mehr in eine solche geschilderte Abhängigkeit hineinbegibt. Ob das Wort „Hessen vorn" in Zukunft noch Gültigkeit behält, wird abzuwarten sein.
Schönen Dank.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hauff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema dieser Aktuellen Stunde lautet: „Möglicher illegaler Betrieb der Plutoniumfrabrik Alkem und die politische Verantwortung der Bundesregierung." Ich denke, wir sollten zum Thema zurückkehren und uns darüber unterhalten. Wir sollten aber vielleicht auch - nicht jetzt, aber nach der Wahl - der Frage nachgehen, was der Sinn von Aktuellen Stunden ist und ob dies eigentlich immer so sein muß, wie es zur Zeit praktiziert wird.
({0})
- Es ist die Demonstration und sonst nichts, warum wir eine Aktuelle Stunde haben.
Die Staatsanwaltschaft hat im Hinblick auf die Illegalität erklärt, es handle sich bei den Personen, gegen die sie ermittelt, nicht um Bankräuber, die man auf frischer Tat ertappt hat, sondern um Personen, „die durch Gesetzesänderungen in eine schwierige Situation gekommen sind".
Durch die Gesetzesänderungen ist eine Situation entstanden, zu der es erheblich unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt, oder - wie der Ministerpräsident des Landes Hessen am Mittwoch formuliert hat -: „Es ist eine rechtlich schwer durchschaubare Lage entstanden." Ich denke, man muß auch zwischen den verschiedenen Anlagen differenzieren, um die es in Hanau geht. Festgelegt sind Übergangsfristen. Richtig ist, daß die Übergangsfristen in unerträglicher Weise in die Länge gezogen wurden, daß das nicht hinnehmbar ist, daß das so ähnlich ist, wie wenn jemand ein Auto ohne Zulassung fährt. Der Vorsitzende der IG Chemie in Hessen hat nach einem Gespräch gesagt - à propos Kaltschnäuzigkeit, Herr Kollege Lenzer -, er habe Dinge gehört, „die mein Mißtrauen gegenüber der Geschäftsleitung bestärkt haben". Er sei enttäuscht und erschüttert. Er habe den Eindruck, daß die Arbeitnehmer bei RBU in ihrem Streben nach Arbeitssicherung und Arbeitsplatzsicherheit mißbraucht worden seien. Er sprach von einer „Schlamperei der Geschäftsleitung, die ich nicht für möglich gehalten habe". Er fühle sich auch persönlich hinters Licht geführt.
({1})
Der Betriebsratsvorsitzende sagte nach der „Neuen Presse", mehrmals wiederholt, nie dementiert, er wisse nach dem Gespräch jetzt präziser, welche Vorwürfe die Aufsichtsbehörde der Geschäftsleitung mache. Das Firmenmanagement habe den Betriebsrat nicht ausreichend informiert.
({2})
So ist es gewesen.
Die Hessische Landesregierung hat daraufhin dafür gesorgt, daß der Betreiber endlich seinen Pflichten nachkommt. Die Übergangsfristen waren definiert.
({3})
Aber das über elf Jahre hinzuziehen ist nicht mehr hinnehmbar. Mit aller Entschiedenheit hat daraufhin die Hessische Landesregierung gegenüber dem Betreiber gesagt: Das kann so nicht fortgesetzt werden. Sie hat auch gesagt: Notfalls werden dann die Instrumente eingesetzt, die wir als Genehmigungsbehörde haben. Sie hat damit deutlich gemacht, daß es nicht nur gutes Zureden ist, sondern daß jetzt ein Punkt gekommen ist, wo man sagt: Wenn die Unterlagen nicht vorgelegt werden, dann wird das Gesetz mit seinen Möglichkeiten und seiner Schärfe auch angewandt.
({4})
Ich halte es für eine rechtlich saubere, eindeutige und klare Position, die die Hessische Landesregierung eingenommen hat.
Der zuständige Bundesminister verfügt natürlich über alle Instrumente - etwa Artikel 85 des Grundgesetzes -, um sicherzustellen, daß das Bundesgesetz eingehalten wird.
({5})
Aber statt die Hessische Landesregierung in dieser politischen Auseinandersetzung zu unterstützen, haben Sie, Herr Wallmann, die Betriebsräte eingeladen und ihnen gesagt, daß sie keinerlei Furcht zu haben brauchen, daß alles so weitergeht und daß mit Sanktionen auf keinen Fall zu rechnen ist. Das heißt, Sie sind der Hessischen Landesregierung in den Rücken gefallen, die das Bestreben hatte, nun endlich für Klarheit zu sorgen. Es wäre aus staatspolitischer Verantwortung und in Erfüllung des Art. 85 des Grundgesetzes besser gewesen, die Hessische Landesregierung in ihrem Bemühen zu unterstützen, statt hier in kleinkarierte Opportunität zu verfallen.
({6})
Wir Sozialdemokraten sind für einen geordneten Ausstieg aus der Kernenergie. Aber wir werden auf gar keinen Fall den Trick unterstützen, das Problem über die Genehmigungspraxis aushebeln zu wollen. So geht es nicht. Das ist naiv, das ist nach meiner Auffassung sogar politisch schädlich. Das
geht nur, wenn man dafür Mehrheiten hat. Man sollte nicht meinen, über die Genehmigungspraxis etwas erreichen zu wollen, wenn man im Augenblick noch keine Mehrheit hat, um Gesetze zu ändern.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Blens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich gegen Schluß der Debatte einige Feststellungen treffen.
Erstens. Es wurde schon gesagt: Das ist die Auftaktveranstaltung für die Demonstration morgen in Hanau, von der es in der „tageszeitung" hieß, im Vorbereitungsplenum verfügten die zur Militanz neigenden Autonomen über mehr Stimmen als zahlenmäßig weitaus stärkere Organisationen. In dem Flugblatt heißt es u. a., daß die Polizei ein Schlägertrupp von Uniformierten sei.
({0})
Was da morgen zu erwarten ist, ist klar. Ich stelle fest: Von den GRÜNEN hat es heute zwar einen Aufruf zur Demonstration, aber keine Distanzierung von Gewalt gegeben, die morgen dort zu erwarten ist.
({1})
Ich sage Ihnen hier: Schreibtischtäter gab es nicht nur zwischen 1933 und 1945, die gibt es auch heute.
({2})
Zweite Feststellung: Für die GRÜNEN sind die Hanauer Brennelementefabriken der Punkt, von dem aus sie der gesamten Atomwirtschaft der Bundesrepublik den Boden entziehen wollen. Weil sie für ihr Konzept keine Mehrheit erhalten, versuchen sie es mit fragwürdigen juristischen Sabotageakten.
Gleichzeitig wollen sie der Öffentlichkeit vorführen, wie ernst es ihrem Partner, der SPD, mit dem Einstieg in den Ausstieg aus der Kernenergie ist.
Ich muß nach dieser Debatte sagen: Diese SPD macht bei dem ganzen Spiel, Herr Hauff, keine gute Figur. Zu diesem Ergebnis komme ich, wenn ich mir ansehe, was Herr Reuter auf der einen Seite und Herr Catenhusen auf der anderen Seite hier gesagt haben. Herr Catenhusen ist eine Art personifiziertes rot-grünes Bündnis, das hier durch den Bundestag wandelt.
Meine Damen und Herren, wir stimmen mit dem hessischen Ministerpräsidenten in zwei Punkten überein. Er hat vorgestern vor dem Hessischen Landtag gesagt: Die Nuklearbetriebe in Hanau arbeiten auf legaler Grundlage. Das findet unsere Zustimmung. Wir wissen, daß diese Meinung von namhaften, seriösen Rechtswissenschaftlern bestätigt werden wird.
Wir stimmen mit Herrn Börner auch überein, wenn er sagt, es könne niemanden zufriedenstellen, daß die Brennelementefabriken nunmehr im elften Jahr lediglich mit einer Übergangsgenehmigung arbeiteten. Aber wir fordern den Ministerpräsidenten des Landes Hessen auch auf, daraus nun endlich die Konsequenzen zu ziehen und das Genehmigungsverfahren voranzutreiben. Das heißt vor allen Dingen, die Schuldigen nicht an der falschen Stelle zu suchen, nämlich bei den Verantwortlichen der Fabriken. Diese haben ihrerseits nur das vorgelegt, was die Hessische Landesregierung gefordert hat.
Ich will aber auch hier noch einmal darauf hinweisen, daß die Hessische Landesregierung sowohl 1980 als auch 1982 neue Sicherheitsanforderungen gestellt hat, die zunächst einmal von den Verantwortlichen dieser Fabriken erfüllt werden mußten. Daß das nicht von heute auf morgen möglich war, sieht jeder ein, der etwas davon versteht.
Wir fordern den hessischen Ministerpräsidenten auf, die Anträge nach Gesetz und Recht zu bescheiden; denn darauf hat jedermann bei uns ein Recht und einen Anspruch.
({3})
Allerdings muß Herr Börner auch dafür sorgen, daß die Voraussetzungen geschaffen werden, um das tun zu können. Er muß zunächst einmal Beamte finden, die noch bereit sind, diese Dingen zu bearbeiten.
Das setzt voraus, daß in der Hessischen Landesregierung über die Rechtslage Einigkeit herbeigeführt wird. Da erklärt der Ministerpräsident: Die Fabriken arbeiten legal. Sein Umweltminister sagt: Sie arbeiten illegal. Die Staatsanwaltschaft, die seinem Justizminister untersteht, erhebt Anklage gegen Beamte des Wirtschaftsministers des Herrn Börner, weil die ganze Sache illegal sei. Sie müssen sich Beamte suchen, die noch bereit sind, in dieser Unsicherheit weiter an diesen Verfahren zu arbeiten.
Ein letztes Wort. Wie man bei dieser Rechtsunsicherheit den Verantwortlichen der Brennelementefabriken den Vorwurf machen kann, vorsätzlich illegal zu handeln ist für mich als Jurist ein Geheimnis. Ich halte das, was die Staatsanwaltschaft in Hanau betreibt, für juristisch abenteuerlich.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich die Entwicklung der letzten zehn Jahre im Zusammenhang mit der dritten Novelle zum Atomgesetz anguckt, ist festzustellen: Wir haben heute morgen
Schäfer ({0})
in mehrfacher Hinsicht ein Lehrbeispiel erlebt. Den älteren Kollegen rufe ich in Erinnerung: 31. Januar 1975 gegen 21.45 Uhr, nachts, eine Debatte zur Novellierung des Atomgesetzes; Redner Kollege Gruhl - damals noch CDU; der dann ausgetreten ist, weil er für Umweltschutz war -, Kollege Hirsch, der Parlamentarische Staatssekretär Schmude und ich. Wir haben damals - eine kleine Handvoll Abgeordnete, koalitionsfraktionenübergreifend - die Bestimmung in das Atomgesetz aufgenommen, daß der Betrieb von Brennelementfabriken - das, was in Hanau steht und betrieben wird - den gleichen strengen Sicherheitsvorschriften unterworfen wird, die auch sonst gelten: nach Stand von Wissenschaft und Technik und unter Beteiligung der Bevölkerung, bei voller Öffentlichkeit, bei voller Transparenz.
Wir haben das getan, weil wir alle überzeugt waren bzw. uns haben überzeugen lassen, daß das Gefahrenpotential der Brennelementfabriken mindestens dem kerntechnischer Anlagen vergleichbar ist, wenn nicht sogar größer.
({1})
Kein Mensch kann heute so tun - egal, wie er zur Kernenergie steht -, als ob die Anlagen in Hanau kein unwahrscheinlich großes Gefährdungspotential darstellten. Plutonium ist mit das Giftigste, was es überhaupt gibt. Dort wird mit Plutonium hantiert. Bruchteile eines Gramms Plutonium - das wissen Sie alle - reichen, wenn sie denn in die Blutkreislaufbahn oder in die Lunge kommen, aus, um Leukämie zu verursachen. Das wissen wir alle.
({2})
Lehrbeispiel, sage ich: Wir haben damals darauf verzichtet, Herr Kollege Hirsch, Herr Kollege Baum, eine Frist in das Gesetz hineinzuschreiben. Heute stellen wir fest: Zehn Jahre lang ist der Wille des Bundesgesetzgebers unterlaufen worden.
({3})
Warum haben wir keine Frist in das Gesetz aufgenommen? Weil wir im Wege einer Vereinbarung gesagt haben: Zumal ein Gesetzesauftrag vorliegt, werden die dem Willen des Gesetzgebers in angemessener Frist entsprechen. Das war der Grund, weswegen wir auf die Frist verzichtet haben.
Wir müssen also auch bezüglich anderer Umweltbereiche, Kollege Schmidbauer, in denen ein hohes Gefährdungspotential vorhanden ist, Fristen setzen, verbindliche Werte, auch Zeitwerte, und sie ins Gesetz hineinschreiben.
Letzte Woche haben wir im Umweltausschuß über neue Chemiepolitik diskutiert. Über alle Fraktionen hinweg waren wir uns einig, daß die annähernd 100 000 Altstoffe, von denen nur 1 200 auf ihre Umweltgefährlichkeit und Giftigkeit hin untersucht worden sind, auf ihre Gesundheitsgefährlichkeit hin untersucht werden. Da waren wir einer Meinung. Wir haben gesagt, Herr Lippold, innerhalb von sechs Jahren - das ist eine Frist - muß diese Bewertung erfolgen. Wir haben darauf hingewiesen, daß uns die chemische Industrie erklärt habe, das sei innerhalb von sechs Jahren machbar.
Dann kommen die CDU/CSU, die FDP und die Bundesregierung und sagen: Keine Frist,
({4}) freiwillige Vereinbarungen.
({5})
Heute stellen sich dieselben hin und beklagen, daß wir 1975 keine Frist in das Gesetz aufgenommen hätten.
({6})
Und jetzt besteht für Sie das Mittel der Umweltpolitik darin, in allen Bereichen freiwillige Vereinbarungen zu erzielen!
Wenn wir aus Alkem, Nukem eine Schlußfolgerung - über den Alltag hinaus - ziehen wollen, dann die: - ({7})
- Lieber Kollege Baum, provozieren Sie mich jetzt bitte nicht; sonst werde ich noch etwas zur Praxis sagen und dazu, wer in Wiesbaden und Bonn tatsächlich über Jahre hinweg für die Genehmigungspraxis verantwortlich war. Es ist nicht so, daß man sagen kann, die Sozialdemokraten sind es gewesen.
({8})
- Herr Baum, tun Sie mir den Gefallen und provozieren Sie mich jetzt nicht.
({9})
- Dann muß ich jetzt doch einmal ganz deutlich reden.
({10})
Fragen Sie einmal Herrn Hoffie;
({11})
er ist Genehmigungsbehörde vor Ort gewesen. Wissen Sie, was funktioniert hat? - Da nehme ich niemand aus, auch Sie nicht.
({12})
Funktioniert hat im Vollzug bzw. Nichtvollzug der Atomgesetznovelle die nukleare community, die verschworene Gemeinschaft von Verwaltung, Politik und Industrie. Das war einer der Gründe, warum wir heute - zehn Jahre nach Erlaß der Novelle zum Atomgesetz - diese Debatte noch führen müssen.
Meine Damen und Herren, ich habe mich von Ihnen, Herr Kollege Baum, jetzt ein bißchen ablenken lassen, und zwar einfach deswegen, weil ich es eigentlich nicht mag, wenn man die gemeinsame Verantwortung, die wir in der, wie ich finde, erfolgreichen sozialliberalen Regierungskoalition getragen haben, aufsplittet, indem man sich die Erfolge
Schäfer ({13})
an den Hut heftet und dem ehemaligen Koalitionspartner die weniger guten Bilanzen wie ein Bonbon an den Rock zu kleben versucht.
Nur deswegen, Herr Kollege Baum, will ich abschließend darauf hinweisen, daß im Land der hessische Wirtschaftsminister - lange Zeit von der FDP - für die Durchführung der atomgesetzlichen Genehmigungsbestimmungen zuständig ist und daß im Bund der Bundesinnenminister zuständig ist, der bis zur Koalition des Kanzlers Kohl von der FDP gestellt wurde. Deswegen sollte man dies auch bei der heutigen Debatte nicht zu verdrängen versuchen.
({14})
Ich erteile dem Herrn Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil einige Dinge, die hier gesagt worden sind, nicht unwidersprochen bleiben dürfen.
Ich will zunächst einmal feststellen, daß ich kurz nach Übernahme meines Amtes gerade in dieser Frage tätig geworden bin. Ich habe dies für nötig gehalten, weil ich der Auffassung war und bin, daß eine Dauer des Genehmigungsverfahrens von elf Jahren nicht hingenommen werden kann. Deswegen haben der Staatssekretär in meinem Hause und der zuständige Staatssekretär des HMWT zunächst gründliche Gespräche mit leitenden Mitarbeitern geführt.
Ich selber habe mich in dieser Angelegenheit durch Aktenstudium sachkundig gemacht; ich habe mir nicht nur vortragen lassen.
({0})
Ich habe daraus entnommen, daß die Gutachter schwere Vorwürfe, schwerste Vorwürfe gegenüber dem hessischen Wirtschaftsministerium erhoben haben.
({1})
Ich hätte das nicht gesagt, wenn der Kollege Hauff hier nicht --- wie so häufig - unbedacht über Dinge geredet hätte. Das provoziert dann natürlich eine Antwort. - Es ist also so gewesen, daß hier schwerste Vorwürfe erhoben worden sind. In dieser Situation mußte ich mich noch einmal auch ganz persönlich mit dem hessischen Wirtschaftsminister in Verbindung setzen. Ich habe das brieflich getan. Es hat ein Gespräch gegeben. Dieses Gespräch ist gründlich geführt worden, und, Herr Kollege Dr. Steger, es hat in der Zielvorstellung Übereinstimmung gegeben, nämlich daß wir zum frühestmöglichen, sachlich gerechtfertigten Zeitpunkt - so war unsere Formulierung; deswegen habe ich das vorhin auch eingeführt - hier zu einer Entscheidung kommen müssen.
Zwischendurch hatte es ein Schreiben des hessischen Wirtschaftsministeriums an die Betreiberfirma gegeben, von dem ich im Radio erfuhr. Ich habe mir dieses Schreiben, das an einem Samstag zu mir gebracht wurde, dann durchgelesen. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe - ich habe es nicht bei mir -, ist das Schreiben zwölf Seiten stark. Dabei wird auf das Management abgestellt. Die Sicherheitsfrage wird an keiner Stelle angesprochen. Dies ist für mich von Bedeutung gewesen.
Ich habe mich dann in diesem Gespräch mit dem Wirtschaftsminister eingehend über all diese Fragen unterhalten. Außerdem haben wir, und zwar der Wirtschaftsminister des Landes Hessen, sein Staatssekretär, der Staatssekretär in meinem Ministerium, ich selbst und zwei Vorstandsmitglieder der KWU ein Gespräch geführt.
Bei dieser Gelegenheit habe ich, Herr Kollege Dr. Steger, zum erstenmal erfahren - das ist von Ihnen nicht bestritten worden -, daß die Fristen, von denen Sie in Ihrem Briefe geschrieben haben, nicht von Ihnen gesetzt worden sind, sondern daß sie Ihnen von der Betreiberfirma vorgeschlagen worden sind. Dann wurde uns von den KWU-Vertretern erklärt: Diese Fristen können auch ohne weiteres eingehalten werden; wir werden innerhalb dieser Fristen all die erforderlichen Sachaufklärungen, Unterlagen entscheidungsreif vortragen können. So ist das gewesen.
Sie, Herr Hauff, stellen sich nun hin und werfen mir ausgerechnet vor, daß ich in dieser Frage natürlich auch mit den Betriebsräten gesprochen habe. Die Betriebsräte sind in Angst und müssen ihren Kolleginnen und Kollegen Rede und Antwort stehen. In diesem Gespräch wie auch bei anderer Gelegenheit habe ich die Hessische Landesregierung nicht ein einziges Mal in eine schwierige Lage gebracht. Im Gegenteil! Aus eben jener staatspolitischen Verantwortung, von der Sie gesprochen haben, habe ich immer gewußt: Wir haben alles zu tun, um das Ziel zu erreichen. Deswegen habe ich wohl-bedacht vorhin formuliert, daß es irgendwelche politischen oder parteipolitischen Gründe bei der Entscheidung nicht geben darf, sondern ausschließlich sachliche Erwägungen geben muß und daß die Entscheidungen aus der Situation heraus sachlich zu treffen sind. Ich habe mich aus einer ganzen Reihe von Gründen bewußt nicht zu dem Anklageverfahren geäußert.
Ich bitte Sie nur, im Interesse der Menschen, um die es geht und im Interesse der Sache uns nicht ausgerechnet noch durch eine Aktuelle Stunde, beantragt von den GRÜNEN, in eine Situation zu bringen, bei der die Konsequenzen möglicherweise nicht absehbar sind. Deswegen fordere ich Sie auf:
({2})
Unterlassen Sie es, hier den Versuch zu unternehmen, hieraus parteipolitisches Kapital zu schlagen.
({3})
Hier geht es darum, in der Sache eine in jeder
Beziehung zu rechtfertigende Antwort zu finden.
Das ist die Aufgabe, die von uns erfüllt werden muß.
({4})
Ich erteile das Wort dem Minister für Wirtschaft und Technik des Landes Hessen.
Staatsminister Dr. Steger ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, daß auch ich mich noch mal zu Wort melden muß.
({1})
Aber, Herr Bundesminister Wallmann, ich kenne keine schwersten Vorwürfe von Gutachtern, die gegen die hessische Genehmigungsbehörde erhoben worden sind. Wenn Sie die kennen oder wenn Sie andere Unterlagen haben, dann bitte ich Sie,
({2})
sie umgehend zu detaillieren und mir mitzuteilen, ob Sie diese Vorwürfe als Bundesaufsichtsbehörde teilen und welche Konsequenzen Sie daraus ziehen.
({3})
Es hat aber - das kennen Sie aus den Akten - von dem Gutachter, dem TÜV Bayern, der ja nicht gerade im Verdacht steht, eine den GRÜNEN nahestehende Institution zu sein, ein vernichtendes Urteil über die vom RBU-Management eingereichten Unterlagen gegeben.
({4})
Ich habe in einem anderen Zusammenhang einmal von den 22 dicken Bolzen gesprochen. Daraufhin haben wir gehandelt, und zwar - wenn ich das so interpretieren darf - mit Ihrer Billigung.
Jetzt sage ich in einem zweiten Punkt etwas zu den Fristen. Wir haben der Firma in der Tat eine Nachfrist für die Einreichung genehmigungsfähiger Unterlagen gesetzt. Diese Frist war in der Tat so bemessen, wie das von der Firma vorgeschlagen worden ist, weil wir uns nicht dem Vorwurf aussetzen wollten, hier schikanös zu handeln.
Aber es gibt in diesem 13seitigen Schreiben andere Fristen, Herr Bundesminister. Beispielsweise geht es um die Frage: Wann endet denn eigentlich die Übergangsfrist nach der dritten Novelle? Wann ist hier sozusagen endgültig Ende der Fahnenstange? Wir haben, da die Bundesaufsichtsbehörden sich hierzu nicht äußern wollten, in den Akten nachgeschaut und festgestellt, daß die längste Frist, die in dieser Diskussion je genannt worden ist, 15 Jahre war. Das heißt, daß 1990 die Unterlagen für die Betriebsgenehmigung für diese Anlagen eingereicht sein müssen. Sie wissen, daß der Betreiber bzw. der Eigentümer gegen diese Frist erhebliche Bedenken hatte.
Drittens sage ich nur für die Klarheit des Protokolls: Der Herr Abgeordnete Hauff hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe - und ich habe sorgfältig zugehört -, hier nicht den Vorwurf gemacht, daß Sie mit Betriebsräten geredet haben. Das habe auch ich getan. Das hat auch er getan. Es ist, glaube ich, unsere Pflicht, das zu tun. Sein Punkt war vielmehr - und dies ist in der Tat durch die Presse gegangen -, Sie hätten den Betriebsräten gesagt, es gäbe keine Sanktionen. Dies hat unwidersprochen so in der Presse gestanden.
({5})
Ich muß Ihnen deutlich sagen, daß ich diese Aussage, wenn sie denn so gemacht worden ist - ich kann das nicht prüfen, ich habe nur dieselben Berichte gelesen -, in der Tat anders sehe. Wenn die RBU die von uns jetzt gesetzten Fristen nicht einhält, sind wir nach meiner Ansicht auf Grund der geltenden Lage eindeutig gezwungen, auch Sanktionen, die bis zur Stillegung reichen können, zu verhängen, wenn - ich sage das noch einmal - das neue RBU-Management die gesetzten und vereinbarten Fristen nicht einhält. Ich wäre ganz dankbar, wenn es hier noch zu einer Sachaufklärung kommen könnte - das muß nicht heute sein -, ob Sie die Rechtslage auch so sehen. Ich jedenfalls für meine Person bin entschlossen, die notwendigen, meines Erachtens gesetzlich zwingend gebotenen Konsequenzen zu ziehen.
Wenn ich Ihnen, Herr Abgeordneter, noch einen letzten Punkt sagen darf: Ihr Appell an den Ministerpräsidenten geht fehl! Die Hessische Landesregierung handelt durch den hessischen Minister für Wirtschaft und Technik als die zuständige atomrechtliche Aufsichts- und Genehmigungsbehörde als oberste Landesbehörde. Dies sind Fragen der Bundesauftragsverwaltung, in der die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten nicht gilt. Das hält mich nicht davon ab, mich mit ihm in Übereinstimmung zu befinden. Ihr Appell aber kann ausschließlich an den in erster Linie für die Einhaltung des Atomgesetzes zuständigen Bundesminister für Umwelt gehen und in zweiter Linie an die oberste Landesbehörde, die in Bundesauftragsverwaltung handelt. Ich wollte Ihnen das nur sagen, weil Sie ja offensichtlich stolz darauf sind, Jurist zu sein.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({6})
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit auch hier kein Rest übrigbleibt: Ich wundere mich, Herr Staatsminister Dr. Steger, was Sie hier vorgetragen haben. Wie Sie wissen, habe ich an Sie einen Brief geschrieben. Auf Grund dieses Briefes haben wir uns im August getroffen. In diesem Brief teilte ich Ihnen den Anlaß für dieses Schreiben mit. Wenn ich mich recht erinnere, nahm ich Bezug auf eine gutachtliche Stellungnahme - ich will sie nicht näher bezeichnen - auf Seite 54.
({0})
In dieser Zusammenfassung werden schwerwiegende Vorwürfe erhoben. Dieses war der Anlaß, das Gespräch mit Ihnen zu suchen. Dieses war auch Anlaß, im Gespräch mit Ihnen darüber im einzelnen Überlegungen auszutauschen. Das heißt mit anderen Worten: Tun Sie, Herr Staatsminister Dr. Steger, bitte schön nicht so, als würden Sie hier bei dieser Gelegenheit zum erstenmal in meiner Replik von dieser Tatsache erfahren. Sie wissen ganz genau, warum wir zusammengekommen sind,
({1})
eben aus diesem Grunde, weil es derartige schwerwiegende Vorhaltungen gegen Sie gibt.
({2})
- Unterhalten Sie sich doch mit Ihren politischen Freunden.
({3})
- Ich habe vorhin gesagt, meine Damen und Herren, daß ich mich bewußt zu dem ganzen Komplex des Anklageverfahrens nicht äußere.
({4})
Der Herr Kollege Dr. Steger weiß, wovon ich rede.
({5})
- Sie können sich ruhig schlecht benehmen; Sie sprechen in diesem Augenblick über sich. Ich sage Ihnen noch einmal in aller Deutlichkeit, daß wir, der Herr Kollege Steger und ich, nicht nur ein allgemeines Gespräch geführt haben, sondern daß wir dieses Gespräch aus einem konkreten Anlaß geführt haben. Dieser Anlaß waren die schweren Vorwürfe und Vorhaltungen gegen das hessische Wirtschaftsministerium im Zusammenhang mit den Genehmigungsverfahren.
({6})
Letzte Bemerkung, meine Damen und Herren: Im Gespräch mit den Betriebsräten ist das mitgeteilt worden, was ich hier auch gesagt habe. Dies ist nicht nur ein gutes Recht des Bundesministers, sondern war auf Grund des Verhaltens nicht nur von den GRÜNEN, sondern insbesondere auch von Sozialdemokraten dringend geboten, damit die Mitglieder dieses Kollegiums wußten, daß es eine sachgerechte Entscheidung bei uns in jedem Falle geben wird und keine politisch irgendwie gearteten opportunistischen Erwägungen.
({7})
Ich erteile das Wort dem Herrn Staatsminister für Wirtschaft und Technik des Landes Hessen.
({0})
Staatsminister Dr. Steger ({1}): Verehrte Frau Abgeordnete Hönes, ich bitte sehr um Entschuldigung, aber Sie sind es gewesen, die diese Diskussion provoziert haben. Deswegen glaube ich nicht, daß Sie ein Recht haben, sich zu beschweren, daß ich hier noch einmal das Wort ergreife.
({2})
Herr Bundesminister Wallmann, ich bin in der Tat etwas überrascht.
({3})
Wir hatten, wie ich glaube, sehr konstruktive Gespräche, die sich um einen einzigen Tatbestand drehten, nämlich darum, daß das Management der RBU die Genehmigungsverfahren in einer Weise behandelt hat, daß eine schwierige Situation entstanden war, die - ich zitiere Ihren Staatssekretär - „einen Handlungsbedarf unabweisbar machte".
({4})
Das war der Gegenstand unserer Gespräche, nichts anderes.
({5})
Ich wiederhole meine Bitte: Wenn Sie Vorwürfe aus Gutachten gegen die hessische Genehmigungsbehörde haben - ich kenne sie nicht -, dann bitte ich Sie, sie zu detaillieren und mir mitzuteilen, ob Sie sich diese Vorwürfe zu eigen machen und welche Konsequenzen Sie daraus zu ziehen gedenken. Das braucht nicht heute zu geschehen - dafür gibt es ja die Post -, aber ich sehe Ihren Briefen mit Interesse entgegen.
Ich kann jedenfalls nur sagen: Seitdem wir die Genehmigungsverfahren in Gang gebracht haben, seitdem wir ein Stadium erreicht haben, daß durch die Öffentlichkeitsbeteiligung alles auf den Tisch gelegt worden ist, setzen wir alles daran, um diese Genehmigungsverfahren auch zügig zu einem Abschluß zu führen. Gerade im Hinblick auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wissen wir, daß wir uns keinen Fehler leisten können, dürfen und ihn auch nicht machen werden.
({6})
Herzlichen Dank.
({7})
Die nunmehr von der Bundesregierung und vom Bundesrat in Anspruch genommene Redezeit beträgt mehr als 30 Minuten. Damit verlängert sich nach den Richtlinien die Dauer der Aussprache ebenfalls um 30 Minuten.
Präsident Dr. Jenninger
Wir fahren deshalb in der Aussprache fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nach dem Verlauf dieser Fragestunde
({0})
- der Aktuellen Stunde ({1})
den Eindruck, daß wir zwar nicht am Ende der Erörterung des Sachverhalts, aber doch an den Grenzen einer Aktuellen Stunde angekommen sind. Es ist ja wirklich ohne Beispiel, daß wir hier einen Dialog der Exekutive untereinander mit sehr viel interessanten Einzelheiten haben hören können.
({2})
Man könnte das fortsetzen. Manches von dem, was Sie sagen, Herr Minister Steger, führt einen zu der Frage, ob Sie die Unterlagen kennen, ob Sie das Gutachten des TÜV Hessen kennen, in dem j a Ihre Fragen, die Sie hier stellen, und das, was Herr Minister Wallmann gesagt hat, im einzelnen ausdrücklich dargestellt sind. Aber es ist nicht meine Aufgabe, das hier zu wiederholen oder darzustellen.
Herr Kollege Schäfer, Sie haben mit Recht daran erinnert, daß wir uns vor mehr als zehn Jahren entschlossen haben, die Wiederaufarbeitungsanlagen unter das Atomgesetz zu bringen, und die Entscheidung war richtig.
({3})
- Die Brennelementfabrik. - Niemand hat sich damals vorstellen können, daß die Genehmigungen, die wir haben wollten - mit der entsprechenden Öffentlichkeit des Verfahrens -, eine derart lange Zeit auf sich warten lassen.
Man kann sehr lange darüber reden, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist. Auch die Forschungsminister der früheren Regierungen waren ja entscheidend daran beteiligt; Herr von Bülow, der nicht hier ist, und andere.
({4})
Sie haben auf die Probleme der Wiederaufarbeitung, der Endlagerung, des Brennstoffkreislaufs sehr intensiv hingewiesen und haben es nicht leichter gemacht, in diesem Genehmigungsverfahren weiterzukommen. Aber in der Tat: Es ist der Offentlichkeit inzwischen kaum zu erklären. Ich denke, daß es notwendig ist - das sage ich auch der hessischen Landesregierung -, hier nicht eine Art Dienst nach Vorschrift zu machen, die Fragen der Genehmigung nicht unter koalitionspolitische Gesichtspunkte zu schieben, sondern zu entscheiden. Es muß entschieden werden!
Nun ist für die Öffentlichkeit schwer darstellbar, daß dort produziert wird, daß die Staatsanwaltschaft wegen des angeblich illegalen Betreibens
Anklage erhoben hat, daß ein Kabinettsmitglied die sofortige Schließung verlangt und der Ministerpräsident von unterschiedlichen Rechtsauffassungen spricht. Die Sachlage ist nicht so kompliziert: Die Staatsanwaltschaft hat nach § 327 StGB Anklage erhoben. Das setzt voraus, daß ohne Genehmigung gearbeitet wird. Aber Staatsanwaltschaft, Wirtschaftsminister und der zuständige Bundesminister sind der Meinung, und zwar zutreffend, daß die Nuklearbetriebe nach Art. 2 der dritten Novelle zum Atomgesetz weiter betrieben werden können, und zwar bis zum rechtskräftigen Abschluß des anhängigen Genehmigungsverfahrens, über das wir die ganze Zeit sprechen.
Ein Unterschied besteht lediglich darin, daß die Staatsanwaltschaft der Auffassung ist, daß sechs betriebliche Änderungen, die seit 1975 vorgenommen wurden, von dieser Übergangsvorschrift und den sogenannten Vorabzustimmungen nicht erfaßt werden. Diese Meinung ist außerordentlich streitig. Sie wird, soweit ich sehe, außerhalb der Staatsanwaltschaft kaum von überzeugenden Vertretern der Rechtswissenschaft geteilt.
Der politische Streit über die Zukunft der Kernenergie ist eine Tatsache, die niemand leugnen kann. Je nachdem, wie dieser Streit entschieden wird, werden betriebliche und planungsrechtliche Entscheidungen in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft geändert und unter Umständen auch aufgegeben werden müssen.
Was nicht angängig ist, auch nicht im Rahmen einer Aktuellen Stunde, ist die Vorstellung, daß man diese außerordentlich wesentliche politische, vielleicht auch gesetzgeberische Entscheidung im Zusammenhang mit dem Streit um die Hanauer Nuklearbetriebe und im Zusammenhang mit Genehmigungsverfahren lösen könnte.
({5})
Das wird politisch und rechtlich nicht gehen. Aber die Frage der Zukunft der Kernenergie ist in diesem Lande nicht definitiv entschieden, und sie wird uns weiter beschäftigen müssen.
({6})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hönes.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Die Situation heute morgen im Plenum des Deutschen Bundestages ist wirklich grotesk. Anstatt wirklich auf die Problematik Hanau einzugehen, haben sich die Redner bemüßigt gefühlt, Gewalt herbeizureden, haben sich bemüßigt gefühlt, die Argumente, die von uns gekommen sind, mit wirklich fadenscheinigen formalen Ausreden abzubügeln.
({0})
Wir haben ein Privatscharmützel zwischen Minister
Steger und Herrn Minister Wallmann erlebt, das
uns deutlich gezeigt hat, daß beide in diesem Plutoniumsumpf stecken.
({1})
Ich muß sagen: Es ist wirklich an der Zeit, daß in dieser Republik darüber nachgedacht wird, daß auch in Sachen Hanau ein Untersuchungsausschuß längst überfällig ist.
({2})
Hier wurde über den illegalen Betrieb von Hanau geredet, als wenn es sich um eine kleine Schwarzbrennerei handeln würde. Dabei geht es hier um Betriebe, die Plutonium verarbeiten. Plutonium wird hier mit Blei verglichen. So etwas ist mir überhaupt noch nicht vorgekommen. Das ist eine groteske Situation. Jeder und jede im Bundestag wissen ganz genau, womit wir es beim Plutonium zu tun haben. Wer hier das Gewissen hat, alles so her-unterzubügeln und Plutonium mit Blei zu vergleichen, muß sich erst einmal vor der Bevölkerung verantworten.
({3})
Ich will aber noch einmal die Gelegenheit nutzen, etwas dazu zu sagen, daß einmütig von SPD und CDU Gewalt herbeigeredet wird.
({4})
Ich muß mich doch wirklich fragen, wie viele bezahlte Provokateure morgen Dienst haben. Man kann ja wirklich den Eindruck haben, daß Sie das wollen.
({5})
Ich will noch einmal eindeutig für meine Partei erklären: Gewaltfreiheit ist eine der wichtigsten Säulen unserer Partei.
({6})
- Hier geht es gar nicht darum, daß man sich herausredet. Ich habe klar Stellung zu beziehen. Wenn Parteifreunde von Ihnen, Herr Schmidbauer, uns mit Schreibtischtätern vergleichen - Schreibtischtäter haben im Dritten Reich eine wahnsinnige Rolle gespielt -, verlange ich von Ihnen und Ihren Parteifreunden, daß Sie das auf der Stelle zurücknehmen.
({7})
Ich stelle für meine Partei fest: Wir brauchen uns nicht von Gewalttätigkeiten zu distanzieren, weil wir nie Gewalttätigkeiten begangen haben und nie dazu aufgerufen haben.
({8})
Wir haben bei allen Zusammenkünften der Anti-AKW-Bewegung mit den Autonomen gestritten. Wir haben versucht, sie in der Diskussion politisch zu isolieren. Das ist der Weg, nicht sich von ihnen nur zu distanzieren, sich die Hände reinzuwaschen und zu sehen, wie diese verblendeten Leute wirklich in der Ecke der Terroristen landen. Aber das wollen Sie mit Ihrer ganzen Strafgesetzgebung, mit Ihren Terrorgesetzen usw.
({9})
- Sie wollen wirklich Terroristen züchten, da hat mein Kollege Axel Vogel vollkommen recht.
({10})
Meine Damen und Herren, da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, erkläre ich die Aktuelle Stunde für beendet.
Wie bereits zu Beginn der Sitzung mitgeteilt, hat die Fraktion der SPD beantragt, die heutige Tagesordnung um die Beratung des Antrags der Fraktion der SPD „Einheitliche Europäische Akte" auf Drucksache 10/6013 zu erweitern.
Wird das Wort zur Geschäftsordnung gewünscht? - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gehört, auch gestern im Ältestenrat, daß die Regierung vorhat, die Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf zur Einheitlichen Europäischen Akte im Rahmen eines Umlaufverfahrens zu beschließen und damit die Zuleitung dieses Gesetzentwurfes zum Bundestag im Laufe der kommenden Tage in Gang zu setzen. Ich will mich einmal darauf verlassen, obwohl es keine verbindliche Zusage war, Herr Präsident, und ziehe deswegen jetzt meinen Geschäftsordnungsantrag zurück.
({0})
Der Antrag ist zurückgezogen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu dem Geschäftsordnungsantrag des Präsidenten des Deutschen Bundestages betr. Einschränkung des Zutrittsrechts zu den Sitzungen des 3. Untersuchungsausschusses. Dieser Antrag liegt auf dem Drucksachenwagen in der Eingangshalle vor.
Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Geschäftsordnungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Geschäftsordnungsantrag ist angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 19 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Präsident Dr. Jenninger
Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes
- Drucksache 10/5064 -
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0})
- Drucksache 10/6341 Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Blunck Wittmann ({1}) Baum
Schulte ({2})
bb) Bericht des Haushaltsausschusses
({3}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 10/6342 Berichterstatter:
Abgeordnete Schmitz ({4}) Frau Zutt
Dr. Müller ({5})
({6})
b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frau Blunck, Antretter, Bachmaier, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Daubertshäuser, Duve, Dr. Emmerlich, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Hauchler, Dr. Hauff, Immer ({7}), Jansen, Kiehm, Kißlinger, Dr. Klejdzinski, Dr. Kübler, Lennartz, Müller ({8}), Müller ({9}), Müntefering, Oostergetelo, Schäfer ({10}), Frau Schmidt ({11}), Dr. Schmude, Stahl ({12}), Stiegler, Frau Weyel, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes
- Drucksache 10/2653 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({13})
- Drucksache 10/6341 Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Blunck Wittmann ({14}) Baum
Schulte ({15})
({16})
c) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes
- Drucksache 10/1794 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({17})
- Drucksache 10/6341 - Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Blunck Wittmann ({18}) Baum
Schulte ({19})
({20})
d) Zweite 'und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege ({21})
- Drucksache 10/3628 -
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({22})
- Drucksache 10/6341 Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Blunck Wittmann ({23}) Baum
Schulte ({24})
bb) Bericht des Haushaltsausschusses
({25}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 10/6342 Berichterstatter:
Abgeordnete Schmitz ({26}) Frau Zutt
Dr. Müller ({27})
({28})
e) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes
- Drucksache 10/1306 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({29})
- Drucksache 10/2764 Berichterstatter:
Abgeordneter Freiherr von Schorlemer
({30})
f) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({31}) zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Bard und der Fraktion DIE GRÜNEN
Ergänzungsbedürftigkeit rahmenrechtlicher Vorschriften des Bundesjagdgesetzes zum Schutz der Waldfunktionen vor Schäden durch Schalenwild
- Drucksachen 10/1054, 10/2749 Berichterstatter: Abgeordneter Stockhausen
Zu Punkt 19 a liegen ein Änderungsantrag der 'raktion der SPD auf Drucksache 10/6343 sowie ein
Präsident Dr. Jenninger
Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/6344 vor.
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für eine gemeinsame Beratung der Punkte 19 a bis 19 f 60 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wittmann ({32}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heute vorliegende Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz ist das Ergebnis intensiver Beratungen in den einzelnen Ausschüssen. Die Beratungen im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die Beratungen im Umweltausschuß und zwei Anhörungen bieten die Gewähr dafür, daß wir hier ein Gesetzeswerk vorlegen, das die materiellen Grundlagen für einen wirksamen Arten- und Biotopschutz schafft. Eine Verabschiedung dieses Gesetzes noch in dieser Legislaturperiode war dringend erforderlich, um die Anwendung des Washingtoner Artenschutzübereinkommens und die Durchführung der entsprechenden EG-Richtlinie auch über den 31. Dezember 1986 hinaus zu gewährleisten.
Es ist in diesem Zusammenhang schon etwas seltsam, daß die SPD-Fraktion jetzt für eine Verschiebung dieser Artenschutznovelle eingetreten ist, obwohl sie damals beim Gesetz zur Anwendung des Washingtoner Artenschutzübereinkommens und der EG-Richtlinie gegen eine Befristung war, die so weit in das Jahr 1986 hineinreicht; die SPD wollte eine Befristung ja nur bis September 1986 und wollte dann die Artenschutznovelle durchsetzen.
({0})
- Herr Müller, angesichts des beschleunigten Artenschwundes und der zunehmenden Biotopzerstörungen hielten die Koalitionsfraktionen eine Vertagung dieses Gesetzes für unverantwortbar. Wir haben gerade in den Ausschußberatungen noch wesentliche Verbesserungen für den Biotopschutz einarbeiten können
({1})
und haben damit die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Lebensräume bedrohter Tier- und Pflanzenarten erhalten bleiben. Herr Müller, ich komme darauf nachher zurück. Wir haben z. B. auch die von Ihren Bundesländern gewünschte Biotopschutzregelung mit übernommen, und Sie haben dann im Ausschuß dagegen gestimmt.
Bevor ich auf einige Einzelheiten des Gesetzentwurfes eingehe, möchte ich - auch vor dem Hintergrund der anderen Gesetzentwürfe - einige allgemeine Bemerkungen machen. Ein besonderes Beispiel für „naturschützerisches Interesse" haben die GRÜNEN geboten, und sie bieten es auch jetzt. Wenn es um die Vorbereitung einer Demonstration geht, ist man vollzählig; wenn es um echten Umwelt- und Naturschutz geht, ist man nicht dabei. Bei der Beratung des Gesetzes im Umweltausschuß haben Sie durch Abwesenheit geglänzt und sich der Mitberatung enthalten. Sie haben damit wieder einmal gezeigt, daß es Ihnen nicht um sachliche Diskussion geht, sondern um die öffentliche Show.
({2})
- Sie haben doch auch Stellvertreter! ({3})
Ein Zweites möchte ich bemerken: Es ist sicher die Aufgabe des Gesetzgebers, bei den Gesetzesberatungen den Sachverstand von Verbänden mit einzubeziehen. Ich habe auch nichts dagegen, Frau Blunck, wenn sich die SPD dabei in erster Linie auf eine bestimmte Seite schlägt. Ich halte es aber für einen mehr als bedenklichen parlamentarischen Stil, wenn Fraktionen oder Abgeordnete während der Ausschußberatungen Verbände auffordern, durch gezielte Aktionen den Beratungsgang zu beeinträchtigen.
({4})
Ich denke an das, was der BUND an seine Mitgliedsverbände geschrieben hat. Er forderte seine Mitgliedsverbände auf Grund einer dringenden Bitte von Herrn Bartmann, Assistent von Frau Blunck, MdB, SPD, auf, eine Pressekampagne zu starten, um die Beratungen im Ausschuß zu beeinflussen.
({5})
Das ist nicht der parlamentarische Stil, den wir pflegen.
({6})
Wir wollen eine sachliche Auseinandersetzung.
Wir sind uns bewußt, daß mit der Regelung des Artenschutzrechts die Diskussion um eine weitere Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes in der nächsten Legislaturperiode nicht abgeschlossen ist. Der Deutsche Bundestag wird sich vor allem wegen der Umweltverträglichkeitsprüfung und der entsprechenden EG-Richtlinie erneut mit diesem Gesetzeswerk auseinandersetzen müssen.
({7})
- Sie wollten j a den Sankt-Nimmerleins-Tag! - Dies war aus Zeitgründen und wegen der Vordringlichkeit des Arten- und Biotopschutzes im Rahmen dieser Novelle nicht möglich.
Ein wesentlicher Punkt der Diskussion waren die Landwirtschaftsklauseln. Aus diesem Grunde möchte ich hier noch einmal den Standpunkt der CDU/CSU in dieser Frage darlegen. Die CDU/CSUFraktion ist zutiefst der Überzeugung, daß Naturschutz nur mit der Landwirtschaft machbar ist und nicht gegen sie. Die Artenvielfalt in Mitteleuropa ist
Wittmann ({8})
im wesentlichen ein Ergebnis der jahrhundertelangen Landbewirtschaftung.
Wir wissen natürlich, daß die Intensivbewirtschaftung erhebliche Probleme mit sich bringt.
({9})
Aber wer glaubt, diese Probleme mit einer Änderung oder Streichung der Landwirtschaftsklauseln lösen zu können, irrt sich gewaltig.
({10})
Die Landwirtschaftsklauseln haben eher deklarativen Charakter; mir ist kein Urteil bekannt, in dem sie eine wesentliche Rolle gespielt hätten. Die Landwirtschaftsklauseln im Bundesnaturschutzgesetz bedeuten eben nicht, wie Sie immer behaupten, eine generelle Bevorzugung der Land- und Forstwirtschaft, sondern nehmen unsere Bauern in die Pflicht, durch eine ordnungsgemäße Landbewirtschaftung Rücksicht auf Natur und Umwelt zu nehmen.
Die Bundesregierung und vor allem unser Landwirtschaftsminister Kiechle werden gerade im Rahmen der Maßnahmen zur Beseitigung der Überproduktion durch Flächenstillegungsprogramme, durch Grünbrache, durch Förderung von Extensivierung und durch Herausnahme von Flächen aus der Produktion für den Naturschutz mehr erreichen, als jede wie auch immer gestaltete Landwirtschaftsklausel dies bewirken könnte. Im übrigen möchte ich für unsere Fraktion hier nochmals feststellen, daß wir es nicht zulassen werden, daß die Landwirtschaft pauschal zum Umweltsünder Nr. 1 gestempelt wird.
({11})
Auch die Verbandsklage ist nach Überzeugung der CDU/CSU kein Mittel, das mehr Natur- und Umweltschutz bringt. Verbands- und Naturschutzinteressen sind im Rahmen der behördlichen Verfahren zu berücksichtigen. Verbesserungen dazu sind in diesem Gesetz enthalten. Über weitere Verbesserungen können wir sicher zu gegebener Zeit reden. Ein über das individuelle Klagerecht bei persönlicher Betroffenheit hinausgehendes Recht der Verbandsklage ist angesichts des nicht einheitlich geregelten innerverbandlichen Willensbildungsprozesses und der damit nicht immer unproblematischen Legitimation von Verbandshandeln gesellschaftspolitisch nicht wünschenswert.
Lassen Sie mich jetzt noch einige Anmerkungen zum Artenschutz machen. Die Voraussetzung für einen wirkungsvollen Artenschutz ist der Schutz der Lebensräume für Tiere und Pflanzen. Gerade deshalb haben wir den Biotopschutz gewaltig verbessert. Wir haben erstmals Tabubiotoptypen verbindlich für die ganze Bundesrepublik eingeführt. Wir haben ein Eingriffsverbot in das Gesetz aufgenommen. Letztlich kann man bloß noch aus den Gründen des allgemeinen Wohls eingreifen. Wir haben also wesentliche Voraussetzungen für einen Artenschutz geschaffen. Wir haben neue Vorschriften ermöglicht, die den Umgang und den Handel mit illegal der Natur entnommenen Tieren unterbinden und letztlich dafür sorgen, daß vor allem die illegale Naturentnahme künftig verhindert wird.
Wir haben aber auch gesagt, daß die Haltung und Zucht besonders gefährdeter Arten nicht grundsätzlich im Widerspruch zu diesen Schutzzielen stehen. Aber wir wollen und haben auch die Voraussetzungen geschaffen, daß entsprechend restriktive Vorschriften für die Haltung und die Zucht erlassen werden. Ich sage das auch hier, und ich sage das auch an unsere Bundesregierung: Wir erwarten, daß diese Vorschriften in der neuen Artenschutzverordnung sehr bald kommen, um also gerade die Haltung und die Zucht in bestimmten Bahnen zu ermöglichen.
({12})
Wir haben durch das Gesetz die Voraussetzungen dafür geschaffen.
Ich glaube, daß wir insgesamt gesehen ein gutes Gesetz gemacht haben, ein Gesetz, das den Erfordernissen des Artenschutzes entspricht und das uns letztlich im Biotop- und Artenschutz ein Stück weiter nach vorne bringt.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit - Frau Blunck, vor allem von Ihnen; im Ausschuß war das nicht immer so.
({13})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Blunck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tagtäglich werden wir mit der rapide wachsenden Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen konfrontiert. Wir sehen, wie unsere Wälder sterben, wie unsere Gewässer verschmutzen, unsere Böden verunreinigt werden. Wir registrieren auch, wie durch einen beispiellosen Raubbau an der Natur Tieren und Pflanzen der Lebensraum entzogen, wie ganze Tier- und Pflanzenarten brutal ausgerottet werden, wie die Welt, in der und von der wir leben, ständig ärmer wird.
Wir alle kennen diese traurigen Tatsachen. Allein, wir ziehen keine Konsequenzen daraus.
({0})
Wir Menschen halten uns für das Maß aller Dinge und übersehen bei dieser tragischen Selbstüberschätzung, daß wir schon längst begonnen haben, den Ast, auf dem wir sitzen, abzusägen.
({1})
Welche menschliche Überheblichkeit, aber auch Blindheit läßt beispielsweise die im Ausschußbericht getroffene Feststellung erkennen, man habe sich „mehrheitlich auf den Standpunkt gestellt, daß es in Deutschland nur eine menschlich gestaltete Natur gebe, so daß durch die von der Bundesregierung vorgeschlagene Fassung ein Konflikt zwi18898
schen den Lebensgrundlagen des Menschen und der Natur konstruiert werde"!
Wer seine Wurzeln in der christlichen Lehre sieht - und das dürften Sie, meine Damen und Herren von der Christenunion ja wohl noch für sich in Anspruch nehmen wollen ({2})
der sollte doch eigentlich demütiger sein und die Winzigkeit des Menschen gerade auch bei der Gestaltung der Natur erkennen. Wenn sich aber Menschen als Schöpfer der Natur begreifen,
({3})
dann wundert es einen auch überhaupt nicht mehr, wenn wir heute statt eines Naturschutzgesetzes ein dürftig kaschiertes Naturnutzrecht beschließen.
Als wir mit den Beratungen der längst überfälligen Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes begannen, glaubte ich, wir würden hier die Chance nutzen, endlich zu einer Neuorientierung in unserer Einstellung, in unserem Umgang mit der Natur zu kommen,
({4})
beispielsweise Rahmenbedingungen für einen bundeseinheitlichen Biotopschutz zu schaffen
({5})
oder auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens „Umweltprobleme der Landwirtschaft" auch Betreiberpflichten für die Landwirtschaft vorzuschreiben. Das hätte natürlich die Streichung oder zumindest die Änderung der Landwirtschaftsklausel zur Folge gehabt. Aber diese Hoffnung ist schon nach der ersten Sitzung des Landwirtschaftsausschusses nach der Sachverständigenberatung in Berlin gestorben.
({6})
Ich war so naiv, zu glauben, daß der Rat und der Sachverstand der Experten zur Klärung der eigenen Standpunkte dienen sollte und nicht nur als Alibi für die eigene Lernunfähigkeit herhalten muß.
Meine zweite Hoffnung, nach der Schaffung des Umweltministeriums und der Installierung des heute federführenden Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit würden Sie sich zu klaren Verbotsregelungen und Beschränkungen der Ausnahmeregelung durchringen, zerplatzte ebenfalls wie eine Seifenblase.
({7})
Nicht einmal die Mahnung des Bundespräsidenten, nur wenn wir die Natur um ihrer selbst willen zu schützen lernen, wird die Natur auf Dauer uns Menschen erlauben, weiter zu leben, hat Sie, meine Herren von der Koalition, veranlaßt, darüber nachzudenken, ob wir heute überhaupt noch Naturschutz ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit des Naturhaushaltes für den Menschen betreiben können.
({8})
Umweltschutz, Naturschutz, Reaktorsicherheit - Sie tragen diese Worte wie ein Schild vor sich und glauben, er versperrt den Blick auf Ihre Uneinsichtigkeit und Unfähigkeit. Sie wollen gar keine Veränderung: Weiter so mit dem Artentod, weiter so mit der Naturzerstörung!
({9})
Sie haben nicht begriffen, daß bloßes Weiterwursteln in die Sackgasse führt, aus der es schon in naher Zukunft keinen Ausweg mehr gibt.
({10})
In meiner Sorge, Herr Wittmann, und in meiner Not darüber habe ich mich an die engagierten Menschen in den Naturschutzverbänden gewandt und sie gebeten, eine Aktion für die Natur und für den Menschen zu starten. Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, ob - und wenn, in welchen Initiativen und Verbänden - ich mitarbeite und wen ich um Unterstützung bitte.
({11})
Ich möchte mich an dieser Stelle für die Hilfe und den Rat bedanken, die ich von vielen Einzelpersonen und Verbänden in den vergangenen Monaten bekommen habe, Menschen, die ihre Freiheit dafür opfern, ehrenamtlich und unentgeltlich arbeiten.
Dieses Gesetz hat eine Odyssee hinter sich gebracht, leider ohne glückliche Heimkehr. Der ursprüngliche Referentenentwurf wurde wegen allzugroßer Radikalität einer lang andauernden Abmagerungskur im Ernährungsministerium unterworfen, kam in den Landwirtschaftsausschuß, speckte noch einmal ab und verließ den Umweltausschuß nur noch als Schatten.
Diese Tatsache und die Mißachtung der Sachverständigenhinweise sowie die Ablehnung unseres Entgegenkommens, notfalls das Übergangsgesetz zur EWG-Verordnung noch ein weiteres Mal zu verlängern, lassen mich sehr daran zweifeln, daß Sie es mit einer grundlegenden Novellierung des Naturschutzgesetzes ernst meinen. Herr Wittmann, Sie haben es zwar immer wieder betont, aber all diese Vorgänge lassen darauf schließen, daß Sie das eigentlich nur als Alibi brauchen, und es ist nur der Hinweis darauf, daß so was am Sankt-NimmerleinsTag passieren wird. Die ständig wiederholten Erklärungen, aber der Artenschutz müsse dringend und sofort novelliert werden, damit wenigstens die Löcher des EWG-Übergangsgesetzes gestopft würden, entlarvt der vorliegende Gesetzentwurf als Täuschung.
({12})
Abgesehen davon, daß Sie in der Vergangenheit unsere Änderungswünsche für das EWG-Übergangsgesetz abgelehnt haben, weil nach Ihrer Ansicht keine Gesetzeslücken und Umgehungstatbestände vorhanden waren, haben Sie jetzt mit der Einführung einer Generalamnestie für alle vor dem 31. August 1980 eingeführten Tiere und Pflanzen - hier geht es um vom Aussterben bedrohte Tiere und Pflanzen ({13})
sogar eine Verschlechterung gegenüber der bestehenden Gesetzeslage in vielen Bundesländern in Kauf genommen.
Meine Herren, schon in der Ausschußsitzung ist eigentlich ständig klargeworden, daß Sie dieses Gesetz nicht mal gelesen haben. Deswegen sagen Sie nicht, es ist die Unwahrheit.
({14})
Dieses, was ich hier gesagt habe, stimmt so. Die Händler, die Gewerbetreibenden, die Gesetze übertreten haben, die illegal Tiere und Pflanzen und Teile daraus eingeführt haben, machen Gewinn, frei nach dem Motto: Leistung muß sich wieder lohnen!
({15})
Mit dem fadenscheinigen Argument, Privatbesitzer dürften nicht kriminalisiert werden, werden in den Ländern bestehende schärfere Vorschriften weggefegt, und für alle vor dem 1. Januar 1987 erworbenen Tiere und Pflanzen, die dem persönlichen Gebrauch oder als Hausrat dienen, genügt an Stelle des Nachweises die Glaubhaftmachung. Die aber darf nur verlangt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß eine Berechtigung nicht besteht. Sowohl die Bundesländer als auch die Praktiker vor Ort, die Zöllner, haben dringend gebeten, den „persönlichen Gebrauch" und den „Hausrat" zu definieren. Ich frage Sie: Sind acht lebende Falken persönlicher Bedarf? Der Zoll war nicht dieser Meinung und beschlagnahmte die Tiere. Das angerufene Gericht aber hat sie dem Besitzer wieder zugesprochen. Und der macht damit Geld, viel Geld, bis zu 100 000 Dollar. Ab wie vielen Krokogürtein ist der persönliche Bedarf gedeckt? Wie viele Pelzmäntel brauche ich? Wie viele Muscheln sind Hausrat?
({16})
Sie sind mit diesem Gesetz Ihrem eigenen Anspruch für einen besseren Schutz der Natur zu sorgen und gleichzeitig ein lesbares und praktikables Gesetz zu schaffen, nicht gerecht geworden. Werden Sie nun in Zukunft extra Seminare für Zöllner anbieten, damit diese über die Ausnahme von der Ausnahme des Einfuhrverbotes informiert sind? Und wo, bitte, ist die Bundesartenschutzverordnung, ohne die dieses Gesetz überhaupt nichts wert ist?
Frau Abgeordnete, sind Sie mit einer Zwischenfrage des Abgeordneten Wittmann einverstanden?
Wird das auf meine Redezeit angerechnet?
Nein, ich kann das unterbrechen.
Ja, bitte.
Bitte schön, Herr Wittmann.
Frau Kollegin Blunck, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß wir sogar entgegen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, entgegen der Meinung verschiedener Juristen die Übergangsfristen für den gewerblichen Handel mit Tieren und Tierteilen besonders geschützter Arten auf das gerade noch tragbare Maß verkürzt haben - um bloß ein Beispiel dessen zu nennen, was wir an Verbesserungen in dieser Artenschutznovelle gebracht haben?
({0})
Herr Wittmann, ich muß das nicht zur Kenntnis nehmen, weil zweimal ein Übergangsgesetz beschlossen worden ist. Diese Händler haben gewußt, was auf sie zukommt. Und Sie sorgen dafür, daß die noch ein Jahr lang horrende Gewinne machen können.
({0})
Bitte erklären Sie mir, welche Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß eine Berechtigung zum Besitz von Tieren und Pflanzen für den persönlichen Bedarf nicht vorliegt, und sagen Sie mir doch gleich noch mit, wie die Behörde von so einer Tatsache denn überhaupt Kenntnis erhält. Wie erklären Sie, daß ein Mann, eine Frau für das Abbrechen einer besonders geschützten Pflanze bestraft werden kann, der Landwirt aber, der den gesamten Standort durch Umpflügen vernichtet, rechtmäßig handelt?
({1})
Wie rechtfertigen Sie, daß vom Aussterben bedrohte Arten noch ein weiteres Jahr kommerziell und privat vermarktet werden können, mit all den schlimmen Folgen für die Menschen in der Dritten Welt?
({2})
Wie begründen Sie, daß die Haltung und die Zucht vom Aussterben bedrohter Arten nicht mehr, wie es vorgesehen war, verboten werden kann, obwohl dies zur Verhinderung der fortlaufenden Na18900
turentnahmen notwendig wäre? Vorgesehene Ausnahmeregelungen vom Zuchtverbot hätten berechtigte Züchterinteressen auch in Zukunft berücksichtigen können. Bitte gehen Sie in diesem Zusammenhang auch auf die schärferen Vorschriften des Jagdrechtes ein. Im Jagdrecht ist über die Vorschrift „Es dürfen nicht mehr als zwei Vögel von drei Arten gehalten werden" ein absolutes Zuchtverbot erfolgt.
So ließen sich noch eine Fülle von Ungereimtheiten anführen, die alle zu einem Ergebnis führen: Wir brauchen eine Änderung dieses Gesetzes. Ich kann Ihnen im Interesse der vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenwelt nur empfehlen, den in unserem Entschließungsantrag geforderten Eckpunkten für eine grundlegende Reform des Bundesnaturschutzgesetzes zuzustimmen.
Ich möchte, daß auch in Zukunft im Frühling die Bäume ausschlagen und die Vögel zwitschern.
({3})
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter gebe, möchte ich Sie davon unterrichten, daß zu Punkt 19 a der Tagesordnung zwischenzeitlich ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/6377 eingebracht worden ist. Sie finden diesen Antrag auf dem Drucksachenwagen in der Eingangshalle.
Jetzt hat der Abgeordnete Hornung das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesjagdgesetz als Rahmengesetz hat sich in unserem Lande hervorragend bewährt,
({0})
und wir werden auch daran festhalten. Es verlangt die Hege. Es verlangt die Erhaltung unserer Tierarten. Es gibt Schutz für den Wald und für die Landwirtschaft.
Die GRÜNEN haben hier einen Rest von Anspruch zusammengekramt, wo sie meinen, dem Wald noch etwas entgegenkommen zu können. Dazu muß man sagen: Das war die Generation vor Ihnen, die schon wegrotiert ist. Sie heute haben - sehen wir uns Ihre Umweltpolitik oder Ihre Energiepolitik an - überhaupt kein Interesse mehr an dieser Politik.
({1})
Von Ihrem Anspruch ist nichts mehr übriggeblieben. Wie so oft haben Sie noch nicht einmal an der Beratung Ihrer eigenen Anträge teilgenommen. Das ist die Wirklichkeit, mit der wir uns auseinandersetzen.
Sie verlangen neue Gesetze, und Sie halten sich nicht daran. Sie verlangen neue Behörden, neue Institutionen. Zugleich sagen Sie, diese seien nicht unabhängig genug. Sie möchten Ihre Organisationen einsetzen. Die Wirklichkeit sieht anders aus.
Ich darf aus dem Bundesjagdgesetz zitieren. Hier heißt es in § 1:
Ziel [ist] die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepaßten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen; ...
In § 21 - um Ihnen nur wenige Dinge zu sagen - heißt es:
... die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden [müssen] voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden.
Zu dem, was Sie in Ihrem Antrag moniert haben, heißt es:
In den Ländern sind Jagdbeiräte zu bilden, denen Vertreter der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, der Jagdgenossenschaften, der Jäger und des Naturschutzes angehören müssen.
Somit ist die Wirklichkeit wohl etwas anders. Eine Emnid-Umfrage zeigt: 74 % der Bevölkerung sind für die Jagd, Wald und Wild gehören zusammen, Jäger sind anerkannte Umweltschützer.
Der Waldschadensbericht zeigt, daß die Ursachen der Schäden nicht vom Wild kommen, sondern daß anderes im Vordergrund steht. Die Gründe, daß dennoch überhöhte Wildbestände da sein können - das bestreiten wir nicht -, liegen in der Waldbewirtschaftung, in der Vereinsamung der Holzarten, in der Verdrängung. Auch durch bestimmte Kultursicherungen können solche Probleme entstehen. Wildäsungsflächen sind dennoch notwendig, weil sie die Vielfalt der Weichhölzer, der Kräuter und der Pflanzen schützen. Fütterung wird nur in der Not durchgeführt. Sie dient der Ablenkung z. B. von Schwarz- und Flugwild.
Die Probleme sind in einem anderen Bereich viel größer, nämlich im Betretungsrecht. Wild wird zum Nachttier. Die Wiederkäuer haben keine Ruhezonen mehr. Die absolute Freiheit des einzelnen, die Natur für sich allein zu erleben, mitten im Gebüsch morgens um 4 Uhr aufzutauchen, mit dem Auto durch den Wald zu fahren, als Wanderer mit Radio aufzukreuzen, stört viel mehr. Auch den Skisport möchte ich anführen, das Tourenfahren, ebenso den Fremdenverkehr. Wir haben bei einer Reise des Ausschusses in die Alpenregion erlebt, daß gerade durch diesen Sektor die Schäden am allergrößten sein können.
Wir müssen die Probleme gemeinsam lösen. Es gibt im Europäischen Parlament eine interfraktionelle Gruppe „Jagd und Umwelt". Ich meine, das ist eine gute Lösung.
Ich meine, wir müssen auch die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft verbessern, damit mehr Flächen für die Umwelt, für Wild und Wald zur Verfügung stehen, damit der Jäger wieder waidgerecht das regeln kann, was die Natur nicht allein schafft.
Wir lehnen Ihre Anträge ab.
Ich grüße Sie in diesem Sinne mit: Waidmannsheil.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Werner ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zunächst einen Vergleich zu machen, da wir über Naturschutz sprechen. Zur Zeit läuft den Rhein eine Giftwelle herunter, die von Basel ausgeht. Nach Berichten der Firma sind 10 bis 30 t Pflanzenschutzmittel in den Rhein gelangt. 10 bis 30 t verschmutzen den gesamten Rhein und bringen ein enormes Fischsterben. In der Landwirtschaft verwenden wir jedes Jahr 30 000 t. Ich möchte diesen Vergleich zwischen 10 t und 30 000 t anstellen. Natürlich beziehen sich die 30 000 t auf die ganze Fläche, und der Boden kann relativ viel vertragen. Aber er bekommt jährlich 30 000 t ab.
({0})
Wir werden heute die Verabschiedung des Regierungsentwurfs zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes erleben. In § 1 soll es heißen:
Natur und Landschaft sind im besiedelten und unbesiedelten Bereich so zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln, daß
1. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts,
2. die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter,
3. die Tier- und Pflanzenwelt sowie
4. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft
an sich sowie als Lebensgrundlagen des Menschen und als Voraussetzung für seine Erholung in Natur und Landschaft nachhaltig gesichert sind.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, solange Sie keine ernsthaften Anstrengungen in der Luftreinhaltepolitik unternehmen, solange Sie weiterhin 8 000 Kilometer Fernstraßenbau gutheißen und solange Sie eine Landwirtschaft, die artenreduzierend ist, als diesem Gesetz dienend bezeichnen, so lange ist der schöne § 1 nicht mehr wert als das Papier, auf dem er steht.
Alle Naturschutzverbände und auch der Sachverständigenrat in seinem Gutachten „Landwirtschaft und Umwelt" sehen es als widersinnig an, die Landwirtschaftsklausel beizubehalten. Wenn es hieße „Der biologische Landbau dient in der Regel den
Zielen dieses Gesetzes", würden Sie die Zustimmung der Naturschutzverbände erhalten
({1})
Alle diese Verbände sehen den Entwurf der GRÜNEN gegenüber dem Regierungsentwurf als den besseren an, speziell auch bei § 8 Abs. 7, wo unser Entwurf landwirtschaftliche Maßnahmen benennt wie z. B. Entwässerung und Umwidmung von Flächen, die außerhalb der üblichen Bodenbewirtschaftung liegen und genehmigungs- oder ausgleichspflichtig sind. Andererseits darf das Mähen einer Wiese oder das Ernten eines Zuckerrübenfeldes nicht als strafbarer Eingriff in die Natur gelten. Soviel meine ich auch als Landwirt sagen zu sollen.
({2})
Trotz jahrelangen Kampfes der Verbände wird ihnen auch in der neuen Fassung des Bundesnaturschutzgesetzes ein Klagerecht nicht zuerkannt. Genauso wichtig wie die erforderliche Verbandsklage ist allerdings eine Erweiterung des Mitwirkungsrechts von Anbeginn aller Planungen. Je eher bei Maßnahmen, die den Naturschutz betreffen, die Verbände gehört werden, desto weniger werden sie Grund haben, später zu klagen.
({3})
In fünf Bundesländern ist die Verbandsklage inzwischen in unterschiedlicher Ausgestaltung eingeführt, ohne daß die verwaltungsrechtliche Systematik Schaden gelitten hätte oder die Gerichte mit Klagen überflutet worden wären.
Das Schlagwort - wir haben es vorhin auch von Ihnen gehört, Herr Wittmann - „Naturschutz geht nur mit den Bauern" kann nur dann verwirklicht werden, wenn die Agrarpolitik den Wert einer Landwirtschaft erkennt, die im Einklang mit der Natur arbeitet,
({4})
und die Bauern nicht finanziell gezwungen sind, immer intensiver zu wirtschaften.
Die vorliegende Fassung der Artenschutznovelle verhindert nicht, daß künftig weiterhin mit geschützten Arten gehandelt wird. Die Haltung aller vor 1980 illegal in den Besitz von Händlern und Hobbysammlern gelangten geschützten Tiere wird praktisch legalisiert, so daß in Zukunft nicht zwischen vorhandenen und neu in den Verkehr gebrachten Exemplaren zu unterscheiden ist.
Meine Damen und Herren, das Bundesnaturschutzgesetz besteht nicht nur aus Bestimmungen über die Verbandsklage und der Landwirtschaftsklausel; unser Entwurf bietet in fast allen Paragraphen eine Verbesserung an. Wir können unmöglich Ihrem Entwurf zustimmen.
Unser Antrag zum Schutz der Waldfunktion vor Schäden durch Schalenwild vom 24. Februar 1984 hat in den seither vergangenen zweieinhalb Jahren nichts an Aktualität verloren. Wir haben gerade ge18902
Werner ({5})
hört, daß das Jagdrecht bestens in Ordnung sei und nichts daran zu ändern sei. Aber solange Wildbestände eine Naturverjüngung immer wieder zerstören, so lange ist das Bestehen des Jagdrechts in seiner jetzigen Durchführung unzureichend. Negative Auswirkungen sind im besonders stark geschädigten Hochwald der Alpenregion immer wieder festzustellen.
Das neue Ministerium für Umwelt und Naturschutz hat mit dieser Novellierung traurige Zustände in der Naturschutzgesetzgebung wieder festgeschrieben.
Schönen Dank.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Baum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weise die pauschale Diffamierung, Frau Kollegin Blunck, die Sie gegen dieses Gesetz zum Ausdruck gebracht haben, entschieden zurück. Offenbar haben Sie das Gesetz nicht zur Kenntnis genommen.
({0})
Sie nehmen auch in den Anhörungen offenbar nur das zur Kenntnis, was Ihnen gefällt, und nicht das, was von durchaus ernst zu nehmenden Sachverständigen in unserem Sinne gesagt worden ist.
Das Gesetz ist eine wichtige Weiterentwicklung des Naturschutzes. Wir werden dabei nicht stehenbleiben. Das haben wir gesagt; das führe ich auch hier aus. Aber der Arten- und Biotopschutz wird deutlich verstärkt - das wissen Sie -, beispielsweise durch die Eingriffsverbote in § 20 b1. Es gibt auch keine Generalamnestie, wie Sie behauptet haben.
({1})
Sie haben also an der Wirklichkeit vorbei argumentiert. So kommen wir in der Debatte nicht weiter.
({2})
Wir sind in der Tat auch für eine umfassende Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes. Aber Sie selber sagen ja, daß das in dieser Legislaturperiode nicht zu leisten ist. Wir sind der Meinung, daß erstens die Verbandsklage und die Verbandsbeteiligung im Verwaltungsverfahren eingeführt werden sollten; daß wir uns zweitens die Änderung der Landwirtschaftsklausel vornehmen müssen; daß drittens eine weitere grundlegende Verbesserung des Biotopschutzes erforderlich ist; daß wir viertens die inhaltliche und verfahrensmäßige Ausgestaltung der Landschaftsplanung in Angriff nehmen müssen; daß wir fünftens eine weitere Konkretisierung und Verschärfung der Eingriffsregelungen überlegen müssen; daß wir sechstens alle miteinander die EWG-Richtlinie zur Umweltverträglichkeit in die deutsche Gesetzgebung, also auch in dieses Gesetz aufnehmen müssen.
Der Ausbau des Naturschutzes muß ein Schwerpunkt der Umweltschutzpolitik der nächsten Jahre bleiben, und zwar nicht nur auf Bundesebene, sondern auch bei den Ländern. Die personelle Ausstattung der zuständigen Behörden ist vielfach unzureichend. Es fehlen Mittel, um Naturschutzprojekte zu realisieren. Um so erfreulicher ist es, daß der Haushaltsausschuß dieses Parlaments auf Antrag meines Kollegen Weng beschlossen hat, die Mittel des Bundes für Biotopschutz von 4 auf 10 Millionen DM zu erhöhen, also mehr als zu verdoppeln.
Schon heute kennen wir eine Vielzahl herausragender Projekte. Diese können nur gelingen, wenn sie durch Eigeninitiative der Bürger und ihrer Verbände unterstützt werden. Wir wollen die Zusammenarbeit mit den Naturschützern und ihren Verbänden. Aber wir bitten auch diese, unser Gesetz wirklich objektiv zu betrachten und nicht auf parteipolitische Parolen hereinzufallen, die Sie verbreiten, Frau Kollegin Blunck.
({3})
Wir können und wollen nur Starthilfe geben.
Wir sind auch der Meinung, daß ein Programm zum Schutz und zur Wiederherstellung der Großökosysteme, also von Hochgebirge, Bergwäldern, von Flußauen und Wattenmeeren, notwendig ist.
Die Arbeiten an der Fortsetzung der Verbesserungen dieses Gesetzes sollten unmittelbar nach Beginn der nächsten Legislaturperiode einsetzen. Ich bekenne freimütig: Vielleicht sollten wir das Gesetz, Herr Kollege Wittmann, auch einmal solchen Leuten zu lesen geben, die mit Verwaltungsvereinfachung zu tun haben. Es ist etwas arg kompliziert.
({4})
Diese Teilnovellierung bringt wichtige Verbesserungen im Arten- wie auch im Biotopschutz. Die Kritiker verkennen auch, daß der Bund nur eine Rahmenkompetenz hat. Die Kritiker verkennen, daß das Gesetz j a erst zu leben beginnt, wenn die Verordnungen da sind. Das Gesetz muß durch Verordnungen ausgefüllt werden. Mit dem Gesetz wird der Schutz gefährdeter Tiere und Arten verbessert. Es ist kein Rückfall gegenüber dem Länderrecht. Der Artenschutz, der zur Zeit weitgehend landesrechtlich geregelt ist, wird auf Bundesebene vereinheitlicht. Die Rechtsanwendung wird vereinfacht.
Die besonders geschützten Arten werden einem generellen Vermarktungsverbot unterworfen. Das gilt auch für Pflanzen. Für besonders geschützte Arten, die nicht im Washingtoner Abkommen enthalten sind, wird für Ein- und Ausfuhr eine Genehmigungspflicht eingeführt. Für Arten, die dem Washingtoner Abkommen unterliegen, können strengere Einfuhr- und Ausfuhrregelungen getroffen werden. Hier wird der Bundesregierung also ein Spielraum eröffnet. Das wird den Naturschutz in unserem Lande verbessern.
Haltung und Zucht durch die zoologischen Gärten werden durch die Novelle nicht verboten. Jedoch werden die Mindestvoraussetzungen für Haltung und Zucht exakt festgelegt, die jedoch in seriösen Zoobetrieben natürlich erfüllbar sind. Im Interesse
unserer bedrohten Arten wird also auch für die Zoos künftig der Erwerb von Exemplaren von Arten, die vom Aussterben bedroht sind, erschwert.
Mit der Novelle werden erstmals Strafbestimmungen für besonders schwerwiegende Verstöße im Gesetz niedergelegt. Der Biotopschutz wird entscheidend verstärkt durch § 20 bl.
Meine Damen und Herren, das sind also Bestimmungen, die wir jetzt ruhig in Kraft treten lassen sollten. Sonst, Frau Kollegin Blunck, müssen wir nämlich mindestens bis 1988 warten. All die Dinge, die ich jetzt aufgeführt habe, würden sonst überhaupt nicht Gesetz werden.
Bei der von mir in Aussicht genommenen umfassenden Novellierung ist notwendig, daß die Zuständigkeiten in einem Bundesamt konzentriert werden.
Wir sind der Meinung - das habe ich schon angesprochen -, daß die Landwirtschaftsklausel modifiziert werden sollte. Aber es gilt für die Landwirtschaft schon jetzt das allgemeine Abwägungsverbot nach dem Naturschutzgesetz. Auch die Landwirtschaft wird also nicht von den Pflichten des Gesetzes ausgenommen. Wir erkennen an, was die Landwirte für den Naturschutz in unserem Lande tun.
({5})
Wir wollen, daß die Partnerschaft zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz ausgebaut wird. Im Zuge der notwendigen Agrarstrukturreform zielen wir z. B. auf den Ankauf und die Anpachtung von landwirtschaftlich genutzten Flächen für den Natur- und Gewässerschutz. Statt sinnloser Überschußproduktion, die niemand braucht, sollte j eden-falls ein Teil der Landwirtschaft dafür eingesetzt werden, daß unsere Natur erhalten bleibt.
Eine wichtige Forderung der FDP bei der umfassenden Novellierung ist auch die Einführung der Verbandsklage. Wir hätten es schon jetzt für notwendig und wünschenswert gehalten - das wäre auch zu machen gewesen -, eine Änderung des § 29 im Sinne einer Mitwirkung der Naturschutzverbände im Verwaltungsverfahren durchzusetzen.
Meine Damen und Herren, wir erklären uns mit dieser Teilnovellierung, mit diesem Schritt einverstanden. Wir erleben j a leider gerade vor unserer Tür ein Stück Naturzerstörung durch die Schadstoffbelastung des Rheins. Es ist schade, daß wir in dieser Woche, da wir so viele Aktualitäten diskutiert haben, dieses Thema nicht diskutieren konnten.
({6})
Das ist für die nächste Woche vorgesehen. Ich meine, daß wir hier eine Reihe von Konsequenzen im internationalen Miteinander am Rhein ziehen sollten, auch was unsere eigenen Anforderungen angeht. Das ist dann auch praktischer Naturschutz. Auch hier werden wir uns stellen.
Meine Damen und Herren, wir Liberalen stimmen dieser Teilnovellierung zu, streben aber eine weitergehende Novellierung in der nächsten Legislaturperiode an.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Bachmaier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Baum, in einem Punkt möchte ich Ihnen ausdrücklich zustimmen: Wenn es einen Ehrenpreis in diesem Land für das von der Gesetzestechnik her wohl unverständlichste und vom Laien bestimmt nicht zu kapierende Gesetz geben sollte, dann, glaube ich, hätte in erster Linie die Bundesregierung diesen Ehrenpreis verdient.
({0})
- Herr Susset, wenn eine Regierung ständig durch die Lande zieht und erklärt, man müsse Gesetze und Verwaltungsverfahren vereinfachen, und dann von der Gesetzestechnik her ein solches Elaborat produziert wie das, das hier vorgelegt worden ist - -({1})
- Herr Marschewski, ich weiß, daß Sie da betroffen sind. Herr Marschewski, das finde ich ja sehr nett: Sie haben ja im Sommer dieses Jahres, als wir das Bundesnaturschutzgesetz im Rechtsausschuß in einem ersten Durchgang beraten haben, mitgestimmt, als wir feststellten: Dieses Gesetz ist nicht anwendbar und nicht vollziehbar.
({2})
Deshalb wäre es wohl besser, wenn Sie sich an Ihre eigenen Erkenntnisse in nichtöffentlichen Ausschußsitzungen erinnerten, anstatt hier mit den Wölfen zu heulen. Das wäre in diesem Fall wohl angebrachter.
({3})
- Herr Susset, ich will Sie ja gar nicht fragen, ob Sie das gelesen haben. Die weitere Frage, die dann zu stellen wäre, will ich schon gar nicht anfügen.
Auf jeden Fall ist das, was jetzt herausgekommen ist, von der Lesbarkeit her ein bißchen besser, aber das Gesetz ist beileibe noch in einem hohen Maße unlesbar und unverständlich. Es ist auch eine Art des Umgangs mit dem Bürger, die Gesetze so zu machen, daß die Bürger sie nicht verstehen, nicht anwenden können. So kann man ja auch mit dem Bürger umgehen, wenn man notgedrungen Dinge einfügt, die man eigentlich nicht darin haben will.
Nächster Punkt. Mir kommen fast die Tränen, wenn ich hier von seiten der Regierungskoalition höre, man müsse über die Verbandsklage, über eine Landwirtschaftsklausel, über eine Umweltverträglichkeitsprüfung und all die Dinge, die von meiner Kollegin Frau Blunck hier angesprochen worden sind, noch reden; dies sei noch nicht genügend durchdacht, dies sei nicht genügend beraten worden. Herr Baum, waren nicht Sie an der Regierungserklärung des Jahres 1980 beteiligt, in der damals angekündigt wurde, man wolle die Verbandsklage einführen? Liegt Ihnen nicht seit zwei Jahren
Bachmaier
unser Gesetzentwurf vor, der nach langen Diskussionen in der Öffentlichkeit hier eingebracht worden ist und in dem ein präziser Vorschlag gemacht wurde, wie man die Verbandsklage in das Bundesnaturschutzgesetz implantieren könnte? Von mangelnder Zeit kann hier also nicht die Rede sein. Man will nicht. Man macht hier den üblichen Spagat am Ende einer Wahlperiode. Man verabschiedet, worum man nicht herumkommt und was einem genehm ist. Das andere verweist man in das Ressort Ankündigung mit einem hohen Maß an Unverbindlichkeit. Das ist der beste Weg, um alle Klienten zu bedienen: Diejenigen, die weiter wollen, kriegen etwas für die Ankündigung. Und bei denen, die man beruhigen will, nimmt man das Minimum, das man hier im Gesetz umgesetzt hat.
({4})
- So ist es doch. Herr Baum, es ist ja so: Immer dann, wenn es gilt, bei grundlegenden Fragen des Natur- und Umweltschutzes Farbe zu bekennen, kneift die Regierung
({5})
- oder kneifen, wie in diesem Fall, die Koalitionsparteien, was man an einem Punkt noch erklären kann.
({6})
Mittlerweile z. B. ist fast unbestritten, daß die Belange der Natur in materiellrechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht nachhaltig verbessert werden müssen, daß es daher u. a. erforderlich ist, den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern, den anerkannten Natur- und Landschaftsschutzverbänden
({7})
- das hängt sehr wohl zusammen - ein Klagerecht im Bereich des Natur- und Landschaftsschutzes in ihrer Funktion als Interessenwahrer der Natur einzuräumen, und daß es auch erforderlich ist, besonders der belebten Natur als unserer Mitwelt oder, wenn Sie so wollen, als elementarem Bestandteil der Schöpfung das eigene Lebensrecht, ja, inzwischen muß man schon fast sagen: Überlebensrecht, zu sichern, und die Landwirtschaftsklausel so zu konkretisieren, wie es in unserem Gesetzentwurf geschehen ist, und daß es endlich an der Zeit ist, die EG-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung in nationales Recht umzusetzen.
({8})
Hier hätten Sie Gelegenheit gehabt, in einigen ganz wichtigen Punkten Farbe zu bekennen. Sie wollten nicht. Dies ist der entscheidende Punkt. Nicht aber weiterer Beratungsbedarf, den Sie hier apostrophieren, ist hier vonnöten. Wann wollen Sie denn überhaupt zum Handeln kommen?
Bei der Debatte und Entscheidung des Bundestags über unseren Gesetzentwurf zur Verankerung des Umweltschutzes im Grundgesetz mußten wir schon zu Beginn dieses Jahres erfahren, wie die hehren Bekenntnisse zum Umweltschutz anläßlich von Fest- und Feiertagsreden in der harten Werktagsarbeit dann, wenn es ernst zu machen gilt, von Ihnen buchstabiert werden. Weil man in den Reihen der Koalition erkannt hat, daß eine Verankerung des Umweltschutzes im Grundgesetz dazu beiträgt, die existenzsichernden Belange des Umweltschutzes bei staatlichen und gesellschaftlichen Abwägungsprozessen stärker als bisher zur Geltung zu bringen, wurde unser Antrag abgelehnt. Die gleichen Motive stehen wohl heute Pate, wenn Sie unsere ergänzenden Anträge zurückweisen.
Unsere Anträge, den Verbänden, die sich unabhängig von Eigentümerpositionen der Natur- und Landschaftspflege verschrieben haben, ein eigenes Verbandsklagerecht einzuräumen, wenn Eingriffe in die Natur und in die geschützten Landschaftsbereiche drohen - das ist j a nur ein kleiner Ausschnitt -, werden auf die lange Bank geschoben.
({9})
- Ich danke für den Hinweis. Aber dies werden Sie sicher nachher einer geneigten Öffentlichkeit noch hinreichend zu Gemüte führen.
Über das Institut der Verbandsklage wurde lange und nachhaltig diskutiert. Frankreich, die USA, die Schweiz und drei Bundesländer, nämlich Bremen, Hamburg und Hessen, haben mit diesem schon vor Jahren eingeführten Institut gute, ja sehr gute Erfahrungen gemacht.
({10})
- Lenken Sie doch nicht ab! Hören Sie hier zu! - Nach den uns vorliegenden Informationen hat es weder im Ausland noch in den genannten Bundesländern die von Ihnen immer wieder gegen die Verbandsklage ins Feld geführte befürchtete Prozeßflut gegeben.
({11})
Im Gegenteil, dieses Institut führt zu einer Bündelung der Verfahren, deren Anliegen es ist, ausschließlich die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes unabhängig von der jeweiligen Eigentümerposition - das muß man immer wieder betonen
- ins Feld zu führen.
({12})
- Ich habe ja gehört, wer es gesagt hat.
Es geht einfach auf Dauer nicht an, daß wir ein breit aufgebautes Rechtsschutzsystem für die Belange des Eigentums haben, während gerade die Belange des Natur- und Umweltschutzes, allerdings auch die Belange der künftigen Generationen, in unserem Rechtssystem bislang keine hinreichende Berücksichtigung finden.
({13})
Geradezu grotesk - jetzt hören Sie einmal genau zu - stellt sich die Situation bei der Novellierung des § 1 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes dar. Hier hat die Regierung noch in ihrem Entwurf einen löblichen und durchaus richtigen Schritt in die richtige Richtung unternommen, als sie der Natur
- und so steht es wörtlich drin - „ein eigenes Lebensrecht" zuzubilligen bereit war. Heute, nachBachmaier
dem wir sogar ein eigenes Umweltschutzministerium und einen eigenen Minister haben, der eigentlich die Belange des Natur- und Umweltschutzes nachdrücklicher vertreten sollte ({14})
schreckt - ich glaube, daß das Ihnen so gefällt - die Regierungskoalition sogar vor ihrer eigenen Courage zurück und nimmt es hin, daß diese Vorschrift durch den federführenden Ausschuß, nämlich dem Umweltausschuß, wieder gestrichen wird.
({15})
- Herr Laufs, ich habe im Rechtsausschuß mitberaten, und ich weiß, warum Sie diese Vorschrift aus dem Verkehr gezogen haben. Es ist auch bemerkenswert, daß keiner Ihrer Redner heute dazu etwas gesagt hat. Geben Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Ihrem Herzen einen Stoß, und stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu. Sie leisten damit Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit einen nachhaltigen Dienst.
Lassen Sie - lassen Sie mich dieses zum Abschluß sagen - den Herrn Bundespräsidenten nicht im sauren Regen stehen, der unlängst gefordert hat, daß nur dann, wenn wir die Natur um ihrer selbst willen zu schützen lernen, nur dann wird die Natur auf Dauer uns Menschen erlauben weiterzuleben. Den Gedanken hatten Sie ursprünglich einmal, vor dem Vollzug sind Sie bis dato zurückgeschreckt. Sie haben heute noch eine Chance.
Herzlichen Dank.
({16})
Das Wort hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Mit dem ersten Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, der sogenannten Artenschutznovelle, erfüllt die Bundesregierung einen Auftrag, den ihr der Deutsche Bundestag bereits im Herbst 1983 einhellig erteilt hat. Ich zitiere aus der Entschließung des Deutschen Bundestages, mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, eine Entschließung, die auf Antrag der SPD-Fraktion gefaßt wurde. Es heißt dort:
Die Bundesregierung wird ersucht, bis zum 30. September 1984 ein Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes mit dem Ziel einer Gesamtnovellierung des Artenschutzes vorzulegen, um einen wirksamen Artenschutz in der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten.
Ich denke, genau dieser Auftrag und der des Bundesrates vom Dezember 1983 wird mit der vorliegenden Novelle erfüllt.
Die Rechtsmaterie ist so geordnet und so vereinfacht und vereinheitlicht worden, wie dies geboten war. Wer das bestreitet, dem empfehle ich einen Vergleich des künftigen Rechtszustandes mit der gegenwärtigen Rechtslage: elf Ländergesetze, zwei Bundesgesetze.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen ja gerne einräumen: Dieser Text ist in der Tat schwer lesbar, ist nicht leicht. Sie wissen aber, welche Mühe sich gerade die Damen und Herren Abgeordneten bei dieser Beratung gegeben haben, wie eng die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern gewesen ist. Bitte bedenken Sie: Hier war EG-Recht umzusetzen, ferner waren eine besondere Regelungsdichte, EG-Verordnungen - ich sagte schon - Landesrecht und auch Bundesrecht zu berücksichtigen. Es sind hier j a auch mehrere Rechtskreise zusammengetroffen: Naturschutzrecht, Jagdrecht, EG-Recht. Darüber ist hier im einzelnen gesprochen worden.
Die Artenschutznovelle befriedigt einen besonders dringenden Regelungsbedarf, der, so denke ich, auch von der Opposition nicht ernsthaft bestritten wird. Nachdem wir das Vordringliche getan haben, können wir uns in der kommenden Wahlperiode weiteren Fragen mit der gebotenen Gründlichkeit widmen. Ich darf aufnehmen, was Sie, Herr Abgeordneter Baum hier in diesem Zusammenhang gesagt haben. Ich erkläre auch heute, daß ich mit der Verabschiedung den Novellierungsbedarf des Bundesnaturschutzgesetzes keineswegs für erledigt halte. Sie, Herr Abgeordneter Wittmann, haben dies ebenfalls deutlich zum Ausdruck gebracht.
Das Bundesnaturschutzgesetz ist ja erst zehn Jahre alt, und wir dürfen auch sagen: Insgesamt hat es sich gewiß bewährt. Ich erinnere daran, daß es 1976 von der SPD-Fraktion als starker Impuls für mehr Naturschutz und Landschaftspflege im Rahmen moderner Erfordernisse begrüßt wurde.
({1})
In den seither vergangenen zehn Jahren konnten Erfahrungen gesammelt werden, haben sich neue Einsichten ergeben,
({2})
sind - sagen wir doch auch dies in aller Offenheit - Probleme deutlich, Lösungswege sichtbar geworden, die zu einer Weiterentwicklung des Bundesnaturschutzgesetzes auch außerhalb des Artenschutzbereichs führen müssen. Ich nenne nur Beispiele, über die wir uns miteinander zu unterhalten, mit denen wir uns gewiß zu beschäftigen haben: Landschaftsplanung, Eingriffsregelung, auch in Verbindung mit der Umweltverträglichkeitsprüfung.
({3})
Das immer wieder diskutierte Thema Verhältnis von Landwirtschaft und Naturschutz wird uns beschäftigen. Ob uns das gefällt oder nicht, es wird so sein. Es wird auch um die Frage gehen, ob es für Bürger und Verbände bessere Mitwirkungsmöglich18906
keiten gibt. Und es wird natürlich vor allem um den Biotopschutz zu gehen haben.
({4})
Das sind wichtige, aber, so sage ich, gewiß auch häufig schwierige Fragen, die wir nicht leicht beantworten können. Ich habe z. B über das Verhältnis von Landwirtschaft und Naturschutz bei vielen Gelegenheiten gesagt: Wir werden das entweder gemeinsam miteinander lösen, oder wir werden es überhaupt nicht lösen.
({5})
- Warum, verehrte gnädige Frau, warum? Ich glaube, es geht gar nicht anders. Wenn wir einer Gruppe von vornherein kein Vertrauen entgegenbringen, einer Gruppe von vornherein unterstellen, daß sie nicht bereit sei, für die Natur, für unsere Umwelt mit uns gemeinsam engagiert zu arbeiten, dann bin ich der festen Überzeugung, daß all unsere Bemühungen keinen Zweck haben. Es geht nicht nur darum, Gesetze zu erlassen, Ge- und Verbote zu erlassen, sondern es geht auch darum, daß die Menschen von uns überzeugt werden und begreifen, daß es hier nicht um Parteipolitiken geht, sondern um eine Sache, die es wert ist, daß man sich dafür engagiert.
({6})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf doch daran erinnern: Schon 1983 stand außer Zweifel, daß all dies in einer Legislaturperiode nicht geleistet werden könne. Daher auch das Einvernehmen, in dieser Legislaturperiode das zu tun, was vordringlich ist, nämlich die Gesamtnovellierung des Artenschutzrechts.
Diese Novellierung steht heute vor ihrem Abschluß. Sie bringt deutliche Fortschritte.
({7})
Nur wenige Beispiele: Erstens. Regelungslücken werden geschlossen. So können jetzt z. B. nationale Ein- und Ausfuhrregelungen erlassen und durch die Übertragung der Zuständigkeiten auf Bundesbehörden auch tatsächlich vollzogen werden.
Zweitens. Das Artenschutzrecht wurde durchsetzbar gemacht und übrigens auch mit fühlbaren Sanktionen bewehrt. So können Geldbußen bis zu 100 000 DM verhängt werden. Es sind sogar Freiheitsstrafen mit einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren vorgesehen. Also, das ist doch alles völlig deutlich. Die Plünderung von Fauna und Flora ist jedenfalls kein Kavaliersdelikt mehr.
({8})
Hier hat der Gesetzgeber eindeutige Formulierungen gewählt. Auf diese Weise und auch dank der bundesweiten Einführung des objektiven Einziehungsverfahrens ist es nunmehr möglich, wirkungsvoll in die Grauzone des Besitzes und der Vermarktung geschützter Tier- und Pflanzenarten einzudringen.
({9})
Drittens. Die Artenschutznovelle schafft auch die Voraussetzung für einen Einstieg in bundesrechtliche Regelungen zum Biotopschutz. Die bundeseinheitliche Festlegung von hochgefährdeten Biotoptypen ist ein großer Fortschritt und ein Signal. Wir müssen auf diesem Wege weiter voranschreiten.
({10})
- Ja, ich weiß es. - Damit sind ca. 2 bis 3 % der Fläche der Bundesrepublik Deutschland kraft Gesetzes vor ökologisch nachteiligen Veränderungen künftig besonders geschützt.
Abschließend möchte ich einen sehr persönlichen Dank all denen aussprechen, die im Bundesrat und Bundestag an der Artenschutznovelle so engagiert mitgewirkt haben. Bitte, genehmigen Sie mir, daß ich zwei Persönlichkeiten stellvertretend danke.
An erster Stelle danke ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({11}) von der SPD-Fraktion, dem Vorsitzenden des bis zur Sommerpause federführenden Ernährungsausschusses. Herr Kollege Dr. Schmidt ({12}) hat j a die Beratungen des Bundesnaturschutzgesetzes bereits vor zehn Jahren mit großem Engagement zu einem guten Ende geführt.
({13})
Ich glaube, es ist selbstverständlich, daß wir uns dafür bei dieser Gelegenheit bedanken.
({14})
Und dann möchte ich auch Herrn Dr. Göhner, dem ersten Vorsitzenden des neuen Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, stellvertretend danken. Unter seiner Leitung hat der Umweltausschuß die im Ernährungsausschuß begonnene Arbeit an der Artenschutznovelle zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht. Ich möchte mich dafür ausdrücklich bei dieser Gelegenheit bedanken.
({15})
Lassen Sie mich zum Schluß sagen, meine Damen und Herren: Der Naturschutz ist eine viel zu ernste und wichtige Sache, als daß er zum parteipolitischen Zankapfel gemacht werden sollte. Ich sehe im Naturschutz einen Kernbereich des Umweltschutzes. Naturschutz und Landschaftspflege müssen im Zentrum jeder ökologisch orientierten Umweltpolitik stehen. Dafür bitte ich auch in Zukunft um Ihre Zustimmung und Unterstützung.
({16})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Vizepräsident Westphal
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19a, und zwar den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 10/5064 in der Ausschußfassung.
Ich rufe Art. 1 auf. Hierzu liegen Änderungsanträge der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/6343 und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/6377 vor.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/6343? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Änderungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/6377? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer stimmt für Art. 1 in der Ausschußfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Art. 1 ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. 2 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind mit Mehrheit angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit Mehrheit angenommen.
Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/6344 ab. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19 b, und zwar den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/2653. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/6341 unter Nr. II, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich rufe Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei einer Reihe von Enthaltungen mit Mehrheit in der zweiten Beratung abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung jede weitere Beratung.
Wir kommen nunmehr zu der Einzelberatung und Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19 c, nämlich den Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/1794. Der Ausschuß empfiehlt, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit großer Mehrheit abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung jede weitere Beratung.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19 d, und zwar den Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3628. Der Ausschuß empfiehlt, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich rufe Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dieser Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit großer Mehrheit abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Wir stimmen jetzt über den Tagesordnungspunkt 19e ab, den Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/1306. Der Ausschuß empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/2764, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.
Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit großer Mehrheit abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Wir stimmen jetzt über Tagesordnungspunkt 19f ab, und zwar über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf Drucksache 10/2749. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf der Drucksache 10/1054 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 26 a und 26b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. de With, Frau Blunck, Bachmaier, Catenhusen, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dr. Diederich ({0}), Egert, Dr. Emmerlich, Fischer ({1}), Frau Fuchs ({2}), Frau Fuchs ({3}), Frau Dr. Hartenstein, Frau Huber, Immer ({4}), Klein ({5}), Dr. Kübler, Kuhlwein, Lambinus, Frau Luuk, Frau Dr. Martiny-Glotz, Frau MatthäusMaier, Müller ({6}), Frau Odendahl, Peter ({7}), Frau Renger, Frau Schmedt ({8}), Frau Schmidt ({9}), Schmidt ({10}), Dr. Schöfberger, Schröder ({11}), Dr. Schwenk ({12}), Frau Simonis, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Dr. Soell, Frau Steinhauer, Stiegler, Frau Terborg, Frau Dr. Timm, Frau Traupe, Frau Weyel, Frau Zutt, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
Vizepräsident Westphal
zur Stärkung der Rechte des Verletzten im Strafprozeß ({13})
- Drucksache 10/3636 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({14})
- Drucksache 10/6124 Berichterstatter:
Abgeordnete Marschewski Dr. de With
({15})
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren
- Drucksache 10/5305 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({16})
- Drucksache 10/6124 Berichterstatter:
Abgeordnete Marschewski Dr. de With
({17})
Hierzu liegen Änderungsanträge der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/6334 bzw. 10/6346 vor.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 26a und 26b 60 Minuten vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen.
Zuerst hat der Berichterstatter, Herr Marschewski, wegen einer Korrektur ums Wort gebeten. - Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 10/6124 in einem Punkt zu ändern. Es handelt sich um Art. 1 Nr. 10, § 397a Abs. 1 Satz 3, StPO, der wie folgt lauten muß:
§ 114 Satz 1
- nicht „Abs. 1" zweiter Halbsatz und § 121 Abs. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung sind nicht anzuwenden.
Zur Begründung verweise ich darauf, daß § 114 ZPO nur einen Absatz hat. Es handelt sich also um eine redaktionelle Berichtigung.
Das ist also im Namen des gesamten Ausschusses korrigiert worden? - Gut, dann fügen wir das hier ein.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 8. November 1985, also fast auf den Tag genau vor einem Jahr, hat die erste Lesung des Entwurfs der SPD für ein Gesetz zur Stärkung der Rechte des Verletzten im
Strafprozeß stattgefunden. Dem war am 24. April 1986 die erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Besserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren gefolgt. Seitdem hat es ein umfängliches Anhörungsverfahren, viele Gespräche neben den zahlreichen offiziellen Beratungen und letztendlich die Einigung zwischen Regierungsfraktionen und SPD auf den Text gegeben, der heute zur zweiten und dritten Lesung ansteht. Die GRÜNEN haben sich bisher der Stimme enthalten. Ich frage: Warum eigentlich?
Die Verabschiedung des Opferschutzgesetzes in zweiter und dritter Lesung stellt einen Meilenstein in der Geschichte unserer nunmehr 109 Jahre alten Strafprozeßordnung dar. Die StPO, wie sie als Abkürzung schon in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist, hat sich, was wir nicht vergessen sollten, als Kind des freiheitlichen Denkens der Vor-Paulskirchenzeit bis heute im Grunde bewährt. Unser vom reformierten Strafprozeß herrührendes Strafverfahren hatte Gericht, Staatsanwaltschaft und Angeklagten eine dominierende Stellung gegeben. Staatsanwalt und Gericht steht der Beschuldigte bzw. Angeklagte gegenüber. Der Angeklagte war deshalb von vornherein mit starken Angriffs-und Verteidigungsmöglichkeiten ausgestattet worden; das war und ist gut so. Das Opfer kam dagegen als solches nicht vor, allenfalls in Gestalt des von der Staatsanwaltschaft oder dem Angeklagten benannten Zeugen.
Geht der angelsächsische Strafprozeß im Grunde wie der Zivilprozeß von den Parteien aus - in der Hoffnung, daß das Gegeneinander von Opfer und Angeklagten das wahre Geschehen schon ans Licht bringen werde -, sieht unser Strafverfahren die Strafrechtspflege als Sache des Staates an: Staatsanwaltschaft und Gericht haben, von geringen Ausnahmen abgesehen, ohne Ansehen der Person jedem Anfangsverdacht von Amts wegen nachzugehen. Das ist als „Legalitätsprinzip" bekannt. Sie sind nicht auf eine Anzeige angewiesen. Allein der Staatsanwalt klagt an; in ihm ruht das sogenannte Anklagemonopol. Von Amts wegen ist gegen und für den Beschuldigten oder Angeklagten zu ermitteln; bei diesem Amtsermittlungsgrundsatz sind die Strafverfolgungsbehörden nicht auf den Anstoß durch Dritte angewiesen, wenn dies auch erwünscht sein kann.
Das Opfer hat - wie man im Fachjargon sagt - eine reine Objektstellung. Es kann nicht selbständig agieren, es sei denn, es ist als Nebenkläger zugelassen. Gegenüber unbotmäßigen Angriffen haben Staatsanwaltschaft und Gericht fürsorglich für das Opfer tätig zu werden. Eberhard Schmidt, einer der großen Kommentatoren unserer Strafprozeßordnung, sagt dazu - und das ist bezeichnend -:
So ist es wohl richtiger, den Verletzten von den Prozeßsubjekten abzusondern.
Diese Regelung führte von vornherein zu vier gravierenden Nachteilen, die freilich als solche erst in neuerer Zeit deutlich ins Bewußtsein traten:
Erstens. Das Opfer, insbesondere die von einem Sexualtäter verletzte Frau, kann - muß nicht, aber kann - schon bei der ersten Anzeige gegenüber der Polizei allzu leicht in die Rolle des übereifrigen Anzeigers oder gar Provokateurs gedrängt werden. Man denke an die vergewaltigte Frau, die nachts auf der Wache Anzeige erstatten will und nach einem Blick auf ihre Kleidung zunächst gefragt wird, ob sie denn getrunken habe. Im Verfahren vor der Polizei ist das Opfer nach der Strafprozeßordnung auf sich allein gestellt; die Rechtsprechung freilich hat hier einige Abstriche gemacht.
Zweitens. Der Gang des Verfahrens und die verschiedenen Lagen des Prozesses gehen in den meisten Fällen am Opfer vorbei; dieses wird nicht unterrichtet. Damit kann nicht nur der eine oder andere Anstoß zur Wahrheitsfindung verlorengehen; der in Unwissenheit belassene Verletzte muß sich auch als mündiger Bürger in vielen Fällen als ein Stück des hin- und hergeschobenenen Beweismaterials begreifen, weshalb er sich nicht nur unverstanden, sondern manchmal sogar regelrecht verhöhnt fühlt.
Drittens. Der Schutz des Verbrechensopfers allein durch Staatsanwaltschaft und Gericht kann bewirken, daß es allzu leicht zum Medienopfer werden kann, insbesondere bei Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Kennen nicht wir alle genügend Fälle, in denen die Frau als Zeuge und Opfer durch Klatschspalten der Zeitungen und Zeitschriften zum zweitenmal zum Opfer wurde?
({0})
Die Furcht vor der Überschrift „Welch pikantes Vorleben der Frau!" hat schon manche Zeugin, die eigentlich Opfer war, eingeschüchtert. In engem Zusammenhang damit stehen freilich Fragen der Öffentlichkeit des Strafverfahrens, wenn es um intime Dinge geht.
Viertens. Die fast totale Sicht vom staatlichen Strafanspruch her übersieht, daß auch der Strafprozeß kein Selbstzweck ist und für das Opfer und die Öffentlichkeit über das Urteil hinauswirkt. Es können dadurch Maßnahmen zu kurz kommen, die zu einer angemessenen Wiedergutmachung für das Opfer und damit zum Rechtsfrieden zwischen Täter und Opfer führen könnten.
Um dem abzuhelfen, wird die Strafprozeßordnung in Zukunft zum besseren Schutz des Opfers vor Verbrechen um folgende Einrichtungen bereichert:
Erstens. Schon beim ersten Zugriff durch die Polizei muß - ich betone: muß - diese das Opfer über seine Rechte belehren. Das Opfer kann sich sofort eines Beistandes in Gestalt eines Rechtsanwaltes bedienen.
({1})
Dieser Beistand kann auf Verlangen sofort und vorläufig beigeordnet werden, wenn sich das Opfer einen eigenen Anwalt nicht leisten kann, die Aussicht auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe besteht und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
Zweitens. Das Opfer wird über alle wesentlichen Schritte des Verfahrensgangs informiert. Es hat grundsätzlich über seinen Anwalt Akteneinsicht. Es kann, als Nebenkläger zugelassen, eigene Anträge stellen. Zu diesem Zweck wurde die Nebenklage u. a. bei Vorliegen von Sexualstraftaten und Tötungsdelikten erweitert. Zur Wahrung des Chancenausgleichs soll jedoch das Gericht dem Angeklagten einen Anwalt bestellen, falls das Opfer sich eines Anwalts bedient. Wir wollen nicht, daß durch die Subjektstellung des Opfers die Stellung des Angeklagten vermindert und dieser in seinen Rechten beschnitten wird.
Drittens. Die Vorschrift über den Ausschluß der Öffentlichkeit bei Intimbefragungen wird in Zukunft gewährleisten, daß niemandes schutzwürdiges Interesse auf offenem Markt genüßlich ausgebreitet werden kann. Der Verletzte kann, auch wenn er nicht als Nebenkläger zugelassen ist, durch seinen Anwalt entsprechende Fragen beanstanden und den Ausschluß der Öffentlichkeit fordern lassen.
Viertens. Die nunmehr im Strafgesetzbuch statuierte Pflicht, eine Schadenswiedergutmachung bei der Strafzumessung mildernd zu berücksichtigen, fördert den Täter-Opfer-Ausgleich. Dasselbe gilt für die Zahlungserleichterung gegenüber dem Gericht, die gewährt werden soll, wenn ohne diese die Schadenswiedergutmachung berührt wäre.
Wir Sozialdemokraten hätten sehr gern zur Abrundung noch eine Vorschrift eingefügt, die das Absehen von Strafe auch durch die Staatsanwaltschaft erlaubt, wenn - bei Strafen bis zu zwei Jahren - der Richter zustimmt, die Schuld es gestattet, das öffentliche Interesse nicht entgegensteht und der Schaden wiedergutgemacht wurde.
({2})
Die Koalitionsfraktionen haben diesen Vorschlag im Rechtsausschuß abgelehnt. Wir bringen ihn hiermit in zweiter Lesung erneut ein. Ich verstehe diese Ablehnung um so weniger, als die Schadenswiedergutmachung heute schon bei der Einstellung wegen Geringfügigkeit durch die Staatsanwaltschaft in der Praxis beachtet wird.
Zusätzlich darf ich noch darauf verweisen, daß das Ministerkomitee des Europarates erst jüngst. nämlich am 28. Juni 1985, in Straßburg beschlossen hat:
Legislation should provide that compensation may either be a penal sanction, or a substitute for a penal sanction or be awarded in addition to a penal sanction,
mit anderen Worten, daß die Gesetzgebung die Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung schlechthin berücksichtigen möge.
({3})
Uns wäre es natürlich auch angemessen erschienen, wenn für die Zeit nach dem Urteil die Hilfe des Gerichts bei der Wiedergutmachung deutlicher ausgefallen wäre.
Herr Langner, zu Ihrer Beruhigung: ich habe es ja übersetzt. Sie können es auch noch privatissime et gratis bekommen, wenn Sie wünschen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin versucht zu glauben, daß manch einer noch zu sehr dem Theorem Kants folgt, daß noch heute zu vollstrecken sei, wenn morgen die Welt untergehe. Wir - und das sollten wir selbstkritisch sagen -, die wir häufig allzusehr mit dem Strafverfahren befaßt sind, berücksichtigen oft zu wenig, daß der Gerechtigkeit keineswegs allein durch den Urteilsspruch und die Verbüßung genüge getan wird. Wir haben die Möglichkeit des Strafprozesses über das Verfahren hinaus zu nutzen und die StPO mehr als bisher als Teil des auf die Lebenswirklichkeit gerichteten Ganzen zu sehen.
({4})
Gestatten Sie mit in diesem Zusammenhang einen weiteren Hinweis. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte schon 1983 mit ihrem Gesetzentwurf zur Bestrafung auch der Vergewaltigung in der Ehe Opferschutzvorschriften vorgeschlagen. Bis heute liegt dieser Entwurf im Rechtsausschuß, weil er auf Betreiben der Regierungskoalition immer und immer wieder vertagt wurde. Die Regierung und die sie tragenden Fraktionen können sich offenbar nicht entschließen, diesen kleinen Schritt - Bestrafung der Vergewaltigung auch in der Ehe - zu mehr Gerechtigkeit zu tun, dem große Auswirkung zukäme, wie fast alle Anhörpersonen bestätigt haben.
Ich habe gerade darauf hingewiesen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Nebenklagebefugnis ausgeweitet wurde. Die Nebenklage war bisher im Kern auf Beleidigungs- und Körperverletzungsdelikte beschränkt und steht in engem Zusammenhang mit der Privatklage, wie wir alle wissen. Nunmehr wurden Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme sowie Tötungsdelikte als - und das ist der Punkt - automatisch nebenklagebefugt einbezogen. Das ist verständlich, weil mit der Nebenklage Antragsrechte im Verfahren verbunden sind, die das Agieren ermöglichen und damit wesentlich zur Subjektstellung des Opfers beitragen. Allein die fahrlässige Körperverletzung hat die Mehrheit aus der Automatik herausgenommen. Sie hat dekretiert, daß in diesem Fall nur noch bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen die Nebenklagebefugnis erteilt werden soll. Das ist vernünftig, weil eine Überschwemmung der Prozesse mit Nebenklagen bei minder wichtigen Vergehen vermieden werden sollte. Nun fragen wir uns, warum die Mehrheit die Beleidigungsdelikte nicht auch aus der Automatik herausgenommen hat, wie es der Bundesrat mit gutem Grund fordert. Einmal passen die Beleidigungsdelikte ihrem Grundgehalt nach nicht zu den übrigen hier aufgezählten wahrhaftig gewichtigen Straftaten. Zum anderen muß die Gefahr gesehen werden, daß ein Zuviel an Nebenklagen in minder schweren Fällen die von uns allen gutgeheißenen Neuerungen regelrecht diskreditieren kann. Wir Sozialdemokraten haben deshalb erneut den Antrag gestellt, die Beleidigungsdelikte entsprechend her-abzustufen und wie die fahrlässige Körperverletzung zu behandeln.
({5})
Das Vorrücken des Opfers ins öffentliche Bewußtsein ist erstmals durch das Gesetz vom 11. Mai 1976 über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten deutlich geworden. Die damalige sozialdemokratisch geführte Bundesregierung mit ihrem seinerzeitigen Justizminister Hans-Jochen Vogel wurde dabei - das erwähne ich - tatkräftig von der Opposition unterstützt. Unser aller Dank gebührt in diesem Zusammenhang aber auch den vielen uneigennützigen Helfern und Spendern im Weißen Ring. Es mußten zehn Jahre vergehen, bis auch die Stellung des Opfers im Verfahren die entsprechende Würdigung erfuhr. Ganz maßgeblich war hieran der 55. Deutsche Juristentag in Hamburg 1984 beteiligt. Dort erfolgte unter den Fachleuten der Durchbruch. Ohne diesen Juristentag wäre sicherlich die seinerzeitige Minderheitsmeinung nicht zur Mehrheitsmeinung geworden, und ohne ihn hätte sich wahrscheinlich auch nicht die Bundesregierung so bewegt, wie sie sich bewegt hat. In meinen Dank schließe ich deshalb auch den 55. Juristentag ein.
Peter Landau hat über die Reichsjustizgesetze gesagt, zu denen die Strafprozeßordnung gehört - ich denke, das ist ein gewichtiges Zitat -:
So zeigte sich beim Zustandekommen der Reichsjustizgesetze eine Isolierung des Rechtsstaatlichen von seinem gesellschaftlich-politischen Hintergrund, die zu einem überwiegend technischen Verständnis der Rechtsidee führen mußte.
Ich hoffe, daß wir mit vorliegendem Gesetz ein gutes Stück des Weges aus der Isolierung des Rechtsstaatlichen hin zur gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit zu Nutz und Frommen letztlich aller gegangen sind.
Vielen Dank.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Marschewski.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verbesserung des Opferschutzes ist eines der zentralen Vorhaben der in der Rechtspolitik so erfolgreichen Bundesregierung. Die Opfer von Straftaten dürfen nicht länger weitgehend hilflos, weitgehend schutzlos als Randfiguren des Strafprozesses im Schatten stehen. Wir alle sind es den Verletzten, vor allem aber den Opfern schwerer Straftaten schuldig, daß ihnen Fürsorge und ein Höchstmaß an rechtsstaatlichen Garantien gesichert wird. Obwohl wir jedes Jahr über 4 Millionen Verbrechensopfer zu beklagen haben, schenkte die Öffentlichkeit dieser wohl größten Einzelgruppe unserer Gesellschaft nur zu selten ihre Aufmerksamkeit. Die Darstellung in den Medien ist oft einseitig, sie ist vom Rechtsbrecher weggeleitet, sie ist tatentschuldigend. Dies, meine Damen und Herren,
hat zur Verdrängung der Opferschicksale geführt, zur Verdrängung der Schicksale Vergewaltigter, zur Verdrängung der Schicksale von an Leib und Seele Geschädigten, von Kindern und Alten.
Daher begrüße ich es, daß diese Bundesregierung das auf dem Juristentag 1984 gegebene Versprechen des Bundeskanzlers eingelöst hat. Dem Opfer muß eine stärkere Zuwendung geschenkt, ihm muß mehr Schutz und Hilfe gewährt werden, denn das überkommene, noch geltende Strafrecht hat die eigenständige Position des Verletzten vernachlässigt. Diese vor dem Hintergrund absoluter Straftheorien zu erklärende Lehre von der Wesensfremdheit von staatlichem Strafanspruch und Verletzteninteresse ist heute nicht mehr haltbar. Strafnormen sind, meine Damen und Herren, öffentliche Rechtssätze, die auch dem Interesse des einzelnen zu dienen bestimmt sind. Aber sobald das Ermittlungsverfahren beginnt, beginnt auch die Demontage des Opfers. Es entwickelt sich dann zum Störfaktor. Man begegnet ihm mit Mißtrauen. Man gängelt es mit Fragen, so daß sich namentlich bei Sexualstraftaten die Verfahren zu einem Spießrutenlaufen entwikkeln. Hier, meine Damen und Herren, tut Abhilfe not. Es reicht eben nicht aus, dem Verletzten im Strafverfahren quasi nur die Rolle eines normalen Zeugen zuzuerkennen.
({0})
Ich meine, der Grundsatz der Waffengleichheit verlangt nach Schutzpositionen, die dem Verletzten die Verteidigung gegen eine unbegründete Verantwortungszuweisung ermöglichen.
Daher begrüße ich es, daß den Opfern schwerer Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter, etwa gegen die sexuelle Selbstbestimmung, durch die Umgestaltung der Nebenklage eine herausgehobenere Stellung eingeräumt wird. Der Verletzte soll eben die Möglichkeit erhalten, sich aktiv am Verfahren zu beteiligen. Er soll Fragen stellen dürfen. Er soll Anträge stellen dürfen. Er soll durch Rechtsmittel auf das Verfahren einwirken dürfen.
Einer der Kernpunkte des Gesetzentwurfs ist ein besserer Schutz der Privat- und Intimsphäre des Verletzten. Ich kann nicht akzeptieren, daß z. B. vergewaltigte Frauen im Strafprozeß oftmals unerträglichen Belastungen ausgesetzt werden.
({1})
Als Zeugen einer Tat müssen sie sämtliche Details des Verbrechens, ihres Vorlebens, ja ihres Intimlebens ausbreiten.
({2})
Und dies, meine Damen und Herren, ist die traurige Tatsache: Lieber verzichten viele Frauen auf eine Strafanzeige, als im Gerichtssaal quasi noch einmal vergewaltigt zu werden. Hinzu kommt die Berichterstattung in den Medien. Sie führt oftmals erst zur einseitigen, zur öffentlichen, zur moralischen Verurteilung der Opfer. Dabei fehlt es gar nicht an Scheinheiligkeit. Der aufklärerische Impetus und die Entrüstung über das Täter- und Verteidigerverhalten gehen einher mit dem vermeintlichen Bedürfnis der Leser, zu erfahren, was sich in der Intimsphäre ereignet hat, was das Opfer letzten Endes an sexuellen Perversionen erdulden mußte.
Es wurde daher dringend erforderlich, Fragen aus dem persönlichen Lebensbereich nur dann zuzulassen, wenn sie zur Wahrheitsfindung und zur Wahrung der Verteidigerbefugnisse wirklich unerläßlich sind.
Es ist daher ebenfalls notwendig, den Ausschluß der Öffentlichkeit zu erleichtern. Dabei weiß ich, meine Damen und Herren, daß das Prinzip der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung zu den wesentlichen Elementen eines rechtsstaatlichen Verfahrens gehört. Ich weiß, daß dies durch den Grundsatz der Menschenrechtskonvention garantiert ist. Dennoch, so meine ich, erfordern die zu schützenden Interessen des Verletzten, den Abwägungsmaßstab zugunsten des Persönlichkeitsrechts zu ändern. Sie erfordern außerdem, die Entscheidung der Anfechtbarkeit zu entziehen, um zu erreichen, daß revisionsrechtliche Konsequenzen für die Entscheidung nunmehr keine Rolle mehr spielen.
Meine Damen und Herren, Opferschutz bedeutet auch Wiedergutmachung. Wenn es der Sinn des Strafverfahrens ist, die Verantwortung des Täters vor der Rechtsgemeinschaft festzustellen und hieraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, so kann der Ausgleich des Opferschadens keineswegs ausgeklammert werden. Deswegen eben der Versuch, das Adhäsionsverfahren annehmbarer zu gestalten. Dies gilt einmal für die Erweiterung der Zuständigkeit im amtsgerichtlichen Verfahren, dies gilt für die Prozeßkostenhilfe, und dies gilt insbesondere für die Zulassung von Grund- und Teilurteil. Ich habe dabei die Hoffnung, daß die Praxis ihre bisherige Zurückhaltung gegenüber dieser Verfahrensart aufgeben wird, um so eine mehrfache umfassende Inanspruchnahme des Verletzten ersparen zu helfen.
Der Schadenswiedergutmachung dient es auch, dem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des Opfers durch Gewährung einer Stundung oder einer Ratenzahlung einen gewissen Vorrang vor staatlichen Ansprüchen auf Geldstrafe und Verfahrenskosten einzuräumen.
({3})
- ja, das war notwendig, Herr Kollege Beckmann -; denn es hat das Ziel eines auf Resozialisierung und Ausgleich bedachten Strafrechts zu sein, zunächst die dem Opfer geschuldete Wiedergutmachung zu leisten.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang auch auf den mehrheitlich abgelehnten Vorschlag eingehen, die Geldstrafe zur Bewährung auszusetzen. Es mag sein, daß auf Grund der Verhängung einer Geldstrafe die Schadenswiedergutmachung erschwert oder hinausgeschoben wird, meine Kollegen von der SPD. Es bleiben jedoch Fragen, die wir in die zukünftige Beratung einbeziehen müssen. Könnte die Geldstrafe nicht ihre Funktion verlieren, eine echte Alternative zur kurzen Freiheitsstrafe zu bilden, und könnten die Gerichte nicht wieder verstärkt dazu neigen,
kurze Freiheitsstrafen zu verhängen, was dem Ziel der Strafrechtsreform, die kurzen Freiheitsstrafen zurückzudrängen, widerspricht?
Meine Kollegen von der SPD, welche Kriterien sollten bei der Aussetzung einer Geldstrafe angelegt werden? Denn eine gute Spezialprognose dürfte doch gerade bei der Verhängung einer Geldstrafe in der Regel gegeben sein.
({4})
Meine Damen und Herren, die Stellung des Opfers im Strafverfahren bedurfte seit langem der Neuregelung und Verbesserung. Diese Reform war seit vielen Jahren überfällig. Dies gilt für die von mir angesprochenen Problembereiche. Dies gilt für die Informationsmöglichkeit. Dies gilt für die Akteneinsicht. Dies gilt auch für die umfassende gesetzliche Regelung des Verletztenbeistandes.
Mein Dank gilt besonders dem Herrn Bundesjustizminister, der mit diesem Gesetzentwurf meine vor kurzem in diesem Hohen Hause getroffene Aussage bestätigt: Die Rechtspolitik ist zweifellos eines der Glanzstücke dieser Koalition.
({5})
- Herr Kollege Emmerlich, das reizt mich zum Widerspruch. Sie haben schon einmal gewissermaßen als Pythia von Osnabrück gesagt, das sei ein schwarzes Jahr der Rechtspolitik. Damit haben Sie natürlich völlig recht gehabt, im delphischen Sinne völlig recht gehabt. Es ist ein schwarzes Jahr, ein christdemokratisches Jahr,
({6})
wobei wir natürlich die Unterstützung der Kollegen von der FDP hatten. Ich bedanke mich für den Zwischenruf.
Meine Damen und Herren, zu dieser Leistung gehört auch das Erste Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren. Aber lassen Sie uns gemeinsam über weitere Schritte strafrechtlicher Opferhilfe nachdenken, so über die Betreuung von Verbrechensopfern nach Tat und Strafverfahren, so über eine stärkere Berücksichtigung des Wiedergutmachungsgedankens oder darüber, ob eine Kommerzialisierung begangener Straftaten durch den Täter nicht irgendwie im Widerspruch zum Gedanken des Opferschutzes steht. Dabei, so meine ich, haben wir jetzt ein Ziel erreicht. Der Verletzte, insbesondere die Verletzte, wird nicht weiterhin funktionslose Prozeßfigur bleiben. Sie stehen nicht mehr im Schatten geltenden Rechts. Dies ist ein Gebot der Gerechtigkeit, ein Bekenntnis zur Würde von Menschen, die als Geschädigte vor die Schranken der Justiz treten.
Aber, meine Damen und Herren, diese unsere Zuwendung zum Opferschutz allein kann nicht ausreichen. Gefordert ist vielmehr eine noch effektivere Bekämpfung der Verbrechen. Denn Straftaten, die verhindert werden, hinterlassen erst gar keine Opfer.
Ich danke Ihnen.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mann.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange einmal mit dem „Glanzstück" an, Herr Marschewski. Dem muß hier widersprochen werden. Diese Ihre Einschätzung wird auch nicht durch häufiges Wiederholen richtiger. Wenn ich mehr Zeit hätte, könnte ich das auch an diesem Gesetzeswerk belegen.
Ich will mich hier in dieser zweiten Lesung auf einige grundsätzliche Bemerkungen beschränken.
Die Berliner Tageszeitung „taz" setzt sich in ihrer gestrigen Ausgabe ausführlich mit dem heute abschließend zu beratenden Opferschutzgesetz auseinander.
({0})
Unser Recht und auch dieses Gesetz zeichnen sich in aller Regel durch eine nur Juristen verständliche Sprache und allzu große Kompliziertheit aus. Die Rechtspolitik führt in den Medien ein Schattendasein. Deshalb verdient das ,,taz"-Beispiel Anerkennung und Nachahmung.
Zunächst empfehle ich vor allem den anwesenden männlichen Kollegen, falls das - wie ich vermute - noch nicht geschehen ist, den von einer Redakteurin unter dem Titel „Kosmetik für Vergewaltigungsprozesse" geschriebenen kritischen Artikel zur Lektüre.
Damit komme ich zu meinem ersten und für mich wichtigsten Kritikpunkt. Wir verabschieden heute, wie der Sachverständige des Bundeskriminalamts in der Anhörung im Mai ausführte, ein Opferschutzgesetz, ohne daß die Betroffenen selbst ausführlich zur Lage der Verletzten im Strafprozeß befragt worden wären.
({1})
Nach den vorliegenden Untersuchungen ist jedoch eines gewiß: Das Bewußtsein über selbstverständliche Opferrechte ist in der Bundesrepublik historisch betrachtet tief verschüttet. Opfer fühlen sich vor Gericht häufig als bloßer Aktenfall behandelt und in ihrer Verletzten-Rolle nicht ernstgenommen. Gespräche mit den Vertretern der Strafverfolgungsorgane werden insgesamt eher als unangenehm oder sogar schädigend empfunden.
An diesen Mißständen wird sich durch das heute zu verabschiedende Gesetz kaum etwas ändern. Hier ist in erster Linie eine verbesserte Ausbildung und Unterrichtung der Verfahrensbeteiligten, vor allem bei den Juristen, also bei den Staatsanwälten, den Richtern und Rechtsanwälten, notwendig. Verbesserte Aufklärung über Opferrechte in den Medien z. B. an Hand von vermehrter fairer Gerichtsberichterstattung ohne den weitverbreiteten Skandalcharakter könnte hier einiges bewirken.
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Ich möchte an dieser Stelle den berühmten sozialdemokratischen Rechtspolitiker Adolf Arndt zitieren, der in anderem Zusammenhang, aber auch für den vorliegenden Fall zutreffend, gesagt hat: Wir brauchen nicht so sehr neue Gesetze, wir brauchen andere Richter. Ich füge hinzu: und andere Juristen.
Was zweitens die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung betrifft, die in der öffentlichen Diskussion eine große Rolle spielen, so greift der vorliegende Gesetzentwurf zu kurz. Insoweit stimme ich im Ergebnis, ohne die Begründung in allen Punkten zu teilen, Gunhild Schöller in ihrem ,,taz"-Artikel von gestern zu. Die Probleme im Zusammenhang mit Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind, Herr Marschewski, in erster Linie nicht im Verfahrensrecht, sondern im materiellen Strafrecht zu lösen, wie beispielsweise die Sachverständige Dr. Frommel in der Anhörung überzeugend begründet hat.
Mit ihrer Ablehnung der Gesetzentwürfe von SPD und GRÜNEN zur Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe zeigt die Koalition, meine Herren von den Koalitionsfraktionen, daß es mit ihrer rechtspolitischen Handlungsfähigkeit auf dem sensiblen Gebiet des Opferschutzes entgegen ihren vollmundigen Erklärungen nicht allzuweit her ist.
Einen dritten Kritikpunkt will ich nur kurz unter Bezugnahme auf die beiden Änderungsanträge unserer Fraktion ansprechen. Die Stärkung der Stellung des Opfers darf zu keiner Schwächung der Stellung des Beschuldigten führen. Die oder der Beschuldigte und die Frage nach ihrer bzw. seiner Unschuld oder Schuld steht nach wie vor, Herr Kollege Dr. de With, im Zentrum des Strafverfahrens. Es gilt die Unschuldsvermutung bis zur rechtskräftigen Verurteilung. Diese Funktion des Strafprozesses dürfen wir bei aller Berechtigung des Opferschutzes, über die wir uns j a einig sind, nicht aus den Augen verlieren.
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Deswegen habe ich im Ausschuß dafür plädiert, eine vorsichtige Weiterentwicklung unseres Strafverfahrensrechts da vorzunehmen, wo es besonders drückt, nämlich bei den Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und bei der Wiedergutmachung.
Wir schlagen die notwendige Verteidigung vor, wenn dem Verletzten ein Beistand beigeordnet wird. Weiterhin halten wir es für kriminalpolitisch wünschenswert, das Gefälle zwischen dem strafrechtlichen Schutz von Vermögen und Eigentum einerseits und körperlicher Integrität und sexueller Selbstbestimmung andererseits abzubauen. Wir schlagen deshalb beispielhaft die Einfügung von § 397 a - in realistischer Einschätzung der augenblicklichen Mehrheitsverhältnisse: ohne die erforderlichen Folgeänderungen - vor. In diesem Zusammenhang tragen wir dem Umstand Rechnung, daß viele Verletzte nicht in der Lage sind, ihre Abwehrrechte im Strafverfahren sachkundig ohne Beiziehung eines Anwalts wahrzunehmen.
Aus zeitlichen Gründen muß ich leider zum Schluß kommen. Wir GRÜNEN werden uns bei der
Schlußabstimmung enthalten, um einerseits auf die angesprochenen Mängel des Gesetzes hinzuweisen, zum anderen aber unserer grundsätzlich positiven Haltung zum Opferschutz und vor allem einer Verbesserung des Schutzes der Opfer von Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Ausdruck zu geben.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Beckmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! In der Öffentlichkeit hat sich für das hier zur Diskussion gestellte Gesetzesvorhaben der auch von der SPD in ihrem Alternativentwurf benutzte Ausdruck Opferschutzgesetz eingebürgert. Ich meine, wir sollten mit diesem Ausdruck vorsichtig umgehen. Wir sollten erkennen, daß keiner der beiden Entwürfe geeignet ist, das Opfer wirklich davor zu schützen, zum einen zu einem Opfer zu werden und zum anderen als Opfer vor weiteren Verletzungen gefeit zu sein. Wenn man also sagt, man wolle ein Opferschutzgesetz schaffen, dann erweckt man den Eindruck, als solle ein Gesetz zum Schutze von Menschen vor gewalttätigen Angriffen anderer Menschen geschaffen werden. Diesen hehren Anspruch wird man nicht erfüllen können. Dieses Versprechen wird im Zusammenhang mit den genannten Vorschlägen unter diesem Stichwort nicht eingehalten werden können.
Wir sollten daher dabei bleiben und das Kind wie bisher auch bei seinem wirklichen Namen nennen: Gesetz zur Stärkung der Rechte des Verletzten im Strafverfahren. Um nicht mehr, aber auch um nicht weniger geht es hier: die Stärkung der prozessualen Rechte des Verletzten im Strafverfahren.
Der Regierungsentwurf, der im wesentlichen auf das beharrliche und persönliche Engagement des Bundesjustizministers Hans Engelhard zurückgeht, enthält eine ganze Reihe verfahrensrechtlicher Regelungen, die entscheidend dazu beitragen, die prozessuale Stellung des Verletzten zu verbessern. Hierfür, Herr Bundesjustizminister, gilt Ihnen unser besonderer Dank.
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Deswegen, sehr verehrter, lieber Herr Kollege Marschewski, handelt es sich auch nicht um ein schwarzes Jahr in der Rechtspolitik, sondern um ein Jahr erfolgreicher gemeinsamer Rechtspolitik dieser Koalition.
Ich möchte nicht noch einmal auf die Regelungen im einzelnen eingehen; das haben andere vor mir schon getan. Generell und zusammenfassend kann man aber sagen, daß die Beteiligungs- und Kontrollrechte des Verletzten, insbesondere jedoch seine Verteidigungsfähigkeit gegen erneute Angriffe auf seine höchstpersönlichen Rechtsgüter - gerade auch auf seine Intimsphäre - durch den Entwurf ganz erheblich verbessert werden. Die Umgestaltung der Nebenklage, die Beiordnung eines
Rechtsanwalts, das Recht auf Mitteilung wesentlicher Verfahrensergebnisse, das Recht auf Akteneinsicht sowie die Möglichkeit, in der Hauptverhandlung die Öffentlichkeit auszuschließen - all das sind Regelungen, die eine effektive Besserstellung des Verletzten zur Folge haben werden.
Am Rande sei allerdings vermerkt, daß ich es eigentlich beschämend finde, daß der Staat mit legislativen Mitteln eingreifen und Grenzen ziehen muß, die der in der Juristerei soviel beschworene anständig und gerecht denkende Mensch von sich aus hätte ziehen müssen. Anstand kann man nicht per Gesetz verordnen. Den müssen die Beteiligten am Strafverfahren schon selbst aufbringen, wenigstens die, die Organe der Rechtspflege sind und die auch als solche behandelt werden wollen. Von denen darf man schon erwarten, daß sie etwa bei der Befragung von Zeugen und Opfern das Mindestmaß an Anstand wahren, das man bereits beim normalen Umgang von Menschen miteinander verlangen kann. Insoweit betrachte ich gerade als Liberaler die dahin gehenden Regelungen als einen gewissen Rückschritt.
Hingegen begrüße ich es sehr, daß mit diesem Gesetz endlich der Versuch unternommen wird, das schon ein wenig verstaubte Rechtsinstitut des Adhäsionsverfahrens zu neuem Leben zu erwecken.
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- Warten Sie doch ab, lieber Kollege Mann. - Ich bin zwar skeptisch, was den Erfolg dieses Versuchs anbelangt. Ich meine aber, daß es dieser Versuch zumindest wert ist, einmal unternommen zu werden.
Ich sehe zwei ganz entscheidende Vorteile. Zum einen wäre Gelegenheit gegeben, die von uns mit so vielen Gesetzen angestrebte Prozeßökonomie einen Schritt vorwärtszubringen. Das Adhäsionsverfahren hat unbestritten eine verfahrensvereinfachende und vor allem, sieht man Straf- und Zivilverfahren einmal als Einheit, eine verfahrensverkürzende Wirkung. Leider findet dieses Rechtsinstitut noch viel zuwenig Anwendung, wohl deshalb, weil viele Beteiligte fürchten, mit der exakten Bezifferung der Schadenssumme oder mit anderen typisch zivilrechtlichen Prozeßabläufen nicht fertig zu werden. Es sind aber auch andere Gründe denkbar, auf die ich lieber nicht eingehen möchte.
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Ich hege jedenfalls die große Hoffnung, daß dieses Gesetz vielleicht den Anreiz erhöht, vermehrt vom Adhäsionsverfahren Gebrauch zu machen.
Meine Damen und Herren, betrachtet man den vorliegenden Entwurf insgesamt, so muß man feststellen, daß wir hier ein Gesetz geschaffen haben, das sich durchaus sehen lassen kann. Trotz der vereinzelt in der Fachpresse geäußerten Bedenken sehe ich beispielsweise in der Beschränkung der Öffentlichkeit keinen Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Ich möchte noch einmal ausdrücklich das wiederholen, was ich bereits in der ersten Lesung hierzu gesagt habe: Der Rechtsbegrenzung - hier dem Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens - stimmen wir nur zu, weil sie auf der anderen Seite mit einer Rechtserweiterung - hier der Rechte des Verletzten - korrespondiert. Nach unserer Auffassung ist Rechtsstaatlichkeit eben Machtbegrenzung durch Normsetzung, ist sie eben Grundrechtsschutz durch Gewährung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, aber und vor allem auch Grundrechtsschutz im rechtsstaatlich garantierten Verfahren.
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Da diese, wie ich meine, urliberalen Forderungen bei dem vorgelegten Gesetzentwurf in hervorragender Weise erfüllt sind, wird die FDP-Fraktion dem Vorhaben gerne und mit Überzeugung zustimmen.
Vielen Dank.
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Ich erteile dem Herrn Justizminister das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur die Sicherung effektiver Verteidigungsmöglichkeiten für den Beschuldigten, sondern auch die Rücksicht auf das Tatopfer und seine Stellung im Strafverfahren gehören zu den Erfordernissen eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Die strafprozessuale Entwicklung des letzten Jahrhunderts insgesamt und ganz speziell die rechtsstaatlich geprägte Fortentwicklung der Nachkriegszeit hat dem leider nicht immer in ausreichendem Maße Rechnung getragen. Wirksamer Schutz des Opfers ist ein Gebot des Rechtsstaats und ein Gebot der Achtung der Menschenwürde. Der Gesetzentwurf, den wir heute abschließend behandeln, zähle ich daher zu den wichtigsten verwirklichten rechtspolitischen Vorhaben dieser Bundesregierung.
Es war in der Tat seit meinem Amtsantritt mein Bestreben in diesem Bereich, in dieser Legislaturperiode etwas Gutes und Vernünftiges ins Bundesgesetzblatt zu bringen. Bei der Gelegenheit einer Aussprache hier im Hause entsteht dann natürlich leicht eine Debatte darüber, wem der wahre Urheberrechtsschutz zustehe. Ich darf darauf hinweisen, daß ich bei meinem Amtsantritt einen Entwurf zum Strafverfahrensänderungsgesetz im Hause vorgefunden habe, wo mit dem Ziel, die Gerichte zu entlasten, die Absicht verbunden war, die Nebenklage nahezu abzuschaffen. Ich habe dem damals Einhalt geboten und darauf hingewiesen, daß für Herbst 1984 der Deutsche Juristentag in Hamburg anstehe, der, wie erwähnt wurde, auch dieses Thema zum Gegenstand habe, und daß wir in Respekt vor diesem hochrangigen Gremium zunächst einmal dessen Ergebnisse abwarten wollten. Das waren dann gute Ergebnisse im Sinne unserer Denkrichtung. So konnte in meinem Hause bereits im Mai 1985 ein
Diskussionsentwurf zum Opferschutzgesetz veröffentlicht werden.
Im weiteren Gefolge haben dann Sie, Herr Kollege de With, und Ihre Fraktion im Juli 1985 Ihren Gesetzentwurf eingebracht, der stellenweise auf einer sehr gewissenhaften - was j a gut ist - Lektüre des Diskussionsentwurfs des Bundesministeriums der Justiz beruht.
Ich weise auf diesen Umstand hin, weil er unterstreicht, daß hier in der Tat zunächst einmal rein zeitlich beträchtliche Schwierigkeiten in dieser Wahlperiode bestanden, mit der Sache noch fertig zu werden.
An dieser Stelle danke ich ausdrücklich und ganz besonders den Mitgliedern des Rechtsausschusses sehr, sehr herzlich, die ja am Ende einer Wahlperiode zeitlich sehr beansprucht sind. Bei der Abwägung zwischen dem was noch geleistet werden kann, und dem, was der Diskontinuität anheimfallen muß, war von vornherein die Absicht vorhanden, das Opferschutzgesetz in jedem Fall zu verabschieden. Dafür, daß dies gelungen ist, sage ich herzlichen Dank.
Die Bezeichnung des Entwurfs als „Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren" läßt nicht nur die Option für einen zweiten legislatorischen Schritt offen. Diese Formulierung stellt auch ganz klar, daß es nach Auffassung der Bundesregierung mit dieser Regelung nicht getan ist. Es sind weitere Überlegungen des Gesetzgebers notwendig, etwa in dem schwierigen Bereich der Verbesserung des Täter-Opfer-Ausgleichs. Mindestens ebenso wichtig ist, daß schon bei der Handhabung des geltenden Rechts dem Opfer mehr als bisher Einfühlung und Rücksichtnahme entgegengebracht wird.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein wichtiger und notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Ich bitte Sie, den Anträgen der SPD nicht Ihre Zustimmung zu geben, weil, wie ich meine, was die Einstellung des Verfahrens angeht, hier weit über das hinausgegangen wird, was derzeit Stand der aktuellen und vertieften Erörterung ist und war. Dem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben bitte ich Sie alle sehr herzlich.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über Tagesordnungspunkt 26a und b, und zwar über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3636 und den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 10/5305.
Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/6124, diese beiden Gesetzentwürfe in der Ausschußfassung anzunehmen.
Ich rufe Art. 1 auf. Hierzu liegen auf den Drucksachen 10/6334 und 10/6346 Änderungsanträge der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE GRÜNEN vor.
Wer für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/6334 stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Gegenstimmen waren die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer für den Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/6346 stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer für Art. 1 in der Ausschußfassung mit der Korrektur des Berichterstatters stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Bei Enthaltungen aus den Reihen der Fraktion DIE GRÜNEN ist Art. 1 angenommen.
Ich rufe Art. 2 bis 14 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind ohne Gegenstimmen und bei Enthaltungen aus der Fraktion DIE GRÜNEN angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Enthaltungen aus der Fraktion DIE GRÜNEN.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 12. November 1986, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.