Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf: Aktuelle Stunde
Die Fraktion der SPD hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema
Haltung der Bundesregierung zum Atomtestverbot
verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Scheer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat die Aktuelle Stunde zur Haltung der Bundesregierung zum Atomteststopp beantragt, weil in den letzten Tagen deutlich wurde, daß die Bundesregierung in dieser Frage eine drastische Positionsänderung vollzogen hat. Diese hat sich seit Monaten angedeutet; jetzt wird sie offenkundig. Zumindest bestehen Zweifel über die tatsächliche Haltung. Wir lassen es aber der Bundesregierung nicht durchgehen, daß sie nach außen Abrüstung sagt und tatsächlich nichts davon hält.
Zum Sachverhalt: 1963 schlossen Kennedy, Macmillan und Chruschtschow das Teststoppabkommen. Es bezog allerdings die Versuche unter der Erde noch nicht ein. Der Grund lag darin, daß die Sowjetunion noch nicht bereit war, die für einen umfassenden Teststopp notwendigen Inspektionen an Ort und Stelle zuzulassen.
Seit dieser. Zeit wird über einen umfassenden Teststopp verhandelt. Immer hieß es, die einzige Bedingung dafür sei die Lösung der Kontrollfrage. Das war auch immer die einhellige Auffassung aller Bundesregierungen und der im Bundestag vertretenen Parteien. Einhellig.
Die Erfüllung der Bedingung einer Kontrollierbarkeit müßte also die sofortige Bereitschaft der Bundesregierung auslösen, den umfassenden Teststopp unverzüglich in die Wege leiten zu helfen. Nichts anderes ist auch aus der Erklärung des Bundeskanzlers herauszulesen, die er noch am 9. Januar 1986 abgegeben hat.
Die Sowjetunion hat jetzt, nachdem auch technische Fortschritte im Hinblick auf die Kontrolle erfolgt sind - mit Hilfe auch der Bundesregierung -, endlich die Bereitschaft erklärt, Ortsinspektionen zuzulassen. Gemessen an ihren eigenen Worten müßte von der Bundesregierung jetzt die sofortige Vereinbarung eines umfassenden Teststopps verlangt werden. Es wäre verantwortungslos, diese Chance auszulassen. Es wäre eine politische Selbstverleugnung, das jetzt nicht zu fordern bzw. nicht wirklich praktisch in die Wege zu leiten, nur weil die gegenwärtige amerikanische Regierung erklärtermaßen an einem umfassenden Teststopp kein Interesse hat. Erklärtermaßen.
({0})
Aber statt die erste tatsächliche Chance für einen Teststopp zu nutzen, tut die Bundesregierung das Gegenteil. Bereits durch die Zustimmung zum SDI-Programm hat sie das Teststoppziel praktisch aufgegeben;
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denn für die SDI-Entwicklung braucht man Atomexplosionen. Wer also dem SDI-Programm zustimmt, der muß logischerweise den Teststopp blokkieren.
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Sie hoffen darauf, daß die Öffentlichkeit diesen Zusammenhang nicht erkennt.
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Sie wollen sich an weiterer atomarer Rüstung beteiligen, ohne sich dabei erwischen zu lassen! Das ist der Punkt.
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Aber es kommt noch deutlicher. In der letzten Woche erklärte Staatssekretär Rühl im Verteidigungsausschuß wörtlich
({5})
erstens, daß eine begrenzte Anzahl von Atomtests notwendig bliebe, zweitens, daß ein umfassender Teststopp nicht am Anfang der atomaren Rüstungskontrolle stehen könne, und er sagte drittens, daß dem umfassenden Teststopp langfristig Bedeutung beigemessen werde.
Noch im jüngsten Abrüstungsbericht der Bundesregierung steht dem gegenüber, daß die Verwirklichung eines umfassenden Teststopps nicht gleichbedeutend mit der Reduzierung von Atomwaffen sei.
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Wenn Worte noch einen Sinn haben, dann ist das, was im Abrüstungsbericht steht, das glatte Gegenteil von dem, was in der letzten Woche von Staatssekretär Rühl gesagt worden ist.
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Sie können die Öffentlichkeit nicht so hinter das Licht führen.
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Entweder distanzieren Sie sich von den Äußerungen des Staatssekretärs Rühl, oder Sie müssen sich gefallen lassen, daß Ihre Position in Zweifel gezogen wird.
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Sie haben aus dem kurzfristigen Ziel allenfalls ein langfristiges gemacht, und nach der Erfüllbarkeit aller bisher gestellten Bedingungen - diese Frage müssen Sie sich gefallen lassen, auch wenn es Ihnen unangenehm ist, da diese Frage keine Spielerei ist - wäre das der Beginn der atomaren Abrüstung. Sie haben mit uns zusammen Bedingungen formuliert. Jetzt werden sie eingelöst oder sind einlösbar, und jetzt sind auf einmal ganz andere Bedingungen im Spiel. Das ist der Punkt, den man Ihnen nicht durchgehen lassen kann.
Es tut uns leid, Ihre Haltung ist verlogen, und sie muß so bezeichnet werden,
({10})
wenn Sie nicht die Möglichkeit haben, sich von diesen Äußerungen, die protokollarisch festgehalten sind, zu distanzieren, die das glatte Gegenteil von dem ausmachen, was die offiziellen Erklärungen sind.
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Herr Abgeordneter Dr. Scheer, ich muß den Ausdruck „verlogen" als unparlamentarisch zurückweisen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lamers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte - das hat der Kollege Scheer gerade eindrucksvoll unter Beweis gestellt - ist der sich in einer ganzen Reihe ähnlicher Vorhaben einreihende Versuch der SPD, die Haltung der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien in Fragen der Abrüstung, heute in der Frage des Teststopps in Zweifel zu ziehen. Meine Kolleginnen und Kollegen, dieser Versuch wird ebenso wie alle anderen Versuche mißlingen.
({0})
Die Haltung der Bundesregierung und meiner Fraktion in dieser Frage war, ist und bleibt über jeden Zweifel erhaben und klar. Es wird Ihnen nicht gelingen, uns als jemanden hinzustellen, der, amerikanischen Bedenken folgend, Positionen just in einem Augenblick aufgibt, wo sich die Sowjetunion in dieser Frage positiv entwickelt zu haben scheint. Nein, dieser Versuch, meine Kolleginnen und Kollegen, wird scheitern, da die Fakten eindeutig sind. Er wird auf Sie zurückfallen, weil wieder einmal Ihre Bereitschaft offen zutage treten wird, deutsche und amerikanische Positionen aus Prinzip in Zweifel zu ziehen
({1})
und, ohne die sowjetische Position auf Motive, Hintergründe und Einzelheiten zu überprüfen, diese zu unterstützen.
Staatsminister Möllemann hat - ich glaube im vergangenen Jahr mindestens dreimal - die Haltung der Bundesregierung hier in diesem Hohen Haus und bei anderer Gelegenheit zu der Frage des Teststopps dargelegt und sie als ein unverrückbares Ziel der deutschen Politik hingestellt.
({2})
Meine Fraktion hat die Bundesregierung in dieser Haltung stets unterstützt, und sie tut dies auch heute und wird es morgen tun.
({3})
Wenn unsere, die feste und einmütige Haltung der Koalition überhaupt noch eines weiteren Beweises bedurft hätte, meine Kolleginnen und Kollegen, dann wäre dieser Beweis vom Bundeskanzler in seiner Presseerklärung vom 9. Januar 1986 erbracht worden. Er hat die Frage eines umfassenden Teststopps in seine Erklärung aufgenommen und ihr damit den Rang gegeben, den sie auch nach unserer Überzeugung hat. Ich begrüße dies ausdrücklich ebenso wie die Bemerkungen, die er zu der neuerlichen sowjetischen Bereitschaft zu VorOrt-Inspektionen gemacht hat. Gerade angesichts der Bedeutung, die die Vereinigten Staaten dieser Frage zu Recht bislang beigemessen haben, erscheint uns diese sowjetische Bewegung beachtenswert.
Begrüßenswert ist aber auch - und das belegt das amerikanische Interesse an dieser Frage -, daß Präsident Reagan diesem sowjetischen Schritt
umgehend mit dem Vorschlag beantwortet hat, ihn durch Expertengespräche, die bereits im Februar 1986 beginnen sollen, konkretisieren zu lassen.
Aber - ich glaube, das hat der Kollege Scheer nicht richtig begriffen - das Ziel eines umfassenden Teststopps kann natürlich nicht isoliert von dem Ziel drastischer Reduzierung atomarer Waffen gesehen werden. Diesem Zusammenhang trägt ganz offensichtlich auch der neueste sowjetische Vorschlag Rechnung. Ich nehme an, daß wir alle das Ziel der Reduzierung als vorrangig ansehen. Der Versuch, allein über umfassende Teststopps zu drastischen Reduzierungen oder gar zur Abschaffung von Kernwaffen zu gelangen, hätte den typischen Patentrezept-Charakter; und Patentrezepte funktionieren bekanntlich nie.
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Reduzierung von Teststopps müssen Hand in Hand gehen und Schritt für Schritt verwirklicht werden. Das Bemühen um einen umfassenden Teststopp muß in den Gesamtprozeß der Abrüstungsverhandlungen eingebettet sein. Dieser Prozeß beinhaltet umfassende, tiefgreifende und nachprüfb are Reduzierung von Kernwaffen, größere Ausgewogenheit vor allem bei den konventionellen Kräften, erweiterte vertrauensbildende Maßnahmen und verbesserte Nachprüfungsmöglichkeiten.
Herr Kollege Scheer, genau auf diesen Zusammenhang hat Staatssekretär Rühl in der Sitzung des Verteidigungsausschusses hingewiesen.
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Es mag sein, daß Sie das bislang nicht richtig begriffen haben. Aber das ist Ihr Problem, nicht das Problem der Regierung. Auf diesen Zusammenhang hat er hingewiesen.
({6})
Das war, ist und bleibt die Position der Bundesregierung und unserer Fraktion.
Danke.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lamers, Sie wollten vorhin die Fakten auf den Tisch legen. Sie sind aber den Fakten elegant ausgewichen. Sie haben da einen Slalomlauf gemacht und teilweise über Situationen berichtet, bei denen Sie gar nicht dabei waren.
Ich würde mal sagen: Nennen wir doch mal die - ({0})
- Ich war dabei. In der Tat, ich war dabei, als der Staatssekretär Rühl seinen Vortrag gehalten hat. Und jetzt werde ich Ihnen gleich wiedergeben, was er dort gesagt hat. Und ich werde wiederholen, was der Kollege Scheer dazu gesagt hat, der auch dabei war.
({1})
Ich möchte mal die Fakten in der Reihenfolge nennen und insofern eine etwas andere Perspektive als der Kollege Scheer hereinbringen, die aber letzten Endes das gleiche aussagt.
Es ist j a eine interessante Chronologie. Im Juli 1985 legte die Bundesregierung in Genf einen DreiStufenPlan der seismologischen Verifikation von Atomtests vor, dessen Umsetzung - ({2}) - Das ist eine hervorragende Idee.
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Nur ist ein Problem dabei, Herr Kollege Berger, daß die Umsetzung vier bis acht Jahre dauern würde und daß das parallel mit dem Interesse der Bundesregierung läuft, die Atomtests so lang wie möglich noch laufen zu lassen, weil der Verbündete, die USA, eben diese Atomtests braucht. Insofern wird etwas Negatives mit etwas Positivem gekoppelt. Sie wissen das sehr genau.
Im Oktober 1985 heißt es im Abrüstungs-Jahresbericht der Bundesregierung:
Während die nicht gebundenen Staaten die unmittelbare Aufnahme von Vertragsverhandlungen forderten, hielten die Länder der westlichen Gruppe die Klärung der Verifikationsfrage für nötig, bevor in die eigentlichen Vertragsverhandlungen eingetreten werden kann. Der Osten, der in der Verifikationsfrage eine restriktive Haltung einnimmt, unterstützte die nicht gebundenen Staaten. Für den Westen ist wegen der militärisch und sicherheitspolitisch besonders einschneidenden Wirkung eines umfassenden Teststopps eine verläßliche Verifikation unverzichtbar.
Mitte Januar 1986 legte Generalsekretär Gorbatschow einen - nach allen Richtungen hin aufgefaßt - noch nie dagewesenen Drei-Stufen-Plan zur umfassenden nuklearen Abrüstung vor. Darin sind enthalten die Verlängerung des Testmoratoriums der Sowjetunion um drei Monate und - ich zitiere aus dieser Erklärung - dies:
Die Kontrolle über die zu vernichtenden und zu begrenzenden Rüstungen würde sowohl durch die nationalen technischen Mittel als auch durch Inspektionen vor Ort vorgenommen. Die UdSSR ist bereit, jegliche zusätzliche Kontrollmaßnahme zu vereinbaren.
Was passiert gleichzeitig hier in Bonn? Da erfahren die interessierten Abgeordneten von der Bundesregierung folgendes - und das ist das, was der Staatssekretär Rühl im Verteidigungsausschuß und offensichtlich auch anderswo nachweisbar gesagt
hat -: Zwar messe das BMVg dem Ziel eines umfassenden Teststopps langfristig große Bedeutung bei.
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Aber eine begrenzte Anzahl von Kernwaffentests bleibt notwendig, solange Nuklearwaffen Teile der Abschreckungsdoktrin bleiben müssen. Das heißt ja nichts anderes, als daß man weiterhin auf Nukleartests bauen möchte, und zwar unabhängig davon, wie sich die jeweilige außenpolitische Situation darstellt.
({5})
Damit kann man nur zu dem Schluß kommen, daß die Bundesregierung an einem Atomteststopp inzwischen überhaupt nicht mehr interessiert ist. Das entspricht allerdings der Logik Ihrer Politik der bedingungslosen Unterwerfung unter die amerikanische Hegemonialpolitik, auf deren Hintergrund auch das Thema SDI zu betrachten ist. Denn wer - wie der Bundeskanzler - das Thema SDI als gerechtfertigt betrachtet oder - wie der Bundesverteidigungsminister - gar als notwendig, der muß zwangsläufig auch für die Erprobung des Röntgenlasers sein, der die Energie aus Nuklearexplosionen bezieht. Wer auf den Ersteinsatz von Nuklearwaffen pocht - wie es die Bundesregierung in der NATO tut -, der muß dafür sein, daß Beschleunigungstests der Atomwaffenzünder unter dem Aspekt der Zuverlässigkeit erprobt werden. Die Bundesregierung weiß genau: Ein CTB muß, wenn er Sinn machen soll, so schnell wie möglich
' abgeschlossen werden. Mehr noch: Er müßte ergänzt werden durch ein Flugtestverbot für ballistische Flugkörper, um die Wahrscheinlichkeit der Zerstörung von Hartzielen zu verringern.
Wir können nur an die Bundesregierung appellieren, sich nicht einer amerikanischen Politik anzuschließen, die derzeit kein Interesse an einer Abrüstung atomarer Waffen hat. Sie sollte statt dessen lieber dafür sorgen, daß die sicherlich überraschenden Pläne von Gorbatschow nicht nur - wie es immer so schön heißt - geprüft, sondern auch umgesetzt werden, und zwar so schnell wie möglich,
({6}) damit man vom Wort endlich zur Tat schreitet.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob diese Bundesregierung mit ihrer Atompolitik so weitermacht wie bisher. Wenn sie es tut, dann wird es allerdings höchste Zeit, daß sie von der Bildfläche verschwindet. Ich weiß nicht, ob diese ehrenwerte Gesellschaft der offenen Hände und der fröhlichen Mienen ein „Gruselkabinett" ist, wie es aus Ihren eigenen Reihen heißt. Aber eines weiß ich: Ich weiß, daß es immer mehr Menschen vor solchen Traumtänzern auf atomarem Parkett graust.
Ich frage mich auch weiterhin: Wo ist denn die Kontinuität des Auswärtigen Amtes geblieben? Ich habe geradezu den Eindruck, daß Genscher, Bangemann, Möllemann und wie sie alle heißen eine Verhandlungspolitik nach dem Motto betreiben: Als muskelbepackte Tarzane gehen sie in die Verhandlungsräume hinein und als Maskottchen kommen sie wieder heraus. Ich glaube, daß diese Politik im Grunde genommen jetzt endgültig gescheitert ist, daß die letzten Relikte der Entspannungspolitik verschwunden sind und daß wir damit rechnen müssen, daß die Aufrüstungspolitik der Koalition - der Reihenfolge nach bestehend aus CSU, CDU, FDP - um sich greift.
Herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Scheer, wenn Worte noch einen Sinn haben sollen, dann ist es wohl so, daß Sie einer Bundesregierung, die im Sommer des vergangenen Jahres einen international anerkannten umfassenden Vorschlag für ein seismologisches Überwachungssystem von Atomtests gemacht hat, vorwerfen, die Haltung eben dieser Bundesregierung sei unklar. Ich würde Ihnen von dieser Stelle aus allerdings gern eines sagen: Wenn es in dem Abrüstungsbericht der Bundesregierung heißt: Allerdings wäre die Verwirklichung eines CTB nicht gleichbedeutend mit der Reduzierung von Nuklearwaffen, dann meine ich, daß hier eine schlichte Wahrheit und nichts anderes ausgesprochen wird. Gleichzeitig - dies sollte ja wohl nicht übersehen werden - wohnt dieser Aussage aber auch die Tendenz inne, über einen umfassenden Teststopp hinaus auch zu einer Reduzierung von Atomwaffen zu kommen. Dies sollte jeder gutwillige Leser dieser Zeilen jedenfalls nicht übersehen. Das ist ja wohl unbestreitbar, denn welchen Sinn würde ein solcher Satz auf der anderen Seite machen?
Ich möchte aber gern auf einen Mangel der öffentlichen Diskussion hinweisen, der im Augenblick eine wesentliche Rolle spielt. Es wird von einem Moratorium und von einem Teststopp gesprochen. Damit hier überhaupt kein Zweifel entsteht: Moratorium heißt im eigentlichen Wortsinne Zögern, ein zeitweises Aussetzen von Atomtests, für einen begrenzten Zeitraum; im heutigen Sprachgebrauch vielleicht sogar ein Einschränken. Aber wenn man solche Vorschläge für Moratorien und auch für deren Verlängerung macht, dann wird ja damit nicht aus der Welt geräumt, daß das eigentliche Ziel der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen kein Zögern in dieser Frage ist, sondern eine klare und eindeutige Entscheidung gegen jeden Atomtest und gegen jede Fortsetzung einer Testreihe, möglicherweise nach einer zeitweisen Unterbrechung. Dies ist das Ziel, das wir verfolgen, ein Ziel, an dessen Ende dann tatsächlich die Verringerung oder vielleicht sogar, wie wir heute in den internationalen Verhandlungen hoffen können, eine Beseitigung von Atomwaffen auf dieser Erde stehen könnte. Darum geht es, und darüber muß in aller Eindeutigkeit und, Herr Kollege Dr. Scheer, ohne jede Aufgeregtheit gesprochen werden. Sie sollten nicht in
Äußerungen hineininterpretieren, was in ihnen nicht gelegen hat.
({0})
Denn die Haltung der Bundesregierung, die Haltung der Koalition ist eindeutig auf das umfassende Verbot von Kernsprengungen gerichtet, wie die exakte Terminologie heißt.
({1})
Darum geht es und um nichts anderes.
Herr Kollege Dr. Scheer, ich habe Ihre Ausführungen mit großem Interesse gehört, aber eines hat mich dann doch verblüfft.
({2})
- Das ist sehr schön, Herr Dr. Klejdzinski, aber Sie regen mich auch nicht mehr auf. Das hat es früher einmal, am Anfang meiner Laufbahn und meiner Begegnung mit Ihnen gegeben. Dies ist vorbei.
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Eines hat mich verblüfft, Herr Kollege Dr. Scheer: Sie haben mehr oder weniger die Bundesregierung aufgefordert, endlich mit ihren Atomtests aufzuhören.
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- Natürlich haben Sie das gesagt! Lesen Sie das Protokoll nach! - Das eine ist j a wohl unübersehbar: Die Bundesrepublik hat noch nicht einen einzigen Test dieser Art durchgeführt, und sie wird es mit aller Sicherheit nicht tun.
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Sie wird in Zusammenarbeit mit ihren Verbündeten die Vorschläge, die aus Moskau jetzt erfreulicherweise gekommen sind, mit aller Sorgfalt behandeln, mit dem Ziel, die Bedrohung der Menschheit durch atomare Waffen auch dadurch zu beenden, daß am Anfang des Endes dieser Bedrohung ein umfassendes Verbot von Kernsprengungen steht und daß dies international überwacht werden kann, um die Sicherheit in Ost und West für die Menschen auf dieser Erde zu vergrößern.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Klejdzinski.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als erstes möchte ich einmal feststellen, daß es eine Mißachtung des Parlaments ist, daß, wenn es um eine Äußerung des Staatssekretärs im Bundesministerium der Verteidigung, Herrn Rühl, geht, von der Bundesregierung, aus dem Bundesministerium der Verteidigung, niemand hier anwesend ist.
({0})
- Es geht hier nicht darum, Herr Berger, was Sie erzählen. Es geht ganz einfach darum, daß genau bekannt war, daß wir zu diesem Thema reden. Derjenige, der im Ausschuß dazu geredet hat und dessen Mißinterpretationen heute hier zur Diskussion stehen, sollte zumindest erscheinen, hier sein, oder sich vertreten lassen.
({1})
Die Koalitionsfraktionen reden von der Kontinuität in ihrer Politik. Wir reden heute über folgende Äußerung des Staatssekretärs - ich zitiere -:
In der nuklearen Rüstungskontrolle kann ein umfassender Teststopp nicht am Anfang stehen.
Ich zitiere weiter:
Eine begrenzte Anzahl von Kernwaffentests bleibt notwendig, solange Nuklearwaffen zur Gewährleistung einer sicheren, verläßlichen und wirksamen Abschreckung, von der die Bewahrung des Friedens abhängt, Mittel unserer Strategie sind.
Um diese beiden Äußerungen geht es im einzelnen.
Der Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten Weinberger hat in der vorigen Woche erklärt, er wolle dem russischen Beispiel nicht folgen, nämlich einem dreimonatigen Moratorium für unterirdische Atomversuche zuzustimmen.
({2})
Warum hat er das nicht getan? Dazu ein paar Bemerkungen. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Aussage des amerikanischen Experten Speaks, der die Auffassung vertritt, die Sowjetunion habe keine unterirdischen Atomversuche nötig; die USA dagegen könnten auf bestimmte atomare Versuche nicht verzichten. Für die USA seien unterirdische Atomtests sehr wichtig. Deshalb würden die USA diese Tests fortsetzen.
Beim Studium der uns Sozialdemokraten zugänglichen Literatur fällt auf, daß eine Begründung für die Fortsetzung der unterirdischen Atomtests die ist, sie seien notwendig, um atomare Waffen modernisieren zu können. Welche Waffen bitte, wo werden sie eingesetzt? Wahrscheinlich nur in Europa.
({3})
- Sie sind zumindest für diesen Bereich vorgesehen. - Eine weitere Begründung lautet - sie ist
nach meiner Ansicht sehr gängig -, daß sie „for the
president's strategic modernization program" notwendig seien.
({4})
Für mich machen die von den amerikanischen Experten vertretenen Auffassungen, atomare Tests seien notwendig, nur dann Sinn, wenn man beabsichtigt, die Strategische Verteidigungsinitiative zu konkretisieren. Die Erforschung von Energiestrahlwaffen ist ein wichtiges Teilforschungsgebiet im Rahmen der Strategischen Verteidigungsinitiative. Unter anderem sollen Forschungen - der Kollege Lange hat bereits darauf hingewiesen - zur Entwicklung eines wasserstoffbombengepumpten Röntgenstrahllasers stattfinden. Die hohen Energiemengen, die Intensität und die Stärke in einem sehr kurzen Zeitabschnitt sollen nur durch eine geregelte atomare Explosion bereitgestellt werden können.
Die Bundesregierung muß klarstellen, welche Position sie zum umfassenden Teststopp hat. Es reicht nicht aus, einerseits zu erklären - wie im Jahresabrüstungsbericht 1985 -, sie messe dem Ziel eines umfassenden nuklearen Teststopps große Bedeutung zu, sich andererseits aber an der Strategischen Verteidigungsinitiative zu beteiligen bzw. SDI und damit indirekt auch weitere atomare Versuche zu begrüßen.
Die Bundesregierung hat hier Absetzen von der gemeinsamen Position aller hier im Bundestag vertretenen Parteien zur Taktik erhoben. Um sich an der Strategischen Verteidigungsinitiative beteiligen zu können, wird das widerrufen, was uns einmal auszeichnete, nämlich die Tatsache, daß der frühere Staatsminister Dr. Mertes noch im Juli 1984 vor der Genfer Abrüstungskonferenz ein sehr klares Bekenntnis zum vollständigen Versuchsverbot abgeben konnte. Das hat damals die Unterstützung aller Bundestagsfraktionen gefunden.
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Ich gehe davon aus, daß solche Einlassungen, die der Bundesminister der Verteidigung, vertreten durch seinen Staatssekretär Rühl, gemacht hat, so nicht im Raum stehen bleiben können; sie bedürfen der Richtigstellung. Ich bin dafür, daß das Bundesministerium der Verteidigung heute morgen hier in der Sache antwortet
({6})
und sich durch Fernbleiben nicht der Diskussion entzieht. Möglicherweise besteht ein Dissens zwischen den Äußerungen des Außenministers und der Auffassung des Bundesministers der Verteidigung. Dies muß geklärt werden.
Herzlichen Dank.
({7})
Herr Abgeordneter Vogel, das ist bereits angemeldet.
Nach § 42 unserer Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Porzner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist für das Parlament eine Zumutung, daß bei diesem Thema der Bundesminister der Verteidigung nicht anwesend ist und daß auch sonst niemand hier ist, der in diesem Ministerium politische Verantwortung hat.
Ich beantrage deswegen nach § 42 der Geschäftsordnung die Herbeirufung des Bundesministers der Verteidigung.
({0})
Das Wort nach § 42 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Bohl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind der Auffassung, daß der Antrag in der Sache unbegründet ist,
({0})
weil die Zuständigkeit eindeutig beim Bundesaußenminister liegt.
({1})
Es ist in den Vorbesprechungen auch eindeutig darauf hingewiesen worden, daß die Bundesregierung durch Herrn Staatsminister Möllemann vertreten sein werde. Daran ist kein Anstoß genommen worden. Aus all diesen Gründen besteht keine Veranlassung, diesem Antrag zu entsprechen.
Herr Präsident, ich beantrage aber nach § 45 Abs. 2 der Geschäftsordnung, die Beschlußfähigkeit des Hauses bei der Abstimmung feststellen zu lassen.
({2})
Gleichzeitig beantrage ich, nach § 45 Abs. 2 Satz 2 die Abstimmung darüber für eine Zeit von vielleicht zehn Minuten auszusetzen.
Meine Damen und Herren, in § 45 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung heißt es:
Wird vor Beginn einer Abstimmung die Beschlußfähigkeit von einer Fraktion ... bezweifelt ..., so ist in Verbindung mit der Abstimmung die Beschlußfähigkeit durch Zählung der Stimmen ({0}) festzustellen. Der Präsident kann die Abstimmung auf kurze Zeit aussetzen.
Ich setze die Abstimmung auf zehn Minuten aus.
({1})
({2})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Wir fahren in der Sitzung fort.
Die Fraktion der SPD hat nach § 42 der Geschäftsordnung den Antrag gestellt, den Bundesminister der Verteidigung herbeizurufen. Nachdem von seiten der CDU/CSU-Fraktion die Beschlußfähigkeit angezweifelt worden ist, muß ich die AbPräsident Dr. Jenninger
stimmung über den Antrag der SPD mit der Feststellung der Beschlußfähigkeit durch Zählung der Stimmen verbinden.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, zur Feststellung der Beschlußfähigkeit und Zählung der Stimmen den Saal zu verlassen.
Ich bitte die Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen. - Sind die Schriftführer an ihren Plätzen? Meine Damen und Herren, ich bitte die Türen zu schließen.
Die Abstimmung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, die Abstimmung ist geschlossen. Ich bitte die Türen zu schließen. Ich bitte die Schriftführer, mir das Ergebnis der Zählung der Stimmen mitzuteilen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Zur Beschlußfähigkeit des Hauses sind 261 Stimmen erforderlich. Abgegeben worden sind 96 Ja-Stimmen, 151 Nein-Stimmen, keine Enthaltungen, insgesamt 247 Stimmen. Damit ist die Beschlußfähigkeit des Hauses nicht erreicht.
Ich schließe die Sitzung und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für den heutigen Tag um 9.30 Uhr ein.