Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf: Aktuelle Stunde
Ausbildungsplatzsituation 1986
Die Fraktion der SPD hat gemäß Nr. 1 Buchstabe c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Weisskirchen.
Guten Morgen! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Wetter steht im entgegengesetzten Verhältnis zu dem, was wir hier besprechen müssen. Frau Minister, wie sagten Sie noch am 23. Januar dieses Jahres? Sie sagten: Es ist gelungen, den Jugendlichen der geburtenstarken Jahrgänge trotz schwieriger Ausgangslage eine Ausbildung zu geben. ({0})
In Wahrheit waren es doch 40 000, die sich mit einer Übergangsmaßnahme zufriedengeben mußten. Zusammen mit den fast 60 000, die unvermittelt blieben, waren es am Stichtag rund 100 000, denen eine Chance zum Einstieg in die berufliche Erstausbildung verwehrt wurde. Mit keinem Trick der Statistik schaffen Sie die Ängste und die zerstörten Hoffnungen dieser 100 000 aus der Welt.
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Der Berufsbildungsbericht 1986 ist ein Dokument des Bankrotts Ihrer Politik. Seit Sie regieren, entlarvt er Jahr für Jahr Ihre Sprüche. Lassen Sie mich nur ein einziges statistisches Beispiel aus dem Bericht nehmen,
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damit Sie erkennen, auf welcher Talfahrt Sie sich befinden. In den letzten drei Jahren unter Helmut Schmidt gab es insgesamt ein deutliches Übergewicht von Ausbildungsplätzen gegenüber der Nachfrage. Sie haben in Ihren drei Jahren Regierungstätigkeit diesen Angebotsüberhang rapide in ein Angebotsminus von insgesamt 100 000 Ausbildungsplätzen zerfallen lassen. Lesen Sie Ihre eigene Statistik nach!
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Sie werden es dort selbst finden. Das heißt, daß es
seit 1976 keine Bilanz gegeben hat, die verheerender ausgefallen wäre als die der letzten drei Jahre.
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Sie müssen die Dramatik der engen Entwicklung des Ausbildungsmarktes endlich ohne ideologische Scheuklappen erkennen; denn wir haben immer noch zu wenig Ausbildungsplätze, obwohl die Länder zusätzliche Finanzmittel zuschießen - damit werden heute immerhin schon rund 10 % aller Ausbildungsplätze finanziert -, obwohl wir im vierten Jahr einer Konjunkturbelebung sind. Obwohl das alles so ist, gehen die Angebotszahlen bereits zurück.
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Sie können das in Ihrem eigenen Bericht nachlesen. Sie kennen doch ebenfalls die letzte Ifo-Umfrage. Dann wissen Sie, daß die Ausbildungsbereitschaft des Handwerks in diesem Jahr deutlich zurückgehen wird, noch deutlicher als im letzten Jahr, und damit den negativen Trend nach unten verstärken wird.
Es ist schon so, wie die „Stuttgarter Zeitung" am 20. Februar, in der letzten Woche, schrieb: „Die Wirtschaft hat die Bundesregierung im Stich gelassen." Aber auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Sie haben Zehntausende von Jungen und Mädchen im Stich gelassen.
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Auch das sagt der Bericht aus: Die regionalen Unterschiede nehmen zu. Selbst im Süden unserer Republik wachsen die Probleme. Lesen Sie die Münchener Studie nach. In der „Süddeutschen Zeitung" vom 26. November konnte man es nachlesen. Sie werden feststellen, daß selbst in diesem Zentrum der deutschen Elektronikindustrie die Ausbildungsplatzstruktur keineswegs dem Anspruch die15378
Weisskirchen ({7})
ser Zukunftsindustrie entspricht; ebensowenig entspricht sie der Wirtschaftsstruktur.
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Qualifizierte Kräfte werden von außen nach München herangezogen. Sie werden dort allenfalls weitergebildet, aber jedenfalls kaum betriebsintern ausgebildet. Auch die Gegenprobe stimmt leider. Das Angebot von Friseurausbildungsplätzen nimmt in München wie in vielen Orten in der Bundesrepublik den ersten Platz ein; es steht weit an der Spitze.
Liebe Frau Wilms, leider kann ich es nicht anders sagen: Wie sollen die 100 000 Jugendlichen Ihre ständigen Erklärungen, seit Sie regieren, so etwa die, die am 20. Januar in der „Bonner Rundschau" in der Schlagzeile „Lehrstellenmarkt entspannt sich" ihren Niederschlag fand, angesichts der Verschärfung der regionalen Ungleichgewichte empfinden? Sie empfinden das als Hohn und als nichts anderes. Der Volksmund formuliert die Sprüche des Bundeskanzlers ja mittlerweile schon um. Jetzt heißt es nicht mehr „Ausbildungsplatzgarantie". Jetzt heißt es nur noch: „Die Ausbildung platzt garantiert".
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Nehmen Sie wenigstens die Aufforderung des Herrn Fehrenbach ernst und handeln Sie endlich! Es ist an der Zeit.
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Das Wort hat der Abgeordnete Nelle.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich gerade einen Augenblick gefragt, Herr Weisskirchen, was Sie mit dieser Aktuellen Stunde heute morgen eigentlich bezwecken wollen, wem Sie helfen wollen, wem Sie vor allem mit Ihrer Miesmacherei helfen wollen. Den jungen Menschen, 740 000 Ausbildungsplatzsuchenden in diesem Jahr - davon gehen wir aus -, helfen Sie bestimmt nicht.
Und da gehen Sie und Ihre Freunde sogar her und ziehen im Deutschen Bundestag und - davon gehe ich aus - demnächst auch im Bundesrat aus einem alten Hut ein untaugliches Instrument noch einmal hervor, nämlich die Ausbildungsplatzabgabe - auf die ich in diesem Zusammenhang zu sprechen kommen will - oder die sogenannte Umlagefinanzierung, und zwar für die Betriebe, die, wie Sie sagen, nicht genug oder gar nicht ausbilden.
Ich kann nur fragen: Haben Sie eigentlich aus den letzten Jahren überhaupt nichts gelernt? Ihre „Markierungspunkte zur beruflichen Bildung" und Ihr „Ausbildungsplatzförderungsgesetz" sind in der Vergangenheit in Grund und Boden gestampft worden oder gar vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden. Die beiden Gesetze hatten die Ausbildungsplatzabgabe bereits zum Inhalt.
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Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Das System der einzelbetrieblichen Finanzierung der Berufsausbildung hat sich bewährt. Die einzelbetriebliche Finanzierung der Ausbildung erfüllt die Anforderungen der Betriebe und die Bedürfnisse der Jugendlichen auch in Zukunft.
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Eine Umlage wirkt nicht ausbildungsfördernd. Beitragsleistung und Bürokratie belasten zusätzlich. Nehmen Sie vor allen Dingen bitte zur Kenntnis: Sie verunsichern damit erneut die Betriebe, die die Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, und Sie verkürzen so die Chancen der ausbildungsplatzsuchenden jungen Menschen.
Ich wage sogar zu behaupten, Herr Kuhlwein: Wären Sie in der Regierungsverantwortung geblieben, Sie hätten nicht das großartige Ergebnis erreicht, das gerade von Herrn Weisskirchen mies gemacht worden ist.
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Wir haben in den letzten Jahren immerhin mehr als 95% der jungen Menschen helfen können, die nach einem Ausbildungsplatz angestanden sind.
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Nach dem Termin 1. September 1985 sind es bis heute über 720 000 Ausbildungsplätze. Dies haben wir nur erreicht, weil wir, wie versprochen, die Rahmenbedingungen geändert haben. Wir werden dabei bleiben. Wir danken den Betrieben, die hier den jungen Menschen geholfen haben.
Ich bin ganz sicher: Wir werden auch 1986 ein gutes Ergebnis vorweisen können. Das beruht nicht zuletzt darauf, daß bereits zum heutigen Datum bei den Kammern, wie uns gestern die Spitzenverbände versichert haben, mehr Ausbildungsverträge eingetragen sind als z. B. im letzten Jahr. Mein Optimismus gründet sich auch darauf, daß die Bundesregierung hier weiterhin helfen wird. Im Gegensatz zu Ihren 67 Millionen im Jahr 1985 haben wir 335 Millionen für das Benachteiligtenprogramm eingestellt; wir werden hier 25 000 jungen Menschen helfen können.
Sie haben vorhin, Herr Weisskirchen, von den Ländern gesprochen. Hier will ich auch das großartige Beispiel Niedersachsens anführen,
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das in diesem Jahr mit 160 Millionen DM 7 700 jungen Menschen helfen wird. Und ich will etwas erwähnen, was ganz unterzugehen scheint, nämlich daß die Bundespost z. B. ein neues Programm für die Nachwuchskräfte im mittleren Postdienst geschaffen hat. Wir werden ab 1987 in Anlehnung an das Berufsbild des Verwaltungsfachangestellten jährlich, Herr Kuhlwein, zusätzlich 2 000 - vorwiegend - Mädchen einen Ausbildungsplatz anbieten
können. Das sind 6 000 in den nächsten drei Jahren.
Das sind Initiativen, die helfen, daß junge Menschen einen Ausbildungsplatz finden - im Gegensatz zu Ihrer ständigen elenden Miesmacherei.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wagner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das in Art. 12 des Grundgesetzes verankerte Recht auf eine freie Berufs- und Ausbildungsplatzwahl ist durch die Praxis längst nicht mehr gewährleistet. Die bisherigen Versuche der Bundesregierung, der Ausbildungsnot allein quantitativ zu begegnen, ignorieren die anschließende berufliche Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen und verlangen von ihnen, ihre Ansprüche und Wünsche bei der Berufswahl für eine beliebige Ausbildung aufzugeben. Zur Teilhabe an gesellschaftlich sinnvoller und sozial abgesicherter Arbeit haben die jungen Menschen ein Recht auf qualifizierte, d. h. im ökologischen und sozialen Sinne zukunftsorientierte Berufsausbildung.
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Doch die Arbeitslosenstatistik und auch der Berufsbildungsbericht 1986 weisen immer deutlicher eine ungebremste Zunahme der Erwerbsarbeitslosigkeit und Ausbildungsnot junger Menschen aus. Soziokulturelle Ausbruchversuche dieser Jugendgruppen zeigen die gravierenden Folgen materieller Existenznot, beruflicher Perspektivlosigkeit und gesellschaftlich versagter Nützlichkeit.
Das tatsächliche Ausmaß des Problems wird der Öffentlichkeit kaum zugänglich, weil viele erwerbslose Jugendliche aus dem Kreis der Berechtigten für Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz herausfallen und in der stillen Reserve untertauchen: Jugendliche in Parkmaßnahmen, junge Frauen und Mütter, im elterlichen Haushalt mithelfende Frauen, Ausländer und Behinderte.
Bund und Länder haben bisher nur mit einem unüberschaubaren Katalog unkoordinierter Maßnahmen reagiert, die den wenigsten Jugendlichen eine qualifizierte und perspektivisch aussichtsreiche Berufsausbildung bieten.
Die GRÜNEN im Bundestag haben wiederholt - zuletzt in ihrem Programm zur finanziellen Absicherung des Rechts auf eine qualitativ sinnvolle berufliche Erstausbildung vom Oktober 1985 - die Bundesregierung aufgefordert, die nötigen gesetzlichen Schritte einzuleiten, um allen Jugendlichen ein ausreichendes qualifiziertes Ausbildungsplatzangebot zu garantieren.
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Die finanzielle Absicherung von Ausbildungsplätzen wurde darin gezielt mit der Forderung nach Quotierung der Ausbildungsplätze für Mädchen und mit Forderungen nach qualitativen Verbesserungen gekoppelt.
Gerade die Quotierung der Ausbildungsplätze ist eine zentrale Forderung.
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Denn allein nach den begrenzt aussagefähigen Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit weist die Ausbildungsbilanz der Bundesregierung ein Defizit von rund 60 000 Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz aus, wovon zwei Drittel Mädchen sind. Die Argumentation, Mädchen und Frauen seien für andere Bereiche nicht ausreichend qualifiziert, trifft angesichts der besseren schulischen Bedingungen von Mädchen nicht mehr zu. Statt dessen ist deren anfängliche Motivation durch starre Rollenbilder und Interessen an wirtschaftlicher Verwertung wieder deutlich in Gefahr.
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Eine Quotierung von Ausbildungsplätzen soll die Integration von Mädchen, die trotz durchschnittlich besserer schulischer Vorbedingungen von einer freien Berufswahl über direkte oder indirekte Diskriminierung ausgeschlossen sind, gewährleisten.
Da die Bundesregierung bis heute alle gesetzgeberischen Schritte zur finanziellen Absicherung von Ausbildungsplätzen ablehnt, haben die GRÜNEN-Fraktionen auf Länderebene ebenfalls die Initiative ergriffen, um der Ausbildungsplatzmisere so schnell wie möglich entgegenzutreten.
Wir fordern die Bundesregierung noch einmal auf, das Recht der jungen Menschen auf eine qualifizierte Berufsausbildung finanziell und inhaltlich auszufüllen, wie es das Bundesverfassungsgericht angesichts der aktuellen Ausbildungsnot in seiner Entscheidung aufgibt.
Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Neuhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich zwar sehr, daß hier einmal eine Ausschußsitzung in erweitertem Rahmen stattfindet. Gert Weisskirchen, es dient aber natürlich nicht unbedingt der Gesundheit, schon am frühen Morgen mit solchen Aufregungen konfrontiert zu werden.
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Meine Damen und Herren, im Ernst: Solche FünfMinuten-Beiträge erlauben in Wirklichkeit keine sorgfältige Analyse. Deshalb geht es bei Ihnen wie bei uns nicht anders, als sich auf einige Schwerpunkte zu konzentrieren.
Erstens. Der vom Kabinett verabschiedete Berufsbildungsbericht 1986 sagt j a zum Thema unserer Debatte, daß trotz eines geringfügigen Rückgangs der Nachfrage kein Anlaß für eine Entwarnung auf dem Ausbildungsstellenmarkt besteht und - weiter - daß Wirtschaft und Verwaltung 1986 auf keinen Fall in ihren Anstrengungen nachlassen dürfen. Das ist richtig, realistisch und alles andere als eine Verharmlosung. Für 1986 wird mit einer
Nachfrage von 740 000 Bewerbern gerechnet. Erst ab 1988 ist zu erwarten, daß die Nachfrage erheblich unter 700 000 absinkt.
Zweitens. Zu einer realistischen und differenzierten Bewertung gehört auch, daß man ganz klar feststellt: 1985 wurde mit 697 000 neuen Ausbildungsverträgen das nach 1984 zweitbeste Ergebnis seit Bestehen der gesetzlich vorgeschriebenen Bilanz erreicht.
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Das ist der Erfolg des freiwilligen Engagements aller an der Berufsausbildung Beteiligten. Es hat dazu geführt, meine Damen und Herren, daß Jahr für Jahr Hunderttausende von jungen Menschen ihren Einstieg in die Berufswelt finden. Das Wort von einer verlorenen - wie es manchmal zu lesen ist - oder auf die Straße verbannten Generation ist gegenüber diesen Zahlen ja wohl maßlos polemisch.
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Drittens. Meine Damen und Herren, zum Stichtag der Statistik gab es rund 60 000 noch nicht vermittelte Bewerber. Erfreulicherweise hat sich diese Zahl seither verringert; sie wird sich in den nächsten Wochen weiter verringern. Sie bleibt ein Alarmsignal. Von Dunkelziffern will ich hier allerdings nicht reden.
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- Nein, ich spreche jetzt von den anderen, lieber Herr Kuhlwein, von den Dunkelziffern, die immer noch hinzugefügt werden.
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Denn weil diese Ziffern dunkel sind, eignen sie sich, wie das Beispiel gerade wieder zeigt, für dunkle Spekulationen. Aber ich gebe ja zu, daß einige Indikatoren - z. B. der hohe Anteil der Altbewerber an der Zahl der Bewerber in diesem Jahr - auf eben diese Schwierigkeiten vieler jungen Leute hinweisen. Deswegen sind die verschiedenen Ausbildungsprogramme der Länder nachdrücklich zu würdigen. Ich vergesse in diesem Zusammenhang natürlich auch nicht das Benachteiligtenprogramm, über dessen Verstetigung und gesetzliche Absicherung man in Zukunft ebenfalls nachdenken sollte.
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Viertens. Das sogenannte veränderte Bildungsverhalten junger Menschen schlägt sich auch in den hier behandelten Problemen nieder. Einerseits ist es ja, wenn es kontinuierlich erfolgt, durchaus vernünftig, aber es sollte nicht zu sprunghaften Entwicklungen führen. Das bringt ja auch das Problem mit sich, daß jetzt Abiturienten beiderlei Geschlechts oft Berufe wählen - z. B. im kaufmännischen Bereich -, die vor allen Dingen auch von Mädchen mit einem anderen Schulabschluß nachgefragt werden. Das sollte gerade bei der Ausgestaltung von Programmen auf Länderebene und bei zusätzlichen Maßnahmen berücksichtigt werden.
Fünftens. Es gibt für alle diese Fragen natürlich kein Patentrezept. Das gilt auch für die von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, geforderte Umlagefinanzierung.
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Ganz unabhängig davon, wie ein solches Modell im einzelnen ausgestaltet ist und wie die vielfältigen finanziellen, bürokratischen usw. Probleme gelöst werden sollen: Es würde ja zumindest einen erheblichen Vorlauf beanspruchen, ehe es - wenn überhaupt - wirkte, von Rückhalteeffekten usw., die auch in Ihrem Vorschlag nicht ausgeschlossen werden können, ganz zu schweigen.
Als der Berg von Bewerbern um eine Lehrstelle noch bevorstand und wir nicht wußten, ob das Angebot mitwachsen würde, haben wir sehr eingehend über diese Fragen gesprochen. Heute, auf dem Hochplateau der Nachfrage und des Angebots, halte ich die Diskussion über das Thema für kontraproduktiv.
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Es tut mir leid, mich hier in einen Gegensatz zu früher von mir in einer anderen Situation gemachten Ausführungen begeben zu müssen.
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Meine Damen und Herren, tun wir uns doch zusammen, um alle möglichen Schritte zu gehen, damit den jungen Leuten geholfen werden kann! Ich glaube, das ist sinnvoller und unserer Gesundheit an diesem Morgen auch zuträglicher.
Vielen Dank.
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Ich erteile der Frau Bundesminister für Bildung und Wissenschaft das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf die Angriffe der Opposition in diesem Hause in fünf Punkten antworten.
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Erstens. Die Berufsbildungspolitik der Bundesregierung ist außerordentlich erfolgreich. Von 756 000 Lehrstellenbewerbern konnten bis Ende des vergangenen Jahres, 1985, über 95 % versorgt werden. Damit wurden in den letzten drei Jahren rund 2 Millionen neue Lehrverträge abgeschlossen, 200 000 mehr als in den drei Jahren zuvor, verehrte Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion.
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Zweitens. Junge Menschen haben trotz schwieriger Lage ihre Ausbildungschancen. Rund 38 000 Jugendliche suchten Ende 1985 noch einen Ausbildungsplatz. Sie wissen alle, daß die Bundesregierung alles unternimmt, um bei der Bewältigung auch dieser Probleme noch hilfreich zur Seite zu stehen. Durch die Anstrengungen der Wirtschaft, der Bundesregierung und der Länder sind in diesen
Wochen weitere Tausende von Jugendlichen vermittelt worden.
Ich weise noch einmal auf die Maßnahmen des Benachteiligtenprogramms hin. Ich möchte an dieser Stelle auch sagen, daß im Rahmen der Ausbildung des Bundes heute 83 000 junge Menschen ausgebildet werden. Auch diese Zahl bedarf einmal der Erwähnung.
Natürlich ergeben sich für den einzelnen jungen Menschen hier und da Schwierigkeiten, Sorgen, Probleme. Das sehen wir alle miteinander. Aber, Herr Kollege Weisskirchen, wenn Sie vom Bankrott oder von der Lehrstellenkatastrophe sprechen, nimmt das, glaube ich, heute niemand mehr ernst. Sie sollten das nicht mehr tun.
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Lassen Sie mich als drittes sagen: Die Erfolge der Berufsbildungspolitik zeigen sich auch darin, daß die Jugendarbeitslosigkeit - unter 25 Jahren - zurückgegangen ist und nicht mehr ansteigt. Gerade die Zahl der arbeitslosen Absolventen einer Berufsausbildung an der sogenannten zweiten Schwelle hat sich im vergangenen Jahr um 23 % verringert. Das heißt, die Zunahme neuer Arbeitsplätze, neuer Beschäftigungen, wie wir sie alle wünschen, kommt insbesondere jungen Menschen zugute.
Viertens. Hieraus ersehen Sie, daß das duale System der Ausbildung offensichtlich sehr gute Voraussetzungen bietet, um den jungen Menschen die Chance zu geben, einen Arbeitsplatz, auch einen neuen Arbeitsplatz, zu bekommen. Deshalb sollten Sie aufhören, meine Damen und Herren Kollegen von der Opposition, immer von Fehlqualifizierungen zu sprechen. Ich darf Ihnen sagen, daß nach der Untersuchung, wie Sie sie im Berufsbildungsbericht finden, 54 % direkt eine Tätigkeit im Ausbildungsberuf finden, 13 % sich weiterbilden, 9 % zur Bundeswehr gehen, um ihren gesetzlichen Pflichten zu genügen. Wer auf Grund dieser Zahlen von Fehlqualifizierung und völlig verfehlter Ausbildung spricht, der weiß nicht, wovon er spricht.
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Ich bin der Auffassung, daß das duale System im Blick auf die kommende Entwicklung, die ganz neue Probleme mit sich bringt - nämlich die geburtenschwachen Jahrgänge -, eine Zukunftschance hat. Die Bundesregierung tut alles, um die Weichen für einen weiteren Ausbau und eine Stärkung des dualen Systems auch für die mittlere Zukunft zu stellen.
Fünftens. Insoweit, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Opposition, ist mir überhaupt nicht klar, was Sie heute, zu diesem Zeitpunkt, mit einem Umlageverfahren wollen.
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Wir wissen alle - das haben Sie sehr vorzüglich,
wie ich finde, in Ihrer Bundestagsdrucksache vom
August 1982 minutiös ausgeführt; ich empfehle Ihnen allen die Lektüre -,
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daß ein solches Umlage- und Abgabeverfahren nicht praktikabel ist, daß es die Betriebe dazu verleiten könnte, sich von der Ausbildung freizukaufen. Sie wissen alle, daß die Umsetzung eines solchen Abgabeverfahrens Jahre dauert. Da frage ich mich, wieso Sie jetzt, im Jahre 1986, mit so einem Plan kommen; denn bis er umgesetzt ist, haben wir bereits eine andere Ausbildungsmarktsituation.
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Insoweit habe ich den Verdacht, daß es hier gar nicht um die Lehrlinge geht, sondern um eine ideologisch motivierte Aktion, nämlich so allmählich das duale Systen auszuhebeln,
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die betriebliche Ausbildung zurückzudrängen und mit einem Fondssystem außerbetriebliche Maßnahmen zu finanzieren.
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Die Bundesregierung wird diesen Weg nicht mitgehen. Wir lehnen ein Umlage- und Abgabeverfahren ab. Ich denke, auch die Koalitionsfraktionen werden ihre Hand, ihre Mehrheit für solche Schritte nicht geben.
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Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit der Anmerkung schließen, daß wir allmählich ohne Zweifel in eine Umbruchphase der Berufsbildungspolitik hineinkommen; es zeigen sich regionale, branchenspezifische Probleme, aber sie verschärfen sich nicht mehr. Es zeigen sich bereits neue Wege, wie man sie lösen kann.
Die Bundesregierung wird ihre Maßnahmen weiter fortsetzen. Die regionalen Probleme, verehrter Herr Kollege Weisskirchen, zeichnen sich auch dadurch aus, daß wir in einzelnen Bereichen, in einzelnen Berufen die Lehrstellen nicht mehr besetzen können. Diesen Aspekt haben Sie soeben nicht genannt. Ich würde ihn hier deshalb gern hinzufügen.
Die Bundesregierung wird weiterhin alles tun, um das duale System, die Selbstverantwortung der Wirtschaft für die Ausbildung zu stärken, und durch flankierende Maßnahmen dazu beitragen, daß junge Menschen eine Ausbildungschance bekommen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schmidt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Dr. Wilms! Ich glaube, wir machen hier einen Fehler. Wir unterhalten uns über Zahlen, und wir unterhalten uns über Statistik. Ich halte Zahlen zwar selbstverständlich für ungeheuer wichtig, aber wir dürfen darüber den Menschen nicht vergessen.
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Wir müssen uns davor hüten, Arbeitslosigkeit insgesamt und Jugendarbeitslosigkeit im besonderen zur Statistik verkommen zu lassen. Und wenn hier über Dunkelziffern geredet worden ist: Ist es denn nun wirklich unsere größte Sorge, welche Zahl die richtige ist? Reicht denn nicht die begründete Vermutung aus, daß es noch mehr Jugendliche gibt, als wir annehmen, die ohne Ausbildung sind, daß es eine bedeutende Zahl derer gibt, die resigniert haben, und daß es sehr viele sind, die unter dem bürokratischen Begriff „Altnachfrager" ohne Ausbildung, ohne Chancen sind?
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Und denen, Herr Nelle, wollen wir helfen.
Selbst wenn Sie, Frau Dr. Wilms, unsere Zahlen nicht akzeptieren, wenn Sie sich laufend in Prozentsätze retten wollen, bleibt bestehen, daß Sie zuviel versprochen und zuwenig getan haben. Es geht nämlich nicht nur um Zahlen, sondern es geht um Menschen. Es geht um die individuellen Schicksale, die wir nicht wegstecken dürfen und über wie wir auch nicht unterkühlt und abgehoben reden dürfen. Es geht hier um die individuellen Schicksale von Menschen und ihren Familien.
Wir haben uns hier zu fragen, wie eine seit Jahren bestehende Verknappung an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen auf junge Menschen und ihre Familien wirkt. Für die jungen Menschen bedeutet es als erstes schon Ängste während der Schulzeit, schon Anpassung, wenn an und für sich Aufmüpfigkeit gefragt wäre. In diesem Parlament sitzen genügend Väter und sicherlich auch ein paar Mütter. Sie werden festgestellt haben, daß die Unsicherheit der Kinder und ihrer Freunde darüber, was man denn lernen solle, ob es überhaupt eine Sinn habe, um sich greift und die Bereitschaft und der Druck wachsen, unabhängig von Eignung und Neigung irgend etwas, egal was, zu lernen. Haben Sie sich, Frau Wilms, eigentlich schon einmal in die Situation eines Mädchens versetzt, das zum 30., 40., 50. Mal mit großer Hoffnung an den Briefkasten geht,
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dort einen Brief aufmacht und anschließend zum 50. Mal eine Absage bekommt und auf manche Antworten überhaupt vergeblich wartet?
Für die Familien bedeuten Ausbildungsplatznot und Jugendarbeitslosigkeit eine beinahe untragbare finanzielle Belastung. Durch Verschlechterung der Anspruchsvoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz für Auszubildende, Hochschulabsolventen und arbeitslose Jugendliche sind viele dieser jungen Menschen ohne eigenes Einkommen, oder sie haben Einkommen, die weit unter den Sozialhilfesätzen liegen. Wissen Sie eigentlich, was es für einen Familienvater oder für eine Familienmutter bedeutet, für eine Tochter ohne Ausbildungsplatz, für einen Sohn, der nach einer Bäckerlehre nicht übernommen wurde, und für eine zweite Tochter, die trotz bester Studienabschlüsse keinen Arbeitsplatz bekommt, zu sorgen, also für drei erwachsene junge Menschen mit - natürlich - Bedürfnissen Erwachsener zu sorgen? Und wenn diese jungen Menschen an und für sich Sozialhilfe beziehen könnten, so hilft ihnen das gar nichts, weil sie ihre Eltern nicht in die Situation bringen wollen, daß das Sozialamt diese Beträge von ihnen zurückholt.
An dieser Stelle sage ich Ihnen: Statt Erziehungsgeld an Zahnarzt- und Unternehmergattinen zu zahlen,
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wäre es sinnvoller, so wie das Land NordrheinWestfalen es tut, 1,5 Milliarden DM zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und für Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.
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Wir haben eines erkannt: Wenn man Familien helfen will, wenn junge Menschen den Mut haben sollen, selber Familien zu gründen, dann helfen nicht kurzfristige Leistungen, sondern dann muß die Politik versuchen, existentielle Nöte zu beseitigen. Zu den existentiellen Nöten gehört die Angst, keinen Arbeitsplatz und keinen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Es paßt nicht zusammen, den Geburtenrückgang zu beklagen und gleichzeitig eine Generation ins Abseits zu stellen. Als das Damoklesschwert der Ausbildungsplatzabgabe über den Betrieben schwebte, war das Verhältnis von Ausbildungsplätzen und Nachfrage ausgeglichen. Es gab sogar mehr Ausbildungsplätze als erforderlich.
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Wir Sozialdemokraten werden deshalb neben ausreichenden Mitteln für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit unser Konzept der Umlagefinanzierung hier beraten und werden das Erforderliche im Sinne der Familien und ihrer Kinder tun.
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Das Wort hat der Abgeordnete Rossmanith.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich für die Teilnahme an diesem Morgen bedanken. Wir haben schon verschiedene Aktuelle Stunden zu diesem Thema erlebt. Die letzte Aktuelle Stunde fand im Oktober vergangenen Jahres statt. Wir werden in diesem hohen Hause demnächst den Berufsbildungsbericht 1986 diskutieren.
Ich frage mich echt: Was bezwecken Sie mit diesen ständigen Aktuellen Stunden?
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- Herr Kuhlwein, das ist nichts anderes als politische Stimmungsmache und das Betreiben eines politischen Geschäfts; auf der einen Seite etwas sehr aggressiv von Herrn Weisskirchen, auf der anderen Seite sehr moderat und sehr gefühlvoll von Frau Schmidt.
Es wurde vorhin von der Lehrstellennot gesprochen. Ich habe vorgestern in München mit über 200 Jugendlichen - Abiturienten, Realschülern und Berufsschülern, die schon im Leben stehen - diskutiert. Es war einer aus dem Publikum dabei, der ständig versuchte, diesen jungen Menschen zu suggerieren, sie hätten Angst vor der Ausbildungsplatzsituation, vor der Arbeitslosigkeit. Zu allem Ungemach des Moderators hatte keiner der Jugendlichen Angst vor diesen Positionen. Man hat vielmehr gesagt: Wir müssen eben Leistung bringen, dann werden wir uns auch durchsetzen.
({1})
Wenn man von einer Lehrstellennot spricht, obwohl von 100 Jugendlichen 95 untergebracht werden, dann stimmt irgend etwas nicht. Es ist sehr unredlich von Ihnen, wenn Sie sagen, während Ihrer Regierungszeit seien Angebot und Nachfrage ausgeglichen gewesen. Sie wissen doch, daß in den letzten fünf Jahren Jahr für Jahr 120 000 Bewerber hinzugekommen sind und daß wir es trotzdem bewältigt haben.
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Wir haben zwei Jahre hintereinander über 700 000 junge Menschen auf einer Lehrstelle untergebracht. Die Zahlen der Arbeitsämter für das Ausbildungsj ahr 1986 - darauf beziehen Sie sich j a immer - zeigen, daß bislang 6,7 % mehr Lehrstellen an die Arbeitsämter gemeldet wurden, während die Zahl der Bewerber etwa gleich hoch bleibt, ja sogar mit einer Rate von 0,6 % nach unten weist.
Wenn Sie ständig neue Aktuelle Stunden zu diesem Thema fordern, sollten Sie erst einmal vor Ihrer eigenen Tür kehren, denn die meisten nicht vermittelten Lehrstellenbewerber kommen aus Nordrhein-Westfalen, aus Hamburg und Bremen. In diesen Bundesländern liegen die schlechtesten zehn Arbeitsamtsbezirke der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Betreiben Sie doch einmal in den Bundesländern, in denen Sie die Regierungsverantwortung tragen, eine vernünftige Wirtschaftspolitik, dann werden wir uns über dieses Thema in einer solchen Form gar nicht mehr unterhalten müssen. Sie sollten sich ein Beispiel an Bayern und Baden-Württemberg nehmen. Gehen Sie selbst einmal in Bayern und Baden-Württemberg in die Lehre! Herr Rau täte gut daran, sich Herrn Späth oder Herrn Strauß als Lehrmeister zu nehmen. Ich glaube, dann würde er auch eine vernünftige Wirtschaftspolitik betreiben.
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Wir haben gegenwärtig 1,8 Millionen Lehrstellen. Im vergangenen Jahr wurden allein 700 000 neue Lehrverträge abgeschlossen. Ich glaube, Sie können hinschauen, wohin Sie wollen: Ein derartiges positives Ergebnis werden Sie so leicht nirgends finden.
Ich will abschließend noch sagen, wenn Sie ständig Aktuelle Stunden zu diesem Thema fordern, dann sollten Sie sich wenigstens auch einmal die Mühe machen, sich etwas Neues einfallen zu lassen, und nicht immer wieder auf Ihrem Uraltthema Umlagenfinanzierung herumreiten. Sie sind in der Zwischenzeit eine Abgaben- und Abnehmepartei im wahrsten Sinne des Wortes.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kastning.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eben wieder mit Erstaunen bemerkt, wie Unionskollegen bei der Aufzählung von Fakten, wenn es Norddeutschland angeht, einen großen Bogen um Niedersachsen machen. Mögen Sie den Herrn Albrecht nicht, oder woran liegt das, daß da keine Zahlen genannt werden?
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Meine Damen und Herren, neben das schon ein paar Jahre bestehende Problem, überhaupt eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen zur Verfügung zu haben, schiebt sich zunehmend die Schwierigkeit für viele junge Ausgebildete, die sogenannte zweite Schwelle von der Ausbildung zur Beschäftigung zu überschreiten. Ich habe den Eindruck, manch einer möchte von der Ausbildungsproblematik ablenken, indem er auf die leicht steigende Zahl von Arbeitsplätzen verweist, um damit den Eindruck zu erwecken, das Problem der zweiten Schwelle löse sich bald von selbst. Ich darf aber hier darauf hinweisen, daß es sehr wohl enge Zusammenhänge, die sich nach aller Voraussicht noch verstärken werden, zwischen Qualität der Ausbildung und Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt, zwischen Berufsausbildungschancen und anschließenden berufsadäquaten Chancen auf dem Arbeitsmarkt gibt.
Frau Minister Dr. Wilms, diesen Zusammenhang können Sie wohl auch nicht mit Ihrer höchst eigenwilligen Interpretation einer Untersuchung bzw. Erhebung des Berufsbildungsinstituts verwischen. Nach dieser Erhebung heißt es: Sechs Monate nach Beendigung der Ausbildung hat nur die Hälfte der Ausgebildeten einen unbefristeten Arbeitsvertrag im erlernten Beruf. Weitere 4% befristet. Herr Schemken, Sie sehen mich erstaunt an; das ist eine Erhebung, die in der Mitteilung von Frau Wilms zum Berufsbildungsbericht genannt wird. Jeder elfte Jugendliche ist arbeitslos nach der Berufsausbildung; 28% mußten eine andere Tätigkeit aufnehmen oder befinden sich in anderer Aus- und Weiterbildung, was auch Umschulung in einen anderen Beruf bedeuten kann.
Angesichts dieser Zahlen, Frau Wilms, meine ich, ist Ihre Behauptung schon recht anmaßend, 91 % der beruflich Ausgebildeten hätten im Anschluß an die Lehre - ich zitiere Sie - „keine schwerwiegenden Berufsstartprobleme".
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Übrigens verschweigen Sie dabei außerdem die Ihnen sehr wohl bekannten Unterschiede zwischen einzelnen Berufen. Z. B. sind bei kaufmännischen Berufen anschließend 60 % im erlernten Beruf, bei gewerblichen dagegen nur 39%. Oder ein anderes Beispiel: Bei Bankkaufleuten gibt es nur 2 % Arbeitslose, bei Verkäuferinnen und Verkäufern dagegen 18 % und im Kfz-Handwerk 17 %.
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- Die kann ich Ihnen noch sagen, Herr Nelle. Ich werde sie Ihnen schriftlich zur Verfügung stellen. Frau Wilms hat sich in ihrer Pressemitteilung zu diesen Fragen geäußert.
So richtig gegenwärtig die These von der „Ausbildung über Bedarf" ist, so können wir doch nicht zusehen, daß sie zu solchen strukturellen Problemen führt. Herr Neuhausen hat diese Probleme schon vor ein oder zwei Jahren - in weiser Voraussicht, wie ich ihm anerkennend sagen muß - ganz kurz angesprochen. Wir können wohl auch nicht zusehen, daß eine große Anzahl von Jugendlichen in die falschen Berufe gebracht wird.
Unser gemeinsames Bemühen sollte es sein, die Programme von Bund und Ländern, die hier schon erwähnt wurden, auch unter qualitativen Gesichtspunkten anzulegen. Man kann sehr wohl ein klein wenig über diesen Weg steuern. Ich habe gewisse Zweifel, Herr Nelle, ob das, was Sie als großartige Leistung in Niedersachsen bezeichnet haben, unter diesem Gesichtspunkt ernsthaft geprüft und genutzt worden ist.
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Ich meine, die Arbeitsmarktchancen von Absolventen außerbetrieblicher Maßnahmen lassen sich nicht nur an der angeblichen Praxisferne der Ausbildung festmachen; entscheidender ist, in welchen Berufen ausgebildet wird.
Ich stimme Frau Wilms hinsichtlich der Ausführungen in Ihrem Bericht zu, daß wir auch neue Ausbildungsordnungen brauchen, daß die Inhalte überprüft werden müssen. Wir wünschen uns allerdings, Frau Minister, daß der Erlaß der bereits vorliegenden Erarbeitungen für neue Ausbildungsordnungen seitens der Bundesregierung mit etwas mehr Nachdruck betrieben wird.
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Ich möchte mit Blick auf die neuen Technologien abschließend noch eine Anmerkung machen. Wer von der beruflichen Erstausbildung als Ergebnis den unmittelbar, perfekt und in allen denkbaren Technologiebereichen einsetzbaren Menschen erwartet, der überfordert dieselben.
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Ich glaube, um so mehr kommt es darauf an, eine breite berufliche Grundbildung zu vermitteln und bereits in der Erstausbildung die Fähigkeit zur permanenten Weiterbildung zu fördern. In diesem Zusammenhang wären wir auch gut beraten, Frau Minister, die Berufsschule als zweite Säule des dualen Berufsausbildungssystems nicht nur als eine ergänzende Kann-Leistung zu betrachten, sondern voll anzuerkennen und weiterzuentwickeln.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schemken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein erstaunlicher Vorgang, Herr Weisskirchen, wie Sie hier behaupten können, wir ließen den Überhang im Lehrstellenangebot der Regierung Schmidt verkommen.
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Ich bin erschüttert, muß ich Ihnen sagen, daß so etwas hier im Raume stehenbleibt.
({1})
Gehen Sie doch bitte mal auf die Situation ein, die vom Arbeitsmarkt nicht loszulösen und abzukoppeln ist. Die Sorgen von heute sind doch die Versäumnisse von gestern.
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Wenn trotz des angespannten Arbeitsmarktes 100 000 Ausbildungsstellen jährlich mehr durch Handwerk, Handel, Wirtschaft, Arztpraxen, durch Freiberufliche bereitgestellt werden, wo ist dann der verkommene Überhang?
({3})
- Entschuldigen Sie vielmals, Sie sprechen von einem Überhang. Wo haben Sie uns denn einen Überhang überlassen?
Ich will Ihnen mal folgende Zahlen nennen. Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre lagen Sie bei den Ausbildungsplätzen bei einem Niveau zwischen 580 000 und 620 000. In dieser Zeit hatten Sie zwischen 25 000 und 40 000 Unvermittelte. Wir haben jetzt über 700 000 Vermittelte, und die Quote der Unvermittelten liegt leider in gleicher Höhe. Das ist schmerzlich, und wir sind auch über jeden einzelnen bekümmert, der nicht versorgt ist. Davon können Sie wirklich ausgehen. Noch mehr kümmert es uns, daß wir nicht über den Zustand von morgen nachdenken, daß wir in solchen Aktuellen Stunden zwar ständig die Trauer über den Einzelfall einkehren lassen, aber nicht bereit sind, Perspektiven für die Zeit morgen aufzubauen, die folgenden Tatbestand bringen wird. Wir werden demnächst wieder bei einem Niveau von 600 000 landen und wieder 25 000 nicht untergebracht haben. Die Lage wird durch die Technologie und die Fortschreibung am Arbeitsplatz erschwert, da auf dem Arbeitsmarkt keiner mehr ohne Ausbildung zurechtkommt. Das wird uns besonders schmerzlich bedrücken.
Da kommt das Problem der Frauen und Mädchen in besonderem Maße als Sorge auf. Das sage ich hier einmal ganz offen. Nehmen Sie bitte auch einmal zur Kenntnis, daß das auch unsere Problematik
ist. Nur sollten Sie das nicht ständig mit Horrorzahlen konterkarieren. Entschuldigen Sie vielmals, da gibt es die Zahl von 100 000, da gibt es die weitere Zahl von 241 000. Es ist geradezu lächerlich, wenn solche Zahlen genannt werden. Geben Sie da doch bitte die Quellen an! Auch Herr Kastning hat hier soeben von den Unvermittelten bzw. denjenigen gesprochen, die nicht im Anschluß an ihre Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis kommen. Diese Zahl stimmt doch nicht.
({4})
Wie wollen Sie diese wirtschaftlichen Bedürfnisse denn mit Ihren staatlichen Programmen aufspüren?
({5})
- Entschuldigen Sie vielmals, ich leugne nicht die Dinge, die im Bericht stehen, sondern ich bin mit der Ministerin der Meinung, daß es uns sehr sorgt und jeder einzelne - wir wollen uns hier um den Einzelfall kümmern - eine Aufgabe darstellt.
Nun muß ich Ihnen sagen: Vier Monate nach dem 30. September - Sie nehmen j a immer den Stichtag 30. September - sind 40 % weiter vermittelt, und das sind nahezu 30 000. Diese rechnen Sie schon gar nicht ein, weil Sie Ihre Statistik immer auf den 30. September beziehen. Sie rechnen auch nicht diejenigen mit ein, die an der Arbeitsverwaltung vorbei vermittelt werden.
({6})
- Ja, selbstverständlich, Abbrecher hat es immer gegeben, Herr Weisskirchen. Es hat aber auch immer die Flexibilität der Wirtschaft gegeben, diese Abbrecher aufzufangen. Deshalb ist es falsch, die Statistik vom 30. September zu nehmen, gerade auch wegen der Abbrecher,
({7}) eben weil hier ein flexibler Markt ist.
({8})
- Nein.
Ich möchte Sie bitten, daß wir einmal über das Morgen nachdenken und darüber, wie wir die versorgen, die leider auch in den 90er Jahren überbleiben werden, auch dann, wenn wir ein Überangebot an Ausbildungsplätzen haben werden. Das heißt Qualifikation, Vertrauen in die Wirtschaft, Vertrauen in das duale System. Ich meine, hier ist die Regierung den richtigen Weg gegangen. Herzlichen Dank der Ministerin, die Vertrauen in das Handwerk, in den Mittelstand, in die Wirtschaft insgesamt gesetzt hat. Ich meine, wir sind insgesamt nicht enttäuscht worden.
Jedes Einzelschicksal ist für uns sicherlich ein Appell - auch für morgen.
({9})
- Doch, Appelle nützen. In diesen Appell sollten wir eigentlich gemeinsam einmünden und uns nicht ständig hier die Dinge um die Ohren hauen.
Ihre Rezepte - es ist alter Wein in neuen Schläuchen, dies mit einem Umlageverfahren zu regeln - sind völlig absurd. Wenn ich die Problematik des Ausbildungsplatzmarktes der 90er Jahre nehme, ist die nicht einmal nötig. Es hindert nur. Es wäre nur ein überzogenes Arbeitsbeschaffungsprogramm bei der Arbeitsverwaltung.
Schönen Dank.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Kuhlwein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie können in dieser Debatte auch mit noch so raffinierten Rechenkunststücken nicht wegdefinieren, daß im vergangenen Jahr erneut rund 100 000 bei den Arbeitsämtern registrierte Bewerber ohne Ausbildungsplatz geblieben sind. Und die Tendenz ist im Vergleich zu den Vorjahren eher steigend.
({0})
- Lesen Sie doch einmal nach, und reden Sie nicht so einen totalen Quatsch.
Wenn wir 100 000 Jugendliche mit Ausbildungsplätzen versorgen wollen, meine Damen und Herren, kostet das Geld. Und für die Beschaffung der Mittel gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder geben wir denen einen Ausbildungsplatz und bezahlen den aus Haushaltsmitteln - das wäre eine Möglichkeit, das haben Sie weitgehend verweigert; was das Benachteiligtenprogramm bringt, reicht dafür nicht aus -, oder aber wir machen die Rechnung auf: Wer als Arbeitgeber gar nicht oder zuwenig ausbildet, muß zahlen, damit die Ausbildungsplätze für die unversorgten Bewerber finanziert werden können. Das entspricht übrigens auch dem, was das Bundesverfassungsgericht im Dezember 1980 zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz gesagt hat.
({1})
Deshalb haben wir in der vergangenen Woche den
Entwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von Ausbildungsplätzen in der Berufsausbildung vorgelegt.
Meine Damen und Herren, wir könnten alle Jugendlichen mit qualifizierten Ausbildungsplätzen versorgen, wenn sich alle Arbeitgeber in angemessenem Umfang an der Ausbildung beteiligten. Aber es bilden nur 50 % der ausbildungsfähigen Betriebe überhaupt aus. Dabei schneidet das Handwerk noch besonders gut ab. In der Großindustrie haben wir weit unterdurchschnittliche Ausbildungsquoten. Und eine Reihe von Weltfirmen mit großen Namen bilden nicht einmal so viele Jugendliche aus, daß sie ihren eigenen Nachwuchs sicherstellen könnten.
({2})
Meine Damen und Herren, das wollen wir mit diesem Gesetzentwurf ändern.
({3})
Wir haben in unserem Konzept die Kritik an früheren Konzepten der überbetrieblichen Finanzierung berücksichtigt. Unser Entwurf ist praxisnah, unbürokratisch und flexibel.
({4})
Herr Nelle und Frau Minister, Sie sollten sich schon etwas seriöser damit beschäftigen, als Sie das bisher getan haben, und nicht so billig argumentieren, wie Sie das heute hier gemacht haben.
Unser Entwurf macht die Ausbildung nicht teurer, sondern er macht es teuer, wenn man nicht ausbildet. Unser Entwurf fördert keine Zurückhaltung bei den Ausbildungsbetrieben, weil es Zuschüsse nur für zusätzliche Ausbildungsplätze geben wird. Die Höhe der Abgabe pro Platz wird so bemessen sein, daß es sich für keinen Betrieb lohnt, sich von der Ausbildung freizukaufen. Und schließlich, aber nicht zuletzt: Wir wollen Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten von der Abgabe freistellen, weil in diesen Betrieben ohnehin schon ein Übersoll an Ausbildung geleistet wird und wir diesen Unternehmen deshalb Papierkrieg ersparen wollen.
Unwahr ist schließlich auch die Behauptung von Frau Wilms, die SPD-geführte Bundesregierung habe im Sommer 1982 generell auf ein Umlagesystem verzichtet. Ich war damals beteiligt, und ich weiß noch sehr genau, daß wir die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Modelle gegeneinander abgewogen haben, ohne daß wir endgültig alles verworfen oder etwas ausdrücklich gebilligt hätten.
({5})
Eine letzte Bemerkung dazu. Unser Entwurf ist auch kein Angriff auf das duale System, sondern dieser Entwurf ist die logische Konsequenz des dualen Systems, und dazu empfehle ich noch einmal die Lektüre der Verfassungsgerichtsentscheidung von 1980.
({6})
Noch einmal in Stichworten, Herr Nelle, worum es geht.
Erstens. Wir wollen erreichen, daß alle Jugendlichen ein auswahlfähiges Angebot erhalten.
Zweitens. Wir wollen erreichen, daß sich die schwach ausbildenden Betriebe stärker an der Ausbildung beteiligen.
Drittens. Die Trittbrettfahrer sollen gemeinsam soviel Geld aufbringen, daß für alle unversorgten Jugendlichen Ausbildungsplätze finanziert werden können.
({7})
Viertens. Die Mittel aus dem Fonds werden auf die Landesarbeitsämter und von dort regional auf die Arbeitsämter unter dem Gesichtspunkt der regional unterschiedlichen Situation verteilt.
Fünftens. Wer wieviel Mittel für zusätzliche Plätze in den Betrieben oder für außerbetriebliche Ausbildung bekommt, das wird vom Arbeitsamt im
Einvernehmen mit dem drittelparitätisch besetzten Verwaltungsausschuß entschieden. Dabei wird darauf geachtet werden, daß auch die Ausbildungen gefördert werden, die auf dem jeweiligen Arbeitsmarkt verwertbar sind.
Dieser Entwurf ist ein geschlossenes und logisches Konzept. Er dient der Erhaltung und Verbesserung des gewachsenen Systems der Berufsausbildung in der Bundesrepublik. Wer uns kritisiert, meine Damen und Herren, muß überzeugende Alternativen bieten. Der Beschluß der Bundesregierung zum Berufsbildungsbericht ist keine solche Alternative. Das werden vor allem die hunderttausend Jugendlichen und ihre Eltern sehr schnell verstehen, die Sie, meine Damen und Herren auf der Rechten des Hauses, heute wieder zu einer vernachlässigenswerten Minderheit gemacht haben.
Herzlichen Dank.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Pöppl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Jahre wieder und heuer zum viertenmal in Reihenfolge beantragt die SPD eine Aktuelle Stunde zur Ausbildungsplatzsituation, um hier ihre Märchenstunde zu veranstalten, mit dem Versuch, die Jugend als Transmissionsriemen für ihre parteipolitischen Absichten zu benutzen.
({0}) Das ist die Ausgangslage.
Der Opposition steht der blanke Erfolgsneid ins Gesicht geschrieben. Das ist die Lage. So ist es.
({1})
Was hier zählt, Herr Vogel, sind Fakten und Tatsachen. Und Tatsache ist, daß sich die SPD mühsam darum bemüht, sich an den Stichtag 30. September zu klammern, weil Sie nicht zugeben wollen, daß heute, am 26. Februar 1986, 97 % aller Nachfrager untergebracht sind. Das wollen Sie natürlich nicht wahrhaben.
Ich will Sie mit Nachdruck daran erinnern, daß auch unter den SPD-geführten Regierungen jeweils am 30. September die Zahl der noch nicht vermittelten Bewerber bei mindestens 5% lag. Was soll also die Schwarzmalerei, die Sie hier wieder abziehen? Tatsache ist, daß seit 1983 über 2,1 Millionen junge Menschen einen Lehrplatz erhalten haben, soviel wie nie zuvor.
Weitere Tatsache ist, meine Damen und Herren, daß wir seit 1983 Jahr für Jahr einen Lehrstellenrekord hatten. 1983 waren es 696 000 angebotene Ausbildungsplätze, 1984 rund 726 000 und für 1985/86 sind es derzeit mindestens 736 000, soviel wie nie zuvor, meine Damen und Herren.
({2})
Tatsache ist, daß Jahr für Jahr 200 000 Lehrplätze mehr angeboten wurden, als es unter den SPDgeführten Bundesregierungen je der Fall war. Das
ist ein Angebot der Wirtschaft wie nie zuvor. Weit über 1,8 Millionen Jugendliche stehen zur Zeit in einem Ausbildungsverhältnis.
Meine Damen und Herren, das ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Im übrigen kann keine einzige Regierung der Europäischen Gemeinschaft eine ähnlich erfolgreiche Ausbildungsplatzbilanz vorweisen.
({3})
Es ist uns hier im Deutschen Bundestag ein besonderes Anliegen, der deutschen Wirtschaft und ihren Ausbildern für diese großen freiwilligen Anstrengungen von dieser Stelle aus erneut herzlich zu danken.
({4})
Die Ausbildungsbetriebe in Handel, Handwerk, Verwaltung und Industrie haben auf hervorragende Weise dazu beigetragen, diese Jahre, in denen starke Jahrgänge auf den Ausbildungsmarkt drängen, zu bewältigen. Allen in den Werkhallen und in den Büros daran Beteiligten gebührt große Anerkennung, weil sie einmal mehr bewiesen haben, daß freiwillige Initiativen sehr viel besser als aller staatlicher Zwang geeignet sind, die Ausbildungs- und Beschäftigungsprobleme, die letztlich ebenfalls Erblastprobleme sind, zu lösen.
Dennoch will ich hier im selben Atemzug die ausbildende Wirtschaft und die Verwaltung dazu animieren, auch weiterhin in ihren Anstrengungen nicht nachzulassen. Zwar ist die Nachfrage 1985 um etwas mehr als 8 000 Fälle, also um etwa 1,1 %, zurückgegangen, und es wird für 1986 eine Nachfrageminderung um weitere 15 000 bis 20 000 auf voraussichtlich 740 000 Ausbildungsplätze erwartet; nachdrücklich will ich aber auch darauf hinweisen, daß der starke Bedarf an Ausbildungsplätzen noch weit in die zweite Hälfte der 80er Jahre hineinreichen wird. Dabei müssen wir unsere Aufmerksamkeit noch stärker auf die zunehmende Zahl von Lehrlingen mit mittlerer Reife und mit Abitur richten, weil sie heute schon über 50 % des gesamten Nachfragepotentials ausmachen. Es muß uns gelingen, diese Lehrstellenbewerber noch stärker für gewerblich-technische Berufe zu interessieren und die zu einseitigen Ausrichtungen abzumildern, die es derzeit in bezug auf kaufmännisch-verwaltende Berufe und beim Dienstleistungsbereich gibt.
Wenn wir uns dieser Aufgabe gemeinsam stellen, wenn wir -
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluß.
Ja, ich bin gleich am Ende. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir das tun und die 7. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz in die Praxis umsetzen, sind wir auf dem guten Wege, auch die Umbruchphase der beruflichen Bildung gut zu bewältigen.
Ich bedanke mich.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Grünbeck.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schade, daß der Fraktionsvorsitzende Vogel gerade geht,
({0})
denn ich hätte an Sie, Herr Vogel, eine Bitte: Könnten Sie Schaden von unserer gemeinsamen Heimat Bayern abwenden, indem Sie dem Herrn Weisskirchen einmal Nachhilfeunterricht geben und ihm sagen,
({1})
daß in München 10 000 Lehrstellen noch nicht besetzt sind und nicht etwa 10 000 Lehrlinge eine Stelle suchen?
({2})
Wenn das hier verdreht wird, ist das die Brunnenvergiftung, die Sie betreiben!
Meine Damen und Herren, ich habe mich eigentlich nicht nur als mittelstandspolitischer Sprecher der FDP gemeldet, sondern auch als Unternehmer, der ständig 40 oder 50 junge Menschen ausbildet,
({3})
und zwar in sechs unterschiedlichen Berufen, und der Fachkräfte und Meister von morgen heranbilden will. Die mittelständische Wirtschaft beschäftigt nicht nur 66 % aller Arbeitnehmer, sondern bildet auch 80 % aller jungen Menschen in Berufen aus. Ich glaube, das ist für die berufliche Bildung in der Bundesrepublik ein Fundament, wie es vergleichsweise in anderen Ländern überhaupt nicht anzutreffen ist.
({4})
Es ist das größte Fundament der beruflichen Bildung, an der leider Gottes die Großindustrie auch nicht annähernd einen proportionalen Anteil hat, übrigens auch nicht die staatlichen Unternehmen und auch nicht die DGB-Betriebe.
({5})
Ich habe heute vormittag den Eindruck, daß wir ständig über Statistiken und Zahlen schimpfen, uns aber zu wenig mit der Qualität der beruflichen Bildung beschäftigen; denn die Modernität der beruflichen Bildung wird die Chancen der jungen Menschen von morgen wesentlich erhöhen.
({6})
Ich glaube, daß die Bundesregierung auf dem richtigen Wege ist, nicht nur im Ministerium von
Frau Wilms, sondern auch im Wirtschaftsministerium. Meine Damen und Herren, seit 1969 haben wir 200 Berufe neu geordnet; 50 Projekte sind immer in Arbeit. Erstaunlich ist eigentlich, daß nach den Berichten, die ich zur Kenntnis bekommen habe, gerade der DGB als Mitbestimmungsorgan die Weiterentwicklung der Modernität bei der Beschreibung der Ausbildungsinhalte durch seine Bürokraten am meisten bremst.
({7})
Ich würde Sie doch bitten,
({8})
dabei etwas aktiver mitzuhelfen und die Eigenverantwortung zu stärken.
({9})
-- Sie haben doch gerade gesprochen! Warum reden Sie denn immer noch?
({10})
- Das ist der beste Zwischenruf, den Sie gemacht haben. Ich bilde seit 35 Jahren als Unternehmer Lehrlinge aus, und Sie sagen, ich hätte keine Ahnung. Wir müssen uns von Ihnen immer sagen lassen, daß wir keine Ahnung haben.
({11})
Ich möchte einen Vorschlag unterbreiten, weil mir ein Thema große Sorgen macht. Es ist das Thema der Berufsberatung. Ich bin in großer Sorge, daß die Berufsberatung nicht die Qualität hat, die sie eigentlich haben sollte. Ich schließe mich der Auffassung des Kronberger Kreises an: Wir müßten in der Berufsberatung und auch in der Lehrstellenvermittlung privatisieren.
({12})
Ich sage Ihnen noch eines: Diese Regierung hat einen guten Ansatz zur privaten Lehrstellenvermittlung gehabt. Was hat die Bundesanstalt für Arbeit über Verordnungen daraus gemacht? Acht Seiten, 15 Paragraphen, 30 neue Regelungen - nun sagen Sie mir einmal, welcher private Vermittler damit eigentlich zu Rande kommen sollte.
Ich glaube, daß wir den branchenbezogenen Berufsberater brauchen. Ich glaube, daß jeder überfordert ist, wenn er Berufsberatung mit Bezug auf Berufe ausüben soll, von denen er selber wenig weiß. Das branchenbezogene Verfahren hat überhaupt nichts mit einer Diskriminierung zu tun, sondern es wäre ein Weg in die richtige Richtung, und zwar insofern, als es sich um qualifizierte Berufsberatung als Vorstufe zum Einstieg in das Berufsleben handelt.
Ich glaube, daß hier eine konzertierte Aktion richtig wäre. Frau Ministerin, in meiner Heimatstadt haben wir eine solche konzertierte Aktion gemacht. Die Vertreter von Wirtschaft und Schule - von
Hauptschule, Realschule und Gymnasium - sitzen ständig zusammen. Wir haben bei uns seit drei Jahren nicht einen einzigen jungen Menschen, der keinen Ausbildungsplatz gefunden hat.
({13})
Ich bedanke mich auch bei den Lehrern, die mitgeholfen haben. Wenn das aber noch unter Strafe gestellt werden soll, so begreifen das weder der junge Mensch noch dessen Eltern. Ich glaube, daß wir mit diesem Vorschlag auf dem richtigen Weg wären.
Ich teile Ihre Sorgen, was die berufliche Qualifikation der Mädchen anbelangt. Es ist ein Trauerspiel, daß im Bereich unserer Kammer 65% der Mädchen nur drei Berufe ergriffen haben, nämlich die von Friseuse, Bürokauffrau und Verkäuferin. In diesen Berufen haben sie tatsächlich keine großen Chancen.
Die Bundesregierung hat jetzt aber ein richtiges Programm erarbeitet. Im Rahmen des Arbeitsförderungsgesetzes haben wir auf dem Wege über die Teilung der Beschäftigung gewissermaßen Anschluß gefunden: Zwei nichtbeschäftigte ausgebildete Menschen bekommen einen neuen Arbeitsplatz; die eine Hälfte zahlt das Arbeitsamt, die andere Hälfte das Unternehmen. Die Leute lernen auf diese Weise doch mehr als in allen überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Wenn sie direkt im Beruf, direkt im Betrieb ihre berufliche Weiterbildung betreiben, können, wie ich glaube, auch Mädchen in Berufen wie Elektriker, Dekorateur, Schreiner, technischer Zeichner oder Graphiker etwas lernen.
({14})
Zum Abschluß darf ich vielleicht noch eine Bitte an den Deutschen Bundestag richten. Wir haben den Begriff des Auszubildenden eingeführt. In der Abkürzung heißt er Azubi. Das erinnert mich eher an ein japanisches Motorrad als an einen deutschen Lehrling, der künftig Facharbeiter oder Meister in unseren Betrieben sein soll. Hier sollte man eine Zurückstufung vornehmen.
Ich danke Ihnen.
({15})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Pack.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ausbildungsbereich haben sich die Chancen für Mädchen und Frauen in den letzten Jahren zwar verbessert: Heute beträgt der Anteil junger Frauen an der beruflichen Ausbildung 40 %. Das sind 2% mehr als im Jahre 1980. Der Zuwachs an Ausbildungsstellen ist in den letzten vier Jahren zu 75,4 % jungen Frauen zugute gekommen. Dessenungeachtet ist die Situation der Frauen auf dem Lehrstellenmarkt nach wie vor sehr schwierig.
Das liegt zum einen an strukturellen Bedingungen wie der Konzentration junger Frauen auf wenige Berufszweige - in den 15 von Frauen am stärksten besetzten Ausbildungsberufen werden
knapp 70 % aller jungen Frauen ausgebildet -; zum anderen liegt es aber auch an der skandalösen Vergabe der Ausbildungsstellen, also daran, daß noch immer die Hälfte aller Lehrstellen nur für Jungen ausgeschrieben werden. Somit haben wir es mit einem sich überlagernden, sich gegenseitig verstärkenden Doppeleffekt zu tun: Einerseits mit dem unbefriedigenden Nachfrageverhalten junger Frauen, andererseits mit dem einseitigen Ausbildungsplatzangebot.
Diese sich potenzierenden Effekte mindern die Ausbildungs- und natürlich auch die Berufschancen junger Frauen in erheblichem Umfang. Zu diesen Schwierigkeiten kommt hinzu, daß der Trend zur Einführung und Handhabung neuer Technologien nicht zuletzt im Kommunikationsbereich von Frauen dergestalt erkannt werden muß, daß sie sich in ihrer Ausbildung rechtzeitig das notwendige Wissen aneignen, damit die Verwendung nicht zuletzt in den attraktiveren Dienstleistungsberufen nicht gefährdet wird. Hier wird die Konkurrenz zusehends deutlich.
Zur Verbesserung der Situation junger Frauen sind vor allem zu nennen: erstens das Programm des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft zur Förderung der Berufsausbildung benachteiligter Jugendlicher und zweitens die Erweiterung des Berufsspektrums für Frauen.
Das sogenannte Benachteiligtenprogramm hat erheblich dazu beigetragen, daß junge Menschen mit schlechteren Startchancen am Berufsausbildungssystem partizipieren können. Hierfür standen 1985 256 Millionen DM für 18 500 Jugendliche in anerkannten Ausbildungsberufen zur Verfügung. 1986 sind es 335 Millionen DM für rund 23 500 Jugendliche. Diese zusätzlichen Mittel werden vorrangig jungen Frauen zur Verfügung gestellt.
Die Erweiterung des Berufsspektrums für Frauen wurde insbesondere durch ein Modellprogramm zur Erschließung der gewerblich-technischen Ausbildungsberufe durch das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft seit 1978 gefördert. Insgesamt 1 186 Mädchen haben eine Ausbildung in 75 gewerblich-technischen Berufen begonnen. Von 1978 bis 1985, wo der Modellversuch auslief, wurden für dieses Versuchsprogramm insgesamt 27 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Dieses Modellprogramm hat gezeigt, daß es für Mädchen und Frauen keine Barrieren in technischen Berufen gibt, sondern nur Barrieren der subjektiven Einstellungen.
({0})
98% Mädchen, die an einer Facharbeiter- oder Gesellenprüfung teilnahmen, haben diese Ausbildung bestanden.
Das Problem, das dann kommt - Herr Grünbeck hat es erwähnt -, ist die Anschlußbeschäftigung. Wir haben mit der 7. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz dazu unseren Beitrag geleistet. Als Saarländerin sage ich nur: Das erste, was die saarländische SPD-Regierung gemacht hat, war, das gute saarländische Anschlußprogramm sofort zu kappen.
({1})
Das sollte man auch an dieser Stelle sagen.
Da zu erwarten ist, daß in zehn Jahren ca. 70% aller Berufe vom Einsatz neuer Technologien betroffen sind, müssen rechtzeitig die Weichen für die Ausbildung und natürlich auch die Weiterbildung von Mädchen gestellt werden. Gleicher Zugang von Mädchen zu den neuen Technologien muß durch Teilnahme am technischen Unterricht in der Schule, der nicht zugunsten von Hauswirtschaft abgewählt werden darf, grundgelegt werden. Ängste und Vorbehalte gegenüber den neuen Technologien müssen abgebaut werden. Auf diesem Feld ist noch sehr viel zu tun.
Es steht uns gut an, wenn wir dies gemeinsam tun. Wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung, die gerade für die Zukunft der Mädchen bedeutsam sein wird. Packen wir es gemeinsam an! Daran tun wir besser, als wenn wir über Umlagefinanzierung diskutieren.
({2})
Die Aktuelle Stunde ist beendet. Die Sitzung wird um 13 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt.
Ich unterbreche die Sitzung.
({0})
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
- Drucksache 10/5081 Zunächst sollte der Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen behandelt werden. Die Frage 1 des Abgeordneten Müller ({0}) soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Abgeordneter Mann, der die Frage 2 eingebracht hat, hat ebenfalls um schriftliche Beantwortung gebeten. Der Innenausschuß, an dessen Sitzung er teilnimmt, entschuldigt zur Zeit, wie ich glaube, alles. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Staatssekretär Rawe, Sie brauchen die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich hier im Plenum also nicht zu beantworten.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär von Loewenich zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Huonker auf:
Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß das Ergebnis der Untersuchung der Landesbausparkasse Münster/Düsseldorf nicht auf das gesamte Bundesgebiet übertragbar ist, wonach der Anteil der Gebrauchtimmobilien an allen erworbenen Eigenheimen seit 1982 von 43v. H. auf inzwischen 50v.H. angestiegen ist?
Vizepräsident Westphal
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
von Loewenich, Staatssekretär im Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Herr Abgeordneter, das Ergebnis der Landesbausparkasse Münster, auf das Sie sich in Ihrer Frage beziehen, beruht auf einer Ende 1985 durchgeführten schriftlichen Umfrage bei 4 000 Kreditnehmern dieser Bausparkasse. Es läßt sich angesichts der Auswahl der Befragten und der regionalen Konzentration auf Nordrhein-Westfalen nicht ohne weiteres auf das gesamte Bundesgebiet übertragen. So weisen Untersuchungen anderer Kreditinstitute einen wesentlich höheren Neubauanteil aus, vor allem in ländlichen Regionen. Insbesondere kann man davon ausgehen, daß der Neubauanteil in den süddeutschen Bundesländern höher ist.
Richtig ist freilich, daß die Preisrückgänge auf dem Immobilienmarkt in den letzten Jahren den Erwerb aus dem Bestand attraktiver gemacht haben. Diese Entwicklung der vergangenen Jahre kann allerdings nicht ohne weiteres in die Zukunft fortgeschrieben werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Huonker.
Herr Staatssekretär, können Sie mir und dieser Studie, die ich in diesem Punkt übernehme, insofern zustimmen, als das von der Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zur Neuregelung der steuerlichen Förderung selbstgenutzten Wohneigentums zugrunde gelegte Verhältnis von 1,3 Gebrauchterwerb zu 1,5 Neubau jedenfalls so nicht stimmt und daß die Zukunft, wenn man auf Länder wie USA und England schaut, wo das Verhältnis 3 :1 bzw. 5 :1 ist, erwarten läßt, daß zumindest ein Verhältnis von 5 :5 mit der Tendenz zu mehr Gebrauchtimmobilienerwerb zutrifft?
von Loewenich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, die den Steuerausfallschätzungen zugrunde liegenden Annahmen zu ändern. Sie geht beim selbstgenutzten Wohneigentum weiterhin davon aus, daß jährlich 150 000 neu erstellte und 130 000 aus dem Bestand erworbene Wohnungen steuerlich gefördert werden. Das entspricht einem Verhältnis von rund 54 % zu 46 % zwischen Neubau und Bestandserwerb und unterscheidet sich damit nicht gravierend von den Ergebnissen der Untersuchung der Landesbausparkasse Münster.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordnete Huonker.
Herr Staatssekretär, verstehe ich Sie richtig, daß die in dieser Studie genannten Gründe für die Zunahme des Anteils des Bestandserwerbs wie z. B. zunehmender Anteil von Erbschaften und berufsbedingter Wohnungswechsel keine Gründe dafür sind, daß der Anteil der Gebrauchtimmobilien insbesondere im Bereich der Selbstnutzung in den vor uns liegenden Jahren zunimmt?
von Loewenich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, wie ich vorhin gesagt habe, gehen wir davon aus, daß der Erwerb aus dem Bestand attraktiver geworden ist. Auf der anderen Seite muß man sehen, daß der Zustand beim Neubau von Wohnungen im Augenblick von einer Überreaktion gekennzeichnet ist. Die Bundesregierung geht davon aus, daß der Rückgang beim Neubau geringer werden wird.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schlatter.
Herr Staatssekretär, ich möchte mich auf die gleiche Studie stützen, wie der Kollege Huonker. Können Sie die Aussage dieser Studie bestätigen, daß der Bestandserwerb einschließlich Modernisierungskosten rund 20% billiger kommt als der Neubau?
von Loewenich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat dazu keine eigenen statistischen Angaben. Sie zitieren aus dieser Erhebung. Ich habe sie gelesen. Ich kann sie nicht bestreiten.
Bitte schön, Herr Sperling.
Herr Staatssekretär, um wieviel müssen die Realeinkommen breiter Arbeitnehmerschichten steigen, damit der Neubau so attraktiv für die Leute wird, daß die von Ihnen gemutmaßte Zahl zustande kommt?
von Loewenich, Staatssekretär: Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, geht davon aus, daß insbesondere die Neuregelung des selbstgenutzten Wohneigentums die Nachfrage nach Neubau wieder weiter anregen wird.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Schlatter auf:
Wie viele Baugenehmigungen wurden nach dem vorläufigen Ergebnis der Baugenehmigungsstatistik in den Jahren 1983 bis 1985 erteilt für Wohnungen in neu errichteten Wohnungsbauten, und welche Zahlen schätzt die Bundesregierung für die Jahre 1986 bis 1990?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
von Loewenich, Staatssekretär: Nach der Bautätigkeitsstatistik des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahre 1983 für 384 859 und im Jahre 1984 für 306 923 Wohnungen in neu errichteten Wohngebäuden Baugenehmigungen erteilt. Für 1985 liegt die entsprechende Zahl nach den vorläufigen Meldungen bei 225 667 Wohnungen.
Die Bundesregierung verfügt über kein Instrumentarium, um exakte Schätzungen der Baugenehmigungen für die Jahre 1986 bis 1990 vornehmen zu können. Solche Schätzungen führt jährlich das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München durch -- allerdings auf der Basis der Zahlen für fertiggestellte Wohnungen. Das Ifo-Institut erwartet auf der Grundlage konjunktureller Prognosewerte für 1986 270 000, für 1987 265 000, für 1988 290 000 und für 1989 285 000 fertiggestellte Wohnungen in neu errichteten Wohngebäuden.
Staatssekretär von Loewenich
Als Trendwerte gibt das Institut in seiner jüngsten Bauvorausschätzung folgende Zahlen an: 1986: 301 200 fertiggestellte Wohnungen, 1987: 294 600, 1988: 288 400, 1989: 282 400, 1990: 276 800. Die Bundesregierung hält insbesondere diese Trendprognose für insgesamt realistisch.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schlatter.
Herr Staatssekretär, verfügt die Bundesregierung über Erkenntnisse oder Schätzungen, wie hoch der Anteil der selbstgenutzten Wohneigentumsobjekte an den Zahlen ist, die Sie mir gerade genannt haben?
von Loewenich, Staatssekretär: Die Bundesregierung geht - ich habe das vorhin gesagt -- bei ihrer Schätzung davon aus, daß im Durchschnitt jeweils rund 150 000 der fertiggestellten Wohnungen Eigenheime sein werden.
Weitere Zusatzfrage, Herr Schlatter.
Herr Staatssekretär, wären Sie in der Lage, die Zahlen, die Sie mir genannt haben, aufzuschlüsseln nach Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Geschoßwohnungsbau?
von Loewenich, Staatssekretär: Für die Zukunft, Herr Abgeordneter, bin ich dazu nicht in der Lage, weil es sich um Schätzungen handelt, die nicht so genau getroffen werden können.
({0})
- Für die Vergangenheit kann ich Ihnen sagen, daß folgende Zahlen zu verzeichnen waren: bei Einfamilienhäusern im Jahr 1983 98 815, im Jahr 1984 84 951 und im Jahr 1985 78 445 genehmigte Wohnungen, bei Zweifamilienhäusern im Jahr 1983 86 464, im Jahr 1984 67 412 und im Jahr 1985 53 500 genehmigte Wohnungen, sowie bei Mehrfamilienhäusern - und da sehen Sie den großen Unterschied --- im Jahr 1983 199 580, im Jahr 1984 154 560 und im Jahr 1985 93 722 genehmigte Wohnungen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie die Frage nach Baugenehmigungen mit den Zahlen für Fertigstellungen beantwortet haben, möchte ich gern wissen, ob ich in Zukunft nach den Fertigstellungen fragen muß, damit ich die Zahlen der Genehmigungen von Ihnen erfahren kann.
von Loewenich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich habe darauf hingewiesen, daß die Fertigstellungen eine Grundlage für die Schätzungen des IfoInstituts sind. Für die Vergangenheit habe ich als Antwort die Genehmigungen genannt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Huonker.
Herr Staatssekretär, wann wird nach Auffassung der Bundesregierung das gemeinsame Ziel der Regierung und der Opposition, die Wohneigentumsquote auf 50 % zu erhöhen, erreicht sein, wenn, wie Sie sagen, im Neubaubereich von einer Zahl von 150 000 selbstgenutzten Wohneinheiten auszugehen ist und das Verhältnis zwischen selbstgenutztem Wohneigentum im Neubaubereich und dem Erwerb aus dem Bestand so ist, wie Sie es vorhin als Auffassung der Bundesregierung geäußert haben?
von Loewenich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich kann dazu im Augenblick keine exakte Aussage machen, bin aber gern bereit, Ihnen dazu eine Auskunft zukommen zu lassen.
Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie brauche ich nicht aufzurufen, weil der Fragesteller, der Abgeordnete Dr. Kübler, die schriftliche Beantwortung seiner Fragen 5 und 6 gewünscht hat. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Köhler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Volmer auf:
Trifft es zu, daß es sich bei der gemeldeten Bestechungsaffäre in Ägypten mit bundesdeutscher Beteiligung um ein Projekt der bundesdeutschen Entwicklungshilfe mit Mischfinanzierung handelt ({0})?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, ich beantworte die Frage mit Ja. Inwieweit die in der Presse gemeldeten Bestechungsversuche gegenüber ägyptischen Dienststellen zutreffen, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden, zumal die Betroffenen zu dem Vorwurf noch nicht gehört werden konnten. Bei der Papier- und Zellstoffabrik handelt es sich um ein Vorhaben, für das im Rahmen der finanziellen Zusammenarbeit mit Ägypten eine Mischfinanzierung angeboten worden ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Volmer.
Herr Staatssekretär, welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, die in der Rahmenplanung von 1985 vorgesehenen grundbedürfnisorientierten A-Projekte zu streichen und statt dessen das Reserveprojekt der Papierfabrik mit 130 Millionen DM zu finanzieren?
Das Vorhaben war in die Rahmenplanung 1985 als sogenanntes B15392
Pari. Staatssekretär Dr. Köhler
Vorhaben mit 120 Millionen DM eingestellt worden. Zwei A-Vorhaben der Wasserversorgung waren auf Grund mangelnder Vorbereitung immer noch nicht zusagereif und wurden deshalb verschoben. Die Zusage für diese Vorhaben besteht selbstverständlich weiterhin.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Volmer.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Ausschreibung für dieses Projekt schon Anfang 1984 stattfand und daß die FZ-Mittel jetzt nur deshalb eingesetzt wurden, um den Zuschlag für ein bundesdeutsches Konsortium sicherzustellen?
Die Ausschreibung läuft in der Tat über längere Zeit. In dieser Zeit hat sich auch das Projekt nach meiner Information in verschiedenen Einzelheiten verändert. Auf Grund der Lage, die ich eben für die Rahmenplanung 1985 geschildert habe, war bei dem starken ägyptischen Interesse an dem genannten Projekt damit eine neue Situation gegeben, der wir durch dieses Angebot Rechnung getragen haben.
Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Volmer auf:
Hat die Bundesregierung im Bemühen um Beschäftigungswirksamkeit mit ihrer Hilfe auf der Geberseite die Bestechung durch den bundesdeutschen Lieferanten gefördert oder zumindest billigend in Kauf genommen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, diese Frage beantworte ich mit Nein. Die Bundesregierung weist mit allem Nachdruck die in der Frage liegende Unterstellung zurück.
Eine Zusatzfrage, Herr Volmer.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Kreditanstalt für Wiederaufbau bei diesem Projekt erst dann vor Ort prüfen darf, wenn geklärt ist, daß die bundesdeutschen Lieferanten den Zuschlag tatsächlich erhalten?
Ich kann die Beantwortung dieser Frage nur nachreichen. Ich kann das im Moment nicht beantworten.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Volmer.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung dieses Vorhaben auch dann finanzieren, wenn ausländische Firmen den Zuschlag erhalten sollten?
Diese Frage ist im Moment rein theoretischer Natur. Im Moment ist ein Konsortium, an dem auch ausländische Firmen beteiligt sind, zum Beispiel Voest-Alpine, Osterreich, im Wettbewerb. Von dieser Lage haben wir im Moment auszugehen.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen und rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Herr Würzbach zur Verfügung. Aber der erste Fragesteller ist nicht da, Herr Dr. Spöri. Seine Fragen 9 und 10 werden daher entsprechend unserer Geschäftsordnung behandelt.
Dann komme ich zur Frage 11 des Abgeordneten Rusche:
Hat die Bundesregierung den Bericht über Söldnerausbildung in der WDR-Sendung „Aktuelle Stunde" am 19. Februar 1986 zur Kenntnis genommen, und kann sie bestätigen, daß Mitglieder des „Bund Deutscher Legionäre" als angebliche Reservistenkameradschaft auf Bundeswehrschießplätzen ihre Übungen durchführen bzw. durchführen konnten?
Herr Präsident, Herr Kollege, die Bundesregierung kann dies nicht bestätigen.
Eine Zusatzfrage, Herr Rusche.
Wollen Sie damit sagen, daß in der Fernsehsendung vom Westdeutschen Rundfunk falsche Tatsachen behauptet wurden?
Ich habe bezogen auf Ihre Frage gesagt, daß die Bundesregierung das nicht bestätigt. Das ist eine sehr klare Antwort.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Rusche.
Ich habe Sie konkret gefragt, ob die Sendung im Westdeutschen Rundfunk, in der diese Aussage gemacht wurde, nicht der Wahrheit entspricht.
Herr Kollege, ich wiederhole, daß die Bundesregierung das, was Ihrer Frage und der Sendung zugrunde liegt, nicht bestätigen kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Senfft.
Kann die Bundesregierung ausschließen, daß, wie zu hören war, ein Großteil derjenigen Personen, die sich bei Graf Adelmann gemeldet haben, derzeit aktiv bei der Bundeswehr tätig sind?
Die Bundesregierung kann dies nicht bestätigen, Herr Kollege. Ich verweise auf die Antworten, die mein Kollege Spranger, bezogen auf die gleichen Fragen, in der 197. Sitzung am 19. Februar zu diesem Komplex gegeben hat.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Frau Hönes? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär Spranger erklärte in der Fragestunde vom 19. Februar
ganz zu Recht, daß ein Ermittlungsverfahren nicht daran hindert, bis zu dessen Abschluß Tätigkeiten auszuüben, derentwegen es eingeleitet wurde. Bedeutet dies, daß auch die Schießübungen vorerst weitergehen können?
Der Kollege Spranger hat darauf hingewiesen, daß bei der Staatsanwaltschaft in Stuttgart ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Er hat - wenn Sie das nachlesen - auch darauf hingewiesen, daß ein Verfahren zur Prüfung der Voraussetzungen, diesem Bund die Rechtsfähigkeit abzuerkennen, eingeleitet worden ist. Diese Verfahren laufen; beide sind noch nicht abgeschlossen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Mann.
Herr Staatssekretär, wie bewertet das Verteidigungsministerium in diesem Zusammenhang den Verkauf von Söldnerzeitungen aus den USA mit entsprechenden Werbeanzeigen und die Anwerbung durch die Französische Legion, z. B. in Städten mit französischer Garnison?
Herr Abgeordneter Mann, dazu müssen Sie eine Extrafrage einbringen; das paßt hier nicht dazu. - Herr Volmer, bitte schön, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie uns vielleicht mal näher erläutern, was jemand tun muß, um als echter oder vorgeblicher Reservist auf dem Bundeswehrgelände Schießübungen durchführen zu können?
Vorgebliche Reservisten können auf unserem Gelände nicht üben, und wer Reservist ist, ist klar geregelt.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Pauli auf.
Wo und an welcher Stelle sind Veröffentlichungen über mutmaßliche strafbare Handlungen des Hauptabteilungsleiters Rüstung im Bundesministerium der Verteidigung früher in der Form erfolgt, wie in den Rundfunksendungen des Westdeutschen Rundfunks am 17. März 1985, des Senders Freies Berlin vom 6. April 1985 und des Südwestfunks am 2. September 1985 früher in der Form vorgekommen, und von früheren Verteidigungsministern diese Vorwürfe in der Öffentlichkeit zurückgewiesen worden?
Herr Kollege, Veröffentlichungen sind in folgenden Publikationen erschienen: „Frankfurter Rundschau" August 1978, „Südwest-Presse", August 1978, „Frankfurter Neue Presse" August 1978, „Stuttgarter Nachrichten" Oktober 1978, „Südwest-Presse" Oktober 1978. Sie wurden am 30. Oktober 1978 vom damaligen Sprecher unseres Ministeriums - das war der Kapitän zur See Dr. Fischer - unter dem Minister Apel zurückgewiesen. Hierüber -- unter anderem - fand eine Veröffentlichung der „Südwest-Presse" vom 2. November 1978 statt.
Eine Zusatzfrage, Herr Pauli.
Herr Staatssekretär, wurde in den von Ihnen aufgezählten Veröffentlichungen auch zurückgewiesen, wo und an welcher Stelle - das sagen Sie mir bitte - frühere Verteidigungsminister die Aussage zurückgewiesen haben, daß der jetzige Hauptabteilungsleiter Rüstung bis Ende der 50er Jahre unter dem Decknamen Schröder geheimdienstlich tätig gewesen ist?
Herr Kollege, es wurde insgesamt in diesem eben genannten Artikel darauf hingewiesen, daß die Zeugen, auf die man sich beruft, in einem Höchstmaß unglaubwürdig sind. Ich wiederhole es -- ich habe es Ihnen zweimal gesagt -, daß der genannte Zeuge -- den Namen kennen Sie - im Frühjahr 1972 vom Landgericht in München wegen Falschaussage zu zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, daß er am 27. Januar 1981 vom Amtsgericht in Aachen wegen Verleumdung -- die Anzeige hat übrigens damals ein Kollege Ihrer Fraktion erstattet - verurteilt wurde, so daß, für welchen Minister auch immer, kein Anlaß bestand, hier auf Einzelheiten einzugehen, sich fürsorgend vor seine Männer zu stellen. Vielmehr muß darauf hingewiesen werden, daß das Behauptungen sind, die wirklich jeder Substanz entbehren.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Pauli.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ständige Wiederholungen nicht zu einer Wahrheit des Sachverhaltes führen können, und wo und an welcher Stelle haben frühere Verteidigungsminister die Aussage zurückgewiesen, wonach der jetzige Hauptabteilungsleiter Rüstung -- nach einer eidesstattlichen Erklärung des Bankdirektors Breuer der Frankfurter Commerzbank - Kontakt mit dem im Waffenhandel tätigen Dr. Praun gehabt hat und u. a. auch gemeinsam mit ihm in einem Frankfurter Lokal gewesen sein soll?
Ich habe Ihnen ein Beispiel der Zurückweisung bis hin durch den Minister mit Namen, Daten und Presseorganen genannt.
({0})
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Mann.
Herr Staatssekretär Würzbach, haben Sie oder Ihr Kollege oder der Minister auf Grund der Fragen des Kollegen Pauli mit dem Herrn Hauptabteilungsleiter Rüstung die Probleme, die jetzt durch die öffentliche Verbreitung dieses Sachverhaltes - entgegen diesen angeblich unglaubwürdigen Aussagen -- für Ihr Haus entstehen, einmal eingehend besprochen und, wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Das Ergebnis, Herr Kollege, ist völlig klar: daß wir jetzt zum drittenmal in einer Fragestunde diese Sache darstellen: Nicht auf Grund der Fragen, die im Parlament eingereicht wurden, sondern bei Bekanntwerden der Sendung ist durch die verantwortliche Leitung natürlich mit dem fälschlicherweise Beschuldigten gesprochen worden.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Pauli auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Glaubwürdigkeit zweier Vertreter von Rüstungsfirmen, die in den Veröffentlichungen über mutmaßliche strafbare Handlungen des Hauptabteilungsleiters Rüstung im Bundesministerium der Verteidigung, wie beispielsweise in dem 1985 im Focus-Verlag erschienenen Buch „Die Vergangenheit, die nicht endete", als Zeugen namentlich erwähnt werden?
Herr Kollege, hier verweise ich auf die Antworten sowohl eben wie auf die der vorangegangenen Fragestunden.
Herr Pauli, bitte.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung ausschließen, daß der in dem genannten Buch auf Grund von Zeugenaussagen eindeutige Sachverhalt, daß Dr. Praun zu Lebzeiten in Waffengeschäften tätig war und auch geheimdienstliche Kontakte hatte, dem heutigen Hauptabteilungsleiter Rüstung und dem damaligen Antikorruptionsreferenten schon damals bekannt gewesen ist?
Herr Kollege, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, irgendwelche Einzelheiten oder Passagen dieses Buches - ich wiederhole das für die, die zuhören -, in dem u. a. die Terroristin Meinhof als Autorin zu Wort gekommen ist, zu bewerten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Pauli.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung ausschließen, daß der Prozeß gegen Brühne und Ferbach einen anderen Verlauf genommen hätte, wenn damals vor Gericht bekannt gewesen wäre, daß Dr. Praun in Waffengeschäfte und geheimdienstliche Tätigkeiten verwickelt gewesen ist?
Die Bundesregierung geht nicht auf solche Spekulationen ein. Ich sehe auch keinen Zusammenhang mit der ursprünglichen Frage.
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereiches des Bundesministers der Veteidigung. - Irgendwann muß dieses Thema auch von der Tagesordnung. Ich kann nicht verhindern, daß es immer wieder erörtert wird. Aber sagen darf ich es. - Schönen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum nächsten Geschäftsbereich. Das ist der Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schulte zur Verfügung.
Die Fragen 30 und 31 von Frau Dr. Hartenstein und 32 des Abgeordneten Immer ({0}) sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 33 des Abgeordneten Antretter:
Gibt es Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und der Landesregierung Baden-Württemberg, denen zufolge Bundesfernstraßenmaßnahmen - wie es der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Nordbaden am Beispiel der Westtangente Pforzheim öffentlich erklärt hat - vom Land anders geplant werden, als im Bundesfernstraßenbedarfsplan beschlossen wurde, etwa als Umweltschutztrasse wie am Beispiel Pforzheim?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, meine Antwort lautet: Nein.
Eine Zusatzfrage, Herr Antretter.
Herr Staatssekretär, wenn Ihre Antwort nein lautet, wie erklären Sie sich dann Äußerungen des Regierungspräsidenten von Nordbaden, Herrn Dr. Bieringer, die er ja nur im Einvernehmen mit der baden-württembergischen Landesregierung gemacht haben kann und die ausweislich der „Pforzheimer Zeitung" vom 8. Februar 1986 lauten, es würden - beispielsweise am Fall Pforzheim - nur Pläne für eine Trasse mit langem ArlingerTunnel gefertigt werden?
Herr Kollege, ich kann nicht jede einzelne Lokalzeitung jeden Tag verfolgen. Ich weiß auch nicht, ob sich jeder Regierungspräsident bei jeder öffentlichen Äußerung zunächst die Genehmigung seiner Landesregierung einholt. Es mag eine Erklärung für eine solche Äußerung geben, sollte sie tatsächlich so gefallen sein: daß im Protokoll des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages aus Anlaß der Fortschreibung des Bedarfsplans festgehalten wird, daß, falls sich bei der Planung dieser Maßnahme herausstellen sollte, daß veranschlagte Kosten nicht ausreichten, dann der Mehranteil aus der Landesquote zu entnehmen sei. Dies ist eine sehr exzeptionelle Sympathieerklärung für eine umweltschonende Trasse. So habe ich das damals verstanden.
Weitere Zusatzfrage, Herr Antretter.
Herr Staatssekretär, dann möchte ich Sie vor dem Hintergrund Ihrer jetzigen beiden Auskünfte und der Veröffentlichung des Regierungspräsidenten in der erwähnten Pforzheimer Zeitung fragen, welchen Stellenwert die Aussage des Pforzheimer CDU-Abgeordneten, der auch der Regierung angehört, hat, der sich im gleichen Sinne geäußert hat und sagte, für diese Straßenbaumaßnahme stünden 100 Millionen DM - im Gegensatz
zu den vom Verkehrsausschuß und vom Bundestag beschlossenen 58 Millionen DM - im vordringlichen Bedarf für eine umweltschonende Trasse zur Verfügung.
Herr Kollege, wenn Sie sich auf neue Zitate in einer Zeitung berufen, dann möchte ich vorschlagen, daß Sie solche Zitate vorher für die Fragestunde einreichen, damit sich die Bundesregierung darauf vorbereiten kann. Ich kann auch hier nur vermuten, daß der Kollege Stavenhagen die Beschlüsse des Verkehrsausschusses richtig zitiert hat.
Ich habe bereits auf das Protokoll verwiesen und muß noch folgendes zum äußeren Rahmen sagen, nachdem möglicherweise bei Ihnen ein Irrtum besteht, wie Straßenplanung und Straßenbau nachher ablaufen. Zunächst einmal ist die Detailplanung nicht Gegenstand des Gesetzes über den Bedarfsplan. Jede Einzelplanung ist Gegenstand einer umfangreichen Erhebung und Abwägung vieler verschiedener Gesichtspunkte. Das sind Verkehrsbelange, das ist die Verkehrstechnik, die Bautechnik, die Wirtschaftlichkeit, es sind private und öffentliche Belange, es sind Umweltfragen, es geht um Landschaftsschutz. Die Einzelplanung muß dem Ergebnis dieses sicher vielschichtigen Abwägungsprozesses vorbehalten werden und kann nicht im voraus im einzelnen festgelegt werden. Dann muß der Bundesminister für Verkehr über eine konkrete Planung entscheiden und ja oder nein sagen, indem er einen Sichtvermerk erteilt oder nicht erteilt. Die Kosten können sich dabei verschieben. Der Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages hat aber in einem Protokoll, das ich vorher zitierte, zum Ausdruck gebracht, daß, wenn die veranschlagten Gelder nicht ausreichten, weil eine andere Planung nötig sei als das, was zunächst gewollt war, der Mehranteil, also die höheren Kosten, aus der Landesquote zu entnehmen seien.
Zusatzfrage des Abgeordneten Roth.
Im konkreten Fall, Herr Staatssekretär, handelt es sich um folgende Alternative, die jedem vorher bewußt war.
Nur, fragen müssen Sie, Herr Kollege Roth.
Und jetzt kommt die Frage: Besteht der Spielraum einer nachgeordneten Landesbehörde darin, daß eine konkrete Alternative, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Deutschen Bundestages bewußt war - 50 Millionen DM, so hat der Bundestag beschlossen, statt 100 Millionen DM, wie es die Bürger fordern -, der unteren Landesbehörde besteht, daß sie anschließend im Gegensatz zu der Beschlußfassung des Bundestages örtlich eine Zusage für die doppelten Kosten macht?
Herr Kollege Roth, ich habe vorhin gesagt, wie Planung und Bauvorbereitung für eine Straßenmaßnahme ablaufen. Sollte sich herausstellen, daß die veranschlagten
Kosten nicht ausreichen, muß anders verfahren werden. Ich habe bereits zweimal auf das Protokoll des Verkehrsausschusses hingewiesen. Dies war eine der wenigen Ausnahmen, wo über den Beschluß „Es liegt ein Bedarf vor" hinaus noch etwas in einem besonderen Protokollvermerk niedergelegt wurde.
Im übrigen möchten Sie mit der Frage 36 wissen, ob man nur diesen einen Tunnel planen dürfe. Die Antwort darauf gebe ich nachher. Ich kann jetzt schon sagen, daß alle möglichen wesentlichen Alternativen zu untersuchen sind.
Zusatzfrage des Abgeordneten Haungs.
Herr Staatssekretär, können Sie uns bestätigen, daß wir uns im Verkehrsausschuß über keine der möglichen Alternativen zum Straßenbau unterhalten haben, daß wir genau die Summe eingesetzt haben, wie sie vom Land BadenWürttemberg angefordert wurde, und daß wir in dem Protokollvermerk auf Anregung des Abgeordneten Stavenhagen darauf hingewiesen haben, daß wir bei der Konkretisierung einer vielleicht teureren Alternative im Rahmen der Landesquote diese Mittel in dem speziellen Fall zur Verfügung stellen werden?
Wir gingen davon aus, daß alle möglichen Alternativen überprüft werden. Im übrigen war die Beratung exakt so, wie Sie es gerade dargestellt haben.
Das war aber eine dreiteilige und keine zweiteilige Frage. Trotzdem habe ich sie durchgehen lassen, weil ich hoffte, daß die Antwort nur einen Satz umfaßt. Das ist erfolgt.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Antretter auf:
Werden die in Abänderung des Bedarfsplans möglicherweise zusätzlich erforderlichen Mittel von anderen FernstraBenprojekten abgezogen, und zu Lasten welchen Projektes werden gegebenenfalls die 40 Millionen DM Mehrmittel für die Westtangente Pforzheim bereitgestellt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Der als „vordringlicher Bedarf" anerkannte 1. Bauabschnitt der Westtangente Pforzheim befindet sich im Stadium der Vorplanung, so daß weder der endgültige Kostenumfang noch der technisch und rechtlich mögliche Realisierungszeitpunkt bekannt sind. Damit ist auch eine Aussage über konkrete Auswirkungen gegebenenfalls zusätzlich erforderlicher Mittel nicht möglich. Sie sind dann jedoch innerhalb der Landesquote abzudecken.
Zusatzfrage, Herr Antretter.
Herr Staatssekretär, welchen grundsätzlichen rechtlichen Stellenwert hat für Sie die Protokollnotiz, vor allem auch angesichts widersprüchlicher Äußerungen seitens der Regierung in der Person des Parlamentarischen Staatssekretärs
beim Bundesminister für Verkehr und des Staatsministers im Auswärtigen Amt und Widersprüche implizierender Fragen des Kollegen Haungs von eben?
Es ist eindeutig, was der Verkehrsausschuß beschlossen hat, nämlich den Entwurf eines Gesetzes. Dieses Gesetz wurde hier im Plenum des Deutschen Bundestages bestätigt, übrigens auch mit den Stimmen Ihrer Fraktion. Zur weiteren Auslegung von Gesetzen -auch bei anderen Gesetzen, nicht nur im Zusammenhang mit Verkehrsfragen - werden schon immer die Materialien herangezogen. Diese Materialien binden zusätzlich. Die Extra-Protokollnotizen, die im Verkehrsausschuß verabschiedet wurden, werden von den Auftragsverwaltungen beachtet werden.
Im übrigen gibt es nur eine Aussage der Bundesregierung, die ich gerade vorgetragen habe. Ich habe das, was der Kollege Haungs gefragt hat, ausdrücklich bestätigt, so daß auch hier kein Widerspruch besteht.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Antretter.
Herr Staatssekretär, können angesichts der Beantwortung meiner letzten Frage die Bürger in Pforzheim davon ausgehen, daß die Bundesregierung die in der Protokollnotiz zu dieser Trasse, die hier in der Diskussion steht, enthaltene Absicht in der ersten Dringlichkeit und entgegen dem Beschluß des Bundestages mit einer Umweltschutztrasse realisiert?
Die Bundesregierung und die Auftragsverwaltungen werden den Beschluß des Deutschen Bundestages mit der Erläuterung, die dem Protokoll des Verkehrsausschusses zu entnehmen ist, realisieren und nichts anderes.
Zusatzfrage des Abgeordneten Roth.
Herr Staatssekretär, da die Alternativen klar sind - eine Trasse für 100 Millionen DM und eine Trasse für 50 Millionen DM -: Darf eine nachgeordnete Landesbehörde erklären, sie werde die Planung ausschließlich bezogen auf die Trasse für 100 Millionen DM vorantreiben und jede Planung für 50 Millionen DM, die im Rahmen des Bundesfernstraßengesetzes vorgesehen ist, unterlassen?
Herr Kollege, ich werde dies in meiner Antwort auf Ihre Frage 36 präzis beantworten. Wenn der Herr Präsident wünscht, daß ich das jetzt schon tue, mache ich das gerne.
Da muß Herr Roth schon noch zwei Fragen warten.
Jetzt kommt erst noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schulte ({0}).
Herr Staatssekretär, der Abgeordnete Antretter hat soeben den Begriff Umweltschutztrasse verwandt: Teilen Sie diesen Begriff, wird es also nach dem sogenannten Umweltauto demnächst auch Umweltstraßen geben?
Herr Schulte, es geht bei den Fragen des Kollegen Antretter und des Kollegen Roth um die Möglichkeit eines Tunnelbaus. Ich gehe davon aus, daß der Tunnel im Straßenbau im allgemeinen der umweltfreundlichste, allerdings auch der teuerste Bau ist. Wenn wir uns darauf verständigen könnten, brauchen wir über weitere Begriffe nicht zu streiten.
Ich rufe jetzt die Frage 35 des Abgeordneten Roth auf:
Was sagt die Bundesregierung zu Abweichungen vom Bundesfernstraßenbedarfsplan, die z. B. am 16. Januar 1986 vom Regierungspräsidenten Dr. Bieringer angekündigt wurden, und wonach über die vom Deutschen Bundestag für die B 463 Pforzheim/West ({0})-Pforzheim/Süd ({1}) 1. BA bis B 294 ({2}) beschlossenen 58,2 Mio. DM nun 100 Mio. DM zur Verfügung gestellt werden sollen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär, Sie sind dran.
Herr Kollege Roth, das Bedarfsplangesetz legt insoweit keine Einzelheiten fest. Änderungen der Maßnahmen, die der jeweiligen Einplanung zugrunde gelegt wurden, sind daher grundsätzlich möglich - es tut mir leid, daß ich mich jetzt partiell wiederholen muß -, sofern diese nach Abwägung aller maßgebenden Gesichtspunkte geboten und vertretbar sind und die Grundlage für die Bedarfsanerkennung in den wesentlichsten Punkten wie Notwendigkeit, Dringlichkeit und Bauwürdigkeit erhalten bleibt.
Im übrigen verweise ich auch in der Antwort auf diese Frage auf das Protokoll des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages.
Zusatzfrage, Herr Roth.
Herr Staatssekretär, waren der Bundesregierung zum Zeitpunkt ihres Vorschlags an den Verkehrsausschuß bzw. den Deutschen Bundestag Informationen bekannt, wonach eine Umwelttrasse mit Kosten in Höhe von 100 Millionen DM weniger sinnvoll war als eine Trasse mit Kosten in Höhe von 50 Millionen DM?
Nach meiner Kenntnis ist man in der Vergangenheit von einem niedrigeren Betrag ausgegangen. Diesen Betrag hat auch die Auftragsverwaltung beim Bund angemeldet. Nach meiner Kenntnis kamen Vorstöße für einen Tunnelbau - sprich: für einen aufwendigeren Bau - erst in der letzten Phase, jedenfalls was die Diskussionen in Bonn zur Vorbereitung des Bedarfsplans angeht.
Weitere Zusatzfrage, Herr Roth.
Ist Ihnen bekannt, daß sich die örtlichen Institutionen, die die Planfeststellung vorantreiben müssen, weigern, eine Maßnahme zu unterRoth
stützen, die nicht von einem langen Tunnel ausgeht?
Herr Kollege, dies werde ich ebenfalls in der Antwort auf Ihre Frage 36 beantworten.
Na, die kommt jetzt, Herr Staatssekretär. Auf los geht's los. - Moment, der Abgeordnete Antretter möchte noch eine Zusatzfrage zur Frage 35 stellen. Das ist möglich; er hat den Vortritt.
Herr Staatssekretär, halten Sie nach der Summe Ihrer Antworten auf die Fragen des Kollegen Roth und von mir meine Anmerkung für berechtigt, daß die häufig zitierten Protokollnotizen für die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen nur die Funktion haben, den Bürgern ablehnende Bescheide hinsichtlich notwendiger Maßnahmen süßer zu präsentieren?
Nein. Ich habe allerdings manchmal den Eindruck, als würde diese Protokollnotiz Sie ärgern.
So, jetzt kommt die beliebte Frage 36 des Abgeordneten Roth:
Wird die Bundesregierung keine Einwände erheben, wenn das Land, vertreten durch den Regierungspräsidenten Dr. Bieringer, ausschließlich eine Umwelttrasse mit langem Tunnel durch den Stadtteil Arlinger plant und dabei 100 Mio. DM verwendet?
({0})
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Roth, im Interesse einer optimalen Planung und für die Planrechtfertigung ist es unumgänglich, im Rahmen der Einzelplanung alle möglichen wesentlichen Alternativen zu untersuchen und in die Planungsabwägung einzubeziehen.
Auch hier verweise ich zusätzlich auf das Protokoll des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages.
Zusatzfrage, Herr Roth.
Kann ich den Bürgern in diesem Raum auf Grund Ihrer Aussage, der Interpretation der Protokollnotiz und der Entscheidung des Deutschen Bundestages sagen, daß nunmehr eine Planung mit langem Tunnel und mit einer Umwelttrasse stattfindet?
Herr Kollege, ich habe den Eindruck, daß Sie bei meiner ersten Antwort auf Ihre Frage 36 nicht richtig hingehört haben.
Zusatzfrage, Herr Roth.
Kann ich demzufolge feststellen, daß die Bundesregierung nicht in der Lage ist, heute den Betroffenen mitzuteilen, daß ein langer Tunnel mit Umwelttrasse als alleinige Möglichkeit der Planung und Baudurchführung zugesichert wird?
Herr Kollege, damit Sie nicht nachblättern müssen: Ich habe vorhin gesagt, daß im Rahmen der Einzelplanung alle möglichen wesentlichen Alternativen untersucht und in die Planungsabwägung einbezogen werden müßten. Im übrigen habe ich auf die Protokollnotiz verwiesen. Dies ist alles. Mehr ist da nicht drin.
Herr Abgeordneter Antretter zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie können also demzufolge seitens der Bundesregierung nicht bestätigen, daß es gemäß den Worten des zuständigen Regierungspräsidenten in der Planung ausschließlich eine umweltschonende Trasse mit einer Kostendimension von 100 Millionen DM geben wird?
Ich werde keinen Regierungspräsidenten zensieren, dessen Äußerungen ich nicht kenne.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haungs.
Herr Staatssekretär, können Sie uns bestätigen, daß wir bei der Beratung des Bedarfs an neuen Bundesstraßen bei jeder möglichen Alternative die relevanten Umweltaspekte berücksichtigen und daß es insofern eine verkürzte Formulierung ist, hier von einer „Umwelttrasse" oder einer anderen Trasse zu sprechen?
Die Belange der Umwelt werden bei allen Baumaßnahmen in Realisierung des Bedarfsplanes berücksichtigt. Wir haben dies auf mehreren Stufen bereits getan, schon bei der Ermittlung des ersten, vorläufigen Bedarfs, dann in den Verhandlungen mit den Bundesländern und dann auch in der Entscheidungsfindung hier. Das wird dann bei der konkreten Planung fortgesetzt werden. Allerdings haben gerade bei dieser Maßnahme Umweltbelange in den Beratungen des Verkehrsausschusses eine so bedeutende Rolle gespielt, daß darüber ausnahmsweise eine Protokollnotiz aufgenommen wurde.
Ich rufe die Fragen 37 und 38 des Abgeordneten Jungmann auf. Der Fragesteller ist nicht im Saal, so daß die Fragen der Geschäftsordnung gemäß behandelt werden. Das gleiche gilt für die Frage 39 des Abgeordneten Kohn.
Ich rufe dann die Frage 40 des Abgeordneten Hettling auf:
Trifft es zu, daß dem Bundesminister für Verkehr seit Oktober 1985 eine Studie über die tatsächliche Flottenkapazität und eine Schätzung des Tonnagebedarfs vorliegt und deren Kurzfassung bereits dem Verband Deutscher Reeder zugestellt wurde, wenn ja, warum wurde den Mitgliedern des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages diese Studie, einschließlich deren Wertung durch die Bundesregierung, nicht schon längst zugestellt?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Hettling, die vom Bundesminister für Verkehr in Auftrag gegebene Studie „Schätzung des Tonnagebedarfs für den seewärtigen Güterverkehr der Bundesrepublik Deutschland bei alternativen Rahmenbedingungen ({0})" wurde vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremen im Oktober 1985 geliefert. Das Bundesverkehrsministerium ist mit der Auswertung der Studie, die für interne Zwecke gefertigt wurde und nur hypothetische Aussagen beinhaltet, befaßt.
Zusatzfrage, Herr Hettling.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir bei diesem Sachverhalt, den Sie vorgetragen haben, zu, daß die Übermittlung einer Kurzfassung dieser Studie an den Verband Deutscher Reeder und die teilweise Veröffentlichung in der „DVZ" oder im „Täglichen Hafenbericht" zu einer enormen Diskriminierung der zuständigen Abgeordneten des Bundestages führt?
Herr Kollege Hettling, die Leitung des Verkehrsministeriums hat diese Studie nicht versandt. Wir haben im Augenblick auch nicht vor, diese Studie an den Deutschen Bundestag weiterzugeben, weil sie hypothetische Aussagen enthält, die zu falschen Schlüssen führen könnten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Hettling.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, heißt das: Die Ausführungen in dieser Studie geben nicht die erwarteten Antworten, die z. B. dazu führen müßten, daß die Bundesregierung die Frage - insofern meine Zusatzfrage -, was eine angemessen große deutsche Handelsflotte ist, beantworten kann.
Herr Kollege Hettling, wenn die Bundesregierung irgendwelche Studien in Auftrag gibt, steht das Ergebnis vorher nicht fest;
({0})
sonst könnten wir uns das Geld sparen.
Da die Frage 41 des Abgeordneten Dr. Weng ({0}) schriftlich beantwortet werden soll, sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Herr Staatssekretär Kroppenstedt steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Fragen 49 und 50 des Abgeordneten von Schmude sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 51 des Abgeordneten Schulte ({1}) auf:
Hat die Bundesregierung der DDR inzwischen offiziell mitgeteilt, daß sie mit dem Positiv-Negativ-Katalog für die Ablagerung von Sonderabfällen auf der Deponie Schönberg, den die DDR ihr 1984 übermittelt hat, nicht einverstanden ist, und inwieweit unterscheidet sich dieser DDR-Katalog von dem Katalog, den auch die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall ({2}) und das Umweltbundesamt tolerieren wollten?
Der Katalog von 1984 ist überholt. Die DDR hat der Bundesregierung Anfang 1985 neue Ablagerungsbedingungen für Schönberg übermittelt. Die neuen Bedingungen sind von den schleswig-holsteinischen Behörden geprüft. Das Ergebnis ist der DDR bekannt und wird vom Betreiber der Deponie berücksichtigt.
Die Bundesregierung hat die DDR über die bestehenden Kontakte hinaus um Fachgespräche zur Deponie Schönberg gebeten.
Die DDR hat hierbei deutlich gemacht, daß sie grundsätzlich bereit sei, Fragen und Informationswünsche unserer Seite zu beantworten, daß sie jedoch nicht gewillt sei, sich Vorschriften machen zu lassen.
Der Katalog von 1985 enthält gegenüber früheren einige Veränderungen stofflicher Art und läßt noch einige Informationswünsche offen.
Eine Zusatzfrage, Herr Schulte.
Herr Kroppenstedt, inwieweit weicht dieser neue Katalog, den die DDR vorgelegt hat, von dem Katalog ab, den die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall und das Umweltbundesamt für angemessen halten?
Über den 84er und der 85er Katalog haben sich weder die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall noch das Umweltbundesamt geäußert. Bisher ging es da nur um einen früheren Katalog, um den aus dem Jahre 1983.
Ich sagte Ihnen eben, daß einige stoffliche Veränderungen vorgenommen worden sind. Es geht dabei um PCB-haltige und ölhaltige Stoffe, bei denen die Landesregierung von Schleswig-Holstein Bedenken gegen die Lagerung angemeldet hat.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Schulte.
Was unternimmt die Bundesregierung, damit dieser neue Katalog unverzüglich auch vom Umweltbundesamt gewürdigt und kommentiert wird?
Die Bundesregierung wird nach dem Stand des weiteren Verfahrens, das ich Ihnen hier im einzelnen dargelegt habe, auch prüfen, inwieweit das Umweltbundesamt und die LAGA eingeschaltet werden müssen.
Ich rufe Frage 52 des Abgeordneten Schulte ({0}) auf:
Vizepräsident Westphal
Welchen Status hat der DDR-Katalog inzwischen rechtlich für die Bundesrepublik Deutschland bzw. die DDR, insbesondere im Hinblick auf die Erteilung von Export- bzw. Ablagerungsgenehmigungen, und was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, damit ein von allen Seiten getragener Positiv-Negativ-Katalog zustande komme?
Die Ablagerungsbedingungen der DDR haben weder in der DDR noch in der Bundesrepublik Deutschland einen rechtlich verbindlichen Status. Für die Ablagerung von Abfällen auf der Deponie Schönberg ist eine Genehmigung der zuständigen Behörden der DDR erforderlich. Für die Genehmigung zum Verbringen von Abfällen aus dem Geltungsbereich des Abfallbeseitigungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist eine Genehmigung der zuständigen Landesbehörden erforderlich.
Das Bemühen der Bundesregierung in bezug auf Schönberg ist darauf gerichtet, durch Kontakte mit der DDR eventuelle Gefahren für Bürger auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auszuschließen.
Eine Zusatzfrage, Herr Schulte.
Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um sicherzustellen, daß bedenkliche Stoffe, die weiterhin in der DDR abgelagert werden dürfen, aber nicht zu dem Katalog des Umweltbundesamtes gehören, in Zukunft nicht mehr nach Schönberg transportiert werden?
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß in der Vergangenheit oder jetzt über die Bundesrepublik Deutschland Stoffe in die DDR transportiert werden, die dort nicht abgelagert werden können.
Ich rufe Frage 53 der Abgeordneten Frau Hönes auf:
Wann ist der Besorgnistatbestand bei einer grenznahen Deponie erfüllt, nachdem in der 3. Novelle AbfG der Export von Sondermüll nicht genehmigt werden darf, wenn von dessen Beseitigung im Empfängerland eine Gefährdung bundesdeutscher Bürger zu besorgen ist, und wer entscheidet hierüber?
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 c des Abfallbeseitigungsgesetzes darf die Genehmigung zur Ausfuhr von Abfällen nicht erteilt werden, wenn z. B. von deren Ablagerung im Empfängerstaat eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit in der Bundesrepublik Deutschland zu besorgen ist. Die Entscheidungen treffen die zuständigen Landesbehörden.
Ob eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit durch eine in einem anderen Staat gelegene Deponie zu besorgen ist, hängt von den im konkreten Einzelfall zu beachtenden Umständen ab. Hierzu gehören vor allem die Entfernung des jeweiligen Deponiestandortes zum Bundesgebiet, die geologischen und hydrologischen Standortbestimmungen, die Fließrichtungen von Oberflächen- und Grundwasser, die Art der Abfälle, der Einbau der Abfälle in die Deponie, die Sammlung von Oberflächen- und Deponiesickerwasser und eine Reihe anderer Umstände.
Eine Zusatzfrage, Frau Hönes? - Bitte schön.
Herr Staatssekretär Kroppenstedt, Sie haben eben noch einmal bestätigt, daß die dritte Novelle des Abfallbeseitigungsgesetzes den Export von Sondermüll nicht genehmigt, wenn von dessen Beseitigung im Empfängerland eine Gefährdung bundesdeutscher Bürger zu besorgen ist. Können Sie ausführen, wann dieser Besorgnistatbestand erfüllt ist, ob er erfüllt ist, wenn zwei Gutachten auf eine mögliche Grundwasservergiftung im bundesdeutschen Raum hinweisen, oder ob er erfüllt ist, wenn die oberste Umweltbehörde der Bundesrepublik, das Umweltbundesamt in Berlin, schon seit Jahren schwere Bedenken gegen den Betrieb einer grenznahen Sondermülldeponie erhebt?
Die Landesregierung Schleswig-Holstein hat eingehend geprüft, nach dem Verlauf der Fließrichtungen von Oberflächenwasser und Grundwasser, nach den Bodenverhältnissen der Deponie, ob eine Gefährdung für die Bundesrepublik Deutschland hier zu besorgen ist. Sie ist zu der Auffassung gekommen, daß das nicht der Fall ist. Die Bundesregierung hat keinerlei Anlaß, dieser Einschätzung nicht zuzustimmen.
Weitere Zusatzfrage, Frau Hönes.
Sind für die Bundesregierung die Einwände des Umweltbundesamtes dabei nicht ausschlaggebend?
Eine Reihe von früheren Einwendungen des Umweltbundesamtes sind von der DDR berücksichtigt worden.
Zusatzfrage, Herr Schulte, bitte.
Auf welche konkreten Stoffe hin sind diese Untersuchungen von Schleswig-Holstein durchgeführt worden?
Die Stoffliste ist sehr lang. Ich kann sie Ihnen im Augenblick nicht im einzelnen zitieren.
({0})
Nein. Geht nicht. Nur eine.
({0})
- Vielleicht macht er das von sich aus.
Ich rufe die Frage 54 der Frau Abgeordneten Hönes auf:
Vizepräsident Westphal
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die von der Kommission der EG vorgesehene Änderung der „Richtlinie 84/631/EWG über die Überwachung und Kontrolle - in der Gemeinschaft - der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle" eine weitere Novellierung des AbfG nötig macht, und wenn nein, gilt damit die in der Änderung vorgesehene Verschärfung bereits für den deutsch/deutschen Sondermüllverkehr?
Die Bundesregierung geht davon aus, daß die von der EG-Kommission vorgeschlagenen Änderungen der Richtlinie 84/631/EWG keine weitere Novellierung des Abfallbeseitigungsgesetzes erforderlich machen würden. Alle von der Kommission angesprochenen Punkte werden bereits durch § 13 des Abfallbeseitigungsgesetzes abgedeckt.
Zusatzfrage, Frau Hönes.
War es nicht das spezielle Anliegen der dritten Novelle - und Innenminister Zimmermann hat immer wieder vollmündig darauf hingewiesen, daß diese dritte Novelle das Ende des Abfalltourismus bedeuten würde -, den Sondermülltourismus zu beenden oder ihn in weniger umweltbewußte Staaten zu erschweren?
Die Bundesregierung hat wiederholt darauf hingewiesen, daß sie den Abfalltourismus einschränken möchte. Es ist aber eine Entwicklung in den Ländern eingetreten, die es vielen Ländern nicht mehr möglich macht, alle dort anfallenden Abfälle zu lagern. Daher muß in gewissem Rahmen zwangsläufig ein Export von Abfällen in Kauf genommen werden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Ich habe noch eine weitere Frage: Schließt die zukünftige EG-Richtlinie, die in zwei Monaten in bundesdeutsches Recht übernommen werden soll und aussagt, daß der Export von Giftmüll in Dritte-Welt-Länder, in Drittländer und andere Länder nicht mehr möglich sein soll, wenn die Deponien dort nicht dem Sicherheitsstandard der Bundesrepublik entsprechen, die DDR aus?
Die DDR ist nicht von dieser Richtlinie ausgeschlossen. Die Länder, die die Richtlinie durchführen müssen, sind gehalten, Transporte dann nicht zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des § 13 des Abfallbeseitigungsgesetzes erfüllt sind.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schulte.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, die eben erwähnte Untersuchungsliste, aus der hervorgeht, auf welche Stoffe hin geprüft worden ist, der Fraktion DIE GRÜNEN zur Verfügung zu stellen?
Ich bin bereit, die Liste, die uns zugeleitet worden ist, Ihnen zu übermitteln.
Die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Würtz soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 56 des Abgeordneten Waltemathe auf:
Kann es die Bundesregierung unter Berufung auf Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 GG verantworten, daß einem jungen Tamilen das Recht auf Asyl verweigert wird mit der Begründung, Gruppenverfolgung sei „ebenfalls nicht zu erkennen, denn selbst wenn das Militär auf Grund seiner Stärke und Ausrüstung in der Lage sein sollte, nicht nur jugendliche Tamilen, sondern die gesamte tamilische Bevölkerung im Norden zu disziplinieren, niederzuhalten oder schlimmstenfalls sogar zu vernichten -- mit oder ohne Billigung der Staatsführung -, darf nicht verkannt werden, daß in der den Aktionen zugrunde liegenden Terrorismusbekämpfung ein legitimes Ziel liegt." ({0})?
Der Einzelentscheider beim Bundesamt, der die zitierte Begründung in etwa zehn Bescheiden verwendet hat, ist alsbald nach Bekanntwerden darauf hingewiesen worden, daß die von ihm gewählte Formulierung in keiner Weise akzeptiert werden kann.
Der Tenor der Entscheidung, also die Verneinung eines Asylanspruches, ist dagegen nicht zu beanstanden. Das Bundesverwaltungsgericht ist erst kürzlich in einem vergleichbaren Fall unter umfassender Würdigung aller maßgeblichen Aspekte zum gleichen Ergebnis gelangt.
Eine Urteilsablichtung kann ich Ihnen gerne zur Verfügung stellen.
Eine Zusatzfrage, Herr Waltemathe.
Vielen Dank für dieses Angebot. Ich möchte Ihnen vorweg auch bestätigen, daß ich inzwischen - zwischen Fragestellung und heutiger Fragestunde - das korrigierende Schreiben des Bundesamtes zur Kenntnis genommen habe. Trotzdem möchte ich Sie fragen: Hat denn die Bundesregierung gegenüber dem Bundesamt in Zirndorf darauf hingewiesen und Einfluß genommen, daß derartige Begründungen, die zu einer Asylablehnung führen, unterbleiben?
Die Bundesregierung hat sich, sobald sie von diesen Gründen gehört hat, an das Bundesamt gewandt und auch zum Ausdruck gebracht, daß sie solche Begründungen nicht teilt.
Sie haben eine zweite Zusatzfrage.
Muß ich Ihrem Hinweis auf das Bundesverwaltungsgericht entnehmen, daß es rechtlich in Ordnung ist, wenn Asyl mit der Begründung verweigert wird, dann, wenn bestimmte Volkszugehörigkeitsgruppen ganz generell von einem Staat verfolgt würden, liege eine politische Verfolgung nicht vor?
Sie werden aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes erseStaatssekretär Kroppenstedt
hen können, daß die Begründung wesentlich differenzierter ist.
Ich rufe die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Waltemathe auf:
Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu ergreifen, um derartige menschenverachtende amtliche Äußerungen innerhalb ihres Verantwortungsbereichs zu ahnden und zukünftig zu unterbinden?
Es ist sicher richtig, daß den Einzelentscheidern beim Bundesamt alle für die Entscheidungsfindung maßgeblichen Auskünfte und Gerichtsurteile zur Verfügung gestellt werden, damit sie sich hieran in ihren Bescheiden - auch bezüglich Formulierung und Begründung - orientieren können. Ihnen stehen auch die dienstvorgesetzten Verfahrensbereichsleiter beratend zur Seite. Formulierungspannen sind allerdings auch in Zukunft - ich muß sagen: leider - nicht völlig auszuschließen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Einzelentscheider bei ihren Entscheidungen weisungsungebunden sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Waltemathe.
Ist es eine amtsinterne Angelegenheit des Bundesamtes, darauf hinzuweisen, solche Begründungen nicht zu verwenden, oder gibt es auch Weisungen oder Hinweise des Bundesinnenministers gegenüber dem Bundesamt?
Die Einzelentscheider stützen sich auf die Vielzahl der ergangenen Gerichtsentscheidungen und auch anderes Material, das vorhanden ist, das beispielsweise auch vom Auswärtigen Amt und anderen Dienststellen geliefert wird. Zu den einzelnen Entscheidungen kann das Bundesministerium des Innern natürlich keine Einzelhinweise geben. Denken Sie nur an die Vielzahl der Entscheidungen. Im vorigen Jahr hat es mehr als 70 000 Asylsuchende gegeben. Insofern wäre das Ministerium überfordert, konkrete Hinweise zu geben.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Waltemathe.
Da ich Ihrer Antwort zunächst einmal entnehme, daß der Bundesinnenminister nicht tätig geworden ist, frage ich Sie, ob der Bundesinnenminister als Verfassungsminister nicht doch Anlaß hätte, auf das Grundrecht nach Art. 16 des Grundgesetzes gegenüber dem entscheidenden Amt hinzuweisen.
Ich habe in Beantwortung der Zusatzfrage zu Ihrer ersten Frage doch gesagt, daß der Innenminister, sobald er von dieser Begründung Kenntnis gehabt hat, auf die Unzulässigkeit der Begründung hingewiesen hat. Meine Ausführungen eben bezogen sich ganz allgemein auf alle Verfahren.
Ich rufe nun die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Hinsken auf:
Treffen Meldungen zu, die besagen, daß Tamilen via Co lombo, Rangun ({0}), Bangkok, Ost-Berlin, Frankfurt/ Oder, Warschau, Prag mit Hilfe von kommerziellen Fluchthelfern nach Schirnding in Bayern einreisten und Asyl beantragten, und durch welche Maßnahmen soll künftig eine derartige Praxis unterbunden werden?
Am 4. Februar 1986 erschienen sieben srilankische Staatsangehörige ohne die erforderlichen Sichtvermerke am deutschtschechoslowakischen Grenzübergang Schirnding und stellten Asylanträge. Es handelt sich um ein bisher einmaliges Vorkommnis. Die Bundesregierung hat dies sofort zum Anlaß genommen, die tschechoslowakische Regierung zu bitten, sichtvermerkspflichtigen Ausländern - entsprechend den internationalen Gepflogenheiten - die Durchreise nur zu gestatten, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Hinsken.
Herr Staatssekretär, mit wieviel Asylanten, auf das laufende Jahr bezogen, rechnet die Bundesregierung? Wieviel werden in etwa erwartet?
Wir hatten im vergangenen Jahr etwa 70 000. Wir haben leider keine Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, daß die Zahl in diesem Jahr erheblich geringer wird.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß es, wie Informationen von verschiedenen Bürgermeistern ergeben, Asylanten gibt, die, um Urlaub zu machen, in ihr Heimatland zurückfahren, den Urlaub dort verbringen und dann zu uns in die Bundesrepublik Deutschland zurückkommen?
Mir sind diese Informationen nicht bekannt.
Wir kommen zu der Frage 59 des Herrn Abgeordneten Hinsken:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung grundsätzlich, um die Asylantenwelle in die Bundesrepublik Deutschland zu beenden bzw. auf ein erträgliches Maß zurückzuführen?
Die Zahl der Asylbewerber hat sich im Jahre 1985 mit 73 832 gegenüber 35 278 im Jahre 1984 mehr als verdoppelt. Die Bundesregierung muß davon ausgehen, daß der Zustrom von Asylbewerbern auch 1986 unvermindert anhält. Sie betrachtet die Entwicklung mit großer Sorge und hält deshalb mit dem Bundesrat weitere gesetzliche Maßnahmen für notwendig. Sie nimmt insoweit auf die dem Deutschen Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfe des Bundesrats 10/1164, 10/3678 sowie ihre Stellungnahme in 10/3678 Bezug. Nach Auffassung der Bundesregierung ist darüber hinaus aber erforderlich, die Asylproblematik über
15402 Deutscher Bundestag -- 10. Wahlperiode Staatssekretär Kroppenstedt
Fragen des nationalen Verfahrensrechts hinaus zu erörtern und auch unter Berücksichtigung der internationalen Verhältnisse nach Lösungsansätzen zu suchen, wie unsere humanitären und rechtlichen Verpflichtungen in Einklang mit den tatsächlichen Möglichkeiten gebracht werden können. Die von der Bundesregierung eingesetzte interministerielle Kommission wird ihren Bericht hierzu in Kürze vorlegen.
Zusatzfrage, Herr Hinsken.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage der DDR, daß die erzielte Übereinkunft in dieser Angelegenheit für Berlin keine Gültigkeit hätte?
Herr Hinsken, das Thema Asylanten ist noch drin; aber sonst ist der Zusammenhang zur Frage nicht mehr zu erkennen. Aber bitte, ich überlasse es dem Staatssekretär.
Es geht um Asylanten, Herr Präsident - wenn ich das richtigstellen darf -, die bislang über Ost-Berlin nach West-Berlin gekommen sind. Gibt es eine Vereinbarung der Bundesregierung mit der DDR?
Augenblick, Herr Kollege. Sie müssen Ihre eigene Frage nochmals lesen; dann würden Sie mir zustimmen, daß Ihre jetzige Zusatzfrage vom Inhalt der ursprünglichen weit entfernt ist.
Ich möchte es trotzdem Herrn Kroppenstedt freistellen, ob er antworten möchte.
Die Bundesregierung hat bereits zu erkennen gegeben, daß sie eine Ausdehnung auf West-Berlin wünscht.
Jetzt haben Sie noch eine Zusatzfrage.
Ich bedanke mich, Herr Präsident. Ich bin befriedigt.
Die Frage 60 des Abgeordneten Hupka soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Jetzt kommt die Frage 61 der Abgeordneten Frau Wagner:
Hat die Bundesregierung den Bericht über Söldnerausbildung ({0}) zur Kenntnis genommen, und kann die Bundesregierung demzufolge bestätigen, daß Vertreter der französischen Fremdenlegion in der Bundesrepublik Deutschland Söldner anwerben?
Der Bundesregierung ist der vom WDR in der „Aktuellen Stunde" am 21. Januar 1986 gesendete Bericht über Söldnerausbildung bekannt. Erkenntnisse darüber, daß Vertreter der französischen Fremdenlegion in der Bundesrepublik Deutschland Söldner anwerben, liegen der Bundesregierung indessen nicht vor.
Zusatzfrage, Frau Wagner.
Wenn die Bundesregierung die Sendung gesehen hat, hat sie auch gesehen, daß dort ein französischer Legionärsoffizier die Übungen der Truppe um Graf Adelmann beobachtete und die Moderation der Sendung darauf hinwies, daß er zur Musterung angereist sei, weil die Legion neue Leute brauche?
Daß er angereist sein mag, kann zutreffen. Unsere Erkundigungen haben ergeben, daß Anwerbungen nicht stattgefunden haben.
Weitere Zusatzfrage, Frau Wagner? - Keine. Herr Rusche, bitte.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung den Hinweisen des Sölnerwerbers Graf Adelmann nachgegangen, denen zufolge beispielsweise Kenia Interesse an Söldnern aus der Bundesrepublik gezeigt hat, und zu welchem Ergebnis ist die Bundesregierung dabei gekommen?
Die Bundesregierung hat über das Bundeskriminalamt den Sachverhalt insgesamt prüfen lassen, weil es sich um eine strafbare Handlung nach dem Strafgesetzbuch handelt. Ihr sind Erkenntnisse, die vorgetragen worden sind, dabei nicht bekanntgeworden.
Ich rufe die Frage 62 der Abgeordneten Frau Eid auf. - Die Abgeordnete ist nicht im Raum. Somit entfallen die Fragen 62 und 63 zur Beantwortung und werden entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Ich rufe die Frage 64 der Abgeordneten Frau Borgmann auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, künftig Polizeibeamte aus Südafrika in die Bundesrepublik Deutschland einzuladen, und hat es solche Einladungen im Gegenzug zur Teilnahme eines BKA-Beamten an einer Konferenz in Pretoria im Jahre 1983 gegeben?
Das Bundeskriminalamt hat als Veranstalter von Tagungen oder Konferenzen über Verbrechensbekämpfung südafrikanische Polizisten bisher nicht eingeladen. Entsprechendes ist weder von der Bundesregierung noch von dem Bundeskriminalamt geplant.
Ist der Bundesregierung denn bekannt, daß die Reise, die erfolgt ist, mit 3 700 DM für 19 Tage ausgeschrieben war? Wieso kann diese Reise so preiswert sein, und wie definiert die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den Begriff „private Reise", der mehrfach vom Bundesinnenminister und seinen Staatssekretären im Zusammenhang mit der Polizeisonderreise verwandt wurde?
Ich glaube, diese Frage bezieht sich nicht auf die eben von mir gegebene Antwort.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Frau Borgmann.
Ich hatte gedacht, daß das in einem Zusammenhang mit dem ganzen Komplex steht.
({0})
Dann habe ich zu dieser Frage im Moment keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 65 der Abgeordneten Frau Borgmann auf:
Zu welchem Ergebnis ist die Bundesregierung bei ihren Überprüfungen hinsichtlich der Beteiligung eines BKA-Beamten an der Vorbereitung einer Polizeisonderreise vom 3. bis 22. Februar 1986 nach Südafrika gelangt ({0})?
Die Überprüfung hat ergeben, daß Beamte des Bundeskriminalamts an der Planung bzw. Vorbereitung der Reise nicht beteiligt waren.
Zusatzfrage? - Keine.
Wir kommen zur Frage 66 des Abgeordneten Stockhausen:
Treffen Presseberichte zu, daß die Bundesrepublik Deutschland für Herrn Tiedge Pensionszahlungen leistet und in die DDR überweist?
Herr Abgeordneter, ich bitte, die Fragen 66 und 67 wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
Er ist einverstanden. Ich rufe daher auch die Frage 67 des Abgeordneten Stockhausen auf:
Werden Herrn Tiedge die vollen Pensionsansprüche gezahlt?
Derartige Presseberichte treffen nicht zu. Herr Tiedge erhält von der Bundesrepublik Deutschland keinerlei Dienstbezüge.
Zusatzfrage, Herr Stockhausen.
Besteht die Möglichkeit, daß Herr Tiedge Pensionsansprüche anmeldet, und müßte nach geltendem Recht dann gezahlt werden?
Gegen Herrn Tiedge läuft ein Disziplinarverfahren. In dem Verfahren wird entschieden werden, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Wenn Herr Tiedge aus dem Dienst entfernt wird, hat er später keinen Anspruch auf Ruhegehalt.
({0})
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 68 und 69 des Abgeordneten Böhm ({0}) sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 70 und 71 des Abgeordneten Dr. Sperling können nicht beantwortet werden, weil der Fragesteller nicht da ist.
Das gilt auch für die Frage 72 des Abgeordneten Müller ({1}); auch er ist nicht anwesend.
Wir kommen zur Frage 73 des Abgeordneten Rusche:
Welches sexuelle Verhalten kann nach Ansicht der Bundesregierung zur Erpressung führen, wenn, wie in der Tageszeitung EXPRESS vom 14. Februar 1986 zu lesen war, die Beschreibung für ein Sicherheitsrisiko künftig nicht mehr „abnorme Veranlagung auf sexuellem Gebiet", sondern „sexuelles Verhalten, das zu einer Erpressung führen kann" heißen soll?
Ein sexuelles Verhalten kann dann zu einer Erpressung führen, wenn der Betroffene die Mitteilung dieses sexuellen Verhaltens an Andere als ein empfindliches Übel ansieht. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Klassische Beispiele von nachrichtendienstlich genutzten Kompromaten sind außereheliche Beziehungen Verheirateter und heimliche Homosexualitat.
Zusatzfrage, Herr Rusche.
Zählt zu diesem Verhalten auch der Besuch bei männlichen oder weiblichen Prostituierten?
Ich habe Ihnen gesagt: Das kommt auf den Einzelfall an. Wenn der Betroffene fürchten muß, daß diese Information in seinem Umfeld oder bei wem auch immer zu einer Erpressung führen kann, kann dies auch dazu führen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Rusche.
Aber geht das nur von den Betroffenen aus, und die Bundesregierung bzw. der Innenminister würde in gewissen sexuellen Verhalten keinen Grund zur Erpressung sehen?
Ich habe eben gesagt: Das hängt von den Umständen ab, einmal vom Betroffenen selbst, aber auch von dem Umfeld, in dem er lebt.
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers des Innern. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zu dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Voss steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 74 des Abgeordneten Hettling auf:
Vizepräsident Westphal
Warum ist es der Bundesregierung innerhalb von drei Jahren nicht möglich gewesen, den Auftrag - gemäß des einstimmigen Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember 1982 - „die steuerlichen Rahmenbedingungen der deutschen Seeschiffahrt an diejenigen vergleichbarer westlicher Schiffahrtsländer anzupassen", und welche Fähigkeiten haben der Bundesregierung gefehlt, gemäß ihres eigenen Beschlusses vom 30. Mai 1984, „bis zum Jahresende eine Untersuchung über die steuerliche Situation der Seeschifffahrt in verschiedenen Staaten" zu erstellen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Die deutschen Seeschiffahrtsunternehmen sind bereits seit einer Reihe von Jahren durch Sonderregelungen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie bei der Gewerbesteuer begünstigt. 1984 wurde darüber hinaus die Vermögensteuer durch das Steuerentlastungsgesetz 1984 auf die Hälfte ermäßigt.
Ob und inwieweit die deutsche Seeschiffahrt trotz dieser Steuervergünstigungen im internationalen Wettbewerb durch unterschiedliche steuerliche Rahmenbedingungen beeinträchtigt ist, wird in einem gemeinsamen Bericht des Bundesministers der Finanzen und des Bundesministers für Verkehr über die internationale steuerliche Wettbewerbssituation im Bereich des Seeverkehrs untersucht. Dieser Bericht wird in Kürze dem Kabinett vorgelegt. Für diesen Bericht müßte eine Vielzahl schwieriger Fragen geprüft werden, die im Zusammenhang mit der steuerlichen Behandlung der Reedereiunternehmen in zehn verschiedenen Ländern auftreten.
Ich kann an dieser Stelle, wofür ich Sie um Verständnis bitte, noch keine Einzelheiten des Berichts vortragen. Im übrigen sollte nicht übersehen werden, daß die steuerlichen Rahmenbedingungen nur ein Element für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seeschiffahrtsunternehmen sind.
Die Gewerbekapital- und Vermögensteuer machen nur einen sehr geringen Anteil an den gesamten Kosten der Schiffahrtsunternehmen aus. Viel stärker beeinträchtigen dagegen die wesentlich höheren Personalkosten die internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Zusatzfrage, Herr Hettling.
Herr Staatssekretär, Sie haben meine Frage nicht beantwortet, welche Fähigkeiten fast drei Jahre lang der Bundesregierung gefehlt haben, den einstimmigen Auftrag des Bundestags zu erfüllen, der die Wettbewerbsverzerrung durch Steuern betraf. Die anderen Fakten sind mir bekannt; sie sind oft Gegenstand von Debatten im Ausschuß und von Anfragen hier mit dem Kollegen Dr. Schulte und Herrn Dollinger. Aber diese Frage, die sich darauf bezog, daß es drei Jahre dauert, bis Sie zu Potte kommen, haben Sie nicht beantwortet.
Der Bundesregierung, Herr Kollege, fehlen überhaupt keine Fähigkeiten. Ich habe Ihnen eben klarzumachen versucht, daß es sehr schwierig ist, die sehr unterschiedlichen Steuerbelastungen von zehn verschiedenen Ländern vergleichbar zu machen und das Ergebnis in einem Bericht niederzulegen. Das ist, wie ich eben dargelegt habe, inzwischen geschehen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Hettling.
Wenn Ihnen die Fähigkeiten dazu nicht fehlen, dann wundert es mich, warum die Bundesregierung dem einstimmigen Beschluß vom 15. Dezember 1982 nicht folgen konnte, die Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche Steuern in vergleichbaren Staaten zu beseitigen und gemäß dem Beschluß vom 30. Mai 1984 bis Ende 1984 einen Bericht vorzulegen. Warum ist die Bundesregierung nun, anderthalb Jahre später, immer noch nicht soweit?
Herr Kollege, Sie werden mir zugeben, daß es, bevor Sie eine Sache ablösen und Schwierigkeiten, die dort bestehen, abbauen können, notwendig ist, eine klare Analyse zu haben. Diese Analyse wird in dem eben genannten Bericht gegeben, der, wie gesagt, weil er sich auf eine Vielzahl von Ländern mit sehr unterschiedlichen Steuersystemen bezog, bei denen die steuerlichen Belastungen kaum vergleichbar sind, eben etwas mehr Zeit in Anspruch genommen hat, als es im Anfang notwendig erschien.
({0})
Die Fragen 75 und 76 des Abgeordneten Ströbele werden entsprechend der Geschäftsordnung behandelt, da der Fragesteller nicht im Saal ist.
Die Fragen 77 und 78 der Abgeordneten Frau Will-Feld werden auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 79 des Abgeordneten Huonker und 80 des Abgeordneten Schlatter werden entsprechend der Geschäftsordnung behandelt, da die Fragesteller nicht im Saal sind.
Damit sind wir schon am Ende der Fragen Ihres Geschäftsbereichs, Herr Staatssekretär Voss. Wir danken für Ihre Beantwortung.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft brauche ich nicht aufzurufen, weil die Fragen 81 und 82 des Abgeordneten Menzel zurückgezogen worden sind und die Frage 83 des Abgeordneten Austermann auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet wird. Die Antwort auf Frage 83 wird als Anlage abgedruckt.
Damit kommen wir schon jetzt zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. von Geldern zur Verfügung.
Vizepräsident Westphal
Aber auch hier werden die ersten Fragen jetzt nicht beantwortet - ich habe den Eindruck, wir sind heute zu schnell -; denn auch der Fragesteller der Fragen 84 und 85, Abgeordneter Dr. de With, ist nicht im Saal. Seine Fragen werden gemäß der Geschäftsordnung behandelt.
Ich rufe die Frage 86 des Abgeordneten Stutzer auf:
Wird die Bundesregierung eine Unterzeichnung der europäischen Tierversuchskonvention ablehnen, wenn diese Konvention nach der Novellierung des Tierschutzgesetzes gegenüber dem deutschen Tierschutzrecht einen Rückschritt im Sinne des Tierschutzes bedeuten sollte?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Stutzer, die gestellte Frage läßt sich zur Zeit noch nicht beantworten. Das Ministerkomitee des Europarates hat den Entwurf eines Europäischen Übereinkommens über den Schutz von Wirbeltieren, die für Versuchs- und andere wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, am 31. Mai 1985 mit Mehrheit verabschiedet. Im Laufe der recht langwierigen Verhandlungen konnten auf Drängen der Bundesregierung wesentliche Verbesserungen des Übereinkommenstextes erreicht werden. Noch weitergehende Bestimmungen wären wünschenswert gewesen. Deshalb hat sich die Bundesregierung bei der Abstimmung der Stimme enthalten.
Art. 4 des Übereinkommens gestattet den Vertragsstaaten, Bestimmungen anzuwenden, die strenger sind als die Vorschriften des Übereinkommens. Die Bundesregierung hat noch nicht entschieden, ob sie das Übereinkommen zeichnen wird.
Herr Stutzer zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Länder haben gleichfalls Bedenken, die Konvention zu unterzeichnen? Und wird sich die Bundesregierung auch weiterhin auf europäischer Ebene in allen Tierschutzfragen um eine Vorreiterrolle bemühen?
Herr Kollege Stutzer, bei der Annahme der Konvention durch das Komitee der Ministerbeauftragten haben Italien und Luxemburg gegen die Konvention gestimmt. Österreich, die Schweiz und die Türkei haben erklärt, daß sie das Übereinkommen noch nicht in Kürze zeichnen könnten. Dänemark, Griechenland und Großbritannien sehen sich in der Lage, die Konvention so bald wie möglich zu zeichnen.
Die Haltung weiterer Mitgliedstaaten des Europarates zur Frage einer Zeichnung ist der Bundesregierung nicht bekannt. Die Bundesregierung wird sich auch in Zukunft intensiv um eine Weiterentwicklung des Tierschutzes auch auf europäischer Ebene bemühen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Stutzer.
Herr Staatssekretär, was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die Konvention im Sinne des Tierschutzes zu verbessern, und hat es hier Widerstände gegeben, wenn j a, von welcher Seite?
Das Bundeskabinett hat durch Beschluß vom 7. November 1984 die Verhandlungsführer in Straßburg beauftragt, auf die Berücksichtigung bestimmter Änderungen, die im wesentlichen der Novellierung des Tierschutzgesetzes entsprechen, hinzuwirken. Wesentliche Elemente der deutschen Vorschläge sind im Text der Konvention berücksichtigt worden. Die anderen Vorschläge sind in dem erläuternden Bericht zur Konvention festgehalten worden.
Dann rufe ich jetzt Ihre Frage 87 auf, Herr Abgeordneter Stutzer:
Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, in wieviel Fällen im Land Nordrhein-Westfalen in den Jahren 1984/85 Genehmigungen gemäß § 8 Tierschutzgesetz nicht erteilt wurden, und hält sie die in Bonn geplanten Experimente mit Pavianen ({0}) für vereinbar mit dem deutschen Tierschutzrecht?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Der für die Durchführung des Tierschutzgesetzes in Nordrhein-Westfalen zuständige Minister für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft sieht sich außerstande, die Frage nach der Zahl der Fälle, in denen die Genehmigung eines Versuchsvorhabens nicht erteilt wurde, kurzfristig zu beantworten. Er weist darauf hin, daß im Vorfeld des eigentlichen Genehmigungsverfahrens häufig zwischen Antragstellern und Genehmigungsbehörden ein intensiver Schriftwechsel geführt werde, daß Begründungen nachgeliefert und Anträge modifiziert würden. Insoweit hätte die genaue Zahl der Fälle, in denen eine Genehmigung letztlich versagt wurde, nur einen geringen Informationsgehalt.
Die in Bonn geplanten Versuche mit Pavianen sind der Bundesregierung lediglich auf Grund der genannten Pressemeldungen bekannt. Die Durchführung des Tierschutzgesetzes und damit auch die Genehmigung von Tierversuchen obliegt den nach Landesrecht zuständigen Behörden. Der Minister für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen bestätigt, daß der zuständige Kölner Regierungspräsident eine solche Genehmigung in diesem Fall erteilt hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Stutzer.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, mit wie vielen Affen 1984 und 1985 in den Bundesländern Hessen und Nordrhein-Westfalen experimentiert wurde bzw. 1986 weiter experimentiert werden soll, und können Presseberichte bestätigt werden, nach denen viele dieser Versuche ausgesprochen grausam sind?
Die Bundesregierung ist kurzfristig zu einer solchen Auskunft
über die Experimente mit Affen in Hessen und Nordrhein-Westfalen nicht in der Lage. Sie kann deshalb auch Presseberichte nicht bestätigen, nach denen viele dieser Versuche ausgesprochen grausam gewesen sein sollen. Nach § 9 Absatz 2 Nr. 1 des Regierungsentwurfs zur Novellierung des Tierschutzgesetzes in der Fassung der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates dürfen Versuche an sinnesphysiologisch höherentwickelten Tieren und an Tieren, die aus der Natur entnommen sind, nur noch durchgeführt werden, soweit Versuche an anderen Tieren für den verfolgten Zweck nicht ausreichen. Im übrigen schreibt der Regierungsentwurf vor, daß an allen Wirbeltieren Versuche, die zu länger anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen oder Leiden führen, nur durchgeführt werden dürfen, wenn die angestrebten Ergebnisse vermuten lassen, daß sie für wesentliche Bedürfnisse für Mensch oder Tier, einschließlich der Lösung wissenschaftlicher Probleme, von hervorragender Bedeutung sein werden. An einem unbetäubten Wirbeltier darf überhaupt kein Eingriff durchgeführt werden, der zu schweren Verletzungen führt. So auch der Regierungsentwurf.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, kann ich nach Ihrer Antwort davon ausgehen, daß die Experimente mit Affen nach der Novellierung des Tierschutzgesetzes mit Sicherheit drastisch reduziert werden?
Davon können Sie ausgehen, Herr Kollege Stutzer.
Die Frage 88 des Abgeordneten Stiegler soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 89 und 90 des Abgeordneten Eigen können nicht beantwortet werden und werden entsprechend der Geschäftsordnung behandelt, weil der Abgeordnete nicht anwesend ist.
Dann kommen wir zur Frage 91 des Abgeordneten Jäger ({0}):
Wie viele Schlachttiere sind im Jahre 1985 aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland und von hier in die DDR verkauft worden, und mit welchen Zahlen rechnet die Bundesregierung für das Jahr 1986?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Jäger, die Bezüge von lebendem als auch von geschlachtetem Vieh aus der DDR bedürfen jeweils der Einzelgenehmigung und sind auch wertmäßig begrenzt; es gibt hier Kontingente.
Diese Wertkontingente bilden den Rahmen, innerhalb dessen der Bezug von lebendem und geschlachtetem Vieh aus der DDR über sogenannte Wochenquoten festgelegt wird. Mit den Wochenquoten wird gewährleistet, daß die Mengen gleichmäßig über das Jahr verteilt bezogen werden.
Im Jahre 1985 wurden an Schlachttieren folgende Tierarten und -mengen aus der DDR bezogen: Schlachtkälber und Jungrinder 12 024 Stück. - Herr Präsident und auch Herr Kollege Jäger, jetzt ist die Frage, ob ich das im einzelnen vorlesen soll - es ist eine längere Statistik - oder ob ich das schriftlich geben darf.
({0})
Herr Kollege Jäger ist einverstanden, wenn Sie ihm das schriftlich geben.
Dann würde ich die Antwort darauf beschränken und noch zum Abschluß sagen, daß aus der Bundesrepublik Deutschland keine Schlachttiere in die DDR geliefert werden.
Jetzt haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatssekretär, sind die Kontingente, die Sie genannt haben, im Zeitraum des Jahres 1985 ausgeschöpft worden, oder war da noch Spielraum?
Herr Kollege Jäger, ich habe jetzt nur die Zahlen über die tatsächlichen Lieferungen, die das Jahr 1985 betreffen. Die Aufstellung der möglichen Differenz zwischen eingeräumten Kontingenten und tatsächlichen Lieferungen müßte ich Ihnen nachliefern. Ich kann Ihre Frage also jetzt nicht beantworten.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger.
Herr Staatssekretär, da Sie zu den geschätzten oder erwarteten Zahlen für 1986 nicht Stellung genommen haben - vermutlich, weil diese im Moment noch nicht vorliegen -: Sind Sie bereit, mir diese Zahlen schriftlich mitzuteilen?
Ebenso wie ich Ihnen die Zahlen für 1985 im einzelnen gerne schriftlich gebe, kann ich Ihnen auch die Zahlen, die für 1986 erwartet werden, geben. Ich habe sie dabei. Das ist wieder eine längere Statistik. Im ganzen gesehen liegen diese Zahlen unter den 85er Zahlen.
Ich fürchte, Sie können gleich stehenbleiben, Herr Abgeordneter Jäger, weil Sie der nächste Fragesteller sein werden; denn die Fragen 92 und 93 des Abgeordneten Funk können wegen Abwesenheit des Fragestellers nicht beantwortet werden.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich danke Herrn von Geldern für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär, Herr Dr. Hennig, zur Verfügung.
Vizepräsident Westphal
Die Fragen 94 und 95 des Abgeordneten Dr. Diederich ({0}) können wegen Abwesenheit des Fragestellers nicht beantwortet werden.
Wir kommen zur Frage 96 des Abgeordneten Jäger ({1}):
In welcher Weise gewährleistet die Bundesregierung, daß die aus der DDR im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer eingesetzten Deutschen in den vollen Genuß der ihnen zustehenden Grund- und Menschenrechte kommen, insbesondere auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Jäger, die aus der DDR im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer eingesetzten Deutschen genießen auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland die gleichen Grund- und Menschenrechte wie alle anderen Deutschen auch. Es bedarf insofern keiner besonderen Gewährleistung dieser Rechte, als sie ihnen zustehen und von ihnen während ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland wahrgenommen werden können.
Die von Betrieben der DDR entsandten Arbeitnehmer erhalten neben ihrem Lohn in Mark der DDR die üblichen Auslösungen, also Tagegelder in D-Mark, die sie nach vorliegenden Erkenntnissen frei verwenden können. Die soziale Sicherung, d. h. Unfall-, Invaliditäts- und Altersversorgung, erfolgt im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung der DDR.
Bei Unfall oder Krankheit erhalten die entsandten Arbeitnehmer medizinische Hilfe nach den Bestimmungen des Gesundheitsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR.
Eine Zusatzfrage, Herr Jäger.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, können die Arbeitnehmer aus der DDR - das war der Anlaß meiner Frage - denn von ihren arbeitsrechtlichen Grund- und Menschenrechten Gebrauch machen und z. B. darauf drängen, daß sie für dieselbe Arbeit, die sie hier etwa auf einer Baustelle verrichten, in gleicher Weise bezahlt werden wie ihre in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften und lebenden Kollegen, anstatt - wie Ihr Kollege Grüner neulich mitgeteilt hat - de facto diskriminiert zu werden?
Herr Kollege Jäger, die Tarifverträge, die Sie ansprechen, gelten nur dann auch für Arbeitnehmer aus der DDR, wenn diese in einem Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland stehen. Wenn es sich aber um entsandte Arbeitnehmer aus der DDR oder aus dem Ausland handelt, die weiterhin Angehörige des Betriebes in ihrem Heimatstaat bleiben, gelten diese Tarifverträge nicht. Insofern muß das unterschiedlich behandelt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Jäger.
Kann denn nicht, Herr Kollege Hennig, davon ausgegangen werden, daß diese Arbeitnehmer, wenn sie ihre Arbeitsbedingungen tatsächlich nach den bei uns geltenden menschenrechtlichen Grundrechten aushandeln könnten, für die gleiche Arbeit, etwa auf dem Bau, das gleiche verlangen und auch durchsetzen würden, was ihre aus der Bundesrepublik Deutschland stammenden Kollegen bekommen, und liegt die Diskriminierung nicht gerade darin, daß sie eben das nicht können, weil sie sonst bei ihrer Rückkehr in die DDR schwerste Unannehmlichkeiten zu gewärtigen hätten?
Herr Kollege Jäger, so sympathisch mir Ihre Fragestellung ist, so sehr muß ich doch darauf hinweisen, daß vertragliche Beziehungen zwischen diesen Arbeitnehmern und ihrem Betrieb in der DDR jeweils bestehen, aber nicht zu dem Betrieb in der Bundesrepublik Deutschland. Insofern sind unsere Einflußmöglichkeiten hier äußerst begrenzt.
Zusatzfrage des Abgeorneten Neumann.
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung ist ja auch Auftraggeber für Baumaßnahmen und vergibt ihre Aufträge an deutsche Unternehmen, die wiederum Verträge mit Firmen der DDR abgeschlossen haben, d. h. DDR-Bürger arbeiten quasi im Auftrage der Bundesrepublik in der Bundesrepublik Deutschland. Wie überwacht denn die Bundesregierung in diesen Fällen die Einhaltung der bestehenden Tarifverträge?
Herr Kollege Neumann, Sie sprechen den Fall an, daß die Bundesregierung selbst bzw. die Bundesrepublik Deutschland Auftraggeber eines solchen Bauvorhabens ist. Dies ist mir im Augenblick nicht geläufig, daß es einen solchen Vorfall gibt. Wenn Sie die Frankfurter Vorkommnisse meinen, so sind wir dabei, dieses und das gesamte Umfeld über das dafür zuständige Bundesministerium für Wirtschaft aufklären zu lassen, auch was Zahlenangaben betrifft, die offensichtlich in diesem Zusammenhang ein bißchen in Zweifel geraten sind. Wenn wir direkt Auftraggeber wären, kämen die Vergabevorschriften zur Anwendung, nur scheint mir das hier nicht der Fall zu sein.
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs und für heute auch am Ende der Fragestunde. Damit ist die heutige Tagesordnung erschöpft.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 27. Februar 1986, 8 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.