Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung um den Zusatzpunkt „Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung ({0}) Nr. 3626/82 des Rates zur Anwendung des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen in der Gemeinschaft" - Drucksache 10/381 - erweitert werden. Die in diesem Zusatzpunkt aufgeführte Vorlage soll am Donnerstag ohne Aussprache an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen werden.
Ich gehe davon aus, daß mit der Aufsetzung dieses Tagesordnungspunktes gleichzeitig von der Frist für den Beginn der Beratung abgewichen wird. - Ich sehe, das Haus ist damit einverstanden; dann ist das mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen.
Meine Damen und Herren, Ihnen ist mitgeteilt worden, daß die Tagesordnung für die heutige Sitzung um eine Aktuelle Stunde erweitert worden ist. Diese Aktuelle Stunde findet im Anschluß an die Fragestunde statt.
Ich rufe nun Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 10/377 Wir behandeln zuerst den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Ich rufe Frage 1 des Abgeordneten Dr. Meyer zu Bentrup auf:
Kann die Bundesregierung Presseberichte ({1}) bestätigen, nach denen es bei der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen ({2}) zu Unzulänglichkeiten bei der Durchführung von FAO-Projekten gekommen ist?
Herr
Präsident, ich bitte darum, beide Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen.
Herr Abgeordneter, sind Sie einverstanden?
({0})
- Dann rufe ich zusätzlich Frage 2 des Abgeordneten Dr. Meyer zu Bentrup auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, auf eine ordnungsgemäße Abwicklung von FAO-Projekten einzuwirken?
Herr Kollege, die Bundesregierung kann derartige Presseberichte aus eigener Erfahrung nicht bestätigen, da sie seit Mitte der 70er Jahre auf der Basis von Treuhandvereinbarungen mit Ausnahme des Programms für Beigeordnete Sachverständige keine Projekte durch die FAO abwickeln läßt. Mit der Durchführung dieses Programms ist die Bundesregierung voll zufrieden.
Allgemein ist anzumerken, daß die Organisation in den letzten Jahren die Projekttätigkeiten mit dem Ziel einer Abstellung von Unzulänglichkeiten kritisch geprüft und das Ergebnis solcher Prüfungen generell der Konferenz unterbreitet hat. Einzelheiten gehen nach dem Verständnis von Gebern und Nehmern nur diese unmittelbar etwas an.
Die der FAO seit 1975 zur Verfügung gestellten Treuhandmittel haben sich bis 1981/82 vervierfacht. Unter den bilateralen Gebern sind die skandinavischen Länder, die Niederlande, Belgien, die USA und die Schweiz sowie in jüngster Zeit insbesondere Italien. Auch aus Weltbankdarlehen führt die FAO mit Zustimmung der Weltbank technische Hilfe durch.
Die Bundesregierung kann unmittelbar nur auf die Abwicklung von FAO-Projekten einwirken, für die sie selbst die Mittel auf der Basis von Treuhandvereinbarungen bereitstellt. Generell wirkt die Bundesregierung in der Organisation darauf hin, daß diese die Evaluierung verstärkt und damit noch bessere Voraussetzungen für die Abstellung von Schwierigkeiten schafft.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Meyer zu Bentrup.
Herr Staatssekretär, wie hoch ist der Beitrag, den wir an die FAO leisten?
Unser Beitrag beträgt 42 587 500 DM. Er wird aber je nach dem Kurs des Dollar höher oder niedriger. Beim jetzigen hohen Dollarkurs ist die Situation die, daß es ca. eine Million DM mehr sein werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Kann man annehmen, daß dann, wenn eine Behörde zuviel Geld hat, eher Unzulänglichkeiten auftreten als dann, wenn sie knappe Finanzmittel hat?
Ich denke da an Talleyrand, der einmal gesagt hat, Geldknappheit sei ein Segen für die Haushalte; es sei also gut, wenn man sparen müsse. Ich kann das nicht direkt auf die FAO beziehen.
Haben Sie weitere Zusatzfragen?
({0})
- Dann Herr Abgeordneter Eigen zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß die FAO dadurch, daß sie einerseits dafür sorgt, daß sich in Entwicklungsländern die Menschen möglichst bald selbst ernähren können, und andererseits auch in Notfällen mithilft, eine außerordentlich positive Arbeit leistet und daß Ernährungspolitik schon eine große Bedeutung auch als Friedenspolitik hat?
Ich kann das durchaus bestätigen, aber unabhängig davon hat die Bundesregierung darauf gedrängt, daß alles unternommen wird, um die Arbeit der FAO kritisch unter die Lupe zu nehmen. So kann ich davon berichten, daß bei der letzten Tagung in Rom die Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland die kritischste von allen gewesen ist.
Da es zwei Fragen waren, können Sie noch eine Zusatzfrage stellen, Herr Abgeordneter Eigen.
Ist die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den Finanzmitteln für die FAO gegenüber anderen Industrieländern verhältnisgemäß oder unverhältnismäßig hoch?
Der prozentuale Beitrag der wichtigsten Geberländer lautet: USA 25 %, Japan 11,72 %, Bundesrepublik Deutschland 10,16%, Frankreich 7,66%, Großbritannien 5,45 %, Italien 4,22 %, Kanada 4,01 %. Ich glaube, daß unser Beitrag gerechtfertigt ist.
Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz.
Herr Staatssekretär, es wird immer wieder gesagt, daß die FAO einen erheblichen Wasserkopf und relativ wenig effektiven Output habe. Könnten Sie diesen Eindruck bestätigen und vielleicht die Leistungen des Nahrungsmittelfonds in Vergleich zu den Leistungen der FAO setzen?
Frau Kollegin, ich kann das so nicht bestätigen. Es liegt in der Natur der Weltagrarbehörde, daß diese Organisation einen entsprechenden Apparat braucht. Sonst weiß man nicht, wie die Ernährungslage in den verschiedensten Teilen der Erde aussieht und wo geholfen werden muß. Die FAO hat aber - das habe ich hier gesagt - von Ländern durch bilaterale Hilfe erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt bekommen und hat deshalb in den letzten Jahren ihre Projekttätigkeit laufend ausdehnen können.
Ich kann Ihre Frage von hier aus insoweit nicht beantworten, weil ich diesen Vergleich ohne nähere Zahlen nicht kritisch unter die Lupe nehmen kann.
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. - Schönen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Herr Staatssekretär Chory steht zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz auf:
Wann wird die Bundesregierung die schon lange vorbereitete Schadstoff-Verordnung ({0}) vorlegen, mit der Höchstmengen von Schwermetallen und Tierarzneimitteln in Lebensmitteln festgelegt werden sollen, und welche Gründe haben sie an der Vorlage der Verordnung bisher gehindert?
Für die Festsetzung von Höchstmengen für Schwermetalle ist statistisch ausreichend gesichertes und wissenschaftlich verwertbares Datenmaterial über den Gehalt dieser Stoffe in Lebensmitteln und über den ProKopf-Verzehr dieser Lebensmittel erforderlich. Beide Werte sind notwendig, um für die verschiedenen Lebensmittel Höchstwerte so festzusetzen, daß die Belastung des Verbrauchers insgesamt ausreichend sicher unter den international als gesundheitlich unbedenklich anerkannten Werten bleibt. Die bisher vorliegenden Daten genügen noch nicht diesen Anforderungen.
Bei der Ergänzung dieses Datenmaterials ist die Bundesregierung auf die Mitarbeit der Länder angewiesen. Die Bundesregierung steht mit den Ländern in ständiger Verbindung, um durch laufende Ergänzung der vorliegenden Daten möglichst bald eine ausreichende Grundlage für den Erlaß einer Höchstmengenverordnung für Schwermetalle zu erhalten.
Sie ist darüber hinaus bestrebt, in Ergänzung zu den Untersuchungen der amtlichen Lebensmittelüberwachung schrittweise ein Monitoringsystem aufzubauen, das der Kontrolle der Schadstoffbelastung, der Beobachtung ihrer trendmäßigen Entwicklung und auch der Erarbeitung von wissenschaftlichen Grundlagen für den Erlaß von Höchstmengen für Schadstoffe dienen soll. Dazu nehme ich auch Bezug auf die Antworten auf die Frage des Abgeordneten Müller ({0}), abgedruckt in der Drucksache 9/2404 vom 4. Februar 1983 unter Nr. 53.
Für den Bereich der Tierarzneimittel gehen die gesetzlichen Vorschriften für den Regelfall von einem anderen System als der Festsetzung von Höchstmengen aus. Durch das Bundesgesundheitsamt werden Wartezeiten festgesetzt, die nach der Anwendung der Arzneimittel einzuhalten sind, bevor von behandelten Tieren Lebensmittel gewonnen werden dürfen. Diese Wartezeiten stellen für den Anwender in der Regel die einzig mögliche Orientierung dar. Sie sind so bemessen, daß auch bei ungewöhnlich verlängerten Ausscheidungszeiten gesundheitlich bedenkliche Tierarzneimittelrückstände bei der Gewinnung der Lebensmittel nicht mehr vorhanden sind. Bei der Mehrzahl der behandelten Tiere, bei denen der Abbau von Tierarzneimitteln normal verläuft, wird während der festgesetzten Wartezeit die gesundheitlich tolerierte Rückstandsmenge wesentlich unterschritten. Bei der Festsetzung von Höchstmengen ist demgegenüber damit zu rechnen - jedenfalls besteht die Möglichkeit -, daß sie weitgehend ausgeschöpft werden. Höchstmengen gibt es bisher für bestimmte Stoffe, die in der Vergangenheit sowohl als Tierarzneimittel als auch als Pflanzenschutzmittel angewendet worden sind. Wenn auch ihre Anwendung heute verboten ist, können sie wegen ihrer früheren Anwendung als Pflanzenschutzmittel noch in der Umwelt vorkommen und somit in Lebensmittel gelangen. Die Höchstmengen für diese Stoffe sind sehr niedrig und in der Regel bei Null oder nahe Null festgelegt. Durch die Festsetzung der Höchstmenge wird verhindert, daß solche Stoffe verbotswidrig auch als Tierarzneimittel eingesetzt werden. Für Chloramphenicol, das als Tierarzneimittel eingesetzt wird, soll nun mit der Verordnung zur Änderung der Verordnung über Stoffe mit pharmakologischer Wirkung eine Höchstmenge festgesetzt werden, wobei gleichzeitig die Anwendung dieses Arzneimittels eingeschränkt werden soll.
Die Festsetzung weiterer Höchstmengen für Arzneien bedarf sorgfältiger Vorbereitungen. Insbesondere ist Voraussetzung, daß routinemäßig anwendbare Untersuchungsverfahren entwickelt werden und zur Verfügung stehen. Um das für die Zukunft stets gewährleisten zu können, schreibt die im Frühjahr 1983 verabschiedete Tierzarzneimittelnovelle vor, daß in Zukunft Tierarzneimittel nur noch dann zugelassen werden, wenn der Hersteller gleichzeitig ein routinemäßig anwendbares, praktikables Nachweisverfahren vorlegt. Die Tierarzneimittelnovelle sieht im übrigen auch vor, die Einhaltung von Wartezeiten durch Vorverlagerung der
Schlachttierkontrolle in die Erzeugerbetriebe wirkungsvoll zu kontrollieren.
Herr Staatssekretär, bevor ich Frau Dr. Martiny-Glotz das Wort zu einer Zusatzfrage gebe, möchte ich gern auf folgendes aufmerksam machen. Dies war eine hoch einzuschätzende Facharbeit Ihres Ministeriums, die Sie vertreten. Aber die Antwort auf die Frage könnte sehr kurz sein, Herr Staassekretär; denn es geht um eine Verfahrensfrage, wenn ich es richtig gelesen habe.
Frau Dr. Martiny-Glotz, zu einer Zusatzfrage.
Ich bedanke mich gleichwohl für die außergewöhnliche Ausführlichkeit dieser Antwort und anerkenne, daß sich das Ministerium sehr viel Mühe gemacht hat. Das kennzeichnet den Stellenwert, den der Gesundheitsschutz in diesem Ministerium immer hatte und, wie ich hoffe, auch in Zukunft haben wird.
({0})
Trotzdem ist es natürlich richtig, was der Herr Präsident gesagt hat. Ich frage Sie noch einmal, wann denn in etwa damit zu rechnen ist, daß der erste Teil vorgelegt wird, nämlich die Umweltkontaminanten-Verordnung, die die Schadstoffbelastung der Umwelt durch Schwermetalle angeht.
Frau Abgeordnete, wir streben an, noch in dieser Legislaturperiode eventuell über eine punktuelle Teilregelung weiterzukommen. Es ist einfach das Problem, daß die Daten, die bisher vorliegen, nicht ausreichen und wir nicht selbst bestimmen können, wann die notwendigen ergänzenden Daten vorliegen. Wir wollen auch wegen dieser Frage den Bundesgesundheitsrat einschalten, um auch auf dieser Basis mögliche Teil- und Vorabregelungen treffen zu können
Zweite Zusatzfrage von Frau Dr. Martiny-Glotz.
Der Hintergrund meiner Frage ist die Cadmium-Kampagne, die zur Zeit von den Verbraucherorganisationen im Bundesgebiet läuft. Cadmium ist insbesondere deswegen problematisch, weil es sich permanent im Nahrungsmittelkreislauf anreichert.
Können Sie vielleicht sagen, daß Sie besonderen Nachdruck auf eine Beschleunigung des Verfahrens legen werden, damit wir nicht bei der Bodenbelastung alsbald vor ähnlichen Problemen stehen wie beispielsweise bei der Luftreinhaltung und dem Waldsterben?
Wir leben auch für Cadmium - nicht nur für Cadmium - großen Wert auf eine Beschleunigung. Wir werden uns bemühen, möglicherweise Regelungen speziell für Cadmium zu treffen. Diese können sich dann vielleicht auf das Fleischbeschaurecht stützen, indem die Verwertung von Organen für bestimmte Fälle eingeschränkt oder verboten wird.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.
Herr Staatssekretär, werden Sie auch sicherstellen, daß diese Verordnungen europaweit angewendet werden? Sie sagten eben zwar, daß die Rückstandsverordnungen notwendig seien, weil es Stoffe gebe, die bei uns verboten sind, sich aber dennoch im natürlichen Umlauf befinden. Es gibt einen weiteren Grund, den Sie nicht ausgesprochen haben, nämlich daß im Ausland die Anwendung von Pflanzenschutz- und Tierarzneimitteln erlaubt ist, die bei uns in Deutschland längst verboten sind.
Ich kann die Frage kurz beantworten. Ja, wir wollen das. Wir wollen, daß sich diese Regeln auch europaweit auswirken und Anwendung finden.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Blunck.
Herr Staatssekretär, gehe ich recht in der Annahme, daß die Bundesregierung natürlich erst einmal für die Gesundheit und die Unbedenklichkeit der Nährstoffe für die Bundesrepublikaner, also für die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland, verantwortlich ist und hier tätig werden muß, und zwar schnellstens?
({0})
Das eine schließt das andere nicht aus.
({0})
Im übrigen ist es für uns auch wegen der Handelsverflechtungen wichtig, Regelungen zu haben, die europaweit angewendet werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten von Schmude.
von Schmude ({0}): Herr Staatssekretär, werden Sie dabei auch die finanziellen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft berücksichtigen?
Natürlich werden alle Gesichtspunkte berücksichtigt. Aber ich glaube, hier liegt im Augenblick nicht das Problem. Das Problem liegt bei den tierischen Lebensmitteln vielmehr in der Frage der Nachweisverfahren und bei den pflanzlichen Lebensmitteln darin, daß wir den Datenkranz nicht haben, jedenfalls nicht in der nötigen Form.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir einer Meinung, daß die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft sicherlich eine vorrangige Frage ist, daß aber der Schutz der Bevölkerung noch größeren Vorrang haben muß?
Ja, natürlich hat der Gesundheitsschutz Vorrang. Ich hoffe, daß ich bisher in diesem Sinne verstanden worden bin.
Danke schön. - Dann kommen wir zur Frage 4 der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz:
Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung angesichts der Vorgänge um die Rheuma-Mittel Coxigon und Amunogits/Osmogit, für die Zukunft zu verhindern, daß Arzneimittel, deren gefährliche Nebenwirkungen er- und bekannt sind, weiter verschrieben und verkauft werden dürfen, bis die Gefährdung nach einem langwierigen Verfahren durch das Bundesgesundheitsamt auch formal bestätigt wird, und teilt die Bundesregierung die Auffassung der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher ({0}), daß im Interesse eines wirksamen Verbraucherschutzes im Arzneimittelrecht - analog zum Lebensmittelrecht 1975 - das Mißbrauchsprinzip durch das Verbotsprinzip ersetzt werden müßte, um zugelassene Arzneimittel bei Bekanntwerden schädlicher Nebenwirkungen bis zur Feststellung ihrer Unbedenklichkeit vom Verkauf auszuschließen?
Das Arzneimittelgesetz und der auf seiner Grundlage erlassene Stufenplan zur Beobachtung, Sammlung und Auswertung von Arzneimittelrisiken bieten eine geeignete Handhabe, um abgestuft nach der Schwere des drohenden Gesundheitsrisikos und der Dichte der vorliegenden Verdachtsmomente die zum Schutz der Patienten erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Die Zulassungsbehörde kann, auch ohne ein Stufenplanverfahren durchführen zu müssen, bereits dann einschreiten, wenn ernstzunehmende Erkenntnisse irgendwelcher Art den Schluß nahe legen, daß das fragliche Arzneimittel unvertretbare schädliche Wirkungen besitzt. Bei der Gefahr schwerer Schäden genügt auch eine entfernte Möglichkeit des Schadenseintritts, um einen begründeten, das Eingreifen rechtfertigenden Verdacht anzunehmen. Das Herstellerinteresse am uneingeschränkten Vertrieb des Arzneimittels muß dann hinter dem Interesse des Patienten zurücktreten.
Es kann aber eine gewisse Zeitspanne notwendig sein, um die Informationen zusammenzutragen, die als ernstzunehmende Erkenntnisse den begründeten Verdacht von Arzneimittelrisiken konkretisieren. Dabei ist auch Sorge zu tragen, daß nicht ohne ausreichende Begründung Therapiemöglichkeiten entzogen werden. Sobald hinreichende Verdachtsmomente ermittelt sind, werden die notwendigen Maßnahmen unverzüglich ohne bürokratische Verzögerung getroffen.
Zu Ihrer Frage nach einer Übertragung des im Lebensmittelrecht geltenden Verbotsprinzips ist zu bemerken: Wie im Lebensmittelgesetz für Zusatzstoffe gilt auch im Arzneimittelgesetz das Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt; Arzneimittel dürfen erst in den Verkehr gebracht werden, nachdem in einem Zulassungsverfahren beim Bundesgesundheitsamt ihre Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität festgestellt worden sind. Ergeben sich im nachhinein Zweifel an der Unbedenklichkeit der zugelassenen Stoffe, so muß im Lebensmittelbereich der Verordnungsgeber tätig werden, um die Erlaubnis zur Verwendung des Stoffes als Zusatzstoff rückgängig zu machen. Im übrigen gilt nach
Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode - 21. Sitzung. Bonn. Mittwoch. den 14. September 1983 1391
der Zulassung sowohl im Lebensmittel- wie im Arzneimittelrecht für den Unternehmer das Mißbrauchsprinzip, allerdings mit einem Unterschied: Das generelle Verbot zum Schutz der Gesundheit im § 8 des Lebensmittelgesetzes stellt auf die Eignung des Stoffes ab, die Gesundheit zu schädigen. Demgegenüber greift das Verbot des § 5 des Arzneimittelgesetzes bereits bei begründetem Verdacht, daß das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßen Gebrauch unvertretbare schädliche Wirkungen entfaltet.
Frau Dr. Martiny-Glotz zu einer Zusatzfrage.
In der Öffentlichkeit, Herr Staatssekretär, wird immer wieder der Eindruck verbreitet, daß die Arzneimittelindustrie Druck auf das Bundesgesundheitsamt ausübe, dieses abgestufte Verfahren, von dem Sie gesprochen haben, sehr vorsichtig in Gang zu setzen. Können Sie diesen Eindruck bestätigen? Oder wie stellt sich Ihnen das dar?
Das Bundesgesundheitsamt entscheidet nach den fachlichen Notwendigkeiten und nach sonst nichts.
Weitere Zusatzfrage.
Ich hatte nach zwei Arzneimitteln gefragt. Davon ist das eine, Coxigon, im vorigen Jahr aus dem Verkehr gezogen worden, nachdem sich die Verdachtsmomente hinreichend erhärtet hatten. Bis dahin hatte es eine Fülle von Schadensfällen gegeben, die im nachhinein bestätigt werden mußten. Darauf ging das Arzneimittel aus dem Verkehr. Was die zweite Gruppe angeht, ist in der Presse davon die Rede, daß es in Großbritannien in einem halben Jahr 200 Fälle mit ernsthaften Beeinträchtigungen der Gesundheit gegeben habe, darunter drei Todesfälle. Wie rechtfertigen Sie, daß das Bundesgesundheitsamt in diesem Punkt noch nicht tätig geworden ist?
Auch in diesem Punkt ist etwas geschehen. Die Firma hat nämlich Anfang September 1983 auf Betreiben des Bundesgesundheitsamts den Vertrieb eingestellt. Die Ärzteschaft wurde unterrichtet, bei der Verordnung dieser Präparate besondere Vorsicht walten zu lassen und die Patienten sorgfältig zu überwachen. Im übrigen wird am 28. September 1983 eine Sondersitzung nach dem Stufenplan stattfinden.
Danke schön.
Wir sind am Ende der Fragen aus diesem Geschäftsbereich. Ich danke Herrn Staatssekretär Chory für die Beantwortung.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Jahn steht zur Verfügung.
Aufgerufen wird die Frage Nr. 5 der Frau Abgeordneten Weyel:
Hält die Bundesregierung es für sinnvoll, wenn die Gemeinden in Bebauungsplänen reine Fuß- und Radwege vorsehen, um im Wohngebiet von vornherein Verkehrsberuhigung zu erreichen, und welche Finanzierung dieser Anlagen hält sie für angemessen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin Weyel, Planung und Anlage von reinen Fuß- und Radwegen können die Attraktivität des Fußgänger- und Fahrradverkehrs erhöhen und dazu beitragen, daß sich die Verkehrsverhältnisse zugunsten des nichtmotorisierten Individualverkehrs verändern. Dies gilt insbesondere für Neubaugebiete. Durch die Vorsorge geeigneter Infrastruktur für den Fußgänger und Radfahrer kann somit auch eine Verkehrsberuhigung erreicht werden. Die damit verbundenen Vorteile lassen - je nach örtlicher Gegebenheit - solche Maßnahmen sinnvoll erscheinen.
Es können sich aber auch Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung im Rahmen des Straßenverkehrsrechts anbieten. Die Einrichtung von Mischflächen zum Beispiel bringt Verbesserungen für den Fußgänger- und Fahrradverkehr, ohne daß dafür zusätzliche Verkehrsflächen bereitgestellt werden müssen.
Planung und Anlage von reinen Fuß- und Radwegen sind Angelegenheiten der Städte und Gemeinden. Die für diese Wege erforderlichen Mittel sind grundsätzlich aus deren Haushalte zur Verfügung zu stellen. Unter gewissen Voraussetzungen jedoch kann eine Förderung durch den Bund erfolgen, und zwar nach § 5 a des Bundesfernstraßengesetzes oder nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz.
Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Weyel.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß die größten Nutzer solcher Anlagen die jeweiligen Eigentümer bzw. Bewohner von Grundstücken sind, die auf diese Weise eine besonders große Ruhe ihres Wohnumfelds genießen?
Frau Kollegin Weyel, ich würde sagen, daß die Frage, die Sie jetzt anschneiden, anhand des jeweiligen Einzelfalls erörtert werden muß.
Bitte, weitere Zusatzfrage, Frau Weyel.
Unter Berücksichtigung dieser Antwort frage ich: Halten Sie es dann aber nicht für gerechtfertigt, daß diese Anlieger an den Erschließungskosten, und zwar auch an den Erschließungskosten von Fußwegen bzw. auch Radwegen, beteiligt werden? Und wie beurteilen Sie unter dieser Voraussetzung das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das diese Umlegung der Erschließungskosten offensichtlich unmöglich macht?
Ich würde gern bei der Beantwortung der nächsten von Ihnen gestellten Frage darauf zurückkommen.
Ich rufe die Frage 6 der Frau Abgeordneten Weyel auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli 1982 reine Fußgängerwege in oder zwischen Wohngebieten nicht mehr als beitragsfähige Erschließungsanlagen anzusehen sind, und welche Folgerungen zieht sie aus diesem Urteil?
Frau Kollegin Weyel, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Abgrenzung von unselbständigen Zufahrten und selbständigen Erschließungsanlagen vom 2. Juli 1982 und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Abrechnung von nicht befahrbaren Fußwegen sind der Bundesregierung bekannt. Inzwischen hat das Bundesverwaltungsgericht in einem weiteren Urteil vom 3. Juni 1983 entschieden, daß Wohnwege, die weder tatsächlich noch rechtlich mit Kraftfahrzeugen befahren werden können, keine beitragsfähigen Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 des Bundesbaugesetzes sind.
Diese Entscheidungen haben aber nicht zwangsläufig zur Folge, daß die Kosten für die erstmalige Herstellung von Fußwegen immer und allein von der Gemeinde getragen werden müssen. Es kann vielmehr eine Beitragserhebung nach Landesrecht in Betracht kommen. Die Vorschrift des § 127 Abs. 4 Satz 1 Bundesbaugesetz bestimmt nämlich ausdrücklich, daß das Recht, Abgaben für Anlagen zu erheben, die nicht Erschließungsanlagen im Sinne des Bundesbaugesetzes sind, unberührt bleibt. Danach finden insbesondere die Kommunalabgabengesetze der einzelnen Länder auf Erschließungsanlagen, die nach dem Bundesbaugesetz nicht beitragsfähig sind, Anwendung.
Auf Ihre soeben gestellte Frage: Die Problematik der Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach dem Bundesbaugesetz, insbesondere für Wohnwege, wird im Zusammenhang mit den Arbeiten am Bundesbaugesetzbuch von der Bundesregierung mit den Bundesländern erörtert werden.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Weyel.
Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung erwägt, das Bundesbaugesetz insofern zu verändern, daß auch Fuß- und Radwege ausdrücklich als Erschließungsanlagen anerkannt werden?
Meine Antwort lautete soeben, daß dies geprüft wird und daß es maßgeblich auch darauf ankommt, wie sich die Bundesländer hierzu einlassen. Insbesondere ist die Bundesregierung an einer Übersicht interessiert, wie die einzelnen Bundesländer nach derzeitigem Stand handeln.
Eine weitere Zusatzfrage.
Hält es die Bundesregierung unter diesen Umständen nicht für angemessen, vielleicht mit den Städte- und Gemeindebünden Rücksprache zu nehmen, damit die Gemeinden jetzt ihre Bauplanung nicht insoweit revidieren, daß sie selbständige Fußgänger- und Radfahranlagen aus Gründen der Finanzierungsvorbehalte überhaupt nicht mehr baurechtlich planen?
Frau Kollegin Weyel, auf die Möglichkeit der Beitragserhebung nach landesrechtlichen Vorschriften hat gerade auch das Bundesverwaltungsgericht in einem neueren Urteil vom 3. Juni 1983 zur Beitragsproblematik der Wohnwege hingewiesen. Auch dieses Urteil ist uns Veranlassung, mit den Ländern und auch mit den kommunalen Spitzenverbänden - insoweit greife ich Ihr Anliegen auf - in die Beratungen einzutreten.
Herr Abgeordneter Schmitt ({0}), eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es auf Grund der Unsicherheit, die durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes bei einer Reihe von Kommunen entstanden ist, notwendig ist, in diesem Punkt, der der Verkehrsberuhigung in unseren Städten und Gemeinden dient, unverzüglich - vor der großen Reform des Bodenbaurechtes - eine Novellierung vorzunehmen?
Herr Kollege Schmitt, Vorabregelungen haben meistens den Nachteil, daß andere Punkte hinzukommen, wenn wir in den Beratungen stecken. Ich glaube, daß es nicht sinnvoll ist, in eine Vorabberatung einzutreten. Es ist allerdings richtig, daß auf diesem Feld eine Beunruhigung eingetreten ist. Dies liegt aber in erster Linie daran, daß die einzelnen Länder auf Grund ihres Landesrechts unterschiedlich verfahren. Diesen Gesichtspunkt werden wir zum Anlaß nehmen, mit den Ländern zu sprechen. Es wäre gut, wenn hier auf Bundesebene eine einheitlichere Regelung Platz greifen würde.
Danke schön. Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Ich danke Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Jahn.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Dazu steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekreträr Vogt zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 40 des Herrn Abgeordneten Reimann auf:
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß der alte Stand bei den Ausbildungszuschüssen für die betriebliche Ausbildung von körperlich, geistig oder seelisch Behinderten wiederhergestellt wird, indem die Reduzierung des Ausbildungszuschusses von 100 v. H. auf 60 v. H. für das letzte Ausbildungsjahr inklusive der dabei enthaltenen Kann-Regelung beim Überschreiten eines 60prozentigen Zuschusses sowie der erforderlichen besonderen Begründung rückgängig gemacht werden?
Bitte schön.
Herr Präsident, mit Genehmigung des Fragestellers mächte ich die Frage 40 und 41 gern gemeinsam beantworten.
Sind Sie einverstanden, Herr Reimann?
Wenn ich dann vier Zusatzfragen stellen darf, ja.
Die Möglichkeit haben Sie. Dann rufe ich auch die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Reimann auf:
Ist die Bundesregierung bereit, andere Maßnahmen zu ergreifen, um behinderten Jugendlichen angesichts der prekären Lehrstellensituation zu helfen?
Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, auf eine Veränderung der derzeitigen Regelung hinzuwirken. Sie ist im Jahre 1982 durch den Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit auf der Grundlage des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes getroffen worden. Die Höhe der Ausbildungszuschüsse für die betriebliche Ausbildung von Behinderten orientiert sich an der Zielsetzung des § 60 des Arbeitsförderungsgesetzes. Er soll die betriebliche Ausbildung ermöglichen, die im konkreten Falle ohne eine Förderung nicht zu erreichen wäre. Die Regelförderungsgrenze von 60 v. H. der monatlichen Ausbildungsvergütung für das letzte Ausbildungsjahr trägt den mit dem Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz besonders hervorgehobenen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Rechnung und erspart Verwaltungsaufwand zur Feststellung des behinderungsbedingten zusätzlichen Ausbildungsaufwandes.
Andererseits sind in allen gebotenen Fällen Ausbildungszuschüsse weiterhin bis zur vollen Höhe der Ausbildungsvergütung zugelassen. Auf eine Begründung kann bei Überschreiten der Regelförderungsgrenze allerdings nicht verzichtet werden.
Darüber hinaus bestehen erhebliche Förderungsmöglichkeiten nach dem zur Zeit laufenden Vierten Sonderprogramm des Bundes und der Länder zum Abbau der Arbeitlosigkeit Schwerbehinderter und zur Förderung des Ausbildungsplatzangebots für Schwerbehinderte. Für dieses Sonderprogramm stehen 250 Millionen DM aus Mitteln der Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz zur Verfügung.
Überdies halten die Berufsbildungswerke rund 10 000 Ausbildungsplätze für Behinderte bereit, bei denen wegen Art und Schwere der Behinderung eine Ausbildung in einem Betrieb nicht möglich ist.
Im Hinblick auf die schon bestehenden Regelungen sehe ich keine Veranlassung, zur Verbesserung der Lehrstellensituation jugendlicher Behinderter zusätzliche Maßnahmen in Erwägung zu ziehen.
Erste Zusatzfrage, Herr Kollege Reimann.
Herr Staatssekretär, haben Sie gesichertes Material oder Erkenntnisse darüber, wie viele Ausbildungsplätze vor der einschneidenden Streichung der CDU/CSU-Regierung vorhanden gewesen sind, und wie viele Ausbildungsplätze nach der Reduzierung der Mittel jetzt vorhanden sind?
Das Ausbildungsförderungs-Konsolidierungsgesetz ist in einer anderen Phase der Politik beschlossen worden als der, die Sie jetzt im Auge gehabt haben.
Im übrigen: die konkrete Zahl muß ich Ihnen nachliefern, die habe ich jetzt nicht zur Verfügung.
Zweite Zusatzfrage?
Damit hat sich die zweite erübrigt, weil der Herr Staatssekretär sie zur Zeit nicht beantworten kann.
Dann kommen wir zu Frage 42 des Abgeordneten Peter ({0}). Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, auch in diesem Falle möchte ich mit Einverständnis des Fragestellers beide Fragen gemeinsam beantworten.
Sind Sie einverstanden? - Dann rufe ich die Fragen 42 und 43 des Abgeordneten Peter ({0}) gemeinsam auf:
Reichen die Haushaltsmittel 1983 aus, um alle bei den Arbeitsämtern beantragten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bedienen zu können und wie hoch ist gegebenenfalls der „Antragsstau"?
Wie hoch ist der ungedeckte Finanzbedarf und ist die Bundesregierung bereit, der Bundesanstalt für Arbeit für das Jahr 1984 ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen, um angesichts der gewachsenen Arbeitslosigkeit die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erheblich ausweiten zu können?
Anfang Juli 1983 hatten die Landesarbeitsämter der Hauptstelle gemeldet, daß die damals für die Anerkennung neuer Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Jahre 1983 verfügbaren Mittel, d. h. Ausgabemittel und Verpflichtungsermächtigungen, in Höhe von insgesamt 1,33 Milliarden DM nicht ausreichen würden, um den voraussichtlichen Gesamtbedarf voll zu decken.
Deshalb wurden zwischenzeitlich weitere Mittel in Höhe von 360 Millionen DM bereitgestellt. Nach dem Stand der heutigen Antragsstellung kann davon ausgegangen werden, daß die Mittel insgesamt ausreichen werden, um den voraussichtlichen Bedarf der Arbeitsämter zu decken.
Herr Kollege Peter, Zusatzfrage.
In Frage 43 hatte ich gefragt, ob die Bundesregierung bereit ist, für das Jahr 1984 im Falle eines Antragsstaus wie in diesem Jahr ebenfalls nachzuschießen.
Herr Kollege Peter, wir haben derzeit keinen Antragstau. Wir können alle Maßnahmen bedienen. Wir haben die Mittel, wie ich gesagt habe, entsprechend erhöht. Wir wollen darauf hinwirken, daß wir im Bereich der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eine Kontinuität in den Maßnahmen bekommen, daß wir von dem Stop-and-go, das in der Vergangenheit üblich war, wegkommen. Im übrigen: der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit, in dem ja auch die Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen festgesetzt werden, wird von den Selbstverwaltungsorgangen beschlossen.
Weitere Zusatzfrage?
Kann ich Ihre Antwort so verstehen, Herr Staatssekretär, daß Sie eine Priorität auch darin sehen, daß zuschußfähige Anträge gestellt werden, und besteht im Falle einer ausreichenden Zahl zuschußfähiger Anträge die Bereitschaft zur Finanzierung?
Wir sind bestrebt, den hohen Stand, den wir derzeit bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erreicht haben, zu halten. Sie wissen, daß wir im Jahresdurchschnitt 1983 mehr als 50 000 Arbeitnehmer über Arbeitsbeschaffungamaßnahmen beschäftigen werden im Gegensatz zu knapp 30 000 im Vorjahr. Wir wollen diesen hohen Stand halten, und wir werden uns dafür einsetzen, daß die entsprechenden Mittel bei der Bundesanstalt für Arbeit zur Verfügung gestellt werden.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Gilt das auch für den Fall, daß einzelne Bundesländer in Zusatzprogrammen - wie auch das Bundesland Hamburg im letzten Jahr - zusätzliche antragsreife Vorlagen unterbreiten?
Herr Kollege, Sie werden verstehen, daß ich darauf jetzt nicht generell mit Ja antworten kann. Wir werden aber - wie in der Vergangenheit - solche Anträge prüfen, und zwar wohlwollend, damit wir den hohen Stand bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, wie gesagt, erhalten, den wir inzwischen erreicht haben.
Danke schön.
Die Frage 44 soll auf Wunsch des Fragestellers, des Herrn Abgeordneten Poß, schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir stehen damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Schönen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Vogt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Würzbach zur Verfügung.
Die Frage 45 ist von Herrn Abgeordneten Schmitt ({0}) eingebracht:
Ist die Bundesregierung bei der Überprüfung der Bedenken der hessischen Landesregierung gegenüber der Stationierung von 133 Hubschraubern und 33 Starrflüglern auf dem militärischen Gelände in Wiesbaden-Erbenheim nunmehr zu einer Stellungnahme gekommen, und wird sie den Antrag der US-Streitkräfte ablehnen?
Herr Staatssekretär, ich bitte Sie um Beantwortung.
Herr Präsident, Herr Kollege Schmitt, die hessische Landesregierung hatte Bedenken insbesondere im Hinblick auf befürchtete Beeinträchtigungen des zivilen Luftverkehrs des Flughafens Frankfurt/Main geäußert. Die zur Klärung dieser Frage eingeleitete fachliche Prüfung, über die Sie ja persönlich mit Schreiben von uns am 31. August unterrichtet worden sind, wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen müssen. Durch die vorübergehende starke Verminderung des Flugbetriebs hat sich der Status dieses militärischen Geländes als Flugplatz nicht geändert.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß angesichts der Beunruhigung in der Bevölkerung - es sind j a in der Bevölkerung nicht allein die Fragen des Betriebs des Rhein-Main-Flughafens in der Diskussion, sondern auch die Umweltbelastungen, die sich aus einer Stationierung von Militärmaschinen ergeben - der Prüfungszeitraum abgekürzt werden müßte und eine klare Stellungnahme der Bundesregierung alsbald erfolgen sollte?
Herr Kollege, ich verstehe die Beunruhigung der Bevölkerung dann, wenn man schon Anrainer an einem Flugplatz ist oder es werden soll. Es läßt sich überhaupt nicht leugnen, daß Maschinen in der Luft wie auch zu Lande der Bevölkerung ein hohes Maß an Verständnis für diese Notwendigkeit abverlangen und für sie teilweise nicht unerhebliche Beeinträchtigungen bedeuten. Die Bundesregierung will überhaupt nicht versuchen, dies wegzudiskutieren. Ich kann Ihnen aber nicht zustimmen, wenn Sie sagen, daß, um schnell zu einem Ergebnis zu kommen, die Gründlichkeit eines Überprüfungsverfahrens leiden sollte. Dies entspricht nicht unserer Auffassung. Wir werden gründlich prüfen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt ({0}).
Herr Staatssekretär, haben Sie inzwischen Informationen eingeholt, wonach nach den amerikanischen Vorschriften eine derartige Stationierung, wie sie geplant oder vorgesehen ist, in den USA nicht genehmigt werden würde? Der Bundesverteidigungsminister hat dies der Bürgerinitiative am letzten Freitag in WiesbadenErbenheim zugesagt.
Wir werden die Zusage des Ministers einlösen. Von Freitag bis heute ging dies nicht, Herr Kollege. Unabhängig von dem Inhalt ausländischer Bestimmungen, welcher auch immer, werden wir - das ist sicher eine Forderung, die Sie in gleicher Form wie wir erheben - die deutschen Bestimmungen, die deutschen Gesetze zugrunde legen.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Weyel.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß angesichts des langen Ruhens des Flugverkehrs in Wiesbaden-Erbenheim und der Diskussionen, die sich auch um die Erweiterung des Flugplatzgeländes in Frankfurt ergeben haben, ein Großteil der Bevölkerung in den letzten Jahren davon ausgehen konnte, daß in diesem Bereich - ich gehe dabei auch über die Landesgrenze hinweg und beziehe mich auf den Mainzer Raum - Beeinträchtigungen durch Flugzeuge vor allen Dingen so niedrigfliegender Art, wie sie Hubschrauber darstellen, nicht mehr zu erwarten sind?
Ich bin sicher, daß der eine und andere meinte, daß es für alle Zukunft möglicherweise nicht zu einer Wiederbelebung des dortigen Flugfeldes kommt. Ich weise aber auf die vorhin auf die Frage des Kollegen gegebene Antwort hin, daß es sich hier um einen Flugplatz handelt, der, weil er die Voraussetzungen schafft, wieder aktiviert werden kann und wohl auch werden wird, und zwar in einer Form, die im Augenblick noch zwischen unserem Ministerium und dem Verkehrsministerium durch die dafür zuständige Bundesanstalt für Flugsicherung in bezug auf mögliche Beeinträchtigungen besonders des zivilen Flugverkehrs untersucht wird.
Danke schön. - Dann rufe ich die Frage 46 des Abgeordneten Schmitt ({0}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, ihre Entscheidung noch vor dem 25. September 1983 der betroffenen Bevölkerung mitzuteilen?
Herr Kollege Schmitt, sobald die Ergebnisse, über die wir soeben schon sprachen, vorliegen, werden wir die Öffentlichkeit und besonders zunächst die hessische Landesregierung hierüber unterrichten.
Die Frage 47 des Abgeordneten Reuter wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe also die Frage 48 des Abgeordneten Dr. Scheer auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Bevölkerung und die zuständigen Kommunen rechtzeitig und ausreichend über geplante militärische Anlagen zu informieren, so daß unnötige Beunruhigungen der Bevölkerung, wie sie sich am Eisenberg bei Schlitz und anderswo ergeben haben, vermieden werden können?
Herr Kollege Dr. Scheer, kommunale Körperschaften werden über geplante militärische Anlagen im Rahmen bestehender Verfahren, so z. B. nach dem Landbeschaffungsgesetz, dem Raumordnungsgesetz und dem Bundesbaugesetz, informiert. Wird eine Liegenschaft für Zwecke der Landesverteidigung benötigt, leitet die zuständige Landesregierung auf Antrag des Bundesministers der Verteidigung ein Anhörungsverfahren nach dem Landbeschaffungsgesetz ein. In diesem Verfahren nimmt die Landesregierung nach Anhörung der betroffenen Gemeinden und unter angemessener Berücksichtigung der Erfordernisse der Raumordnung - und hier insbesondere der landwirtschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen sowie der Belange des Städtebaus, des Naturschutzes und der Landschaftspflege - zu dem militärischen Vorhaben Stellung. Dieses Verfahren hat sich nach Auffassung der Bundesregierung bewährt.
In dem von Ihnen erwähnten Beispiel Schlitz - in Klammern „Hessen" füge ich hinzu - hat die interne Überprüfung der örtlichen und rechtlichen Gegebenheiten bei uns Ende August ergeben, daß die Gegend dort um den Eisenberg für die Einrichtung eines Truppenübungsplatzes nicht in Betracht kommt. Darüber ist sowohl die dortige Gemeinde als auch die Öffentlichkeit inzwischen informiert worden.
Herr Dr. Scheer zu einer Zusatzfrage.
Meine Frage und meine Zusatzfrage beziehen sich auf einen etwas weiteren Zusammenhang: Es finden ja im Moment eine Reihe von Vorverlegungen von Truppenübungsplätzen im Zusammenhang mit dem Master Restationing Plan statt. Die Frage ist jetzt: Inwieweit gibt es für betroffene Gemeinden überhaupt noch Spielraum, wenn das Gesamttableau von künftigen Übungsplätzen planerisch, konzeptionell bereits festgelegt ist und die Gemeinden dann anschließend informiert werden?
Herr Kollege Scheer, ich darf auf den Weg, den ich auf Ihre eingereichte Frage hin soeben darstellte, noch einmal hinweisen: Die Vorprüfung erfolgt bei uns im Ministerium. Das Beispiel Schlitz zeigt sehr deutlich, daß wir nach gründlicher Prüfung zu dem Ergebnis kamen: Dieses Gelände - wie auch in dem Fall, in dem ein Eigentümer es zum Kauf anbietet, was hier ja sehr selten der Fall ist - ist ungeeignet. In einem solchen Fall leiten wir überhaupt keine Prüfung ein. Sind wir der Meinung, daß sich ein Gelände eignet, wird das beschriebene Verfahren, das ich gern wiederholen kann, in dem die Kommune einen festen Platz hat, eingeleitet, aber nicht, wenn sich irgendwo eine theoretische, vielleicht von der einen oder anderen Gemeinde oder einem Privatmann gewünschte Möglichkeit auftut. Wir halten diesen eingeschlagenen und unserer Übung entsprechenden Weg für den besseren.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Scheer.
Gibt es bei der Bundesregierung schon allgemeine Vorhaben oder Grundüberlegungen über das Gesamttableau künftig vorzuverlegender Truppenübungsplätze, und wäre die Bundesregierung bereit, diese gegebenenfalls im Verteidigungsausschuß einmal insgesamt vorzustellen?
Die Überlegungen sind noch nicht so weit, daß wir in der Lage sind, sie vorzustellen. Sind wir so weit, werden wir den zuständigen Gremien, voran dem Verteidigungsausschuß, diese natürlich vorstellen.
Danke schön. - Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie sagten, die Landesregierung leite das ordentliche Anhörungsverfahren ein, und haben Sie den Fall Schlitz - laut Ihrer Betonung in Klammern „Hessen" - auch so in etwa als den möglichen normalen Vorgang dargestellt, und können Sie sich in dem Zusammenhang vorstellen, daß es auf die Bevölkerung sehr eigentümlich wirkt, wenn es im besonderen darum geht, daß die Amerikaner hier bereits Messungen vornahmen, als das eigentliche Verfahren noch nicht in Gang gesetzt worden war?
Herr Kollege, Sie haben meine Ausführungen richtig verstanden, allerdings in dem einen Punkt augenscheinlich doch nicht. Auf Grund des Angebots eines Privatmannes, Hunderte von Hektar als Übungsplatz zu verkaufen, haben uns nämlich die Amerikaner die Bitte vorgetragen, dort einen Übungsplatz anzulegen. Hier darf ich einfügen: Sowohl die Alliierten als auch wir sind in der Bundesrepublik mit Übungsplätzen knapp bemessen.
Wir haben dann die Prüfung im Ministerium unkompliziert, sehr zügig und unkonventionell durchgeführt und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß dies nicht weiter verfolgt werden sollte. Wir haben die Landesregierung nicht gebeten, dort weiter prüfend tätig zu werden, weil sich dieses Gelände nach unserer Einschätzung als Übungsplatz nicht anbietet.
Mir ist nicht bekannt, daß dort bereits exakte Vermessungen - auch solche von den Amerikanern - durchgeführt worden seien. Wir haben von der zuständigen Abteilung des Ministeriums aus Fachleute dorthin geschickt - und die Amerikaner haben das möglicherweise ebenfalls getan - und auch Fachleute der Landesregierung hinzugezogen, damit sie sich die Sache unbürokratisch vor Ort und nicht nur auf der Landkarte ansehen und uns damit eine Beurteilung ermöglichen. Ich glaube, das verlangen Sie von uns sogar. Wenn Sie diese Trupps meinen, dann haben Sie jetzt die Erklärung für das, was Sie gesagt haben.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, beinhaltet das Anhörungsverfahren, das Sie beschrieben haben - Landesbehörde, kommunale Ebene -, auch die Pflicht der Kommunen nach § 2 a des Bundesbaugesetzes von 1977, bei größeren Vorhaben in der Gemeinde eine Anhörung der Bürger vorzunehmen?
Ich gehe davon aus, daß dies der Fall ist. In unseren Regelungen heißt es:
Die Landesregierung hat vor Abgabe der Stellungnahmen die betroffene Gemeinde bzw. den Gemeindeverband zu hören.
Daraus ergibt sich für das kommunale Recht, daß nicht der Bürgermeister hingehen und sagen kann, wie er es will, sondern daß die Vorstellungen in dem üblichen kommunalen Verfahren mitgeteilt werden.
({0})
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Krizsan.
Herr Staatssekretär, meine Zusatzfrage geht genau in die Richtung der Frage meines Vorredners. Beinhaltet dieses Verfahren der Anhörung der Kommunen denn auch die Verpflichtung, die Bevölkerung über zukünftige Baumaßnahmen zu informieren und nicht nur Gemeindegremien anzuhören?
Ich kann Ihre Frage nicht nachvollziehen. Ich kenne in unserem freien Teil Deutschlands, in der Bundesrepublik, kein Gemeindegremium, das nicht die Öffentlichkeit darstellt. Da gibt es doch eine Rückkoppelung. Es handelt sich dort nur um gewählte Vertreter. In der Regel - ich kenne sogar keine Ausnahme - sind die Sitzungen, in denen Anhörungen stattfinden, öffentlich. Die Zweiteilung, die Sie da vornehmen wollen, sehe ich nicht.
Zu diesem Thema stellt Frau Czempiel noch eine Frage.
Herr Staatssekretär, Sie sagten soeben, Sie seien in der glücklichen Lage gewesen, daß Ihnen ein Eigentümer Wald angeboten habe. Das passiert j a nicht alle Tage. Ist Ihnen bekannt, daß dieser Eigentümer einen Brief an den Bürgermeister von Schlitz geschrieben hat, in dem er betont hat, daß er weder Land angeboten habe noch beabsichtige, das Land je zu veräußern? Ich frage also: Wer war denn dann der Anbieter?
Frau Kollegin, mir ist dieser Tatbestand nicht bekannt. Er ist auch völlig uninteressant. Schlitz wird um den Eisenberg herum kein Übungsplatz werden.
Ich rufe die Frage 49 des Abgeordneten Kolbow auf:
Inwieweit arbeitet das Bundesverteidigungsministerium in Fragen der Umweltbelastung mit anderen Bundesministerien zusammen, wenn es um die Bewilligung militärischer Anlagen geht?
Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Kolbow, vor Errichtung militärischer Anlagen ist das Bundesministerium der Verteidigung nach den jeweiligen Fachplanungsgesetzen, dem Raumordnungsgesetz des Bundes sowie nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien verpflichtet, das Vorhaben mit den fachlich betroffenen Bundesministerien abzustimmen. In Fragen der Umweltbelastung führt das Bundesministerium der Verteidigung diese Abstimmung je nach Art des Vorhabens mit dem Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch.
Zusatzfrage des Abgeordneten Kolbow.
Darf ich Sie zusätzlich fragen, wie die Bundesregierung es beurteilt, daß Städte und Gemeindeparlamente im nordhessischen Raum - der jetzt gerade in der Fragestunde eine Rolle spielt -, die hauptsächlich vom Fremdenverkehr leben, der Meinung sind, daß die Interessen des Immissionsschutzes, des Lärmschutzes und des Umweltschutzes - auch im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit der Behörden - nicht ausdrücklich berücksichtigt werden.
Herr Kollege, meine Erfahrungen und die der viel länger da oben arbeitenden Fachleute - mit „da oben" meine ich unsere Hardthöhe - können dies nicht bestätigen. In all diesen Fragen besteht eine harmonische, in Teilen kritische, aber enge Verbindung zu den Landesbehörden und - wie zu beobachten - zwischen Landesbehörden und kommunalen Behörden. Das soll nicht heißen - ich wiederhole dies hier sehr offen -, daß das Üben auf den Übungsplätzen und das Fliegen für viele Bürger in den umliegenden Orten, insbesondere für Gäste, keine Beeinträchtigung bedeutet. Dies kann nicht geleugnet werden. Hier müssen Kompromisse gefunden werden, auch was all die Fragen der Belastung der Umwelt - dazu zähle ich den Menschen - angeht.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Kolbow.
Darf ich Sie fragen, Herr Staatssekretär, ob Sie bereit sind, den Bundesverteidigungsminister anläßlich seines am Montag stattfindenden Besuches im nordhessischen Raum über die kritischen Fragen, die gestellt worden sind, und über die Antworten, die Sie hier gegeben haben, zu informieren?
Ich tue dies gerne, aber ich bin sicher, daß der Informationsstand des Ministers so gut ist, daß es dessen eigentlich nicht bedarf.
Noch eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt, Sie würden immer die notwendigen Prüfungen durchführen. Meine Frage: Haben Sie die Prüfung auch beim Truppenübungsplatz Wildflecken, insbesondere bei den Schießbahnen 9 und 10, durchgeführt, und haben Sie bei dieser Prüfung auch festgestellt, daß für diese Schießbahnen ungefähr 200 ha Wald fallen mußten?
Herr Kollege, ich darf einmal vorweg sagen: Probleme der Anrainer von Übungsplätzen gibt es ja nicht nur in Hessen, obwohl ich verstehe, daß Sie diese Region im Augenblick hier ganz besonders zum Gegenstand Ihrer Fragen machen.
Zu der Frage Wildflecken. - Hier würde der Präsident sagen, ich solle mich kürzer fassen. - Herr Kollege, ich kann Ihnen hinsichtlich jeder einzelnen Schießbahn fast aus dem Kopf die Belastungen nennen und die Abmachungen aufzählen, die wir mit den Amerikanern getroffen haben,
({0})
weil ich mich genau dort sehr engagiert habe.
Meldungen, daß auf den Schießbahnen, nach denen Sie, Herr Kollege, fragen, Panzerschießen eingeführt werden soll, treffen nicht zu, sondern hier wird mit den amerikanischen Schützenpanzern vom Typ Bradley geübt werden. Hierfür werden neue Anlagen eingerichtet. Dort, wo leider Bäume fallen müssen, um auf diesen Schießbahnen bleiben zu können und keine neuen anlegen zu müssen, werden die Amerikaner mit großem Einsatz an Geld und mit neuesten technischen Möglichkeiten Aufforstungen vornehmen. Es werden nicht nur kleine oder kleinste aus Baumschulen geholte Bäume zur Aufforstung verwendet, sondern es werden Spezialmaschinen angeschafft, um auch Bäume von sechs, acht oder mehr Metern Länge einsetzen zu können, so daß man bereits von einem Wald sprechen kann.
Dies war, was das Zulassen von Fragen betrifft, an der Grenze, Herr Abgeordneter Klejdzinski. Aber da der Staatssekretär das Thema kannte, konnte ich es weiterlaufen lassen.
Zu demselben Thema noch eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Schmitt ({0}).
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, bei der Stellungnahme zu militärischen Anlagen Gründen des Umweltschutzes und der Akzeptanz solcher Anlagen durch die Bevölkerung auch dann den Vorrang zu geben, wenn gegebenenfalls militärische Ansprüche zurückgestellt werden, und sind Sie in der Lage, den US-Streitkräften deutlich zu machen, daß die räumlichen Verhältnisse nicht mit den Ausbildungs- und Übungsmöglichkeiten zu vergleichen sind, die den Vereinigten Staaten zur Verfügung stehen?
Die Amerikaner haben inzwischen eine hohe Sensibilität entwickelt. Dies kann ich aus Gesprächen mit Amerikanern wegen Problemen mit Übungsplätzen hier so klar
1398 Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode - 21. Sitzung. Bonn. Mittwoch. den 14. September 1983
sagen. Die Amerikaner wissen, daß die hiesigen Verhältnisse mit der Weite des amerikanischen Raumes und dort bestehender Übungsmöglichkeiten nicht einmal im Ansatz zu vergleichen sind.
Ich will nicht verhehlen, daß es in der Praxis immer noch gewisse Probleme gibt. Wir sprechen mit den Kommandeuren, wir sprechen mit den Politikern; wir gehen durch unsere Generale und Kommandeure auch einmal bis auf die Ebene der Division oder des Bataillons. Der Zugführer, der Kompaniechef, der Hauptmann, die von Amerika hier herüberkommen und hier üben, werden dies noch nicht so verinnerlicht haben wie ihre Vorgesetzten. Dies ist ein dauernder Prozeß, dem auch wir uns stellen müssen - dies zum zweiten Teil Ihrer Frage. Umweltschutz und andere Dinge werden abgewogen werden müssen. Ich habe das am Beispiel Schlitz mit der Entscheidung Nein, glaube ich, sehr deutlich gemacht: Abwägung, Finden eines Kompromisses.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Scheer.
Herr Staatssekretär, da Sie sich so gut in Wildflecken auskennen, bis in fast alle Einzelheiten, wie Sie eben gesagt haben: Können Sie dann bestätigen, daß dort eine Schießbahn 10 gebaut werden soll, der mehr als 200 ha Wald weichen müßten, und gibt es keine Möglichkeit, dies zu unterbinden, natürlich in Absprache mit den Vereinigten Staaten?
Herr Dr. Scheer, Sie haben ein bißchen nicht aufgepaßt. Diese Frage war eben schon dran. Sie war an der Grenze dessen, was möglich ist.
Herr Präsident, ich möchte denn auch auf meine Antwort eben verweisen, obwohl ich große Lust verspüre, dieses Thema noch einmal aufzunehmen.
Noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Krizsan.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen von der Sensibilität der übenden Truppen im Bereich Umweltschutz: Würden Sie diese Sensibilität auch den britischen Truppen in der Lüneburger Heide zugestehen, die sich weigern, Übungsflächen im Naturschutzgebiet nicht zu benutzen?
Würzbach, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege, was ich gesagt habe, gilt für alle alliierten Truppen, die bei uns stationiert sind und deshalb bei uns üben müssen.
Ich lade Sie gern ein, gerade Sie, sich einmal über Umweltschutzmaßnahmen der Bundeswehr und alliierter Truppen auf unseren Übungsplätzen informieren zu lassen. Ich bin sicher, daß Sie danach mit einem etwas anderen Eindruck als dem nach Hause gehen werden, als Sie jetzt an diese Dinge herangehen.
Danke schön.
Wir kommen zur Frage 50 des Abgeordneten Dr. Enders:
Hält es die Bundesregierung für berechtigt, daß die Wehrbereichsverwaltung Widersprüche gegen die Einberufung von Wehrpflichtigen, die alleine die Landwirtschaft ihrer alten und gebrechlichen Eltern bewirtschaften, damit begründet, daß auch verheiratete und außerhalb des Heimatortes wohnende Geschwister des Wehrpflichtigen bei der Verrichtung der landwirtschaftlichen Arbeiten mithelfen könnten?
Herr Kollege Dr. Enders, die Ablehnung von Widersprüchen gegen die Einberufung eines wehrpflichtigen Bauernsohnes, nach dem Sie fragen, kann grundsätzlich nicht damit begründet werden, daß statt seiner nunmehr die Geschwister zur Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebes der gebrechlichen Eltern verpflichtet wären. Eine solche Verweisung auf die Hilfe der Familienangehörigen kann aus Rechtsgründen nicht gebilligt werden. Eine lediglich sittliche Verpflichtung der Geschwister zur Mithilfe kann nicht genügen, da rechtlich nicht sichergestellt werden kann, daß die Geschwister eine solche Verpflichtung auch erfüllen.
Ich biete Ihnen an, auch auf Ihre Nachfrage zu dem speziellen Fall des Wehrpflichtigen Fink zu antworten.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, Ihre nachgeordneten Behörden über diese Ihre Stellungnahme zu informieren, damit künftig diese Formulierungen im Schriftverkehr nicht mehr auftauchen?
Ein klares Ja.
({0})
Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Niegel auf:
Ist der nach einem Bericht des Magazins „Stern" vom 11. August 1983 in Nicaragua lebende und als Entwicklungshelfer tätige deutsche Staatsangehörige Rainer Engelhardt in der Bundesrepublik Deutschland als Kriegsdienstverweigerer anerkannt, und sieht die Bundesregierung bejahendenfalls eine Möglichkeit, diese Anerkennung zurückzunehmen, wenn der Bericht des „Stern" zutrifft, daß sich Engelhardt in Nicaragua an Waffen ausbildet?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Würzbach, Parl Staatssekretär: Herr Kollege Niegel, der in Nicaragua lebende deutsche Staatsangehörige, nach dem Sie fragen, ist dort nicht als Entwicklungshelfer tätig. Nach den vorliegenden Erkenntnissen wird er auch nicht vom Zentrum für Internationale Migration und Entwicklung gefördert. Sein Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ist im Jahre 1971 durch verwaltungsgerichtliches Urteil rechtskräftig abgelehnt worden. Er unterliegt nunmehr seit 1980 nicht mehr der Wehrüberwachung. Er ist inzwischen 35 Jahre alt.
Ich rufe die Frage 52 des Abgeordneten Jungmann auf:
Ist der Bundesregierung die Rede des stellvertretenden Divisionskommandeurs der 6. Panzergrenadierdivision, Brigadegeneral Zedler, bekannt, die er am 25. August 1983 beim Kommandeurswechsel des Fernmeldebataillons 6 vor ca. 1 000 Soldaten und 400 zivilen Gästen gehalten hat, und wenn ja, teilt sie die Auffassung von Brigadegeneral Zedler, „daß lange Friedenszeiten der Notwendigkeit der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr entgegenwirken"?
Herr Kollege Jungmann, der Bundesregierung ist die Rede des stellvertretenden Divisionskommandeurs der 6. Panzergrenadierdivision in Schleswig-Holstein, Brigadegeneral Zedler, bekannt. Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung - wörtliches Zitat -, „daß lange Friedenszeiten der Notwendigkeit der Einsatzbereitschaft entgegenwirken". Die Aussage des stellvertretenden Divisionskommandeurs geschah offensichtlich in der Absicht, darauf hinzuweisen, daß die Routine des Friedensdienstes nicht den Blick auf Forderungen verstellen dürfe, die sich aus dem Einsatz in einem möglichen Verteidigungsfall ergäben. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang der Rede. Dieser Auffassung wird zugestimmt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß es der falsche Platz ist, solche Reden zu halten, wenn rund 1 000 Soldaten zuhören, ohne die Möglichkeit zu haben, nachzufragen, was denn nun gemeint ist? Sollte dies nicht - wenn die Intention, die Sie unterstellt haben, in der Rede tatsächlich enthalten war - eher in den politischen Unterricht eingehen?
Herr Kollege, wir beide haben in den letzten zwei, drei Wochen die Rede gründlich - Seite für Seite, Wort für Wort - gelesen. Auch im Blick auf die hier sicher noch von mehreren Kollegen zu erwartenden Nachfragen will ich Ihnen mit dem früheren Verteidigungsminister Apel antworten. Er hat folgendes gesagt: „Wenn ein Kommandeur, den ich aufgefordert habe, sich an der Friedensdebatte zu beteiligen, bei welchem Anlaß auch immer Vokabeln verwendet, die- nicht jedermann gefallen, dann ist das Teil der öffentlichen Debatte, und ich werde mich davor hüten, Soldaten, die in jener Friedensdebatte Vokabeln verwenden, die nicht jedermann schmecken, deswegen massiv zu rüffeln." - Ich mache mir diese Intention zu eigen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, das Wort „Debatte" beinhaltet meiner Meinung nach doch, daß Rede und Gegenrede möglich sind. Hier war es doch so, daß ein Offizier vor angetretener Truppe und vor Zivilgästen, die nicht in der Lage sind, Rede und Gegenrede - wie eine Debatte sie erfordern - durchzuführen, gesprochen hat. Mit dem Hinweis auf die Friedensbewegung ist doch ein ganz anderer Zusammenhang gemeint, nämlich der, daß Soldaten außerhalb von Kasernen mit der kritischen Bevölkerung diskutieren. In diesem Falle aber ist der Zusammenhang, den Sie mit der Aufforderung von Herrn Apel herstellen wollen, gar nicht gegeben. Im übrigen hat sich der General aus der 6. Panzergrenadierdivision auch schon auf diese Art herausgeredet.
Herr Kollege, wir sollten hier, glaube ich, nicht darüber streiten, wie Apel dies damals meinte.
({0})
Durch die Wendung „bei welchem Anlaß auch immer" ist mit Sicherheit jedwede Form des Ansprechens gemeint gewesen.
Ich will hier sehr frei zwei Sätze hinzufügen. Der erste: Die Soldaten, und zwar quer durch alle Dienstgrade und egal, wo der Soldat als Staatsbürger in Uniform politisch, ich sage sogar, möglicherweise parteipolitisch stehen mag, waren in der Phase, als diese Veranstaltung durchgeführt wurde, in einem hohen Maße nicht nur verunsichert, sondern fühlten sich auch dadurch angegriffen, daß ihnen Moral und Gewissen durch den in der Rede oft zitierten Politiker strikt abgesprochen worden waren.
In dieser Stimmung verstehe ich - das ist der zweite Satz, den ich hierzu sagen möchte -, daß ein Kommandeur im Interesse aller seiner Männer, die dies so empfanden wie er, zu Formulierungen gegriffen hat, die - das sage ich jetzt sehr frei; Ihre zweite Frage zielt darauf klarer ab - an der Grenze liegen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Feststellung des Generals Zedler dann eine ganz normale Aussage ist, wenn man in das vom Kollegen Jungmann angeführte Zitat so, wie es sich gehörte, die Worte „Einsicht in die Notwendigkeit der Einsatzbereitschaft" einsetzte, daß es geradezu seine Pflicht, seine Fürsorgepflicht gegenüber den Rekruten ist, daß er sie gegen Angriffe von Politikern in bezug auf Ethik und Moral nicht nur passiv, sondern auch aktiv stützt, und daß er deswegen seine Aussagen in der Öffentlichkeit machen muß?
Herr Kollege Eigen, ich stimme Ihnen darin zu, daß jeder Vorgesetzte - je höher er ist, um so mehr - die Pflicht zur Fürsorge hat, die der General hier in dieser von ihm gewählten und von mir eben beschriebenen Form praktiziert hat, in der er sich nicht nur vor seine Männer, sondern insgesamt vor die Armee stellt.
Interessant ist j a auch, Herr Kollege Jungmann - ich nehme die Gelegenheit der Nachfrage des Herrn Kollegen Eigen wahr, dies zu sagen -, wie es in der Rede des Generals nach diesem Satz, den Sie
Pari. Staatssekretär Würzbach
zitierten, hieß. Ihr Satz hieß: Dieser Notwendigkeit wirken lange Friedenszeiten entgegen. Es geht dann nahtlos weiter:
Sie verführen die aktiven Soldaten zum Job-Denken, es wächst der Egoismus, es schwindet das Einsehen in die Notwendigkeit von Opfern, die Kameradschaft wird oberflächlich, Bürokratismen erfassen Führung und Ausbildung, Zweitrangiges schiebt sich in den Vordergrund.
Hier wird ja von Ihnen direkt erläutert, wie er dies verstanden wissen will.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Sind Sie mit mir einer Meinung, daß freie Rede sicherlich zu einem anderen Gebrauch von Wörtern und von Wendungen führt, und teilen Sie meine Auffassung, daß ein vorbereiteter und geschriebener und damit abgelesener Text im Grunde genommen, wenn ich mir Ihre Auffassung zu eigen mache, in dieser Formulierung sicherlich sehr schlampig ist?
Ich habe das letzte Wort nicht verstanden.
Sehr schlampig oder sehr schludrig ist.
Ich möchte diese Formulierung nicht übernehmen. Ich stimme Ihnen zu, daß ein locker hingeredetes Wort - wir beide haben j a auch schon manches geübt - anders zu bewerten ist als ein schriftlich vorbereiteter Text. Ich erinnere noch einmal an das Sich-empfindlichangegriffen-fühlen, an den Zeitpunkt, die Atmosphäre, in der dieser Text vorbereitet wurde, von dem ich noch einmal sage, daß ich ihn aus diesem Anlaß für an der Grenze vertretbar halte.
Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Blunck.
Herr Staatssekretär, lassen Sie mich, nachdem Sie den Satz fortgeführt haben, den der Herr Jungmann zitiert hat, an Sie die Frage stellen, ob ich aus Ihrer Antwort entnehmen kann, daß Soldaten nur dann gute Kameraden, hervorragende Handwerker sind - oder wie auch immer Sie das in diesem Job bezeichnen möchten -, wenn der Kriegsfall eintritt - ich müßte Sie da doch zumindest mißverstanden haben; machen Sie das bitte deutlich -, oder aber erklären Sie mir, wenn Ihre erste Aussage stimmt, den Widerspruch zu der Tatsache, daß die Bundeswehr eine reine Verteidigungsarmee ist.
Frau Kollegin, Sie haben mich mißverstanden oder mißverstehen wollen. Ich nehme einmal das erste an und bitte Sie, noch einmal meine Antwort auf die erste Frage nachzulesen, die ja sehr deutlich gemacht hat, daß wir nicht der Auffassung des Kollegen Jungmann zu diesem herausgezogenen Satz sind.
Soldat sein heißt auch nicht, einen Job zu haben. Dies darf ich wiederholen. Der General hat bei der Rede vor diesem Satz, den der Kollege Jungmann zitiert, z. B. gesagt: „Wir lieben den Frieden; wir wünschen uns nichts mehr als den Frieden." Es ist wichtig, daß man diesen Satz vorwegnimmt, bei dem er dann nachgeschaltet auf das Problem hinwies, das alle Armeen in der Welt haben. Ich wünsche uns - und damit meine ich nicht nur die für die Bundeswehr Verantwortlichen und jeden Soldaten, sondern uns allen -, daß - wie hier ausgedrückt - diese Armee trotz all der Dinge, die man dann anders handhaben und immer wieder wecken muß, in aller Zeit ihres Bestehens eine Armee im Frieden bleiben wird. Dies ist der Wunsch eines jeden Soldaten und nicht nur eines jeden Politikers. Von uns allen ist nichts anderes gesagt und - ich wiederhole - nicht einmal angedeutet worden.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur nächsten Frage. Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Jungmann auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß durch die Rede ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Soldatengesetz ({0}) und § 15 Abs. 4 SG vorliegt, und wenn ja, welche Maßnahmen sind im disziplinarischen Bereich eingeleitet worden?
Herr Kollege Jungmann, eine Menge hat sich eben, deutlich formuliert, bereits ergeben. Ich antworte darauf noch zusätzlich.
Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß der stellvertretende Divisionskommandeur mit seiner Rede gegen die Bestimmung des § 15 Abs. 1 und Abs. 4 Soldatengesetz verstoßen hat. Der Offizier hat sich nicht - ich benutze die Termini des Gesetzes - „zugunsten oder zuungunsten einer bestimmten politischen Richtung" betätigt oder seine Untergebenen für oder gegen die offizielle Auffassung einer politischen Partei beeinflußt. Er hat sich mit Äußerungen auseinandergesetzt, die das Selbstverständnis des Soldaten in unserer Demokratie angreifen und die zu Fragen der Soldaten an ihre Vorgesetzten geführt haben. Disziplinarmaßnahmen gegen den General sind nicht zu ergreifen.
Herr Abgeordneter Jungmann zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie, wenn Sie zu dem Schluß kommen, daß er sich weder für noch gegen eine politische Richtung geäußert hat, sondern daß er sich gegen die Äußerung eines Politikers gewandt hatte, mit mir der Meinung, daß Toleranz auch von seiten der Offiziere gegenüber Andersdenkenden aus der Bevölkerung notwendig ist und daß man gewählte Politiker, die Oberbürgermeister einer Stadt sind, nicht als „Apostel" bezeichnen sollte, und sind Sie der Meinung, daß man in dem Schluß dieser Bewertung nicht dazu kommen darf, vor angetretenen Soldaten zu sagen, auf solche Apostel könne unser Volk verzichten? Daraus ergibt sich j a die Frage: Wie sollen sie darauf verzichten? Welche Art des Verzichts auf solJungmann
che Apostel rät dieser General der deutschen Bevölkerung an?
Herr Kollege, in dem mir vorliegenden Manuskript der Rede, einer Kopie, ist das Wort „Apostel" nicht enthalten, sondern dort heißt es „auf einen solchen Mann". Wir haben sicherlich von demselben Schriftstück eine Kopie, und es wird auch bei Ihnen so zu sehen sein.
Selbst wenn er in der Situation, was ich nicht weiß, auf die ursprünglich dort geschriebene Formulierung „Apostel" zurückgegriffen haben sollte, schließe ich dies noch in die Erklärung ein, die ich vorhin gegeben habe, indem ich Herrn Apel zitiert habe, der sagte, daß er nicht wegen jeder Vokabel, die dem einen oder dem anderen nicht schmeckt, einen solchen Offizier, der sich vor seine Männer stellt, rüffelt.
Herr Kollege Jungmann zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich glaube, hier geht es nicht um eine Vokabel, die dem einen oder anderen nicht schmeckt, sondern hier geht es darum, daß eine bestimmte Vokabel, die in eine bestimmte Richtung zeigte, benutzt worden ist.
Es sind ja früher auch schon bestimmte Teile der Bevölkerung als „Apostel" bezeichnet worden. Ich glaube, hier sollte die Bundesregierung zumindest darauf hinweisen - vielleicht sind Sie in der Lage, dies zu tun -, daß man mit der Äußerung von Apel nicht alle Aussagen abdecken kann, sondern daß im Rahmen von Debatten und Äußerungen auch ein gewisses Maß an Toleranz eingehalten werden muß, das auch Soldaten, vor allen Dingen in diesem Dienstgrad, gut ansteht.
Herr Kollege, ich nehme das Wort von der Toleranz noch einmal auf. Verstehen Sie nicht auch unter dem Überbegriff „Toleranz", daß ein politisch Verantwortlicher geradezu verlangen muß, daß sich ein General, der hierzu Gelegenheit hat, vor dem Hintergrund dessen, was sich aktuell abspielte - ich habe das zwei- oder dreimal erwähnt -, was man allen Soldaten unterstellte, nämlich unmoralisch zu sein und kein Gewissen zu haben, vor seine Soldaten stellt und deutlich formuliert, daß dieses nicht gültig sein kann?
Ich meine, Sie müßten eigentlich verlangen, daß dies getan wird. Ich hätte es begrüßt, wenn die Partei, aus deren Mitte dieser Politiker kommt, der diese intolerante und die Wahrheit nicht treffende, unsere gemeinsame Armee, alle Soldaten, alle Wehrpflichtigen und Reservisten verletzende Formulierung gewählt hat, deutlich gesagt hätte, daß dies, was irgendeiner gesagt hat - gleichgültig, wo er Bürgermeister oder Oberbürgermeister ist oder noch ist -, nicht die Meinung der Partei sei. Dies wäre ein Weg gewesen, der diesen Vorgesetzten vor seinen Männern aus dieser Lage befreit hätte, diese auch für ihn unangenehme Rede zu halten.
Herr Abgeordneter Eigen zu einer Zusatzfrage.
Herrr Staatssekretär, ist die Bundesregierung in der Lage, Herrn Jungmann die Ausgabe des „Holsteinischen Kurier" vom 1. September 1983 zur Verfügung zu stellen, in der General Zedler in einem Leserbrief, der von ihm unterschrieben ist, ganz klar aussagt, daß er das Wort „Apostel" nicht ausgesprochen hat?
Sind Sie mit mir einer Meinung, Herr Staatssekretär, daß die Äußerungen des Herrn Lafontaine in einer derartigen Weise verletzend sind, daß hier nicht der reagierende General Zedler anzugreifen ist, sondern derjenige, der agiert hat, nämlich der Oberbürgermeister Lafontaine?
Sie beschreiben mit dem zweiten Gedanken das, was ich mehrere Mal zu verdeutlichen mich bemühte. Ich habe darauf hingewiesen, daß das Wort „Apostel" in der mir zur Verfügung gestellten Kopie nicht steht. Sie verstärken dies unter Hinweis auf die Neumünsteraner Zeitung, die der Kollege Jungmann mit Sicherheit in Besitz hat.
Die nächste Zusatzfrage kommt vom Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, da es jetzt ja notwendig ist, daß man in diesem Hohen Hause bibelfest ist, kann ich davon ausgehen, daß, wenn ich aus der biblischen Geschichte den Begriff „Apostel" nehme, auch dieser General einen apostolischen Auftrag hat?
Herr Kollege, Ihren Satz habe ich akustisch nicht verstanden.
({0})
- Herr Kollege, der Apostel steht hier, auch wenn es uns beiden Freude macht, überhaupt nicht zur Debatte. Darüber ist nicht gesprochen worden. Der General hat einen sehr ernsten Auftrag für uns alle in unserer Bundeswehr.
Die nächste Zusatzfrage kommt von der Abgeordneten Frau Blunck.
Herr Staatssekretär, da Sie so oft wiederholt haben, was Herr Lafontaine gesagt hat, aber dieses Zitat nicht vollständig gebracht haben, würden Sie so freundlich sein, es für das Hohe Haus mit der Quelle vollständig zu bringen?
Frau Kollegin, wir wissen, egal wie lange wir diesem Hause angehören oder Politik machen, daß es auf die Wirkung und auf das Ergebnis dessen ankommt, was man sagt, und können nicht an Formulierungen und eingeschobenen Sätzen und Kommata herumbasteln. Über die Nachrichten - unwidersprochen von dem, der sprach, und leider auch von der politischen Gruppierung, der Partei, zu der er gehört - kam an, daß nur der Gewissen und Moral hat, der den Kriegsdienst verweigert oder verweigert hat.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Porzner.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß z. B. der Vorsitzende der SPD-Fraktion ausdrücklich das, was Sie soeben sagten, zurückgewiesen hat und daß das Bekenntnis der Sozialdemokratischen Partei zur Verteidigung und Bundeswehr nicht bezweifelt werden kann?
Herr Kollege Porzner, mir ist bekannt - das fand an einem Tag statt, an dem wir beide zusammen in Munster waren; Sie erinnern sich, daß ich dies ausdrücklich vor einer größeren Runde Abgeordneter und Soldaten begrüßte -, daß das Präsidium der SPD den Teil der Äußerung zurückwies, der die Mitgliedschaft in der NATO betrifft. Mir ist nicht bekannt, daß in der gleichen Klarheit und Entschiedenheit, die ich mir wünschte, dieser Teil zurückgewiesen wurde, über den wir heute reden.
({0})
Die nächste Zusatzfrage kommt von der Frau Abgeordneten Geiger.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß der General im Grunde nur ausdrücken wollte, daß nicht nur diejenigen, die auf den Straßen vor den Kasernentoren und auch an den Rednerpulten für den Frieden demonstrieren, für den Frieden sind, sondern auch ganz besonders diejenigen Männer, die in den Kasernen ihren Dienst tun?
({0})
Frau Kollegin, dies wollte der General ausdrücken, und dies ist das Empfinden eines jeden Soldaten - ich bin sicher, nicht nur der Soldaten, sondern auch der weit, weit überwiegenden Mehrheit unserer Bevölkerung, leider einer laufend und lange schon und zu sehr schweigenden Mehrheit -: daß der Soldat unserer Bundeswehr die Voraussetzung dafür schafft, daß viele, viele, viele, die heute die Bildschirme so beherrschen, überhaupt in dieser Form tätig werden können.
Wir haben eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Scheer.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die zitierte Äußerung des Oberbürgermeisters, die sich im übrigen auf den Zusammenhang mit Atomwaffen bezieht, trotzdem durch den Fraktionsvorsitzenden der SPD hier im Deutschen Bundestag mit einhelliger Unterstützung der gesamten sozialdemokratischen Bundestagsfraktion richtiggestellt worden ist in Richtung auf ein eindeutiges Bekenntnis zur Wehrpflicht?
Herr Kollege, das ist mir nicht bekannt. Aber ich begrüße und bitte herzlich, daß Sie dieses dann nicht nur im Fraktionssaal oder sonstwo beschließen,
({0})
sondern daß dies durch kompetenteste Sprecher Ihrer Partei auch an das Ohr aller - und dazu zählt der Soldat - transportiert wird.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Weisskirchen.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß sich der Saarbrücker Oberbürgermeister in mehreren seiner Äußerungen in diesem Punkt sehr klar ausdrücklich nur an diejenigen wendet, die unter dem gegenwärtigen atomaren Vorzeichen Soldat sein müssen? Er hat gesagt, daß sich nur diejenigen auf ihr Gewissen berufen können - und dies könne er verstehen -, die unter dem atomaren Vorzeichen den Kriegsdienst mit der Waffe ablehnen wollen.
Herr Kollege, wenn Sie dies noch einmal so in den Raum stellen, kann ich nicht verstehen, wenn von anderen Kollegen eben versucht wurde, deutlich zu machen, daß sie eingesammelt haben wollen, was dieser berühmte Bürgermeister gesagt hat. Die Bundeswehr ist eine Armee als Partner in der NATO, und die NATO muß, weil der Warschauer Pakt Atomwaffen hat, über Atomwaffen verfügen. Dies heißt, daß jeder Soldat in unserer Bundeswehr in der NATO Dienst tut. Die NATO verfügt über Atomwaffen. Somit trifft diese Teilung, die Sie dort machen, auf unsere Bundeswehr nicht zu.
Dies heißt weiterhin, daß Sie hier im Bundestag die Aussage des Bürgermeisters, um die es hier geht, wiederholen und verstärken, die in einer geradezu - ich bleibe hier einmal vornehm - schlimmen Form die Soldaten diskreditiert, und im übrigen nicht nur die Soldaten, sondern uns alle hier, die wir dafür zu sorgen haben, daß die Soldaten in der Bundeswehr ihren Dienst tun.
({0})
Ich habe eine weitere Zusatzfrage, und zwar von dem Abgeordneten Heistermann.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung, hier vertreten durch Sie, jetzt bereit, das, was in der vorigen Woche am Donnerstag hier erklärt worden ist, nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch so wahrheitsgemäß draußen zu verbreiten?
Ja.
Sie sind dran, Herr Staatssekretär.
Ich habe mit einem kurzen „Ja" geantwortet, Herr Präsident.
Entschuldigung! Dies ist durch andere Beeinflussung behindert worden, an mein Ohr zu kommen.
Ich habe als - wohl letzte -- Zusatzfrage zu diesem Thema eine Zusatzfrage des Abgeordneten Menzel.
Herr Staatssekretär, haben Sie es, bevor Sie eine solche Aussage machen, daß die Sozialdemokraten sich von dieser Aussage, die in Rede steht, nicht distanziert hätten, nicht für Ihre Verpflichtung gehalten, sich über die Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD zu informieren?
Herr Kollege, die Wirkung dessen, was gesagt wurde, ist leider immer noch so nachhaltig spürbar, daß wir doch eben hier erlebt haben, daß selbst ein Kollege aus der Mitte Ihrer Fraktion jetzt bei dieser Debatte dies noch einmal bestärkt hat. Ich habe auch nach einer gründlichen Vorbereitung auf eine solche Debatte hier in der Fragestunde keine Kenntnis von diesem Beschluß und dieser Aussage Ihrer Partei.
Also ich lasse die letzte Zusatzfrage zu. Ich fürchte, wir geraten vom Thema der Frage ab oder gehen zu weit in die Breite. Die letzte Zusatzfrage kommt von dem Abgeordneten Lutz.
Herr Staatssekretär, halten Sie unsere Bundeswehr für so politisch unaufgeklärt oder neurotisch, daß sie verschiedene Politikeraussagen nicht zu gewichten weiß? Ich z. B. behaupte: Sie kann es. Aber wenn ich Sie da so als Staatssekretär höre, könnte mir um die Bewußtseinslage unserer Soldaten angst werden.
({0})
Herr Kollege, Ihre Frage impliziert, ein bißchen von der anderen Seite ja kommend, doch genau auch das Recht, daß unsere Bundeswehr - Staatsbürger in Uniform, Innere Führung, und was immer Sie dazu nennen wollen - sich auch mit solchen Dingen auseinandersetzen kann, auch bei einer solchen militärischen Zeremonie, wie dies eine gewesen ist.
So, meine Damen und Herren. Wir kommen nun zur nächsten Frage. Sie kommt von dem Abgeordneten Eigen und hat die Nr. 54:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung sicherzustellen, daß in der Bundeswehr mehr Milch angeboten wird, und was behindert bisher den Verzehr von Milch bei der Bundeswehr?
Herr Kollege Eigen, die Soldaten der Bundeswehr verbrauchen im Rahmen der Truppenverpflegung monatlich durchschnittlich 51/2 Liter Milch. Daneben werden regelmäßig Milchprodukte wie Joghurt, Quark, Butter und Käse angeboten. Der ernährungsphysiologisch erforderliche Bedarf der Soldaten wird dadurch voll gedeckt. Sollte von den Soldaten der Wunsch nach mehr Milch und Milchprodukten geäußert werden, kann der sogenannte Küchenausschuß der Einheit der Kompanie angesprochen werden. Die Mitglieder des Küchenausschusses - Sie wissen dies - werden von den Soldaten benannt. Sie sind bei der Aufstellung des Verpflegungsplans maßgeblichst beteiligt und berücksichtigen die Eß- und Trinkgewohnheiten und -wünsche der Soldaten.
Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.
Herr Präsident, ich möchte vorweg sagen, daß ich diese Konstellation bedauere: daß gleich hinter der soeben geführten ernsthaften Debatte über Moral und Ethik ein Problem der Verpflegung kommt. Das lag nicht in meiner Macht. Ich sage das nur, damit das richtig verstanden wird.
Herr Staatssekretär, wenn es so ist, wie Sie sagen, wie kann es dann sein, daß wir immer wieder Äußerungen aus der Bevölkerung, besonders von Müttern bekommen, daß die Jungs in der Bundeswehr nicht ausreichend Milch angeboten bekommen?
Herr Kollege, das kommt vielleicht daher, daß die Mutter möchte, daß der Sohn etwas anderes als das trinkt, was er selber will.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.
Herr Staatssekretär, kann es denn nicht sein, daß die Meinung der Mütter für die Bundeswehr vielleicht doch bedeutsamer als die Meinung derjenigen ist, die Milch trinken sollen?
Wir werden in Kürze eine Tagung mit Müttern von Wehrpflichtigen haben. Wir werden sicher auch darüber reden. Aber die Wehrpflichtigen sind alle über 18. Und hier wollen wir keine zusätzlichen Konflikte, ich sage mal, künstlich züchten.
Ich habe eine Zusatzfrage des Abgeordneten Berschkeit.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, in welchem Verhältnis bei den Soldaten der Konsum von Bier zum Konsum von Milch steht?
({0})
Herr Kollege, darüber haben wir noch keine Statistiken. Bitte fordern Sie keine Statistiken von uns, wieviel Bier, wieviel Milch und was sonst noch getrunken wird.
Ich will noch einmal darauf hinweisen, daß jeder Soldat, der meint, er bekommt zuwenig Milch, die Chance hat, in seiner eigenen Kompanie zu fordern, daß er mehr bekommt.
Dies gilt also nicht für Bier.
Nicht für Bier, Herr Präsident.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Scheer.
Herr Staatssekretär, haben Sie unter Umständen die Befürchtung, daß bei zu großem Milchkonsum zu viele Milchjungen bei der Bundeswehr dienen?
Diese Befürchtung haben wir nicht, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Wird nach Meinung der Bundesregierung eine Verbilligung der Milch für alle Soldaten in der Europäischen Gemeinschaft, z. B. aus der MVA ({0}) -wie bei der Schulmilch -, den Konsum von Milch und Milchprodukten in der Bundeswehr erhöhen?
Herr Kollege Eigen, eine Verbilligung der Milch wird den Verbrauch im Rahmen der Truppenverpflegung, über die wir hier gesprochen haben, voraussichtlich nicht wesentlich erhöhen. Die Verbrauchsmenge eines Verpflegungsmittels hängt von den Verzehrgewohnheiten, hier von den Trinkgewohnheiten, ab. Falls mehr Milch oder Milchprodukte gewünscht werden, kann dies in dem Ausschuß beschlossen und dann unabhängig davon durchgeführt werden, wie teuer diese Milch ist, wobei es nur um Pfennigbeträge gehen kann.
Anders sieht es in den Heimbetrieben aus. Dort könnte sich nach unserer Auffassung eine Verbilligung der Milch verkaufsfördernd auswirken. Die Heimbetriebsgesellschaft hat Mitte des vergangenen Jahres eine sogenannte Milchaktion in diesen Heimbetrieben, wie wir wissen, mit Erfolg durchgeführt, und dies soll im Herbst dieses Jahres wiederholt werden. Eine allgemeine Verbilligung speziell für die Heimbetriebe kann also eine Verkaufsförderung bewirken.
Herr Abgeordneter Eigen, eine Zusatzfrage.
Würden Sie es für gut halten, daß die Bundesregierung im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft Initiativen entwickelt, daß die Mitverantwortungsabgabe, die von den Landwirten bezahlt wird, bei Milch nicht nur bei den Schülern, sondern auch in diesem Bereich angewandt wird?
Herr Kollege, natürlich begrüße ich ein Ergebnis, das unseren Soldaten ein breiteres Angebot gibt. Ich spreche hier für mein Ressort und möchte nicht in andere Kompetenzen eingreifen. Ihre Frage beinhaltete auch die Forderung nach mehr Geld aus dem Bundeshaushalt, und für diese Beantwortung bin ich zuständig.
Herr Abgeordneter Eigen, eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie, ob Sie bitte zur Kenntnis nehmen wollen, daß es sich bei der Mitverantwortungsabgabe ausschließlich um Mittel der Landwirtschaft und nicht um öffentliche Mittel handelt?
Wir freuen uns über eine Verbreiterung des Angebots für unsere Soldaten insbesondere dann, wenn sie nicht aus Bundesmitteln bezahlt werden muß.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Weisskirchen.
Herr Staatssekretär, würden Sie Ihre Äußerung bitte so fassen, daß nachher nicht nur auf eine ganz bestimmte und ausschließliche Form der Ernährung abgestellt wird, sondern daß dann nicht nur über Milch, sondern auch über Eier und andere Nahrungsmittel befunden werden kann?
Ich hoffe, daß dies jedermann so verstanden hat; denn es wäre sicherlich kein guter Weg, sich allein von Milch zu ernähren.
Die beiden letzten Fragen dieses Geschäftsbereichs sind vom Abgeordneten Breuer zurückgezogen worden.
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank für Ihre Mühen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Würzbach.
Wir haben noch zwei Minuten Zeit. Wenn wir gut sind, schaffen wir noch die zwei Fragen zum Verkehrsbereich.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte steht zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Berschkeit auf:
Welchen Stellenwert mißt die Bundesregierung, in bezug auf die Verkehrssicherheit, der Beseitigung schienengleicher Bahnübergänge und dem Ausbau technischer Sicherungen an Bahnübergängen bei?
Herr Kollege, die Erhöhung der Sicherheit und Verbesserung der Verkehrsabwicklung an Bahnübergängen, insbesondere durch Beseitigungsmaßnahmen, ist eine vorrangige verkehrspolitische Zielsetzung. Der Bundeshaushalt enthält in den letzten Jahren folgende Ansätze für Kreuzungsmaßnahmen: 1981 210 Millionen DM, 1982 234 Millionen DM, 1983 267 Millionen DM, und im Entwurf für 1984 stehen 287 Millionen DM. Aus dieser Steigerung können Sie den gestiegenen Stellenwert solcher Maßnahmen entnehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berschkeit.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen das Schreiben des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr vom 16. Juli 1983 an den Herrn Verkehrsminister nicht bekannt? Vielleicht kann ich Ihnen helfen: Er schreibt dort, daß nach Angabe der Bundesbahndirektion Essen der Ansatz von 1983 von 13,5 Millionen DM für diesen Zweck auf 7,1 Millionen DM gekürzt worden sei.
Für die Bundesbahndirektion Essen, Herr Kollege, ergeben sich
folgende Zahlen für Bahnübergangsmaßnahmen: Ansatz im Wirtschaftsplan der DB 19,1 Millionen DM; bis zum 1. September dieses Jahres wurden 14,406 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Das sind 75% des Solls. Vielleicht können Sie sich mit diesen Zahlen einmal auseinandersetzen.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? - Nein.
Dann rufe ich die letzte Frage dieses Geschäftsbereichs auf, Frage 59 des Abgeordneten Berschkeit:
Ist es Absicht der Bundesregierung, die dafür zur Verfügung stehenden Mittel, wie im Haushaltsjahr 1983 im Bereich der Bundesbahndirektion Essen, im gesamten Bundesgebiet in den nächsten Jahren um 47 v. H. zu kürzen?
Eine Absicht, die Mittel für Maßnahmen an Bahnübergängen zu kürzen, besteht nicht. Sie stünde auch nicht im Einklang mit der verkehrspolitischen Zielsetzung, die ich vorher beschrieben habe.
Im übrigen hat die DB bis zum 1. September dieses Jahres, bezogen auf das gesamte Bundesgebiet, 124,3 Millionen DM für Bahnübergangsmaßnahmen bereitgestellt. Das sind rund 86 % ihrer hierfür im Geschäftsjahr 1983 veranschlagten Investitionsmittel. Von den hiervon für die Bahndirektion Essen bestimmten Mitteln wurden inzwischen rund 75% zugewiesen, wie ich vorher erwähnt habe.
Zusatzfrage des Abgeordneten Berschkeit.
Herr Staatssekretär, würden Sie überprüfen lassen, warum die Bundesbahndirektion Essen dem Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen ganz offensichtlich falsche Angaben gemacht hat?
Ich bin gerne bereit, dies zu überprüfen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die beiden weiteren Fragen dieses Geschäftsbereichs - 60 und 61 des Abgeordneten Carstensen - sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs und auch am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde verlangt.
Ich rufe den Zusatzpunkt zur Tagesordnung auf: Aktuelle Stunde
Lage des Schiffbaus und die Weigerung der Bundesregierung, den deutschen Werften Exporthilfe zu gewähren
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat dazu der Abgeordnete Grobecker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine Woche vergangen, seit Bürgermeister Koschnick hier vor dem Plenum des Deutschen Bundestages mit eindringlichen Worten und dennoch moderat die Not an der Küste geschildert und um Hilfe gerufen hat. Das ist zugegebenermaßen eine kurze Woche für die Handelnden, aber es ist eine lange, eine sehr lange Woche für die betroffenen Arbeiter.
({0})
In jedem Falle ist es eine sehr dramatische Woche gewesen, die inzwischen ins Land gegangen ist. Die Demonstrationen, und zwar Arbeiterdemonstrationen, in Hamburg und Bremen beweisen das. In beiden Städten sind die Werften besetzt worden oder werden besetzt.
Ich erinnere mich gut daran, meine Damen und Herren von den christlichen Parteien, daß Sie damals Beifall geklatscht haben, als ähnliche Kampfformen von den Arbeitern in Danzig ausprobiert worden sind.
({1})
Ich richte deshalb mein Wort an Sie von den christlichen Parteien und an Sie, Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff: Sehen Sie bitte nicht einfach tatenlos zu, wie ein Wirtschaftszweig und damit eine ganze Region den Bach hinuntergeht.
({2})
Es sind die gleichen Arbeiter und deren Kinder, die das Land durch ihr Können und durch ihren Fleiß zur Blüte gebracht haben, die jetzt vor dem Nichts stehen.
({3})
Ich bitte Sie deshalb, Herr Bundeswirtschaftsminister, handeln Sie nach Ihrem Amtseid: Wenden Sie Schaden vom deutschen Volk!
({4})
Mit einem Punkt in Ihrer Rede in der letzten Woche stimmen wir überein. Ich meine die Passage, in der Sie sich mit den Werftmanagern befaßt haben. Es ist eine Katastrophe, was sich da zur Zeit in diesem Bereich abspielt.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat einen Antrag vorgelegt, in dem die Elemente enthalten sind, mit denen wir zusammen - Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, mit uns - vor vier Jahren die Katastrophe abgewendet haben. Äußern Sie sich bitte zu diesem Antrag, und sagen Sie, warum das, was wir vor vier Jahren gemeinsam gemacht haben, heute falsch wäre. Wir wollen in diesem Antrag Auftragshilfen, um dem Subventionswettbewerb in Europa begegnen zu können und um unsere Werften vor diesem Subventionswettbewerb zu schützen.
({5})
Wir wollen in diesem Antrag Reederhilfen, um die
Reeder überhaupt wieder investitionsfähig zu machen. Wir wollen Strukturhilfen, um leistungsfähige
Betriebe zu bekommen. Und schlußendlich: Wir wollen, daß Sie hier sagen, was Sie dazu meinen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Metz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Grobecker, der Vergleich mit der Demonstration der polnischen Arbeiter, die gegen eine Diktatur demonstrieren, ist absurd und geschmacklos.
({0})
Wir können hier in Fünf-Minuten-Beiträgen nicht die Werftdebatte der vergangenen Woche wiederholen. Sowohl der Kollege Echternach als auch ich haben von dieser Stelle aus darauf hingewiesen, daß im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages die gesamte Problematik der Schiffahrt und des Schiffbaus ausführlich beraten wird und daß dann entschieden wird, und zwar in diesem Monat. Die SPD-Fraktion hat dazu Anträge angekündigt. Sie greift dabei in die Vergangenheit und will Programme wieder aufleben lassen, die noch während ihrer Regierungszeit ausgelaufen und von der Regierung Schmidt nicht verlängert worden waren. In der Opposition ist es natürlich sehr viel leichter, meine Damen und Herren, eine Neuauflage zu fordern. Aber Sie machen es sich damit zu einfach.
({1})
Das alte Programm einfach aufleben zu lassen, ist nicht nur bequem, zu bequem, sondern deswegen nicht möglich, weil es heute um andere Kapazitäten geht.
Ich zitiere den bremischen Bürgermeister, der hier gesagt hat:
Es sind nicht genügend Schiffe zu akquirieren, um alle Werftkapazitäten auszulasten. Wir kommen an Reduzierungen nicht vorbei. Ich
- Koschnick-trage das hier Unausweichliche mit.
Soweit der Herr Bürgermeister hier an diesem Pult in der letzten Woche.
Die Konsequenz aus diesen Worten ist die Zielgröße 20 Millionen Fertigungsstunden, die dem Jahresumsatz von 3 Milliarden DM entsprechen, auf die sich die norddeutschen Regierungschefs am 31. April 1983 in Hamburg praktisch geeinigt haben. In den vergangenen Wochen habe ich hinter die
2 Milliarden DM Umsatz im Inland, Herr Bundeswirtschaftsminister, ein dickes Fragezeichen wegen der Vorgriffe aus 1982 gemacht und beim Export darauf hingewiesen, daß Aufträge aus Industrieländern völlig fehlen.
Wir müssen unter allen Umständen sicherstellen, daß dieser von den norddeutschen Ministerpräsidenten angestrebte Mindestjahresumsatz von
3 Milliarden DM im deutschen Handelsschiffbau
auch wirklich erreicht werden kann und erreicht
wird. Wie wir das haushaltsmäßig, haushaltstechnisch bewerkstelligen, ist genau Inhalt der Beratungen und der Entscheidungen.
Der Weg zu der verringerten Kapazität von 20 Millionen Fertigungsstunden ist schmerzlich. Jawohl! Aber gerade weil wir diesen Weg doch alle gemeinsam - einschließlich Koschnick - für unumgänglich halten, können wir die Menschen und die Unternehmen dabei nicht alleinlassen. Einer dpa-Meldung von heute mittag entnehme ich, daß sich die an der Bremer Fusion beteiligten Unternehmensvorstände unter Umständen noch heute einigen und einen Antrag auf öffentliche Hilfen für die Fusion unterschreiben. Ich glaube das nach dem monatelangen Theater erst, wenn ich die Unterschriften selbst gesehen habe. Aber wenn der Bremer Antrag dann wirklich in Bonn als prüffähige Unterlage angekommen sein sollte und einer erneuten Prüfung standgehalten hat, dann sage ich: Bonn muß helfen, damit die neue Werft leben kann.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole meine Worte aus der letzten Debatte:
Die Menschen an der Küste wissen, daß es keine Bestandsgarantien geben kann und daß nur eine moderne Schiffahrtsindustrie überleben kann. Die technokratische Diskussion über Modelle, über die Ausgestaltung von Hilfen, das Drumherumreden mancher Verantwortlichen, aber auch manche Aussage der Vergangenheit, es gebe eigentlich gar keine Krise, das ist es, was die Menschen letzten Endes mehr verbittert als die am Ende vielleicht bittere Wahrheit.
Sehr verehrter Herr Bundeswirtschaftsminister, Ihr Parteivorsitzender, der Bundesaußenminister Genscher, hat am letzten Sonnabend vor der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Bremerhaven erklärt, er sei für eine Erhöhung der Schiffbauauftragshilfe für deutsche Reeder. Auf die Frage, ob er bei der Erhöhung der Reederhilfe an die Prozente oder das Volumen denke, antwortete der Außenminister: „An beides". So stand es in der „Nordsee-Zeitung".
Außerdem sollte man nach Genschers Meinung auch über eine Wiedereinführung der Auftragshilfen, der Subventionen zur Abwicklung ausländischer Aufträge auf deutschen Werften nachdenken. Der FDP-Vorsitzende sieht hier allerdings nicht - wie in dem bisher geübten Verfahren - eine Regelung der prozentualen Subventionen, sondern denkt an andere Wege, die noch vereinbart werden müßten. - So weit Herr Genscher.
Herr Bundeswirtschaftsminister, ich habe die herzliche Bitte: Folgen Sie Ihrem Vorsitzenden auf diesem Weg in die richtige Richtung. - Vielen Dank.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Bredehorn.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Bundestagsfraktion ist der SPD-Bundestagsfraktion außerordentlich dankbar, daß sie uns und insbesondere unserem Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff noch einmal die Gelegenheit gibt, darzulegen - wir haben das bereits in der vorigen Woche anläßlich der Haushaltsdebatte in aller Ausführlichkeit getan -, was die Bundesregierung und mit ihr die Koalitionsfraktionen von FDP und CDU/CSU für die deutsche Schiffbauindustrie tun.
Diese Industrie ist durch die außerordentlich schwierige Weltschiffahrtssituation in große Probleme geraten. Viele Arbeitsplätze, vor allem bei uns in den norddeutschen Küstenländern, sind dadurch in ihrer Existenz bedroht. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf aus den Reihen der SPD, daß gerade der Bundeswirtschaftsminister nicht energisch genug gegen diese Krise ankämpfe, entspricht in keiner Weise den Tatsachen und läßt sich nur aus der Angst der SPD um die Erhaltung ihrer Macht in Bremen erklären.
({0})
Das, was Herr Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff und mit ihm die Bundesregierung zur Bekämpfung dieser Krise tun, kann sich sehen lassen.
({1})
Es spricht sehr vieles dafür, daß das auf der Hamburger Werftenkonferenz vom April 1983 angepeilte Ziel
({2})
von 3 Milliarden DM Auftragsvolumen pro Jahr mit den zur Verfügung gestellten Förderinstrumenten erreicht werden kann. Denn erstens werden die 230 Millionen DM aus dem Reederhilfeprogramm 1983 auch bei einem Fördersatz von 12,5% voll abfließen.
Zweitens wird mit den aufgestockten Reederhilfen 1984 eine weitere Förderung von gut 2 Milliarden DM Inlandsaufträgen möglich werden. Wenn es Ihnen auch schwerfallen mag, meine Damen und Herren von der SPD-Bundestagsfraktion, so nehmen Sie doch bitte endlich zur Kenntnis - das haben wir in der Haushaltsdebatte doch dargestellt -, daß die Reederhilfen im Haushalt 1983 um 55 Millionen DM auf 230 Millionen DM aufgestockt worden sind
({3})
und auch im Haushaltsentwurf für 1984 eine erneute wesentliche Erhöhung der Reederhilfen um noch einmal 20 Millionen DM vorgesehen ist.
({4})
Nimmt man den Ansatz in der mittelfristigen Finanzplanung, dann sind es sogar 70 Millionen DM. Darauf hat auch Bundesminister Genscher hingewiesen, als er in Bremen von der Erhöhung der Hilfen für deutsche Reeder sprach.
Drittens können nach den vorliegenden Informationen über laufende Auftragsverhandlungen Auslandsaufträge von 1 Milliarde DM erwartet werden. Eine Erhöhung der Auftragshilfe ist - auch angesichts der knappen Mittel - daher nicht erforderlich. Wir können, so meine ich, nicht immer nur vom Abbau der Subventionen reden, um dann in einem Spezialbereich wie dem Schiffbau höhere Subventionen zu fordern. Wir müssen allerdings alles daransetzen, im europäischen Rahmen einen Abbau der Subventionen zu erreichen. Zusätzliche Subventionen werden außerdem nicht bewirken, daß sich für Großschiffe zusätzliche Nachfrage und damit Bauaufträge einstellen, wenn der Markt dies nicht hergibt.
Ich möchte an die SPD-Fraktion, die SPD, doch appellieren, ihre polemische Diskussion über weitere Hilfen so schnell wie möglich zu beenden.
({5})
Sonst besteht nur die Gefahr, daß Schiffsbestellungen auf Grund falscher Erwartungen hinsichtlich weiterer Fördermaßnahmen zurückgestellt werden. Dies bringt die vorhandenen Arbeitsplätze nur in Gefahr.
Diese Debatte gibt darüber hinaus noch die Gelegenheit, deutlich zu machen, daß die von der SPD allein gestellte Landesregierung als Anteilseigner der Bremer Werften bei der Bewältigung der Krise der Bremer Werften in der Vergangenheit schlichtweg versagt hat. Bis heute ist es ihr nicht gelungen, ein tragfähiges Konzept für die Bewältigung der Bremer Strukturprobleme vorzulegen. Deshalb protestieren die Werftarbeiter vor den Türen von Bürgermeister Koschnick zu Recht.
({6})
Abschließend möchte ich für die FDP-Bundestagsfraktion folgendes feststellen:
Die FDP-Fraktion ist zusammen mit dem Bundeswirtschaftsminister der Ansicht, daß die Förderung der großen Werften nicht auf Kosten kleiner und mittlerer Schiffbaubetriebe erfolgen darf. Diese haben sich bislang in der Krise bewährt und dürfen nun nicht dafür bestraft werden.
Ich habe persönlich gerade vor ein paar Wochen bei einem Besuch auf einer mittelständischen Werft in Papenburg im Gespräch mit Betriebsleitung und Betriebsrat feststellen können,
({7})
daß man dort Gewinne macht, daß man dort genügend Aufträge für die nächsten Jahre hat und daß man dort z. B. zum 1. August 75 Lehrlinge einstellte. Die Sorgen der kleinen und mittleren Werften, daß öffentliche Hilfe zur Umstrukturierung der Großwerften zu einem Verdrängungswettbewerb führen könnten, nehmen wir sehr ernst.
Die FDP-Fraktion steht zweitens voll hinter den vom Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff und der Bundesregierung vorgelegten Hilfen zur
Bewältigung der Krise in der Werftindustrie. Sie steht auch hinter den von der Bundesregierung vorgeschlagenen regionalen Sonderprogrammen zugunsten des Landes Bremen, mit dem die notwendige Umstrukturierung der Bremer Großwerften erleichtert und Ersatzarbeitsplätze im Land Bremen geschaffen werden sollen.
({8})
Das Wort hat der Kollege Reents.
Herr Kollege Reents, bevor Sie das Wort ergreifen: Ich kann Sie nicht hindern, Aufkleber dieser oder jener Art zu benutzen. Aber ich darf Sie herzlich darauf hinweisen, auch einmal die Folgen zu bedenken und zu überlegen, was alles aufgeklebt werden könnte. Lassen Sie uns hier lieber weiter mit dem Wort, mit dem Argument streiten.
({0})
Mein Aufkleber hat die Aufschrift „Keine Demontage HDW", und das ist Gegenstand dieser Debatte.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Besetzung ihres Betriebes haben die Arbeiter der HDW in Hamburg die einzig noch erfolgversprechende Rettungsaktion für die Werften unseres Landes eingeleitet. Da es nicht nur um HDW geht, sondern Massenentlassungen und Stillegungen vor allem bei der Bremer Vulkan, bei der AG Weser und bei der Bremerhavener Seebeck-Werft nicht weniger drohen, hoffen wir, daß sich die Werftarbeiter auch andernorts dieser Rettungsaktion anschließen.
Die jetzige Bundesregierung hat noch im November letzten Jahres auf die Anfrage des SPD-Abgeordneten Grunenberg hin bestritten, daß es überhaupt eine katastrophale Lage der deutschen Werften gebe. Katastrophal ist daran zumindest, wie die Werftarbeiter und ihre Familien nicht nur monatelang, sondern mittlerweile sogar jahrelang hinters Licht geführt wurden. Das Massenentlassungskonzept des HDW-Vorstandes, das den Anteilseignern seit November 1982 vorlag, wurde der Belegschaft erst bekannt, nachdem die Hamburg-Wahl, die Schleswig-Holstein-Wahl und die Bundestagswahl über die Runden gebracht waren. Man kann daraus etliches befürchten, was den Bremer Werftarbeitern nach der dortigen Bürgerschaftswahl am 25. September blüht.
Unternehmensvorstände und Regierung sind hier gleichermaßen verantwortlich. Das ganze Gerede von Versäumnissen, von Mißmanagement, von Nachfrageengpässen usw. ist nur die halbe Wahrheit. Die Massenentlassungen sind gezielt betrieben worden.
Ich zitiere den Schlußsatz aus der Werften-Entschließung der Norddeutschen Konferenz vom 21. April 1983. Da heißt es:
Die Konferenz ist sich darüber einig, daß alle staatlichen Hilfen an Schiffbau und Schiffahrt nur gewährt werden unter der Voraussetzung, daß die unvermeidliche Kapazitätsanpassung nicht behindert wird.
Der Vorsitzende des Verbandes der deutschen Schiffbauindustrie Dr. Michael Budezies hat diese ,unvermeidliche Kapazitätsanpassung" auf der Konferenz so beziffert, daß rund 9 000 der jetzt noch 54 400 Werftarbeiter und Beschäftigten im Schiffbau entlassen werden müssen, davon 4 000 bei HDW in Hamburg und in Kiel, 2 000 bis 3 000 in Bremen und Bremerhaven und 2 000 auf den übrigen Werften. Auf der Speisekarte der Konferenz - such das ist wichtig - standen Lachsrollen, Stangenspargel, Kartenschinken und Zimteis in einer Kokosnuß mit Papaya und Mango garniert. Wenn the einen gefeuert werden, dann wird bei den anderen gefeiert. Das ist unverändert so seit den Anfängen des Kapitalismus.
({1})
Wenn sich die SPD jetzt als guter Kumpel der Werftarbeiter in Pose setzt, dann halten wir das allerdings für scheinheilig. Die SPD-geführten Senate von Hamburg und Bremen haben die zitierte Werften-Entschließung mitgetragen.
({2})
Auch Sie haben die Beschäftigten nur als Kostenfaktoren behandelt, die es zu verringern gelte. Ziehen Sie dieses Konzept endlich zurück.
Die Belegschaftsversammlung der HDW hat heute vormittag einen Forderungskatalog beschlossen, den wir voll unterstützen und den ich aus Zeitgründen nur zusammenfassend nennen kann. Die Kollegen fordern die Bundesregierung auf, erstens darauf hinzuwirken, daß die 1 354 Entlassungen zurückgenommen werden, zweitens dem Land Hamburg aus dem bundeseigenen Salzgitterkonzern 25,1 % des Aktienkapitals anzubieten, drittens darauf hinzuwirken, daß die vom Betriebsrat ausgearbeitete Palette mit zirka 10 bis 15 alternativen Produkten - darunter Blockheizkraftwerke, Meerestechnik, Müllverschwelungsanlagen und Sicherheitseinbauten in Tanker - in Angriff genommen wird, und viertens, den Schiffsneubau bis zur Realisierung dieser alternativen Produktion in Hamburg zu erhalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die polnischen Arbeiter der Lenin-Werft in Gdansk - Herr Grobecker hat das vorhin schon gesagt - ihren Betrieb besetzten, haben Sie alle gejubelt. Jetzt können Sie Ihrem Jubel einmal Taten hierzulande folgen lassen.
({3})
Ich fordere Sie alle zu einer persönlichen WerftenHilfe auf das Solidaritätskonto der HDW-Arbeiter auf: Bank für Gemeinwirtschaft, Kontonummer 12 63/46 99 65 auf den Namen des Betriebsratsvorsitzenden Holger Mahler. - Herr Echternach,
Sie können die Kontonummer bei 12 000 DM Diäten im Monat ruhig mitschreiben.
({4})
Von dem italienischen Dichter Dante stammt das Wort: „Der eine wartet, daß die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt". - Die HDW-Arbeiter haben jetzt das zweite getan, weil sie ihre Existenz anders nicht mehr retten können. Wir fühlen uns mit ihnen solidarisch.
({5})
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Herr Kollege Metz, ich will zunächst Stellung zu dem nehmen, was Sie aus der „Nordsee-Zeitung" zitiert haben. Ich habe heute morgen selbstverständlich mit dem Bundesaußenminister über diese Frage gesprochen. Die Wahrheit ist, daß er dort - erstens - erklärt hat: Es kann eine Stellungnahme zu jedweder Unterstützung des Fusionskonzeptes erst geben, wenn das Konzept hier ist, und zwar wird dann die Frage beantwortet werden, ob und in welchem Umfang die Bundesregierung helfen kann.
Zweitens: Er hat dort erklärt: Ob die Reederhilfe aufgestockt werden sollte, ist lange bei uns diskutiert worden. - Das ist völlig zutreffend; es ist auch im Kabinett diskutiert worden, nämlich von 12,5% auf 17,5 %. Inzwischen sehen wir, daß 230 Millionen DM Fördervolumen abfließen, so daß eine Aufstokkung nicht notwendig ist. Wie Sie wissen, haben wir den Gesamtbetrag für 1984 auf 250 Millionen DM aufgestockt.
Drittens: Zur Auftragshilfe. Auch hier ist keine Zusage erfolgt; hier kann auch keine Zusage erfolgen. Auch der Kollege Grobecker hat das Argument vorgetragen, man solle Auftragshilfe geben, damit der Subventionswettbewerb besser ausgehalten werden könne. Genau dies wird nicht funktionieren, weil gegen jede Auftragshilfe und Exportförderung, die wir vornehmen, natürlich die nationalen Subventionen aller derjenigen gesetzt werden - wie wir es mit der Reeder-Hilfe machen, meine Damen und Herren -, die die Aufträge auf ihren nationalen Werften halten wollen. Die Wahrheit ist, daß wir in diesem Jahr für die deutschen Werften auf einem völlig unzulänglichen Niveau einen Anteil an den Auftragseingängen aus Industriestaaten bekommen haben - obwohl dort subventioniert wird -, der unseren Anteil an Auftragseingängen und Auftragsbestand - nur aus dem Bereich der Aufträge aus Industriestaaten - im Vergleich zu unseren Konkurrentenländern in der Europäischen Gemeinschaft erhöht hat. Die Einbrüche sind bei den anderen Ländern, insbesondere in England und Italien, stärker als bei uns, obwohl sie auch bei uns schlimm genug sind.
Herr Grobecker, was sich im Vergleich heute zu vor vier Jahren an der Situation geändert hat, ist die miserable Lage auf dem Weltschiffbaumarkt. Es liegt daran, daß es Aufträge aus Industrieländern so gut wie nicht gibt, daß der große Anteil der Aufträge nach Japan und Korea geht. Da gibt es außerdem eine einmalige Erscheinung, die das Bild im Augenblick verzerrt. Hier liegt ein Auftragsvolumen vor, das ausschließlich in diese Länder gegangen ist; diese Bestellungen haben einmalige Gründe.
Was wir wollen und was wir brauchen, meine Damen und Herren, hat die Hamburger Schiffahrtskonferenz festgelegt. Herr Metz hat das vorhin erwähnt. Wir müssen das Auftragsvolumen von 3 Milliarden DM im Jahre 1983 erreichen. Wir sind auf dem Wege dahin. Es gibt Auslandsaufträge in einem Umfang von knapp 1 Milliarde DM - das sind im wesentlichen Aufträge aus Entwicklungsländern; hier spielt Kapitalhilfe eine Rolle -, und es gibt Inlandsaufträge in einem Umfang von 1,9 Milliarden DM. Da kommt das Problem des Vorziehens. Das wird sich haushaltsmäßig lösen lassen.
Die Vorschläge, den Satz der Reederhilfe auf 17,5 % anzuheben, machen keinen Sinn, wenn das vorhandene Mittelvolumen in diesem Jahr und voraussichtlich auch im nächsten Jahr abfließt, ausgenutzt wird und das notwendige Volumen von Aufträgen finanziert und zur Verfügung stellt. Die Auftragshilfen - ich sage das noch einmal -, die eine reine Exportsubvention darstellen, die unter europäischen Gesichtspunkten ein zweifelhaftes Unternehmen sind, wie wir alle wissen - natürlich ist das so, Herr Kollege Grobecker -, die helfen nicht, weil die anderen Länder ihre Aufträge durch nationale Subventionen ebenso verteidigen und verbarrikadieren, wie wir das mit der Reederhilfe auch tun, die dazu dient, daß die Aufträge deutscher Reeder an deutsche Werften gehen. Wir betreiben genau dieselbe Politik, wie das auch in anderen Ländern geschieht.
Meine Damen und Herren, wir sollten uns hier nichts in die Tasche lügen. Wir sollten auch den Arbeitnehmern nichts in die Tasche lügen. Wenn hier immer davon gesprochen wird, daß es darauf ankomme, die Fertigungsstunden zu verringern, dann sollten wir deutlich und klar hinzusagen, daß irgendwo der Punkt erreicht ist, an dem das Verringern von Fertigungsstunden die Kosten so in die Höhe treibt, daß auch über Kapazitätsreduzierungen gesprochen werden muß.
({0})
Und nun kommt ein Punkt, meine Damen und Herren, den ich mit aller Deutlichkeit ansprechen möchte. Wenn über diese Dinge gesprochen werden muß, dann muß darüber vor Wahlterminen gesprochen werden. Ihre Anträge dienen dazu, das wieder hinter die Wahltermine zu schieben.
({1})
Jetzt liegt klar auf dem Tisch, meine Damen und Herren, daß es hier Probleme gibt. Und die sind natürlich lästig, und die sind schwierig. Es ist kei1410
neswegs so, daß wir das auf die leichte Schulter nähmen. Die Bundesregierung wird unter allen Umständen dafür sorgen - wie wir das in den vergangenen Jahren getan haben und es in diesem Jahr tun -, daß das notwendige Beschäftigungsvolumen für die deutschen Werften zur Verfügung steht. Aber wir können nicht über das hinausgehen, was hier angeboten worden ist - was auch unter anderen Gesichtspunkten, die ich Ihnen eben dargelegt habe, nicht sinnvoll ist. Wir haben ein Zusätzliches getan: Wir sind diejenigen gewesen, die das Sonderprogramm „Regionale Wirtschaftspolitik zur Beschaffung von Ersatzarbeitsplätzen", und zwar ein Sonderprogramm für Bremen, vorgeschlagen haben.
({2})
- Wenn das Schau ist, dann möchte ich wissen, warum das Land Bremen das beantragt hat, wir dem zugestimmt haben und uns dafür einsetzen, daß das geschieht.
({3})
Das ist genau der Punkt, meine Damen und Herren. Wenn sich die Bundesregierung zu etwas entschließt, wenn sie finanzielle Anstrengungen unternimmt, dann heißt es: Das ist eine Schaugeschäft. Das paßt uns nicht in unsere Linie. - Ich weiß schon, warum die Bremer Werftarbeiter auf dem Markt vor ihrem Rathaus demonstriert haben. Da sind sie an der richtigen Adresse, meine Damen und Herren.
({4})
Wir haben volles Verständnis für die Sorgen der Beschäftigten. Wir teilen auch voll ihre Kritik an manchem Verhalten und an manchen Entscheidungen der Werftmanager. Aber wir sagen noch einmal, daß hier eine Bringschuld, insbesondere in der Frage der Strukturposition, von den Bremer Werften eingelöst werden muß, an denen der Bremer Senat selber beteiligt ist. Er ist zu 33 % Miteigentümer beim Vulkan. Und diese Bringschuld heißt: Konzept hier auf den Tisch! Dann ist die Bundesregierung überhaupt erst in der Lage, zu prüfen.
Auch wir lassen die Werften und die Werftarbeiter nicht im Stich. Aber wir sind nicht bereit, propagandistischen Vorschlägen nachzueilen, die wie Aktivität aussehen, in Wahrheit aber nichts bringen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Gansel.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie, Graf Lambsdorff, können sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Sie sind seit 1977 Minister. Und Ihr Ministerium hat noch vor drei
Monaten bestritten, daß es überhaupt eine Werftkrise gibt.
({0})
Wir haben in der Werftkrise 1979 die Werften mit einem Programm für die nächsten zwei Jahre über die Runden gebracht. Das waren unsere Taten, obwohl Sie damals schon Wirtschaftsminister waren.
({1})
Für die Arbeiter und Angestellten von HDW Kiel begannen Bundeskanzler Kohl und der schleswigholsteinische Ministerpräsident Barschel ihre neuen Amtszeiten mit einem Manöver, das Minister Geißler, wäre er konsequent, als Werftlüge bezeichnen müßte.
({2})
Vor den Wahlen wurden den Arbeitnehmern Schiffbauhilfen und sichere Arbeitsplätze versprochen.
({3})
Einen Tag nach der Landtagswahl und acht Tage nach der Bundestagswahl erhielten sie Nachricht von 1755 Kündigungen allein im Kieler Betrieb.
({4})
Und das war kein Privatbetrieb, sondern ein Unternehmen im Eigentum von Bund und Land!
({5})
Daß Hans Koschnick für die Bremer Werften vor den Wahlen Klarheit haben wollte,
({6})
gereicht ihm in gutem altmodischen Sinn, meine Herren Konservativen, zur Ehre.
({7})
Koschnick stellte sich den Arbeitnehmern, wo sich die Bundesregierung davonstiehlt.
({8})
Sie, meine Herren auf der Regierungsbank, müssen sich Ihrer wirtschaftlichen Verantwortung für die Werften, aber auch Ihrer sozialen Verantwortung für die Arbeitnehmer erst noch stellen.
({9})
Dazu gehört, dafür zu sorgen, daß die von der Bundesregierung beaufsichtigten Unternehmensvorstände den Gedanken der Mitbestimmung nicht mit Füßen treten und das Betriebsverfassungsgesetz endlich einhalten. Das ist doch wohl das mindeste, was man verlangen kann!
({10})
Es ist ein Skandal, daß die Kieler und die Hamburger Betriebsräte und Gewerkschaften ihre Rechte erst vor Gericht einklagen mußten,
({11})
und es ist ein Skandal, daß das HDW-Unternehmenskonzept nichts anderes als den Abbau von Arbeitsplätzen unternimmt.
({12})
Es ist ein Skandal, daß auf die konkreten Hilfsangebote und die Anträge der SPD nur mit Verzögern, mit Vertagen und mit kernigen Sprüchen aus der Folterkiste des Steinzeitliberalismus geantwortet wird.
({13})
Sie, Graf Lambsdorff, wissen, was nicht getan werden kann, aber Sie wissen nicht, was Sie zu tun haben.
({14})
Deshalb fordern wir erstens, daß den norddeutschen Werftstandorten durch Taten geholfen wird; zweitens, daß die Existenz von großen und von mittelständischen Werften nebeneinander gesichert wird; drittens, daß HDW als Neubauplatz für Handelsschiffe erhalten bleibt; viertens, daß für die Unfähigkeit des Managements, die Produktionspalette den veränderten Weltmarktstrukturen anzupassen, nicht die Arbeitnehmer mit ihren Arbeitsplätzen zahlen müssen;
({15})
fünftens, daß also auch unternehmerische Alternativen entwickelt werden, um Arbeitsplätze auch durch Diversifikation zu sichern, und sechstens - das sage ich, weil Sie vorhin dazu einen Zwischenruf gemacht haben -, daß schließlich HDW nicht zur bloßen Produktionsstätte von Kriegsschiffen denaturiert,
({16})
die von kriegerischen Spannungen in Entwicklungsländern abhängig ist.
({17})
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, die Arbeitnehmer, die 1946 gegen die Demontage der Kriegsschiffswerften und für ihre Nutzung als Handelsschiffswerften demonstriert haben, haben es nicht verdient, daß jetzt nur der Kriegsschiffbau nachbleibt!
({18})
Wir haben in Kiel
({19}) 20 000 Arbeitslose, die vor Verbitterung manchmal nicht einmal mehr klagen.
({20})
Das ist schon schlimm genug. Aber das Schlimmste ist eine Regierung, die nur anklagt, aber nicht arbeitet.
({21})
Dazu gehört - das füge ich noch hinzu, weil Sie mich durch die Art Ihrer Zwischenrufe reizen -, daß man heute hört, daß die Kabinettssitzung wiederum ausgefallen ist, weil Bundeskanzler Kohl aus privaten Gründen nicht in Bonn ist.
({22})
Arbeiten Sie! Reden Sie nicht und reisen Sie nicht!
({23})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die deutschen Werften und ihre Mitarbeiter sowie die deutsche Seeschiffahrt sind seit über zehn Jahren von einer schweren Krise betroffen, die uns auch in diesen Tagen und Wochen wieder größte Sorgen macht. Ich will hier, weil das Thema „Beschäftigung" angeschnitten wurde, zwei Zahlen in Ihr Gedächtnis rufen.
({0})
- Nein, jetzt geht es um Zahlen, die das Schicksal von Menschen wiederspiegeln,
({1})
und ich möchte Sie bitten, das ernst zu nehmen. Übrigens hatte ich gehofft, daß Sie sich nach dem Ausscheiden des Abgeordneten Hecker in diesem Hause etwas sittsamer benehmen als jetzt mit Ihren Zwischenrufen.
({2})
Meine Damen und Herren, bei der deutschen Seeschiffahrt - -({3})
- Meine Damen und Herren, Sie können die Qualität des Zwischenrufs im Protokoll nachlesen! Man kann auf solche Zwischenrufe auch noch viel härter antworten, als ich es eben getan habe.
({4})
Bei der deutschen Seeschiffahrt ist die Zahl der Beschäftigten von 1972 bis 1982 von 46 000 auf
22 000 zurückgegangen. Herr Kollege Gansel, wir haben übrigens heute in einem mehrstündigen Gespräch der zuständigen Minister, das seit vielen Wochen vereinbart war, über diese Probleme gesprochen. Wir brauchen, was die Arbeit anbetrifft, nicht Ihren Appell.
({5})
Bei den deutschen Werften ist in den letzten sieben Jahren die Zahl der Mitarbeiter von 77 000 auf 56 500 zurückgegangen. Ich sage Ihnen das für die Zeit Ihrer politischen Verantwortung, damit Sie es sich mit gewissen Sprüchen nicht so einfach machen, wie wir das eben bei Herrn Gansel gehört haben.
({6})
Herr Kollege Gansel, Sie würden den Werftarbeitern in Kiel und anderswo einen guten Dienst erweisen, wenn Sie endlich Ihre maßlose Opposition gegen Aufträge für den Sonderschiffbau und die Marine aufgeben würden. Nur das kann ich zu Ihren überzogenen Attacken sagen.
({7})
Was nun die Sachfrage der Ausfuhrförderung anbetrifft, so ist nach meiner Überzeugung
({8})
das Instrument der Exportbürgschaften des Bundes in der Vergangenheit und in der Zukunft die wichtigste Form der Hilfe.
({9})
Wir setzen dieses Instrument weiter ein, obwohl wir mit der drastisch gestiegenen Risikosituation in den Jahren 1983 und 1984 für Exportbürgschaften meiner Amtsvorgänger wahrscheinlich im Schiffbau einen dreistelligen Millionenbetrag zahlen müssen. Wir setzten dieses Instrument vom 1. Oktober 1982 bis zum 30. Juni 1983 weiter für ein Auftragsvolumen von über 420 Millionen DM ein. Dazu kommt - wie Sie zu Recht gesagt haben - die Verbürgung der beiden Fregatten für die Türkei mit einem Auftragswert ca. von 800 Millionen DM. Natürlich ist diese nicht einfache Entscheidung eine wesentliche Stützung für die Beschäftigungssituation bei HDW in Kiel und bei Blohm & Voss in Hamburg.
({10})
- Sehr geehrter Herr Reents, nehmen Sie doch Ihre Plakette, mit der Sie sich mit HDW solidarisch erklären, ab, wenn Sie diese Aufträge weiter bekämpfen wollen. Es ist doch absurd, so etwas in Zwischenrufen zu machen.
({11})
Dazu kommen weitere Anträge in Höhe von 500
Millionen DM, bei denen eine positive Entscheidung in Kürze möglich erscheint. Es sind in großer
Zahl weitere Anträge vorgelegt, bei denen man nicht sicher sagen kann, ob sie zu einer positiven Entscheidung führen können.
Ich möchte das Hohe Haus einfach einmal auf diese Größenordnungen hinweisen und meiner Überzeugung Ausdruck geben, daß wir mit dieser Politik mit hohen Risiken wesentlich mehr für die hart bedrängten Werften und ihre Mitarbeiter tun als mit einer zusätzlichen Exportsubvention von 5 oder 10 % aus dem Haushalt. Wir stehen damit in der Kontinuität der Vorgänger, nur waren damals die Risiken nicht vergleichbar.
Lassen Sie mich noch einiges zu HDW sagen. Ich habe 1972 in Kiel die Entscheidung herbeigeführt, nach der sich das Land Schleswig-Holstein damals mit 25 % an diesem Unternehmen beteiligte. Der Hamburger Senat, der jetzt in maßloser Weise die Geschäftsführung attackiert, hat bis heute weder in Hamburg noch in Kiel einen vergleichbaren Beitrag für HDW erbracht.
({12})
Wenn Sie aber die Entscheidung des Vorstandes und des Aufsichtsrates vom April für einen Kapazitätsabbau und leider auch einen Personalabbau sachlich bewerten wollen, ohne die menschlichen Härten zu übersehen, müssen Sie zur Kenntnis nehmen, daß in dem jetzt zu Ende gehenden Geschäftsjahr 1982/1983 vom Herbst letzten Jahres bis zum Herbst dieses Jahres der bundeseigene Salzgitterkonzern mit einem Verlust von 630 Millionen DM abschließt, zu dem noch 100 Millionen DM Wertberichtigungen gehören. Wenn Sie mit mir eine Diskussion über die politische Verantwortung für diese katastrophale Entwicklung in den letzten Jahren führen wollen, dann werde ich einige Ihrer Kollegen auch auf Ihre politische Verantwortung ansprechen müssen, meine Damen und Herren der SPD.
({13})
Von diesen 630 Millionen plus 100 Millionen Verlust, für die wir, Herr Vogel, in einem Sparhaushalt 1984 450 Millionen einsetzen müssen - ({14})
- Nein, der federführende Minister hieß nicht Lambsdorff. Sie wissen genau, wie die federführenden Minister in meinem Ressort hießen. Sie wissen genau, wie der Aufsichtsratsvorsitzende der letzten Jahre hieß. Es sind Mitglieder Ihrer Fraktion, mit denen Sie sich schon auseinandersetzen müssen, wenn Sie dem Grafen Lambsdorff die Schuld zuschieben wollen.
({15})
Davon entfallen fast 250 Millionen DM allein auf HDW.
Unter diesem Vorzeichen war es leider unvermeidbar, daß Vorstand und Aufsichtsrat die erwähnten Beschlüsse in ihrer Verantwortung gefaßt haben und daß ein Personalabbau in Hamburg und Kiel stattfindet.
Ich sage das hier in aller Klarheit. Wenn jetzt von seiten der Betroffenen über Auftragsverlagerungen
geredet wird, will ich Ihnen zum Abschluß meines Beitrages nur noch drei Zahlen nennen. Die Fertigungsstunde in Hamburg im Schiffbau kostet heute bei HDW 74 DM - von der „Treuarbeit" geprüft -, in Kiel 60 DM und bei einer mittleren Werft in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen im Schnitt 45 DM.
({16})
Da muß man einmal über politische Verantwortlichkeiten derer reden, meine Damen und Herren,
({17})
die über viele Jahre zugesehen haben - trotz staatlicher Verantwortung und Verantwortung in den Aufsichtsräten -, daß sich eine so katastrophale Situation ergeben hat.
({18})
- Herr Duve, Sie in Hamburg hätten j a auch einmal etwas als Abgeordneter beitragen können, anstatt hier solche Zwischenrufe zu machen.
Wir sind nicht bereit, uns für die Fehler unserer Vorgänger auf die Anklagebank setzen zu lassen.
({19})
Wir sind bestrebt, zusammen mit den satzungsmäßigen Organen das Mögliche zu tun. Dazu gehört auch, daß nach den mir vorliegenden Berichten des Vorstands und des Aufsichtsrats die Sorgen um eine völlige Einstellung der Arbeit bei HDW in Hamburg unbegründet sind. Aber wir kommen leider um einen Kapazitäts- und Personalabbau nicht herum. Darüber wird weiter zu sprechen sein.
({20})
Das Wort hat der Abgeordnete Ewen.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich zunächst mit Herrn Dr. Stoltenberg auseinandersetzen. Ich glaube, Herr Dr. Stoltenberg, Sie erreichen nicht einmal das Unternehmensziel von 47 000 Arbeitsplätzen, das uns vorgelegt wurde. Sie haben die Zahlen verschwiegen. Wenn jetzt nicht bald geholfen wird, dann geht der Rest auch noch über den Deich. So sieht es aus.
({0})
Sie sagen - damit komme ich auch zu Herrn Lambsdorff -, daß die Mittel abfließen werden. Ich habe heute morgen, weil ich niemandem mehr glaube, der mit Statistiken arbeitet, Werft für Werft die Auftragslage abgefragt. Danach ist höchstens damit zu rechnen, daß in diesem Jahr Neubauaufträge im Wert von allenfalls 600 Millionen DM neu gebucht werden. 500 Millionen DM sind Überhang aus dem vorigen Jahr und werden in diesem Jahre abgearbeitet. Im Export darf zwar auf 900 Millionen DM gehofft werden, aber man ist absolut nicht sicher, daß dies auch Realität wird. Darunter befindet sich ein einziges Schiff für ein Industrieland, nicht mehr.
Dies sind die Zahlen. Wir können also damit rechnen, daß vielleicht die Hälfte erreicht wird, aber sicherlich nicht mehr. Für das nächste Jahr ist so
gut wie nichts in den Büchern. Das ist die Ausgangslage.
Weil diese Zahlen dauernd so unterschiedlich gehandelt werden und mit der Wahrheit mindestens auch auf den niedersächsischen Werften überhaupt nicht übereinstimmen, kann man hier nur voller Empörung am Pult stehen. Es geht hier um Menschen, die darauf warten, daß von Ihnen, meine Herren, ein politisches Signal gegeben wird.
({1})
Herr Metz hat es versucht. Ich bin ihm dankbar dafür, daß er auf die Möglichkeiten im Haushaltsausschuß hingewiesen hat. Nur: Wenn er keine politische Unterstützung von den zuständigen Bundesministern bekommt, dann wird es schwer sein, das durchzusetzen. Mit uns ist das machbar. Aber ich weiß nicht, ob Sie genug Hilfe in Ihrer Fraktion haben, Herr Metz, um das, was nötig ist, tatsächlich durchsetzen zu können.
({2})
Wir haben eine Katastrophe, die darin besteht, daß an den Schiffbauplätzen z. B. in Niedersachsen in den Auftragsbüchern - ich sagte das vorhin schon - gähnende Leere herrscht, weiße Blätter. Kurzarbeit und die Befürchtungen von Massenentlassungen bestimmen das Bild.
In allen Arbeitsamtsbereichen entlang der Küste haben wir mehr als 13 % Arbeitslose, angeführt von Emden mit 15,1 %, Brake 16,1 % und Leer mit 20,4 % Arbeitslosigkeit. Das habe ich heute morgen bei den Arbeitsämtern abgefragt.
Kurzarbeit, was bedeutet das, meine Damen und Herren? An 18 von 21 in Frage kommenden Tagen wird gearbeitet, d. h. ein Drittel weniger in der Lohntüte. Das sind etwa 1.200 DM. Davon müssen die meisten Menschen zwischen 500 und 700 DM für das Wohnen ausgeben. Die Armutsgrenze wird an dieser Stelle unterschritten. Sie jagen eine ganze Region in die bitterste Armut.
({3})
Die Kommunen mußten mit der Verdoppelung der Arbeitslosenzahlen in den letzten Jahren auch die Ansätze für die Sozialhilfe verdoppeln. Ein konkretes Beispiel aus dem Landkreis, aus dem ich komme: 1981 9 Millionen DM, im Haushalt 1983 16 Millionen DM, im Nachtrag jetzt 20,2 Millionen DM. Das sind nur die Ausgaben für die Hilfe zum Lebensunterhalt, ohne Pflegeheime usw.
({4})
- Dies ist langfristig entstanden. Aber wir haben 1979 geholfen. Wir haben 1982 durch die politischen Verhältnisse, wie sie sich hier im Bundestag ergeben haben, die notwendigen Beschlüsse nicht fassen können. Wir fordern Sie jetzt auf zu handeln. Sie haben jetzt die Möglichkeit.
Der Kaufkraftverlust schwächt Einzelhandel und Handwerk. Weitere Arbeitsplätze geraten in Gefahr. Sie wissen, daß auf einen Werftarbeitsplatz in aller Regel etwa drei weitere Arbeitsplätze entfallen.
Graf Lambsdorff, Sie haben auf Ersatzarbeitsplätze hingewiesen, auf Umstrukturierung; Sie bieten 8,75% an. Es gibt zahlreiche niedersächsische Fördergebiete, die 20% anbieten können. Nur ist in den letzten fünf, sechs Jahren niemand mehr gekommen, der dieses Geld in Anspruch nehmen will. An der Küste sind so gut wie keine neuen Arbeitsplätze geschaffen worden. Denn dafür muß es Nachfrage geben, und die scheint es zur Zeit wirklich nicht zu geben.
({5})
An den Werftarbeitsplätzen hängen Ausbildungsplätze für die jungen Leute. Etwa 12% der Beschäftigten sind jeweils in Ausbildung. Auch diese Plätze gehen weg, so daß weiterhin für junge Leute keine Chance besteht, in qualifizierten Berufen ausgebildet zu werden.
Ich möchte damit schließen, daß ich sage: Wer jetzt nichts tut, wird schuld daran sein, wenn es in absehbarer Zeit keinen nationalen Schiffbau in der Bundesrepublik mehr gibt. Wer jetzt nicht hilft, vernichtet mühsam erneuerte Produktionsstrukturen und Vermögen. Wer jetzt nicht hilft, vernichtet das Wissen und das Können der Schiffbauer. Wer jetzt nicht hilft, treibt die Menschen in den Küstenregionen in die Verzweiflung.
({6})
Wer jetzt nicht hilft, nimmt jungen Menschen die Hoffnung auf eine menschenwürdige Zukunft. Wer jetzt nicht hilft, gefährdet mittelfristig den sozialen Frieden in der Bundesrepublik.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Echternach.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Grobecker, Ihre freundlichen Worte zu der Werftbesetzung in Hamburg sind eine neue Form Ihrer bekannten Doppelstrategie. Ich nenne es keine ehrliche Politik, dort, wo Entscheidungen getroffen werden müssen, mit zuzustimmen, daß Kapazitäten im Großschiffbau nachhaltig abgebaut werden, und dann nach draußen zu gehen, sich mit den HDW-Arbeitern
({0})
zu solidarisieren und auf der Straße dagegen zu demonstrieren, daß dieser Kapazitätsabbau jetzt vollzogen wird, wie das der Hamburger Senat und die Hamburger SPD-Spitze tun.
Tatsache ist, daß auf der Norddeutschen Werftenkonferenz vor fünf Monaten der Werftenverband sein Konzept vorgetragen hat. Er hat erklärt, daß der Großschiffbau Kapazitäten abbauen müsse: 9 000 Arbeitsplätze, und dazu zählten ausdrücklich die jetzt in Rede stehenden HDW-Arbeitsplätze und die bei den Bremer Werften. Diesem Konzept wurde von keinem der norddeutschen Regierungschefs, auch nicht von Herrn Koschnick und von Herrn von Dohnanyi, widersprochen.
({1})
Im Gegenteil: In den Beschlüssen der Norddeutschen Werftenkonferenz sind die norddeutschen Regierungschefs dieser Konzeption insofern ausdrücklich gefolgt, als sie beschlossen haben, daß die Kapazitäten im Großschiffbau nachhaltig abgebaut werden müssen. Sie haben außerdem beschlossen, daß ein reduziertes Neubauvolumen von 3 Milliarden DM finanziell abgesichert werden soll.
Tatsache ist, daß Herr von Dohnanyi dieses Ergebnis der Werftenkonferenz zunächst als einen großen Erfolg feiern ließ und jetzt nicht bereit ist, zu den Konsequenzen zu stehen, die sich aus seinen eigenen Beschlüssen ergeben. Statt dessen versucht er, sich daraus herauszumogeln.
Gerade weil den Betroffenen immer wieder Sand in die Augen gestreut wurde, entladen sich dort die Enttäuschung und die Wut in diesen Demonstrationen und in den Werftbesetzungen, die wir zur Zeit in Norddeutschland haben.
({2})
Wenn sich jetzt sogar der Hamburger SPD-Landesvorstand mit den Werftbesetzern solidarisiert, dann zerstören Sie das Vertrauen in den verbleibenden Teil von HDW,
({3})
dann erschweren Sie HDW die Akquirierung neuer Aufträge, und dann gefährden Sie auch den verbleibenden Teil der 2 000 Arbeitsplätze bei HDW Hamburg.
Verantwortliche Politik kann jetzt nicht darin bestehen, Illusionen zu verbreiten oder gar Dauersubventionen für Arbeitsplätze zu fordern, für die es am Markt keine Arbeit gibt, verantwortliche Politik muß sich jetzt darauf konzentrieren, den restlichen Werftbestand lebensfähig zu halten, und das sind die von der norddeutschen Werftenkonferenz angepeilten 3 Milliarden DM.
Es ist einfach nicht wahr, daß die neue Bundesregierung die Werften dabei im Stich läßt. Im Gegenteil: Sie tut für die Werften weit mehr, als Ihre alte Regierung geplant hatte.
({4})
Im laufenden Jahr werden die Schiffbauzuschüsse gegenüber dem Ansatz der Regierung Schmidt/ Lahnstein um 55 Millionen DM angehoben. Zusätzliche Aufträge von 100 Millionen hat die Bundesregierung mehr als im Vorjahr an die norddeutschen Werften gegeben. Und im nächsten Jahr ist sogar über die Planungen Ihrer alten Regierung hinaus eine Anhebung der Schiffbauzuschüsse um 70 Millionen DM vorgesehen. Das sind zusätzlich 70 Millionen DM! Außerdem sollen die Abschreibungsmöglichkeiten für weitere sechs Jahre fortgesetzt werden.
Umstritten ist allein die Auftragshilfe für den Export. Ich habe dazu in der vorigen Woche erklärt,
daß wir bereit sind, im Haushaltsausschuß darüber zu reden und auch zu prüfen, ob die dagegen vorgebrachten Bedenken stichhaltig sind.
Sie erwecken aber einen falschen Eindruck, wenn Sie jetzt Auftragshilfen zum Wundermittel hochstilisieren. Sicher ist es so, daß die Norddeutsche Werftenkonferenz diese fünf Prozent gefordert hat, aber deshalb, weil man damals davon ausging, daß der notwendige Exportanteil an dem Neubauvolumen von drei Milliarden, nämlich diese eine Milliarde, nur mit den fünf Prozent Exporthilfe erreicht werden kann. Inzwischen sehen wir, daß auch ohne Auftragshilfen diese eine Milliarde Exportaufträge in diesem Jahr erreicht wird, und zwar nicht trotz der fehlenden Auftragshilfen, sondern weil die neue Bundesregierung bereit ist, einen viel wirksameren Weg zu gehen, nämlich über das sogenannte 8-E-Programm, einen Weg, der viel wirksamer ist als Auftragshilfen von fünf Prozent oder sieben Prozent oder zehn Prozent.
({5})
Wäre die neue Bundesregierung nicht bereit gewesen, hier bis an den äußersten Rand des Vertretbaren zu gehen, weiter zu gehen, als die alte Bundesregierung gegangen ist, dann wäre auch der Großauftrag über eine halbe Milliarde DM, der im Exportbereich so zu Buche schlägt, jetzt nicht an die deutschen Werften gegangen, selbst wenn wir die von Ihnen beantragte Auftragshilfe gehabt hätten. Deshalb müssen wir diesen Weg weitergehen und im nächsten Jahr genug Mittel für diese neue Förderungsart bereitstellen.
Ich bitte Sie: Heizen Sie nicht länger draußen die Leidenschaften an, sondern sorgen Sie dafür, daß Ihre verantwortlichen Repräsentanten vor Ort zu ihrer Verantwortung stehen! Und lassen Sie uns gemeinsam die für notwendig gehaltene Schiffbaukapazität wirkungsvoll sichern. - Ich bedanke mich.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Klose.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann der Logik des Bundeswirtschaftsministers nicht ganz folgen. Es geht mir übrigens häufiger so.
({0})
Er spricht einerseits von der miserablen Auftragslage. Andererseits sagt er, es sei doch eigentlich kein Grund zu besonderer Dramatik, denn die nötigen Aufträge zur Beschäftigung der deutschen Werften kämen in diesem Jahr schon herein. Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie wissen, daß im ersten Halbjahr 1983 die deutschen Werften nur noch 34 Aufträge im Wert von 943 Millionen verbuchen konnten: 19 in den ersten drei Monaten, 15 in den zweiten. Nur acht von diesen 34 Aufträgen sind Exportaufträge, und davon wiederum sieben solche aus Entwicklungsländern. Der Export in Industrieländer, früher ein ganz wichtiger Bereich der Werftproduktion, ist faktisch auf Null reduziert. Von 37 deutschen Werften haben 26 für 1984 noch keinen einzigen Auftrag.
Die Lage ist mit der von 1978 - um Ihnen auch das zu sagen - überhaupt nicht zu vergleichen, weil die Substanz der Werften aufgezehrt ist und weil die Investitionskraft der deutschen Reeder heute erheblich schlechter ist, als sie 1978 war.
({1})
Und entgegen früheren optimistischen Annahmen geraten heute auch die mittleren und kleinen Werften voll in den Sog der Krise. Die ganze Branche ist in der Gefahr, marktgerecht vom Markt gefegt zu werden.
({2})
Und ich werfe Ihnen vor, daß Sie das zulassen.
({3})
In Hamburg halten seit drei Tagen die Kollegen das Werk Roß der HDW besetzt. Sie wollen mit dieser Aktion auf ihre Notsituation hinweisen und dem Hilferuf in Richtung Bonn Nachdruck verleihen. Ich will hier ausdrücklich erklären, daß ich diese Aktion nicht nur verstehe, sondern mich mit den Kollegen der HDW, ihren Angsten, ihren Sorgen und ihrem Kampf um Erhalt der Arbeitsplätze solidarisiere.
({4})
Wir können sie nicht einfach hängen lassen, sondern müssen konkret und schnell handeln. Denn sie haben doch gar keine andere Perspektive.
({5})
Da wird immer nach Konzepten gerufen, und das klingt dann so, als gebe es Patentrezepte zur Überwindung der Krise. Diese gibt es nicht. Es sind Umstrukturierungen notwendig, sozial ausgesteuert, aber das nimmt Zeit in Anspruch. Das ist von heute auf morgen nicht zu erreichen. Was jetzt gefordert ist, sind Zwischenmaßnahmen, kurzfristige, schnelle Hilfe, und das heißt zusätzliche Hilfe durch Subvention, durch Exportsubvention - wie in den Jahren 1979 bis 1981.
({6})
Warum hilft nicht heute, was damals geholfen hat?
Meine Damen und Herren, Bremen und Hamburg haben sich zu finanziellen Hilfen bereit erklärt. Der Hamburger Senat, den Sie angesprochen haben, für den ich nicht mehr zu sprechen habe, hat sich, bezogen auf HDW Hamburg, bereit erklärt, bei der Hereinnahme eines Umbauauftrages - Sie wissen, worum es geht - ganz konkret Hilfe zu leisten. Hier wäre auch der Bund gefordert, und ich würde gern hören, was der Bund dazu sagt. Er hat sich zur Hilfe bereit erklärt, wenn eines der von China georderten Containerschiffe nicht in Kiel, sondern in Hamburg gebaut würde, was die Kolleginnen und Kollegen in Kiel von ihrem Vorstand ausdrücklich
gefordert haben. Was für ein Beispiel von praktischer Solidarität!
({7})
Aber der Vorstand von HDW will nicht, der Vorstand von HDW will das Werk in Hamburg klein- und - da bin ich ganz sicher - auf Dauer dichtmachen.
({8})
Wenn ich von dem Vorstand von HDW spreche, meine ich ganz konkret Bonn und Schleswig-Holstein, dann meine ich die Herren Lambsdorff und Stoltenberg.
({9})
Beide tun nichts, und damit tun sie faktisch doch etwas.
({10})
Es wird ein bißchen geholfen, aber unzureichend und deshalb wirkungslos, und Sie überlassen damit die Werftindustrie faktisch den verzerrten Gesetzen des Marktes, und da geht sie kaputt.
Sie setzen sich damit, Herr Minister Stoltenberg, einem, wie ich finde, schlimmen Verdacht aus, daß Ihnen nämlich Firmenzusammenbrüche und Massenentlassungen in Bremen und Hamburg vielleicht auch Sorgen - das gebe ich zu -, aber weniger Sorgen machen als solche in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Ich will nicht glauben, daß das so ist,
({11})
aber es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die das glauben. Es ist an Ihnen, zu handeln und das Gegenteil zu beweisen.
({12})
Sie müssen Ihre Rede bitte sofort beenden. Die fünf Minuten sind schon überschritten.
Dann bleibt meine letzte Empfehlung an den Herrn Bundeswirtschaftsminister, er möge sich doch, da er so gern in Hamburg und Bremen in Herrenklubs auftritt, endlich einmal in Betriebsverhandlungen auf den Werften in Hamburg und Bremen sehen lassen!
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Austermann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Abgeordneten sind die letzten und insbesondere der Kollege Klose ist der letzte, der zu dem Thema HDW und zur gegenwärtigen Situation etwas sagen kann, wenn man sich vorstellt, daß es sein Senat war, der im Jahre 1979 verhindert hat, daß bestimmte Strukturmaßnahmen eingeleitet worden sind
({0})
und dadurch heute noch viel schwierigere und umfassendere Maßnahmen getroffen werden müssen. Die SPD-Abgeordneten sind deshalb die letzten, die etwas dazu sagen könnten, weil der Kollege Gansel gerade auch in meinem Wahlkreis und überall in Schleswig-Holstein von Veranstaltung zu Veranstaltung reiste
({1})
- ich weiß gar nicht, warum Sie so aufgeregt sind
- und dort deutlich machte, was er vom Sonderschiffbau hält
({2})
und insbesondere der Bahrsche Arbeitskreis am 20. Januar 1982 die Auffassung vertreten hat, daß gerade in diesem Bereich Aufträge behindert statt gefördert werden sollen. Ich glaube, die SPD-Abgeordnetenkollegen sind die letzten, die hier Anträge stellen und Kritik üben können.
({3})
- Genauso sehe ich das auch, und über die notwendigen Maßnahmen werde ich in der mir verbleibenden kurzen Zeit ebenfalls reden.
Meine Damen und Herren, das Problem liegt im wesentlichen darin, daß allzulange durcheinandergeredet
({4})
- Sie können mich dadurch nicht irritieren - und zu wenig getan worden ist. Ich möchte hier ein Beispiel aufgreifen, das der Bundesarbeitsminister in der letzten Woche gebracht hat. Wenn man überlegt, weshalb wir nicht wesentlich mehr tun können und was man mit 300 Milliarden DM tun kann, dann können Sie sich ausrechnen, daß wir den gesamten Umsatz von 100 Jahren hundertprozentig subventionieren könnten, wenn Sie uns nicht 300 Milliarden DM Schulden hinterlassen hätten.
({5})
Wir haben zum Ausdruck gebracht, daß wir bereit sind, im Rahmen der sich abzeichnenden Einbrüche - -({6})
Meine Damen und Herren, ich bitte, den Redner reden zu lassen; sonst ist das in den fünf Minuten nicht zu machen. Ich bitte, sich zu beruhigen.
({0})
Im Rahmen der Eckdaten des Haushalts sind wir bereit zu prüfen, welche zusätzlichen Maßnahmen unternommen werden müssen, um den etwas schwieriger erscheinenden Anpassungsprozeß durchzuführen. Ich sage das, weil hier auch immer insbesondere von den Exportaufträgen geredet wird, die ja tatsächlich ein Volumen von 1,2 Milliarden - und nicht von 1 Milliarde - DM haben.
Ich sage nun konkret, was meiner Meinung nach getan werden muß Es muß der Weg des Gegeneinanders verlassen werden, auch in verbalen Attakken von Vorstandsmitgliedern und Bürgermeistern. Die Unterstützung der Küstenregion und der Werften ist aus meiner Sicht eine Gemeinschaftsaufgabe, die wie alle Gemeinschaftsaufgaben der Bund nicht allein wahrnehmen kann und darf, sondern die auch die Wirtschaft und auch die Arbeitnehmer wahrnehmen müssen. Hier ist vom Bundesfinanzminister zu Recht etwas zur Lohnstruktur gesagt worden.
Ich glaube, daß alle Beteiligten aufgefordert sind, zu überprüfen, welche Maßnahmen vorgezogen werden können, um die gegenwärtigen Auftragsengpässe abzubauen: beispielsweise „Theodor Heuss", beispielsweise Fährverkehr Deutschland/ Dänemark, beispielsweise Nachbau des Forschungsschiffes „Meteor", Vorziehen von Investitionsvorhaben des Verteidigungsministeriums und des Verkehrsministeriums. Und die Länder müssen klären, wo sie bereit sind, selber zu helfen. Es reicht nicht, hier Erklärungen abzugeben. Dohnanyi hat ja noch nicht einmal endgültig ja zum 100-MillionenAuftrag aus den USA gesagt.
({0})
Auch muß die Hilfe allen zugute kommen, nicht nur den Großen; dadurch würde die Verdrängung gefördert. Bürokratische Verzögerungen bei der Auftragserteilung sind abzubauen, und eigennütziges Denken darf es nicht mehr geben. So könnte z. B. der Auftrag für das Ölauffangschiff „Thor II" längst erteilt sein.
Sicherung der Arbeitsplätze ist meines Erachtens nicht die alleinige Aufgabe des Bundes, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe, an der sich Wirtschaft und alle Schiffbauländer - nicht nur Schleswig-Holstein mit 180 Millionen, die haushaltsmäßig verankert sind, und das ist beispielhaft -, alle Küstenländer beteiligen.
Die Union nimmt die Sorgen der Arbeiter auf den Werften der Betriebe ernst. Es wäre zu hoffen, daß die Besetzung der Werften von Ihnen nicht mißbraucht und eine neue an die Wand gemalt wird, sondern daß sie vielleicht ein Anstoß für Sie selber zu mehr Zusammenarbeit bei diesem Thema ist.
Herzlichen Dank.
({1})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte gern ganz kurz Stellung zu zwei, drei Stichworten nehmen, die Herr Kollege Klose angesprochen hat.
({0}) - Ich fange gerade an.
({1})
- Ich will das nicht bewerten, daß nach einem Einleitungssatz sofort hier die Zwischenrufe kommen.
Herr Kollege Klose hat auf die Forderung hingewiesen, einen Containerauftrag von Kiel nach Hamburg zu verlagern. Der Vorstand hat gestern negativ dazu Stellung genommen. Der Grund, den ich Ihnen sagen muß, ist der, daß nach den Kostenberechnungen dadurch in Hamburg ein Verlust von 24 Millionen bei einem Schiff entstehen würde. Ich muß einen Vorstand gegen unqualifizierte Kritik auch außerhalb dieses Hauses verteidigen, wenn er aus solchen Gründen bestimmten Vorschlägen, die Sie hier übernehmen, nicht folgt.
({2})
Ich halte diese Größenordnung eines Verlustes - ({3})
Ich halte diesen Vorschlag deswegen leider nicht für realisierbar.
Herr Kollege Klose - ich habe das mit Interesse gehört - und auch der Bundeswirtschaftsminister haben von Vorschlägen des Senats gesprochen. Ich würde es - da bei mir und auch beim Bundeswirtschaftsminister kein Schriftstück eingegangen ist - wirklich begrüßen, wenn der Herr von Dohnanyi uns endlich einmal seine Vorstellungen schriftlich gäbe, damit wir nicht auf Zeitungslektüre und Reden in diesem Hohen Hause durch Dritte angewiesen sind.
({4})
Dieses Verfahren, öffentlich über Tage hinweg zu polemisieren und uns nicht einmal schriftliche Unterlagen zu schicken, erweckt leider den Eindruck - wie auch einige Reden von Ihrer Seite -, daß es hier in erster Linie um Polemik und politische Attacken geht und nicht mit der Ernsthaftigkeit, die ich gern jedem unterstelle, um einen Beitrag zu einer sachlichen Lösung.
({5})
Die letzte Bemerkung, Herr Kollege Klose! Ich habe keinen Anhaltspunkt für Vorstand und Aufsichtsrat - und bezeichne das insofern als eine unbegründete Unterstellung -, daß es geheime Pläne gebe, HDW in Hamburg völlig zum Erliegen zu bringen. Ich halte das für unbegründet und möchte Sie bitten, von derartigen Unterstellungen Abstand zu nehmen, weil sie der Sache, der Fairneß und der Verantwortung, die die Organe der HDW tragen, nicht entsprechen.
({6})
1418 Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode - 21. Sitzung. Bonn. Mittwoch. den 14. September 1983
Das Wort hat der Abgeordnete Roth.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Stoltenberg, die Sache mit dem Standort Hamburg von HDW ist ganz einfach zu klären. Sie sind Bundesfinanzminister. Der Bund ist Haupteigner. Sie können nach mir hierhergehen und eine Bestandsgarantie für den Standort Hamburg geben.
({0}) Das ist eine ganz einfache Lösung.
({1})
Ich schaue hier Herrn Echternach an, der vor mir geredet hat, sehr vorsichtig geredet hat. Es ist doch nicht so, daß nur Sozialdemokraten in Hamburg Zweifel haben, daß hier eine langsame und geplante Auflösung des Standorts Hamburg stattfindet. Das ist die Angst der Betriebsräte. Was sollen die Betriebsräte und die Kolleginnen und Kollegen dieser Werft anderes tun als protestieren und nach Wahrhaftigkeit rufen?
Ich finde überhaupt, in dieser Debatte hat bisher eine Überlegung gefehlt: Wie muß es in einem mitbestimmten Unternehmen für die Arbeitnehmer sein, die im Aufsichtsrat die Kollegen vertreten, wenn sie jahrelang immer wieder hingehalten werden
({2})
und wenn sie in diesem Zeitpunkt keine wirkliche Klarheit bekommen? Ich finde, es wäre wichtig, diese Besetzung in Hamburg zum Anlaß zu nehmen, hier Klarheit zu schaffen. Das wäre nicht nur wichtig wegen der Schiffbaupolitik - deswegen auch -, sondern auch wegen des sozialen Klimas in diesem Land.
Herr Grobecker wollte nicht die Motive, die in Polen gegolten haben, mit denen in Hamburg vergleichen.
({3})
- Das wollte er nicht, und das hat er auch gar nicht getan. Aber er wollte Klarheit darüber schaffen, daß, wenn der soziale Friede durch Unwahrhaftigkeit gestört wird, allmählich eine andere Sozialordnung in der Bundesrepublik Deutschland durchgreift.
({4})
Und die basiert, meine Damen und Herren, in der Tat auf dem dauernden Nichtstun und Nichtsentscheiden insbesondere des Wirtschaftsministers in der Industriepolitik, auch in der Schiffbaupolitik. Das ist das Problem.
Ich habe mir heute früh in Vorbereitung dieser Debatte, die wir jetzt führen, überlegt: Was wäre eigentlich in der Kohle, bei den Bergleuten 1966/67 geschehen, wenn damals Karl Schiller und Walter Arendt genauso taktiert hätten, wie es derzeit Graf Lambsdorff in diesem Sektor tut?
({5}) Was wäre geschehen? Wir hätten die nationale Energiereserve verspielt, und wir hätten schon damals große Unruhe im Revier bekommen.
Ich sehe eigentlich den Hauptvorwurf gegenüber der Bundesregierung darin, daß die industriepolitische Verantwortung nicht übernommen wird, daß man sagt: Das ist Sache der Unternehmen. Es ist doch ganz logisch, daß ein Unternehmen oder mehrere Unternehmen zusammen nicht eine deutsche Schiffbaupolitik machen können, weil jeder die Ellenbogen herausstellt und weil jeder versucht, den anderen auszutricksen. Das ist Ergebnis der Wettbewerbsordnung. Übrigens: In der Krise kann sie nicht funktionieren.
Aus diesem Grunde braucht man ein Zusammenspiel zwischen Staat und Wirtschaft.
Nicht nur wir haben hier doch Konsequenzen gefordert, meine Damen und Herren. Heute früh war im Niedersächsischen Landtag eine Debatte. Da sprach ein Abgeordneter, der Drescher heißt. Die Kolleginnen und Kollegen von der CDU aus Niedersachsen werden wissen, wen ich meine. Er kommt aus Cuxhaven und ist Mitglied der CDU. Was hat er gefordert? - Den Rücktritt von Graf Lambsdorff.
({6})
Meine Damen und Herren, das ist die Lage. Ein Wirtschaftsminister verweigert Industriepolitik und treibt eine Branche in die Katastrophe. Das ist die Situation. Ich bin der Meinung, Sie von der CDU müssen sich überlegen, wie lange Sie das mitmachen. Sie können infiziert werden. Ich weiß, wovon ich rede.
({7})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Kollege Roth, ich wünsche Ihnen in der Opposition lange und gute Erholung von Ihrer Infektionskrankheit.
({0})
Meine Damen und Herren, Herr Klose hat recht, daß der Export in die Industrieländer tot ist: Deutschland hat in diesem Jahr noch 33 % der Auftragseingänge des Jahres 1982 buchen können, Großbritannien - viel höher subventioniert - nur 16% und Italien - noch höher subventioniert - nur 8 %. Es gibt diese Aufträge nicht, auch nicht mit Auftragshilfe, Herr Klose. Das ist die Situation auf dem Industrieschiffbaumarkt, wie wir alle wissen.
„Wer jetzt nichts tut", sagt Herr Ewen: Das ist ja wohl eine unglaubliche Behauptung! 230 Millionen DM an Reederhilfe in diesem Jahr, 250 Millionen DM an Reederhilfe im nächsten Jahr; 573 Millionen DM an Reederhilfe sind beantragt, d. h., die 1,9 Milliarden DM werden abfließen; Sofortprogramm: von 80 Millionen DM für Bremen, dem der Hamburger Senat allerdings widersprochen hat; und eine Export-Bürgschaftspolitik, die sich sehen lassen kann, weil sie bereit ist, größere Risiken abzudecken.
Meine Damen und Herren, eine letzte Bemerkung: Wenn Herr Klose hier insinuiert, die Bundesregierung - das geht j a wohl mehr an die Adresse der CDU - wolle in Hamburg und Bremen nicht helfen, aber gern in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, dann sage ich, das ist eine ganz unerhörte Unterstellung, auch wenn Sie gleich hinzufügen, Sie wollten so etwas eigentlich nicht zum Ausdruck bringen. Das ist ungefähr so, als wenn Sie einem Bankdirektor bestätigen, er klaue nicht von den Konten seiner Kunden. Damit haben Sie genau das gesagt, was Sie angeblich nicht zum Ausdruck bringen wollen. Wenn Sie so debattieren, dann ist das eine miese Form der Debatte.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Maaß.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich die Beiträge der sozialdemokratischen Kollegen hier höre, habe ich den Eindruck, daß sie selbst nicht wissen, wo sie hingehen.
({0})
- Herr Roth, die Zwischenrufe können Sie sich sparen; ich kenne die meisten von ihnen schon.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe auf Grund Ihrer Beiträge den Eindruck, daß Sie nach wie vor Kirchtumspolitik betreiben. Wir können dankbar und froh sein, daß der Hickhack in den Ländern in den letzten Monaten dadurch bereinigt worden ist, daß ein Vorstoß des Landes Niedersachsen alle an einen Tisch geführt hat.
Wir reden heute nicht über HDW, sondern wir reden heute über die Problematik der deutschen Schiffbauindustrie; das ist der Kernpunkt. Wir haben an unseren Küsten weiß Gott unterschiedliche Strukturen und unterschiedliche Probleme. Aber es wäre verteufelt, wenn wir diese unterschiedlichen Strukturen und Probleme aus eigennützigen politischen Motiven auf lokaler Ebene forderten; denn das ist sträflich. Wir müssen darauf sehen, daß wir im internationalen Wettbewerb, dem wir ausgeliefert sind, möglichst mit einer Sprache reden und möglichst gemeinsam handeln.
Meine Damen und Herren, die politischen Zielvorgaben haben die Kollegen Metz, Echternach und die beiden Herren Bundesminister noch einmal formuliert. Lassen Sie mich hier ganz schnell auf einige Punkte eingehen.
Punkt eins: Es wäre schlimm, wenn wir heute nur von Bremer Problemen redeten, obwohl wir ganz genau wissen, daß die Arbeitskräfte in Bremen zum Teil auch aus dem Lande Niedersachsen kommen. Es wäre schlimm, wenn wir heute nur von der Großindustrie, von den Großwerften redeten, wo wir doch wissen, daß mittlere und Klein-Werften dem Leistungswettbewerb standgehalten haben. Es wäre schlimm, wenn wir heute Urteile fällten und Entscheidungen herbeiführten, durch die wir die Großwerften subventionieren, während wir die kleinen und mittleren Werften vergessen. Schließlich haben wir in Teilen Ostfrieslands, in meiner Region schon 20 % Arbeitslose. Herr Grobecker, Sie rühmten sich doch die ganzen letzten Monate immer wieder - und da werde ich allerdings hellhörig -, daß die sozialdemokratische „Küstengang" das Wohl der Werften im Auge habe. Wußten Sie eigentlich, als Sie das verkündeten, wie regional unterschiedlich die Arbeitslöhne, die Stundenlöhne auf den einzelnen Werften sind? Als ich die Bestätigung von Herrn Bundesminister Stoltenberg vorhin noch einmal hörte, dachte ich, ich fall' vom Stuhl. Da müßten Sie mit Ihren Überlegungen doch einmal ansetzen; das ist der Nerv, meine sehr verehrten Damen und Herren.
({1})
Lassen Sie mich bitte noch auf einen anderen Punkt eingehen. Das Thema Subvention kommt ja immer wieder hoch. Es ist sehr bequem, zu schreien und zu fordern, Subventionen müßten abgebaut werden, um dann bei der ersten kleinen Gelegenheit
({2})
sofort wieder zu fordern: Wir brauchen Subventionen! Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen auch in anderen Debattenbeiträgen immer wieder gesagt - das ist ein Punkt, bei dem Sie allergisch reagieren -: Subventionen sind Hängematten, die unternehmerisches und politisches Agieren und Taktieren blockieren.
({3})
Wenn Sie das jetzt fordern, meine sehr verehrten Damen und Herren,
({4})
müßten Sie sich doch einmal überlegen, auf welchem falschen Bein Sie hurra schreien.
Ich möchte in diesem Zusammenhang einen anderen Punkt erwähnen. Ich habe heute morgen einmal mit einem Mitglied aus der IG-Metall-Hauptverwaltung telefoniert
({5})
und habe gesagt: Ich möchte Sie einmal fragen, wie Ihre Überlegungen aussehen, alternative Fertigungen mit in unsere Werften hineinzunehmen.
({6})
Da bekam ich zu hören: Wunderschön, daß sich einmal ein CDU-Abgeordneter bei uns meldet; von den sozialdemokratischen Abgeordneten haben wir seit Monaten nichts mehr gehört.
({7})
Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen. Hier sind Punkte, die Sie überdenken und überlegen sollten. Hier sind auch Ansatzpunkte dafür, statt Subventionen zu fordern, die unternehmerische Flexibilität und das unternehmerische Wagnis etwas stärker in den Vordergrund zu bringen. Das ist der Punkt.
Glauben Sie mir bitte:
({8})
Wenn Herr Gansel heute Solidaritätserklärungen zugunsten der Arbeitnehmer unserer Werke und Werften an der Nordseeküste abgibt und im gleichen Atemzug die Marineschiffherstellung boykottiert und hintertreibt, so weiß doch jeder, daß das ein vordergründiges politisches Schaugeschäft ist.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Roth hat vorhin von einem jahrelangen Vertrösten und einem jahrelangen Hinhalten der Arbeitnehmer gesprochen. Herr Kollege, in einer solchen Bemerkung wird natürlich sehr vieles von dem sichtbar, was aus Ihrer Fraktion heute an Widersprüchlichkeiten gekommen ist, wenn ich Ihre Bemerkung nicht so verstehen darf, daß hier endlich einmal einer aus Ihrer Fraktion auch an die eigene Brust schlägt und sagt: Wir haben schließlich 13 Jahre lang in diesem Bereich Verantwortung mitgetragen, und wir - die SPD - tragen heute noch die Verantwortung in Hamburg und Bremen für das, was dort geschieht.
Aber ich kann mich nur wundern, wenn der Kollege Grobecker sich hier hinstellt und Strukturhilfe für Bremen fordert, nachher ein Zwischenrufer aus Ihrer Fraktion, Herr Kollege Grobecker, eine solche Strukturhilfe als Schau bezeichnet und der Kollege Ewen selbst gesagt hat, eine solche Strukturhilfe hätte überhaupt keinen Zweck. Was wollen Sie eigentlich vom Bund?
({0})
Was wollen Sie eigentlich, daß der Bund tut? Ist Strukturhilfe etwas Schlechtes? Wie sieht es denn vor Ort aus? Wie sieht es in Bremen aus? In Bremen diskutiert man über ein Konzept für die Werftenfusion. Und was macht der Bremer Senat in der gegenwärtigen Situation, in der jeder verlorene Tag wirklich verlorene Zeit im Sinne der Arbeitnehmer und deren Schicksal ist? Dieses Schicksal ist uns keineswegs einerlei, wie aus unbilliger- und unerhörterweise verschiedentlich unterstellt worden ist. Der Bremer Senat bringt auf einmal ein altes Konzept neu zur Prüfung, die sogenannte Februar-Variante. Ich will im Augenblick wegen der Kürze der verfügbaren Zeit nicht im einzelnen darlegen, worum es sich handelt. Aber es ist doch sicherlich eine Maßnahme, die nicht zu einer schnelleren Lösung führt.
Und wie sieht es in Hamburg aus, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion? Da geht es um den 200-Millionen-Auftrag. Ich zitiere, damit Sie nicht meine Äußerung zurückzuweisen versuchen, aus den „Lübecker Nachrichten":
Der sozialdemokratische Senat aber, der in der Öffentlichkeit zu den heftigsten Kritikern der Massenentlassung gehört, fand sich seit vier Monaten nicht bereit, zu der vom Reeder des Luxusdampfers beantragten Bankbürgschaft
in Höhe von 100 Millionen DM Stellung zu nehmen,
({1}) geschweige denn, sie zu sichern.
Was ist das eigentlich für eine Politik vor Ort, wenn man glaubt, alle Verantwortung auf den Bund abschieben zu können, aber nicht bereit ist, dort, wo man selbst Verantwortung trägt und wo es auf einen selbst und eigenes Handeln ankommt, tatsächlich aktiv zu werden?
({2})
Herr Kollege Gansel, da Sie vom Marineschiffbau gesprochen und Ihre altbekannten Attacken dagegen wiederholt haben, erinnere ich Sie an eine Bekanntmachung der Pressestelle des Senats von Hamburg vom 29. März dieses Jahres, wo u. a. gefordert wird, die Schwerpunkte der deutschen Werftindustrie zu erhalten und wo es dann heißt: „An den Schwerpunkten ist auch Marineschiffbau zu erhalten." Zwar wird eine Veränderung der Exportrichtlinien für Waffenexport nicht angestrebt, aber der Marineschiffbau soll erhalten werden.
Ich möchte wirklich einmal wissen, wie wir beide - Sie und ich, Herr Gansel - in Kiel vor den Arbeitern der HDW auftreten sollten, wenn wir vertreten würden, wir wollten den Sonderschiffbau in Kiel nicht mehr stattfinden lassen. Dabei bin ich mit Ihnen einer Meinung, daß allein mit dem Sonderschiffbau die Struktur unserer Werften natürlich nicht erhalten werden kann.
Aber lassen Sie mich Ihnen eines sagen: Jeder kehre vor seiner Tür, und niemand mache dort Vorwürfe, wo tatsächlich Hilfe angeboten wird!
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ehrenberg.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Ronneburger hat hier zu Beginn an die 13 Jahre gemeinsame Politik zwischen Freien Demokraten und Sozialdemokraten erinnert. - Das stimmt, Herr Kollege Ronneburger. Nur: Auch damals schon war für den alten wie neuen Bundeswirtschaftsminister Strukturpolitik ein Fremdwort, das ihm nur sehr bitter über die Lippen kam.
({0})
Die Erblast, die wir hier angeblich weitergegeben haben, dokumentiert sich in der Person des Bundeswirtschaftsministers, der eben in diesem Geschäft Erblasser und Erbe zugleich ist.
({1})
Er ist leider nicht bereit, die Not der Küstenregion, wo Stahl- und Werftprobleme zusammentreffen, so zu sehen, wie sie tatsächlich ist.
({2})
Der Kollege Maaß hat den Kollege Grobecker hier auf die „sozialdemokratische Küstengang" angesprochen. Es ging den Werften besser, als die „sozialdemokratische Küstengang" in diesem Hause noch Mehrheiten hatte! Da ging es ihnen sehr viel besser, Herr Maaß!
({3})
Herr Maaß, ich würde Sie bitten, das, was Sie hier im Zusammenhang mit der Werftkrise über Subventionen gesagt haben, vor den nur wenigen hundert Beschäftigten der Jade-Werft in Wilhelmshaven zu wiederholen. Ich hoffe, Sie haben den Mut dazu, das auch dort auszusprechen.
({4})
- Doch, er tut das, ich weiß das; ich kenne ihn besser als Sie. Ich habe ihn sehr oft beim Unterschiedlich-Reden ertappt. Es kann ja wohl bei dem Thema Werft- und Reeder-Hilfen und bei den Arbeitsmarktzahlen von Emden über Wilhelmshaven, Bremerhaven, Bremen bis Hamburg und Kiel hin nicht in dem Ton von Subventionen gesprochen werden, als würde da jemand gnädig Geschenke bringen. Was die deutsche Werftindustrie braucht, ist konkrete Hilfe, und das sofort!
({5})
Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn Sie hier in der Art und Weise zu differenzieren versuchen, Ihnen würde vorgeworfen, Sie vernachlässigten Hamburg und Bremen, weil dort sozialdemokratisch regiert wird: Die Sozialdemokraten in den Hansestädten, in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein wären ja schon froh, wenn Sie wenigstens das unvollkommene Konzept der vier norddeutschen Ministerpräsidenten übernähmen. Aber nicht einmal dazu sind Sie bereit.
({6})
Dieses Konzept ist zu wenig. Die Sozialdemokraten in den vier Küstenländern haben weitergehende Vorstellungen entwickelt. Aber wenn schon, dann doch wenigstens so viel, wie auch Herr Ministerpräsident Albrecht und Herr Ministerpräsident Barschel zusammen mit den beiden Bürgermeistern der Hansestädte gefordert haben! Nur in Bonn rührt sich nichts außer der Zusage, im Planungsausschuß für Regionalpolitik dann etwas zu versuchen.
Herr Maaß, nochmals eine kurze Bemerkung zu Ihren Ausführungen. Es ist ja dankenswert, wenn Sie mit dem Hauptvorstand der IG Metall telefonieren. Mit einem der für Werften Verantwortlichen haben Sie bei dem von Ihnen erwähnten Gespräch sicher nicht gesprochen.
({7})
Dann hätten Sie diese merkwürdige Auskunft hier
nicht weitergeben können. - Oder haben Sie Otto
vom Steeg, meinen guten Freund, am Telefon gehabt? Ich glaube nicht.
({8})
Wir sind noch nicht am Ende, meine Damen und Herren. Das Wort hat noch der Herr Senator Czichon.
Senator Dr.-Ing. Czichon ({0}): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Die Ausführungen von Herrn Ronneburger bedürfen doch noch der Erwiderung. Er hat gesagt, der Senat der Freien Hansestadt Bremen habe hier jetzt plötzlich und überraschend ein altes Konzept hervorgeholt.
Sie, Herr Ronneburger, wissen doch, wie es war. Am 26. August haben uns, dem Senat der Freien Hansestadt Bremen, die Vorstände der drei Großwerften das betriebswirtschaftlich als am günstigsten angesehene Betriebsstättenkonzept vorgetragen, das sie vorbehaltlich einer Plausibilitätsprüfung den Anträgen an Bund und Land zugrunde legen wollten. Bei diesem Verfahren hat es gewisse Verzögerungen gegeben, weil einer der Vorstände offenbar über das Wochenende von seiner vorher gegebenen Erklärung abgewichen war. Inzwischen haben aber zahlreiche Gespräche der drei Vorstände mit einem von ihnen ausgewählten Moderator stattgefunden. Derselbe Vorstand, den ich eben erwähnte, hat dann am 9. September seinem Aufsichtsratsvorsitzenden erklärt, daß er nun doch wieder dieses Betriebsstättenkonzept mittrage und die Anträge an Bund und Länder stellen wolle. Bisher ist das nicht geschehen. Wahrscheinlich wird das heute oder morgen geschehen. Der Senat kann da auch kaum drängen; denn sonst käme er in den Verdacht, seinerseits die Maßnahmen beschleunigen zu wollen, die in dem Betriebsstättenkonzept enthalten sind. Und die sind sehr, sehr schmerzlich.
Der Senat, Herr Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff, ist in der prinzipiell gleichen Situation wie der Bund. Wir erwarten einen Antrag, zu dem wir dann Stellung nehmen müssen. Unsere Aufgabe als Eigner haben wir lange erfüllt. Wir werden diesen Antrag dann zur Tragfähigkeitsprüfung an die Treuarbeit geben und danach entscheiden.
Wir werden aber auch darüber nachdenken müssen, ob ein regionalpolitisch besseres Betriebsstättenmodell möglich ist und wie hoch dessen eventuelle Mehrkosten sind. Wenn es ein solches Konzept gibt - und der Betriebsrat einer Werft hofft das -, werden wir auch darüber mit dem Bund und mit den Vorständen sprechen.
({1})
- Das ist nicht das Herausholen alter Hüte, Herr Ronneburger. Das ist das Wahrnehmen politischer Verantwortung, wie wir sie in Bremen jetzt und in Zukunft verstehen.
({2})
Die 60 Minuten sind damit abgelaufen, meine Damen und Herren.
({0})
- Es gibt noch eine Möglichkeit. Jede Fraktion kann noch fünf Minuten Redezeit erhalten, nachdem die 60 Minuten abgelaufen sind. Wird das gewünscht?
({1})
- Dann hat jetzt der Abgeordnete Hinrichs das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Lage der Werften ist inzwischen so dramatisch geworden, daß wir jetzt schon das zweitemal in einer Woche darüber debattieren. Dabei begann die Werftkrise mit der ersten Ölkrise schon Mitte der 70er Jahre. Das hat uns Herr Grobecker noch in der vergangenen Woche bestätigt. Aber es ist in dieser Zeit keine Strukturanpassung erfolgt. Die alte Regierung hat die 1979 eingeführten Hilfen 1981 nicht verlängert. Heute machen Sie der neuen Bundesregierung, die diese kritische Situation übernehmen mußte, Vorwürfe.
Dies ist ein Teil der allgemeinen Situation, daß in den 70er Jahren zuwenig investiert wurde und keine ausreichenden Innovationen vorgenommen wurden. Das verringerte die Wettbewerbsfähigkeit und gefährdete Arbeitsplätze. Damals, Herr Roth, wurde eben keine ausreichende Industriepolitik betrieben. Die Erhaltung von Arbeitsplätzen in Branchen mit schwacher Nachfrage ist aber oft teurer als die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Und es fehlt uns heute in der Welt an Nachfrage nach Schiffen. Der Tiefpunkt steht noch bevor.
Hier ist einmal mehr ein Bekenntnis zur Wahrheit notwendig. Die Situation ist den Werftarbeitern gegenüber zu oft falsch dargestellt worden, gerade auch von SPD-Politikern, die ihnen sagten, die Werftarbeitsplätze könnten in vollem Umfange erhalten bleiben. Darum ist verständlich, daß heute Enttäuschung und Wut vorherrschen. - Es gibt drei Mittel dagegen.
Das eine ist der Kapazitätsabbau mit einer Strukturverbesserung und einer Verbesserung der Kostensituation in den Betrieben.
Das zweite sind die Reeder- und Auftragshilfen. Das dritte ist die Gemeinschaftsaufgabe.
Wenn sich die norddeutschen Länder bei ihrer Konferenz in Hamburg am 21. April über eine Anpassung der Kapazitäten an die neue Weltlage geeinigt haben, sollten wir diese heute auch durchführen. Da hiernach Arbeitsplätze abgebaut werden sollten und sich die SPD-Ministerpräsidenten ebenfalls dazu bekannt haben, darunter auch Herr Koschnick, wundert es mich, daß heute seitens der SPD davon überhaupt nicht mehr die Rede ist, sondern nur noch von laufenden Auftragshilfen.
Die Bundesregierung will dabei helfen. Nach den schlechten Erfahrungen in anderen Bereichen verlangte sie die Vorlage eines tragfähigen Werfthilfekonzeptes. Die Bremer CDU hat das in Bremen schon lange gefordert, und auch der frühere Vorsitzende des Haushaltsausschusses, der SPD-Abgeordnete Esters, hat dies im Februar von Bremen wieder gefordert. Hier ist leider wertvolle Zeit verstrichen.
Jetzt scheint sich aber auf dramatische Weise in Bremen ein Konzept zu entwickeln, das Herr Koschnick schon angekündigt hat. Der Bundeskanzler hat uns Hilfe zugesagt, und meine Bitte an die Bundesregierung lautet: Herr Minister Lambsdorff, wenn ein Konzept vorgelegt wird, das tragfähig ist und das durch einen Kapazitätsabbau auch nicht zu einer Verdrängung der mittelständischen Werften, die ja ebenfalls in großen Sorgen sind, führt, sollten wir in Analogie zur Förderung des Strukturwandels in der Stahlindustrie auch über derartige Hilfen sprechen. Davon habe ich bei der SPD nichts gefunden; Sie haben heute von der Kapazitätsanpassung nichts gesagt. Dadurch entsteht die Gefahr, daß es wieder zu Enttäuschungen bei den Arbeitnehmern kommen kann.
Zu den Reeder- und Auftragshilfen hat mein Kollege Metz bereits Stellung genommen. Hier ist das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen. Wettbewerbsverzerrungen sollten wir ausgleichen. Wenn der Bundesfinanzminister das über Bürgschaften machen und auf diese Weise die Möglichkeiten, die die EG uns gibt, ausschöpfen will, dann sollten wir diesen Weg gehen. Die Hauptaufgabe liegt aber bei den Unternehmen. Sie müssen sich den veränderten Bedingungen mit neuen Konzepten und günstigeren Kosten anpassen.
Ein Wort noch zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur": Dies ist keine Show, sondern hier hat erstmalig eine Bundesregierung einem norddeutschen Land die Hilfe gewährt, die vorher nicht gegeben wurde, denn die alte Regierung hat die Vorschläge der Küstenländer, die ihr jahrelang vorgelegen haben, nicht realisiert.
Nun soll die Infrastruktur verbessert werden. Mit flankierenden Maßnahmen sollen neue Arbeitsplätze als Ersatz für die Arbeitsplätze geschaffen werden, die bei uns in den Krisenbranchen verlorengegangen sind. Das ist ein langwieriger und schwieriger Prozeß. Ein Beitrag zur Umstrukturierung der Werften ist das aber nicht. Hier vertrauen wir auf die von mir schon angesprochene Umstrukturierungshilfe.
Lassen Sie mich zum Schluß noch ein paar Worte zur Wirtschaftspolitik sagen. Die Bundesregierung hat große Vorwürfe erhalten, weil sie die Subventionen nicht in der Form abgebaut hat, wie man es erwartet hatte. Sie stellt daher heute strengere Anforderungen und kann das Geld nicht auf der Grundlage von Alibi-Papieren ausgeben. Sie verlangt die Vorlage echter Umstrukturierungskonzepte.
({0})
Das ist in den 70er Jahren versäumt worden. Deshalb sollten Sie auch nicht die Sparpolitik der BunHinrichs
desregierung angreifen, sondern sie im Gegenteil unterstützen, denn nur dadurch werden die Mittel frei, die wir im norddeutschen Raum für unsere Werften und für unsere Region haben wollen.
Sie sollten aber auch die Wirtschaftspolitik unterstützen, die Investitionen, Innovation und moderne Technologie fördert, denn nur damit können wir das Süd-Nord-Gefälle abbauen und für unsere Arbeiter neue Arbeitsplätze schaffen. Daher bietet die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gerade für den Norden - für die Überwindung seiner Monostrukturen - große Chancen.
({1})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Beck-Oberdorf.
Herr Stoltenberg, Sie haben uns eben eine Lektion in Ihrer Art von Wirtschaftspolitik gegeben, indem Sie sagten, es sei absurd, wenn man gleichzeitig das Verbot von Kriegsschiffbau und den Erhalt von Arbeitsplätzen bei HDW fordere. Das ist Ihre Art von Wirtschaftspolitik! Ich hoffe, daß das überall sehr deutlich wahrgenommen worden ist.
({0})
Zweitens möchte ich hier betonen - und das wird draußen hoffentlich auch bemerkt -, um was für ein Schattenboxen es sich hier handelt, wenn eine jetzige CDU-Bundesregierung SPD-Landesregierungen Vorwürfe macht und umgekehrt CDU-Landesregierungen ehemalige SPD-Bundesregierungen kritisieren. Irgend etwas stimmt doch bei dieser Hin- und Herschieberei von Vorwürfen nicht.
Von 1960 bis 1982 sind in die bundesdeutschen Werften ca. 12 Milliarden DM an Steuergeldern geflossen. Trotz so großer staatlicher Subventionen ist jetzt ein ganzer Industriezweig in mehreren norddeutschen Städten dem Zusammenbruch nahe. Es war also offensichtlich eine Illusion, die Hoffnung zu haben, mit Hilfe staatlicher Subventionen ein Wachstum um jeden Preis erreichen zu können. Bei der Werftkrise handelt es sich eben nicht um eine befristete Konjunkturkrise im Schiffbau. Jede Mark an steuerlicher Subvention für diesen Wirtschaftsbereich wird verschleudert sein, wenn sie der Konservierung der jetzigen Produktionsstruktur der Werften dienen soll.
({1})
Während die CDU noch im Bremer Wahlkampf den Aufschwung verspricht - das wird langsam peinlich -, verweigert sie faktisch eine Hilfe, die zur Erhaltung der Werftproduktionsstätten notwendig wäre. Wo soll denn der vielbeschworene Aufschwung eigentlich stattfinden, wenn - wie in Bremen und Hamburg - die Werften dichtgemacht werden? Alle Konzepte, die die Werften weiterhin allein am Schiffbau für den Weltmarkt orientieren wollen, werden notwendigerweise zu einem brutalen Abbau von Kapazitäten und unbarmherzigen Rationalisierungsmaßnahmen führen. Das bedeutet die Schließung kleiner Produktionsstandorte und die Konzentration auf ein, zwei staatliche Superkonzerne, um an der Dumpingkonkurrenz auf dem Weltmarkt teilnehmen zu können. Heißt internationale Konkurrenzfähigkeit bei Ihnen, Herr Lambsdorff, vielleicht, daß Bremer und Hamburger Werftarbeiter zu den gleichen Hungerlöhnen arbeiten sollen wie ihre koreanischen Kollegen?
({2})
Angesichts der extrem hohen Arbeitslosigkeit in solchen Städten wie Bremerhaven und Bremen sind 80 Millionen DM Regionalhilfe sowieso ein Tropfen auf den heißen Stein. Außerdem sind sie eindeutig nicht für die Umstrukturierung der Werften bestimmt.
Der Kapazitätenabbau im Schiffbau ist unvermeidlich. Die Politik der öffentlichen Hand muß sich deswegen darauf konzentrieren, Auffanglinien zu entwerfen. Die Auffanglinie muß in folgende Richtung gehen.
Erstens. Kurzfristige Subventionen für weiteren Schiffbau, um Zeit für grundlegende Umstrukturierungen zu gewinnen. Auf diese Weise können die Arbeitsplätze und die auf den Werften vorhandene Konzentration von Qualifikation erhalten werden.
Zweitens. Bindung dieser Subventionen an die Auflage, die Produktionsstätten auf den Werften auf die Produktion anderer Güter umzustellen.
Drittens. Arbeitszeitverkürzung.
Werften sind große Werkstätten. Kaum ein Betrieb eignet sich besser, um sein Know-how und seine Kapazitäten einzusetzen, um für gesellschaftliche Bedürfnisse im Umweltschutz und Energiebereich zu produzieren. So waren auch Arbeiter und Gewerkschaften weitsichtiger als am Profit orientierte Unternehmen. Denn bereits 1982 wurde von den Bremer Werftbetriebsräten und der IG Metall ein Plan für die Produktion nichtschiffbauspezifischer Güter vorgelegt. Diese Konzepte hätten aufgegriffen werden müssen.
Wir fordern: Keine Fusion zu hochkonzentrierten Großwerften, sondern einzelbetriebliche Krisenlösungen, um das Produktions- und Qualifikationspotential optimal nutzen zu können. Wir fordern Subventionen für alternative und bedarfsorientierte Produktion, z. B. öffentliche Aufträge für Filtereinbau, dezentrale Kraftwärmeversorgung, Blockheizkraftwerke, Kläranlagen und ähnliches.
({3})
Wir fordern insbesondere die Bundesregierung auf, bei der AG Weser und der Bremer Vulkan sofort den Bau von Ölabsaugschiffen in Auftrag zu geben. Arbeitszeitverkürzung muß Vorrang vor Entlassung haben.
Diese Krise zeigt, daß ein Umbau der Werften ohne Beteiligung der Kollegen nicht möglich ist. Dazu gehört die Bildung eines Werftrates aus Anteilseignern, Betriebsräten, Gewerkschaftsvertretern und Bürgerschaftsabgeordneten, wie ihn u. a. die Bremer GRÜNEN ins Gespräch gebracht haben.
Insbesondere kommt es jetzt aber darauf an, daß die Werftarbeiter
({4})
an den Entscheidungen über die Umstrukturierung beteiligt werden.
Nur durch ein solches Bündel von Maßnahmen ist die Zukunft der Beschäftigten auf den Werften zu sichern.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Klose.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will nur wenige Bemerkungen machen und Stichworte aus der Debatte aufgreifen. Zunächst vielleicht ein fragendes Wort in Richtung der Fraktion der GRÜNEN. Ich habe manchmal Schwierigkeiten, grüne Wirtschaftspolitik zu verstehen.
({0})
- Ich bin ja auch lernfähig und lernwillig. Ich verstehe aber nicht ganz, wie man die Grundsatzforderung nach einem Ausstieg aus der Industriegesellschaft mit der rigiden Forderung nach Erhaltung sämtlicher Arbeitsplätze verbinden könnte.
({1})
Auf dieses Grundsatzproblem müssen Sie wohl eine Antwort geben. Soweit ich das sehe, ist Ihre innerparteiliche Diskussion über dieses Problemfeld noch nicht abgeschlossen.
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Punkt 2 geht in Richtung der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion. Der Kollege Gansel hat sich nicht im Prinzip gegen den Sonderschiffbau in Kiel gewandt,
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- das hat er nicht getan! -, sondern er hat immer gesagt: Natürlich muß Sonderschiffbau für die Bundeswehr und für den Bedarf der NATO möglich sein. Allerdings ist er und sind wir dagegen - da teile ich seine Meinung ausdrücklich -, daß mit Sonderschiffbauaufträgen für die Dritte Welt, insbesondere für faschistische Diktatoren, Werftkapazitäten erhalten werden müssen.
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Zu dem Stichwort Subventionen: Mein Gott, muß man hier erläutern, daß sich niemand leichtfertig hinstellt und Subventionen fordert? Das ist nicht der Weisheit letzter Schluß; wer wüßte das nicht. Aber ich sage Ihnen: In der Situation, in der wir uns befinden, ist kurzfristig überhaupt nichts anderes möglich. Ich bin bereit, Ihnen vorzurechnen, daß
diese Subvention am Ende billiger ist und weniger Geld erfordert als das, was Sie aufbringen müßten, um die Arbeitslosigkeit auf den Werften und in der Zulieferindustrie zu finanzieren.
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Herr Kollege Stoltenberg, ich habe Ihre Kritik an meiner Äußerung zum HDW-Werk in Hamburg als eine gewisse Bestandsgarantie für das Werk verstanden. Ich werde Sie zu gegebener Zeit daran erinnern. Ich bin sehr dafür, daß ich mich bei Ihnen entschuldige, falls ich mich irre. Aber ich werde das Nötige sagen, falls ich mich nicht geirrt habe.
Ein weiteres Wort zu Ihnen. Immerhin halte ich Ihnen zugute, daß Sie bereit sind, sich in einer solchen schwierigen Situation mit dem Betriebsrat und den Gewerkschaften hinzusetzen und mit ihnen zu sprechen. Soweit ich weiß, soll dieses Gespräch morgen stattfinden.
Ich sage dazu: im Gegensatz zum Bundeswirtschaftsminister. Er tut nicht nur nichts, sondern er kneift auch!
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Ich verlange von einem Wirtschaftsminister, der von der Richtigkeit seiner Politik überzeugt ist, daß er dann in die Betriebsversammlungen auf den Werften geht und diese seine Politik dort vertritt, damit die Arbeitnehmer wissen, was sie von ihm zu erwarten haben und was nicht. Das muß man von einem Bundeswirtschaftsminister erwarten. Ich würde Ihnen raten, Graf Lambsdorff, dann auch sehr gut zuzuhören, was die Arbeitnehmer Ihnen dort sagen. Sie sind nämlich nicht mehr einfach bereit, sich freisetzen zu lassen. Die Bereitschaft, Widerstand zu leisten, wächst; die Wut wächst, weil sie nämlich begreifen, daß sie in Krisenzeiten plötzlich nicht mehr Partner sind, sondern betriebswirtschaftlich zu manipulierende Verfügungsmasse. Das ist eine sehr bittere Erfahrung.
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Meine Schlußbemerkung: Natürlich gibt es in einer solchen Debatte immer Emotion und Polemik. Aber es muß endlich dieses Schwarzer-Peter-Spiel aufhören, daß einer immer nach dem Konzept des anderen ruft und sagt, dieser und jener sei schuld, nur er selbst nicht.
Die Situation ist so, daß gehandelt werden muß. Diese Bundesregierung, die ständig von der Wende redet, muß den Arbeitnehmern in den Werften endgültig wieder Hoffnung geben.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Klose, ich hatte vorhin in den zwei Minuten, die mir nach der Geschäftsordnung gegeben waren, in der Tat vergessen, auf Ihre Bemerkung einzugehen, ich solle doch auf Betriebsversammlungen gehen. Sobald ich eine Einladung auf eine Betriebsversammlung bekomme - ich habe
noch nie in meinem Leben eine abgesagt, sondern als ich eine von Hoesch hatte, bin ich in die Westfalenhalle gegangen -, werde ich auf einer solchen Betriebsversammlung erscheinen. Wenn Sie die Freundlichkeit hätten, mir die Einladung zu besorgen, werde ich mich bei Ihnen bedanken.
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Sie können mir alles mögliche nachsagen, meine Damen und Herren, aber nicht, daß ich kneife oder Angst habe vor irgend jemandem oder irgendeiner Auseinandersetzung.
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Wir können uns durchaus darüber unterhalten, daß wir verschiedener Meinung sind, Herr Klose. Das sind wir auch. Wenn Sie sagen, Sie verstehen meine Logik nicht, dann begrüße ich das. Das ist völlig in Ordnung.
Aber richtig ist jedenfalls, daß wir uns - jedenfalls ich mich - einer solchen Auseinandersetzung stellen werden.
Es geht auch nicht um ein Schwarzer-Peter-Spiel, Herr Klose. Der Bremer Senat weiß sehr genau, daß er das Fusionskonzept auf den Tisch legen muß. Herr Koschnick bestreitet das überhaupt nicht. Herr Senator Czichon - ich freue mich, daß ich Sie bei dieser Gelegenheit einmal persönlich kennenlernen konnte -,
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der Senat ist eben nicht in derselben Lage wie die Bundesregierung; denn der Bremer Senat ist mit 331/3% an einer der Großwerften beteiligt und Miteigentümer. Der Bund ist nicht Miteigentümer bei den großen Werften in Bremen. Dies macht natürlich einen ganz bedeutsamen Unterschied. Wir haben auch nicht die Absicht, ein solcher Miteigentümer zu werden.
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- HDW ist etwas anderes. Herr Vogel, wir reden hier über die Großfusion in Bremen und über die Vorschläge, die dafür auf den Tisch kommen müssen. Ich antworte dem Bremer Senator, daß wir, was Bremen anlangt, in einer anderen Position sind als der Bremer Senat. Daran wird doch wohl nichts auszusetzen sein. Aber ich wiederhole es gern, damit es verstanden wird.
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Lassen Sie mich, da ich nun schon hier stehe, noch eine Bemerkung dazu machen. Ich glaube, Herr Kollege Hinrichs, es ist nicht der alleinige, wahrscheinlich auch nicht der wesentliche Grund, daß in den Werften in den Jahren seit 1970 Investitionen unterblieben sind. Das wird auch eine Rolle spielen. In anderen Bereichen der deutschen Wirtschaft spielt das eine viel gewichtigere Rolle. Aber richtig ist - an dieser Erkenntnis und an den Schlußfolgerungen daraus, so bitter sie sind, kommen wir doch alle miteinander nicht vorbei; wenn wir nicht gerade zehn Tage vor der Wahl diskutieren würden, würden wir vielleicht auch anders diskutieren -, daß im Gefolge der Weltenergiekrise und der Erdölkriese der Riesentankerbau, der vorgenommen worden ist, obsolet geworden ist. Diese Tanker wurden an die Leine gelegt, Tanker, die auf Docks lagen, die neu gebaut worden sind, die vom Dock sofort an die Strippe gelegt wurden und irgendwo in der Ostsee oder in Piräus vor sich hin dümpeln. Diese Tanker sind auch nach 1973/74/75 noch vom Stapel gelaufen; man hat versucht, sie als moderne Schiffe für Frachten, als Ersatz und Verdrängung von bulk-carriers und anderen Schiffen einzusetzen. Das hat dazu geführt, daß diese Schiffe aus dem Verkehr genommen werden mußten. Das hat dazu geführt, daß die Frachtraten auf ein Minimum abgesenkt worden sind, auf deren Basis kein Mensch mehr rentabel Schiffahrt bestreiten kann. Und das ist der Grund dafür, meine Damen und Herren, daß wir keine Aufträge von den Industriestaaten haben.
Es gibt solche Aufträge nicht. Sie werden mit dem besten Konzept der Welt, Herr Kollege Roth, diese Situation nicht ändern können, solange sich nicht weltwirtschaftlich und welthandelsmäßig eine Grundlage dafür ergibt, daß die Nachfrage nach Schiffsraum wächst, und der Bedarf nach Transportraum wieder größer wird. Sie werden unter gar keinen Umständen, mit keinen Möglichkeiten, die der Bundesrepublik Deutschland, der Bundesregierung und allen Landesregierungen, allen miteinander zur Verfügung stehen, daran etwas ändern können. Dies ist die betrübliche und bedauerliche Ausgangssituation. Bei allem Qualm, der in einer solchen Diskussion verständlicherweise entwickelt wird, sollte man sich doch wenigstens über diese Grundfakten einig sein, an denen wir leider nicht vorbei kommen.
Nun würde ich noch gern eines zu dem Sonderprogramm wissen. Ich glaube, Herr Stoltenberg und ich werden an den Kabinettstisch lieber das mitnehmen, was Herr Koschnick uns in der letzten Woche gesagt hat. Er hat sich bedankt für die Initiative der Bundesregierung, im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ein Sonderprogramm für Bremen aufzulegen. Das ist mir wertvoller als die Fragen, die hier gestellt worden sind - Show-Geschäft, Schaum, taugt nichts, ist nichts wert, bringt doch keine Arbeitsplätze. Daß mit einem solchen Sonderprogramm nicht über Nacht Arbeitsplätze entstehen, das wissen wir aus vielen anderen Schwerpunktorten und Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur".
Es ist auch richtig, was der Kollege Metz in der vorigen Woche hier erwähnt hat. Industrie ansiedeln heißt auch die Frage stellen: Wenn ich da hinziehe, wenn ich da hingehen soll, wenn ich dort leitende Angestellte, Mitarbeiter, Manager, hinhaben will
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- jetzt kommt nicht die Universität -,
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dann kommt die Frage nach dem Investitionsklima und nach den Investitionsbedingungen, natürlich auch nach Schul- und Bildungspolitik.
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Das spielt nun einmal eine Rolle. Wir können uns den Kopf darüber zerbrechen
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- ich bin nicht beim schwarzen, eher beim roten Peter -, warum sich in der Bundesrepublik Deutschland ein Gefälle von Norden nach Süden entwickelt hat.
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Das müssen Sie ja nicht begrüßen. Aber ich bitte doch, daran zu denken, daß mit Geldausgeben alleine die Probleme, auch die Probleme, neue Arbeitsplätze zu schaffen, nicht gelöst werden können.
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Ich wiederhole hier für die Bundesregierung: Wir haben dieses Sonderprogramm für Bremen angeregt. Wir werden dieses Sonderprogramm für Bremen im Planungsausschuß vertreten. Wir werden zum erstenmal in der Geschichte des Planungsausschusses bereit sein, für ein solches Programm auch dann zu stimmen, wenn wir die Mehrheit der Länder nicht von vornherein auf unserer Seite wissen, wir werden es vertreten, weil wir uns im klaren darüber sind, daß wir in der bedrängten Situation Bremens, wo sich in einem Mikrokosmos die Problembranchen der Bundesrepublik Deutschland sammeln, nun wirklich mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln helfen wollen und helfen müssen. Und ich wäre dankbar, wenn Sie alle, meine Damen und Herren, doch nun wenigstens diese Aktivität und diesen Vorschlag unterstützen und billigen würden und wenn Sie ihn nicht, bevor er überhaupt angefangen hat, schon wieder zerreden würden. - Ich danke sehr.
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Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aktuelle Stunde.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 15. September 1983, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.