Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/18/1986

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich einigen Kolleginnen und Kollegen zum Geburtstag gratulieren. Am 11. Juni hat die Abgeordnete Frau Will-Feld ihren 65. Geburtstag und der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}) am 16. Juni seinen 72. Geburtstag gefeiert. Ich darf der Kollegin und dem Kollegen die herzlichsten Wünsche des Hauses übermitteln. ({1}) Meine Damen und Herren, vor Aufruf der Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 f möchte ich zunächst unsere Gäste begrüßen. Ich freue mich, 520 junge Menschen aus allen Ländern unserer Bundesrepublik im Deutschen Bundestag herzlich willkommen heißen zu können. ({2}) Wir haben Sie eingeladen, damit Sie Einblick in unsere Arbeit nehmen können. Sie haben heute Gelegenheit, die zweite und dritte Beratung des Abfallbeseitigungsgesetzes im Deutschen Bundestag zu verfolgen. Heute nachmittag werden Sie in den zehn Gesprächskreisen politische Fragen diskutieren und dann anschließend hier im Plenum die Plätze der Abgeordneten einnehmen und über die Ergebnisse Ihrer Diskussion und von Ihren Eindrücken vom heutigen Tag berichten. Liebe junge Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich wünsche Ihnen vielfältige Eindrücke von der Arbeit des Deutschen Bundestages und ein erfolgreiches Wirken in Ihren Gesprächskreisen. Es wäre für uns alle ein großer Gewinn, wenn diese Begegnung auch Anregungen für die parlamentarische Arbeit geben würde. Ich rufe nun Punkt 2 der Tagesordnung auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes - Drucksache 10/2885 - Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({3}) - Drucksache 10/5656 Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Hartenstein Frau Hönes Baum ({4}) b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes - Drucksache 10/3629 Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({5}) - Drucksache 10/5656 Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Hartenstein Frau Hönes Baum ({6}) c) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes - Drucksache 10/3630 -Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({7}) - Drucksache 10/5656 Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Hartenstein Frau Hönes Baum ({8}) d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({9}) zu dem Antrag der Fraktion der SPD Präsident Dr. Jenninger Konzept für eine umweltverträgliche Abfallwirtschaft - Drucksachen 10/2601, 10/5656 -Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Hartenstein Frau Hönes Baum e) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Altölgesetzes - Drucksache 10/1435 -Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({10}) - Drucksache 10/5656 -Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Hartenstein Frau Hönes Baum ({11}) f) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Sondermülldeponie Schönberg/DDR - Beendigung von Abfallexporten - Drucksache 10/5311 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({12}) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen Zu Punkt 2 a der Tagesordnung liegen ein Änderungsantrag sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 10/5667 und 10/5668 vor. Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ist eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 f mit 90 Minuten vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die allgemeine Aussprache und erteile dem Herrn Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit das Wort.

Dr. Walter Wallmann (Minister:in)

Politiker ID: 11002415

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich freue mich, daß ich so schnell Gelegenheit habe, zu einem Gesetzesvorhaben von großer umweltpolitischer Bedeutung vor diesem Hohen Hause zu sprechen. Sie wissen, meine Damen und Herren: Ich habe mein Amt als Umweltminister vor wenigen Tagen angetreten. Ich kann und will daher keine umfassenden und auch keine programmatischen Ausführungen versuchen. Ich sehe meine Aufgabe darin, mich präzise auch über die Einzelheiten meines neuen Verantwortungsbereichs zu unterrichten, um jede meiner Entscheidungen auf solider Basis zu treffen. Dabei nehme ich Rat und Hilfe gerne an. Mir liegt - ich betone das - an der Kooperation mit allen, die sich dem Umweltschutz verbunden fühlen. Mir liegt am Gespräch mit den Bürgern, deren Ängste und Sorgen ich sehr ernst nehme. Die Menschen sollen erfahren, welche Bedeutung die Bundesregierung dem Umweltschutz beimißt. Zahlreiche positive Signale in den letzten Tagen bestärken mich in der Hoffnung, daß es im Umweltschutz über unterschiedliche politische Grundsatzpositionen hinweg doch viele Gemeinsamkeiten gibt. Mir liegt nicht zuletzt auch am Gespräch mit den Ländern. Die Verbesserung des Informationsflusses und der Zusammenarbeit ist ein ganz wesentliches Ziel meiner Arbeit. Ich weiß, daß ich eine schwere Aufgabe übernommen habe, und ich weiß, daß sich an die Einrichtung des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit viele Erwartungen knüpfen, wie mir eine Flut von Briefen und Telegrammen gezeigt hat. Ich werde alles daransetzen, dieser Herausforderung gerecht zu werden. Dabei brauche ich im Interesse unseres gemeinsamen Zieles, nämlich der Erhaltung unserer Umwelt, auch und gerade die Hilfe dieses Hohen Hauses. Daß der Deutsche Bundestag heute über ein modernes und umweltgerechtes neues Abfallgesetz abstimmen kann, ist ganz wesentlich meinem Amtsvorgänger in diesem Bereich, Herrn Bundesminister Dr. Zimmermann, zu verdanken. ({0}) Meine Damen und Herren, er war ebenso wie für die Umweltbereiche Luft, Wasser und Boden auch für das nunmehr zu beschließende Vierte Gesetz zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes die starke Lokomotive, ({1}) die dazu notwendig war, das Gesetzeswerk über alle Steilstrecken hinweg und an Abstellgleisen vorbei ans Ziel zu bringen. Ausdrücklich danken möchte ich auch den Mitgliedern der Ausschüsse, die in langwieriger und sorgfältiger Beratung an dem Entwurf der Bundesregierung feilten und in der Tat eine Reihe von Verbesserungen erzielten. Meine Damen und Herren, dieses Gesetz wird der Motor für die Bewältigung der Abfallprobleme und damit für eines der wichtigsten Aufgabengebiete des Umweltschutzes sein. ({2}) Niemand sollte sich heute den notwendigen gesetzlichen Weichenstellungen versagen, und niemand in den daran beteiligten und davon betroffenen Gruppen aus Wirtschaft und Gesellschaft sollte die Bereitschaft zur Mitwirkung zerreden. Als Oberbürgermeister einer Großstadt bin ich ständig mit Abfallproblemen konfrontiert gewesen. Ich weiß, wovon ich rede. Als Präsident des Deutschen Städtetages habe ich zahlreiche Gespräche über die Rolle der Gemeinden im Bereich der Abfallwirtschaft geführt; denn die Gemeinden sind hier wie in kaum einem anderen Bereich des Umweltschutzes zentral betroffen. Das neue Gesetz ist seit Monaten Umweltthema Nummer eins in Städte- und Gemeindeparlamenten, denn mit seinem Inkrafttreten werden den entsorgungspflichtigen Körperschaften neue und weitreichende Aufgaben übertragen. Abfallwirtschaft will klare Prioritäten haben, d. h. in erster Linie Vermeidung und Verwertung von Abfällen und nur dann, wenn Verwertung nicht mehr möglich ist, Beseitigung von Abfällen, so umweltschonend es nur geht. Die Umsetzung dieser Ziele zähle ich zu den politisch bedeutsamen Aufgaben unserer künftigen Umweltpolitik. Wir sind an einem Punkt angekommen, der uns zu klaren Einschnitten und Vorgaben zwingt, wenn wir und die uns nachfolgenden Generationen die Abfallprobleme im Griff behalten wollen. Die wirtschaftliche und technische Entwicklung sowie die Konsumfreude von uns allen haben zu einer stetigen Zunahme der Abfallmengen beigetragen. Jährlich fallen etwa 100 Millionen t industrielle Produktionsabfälle an; Hausmüll und hausmüllähnliche Gewerbeabfälle haben fast eine Menge von 30 Millionen t erreicht. Abfallbeseitigung ist auf der einen Seite eine Frage zukünftiger Deponiekapazitäten, zum andern aber auch eine Kostenfrage. Allein die Kosten für die Hausmüllbeseitigung werden zur Zeit auf 4 bis 5 Milliarden DM geschätzt. Ich sehe in dem neuen Abfallgesetz ein gutes Beispiel für eine Rechtsetzung, die auf Kooperation baut. Fortschritte und Erfolge können wir in der Umweltpolitik nur erzielen, wenn alle Betroffenen gemeinsam auf ein vereinbartes Ziel hinarbeiten. Im Abfallbereich heißt das: alle, die an der Abfallerzeugung in irgendeiner Weise beteiligt sind, bis hin zum einzelnen Bürger als Verbraucher. Über das Ziel einer drastischen Abfallverringerung zum Wohl der Allgemeinheit, denke ich, sind wir uns einig. Das nur die strikte Einhaltung eines Vermeidungs- und Verwertungsgebots zu diesem Ziel hinführt, ist, denke ich, ebenfalls unbestritten. Auf dem Weg dahin wollen wir so wenig staatlichen Dirigismus wie möglich. Wir wissen, daß das Umweltbewußtsein inzwischen einen hohen Stand erreicht hat. Wir glauben daher, von Industrie, Handel und Gewerbe auch umweltbewußtes eigenverantwortliches Handeln fordern zu können. Initiativen der Wirtschaftskreise werden wir unterstützen. Ein gutes Beispiel für diese Richtung, die wir gemeinsam einschlagen wollen, ist die Ermächtigung in § 14 des Gesetzentwurfs. Der Gesetzgeber ermächtigt die Bundesregierung, die Zügel anzuziehen, wenn ihm seitens der beteiligten Wirtschaftskreise die Gefolgschaft verweigert wird. Allein dieser Spielraum hat schon jetzt erste Früchte getragen. Mein Ministerium hat Kenntnis erhalten, daß im Bereich Einweg/Mehrwegverpackungen die betroffenen Verbände nun Sondierungsgespräche mit Blickrichtung auf gemeinsame freiwillige Maßnahmen führen. Wir freuen uns darüber. ({3}) Das neue Abfallgesetz bringt für das Umweltministerium zahlreiche Umsetzungsaufgaben, die umgehend in Angriff genommen werden müssen. Intensive Abstimmungen mit den an der Abfallwirtschaft beteiligten Verbänden und Institutionen liegen vor uns. Gerade bei der Durchsetzung von Umweltgesetzen kommt es auf die Kooperationsbereitschaft an, wenn sie etwas bewirken sollen. Ich sichere die Bereitschaft zur Zusammenarbeit meinerseits zu, erwarte sie aber andererseits auch von den Mitverantwortlichen. Die Bundesregierung hat im Abfallbereich keine Vollzugskompetenzen, wie wir alle wissen. Das Gesetz muß also von den Ländern vollzogen werden. Sein Grundtenor heißt Kooperation und Flexibilitat. Zu begrüßen wäre es, wenn die Länder untereinander mehr Austausch und Hilfestellung, z. B. bei Deponie-Engpässen, vereinbaren würden. Ich weiß, daß im süddeutschen Raum ein derartiges Modell bereits existiert. Eine solche Nachbarschaftshilfe für den Bereich aller Bundesländer könnte wesentlich dazu beitragen, die von uns allen angestrebten Ziele eines übergreifenden Abfallwirtschaftskonzepts zu erreichen. Eine wichtige Aufgabe, die vor uns liegt, ist die Erarbeitung einer sogenannten Technischen Anleitung Abfall. Die Bedingungen für die Zulassung und den Betrieb von Abfallentsorgungsanlagen sowie ihre Überwachung sollen vereinheitlicht werden. Eine erste Konzeption ist bereits zwischen Bund und Ländern abgestimmt und mit den betroffenen Wirtschaftskreisen erörtert worden. Arbeitsgruppen, in denen wir den Sachverstand von Experten aus Verwaltung und Wirtschaft zusammengeführt haben, haben ihre Tätigkeit aufgenommen. Die Technische Anleitung Abfall wird mein besonderes Augenmerk haben, steht dahinter doch die Aufgabe, sicherzustellen, daß die Abfallentsorgung von heute nicht die Altlasten von morgen schaffen darf. ({4}) Ein weiterer Bereich, der marktwirtschaftliche Lösungen und partnerschaftliche Zusammenarbeit erforderlich macht, ist die Altölbeseitigung, die durch die vorliegende Novelle grundlegend umstrukturiert worden ist. Wir wollen die Möglichkeit schädlicher Beimischungen verhindern und die Kontrollen erweitern. Die stoffliche Verwertung, d. h. die Zweitraffination, soll, solange es geht, für saubere Altöle aufrechterhalten werden. Bei verunreinigten schadstoffhaltigen Altölen werden wir die energetische Verwertung fördern. Innerhalb des neuen Abfallwirtschaftskonzepts spielen die der Bundesregierung eingeräumten Möglichkeiten zur Vermeidung oder Verringerung der Schadstofffracht und der Schadstoffmengen die wesentlichste Rolle. Ich begrüße es, daß die jetzige Gesetzesfassung des § 14 zu einer Verstärkung dieser Intentionen geführt hat. Die Bundesregierung wird zur Vermeidung und Verringerung gefährlicher Abfälle im Verordnungswege Kennzeichnungs-, Rücknahme- und Pfandverpflichtungen einführen sowie die getrennte Haltung schädlicher Stoffe und gegebenenfalls Beschränkungen und Verbote über deren Inverkehrbringen anordnen. Ich bin mir bewußt, daß die Umsetzung dieser unerläßlichen Maßnahme, meine Damen und Herren, ein dornenreicher Weg sein wird. Mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes werden wir förmliche Verhandlungen einleiten, um die Betroffenen anzuhören. Die betroffenen Wirtschaftskreise müssen anerkennen, daß die Bundesregierung in Anbetracht der gravierenden Probleme bei besonders belasteten Abfallstoffen eingreifen muß, wenn freiwillige Lösungen nicht in Sicht sind. Das Abfallmengenproblem hat vor allem im Getränkebereich zu heftigen Debatten geführt. Ich gehe davon aus, daß wir nun zu einer sachlichen Zusammenarbeit zurückkehren können. Die Bundesregierung beabsichtigt, die im Gesetz vorgesehenen Verhandlungen unverzüglich aufzunehmen, um gemeinsam die Zielvorgaben festzulegen. Dabei erwarte ich umweltpolitisches Mitdenken und die Einsicht, daß das Wohl der Allgemeinheit in diesem Bereich Vorrang haben muß vor einseitigen und meist kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen. Die Bundesregierung wird von den Verordnungsermächtigungen des Gesetzes Gebrauch machen, wenn dies unter Vorsorgegesichtspunkten erforderlich wird und auf anderem Wege nicht zu erreichen ist. Wir dürfen nicht das Ziel aus dem Auge verlieren, daß wir langfristig die Abfallmengen verringern wollen. Das bedeutet, daß wir alle uns zur Verfügung stehenden Wege beschreiten sollten: Recycling, Kompostierung und Verbrennung, je nach Abfallart. Nicht verwertbare Stoffe müssen dann so umweltschonend wie nur möglich deponiert werden. Unser Abfallwirtschaftsprogramm wird wesentlich von der Mitwirkung der Bürgerschaft abhängen. Mehr denn je wird es erforderlich sein, unsere Bürger zu informieren, sie zum Mitmachen zu motivieren. Notwendig ist es auch, die Einsicht zu vermitteln, daß unser hoher Lebensstandard auch Opfer verlangt. Die Mitwirkung jedes einzelnen von uns ist für die Durchsetzung dieses wichtigen Bereichs staatlicher Daseinsvorsorge zur Erhaltung unseres Lebensraums unverzichtbar. Ich danke Ihnen. ({5})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Martiny-Glotz.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die umweltpolitische Grundsatzerklärung, die Sie, Herr Wallmann, hier eben abgegeben haben, ehrt Sie, was den moderaten Ton angeht. Ich hätte Ihnen allerdings einen besseren Einstieg gewünscht; denn die Novelle ist gründlich mißlungen. ({0}) Daß sich der bisher dafür zuständige Bundesinnenminister offensichtlich schämt, kann man aus der Tatsache ersehen, daß er gleich gar nicht gekommen ist. ({1}) Wir debattieren hier zu so ungewohnter Stunde, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich am Mittwochvormittag, weil heute der Tag „Jugend und Parlament" stattfindet. Wir dürfen hier also keinen Wortmüll produzieren, denn wir haben sehr kritische Zuhörer. Das sage ich den Herren Zwischenrufern. ({2}) - Die Ungezogenheit der CDU bei Zwischenrufen, wenn Damen am Pult stehen, ist mir bekannt. Aber wenn 520 junge Leute zuhören, mäßigen Sie sich vielleicht, meine Herren. ({3}) Ich kann jedenfalls meinen Redebeitrag hier nicht losgelöst von der Tatsache sehen, daß ich heute in der Mittagspause - -({4})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit für die Rednerin.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich kann jedenfalls meinen Redebeitrag hier nicht losgelöst sehen von der Tatsache, daß ich heute in der Mittagspause zwei Stunden lang eine Gruppe dieser jungen Leute leiten werde, die unter dem Thema „Jugend und Staat" debattieren wollen. ({0}) Was antworte ich diesen jungen Leuten beispielsweise auf die Frage, welchen Schluß wir aus ihrem Protest gezogen haben, daß sie uns dutzendweise Aluminiumdosen in unsere Büros geschickt haben? Was antworte ich ihnen auf ihre Fragen, wie wir mit Bürgerprotest umgehen? Denn die heutige zweite und dritte Beratung dieses Gesetzes zeigt ihnen doch, daß wir in den entscheidenden Fragen dieser Novellierung zum Abfallbeseitigungsgesetz aus dem Bürgerprotest nichts gelernt haben. ({1}) Was sage ich den jungen Leuten, die mich fragen, wieso sie die Hoffnung denn eigentlich nicht aufgeben sollten, daß sie etwas ändern können in diesem Staat? ({2}) Während wir hier Lächerlichkeiten debattieren, daß nämlich das „Abfallbeseitigungsgesetz" jetzt in „Abfallgesetz" umbenannt werden soll und daß wir statt von Beseitigung künftig von Entsorgung reden - da denkt jeder gleich an die liebe Mutter, die sich Sorgen macht, wenn ihr Kind Grippe bekommt und mit dem Fieberthermometer und dem Hustensaft angerannt kommt -, ({3}) schleppen in der ganzen Republik Hausfrauen volle Einkaufstüten rein und rauf und übervolle Mülleimer raus und runter und schimpfen auf den Riesenberg Abfall. Während hier 90prozentige Männermehrheiten bezüglich des Hausmülls vordringlich wirtschaftsfreundliche Gesetze machen, rennen die Trümmerfrauen aller Jahrgänge, nämlich die 90prozentigen Hausfrauenmehrheiten in dieser Republik, ({4}) um die Glascontainer mit Flaschen zu bedienen, auch noch nach Farben sortiert, suchen nach der Altpapierannahmestelle für Zeitungen, was zunehmend schwieriger wird, bringen die ausgebrauchten Batterien ins Geschäft zurück, stapeln Farb- und Putzmittelreste sicher vor Kinderhänden, bis der Sondermüllwagen vielleicht einmal vorbeikommt, und bitten den Göttergatten, doch einmal mit anzupacken, um die alte Sportkarre und die abgelegten Gartenmöbel, dazu die Reste der Auslegware vom Wohnzimmer zum Sperrmüll zu bringen. Die Hausund Trümmerfrauen täten gern noch mehr, um die Umweltbelastung durch Müll zu reduzieren. Es ist aber unmöglich, daß Frauen das reparieren, was Männer als Gesetzgeber anrichten. ({5}) Dieses Gesetz macht wie damals beim Katalysator keine entsprechenden Vorgaben, damit die Bevölkerung tatsächlich mitmachen kann, Herr Wallmann. ({6}) Die Vorgaben fehlen nämlich auch hinsichtlich der Kommunen. Das weiß jeder Abgeordnete, der zusätzlich kommunalpolitisch tätig ist. Von den drei Kreistagsfraktionen in meinem Bundestagswahlkreis haben zwei eine umfangreiche Müllbereisung durchgeführt, um nach der besten Konzeption für die Abfallbeseitigung in den jeweiligen Landkreisen zu suchen. Die einen wollten ihr Müllverbrennungswerk nicht ausweiten, weil sie genau wissen, daß sie mit dem Filter nicht zu Rande kommen, und die zweiten wollten in einem bisher nicht zerstörten Wald keine Deponie errichten. Aber sie sind ratlos. Sie würden gerne mithelfen, den Müll zu vermindern, aber Bonn gibt ihnen hierzu keine konkreten Ziele vor, ({7}) was den Zeitraum und den Rahmen angeht, innerhalb dessen der Müll vermindert wird und wir eine geordnete Abfallwirtschaft beginnen können. ({8}) Meine letzte Bemerkung ist wirtschaftspolitischer Natur. Sie bezieht sich auf den § 14, auf den meine Kollegen im einzelnen sicherlich noch eingehen werden. Ich habe im Wirtschaftsausschuß miterlebt, wie die Regelung zugunsten der Mehrwegflaschen schließlich den Todesstoß bekam. Ich habe selten eine so interessenbestimmte, unsachgemäße Beratung erlebt. Da müssen sich die Lobbyisten von Aldi und der Aluwirtschaft bei den Herren von der CDU/CSU und der FDP buchstäblich die Klinke in die Hand gegeben haben. ({9}) Die Aluminiumherstellung ist außergewöhnlich stromintensiv, wie Sie wissen. Ich habe kürzlich gelesen, daß in einer Dose Strom für fünf Stunden Fernsehbetrieb steckt, um nur einmal eine Größenordnung zu haben. ({10}) Daraus können Sie ersehen, daß man, wenn man hier einen Riegel vorschieben würde, vielleicht den einen oder anderen Reaktor doch sofort abschalten könnte. Sie von der Union sagen immer, Sie seien für fairen Wettbewerb. Nichts da! Die Ermächtigungsregelung im § 14 begünstigt ganz eindeutig die Großen. Ich sage dies jetzt hier als bayerische Abgeordnete, weil wir eine Fülle von mittelständischen Brauereien in Bayern haben, die einem ungeheuren Wettbewerbsdruck durch die Großbrauereien unterliegen, die eben über Aldi und ähnliche Läden ihr Bier oder andere Getränke in Dosen anbieten. Machen Sie doch endlich einmal Ernst damit, auch, die Kleinen und Mittleren im Wettbewerb und die Verbraucher durch Ihre Gesetze besserzustellen, statt immer Gesetze zu machen, bei denen die Wirtschaft im Hintergrund die Feder führt, Gesetze vielmehr, durch die mit gesundem Menschenverstand das geregelt wird, was die Bürger gern geregelt sähen, nämlich Müll vermeiden und soviel wie möglich nutzbringend wiederverwerten. Schönen Dank. ({11})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Baum.

Gerhart Rudolf Baum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000111, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegin hat offenbar einen anderen Entwurf auf dem Tisch als den, den ich hier zu vertreten habe. Ich verstehe auch überhaupt nicht, daß Sie eine zentrale Vorschrift angreifen, die wir hier als Koalitionsfraktionen vereinbart haben, nämlich dem Bürger, der Wirtschaft, dem Verbraucher klare Zielvorgaben zu machen. Das greifen Sie an. Das ist aber ein zentrales und wichtiges Stück der Novelle. Die Abfallwirtschaft ist voll im Gang. Wir haben 1975 in der früheren Bundesregierung ein Abfall17108 Wirtschaftsprogramm vorgelegt, das auf Abfallvermeidung und Abfallverwertung zielt, und es gibt beachtliche Steigerungen im Recyclingbereich. Wir fangen nicht am Punkt Null an. In vielen Bereichen der Wirtschaft gibt es Recycling und Verwertung in großem Umfang. Durch zahlreiche Initiativen aus der Wirtschaft ist das Abfallaufkommen aus der Industrie beispielsweise von 1977 bis 1982 nur um 1 % gestiegen, während die Produktion um 25 % zugenommen hat. Es gibt auch nicht die Lawine von Hausmüll, von der Sie hier sprechen, sondern es gibt vielfältige Initiativen zur Reduzierung von Abfall. Dennoch: Es muß mehr geschehen. Abfallentstehung ist ein Indikator für fehlgeleiteten Rohstoffeinsatz. Eine zentrale Forderung des neuen Gesetzes ist daher die Verpflichtung, Abfälle zu vermeiden, soweit es irgend geht. Es geht, wie Sie, Herr Wallmann, gesagt haben, also darum, die Altlasten der Zukunft zu vermeiden. Die zweite zentrale Forderung des Gesetzes ist: Die Abfallverwertung hat Vorrang vor der sonstigen Entsorgung. Sie muß natürlich technisch möglich sein. Die dabei entstehenden Mehrkosten dürfen im Vergleich mit anderen Verfahren nicht unzumutbar sein. Und es muß auch ein Markt vorhanden sein. Wir setzen also auf den Ausbau neuer Märkte für Sekundärrohstoffe. Wir sehen aber auch die Probleme, die mit zunehmender Verwertung einhergehen. Sie zeigen sich zum Beispiel heute darin, daß der Altpapiermarkt verfällt. Es wird sehr viel Altpapier gesammelt, und es brechen Sammelsysteme zusammen, die in langen Jahren gewachsen sind. Wir müssen also den Bürgern sagen: Auch der Verwertung sind Grenzen gesetzt. Es darf nicht zu einer Situation kommen, wo die Gemeinden auf verwerteten Produkten sitzen bleiben, die wirtschaftlich nicht an den Mann zu bringen sind. Das ist eine Frage auch der Ökonomie. Wir müssen den Bürgern realistisch sagen, daß alles, was wir von ihnen erwarten und was zum Teil geschieht: Vorsortierung, getrennte Sammlung, neue Bringsysteme, differenzierte Verwertung, arbeitsaufwendiger für den Bürger selber, also für uns alle, ist und daß es in der Regel auch teurer ist. Das heißt, das Billigste, aber eben nicht Verantwortbare ist das Wegwerfen; alles, was jetzt zusätzlich geschieht, muß zusätzlich bezahlt werden. Das ist die realistische Einschätzung der Lage. ({0}) Die stoffliche Verwertung sollte geschehen, wenn sie irgend möglich ist. Vor der Deponierung sollte der Abfall aufbereitet und sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um Schadstoffe nur in ganz geringem Umfang in die Deponien gelangen zu lassen. Der Deponieraum wird knapper. Auch deshalb wird eine Verbrennung weiter unverzichtbar sein. Nur durch Verbrennung lassen sich einige Schadstoffe gefahrlos beseitigen. Wer wie DIE GRÜNEN und - ich nehme an - auch die SPD gegenüber der Verbrennung skeptisch ist, ({1}) der schadet der Umwelt. Wir brauchen eine Kombination von Deponierung, Verbrennung und Kompostierung. Nur so lösen wir das Problem. ({2}) - Sie können nicht alles vermeiden. Sie können nicht vermeiden, daß wir Zeitung lesen. Wir werden Zeitung lesen, und Zeitung ist dann Altpapier und Abfall; und der muß verwertet werden - um nur ein Beispiel zu nennen. Neben stofflicher und thermischer Verwertung wird die Kompostierung auszubauen sein. Auch hier stellt sich allerdings die Frage nach den Kosten und nach der Verwendung der gewonnenen Produkte. Es sollte bei Gartenmüll-Kompostsystemen begonnen werden. Der Absatz kann hier meines Erachtens gesichert werden, die entstehenden Kosten werden durch Verkaufserlöse und ersparte Deponiekosten aufgefangen. Probleme macht der Sondermüll. Wir geben der Bundesregierung jetzt in § 14 neue, wichtige Instrumente in die Hand, um Schadstoffe zu reduzieren. Das Kernproblem beim Abfall sind nach wie vor die Schadstoffe. Wir müssen alles unternehmen, damit Schadstoffe nicht in Deponien und auch nicht in die Luft gelangen. Hier haben wir ein umfangreiches Instrumentarium vorgeschlagen: von der Kennzeichnung bis zum Verbot bestimmter Produkte. Die konsequenteste Form der Vermeidung ist das Verbot bestimmter Produkte, die nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Wir erwarten, daß die Bundesregierung von diesem Instrumentarium - Sie haben das ja angekündigt, Herr Wallmann - so schnell wie möglich Gebrauch macht. ({3}) Ein weiteres Problem ist die Abfallmenge; auch sie ist ein Problem. Ich wundere mich etwas, daß das Problem des Abfalls - auch in der öffentlichen Diskussion - auf die Diskussion Einweg oder Mehrweg reduziert wird. Das ist zwar ein Problem, aber es ist nicht das einzige und nicht das wichtigste Problem. Die Schadstoffe sind es, die Gifte sind es. ({4}) Auch bei der Abfallmenge gibt es abgestufte Eingriffsmöglichkeiten: von der Kennzeichnung bis zum Pfandsystem. Und ich frage mich: Warum stellen Sie in Frage, daß wir die Bundesregierung auffordern, Umweltziele zu nennen? Am Anfang einer jeden Regelung muß doch stehen, daß wir uns über die Ziele der Verringerung klar sind; klare Handlungsvorgaben müssen gemacht werden. Die Anwendung des Instrumentariums erübrigt sich, wenn die Verantwortlichen diese Ziele erreichen. Warum brauchen wir denn den Staat, wenn wir die Ziele anders erreichen können, meine Damen und Herren? Es ist doch geradezu grotesk, daß Sie diese Vorschrift angreifen. Wenn die Ziele nicht durch die Wirtschaft, durch die Verbraucher selbst erreicht werden, so kann das Instrumentarium sofort angeBaum wandt werden. Bitte, nehmen Sie zur Kenntnis, daß wir keine Wartezeit hinnehmen, ({5}) sondern daß wir der Bundesregierung dieses Eingriffsinstrumentarium an die Hand geben. Sie kann, wenn notwendig, sofort davon Gebrauch machen. Der wichtige Unterschied zu allen früheren Situationen, in denen ich mich auch als Innenminister befand, ist, daß der Staat jetzt wirklich eingreifen kann; er hat Zähne. Ich habe früher immer nur Forderungen aufgestellt, konnte aber nichts erreichen, weil die Wirtschaft gesagt hat: Du kannst das ja nicht durchsetzten. Heute haben wir eine fundamentale Veränderung der Situation. ({6}) Deshalb ist die Novelle so wichtig. ({7}) Ich schätze die Bedeutung der noch funktionierenden Mehrwegsysteme hoch ein. Sie sind auch aus Wettbewerbsgründen zum Schutze noch existierender mittelständischer Anbieter auf dem Getränkemarkt notwendig und sollten stabilisiert werden. Wir sehen im Handelsbereich ohnehin mit Sorge eine Entwicklung zu mehr Oligopolen, zu einem Verdrängungswettbewerb. Allerdings kann man das Problem auf diesem Wege leider nicht lösen. Das ist nicht nur ein Problem von Mehrweg oder Einweg. Der Vorschlag von Bundesrat und SPD, eine Lex Aldi einzuführen, also Getränkeverpackungen für den Verbraucher sowohl als Einweg- als auch Mehrwegverpackung nebeneinander anzubieten, halten wir nicht für realisierbar, nicht für kontrollierbar, für mittelstandsfeindlich und für wenig effektiv. ({8}) - Nein, bitte nicht so billig, Herr Vogel, „mit Spenden". ({9}) Wir fragen uns, ob etwas zieht, ob etwas wirkungsvoll ist. Und da muß ich Ihnen sagen: Die Eingriffskriterien des § 14, etwa das Pfandsystem, sind viel besser. ({10}) Wir müssen auch darauf setzen, daß sich der Bürger entscheidet. Er kann ja heute die Pfandflasche, das Mehrwegbehältnis kaufen, ({11}) er muß es halt tun, er muß es auch ohne gesetzlichen Zwang tun. Umweltschutz beginnt im Kopf, im eigenen Kopf und sollte dort ansetzen. ({12}) Es ist doch besorgniserregend, daß die Leute das Mehrwegbehältnis nicht einmal dann kaufen, wenn es billiger ist, weil sie sich an die Einwegflasche oder an das Einwegbehältnis gewöhnt haben. Also, die Bürger sollten sich auch ihrem Umweltbewußtsein entsprechend konsequent verhalten. Wir geben mit diesem Gesetz hier jetzt einen wichtigen Impuls. Es wurde die TA Abfall genannt. Wir wollen also einheitliche Regelungen für Abfallbeseitigungsanlagen in der Bundesrepublik, für ihre Überwachung. Das ist ein wichtiger Schritt; denn das hat es bisher nicht gegeben. Altöle werden in das Gesetz einbezogen, den strengen Regeln des Gesetzes unterworfen. Wir haben uns mit dem Problem der Selbstwechsler im Bereich des Altöls auseinandergesetzt, also mit den Leuten, die sich ihr Öl in Warenhäusern kaufen und dann geneigt sind, das irgendwo hinzuschütten. Hier kommen neue Regelungen, etwa die Pflicht, Annahmestellen für gebrauchte Öle einzurichten. Die Rücknahme soll kostenlos erfolgen. Mit dieser Novelle wird das Abfallrecht entscheidend fortentwickelt und verschärft. Wichtige Aufgaben kommen auf die beseitigungspflichtigen Körperschaften, aber auch auf Industrie, Handel und Verbraucher zu. Es wird zu weiteren erheblichen Investitionen und zu verändertem Verhalten aller Beteiligten kommen müssen. Dieses Gesetz und die jetzt zu erarbeitenden Verordnungen sind ganz entscheidende Schritte hin zu Abfallvermeidung, Abfallverminderung und Abfallverwertung und nicht zuletzt zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Meine Damen und Herren, wir stimmen dieser Novelle zu. Wir haben als Koalitionsfraktionen, wie ich meine, Verbesserungen erreicht. Wir haben das Gesetz noch praktikabler gemacht. Wir haben es verschärft. Wir erwarten, daß der neue Umweltminister jetzt die zweite Stufe ausfüllt, also mit Verordnungen kommt, die notwendig sind, damit das Gesetz lebt. Herr Vogel, die Grundgedanken gehen auf die frühere Koalition zurück. Ich frage mich, wie Sie dann dagegen sein können. Wir halten dieses Gesetz für einen wichtigen Schritt nach vorne und stimmen zu. ({13})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hönes.

Hannegret Hönes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000924, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der heutige Tag ist ein schwarzer Tag in der Geschichte des Umweltschutzes, und das in jeder Hinsicht. Heute soll mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen eine Novellierung des Abfallbeseitigungsgesetzes beschlossen werden, die so schlecht ist wie der Ruf des für sie verantwortlichen Innenministers Zimmermann. ({0}) Unfähigkeit, gepaart mit Untätigkeit und Arroganz - dies charakterisiert die Umweltpolitik, und zwar nicht nur die dieses Ministers. Dies hätte ihn nicht nur die Zuständigkeit für den Umweltbereich, sondern auch den Ministersessel kosten müssen. Seine beiden größten Ämter, den Verfassungsschutz und das Umweltbundesamt, hat er ebensowenig im Griff gehabt wie die Situation in der Bundesrepublik nach der Katastrophe von Tschernobyl. In diesem Punkt unterscheidet er sich allerdings kaum von seinen Ministerkollegen und seinem Vorgesetzten. Sein Nachfolger und neuer Bundesumweltminister Wallmann ist ihm sicherlich ein „würdiger" Nachfolger, der die Umweltpolitik in Zimmermann-scher Manier weiterführen wird. Das ist nicht etwa wilde Spekulation, meine Damen und Herren. Dies belegt ein Blick auf die Leistungen von Herrn Wallmann als Oberbürgermeister in Frankfurt. ({1}) Seine Umweltpolitik sucht ihresgleichen. Die Umwelt- und Gesundheitsgefährdungen durch die größte Frankfurter Altlast, den Monte Scherbelino, hat er ebenso leugnen und, als das nicht mehr ging, herunterspielen lassen wie die Verunreinigungen durch Industriechemikalien und krebserzeugende Chlorungsprodukte im Trinkwasser der Stadt. ({2}) Von Umweltschützern, besorgten Bürgern und ausländischen Mitbewohnern hat er keine gute Meinung. Anders ist es dagegen bei industriellen Brunnenvergiftern wie der Hoechst AG. ({3}) Seine Betonpolitik schließlich hat wesentlich dazu beigetragen, daß Frankfurt nicht nur die Stadt mit einer der bundesweit höchsten Kriminalitätsraten ist, sondern auch schon seit Jahren mit ihrer Wasserverschwendung das Hessische Ried und den Vogelsberg an den Rand einer ökologischen Katastrophe getrieben hat. Herr Wallmann, was qualifiziert Sie denn eigentlich für den verantwortungsvollen Posten des Bundesumweltministers? Ihr Parteibuch, Ihre Industriefreundlichkeit, Ihre Nähe zur Atomlobby? Meine Damen und Herren, von dieser Regierung ist keine andere Politik als die der Naturzerstörung, der Ressourcenverschwendung und der schleichenden Umweltvergiftung zu erwarten, egal, ob der für Umwelt zuständige Regierungsbeteiligte nun Zimmermann oder Wallmann heißt, ob eine Mogelpakkung gegen die andere eingetauscht wird. ({4}) Mag auch der Name ein anderer sein, die politischen und ökologischen Fehlleistungen sind dieselben. Die vierte Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz ist ein gutes Beispiel dafür. Ich frage mich, ob Bundesumweltminister Wallmann heute überhaupt weiß und überblickt, worum es hierbei geht. ({5}) Herr Wallmann, Sie haben jetzt die Chance und die Legitimation, diesen Entwurf noch zurückzuziehen und zu zeigen, daß ein Umweltminister, der aus Hessen kommt, vor der Lobby der bayerischen Dosenfabrikanten nicht in die Knie geht. Die vierte Novelle, wie sie jetzt vorliegt, ist nicht etwa das Resultat einer kontroversen Diskussion zwischen Industrie- und Umweltschutzvertretern. Sie ist vielmehr von den Koalitionsfraktionen im Innenausschuß kurz vor Ladenschluß vorgelegt und trotz schwerster Bedenken durchgepeitscht worden. Eine von den GRÜNEN verlangte Anhörung mußte hinter verschlossenen Türen stattfinden, weil es ja um die Interessen der Industrie ging, wie Herr Laufs das in dankenswerter Offenheit gesagt hat. ({6}) Gerade in der entscheidenden Frage der Verpakkungen bedeutet die neue Fassung einen Rückfall in die Steinzeit der Umweltpolitik. ({7}) Statt Stützung des Mehrwegsystems wird das Resultat die Vernichtung desselben sein, während die Einwegflasche und -dose ihren Siegeszug antritt, wie seinerzeit in den USA. ({8}) Amerikanische Verhältnisse hier bedeuten aber den Verlust von rund 90 000 Arbeitsplätzen. Das Umweltbundesamt - Ihr neues Fachamt in dieser Frage, Herr Wallmann - kommt in einem Bericht, den Ihr Vorgänger gerne unter Verschluß gehalten hätte, zu folgendem Schluß: Erstens. Maßnahmen zur Stützung des Mehrwegsystems sind nur erfolgreich, wenn sie rechtzeitig erfolgen, d. h. wenn das Mehrwegsystem in hinreichendem Umfang noch am Markt vorhanden ist. - Dies, Herr Wallmann, ist in der Bundesrepublik noch der Fall. Ich sage betont: noch, denn die Statistiken weisen bereits jetzt klar einen Rückgang des Mehrwegsystems aus. - Weiter im Bericht des Umweltbundesamtes: Maßnahmen zur Stützung des Mehrwegsystems müssen hinreichend drastisch sein. Etwas später: In der Wirksamkeit der möglichen Maßnahmen ist folgende Reihenfolge anzunehmen: Erstens Verbot von Einweggetränkeverpackungen und zweitens Steuer in hinreichender Höhe. In der vierten Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz, die heute verabschiedet wird, sind weder die Ermächtigung zu einem Verbot von Einweggetränkeverpackungen enthalten noch die Möglichkeit einer Steuer in hinreichender Höhe. Beides - sowohl Verbot von Einweggetränkeverpackungen mit kleinen Ausnahmen wie auch ein finanzielles Instrument, nämlich eine Abgabe - ist in den Entwürfen der GRÜNEN zur Novellierung des AbfallbeseitiFrau Hönes gungsgesetzes enthalten. Doch das wird natürlich abgelehnt, nur weil es von den GRÜNEN kommt. Die Müllawine wächst, die Kommunen ersticken unter den Abfallbergen, der Deponieraum wird knapp. Viele Kommunen, aber auch viele Industriezweige, setzen hierbei auf eine Lösung, auf das sprichwörtliche Loch im Zaun oder hier: im Abfallbeseitigungsgesetz. ({9}) Dieses Loch in der dritten Novelle explizit offengehalten, befindet sich in Lübeck-Schlutup an der Grenze zur DDR. - Sie haben recht, Herr Kollege. Die dortige Sondermülldeponie Schönberg ist ein gieriger Schlund für westdeutschen Sondermüll und für westdeutsche Devisen. ({10}) Für ihre Sicherheit gibt das Umweltbundesamt keinen Pfifferling. ({11}) Was dort in ungesicherten Löchern abgekippt wird, kommt irgendwann einmal wieder in die Bundesrepublik zurück, und zwar mit dem Grundwasser. Das Denken in Legislaturperioden und nicht in Generationen hat sich umweltpolitisch noch nie bewährt, Herr Wallmann. Unser Antrag „Stopp der Sondermülltransporte nach Schönberg" hat sich einen Grundgedanken des Abfallbeseitigungsgesetzes zu eigen gemacht: ({12}) Abfälle müssen in dem Land, in dem sie anfallen, auch beseitigt werden. ({13}) Ein Freikaufen von der Verantwortung darf, nicht erlaubt werden. Die Genehmigungen für die Transporte in die DDR stehen außerhalb der Grundgedanken geltenden Rechts. Unser Antrag soll diesem Recht zu seinem Recht verhelfen. Abfälle, die in der Bundesrepublik anfallen und hier nicht gefahrlos beseitigt werden können, dürfen demzufolge nicht mehr anfallen. Hier bedarf es rigider Eingriffe bis hin in die Produktion. Dazu hat der hessische Umweltminister bereits erste Schritte unternommen. ({14}) Er hat dabei unsere vollste Unterstützung. Danke schön. ({15})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Abfallgesetz ist ein Schlüsselgesetz der Umweltpolitik in unserer hochentwickelten Industriegesellschaft. Es gibt auf Dauer keine Fortentwicklung moderner Industrie, wenn die dort entstehenden Sonderabfälle wie metallurgische Schlacken und Krätzen, Säuren und Laugen, Lösemittelrückstände, Lack- und Farbabfälle nicht unschädlich beseitigt werden können. Es gibt keinen Fortbestand unseres hohen Konsumstandards mit seinen vielfältigen hochwertigen Angeboten, wenn die Müllawine unbegrenzt anwachsen sollte, was tatsächlich nicht der Fall ist, aber wir den Hausmüll, hausmüllähnliche Gewerbeabfälle und Sperrmüll wegen der fehlenden Deponieflächen nicht vermeiden, wiederverwerten und wirksam reduzieren können. Es gibt auch keinen wirklichen Umweltschutz durch Luftreinhaltungsund Gewässerschutzmaßnahmen, wenn die dabei anfallenden giftigen Schlämme, Gipse und Klärschlämme nicht umweltverträglich entsorgt werden. Hier geht es ganz zentral auch um die Zukunftschancen der jungen Generation. Ich meine, Umweltpolitik ist zu wichtig, als daß man sie grünen und linken Dilettanten ({0}) in ihrer moralisierenden Pose überlassen könnte. ({1}) Wer beim Umweltschutz das Unmögliche will, verhindert das Mögliche. ({2}) Ich bin überzeugt, Umweltschutz hat nichts zu tun ({3}) mit Ausstieg aus der Industriegesellschaft oder Technikfeindlichkeit. ({4}) Während immer neue Angstmeldungen in grünen Agitationsküchen produziert werden, reinigen wir die Luft und das Wasser und beseitigen die Abfälle in der Wirklichkeit des Lebens. ({5}) Frau Kollegin Hönes, ich bezweifle, daß es Ihnen in Wirklichkeit um Umweltschutz geht. Das zeigen doch Ihre Beschlüsse in Hannover. ({6}) Sie sind ja auch offensichtlich nicht einmal bereit, unsere Gesetzestexte zu lesen; wir lesen Ihre Beschlüsse sehr genau. ({7}) Sie haben doch nichts anderes vor, als diese Industriegesellschaft lahmzulegen. Auf diesen einfachen Nenner kann man das doch bringen. ({8}) Meine Damen und Herren, mit dem neuen Abfallgesetz tun wir einen großen Schritt nach vorn. Das Ziel dieser vierten Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz ist es, Müllmengen zu vermeiden und zu ver17112 mindern und vor allem Schadstoffe in Abfällen zu reduzieren sowie alle Altöle dem Abfallgesetz zu unterwerfen. Das Altölgesetz kann damit aufgehoben werden. Regelungen der Abfallentsorgung werfen nicht nur schwierige naturwissenschaftliche und technische Fragen auf, sie müssen auch in die nationale und europäische Wirtschaftsordnung eingefügt werden. Unsere Novelle wird erhebliche, auch ökonomische Auswirkungen auf verschiedene Wirtschaftszweige, z. B. im Verpackungsbereich, haben. Die Koalition hat sich darauf verständigt, das Abfallgesetz als Umweltschutzgesetz zu gestalten und kein Produktionssteuerungsgesetz mit einem unmittelbaren staatlichen Dirigismus des Marktgeschehens zu schaffen. Das Gesetz zieht mit der Festlegung von Pflichten für die Abfallbesitzer, mit Genehmigungsvorbehalten und Überwachungsvorschriften einen Rahmen für die Abfallentsorgung und -vermeidung. Direkte staatliche Eingriffe sind dort vorgesehen, wo Gefahren für die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu besorgen sind. Die Funktionsfähigkeit kommunaler Müllentsorgung wird nicht berührt; im übrigen soll aber die Aufgabe der Abfallentsorgung soweit wie möglich der Wirtschaft, insbesondere den mittelständischen Unternehmen, überlassen werden. Der Protest von links, der sich dagegen heftig erhebt, ({9}) ist, wie ich meine, nicht umweltpolitisch motiviert, sondern zeigt einmal mehr das gebrochene Verhältnis von SPD und GRÜNEN zur Sozialen Marktwirtschaft. Nicht neue staatliche Bürokratie, sondern wirksame Abfallentsorgung ist das Gebot der Stunde. ({10}) Es ist schon grotesk, daß die SPD ihre polemische Kritik von einer Rednerin vortragen läßt, die an den langen Beratungen des Gesetzes im Innenausschuß überhaupt nicht beteiligt war ({11}) und den Gesetzestext offensichtlich überhaupt nicht kennt. ({12}) Wir in der Koalition sind überzeugt, daß die Wirtschaft die Bürger nicht nur optimal mit Gütern und Dienstleistungen versorgt; sie kann auch die Abfallentsorgung zumindest so effizient und preiswert leisten wie der Staat. Die beste aller Welten ist nicht die, in der alles bis ins einzelne staatlich reglementiert ist bis hin zu der Frage, wie viele Dosen auf den Regalen der Einzelhandelsgeschäfte stehen dürfen. Wegen der hohen Kosten umweltfreundlicher Abfallentsorgung wird sich jedoch das Problem am Markt nicht von selbst lösen. Ziele müssen vorgegeben werden. Wir ermächtigen deshalb die Bundesregierung, zur Vermeidung oder Verringerung von Abfallmengen Ziele festzulegen und im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Wir erwarten von ihr, daß sie unverzüglich Quoten und Fristen bestimmt und veröffentlicht, die von der Wirtschaft in eigener Verantwortlichkeit zur Vermeidung, Verringerung oder Verwertung von Abfällen aus bestimmten Erzeugnissen, insbesondere Verpackungen und Behältnissen, erreicht werden müssen. Wegen der vielfach begrenzten Möglichkeiten der sinnvollen stofflichen Verwertung stellen wir die thermische Verwertung gleichrangig daneben. Hersteller, Handel und Reststoffverwerter müssen sich zur Organisation und Kostenverteilung bald zusammenfinden. Es wird sich sehr schnell zeigen, ob und inwieweit die notwendigen Anstrengungen der beteiligten Kreise zur Eindämmung der Müllawine ausreichen. Für den Fall, daß die Aktivierung der Marktkräfte nicht befriedigend gelingt, wird die Bundesregierung umgehend von den ihr eingeräumten Ermächtigungen zur Verordnung von Pflichten zur Kennzeichnung, zur getrennten Entsorgung, Rücknahme und Pfanderhebung sowie von anderen Auflagen für das Inverkehrbringen von Verpackungen und Behältnissen Gebrauch machen müssen. Ich sehe zur Zeit nicht, daß diese Rechtsverordnungen erforderlich sein werden. Ich habe Modellversuche mit Recyclingzentren des Handels gesehen, die sehr bürgerfreundlich und leistungsfähig sind. Die Zukunft wird den universellen Annahmestellen von Leergut und Reststoffen, also nicht nur von Altglas, Altpapier oder Altmetallen, sondern auch von Pfandgebinden und Mehrwegsystemen aller Art gehören. 'Im Ergebnis werden mit dieser Gesetzesnovelle die umweltfreundlichen Mehrwegsysteme stabilisiert und gestärkt werden. Denn sie sind unter den Bedingungen der Abfallvermeidung den Einwegverpackungen überlegen. Die Bundesregierung erhält mit dem vorliegenden Abfallgesetz ein neues Instrumentarium zum Abbau der Müllberge, zur Senkung der Schadstoffanteile, zur sicheren Entsorgung und Beseitigung von Sonderabfällen und Altölen und zur abfallrechtlichen Überwachung von sogenannten Altanlagen. Wir fordern die Bundesregierung auf, dieses Instrumentarium entschlossen und mit Augenmaß einzusetzen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Hartenstein.

Dr. Liesel Hartenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000815, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des neuen Abfallgesetzes hätten Sie, Regierung und Koalitionsfraktionen, eine ungeheure Chance gehabt, die Chance nämlich, ein deutliches Signal für das Ende der Wegwerfgesellschaft zu setzen. Sie haben diese Chance nicht genutzt, leider. ({0}) Heute produziert jeder Bundesbürger mehr als eine halbe Tonne Abfall pro Jahr. Der Gesamtmüll der Bundesrepublik würde eine Million Güterwagen füllen, die von Frankfurt bis nach Kapstadt reichen. Das ist doch kein Naturgesetz. Das kann man ändern. Allerdings müssen dafür einige Voraussetzungen gegeben sein: erstens die Bereitschaft, umzudenken und von der Ex-und-Hopp-Mentalität endgültig Abschied zu nehmen. ({1}) Zweitens müssen wir nach Wegen suchen, die ein Wirtschaften in Kreisläufen möglich machen. Die Abfälle von heute müssen die Rohstoffe von morgen werden. Drittens gilt es, die Entwicklung in die richtigen Bahnen zu lenken und die notwendigen rechtlichen Instrumente bereitzustellen. Das ist die Aufgabe der Politik. Wenn wir es ernst meinen mit einer ökologisch verträglicheren Wirtschaftsweise, die auf weniger Rohstoffverbrauch, auf weniger Energieverschwendung, auf weniger Umweltbelastung ausgerichtet ist, dann bietet sich die Abfallwirtschaft geradezu als Testfall dafür an. Mißt man das heute zu beschließende Gesetz an diesem Maßstab, meine Damen und Herren, muß man leider feststellen: Das Klassenziel wurde nicht erreicht. ({2}) Darüber helfen auch noch so wohlmeinende Interpretationen nicht hinweg. Der vorliegende Gesetzentwurf bleibt hinter den umweltpolitischen Erfordernissen zurück. Er bleibt auch weit hinter den Erwartungen der Kommunen zurück; denn landauf, landab sehen sich die Städte vor wachsenden Müllbergen und schrumpfenden Deponieflächen. Man zerbricht sich die Köpfe über neue Wege der Hausmüllbeseitigung, auch der Industriemüllbeseitigung, auch über die Probleme der Altlastensanierung. Oberstes Ziel einer vernünftigen Abfallpolitik muß daher sein, die Müllmengen drastisch abzubauen und die Schadstofffrachten zu vermindern. Die Rangfolge lautet also: Erstens. Vermeidung aller vermeidbaren Abfälle. Zweitens. Verwertung der unvermeidbaren Abfälle, soweit wie nur möglich. Drittens. Sichere und schadlose Beseitigung des Restmülls. Ich frage mich -- Herr Kollege Baum, Sie haben das ebenfalls vorgetragen -, warum Sie den Antrag der SPD-Fraktion, genau diese Prioritätenfolge in das Gesetz hineinzuschreiben, abgelehnt haben. ({3}) Wären Sie dieser Leitlinie konsequent gefolgt, so hätten Sie uns als Mitkämpfer voll an Ihrer Seite gefunden; denn die Marschrichtung und auch die Ziele waren von langer Hand vorgezeichnet. Schon das Abfallwirtschaftsprogramm von 1975 hatte die Abfallvermeidung und die -verwertung in den Vordergrund gerückt und dabei beachtliche Erfolge erzielt, bei der Altpapierverwertung, beim Altglasrecycling. Es muß auch anerkannt werden, daß die Wirtschaft große Anstrengungen unternommen hat, die Abfälle wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen. ({4}) Aber auf der anderen Seite, Herr Kollege Kolb, steht doch die leidige Tatsache, daß sich z. B. die produktionsspezifischen Abfälle und die Schlämme zwischen 1975 und 1980 schlicht verdoppelt haben und daß auch der Verpackungsaufwand, insbesondere die Zahl der Einwegverpackungen, gewaltig angestiegen ist. Bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs hat der Parlamentarische Staatssekretär Spranger mit dem Brustton der Überzeugung verkündet - wörtlich -. Diese vierte Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz wird zuallererst die Menge der anfallenden Abfälle sowohl im Produktionsprozeß wie auch im Bereich des Konsums reduzieren. Das hat Hoffnungen geweckt. Leider sind sie unerfüllt geblieben. Der Instrumentenkasten dafür sollte in § 14 bereitgestellt werden: Kennzeichnungspflicht, Rücknahmepflicht, Zwangspfand für bestimmte Erzeugnisse, besonders für Verpackungen. Heute besteht bereits die Hälfte unseres gesamten Hausmülls aus Verpackungsmaterial. Die Getränkeverpackungen machen dabei den Löwenanteil aus. Nicht weniger als acht Milliarden Einwegdosen und -flaschen sind im Jahr 1984 auf den Markt gekommen. Die Beseitigung des gesamten Verpackungsmülls kostet unsere Volkswirtschaft 2,5 Milliarden DM jährlich. Dieser Entwicklung kann man doch nicht tatenlos zusehen. 1982 hat der frühere Bundesinnenminister, Kollege Baum, festgestellt: Die Einwegmentalität ist ein Irrweg. ({5}) Und Herr Zimmermann, der frühere Umweltminister dieses Landes, drohte mit Donnerstimme: Das Abfallaufkommen aus Getränkebehältern darf nicht weiter zunehmen, da andernfalls mit staatlichen Eingriffen gerechnet werden muß. ({6}) Wie lange will er eigentlich noch drohen? Das ist ein Spiel mit dem Knüppel im Sack; geschwungen wird er nie, damit zugeschlagen wird vermutlich noch weniger. Noch bei der Anhörung im Herbst letzten Jahres bestand eigentlich ein breiter Grundkonsens: Erstens. Kern der Novelle muß § 14 sein. Zweitens. Man muß bei der Reduzierung der Schadstoffe und bei der Reduzierung der Abfallmengen ansetzen. Drittens. Der Hauptansatzpunkt für eine wirksame Abfallvermeidung muß der industrielle und gewerbliche Sektor sein, auch die Haushalte. Aber die mög17114 liche Reduzierung bei den Haushalten wurde auf ungefähr 30 % beziffert. Wir haben Ihnen eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, beispielsweise eine Abfallverträglichkeitsprüfung bei der Genehmigung von Produktionsanlagen einzuführen, beispielsweise abfallarme Technologien konsequenter zu fördern als bisher, beispielsweise das betriebsinterne Recycling auch steuerlich zu begünstigen. Auch Abgabenlösungen haben wir Ihnen vorgeschlagen - und ich sage das, auch wenn Sie gleich aufheulen werden -, Abgabenlösungen für giftige Stoffe und auch für Einwegbehältnisse; denn, meine Damen und Herren, Abgaben sind marktwirtschaftliche Instrumente. Ich glaube, das muß auch Herr Laufs einsehen. Sie haben ihren Zweck dann am besten erfüllt, wenn sie sich überflüssig machen. ({7}) Recyclingsysteme jedweder Art können im Vergleich zur Abfallvermeidung immer nur die zweitbeste Lösung sein. Das gilt auch mit dem Blick auf den Verpackungsaufwand und auf den Streit über das Ein- und Mehrwegsystem. Die Verdrängung der Pfandflasche läßt sich eben nicht durch Einrichtung von Rückgabeautomaten für Alu-Dosen und Kunststoffflaschen rechtfertigen, auch nicht durch die Recycling-Center, die jetzt aus sehr vordergründigen Motiven aufgebaut werden. Meine Damen und Herren, es kann doch nicht nach dem Motto gehen: Wir müssen zuerst mehr Verpackungen produzieren, um nachher mehr „recyceln" zu können. - Das ist Unsinn. ({8}) Aber genau darauf laufen Ihre Beschlüsse hinaus. Sie haben nach einem vielversprechenden Aufgalopp - das will ich gerne zugeben - plötzlich zum Rückzug geblasen. Wohl steht jetzt noch in § 1 a, Abfälle seien zu vermeiden, aber gerade der Instrumentenkasten in § 14 Abs. 2, von dem ich geredet habe, bleibt so gut wie verschlossen, und die Instrumente bleiben in weiche Watte verpackt. Die Bundesregierung wird nunmehr verpflichtet, ein höchst kompliziertes Vorschaltverfahren zu praktizieren: Sie soll die beteiligten Kreise - sprich: die Verpackungsindustrie, die Getränkeabfüller, den Handel - anhören, und sie soll „in angemessener Frist" - was das heißt, weiß kein Mensch - Vermeidungs-, Verminderungs- und Verwertungsquoten festlegen und diese im Bundesanzeiger veröffentlichen. Das ist eine wahrhaft originelle Morgengabe für den neuen Umweltminister, um die ich ihn nicht beneide. ({9}) Wer soll denn die Quoten kontrollieren? Wer ist für ihre Einhaltung verantwortlich? Was geschieht denn, wenn sich die Industrie nicht daran hält? Diese und noch viele andere Fragen bleiben offen. Meine Damen und Herren, es ist kaum überzeugend, daß, wie Herr Laufs sagt, dieses Verfahren dazu führen könnte, das Mehrwegsystem am Markt zu stärken und zu stützen. Es könnte sich eher als reine Alibiklausel erweisen. ({10}) - Herr Kolb, das befürchten auch die kommunalen Spitzenverbände, die händeringend dafür plädiert haben, diese Regelung fallenzulassen. Sie verweisen sogar darauf, der Gesetzgeber dürfe sich nicht dem Vorwurf aussetzen, das umständliche Verfahren diene vielleicht nur dazu, erforderliche Regelungen nicht treffen zu müssen. Übrigens, dieses Votum der Spitzenverbände hat ganz besonders der Deutsche Städtetag unterstützt, dessen Präsident im März und April Herr Dr. Wallmann war. ({11}) Der Anteil der Pfandflaschen ist seit 1970 stetig gesunken. Die Wirtschaft hat ihre Zusagen nicht eingehalten. Dagegen ist der Anteil der Einwegbehälter um das Doppelte angestiegen. Drei Viertel landen heute auf den Deponien. Man kann sich leicht vorstellen, in welchem Ausmaß allein die Kosten der Müllabfuhr ansteigen, wenn das Mehrwegsystem tatsächlich zusammenbricht. Für Hamburg wurde übrigens ausgerechnet, daß die Stadt, wenn alles Bier nur noch in Einwegdosen und -flaschen geliefert würde, 22 zusätzliche Müllfahrzeuge anschaffen müßte. Das ist doch sicher nicht gewollt. ({12}) Mein Fazit ist: Dem Gesetz wurden leider die Schneidezähne gezogen. Die Folgen sind schwerwiegend: Erstens. Sie lassen die Gemeinden mit ihren Sorgen allein, denn die Verpackungslawine wird immer größer. Ohne das Mehrwegsystem gäbe es heute schon 20% bis 25% mehr Hausmüll. Das steht auch im CDU-Pressedienst. Zweitens. Sie nehmen es in Kauf, daß die Großbrauereien und Getränkekonzerne genau den gewünschten Zeitgewinn erhalten, um riesige Verpakkungsstraßen aufbauen zu können und ihre Marktanteile mit Hilfe des Einwegsystems auszuweiten. Über die großen Handelsketten werden sie in jene Regionen eindringen, in denen heute noch eine intakte dezentrale Versorgungsstruktur besteht. Drittens. Sie schlagen die Warnungen in den Wind, daß damit erhebliche Arbeitsplatzverluste verbunden sind. Die Erfahrungen im Ausland beweisen dies. Von den über 1 200 Brauereien im Bundesgebiet beherrschen heute schon 15 große den Einwegmarkt zu 85 %. Rund 1 200 Brauereien füllen Gott sei Dank noch fast ausschließlich in Mehrwegflaschen ab. Da aber die kleineren Betriebe nicht kapitalkräftig genug sind, um riesige Abfüllanlagen zu installieren, werden sie über kurz oder lang von den großen aus dem Markt geworfen, und das trifft die Brauwirtschaft in Baden-Württemberg und in Bayern besonders hart. Das Einwegsystem ist nun einmal kapital- und materialintensiv, und das Mehrwegsystem ist dienstleistungsintensiv; das sollte uns auch arbeitsmarktpolitisch interessieren. ({13}) Viertens. Sie haben die Lex ALDI gestrichen und damit den früheren Umweltminister im Grunde Lügen gestraft, der gesagt hat, er wolle nicht zulassen, daß nach betriebswirtschaftlichem Profitstreben entschieden wird, was der „König Kunde" zu kaufen hat und was nicht. Sie aber rechtfertigen nun beispielsweise das Verhalten dieser Handelsriesen wie ALDI, die Getränke zu 100 % in Einwegbehältern anbieten; sie können sich durch den Gesetzgeber nun sogar geschützt fühlen. Wahlfreiheit gibt es nicht mehr. Die volkswirtschaftliche Vernunft wird dem betriebswirtschaftlichen Kalkül geopfert. ({14}) Fünftens. Als Fortschritt wird auch nicht gewertet werden können, daß Sie, meine Damen und Herren, an Stelle des Wortes „Abfallbeseitigung" den recht verwaschenen Begriff „Entsorgung" eingeführt haben. Er verschleiert ja nur, daß Sie damit Verwertung und Deponierung auf eine Stufe stellen. Außerdem hat die willkürliche Einführung dieses Begriffs zur Folge, daß zahllose Bundesgesetze, Landesgesetze, Verordnungen, Erlasse, Ausführungsbestimmungen usw. sowie einige Zehntausend kommunale Satzungen geändert werden müssen. Auch hier blieben die Warnungen der kommunalen Spitzenverbände, Herr Minister Wallmann, ungehört; sie hatten beantragt, dies zu streichen. Der heilige Bürokratius feiert aber Triumphe! ({15}) Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen einen Entschließungsantrag vorgelegt, der die wichtigsten Forderungen unseres Konzepts für eine umweltverträgliche Abfallwirtschaft noch einmal zusammenfaßt. Wir wollen damit Pflöcke einschlagen, die den Weg in eine zukunftsorientierte Abfallwirtschaft weisen. Herr Laufs, es geht nicht um Angstmache.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Frau Abgeordnete, ich muß Sie darauf hinweisen, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist, und bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

Dr. Liesel Hartenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000815, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin sofort fertig, Herr Präsident. Es geht auch nicht um Ideologie. Es geht um eine verantwortliche Politik, die auch und gerade der jungen Generation dient. Die jungen Leute haben dies sehr wohl begriffen; nur in der Mehrheit der Köpfe dieses Hauses hat es sich noch nicht genügend herumgesprochen. ({0}) Meine Damen und Herren, der Staat ist gefordert. Der neue Umweltminister hat die wahrlich nicht beneidenswerte Aufgabe, trotz eines Flickwerk-Gesetzes eine gute Abfallpolitik zu machen. Ich wünsche ihm Glück dazu: ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidbauer.

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung haben im Umweltschutz auf konsequente Weise eine Konzeption entwickelt und Zug um Zug realisiert. Schwerpunkte waren dabei die Luft- und Wasserreinhaltung sowie der Schutz des Bodens. Dieses umfangreiche Maßnahmenbündel eines bisher beispiellosen Programms zeigt inzwischen bereits eine sehr deutliche Wirkung. Alle Maßnahmen basierten auf drei Prinzipien: erstens dem Vorsorgeprinzip, zweitens dem Verursacherprinzip und drittens dem wichtigen Kooperationsprinzip. ({0}) Das heute zur Verabschiedung anstehende Abfallgesetz deckt einen weiteren wichtigen Bereich unserer Umweltschutzpolitik ab und folgt diesen Prinzipien. Damit, Frau Kollegin Hartenstein, eröffnen wir in der Tat eine große Chance, in der Abfallwirtschaft neue Wege zu gehen, und Sie vertun Ihre Chance, wenn Sie diesem Gesetz nicht zustimmen. ({1}) Dieses Gesetz hat vorrangig das Ziel, Abfall zu vermeiden, Abfall zu verwerten und damit im Sinne der Vorsorge keine neuen Altlasten meht entstehen zu lassen. In der Rangfolge abfallwirtschaftlicher Vorsorgemaßnahmen nimmt die Abfallvermeidung im neuen Abfallgesetz den ersten Platz ein. Man muß es natürlich lesen, und man muß natürlich auch auf konsequente Weise mitberaten, um hier mitreden zu können, Frau Kollegin. Ich fand es schon erstaunlich, wie detailliert Sie hier vorgegeben haben, gerade an den kritischen Punkten mitberaten zu haben, wie Sie aber heute gerade zu § 14 eine Stellungnahme abgegeben haben, die allem anderen als der Wirklichkeit entspricht.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich gehe nachher darauf ein, aber bitte sehr, Frau Kollegin.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Abgeordneter Schmidbauer, ich wollte Sie nur fragen, ob Sie freundlicherweise zur Kenntnis nehmen könnten, daß ich als Mitglied des Wirtschaftsausschusses, der mitberatend war, die entscheidenden Punkte, um die es hier geht, sehr wohl mit beraten habe. ({0})

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich weiß natürlich, daß Sie in einem anderen Ausschuß mitberaten haben. Nur ist Ihnen dort eben entgangen, daß genau dies von uns geändert wurde. Darauf sind Sie eben nicht eingegangen. ({0}) Ihr Kenntnisstand war leider veraltet. Das ist der Punkt, von dem ich rede. Das Gebot der Abfallvermeidung wendet sich an Industrie und Gewerbe, das Abfallaufkommen so weit wie möglich durch abfallarme Produktionsverfahren oder durch Verwertung von Reststoffen zu senken. Hier ist auch die Brücke vom neuen Abfallgesetz zum Bundes-Immissionsschutzgesetz und seinen Durchführungsvorschriften, in denen die Vermeidung oder Verwertung von Reststoffen als Grundpflicht verankert ist. Dies haben wir hier besprochen. Davon aber redet niemand. Anscheinend auch nicht gelesen! Es kommen nun natürlich auf die Länder erhebliche Vollzugsaufgaben zu. Der Hebel zu mehr Abfallvermeidung, zu verstärkter Abfallverwertung sowie zur Verbesserung bei der sonstigen umweltverträglichen Entsorgung sind in der Tat die Regelungen in dem neuen § 14. Die von den Koalitionsfraktionen entwickelte Fassung stellt eine klare Trennung der beiden wesentlichen Zielsetzungen dar. Dies war auch unser Ausgangspunkt: erstens Vermeidung oder Verringerung der Schadstoffe im Abfall und zweitens Vermeidung oder Verringerung der Abfallmenge. Die vorrangige Zielsetzung betrifft Maßnahmen zur Verringerung der Schadstofffracht. Die Bundesregierung wird in die Lage versetzt, und zwar umgehend, das schwerwiegende Problem schadstoffhaltiger Abfälle durch präzise und weitreichende Verordnungen zu lösen. ({1}) Und Sie können sicher sein, daß auch der neue Umweltminister diese Chance nutzt. Neben einer Kennzeichnung schadstoffhaltiger Produkte sowie einer Rücknahme- und Pfandverpflichtung ist vor allem die getrennte Entsorgung schadstoffhaltiger Produkte bzw. Abfälle vorgesehen. Damit kann dann in der Tat ein hoher Anteil an Belastung aus der herkömmlichen Abfallbeseitigung ferngehalten werden. Die Bundesregierung hat bereits durch die Vorlage von Verordnungsentwürfen deutlich gemacht, welche Bereiche regelungsbedürftig sind, falls die Industrie entsprechende Maßnahmen nicht freiwillig trifft. Erhebliche Diskussionen - das hat sich auch heute hier im Parlament gezeigt - hat das Abfallmengenproblem, insbesondere für Verpackungen und Behältnisse im Getränkebereich, ausgelöst. Leider - und auch dies war Kontinuität, Frau Kollegin Hönes - ist es dabei nicht immer sehr sachlich zugegangen. Die einzige Kontinuität war, daß Sie den neuen Minister genauso verunglimpfen wie den Minister, der früher dafür zuständig war. Das ist die einzige politische Kontinuität. ({2}) Ich denke, wenn der Pulverdampf verzogen ist, wird deutlich, daß wir hier mit Augenmaß und sehr realistisch vorgegangen sind. Um das Ergebnis noch einmal deutlich zu machen, möchte ich feststellen: Das Ziel des neuen Gesetzes ist es, erstens die Verdrängung des Mehrwegsystems zu stoppen und dieses umweltfreundliche, verpackungsalternative System zu erhalten und zweitens eine deutliche Steigerung der Verwertung von Einwegverpackungen zu erreichen. Der Vorschlag der Koalitionsfraktionen in § 14 Abs. 2 erfüllt genau diese Grundposition. Verstärkt werden soll das Element freiwilliger Maßnahmen der betroffenen Branchen. Hierzu wird die Bundesregierung Ziele zur Vermeidung, Verringerung oder Verwertung von Abfällen festlegen. Nun komme ich auf die Ausführungen der Frau Kollegin Hartenstein und anderer.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn ich diesen Gedanken bitte vorher noch zu Ende bringen kann. - Es geht um die Frage der Zielfestsetzung. Ich lese im sozialdemokratischen Pressedienst, daß die Bundesregierung hier gehindert wird, weil Fristen vergehen, und ich höre die Frau Hartenstein soeben am Pult, und ich höre andere. Ich möchte hier ein relativ neues Papier der SPD- Fraktion zitieren, die Drucksache 10/2601, die von integraler Abfallwirtschaft spricht. Dort steht: Für die weitere Entwicklung der Abfallwirtschaft sind quantitative Zielwerte vorzusehen, die in bestimmten Zeiträumen erreicht werden müssen, z. B. Minderung des Anfalls von Müll ... bis 1990 um 20 %, .. . ({0}) Ich frage mich: Haben Sie so lange Zeit? Es geht ja weiter in der Ziff. 4 - und das muß man jetzt einmal mit Genuß hören, Frau Kollegin -: Sollte es sich zeigen, daß die Zielwerte nicht eingehalten werden, wie z. B. bei Einwegverpackungen, sind unverzüglich schärfere Instrumente anzuwenden. ({1}) Wie kommen Sie eigentlich dazu, uns vorzuwerfen, daß wir mit § 14 darauf hinarbeiten, etwas zu verzögern, wenn Sie selbst in Ihrem eigenen Papier, daß den Titel „Konzept für eine umweltverträgliche Abfallwirtschaft'' trägt, Ziele wie die Abfallverminderung um 20 % bis 1990 und die entsprechende BeSchmidbauer handlung der Einwegverpackungen vorgegeben haben wollen. ({2}) Anscheinend haben Sie aus unserer Konzeption hinzugelernt. Dann sollten Sie aber hier nicht diesen Popanz aufbauen. ({3}) Es kann keine Rede davon sein, daß dieses Kooperationsprinzip dazu führt, Rechtsverordnungen, die das neue Gesetz vorsieht, zu verzögern oder gar zu verhindern. Das Gegenteil ist richtig: Wer das Kooperationsprinzip nicht ernst nimmt, muß damit rechnen und kann sicher sein, daß diese Bundesregierung rasch handeln wird.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie jetzt die Zwischenfragen, und zwar zunächst die von Herrn Abgeordneten Kühbacher?

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schmidbauer, Sie haben vorhin von Mitdenken und Kooperation gesprochen. Empfinden Sie es nicht wie auch ich als Ärgernis, daß, wenn ein Kunde im Laden einen Einwegbehälter kauft, aber eigentlich den Inhalt meint, dieser Einwegbehälter beispielsweise 27 Pfennig kostet, der Inhalt aber nur drei Pfennig und das ganze Gebinde für 40 Pfennig verkauft wird? Würde nicht die Abfallvermeidung im Kopf des Bürgers beginnen, wenn auf der Verpackung stünde: „Der Inhalt ist drei Pfennig wert, die Verpackung 27 Pfennig"? Würde sich der Kunde dann nicht überlegen, ob er zu einem anderen Gebinde greift?

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kühbacher, diese Überlegungen spielen bei unseren Beratungen ja ständig eine Rolle. § 14 gibt jede Möglichkeit, zwar nicht die von Ihnen genannte, aber wesentlich griffigere Lösungen gemeinsam mit dem Bürger zu finden. Deshalb habe ich vom Kooperationsprinzip gesprochen. Die Bundesregierung kann den Rahmen vorgeben. Das Bild und das Leben, mit dem er erfüllt werden muß, kann nur in Kooperation auch mit dem Konsumenten realisiert werden.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Dr. Hartenstein?

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich täte es gern, aber durch die Zwischenfragen bleiben mir nur noch zwei Minuten. ({0}) - Herr Kollege Hauff, ich habe noch einen Änderungsantrag einzubringen. Das muß ich alles im Rahmen meiner Redezeit tun. Aber ich habe Verständnis für die Frau Kollegin Hartenstein; nach 100 Stunden Diskussion auch noch dieses.

Dr. Liesel Hartenstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000815, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön, Herr Kollege. Würden Sie mir und dem Plenum bitte erklären, warum Sie nicht den Mut hatten, diese Zielvorgaben - 20 % Vermeidung, 50 % Wiederverwertung bis 1990 - in das Gesetz hineinzuschreiben? Wir hätten mit fliegenden Fahnen zugestimmt. Warum haben Sie sich in völlig unverbindlichen Formulierungen ergangen und den Schwarzen Peter der Bundesregierung zugeschoben? ({0})

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Hartenstein, unsere Zielsetzungen sind ehrgeiziger als Ihre 20 %. ({0}) Ihre gequälte Zustimmung, wenn wir solche Dinge hineingeschrieben hätten, haben wir bei der Technischen Anleitung Abfall gesehen, als wir zum erstenmal im Gesetz verankert haben, daß der Stand der Technik eingehalten werden muß, daß es keine neuen Altlasten mehr gibt. Ihre gequälte Zustimmung und andere Dinge aus den über 100 Stunden dauernden Beratungen habe ich noch in den Ohren. Nein, Frau Kollegin Hartenstein, wir haben dies mit Augenmaß geregelt. Der Erfolg wird uns recht geben. Dieses Gesetz ist eine neue Chance für eine moderne Abfallwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Es baut auf Kooperation, auf gegenseitigem Verständnis, auch - das wollen wir - auf Verständnis mit dem Bürger auf. Durch dieses Gesetz werden Wege aufgezeigt, das Abfallproblem durch Vermeidung und Verringerung von Abfall und durch Entsorgung nach dem Stand der Technik zu lösen. Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Chancen, die dieses Gesetz bietet, mit Engagement und Kooperation aufzugreifen und umzusetzen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Schluß meiner Ausführungen einen Änderungsantrag stellen, der wie folgt lautet. Die Beschlußempfehlung wird wie folgt geändert: In § 11 Abs. 2 und 3, § 11 a Abs. 1, § 13 Abs. 6 und § 15 Abs. 2 und 3 sind jeweils die Worte „des Innern" durch die Worte „für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit" zu ersetzen. ({1}) In § 15 Abs. 2 ist nach den Worten „Jugend, Familie" einzufügen „Frauen". Ich nehme an, daß wir dieses einvernehmlich regeln können. Herzlichen Dank. ({2})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Collet.

Hugo Collet (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir scheint, das Chaos ist perfekt. Ich bin nicht sicher, welchen Partner wir heute haben. Der neue Minister hat allgemeine Vorstellungen vorgetragen, hat zur Sache, die heute ansteht, wenige Sätze gesagt. Der alte, der zuständig war, steht nicht mehr zur Verfügung und ist nicht anwesend, und die beiden Herren - es sei denn, daß ich durch Zuruf vom Gegenteil belehrt werde - haben aus der Vorlage, die der alte Minister eingebracht und die von der Richtung her für uns noch akzeptabel war, als Superlobbyisten im Wirtschaftsausschuß jetzt ein anderes Gesetz gemacht. Ich meine die Herren Lambsdorff und Lippold. Auch sie sehe ich nicht. ({0}) Wenn man also der Meinung war, diese Änderung sei wichtig, hätte man sie hier doch wenigstens vertreten sollen. ({1}) Die erste Erklärung des neuen Ministers war die - das habe ich in allen Zeitungen gelesen, gehört habe ich es nicht -, daß er keine Zeit habe, am Deutschen Umwelttag, der von sieben Verbänden des Umwelt- und Naturschutzes veranstaltet wurde, teilzunehmen. Er hat der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt, warum er keine Zeit hatte. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der seitherige Minister hat genau den Teil seines Ministeriums abgeben müssen, bei dem, so erstaunlich das klingt, die SPD noch ein Stück mit ihm einig war - nicht in seinem Handeln - da wurde er immer von den eigenen zurückgeblasen - aber in seinen Ankündigungen: Katalysator, Buschhaus und diese Novelle, hier, vor allen Dingen § 14 der Novelle. Vielleicht ist er auch deswegen abgelöst worden, weil er -- so erstaunlich dies aus einem SPD-Mund klingt - in diesen Fragen noch vor der eigenen Fraktion war. Unser Streit betraf ja den Innenminister in seinen klassischen Aufgabenstellungen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allen Dingen Kolleginnen und Kollegen der Koalition! Herr Kollege Schmidbauer, ich habe noch einmal nachgelesen, was Sie in der ersten Lesung gesagt haben. Ich habe auch nachgelesen, was Sie gesagt haben, als wir hier über den Darmausgang der Nation, nämlich die Großmülldeponie in der DDR gegenüber Lübeck beraten haben. Ich habe in beiden Sitzungen nach Ihnen zum Ausdruck gebracht, daß Ihre Aussagen zum Großteil meine Zustimmung finden und Hoffnung für eine noch weitere Verbesserung des von uns in der Richtung akzeptierten Gesetzes mit sich bringen. Als ich dann nach der zweiten Sitzung in den Wirtschaftsausschuß kam, habe ich gedacht - ich darf es in meiner heimatlichen Ausdrucksweise sagen: Mich trifft der Schlag. Da waren Lambsdorff und Lippold eifrig dabei, Punkt um Punkt der wichtigsten Dinge im § 14 kaputtzumachen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich weiß nicht, ob Sie innerlich intern Widerstand geleistet haben. Ich habe jedenfalls nichts davon gehört. Ich hatte gerade auf Sie, Herr Kollege Schmidbauer, auch deswegen gehofft, weil Sie aus einem Wahlkreis kommen, wo in dem dortigen Landkreis ein sehr interessantes Modell in Gang gebracht wurde. Ich habe Sie sogar mit dahinter vermutet und konnte deswegen nicht begreifen, daß mit Ihrer Zustimmung - es sei denn, Ihre Rede war nur hier eine Pflichtübung - diese Vorlage nicht verbessert, sondern so schlimm verschlechtert wird, wie es hier geschehen ist. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, Sie haben auch den Titel des Gesetzes geändert. Es soll jetzt „Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen" heißen. Das ist doch eine Mogelpackung aus einem Horrorfilm der Verbraucherberatung. Mit diesem Gesetz werden Sie weder Abfälle vermeiden noch zur Entsorgung der Abfälle beitragen. Im Gegenteil. Ich nehme an, daß die Sorgen mit unseren Abfällen jetzt erst richtig losgehen werden. Der Untertitel des Gesetzes: „Abfallgesetz" trifft die Situation schon genauer. Korrekt wäre aber, die Bezeichnung „Wegwerfgesetz" zu wählen. Ihr Entwurf ist nämlich ein Wegwerfgesetz in zweierlei Hinsicht. Er wird erstens den „Ex-und-hopp"-Boom weiter anheizen. Und er ist zweitens nach Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens selber reif für den Müll oder im Sinne der Abfallverwertung für den Papiercontainer. Ich gehöre dem Deutschen Bundestag seit mehr als 20 Jahren an. Aber was die Regierungskoalition mit diesem Gesetz, mit - der Vorlage Ihrer eigenen Regierung - veranstaltet hat, ({3}) habe ich in all den Jahren nicht erlebt. ({4}) - Ich gehöre dem Wirtschaftsausschuß an, nicht dem Innenausschuß, Herr Kollege. ({5}) Wissen Sie, ich sehe für die Getränkeindustrie, für den Mittelstand wie kleinere Brauereien und die Mineralbrunnenindustrie eine Entwicklung, wie sie die Milch bereits hinter sich gebracht hat. Die Infrastruktur für Milchflaschen ist ja zusammengebrochen. Wenn wir so weitermachen, wie es dieses Gesetz geradezu initiiert, werden wir eines Tages erleben, daß die Infrastruktur bei den Brauereien und den Mineralbrunnengesellschaften ebenfalls zusammenbricht. Sie haben alle nur kleine Einzugsbereiche: 150, höchstens 200 bis 220 km. In dem Augenblick - und da gibt es schon Zahlen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen -, wo es nicht mehr rentabel ist, die leeren Flaschen über weite Strecken zurückzuholen, bricht auch hier die Infrastruktur zusammen. Dann haben wir diejenigen zufriedengestellt, die meinten, der Dosenindustrie zu helfen. Die können sich aber nicht darauf freuen. Denn die Plastikpackungen und die Pep-Flaschen mit zwei Litern werden anschließend auch die Dosen verdrängen. All das wird, wie ich meine, von Ihnen nicht gesehen und nicht erkannt. Ich stelle also aus meiner Sicht fest, daß die getrennte Erfassung von Hausmüll in drei Komponenten - Wertstoffe, Küchen- und Gartenabfälle und Restmüll -, wie in Ihrem Wahlkreis jetzt modellhaft praktiziert, Herr Kollege Schmidbauer, hier hätte zwingend vorgeschrieben werden müssen. Die Verbundpackungen, wie wir sie von der Milch, aber auch von anderen Getränken kennen, die eine vernünftige Verwertung erschweren, hätten mit steuerlichen Mitteln aus dem Markt gedrängt werden müssen. Ich kann das hier nur anreißen, um zu zeigen, daß es nicht nur auf dem Gebiet der Vermeidung, sondern auch auf dem Gebiet der Verwertung Raum genug für Initiativen gegeben hätte. Wir konnten von Herrn Minister Zimmermann nicht mehr erwarten. Allzuoft wurden seine Ankündigungen durch die Union dem Abfall zugeführt. Die Union hat ihre Umweltaltlast Zimmermann nun auf ihre Weise saniert und den bisherigen Oberbürgermeister von Frankfurt zum Umweltminister gemacht. Gerade die Bürgermeister großer Kommunen müßten doch wissen, wo uns in Sachen Abfall der Schuh drückt. Ich hatte erwartet, daß eine seiner ersten Amtshandlungen, statt seine Nichtteilnahme in Würzburg anzukündigen, gewesen wäre, diese schwachbrüstige - ({6}) - Er hätte sie nennen können: ({7}) - Ich hatte erwartet, daß eine seiner ersten Amtshandlungen gewesen wäre, diese Novelle aus dem Verkehr zu ziehen, ({8}) um ihr eine kräftige Runderneuerung zu verordnen. Der schnellen Hoffnung folgte die schnelle Desillusionierung. Minister Wallmann beginnt sein Amt als Totengräber des Mehrwegsystems und als Müllverbrennungsminister. Ich kann da nur folgende Schlußfolgerung ziehen: Die wirksamste Art der Abfallvermeidung ist, diese Regierung schnellstmöglich zu vermeiden. ({9}) Das geht ohne Rechtsverordnung und ohne Technische Anleitung - nur mit dem Stimmzettel im Januar 1987. ({10}) Danke schön. ({11})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Fellner.

Hermann Fellner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Collet, nach Ihrer Rede hat sich hier im Kollegenkreis vollends der Eindruck verdichtet, daß die SPD-Redner zu einer Vorlage sprechen, die nur die Vorlage des Wirtschaftsausschusses sein kann, jedenfalls aber nicht das Gesetz, das wir heute in zweiter und dritter Lesung verabschieden wollen. ({0}) Die Frau Kollegin Martiny hat einen gewissen Groll gegen diesen Gesetzentwurf erkennen lassen. Ich würde das dann verstehen, wenn sie auch ihrerseits von dem ausgeht, was im Wirtschaftsausschuß beschlossen worden ist. Denn das hat uns als Innenpolitikern und Umweltpolitikern beileibe nicht in vollem Umfang gefallen. Deshalb haben wir es auch geändert. Aber, Frau Kollegin Martiny, wer sich hier hinstellt, wie Sie es vorhin gemacht haben, um vor jungen Leuten zu reden, sollte sich dann schon die Mühe machen, sich das anzusehen, was hier heute tatsächlich zur Entscheidung steht. Sie haben leider die Gelegenheit genutzt, hier in Opportunismus zu machen und sich - wie die SPD es jetzt mehr und mehr tut - aus jeglicher Sachpolitik zu verabschieden. Es wäre ganz gut gewesen, wenn man einmal dargestellt hätte, was im Rahmen dieses Gesetzes hier im Plenum des Parlaments oder von den Kollegen in den Ausschüssen beraten worden ist. Wenn Sie sich die linke und die rechte Spalte der Vorlage betrachten, den ursprünglichen Gesetzentwurf auf der linken Seite und auf der rechten Seite die Änderungen, die wir im Ausschuß vorgenommen haben, dann stellen Sie fest, daß dies sozusagen ein Paradebeispiel dafür ist, daß dieses Parlament in seinen Ausschüssen wirklich Sachpolitik zu machen versteht. Sie dagegen haben versucht, in Opportunismus zu machen. Das wird Ihnen beileibe nichts bringen. Herr Kollege Collet, zu Ihnen möchte ich noch anmerken: Wenn die Kollegen Lambsdorff und Lippold nicht da sind, dann unterstellen Sie doch einfach, daß sie nicht gekommen sind, weil sie sich gegen die Umweltpolitiker nicht haben durchsetzen können. ({1}) Liebe Kollegin Hartenstein, mit dem, was Sie hier dargestellt haben, sollte man sich doch auseinandersetzen. Das haben wir zwar stundenlang, wahrscheinlich Dutzende von Stunden im Ausschuß schon getan, aber Sie sind ja im Grunde genommen die einzige in Ihrer Fraktion, die sich mit der Umweltpolitik wirklich ehrlich und ernsthaft beschäftigt. Darum ein paar Hinweise zu dem, was Sie hier angemerkt haben. Sie haben kritisiert, wir hätten in diesem Gesetz keine klaren Vorgaben gemacht, was Vermeidung und Verwertung und eine bestimmte Priorität anlangt. Ich darf Sie noch einmal darauf verweisen: Wir haben in § 1 a Aussagen zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung gemacht. Wir haben hier die nach § 14 zu erlassenden Verordnungen angezogen. Wir haben darüber hinaus in § 3 ganz klar festgelegt, daß die Abfallverwertung Vorrang vor der sonstigen Entsorgung hat. Ich glaube, das ist deutlich genug. Dann kritisieren Sie natürlich - wie bisher auch - weiter, daß § 14 nicht das sei, was ursprünglich beabsichtigt und von uns allen gefordert worden ist. Auch hier haben Sie sich nie von dem Diskussionsstand entfernt, den es in unseren Reihen zugegebenermaßen - das ist einzuräumen - gegeben hat. Nur, wir haben gesagt, wir wollen hier keine Zeit verlieren, wir wollen sofort handeln können, wenn dies erforderlich ist. Hier muß ich wirklich einmal darum bitten, daß man sich den Text des § 14 Abs. 2 einmal anschaut. Er ist so eindeutig, daß ihn eigentlich niemand falsch verstehen kann. Wenn doch, kann daran nur die teilweise Polemik von seiten der SPD schuld sein. Es heißt in § 14 Abs. 2 ausdrücklich: Soweit zur Vermeidung oder Verringerung von Abfallmengen oder zur umweltverträglichen Entsorgung erforderlich, insbesondere soweit dies durch Zielfestlegungen nach Satz 1 nicht erreichbar ist, kann die Bundesregierung ... Verordnungen erlassen. Dort, wo jetzt schon klar ist, daß Zielvorgaben nichts bringen, daß die Ziele nicht erreicht werden können, kann die Bundesregierung die entsprechenden Verordnungen selbstverständlich erlassen. Daß wir mit diesem Hineinnehmen von Zielvorgaben mehr Flexibilität geschaffen haben, genau auch in dem Sinne, den Sie ja in anderen Vorlagen Ihrer Fraktion auch verfolgen, liegt auf der Hand, ist bekannt. Wir haben mehr Flexibilität geschaffen, z. B. für Bereiche, die jetzt in die Diskussion kommen. Es ist schlicht die Frage: Sollen wir die PET-Flasche zulassen? Sollen wir sie vielleicht verbieten? Sollen wir sie verbieten, obwohl viele Bürger sagen, es sei ihnen angenehmer, eine solche Flasche statt einer Glasflasche zum Picknick mitzunehmen? Oder ist es besser, der Industrie jetzt schon zu sagen, sie bekäme mit dieser Flasche Schwierigkeiten, wenn sie sich nicht darum kümmere, daß mit dieser Flasche bestimmte Recyclingquoten erreicht werden, die verhindern, daß die Umwelt geschädigt wird? Es ist also sehr vernünftig, solche Zielvorgaben zu machen. Das tun wir. Andererseits habe ich selber besonders darauf geachtet, daß Handeln sofort möglich ist, auch aus der Perspektive, die hier mittlerweile jeder Redner gewählt hat, nämlich aus der Perspektive der kleinen bayerischen Brauereien. Wir haben uns intern sehr viel darüber unterhalten, was zulässig ist bzw. wie weit man gehen kann, wenn man umweltpolitische Aspekte berücksichtigt. Wir haben darüber diskutiert, inwieweit man in diesem Zusammenhang Strukturpolitik machen bzw. ungewollte negative Strukturpolitik vermeiden kann. Ich habe mich massiv dafür eingesetzt, daß wir eine Struktur, wie wir sie in Bayern bei unseren kleinen Brauereien dankenswerterweise noch haben, auch tatsächlich erhalten. Es würde uns nichts nützen; wenn Zielvorgaben nicht erreicht werden und eine Verordnung erst in zwei Jahren kommt. Dann wären die kleinen Brauereien nämlich tot. Wir hätten dann den Zustand, wie wir ihn leider in anderen Regionen Deutschlands haben. Wir sind stolz auf das, was wir jetzt in Bayern haben. Ich habe mir gerne vorwerfen lassen, daß hier bayerische Strukturpolitik betrieben werde. Ich bin sogar noch weiter gegangen und habe gesagt: Ich betreibe bayerische Kulturpolitik. - Ich meine nämlich, daß die kleinen Brauereien und ein ordentliches Bier in Bayern einfach zur Kultur gehören. ({2}) Ich möchte abschließend noch folgendes sagen. Wir haben im Verlaufe der Beratungen natürlich sehr viele Zuschriften bekommen, u. a. auch eine Zuschrift vom Präsidenten des Deutschen Städtetages. Er hat damals von uns gefordert: Es muß aus unserer Sicht sichergestellt werden, daß die Bundesregierung, soweit dies zur Vermeidung oder Verringerung von Abfallmengen erforderlich ist, unmittelbar von den vorgesehenen Verordnungsermächtigungen Gebrauch machen kann. Herr Bundesminister, Sie haben damals noch ein leises Bedenken anklingen lassen, ob die Regelungen das hergeben. Wir haben jetzt entsprechende Regelungen geschaffen. Sie können diese Regelungen sofort durch Verordnungen ausfüllen. Jetzt sind Sie an der Reihe. Wir wünschen Ihnen viel Glück dabei. Danke schön. ({3})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zuerst zur Einzelberatung und Abstimmung über den unter Punkt 2 a der Tagesordnung aufgeführten Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 10/2885. Ich rufe Art. 1 in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/5667 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Wer Art. 1 in der Ausschußfassung mit den vom Berichterstatter beantragten Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. Ich rufe die Art. 2 bis 4 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion mit Mehrheit angenommen. Vizepräsident Frau Renger Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5668. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Wir kommen nun zur Einzelberatung und Abstimmung über den unter Punkt 2 b der Tagesordnung aufgeführten Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3629. Der Innenausschuß empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5656 unter 2.2, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Ich rufe die Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dies ist mit Mehrheit in zweiter Beratung abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 jede weitere Beratung. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über den unter Tagesordnungspunkt 2 c aufgeführten Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3630. Hier empfiehlt der Ausschuß in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5656 unter 2.1, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Ich rufe die Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 die weitere Beratung. Wir kommen nunmehr zu Tagesordnungspunkt 2 d der Beschlußempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 10/5656 zu dem Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/2601. Der Ausschuß empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5656 unter 2.4, den Antrag der Fraktion der SPD abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Beschlußempfehlung des Ausschusses ist zugestimmt worden. Wir stimmen nunmehr über den unter Tagesordnungspunkt 2 e aufgeführten Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/1435 ab. Der Ausschuß empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/5656 unter 2.3, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Ich rufe die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit bei einigen Enthaltungen abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3. die weitere Beratung. Der Ausschuß empfiehlt weiter auf Drucksache 10/5656 unter 3 die Annahme einer Entschließung. Wer dieser Entschließung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. Zu Tagesordnungspunkt 2f schlägt der Ältestenrat die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 10/5311 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Gibt es noch Bemerkungen dazu? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 19. Juni, 8 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.