Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Zusatz-Tagesordnungspunkt 1 auf: Aktuelle Stunde
zu dem Thema
Haltung der Bundesregierung zu den unangemeldeten gentechnologischen Versuchen der Industrie
Verlangt hat diese Aktuelle Stunde die Fraktion DIE GRÜNEN gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dann. Bitte sehr.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Wochen hat der Herr Bundesminister für Forschung und Technologie sich sehr bemüht, die Mitglieder des Bundestages davon zu überzeugen, daß die Bundesregierung die Risiken der Gentechnik mit äußerster Sorgfalt prüft und für die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen sorgt. Laut Minister Riesenhuber ist jedoch eine Revision der Sicherheitsstandards für gentechnische Arbeiten längst überfällig, um „unserer Wirtschaft und unserer Wissenschaft klare, verläßliche, sachgerechte und eindeutige Rahmenbedingungen" an die Hand zu geben. Damit soll der Nutzung der vielfach beschworenen Gentechnologie der Weg geebnet werden.
Nicht nur die Bundesregierung, auch die SPD will die industrielle Gentechnologie mit kräftigen Finanzspritzen unterstützen.
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Einig sind sie sich auch darüber, daß durch die Revision der Sicherheitsrichtlinien der Einstieg in die gentechnische Großproduktion noch in diesem Jahr ermöglicht werden soll. Angeblich wartet die Industrie nur auf sachgerechte und verläßliche Richtschnüre, bevor sie die Produktion aufnimmt. Wer aber glaubt, daß sich die Industrie dann ihrerseits sachgerecht und verläßlich verhalten wird, wurde letzte Woche eines Besseren belehrt, und das ist der Anlaß dieser heutigen Aktuellen Stunde.
Die „Frankfurter Rundschau" vom 4. März berichtete,
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daß die Heidelberger Firma Gen-Bio-Tec im vergangenen Jahr gentechnische Experimente durchgeführt hat, ohne sie vorher bei der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit - kurz: ZKBS - anzumelden. Ein Firmensprecher stellte lapidar fest, man habe die Anmeldung schlicht vergessen.
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Es fehlt nur noch die Behauptung, sämtliche Verantwortlichen der Firma hätten einen Black-out erlitten, der auch mehrere Monate anhielt.
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Erst als die Sicherheitskommission - durch einen „Spiegel"-Artikel über Gen-Bio-Tec hellhörig geworden - bei der Firma nachfragte, wurden die Versuche angemeldet.
Außerdem scheinen sich solche bedauerlichen Gedächtnislücken zu häufen. Das BMFT hat zugeben müssen, daß nicht bloß ein, sondern mehrere Gentechnikunternehmen keine Genehmigung für ihre Versuche erhalten hatten. Selbst Minister Riesenhuber scheint an willentlichem Gedächtnisschwund zu leiden. In seinem Debattenbeitrag Mitte Januar betonte er, man dürfe „nicht aus dem wegschlüpfen, was heute unserer Verantwortung anheimgegeben ist". Welch große Worte! Zu diesem Zeitpunkt muß der Minister jedoch über die unangemeldeten Industrieexperimente längst informiert gewesen sein. Er hielt es aber nicht für notwendig, die Öffentlichkeit über das skandalöse Verhalten der Firma zu informieren.
Damit hat der Minister abermals deutlich gemacht, wie er sich die Versachlichung der Gentechnik-Debatte vorstellt. Durch das Verschweigen wichtiger Informationen sollen die Bundestagsabgeordneten und die betroffenen Bürger und Bürgerinnen in Sicherheit gewogen werden. Die freiwillige Selbstbindung der Industrie soll eher der Beruhigung der Bevölkerung dienen, als eine tatsächli15580
che Kontrolle der gentechnischen Forschung und Produktion darstellen.
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Erschreckende Belege dafür kamen in den vergangenen Wochen auch aus den USA. Dort hatte die Firma Advanced Genetic Science den ersten Antrag auf Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt gestellt. Die Prüfung des Antrags durch die Umweltbehörden und die Gerichte dauerte ihr allerdings zu lange. Schon vor einem Jahr führte die Firma ungenehmigte Versuche auf einem Dachgarten mitten in der Stadt Oakland durch und nahm die mögliche Gefährdung der Bevölkerung und der Umwelt durch diese Freisetzung in Kauf.
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- Das werden Sie gleich hören.
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Wir wissen, wie die chemische und die pharmazeutische Industrie mit ungeklärten gesundheitlichen und ökologischen Gefahren umgeht. Warum sollten wir heute den Industriellen und Politikern Glauben schenken, die behaupten, mit der Gentechnologie sei plötzlich alles anders? Wenn Profite winken, wenn es darum geht, im Wettlauf der neuen Genindustrie erster zu sein, ist jedes Mittel recht. Scheinbar ist durch diese ersten Formfehler und Unvergeßlichkeiten in der Bundesrepublik keine unmittelbare Gefahr entstanden. Je schneller aber die Gentechniker vorpreschen, desto größer wird die Gefahr, daß bei künftigen Überschreitungen schwerwiegende irreversible Folgen verursacht werden.
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Unter dem Druck der nun informierten Öffentlichkeit, die zu Recht von einem biotechnischen Skandal redet, läßt das BMFT prüfen, ob die Registrierpflicht für Industrieversuche verbessert werden könne. Das ist ein Schritt, der zu spät kommt und das Problem auch nicht lösen wird. Auch der inzwischen wieder hörbare Ruf nach einem Gentechnologiegesetz sollte uns nicht beruhigen. Zwar gäbe es einen Vorteil: Damit wäre es zumindest möglich, verantwortungslose Genunternehmer strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen.
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- Nur noch zwei Sätze. - Das Hauptproblem besteht jedoch darin, für die Einhaltung solcher Bestimmungen zu sorgen, unabhängig davon, ob sie gesetzlich bindend sind oder nicht. Diese Kontrolle ist faktisch nicht gegeben. Eine Industrie, die sich nicht kontrollieren lassen will und nicht kontrolliert werden kann -
Verehrte Frau Kollegin, Sie haben mich verstanden?
Ja, ich komme auch zum Schluß.
Eine Industrie, die sich nicht kontrollieren lassen will und nicht kontrolliert werden kann, eine Industrie, die ihre Mißachtung des Gesundheits- und Umweltschutzes immer wieder vorgeführt hat, darf eine so folgenreiche Technik nicht in die Hand bekommen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lenzer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Dann, Sie haben eine ganze Fülle von Anschuldigungen an die Adresse des BMFT gerichtet. Ich bin Ihnen aber dankbar, daß das in halbwegs sachlicher Form geschehen ist. Ich meine, das Thema ist wichtig. Wir sollten uns darüber auch sachlich auseinandersetzen. Der Vertreter des BMFT, Herr Staatssekretär Haunschild, wird aus der Sicht des Hauses sicherlich dazu Stellung nehmen.
Meine Damen und Herren, um was geht es bei diesem Sachverhalt, der heute hier in Rede steht? Veranlaßt durch einen Bericht im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" über gentechnologische Experimente der Firma Gen-Bio-Tec in Größenordnungen von zehn Litern Fermentationsvolumen ist bereits vor geraumer Zeit, nämlich im August des vergangenen Jahres, eine Prüfung eingeleitet worden. Die Firma Gen-Bio-Tec erhält seit dem 1. Februar 1984 eine Förderung in Höhe von 900 000 DM nicht für Projektförderung, sondern für das sogenannte Programm „Technologieorientierte Unternehmensgründungen". Sie bearbeitet, wie in diesem Bericht auch angesprochen wurde, ein sogenanntes Hirudinprojekt, d. h. ein Mittel, das zur Bekämpfung der Thrombose eingesetzt wird, also einen Blutgerinnungsfaktor. Darüber hinaus geht es natürlich auch noch um weitere Vorhaben, die von der Zentralen Kommission für biologische Sicherheit begutachtet und kontrolliert werden.
Entgegen der Pressemitteilung kann man sagen, daß die Dramatik, die jetzt in dieses Experiment hineinzubringen versucht wird, nicht besteht. Der Firmeninhaber hat gegenüber dem Bundesgesundheitsamt - gegenüber Herrn Professor Koch - erklärt, daß er sich zur Einhaltung der Richtlinien verpflichte und diese auch bei der Durchführung des Hirudinprojektes eingehalten habe. Das bedarf einer Überprüfung. Er hat weiterhin dargelegt, daß er nach Fertigstellung eines neuen Technikums zu Beginn des Jahres 1986 diese Versuche ohnehin hätte anmelden wollen. In der Zwischenzeit ist aber deutlich geworden, daß hier doch offensichtlich ein ganz eindeutiger Regelverstoß vorliegt, daß die entsprechenden Arbeiten also nicht angemeldet worden sind.
Diese Mißachtung der Meldepflicht - das will niemand unter den Teppich kehren; ich wiederhole: diese Mißachtung der Meldepflicht - stellt ein eindeutiges Fehlverhalten des Firmenchefs dar, zumal dieser nach seinen eigenen Angaben früher selbst einmal Projektleiter gewesen ist. Als Projektleiter hätte er wissen müssen, daß hier eine Selbstbindung, eine Registrierungspflicht besteht.
Das ist der erste Fall, der konkret aufzeigt, daß ein verantwortlicher Firmenleiter und Wissenschaftler die Richtlinien zwar kennt und die sicherheitstechnischen Aspekte auch beachtet, der Meldepflicht aber nicht in dem entsprechenden Umfange nachkommt. Das muß seitens des BMFT hinsichtlich der Weiterführung, Fortschreibung und Aktualisierung der Richtlinien der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit natürlich auch Konsequenzen auslösen.
Diese Richtlinien sind ja 1978 zum erstenmal festgeschrieben worden. In ihnen sind Sicherheitsanforderungen festgelegt worden - wie das in der Bezeichnung zum Ausdruck kommt -, die bei der experimentellen Darstellung von in vitro, also im Reagenzglas zu verknüpfenden Nukleinsäuremolekülen zu einem neuen vermehrbaren Molekül und im Umgang mit solchen biologisch aktiven Molekülen in weiteren gentechnischen Experimenten zu beachten sind. Das ist auch nach wie vor die Aufgabe. Es wird immer wieder wichtig sein, diese Richtlinien der ZKBS, der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit, jeweils dem aktuellen Stand anzupassen, allerdings auch in einer solchen Weise anzupassen, daß die wissenschaftliche Arbeit hierbei nicht behindert wird.
Wenn man von den Erfahrungen mit diesen Richtlinien spricht, so kann man durchaus sagen, daß die Selbstbindung der Industrie bisher lückenlos funktioniert hat.
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- Sie haben diesen einen Fall angeführt. Bisher können Sie nichts anderes nachweisen.
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Lassen Sie uns doch darüber in aller Ruhe diskutieren. Wir wollen doch gemeinsam, daß diese Richtlinien greifen.
Es ist sicher, daß sie bisher einen wirksamen Schutz gegen die Gefahren gewährleistet haben. Sie sind als Regelwerk auch flexibel gewesen.
Ich möchte uns alle auffordern, gemeinsam zu überlegen, wie wir hier ohne Behinderung der Wissenschaft weiterkommen können. Es sollte unser aller Anliegen sein, Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden, auf der anderen Seite mit den Richtlinien aber doch auch ein flexibles Instrumentarium zur Verfügung zu haben, das es uns, der Wissenschaft und der Wirtschaft ermöglicht, auf diesem Wege fortzuschreiten und diese sicherlich sehr wichtige, moderne Technik nicht zu behindern.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kübler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer von mir - und den Sozialdemokraten sicherlich überwiegend - sehr geschätzten Tageszeitung wurde am Montag dieser Woche ein Bericht veröffentlicht: Gentechnik - ein Skandal. Die GRÜNEN haben das - ich sage das zunächst nur mit verhaltener Kritik - zum Anlaß genommen, heute, am Mittwoch, zwei Tage später, daraus eine Aktuelle Stunde zu machen.
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- Ich weiß nicht, ob es sich dabei um eine Zielabsprache handelt. Im übrigen ist es auch eine Sache der Presse, sich unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit so zu verhalten, wie sie es für richtig hält.
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Der Kollege Catenhusen wird nachher noch sagen, wie rasch oder wie wenig rasch die GRÜNEN hier am Zuge waren. Der Sachverhalt ist der, daß - deshalb spreche ich das auch bewußt an - im Heidelberger Raum, im dortigen Technologiepark, diese Firma Gen-Bio-Tec existiert, eine von mehreren kleinen technologieorientierten Neugründungen. Es ist wichtig, den Sachverhalt kurz zu schildern.
Diese Firma hat vom BMFT im Rahmen des Modellversuchs „Technologieorientierte Unternehmensgründungen" eine Förderung erhalten. Diese Firma hat - auch das sollte man positiv vermerken - experimentell das Gerinnungsfaktor-Gen aus Blutegeln gentechnisch auf Bakterien verpflanzt und daraus einen Stoff gegen Blutgerinnung entwickelt, der in der Lage ist, Trombosen aufzulösen. Von der fachlichen Seite her ist das nicht zu beanstanden.
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Wichtig ist zu wissen, daß die Firma diese Experimente nicht bei der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit, einer für gentechnologische Forschungen eingerichteten Stelle, angemeldet hat. Hier ist aber - mit Vorbehalt wegen der Kürze der Prüfung des Vorgangs - festzuhalten, daß die Richtlinien des BMFT - ich wäre dankbar, wenn Sie, Herr Staatssekretär Haunschild, dazu etwas sagen würden - zur Förderung von biotechnologischen Vorhaben natürlich zu sehen sind, daß aber in diesem Fall bei dem Förderungsprogramm für technologieorientierte Unternehmensgründungen formal - ich drücke mich vorsichtig aus: formal - bis jetzt diese Vorschriften nicht zur Anwendung kommen. Ich sage dies jetzt rein juristisch, nicht gesundheits- oder forschungspolitisch.
Deshalb ist hier, nachdem dieser Vorgang zwei Tage oder noch kürzere Zeit geprüft wurde, die Richtung nicht gegen die Firma Gen-Bio-Tec zu setzen, sondern, wenn hier eine politische Richtung anzugehen ist, dann ist es die Richtung Bundesregierung, weil sie diesen Bereich bisher nicht in ausreichender Weise unter die Richtlinien der ZKBS normiert hat.
Ich mache in dem Zusammenhang darauf aufmerksam, daß die SPD-Bundestagsfraktion natürlich für deutliche, gründliche und scharfe gesetzliche Regelungen ist. Ich will nicht bestreiten, daß die heutige Aktuelle Stunde ein Schritt auf diesem Weg ist, aber es ist notwendig, daß man dies sehr genau und natürlich gründlich angeht. Wir haben dafür Instrumente, und darüber wird noch mehr gesagt werden. Ich sage dies nur zur Information, nicht übermäßig als Kritik.
Auch der Versuch, aus der Gentechnologie abzuleiten, daß es sich bei einem unterlaufenen Fehler um AIDS-Viren handelte, mußte ja von Ihrer Seite zurückgenommen werden.
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- Davon haben Sie nicht gesprochen. Ich erwähne das in diesem Zusammenhang bewußt nur deshalb, weil diese Themen - das sage ich auch für die Öffentlichkeit - so genau und so gründlich zu nehmen sind, daß wir nicht in der Lage sind, nach nur zwei Tagen über eine so grundsätzliche Frage vernünftig zu diskutieren.
Zum Schluß interessiert mich Ihre Antwort, Herr Staatssekretär Haunschild, auf die Frage, inwieweit bei Ihnen im Ministerium - ich versuche, jetzt zu formulieren - bisher nicht nur offiziell, sondern auch in anderer Weise weitere Fälle bekannt sind, wo vielleicht aus formaljuristisch zulässigen Gründen noch keine Anmeldung erfolgt ist, also nicht nur dort, wo nach den Vorschriften Anmeldungen hätten erfolgen müssen, sondern auch dort, wo rein formal keine Anmeldungen notwendig sind.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kohn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu dieser frühen Stunde hier drei Fragen diskutieren.
Erstens. Was ist tatsächlich passiert? Es ist wichtig, den Nebelvorhang ein bißchen zu beseitigen, den aufzurichten auch die Fraktion DIE GRÜNEN hier versucht hat. Tatsache ist, daß die Firma GenBio-Tec in Heidelberg Experimente mit Gentechnologie erst mit mehrmonatiger Verspätung angemeldet hat. Das ist der Sachverhalt. Dies ist ein Regelverstoß.
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Herr Kollege Lenzer hat dies hier zu Recht angesprochen. Tatsache ist weiter, daß das Bundesministerium für Forschung und Technologie über die Projekte, die hier durchgeführt worden sind, informiert war. Tatsache ist weiterhin, daß auch die wissenschaftliche Öffentlichkeit darüber informiert war, welche Experimente bei der Firma Gen-BioTec durchgeführt worden sind.
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Tatsache ist weiter, daß die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit am 24. Oktober 1985 nachträglich die Experimente der Firma Gen-BioTec akzeptiert, als korrekt bezeichnet und in die Sicherheitsstufe L 2 eingeordnet hat, also - um dies der Öffentlichkeit zu verdeutlichen - in die zweiunterste der vier Sicherheitsstufen, die es insgesamt gibt.
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Tatsache ist, daß die Sicherheitsregeln von der Firma nicht eingehalten worden sind, was die Anmeldung betrifft. Tatsache ist aber ebenso, daß zu keinem Zeitpunkt irgendeine Gefährdung für Mensch und Umwelt bestanden hat.
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Die zweite Frage, die ich diskutieren möchte, ist, warum die GRÜNEN gerade zu diesem Zeitpunkt eine Aktuelle Stunde über diese Themen beantragt haben. Ganz offensichtlich ist nach meiner Überzeugung, daß hier ein ganz bestimmter Versuch gemacht wird, nämlich zu suggerieren, daß aus vordergründigen Kapitalverwertungsinteressen ein unverantwortlicher Umgang mit Gentechnologie in der deutschen Industrie stattfinde. Dies ist eine Unterstellung, die ich mit Entschiedenheit zurückweise.
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Das, was Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, vorführen, ist kein Einzelfall, sondern Teil einer ganzen Strategie. Zunächst einmal haben Sie in der Vergangenheit versucht, die Probleme der Reproduktionsbiologie mit der Gentechnologie zu vermengen, um in der Öffentlichkeit Unsicherheit zu schaffen und Emotionen hervorzurufen; dann haben Sie Desinformation über die Ziele der Gentechnologie betrieben, indem Sie gesagt haben,
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es ginge darum, durch Gentechnologie so etwas wie Homunkuli herbeizuführen und Mensch/TierMischwesen und sonstige Fehlentwicklungen zu fördern. Sie haben dann in einem weiteren Schritt so getan, als habe die Entstehung des Aids-Virus irgend etwas mit Gentechnologie zu tun.
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Die Absicht, die dahintersteht, ist eindeutig: Sie wollen Desinformation und Emotionalisierung, um die Bürger zu verunsichern. Dies ist ein unverantwortlicher Umgang mit einem wichtigen Thema.
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Die GRÜNEN wollen die Gentechnologie aus grundsätzlichen dogmatischen und weltanschaulichen Gründen nicht. Dafür gibt es Belege, z. B. die Entscheidung der sogenannten Bundesversammlung der GRÜNEN, wo sie den Ausstieg aus der Gentechnologie generell beschlossen haben auch übrigens dort, wo es darum geht, etwas für die Gesundheit unserer Menschen zu tun, wo es um die
Probleme der Welternährung und wo es um Umweltschutz geht. Aber wenn Ihnen etwas nicht ins Konzept paßt, sind Sie bereit, alle diese Ziele über Bord zu werfen.
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Dies ist ein verantwortungsloser Umgang mit einem ganz wichtigen Thema und ein Mißbrauch des Vertrauens, das manche Wähler Ihnen 1983 geschenkt haben.
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Die dritte Frage, die ich diskutieren möchte, ist die Frage nach der liberalen Position. Wir sind der Auffassung, daß die Sicherheitsrichtlinien der ZKBS ständig überprüft werden müssen und an den Stand der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung angepaßt werden müssen.
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Wir sind weiter der Meinung, daß der hohe Sicherheitsstandard in der Bundesrepublik Deutschland, der bisher dazu geführt hat, daß in zehn Jahren nichts, aber auch gar nicht passiert ist, was eine Gefährdung des Menschen oder der Umwelt bedeuten würde, aufrechterhalten wird. Wir Freien Demokraten sind weiterhin der Meinung, daß es angesichts der Tatsache, daß sich immer mehr Unternehmen mit gentechnologischen Experimenten beschäftigen, eine vernünftige Überlegung ist, die Sicherheitsrichtlinien für alle Unternehmen, die in diesem Bereich arbeiten, verbindlich zu machen. Wir Liberalen setzen auch in Zukunft auf Aufklärung und Information gegen die Strategie der GRÜNEN mit Desinformation und Agitation. Wir wollen, daß auch in Zukunft die Gentechnologie in der Bundesrepublik Deutschland sicher bleibt.
Vielen Dank.
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Das Wort hat Herr Staatssekretär Haunschild.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat aus der Presse im Sommer 1985 zum erstenmal erfahren, daß zumindest ein Unternehmen gentechnische Experimente nicht rechtzeitig bei der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit angemeldet hat. Das Unternehmen hat damit eindeutig gegen die von den einschlägigen Industrieverbänden zugesicherte Selbstbindung an die von der Bundesregierung 1978 erstmals erlassenen Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in vitro neukombinierte Nukleinsäuren - ich entschuldige mich für den bürokratischen Ausdruck -, kurz die Genrichtlinien genannt, verstoßen.
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Der Sachverhalt ist von den Sprechern der Fraktionen im wesentlichen richtig dargestellt worden.
Bis zu diesem Zeitpunkt konnten die Bundesregierung, die Wissenschaftsorganisation und die beteiligten Wirtschaftsverbände davon ausgehen, daß sich das flexible Instrument der Genrichtlinien lükkenlos bewährt hat. Die Genrichtlinien, die auf frühzeitige Anregung aus der Wissenschaft selbst in gemeinsamer Verantwortung von Staat und Wissenschaft erarbeitet und erlassen wurden, haben das Ziel, einen der dynamischsten Bereiche der Wissenschaft nicht unzumutbar zu behindern und die Allgemeinheit vor unbekannten, erst mit fortschreitenden wissenschaftlichen Erkenntnissen eindeutig abschätzbaren Risiken zu schützen, erreicht.
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Der festgestellte Verstoß gegen die Richtlinien - in der Industrie ist nach unserer Kenntnis bisher nur ein einziger Verstoß festgestellt worden ({2})
betraf keine gentechnischen Experimente in sicherheitsrelevanten Klassifizierungen. Es ist insbesondere - darauf wurde von anderen Sprechern bereits hingewiesen - keine Gefährdung von Menschen und Umwelt eingetreten.
Die Bundesregierung hat sofort nach Bekanntwerden dieses ersten Verstoßes die ZKBS, also die Kommission für die Biologische Sicherheit, um Prüfung gebeten, und diese Kommission hat das Unternehmen schon am 27. August 1985 um Stellungnahme gebeten. Die gentechnischen Arbeiten des Unternehmens wurden daraufhin von der ZKBS geprüft, und inzwischen wurden sie zugelassen. Ich wiederhole: Eine Gefährdung von Umwelt und Menschen war nicht eingetreten.
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Weitere Fälle in der Industrie sind nicht bekanntgeworden.
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Auf Grund dieser Vorfälle hat der Bundesminister für Forschung und Technologie alle zuständigen Stellen angewiesen, die Überwachung der Registrierpflicht zu verschärfen. Bundesmittel für die Forschungsförderung werden zukünftig erst dann freigegeben, wenn der Nachweis der Anmeldung der geplanten Experimente erbracht ist.
Um auf Ihre Frage, Herr Abgeordneter Kübler, zu antworten: Es ist richtig, daß die Mittel, die der Firma in Heidelberg zugeflossen waren, nicht Forschungsförderungsmittel, sondern Mittel zur Existenzgründung für ein sogenanntes technologieorientiertes Unternehmen waren. Bei der Vergabe solcher Mittel verweisen wir nicht generell darauf, daß sämtliche geltenden Rechtsvorschriften besonders zu beachten sind. Wir haben aus diesem Fall gelernt - weil dies ein BMFT-naher Fall ist - und werden in Zukunft auch auf die Einhaltung der Genrichtlinien ganz besonders hinweisen. Wir ha15584
ben die Länder gebeten, in ähnlichen Fällen ebenso zu verfahren.
Unabhängig von dem Vorfall, der Anlaß für diese Aktuelle Stunde ist, erarbeitet die Bundesregierung zur Zeit eine erneute Revision dieser Richtlinien. Gründe für diese Überarbeitung sind zunächst
- die Anpassung an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Gentechnologie und damit auch eine - inzwischen durch die wissenschaftlichen Arbeiten leichter gewordene - realistische Abschätzung realer und potentieller Risiken,
- die Notwendigkeit, Regeln für die großtechnische Erzeugung von Produkten mit Hilfe gentechnisch veränderter Organismen zu schaffen,
- und schließlich eine Reaktion auf die inzwischen wesentlich breiter gewordene Anwendung gentechnischer Methoden.
Vorwürfe in einzelnen Presseorganen - insbesondere eines wurde erwähnt -, die staatlichen Stellen, die Wissenschaft und die Industrie gingen leichtfertig mit den notwendigen Sicherheitsanforderungen bei gentechnischen Experimenten um und vernachlässigten die Sicherheit zugunsten wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Erfolge, müssen als vollkommen falsch zurückgewiesen werden. Sie entbehren jeglicher Grundlage und sind für eine sachliche Diskussion eines sehr komplexen Bereiches wirklich nicht sehr hilfreich.
Zahlreiche ausländische Experten bestätigen als unabhängige Zeugen, daß der Diskussionsprozeß gerade in der Bundesrepublik Deutschland - durchaus im Gegensatz zu einigen anderen Industrieländern - auf allen Ebenen mit Sachverstand und großem Ernst sehr frühzeitig begonnen wurde und intensiv fortgesetzt wird.
Die jetzt kurzfristig vorgesehene Revision der Genrichtlinien, deren Inhalt der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages im wesentlichen bekannt ist, greift der Stellungnahme und den Empfehlungen der Enquete-Kommission nicht vor. Der Vorteil von Richtlinien besteht in ihrer Flexibilität, also vor allem darin, daß sie rascher dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand und auch politischen Forderungen angepaßt werden können. Allerdings wird sich bei der Revision voraussichtlich ergeben - die rechtliche Prüfung ist noch nicht abgeschlossen -, daß eine Registrierungspflicht von Genlaboratorien beim Bundesgesundheitsamt zweckmäßig erscheint, und dies wird voraussichtlich dazu führen, daß wir eine schon vorhandene gesetzliche Basis für diese Registrierungspflicht benutzen müssen. Insofern wird die bisherige freiwillige Selbstbindung an die Richtlinien eingeschränkt werden.
Darüber hinaus werden zur Zeit von den dafür zuständigen Stellen Unfallverhütungsvorschriften für den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen in Laboratorien und Produktionsanlagen ausgearbeitet, und diese Unfallverhütungsvorschriften werden zügig in Kraft gesetzt werden.
Ich möchte abschließend noch einmal an alle Beteiligten, insbesondere den Deutschen Bundestag, appellieren, den Dialog über die Chancen und die Risiken der Gentechnik wie bisher mit der nötigen Sachlichkeit und Ruhe zu führen. Wir haben dazu nicht beliebig viel Zeit. Die Probleme sind aber auch nicht so gelagert, daß überstürzte Aktionen notwendig wären.
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Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Catenhusen.
Guten Morgen, liebe GRÜNE! Guten Morgen, meine Kolleginnen und Kollegen! Ich sage das deswegen, weil ich den GRÜNEN meine Anerkennung aussprechen möchte, daß ihnen ein Sachverhalt aufgefallen ist, der schon die Fragestunde des Deutschen Bundestages im November 1985 beschäftigt hat.
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Dieser Lerneffekt ist für mich wirklich atemberaubend schnell.
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Es geht heute morgen um die Sicherheitsrichtlinien der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit. Grundsätzlich muß man sagen: Es ist schon anerkennenswert, daß die Genforscher selber 1975 ein heute weltweit gültiges System von technischen und biologischen Sicherheitsmaßnahmen für die Gentechnologie eingerichtet haben. Das war notwendig, um mögliche gefährliche Experimente auszuschließen, etwa mit hochwirksamen Krankheitserregern. Das war notwendig, um über die Registrierung aller gentechnischen Experimente einen Überblick über die Entwicklung der Forschung zu behalten und ihre Transparenz sicherzustellen.
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Ich denke, nach zehn Jahren kann man sagen, daß sich die Philosophie der Richtlinien der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit für die Genforschung grundsätzlich bewährt hat. Es gibt auch heute keinen Grund, sie lockern zu wollen.
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Ich denke, wir alle sind gut beraten, die heute geltenden Sicherheitsstandards aufrechtzuerhalten. Mehr noch: Wir brauchen eine Ausweitung der Richtlinien
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für die industrielle Nutzung der Gentechnologie. Denn schließlich haben heute schon zahlreiche Firmen bei uns den Antrag gestellt, mit Hilfe gentechnisch manipulierter Lebewesen Arzneimittel produzieren zu dürfen.
Über den Pferdefuß dieser Richtlinien sind heute auch der Staatssekretär und vor allem Herr Lenzer
sehr elegant hinweggegangen. Die Richtlinien haben eine Pferdefuß - er ist seit vielen Jahren bekannt -, nämlich daß sie nur für die öffentlich geförderte Genforschung verbindlich sind. Wir können mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen: Der Verband der Deutschen Chemischen Industrie hält sich offensichtlich freiwillig daran. Ich habe auf Grund von Firmenbesuchen auch keinen Zweifel daran, daß die Firmen der Großchemie die Richtlinien der ZKBS befolgen.
Nur, meine Damen und Herren, wen wundert es eigentlich, daß sich kleine neue Genfirmen, die nicht der Registrierungspflicht unterliegen, die sich nicht an die Richtlinien halten müssen, im Einzelfall nicht daran halten? Was in Heidelberg passiert ist, ist kein Verstoß gegen irgendwelche Vorschriften. Deshalb haben auch das BMFT oder die Bundesregierung keinerlei Möglichkeiten zu Sanktionen
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gegen diesen Firmeninhaber und seine Mitarbeiter, die diese Richtlinien bei einem gentechnischen Experiment offensichtlich nicht eingehalten haben. Die Firma ist nicht Mitglied des Verbandes der Chemischen Industrie, kann in der Bundesrepublik im Grunde genommen machen, was sie will. Es ist nur bekanntgeworden, weil der Firmeninhaber selbst stolz im „Spiegel" über seine Experimente geplaudert hat. Daraus abzuleiten, wir wüßten, daß es in keiner anderen dieser neuen Genboutiquen nicht genehmigte Experimente gegeben habe, wie der Herr Staatssekretär es getan hat, finde ich eine sehr kühne Behauptung, die er dann bitte belegen möchte,
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indem er uns vielleicht vorführt, in welcher Art und Weise diese Kontrolle bei einer Reihe von anderen kleinen Genfirmen durchgeführt wird.
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Schon im November 1985 hat der Herr Staatssekretär Probst auf meine Anfrage im Deutschen Bundestag die Nichteinhaltung der Richtlinien in Heidelberg bestätigt und deutlich gemacht, daß es hier strukturelle Schwierigkeiten gibt, die in der mangelnden Ausgestaltung dieser Richtlinien liegen. Ich entnehme den Aussagen des Staatssekretärs, daß bis heute nichts geschehen ist. Das Ministerium weiß offensichtlich bis heute nicht, ob man eine gesetzliche Meldepflicht einführen will, wie wir Sozialdemokraten sie seit Jahren fordern. Auch die Rede von Herrn Haunschild hat in dieser Frage keine Klarheit geschaffen. Wir brauchen aber schnellstens Klarheit. Denn die Akzeptanz der Gentechnologie hängt auch davon ab, daß der Bürger weiß, daß alle Forschungslabors, unabhängig vom Betreiber, einer Kontrolle und Registrierungspflicht unterliegen.
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Meine Damen und Herren, wir brauchen diese gesetzliche Pflicht. Wenn der Bundesregierung nichts
einfällt, dann kann sie notfalls auf das Gentechnologiegesetz aus dem Jahre 1979 zurückgreifen.
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- Ich sage: notfalls, solange Sie, meine Damen und Herren, keinen besseren Weg aufzeigen; den würden wir natürlich gerne unterstützen. Aber bitte polemisieren Sie nicht gegen den Entwurf von 1979, wenn Ihnen nicht gleichzeitig etwas Besseres einfällt.
Ich denke aber auch, daß die gesetzliche Verpflichtung aller Firmen aus einem anderen Grunde notwendig ist. Ein rechtlich abgesichertes Genehmigungs- und Zulassungsverfahren wird auch - das ist meine Hoffnung - die Möglichkeiten der Bürger stärken, ähnlich wie bei Genehmigungsentscheidungen nach dem Atomgesetz notfalls - ich will das nicht beschwören - auch gegen Entscheidungen einer Genehmigungsbehörde ihr Bürgerrecht wahrzunehmen, notfalls auch auf dem Klagewege.
Ein letzter Punkt. Wir reden heute über die Verpflichtung zur Genehmigung. Ich denke, meine Damen und Herren, überfällig ist auch, daß für die Betreiber der gentechnischen Forschung und der gentechnischen Produktion eine klare Haftungsregelung eingeführt wird. Auch das muß meiner Ansicht nach schnellstens geregelt werden.
Schönen Dank.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Neumeister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gentechnologie ist und bleibt eine Schlüsseltechnologie, auch wenn die Fraktion der GRÜNEN wieder einmal versucht, die öffentliche Meinung durch diese Aktuelle Stunde negativ zu beeinflussen.
Nach vielen erfolglosen Versuchen, die angebliche Gefährdung durch Gentechnologie zu demonstrieren, greift sie diesmal zur Zeitung - immerhin noch mit ziemlich altem Inhalt - und zitiert genüßlich, daß die Firma Gen-Bio-Tec im vergangenen Jahr gegen die Meldepflicht für genetische Experimente verstoßen habe. Etwas Aktuelleres hat sie wohl nicht finden können, und das ist auch gut so.
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Ich will diesen geschilderten Vorgang keineswegs bagatellisieren, auch wenn diese Experimente unter die unterste Stufe der Sicherheitsvorschriften fielen und Gefahren keineswegs bestanden haben. Es war aber eindeutig ein Verstoß gegen die Sicherheitsrichtlinien, die von der Bundesregierung erlassen wurden, um eventuelle von gentechnischen Experimenten ausgehende Gefahren zu verhindern.
Hier, Herr Catenhusen, liegt wirklich ein Pferdefuß der Richtlinien. Darüber werden wir uns ganz intensiv unterhalten müssen. Das ist nämlich ein Anstoß für uns alle, die Wirksamkeit dieser Richtlinien zu überprüfen. Dies hat sich die Enquete-Kom15586
mission Chancen und Risiken der Gentechnologie zur Aufgabe gemacht.
Wir haben dabei auch festgestellt - das können wir alle außerhalb der Kommission tun -: Solange die Zahl der Institute und Firmen, die auf dem Gebiete der Gentechnologie tätig sind, noch klein und überschaubar war, reichte die vorhandene Kontrolle durch die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit mit Hilfe der Richtlinien aus: Bindung durch staatliche Förderung oder freiwillige Selbstbindungen des Verbandes der Chemischen Industrie. Ist die Firma Gen-Bio-Tec eigentlich Mitglied? - Ich glaube nicht.
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Auf jeden Fall bekam sie eine Förderung vom Ministerium, jedoch nicht für spezielle Projekte, sondern im Rahmen der Unternehmensgründungshilfe. Das ist alles kein Grund für die Mißachtung der Meldepflicht; darüber müssen wir uns klar sein. Wohl aber ist es ein Grund für die Reaktion des Forschungsministeriums, das durchaus rechtzeitig nach Bekanntwerden, wie die Enquete-Kommission bereits am 5. Februar erfuhr, also schon vorher mit einer Richtlinienrevision reagiert hatte, um die notwendige Absicherung durch Kontrolle an die ständig steigende Zahl gentechnologisch aktiver Laboratorien in der Bundesrepublik schnell anzupassen. Das ist übrigens ein deutlicher Vorteil von Richtlinien - Herr Staatssekretär, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie das hervorgehoben haben - gegenüber schwerfällig zu handhabenden Gesetzen.
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Wie wir eben auch von dem Herrn Staatssekretär hörten, beabsichtigt die Bundesregierung eine Registrierungspflicht aller gentechnisch arbeitenden Laboratorien, abgestuft nach festgelegten Sicherheitskategorien. Das ist noch nicht zu spät; das kann sehr schnell eingeführt werden. Dies bedeutet sicherlich auch eine Entbürokratisierung, bedarf jedoch - darüber herrscht auch in der Enquete-Kommission Einigkeit, glaube ich - einer Rechtsnorm, die dieses Verfahren für alle verbindlich macht.
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Ich möchte daran erinnern, daß wir etwas ähnliches im Bereich der Arzneimittelsicherheit haben, nämlich mit der Transparenzkommission, die ebenfalls eine gesetzliche Grundlage bekommen muß.
Auf keinen Fall aber sollte - Herr Catenhusen, da sind wir uns absolut nicht einig - der Schrei nach einem Gentechnologiegesetz, das alles regeln soll, ertönen, einer Regelung, die uns in den 70er Jahren schon sehr beunruhigt und die Forschungsbereitschaft gelähmt hat. Man sollte überlegen, ob eine rechtliche Absicherung und Anbindung in der zur Zeit in Arbeit befindlichen Unfallverhütungsvorschrift, die mit der Berufsgenossenschaft Biotechnologie erarbeitet wird, vielleicht mit einer Ermächtigungsgrundlage in der RVO, vorgenommen werden könnte.
Es ist nur gut, meine Damen und Herren - da möchte ich jetzt noch einmal auf die GRÜNEN zurückkommen -, daß sich die Fraktion der GRÜNEN mit ihrer Forderung, die sie noch im Januar dieses Jahres gestellt hat - wörtlich: alles zu lassen, was eine Veränderung der Richtlinien der ZKBS zur Folge hat -, nicht durchgesetzt hat. Wir brauchen diese fünfte Anpassung
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und fordern die Bundesregierung auf, die revidierten Richtlinien so bald wie möglich in Kraft zu setzen und zugleich Vorschläge zu machen, sie rechtlich zu verankern und eventuell auch noch mit Sanktionen für Zuwiderhandlungen zu versehen.
Ich bedanke mich.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stahl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß es gut ist, daß sich der Deutsche Bundestag heute mit einem wichtigen Thema der Biotechnologie, hier speziell der Gentechnik, einmal befaßt. Nur glaube ich, es wäre sinnvoller, dies nicht an einem solchen Anlaß aufzuhängen und nicht in einer Aktuellen Stunde zu behandeln;
({0})
denn der Tatbestand Ihrer Aktuellen Stunde, verehrte Kollegen von den GRÜNEN, ist seit November letzten Jahres hier im Deutschen Bundestag protokollarisch mit einer Anfrage aufgezeigt.
(Frau Dann ({1})
Es wäre richtig gewesen, die Regierung zu fragen und die Regierung, wo es notwendig ist, auch zu kritisieren, daß sie in dem einen oder anderen Punkt nichts unternommen hat, was derzeitig festgestellt wurde und was der Staatssekretär wohl auch bestätigt hat. Ich glaube, es ist nicht richtig, daß damit die ganze Forschung und Entwicklung, die in den Betrieben und in den Labors von Universitäten und Großforschungseinrichtungen stattfindet, insgesamt in Frage gestellt wird. Ich finde, dies ist nicht der richtige Weg, da wir dieses neue notwendige Gebiet der Forschung und Entwicklung weiter fördern.
Nun ist unbestritten, daß Kollegen des Deutschen Bundestages nach Japan und nach USA gefahren sind, um sich im besonderen zu informieren, weil bei uns im Lande die Erkenntnis da war, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland hier eigentlich ein Stück zurück waren. Wir haben 1979 eingehend darüber diskutiert und Fachleute gehört, ob es notwendig ist, neben den Richtlinien ein Gesetz dafür einzubringen. Wir sind nach Abwägung und Anhörung vieler Fachleute, vor allen Dingen ausländischer Fachleute, damals der Meinung gewesen, dies ist nicht notwendig. Nun sind wir sechs Jahre weiter, und wir haben auch eine ganze Menge an praktischen Erfahrungen, nicht nur aus den Universitäten und aus den Forschungseinrichtungen, sondern
Stahl ({2})
jetzt zusätzlich auch aus der Industrie. Es wird notwendig sein, in Abwägung des Tatbestandes und nach Vorlage des Berichts der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages dieses Thema in diesem Hause noch einmal ernsthaft zu diskutieren, um dann die Vorschläge, die die Enquete-Kommission uns, dem Gesetzgeber, der Politik gemacht hat, zu prüfen und, wenn notwendig, auch in Richtlinien oder in Gesetze umzuwandeln.
Wir haben von 1978 bis 1983, wenn ich die Zahl noch richtig im Gedächtnis habe, etwa 600 gentechnologische Experimente in der Bundesrepublik gehabt, die in 52 Einrichtungen durchgeführt worden sind und wo etwa 140 Arbeitsgruppen mit Forschern tätig waren. Auch dies ist eine Zahl, die hier im Bundestag einmal genannt werden muß. Unbestritten ist ja wohl, daß wir die Grundlagenforschung in diesem Bereich im letzten Jahrzehnt verstärkt gefördert haben und daß es uns in der Politik sehr am Herzen lag, die Umsetzung der Erkenntnisse auch in wirtschaftliche Notwendigkeiten verstärkt zu fördern. Dies haben beide Regierungen gemacht, und ich finde, daß dies auch in Ordnung war; denn es gibt ja eine Reihe von Möglichkeiten, im Bereich des Umweltschutzes, im Bereich der Wasserqualität, im Bereich der Pharmaindustrie, diese Erkenntnisse zu nutzen.
({3})
Meine Damen und Herren, dabei steht außer Frage - das will ich auch sagen -, daß es notwendig ist, daß die Richtlinien der Zentralen Kommission auch wirklich angewandt und eingehalten werden. Wenn ein derartiger Verstoß sichtbar wird - dies ist hier ja wohl unbestritten -, dann muß die Regierung in dieser Sache natürlich auch handeln.
Herr Staatssekretär Haunschild, es wäre notwendig gewesen, hier ein bißchen mehr darüber zu sagen, was man künftig eventuell über die Richtlinien oder über eine Rechtsverordnung von seiten der Regierung in diesem Bereich tun will, um Wiederholungen zu unterbinden. Wenn nötig, muß der Gesetzgeber dafür einstehen und in dieser Richtung etwas tun.
Ich meine, verehrte Kollegen von den GRÜNEN, daß sich dieser Vorgang wenig eignet, dieses Thema heute in einer Aktuellen Stunde ernsthaft zu behandeln. Ich meine, daß es richtig gewesen wäre, in den Ausschüssen darüber zu sprechen und, wenn notwendig, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages noch einmal nachzuhaken.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Wir Sozialdemokraten unterstützen die weitere Forschung auf diesem Gebiet, insbesondere die Chance, hier auch kleine und mittlere Unternehmen verstärkt einzusetzen. Es kann nicht sein, daß auf Grund eines vielleicht unwissenden schwarzen Schafes die Forschung in der Wirtschaft insgesamt und die Forschung in Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet in Frage gestellt werden soll.
Schönen Dank.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sachverhalt, über den wir heute debattieren, ist nun genügend dargestellt worden. Ich möchte die Frage angehen, ob sich jeder der Verantwortung bewußt ist, die er nicht nur für sich, sondern auch der Allgemeinheit gegenüber zu tragen hat.
Da hat also jemand eine Zuwendung von 900 000 DM für eine Unternehmensgründung erhalten. Wer im gentechnischen Bereich arbeiten will, muß sich an die Richtlinien der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit halten
({0})
- ich will jetzt den Namen hier nicht wiederholen, ich will kurz von den Genrichtlinien sprechen -, die seit 1978 gelten und bisher dreimal angepaßt wurden.
Ich gehe davon aus, daß ein Firmengründer die rechtlichen Voraussetzungen kennt oder sich deren Kenntnis aneignet, die er für seinen Fachbereich braucht. Er muß um die Forderungen wissen, die die Gesellschaft an ihn stellt. Diese Forderungen sind für die Arbeit im gentechnischen Bereich in den angesprochenen Richtlinien niedergelegt.
Es ist bedauerlich, daß der Zuwendungsempfänger - hier der Firmeninhaber - auf die Verpflichtung zur Einhaltung dieser Richtlinien bei zwei Projekten nicht hingewiesen wurde. Aber auch ohne diesen Hinweis muß einem verantwortungsbewußten Menschen klar sein, was er zu tun hat und was er der Gesellschaft schuldet.
Schwerwiegender scheint mir, daß der Firmenchef diese Richtlinien aus seiner früheren Tätigkeit her recht wohl kannte.
({1})
Er sei davon ausgegangen - so sein Einwand -, daß das Bundesministerium für Forschung und Technologie die zuständige Stelle des Bundesgesundheitsamts schon informiert habe. Vielleicht ist es eine Möglichkeit der Kontrolle - der Staatssekretär hat die Probleme gerade angesprochen -, daß man geförderte Vorhaben dieser Zulassungsstelle mitteilt.
Aber im Grunde trifft das nicht den Kern. Die Frage ist mehr eine Frage nach der Moral, nach der von mir schon einige Male angesprochenen Verantwortung. Es wird notwendig sein, eine moralische Haltung durch Vorgaben abzustützen. Vielleicht läßt man noch einmal alle Institute, alle Forscher, die sich den Richtlinien unterwerfen müssen, und alle, die sich freiwillig dazu verpflichtet haben, die Kenntnis dieser Verpflichtung bestätigen. Es ist gut, daß nun eine eingehendere Anweisung des Forschungsministeriums an Zuwendungsempfänger
ergeht, wenn sie öffentliche Mittel in Anspruch nehmen.
Ich sehe auch die Notwendigkeit, die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit und die Genrichtlinien in irgendeiner Form gesetzlich anzubinden. Die Überprüfung dieser Richtlinien ist abgeschlossen. Ich gehe davon aus, daß sie in etwa zwei Monaten vom Bundeskabinett verabschiedet sein werden.
Weitergehende Vorstellungen für den Bereich der Gentechnologie möchte ich heute nicht ansprechen. Die Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie" arbeitet sehr ernsthaft und wird ihren Bericht mit Vorschlägen für ein Handeln oder vielleicht auch ein Nichthandeln des Bundestages im Spätherbst vorlegen.
Aber auch Gesetze, Verordnungen, Erlasse und Verfügungen können nicht die moralische Haltung aller Beteiligten ersetzen.
Es geht darum, den Menschen und seine Umwelt zu schützen, aber auch darum, alle technischen Möglichkeiten, die verantwortbar sind, zu nutzen, um das Leben der Menschen zu erleichtern, eine gesunde Umwelt zu erhalten oder wiederherzustellen, neue Wege zu suchen, um Krankheiten zu bekämpfen und die Ernährung der Menschheit zu sichern.
Ich sehe in der Gentechnologie einen solchen Weg.
({2})
Er ist aber nur zu begehen, wenn nicht durch Nachlässigkeit oder gar Vorsatz die von der Gesellschaft zu fordernden Sicherheitsbestimmungen verletzt werden. Deswegen wollen wir Richtlinien, die die Entfaltung von Forschung und Technik gewährleisten, aber auch die Sicherheit der Menschen garantieren. Dann wird auch kein Platz für eine Verunsicherung der Bürger bleiben, wie sie von den GRÜNEN ständig versucht wird.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 15. April 1985 hatten wir eine Anhörung zu den Genrichtlinien. Wir haben damals in der Enquete-Kommission sehr gründlich darauf hingewiesen, daß es mit der Verbindlichkeit der Richtlinien bei der breiten Anwendung hapert. Geschehen ist seitdem nichts.
({0})
Es ist nicht versucht worden, hier eine stärkere Verbindlichkeit zu schaffen. Herr Staatssekretär Haunschild hat am frühen Morgen mit bemerkenswerter „Bescheidenheit" zugegeben, daß das Ministerium in diesem Punkt sogar geschlampt hat. Das Ministerium hat nämlich die einzige bescheidene Möglichkeit, über die es jetzt verfügt, die Richtlinien verbindlich zu machen, auch bei den technologieorientierten Unternehmensneugründungen noch nicht einmal angewendet. Denn wir wissen: Mit bloßen Appellen an die Moral und an die Tugend ist das so eine Sache. Eher legt der Hund einen Wurstvorrat an, bevor sich die im Wettbewerb stehenden Firmen an bloße Appelle halten. Wir wissen alle, daß die Sünde dann eben stärker ist als die Tugend.
Wir müssen darauf drängen, daß diese Richtlinien einen starken Grad der Verbindlichkeit bekommen. Da sind wir uns weitgehend einig. Ich finde, es ist ein bemerkenswerter Schritt, daß das Forschungsministerium in diesen Fällen in Zukunft die Beachtung dieser Richtlinie zur Verwaltungsauflage macht, so daß sie wenigstens im Verwaltungsakt verbindlich sind.
Aber auch das reicht nach meiner Meinung noch nicht. Denn: was kann geschehen, wenn gegen die Richtlinien verstoßen wird? Dann kann allenfalls die Förderung widerrufen werden. Je nachdem welcher Gewinn winkt, ist es eine Frage des Rechenstifts, ob man sich an die Richtlinien hält oder nicht.
Es geht noch weiter. Wenn Sie etwa die Ermächtigungsgrundlage für die Tätigkeit der Zentralen Kommission mit den Maßstäben des Grundgesetzes messen und auf die Verbindlichkeit abklopfen, werden Sie sehen: Wenn es ernst wird, sind diese Richtlinien nichts wert; wenn ein wirklich schwerer Konflikt vorliegt, könnten wir damit nichts anfangen.
Darum, meine ich, müssen wir mit großer Ernsthaftigkeit darangehen, eine Ermächtigungsgrundlage zu schaffen. Da können wir in der Übergangsphase durchaus das, was Frau Dr. Neumeister sagte, ansteuern, daß man bereits vorhandene Ermächtigungsgrundlagen im Gewerberecht, im Unfallverhütungsrecht, beim Immissionsschutz und wo auch immer - ja, hier ist auf der Ebene der Länder sogar an das allgemeine Polizeirecht zu denken; denn im Hinblick auf eventuelle Freisetzungen geht es auch um die öffentliche Sicherheit - benutzt, um die Richtlinien für alle Beteiligten verbindlich zu machen und auch mit Sanktionen zu versehen. Dazu braucht man zumindest eine Rechtsverordnung. Ich sage Ihnen: Sie können eine Rechtsverordnung in gleicher Weise anpassen, wie Sie diese Richtlinien anpassen. Denn die Beteiligungsverfahren sind die gleichen, die Anhörungsverfahren sind die gleichen, und man kann in diesem Bereich genauso flexibel reagieren.
Ich warne davor, es bei der bisherigen Appellpolitik zu belassen, weil Sie damit nicht einmal die Länder erreichen. Außerdem ist eine freiwillige Selbstunterwerfung in diesem Punkt gar nichts wert. Wenn der Verband der Chemischen Industrie sagt, man werde sich daran halten, dann ist es das gleiche, wie wenn Sie zum Pfarrer gehen und sagen, ab morgen wollten Sie nicht mehr sündigen; der alte Adam bricht wieder durch, und es gibt keine Möglichkeit, ihn zur Tugend auf Dauer anzuhalten.
Wenn wir wollen, daß die Firmen die Chancen nutzen, dann muß die Gemeinschaft auch darauf achten, daß die Risiken beherrscht werden. Insofern ist es kein Beinbruch, daß der Bundestag heute einmal sehr hart auf einen Fall reagiert, wo sich
jemand aus der Reihe gestellt hat, und daß hier jemand an seine Moral erinnert wird. Verbrochen hat die Firma nichts; rechtlich gesehen war sie nicht verpflichtet, sie hat nur gegen den Komment verstoßen, und da sollte sie durchaus ihre Klassenkeile bekommen - zur Warnung und Belehrung auch für alle anderen.
Vor der Arbeit, eine Ermächtigungsgrundlage für verbindliche Vorschriften zu schaffen, werden wir miteinander nicht verschont werden. Hier ist die Bundesregierung gefordert, wenn sie schon kein Gesetz einbringen will, wenigstens die gegenwärtig vorhandenen Ermächtigungsgrundlagen auszunutzen.
Vielen Dank.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Voigt ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Skandalöses Verhalten", Frau Dann, haben Sie das Ganze überschrieben. Die letzte Gelegenheit, die wir hier im Bundestag hatten, über Gentechnologie zu sprechen, habe ich schon einmal meinerseits ausgenutzt, um Ihnen einige Grundlagen der Gentechnik beizubringen. Wenn man so hört, wie Sie mit der Gentechnik umgehen, müßte man dies, glaube ich, wiederholen. Können Sie sich eigentlich so ein kleines niedliches Bakterium vorstellen, mit dem diese Firma gearbeitet hat?
({0})
Wenn Sie sich vorstellen, wie viele Generationen bereits mit solchen Tieren, mutiert und nicht mutiert, gearbeitet haben, ohne daß es zu einer Gefährdung der Menschheit gekommen ist, dann weiß ich nicht, wie Sie zu der Vorstellung kommen können, Skandale daraus abzuleiten. Ein Skandal ist es, das
({1})
- Nein, das möchte ich nicht sagen. Es ist keine Frage, daß sich die Firma gegen die Richtlinien vergangen hat bzw. diese nicht akzeptiert hat. Wir haben das schon mehrfach gesagt.
Was mich daran stört, ist, daß man ein biologisches Objekt, das seit vielen, vielen Jahren in der Erforschung ist, mit dem seit vielen, vielen Jahren gearbeitet wird
({2})
und wo jetzt die Gentechnologie nur einen Schritt weitergeht, indem sie bestimmte Selektionsmechanismen verkürzt, liebe Frau Dann, daß man so etwas in einen Rahmen hineinstellt, um damit Angst zu schüren.
({3})
- Sie haben völlig recht, Angst ist Ihr Projekt und nicht der ehrliche Umgang mit einer wichtigen Technik.
Herr Catenhusen, lassen Sie mich noch einmal auf das Gentechnikgesetz zurückkommen. Eine gesetzliche Regelung bzw. eine Ermächtigung ist sicherlich richtig - das hat Herr Stiegler eben richtig formuliert -, aber wenn wir ein Gentechnikgesetz in der alten Form, wie es uns einmal vorgelegen hat, machen, stehen wir doch vor einem ganz großen Problem:
({4})
Wir müssen zunächst einmal definieren. Es geht ja dann um die Abgrenzung: pathogen, nicht pathogen, potentiell pathogen, pathogen für Tiere, für die Umwelt, für die Menschen. Wie wollen Sie das eigentlich erreichen? Das bedeutet im Klartext, daß Sie jedes Schulexperiment, das heute auf dem Gebiet der Gentechnologie gemacht wird, verbieten oder zumindest in ein Genehmigungsverfahren einschließen müssen.
({5})
- Eine Ermächtigung j a, aber kein Gentechnologiegesetz, wie Sie es damals vorgelegt haben. Ich habe mir das noch einmal angesehen. Es wird da sicher große Probleme geben.
({6})
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu dem machen, was hier in der Diskussion immer wieder erwähnt wird. Was mich an der Diskussion stört - und das ist gerade seitens der GRÜNEN immer wieder aufgeführt worden -, ist, daß hier mit einem Mißtrauen im Vorfeld gearbeitet wird. Ich bin der Meinung, daß freiwillige Bindungen, wie wir sie in der Vergangenheit gehabt haben, zweifelsohne ausreichen - mit der Fixierung, daß hinterher tatsächlich Sanktionen möglich sind. Diese freiwilligen Bindungen beinhalten die große Chance, daß wir in einem Dialog stehen, einem Dialog mit den Wissenschaftlern, einem Dialog mit der Politik. Wir können darüber bestimmte Dinge sehr flexibel handhaben.
({7})
- Das ist genau der Punkt, auf den ich zu sprechen komme. Ich persönlich bin der Meinung, daß wir kein Recht haben, den Professoren zu unterstellen, daß sie keine Verantwortung haben. Jedem, der uns das vorwerfen würde, würden wir zweifelsohne Diskriminierung vorwerfen. Ich habe eine positive Einstellung zu den Lehrern an der Hochschule, bin allerdings auch der Meinung, daß die Neugierde zu gewissen Brutalitäten verführt, nämlich immer dann Grenzen zu überschreiten, wenn die Grenzen aufgezeigt sind.
({8})
Dr. Voigt ({9})
- Hören Sie einmal schön zu. - Hier ist unsere Aufgabe als Politiker ganz klar gekennzeichnet, nämlich diese Grenzen neu zu definieren, sie klarzumachen, sie aber im Dialog und nicht durch eine zu starre gesetzliche Normierung klarzumachen.
({10})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden zweifelsohne keine absoluten Sicherheiten bekommen; darüber müssen wir uns im klaren sein. Die kriegen wir weder durch eine klare gesetzliche Fixierung, noch werden wir sie bekommen, wenn wir die Richtlinien jetzt dem ständigen Entwicklungsprozeß anpassen werden. Aber wenn wir die Richtlinien regelmäßig anpassen, werden wir dadurch zweifelsohne erreichen, daß der Dialog zwischen der Wissenschaft und uns fortgesetzt wird - ich glaube, zum Positiven für unsere Mitmenschen.
Ich danke sehr.
({11})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fellner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die GRÜNEN sind offenbar erst bei der Wiederholungslektüre des „Spiegel" darauf gekommen, dieses Thema aufzugreifen.
({0})
Es macht den Anschein, als ob Sie alle Stichworte, die der „Spiegel" gibt, pflichtgemäß aufrufen. Und wenn Sie einmal eines vergessen haben, dann müssen Sie einen Anlaß suchen, es trotzdem noch in die Debatte einzuführen. Ich meine, man kann Journalisten eigentlich nur bedauern, die am 4. März 1986 einen Artikel über längst bekannte Dinge schreiben müssen, nur damit sie Ihnen Stichworte für die hier stattfindende Aktuelle Stunde liefern, weil Sie hier ein Thema brauchen.
({1})
- Herr Kollege Catenhusen, wenn Ihnen daran gelegen war, den Namen der Firma bekanntzugeben, dann würde das etwas erhellen, was ich Ihnen nicht zugetraut hatte.
Der Kern der Diskussion ist sicherlich die Verletzung der Meldepflicht. Diese Verletzung der Meldepflicht ist ein Verstoß gegen die Richtlinien. Für mich ist entscheidend, daß die Maßnahmen, die Forschungen unter sicherheitstechnischen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden waren, daß jede Stelle, bei der sie angemeldet worden wären, sie auch genehmigt hätte. Sie sind ja im nachhinein wohl auch genehmigt worden.
Wir können uns natürlich darüber Gedanken machen, wie wir erreichen können, daß auch die Meldepflicht von den Firmen, von den Laboratorien ernster genommen wird. Wir können sicherlich überlegen, ob eine Registrierung der Genlaboratorien uns etwas bringt, so daß sie sich also auch etwas mehr beachtet und beobachtet fühlen. Ich gehe davon aus, daß das Forschungsministerium bzw. die Bundesregierung mit der Novellierung dieser Richtlinien auch zu diesem Punkt etwas sagt.
Herr Kollege Catenhusen, Sie haben die nach wie vor fehlenden Haftungsregelungen moniert. Da muß ich Ihnen als dem Vorsitzenden sagen: Ich habe den Eindruck, daß Sie Ihrer Fürsorgepflicht gegenüber Mitgliedern Ihres Ausschusses nicht ganz nachkommen. Sie haben dem Kollegen Stiegler und mir den Auftrag gegeben, uns auf Grund unserer Untersuchungen, die wir in dieser Enquete-Kommission jetzt zwei Jahre durchführen, Gedanken über rechtliche Konsequenzen zu machen. Zusammen mit Professor Deutsch haben wir uns schon eingehende Gedanken über die Haftungsregelungen gemacht.
({2})
- Herr Kollege Catenhusen, ich weiß nicht, ob Sie nicht etwas eifern würden, wenn die Bundesregierung jetzt mit Dingen käme, die Sie der staunenden Öffentlichkeit als Erkenntnisse der Enquete-Kommission Gentechnologie noch verkünden wollen. Aber, wie gesagt, wir arbeiten in der Enquete-Kommission Gentechnologie daran. Wir bemühen uns und werden sicherlich auch zu diesen Tatbeständen entsprechende Vorschläge für gesetzgeberisches Handeln machen.
Ich bin dankbar, daß Sie Ihre alte Idee von einem Gentechnologiegesetz hier nur sehr vorsichtig angesprochen haben. Der Kollege Stiegler als vernünftiger Oberpfälzer hat das ganz sein gelassen. Aber Sie, Herr Catenhusen, haben es angesprochen und haben es auch in diesem Presseartikel offenbar als Hilfslösung angeboten. Ich habe mir einmal Kommentare über die Beerdigung dieses Unternehmens Gentechnologiegesetz, dieser zwei Entwürfe von 1978 und 1979 herausgesucht. Dazu hat Professor Deutsch, der ja Mitglied unserer Enquete-Kommission ist, im Juni 1982 einen Artikel in der Zeitschrift „Medizin - Mensch - Gesellschaft" geschrieben. Dieser Artikel sagt eigentlich alles, was von diesem Unternehmen Gentechnologiegesetz zu halten ist. Ich möchte es hier nur noch einmal zum besten geben, damit wir es in der Diskussion - meines Erachtens dann auch einvernehmlich - endgültig begraben können. Er schreibt:
Auf eine Anfrage im Bundestag teilte die Bundesregierung kürzlich ihre Absicht mit, die vorgesehene gesetzliche Regelung zum Schutz vor Gefahren der Gentechnologie zurückzustellen ... Das ist um so verwunderlicher, als erst im vergangenen Jahr aus dem Ministerium mitgeteilt wurde, daß an der Notwendigkeit, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, kein Zweifel bestehe ... Die Zurückstellung der Gesetzgebungspläne ist als kluger Verzicht bezeichnet worden ... Mit diesem Schritt hat die Bundesregierung die Konsequenz daraus gezogen, daß sie sich mit Plänen für eine Gesetzgebung auf dem Gebiet der Gentechnologie in Europa plötzlich allein fand ... An die Aufgabe der Gesetzgebungspläne schließen sich Fragen an:
Ist wirklich, wie das Ministerium meint, das geringer eingeschätzte Gefahrenpotential der Grund für die Zurückstellung der Gesetzgebungspläne, wenn doch die geringere Gefahrenschwelle seit mehreren Jahren durchaus bekannt ist? Hat die Bundesregierung vielleicht erst zu spät Kenntnis von der Herabsetzung der Gefahrenschwelle genommen? Oder hat das bislang auf juristischen Argumenten beharrende Ministerium plötzlich den selbsttragenden Perfektionismus eines verbindlichen rechtsetzenden Gesetzes aufgegeben?
Diese Fragen stellten sich damals, als Sie dieses Unternehmen beerdigten. Ich meine, wir sollten an dieses Unternehmen eines Gentechnologiegesetzes gar nicht herangehen, sondern sollten darauf vertrauen, daß eine Verbesserung der jetzt gültigen Richtlinien die angesprochenen Probleme lösen kann.
Danke schön.
({3})
Die Aktuelle Stunde ist beendet. Die Sitzung wird um 13 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt. Ich unterbreche die Sitzung.
({0})
Ich eröffne die unterbrochene Sitzung erneut.
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung
Fragestunde
- Drucksache 10/5156 Der Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr braucht nicht aufgerufen zu werden, weil die Fragen 1 und 2 vom Fragesteller, dem Abgeordneten Hinsken, zurückgezogen wurden.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Zur Beantwortung der Fragen ist der Parlamentarische Staatssekretär Pfeifer zu uns gekommen.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Kuhlwein auf.
Wie beurteilt die Bundesregierung die von der Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit auf dem GEWBildungskongreß am 1. Februar 1986 in Hannover geäußerte Ansicht, daß die Verschränkung von allgemeiner und beruflicher Bildung ein entscheidendes Stück der weiteren Bildungsreform sei und „die Bundesregierung hier unterschiedliche Tendenzen aufzeigt und nicht so etwas wie ein homogener Block ist"?
Herr Kollege Kuhlwein, die Bundesregierung hat ihre Leitlinien einer zukunftsorientierten Bildungspolitik und die sich daraus ergebenden Arbeitsschwerpunkte in ihrem Bericht zur Sicherung der Zukunftschancen der Jugend in Ausbildung und Beruf zusammenfassend dargestellt. Für den Bereich der beruflichen Bildung gehört zu diesen Schwerpunkten u. a. die Förderung der Gleichwertigkeit allgemeiner und beruflicher Bildung.
Die Bundesregierung sieht in der generellen Integration von Bildungsgängen der allgemeinen und der beruflichen Bildung keinen geeigneten Beitrag zur Weiterentwicklung des Bildungswesens. Der von Frau Minister Professor Süssmuth verwendete Begriff „Verschränkung" ist auch nicht in diesem Sinne zu verstehen, sondern zielt in Richtung auf eine breitere Verankerung von Inhalten der Allgemeinbildung in der beruflichen Bildung.
Zusatzfrage, Herr Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, da Sie ja Äußerungen von Frau Ministerin Süssmuth hier interpretiert haben: Dürfen wir davon ausgehen, daß diese Interpretation mit dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit abgesprochen ist?
Die Antwort ist abgesprochen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kuhlwein.
Müssen wir dieser Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung nach wie vor Verschränkungen im Sinne einer Zusammenführung wie etwa in der Kollegschule in Nordrhein-Westfalen ablehnen wird?
Ich habe den Begriff „Verschränkung" hier interpretiert und bin in der Tat der Meinung, daß der Kollegstufe von Nordrhein-Westfalen erhebliche Bedenken gegenüberstehen.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Kuhlwein auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die von der Bundesministerin auf der gleichen Veranstaltung geäußerte Ansicht: „Die Hauptschule und die Probleme eines Teils der Hauptschüler zu entkräften läge und liege in der Richtung einer Gesamtschule ... "?
Frau Ministerin Süssmuth hat in einem Artikel in der „Welt" vom 17. Februar 1986 erklärt, daß die von Ihnen zitierte Äußerung sie nicht zur Befürworterin der Gesamtschule als Regelschule macht; denn sie gebe einem differenzierten Schulsystem ohne staatliches Monopol den Vorzug vor Gesamtschulen. Im übrigen hat Frau Minister Süssmuth auf dem Kongreß in Hannover nicht generell von der Gesamtschule, sondern - wie sie in dem genannten Artikel in der „Welt" ausführt - von der Gesamtschule als Schulversuch mit besonderen Förderungsmöglichkeiten für Schüler gesprochen, die den Hauptschulabschluß anstreben.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß das bewährte gegliederte Schulwesen einem auf staatlichen Gesamtschulen als Regelschule aufbauenden
Schulwesen überlegen ist. Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen - wie jüngst der Bericht über den Vergleich von Leistungsergebnissen aus Gesamtschulen und Schulen des gegliederten Schulwesens von Professor Aurin - geben dieser Position der Bundesregierung eine überzeugende wissenschaftliche Begründung.
Für die Leistungsqualität des gegliederten Schulwesens entscheidend sind u. a. die Ausprägung, der Stellenwert und das Profil, welches in der bildungspolitischen Grundkonzeption der einzelnen Länder der Hauptschule gegeben wird. Es ist die Auffassung der Bundesregierung und die Auffassung von Frau Minister Professor Süssmuth, daß die Hauptschule nicht zur Restschule werden darf und daß es deshalb eine vorrangige bildungspolitische Aufgabe ist, die pädagogische Leistungsfähigkeit und die Attraktivität der Hauptschule zu stärken.
Zusatzfrage, Herr Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Äußerung, die j a wohl auch im Namen von Frau Professor Süssmuth getan worden ist, entnehmen, daß die Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit ihre auf dem GEW-Bildungskongreß in Hannover gemachte Äußerung - wörtlich -, die Hauptschule und die Probleme eines Teils der Hauptschüler zu entkräften läge in der Richtung einer Gesamtschule, zurückgezogen hat?
Herr Kollege Kuhlwein, dazu hat Frau Minister Professor Süssmuth in dem zitierten Artikel der „Welt" vom 17. Februar 1986 genau Stellung genommen. Ich habe das Wichtigste daraus zitiert. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Weitere Zusatzfragen, Herr Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, dennoch bleibt die Tatsache bestehen, daß hier wörtlich zitiert worden ist und daß das interpretationsbedürftig ist. Meine Frage an Sie ist, ob in Zukunft die Bildungspolitik der Bundesregierung vom Bundesbildungsministerium oder vom Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit bestimmt werden soll.
Herr Kollege Kuhlwein, die Bildungspolitik der Bundesregierung kommt in den bildungspolitischen Zielen und in dem Konzept über die Zukunftschancen der Jugend in Ausbildung und Beruf zum Ausdruck, das im Bundeskabinett beschlossen und das unter der Federführung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft erarbeitet worden ist; und das ist maßgeblich.
Damit sind wir am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hennig zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Dr. Voigt ({0}) auf:
Teilt die Bundesregierung die in der Resolution „Standortbestimmung sozialdemokratischer Deutschlandpolitik" des Landesausschusses der SPD Schleswig-Holstein vom 18. Januar 1986 hinsichtlich des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag getroffenen Feststellungen, dieses Urteil sei „in sich widersprüchlich", in seiner einengenden Interpretation des Grundlagenvertrages werde es „den aktuellen Anforderungen notwendiger Entwicklungen in der Deutschlandpolitik nicht gerecht" und sei eine „juristische Selbsttäuschung"?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Nein, Herr Kollege Voigt. Die Bundesregierung hält das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag, an das sie wie alle anderen staatlichen Organe der Bundesrepublik Deutschland gebunden ist, nicht für widersprüchlich. Dieses Urteil ist und bleibt, wie die Bundesregierung mehrfach festgestellt hat, die Grundlage ihrer Deutschlandpolitik. Die Bundesregierung teilt selbstverständlich auch nicht die Bewertungen des Urteils durch den Landesausschuß der SPD Schleswig-Holstein vom 18. Januar 1986,
({0})
die im Kernpunkt darauf hinauslaufen, das Urteil als „juristische Selbsttäuschung" zu klassifizieren.
Die Bundesregierung bedauert besonders, daß auch ehemalige Mitglieder der Bundesregierung offensichtlich diese Position einnehmen und unterstützen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Voigt.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, ob sich die SPD-Führung von einzelnen in der Resolution enthaltenen Aussagen, Rechtsauffassungen und Forderungen oder von der Resolution als ganzer distanziert hat?
Herr Kollege Voigt, diese Resolution ist einstimmig angenommen worden, also z. B. auch unter Mitwirkung von Herrn Engholm und Herrn Bahr, wie ich das hier skizziert habe. Mir ist nicht bekannt geworden, daß irgend jemand aus Bonn kommentierend oder abweichend zu diesem Vorgang Stellung genommen hätte.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Voigt.
Herr Staatssekretär, betrachtet es die Bundesregierung aus ihrer Kenntnis der Haltung der DDR als realistisch, wenn in der Resolution gefordert wird, die beiden Staaten in Deutschland sollten sich - ich zitiere Dr. Voigt ({0})
„wechselseitig weder als Inland noch als Ausland" betrachten?
Wir betrachten das nicht als hilfreich, Herr Kollege Voigt, und haben das Gefühl, daß hier so getan wird, als wäre die Präambel bereits gestrichen. Die Präambel enthält eine klare Aufforderung an uns.
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß das Bundesverfassungsgericht selber in seinem Urteil gesagt hat - ich zitiere wörtlich -:
Alle Ausführungen der Urteilsbegründung, auch die, die sich nicht ausschließlich auf den Inhalt des Vertrages beziehen, sind nötig, also im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Teil der die Entscheidung tragenden Gründe.
Das ist bindend, und das beachtet die Bundesregierung.
Zusatzfrage des Abgeordneten Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Bundesregierung bei einer Bewertung der Kontakte der SPD zur SED und im Zusammenhang mit den Gesprächen, die da stattfinden, von einer Nebenaußenpolitik gesprochen hat?
Herr Kollege Kuhlwein, den direkten Zusammenhang zu der Frage kann ich nicht erkennen. Aber ich will es gern dem Staatssekretär überlassen, ob er antworten will.
Ich würde es passender als eine Nebenpolitik definieren, Herr Kollege Kuhlwein.
({0})
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Dr. Voigt ({0}) auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, von dem in Frage 5 genannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts „durch Verhandlungen auf der Grundlage der wechselseitigen staatlichen Anerkennung" abzurücken, wie es die SPD in der Resolution fordert?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Nein, die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit und nicht die geringste Veranlassung, vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts abzurücken.
Zusatzfrage, Herr Dr. Voigt.
Herr Staatssekretär, ich möchte noch eine Zusatzfrage zu dieser Resolution stellen. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu der in der Resolution erhobenen Forderung - ich zitiere -, „politische Verhandlungen zur Lösung der strittigen Fragen des Verlaufs der Grenze auf der Elbe" mit der DDR zu führen?
Die Stellungnahme der Bundesregierung in diesem Zusammenhang ist bekannt, klar und unverändert und geht im Kern dahin, daß wir hier nicht den Spielraum haben, mit der DDR eine beliebige Verabredung über ein solches Thema zu treffen, sondern daß wir lediglich das nachzuvollziehen und nachzuzeichnen, also festzustellen und nicht festzulegen haben, was die Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg hier festgelegt haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Voigt.
Herr Staatssekretär, ist die Forderung nach einer - ich zitiere - „Option auf den jederzeitigen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit" mit dem Grundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht vereinbar, und ist die - ich zitiere wieder - „Existenz einer gemeinsamen deutschen Staatsangehörigkeit" als eine Fiktion zu qualifizieren?
Nein, Herr Kollege, dies ist keine Fiktion, sondern ein Tatbestand; die Staatsangehörigkeit ist keine Option, sondern ein wohlerworbenes Recht aller Deutschen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, da sich eine der Zusatzfragen auch auf die Elbgrenze bezog, frage ich Sie: Sind Sie ganz sicher in bezug auf das, was die Siegermächte bei der Grenzziehung nach 1945 gemeint haben, oder gibt es da auf Grund der Aktenlage und der Karten durchaus Interpretationsspielräume?
Herr Kollege Kuhlwein, die Bundesregierung ist sich ihrer Sache nach wirklich sehr sorgfältiger und sehr langer Prüfung ganz sicher.
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Der Parlamentische Staatssekretär Würzbach steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Horn auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Diese Frage wird ebenso wie Frage 8 des gleichen Fragestellers entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Ich rufe die Frage 9 der Abgeordneten Frau Fuchs ({0}) auf:
Teilt die Bundesregierung die von Bundesminister Dr. Wörner am 28. Februar 1986 in der „ZEIT" geäußerte Auffassung, die „NATO braucht zunächst - und vor allem - eine um die Fähigkeit zur Flugkörperabwehr erweiterte, überwiegend bodengestützte Luftverteidigung, um militärische Punktziele gegen einen ,konventionellen Feuerschlag' des Warschauer Pakts zu verteidigen"?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Frau Kollegin, meine Antwort ist: ja.
Zusatzfrage, Frau Fuchs.
Herr Staatssekretär, wie vereinbaren Sie die Aussage von Herrn Bundesminister Wörner, es gehe zunächst und vor allem um die Verteidigung militärischer Punktziele, mit Ihrer eigenen Aussage in der Fragestunde vom 16. Januar 1986, in der Sie gesagt haben - ich zitiere -:
... wir ... haben ... ein Interesse daran, auch gegenüber taktischen Raketen der Sowjetunion, deren Stückzahl ständig zunimmt, Möglichkeiten zu finden, die Bevölkerung zu schützen.
Ich sehe darin keinen Widerspruch, Frau Kollegin.
Frau Fuchs, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Verstehen Sie also eine erweiterte Luftverteidigung als ersten Schritt zu einer umfassenden, den Schutz der gesamten Bevölkerung einschließenden Europäischen Verteidigungsinitiative, auch EVI genannt?
Die gesamte Bevölkerung zu schützen wird unmöglich sein. Eine Verbesserung des Schutzes sehe ich. Das Wort EVI ist von niemanden in der Bundesregierung offiziell eingeführt worden.
Ich rufe die Frage 10 der Abgeordneten Frau Fuchs ({0}) auf:
Teilt die Bundesregierung die von Bundesminister Dr. Wörner in der amerikanischen Zeitschrift „Strategic Review" veröffentlichte Auffassung, daß sich im Rahmen von ATM „passive Maßnahmen", die „Zerstörung sowjetischer Raketen vor ihrem Start" und die „Bekämpfung der Flugkörper nach dem Start im Anflug", nicht gegenseitig ausschließen, sondern „eher ergänzen und wechselseitig verstärken"?
Frau Kollegin, auch hier ist meine Antwort: ja.
Zusatzfrage, Frau Fuchs, bitte schön.
Herr Staatssekretär, mit welchem Waffensystem soll nach Auffassung der Bundesregierung die Zerstörung sowjetischer Raketen vor ihrem Start erreicht werden, und wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Vorschläge der Essex-Studie zur Zerstörung militärischer Schlüsseleinrichtungen des Warschauer Pakts, Raketen vom Typ Pershing IA und Pershing II mit einem konventionellen Sprengkopf auszustatten?
Darüber nachzudenken, mit welchen Systemen man anfliegende - auch unbemannte - Geschosse bekämpfen kann, um militärische wie zivile Ziele davor zu bewahren, und Anstöße zu geben, ist die Intention des Ministers und der Bundesregierung. Einzelne konkrete Vorstellungen über die Ausgestaltung liegen noch nicht vor.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Fuchs.
Herr Staatssekretär, angenommen beide Seiten verfügten über Raketen mit atomaren und konventionellen Sprengköpfen und gleichzeitig über konventionelle Raketen zur Ausschaltung von Raketen der anderen Seite: Gibt es dann nicht eine Siegprämie für denjenigen, der den Präemptivschlag wagt, und wäre das nicht eine Maßnahme, die zu starken Eskalationszwängen führen würde, besonders da, wie ja eben zitiert wurde, die Zerstörung sowjetischer Raketen vor ihrem Start angestrebt wird?
Beides sehe ich nicht. Irgendwann müssen wir es haben, vielleicht in 10, 15 Jahren; so lange wird es etwa dauern, bis so etwas, worüber wir hier reden, realisiert ist. Heute haben wir nur Systeme, die beispielsweise anfliegende bemannte Flugzeuge erfassen und bekämpfen können. Wenn wir später Flugabwehrraketen haben, mit denen wir auch unbemannte Systeme bekämpfen können, würde dies ein konventionelles, defensives, bei uns stationiertes System sein, das überhaupt nicht zum Einsatz kommt, es sei denn, daß uns die Sowjetunion angreift. Dies kann nicht zur Eskalation beitragen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Horn.
Herr Staatssekretär, worin sieht die Bundesregierung den Unterschied zwischen einer Europäischen Verteidigungsinitiative und einer um die Fähigkeit zur Flugkörperabwehr erweiterten Luftabwehr, und welche Kriterien werden ihr zugrunde gelegt'?
Herr Kollege, sozusagen in eckigen Klammern gesagt: Sie haben hier auf gewandte Weise genau Ihre Frage noch einmal gestellt. Sie kriegen auch die Antwort.
Ich glaube, ich kann das verantworten, Herr Staatssekretär, weil es eine Reihe von Fragen gibt, die zur gleichen Thematik gehören.
Ich finde es gewandt, wie Herr Kollege Horn das gemacht hat.
Untersuchungen zur Entwicklung einer Flugkörperabwehrfähigkeit sind Teil der Anstrengungen aller - nicht nur der europäischen - NATO-Staaten zur Erhöhung ihrer Fähigkeiten. Sie wissen, daß in die Flugabwehr in Europa die europäischen Staaten, aber bei ganz bedeutenden Teilen eben auch die Vereinigten Staaten von Amerika eingebaut sind. Die Anstrengungen dort dienen der Stärkung der konventionellen Fähigkeit der NATO auf europäischem Boden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Mann.
Herr Kollege Würzbach, sieht die Bundesregierung in den sich häufenden Interviewbeiträgen ihres Verteidigungsministers einen geeigneten Beitrag, das Klima für die Genfer Verhandlungen im Sinne Ihres eigenen Mottos „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen" zu fördern?
Ich glaube, es ist gut, wenn die Bundesbürger, die Bürger in den anderen Ländern der Allianz wie auch die Sowjetunion wissen, was der verantwortliche Minister und die Bundesregierung zu den anstehenden Fragen denken.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Blunck.
Herr Staatssekretär, auf die Bekämpfung welcher sowjetischer ballistischer und anderer Flugkörper bezieht die Bundesregierung den Begriff „Europäische Verteidigungsinitiative", und die Bekämpfung welcher sowjetischer Flugkörper ist mit dem Begriff „erweiterte Luftabwehr" gemeint?
Ich sage es noch einmal: Die Bundesregierung verwendet nicht - auch wenn Sie uns das durch Nebensätze noch einmal zu unterstellen versuchen - den Begriff „Europäische Verteidigungsinitiative". Wenn sie den der Frage ihrer Kollegin zugrunde gelegten Artikel des Ministers in der „Zeit" lesen, werden Sie sehen, daß er einer solchen Formulierung eine klare Absage erteilt hat.
Ich könnte Ihnen nun mit Genehmigung des Präsidenten - ich habe den Zettel mitgebracht - alle in der Sowjetunion heute vorhandenen Raketen mit Stückzahlen, Reichweiten usw. nennen. Es vorzulesen würde fünf Minuten dauern. Die Sowjetunion verfügt schon heute über eine Riesenzahl überwiegend solcher Raketen, die sie schon heute auf dreierlei Art und Weise einsetzen kann: nuklear, chemisch und konventionell.
Worüber wir hier nachdenken, ist, eine Möglichkeit zu finden, in etwa 10, 15 Jahre eine Abwehr zur Verfügung zu haben, die nicht nur bemannte, sondern auch unbemannte Systeme unterschiedlicher Art erfassen kann.
Ich will mich bei der Antwort noch auf eines beschränken. In dem Antrag der SPD-Fraktion des Bundestages Drucksache 10/4440 vom 4. Dezember 1985 heißt es:
Der Deutsche Bundestag unterstützt hingegen wie in der Vergangenheit Maßnahmen zur Verbesserung der konventionellen Luftabwehr. Eine wirksame Luftabwehr gehört seit langem zu den Prioritäten der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr.
Der Antrag endet:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, in enger Zusammenarbeit innerhalb des westlichen
Bündnisses zu prüfen, in welcher Weise neue
konventionelle Technologien für eine angemessene nichtnukleare Luftabwehr einschließlich der Bekämpfung von Marschflugkörpern und modernen Distanzwaffen genutzt werden können.
In diesem Punkt sind wir nicht weit auseinander.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen.
Herr Staatssekretär, worin liegen denn nach Auffassung der Bundesregierung die Unterschiede zwischen erweiterter Luftabwehr und Europäischer Verteidigungsinitiative, und kann man ihr Konzept nicht auch so verstehen, daß die erweiterte Luftabwehr in Wahrheit ein erster Schritt zu einer umfassenden Europäischen Verteidigungsinitiative sein kann?
So kann das nicht verstanden werden. Ich habe mich bemüht, dies deutlich zu machen, und jeder, der die hier in Rede stehenden Artikel gelesen hat, kann einen solchen Eindruck sachlich auch nicht bekommen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lambinus.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die von Bundesminister Dr. Wörner in einem Presseartikel vom 28. Februar 1986 in der „Zeit" vertretene Auffassung, wonach die Neutralisierung der nuklearen sowjetischen Kurz- und Mittelstreckenraketen integraler Bestandteil der konzeptionellen Gesamtarchitektur eines SDI-Systems sein würde?
Herr Kollege, die Frage kam mir bekannt vor. Ich glaube, es war die zweite Frage des Kollegen Horn.
({0}) Meine Antwort darauf ist: Ja.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, in diesem Zusammenhang: Bundesminister Wörner hat das gesagt, was mein Kollege gerade zitiert hat, nämlich daß die Neutralisierung der nuklearen sowjetischen Kurz- und Mittelstreckenraketen integraler Bestandteil der konzeptionellen Gesamtarchitektur eines SDI-Systems sein würde, und Bundesminister Wörner hat auch gesagt, daß das Projekt einer Flugkörperabwehr in Europa unabhängig von SDI ist. Wie sind diese beiden Aussagen miteinander in Übereinstimmung zu bringen?
Beides ist sehr logisch und zwingend. Ich weise noch einmal auf den von Ihrer Fraktion selbst gestellten Antrag hin, daß wir als Europäer und als Deutsche in die anlaufenden SDI-Forschungsarbeiten besonders Europa und unser Land interessierende Komponenten mit einbringen. Ich hoffe, daß wir alle darin übereinstimmen, und da geht es auch um die Frage der Abwehr
von Mittel- und Kurzstreckenraketen, die auf unser Land gerichtet sind.
Unabhängig davon verfügen wir hier in Europa über einen, wie wir es nennen, Gürtel von Flugabwehrsystemen, der natürlich - was sollte er sonst? - der sich ändernden Bedrohung jeweils angepaßt werden muß, und diese Überlegungen werden im Augenblick angestoßen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Peter ({0}).
Herr Staatssekretär, wie verbindet die Bundesregierung die Auffassung von Bundesminister Wörner, das Projekt einer Flugkörperabwehr in Europa sei unabhängig von SDI, mit der Feststellung in dem regierungsamtlichen amerikanischen Hoffman-Report, die da lautet - ich zitiere -:
Die Stationierung eines taktischen Raketenabwehrsystems ({0}) ist eine Übergangsoption, die relativ früh erreichbar sein könnte. Die fortgeschrittenen Komponenten könnten, obwohl ursprünglich für ATM-Anwendung entwickelt, später eine Rolle in der kontinentalen Verteidigung der Vereinigten Staaten spielen.
Läßt sich hier möglicherweise die aus einem anderen Rechtsbereich kommende Auffassung „annähernd gleich" als eine Lösung ansehen?
Herr Kollege, ich will diesen Ausflug in ein anderes Gebiet - wir beide wissen ja, was gemeint ist - nicht mitmachen. Aber klar ist, daß, wenn bestimmte technologische Entwicklungen eine Anpassung im Bereich der modernisierten Flugabwehr ermöglichen, diese Erkenntnisse natürlich in ähnliche unter der großen Überschrift „SDI" einfließen können - wie auch umgekehrt. Alles andere wäre töricht.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Berger.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie meiner Beurteilung zu, daß die Forderung nach einer solchen erweiterten Luftabwehr das Ergebnis einer sich abzeichnenden realen Bedrohung ist und daß die Erfüllung dieser Forderung eine gemeinsame Aufgabe im Bündnis sein muß?
Herr Kollege, darauf wies ich hin. Es war immer Bestandteil der Allianz und Stärke der Allianz, daß wir trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit hier, vorne in unserem Land, Seite an Seite stehen, daß der Gürtel amerikanische, britische, belgische und deutsche Glieder hat und daß dies beibehalten werden soll. Dabei muß man sich natürlich - wie eben in der Antwort auf eine Frage schon dargestellt - jeweils der Bedrohung anpassen, um dem Auftrag gerecht zu werden.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Pauli auf:
Welche Aufgaben hatten die Teile der MAD-Gruppe S, die vom früheren Bundesminister der Verteidigung Franz Josef Strauß dem damaligen Leiter des Referats ES und heutigen Hauptabteilungsleiter Rüstung unterstellt wurden, und welche konkreten Aufgabenstellungen hatte hierbei der heutige Hauptabteilungsleiter Rüstung zu erfüllen?
Herr Kollege Pauli, zu den konkreten Aufgaben des Referats ES gehören u. a. Untersuchung von Korruptionsfällen, unterstützende Untersuchungen bei staatsanwaltschaftlichen Verfahren, Untersuchungen von den Bund schädigenden Vorgängen bei der Entwicklung, bei der Beschaffung, bei der Instandsetzung von Wehrmaterial sowie auch rechtliche Einzelfragen im Verkehr mit Bereichen der Wirtschaft und der Industrie.
Zusatzfrage, Herr Pauli.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß der Teil des Referates ES, der die wehrwirtschaftliche Aufklärung unter der Abkürzung WWA betreibt, der MAD-Gruppe S in Bonn angegliedert ist und somit faktisch dem MAD zugehört?
Klar ist, Herr Kollege, daß es keine Überschneidungen oder Doppelverteilung von Aufgaben zwischen dem in Rede stehenden Referat und der MAD-Gruppe S in Bonn gab und gibt.
Weitere Zusatzfrage, Herr Pauli.
Herr Staatssekretär: Mit welcher Begründung erhalten die Mitarbeiter von WWA die MAD-Zulage, die in der Höhe etwa der Ministerialzulage entspricht, wenn sie doch nicht zum MAD gehören?
Ich sehe beim besten Willen - ich gebe zu, daß ich den nicht habe - auf Grund der Eingangsfrage keinen Grund zu antworten.
Ich muß dem zustimmen. Der Zusammenhang ist nicht erkennbar.
Sie wollten eine Zusatzfrage stellen, Herr Mann? - Dann sind Sie dran.
Herr Kollege Würzbach, können Sie uns Aufklärung darüber geben, wie lange der jetzige Hauptabteilungsleiter Rüstung in der vom Kollegen Pauli angesprochenen Stelle tätig gewesen ist?
Von 1957 bis 1969.
({0})
Jetzt rufe ich die Frage 12 des Abgeordneten Pauli auf:
Trifft es zu, daß der aus der Organisation Gehlen stammende Agent, der in Veröffentlichungen über mutmaßliche Straftaten des heutigen Hauptabteilungsleiters Rüstung und anderen als Zeuge genannt wird, bis in die jüngste Vergangenheit regelmäßige Kontakte zum heutigen HauptabteiVizepräsident Westphal
lungsleiter Rüstung hatte, und was waren die Anlässe für diese Kontakte, beispielsweise das Einschreiben an den heutigen Hauptabteilungsleiter Rüstung vom 29. August 1978?
Herr Kollege, meine Antwort ist: Nein; das trifft nicht zu.
Zusatzfrage, Herr Pauli.
Herr Staatssekretär, mit welchem Ergebnis wurde im Bundesministerium der Verteidigung seinerzeit das mit Einschreiben vom 29. August 1978 überreichte Protokoll der Sitzung des Arbeitsgerichts Aachen vom 24. August 1978 in Sachen Großkopf - Hentges zur Kenntnis genommen?
Dieses Einschreiben, das dem Adressaten unaufgefordert zugesandt wurde, hat dieser kommentarlos dem Referat ES zugeleitet.
Ich will zu Ihrer Frage noch etwas sagen, Herr Kollege, weil Sie da ein paar Dinge eingebaut haben. Der in Rede stehende Zeuge, den wir hier ein paarmal klassifiziert haben, wo ich darauf hingewiesen habe, in welchen Verfahren er wie rechtskräftig verurteilt wurde, ist nie Mitglied der Organisation Gehlen gewesen. Er hat dies behauptet, aber bei der Vernehmung z. B. durch den Leitenden Oberstaatsanwalt beim Landgericht Bonn 1967 widerrufen. Der letzte Kontakt - auch dies will ich Ihnen gern sagen, weil Sie in der Frage unterstellen, da seien regelmäßige, bis in die jüngste Vergangenheit stattfindende Kontakte gewesen - war vor 28 Jahren, am 26. November 1958.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Pauli.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß der bayerische Ministerpräsident nicht nur in vielen anderen Fragen, sondern auch in diesem konkreten Fall, eine andere Auffassung als die Bundesregierung hat und dementsprechend bei der 10. Zivilkammer des Landgerichts in München rechtliche Schritte gegen bestimmte Veröffentlichungen u. a. über mutmaßliche Straftaten des heutigen Hauptabteilungsleiters Rüstung beantragt hat?
Ich hoffe, daß wir alle einig sind, daß in einer freien Demokratie jeder seine eigene Meinung haben kann und nicht immer die der Bundesregierung haben muß.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Mann.
Nach dieser sehr diplomatischen Antwort, Herr Kollege Würzbach, möchte ich auf Ihre Ausführungen zurückkommen, die Sie zur Glaubwürdigkeit des erwähnten Zeugen gemacht haben. Ist Ihnen eigentlich bekannt, daß der Zeuge dieses Urteil wegen uneidlicher Falschaussage im Wege der Berufung angefochten hat und daß er seine Berufung zurückgenommen hat, nachdem in der mündlichen Verhandlung der Chef des BND erschienen ist und ihm eine größere Geldsumme übergeben hat?
Herr Kollege, auf diese erneuten Unterstellungen, Behauptungen und ähnliches werde ich hier nicht eingehen und sehe den Anlaß, dies zu tun, auf Grund der eingereichten Frage auch nicht.
({0})
Das müssen wir wohl an anderer Stelle behandeln.
Die Fragen 13 und 14 des Abgeordneten Dr. Schierholz sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Verteidigung. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Karwatzki zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 15 der Abgeordneten Frau Schmidt ({0}) auf:
Reichen die von Bundesminister a. D. Dr. Geißler den Trägerinnen der Frauenhäuser angekündigten und nach seiner Auskunft mit den Ländern abgestimmten Regelungen zu einer gesicherten Finanzierung von Frauenhäusern aus, und wo treten gegebenenfalls Schwierigkeiten auf?
Herr Präsident! Frau Kollegin! Das vom Bundesminister a. D. Dr. Geißler im Sommer 1984 in einem Spitzengespräch mit den Ländern, kommunalen Spitzenverbänden und Frauenhausträgern abgestimmte Finanzierungskonzept zeigt auf, wie auch die notwendigen Personal- und Sachkosten des Frauenhauses bei einer vollen Ausschöpfung der Möglichkeiten des Bundessozialhilfegesetzes finanziert werden können. Es berücksichtigt außerdem die ergänzenden freiwilligen institutionellen Zuschüsse der Länder und Gemeinden.
Bei einer Umsetzung dieses Konzepts ist die Finanzierung von Frauenhäusern gesichert. In der Praxis treten dort Schwierigkeiten auf, wo weder dieses Finanzierungskonzept, dessen Erfolg auch von entsprechenden Vereinbarungen zwischen Sozialhilfeträgern und Frauenhausträgern abhängt, ausreichend umgesetzt wird noch alternative Finanzierungsregelungen oder Förderungsprogramme bestehen.
Eine Zusatzfrage, Frau Schmidt.
Frau Staatssekretärin, liegen dem Ministerium denn jetzt Erfah15598
Frau Schmidt ({0})
rungen der einzelnen Frauenhausträgerinnen in den Ländern, Kreisen und Städten darüber vor, welche Schwierigkeiten dort aufgetreten sind, werden diese Erfahrungen vom Ministerium systematisch erfaßt, und welche Ergebnisse gibt es da?
Wir haben im letzten Jahr eine Umfrage bei den Frauenhausträgern durchgeführt, so daß wir über einiges Material verfügen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Schmidt.
Frau Staatssekretärin, könnten Sie mir dann dankenswerterweise ein bißchen über dieses Material mitteilen?
Ich weiß wohl, daß z. B. die autonomen Frauenhäuser auf diese Umfrage nicht geantwortet haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peter.
Frau Staatssekretärin, Sie erwähnten eben die Schwierigkeiten dort, wo eben die örtlichen Träger nicht bereit sind, die in den angesprochenen Regelungen enthaltenen Hilfen in Anspruch zu nehmen. Welche Möglichkeiten sehen Sie aus der Sicht der Bundesregierung, diesem Notstand abzuhelfen?
Soweit es die kommunale Ebene betrifft, hat der Bund keine Kompetenz einzuschreiten. Andererseits haben wir jetzt eine Arbeitsgruppe eingesetzt - das will ich im Zusammenhang mit Ihrer Frage auch gleich sagen -, die uns ein Konzept vorlegen soll.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Mann.
Frau Kollegin Karwatzki, Ihnen ist sicherlich die Petition bekannt, in der ein Notprogramm für die Frauenhäuser gefordert wird. Meinen Sie nicht, daß sich bei einer positiven Stellungnahme zu dieser Petition beispielsweise auch die autonomen Frauenhäuser an dieser Umfrage beteiligt hätten, und sehen Sie nicht ein großes Problem darin, daß man immer wieder Versprechungen macht, dann aber, wenn es darauf ankommt, nicht einmal ein geringer Betrag für ein Notprogramm - wie es jetzt der Fall ist - zur Verfügung steht?
Herr Kollege Mann, aus verfassungsrechtlichen Gründen ist die Bundesregierung nicht in der Lage, dieses Geld zur Verfügung zu stellen. Das haben wir im deutschen Parlament wiederholt dargelegt. Es ist so; das tut mir schrecklich leid. Eine andere Antwort kann ich Ihnen nicht geben.
Eine Zusatzfrage, Frau Blunck.
Frau Staatssekretärin, welcher unterschiedliche bürokratische Aufwand und welche Schwierigkeiten entstehen für die Schutz suchenden Frauen sowie für die Frauenhausträger, wenn sie die finanziellen Hilfsmöglichkeiten des Bundessozialhilfegesetzes ausschöpfen wollen, und hält es die Bundesregierung angesichts der sozialen Schutzfunktion der Frauenhäuser für gerechtfertigt, daß die Frauenhausträgerinnen nach Ablauf einer bestimmten Aufenthaltsdauer verpflichtet sind, den Sozialhilfeträgern die Berechtigung des Aufenthalts der Schutz suchenden Frauen im Frauenhaus nachzuweisen?
Frau Kollegin Blunck, ich sage Ihnen ja nichts Neues: Die Empfänger öffentlicher Gelder müssen immer wieder den Nachweis dafür bringen, wo das Geld im letzten geblieben ist. So ist es auch in diesem Fall; denn der Sozialhilfeträger muß Wert darauf legen - das ist nun einmal so -, daß die Sozialhilfe wieder hereinkommt. Dann müssen die Frauenhaus-träger eben auch die Namen bekanntgeben.
Ich rufe die Frage 16 der Abgeordneten Frau Schmidt ({0}) auf:
Welche Frauenhäuser sind durch fehlende Vereinbarungen zwischen Städten und ländlichen Gemeinden in ihrer Existenz bedroht, und sieht die Bundesregierung in den geplanten bayerischen Lösungen die Möglichkeit einer generellen Regelung?
Bitte schön, Frau Staatssekretär.
Frau Kollegin Schmidt, das Fehlen von Kostenerstattungsvereinbarungen zwischen benachbarten Sozialhilfeträgern kann sich nachteilig für Frauenhäuser in Städten auswirken, wenn sich in diesen Frauenhäusern regelmäßig ein relativ hoher Anteil von mißhandelten Frauen und Kindern aus der ländlichen Umgebung aufhält. Zumindest 1985 gab es nach den Umfrageergebnissen des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit leider noch viel zu wenig freiwillige Kostenerstattungsvereinbarungen zwischen städtischen und benachbarten ländlichen Sozialhilfeträgern.
Der Erfolg von Finanzierungsvereinbarungen zwischen dem städtischen Sozialhilfeträger und dem Frauenhausträger in seiner Stadt hängt aber nicht regelmäßig von einer Klärung eventueller Kostenstreitigkeiten zwischen benachbarten Sozialhilfeträgern ab. Der Bundesregierung ist bekannt, daß das bayerische Sozialministerium für die Frauenhäuser in Bayern ein einheitliches Finanzierungskonzept unter Berücksichtigung der individuellen und institutionellen Kosten anstrebt. Über die Erfolgsaussichten dieser noch in einem Vorstadium befindlichen Pläne und den voraussichtlichen Inhalt dieses Konzepts kann die Bundesregierung zur Zeit noch keine Angaben machen.
Zusatzfrage, Frau Schmidt.
Frau Staatssekretärin, wenn Sie sagen, daß dies wohl nicht immer ein Grund für die Schwierigkeiten ist, in denen
Frau Schmidt ({0})
manche Frauenhäuser stecken, hätte ich gerne gewußt, in welchem Umfang diese finanziellen Notlagen vor allen Dingen dadurch bedingt sind, daß bestimmte Kommunen bestimmte Arten von Frauenhäusern bevorzugen und eben dann aus politischen Gründen andere nicht fördern.
Frau Kollegin Schmidt, das hängt sehr wahrscheinlich immer von der jeweiligen Stadtverordnetenversammlung und den sie tragenden Parteien ab. Danach kann der Bundesgesetzgeber nicht sagen, nach welchen Kriterien da gefördert und dort nicht gefördert wird.
Weitere Zusatzfrage, Frau Schmidt.
Frau Staatssekretärin, Sie haben vorhin eine Umfrage erwähnt. Können Sie auf Grund dieser Umfrage sagen, wie viele Frauenhäuser über den erhöhten Regelsatz nach dem Bundessozialhilfegesetz gefördert werden und wie viele dieser Frauenhäuser darüber hinaus ihre Existenz über Haushaltstitel oder ähnliches sichern?
Frau Kollegin Schmidt, ich kann Ihnen das nicht auswendig sagen. Ich lasse mir das vorlegen und stelle Ihnen dies, wenn Sie damit einverstanden sind, schriftlich zur Verfügung.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jäger ({0}).
Frau Staatssekretärin, sind Ihnen oder Ihrem Hause Vereinbarungen der in der Frage genannten Art bekannt, die sich nicht nur auf die Erstattung laufender Zuschüsse beziehen, sondern auch auf Investitionsbeihilfen der betreffenden Kostenträger an das Frauenhaus oder an den Träger des Frauenhauses, und wenn ja, welche Arten von Investitionen sind dabei gefördert worden?
In der Regel werden Personal- und Sachkosten gezahlt, so daß ich Ihre Frage im Detail nicht beantworten kann, Herr Kollege Jäger. Ich mach mich sachkundig und stelle es Ihnen schriftlich zur Verfügung.
Zusatzfrage des Abgeordneten Mann.
Frau Kollegin Karwatzki, sprechen nicht Ihre Ausführungen hinsichtlich der Schwierigkeiten, zu freiwilligen Vereinbarungen zu kommen, und auch das bayerische Beispiel dafür, daß es richtig war - wie unsere Fraktion es getan hat -, ein Gesetz für eine Bundesfinanzierung der Frauenhäuser einzubringen, um hier endlich einmal in die Gänge zu kommen?
(Frau Blunck ({0}): Habt Ihr doch gar
nicht! - Gegenruf des Abgeordneten
Natürlich haben wir ein
Gesetz eingebracht!)
Herr Kollege Mann, ich habe eben schon einmal ausgeführt: Wir haben keine Kompetenz, diesen Punkt gesetzlich zu regeln.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Blunck.
Frau Staatssekretärin, in Erinnerung an die Antwort, die Sie mir auf meine erste Frage gegeben haben, muß ich noch einmal deutlich machen: Es handelt sich hier um mißhandelte Frauen und mißhandelte Kinder, eventuell um beides. Deswegen möchte ich Sie noch einmal fragen: Welche über die erweiterte Bundessozialhilfegesetz-Finanzierung hinausgehenden rechtlichen und praktischen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um eine finanzielle Absicherung der Einrichtung von Frauenhäusern dort, wo es dringend erforderlich ist - und zwar unabhängig von politischen Ermessensentscheidungen -, zu gewährleisten?
Unabhängig von der politischen Ermessensentscheidung gibt es ja nur die Möglichkeit, auf Grund einer gesetzlichen Grundlage eine entsprechende Verpflichtung zu dokumentieren. Ich habe es hier und im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ausgeführt. Wir haben übrigens den Mitgliedern dieses Ausschusses auch die Umfrage zur Verfügung gestellt. Wir können an diesem Punkte keine gesetzliche Basis herstellen. Das verbietet unsere Verfassung.
Zusatzfrage, Frau Weyel.
Frau Staatssekretärin, spricht Ihre Antwort, daß die Entscheidung weitgehend von den politischen Mehrheiten der Kommunen abhängigkeit ist, nicht dafür, zumindest Rahmenbedingungen in gesetzlicher Form zu schaffen?
Frau Kollegin Weyel, die Rahmenbedingungen sind durch das Bundessozialhilfegesetz vorgegeben. Die Ausführungsbestimmungen machen die Länder. Hier haben die Länder durchaus die Möglichkeit, etwas zu bewirken. Im übrigen - ich sage einer erfahrenen Kommunalpolitikerin nichts Neues - wird über freiwillige Leistungen in der Kommune immer im Stadtparlament entschieden, und ich sage Ihnen auch nichts Neues, daß sich dies in der Regel nach der jeweiligen Parteienmehrheit darstellt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Peter ({0}).
Frau Staatssekretär, wie verträgt sich Ihre Äußerung, daß es für eine bundesgesetzliche Regelung keine verfassungsrechtliche Grundlage gebe, mit einem Zitat der Frau Ministerin Professor Dr. Süssmuth in der „ZEIT", wo sie sagt: „Es wäre allerdings möglich, ein Bundesgesetz zu verabschieden, nach dem die Kosten von den Ländern und Gemeinden getragen werden müßten, und zwar sowohl die Kosten für die Ausführung des Bundesgesetzes wie auch für die Finanzierung"?
Wenn die Kosten im Rahmen der von mir gerade dargelegten Möglichkeit im Zusammenhang mit den Ausführungsbestimmungen von den Ländern übernommen werden, geht dies. Im übrigen bedürfen gerade diese Gesetze immer wieder der Zustimmung der Länder, und die Länder haben bei unserer Umfrage sehr deutlich gemacht, daß sie einer solchen möglichen Rahmenkompetenz nicht zustimmen würden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dolata.
Frau Staatssekretärin, liegen Ihnen Erkenntnisse darüber vor, warum die Umfrage, die Ihr Haus durchgeführt hat und die Sie schon erwähnten, von den autonomen Frauenhäusern nicht beantwortet wurde, oder gibt es unter den Frauenhäusern Ausnahmen, die die Beantwortung vorgenommen haben, und wo kommen die Antworten dann her?
In der Regel lehnen die autonomen Frauenhäuser, die Verantwortlichen dort, das Bundessozialhilfekonzept ab. Die übrigen Anmerkungen, die wir erhalten haben, sind in der Regel von Frauenhausträgern, die der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Frauenhäuser oder aber den Wohlfahrtsverbänden angehören.
Zusatzfrage des Abgeordneten Stahl.
Frau Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß es zwischen dem, was Sie eben hier in der Fragestunde dargestellt haben, und dem, was Frau Bundesminister Dr. Süssmuth wohl in der „ZEIT" geäußert hat, eine Differenz gibt, weil es doch die Möglichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung für derartige Probleme gibt, und daß Ihre Darstellung wesentlich konservativer ist als die der Frau Bundesminister?
Diese Frage unter der Rubrik zu beantworten, ob der eine konservativer ist, der andere liberaler und der dritte vielleicht links sein könnte, kann hier gar nicht zur Debatte stehen. Zur Debatte kann hier nur stehen, was im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz möglich ist. Ob wir hier per Gesetz Rahmenbedingungen schaffen können oder ob wir uns über die Finanzierungsfrage unterhalten, Herr Kollege Stahl, das sind zwei Paar Schuhe. So gesehen muß man das auseinanderhalten, und so gesehen werden Sie weder bei Frau Kollegin Süssmuth noch bei mir eine Diskrepanz in unseren beiderseitigen Aussagen zu Frauenhäusern finden.
Wir kommen zur Frage 17 des Abgeordneten Peter ({0}):
Trifft es zu, daß das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit beabsichtigt, ein Gremium mit der Aufgabe, das Ministerium in der Frage der Finanzierung von Frauenhäusern zu beraten, einzurichten, und welches ist gegebenenfalls der Grund dafür?
Herr Kollege Peter, der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit wird eine Arbeitsgruppe „Frauenhausfinanzierung" einrichten. Die erste Sitzung soll am 10. April 1986 sein. Aus den bisherigen Umfragen bei der Frauenhauspraxis und auch aus Berichten von kommunalen Gleichstellungsstellen ist bekannt, daß die Kostenprobleme von Frauenhäusern noch nicht überall befriedigend gelöst sind.
Das vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit im Sommer 1984 gemeinsam mit den Ländern, kommunalen Spitzenverbänden und Frauenhausträgern entwickelte Finanzierungskonzept auf der Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes und ergänzender institutioneller Zuschüsse von Ländern und Gemeinden wurde offensichtlich noch nicht ausreichend in die Praxis umgesetzt.
Zusatzfrage, Herr Peter.
Frau Staatssekretärin, was ist darunter zu verstehen, wenn Sie in Ihrem Schreiben an die Institutionen und Organisationen, die eingeladen worden sind, als einen Zweck dieser Arbeitsgruppe angeben, „weitere Hilfen" zu diskutieren?
Ich habe eben ausgeführt - und ich will das hiermit noch einmal tun -, daß wir gemeinsam überlegen, wie wir gegebenenfalls Finanzierungshilfen erschließen können.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Peter.
In dem Schreiben ist weiterhin der Zweck angeführt worden, mögliche Lösungen auch daraufhin zu prüfen, ob sie rechtlich machbar und politisch durchsetzbar sind. Was verbirgt sich hinter dem dunklen Sinn dieser Worte?
Herr Kollege Peter, ich habe eben ausgeführt, daß die Gesetzgebungsfrage und die Frage der Finanzierung zwei Paar Schuhe sind. Das ist damit gemeint. Ich denke, es ist ein guter Schritt, daß wir Betroffene zu uns bitten und gemeinsam mit ihnen Überlegungen anstellen, um hier vielleicht wirklich Lösungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Eine Zusatzfrage, Frau Weyel.
Frau Staatssekretärin, welche rechtlichen und praktischen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur Umverteilung der Kosten, die den Kommunen mit Frauenhäusern entstehen, und wie will sie den Abschluß von Kostenerstattungsvereinbarungen zwischen den örtlich zuständigen Sozialhilfeträgern - also denjenigen am Sitz des Frauenhauses - und den sachlich zuständigen Sozialhilfeträgern - also denjenigen am ursprünglichen Wohnsitz der Frauen - überall verbindlich durchsetzen, damit die Einrichtung weiterer Frauenhäuser künftig nicht mehr mit dem Hinweis auf die für die Sozialhilfe entstehenden Kostenfolgen abgelehnt wird?
Frau Kollegin Weyel, wir haben die obersten Sozialhilfebehörden gebeten, hier einen Weg zu finden. Sie sind zuständig, nicht wir.
Eine Zusatzfrage, Herr Tatge.
Frau Staatssekretärin, wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund dieser prekären Finanzsituation vieler Frauenhäuser die Tatsache, daß der Ökofonds der GRÜNEN in Rheinland-Pfalz sich genötigt gesehen hat, in Rheinland-Pfalz zwei Frauenhäuser finanziell zu unterstützen?
({0})
Das ist eine sehr begrüßenswerte Initiative.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schmidt ({0}).
Frau Staatssekretärin, Sie haben uns geschildert, daß Herr Minister Geißler seinerzeit ein Konzept vorgelegt hat. Sie haben uns seinerzeit hier im Parlament und auch in den zuständigen Ausschüssen dargestellt, daß diese Schwierigkeiten jetzt beseitigt sind. Offensichtlich sind diese Schwierigkeiten aber doch nicht beseitigt. Sonst wäre es ja nicht nötig, so ein Gremium einzurichten. Könnten Sie uns einmal sagen, warum es nicht gelungen ist, dieses doch so hervorragende Finanzierungsmodell, das Herr Minister Geißler erarbeitet hat, in die Praxis umzusetzen, und worin die Schwierigkeiten bestanden und bzw. welches die Gründe dafür sind, daß dies nicht gelungen ist?
Frau Kollegin Schmidt, wir haben nicht gesagt, daß das Modell bereits in die Praxis umgesetzt ist. Ich teile aber Ihre Meinung, daß dieses Modell ein gutes ist.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Blunck.
Frau Staatssekretärin, ich möchte noch einmal auf die Finanzierung zu sprechen kommen. Sie sind sicher mit mir der Meinung, daß der Aufenthalt in einem Frauenhaus nur ein vorübergehender sein sollte. Sind Sie mit mir dann auch der Meinung, daß die Finanzierung über das Bundessozialhilfegesetz eine der schlechtesten ist, weil danach das Frauenhaus und die dort befindlichen Betreuer, wenn sie denn sinnvolle Arbeit leisten wollen, die immer auch Geld kostet, daran interessiert sein müssen, daß die Frauen so lange wie möglich in dem Frauenhaus verbleiben? Halten Sie das wiederum im Interesse der mißhandelten Frauen und Kinder für sinnvoll?
Was den Aufenthalt betrifft, so bin ich der Meinung, daß er grundsätzlich überflüssig sein müßte. Wenn er denn schon sein muß, dann soll er so kurz sein wie nur eben möglich. Frau Kollegin, wenn Sie mir sagen, welche andere Finanzierung als die auf der Basis der Gesetze möglich ist, wenn Sie also diesbezüglich eine Handlungsmöglichkeit sehen, dann sage ich Ihnen zu, der Sache nachzugehen und eine Prüfung vorzunehmen. Im Anschluß werde ich Ihnen entweder ein positives Ergebnis der Prüfung mitteilen können oder aber leider nein sagen müssen. Es gibt keine andere Finanzierungsmöglichkeit als die nach dem Bundessozialhilfegesetz. Selbst wenn wir eine andere Möglichkeit wollten, Frau Kollegin Blunck: Die Länder würden nein sagen, und zwar durchgängig, ob sie nun von der CDU bzw. CSU oder von der SPD regiert werden.
({0})
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dolata.
Frau Staatssekretärin, können Sie bestätigen, daß die von der SPD-Kollegin angeschnittene Gefahr größer wird, wenn nicht der Einzelfall, sondern die Institution gefördert wird?
Ja, die Gefahr besteht in jedem Fall, Herr Kollege.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Peter ({0}) auf:
Welche Institution/Personen sollen diesem Gremium angehören, und welches Ziel wird vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit in den Beratungen mit dem geplanten Gremium angestrebt?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Peter, in dieser sechsköpfigen Arbeitsgruppe „Frauenhaus-Finanzierung" sollen sowohl die Länder - vorzugsweise durch ein Flächenland - als auch die kommunalen Spitzenverbände, der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge, die Arbeitsgemeinschaft deutscher Frauen- und Kinderschutzhäuser, die Autonomen Frauenhäuser und schließlich die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsstellen vertreten sein. Dazu kommen noch die Vertreter des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit.
Die Arbeitsgruppe soll politisch durchsetzbare Vorschläge zur Lösung noch bestehender Finanzierungsschwierigkeiten von Frauenhäusern entwik- kein. Vorrangig geht es dabei um eine wirksamere Umsetzung des bereits in der Antwort zur ersten Frage erwähnten, im Sommer 1984 gemeinsam entwickelten Finanzierungskonzepts.
Zusatzfrage, Herr Peter.
Bedeutet die Tatsache, Frau Staatssekretärin, daß auch hier die Arbeitsgemeinschaft der Autonomen Frauenhäuser eingeladen wird, daß in der Arbeitsgruppe die Bereitschaft vorauszusetzen ist, die bei den Autonomen Frauenhäusern diskutierte spezifische Aufgabenstellung der Autonomen Frauenhäuser finanziell abzusichern?
Herr Kollege, Sie dürfen davon ausgehen, daß wir selbstverständ15602
lich in Offenheit an diese Frage herangehen. Dabei wird selbstverständlich auch dieses Modell erneut gemeinsam beraten, geprüft und entschieden.
Weitere Zusatzfrage, Herr Peter.
Frau Staatssekretärin, bedeutet dieses „in Offenheit herangehen", daß auch Bereitschaft besteht, zu prüfen, ob nach dem Grundsatz der öffentlichen Fürsorge des Bundes und der gleichen Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik eine bundesgesetzliche Regelung erneut überprüft werden könnte?
Herr Kollege Peter, ich habe zum, glaube ich, zehnten Male in meinen Ausführungen gesagt, daß wir keine Finanzierungskompetenz haben. Aber wenn es Sie beruhigt: Ich selber werde mich damit ein bißchen mehr beschäftigen, als ich es normalerweise vom Amt her tun muß. Sie dürfen sicher sein: Sobald auch nur im Ansatz eine Möglichkeit besteht, gehen wir der Sache nach.
So, nun haben wir die Frauenhäuser für heute von der Tagesordnung.
Wir kommen zur Frage 19 des Abgeordneten Werner ({0}):
Auf welche Weise beabsichtigt die Bundesregierung angesichts der hohen Dunkelziffer von 200 000 Abtreibungen und der über die Krankenkassen offen abgerechneten 80 000 Abtreibungen im Jahre 1985, allen Bundesländern gegenüber nachdrücklich darzulegen, daß die Verwirklichung der Forderung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1975, Schwangerschaftsberatung sei primär als Beratung zur Fortsetzung der Schwangerschaft durchzuführen, rasch sowohl organisatorische Veränderungen als auch zusätzliche finanzielle Leistungen im Beratungsbereich verlangt?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Werner, die Bundesregierung hat im Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe zum Programm „Schutz des ungeborenen Lebens", der im Dezember 1983 vorgelegt worden ist, dazu festgestellt:
Zeitpunkt, Inhalt und Form der Beratung sind für den Schutz des ungeborenen Lebens von großer Bedeutung. Dem suchen Beratungsrichtlinien bzw. Beratungsgesetze in unterschiedlicher Weise Rechnung zu tragen.
Als bisher einziges Bundesland sieht Bayern in seinem Schwangerschaftsberatungsgesetz vor, daß die soziale Beratung vor der Feststellung der Notlagenindikation durch den Arzt erfolgen soll. Darüber hinaus wird eine strikte Trennung zwischen Beratung und Indikation, die deshalb nicht in der Beratungsstelle festgestellt werden darf, vorgeschrieben. Die Beratung wird als Aufgabe der Beratungsstellen, die Indikationsfeststellung als Sache der Ärzte angesehen.
Mit dieser Regelung soll erreicht werden, daß die Schwangere in der Beratungsstelle alle Probleme offen ansprechen kann, ohne befürchten zu müssen, daß ihre Aussagen einen Einfluß
auf die Indikationsfeststellung haben. Die Beratungsstelle soll für die Lebenschancen des ungeborenen Kindes eintreten und nicht zugleich die Gründe, die einen Schwangerschaftsabbruch rechtfertigen, überprüfen und festlegen. Der Freiraum, der durch die Trennung zwischen Beratung und Indikationsfeststellung geschaffen wird, ermöglicht eine effektive Beratung.
Unter diesen Gesichtspunkten erscheint es angebracht, daß auch die anderen Bundesländer ähnliche Regelungen wie Bayern in ihren eigenen Beratungsrichtlinien bzw. -gesetzen übernehmen. Im Interesse einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Gesetzes und einer entsprechenden Bewußtseinsbildung in der Bevölkerung ist eine Vereinheitlichung der Ländervorschriften wünschenswert.
Mit Datum vom 9. Dezember 1985 hat zwischenzeitlich auch das Land Baden-Württemberg die für die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen maßgebenden Anerkennungs- und Förderungsrichtlinien in diesem Sinne geändert.
Mit Schreiben vom 7. Juni 1985 hat der damalige Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Dr. Heiner Geißler, ein Schreiben an die zuständigen Ministerien der Länder gerichtet und sie aufgefordert, den im Zusammenhang mit der Errichtung der Bundesstiftung „Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens" deutlich gewordenen Beratungsbedarf zum Anlaß zu nehmen, zu prüfen, ob eine zusätzliche Förderung der Beratungsstellen notwendig sei, und sie gebeten, gegebenenfalls für eine bedarfsgerechte personelle Ausstattung der Beratungsstellen Sorge zu tragen.
Schließlich geht die Bundesregierung davon aus, daß sich die Länder mit der Entschließung des Bundesrates vom 20. Dezember 1985 selbst in die Pflicht genommen haben, die Bemühungen um den Schutz des ungeborenen Lebens im Sinne der dort beschlossenen Vorschläge zu verstärken.
Zusatzfrage, Herr Werner.
Frau Staatssekretärin, läßt sich denn jetzt schon in etwa absehen, ob weitere Länder - außer den Ländern Bayern und Baden-Württemberg - in die organisatorische, d. h. in die räumliche, zeitliche und personelle Trennung von Indikation und Beratung hineingehen werden und darüber hinaus vor allen Dingen die Langzeitunterstützung bei Problemschwangerschaften bzw. von Schwangeren in Not zusätzlich einführen werden?
Herr Kollege, soweit ich informiert bin - und das bin ich in dem Punkt eigentlich ganz gut -, gibt es in den anderen Ländern zur Zeit keine Anzeichen dafür, daß hier etwas geändert wird.
Weitere Zusatzfrage, Herr Werner.
Sehen Sie denn eine Möglichkeit, auch in den Ländern, die sich bisher passiv verhalten, etwa im Rahmen einer Kooperation mit den Ärzteverbänden und vor allem mit den Kirchen eben doch die Bereitschaft dazu zu wecken, umittelbar - und sei es mit einem Anfang in den einzelnen Kommunen, in denen damit durchaus begonnen werden kann - in diesen Bereich hineinzugehen und so Förderungs- und Unterstützungsmaßnahmen zu schaffen?
Herr Kollege Werner, solche Gespräche laufen; darüber bin ich informiert. Ich habe Hoffnung, daß sich das dann in Ihrem Sinne vielleicht ergeben kann.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jäger ({0}).
Frau Staatssekretärin, habe ich Ihrer Antwort richtig entnommen, daß die Bundesregierung die Auffassung teilt, daß die eigentliche und vordringliche Aufgabe der Beratungsstellen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 eine Beratung für das Leben, eine Beratung für die Fortsetzung der Schwangerschaft sein muß, und ist die Bundesregierung danach dann der Auffassung, daß es die Pflicht aller Landesbehörden sein muß, dies gegenüber den in ihrem Land bestehenden Beratungsstellen auch durchzusetzen?
Herr Kollege Jäger, es ist selbstverständlich - und das steht auch im Gesetz -, daß die Beratungsstellen für das Leben beraten müssen. Ich gehe davon aus, daß das in der Regel auch geschieht. Dort, wo das nicht geschieht, muß dann eben das zuständige Land entsprechend handeln.
Zusatzfrage, Graf Huyn.
Frau Staatssekretärin, was hat die Bundesregierung bisher getan, und was beabsichtigt sie in Zukunft zu tun, insbesondere durch Kontakte mit den entsprechenden Ärztekammern, um dem Skandal entgegenzuwirken, der in der hohen Dunkelziffer besteht?
Herr Kollege Graf Huyn, wir sind in permanenten Gesprächen mit den Ärzteverbänden und versuchen - auch aus diesen Gesprächen heraus -, das, was wir als richtig und wichtig erkennen, an die Länder und die entsprechenden Beratungsstellen weiterzugeben.
Zusatzfrage des Abgeordneten de With.
Teilt die Bundesregierung die in der Frage niedergelegte Auffassung, wonach es eine Dunkelziffer von 200 000 gebe, und wenn ja, worauf stützen Sie diese Auffassung?
Herr Kollege, ich stütze mich bei meinen Aussagen auf die Angaben, die das Statistische Bundesamt macht. Im übrigen hat die Ärztekammer wie auch die entsprechende Kassenärztliche Vereinigung uns gegenüber deutlich gemacht, daß wir von Zahlen, die in der Größenordnung von 200 000 und darüber liegen, ausgehen dürfen.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schmidt.
Frau Staatssekretärin, es gibt ja auch Bundesländer, die der Meinung sind, daß die Trennung von Beratung und Indikation die Lage der Frauen eher erschwert. Könnten Sie dem Parlament einmal darstellen, welche Argumentation diese Bundesländer haben?
Ich weiß nicht, welche Argumentation diese Bundesländer haben. Ich habe die Aufgabe, hier die Auffassung zu vertreten, daß in jedem Fall der Schutz des ungeborenen Lebens von uns zu respektieren ist.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil.
Frau Staatssekretärin, entnehmen Sie dem in der vorletzten Frage dargestellten Unterschied zwischen statistischen Meldungen und tatsächlich abgerechneten Schwangerschaftsabbrüchen, daß ein erhebliches Auseinanderklaffen zwischen Verfassungsrecht und praktizierter Wirklichkeit besteht? Begrüßen Sie in diesem Zusammenhang nicht nur, wie Sie es getan haben, die Bemühungen der Länder, dieses Auseinanderklaffen zu beenden, sondern sehen Sie auf längere Zeit eine Notwendigkeit, falls diese Bemühungen in den Ländern nicht zum Erfolg führen, durch eine Bundesberatungsordnung die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik wiederherzustellen?
Herr Kollege, Ihre Frage erfordert mindestens fünf Antworten. Das fällt mir sehr schwer. Was den ersten Teil Ihrer Frage angeht, so möchte ich mit einem klaren Ja antworten. Mit dem Begrüßen bin ich einverstanden. Was den letzten Teil Ihrer Frage angeht, so möchte ich sagen: Es muß sehr genau überlegt werden, ob der Bund Einfluß auf die Länder ausüben wird.
Zusatzfrage, Frau
Blunck.
Frau Staatssekretärin, die Herren Kollegen - die Betonung liegt auf „Herren" - haben viel über Frauen gesprochen und möchten veranlassen, daß die Ärztekammer etwas tut. Würden Sie mir zustimmen, daß Frauen, die schwanger sind und einen Abbruch überlegen, einen schweren Weg gehen und dies keineswegs leichtfertig tun?
Es ist für mich eine klare Aussage, daß dieses nicht leichtfertig gemacht wird. Ich möchte aber auch sagen, daß in der Regel auch Männer davon betroffen sind. Ich
denke, wir sollten die Männer auch zum Mitreden einladen, ebenso zum Handeln.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Mann.
Frau Kollegin Karwatzki, stimmen Sie mir zu, daß das Problem der Dunkelziffer auch ein Problem der alten Rechtslage war?
Ja, dem kann ich zustimmen.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Werner ({0}) auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung durch verstärkte öffentliche Aufklärung, insbesondere in den Medien und in der Schule, die Sicherung des Lebensrechts des ungeborenen Kindes als Aufgabe von Verfassungsrang ({1}) im Wertbewußtsein der Bevölkerung effektiver zu verankern, als dies bisher der Fall ist?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Werner, wie Sie wissen, hat die Bundesregierung die Broschüre „Das Leben vor der Geburt" herausgegeben. Diese Veröffentlichung hat inzwischen eine Auflage von 900 000 Exemplaren erreicht.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung ihre Möglichkeiten, durch die Förderung von Modellmaßnahmen zu einer Verbesserung der Rahmenbedingungen zum Schutz des ungeborenen Lebens beizutragen, in dem Umfang der zur Verfügung stehenden Finanzmittel voll ausgeschöpft.
Im einzelnen verweise ich auf folgende Modellprojekte: wissenschaftliche Überprüfung und kontrollierte Vermittlung der natürlichen Methoden der Empfängnisregelung; wissenschaftliche Untersuchung zur Erfassung und Verbesserung der sozialen und pädagogischen Arbeit in Mutter-Kind-Einrichtungen; Förderung von Aufklärungs- und Beratungsschriften zur Familienplanung; Entwicklung und Umsetzung sexualpädagogischer Arbeitshilfen für die Jugendarbeit; Entwicklung neuer Materialien zur Sexualaufklärung; Entwicklung eines neuen ärztlichen Fortbildungsprogramms zur Schwangerschaftskonfliktberatung und Familienplanung; Untersuchung über Adoption als mögliche Perspektive im Schwangerschaftskonflikt; Förderung von Bildungsmaßnahmen zur Stärkung des Wertbewußtseins in Ehe und Familie im Rahmen der verbandlichen Familienbildungsarbeit.
Wie weit die von der Bundesregierung geförderten Materialien auch in Schulen eingesetzt werden, unterliegt der Entscheidung der Kultusminister der Länder.
Zusatzfrage des Abgeordneten Werner ({0}).
Werner ({1}): Frau Staatssekretärin, gibt es denn Bemühungen seitens der Bundesregierung, in Koordinierungsgesprächen mit den Kultusministern der Länder mehr oder weniger zu einer einheitlichen Verwendung und Handhabung der von der Bundesregierung vorgehaltenen Materialien auf der einen Seite und zu einer entsprechenden Behandlung des Verfassungsauftrags des Lebensschutzes auch für ungeborene Kinder in den Schulbüchern auf der anderen Seite hinzuwirken?
Was den ersten Ansatz angeht, Herr Kollege, begrüße ich es sehr, daß wir gerade auf dem Feld der Kulturhoheit der Länder eine Vielfalt zu verzeichnen haben. Ich meine, die Entscheidungen müssen dort getroffen werden, wo die Verfassung es vorschreibt, nämlich in den Landesregierungen.
Was den zweiten Aspekt angeht, so teile ich Ihre Meinung, daß wir darauf hinwirken sollten, daß gerade über den Lebensschutz auch in den Schulbüchern geschrieben wird.
Weitere Zusatzfrage, Herr Werner.
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, insbesondere auch in dem Bereich der Filmförderung und damit medienbreit, dieses Problembewußtsein in besonderem Maße und stärker als bisher zu fördern, damit gerade auch über den „berühmten" Fernseher dieses Bewußtsein und der besondere Verfassungsrang des Verfassungsgutes „Lebensrecht für alle" in entsprechendem Maße der Bevölkerung dargestellt werden kann?
Herr Kollege, soweit wir mit Einfluß nehmen können und auch etwas fördern können, tun wir das.
Zusatzfrage des Abgeordneten Peter ({0}).
Frau Staatssekretärin, eingedenk des Prinzips des lebenslangen Lernens und des Ablaufs dieser Fragestunde: Halten Sie es für sinnvoll, daß die Bundesregierung Materialien erstellt, die geeignet wären, bei einigen Kollegen dieses Hauses liberalisierende Gedanken stärker zu verankern?
Ich bin der Meinung, daß das Material, das die Bundesregierung herausgibt, sehr gut ist. Die Bundesregierung gibt auf dem Wertehintergrund das Material heraus, von dem sie überzeugt ist, daß es gut ist.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Jäger ({0}).
Frau Staatssekretärin, darf ich im Zusammenhang mit dem, was der Kollege Werner eben zur Filmförderung gefragt hat, eine konkrete Frage an Sie richten: Da bekannt ist, daß sich der auch ins Deutsche synchronisierte Film des amerikanischen Arztes Dr. Nathanson, in dem zum erstenmal eine Abtreibung mit modernsten Geräten aufgenommen worden ist, als besonders gutes Mittel zur Information über diesen VorJäger ({0})
gang erwiesen hat, frage ich: Ist die Bundesregierung bereit, diesen Film in einer Anzahl von Kopien vorzuhalten und ihn Institutionen, die ihn gebrauchen wollen - Vereinigungen, Volkshochschulen usw. -, zur Verfügung zu stellen, ähnlich wie andere Ministerien ja auch informierende Filme vorhalten und zur Verfügung stellen?
({1})
Herr Kollege, soweit mir bekannt ist, ist gerade dieser Film in einer großen Zahl von Kopien bei den freien Trägern abzurufen. Ich meine, daß die Bundesregierung an diesem Punkt nicht noch zusätzlich etwas tun muß.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Catenhusen.
Abgesehen davon, daß mich der Wertehintergrund der Bundesregierung, von dem Sie, Frau Staatssekretär, gesprochen haben, bei verschiedenen konkreten politischen Maßnahmen sehr interessieren würde, möchte ich Sie doch auch konkret fragen, ob Sie mir zustimmen, daß wir zur Senkung der Zahl von Abtreibungen wesentlich effektiver und direkter helfen können, wenn wir statt der Verstärkung des allgemeinen Sittenunterrichts in der Schule auch wieder gezielter für eine qualifizierte Sexualaufklärung in den Schulen unter Einschluß von Informationen über Verhütungspraktiken eintreten sollten, weil das sicherlich - ich sage das mal - sehr konkrete Auswege als Alternative zur Abtreibung eröffnen könnte und eröffnen muß?
Herr Kollege, was das letzte angeht, darf ich mir erlauben, Ihnen das gute Material des Hauses zur Verfügung zu stellen. Dann werden Sie sehen, wie wir gerade in Aufklärungsschriften unserer Aufgabe in der Sexualerziehung und auch -aufklärung nachkommen.
({0})
- Bitte?
({1})
- Ach, ich glaube schon, daß die es wissen. Ich glaube, soweit Kollegen anderer Meinung sind, sollten wir sie hier auch so fragen lassen, wie sie es für richtig erachten. Ich meine, es hat dann nichts mit Sitte und Anstand zu tun, sondern es hat etwas mit der Überzeugung des einzelnen Kollegen zu tun, der hier gefragt hat.
Zusatzfrage des Abgeordneten Graf Huyn.
Frau Staatssekretärin, bemüht sich die Bundesregierung auch angesichts der ausführlichen Unterlagen und Materialien, die Sie geschildert haben und die in Ihrem Hause erarbeitet worden sind, nicht nur auf den Schulunterricht einzuwirken, sondern auch darauf, daß entsprechende Materialien bei der Lehreraus- und -fortbildung benutzt werden, um dort auf die Notwendigkeit hinzuweisen, daß der Verfassungsrang des Rechtes auf Leben deutlich gemacht wird?
Herr Kollege, auch die Ausbildung der Lehrer entzieht sich unserer Mitbestimmung. Dafür sind die Länder zuständig. Ich kann die entsprechenden Landesregierungen nur bitten, das von uns erstellte Material in die Lehrerfortbildung und Ausbildung einzubeziehen. Mehr Rechte haben wir nicht.
Zusatzfrage, Frau Blunck.
Frau Staatssekretärin, dieser Abtreibungsfilm und Ihre Antwort veranlassen mich zu der Frage, ob Sie einen Anlaß sehen, allen Kollegen und der Öffentlichkeit Aufklärungsmaterial über Mißhandlungen von Kindern zugänglich zu machen.
Das steht zwar nicht in direktem Zusammenhang
({0})
- Entschuldigung, ich darf doch antworten, Herr Lambinus -, aber so wie ich die Fragesteller verstanden habe, werden sie sicherlich zustimmen, daß das entsprechende Material auch aufbereitet und zur Verfügung gestellt wird.
({1})
Zusatzfrage des Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil.
Frau Staatssekretärin, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, die Materialien, die in Ihrem Hause zu diesem Thema erstellt würden, würden auf dem Wertehintergrund der Bundesregierung erstellt, und ist es richtig, daß dieser Wertehintergrund der unsere Verfassung ist, der speziell in diesem Bereich durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 erläutert und ausgedeutet worden ist?
Ich bedanke mich ausdrücklich für diese Frage. Ich möchte mit einem klaren Ja antworten.
({0})
Ich rufe Frage 21 der Abgeordneten Frau Augustin auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Befürchtungen, daß durch die Einführung der AiP-Phase der Bestand an Assistenzarztstellen in „Arzt-im-Praktikum"-Stellen in nicht mehr vertretbarem Maße zurückgeht, und sind Maßnahmen vorgesehen, die geeignet wären, dieser Entwicklung vorzubeugen?
Bitte schön, Frau Staatssekretär.
Frau Kollegin Augustin, die Bundesregierung teilt die Befürchtung nicht, daß durch die Einführung der Tätigkeit als Arzt im Praktikum der Bestand an Assi15606
stenzarztstellen in nicht mehr vertretbarer Weise zurückgeht.
Es trifft zu, daß entsprechend der großen Zahl der Studienabsolventen in der Medizin eine große Anzahl von Stellen für Ärzte im Praktikum geschaffen werden muß. Benötigt werden zunächst ca. 18 000, später ca. 24 000 Stellen, die zum größten Teil in Krankenhäusern bereitgestellt werden müssen.
Wie schon in der Begründung zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung ausgeführt, sollen in den ersten Jahren des Anlaufens der Praxisphase jährlich frei werdende Arztstellen in Krankenhäusern in Stellen für Ärzte im Praktikum umgewandelt und aufgeteilt werden. Auf die Schaffung neuer Stellen für Ärzte im Praktikum in Krankenhäusern muß verzichtet werden, damit die Praxisphase soweit wie möglich kostenneutral realisiert werden kann.
Nach den Schätzungen der Bundesregierung auf Grund der Erfahrungen früherer Jahre werden jährlich ca. 5 000 Arztstellen in Krankenhäusern frei. Aus diesen Stellen können Stellen für Ärzte im Praktikum geschaffen werden. Es ist derzeit noch nicht bekannt, in welchem Verhältnis sie für Ärzte im Praktikum aufgeteilt werden müssen, da tarifvertragliche Regelungen für Ärzte im Praktikum noch nicht vereinbart worden sind.
Legt man ein Verhältnis von 1 :3 zugrunde, so würden ca. 6 700 Arztstellen in Krankenhäusern benötigt. Damit können ca. 20 000 Stellen für Ärzte im Praktikum geschaffen werden. Bei einem Verhältnis von 1 : 2 würden ca. 10 000 Arztstellen in Krankenhäusern benötigt. 4 000 Stellen können in ärztlichen Praxen und anderen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden.
Aus diesen Berechnungen ergibt sich, daß nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der vorhandenen ca. 45 000 Assistenzarztstellen in den Krankenhäusern in Anspruch genommen zu werden braucht. Die Befürchtung, die Umwandlung und Aufteilung von Assistenzarztstellen zugunsten von Stellen für Ärzte im Praktikum bedrohe die ärztliche Versorgung in den Krankenhäusern, ist nicht begründet, zumal auch die Ärzte im Praktikum in der Krankenversorgung eingesetzt werden. Auch ist kaum mit einer wesentlichen Schmälerung der Weiterbildungsmöglichkeiten zu rechnen, da Tätigkeitszeiten der Praxisphase, die denen einer Weiterbildung entsprechen, auf die Weiterbildung angerechnet werden sollen. Die rechtlichen Grundlagen hierfür werden zur Zeit in den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern geschaffen.
Zusatzfrage, Frau Augustin.
Vielen Dank; ich habe keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich Frage 22 des Abgeordneten Kirschner auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei Sozialhilfeempfängern das sogenannte Zusatzkindergeld bis 46 DM pro Monat und Kind von der Sozialhilfeleistung abgezogen wird?
Bitte schön, Frau Staatssekretär.
Herr Kollege Kirschner, dies ist der Bundesregierung bekannt. Sie hat die Gründe für die Anrechnung des Zusatzkindesgeldes bei der Hilfe zum Lebensunterhalt in der Antwort auf eine entsprechende schriftliche Frage des Abgeordneten Oostergetelo vom Januar 1986 ausführlich dargelegt. Die Erklärung hierfür ergibt sich aus Aufgabe und System der Sozialhilfe. Die Sozialhilfe soll dem Empfänger der Hilfe eine menschenwürdige Lebensführung ermöglichen. Andererseits werden auf Grund des Nachranggrundsatzes vorhandene Eigenmittel, Einkommen aus Arbeit oder Leistungen anderer Sozialleistungsträger bei der Hilfe zum Lebensunterhalt grundsätzlich berücksichtigt. Die vom System her gebotene Anrechnung von Einkommen ist seit jeher ein Grundprinzip der Sozialhilfe. Demzufolge sind z. B. Renten, Wohngeld, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, Leistungen der Ausbildungsförderung, das bisherige Mutterschaftsgeld und das Kindergeld bei der Sozialhilfe anzurechnen, oder die Hilfe wird um die kindbezogene Einkommensteuerermäßigung gemindert. Dasselbe gilt folgerichtig auch für den Kindergeldzuschlag.
Für die Gesamtbeurteilung darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Regelsätze zum 1. Juli 1985 um rund 8 % angehoben worden sind, wodurch dem Sozialhilfeempfänger in Anbetracht der niedrigen Preissteigerungsrate eine reale Verbesserung von 6 % und mehr zukommt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kirschner.
Frau Staatssekretärin, wie verträgt sich das mit der behaupteten Zielsetzung bei der Wiedereinführung der steuerlichen Kinderfreibeträge, wonach einkommensschwachen Familien, die steuerlich nicht mindestens 46 DM pro Kind und Monat geltend machen können, entsprechend zusätzlich Kindergeld - sogenanntes Zusatzkindergeld - zu gewähren ist?
Herr Kollege, das bekommen die Sozialhilfeempfänger ja. Insofern ist das sachlich richtig.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kirschner.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir dann erklären, wie sich dies für die Betroffenen unter dem Strich auswirkt? Mich würde auch interessieren, wieviel Kinder und Familien, die Sozialhilfe empfangen, bei dieser Regelung, unter dem Strich gesehen, leer ausgehen.
Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich mache mich aber sachkundig. Da die Regelung erst im Januar im Rahmen der Möglichkeiten Gesetz geworden ist, verfügen wir noch nicht über die erforderlichen Zahlen. Ich sage Ihnen, Herr Kollege Kirschner, aber zu, Ihre Frage auf Wiedervorlage zu legen, und hoffe, Ihnen nach etwa einem halben Jahr ein einiParl. Staatssekretär Frau Karwatzki
germaßen aussagefähiges, stichprobenartiges Ergebnis zuleiten zu können.
Zu einer Zusatzfrage Frau Schmidt ({0}).
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, daß auch andere einkommensschwache Gruppen große Schwierigkeiten mit diesem Zusatzkindergeld haben, so z. B. Rentner, die wegen der Höhe ihrer Rente selber nicht einkommensteuerpflichtig sind und behinderte Kinder haben, denen von den zuständigen Behörden die monatliche Auszahlung des Zusatzkindergeldes verweigert wurde, ebenso einige Arbeitslose, denen es ebenfalls verweigert wurde? Und sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, sicherzustellen, daß die an und für sich geplante monatliche Auszahlung für solche Gruppen tatsächlich möglich wird?
Frau Kollegin Schmidt, auch mir sind einige solcher Fälle, wie Sie sie geschildert haben, bekannt. Sie dürfen sicher sein, daß wir der Sache nachgehen. Gegebenenfalls muß dafür eine Lösung geschaffen werden. Wie aber eben gegenüber dem Kollegen Kirschner kann ich auch Ihnen gegenüber jetzt keine abschließende Meinung vortragen, weil das Gesetz ja erst seit Januar in Kraft ist.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Ich danke der Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen.
Den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau brauche ich nicht aufzurufen, weil die Fragen 23 und 24 des Abgeordneten Reschke, 25 und 26 des Abgeordneten Schmitt ({0}), 27 des Abgeordneten Meininghaus und 28 des Abgeordneten Müntefering auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden - die Antworten werden als Anlagen abgedruckt - und die Fragen 29 und 30 des Abgeordneten Werner ({1}) vom Fragesteller zurückgezogen worden sind.
Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Haunschild zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Catenhusen auf:
Welche Untersuchungen werden vom Bundesminister für Forschung und Technologie gefördert bzw. sollen gefördert werden, in denen die Möglichkeiten für einen weiteren Einsatz von Robotern untersucht werden?
Herr Abgeordneter, bei der Fraunhofer-Gesellschaft wird im Rahmen des Programms „Forschung zur Humanisierung des Arbeitslebens" das Vorhaben „Anwendungsberatung für flexible Handhabungssysteme" gefördert. Die Laufzeit reicht vom 1. Oktober 1982 bis zum 31. Dezember 1986. Der Gesamtförderbetrag beträgt 6,27 Millionen DM.
Das Vorhaben wird unter der Bezeichnung „Beratungszentrum Industrieroboter" gemeinsam durchgeführt vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung und vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation sowie von der Gesellschaft für Arbeitsschutz und Humanisierungsforschung.
Aufgabe dieses Projekts ist die Untersuchung von Möglichkeiten für den menschengerechten Einsatz von Industrierobotern durch Aufbau und Auswertung von Geräte- und Einsatzfalldateien sowie durch Beratung kleiner und mittelständischer Unternehmen, die an einem menschengerechten Einsatz von Industrierobotern interessiert sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Catenhusen.
Plant die Bundesregierung, auch Untersuchungen zu fördern, die klären sollen, in welchen Branchen über die bisher bekannten hinaus künftig Roboter eingesetzt werden können?
Der Einsatz von Robotern insgesamt ist Thema von Forschungsprogrammen des Bundes, jedoch in anderer Form. Jetzt habe ich über das Programm „Humanisierung" gesprochen, in dem Forschungen insbesondere mit dem Ziel betrieben werden, schädliche Wirkungen des Einsatzes von Robotern zu vermeiden.
Der Einsatz von Robotern im allgemeinen - ich glaube, darauf zielt Ihre Frage - ist Gegenstand des Programms für die Fertigungstechnik, und dort gibt es insbesondere ein Programm der sogenannten indirekt spezifischen Förderungen, wo lediglich Kriterien aufgestellt worden sind und wo dann, wenn diese Kriterien erfüllt sind, quasi ein Anspruch des Industrieunternehmens auf Förderung besteht.
Eine Zusatzfrage, Herr Catenhusen.
Da bin ich vielleicht nicht ganz richtig verstanden worden: Die Frage von mir lautete, ob es in Ihrem Hause, Herr Staatssekretär, Überlegungen gibt, einen Auftrag zu vergeben, zu untersuchen, in welchen Branchen - zusätzlich zu den bekannten Branchen wie Automobilindustrie oder Maschinenbau - künftig Roboter eingesetzt werden könnten. Werden solche Überlegungen angestellt?
Mir sind solche konkreten Überlegungen im Moment nicht präsent. Angesichts der großen Zahl der Mitarbeiter möchte ich aber nicht ausschließen, daß jemand diese Überlegungen anstellt.
Wir kommen zu Frage 32 des Abgeordneten Catenhusen:
Vizepräsident Westphal
Welche Untersuchungen werden vom Bundesminister für Forschung und Technologie gefördert bzw. sollen gefördert werden, um die sozialen Folgen eines verstärkten Robotereinsatzes zu untersuchen, und welche Beratungsstellen, die vom Bundesminister für Forschung und Technologie gefördert werden, stehen den Betriebsräten in den vom Roboter-einsatz betroffenen Branchen zur Verfügung?
Die Untersuchung der sozialen Folgen des Robotereinsatzes ist u. a. auch Aufgabe des Vorhabens „Sozial- und arbeitswissenschaftliche Begleitforschung zum Verbundprojekt neue Handhabungssysteme, Erschließung neuer Anwendungsgebiete und Ausbau der Technologie". Dieses Projekt wird bei der Gesellschaft für Arbeitsschutz und Humanisierung im Zeitraum vom 1. April 1979 bis zum 30. Juni 1986 mit einem Gesamtbetrag von 4,76 Millionen DM durchgeführt.
Die Thematik, die ich eben nannte, ist auch in den Aufgabenstellungen einer Reihe anderer Vorhaben enthalten, nämlich erstens: Evaluierung von betrieblichen Modellvorhaben zur menschengerechten Anwendung neuer Technologien in der Serienmontage. Durchführende Stelle ist das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation; Laufzeit 1. August 1985 bis 31. Oktober 1986, Förderbetrag rund 1 Million DM.
Ich nenne ein weiteres Vorhaben: Evaluierung des Förderschwerpunkts „Menschengerechte Anwendung neuer Technologien in der Produktion"; durchführende Stelle: Battelle-Institut in Frankfurt, Laufzeit vom 1. September 1985 bis zum 31. August 1989, Förderbetrag etwa 2,5 Millionen DM.
Die Beratung von Betriebsräten in denjenigen Branchen, die Roboter einsetzen, gehört auch zu den Aufgaben des in der Antwort auf die Frage 31, die wir eben behandelt haben, genannten Beratungszentrums Industrieroboter.
Eine Zusatzfrage, Herr Catenhusen.
Führt also dieses Beratungszentrum Industrieroboter Schulungen und Informationsveranstaltungen speziell für Betriebsräte durch?
Es werden im Rahmen dieses Vorhabens nicht Informationsveranstaltungen für Betriebsräte durchgeführt, aber auf Anfrage werden dort auch Betriebsräte unterrichtet. Insgesamt sind - und dies ist interessant - bisher allerdings nur zehn Anfragen von Betriebsräten eingegangen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Catenhusen.
Herr Staatssekretär, da Sie jetzt schon selber ansprechen, daß diese Beratung offensichtlich nicht wahrgenommen wird: Liegt das vielleicht auch daran, daß erstens den Betriebsräten diese Möglichkeit der Beratung nicht bekannt ist und daß zweitens die Betriebsräte von seiten der Bundesregierung über eine solche Möglichkeit auch nicht speziell informiert worden sind?
Nein, Herr Abgeordneter, eigentlich ist das Gegenteil der Fall. In dem Beirat dieses Projekts sind die Gewerkschaften durch die IG Metall vertreten; sie kennen daher die Ziele und Möglichkeiten dieses Vorhabens und die Ziele und Möglichkeiten dieses Beratungszentrums Industrieroboter ganz genau, so daß die Annahme, die Bundesregierung habe die Betriebsräte nicht ausreichend informiert, nicht begründet ist.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Fischer ({0}).
Herr Staatssekretär, Sie haben eben zwei Gutachten angeführt; eines ist schon 1979 in Auftrag gegeben worden. Können Sie hier Zwischenergebnisse bekanntgeben, die speziell die Auswirkungen auf die Arbeitsmarktsituation betreffen?
Herr Abgeordneter, die Arbeitsmarktsituation ist nicht Gegenstand der Studien, die ich genannt habe. Die Themen gehen in andere Richtungen. Es waren Fragen z. B. der betrieblichen Modellvorhaben zur menschengerechten Anwendung neuer Technologien und der Evaluierung des Förderschwerpunkts menschengerechte Anwendung. Fragen der Arbeitsplätze, der Zahl der Beschäftigten, stehen deshalb nicht im Vordergrund dieser Untersuchungen.
({0})
Sie haben nur eine Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Boroffka hat jetzt eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir in der Feststellung zustimmen, daß zumindest im weiteren Sinne auch Schreibautomaten und telefonische Anrufbeantworter zur Gruppe der Roboter, hier im Bürobereich, gehören, und könnten Sie dem Haus mitteilen, welche sozialen Folgen der Einsatz solcher Roboter hat?
Ich glaube schon, Herr Abgeordneter, daß die von Ihnen genannten Apparate Roboter sind, wenn vielleicht auch nicht die am weitesten fortgeschrittenen, die wir auf dem Markt finden können. Soziale Folgen dieser Techniken kennen wir, glaube ich, alle. Ich würde die Zeit überschreiten, Herr Präsident, wenn ich versuchen würde, sie jetzt aufzuführen.
Mir fällt dazu auch etwas ein, Herr Boroffka. Auch ich darf nichts sagen.
Herr Peter hat die nächste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre es im Zusammenhang mit der Absicherung der betroffenen Arbeitnehmer gegenüber den sozialen Folgen nicht auch sinnvoll, zu untersuchen, ob gesetzlicher Handlungsbedarf besteht, beispielsweise im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes, damit Arbeitnehmer den Rechtsanspruch haben, bei ihPeter ({0})
rem betrieblichen Handeln außerbetrieblichen Sachverstand hinzuziehen?
Ich kann nicht sagen, Herr Abgeordneter, ob man für eine solche Maßnahme wirklich ein Gesetz bräuchte. Ich sehe kein Hindernis, daß sich Arbeitnehmer in einem Betrieb beraten lassen. Insbesondere die Gewerkschaften, die voll informiert sind und die teilweise vom BMFT gefördert werden, stehen zur Verfügung, die Arbeitnehmer zu beraten.
Zusatzfrage des Abgeordneten Stahl.
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wo sich dieses Beratungszentrum für den Einsatz von Industrierobotern, hier speziell zur Beratung der Betriebsräte, befindet, und kann man davon ausgehen, daß sich nur deswegen so wenig Betriebsräte gemeldet haben - ich glaube, zehn an der Zahl, wenn ich die Zahl richtig verstanden habe -, weil dort wahrscheinlich nur über die betriebliche Einführung etwas gesagt wird, aber weniger über den Hintergrund und die Veränderung insgesamt im Betrieb?
Dieses Zentrum befindet sich bei dem von mir genannten Fraunhofer-Institut, das seinen Sitz in Stuttgart hat. Aber die Tätigkeit dieser Beratungsstelle erstreckt sich auf das gesamte Bundesgebiet, wie man daraus sieht, daß die Unternehmen von dieser Beratungsmöglichkeit in großem Umfang Gebrauch machen.
Die zweite Hälfte Ihrer Frage, Herr Abgeordneter, bezog sich darauf, ob diese Beratungsstelle nicht ausreichend Kontakte mit den Gewerkschaften hätte, weil der Gegenstand der Forschungen nicht in diese Richtung ginge. Ich glaube, nach dem, was ich gesagt habe, ist klar, daß gerade die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer Gegenstand des Forschungsvorhabens sind. Diese Kenntnisse werden bei der Beratung durch dieses Zentrum verwandt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Urbaniak.
Herr Staatssekretär, es ist erschreckend, daß Sie mitteilen müssen, daß sich nur zehn Betriebsräte für die Unterrichtung und Schulung in diesem Bereich zur Verfügung gestellt haben. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um gerade mehr Betriebsräte für diese so wichtigen Vorhaben zu gewinnen? Denn sie müßte ein Interesse daran haben, daß sich eine ganze Reihe von
Kolleginnen und Kollegen aus den Betrieben mit dieser Entwicklung beschäftigen.
({0})
Herr Abgeordneter, die Gewerkschaften sind bei dem gesamten Programm „Humanisierung des Arbeitslebens" intensiv beteiligt. Es gibt einen beratenden Ausschuß, in dem drei Gruppen vertreten sind: Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Wissenschaft. Er berät die Bundesregierung und die für sie arbeitenden Stellen gewissermaßen programmbegleitend. Wir haben einzelne Programme mit dem Ziel, bei den Gewerkschaften Beratungskapazität aufzubauen. Das Angebot für Beratung ist da. Ich glaube nicht, daß die Bundesregierung etwas tun kann, um die Inanspruchnahme irgendwie zu erzwingen.
Ich lasse noch eine Zusatzfrage zu. Herr Nagel, bitte schön.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie recht verstanden, wenn ich sage, daß Sie die Frage nur unter dem Gesichtspunkt der Einführung und der Verwendung von Robotern beantwortet haben und daß für Sie die Auswirkungen des Einsatzes nicht unter die sozialen Folgen fallen?
Nein, da haben Sie mich sicherlich falsch verstanden, Herr Abgeordneter. Die beiden Vorhaben, nach denen der Herr Abgeordnete Catenhusen gefragt hat, betreffen den Einsatz von Robotern. Deshalb habe ich darüber gesprochen. Es gibt eine ganze Reihe von anderen Vorhaben im Rahmen des Programms „Humanisierung des Arbeitslebens", bei denen gerade auch die Folgen des Einsatzes von Robotern untersucht werden. Das wird nicht vernachlässigt.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Sie müssen morgen leider noch einmal wiederkommen; denn in Ihrem Geschäftsbereich sind noch eine ganze Reihe weiterer Fragen zu beantworten.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 13. März 1986, 8 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.