Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/13/1985

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Lange, Frau Kelly, Dr. Schierholz und der Fraktion DIE GRÜNEN Westeuropäische Raketenabwehr und Europäische Verteidigungsinitiative ({0}) - Drucksache 10/4073 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Verteidigungsausschuß ({1}) Auswärtiger Ausschuß b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Europäische Verteidigungsinitiative zur Abwehr ballistischer Raketen - Drucksache 10/4440 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Verteidigungsausschuß ({2}) Auswärtiger Ausschuß Ausschuß für Forschung und Technologie c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Keine Beteiligung am amerikanischen SDI-Programm - Drucksache 10/4441 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß ({3}) Verteidigungsausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Forschung und Technologie Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Punkte 17a bis 17c und eine Aussprache von 90 Minuten vorgesehen. Die Redezeit für die Fraktion DIE GRÜNEN soll für diese Debatte zehn Minuten betragen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Dies ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Professor Dr. Ehmke.

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD hat auf dieser Debatte noch vor den Weihnachtsferien bestanden, weil wir - wie sich inzwischen herausgestellt hat, zu Recht - befürchten mußten, daß die Bundesregierung eine wichtige Entscheidung für unser Land und Europa wieder einmal am Parlament vorbei treffen würde. 90 Minuten Debatte - zu mehr war die Koalition nicht bereit - reichen nicht aus, das Thema wirklich zu diskutieren. So können wir nur die Grundzüge unserer Haltung zu zwei Fragen darlegen. Erstens: Soll die Bundesrepublik Deutschland mit der Regierung der Vereinigten Staaten eine Vereinbarung über die Beteiligung bundesdeutscher Firmen am SDI-Programm treffen? Zweitens: Soll die Bundesrepublik zusammen mit anderen westeuropäischen Ländern ein eigenes SDI-Programm zur Abwehr von auf Europa gerichteten ballistischen Raketen beginnen? Auf beide Fragen hat die SPD klare Antwort gegeben. Unsere Anträge liegen vor. Es gibt für uns keinen Grund, heute auch nur ein Jota von der Position abzuweichen, die wir bereits zu Beginn dieses Jahres zu SDI entwickelt haben. Unsere Bedenken werden heute weltweit geteilt. ({0}) Die SDI-Befürworter in der Wende-Koalition dagegen führen geradezu einen Eiertanz auf, um dem Vorwurf der Unglaubwürdigkeit zu entgehen. Nichts kennzeichnet die Unklarheit und die Unaufrichtigkeit Ihrer Position besser als der groteske Streit um die Frage, welches Kabinettsmitglied denn nun den ungeliebten Wechselbalg unterschreiben soll. Heute wird dokumentiert, wer die Verantwortung für eine Entscheidung trägt, die zu einem neuen gigantischen Wettrüsten zu führen droht. Unsere Anträge enthalten nichts, was nicht auch von zahlreichen Skeptikern aus dem Regierungslager gesagt und gefordert worden ist. Ich bin der Meinung, Sie sollten den Bürgern dieses Landes reinen Wein einschenken. Sie wollen nicht bei dem Versuch mitwirken, zu verhindern, daß, nachdem auf unserem Planeten Land, Wasser und Luft mit Waffen vollgestopft worden sind, nun das Wettrüsten auch noch in den Weltraum getragen wird. ({1}) Dr. Ehmke ({2}) Sagen Sie doch offen - Herr Kollege Klein -, daß Ihr Wahlspruch „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen" nur ein Tarnvorhang war, hinter dem Sie immer neue Rüstungen befürworten. ({3}) Die Verrenkung der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen in Sachen SDI waren in den letzten Wochen und Monaten nicht nur akrobatisch, sondern teilweise direkt peinlich. Verkaufen Sie die Bürger unseres Landes doch nicht für dumm, ({4}) versuchen Sie doch nicht, durch die Aufzählung angeblicher Bedingungen über die wahre Sachlage hinwegzutäuschen! Sie laufen mit SDI mit, weil Bitburg seinen Preis fordert und weil Strauß und die deutsche Rüstungsindustrie Ihnen im Nacken sitzen, ({5}) die das Märchen vom SDI-Sterntaler träumen. ({6}) Schwerwiegende politische und strategische Bedenken gegen SDI wischen Sie beiseite, obwohl SDI und EVI die Einheit der NATO und die vereinbarte NATO-Strategie ganz offensichtlich gefährden. Sie taktieren in einer Frage, die die Aussichten auf Fortschritte in den Rüstungskontroll- und Abrüstungsverhandlungen auf Jahre hinaus blockieren kann. Die Erörterung der Frage, was von der europäischen Mitwirkung im NATO-Bündnis noch bleiben würde, wenn diesem NATO-Bündnis ein SDI-Weltraumhelm der Weltmacht Nr. 1 übergestülpt würde, überlassen Sie anderen, etwa dem konservativen britischen Außenminister. Sie beschränken sich in der ganzen Debatte auf die Erörterung von absolut zweitrangigen Fragen, und selbst dabei sind Sie nicht aufrichtig. Wie können Sie z. B. behaupten, eine Beteiligung am amerikanischen SDI-Programm sei notwendig, um technologisch nicht abgehängt zu werden, wenn Ihnen zwar nicht - natürlich nicht - die Lobbyisten der Industrie, wohl aber unabhängige Forscher an Hand eindrucksvoller Studien nachweisen, daß es nichts Unproduktiveres als Rüstung und Rüstungsforschung gibt? ({7}) Hat etwa Japan einen Nachteil dadurch erlitten, daß es sich über die Jahrzehnte hinweg nicht an der Rüstungsforschung beteiligt hat, so wie es sich jetzt auch nicht an SDI beteiligt? In den Vereinigten Staaten beginnt sich gerade die Einsicht durchzusetzen, daß die weitgehende Militarisierung von Forschung und Entwicklung in den Vereinigten Staaten zu einem Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie geführt hat. ({8}) Meine Herren, wir sind doch nicht gegen moderne Hochtechnologie. ({9}) Auch die Japaner sind nicht gegen moderne Hochtechnologie. Aber wir beantworten die Frage anders, in welcher Form man sie entwickelt: unter den Bedingungen militärischer Geheimhaltung oder unter denen der Wissenschaftsfreiheit. ({10}) Wie können Sie glauben, Sie würden die Amerikaner ausgerechnet über eine Beteiligung am SDI-Programm von ihrer übersteigerten COCOM-Philosophie und ihrer Politik ständig wachsender Beschränkungen des Wissenschaftsaustausches und des Technologietransfers abbringen? Das Gegenteil wird der Fall sein: Nicht Sie werden die Amerikaner beeinflussen, sondern die Amerikaner werden unsere Unternehmen ihren Vorstellungen von Geheimhaltung, Verwertbarkeit, Exportrestriktionen und Preisgestaltung unterwerfen. Es steht ja auch nichts anderes im Teltschik-Bericht drin, außer ein paar freundlichen Worten. Selbst einzelne Zugeständnisse im SDI-Bereich - das sei der Industrie gesagt - würden nur noch einmal die Restriktionen im großen übrigen Industriebereich bestätigen, gegen die Sie bisher schon darum fast gar nichts getan haben, weil Sie es j a noch nicht einmal wagen, die Dinge auf diesem Gebiet endlich beim Namen zu nennen. ({11}) Wenn deutsche Industrieunternehmen glauben, vom SDI-Programm profitieren zu können, so sollen sie es selbstverständlich tun. Die politisch Verantwortlichen aber dürfen in für Westeuropa existentiellen Fragen solche begrenzten materiellen Interessen nicht zum Maßstab deutscher Außenpolitik machen. Welch ein jammervolles Bild, verehrte Kollegen von der Regierungskoalition, ({12}) bietet Westeuropa inzwischen in der SDI-Frage, Westeuropa, dessen gemeinsame Stellungnahme und Interessenvertretung Sie zwar verbal gefordert, aber real verhindert haben. ({13}) Im SDI-Zusammenhang muß ich ein besonderes Wort an die Kollegen von der FDP richten. Sie erweisen sich einmal mehr als eine Partei, ({14}) die ihre Überzeugungen aus Gründen des blanken Machterhalts über Bord wirft. ({15}) Sie haben - von Äußerungen des Bundesaußenministers bis zu Beschlüssen von FDP-Parteigliederungen - monatelang schwere Bedenken gegen eine deutsche Beteiligung am SDI-Programm erhoben, und nun laufen Sie doch mit. Herr Bangemann Dr. Ehmke ({16}) hat sich dabei als Bannerträger des Opportunismus ausgezeichnet. Die Rolle, die Herr Kollege Genscher in dieser Frage als Außenminister gespielt hat, kann leider nur als kläglich bezeichnet werden. ({17}) Die FDP insgesamt hat wieder einmal mit ihrem Charakter als Umfallerpartei ihre politische Unzuverlässigkeit unter Beweis gestellt. ({18}) Zu dem wenig erbaulichen Bild, das die WendeKoalition in der SDI-Frage geboten hat, gehört auch, meine verehrten Damen und Herren, die Sie in der Morgenstunde schon so munter sind, ({19}) daß Sie zu feige waren, das Thema SDI und EVI hier im Bundestag zum Gegenstand einer wirklich ausführlichen Debatte zu machen. Aber nicht nur das. ({20}) Die von uns gewünschte Teilnahme amerikanischer Experten am SDI-Hearing des Deutschen Bundestages wurde von der Regierungsmehrheit mit fadenscheinigen Begründungen verhindert. ({21}) Sie hatten wohl Sorge, manch einer von Ihnen könne doch noch das Nachdenken anfangen, wenn prominente Amerikaner, unter ihnen ehemalige Verteidigungsminister, ABM- und SALT-Unterhändler der Vereinigten Staaten, vor dem Deutschen Bundestag ihre Argumente gegen das SDI-Programm hätten vorbringen können. Vielleicht hatten Sie auch Angst, ein solcher Auftritt könne das Bild von den Unionsparteien als den treuesten Hintersassen der Administration in Washington gefährden. ({22}) War es eine bewußte Provokation oder nur eine unbedachte Vorabinformation, Herr Kollege Rühe, daß Sie am letzten Wochenende - also noch bevor das Hearing des Deutschen Bundestages zu SDI überhaupt begonnen hatte - gegenüber der deutschen Presse erklärt haben, die Grundsatzentscheidung zu SDI sei längst gefallen? Ich bin der Meinung: Ihr Verhalten in der SDI-Diskussion hat wieder einmal gezeigt, wie verächtlich Sie mit dem Parlament und den Bürgern umgehen. ({23}) Kein Wunder, daß bei dieser Politik des „Augen zu und durch" - schneidig wie Ihr Fraktionsvorsitzender - die Bundesregierung nicht mehr zur Kenntnis nimmt, was allein in den letzten Monaten in den USA und bei uns an zusätzlichen Argumenten und Bedenken gegen das SDI-Programm zusammengetragen worden ist. Die Bundesregierung nimmt nicht zur Kenntnis, daß der ehemalige Leiter der Verhandlungsdelegation der Vereinigten Staaten beim ABM-Vertrag, Gerald Smith, erhebliche Bedenken gegen die Interpretationskünste der Reagan-Administration erhoben und die amerikanische Regierung aufgefordert hat, nicht den Geist des ABM-Vertrages zu verletzen. Die Bundesregierung hat geflissentlich Darstellungen in der amerikanischen Presse übersehen, daß sich die amerikanische Industrie inzwischen zwar ganz auf einen SDI-Geldsegen einstellt, sich aber die skeptischen Stimmen über die Realisierbarkeit eines solchen Projekts selbst in ihren Reihen mehren. ({24}) Es interessiert die Bundesregierung nicht, daß in den letzten Wochen immer mehr und immer detailliertere Studien vor den Folgen von SDI und EVI warnen. Um nur einige bei uns erschienene Arbeiten zu nennen und Ihnen zur Lektüre zu empfehlen: Ich denke an das vorzügliche Papier von Thomas Risse-Kappen von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, den Report von Bernd Kubbig über die Auswirkungen von SDI auf den ABM-Vertrag oder den Beitrag des Hamburger Wirtschaftswissenschaftlers Klaus Bolz in der Monatszeitschrift „Wirtschaftsdienst", der vor der negativen Auswirkungen eines offiziellen Rahmenabkommens über eine deutsche Industriebeteilung an SDI warnt. ({25}) - Ich nehme an, daß Sie all diese kritischen Stimmen eigentlich für Subversive halten. Wir haben das ja auch bei den „Ärzten gegen Atomkrieg" schon von Ihnen gehört. ({26}) Das ist ein etwas begrenztes Weltbild von Ihnen, aber keines, das uns überrascht. ({27}) Es berührt diese angeblich so europaorientierte Bundesregierung auch nicht, daß zahlreiche europäische Verbündete, besonders unser wichtigster Partner Frankreich, eine Beteiligung am SDI-Projekt ausdrücklich ablehnen und daß dies auch für Kanada und Japan gilt. Nein, meine Herren: Diese Politik reißt Gräben im Bündnis, in Westeuropa, vor allem aber zwi14092 Dr. Ehmke ({28}) schen Frankreich und uns auf. Sie nehmen damit eine schwere Verantwortung auf sich. In der satten Selbstgefälligkeit des Herrn Bundeskanzlers ist ihm das vielleicht gleichgültig. Nur: Das Wohlgefühl des Kollegen Helmut Kohl als Bundeskanzler kann nicht die verantwortungsvolle Wahrnehmung deutscher Lebensinteressen ersetzen. ({29}) Mein Kollege Gansel wird im Lauf der Debatte noch darlegen, was nach unserer Meinung für die Wahrnehmung dieser Interessen erforderlich ist. ({30})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dregger.

Dr. Alfred Dregger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000418, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sollten uns nicht überschätzen. Ob es zum Aufbau von Raketenabwehrsysternen in Ost und West kommen wird, wird letztlich nicht hier entschieden, sondern in Moskau und in Washington. ({0}) Insbesondere Sie, Herr Kollege Ehmke, sollten sich nicht überschätzen. Als deutscher Professor neigen Sie dazu. Die SPD, für die Sie gesprochen haben, ist keine Weltmacht. ({1}) Statt zu polemisieren und unehrlich zu moralisieren, sollten wir lieber nüchtern analysieren, die Interessen der beiden Weltmächte vor allem, ({2}) und dann nach einem Weg suchen, wie wir unsere Interessen, die deutschen und europäischen Interessen, neuen Entwicklungen gegenüber angemessen zur Geltung bringen können, was gar nicht einfach ist. ({3}) Meine Damen und Herren, wie ist die Lage? Die Sowjetunion versucht, wie zuvor bei der Nachrüstung, die Vereinigten Staaten von Amerika von ihren Verbündeten zu trennen. Dabei hat sie Teilerfolge. Wie schon zuvor bei der Nachrüstung, so vertritt die SPD heute auch in der SDI-Frage den sowjetischen Standpunkt. ({4}) - Wenn Sie das erregt, wäre das ja erfreulich. Aber es ist doch eine Tatsache. ({5}) Sie haben mir dadurch die Sache sehr vereinfacht: Ich kann heute der SPD gegenüber mit denselben Argumenten aufwarten, die ich in der vergangenen Woche in Moskau der Sowjetunion gegenüber gebraucht habe. ({6}) - Sie haben es immer mit den Helmen. Aber das nützt nichts; es kommt darauf an, was man darunter hat, meine Damen und Herren. ({7}) Meine Damen und Herren, ich möchte meine Analyse in zehn Punkten zusammenfassen. Erstens. Die Bundesrepublik Deutschland hat auf ABC-Waffen verzichtet. Wir können daher nur Opfer, nicht Täter eines ABC-Krieges sein. Zweitens. Wir sind nur eine Mittelmacht. Wir leben an der Grenze von Ost und West in Europa, also in exponierter Lage. ({8}) Wir sind daher auf den Schutz unseres Hauptverbündeten, der Vereinigten Staaten von Amerika, angewiesen. ({9}) - Wenn Sie nachdenken und einen Zusammenhang herstellen würden, dann würden Sie auch zu Erkenntnissen kommen. Aber dazu sind Sie offenbar unfähig. Sie haben nur Schlagworte. ({10}) Drittens. Die Vereinigten Staaten von Amerika geben uns diesen Schutz durch die Stationierung ihrer Truppen und nicht zuletzt ihrer Atomwaffen auf deutschem Boden. ({11}) Das bedeutet zweierlei: Für die Sowjetunion bedeutet es, daß sie bei einem Angriff auf unser Land nicht nur auf die Mittelmacht Bundesrepublik Deutschland - ohne ABC-Waffen - stoßen würde, sondern auch auf die Weltmacht USA mit allen ihren Ressourcen. Das macht uns unangreifbar, meine Damen und Herren. Deshalb bin ich sicher, daß der Frieden in Europa erhalten bleibt, es sei denn, wir kämen auf die abenteuerliche Idee, unseren Hauptverbündeten zu veranlassen, dieses Land zu verlassen. Dann wäre die Lage nämlich anders. ({12}) Für die USA bedeutet die Stationierung ihrer Soldaten und ihrer Atomwaffen auf deutschem Boden, daß sie mit ihrer nationalen Existenz, mit ihren Städten und ihren Menschen für unsere Sicherheit haften. Meine Damen und Herren, das Risiko, das die USA damit für uns eingehen, ist mindestens so groß - ich behaupte: größer - als das Risiko, das wir eingehen; denn unsere Lage ist ohnehin risikoDr. Dregger reich wegen der geographischen Nähe hier in der Mitte Europas. Viertens. Man muß das einmal auf dem Hintergrund der historischen Entwicklung sehen. Bis zur Erfindung der Interkontinentalraketen waren die USA unverwundbar. Sie konnten an zwei Weltkriegen teilnehmen, ohne daß ein Dachziegel heruntergefallen wäre. Abgesehen von ihren Soldaten haben sie diese Kriege nur im Fernsehen erlebt. Das ist jetzt anders. Zum erstenmal in ihrer Geschichte sind die USA selbst tödlich verwundbar, und zwar auch deshalb, weil sie mit ihren Truppen und ihren Atomwaffen auf deutschem Boden für unsere Sicherheit haften. Das sollten wir Deutschen vielleicht auch einmal erwägen. Kein amerikanischer Präsident wird angesichts dieser Umstände eine Chance, die frühere Unverwundbarkeit seines Landes ganz oder teilweise wiederherzustellen, ungenutzt lassen. Meine Gespräche mit den demokratischen Politikern im Juni in Washington haben ergeben: Auch ein demokratischer Präsident würde aus den dargelegten Gründen auf jeden Fall die Forschungsphase zu Ende führen. Daran können wir nichts ändern, und daran können auch die Sowjets nichts ändern. Das ist ein Tatbestand, von dem wir ausgehen müssen. ({13}) Fünftens. Nun befürchten die Sowjets und auch andere, daß während einer etwaigen Aufstellung von Abwehr-Systemen eine Destabilisierung eintreten könnte, eine Gefahr, die sich ergeben könnte, wenn es im Wettlauf der beiden Weltmächte geschieht. Nun hat der amerikanische Präsident die Bereitschaft der USA erklärt, ihre Laboratorien in der Forschungsphase zu öffnen, wenn es auch die Sowjetunion tue; ({14}) die Sowjetunion braucht in diesem Fall nicht zu befürchten, von der anderen Seite wissenschaftlich überholt zu werden. - Der amerikanische Präsident ist der oberste Mann der Vereinigten Staaten, nicht der Verteidigungsminister; daran bestehen überhaupt keine Zweifel. ({15}) Deswegen müssen Sie sich immer an den Präsidenten halten. ({16}) Der amerikanische Präsident hat ferner seine Bereitschaft erklärt, eine etwaige Stationierung von Raketenabwehrsystemen in Absprache mit der Sowjetunion, mit dieser gemeinsam und unter Wahrung des Gleichgewichts vorzunehmen. ({17}) Meine Damen und Herren, das ist, wie ich finde, ein bemerkenswertes und großzügiges Angebot des amerikanischen Präsidenten. ({18}) Ich habe jetzt Herrn Gromyko in Moskau gefragt, ob es denn nicht klug sei, von sowjetischer Seite die amerikanische Seite auf diese Worte des amerikanischen Präsidenten vertraglich festzunageln. Herr Gromyko hat sich viel Zeit für die Beantwortung meiner Frage genommen, aber die Frage selbst hat er nicht beantwortet; sie ist unbeantwortet geblieben. Ich frage: Warum? Die SDI-Frage ist in der Sowjetunion seit langem, seitdem sie überhaupt existiert, zum Hauptgegenstand der Kampagne gegen den Westen gemacht worden. Dadurch ist sie dort dogmatisiert worden. Es ist wohl schwierig, davon wieder herunterzukommen. Meine Damen und Herren, der etwaige Aufbau von Raketenabwehrsystemen in Ost und West, der, wie ich schon sagte, letztlich nicht hier entschieden wird, sondern in Moskau und Washington, würde unsere strategische Lage grundlegend verändern. Das schlimmste wäre, wenn es den Weltmächten gelänge, ihre eigenen Territorien zu schützen, während Europa dazwischen ungeschützt bliebe. ({19}) Das zu verhindern liegt im existentiellen Interesse Europas im allgemeinen und Deutschlands - ohne ABC-Waffen - im besonderen. ({20}) Meine Damen und Herren, wir können dieses Interesse nicht dadurch wahrnehmen, daß wir uns an die Klagemauer stellen; ({21}) wir können es nur dadurch wahrnehmen, daß wir Einfluß nehmen durch Mitwirkung. ({22}) Es gilt also: Einflußnahme durch Mitwirkung und nicht durch die Klagemauer. Das Ziel muß es sein zu verhindern, daß Europa zwischen den Weltmächten zu einer Zone minderer Sicherheit wird. Darum geht es. ({23}) Das zweite ist: Wir dürfen durch den zu erwartenden technischen Schub - wie groß er auch immer sein mag - nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren. ({24}) - Sie sollen nicht glauben, sondern denken. Das ist bei diesem komplizierten Thema dringend erforderlich. ({25}) Bezahlt werden amerikanische Aufträge an deutsche Firmen und Forschungsinstitute allein von den USA. Gerade deshalb müssen wir durch ein Abkommen mit den USA sicherstellen, daß die Forschungsergebnisse zur zivilen und zur konventionellen Waffennutzung, die uns zusteht, auch uns und nicht nur der amerikanischen Seite zugute kommen. ({26}) Normalerweise gilt ja: Wer zahlt, schafft an, und gerade weil wir nicht zahlen, müssen wir unsere deutschen Interessen durch ein Abkommen wahren. Aus diesen Gründen - siebtens - tritt meine Fraktion unverändert dafür ein, daß es bei dem bleibt, was der Bundeskanzler am 18. April dieses Jahres im Deutschen Bundestag erklärt hat. Ich zitiere: „Das amerikanische Forschungsprogramm ist ... aus unserer Sicht gerechtfertigt, politisch notwendig und liegt im Sicherheitsinteresse des Westens insgesamt." So das Zitat. ({27}) Ich füge hinzu: Es liegt in unserem deutschen Interesse, daß sich deutsche Firmen und Forschungsinstitute an diesen Forschungsarbeiten beteiligen. Über die Form eines Abkommens, das die deutschen Interessen in der Forschungsphase wahren soll, wird die Bundesregierung in der kommenden Woche beschließen. Achtens. Es gibt eine europaspezifische Bedrohung durch Kurzstreckensysteme, Flugzeuge und Marschflugkörper, die wahrscheinlich durch weltraumgestützte Systeme nicht abgewehrt werden kann. Diese europaspezifische Bedrohung gewinnt an Gewicht, je mehr es den Weltmächten gelingt, ihre eigenen Territorien zu schützen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Dr. Dregger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klejdzinski?

Dr. Alfred Dregger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000418, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich möchte aus zwei Gründen keine Zwischenfrage zulassen: Erstens ist die Zeit knapp, und zweitens bin ich auch nicht ganz sicher, ob Zwischenfragen unsere Debatte bereichern könnten. Ich möchte im Zusammenhang vortragen und lasse daher keine Zwischenfragen zu. ({0}) Es gibt also diese europaspezifische Bedrohung, die durch weltraumgestützte Abwehrsysteme wahrscheinlich nicht abgewehrt werden kann, und sie gewinnt an Bedeutung, je mehr es den Weltmächten gelingt, ihre Territorien zu schützen. Ich habe darauf bei meinem Besuch in Washington, im Pentagon im Juni mit allem Nachdruck hingewiesen. Ich meine, wir sollten die Abwehr dieser europaspezifischen Bedrohung als eine Aufgabe der europäischen Verteidigung begreifen, die im Rahmen der NATO zu erfüllen ist. Da es sich voraussichtlich um land- und luftgestützte Abwehrsysteme handelt, ist das eine Aufgabe der Luftverteidigung, an der sich die Amerikaner finanziell, technisch und wissenschaftlich beteiligen sollten, wie auch an der sonstigen Verteidigung in Europa. Im Pentagon ist Bereitschaft ausdrücklich signalisiert, aber hinzugefügt worden, die Initiative müsse von Europa ausgehen, weil es in erster Linie um Europa gehe. Auf diese Weise könnten wir Forschungsergebnisse bei SDI für die europäische Verteidigung nutzbar machen, ohne sie noch einmal bezahlen zu müssen. Neuntens. Inzwischen haben die Briten einen Vertrag mit den USA abgeschlossen. Singularisierungsängste, die ich nie geteilt habe, sind damit gegenstandslos. Unsere Beteiligung an der SDI-Forschung - um nichts anderes und um nichts mehr geht es heute - wird - davon bin ich überzeugt - die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit der Sowjetunion ebensowenig beenden, wie die Nachrüstung diese Zusammenarbeit mit der Sowjetunion beendet hat. Die Sowjetunion ist weder gewillt noch in der Lage, ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Westen zu beenden, wenn in der SDI-Frage nicht genau das geschieht, was sie will. Die Sowjetunion steht heute vor drei großen Herausforderungen: Sie muß erstens die Produktivität ihrer Wirtschaft, die außerordentlich gering ist, eklatant steigern. Davon war bei unserem Besuch in der Hauptsache die Rede. Das kann sie nicht ohne westliche und vor allem auch deutsche Mitwirkung. Die Sowjetunion will - das ist die zweite Herausforderung - ihren Führungsanspruch im kommunistischen Lager gegen China behaupten, was um so schwieriger ist, je mehr Erfolge die chinesischen Reformen zeigen. Die Sowjetunion will, drittens, auf militärischem Sektor ihre Weltmachtstellung gegenüber den USA behaupten, was ihre Wirtschaftskraft erheblich in Anspruch nimmt. Wenn die Sowjetunion diese drei Herausforderungen gleichzeitig meistern will, braucht sie die Zusammenarbeit mit Europa, wie auch wir die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion wollen. Aus dieser Analyse schließe ich, daß wir unsere spezifisch deutschen und europäischen Interessen wahrnehmen können, wenn wir es maßvoll und konstruktiv mit der Suche nach gemeinsamen Interessen tun und gleichzeitig unsere Beziehungen zur Sowjetunion weiterentwickeln und intensivieren können. ({1}) Zehntens. Zum Schluß möchte ich noch einige Fragen an die SPD und die GRÜNEN richten. Es sind dieselben Fragen, die ich in Moskau gestellt habe. ({2}) Erste Frage: Die jetzige Strategie beruht auf der Vergeltungsdoktrin durch Angriffsraketen, nach der Maxime: Wer zuerst schießt, stirbt als zweiter. ({3}) Ich frage die Opposition: Halten Sie Angriffsraketen für moralischer als Abwehrsysteme nach Art von SDI? Wir halten das nicht für moralischer. ({4}) Zweite Frage: Halten Sie die jetzige Lage, in der jeder den anderen durch Knopfdruck auslöschen kann, für beglückend? Wir Deutschen können niemanden auslöschen, aber wir können jederzeit ausgelöscht werden, ({5}) durch einen einzigen Knopfdruck, der in Moskau ausgelöst wird. Wir halten das nicht für beglükkend. ({6}) Die dritte Frage: Die jetzt geltende Strategie verzichtet auf jede Abwehr anfliegender Angriffsraketen. Ihr liegt diese Vergeltungsdoktrin zugrunde, von der die Rede war. Die Opposition hat diese Abschreckungsdoktrin bisher, auch aus moralischen Gründen, bekämpft. ({7}) Jetzt bekämpft sie auch noch die Suche nach Alternativen, die verstärkt Abwehrelemente in die Abschreckung einbeziehen sollen. ({8}) Ich frage Sie: Was wollen Sie eigentlich? Wollen Sie beides nicht? ({9}) Das heißt: Wollen Sie uns schutzlos und damit wehrlos machen? Meine Damen und Herren, wer beides ablehnt, wählt die Unterwerfung. Das kann doch nicht die Politik der SPD sein. An die Adresse der Weltmächte will ich sagen: Es gibt zwei Weltmächte. Das ist irreversibel. Keine kann die andere ausschalten, es sei denn um den Preis der Selbstausschaltung, oder totrüsten. Wenn man unsinnige Rüstungsspiralen vermeiden will, muß man sich dem anderen gegenüber öffnen. Deshalb ist es ganz wichtig, daß nicht nur ein Gespräch zwischen Reagan und Gorbatschow stattgefunden hat, sondern daß das Gespräch fortgesetzt wird. Wenn die Begegnung in Genf konstruktiv verlaufen ist und wenn eine Gesprächsserie vereinbart worden ist, dann hat dazu auch die deutsche Bundesregierung, der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister, entscheidend beigetragen. ({10}) Wir hoffen auf Vernunft der beiden Weltmächte. .Als Mittelmacht in exponierter Lage sind wir mehr darauf angewiesen als andere. Zur Sicherung des Friedens und zur Zusammenarbeit mit Ost und West und damit auch mit der Sowjetunion werden wir auch in Zukunft unseren Beitrag leisten. ({11})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lange.

Torsten Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dregger, man kann j a gegen Sie sagen, soviel man will, aber eines kann man Ihnen nicht nachsagen: daß es Ihnen an Kontinuität mangele. Das ist Kontinuität seit nunmehr über zehn Jahren, nur - muß ich eben sagen -, ist das - das haben Sie heute wieder bewiesen - eine Kontinuität im Irrtum, in einem Denken, das ein sehr starres Bündnisdenken ist. Wenn man in diesem Irrtum verfangen ist, muß man natürlich zu den Schlußfolgerungen kommen, zu denen Sie kommen. Da gibt es gar keine Frage. Ihre Ausführungen haben mir gezeigt, daß Sie das Problem SDI im Kern überhaupt nicht verstanden haben; sonst kämen Sie nämlich nicht dazu, die Opposition zu fragen: Sind denn Angriffsraketen moralischer als Raketen, die Raketen zerstören? Mir scheint, Sie haben die Diskussion sowohl in den USA als auch in Europa überhaupt nicht mitvollzogen. Sie haben sich offenbar nicht einmal über das informiert, was in dem komischen Hearing im Bundestag abgelaufen ist, wo nur deutsche Experten zugelassen worden sind. Da kam man nämlich zu der übereinstimmenden Erkenntnis, es bestehe zumindest die Gefahr, daß beide Seiten die Aktivitäten im Weltraum als ein Bedrohungsinstrument empfänden, weil über SDI möglicherweise der Weg verfolgt werde, die Vergeltungsfähigkeit, von der Sie indirekt auch gesprochen haben, der anderen Seite auszuschalten. Damit könnte es sich eben nicht nur um eine Defensivmaßnahme, sondern auch um eine Offensivmaßnahme handeln. Insofern sollte man die Frage der Moral völlig außer acht lassen. ({0}) Entscheidend ist die Interpretation beider Seiten und nicht die Bewertung einer Seite, ob das moralisch oder unmoralisch sei. Außerdem haben Sie, obwohl das im Bundestag schon mehrfach gesagt wurde, in Ihr Denken gar nicht aufgenommen, daß selbst im Pentagon eingeräumt wird, daß die gültige Strategie der flexible response durch SDI abgelöst werden soll. Das ist doch der Hintergrund. Und Sie reden die ganze Zeit davon - geradezu gebetsmühlenhaft -, daß die derzeitige Strategie Gültigkeit habe und durch SDI sozusagen angereichert werde. Hier geht es um einen Ersatz für die nächsten Jahrzehnte. Sie sollten sich diese Information langsam auch zu eigen machen. ({1}) - Wenn Sie Sachinformationen und Problemdarstellung mit dem Etikett oberlehrerhaft versehen, wundert mich allerdings überhaupt nicht mehr, daß sämtliche neuen Argumente an Ihnen vorbeifließen und überhaupt nicht die Chance besteht, daß Sie in Ihrer eigenen Erkenntnis auch einmal weiterkommen. Jedenfalls nehmen wir für uns in Anspruch, daß wir auch von Ihrer Seite etwas lernen. Was von seiten der Opposition und der Koalition gesagt wurde, ist im Grunde klar. Die Koalition sagt hauptsächlich aus zwei Gründen ja zu SDI. In dieser Reihenfolge ist der erste Grund der der Bündnistreue; nicht umsonst hat Franz Josef Strauß gesagt, hier sei wieder einmal die Nagelprobe für das Bündnis, wenn es darum geht, nein oder ja zu sagen. Ich kann mich sehr gut an die Nachrüstungsdebatte erinnern. Da wurde genau dasselbe gesagt. ({2}) - Das unseren Frieden sichert? Wir sollten uns nicht gegenseitig zumessen, wie wir uns den Frieden vorstellen, Herr Kollege. Das sollten Sie uns überlassen. Jedenfalls stellen wir uns den Frieden nicht so vor, wie Sie sich ihn vorstellen. Der zweite Grund ist ein technisch-wirtschaftlicher. Man hofft natürlich, den Anschluß an Japan und die USA nicht zu verlieren. Ich halte beide Gründe für eine an der Sache vorbeigehende Argumentation. Das ist eine insgesamt unverantwortliche Politik, weil man, wie gesagt, die militärstrategischen Entwicklungen in den nächsten 10, 20, 30 Jahren eben nicht mitbedenkt und nicht in der Gewichtung sieht, wie man das tun sollte. ({3}) Messen wir einmal die Stellungnahme der Bundesregierung an den eigenen Kriterien, die sie aufgestellt hat, und an den Kriterien, die die USA aufgestellt haben. Zunächst einmal wird immer wieder gesagt, es gebe ja gar keine Beteiligung. Ich halte das schlicht und einfach für eine Verzerrung, um nicht zu sagen für eine Verdummung derjenigen, die sich in der Materie nicht auskennen und auf kurze Informationen angewiesen sind. ({4}) Wenn die Regierung ein Rahmenabkommen oder in irgendeiner anderen Form ein Abkommen schließt - wie immer es auch aussehen mag -, dann beteiligt sich die Regierung politisch an diesem Projekt SDI, auch wenn keine staatlichen Aufträge vergeben werden. Das heißt, man trägt politisch eine Mitverantwortung und muß dafür auch entsprechend in den nächsten 10, 20, 30 Jahren einstehen. Aus dieser Verantwortung können Sie sich nicht stehlen. Ich denke, daß Sie das sehr genau wissen. Zweitens wird gesagt, es sei ein reines Forschungsprogramm. Damit soll suggeriert werden, es gehe noch gar nicht um irgendeine Form von Entwicklung, geschweige denn von Erprobung und erst recht nicht von Stationierung. Leider ist unsere Redezeit begrenzt, aber ich könnte Ihnen eine Menge von Vorgängen nennen, die zeigen, daß bereits ABM-relevante Tests durchgeführt worden sind. ({5}) Lesen Sie bitte die Quelle „Department of Defence" vom 18. April dieses Jahres nach. Das ist übrigens ein interessantes Datum; denn damals hat sich der Bundeskanzler, wie Herr Rühe ja indirekt in dem Hearing bestätigt hat, im Grundsatz bereits klar für SDI entschieden. Weiter wird gesagt, SDI mache Atomraketen überflüssig. Ich bitte Sie, doch zu bedenken, daß damit eine hundertprozentige Erfolgsquote von SDI unterstellt wird. Alles, was unter 100 % liegt, wiederlegt dieses Argument, SDI mache Atomraketen obsolet. Oder man setzt voraus bzw. unterstellt das stillschweigende oder erklärte Einverständnis der anderen Seite, gemeinsam zu einer Abrüstungsspirale im Blick auf Militäraktivitäten im Weltraum zu kommen. Aber ich denke, daß diese Hoffnung im Abschreckungssystem angesichts der Blöcke, die wir haben, überhaupt nicht funktionieren kann. Denn wenn man die Hoffnung darin setzt, die Sowjetunion über SDI dazu bringen zu wollen, abzurüsten, dann muß man im Grunde unterstellen, was Sie ja selbst nicht unterstellen und gegen die Opposition wenden. Sie müßten unterstellen, daß die Sowjetunion und die USA gleiche Kriterien haben, daß sie eine gemeinsame Interpretation dessen haben, was man als politische Zielvorstellung hat, um dann zu dieser gemeinsamen Abrüstungsmaßnahme zu kommen. Sie aber wissen sehr genau, daß im Abschreckungssystem, wie wir es haben, Mißtrauen die dominierende Antriebsfeder ist und daß auf Grund dieses Mißtrauens Aufrüstung die logische Konsequenz dieses Abrüstungssystems darstellt. ({6}) Insofern ist die Hoffnung auf Abrüstung über SDI eine völlig irreale, die wir in keiner Weise teilen können. ({7}) Dann wird gesagt: SDI zerstört Raketen und nicht Menschen. Ich muß noch einmal sagen: Lassen wir lieber das Problem der Moral draußen. Herr Dregger, bereits 5 % durchdringender sowjetischer Gefechtsköpfe - nehmen wir einmal die Zahl 500 - würden die USA vollständig verwüsten. Ich frage mich: Wie kann man einen solchen Satz von der moralischen Komponente von SDI sagen? Man kann heute für Waffenandrohung und WaffeneinLange satz nicht mehr von einer moralischen Rechtfertigung reden. Dann wird noch gesagt, SDI mache echte Abrüstung möglich. Es wird auf die Tatsache verwiesen, daß Gorbatschow nach Genf gekommen sei. Das ist ja schön und gut, und wir hoffen auch, daß möglichst viele Dialoge stattfinden, aber die Sowjetunion erhöht doch bereits, und sie wird auch in Zukunft erhöhen. Sagen Sie mir einmal, daß ich in meiner Prognose unrecht habe. Stellen Sie sich hin und sagen Sie das! Die Sowjetunion erhöht und wird erhöhen. ICBM, SLCM, Marschflugkörper, Langstreckenbomber und Weltraumaktivitäten, all das wird die Folge dessen sein, was mit SDI zusammenhängt, ganz abgesehen davon, daß SALT I und SALT II vergessen werden können und daß wir über ABM und Weltraumvertrag dann gar nicht mehr reden müssen. Ich denke, daß diese Einwände von konservativer Seite gesehen werden. Die Rolle der FDP ist eine hochinteressante. ({8}) - Allerdings. Bei Ihrem Auftreten im Hearing ist mir der Satz eingefallen: Sie werden ständig von der Weisheit gejagt, nur sind Sie immer schneller. ({9}) Weil Sie in der Regierung bleiben wollen und weil Sie Ihre Klientel in einer bestimmten Sparte unserer Bevölkerung haben, können Sie sich nicht klar gegen SDI ausdrücken. Schlimmer noch, meine Damen und Herren: Die Militarisierung des Weltraums durch die USA soll nun auch noch durch regionale weitere Militarisierung in Mitteleuropa ergänzt werden. EVI heißt das neue Zauberwort. Einmal ganz abgesehen davon, daß EVI das Eingeständnis einer strategischen Abkoppelung Westeuropas von den USA ist, ({10}) und einmal ganz abgesehen davon, daß die Wertegemeinschaft NATO wieder einmal als hohle Phrase entlarvt wurde ({11}) oder ist die NATO vor dem 23. März 1983 gefragt worden, ob SDI gemacht werden soll oder nicht, als wirklich gleichberechtigter Partner im Bündnis? -, einmal völlig abgesehen davon sind wir der Meinung, daß mit dieser Europäischen Verteidigungsinitiative die Gefahr eines Krieges in Europa noch mehr erhöht wird, weil man nicht mit Raketen gegen Raketen Frieden schaffen kann und weil man endlich zu der Einsicht gelangen muß, daß nur über einseitige Abrüstungsvorleistungen und über das Wegkommen von Abschreckungssystemen Frieden geschaffen werden kann. ({12}) Zu den zwei Anträgen, die die SPD vorgelegt hat. Ich kann Ihnen nur sagen: Diese Anträge sind gut gemeint. Sie sind aber halbherzig. Wenn Sie in Ihrem SDI-Antrag auf Eureka setzen, dann muß ich Sie fragen: Sind Sie sich schon völlig im klaren darüber, was Eureka ist? Können Sie eindeutig formulieren, daß es eine klare Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung gibt? ({13}) Solange diese Fragen nicht ausdiskutiert sind, wäre ich vorsichtig, einen solchen Antrag zu formulieren. Ihr EVI-Antrag setzt auf Konventionalisierung, letzten Endes eine andere, aber nicht harmlosere Art von Militarisierung Mitteleuropas. ({14}) Unser Antrag dagegen fordert: keine Europäische Verteidigungsinitiative und keine Forschungsmittel dafür. Der Grund ist der, daß wir eine klare Analyse der Blocklogik vollziehen, daß in diesem Abschrekkungssystem innerhalb der Blöcke echte Abrüstung nicht möglich ist. Meine Damen und Herren, SDI und EVI sind technologisch und ökonomisch fragwürdig. Sie sind sozial inhuman, wenn man an die Kosten, die damit verbunden sind, und an die Dritte Welt denkt. Sie sind militärstrategisch auf Überlegenheit ausgerichtet. Sie sind der Anfang vom Ende der Chancen zu echter Abrüstung und Rüstungskontrolle und damit für die Chancen zur Entwicklung eines Friedens. Meine Damen und Herren, die Wahrheit - damit komme ich zum Ende - ist so einfach. Wer weniger Waffen erreicht, darf sich mit Fug und Recht dem Frieden verpflichtet fühlen. Wer mehr Waffen will und anschafft, handelt vielleicht im Sinne der Legalität. Aber im Bereich der Moral handelt er verbrecherisch. Danke schön. ({15})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu der Bemerkung des Kollegen von den GRÜNEN, ({0}) man müsse, um zum Erfolg zu kommen, einseitige Abrüstungsmaßnahmen vornehmen, darf ich sagen: Lesen Sie bitte nach, daß 1978 von dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und von dem damaligen Generalsekretär der Sowjetunion, Herrn Breschnew, die Erklärung abgegeben wurde, keinerlei Überlegenheit in der Rüstung zu wollen; anschließend wurde die SS 20 stationiert. Unsere Vorleistung wurde also nicht honoriert. Das ist der Tatbestand, den Sie sich bitte in Erinnerung zurückrufen sollten.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Bitte, Herr Abgeordneter Lange.

Torsten Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Mischnick, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß ich gesagt habe, daß Abrüstung innerhalb der Blocklogik ausgeschlossen ist? Insofern ist das kein Widerspruch zu dem, was Sie sagen, sondern eine Bestätigung.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das ist keine Bestätigung! Es ist eine Feststellung, daß die Bemühungen unsererseits, zu warnen und dazu zu mahnen, dies nicht fortzusetzen, nichts gefruchtet haben und daß dann der NATO-Doppelbeschluß umgesetzt werden mußte. ({0}) Das ist doch das Problem, und das haben Sie offensichtlich nicht erkannt. ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Freien Demokraten haben bereits vor längerer Zeit zu SDI-Fragen ausführlich Stellung genommen., Ich verhehle nicht - und sage das gleich zu Beginn in aller Offenheit -, daß unsere Beratungen nicht abgeschlossen sind; wir werden sie heute nachmittag weiterführen. Wir nehmen nämlich das Wort ernst, daß man über solche Dinge nachdenken soll und daß man sich nicht an vorgestanzten Formeln festhalten soll, wodurch man Entwicklungen, die im Gange sind, nicht berücksichtigt. Deshalb also beraten wir heute weiter darüber. ({2}) Wir können eines feststellen: Die Genfer Gespräche sind ein Hoffnungsschimmer. In den Genfer Gesprächen ist ja auch festgelegt worden, daß im Juni die nächste Runde stattfinden soll. Das bedeutet, daß über bestimmte Fragen, die man bisher noch nicht angepackt hat, zu diesem Zeitpunkt gesprochen werden wird. Das bedeutet gleichzeitig aber auch, daß wir nicht den Fehler machen dürfen, bis zur nächsten Verhandlungsphase auf diese oder jene Weise Positionen vorab so festzulegen, daß damit der Verhandlungsspielraum der einen oder der anderen Seite eingegrenzt würde. Deshalb ist es unserer Meinung nach falsch, am heutigen Tage - wie die SPD oder die GRÜNEN es wollen - ein absolutes Nein auszusprechen, ohne auszuleuchten und durchzudeklinieren, was im Zeitraum bis Juni 1986 noch möglich und notwendig ist. In unserem Hauptausschußbeschluß vom letzten Juni haben wir festgestellt, daß wir einen Alleingang für falsch halten, und zwar nicht aus Angst, sondern aus Sorge, daß dadurch innerhalb der Europäischen Gemeinschaft oder innerhalb des Bündnisses Schaden entstehen könnte. Das war der Grund, weshalb wir vor einem Alleingang gewarnt haben! ({3}) Wir stellen heute fest, daß England sich entschieden hat und daß Italien vor neuen Überlegungen steht, die noch nicht abgeschlossen sind, aber möglicherweise zum gleichen Ergebnis führen können. Herr Kollege Ehmke, Sie haben in diesem Zusammenhang davon gesprochen, die FDP werfe zum Zwecke der Machterhaltung Überzeugungen über Bord, und Sie haben dann wieder die Vokabel „Umfallerpartei" gebraucht. ({4}) Wissen Sie, Herr Kollege Ehmke, einen Tag, nachdem der hessische Ministerpräsident in einer für alle Welt sichtbaren Form eigene Festlegungen über Bord geworfen ({5}) und dafür Sorge getragen hat, daß erstmals ein Sportschuhminister vereidigt werden konnte, wagen Sie das zu sagen! Das ist eine Selbstverleugnung Ihrerseits, die ganz erstaunlich ist, ganz erstaunlich! ({6}) Meine Damen und Herren, wir haben die Auswertung des Hearings noch nicht abgeschlossen. Wir sehen darin gewichtige Gesichtspunkte, die bei unseren Beratungen weiter behandelt und betrachtet werden müssen. ({7}) Wir sind sehr froh darüber, daß, nachdem eine gewisse Unklarheit über die Frage Einhaltung von ABM entstanden war, durch den amerikanischen Präsidenten klargestellt worden ist, daß sich die Vereinigten Staaten von Amerika an ABM halten. ({8}) Ich verhehle allerdings nicht, daß über die Auslegung von ABM offensichtlich auf sowjetischer Seite und auf amerikanischer Seite Unterschiede sichtbar werden. Bei unserem Gespräch in Moskau haben wir das gespürt. Nur wer dann von dieser oder jener Seite meint, die Bundesrepublik Deutschland könne in dieser Frage der Auslegung des Vertrages eine Art Schiedsrichterrolle übernehmen, der täuscht sich. Das kann nicht unsere Aufgabe sein. Das müssen die Vertragspartner untereinander feststellen, wie sie ABM im Detail auszulegen haben. ({9}) - Entschuldigen Sie, dies habe ich genauso offen und deutlich, wie ich es jetzt hier sage, in Moskau in den Gesprächen auch mit Herrn Gromyko gesagt. ({10}) Für uns kommt es darauf an, daß die Grundsätze, die im ABM-Vertrag enthalten sind, bei allen weiteren Entwicklungen auch Grundlage bleiben. Dazu stehen wir. Eines steht fest, und das war vor einem - ({11}) - Lieber Herr Kollege Ehmke, wenn Sie noch einmal darauf zurückkommen wollen: Ich könnte Ihnen jetzt eine halbe Stunde lang nachweisen, wie oft Sie sich in Fragen, die Sie vorher ganz anders beurteilt haben, heute ganz anders verhalten. ({12}) - Lieber Herr Kollege Ehmke, Sie wollen j a doch nur von dem ablenken, daß die Feststellung, die ich jetzt treffe, absolut richtig ist: ({13}) Eine finanzielle Beteiligung durch die Bundesrepublik Deutschland, wie sie unterstellt worden ist, findet nämlich nicht statt. ({14}) Eine Mitwirkung deutscher Firmen an diesen Projekten - das ist von allen Seiten immer wieder festgestellt worden - ist möglich, ist für uns gar nicht verhinderbar. ({15}) Wenn dies aber auch Übereinstimmung ist, dann ist es doch für diejenigen, die Verantwortung in diesem Staat tragen, ({16}) nachdenkenswert, ob, wenn sich deutsche Firmen beteiligen wollen, ({17}) es notwendig ist, ihre Beteiligung in bestimmten Bereichen weiter abzusichern oder nicht. ({18}) Genau darüber nachzudenken wäre viel gewichtiger und viel besser, als pauschal ein Nein zu sagen und sich nicht der Mühe des Nachdenkens darüber zu unterziehen, ob es erforderlich ist. Genau das geschieht. ({19}) Wenn wir darüber nachdenken, ob eine Absicherung erfolgen kann, ob sie erfolgen muß, muß natürlich dabei geprüft werden, ob bei einer solchen Überlegung aus einer möglichen Einbahnstraße, nämlich nur aus der Lieferung von neuen technologischen Kenntnissen, eine Zweibahnstraße gemacht werden kann. ({20}) Dies aber in Gesprächen festzustellen und festzustellen, ob sich daraus eine Festlegung ergibt, ist eine Notwendigkeit im Interesse unserer Firmen, ({21}) im Interesse von uns allen. Wenn Sie daraus dann konstruieren, daß die Bundesrepublik Deutschland unmittelbar an SDI beteiligt sei, ist das eine Falschbehauptung. Denn die Amerikaner haben immer festgestellt, ({22}) sie machen dieses Projekt allein. Sie haben beispielsweise gegenüber England festgestellt, daß die Übertragung von Teilprojekten überhaupt nicht in Frage kommt. Hier wird wieder einmal der Versuch gemacht, durch eine Verklammerung von Punkten, die nicht zusammengehören, durch die Vokabel „Krieg der Sterne" propagandistisch eine Frage, die nüchtern behandelt wird, in der Öffentlichkeit in eine Ecke hineinzustellen, in die sie nicht gehört. ({23}) Ich habe doch gar nicht gesagt, daß es Ihre Bezeichnung ist, sondern die Übernahme dieser Bezeichnung ist der entscheidende Punkt. ({24}) Wenn Sie sachlich sein wollten, müßten Sie bereit sein zu sagen: Wir erkennen zwar, daß hier für deutsche Firmen Probleme entstehen können; aber wir halten es für falsch, sie abzusichern, weil die politische Wirkung nach unserer Meinung negativ ist. Das ist eine Argumentation, über die man diskutieren kann. Aber auf Grund dessen zu sagen, die Bundesrepublik wolle sich auf diesem Weg am „Krieg der Sterne" beteiligen, ist eine Verfälschung der Fakten, eine Irreführung der Öffentlichkeit. Gegen die wehren wir uns. ({25}) Eine letzte Bemerkung. Weil wir all diese Fakten eben nüchtern behandeln wollen, weil wir es für notwendig halten, daß die Zeit bis zum nächsten Gipfeltreffen für beide Seiten nicht belastet oder vorbelastet wird, werden wir an diese Entscheidung mit der gebotenen Nüchternheit, aber nicht mit der Überlegung herangehen: Was könnte für die Innen14100 politik taktisch besser sein? Für uns steht ausschließlich die Sachentscheidung im Vordergrund. ({26})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

Dr. Manfred Wörner (Minister:in)

Politiker ID: 11002547

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ich fasse die Position der Bundesregierung in drei Punkten zusammen: Erstens. Das amerikanische Forschungsprogramm ist gerechtfertigt, politisch notwendig und liegt im Sicherheitsinteresse des Westens insgesamt. ({0}) Zweitens. Angesichts der finanziellen und technologischen Größenordnung dieses Programms rechnen wir mit einem technologischen Innovations-schub. Wir müssen daran interessiert sein, Forschungsergebnisse auch für unsere Wirtschaft nutzbar zu machen. Das spricht für eine Beteiligung der deutschen Industrie. ({1}) Drittens. Wir werden in der kommenden Woche entscheiden, ob und wie wir diese Beteiligung durch eine Vereinbarung zwischen den Regierungen absichern können. Ziel einer solchen Vereinbarung müßte sein, faire Partnerschaft und freien Austausch der Erkenntnisse zu gewährleisten. Ich sprach davon, daß die Forschungsanstrengungen der Amerikaner zu SDI notwendig sind. Im Augenblick geht es nur um die Forschungsanstrengungen. Das ist im wesentlichen aus zwei Gründen so.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski?

Dr. Manfred Wörner (Minister:in)

Politiker ID: 11002547

Nein, Herr Präsident. Ich bin von den Fraktionen gebeten worden, die Redezeit der Regierung zu begrenzen. Ich müßte dagegen sündigen. Deswegen bitte ich um Verständnis. Wie gesagt, sind es im wesentlichen zwei Gründe, die diese Forschungsanstrengungen notwendig erscheinen lassen. Der erste Grund liegt in den sowjetischen Anstrengungen auf diesem Gebiet. Die Sowjetunion ist nicht nur die einzige Macht - ich erinnere immer wieder daran -, die ein funktionierendes Raketenabwehrsystem hat. Sie ist nicht nur die einzige Macht, die ein einsatzfähiges Antisatellitensystem hat. Die Sowjetunion selbst betreibt seit Jahren intensive Forschungen auf dem Gebiet der strategischen Raketenabwehr. Kollege Lange, wir haben es Ihnen x-mal gesagt; Sie argumentieren auch nicht dagegen. Hier ist die Sache genau umgekehrt zu dem, wie Sie es darstellen: Die amerikanischen Anstrengungen sind die Folge der sowjetischen, nicht umgekehrt. ({0}) Ich frage nicht nur Sie, ich frage auch die SPD: Warum eigentlich protestieren Sie jetzt, wo die Amerikaner das machen, und haben nicht damals protestiert, als die Sowjets damit angefangen haben? ({1}) Es muß doch nachdenklich stimmen, daß Ihre Proteste erst dann einsetzen, wenn wir uns gegen eine Bedrohung zu schützen beginnen, aber nicht dann, wenn die Bedrohung gegen uns aufgebaut wird. ({2}) Der zweite Grund ist noch wichtiger. Diese Forschungsanstrengungen dienen auch einem anderen Zweck. ({3}) Wir alle suchen nach einer besseren Fundierung der strategischen Stabilität. Wir alle bemühen uns, diese Welt sicherer zu machen. Wir suchen nach Wegen, auf denen das möglich sein könnte. ({4}) - Jetzt hören Sie - Herr Dregger hat es schon gesagt, ich wiederhole es noch einmal: Ich verstehe Sie nicht; Sie stellen sich hier pausenlos hin und attackieren die Landschaft wechselseitiger Abschreckung. Nun sucht der amerikanische Präsident nach einem Ausweg, und jetzt sind Sie plötzlich die glühendsten Verfechter der Abschreckungsstrategie, die Sie vorher angegriffen haben. ({5}) Nein, um was es geht ist, den Versuch zu machen, das Gleichgewicht im strategischen Bereich so zu untermauern und so sicher zu machen, ({6}) daß die Gefahr der Erstschlagfähigkeit ausgeschaltet wird. Es wäre, meine Damen und Herren, ein enormer Fortschritt, wenn es gelänge, die strategische Stabilität mehr auf Verteidigungswaffen als auf Angriffswaffen zu stützen. ({7}) Noch weiß keiner, ob das gelingen kann. Wir reden über Forschungen, und das Ergebnis dieser ForBundesminister Dr. Wörner schungen kann im Augenblick keiner, absehen; auch Sie nicht. Deswegen wundert es mich, Herr Ehmke, wie Sie mit einem fertigen Urteil kommen können, ohne daß die Forschungen überhaupt ein Ergebnis gehabt haben, so oder anders. Ich finde eine solche Handlungsweise ({8}) und eine solche Denkweise alles andere als verantwortlich. Gut, das müssen Sie mit sich selber abmachen. ({9}) Aber wenn Sie andere anklagen, sich an einem „Krieg der Sterne" zu beteiligen, und selbst ablehnen, auch nur Forschungsergebnisse zu bewerten, wenn sie vorliegen, ({10}) dann kennzeichnet das Ihre Argumentation als Polemik. ({11}) Ergeben die Forschungen zu SDI, daß Abwehrsysteme wirksam konstruiert und kostengünstig produziert werden können - was noch niemand sagen kann -, dann ließen sich in der Tat die Gefahren der Erstschlagfähigkeit wesentlich reduzieren, wenn nicht gar beseitigen. Dann wäre die Welt sicherer. ({12}) Die Welt wäre sicherer, wenn sich die beiden Supermächte verständigen könnten, einen Großteil ihrer Angriffswaffen abzubauen und dafür Verteidigungswaffen aufzubauen. Das ist eines der wesentlichen Ziele der Genfer Verhandlungen. Dieser Versuch muß gemacht werden. Deswegen sagt diese Bundesregierung auch: Ein kooperativer Ansatz der beiden Supermächte verdient den Vorrang; das muß in Genf Thema der Verhandlungen sein - und ist es auch. Meine Damen und Herren, wenn die Sowjets heute am Verhandlungstisch sitzen, dann ist es nicht zuletzt der Verwirklichung des Doppelbeschlusses und SDI zu danken. Darum ist es abwegig, SDI als ein Hindernis für Abrüstungsverhandlungen darzustellen. Ebenso absurd ist es, von Militarisierung des Weltraums und gar vom „Krieg der Sterne" zu reden. ({13}) Herr Ehmke, Sie wissen es so gut wie jeder andere hier: Die Militarisierung des Weltraums hat eingesetzt, als man anfing, Raketen durch das Weltall zu schicken. Das ist die Militarisierung des Weltraums. ({14}) Das Ziel von SDI ist ja gerade, dieser Bedrohung Herr zu werden. ({15}) Verschweigen Sie nicht: Hier geht es um Verteidigungswaffen, nicht um Angriffswaffen. ({16}) Diese Waffen sind konventionell und nicht nuklear. Sie zerstören Raketen und nicht Menschen. Jetzt frage ich Sie: Warum eigentlich sollten wir Verteidigungswaffen gegen Panzer und Flugzeuge konstruieren, nicht aber gegen die gefährlichsten aller Angriffswaffen, nämlich Raketen? Natürlich wirft - der Kollege Mischnick hat völlig zu Recht darauf hingewiesen - das SDI-Forschungsvorhaben eine Reihe von Fragen und Problemen auch für Europa auf. ({17}) Daher muß Europa zum einen in den strategischen Schutz mit eingeschlossen werden; das hat der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU zu Recht unterstrichen, das ist auch die Position der Bundesregierung. Zweitens. Natürlich brauchen wir fortlaufend Informationen. Natürlich muß im Bündnis konsultiert werden. Aber es wird sehr eingehend konsultiert und informiert. Natürlich brauchen wir einen dauernden Dialog im Bündnis über die politischen und strategischen Konsequenzen der Forschungsergebnisse in dem Ausmaß, wie sie anfallen. ({18}) Aber das geschieht j a bereits. Hier gilt: Wer mitmacht, hat mehr Einfluß als der, der außensteht und nur Kritik übt. ({19}) Was die zweite Frage, den Schutz gegen Kurzstreckensysteme ballistischer und nichtballistischer Art anlangt, so ist klar: Europa braucht langfristig einen Schutz gegen diese Waffen, und zwar auch dann, wenn es SDI überhaupt nicht gäbe. Warum? Weil die Sowjets eine immer größere Zahl dieser Kurzstreckenwaffen stationieren, die nicht nur atomar, sondern auch konventionell oder gar mit chemischen Gefechtsköpfen eingesetzt werden können. Die gesteigerte Treffgenauigkeit dieser Systeme eröffnet der Sowjetunion neue konventionelle Angriffsmöglichkeiten und erlaubt es ihr, die nukleare Abschreckung unter Umständen zu unterlaufen. Daher ist eine Erweiterung unserer Luftverteidigung langfristig erforderlich. Eine solche Erweiterung hat nichts mit dem Weltall zu tun. Die Abwehrsysteme wären luft- oder bodengestützt und nichtnuklear. Die Notwendigkeit zum Aufbau eines solchen Verteidigungssystems würde im übrigen noch ver14102 stärkt, wenn SDI-Systeme auf beiden Seiten stationiert wären. ({20}) Aber ich sage noch einmal: Diese Notwendigkeit bestünde auch dann, wenn es SDI nicht gäbe. Daher müssen die Europäer entsprechende Überlegungen anstellen und entsprechende Anstrengungen unternehmen. Dies kann und soll in enger Zusammenarbeit mit den Amerikanern geschehen. Wir meinen jedenfalls, es wäre unverantwortlich, unsere Bürger gegenüber einer solchen Bedrohung schutzlos zu lassen. ({21}) Nun zu Ihren Argumenten - ich habe Ihren Antrag durchgelesen -: Ihre Argumente sind unlogisch und widersprüchlich. Einerseits wenden Sie sich gegen die Abwehr von ballistischen Raketen, andererseits fordern Sie selbst die Abwehr von Marschflugkörpern - das eine mit der Begründung - das ist sehr interessant -, die Gefahr liege in einem neuen Rüstungswettlauf zwischen Offensiv-und Defensivwaffen. Wenn das, was Sie hier sagen, richtig wäre, warum, lieber Herr Ehmke, warum, lieber Herr Gansel, gilt das dann nicht auch für Marschflugkörper? ({22}) Sie können irgend jemandem draußen doch nicht allen Ernstes erklären, daß Sie den Umstand, ob Sie sich gegen eine bestimmte Waffe zu schützen beabsichtigen, von der Flugbahn dieser Rakete, dieser Waffe abhängig machen: ob sie nun flach oder in einem Bogen daherkommt. ({23}) Also, diese Logik, meine Damen und Herren, ist so abenteuerlich, daß sich die Auseinandersetzung damit fast nicht lohnt. Entscheidend ist - ich sage es noch einmal -: Wir müssen alles tun, um einer neuen sich einstellenden Bedrohung langfristig zu begegnen - im Interesse der Bürger unseres Landes und im Interesse des Friedens, den wir sicherer machen werden. ({24})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gansel.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wörner, die SPD fordert die Überwindung des Systems der atomaren Abschreckung und gegenseitigen Vernichtungsmöglichkeit. Aber wir wissen, daß das eine politische und keine militärisch-technische Aufgabe ist. ({0}) Wir haben schon auf unserem Parteitag im Dezember 1979 vor der Militarisierung des Weltraums gewarnt, damals vor allen Dingen an die Adresse der Sowjetunion. ({1}) Heute tun wir es auch an die Adresse der USA, weil wir befürchten, daß sich der Rüstungswettlauf in den Weltraum fortsetzen und neue Gefahren schaffen wird. Eineinhalb Stunden hat der Deutsche Bundestag Zeit, heute über diese Frage zu diskutieren. Eineinhalb Tage hat allein die Anhörung des Auswärtigen Ausschusses gedauert. Da kann man in wenigen Minuten zwar nicht auf alle Unterstellungen reagieren, aber einiges wird man klarstellen können. Mehrere Tage haben die parlamentarischen Versammlungen der NATO und der Westeuropäischen Union im Oktober und Dezember zu SDI diskutiert und Beschlüsse gefaßt. In beiden Versammlungen sind die Anträge der Sozialdemokraten gegen SDI von der gleichen konservativen Mehrheit abgelehnt worden, die vor drei Jahren für die Durchführung des Rüstungsteils des NATO-Doppelbeschlusses votiert hat. Aber, während die Haltung der amerikanischen Regierung damals von der Mehrheit ausdrücklich begrüßt und die Stationierung der amerikanischen Mittelstreckenraketen zur Sicherung der nuklearen Risikogemeinschaft zwischen den USA und Westeuropa bedingungslos unterstützt wurde, sind die Beschlüsse zu SDI mit Fragen, Befürchtungen und Bedingungen angefüllt. So wurde im Beschluß der NATO-Versammlung offen - ich zitiere - „die Befürchtung der Abkoppelung" geäußert. Als der Bundeskanzler im Bundestag zum Jahresbeginn forderte, es dürfe keine Zonen unterschiedlicher Sicherheit im NATO-Bereich geben, gab er derselben Befürchtung Ausdruck. Und wenn Herr Genscher uns heute über ein Radio-Interview wissen läßt, daß er bei der NATO-Außenministerkonferenz dasselbe Problem prüfen lassen wolle, und wenn auch Sie, Herr Dregger, das hier haben durchschimmern lassen, dann frage ich Sie: Was hat Ihre Regierung ein Jahr lang getan, um diese Befürchtung zu entkräften? ({2}) Hier geht es um eine zentrale Frage unserer Sicherheit. Ich rede nicht von der Unterstellung gegenüber der einen oder der anderen Weltmacht, einen atomaren Angriffs- und Vernichtungskrieg zu wollen. Beide wollen ihn nicht. Um deutlich zu machen, worum es für uns wirklich geht, muß man ein Bild benutzen. Beide Supermächte wollen nicht zusammenstoßen. Aber wenn es doch zu einem Zusammenstoß kommt, dann dürfen die Europäer in West und Ost nicht zur Knautschzone der gepanzerGansel ten Limousinen ihrer Führungsmächte werden. Um diese Befürchtung geht es. ({3}) Die amerikanischen Erfinder und die deutschen Befürworter von SDI beteuern immer wieder, das Ziel von SDI sei ein Schutzschirm gegen Atomraketen sowohl für Nordamerika als auch für Westeuropa. Im Widerspruch dazu bieten sie gleichzeitig für Westeuropa eine kleine Version von SDI an oder fordern von uns die Eigeninitiative eines europäischen Verteidigungssystems gegen sowjetische Kurz- und Mittelstreckenraketen, eine sogenannte EVI. Der Klarheit wegen haben wir deshalb dem Bundestag zwei Anträge vorgelegt, mit denen wir SDI wie EVI schon in der Forschungsphase ablehnen. ({4}) Wir lehnen sie ab, weil wir befürchten, daß diese Forschungen zur Entwicklung von Waffen führen, und weil wir die Erfahrung gemacht haben, daß entwickelte Waffen auch produziert und stationiert werden. ({5}) Wir lehnen sie ab, weil sie keinen vollen Schutz gegen Offensivwaffen gewährleisten. Wir lehnen sie ab, weil sie zu einem neuen Rüstungswettlauf zwischen Ost und West nicht nur „auf Erden", sondern auch „im Himmel" führen werden. Wir lehnen sie ab, weil sie die Sicherheit Europas und der Bundesrepubik nicht erhöhen, sondern vermindern werden. Wir lehnen sie ab, weil wiederum für die Illusion einer militärischen Sicherheit Kreativität, menschliche Arbeitskraft, Maschinen und Geld verschwendet werden, die so dringend für die Entwicklung der armen Länder, für die Produktion sozialer Gerechtigkeit, für die Verteidigung unserer Umwelt, also für die Organisation des Friedens gebraucht werden. ({6}) Wir lehnen deshalb auch die Beteiligung von Unternehmen und Wissenschaftlern aus der Bundesrepublik an SDI ab. ({7}) Wir haben gute forschungs- und industriepolitische Gründe gegen eine Beteiligung. Der Verkauf der Forschungskapazitäten und -ergebnisse aus unseren Spitzenleistungen an die amerikanische Rüstungsbürokratie - und darum geht es in der Sache - wird auch bei uns zu einer Militarisierung von Zukunftstechnologien führen. ({8}) „Militarisierung" ist dabei eine schlichte Umschreibung. Sie beinhaltet: Nichtbeachtung von Umweltaspekten, Verzicht auf sparsamen Energieeinsatz, Vernachlässigung von Kosten, Geheimhaltung und gegebenenfalls Monopolisierung für den Rüstungszweck - dies alles unter dem militärischen Primat des SDI-Projekts. Deshalb wären die Produkte, für die angeblich ein Spin-off-Effekt erzeugt werden soll, dann auch zivil nicht mehr wettbewerbsfähig. Wer diese Beschreibung zu simpel findet, kann die Feinheiten in dem noch nicht veröffentlichen Gutachten „über den zivilen Nutzen militärisch motivierter Forschung und Entwicklung" nachlesen, das gerade für das Bundesministerium für Forschung und Technologie fertiggestellt worden ist. ({9}) Er wird dabei auch zur Kenntnis nehmen müssen, daß das Gutachten den zivilen Nutzen des SDI-Programms für noch geringer hält als bei anderen militärischen Entwicklungen. ({10}) Die Bundesregierung, die wegen der Ostgeschäfte der deutschen Industrie nicht in der Lage war, die Interessen unserer zivilen Exportwirtschaft an einem freien Technologietransfer gegenüber der amerikanischen Administration durchzusetzen, kann sich doch nicht ernsthalft einbilden, Herr Mischnick, ausgerechnet bei der militärischen Zielsetzung des SDI-Programms einen gegenseitigen Erkenntnisaustausch und seine zivile Nutzung möglich zu machen. ({11}) Ich kann Ihnen aus den Berichten der NATO-Parlamentarierversammlung viele Beispiele dafür nennen, daß dieser Austausch noch nicht einmal für zivile Produkte möglich gewesen ist. Machen Sie sich bei meinen Kollegen Ibrügger und Klejdzinski sachkundig! ({12}) Wir warnen aber vor einem Regierungsabkommen vor allem aus politischen Gründen, weil es die politische Zustimmung zu den Zielen des SDI-Programms und zu seinen Motiven bedeuten würde. Es ist notwendig, dazu einige Fragen zu stellen: Warum hat der amerikanische Präsident, als das Pershing-Programm noch lief, schon das SDI-Programm verkündet? Warum nach dem sogenannten Solidaritätstest der NATO durch den Doppelbeschluß ein neuer Solidaritätstest? Warum wurde durch SDI das Ende der Abschreckung beschworen, obwohl sie doch gleichzeitig gegen die Friedensbewegung von ihm gerechtfertigt wurde? Warum wurde der ABM-Vertrag und mit ihm das Vertrauen in Rüstungskontrolle in Frage gestellt, warum eine neue Barriere in das Ost-West-Verhältnis getürmt? Warum soll SDI in der Substanz nicht verhandelbar sein? Und warum wurde das alles einseitig in Gang gesetzt, ohne die europäischen Verbündeten zu konsultieren, obwohl es eine zentrale Frage der NATO und unserer Sicherheit ist? ({13}) Und wozu die Bereitschaft, ungeheure Summen für SDI zu mobilisieren, während man gleichzeitig mit Haushaltsdefiziten in den USA kämpft? Gewiß hat das auch wirtschaftspolitische Bedeutung: die Mobilisierung aller verfügbaren Kräfte für Spitzen- und Zukunftstechnologien, die - in ausschließlich amerikanischer Verfügungsmacht - sehr wohl für die USA eine Antwort auf die japanische und europäische Konkurrenz sein kann. Aber die eigentliche Bedeutung liegt im sicherheitspolitischen Bereich. Das Ende der „extended deterrence" zeichnet sich ab, das Ende der von Nordamerika auf Westeuropa ausgedehnten Abschreckung für alle Eventualfälle. Dies ist eine relative Entwicklung. Ich überzeichne sie, um sie erkennbar zu machen. Die USA sind nicht länger bereit, gegen ihre existenziellen Interessen im Interesse ihrer Verbündeten die Last einer Abschreckungsdoktrin zu tragen, die schon bei einem konventionellen Krieg in Europa das Risiko der nuklearen Vernichtung Nordamerikas beinhaltet. ({14}) Aufklärungssatelliten, eurostrategische Raketen in Ost und West und schließlich SDI machen das Ende dieser Doktrin möglich und verständlich. Unter diesen Bedingungen sieht man in den USA die Möglichkeit, die Festung Nordamerika sichern und dadurch weltweit zugleich mehr Risiken in Kauf nehmen zu können. Isolationismus und Weltmachtanspruch ergänzen sich. Das mag im Interesse der USA liegen; im Interesse Europas liegt das nicht. ({15}) Europa ist zur Selbstbehauptung herausgefordert. Es ist herausgefordert, seine militärische Sicherheit gegenüber der Sowjetunion selbst zu gewährleisten und seine politische Unabhängigkeit zu den USA wiederherzustellen. Wir werden in der westlichen Wertegemeinschaft in dem Maße auch gleichberechtigter Partner der USA werden können, in dem wir uns von der Sowjetunion nicht militärisch bedroht fühlen müssen. Entsprechend - wenn auch nicht gleich - werden wir ein ernstgenommener und zuverlässiger Verhandlungspartner der Sowjetunion sein können. Der westliche Teil Europas kann wieder ein Subjekt der Politik werden. Heute ist das ganze Europa Objekt der Supermächte. Westeuropa muß in der Zukunft selbst mehr für seine Sicherheit tun als in der Vergangenheit. Aber es muß dabei verhindern, zu einen Schrittmacher im Rüstungswettlauf zwischen Ost und West zu werden. ({16}) Hier, wo schon der Grenzgänger zwischen Ost und West eine Atombombe im Rucksack haben kann, ist das „Wegrüsten" der Bedrohung durch sowjetische Offensivwaffen technisch nicht möglich und militärisch wie politisch noch sinnloser als anderswo. ({17}) Wenn neue Technologien Geschosse mit Lichtgeschwindigkeit transportieren könnten, müßte der menschliche Verstand wegen fehlender Vorwarnzeiten durch Computer ersetzt werden. Neue Technologien würden neue Bedrohungsreaktionen auf der anderen Seite zur Folge haben. Herr Dregger, Ihre Hoffnungen für den Schutz Europas werden in einem neuen Rüstungswettlauf begraben werden. ({18}) Die SPD bleibt auch in bezug auf neue Waffensysteme bei ihrer Zielvorgabe der strukturellen Nichtangriffsfähigkeit. Sie ist nicht mit Wehrlosigkeit zu verwechseln. ({19}) Wenn Sie, Herr Dregger, dazu Fragen haben, stellen Sie sie im Deutschen Parlament und nicht in Moskau oder in Washington. Wir fragen Sie hier, und vor der deutschen Öffentlichkeit haben Sie zu antworten. ({20}) Wir schlagen in unserem Antrag, der EVI ablehnt, zugleich eine Stärkung der europäischen Luftabwehr gegen Flugzeuge und die Prüfung der Abwehr von Marschflugkörpern und von modernen Distanzwaffen durch neue konventionelle Technologien vor. Für diese Abwehr könnten reduzierte, aber ausreichende Reichweiten vertrauensbildend auf beiden Seiten wirken. Bei einem Treffen in Bonn vor 14 Tagen haben die sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien der westeuropäischen NATO-Länder das SDI-Programm gemeinsam und einstimmig abgelehnt und eine Politik für eine westeuropäische Sicherheit verlangt. Sie ist ohne die europäische demokratische Linke nicht möglich. Sie ist aber für uns auch unabdingbar. Und wir sind zu ihr berufen, weil wir die Freiheitlichkeit unserer Gesellschaften gegen die kommunistischen Systeme behaupten wollen und weil wir uns die außenpolitische Selbstbehauptung gegenüber den USA zutrauen. ({21}) Wir werden nicht der Versuchung erliegen, uns eines vermeintlichen wirtschaftlichen Vorteils wegen kurzsichtig einer wahrhaft historischen Aufgabe - der Selbstbehauptung Europas - zu entziehen. Das ist der Vorwurf, den wir der deutschen, aber auch der britischen Regierung machen: Ihre staatliche Unterstützung für die Beteiligung an SDI hat kein anderes Motiv als das des „Wir wollen mit von der Partie sein". Mit dieser Trittbrettfahrermentalität wird sich Europa nicht selbst behaupten können - weder wirtschaftlich noch politisch. ({22}) Herr Dregger, wir wollen unseren Einfluß nicht überschätzen. Wir machen die Fahrpläne der Weltpolitik in der Bundesrepublik und im Deutschen Bundestag nicht, aber warum müssen wir auf die Züge aufspringen, die andere fahren lassen und von denen Sie selbst nicht wissen, wohin sie fahren? ({23}) Welche Garantien haben Sie für die Behauptung von Herrn Kohl, die SDI-Systeme würden von den Amerikanern nicht aufgestellt, wenn die Sowjets mit verstärkten und vermehrten Offensivwaffen antworteten? Welche Garantien haben Sie für die Behauptung, die Amerikaner würden ihre Laboratorien für eine kooperative Rüstungssteuerung mit der Sowjetunion öffnen? Dies wäre ja selbst dann noch sinnvoll, wenn amerikanische und sowjetische Anti-Raketen-Rüstung nicht zu verhindern wäre. Aber wo sind Ihre Garantien? Oder sind es Versprechungen wie die, die Sie von Herrn Weinberger zum Abzug chemischer Waffen erhalten haben und die Sie hier verkündet haben, die aber dann in den USA dementiert worden sind? Wo sind Ihre Garantien? ({24})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lange?

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bitte um Entschuldigung, denn ich frage selber. In dieser Situation ist es in der Tat leichter, Fragen zu stellen als Antworten zu geben. Es wäre auch ehrlicher für die Regierungsfraktionen, dies zuzugeben, denn viele dieser Fragen stellen Sie sich insgeheim doch selbst. Was muß Westeuropa tun, um seine Sicherheit zu gewährleisten, ohne Schrittmacher in einem neuen Rüstungswettlauf zwischen den Supermächten zu sein? Ist die NATO oder die WEU oder die WEU in der NATO der richtige organisatorische Rahmen dafür? Welche konventionellen Kapazitäten brauchen wir? Welche Funktion sollen die amerikanischen Truppen in Westeuropa haben? Herr Dregger, wir werden nie vergessen, daß es die Truppen der Westalliierten waren, die die Demokratie nach Deutschland zurückgebracht haben. Aber es muß klar sein, daß diese Truppen jetzt im Rahmen von Bündnispflichten hier sind und nicht eines Tages zu einer schnellen Eingreiftruppe unter irgendeiner amerikanischen Administration deformiert werden. ({0}) Welche Rechtfertigung gibt es noch für Pershing II und Cruise Missiles in Westeuropa bei einer amerikanischen Abkopplung? Welche nuklearen Potentiale müssen Frankreich und Großbritannien in die europäische Verteidigung einbringen? Welche Rolle soll die Bundesrepublik in einer westeuropäischen Verteidigungsstrategie übernehmen? Was braucht Europa zur Aufklärung und zur Verifikation von Rüstungskontrolle im Weltall? Was wird von all dem mit der Sowjetunion verhandelbar sein? Wird Amerika diesen Prozeß fördern oder stören? Und was ergibt sich daraus für die Politik der europäischen Einigung? Diesen Fragen werden wir uns stellen müssen. Wir werden uns diesen Fragen nicht entziehen können. Die Beantwortung wird für uns alle schwierig werden. Wir haben heute eine erste Frage zu beantworten, nämlich die nach der Beteiligung an dem SDI- und EVI-Forschungsprogramm. Unser Nein zu dem amerikanischen SDI-Programm und zu seiner Exportversion EVI ist ein Ja zu Europa, ein Ja zu einem Europa, ({1}) das der amerikanischen und japanischen Herausforderung im Bereich der Hochtechnologie und Raumfahrt durch eigenständige zivile Programme wie Eureka begegnet. Es ist ein Ja zu einem Europa, das sich auf die Verantwortung für seine Sicherheit besinnt. ({2}) Es ist ein Ja zu Europa, das die große Geschichte seiner Freiheit noch nicht hinter sich, aber die große Zukunft der Friedenssicherung noch vor sich hat. ({3})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Zu einer kurzen Erklärung nach § 30 unserer Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Mischnick.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Gansel, Sie haben davon gesprochen, daß Erfahrungswerte vorliegen, kein Austausch von Erkenntnissen. Sie haben sich auf WEU und NATO bezogen. Hier ist von Ihnen selbst und von anderen Rednern festgestellt worden, daß der amerikanische Präsident der Sowjetunion angeboten hat, Einblick in die Forschungsergebnisse zu nehmen. Ist es dann nicht logisch, daß Verbündete vorher die Möglichkeit ausloten, ob man nicht zu einer anderen Handhabung kommen kann, als das bisher der Fall ist? ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Mischnick?

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Mischnick, ich kann das aus dem Kopf zitieren, und ich möchte Sie fragen, ob das nicht Ihre optimistische Einschätzung widerlegt, daß Herr Weinberger vor der KonradAdenauer-Stiftung erklärt hat, daß die USA ihre Laboratorien für die Sowjetunion natürlich nur für Technologien öffnen würden, die die Sowjetunion schon kennt. Geben Sie zu, daß ein solcher Erfah14106 rungsaustausch über Dinge, die man schon weiß, nicht sehr sinnvoll sein kann?

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Als mir ein sowjetischer Ortskommandant die Redegenehmigung entzog, habe ich gesagt: Der Divisionskommandeur hat sie mir erteilt. Ich halte mich an den Präsidenten, nicht an den Verteidigungsminister. ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, eigentlich ist bei einer Erklärung nach § 30 eine Zwischenfrage nicht zulässig, aber im Interesse der Abwicklung dieses Tagesordnungspunktes war es sicherlich sachdienlich. ({0}) Ich erteile dem Herrn Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen, Herrn Möllemann, das Wort. ({1})

Not found (Gast)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in der vom Bundessicherheitsrat am 27. März verabschiedeten Stellungnahme und in der Regierungserklärung vom 18. April ihre grundsätzliche Haltung zum SDI-Programm in allen wesentlichen Aspekten dargelegt. Diese Haltung ist unverändert. Die Bundesregierung hat die Forschung insbesondere angesichts der sowjetischen Forschungsanstrengungen und angesichts der Tatsache, daß die Sowjetunion über das einzige funktionsfähige ABM-System verfügt und es modernisiert, für gerechtfertigt erklärt. Wir begrüßen es, meine Kolleginnen und Kollegen, daß der Auswärtige Ausschuß und der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages Anfang dieser Woche Gelegenheit genommen haben, im Rahmen einer öffentlichen Anhörung zentrale Fragen zu erörtern, die sich in diesem Zusammenhang stellen. ({0}) Mir scheint, daß der Deutsche Bundestag mit seiner Debatte über SDI, die heute durchgeführt wird - es ist die dritte seit dem 18. April 1985 -, ein gutes Beispiel für die Offenheit gibt, mit der auch derart komplexe Themen von allen zuständigen Organen unseres Staates behandelt werden. Wir würden unsere Pflicht versäumen, wenn wir uns nicht sorgfältig darüber Gedanken machten, ob und wie neue technologische Entwicklungen zu größerer Sicherheit auch für uns beitragen können. Deswegen ist ein ebenso schnelles wie schlichtes Nein zu diesem Thema auch keine annehmbare Position. Meine Damen und Herren, SDI ist derzeit nicht weniger, aber auch nicht mehr als ein Forschungsprogramm. Heute kann noch niemand sagen, ob die dahinterstehende Vision des amerikanischen Präsidenten realisiert werden kann, durch Defensivsysteme einen so weitreichenden Schutz zu gewährleisten, daß nukleare Angriffswaffen schließlich unbrauchbar und überflüssig würden. Viele Berater des Präsidenten und andere Fachleute halten es eher für wahrscheinlich, daß nur ein unvollkommener Schutz erreichbar ist. Beide Auffassungen wirken sich schon heute, lange vor der Realisierung von SDI oder Teilen davon, auf die Strategiediskussion im Nordatlantischen Bündnis aus. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob SDI den Weg zu größerer strategischer Stabilität weisen kann oder nicht. Die strategische Stabilität zwischen West und Ost, die Einheit des Bündnisses in politischer und strategischer Hinsicht sind aber zentrale Bedingungen unserer Sicherheit. Die gültige Strategie der flexiblen Reaktion verbindet die Verteidigungspotentiale der Bündnispartner im Rahmen einer gemeinsamen Abschreckungsstrategie, die trotz unterschiedlicher Bedrohungslage bisher glaubwürdig und friedenserhaltend ist. Ich möchte aus gegebenem Anlaß klarstellen: Über Fragen, die sich aus der Diskussion unserer Strategie ergeben, muß das Bündnis als Ganzes beraten. Veränderungen unseres politischen und strategischen Sicherheitskonzepts kann nur das Bündnis als Ganzes beschließen. ({1}) Dabei wird es um so bedeutsamer, daß die spezifisch europäischen Gesichtspunkte in der WEU besprochen und vorgeklärt werden. Das gilt auch für die entsprechenden Gesichtspunkte des SDI-Programms. Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat sich zu den rüstungskontrollpolitischen Aspekten im Zusammenhang mit SDI wiederholt geäußert. Auch hier gelten die Stellungnahmen vom 27. März und die Erklärungen, die der Kanzler und der Außenminister gegeben haben, fort. ({2}) - Ich bitte um Nachsicht, daß ich ebenfalls keine Fragen zulassen kann. Die Zeit ist so beschränkt. Das würde eine neue Runde auslösen. Herr Kollege, es tut mir leid. Normalerweise ziehe ich es vor, die Debatte auch mit Frage und Antwort zu führen. ({3}) Ich stelle also fest: Erstens. Der ABM-Vertrag muß strikt eingehalten werden, solange keine bessere Regelung an seine Stelle treten kann. - Die Bundesregierung geht dabei von der Auslegung des ABM-Vertrags aus, die in dem Bericht des Pentagon an den Kongreß vom März dieses Jahres enthalten ist. Die amerikanische Regierung hat eindeutig festgestellt, daß diese Grenzen weiter beachtet werden, unabhängig davon, ob eine andere Auslegung des Vertrages rechtlich möglich wäre. Dies bedeutet natürStaatsminister Möllemann lich auch, daß sich die Sowjetunion an den ABM-Vertrag zu halten hat. Hier gibt es, wie Sie alle wissen, bisher nicht ausgeräumte Zweifel. Zweitens. Jeder Schritt über den ABM-Vertrag hinaus darf nur nach Konsultationen im Bündnis und nach Verhandlungen mit der Sowjetunion getan werden. Auch hierüber besteht volle Einigkeit mit den USA. ({4}) Das Forschungsprogramm leitet keine irreversiblen Entwicklungen ein, sondern es liefert die Basis für vernünftige Entscheidungen. Drittens. In den Verhandlungen müssen kooperative Lösungen für das Verhältnis zwischen Offensiv- und Defensivwaffen gefunden werden, so daß ein Zustand gefestigter strategischer Stabilität an ihrem Ende steht. Dies ist die Hauptaufgabe und die Chance der Verhandlungen, die seit dem 12. März dieses Jahres in Genf geführt werden und deren Ziele kürzlich durch Präsident Reagan und Generalsekretär Gorbatschow ausdrücklich bekräftigt wurden. Wir können den USA nicht raten, wie es die Opposition fordert, jetzt auf ihr Forschungsprogramm zu verzichten. Dadurch würden sie ihre Position in den Verhandlungen sicher nicht stärken. ({5}) Vielmehr muß das Programm genutzt werden, um eine Neudefinition des Verhältnisses zwischen Offensiv- und Defensivwaffen zu finden und das ist ganz sicher keine Sache von Monaten, sondern von Jahren. Drastische Reduzierungen der Offensivwaffen sind bereits jetzt möglich. ({6}) Wir haben keinen Zweifel, daß sie die Notwendigkeit und den Umfang neuer Defensivsysteme in einem neuen Licht erscheinen lassen würden. Oder anders und einfacher gesagt: Es ist klar, natürlich muß in Genf auch SDI verhandelbar sein. Meine Damen und Herren, in Brüssel tagen heute die Außenminister der NATO. Im Mittelpunkt ihrer Beratungen steht die Erörterung einer gemeinsamen politischen Strategie der Bündnispartner auf dem Weg zum Washingtoner Gipfel im nächsten Jahr zwischen Präsident Reagan und Generalsekretär Gorbatschow. Es geht um die Fortentwicklung der gemeinsamen Positionen an den bilateralen und multilateralen Verhandlungstischen in Genf, Wien und Stockholm. Die Verhandlungen über die einzelnen Waffensysteme sind wichtig, und keine Waffengattung darf von den Verhandlungen ausgenommen werden. Es geht aber auch - und hier liegt die große Chance der Genfer Verhandlungen - um ein Konzept dauerhafter Friedenssicherung. Das entspricht der Einsicht, daß verläßliche Sicherheit im Zeitalter der Nuklearwaffen nicht nur auf autonomen Entscheidungen der einen oder der anderen Seite beruhen kann, sondern daß auch sicherheitspolitische Kooperation zwischen beiden notwendig ist. Das ist ein realistisches Konzept. Es ordnet sich in die Harmel-Konzeption des Bündnisses ein, die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit mit der Bereitschaft zu Dialog und Zusammenarbeit verbindet. Dieses Konzept leugnet ja nicht die politischen Gegensätze zwischen West und Ost. Es leugnet auch nicht die unterschiedlichen Wertordnungen. Aber es basiert auf dem übereinstimmenden Interesse, daß wir gemeinsam das Risiko eines Krieges, und zwar eines jeden Krieges, eines atomaren und eines konventionellen, soweit wie möglich bannen müssen. Die Frage, ob eine Mitarbeit von deutschen Firmen und Forschungsinstituten am SDI-Forschungsprogramm einer Absicherung durch Regierungsabsprachen bedarf, ist in erster Linie eine Frage technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Zweckmäßigkeit. ({7}) Hierum geht es bei der Entscheidung, die die Bundesregierung in der nächsten Woche treffen will; nicht um eine politische Aussage, die ja bereits am 27. März und am 18. April dieses Jahres gemacht wurde und von der ich gesagt habe, sie gilt unverändert fort. Bei der anstehenden Frage der Absicherung der Firmenzusammenarbeit durch eine Regierungsabsprache geht es nicht darum, daß sich die Bundesregierung an den SDI-Forschungsprogrammen beteiligt. Das ist wiederholt deutlich gemacht worden. Es ist auch weiterhin nicht beabsichtigt, hierfür Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung entscheidet auch nicht über die Beteiligung von Industrieunternehmen an Forschungsprojekten. Diese Entscheidung trifft in unserem freien, marktwirtschaftlichen System jedes Unternehmen in eigener Verantwortung. Es geht jetzt allein darum, zu entscheiden, ob die rechtlichen und technischen Grundlagen für die Zusammenarbeit von deutschen Unternehmen und Instituten mit amerikanischen Unternehmen, ({8}) Instituten und Institutionen auf dem Gebiet von Technologie und Forschung ausreichend sind oder ob sie verbessert bzw. aktualisiert werden müssen. Diese Entscheidungen werden wir auf der Grundlage der politischen Überlegungen, die ich beschrieben habe, in sachlich gebotener Weise treffen. Gestatten Sie mir eine Schlußbemerkung. Herr Kollege Gansel, ich habe nicht ganz begriffen, wie Sie auf der einen Seite eine Menge von Fragen am Schluß Ihrer Bemerkungen stellen konnten, die ich in der Tat für diskussionswürdig halte - alle diese Fragen müssen in den zuständigen Ausschüssen diskutiert werden -, wie Sie diese Nachdenklichkeit auf der anderen Seite aber gleichzeitig dadurch entwerten, daß Sie apodiktisch zu einem speziellen Teil der sicherheitspolitischen Debatte jetzt schon alle Antworten glauben geben zu können. ({9}) Das zweite, was mir nicht klar geworden ist, ist, daß Sie erklären, Europa müsse künftig mehr für seine eigene Verteidigung tun, daß Sie dann aber im Verteidigungs- und Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages viele Bemühungen, die konventionelle Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr und der westlichen Partner zu stärken, mit Kritik belegt, Kürzungsanträge gestellt und nicht einen einzigen Ausgabevorschlag gemacht haben, der auf eine Stärkung hinausläuft. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen. ({10})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Zu einem Geschäftsordnungsantrag erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Porzner.

Konrad Porzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001739, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Im Ältestenrat in der vorigen Woche ist vereinbart worden, daß diese Anträge - ich beziehe mich vor allem auf die Anträge der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion - an die Ausschüsse überwiesen werden. Der Verlauf der heutigen Debatte, die Argumentationen der Mitglieder der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen veranlassen uns aber, den Antrag zu stellen, diese Anträge nicht zu überweisen, sondern in der Sache zu entscheiden.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Zur Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Seiters.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002156, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eine Absprache der Geschäftsführer getroffen. Wir haben im Ältestenrat des Deutschen Bundestages einen Beschluß gefaßt. Seit einer Woche wissen alle Kollegen, auch die Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion - ({0}) - Aber natürlich, Sie haben die ausgedruckte Tagesordnung. Ich weiß nicht, ob Sie die nicht lesen. Auf jeden Fall liegt seit einer Woche die ausgedruckte Tagesordnung des Deutschen Bundestages vor, ausdrücklich mit den Überweisungsvorschlägen wie im Ältestenrat beschlossen. Es ist jetzt nicht das erstemal - leider, muß ich sagen -, sondern das wiederholte Mal, daß klare Vereinbarungen der Geschäftsführer und klare Beschlüsse des Ältestenrates kurzfristig, zehn Minuten vor der Abstimmung, in Frage gestellt werden. ({1}) Ich möchte wirklich einmal die Frage an die SPD-Fraktion stellen, ob es dem Verfahren im Parlament dienlich sein kann, wenn man sich auf Absprachen der Geschäftsführer und auf Beschlüsse des Ältestenrates nicht mehr verlassen kann. Ich bedaure dieses Vorgehen der SPD. Es zeigt mir, daß Sie sich vielleicht doch bei künftigen Absprachen vorher vergewissern sollten ({2}) und um des Verfahrensablaufs im deutschen Parlament willen ein wenig Ordnung in Ihren eigenen Reihen sicherstellen sollten, meine Damen und Herren. ({3}) Ich brauche mich zur Sache selbst gar nicht zu äußern. Wir bleiben bei dem, was wir vereinbart haben. Das hatte gute Gründe. Deswegen stelle ich den Antrag, bei der Überweisung wie vorgesehen zu bleiben. ({4})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Zur Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die hier heute auf der Tagesordnung stehende Materie verlangt eine gründliche Debatte im Deutschen Bundestag. Das ist unser allererstes Anliegen. Es sind von seiten der Fraktion der Sozialdemokraten zwei und von seiten unserer Fraktion ein Antrag eingebracht worden. Bevor diese Bundesregierung über SDI entscheidet, muß es eine gründliche Willensbildung im Parlament und auch eine Entscheidung im Parlament geben. Das ist doch ganz klar. ({0}) Von daher sieht sich die Fraktion der GRÜNEN nicht in der Lage, zur Willensbildung der SPD etwas zu sagen; das muß die SPD entscheiden. Über SDI sind, wie gesagt, nicht alle Klarheiten hier geschaffen worden. Das ist in der Debatte mehrfach gesagt worden. Der Vorrang gebührt dem Parlament. Wir bleiben als Fraktion der GRÜNEN bei dem, was im Ältestenrat verabredet worden ist, bezüglich des Problems der Europäischen Verteidigungsinitiative die Überweisung des Antrags vorzusehen. Wir möchten auch die Sozialdemokraten angesichts der Problematik, daß über EVI heute noch nicht entschieden werden kann, bitten, dort eine Überweisung vorzunehmen.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Zur Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Ehmke.

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Seiters hat formell völlig recht; das ist im Ältestenrat so beschlossen worden. Herr Kollege Seiters, was wir da noch nicht wußten, Dr. Ehmke ({0}) ist, daß das Kabinett in der nächsten Woche über die SDI-Beteiligung entscheiden wird. ({1}) - In der nächsten Woche; das ist vom Sprecher der Regierung mitgeteilt worden. Es wäre ja wohl sehr komisch, und das Parlament würde sich selbst lächerlich machen, wenn wir, nachdem wir verhindert haben, daß es übergangen worden ist, überwiesene Anträge noch behandeln, wenn das Kabinett schon entschieden hat. Hinsichtlich der beiden Anträge über EVI kann es bei der Überweisung bleiben. Aber angesichts der veränderten Terminplanung - jedenfalls der uns bekannten Terminplanung - der Bundesregierung bitte ich, über den SDI-Antrag der SPD heute abzustimmen. ({2})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter Ehmke, nur zur Klarstellung: Diese Vereinbarung über die Überweisung ist gestern im Ältestenrat noch einmal bestätigt worden. ({0}) Zur Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Beckmann das Wort.

Klaus Beckmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Kabinett, Herr Kollege Ehmke, wird j a wohl aller Voraussicht nach beschlossen werden, daß Gespräche aufgenommen werden, ({0}) und deswegen bedarf es auch noch einer gründlichen Beratung der hier vorgelegten Anträge in den zuständigen Ausschüssen, insbesondere im Auswärtigen Ausschuß und im Verteidigungsausschuß. Wir brauchen eine Willensbildung dieses Hauses, und dem sollte jetzt nicht durch eine Beschlußfassung vorgegriffen werden. Herr Kollege Porzner und meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen von der SPD-Fraktion, ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich bin ein wenig enttäuscht darüber, daß die parlamentarischen Bräuche, die wir aus gutem Grund hier seit Jahren pflegen, auf diese Art und Weise aufgehoben werden. Es ist eine gute Sitte in unserem Lande, daß man sich an den Satz hält: Was Wort ist, muß Wort bleiben. Wir Freien Demokraten werden uns daran halten und werden einer Überweisung der Anträge zustimmen. Vielen Dank. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter Ehmke, kann ich davon ausgehen, daß Ihre Ausführungen bedeuten, daß der Antrag des Abgeordneten Porzner, über beide Anträge der sozialdemokratischen Fraktion abzustimmen, auf den Antrag auf Drucksache 10/4441- Keine Beteiligung am amerikanischen SDI-Programm - reduziert worden ist? ({0}) - Dann darf ich feststellen, daß der Antrag auf Überweisung gestellt ist. Dieser Antrag ist vorrangig. Ich glaube, wir können darüber, ob alle drei Anträge überwiesen werden sollen, abstimmen. Diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die der Überweisung der Anträge auf den Drucksachen 10/4073, 10/4440 und 10/4441 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zustimmen, bitte ich um ein Handzeichen. ({1}) - Wir sind mitten in der Abstimmung; ich kann das nicht wiederholen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist die Überweisung beschlossen. Damit ist der Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion erledigt. Meine Damen und Herren, bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, darf ich folgendes erklären: Wir erhielten heute die erschütternde Nachricht, daß gestern beim Absturz eines amerikanischen Flugzeuges auf Neufundland 250 amerikanische Soldaten und die 8 Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen sind. ({2}) Es waren Soldaten, die ihre Dienste als Angehörige der multinationalen Friedenstruppe im Sinai versehen hatten und sich nun auf dem Flug zu ihrem Heimatstandort in Kentucky befanden, um das Weihnachtsfest mit ihren Angehörigen verbringen zu können. Wir nehmen Anteil an dem Leid und der Trauer der von dem Unglück betroffenen Familienangehörigen und Freunde; sie dürfen unserer tiefempfundenen Anteilnahme gewiß sein. - Ich danke Ihnen. Ich rufe den Zusatzpunkt 7 der Tagesordnung auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgung psychisch Kranker ({3}) - Drucksache 10/3882 - aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({4}) - Drucksache 10/4533 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Becker ({5}) Egert Präsident Dr. Jenninger bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({6}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 10/4535 Berichterstatter: Abgeordnete Strube Frau Seiler-Albring Dr. Müller ({7}) Sieler ({8}) b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der ambulanten und teilstationären Versorgung psychisch Kranker - Drucksache 10/4219 - aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({9}) - Drucksache 10/4533 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Becker ({10}) Egert bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({11}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 10/4536 Berichterstatter: Abgeordnete Strube Frau Seiler-Albring Dr. Müller ({12}) Sieler ({13}) Hierzu liegt ein Entschließungsantrag des Abgeordneten Bueb und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/4557 vor. Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Becker.

Dr. Karl Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir hier heute ein Gesetz zur Verbesserung der Versorgung psychisch Kranker beraten, so will ich zunächst einen besonderen Dank an jene Kolleginnen und Kollegen - insbesondere an unseren Kollegen Picard - aussprechen, die in der 7. Legislaturperiode konsequent darauf drängten, daß sich der Deutsche Bundestag stärker mit der Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik befaßte. Der Deutsche Bundestag beschloß danach eine Enquete über die Lage der Psychiatrie. Das Ergebnis wurde 1975 dem Hohen Hause zugeleitet. Dieser Sachverständigenbericht stellte damals fest, daß die Versorgung psychisch Kranker in der Bundesrepublik dringend verbesserungsbedürftig war. Vier Prinzipien wurden damals herausgestellt: die gemeindenahe Versorgung, die Gleichstellung von psychisch und somatisch Kranken, die bedarfsgerechte und umfassende Versorgung, die Koordination aller Versorgungsdienste. Nach eingehender Erörterung und Abstimmung mit den Ländern und den Fachverbänden hat die Bundesregierung 1979 eine Stellungnahme zu diesem Sachverständigenbericht abgegeben. Seit der Vorlage der Psychiatrie-Enquete ist ein Jahrzehnt vergangen. Vieles hat sich wohl in der Versorgung der psychisch Kranken auch verbessert, wenn auch noch viel zu tun bleibt. So hat sich die Zahl der niedergelassenen Nervenärzte und Psychiater seitdem fast verdoppelt. In der kassenärztlichen ambulanten Versorgung sind inzwischen 2 300 Nervenärzte und 1 400 nichtärztliche Therapeuten und Diplompsychologen an einer tiefenpsychologisch fundierten und auch analytischen Behandlung beteiligt. Seit 1980 ist bei den verschiedenen Kassenarten auch die sogenannte Verhaltenstherapie in die Kassenleistungen mit einbezogen. Die Menschen und Institutionen in unserem Lande wurden aufgeschlossener für die Sorgen und Nöte der psychisch Kranken und ihrer Familien. Viele Personen arbeiten heute von Berufs wegen, aber auch aus Berufung mit, um diesen Kranken und ihren Familien zu helfen, daß sie mit ihrem Schicksal besser fertig werden. Auch dafür wollen wir all diesen Ärzten, Psychologen, Psychotherapeuten, Sozialpädagogen, Sozialarbeitern, Helferinnen und Helfern danken. ({0}) Die Bundesregierung hat zwar keine Zuständigkeit, durch ein besonderes Gesetz die psychiatrische Versorgung der Bevölkerung bundeseinheitlich umfassend zu regeln. Dies sollten sich die GRÜNEN merken - die nicht mehr im Saale sind -, da sie in ihrem Entschließungsantrag ein umfassendes Gesetz verlangen. Die Bundesregierung hat sich aber damals bereit erklärt, im Rahmen ihrer Zuständigkeit zusätzliche Finanzmittel für neue Modelle in der Psychiatrie bereitzustellen. Seinerzeit wurde bei dem Bundesminister für Familie, Jugend und Gesundheit ein Modellverbund „Ambulante psychiatrische und psychotherapeutisch-psychosomatische Versorgung" eingerichtet, der jetzt in die zweite Phase läuft. Neben diesem Projekt des Modellverbundes Psychiatrie hat die Bundesregierung 1980 ein großes Programm zur Reform der Versorgung psychisch Kranker mit einem Finanzvolumen von ca. 250 Millionen DM über sechs Jahre hinweg begonnen. Dieses Programm folgte den Vorstellungen der Sachverständigenkommission. Damit sollten, netzDr. Becker ({1}) artig miteinander verflochten, stationäre, teilstationäre, ambulante und komplementäre Einrichtungen und Dienste in Einzelregionen sowie ergänzende Maßnahmen im Krankenhausbereich und im Bereich der beruflichen Rehabilitation gefördert werden. Das Ziel war, wissenschaftlich abgesicherte Praxiserfahrungen für gesetzgeberische Maßnahmen des Bundes zu gewinnen. Schon bei der Einrichtung dieses Modellprogramms waren die einzelnen Länder darauf hingewiesen worden, daß sie gegebenenfalls für die Anschlußfinanzierung Sorge tragen müßten. Dieses Modellprogramm wird Ende 1985 auslaufen. Der wissenschaftliche Auswertungsbericht ist für Oktober 1986 vorgesehen. Auf seiner Basis sollen dann gemeinsam mit der Beraterkommission Empfehlungen erarbeitet werden, aus denen dann Konsequenzen für die weitere Anwendung und Entwicklung, für die Finanzierung, für die Kostenträgerschaft und eventuell auch für Gesetze zu ziehen sind. Diese Empfehlungen sind nach dem bisherigen Zeitplan für Mitte 1987 vorgesehen. Jedoch war schon während der Modellaufzeit eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe 1984 in einer Zwischenbilanz zu der Feststellung gekommen, daß sich eine ganze Reihe von Einrichtungen im ambulant-komplementären Bereich bewährt haben. Dies gilt insbesondere für die Tageskliniken und die Institutsambulanzen, aber auch für Rehabilitationseinrichtungen für psychich Kranke, für sogenannte Übergangseinrichtungen und für Werkstätten für Behinderte. Für die beiden letztgenannten Einrichtungen dürfen wir davon ausgehen, daß in Bälde Lösungen bereitstehen, die Schritte des Gesetzgebers zur Zeit nicht notwendig machen. So hat auf Initiative der Bundesregierung der Kosten- und Finanzierungsausschuß des Modellprogramms Psychiatrie ein Konzept für die Rehabilitation psychisch Kranker und Behinderter erarbeitet, die einer stationären Behandlung nicht mehr bedürfen, aber noch nicht in der Lage sind, mit ambulanter Hilfe allein auszukommen. Der Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation begrüßte dieses Konzept und beauftragte eine Arbeitsgruppe, die noch offenen Fragen zügig zu regeln. Für die Übergangseinrichtungen für psychisch Kranke und Behinderte wurde dann ein fachliches Anforderungsprofil entwickelt. Damit sind jetzt die Voraussetzungen geschaffen, daß die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine Empfehlungsvereinbarung verabschieden und damit die Finanzierung der Leistungen dieser Einrichtungen sicherstellen kann. Hiermit ist im Frühjahr 1986 zu rechnen. Auch für die Werkstätten für psychisch Behinderte will die Bundesanstalt für Arbeit auf der Grundlage des geltenden Rechts und der Werkstättenverordnung sicherstellen, daß durch ein flexibleres Anerkennungsverfahren und eine Anpassung des Mindestplatzangebots auch den Belangen der psychisch Behinderten bei der beruflichen Eingliederung besser als bisher Rechnung getragen werden kann. Am 7. November 1985 fand im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung eine Sachverständigenanhörung zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Verbesserung der Versorgung psychisch Kranker statt. Auf Grund der Ergebnisse dieser Anhörung ist die CDU/CSU-Bundestagsfraktion der Ansicht, daß, bevor die abschließenden bewertenden Ergebnisse des Modellprogramms vorliegen, jetzt nur die Tageskliniken und die Institutsambulanzen gesetzlich abgesichert werden sollten. Für diese muß eine dauerhafte finanzielle Grundlage geschaffen werden. Bezüglich der anderen ambulanten Einrichtungen, der komplementären Versorgungseinrichtungen - wie therapeutische Wohngemeinschaften oder sozialpsychiatrische ambulante Dienste -, sind wir der Ansicht, daß zunächst die endgültigen Bewertungen abgewartet werden sollten. Denn wir müssen sicher sein, daß knappes Geld in eine Richtung gelenkt wird, die die Wirkung hat, die wir alle beabsichtigen. Wir müssen auch sicher sein, daß die Kostenbelastungen systemgerecht verteilt werden, da hier neben die pflegerische Versorgung - dafür wäre die Krankenversicherung zuständig - auch die fürsorgerische Betreuung tritt; dafür wären aber die Gemeinden und die Länder zuständig. Zur Verbesserung der teilstationären Krankenhauspflege hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion jetzt vorgeschlagen, die 1981 auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in die Reichsversicherungsordnung aufgenommene Einschränkung zu beseitigen. Diese hatte die teilstationäre Krankenhauspflege im psychiatrischen Bereich nur zugelassen, wenn ihr eine vollstationäre Behandlung vorausgegangen war. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß durch die teilstationäre Krankenhauspflege die Verweildauer in vollstationären Behandlungen erheblich abgekürzt werden konnte. Weiterhin zeigte sich, daß durch eine teilstationäre Krankenhausbehandlung eine vollstationäre Behandlung oft vermieden werden konnte. Beides hat dazu geführt, daß in solchen psychiatrischen Krankenhausabteilungen zahlreiche Betten abgebaut werden konnten. Bei einzelnen Verbänden gab es Unklarheit darüber, ob hier eine neue Dimension in der Krankenhausbehandlung zu Lasten der ambulanten Versorgung begonnen würde. Dazu ist festzustellen, daß bereits im Krankenhausgesetz von 1972 bezüglich der Krankenhauspflege die vollstationäre und die damals halbstationär genannte Behandlung festgeschrieben wurden. Wir sehen in diesem Instrument eine besonders wirkungsvolle Maßnahme, die vor allem den Kranken zugute kommt, sie vor unnötigen Krankenhausaufenthalten bewahrt und die bessere Integration in den häuslichen und familiären Lebensraum fördert und darüber hinaus auch noch Kosten im Gesundheitswesen einsparen hilft. Wir gehen davon aus, daß es mit Hilfe der teilstationären Behandlung gelingt, weitere unnötige Krankenhausbetten abzubauen. Die psychiatrischen Institutsambulanzen haben eine besondere Versorgungsfunktion. Sie stellen keine Konkurrenz zu den ambulanten niedergelas14112 Dr. Becker ({2}) senen Nervenärzten dar, denn hier werden solche Patienten versorgt, die wegen der Schwere und der Dauer ihrer Erkrankungen für die Behandlung durch die niedergelassenen Nervenärzte nicht in Betracht kommen oder im Einzelfall wegen zu großer Entfernung zu dem nächsten niedergelassenen Arzt auf die Behandlung in den Institutsambulanzen angewiesen sind. Hier erhalten sie neben der ärztlichen Behandlung auch Therapieleistungen von nichtärztlichen Berufsgruppen, wie DiplomPsychologen, Sozialarbeitern und pflegerischen Fachkräften. In dem Modellprogramm haben sich die Einrichtungen sehr gut bewährt. Auch hier konnten sehr oft eine vorzeitige Entlassung aus vollstationärer Behandlung erreicht und eine Einweisung in die stationäre Behandlung vermieden werden. In dem Modellprogramm waren die Therapieleistungen dieser Einrichtungen mit einem Finanzvolumen von zirka 250 000 DM bis 300 000 DM im Jahr knapp ausreichend ausgestattet. Zur Zeit gibt es etwa 60 solcher Institutsambulanzen. Es werden wohl einige dazukommen, so daß der angesprochene Kostenrahmen von 30 Millionen DM gerechtfertigt erscheint. Dabei sind die möglichen Kosteneinsparungen durch Verhinderung stationärer Behandlung noch nicht einmal gegengerechnet. Wenn z. B. nur 1 % an Krankenhausaufnahmen durch diese Institutsambulanzen vermieden wird oder bei zusätzlichen 2 % die stationäre Behandlung durch die Nachsorge verkürzt werden kann, dann sind die erwarteten Kosten bereits ausgeglichen. Die Zahlen zeigen, daß die in einzelnen Standespresseorganen - auch von der Krankenkassenseite - kolportierten Kosten wohl massiv überhöht sind. Da jetzt eine gesetzliche Verpflichtung für solche Verträge geschaffen wird, gehen wir davon aus, daß diese Verträge bei gutem Willen aller Seiten auch zügig vorankommen - zum Wohle der betroffenen Patienten. Sollten aber Schwierigkeiten entstehen, werden wir die Frage der Einrichtung von Schiedsstellen zu prüfen haben. Die Anhörung der Sachverständigen hat gezeigt, daß eine Einbeziehung von Sozialarbeitern in die ambulante psychiatrische Versorgung schon heute möglich ist. Hierbei kann z. B. ein Modell der Koordinierung zwischen der Tätigkeit der niedergelassenen Nervenärzte einerseits und der Tätigkeit von Sozialarbeitern in der häuslichen Krankenpflege andererseits besser genutzt werden. Das geltende Recht, der § 185 der RVO, läßt dies schon jetzt durchaus zu. Seit einem Jahr laufen zwischen Bund und Ländern Verhandlungen, die sichergestellt haben, daß die Anschlußfinanzierung der jetzt bestehenden weiteren Modelleinrichtungen nach Ablauf des Programms erfolgen kann. Anderslautende Presseberichte entsprechen nicht den Tatsachen. Meine Damen und Herren, nach Vorlage der Modellprogrammergebnisse im kommenden Jahr und nach Bewertung durch die Sachverständigenkommission werden wir sehen, ob, wo und wie weitere gesetzliche Maßnahmen notwendig werden. Daher lehnen wir den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD als verfrüht, da noch nicht fundiert, ab und stellen unseren Entwurf zur Abstimmung. Es ist unser erklärtes Ziel, auch in Zukunft die Lage der psychisch Kranken durch die richtigen und wirksamen Maßnahmen zu verbessern; keineswegs aber mit Vorschlägen, wie sie in dem Entschließungsantrag der GRÜNEN enthalten sind, die ihn anscheinend gar nicht vertreten wollen, da sie nicht im Saale sind. ({3}) - Dies sollte vorkommen. - Es ist so, daß dort die Abschaffung der psychiatrischen Krankenhäuser verlangt wird. Man scheint das italienische Desaster noch nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Weiter werden die weitgehende Abschaffung von medikamentöser Behandlung sowie die Neuneinrichtung - wie könnte es anders sein - einer neuen oberaufsichtlichen Körperschaft, eines sogenannten regionalen Instituts für seelische Gesundheit, gefordert. Meine Damen und Herren, dies sind sicher keine Maßnahmen, mit denen man die Lage psychisch Kranker eingehend verbessern kann. Demgegenüber begrüßen wir aber die Haltung unserer Kolleginnen und Kollegen der SPD, die unserem Antrag zustimmen wollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da ich wohl der letzte Redner unserer Fraktion in diesem Jahr hier im Hohen Hause bin, gestatten Sie mir, Herr Präsident, der Bundesregierung und allen Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause, aber auch den Menschen in unserem Lande ein gesegnetes Weihnachtsfest, alles Gute und ein erfolgreiches, gesundes und gutes neues Jahr zu wünschen. Schönen Dank. ({4})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schreiner.

Ottmar Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002073, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines der bedrückendsten und beschämendsten Ereignisse meiner bisherigen politischen Arbeit erfuhr ich vor einiger Zeit anläßlich eines Besuches in einer Nervenklinik: Junge Menschen, um die 16 Jahre alt, lagen angekettet in ihren Betten. Einzig zur Nahrungsaufnahme wurden die Ketten gelöst. Auf mein Befragen hin erklärte mir die Krankenhausleitung, daß eine humane Behandlung möglich wäre. Die Ketten wären durchaus durch persönliche Betreuung der Kranken zu ersetzen, doch leider seien die finanziellen Mittel nicht vorhanden. Neben den unmittelbar betroffenen Jugendlichen litten die Ärzte und das Pflegepersonal selbst wohl am meisten an dieser unwürdigen Situation. ({0}) - Das war vor drei Jahren in der Landesnervenklinik im Saarland. ({1}) - Ich habe gesagt: „vor einiger Zeit". Also, das war vor drei Jahren, und ich denke, daß Sie diese Erfahrungen ebenfalls machen würden, wenn Sie sich der Mühe unterziehen würden, entsprechende Einrichtungen zu besuchen. ({2}) In Art. 1 Abs. 1 unseres Grundgesetzes heißt es: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Von Mangoldt-Klein-Starck schreiben dazu in ihrem Kommentar zum Grundgesetz - ich zitiere ({3}) - es wäre der Problemlage wirklich angemessener, wenn Sie endlich ein kleines bißchen ruhiger wären, meine Kollegen -: Die Grundlage für die besondere Würde jedes Menschen ist nach dem Alten und Neuen Testament der Umstand, daß der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen ist. Daraus erwächst ihm auf Erden ein unverfügbarer Eigenwert, weshalb der Mensch nie zum bloßen Objekt oder Instrument gemacht werden darf. Regina Oehler beschreibt in einem Bericht mit der Überschrift „Irre menschlich" in der Wochenzeitung „Die Zeit" vom 1. November dieses Jahres die bundesdeutsche Wirklichkeit angesichts der Anforderungen unseres Grundgesetzes: In der Bundesrepublik freilich werden - trotz mancher Verbesserungen - psychisch kranke Menschen immer noch zum großen Teil in abseits gelegenen psychiatrischen Fachkrankenhäusern aus dem vorigen Jahrhundert behandelt. Noch heute gibt es dort Abteilungen, in denen Langzeitpatienten unter menschenunwürdigen Bedingungen ihr Leben verdämmern. Nachdenkenswert ist sicherlich auch, daß die dumpfe Langzeitkasernierung vieler psychisch Kranker hierzulande nicht einmal in Frage gestellt wurde, während sich schon in den 50er und 60er Jahren in vielen anderen Ländern, in den Vereinigten Staaten, in Frankreich, in Italien, in Großbritannien, um nur einige zu nennen, eine gemeindenahe psychiatrische Versorgung herauszubilden begann. Tragender Gedanke war dabei die Erkenntnis, daß das Entstehen und die Entwicklung psychischer Schädigungen ganz erheblich von psychosozialen Faktoren bestimmt werden. Mit anderen Worten: Je besser die Lebensumwelt des Kranken, um so größer ist die Aussicht auf einen erfolgreichen Behandlungsverlauf. Dieses Wissen führte in diesen Ländern zu einer grundlegenden Neugestaltung der Behandlung: Nachsorgeeinrichtungen, Ambulanzen und Tageskliniken kümmerten sich möglichst noch am Wohn- und Arbeitsort um die entlassenen Patienten. Arbeit, Freizeit und Wohnen wurden so organisiert, daß der Lebenskreis des Patienten eine wirkliche Hilfe zu selbständigem Leben darstellte. In der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung am 7. November dieses Jahres äußerte denn auch der nordrhein-westfälische Psychiatrieprofessor Dr. Dr. Dörner folgerichtig, es komme darauf an, jedem einzelnen Kranken „eine eigene kleine Lebenswelt" zu geben. Die körperliche Pflege sei zu ergänzen durch die Pflege der Kontakte, „das Herstellen von Beziehungen, die ein Mensch braucht, um im Umgang mit anderen Menschen zurechtzukommen". Diesem obersten Ziel diente denn auch das „Modellprogramm Psychiatrie" der Bundesregierung aus dem Jahr 1980, das im Anschluß an den Bericht einer vom Bundestag eingesetzten Psychiatrie-Enquete-Kommission entwickelt wurde. Die Sachverständigen der damaligen Enquete-Kommission waren in ihrem Schlußbericht zu einem geradezu vernichtenden Urteil gekommen: „Die Versorgung psychisch Kranker und Behinderter in der Bundesrepublik ist dringend verbesserungsbedürftig." Kernelemente einer neuen Konzeption der Versorgung sollten sein: Die diskriminierende Ungleichbehandlung von körperlich und psychisch Kranken soll beendet werden; psychisch Kranke sollen gemeindenah versorgt werden; für alle psychisch Kranken ist eine umfassende, auf die Bedürfnisse abgestimmte Versorgung zu entwickeln; die Versorgungsdienste einer Region sollen koordiniert werden. Das „Modellprogramm Psychiatrie" der damaligen Bundesregierung verarbeitete die grundlegende Kritik der Enquete-Kommission und formulierte, Aufgabe des Programmes sei es, herauszuarbeiten, wie durch die nahtlos ineinandergreifende Versorgung psychisch Kranker und Behinderter durch ambulante Behandlung, Tageskliniken, sozialpsychiatrische Dienste, Übergangswohnheime, beschützende Wohngruppen, Patientenklubs und Werkstätten etc. der Aufenthalt in psychiatrischen Fachkrankenhäusern vermieden oder zeitlich begrenzt werden kann. Das Modellprogramm hat sich nach Auffassung aller Experten uneingeschränkt bewährt. Die Bundesfinanzierung endet mit dem Ablauf dieses Jahres. Wir Sozialdemokraten haben, um nicht alles zu gefährden, was in mühseliger Kleinarbeit entwikkelt wurde, einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dessen Hilfe die Leidensgeschichte vieler psychisch Kranker zwar nicht ganz beendet werden, aber doch erheblich gemildert werden kann. Psychisch Kranke werden mit körperlich Kranken gleichgestellt. Eindeutige sozialversicherungsrechtliche Grundlagen schaffen die notwendige materielle Absicherung. Vorhandenes und Bewährtes sollen damit auf Dauer Bestand haben. Die Gesetzesinitiative der SPD-Bundestagsfraktion sowie die gleichlautende Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen im Bundesrat haben immerhin bewirkt, daß sich angesichts der überzeugenden Argumente, die ja auch in der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung von den Experten bestätigt wurden, die Koalitionsfraktionen ihrerseits genötigt sahen, nunmehr selbst gewissermaßen in allerletzter Minute einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen. Der Gesetzentwurf von CDU/ CSU und FDP wird allerdings den wirklichen Bedürfnissen der Betroffenen nur in wenigen Ansätzen gerecht. Er verbessert die Leistungsfähigkeit der Institutsambulanzen und erweitert die Versorgungsmöglichkeiten in Tageskliniken. Die „Süddeutsche Zeitung" beschreibt in einem kritischen Artikel vom 11. Dezember dieses Jahres den Koalitionsentwurf als „Schmalspurgesetz": Die psychisch Kranken blieben weiter im Abseits. Der SPD-Gesetzentwurf geht erheblich weiter und nimmt all jene Erfahrungen aus dem „Modellprogramm Psychiatrie" in eine einheitliche gesetzliche Regelung auf, die sich nach Auffassung der Psychiatrieexperten jetzt schon bewährt haben: erstens die Erweiterung des Leistungskatalogs, in dem Behandlungen mit Unterkunft und Verpflegung in Übergangseinrichtungen für psychisch Kranke als Regelleistung festgelegt sind; zweitens die Zurechnung von vom herkömmlichen Bild somatisch orientierter Krankenpflege abweichenden Leistungen sozialpsychiatrischer Krankenpflege zu der häuslichen Krankenpflege; drittens das Erbringen von Leistungen der häuslichen Krankenpflege für die Gruppe der psychisch Kranken auch dann schon, wenn sie zur Sicherung der ärztlichen Behandlung erforderlich ist; viertens die Gewährung von Haushaltshilfe neben der häuslichen sozialpsychiatrischen Krankenpflege. Sollte unser SPD-Gesetzentwurf hier ohne Mehrheit bleiben, was leider zu befürchten ist, so werden wir Ihrem Vorschlag, wenn auch schweren Herzens, zustimmen. Ihr Entwurf ist ein Minimaleinstieg für eine dauerhafte Reform. Wir geben die Hoffnung nicht auf, daß im Lauf des nächsten Jahres, wenn die förmlichen Einzelauswertungen des Modellprogramms vorliegen, eine umfassende Reform gelingt. Unser Leitgedanke als Sozialdemokraten ist und bleibt: Die Humanität einer Gesellschaft mißt sich daran, wie sie ihre schwächsten Glieder behandelt. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, laßt uns einmal überlegen, wie der Diskussionsstand im Deutschen Bundestag wäre, wenn im engsten Familienkreis jedes Bundestagsabgeordneten ein psychisch Kranker wäre! Laßt uns darüber nachdenken, ob dies die Intensität unserer Beschäftigung mit diesem überaus schwierigen Problem verstärken würde. Und lassen Sie mich den Kollegen Becker, da er an die Bevölkerung herzliche Weihnachtsgrüße gerichtet hat, vielleicht in einem Punkt, den ich besonders betone, ergänzen: Ich möchte als der Redner der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zu diesem Thema kurz vor dem Weihnachtsfest allen psychisch Kranken in unserem Land ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein vielleicht in mancherlei Hinsicht erträglicheres neues Jahr wünschen. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Adam-Schwaetzer.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Verbesserung der ambulanten und teilstationären Versorgung psychisch Kranker, die wir heute vornehmen wollen, ist die Diskussion um die Verbesserung der Situation der psychisch Kranken in der Bundesrepublik nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: Es kann wirklich nur als ein Etappenschritt verstanden werden auf dem Weg hin zu einer umfassenden Veränderung und Absicherung der Versorgung psychisch Kranker, so wie sie uns die Enquete-Kommission bereits im Jahre 1975 vorgeschlagen hat. Die Enquete-Kommission „Lage der psychisch Kranken in der Bundesrepublik Deutschland" hat in der Tat schwerwiegende Defizite in der Versorgung dieser Menschen festgestellt. Der Bericht, der dem Deutschen Bundestag 1975 vorgelegt worden ist, ging davon aus, daß diese Versorgung dann am besten gewährleistet sein könnte, wenn es ein Geflecht gäbe von klinischer Versorgung und teilstationärer Versorgung, die ergänzt wird durch eine Fülle von unterschiedlichen und nach unterschiedlichen Kriterien arbeitenden ergänzenden sogenannten komplementären Diensten. Erst im Jahre 1980 konnte das Modellprogramm der Bundesregierung in Gang gesetzt werden. Fünf Jahre lagen dazwischen. Ich finde, diese fünf Jahre sind bedauerlich. Sie fehlen uns eigentlich heute noch. Dieser Abstand von fünf Jahren kam maßgeblich dadurch zustande, daß die Bundesregierung immer noch versucht hatte, die damals CDU-regierten Länder dazu zu bewegen, bei diesem Modellprogramm mitzumachen. Es gelang nicht, mit Ausnahme des Saarlandes. Die Begründung der Länder war zwar einsichtig, auf der anderen Seite auch wieder ein wenig seltsam. Die CDU-regierten Länder zogen sich darauf zurück, daß die Versorgung psychisch Kranker eine Aufgabe der Länder sei, mit der die Bundesregierung nichts zu tun habe. Das ist zwar richtig; dennoch, meine ich, wäre es sinnvoll gewesen, hier gemeinsam etwas in Gang zu setzen, wie es dann mit dem Modellprogramm, an dem sich letzlich nur einige Länder beteiligten, tatsächlich geschehen ist. In dem Modellprogramm ging es nicht mehr darum, einzelne institutionelle Einrichtungen, einzelne Programmteile zu fördern, sondern es ging darum, herauszufinden, wie die regionale Versorgung psychisch Kranker am besten durchgeführt werden könne. Herr Kollege Schreiner, Ihr Beispiel, das Sie aus der Klinik Merzig gebracht haben, ist sicherlich sehr zu Herzen gehend. Ich glaube, man muß in diesem Zusammenhang aber eben auch bedenken, daß Sie diesen Vorwurf, der so unterschwellig mitschwang, wir würden daran nichts ändern, vielleicht an dieser Stelle nicht zu Recht erhoben haben; denn in der Tat ist es nach wie vor eine Aufgabe der Länder, dafür zu sorgen. Ich halte überhaupt nichts davon, zu versuchen, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben. Trotzdem muß auch auf die unterschiedlichen Finanzierungsverantwortungen einmal hingewiesen werden, gerade im Hinblick auf den Entwurf, den die Sozialdemokraten hier vorgelegt haben. Als Bundestag können wir jetzt darüber beschließen, ob wir in die Reichsversicherungsordnung bestimmte neue Leistungen, die für die Versorgung psychisch Kranker wichtig sind, aufnehmen wollen. Das tun wir auch mit dem Gesetzentwurf, den wir hier vorlegen. Wir wollen, daß die teilstationäre Versorgung abgesichert wird, daß der Zugang dazu für die psychisch Kranken möglich wird, ohne daß Sie vorher einen Krankenhausaufenthalt hatten. Wir wollen die Institutsambulanzen für diejenigen Patienten absichern, die dringend auf die Versorgung in diesen Institutsambulanzen angewiesen sind. Das sind Patienten, die sonst auf Grund ihrer speziellen psychischen Probleme nicht in der ambulanten Versorgung zu versorgen wären. Wir meinen aber, daß alle weitergehenden Entscheidungen der Auswertung des Modellprogramms vorbehalten bleiben müssen, die uns erst Mitte 1986 vorliegen wird. Es ist in der Öffentlichkeit fälschlich der Eindruck entstanden, mit dem Auslaufen des Modellprogramms Ende Dezember 1985 sei die Finanzierung der komplementären Dienste, die in den Modellregionen aufgebaut wurden, nicht gesichert. Dieser Eindruck ist falsch. Die Länder, die sich 1985 an dem Modellprogramm beteiligt haben, haben damals die Zusage gegeben, daß sie nach dem Auslaufen des Programmes bis zur Auswertung des Modellversuches die Anschlußfinanzierung übernehmen wollen. Die Gespräche zwischen dem Bundesarbeitsministerium und den entsprechenden Ministerien der Länder sind im Gange und werden, wie wir hoffen, kurzfristig abgeschlossen, so daß hier wirklich nicht die Notwendigkeit besteht, im Vorgriff auf die Auswertung des Modellprogramms eventuell unüberlegte Schritte einzuleiten, die unter Umständen nicht durch das Modellprogramm gedeckt wären. Meine Damen und Herren, das ist der Grund, weshalb wir den Antrag der SPD-Fraktion heute ablehnen werden. Die GRÜNEN haben zu dieser Debatte einen umfassenden Entschließungsantrag eingebracht, in dem sie ihre Vorstellungen zur Versorgung psychisch Kranker darlegen. Ich stelle fest, daß kein Kollege der GRÜNEN anwesend ist, um eine Einführung in diesen Antrag zu geben. ({0}) Ich denke, daß das Grund genug ist festzustellen, daß es die GRÜNEN entweder mit der parlamentarischen Arbeit offensichtlich nicht so ernst nehmen oder aber daß sie es mit der Versorgung psychisch Kranker nicht so ernst nehmen. ({1}) Ich bedaure das zutiefst, denn sie versuchen immer, in der Öffentlichkeit einen gegenteiligen Eindruck zu erwecken. Deshalb scheint es mir notwendig zu sein, einmal auf die sich hier im Hause ergebenden Realitäten hinzuweisen. Meine Damen und Herren, wir haben lange darüber debattiert, ob wir in den Antrag der Koalition zur Absicherung der Finanzierung der Institutsambulanzen auch Schiedsstellen mit aufnehmen sollen, um so sicherzustellen, daß auf jeden Fall Verträge zwischen dem Krankenhausträger auf der einen Seite und der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen auf der anderen Seite zustandekommen. Die sich im Zusammenhang mit der Einrichtung solcher Schiedsstellen ergebenden Probleme waren in der Kürze der Zeit nicht zu lösen. Wir appellieren deshalb an alle Beteiligten, die am Zustandekommen solcher Verträge mitarbeiten müssen, nun zügig voranzukommen. Wir haben deshalb eine Übergangsvorschrift in unseren Gesetzentwurf aufgenommen. Wir behalten uns ausdrücklich vor: Sollten diese Verträge nicht zustandekommen, so werden wir auf die Frage der Schiedsstellen zurückkommen, denn wir denken, es ist absolut notwendig, die Institutsambulanzen in der von uns vorgesehenen Weise mit medizinischem Hilfspersonal, das von den Krankenkassen bezahlt werden muß, auszustatten. Meine Damen und Herren, wir hoffen, daß mit diesem Gesetz ein kleiner, aber wichtiger Schritt zur Verbesserung und zur Absicherung der Behandlung psychisch Kranker in der Bundesrepublik getan ist. Wir werden uns in den nächsten Jahren noch häufig und ernsthaft mit dieser Frage auseinanderzusetzen haben. Die Defizite, die die Enquete-Kommission aufgezeigt hat, sind zwar nicht aufgearbeitet, aber ich denke, wir alle zusammen haben den Willen, daran zu arbeiten, und wir werden es auch tun. Vielen Dank. ({2})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Jaunich.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Becker und auch Sie, Frau Adam-Schwaetzer, haben hier zumindest den Anschein erweckt, als seien die Überlegungen, die Eingang in unseren Gesetzentwurf gefunden haben, zu übereilt, zu überhastet und nicht richtig abgesichert. Ich weise Sie darauf hin, daß unser Gesetzentwurf auf den Vorschlägen aufbaut, die die Gesundheitsminister und -senatoren aller Bundesländer im November vorigen Jahres als erkennba14116 res positives Ergebnis der Modellphase gemacht haben. ({0}) Als der Deutsche Bundestag die Einsetzung der Enquete-Kommission auf Anregung des Kollegen Picard in den 70er Jahren beschloß, war die Situation der Versorgung psychisch Kranker deutlich schlechter als heute. Aber ich habe den Eindruck, daß die Bereitschaft, sich diesem Thema hier in diesem Hohen Hause zu widmen, im Gegensatz zu den 70er Jahren deutlich nachgelassen hat. ({1}) - Sie haben den Kollegen Picard noch nicht ersetzt. Da müssen Sie sich noch sehr anstrengen. Die Reformansätze in der Psychiatriepolitik drohen zu versanden. Sie drohen im Bürokratiegestrüpp und im Kompetenzgerangel der Finanzierung zu scheitern. Deswegen haben wir als Konsequenz daraus in Erkenntnis dessen, was das 1979/80 von Antje Huber und Hans Matthöfer finanzierte, eingeleitete Modellprogramm an Erkenntnissen gebracht hat, unseren Gesetzentwurf dem Hause vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf ging und geht davon aus, daß tagesklinische Behandlung unabhängig davon, ob sich der Patient bereits in stationärer Behandlung befindet, immer dann zu gewähren sein soll, wenn dies ärztlich geboten ist und anderenfalls vollstationäre Behandlung erforderlich würde. Diesem Vorhaben trägt Ihr Gesetzentwurf Rechnung, wenn er allerdings aus unserer Sicht auch nicht die eindeutige Klarheit schafft, die wir gewünscht hätten. Der zweite Punkt unseres Entwurfes sah vor, daß Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in Übergangseinrichtungen für psychisch Kranke und Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation für seelisch Behinderte in diesen Einrichtungen ausdrücklich in den Leistungskatalog der Sozialversicherung und des Versorgungsrechtes aufgenommen werden. Diesen Punkt haben Sie ausgeklammert. Wie wichtig es ist, das so zu regeln, wie wir vorgeschlagen haben, beweist die Vielzahl von Briefen Betroffener, die hoffentlich auch Sie und nicht nur uns erreicht haben; denn es macht ja wenig Sinn, uns aufzufordern, unseren Gesetzentwurf zu verabschieden. Diese Appelle müßten eigentlich an Sie gehen. Drittens. Ebenfalls ausdrücklich in den Leistungskatalog aufgenommen wurde die nach ärztlichem Zeugnis notwendige sozialpsychiatrische Krankenpflege, die kraft gesetzlichen Anspruchs auch zur Sicherung der ärztlichen Behandlung zu gewähren sein soll. Die Leistung ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch psychisch Kranken und seelisch Behinderten in entsprechenden Wohngemeinschaften zu gewähren. Auch dies sehen Sie derzeit nicht als regelungsfähig an. Wir haben uns darüber hinaus vorgenommen, daß Kraft unseres Gesetzentwurfs in die jeweiligen Satzungen der Versicherungsträger Bestimmungen über die Gewährung ergänzender Haushaltshilfe bei Inanspruchnahme sozialpsychiatrischer Krankenhauspflege aufgenommen werden sollten. Auch hierzu sahen Sie sich nicht in der Lage, dies heute bereits zu regeln. Ich sage Ihnen voraus: Diese drei Punkte, die in unserem Entwurf enthalten sind und in Ihrem nicht, werden, Frau Adam-Schwaetzer, im nächsten Jahr hier wiederum zur Behandlung anstehen, und dann wird die Verzögerungstaktik, die Sie jetzt an den Tag gelegt haben, für Sie nicht mehr haltbar sein. In dem fünften Punkt unseres Gesetzentwurfs stimmen wir dann wieder überein, wo es um den Abschluß der Institutsverträge geht. Da haben Sie sich in den Ausschußberatungen etwas ganz Besonders einfallen lassen. Da wird zum ersten Mal in die Reichsversicherungsordnung bei der Behandlung dieses Punktes expressis verbis geschrieben: Dabei ist auch dem Ziel der Beitragsstabilität Rechnung zu tragen. Hervorragend, kann ich nur sagen. Warum haben Sie dann nicht gleich gesagt, daß bei allen Vertragsbereichen der Reichsversicherungsordnung dieser Gesichtspunkt der Beitragsstabilität zu gewährleisten wäre? Sie hätten sofort unsere vollste Zustimmung dazu. Aber es wirft ein bezeichnendes Schlaglicht, nur bei den psychisch Kranken den Gesichtspunkt der Beitragsstabilität aufzunehmen und die übrigen Bereiche davon freizulassen. Sie haben sich nicht imstande gesehen, unserem Gesetzentwurf zu folgen, weil die Krankenkassen und die Rentenversicherungsträger mit Kosten belastet worden wären. Das ist der Punkt.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer?

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, Herr Präsident.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Bitte sehr, Frau Kollegin.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Jaunich, stimmen Sie mir zu, daß dieser Hinweis auf die Beitragssatzstabilität nicht speziell psychisch Kranke betrifft, sondern daß diese Formulierung bereits im Krankenhausfinanzierungsgesetz bereits als Leitlinie mit verabschiedet worden ist, und daß sie deshalb, weil es sich auch hier um Krankenhauspflege handelt, hier mit aufgenommen worden ist?

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, dies kann meinen Einwand nicht entkräften. Hier geht es um die Reichsversicherungsordnung. Und das geschieht erstmalig in der Reichsversicherungsordnung, bei einem Kapitel, wo es um die Institutsverträge für die Psychiatrie geht. Noch einmal: Ich wäre bereit, mit Ihnen zusammen, diese Passage bei allen Abschlüssen von Verträgen gelten zu lassen. Aber hier wird der Unterschied deutlich, den Sie zwischen der Versorgung psychisch und somatisch Kranker machen. ({0}) Und dieser Zustand, meinten wir eigentlich, wäre überwunden. Meine Damen, meine Herren, Sie haben noch vor ein paar Wochen bei mehreren Debatten erst geleugnet, daß es überhaupt einen gesetzlichen Regelungsbedarf gebe. Ich erinnere an die Haushaltsberatungen und vorausgehende Beratungen. Dann sind Sie auf Grund des Druckes, der durch unsere Gesetzesinitiative entstanden ist, mit Ihrer schmalen Lösung übergekommen, der wir im Interesse der psychisch Kranken zustimmen werden, obwohl dies eben nicht der Wurf ist, der heute möglich gewesen und dringend erforderlich wäre. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie ein bißchen das Ziel aus dem Auge verloren haben, psychisch Kranke und somatisch Kranke rechtlich und materiell völlig gleichzustellen. Herr Kollege Becker, Weihnachten liegt vor uns, und ich wünsche und hoffe, daß Sie die Weihnachtstage zur Besinnung nutzen. ({1}) - Alle, natürlich. Ich hoffe, daß Sie sich, nicht nur weil wir da ein paar freie Tage haben werden, die Bedeutung von Weihnachten vor Augen führen werden und diese Besinnung dazu führt, daß in die Überlegungen auch jene eingeschlossen und im nächsten Jahr mit stärkeren Aktivitäten Ihrerseits belegt werden, die wir heute noch ausgliedern. Es ist uns ja bisher nicht gelungen, die völlige rechtliche und tatsächliche Gleichstellung der psychisch Kranken mit den somatisch Kranken zu erreichen. Dies wird doch niemand negieren wollen. Daß uns dieser Schritt heute nicht aureichend erscheint, können Sie uns nicht übel nehmen. Alles, was Sie hier vorgetragen haben, war eigentlich nicht geeignet, den Eindruck zu zerstören, der bei uns aufgekommen ist, der Sie sich wegen der finanziellen Belastungen für die Versicherungsträger um eine weitergehende Lösung herumgedrückt haben. Dies wird Ihnen im neuen Jahr nicht mehr möglich sein. ({2})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Herrn Höpfinger.

Stefan Höpfinger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000926

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Jaunich: Die Bereitschaft, den psychisch Kranken zu helfen, ist bei allen vorhanden. ({0}) Ich würde hier nicht unterscheiden, ob bei dem einen mehr und bei dem anderen weniger, sondern sagen: sie ist vorhanden. Die positiven Ansätze, von denen bei mehreren Rednern die Rede war, sind nicht versandet. Wenn ich Ihren Entwurf nehme - und Sie haben vorhin ausgeführt, welche Teile im Gesetzentwurf der Koalition nicht enthalten seien -, muß ich sagen: Sowohl bei den Übergangsheimen als auch bei den betreuten Wohngemeinschaften als auch bei den Einzelwohnungen werden noch eine Reihe von Fragen zu klären sein, wie diese Angelegenheit mitbehandelt werden soll. Ich werde nachher noch einmal darauf zu sprechen kommen, vor allem auch wegen der Finanzierung und der Zuständigkeit für die Finanzierung. Ich möchte auch darauf verweisen, Herr Kollege Jaunich, daß es keine Verzögerungstaktik gibt. Das ist mehr oder weniger eine Unterstellung. Wir nehmen sie hin. Aber es ist nicht so, daß in diesem Bereich eine Verzögerungstaktik verfolgt würde. Wenn Sie die Beitragsstabilität ansprechen: Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, Beitragsstabilität gerade im Gesundheitswesen ist - das wissen wir doch alle - eine Notwendigkeit sondergleichen, wenn wir sehen, wie die Kosten mehr oder weniger davonlaufen, ({1}) und wenn wir sehen, wie die Beanspruchung gerade auch im Gesundheitsbereich wächst. Es ist nicht so, daß nur in diesem Bereich die Beitragsstabilität angesprochen würde, sondern wir weisen auf die Notwendigkeit der Beitragsstabilität in allen Bereichen des Gesundheitswesens hin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage zur Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und der Qualität der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung erklärt hat, ist die Versorgung psychisch Kranker und Behinderter in der Bundesrepublik Deutschland noch immer verbesserungsbedürftig. Gleichwohl sind gegenüber dem Zeitpunkt der Vorlage der Psychiatrie-Enquete im Jahre 1975 sichtbare Fortschritte erzielt worden, und zwar im stationären und auch im ambulanten Bereich. Das Modellprogramm zur Verbesserung der Versorgung psychisch Kranker hat zu diesen Fortschritten mit beigetragen. Das Programm ist insbesondere auf die Verknüpfung stationärer, teilstationärer, ambulanter und ergänzender Einrichtungen ausgerichtet. Hierdurch sollte eine wissenschaftlich gesicherte Basis für künftige gesetzgeberische Maßnahmen geschaffen werden, die der besonderen Versorgungssituation psychisch Kranker und Behinderter gerecht werden, Krankenhausaufenthalte möglichst vermeiden helfen und Hilfe zur Wiedereingliederung Schwerkranker in ihr früheres soziales Umfeld und in die Arbeit leisten sollten. Wie schon hervorgehoben, läuft das Modellprogramm 1985 aus. Ein wissenschaftliches Gesamtergebnis liegt deshalb bisher noch nicht vor. Die Bundesregierung hat eine Gesamtbewertung für 1987 in Aussicht gestellt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß über einige Einrichtungen im ambulanten und teilstationären Bereich aber schon heute gesicherte Erkenntnisse vorliegen, die angesichts des dringenden Handlungsbedarfs Maßnahmen des Gesetzgebers bereits jetzt dort erforderlich machen, wo die Instrumente der Selbstverwaltung nicht ausreichen. Das gilt für die Tageskliniken und für die Institutsambulanzen. Deshalb begrüßt die Bundesregierung, daß die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP hierzu einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der die Möglichkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme teilstationärer Krankenhausbehandlung ermöglicht und die Verpflichtung schafft, in Institutsambulanzen auch nichtärztliche Leistungen angemessen zu vergüten. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß dadurch nicht nur die Versorgung der psychisch Kranken verbessert, sondern zugleich auch die zunächst entstehenden Mehrkosten durch einen verbesserten Zugang zu diesen Einrichtungen und durch Einsparungen auf dem stationären Sektor aufgefangen werden können. Sie wertet die vorgelegten Regelungen als Beweis dafür, daß Leistungsverbesserungen und Beitragsstabilität miteinander in Einklang zu bringen sind. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß ein weitergehender gesetzgeberischer Handlungsbedarf, wie ihn die SPD annimmt, derzeit nicht vorliegt. Für die Übergangseinrichtungen und die Werkstätten für Behinderte gibt es auf Grund der administrativen Initiativen der Bundesregierung und der Rehabilitationsträger konkrete Lösungsvorschläge, die Schritte des Gesetzgebers zur Zeit entbehrlich machen. Die Bundesregierung hat gerade am Beispiel der Übergangseinrichtungen bewiesen, daß ihr an einer Verbesserung der gesundheitlichen und rehabilitativen Versorgung der psychisch Kranken sehr wohl gelegen ist. Sie hat in mühsamer Kleinarbeit ein völlig neues Anforderungsprofil und ein tragfähiges Konzept für die Übergangseinrichtungen entwickelt, das auch von den Beteiligten getragen wird. Für andere ambulante und komplementäre Versorgungs- und Rehabilitationseinrichtungen, beispielsweise sozialpsychiatrische Dienste, läßt sich derzeit noch kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf abschätzen. Nachdem sich die am Modellprogramm beteiligten Länder jedoch dazu verpflichtet haben, die Modelleinrichtungen auch nach Auslaufen des Programms weiter zu finanzieren, bis Regelfinanzierungen gefunden sind, ist die Versorgung der psychisch Kranken derzeit auch insoweit finanziell gesichert. Die Gefahr der Entstehung von Modellruinen existiert also nicht. Auch stellt sich die Frage, ob die gesetzliche Krankenversicherung solche besonderen Einrichtungen ergänzender Art zu finanzieren hat oder ob sie nicht zu der von Ländern und Gemeinden zu tragenden öffentlichen Gesundheitsfürsorge gehören. Die dauerhafte Sicherung der im Vordergrund stehenden und wichtigen Tageskliniken und Institutsambulanzen sowie die Selbstverwaltungslösung für die Übergangseinrichtungen schaffen Raum, um diese Fragen eingehend unter den Beteiligten zu erörtern. Dazu ist die Bundesregierung bereit. Dieser Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen bringt Verbesserungen in der Versorgung psychisch Kranker und Behinderter in der Bundesrepublik Deutschland. Darum danke ich Ihnen allen, meine sehr verehrten Damen und Herren, für die zügige Beratung der Vorlage und bitte um Zustimmung zum Entwurf der CDU/CSU/FDP-Koalition. Danke schön. ({2})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zuerst zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Gesetzentwurf auf der Drucksache 10/3882. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf der Drucksache 10/4533 unter der Ziffer 1, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Ich rufe die Art. 1 bis 11, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung jede weitere Beratung. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/ CSU und FDP eingebrachten Gesetzentwurf auf Drucksache 10/4219. Ich rufe die Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Der Gesetzentwurf ist angenommen. Wir kommen jetzt zu dem von der Fraktion der GRÜNEN vorgelegten Entschließungsantrag auf Drucksache 10/4557. ({0}) Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. ({1}) - Es ist in der Tat ungewöhnlich, daß die Antragsteller nicht im Saal sind. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. ({2}) Nach § 32 der Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Becker ({3}).

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000127, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen Schriftführer! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind am Ende eines arbeitsreichen Jahres. Ich meine, wir sollten einmal etwas tun, was wir bisher zwar immer gedacht, aber nie ausgesprochen haben, nämlich dem Herrn Präsidenten und unseren beiden Schriftführerinnen Frau Michaela Geiger und Frau Renate Schmidt stellvertretend für das Präsidium und für alle Schriftführer zu danken, daß sie uns dieses Jahr so gut über die Runden gebracht haben. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir bitten den Herrn Präsidenten und unsere beiden Kolleginnen, dies entsprechend weiterzugeben. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, ich darf zunächst dem Herrn Abgeordneten Becker - auch für die beiden Damen Schriftführer - sehr herzlich für diese Wünsche danken. Wir sind in der Tat am Schluß unserer Tagesordnung und zugleich am Ende eines Jahres anstrengender Arbeit. Dieses zu Ende gehende Jahr hat uns gezeigt, daß wir eine Fülle von Problemen und Aufgaben zu bewältigen hatten, die nicht nur das Plenum, sondern auch die Ausschüsse und auch die Bundestagsverwaltung bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit gefordert haben. Ich möchte Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, herzlich Dank sagen für Ihre engagierte Arbeit. Dieser Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung. ({0}) Ihnen und Ihren Angehörigen sowie allen Mitarbeitern des Hauses wünsche ich auch im Namen des Präsidiums ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest, gute Erholung und ein glückliches und gesundes Jahr 1986. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 15. Januar 1986, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.