Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die Jahresberichte des Wehrbeauftragten, die Stellungnahmen des Bundesministers der Verteidigung und die Protokolle der parlamentarischen Diskussionen der letzten drei Jahre nachvollzieht und sie mit den realen Ergebnissen der Politik dieser Bundesregierung vergleicht, zeigt sich eine eindrucksvolle Erfolgsbilanz. Ein Ergebnis, auf das diese Bundesregierung, der Bundesminister der Verteidigung und die Fraktionen der Koalitionsparteien mit Recht stolz sein können. Dies wird auch in der Bevölkerung und vor allem in der Bundeswehr so empfunden, auch wenn die Opposition - wie ich meine, oftmals wider besseres Wissen - immer wieder versucht, ein Katastrophenbild zu zeichnen, das mit der Realität in keinster Weise übereinstimmt.
Drängende Probleme, die von der Vorgängerregierung nicht gelöst wurden und die diese teilweise vor sich hergeschoben hat, sind zielstrebig angegangen und konsequent einer befriedigenden Lösung zugeführt worden.
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- Herr Kollege Klejdzinski, auch wenn Sie es nicht gerne hören, muß es gesagt werden: Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben uns mit einer desolaten Hinterlassenschaft konfrontiert, und dies gilt insbesondere für die konzeptionellen Vorstellungen und Planungen zur Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr in den 90er Jahren - da war Fehlanzeige -, aber auch für die Schaffung und Erhaltung eines zumutbaren sozialen Umfeldes für die Soldaten der Bundeswehr.
Meine Damen und Herren von der SPD, heute beklagen Sie Umstände - und verbinden dies mit Schuldzuweisungen an uns -, die Sie selbst zu vertreten haben. Man muß sich nach der Legitimation
- auch nach der moralischen Legitimation - und nach der Glaubwürdigkeit solcher Verhaltensweisen fragen.
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Herr Kollege Klejdzinski, Sie haben eine Große Anfrage zur sozialen Lage der Soldaten auf den Weg gebracht, was zweckmäßig ist und was Ihr gutes Recht ist. Auch im Bericht des Wehrbeauftragten ist dieser Aspekt angesprochen worden. Doch gerade bei dieser Debatte ist wieder deutlich geworden, wer welche Probleme verursacht hat und wer auf einem guten Wege ist, sie zu lösen. Meine Damen und Herren Kollegen von der SPD, ich empfehle Ihnen, noch einmal - oder überhaupt einmal
- den eindrucksvollen Redebeitrag meines Kollegen Johannes Ganz aus dieser Debatte nachzulesen. Er hat die Bilanz aufgemacht und hat verdeutlicht, daß viele Mißstände gerade im personellen und sozialen Bereich in Ihrer Zeit entstanden sind und daß andere, die Sie nicht allein zu verantworten haben, einer Lösung nicht nähergebracht wurden.
Im Rahmen meines heutigen Beitrages kann ich nur einige Stichworte nennen, etwa die Kappung der Spitzendienstgrade der Unteroffiziere und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf Längerdiener, den Wegfall von Verpflichtungsprämien, das Herunterfahren der Geldansätze und damit die Reduzierung der Zahl der Längerdienenden mit der Folge einer heute zu Recht beklagten größeren Dienstzeitbelastung. Keine Lösungsansätze gab
es bei Ihnen zum Thema „Verwendungsstau"; wie gesagt, ich empfehle Ihnen zur Stärkung Ihres Erinnerungsvermögens die Lektüre des Redebeitrages des Kollegen Ganz.
Wir haben Schluß gemacht mit der Politik des Verzögerns, des Versprechens und des Nichtstuns. Im Rahmen der erstellten Bundeswehrplanung wurde der Anteil der Berufs- und Zeitsoldaten deutlich erhöht, um den Fehlbestand an Unterführern zu verringern, um Vorsorge für die Zeit der geburtenschwachen Jahrgänge zu treffen und um die Dienstzeitbelastung zu verringern. Zur Milderung des Verwendungsstaus wurden Hunderte von Stellen in Beförderungsstellen umgewandelt, wodurch 3 500 zusätzliche Verwendungswechsel ermöglicht wurden. Das Gesetz zur Verbesserung der Personalstruktur wurde mittlerweile gegen viele Widerstände verabschiedet und wird seine volle gewünschte Wirkung erzielen.
Viele Anliegen im Bereich des sozialen Umfeldes der Soldaten wurden in konkrete Maßnahmen umgesetzt. Ich möchte hier nur die Erhöhung des Wehrsoldes, des Weihnachts- und Entlassungsgeldes in kürzerer Zeitspanne, die Einführung einer zweiten Familienheimfahrt, die Verdoppelung der Zuschüsse für umzugsbedingten Nachhilfeunterricht und die Erhöhung der Zulagen bei Übungsplatzaufenthalten im Ausland erwähnen.
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- Herr Kollege Klejdzinski, hören Sie bitte zu. Darüber hinaus hat der Minister auf dem Erlaßwege Maßnahmen durchgeführt, die die Situation der Soldaten in der Bundeswehr weiter verbessert haben. Als ein Beispiel hierfür verweise ich auf den Versetzungserlaß.
Wir wissen auch, meine Damen und Herren, daß mit diesen umfangreichen Verbesserungen nicht alle Probleme gelöst sind. Themen wie Dienstzeitregelung, Absicherung von Zeitsoldaten gegen Arbeitslosigkeit, Wiedereingliederung von Soldaten in das Berufsleben, Umzugs- und Reisekosten und eine adäquate Wohnungsfürsorge markieren die wichtigen Felder unserer weiteren Arbeit. Es ist absehbar, daß in einigen Bereichen noch in dieser Legislaturperiode der Durchbruch erzielt wird.
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Zum Thema Wohnungsfürsorge kann ich es Ihnen, Herr Kollege Horn - ich sehe ihn nicht -,
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nicht ersparen, noch einmal auf den ungeheuerlichen Vorgang in Gießen hinzuweisen. Herr Kollege Horn, Sie treten hier in Debatten als der große Anwalt und Sachwalter der Soldaten auf
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und haben in Gießen als Unterbezirksvorsitzender an dem rot-grünen Beschluß mitgewirkt, entweder aktiv oder passiv im Sinne von Nichtverhindern, daß die Stadt Gießen in Zukunft keinen öffentlichen Wohnraum an Truppenangehörige vergeben
soll. Hier werden in schlimmer Weise Doppelzüngigkeit und moralische Unglaubwürdigkeit dokumentiert.
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- Herr Kollege, ich glaube, sie verbiegen sich unter dem zunehmenden Druck der sich verändernden Mehrheiten in Ihrer Partei und haben nicht den Mut, das einzuklagen, was im Sinne der wirklichen Interessen der Soldaten unbedingt erforderlich ist.
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Ich kann nur feststellen, dies ist ein beschämender Vorgang, der alles, was Sie hier über die sozialen Belange der Soldaten reden und vorgeblich erreichen wollen, völlig wertlos macht.
Herr Minister, mir ist es ein Bedürfnis, im Rahmen der heutigen Debatte Ihnen im Namen meiner Fraktion herzlich Dank zu sagen für Ihren großartigen Einsatz zur Verbesserung gerade der sozialen Lage unserer Soldaten.
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Wir wissen, daß wir noch ein schweres Stück Weg vor uns haben, doch dieser Verantwortung stellen wir uns gerne. Das Schaffen der Grundlagen für Leistungsfähigkeit, Einsatzbereitschaft und Motivation der Soldaten ist auch eine Voraussetzung für eine glaubwürdige Verteidigungspolitik. Wir sind dies unseren Soldaten und auch ihren Familien schuldig. Sie leisten unter großen Anforderungen und Belastungen einen wertvollen Dienst für die Erhaltung der Sicherheit und Freiheit unserer Gesellschaft. Hierfür gebührt ihnen Dank und Anerkennung aller Bürger in Deutschland.
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Der Herr Wehrbeauftragte berichtet erneut über die erfreuliche Entwicklung der Integration von Bundeswehr und Gesellschaft. Er nennt eine Reihe von Erscheinungen und Begebenheiten, die deutlich machen, daß die Bundeswehr in den Augen der Bevölkerung einen Eckpfeiler unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bildet und ihr Platz in der Gesellschaft nicht gefährdet ist.
Die Zunahme der Patenschaften, die Städte und Gemeinden für Einheiten und Verbände der Bundeswehr übernommen haben, stärken diese Beziehungen der Truppe zur Bevölkerung. Wir begrüßen ausdrücklich diese Entwicklung und bitten die Verantwortlichen aller Städte und Gemeinden darum, solche Beziehungen aufzunehmen.
Dem Ziel der Verzahnung von Streitkräften und Gesellschaft dient auch die Durchführung von Gelöbnissen auf öffentlichen Plätzen in Städten und Gemeinden. Wir sind erfreut über die Zunahme dieser Art von Gelöbnisfeiern.
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- Ich bin mittendrin Herr Kollege Klejdzinski. Patenschaften und öffentliche Gelöbnisse
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stärken weiter die Bindung der Truppe zur Bevölkerung, und wir als Abgeordnete sollten hier verstärkt, wie ich meine, als Initiatoren und Vermittler fungieren. Im Ausbau solcher Kontakte sehe ich einen wichtigen Ansatzpunkt für die Bürger, den Soldaten gegenüber ihre Solidarität, ihren Respekt vor der Leistung und auch ihren Dank für den Einsatz zum Ausdruck zu bringen.
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Der Bericht des Wehrbeauftragten zeigt erneut eine weitgehende Übereinstimmung mit der Lagebeurteilung des Bundesministers der Verteidigung. Neben der notwendigen Darstellung von Mängeln und Fehlern gibt der Bericht auch Anregungen für eine bessere Bewältigung der Aufgaben. In diesem Sinne richtet er sich direkt an die Bundeswehr und gibt Impulse und Orientierungshilfen für die praktische Arbeit.
Bei der Darstellung der unerfreulichen Vorkommnisse weist er - dies ist für die öffentliche Bewertung enorm wichtig - deutlich auf den Einzelfallcharakter der Vorfälle hin. Die ausdrückliche Aufnahme positiver Feststellungen und Entwicklungen und die Hinweise auf abgestellte Mängel der Vergangenheit sind für Vorgesetzte in der Bundeswehr hilfreich und motivierend und damit in hohem Maße konstruktiv im Sinne der Auftragserfüllung.
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Auf einen Punkt des Berichtes möchte ich noch etwas näher eingehen, weil erstmals ausführlich auf die Situation der Reservisten Bezug genommen wird. Dies war auch eine von mir während der letztjährigen Debatte vorgetragene Bitte.
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Ein zunehmendes Reservistenbewußtsein in der politischen Diskussion hat zu der Erhärtung der Erkenntnis geführt, daß in den kommenden Jahren die Reservisten immer wichtiger für den Erhalt unserer Verteidigungskraft und Verteidigungsfähigkeit sein werden.
Die Zahl der Wehrübungsplätze wurde mittlerweile erhöht und wird weiter erhöht werden müssen. Jetzt kommt es entscheidend darauf an, daß die aus ihrem Beruf herausgenommenen Reservisten - 1985 werden es schon ca. 200 000 sein - die Notwendigkeit eines solchen Opfers einsehen und die erforderliche Motivation für diesen Dienst aufbringen.
Die Bundeswehr ist in ihrer Integrationsfähigkeit diesen Wehrübenden gegenüber gefordert. Es sind die Voraussetzungen zu schaffen, daß dieser Dienst sinnvoll, den einzelnen fördernd und die Gleichrangigkeit zwischen Aktiven und Reservisten akzeptierend abgeleistet werden kann.
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Die Bundeswehr muß sich um die Reserve verstärkt kümmern und die Soldaten schon während des aktiven Dienstes auf diese Aufgabe vorbereiten. Entscheidende Voraussetzung hierfür ist eine entsprechende Behandlung der Grundwehrdienstleistenden während ihrer gesamten Dienstzeit.
Ich meine, ein Soldat, der im aktiven Dienst die Wichtigkeit seines persönlichen Einsatzes und gerade auch seines geleisteten Dienstes erfahren hat, der richtig angesprochen wurde und sich ernstgenommen fühlte, wird auch als Reservist den Streitkräften innerlich verbunden bleiben und bereit sein, Wehrübungen zu leisten.
Ich habe in der letzten Debatte einen ausführlichen Maßnahmenkatalog zur Erreichung dieser Ziele vorgetragen. Die Arbeitsgruppe Verteidigung hat in der Zwischenzeit eine neue Reservistenkonzeption entwickelt, die noch in diesem Jahr in die parlamentarische Diskussion eingebracht werden wird.
Wir haben mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß die Bundeswehrführung viele dieser Vorschläge aufgenommen und bereits umgesetzt hat.
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- Sehr viel. Hier wurden in kurzer Zeit große Erfolge erzielt. Die Einsetzung des Beauftragten des Generalinspekteurs für Reservistenangelegenheiten hat sich voll bewährt. Ich weiß auch aus vielen Gesprächen mit verantwortlichen Vertretern der Teilstreitkräfte, daß mit vollem Einsatz an der Verbesserung der Konzeption gearbeitet wird.
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Dem Verband der Reservisten der Bundeswehr wird im Zuge der Umsetzung dieser neuen Konzeption hohe Bedeutung zukommen. Dies hat bereits seine Entsprechung bei den Haushaltsansätzen für 1986 gefunden, denn der Etat für den Reservistenverband ist deutlich erhöht worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gehe davon aus, daß der Wehrbeauftragte in dieser Diskussion das Wort nehmen wird. Der Dank meiner Fraktion gilt dem aus dem Amt ausgeschiedenen Wehrbeauftragten für diesen informativen und in der beschriebenen Weise hilfreichen Bericht. Dem Amtsnachfolger wünschen wir alles Gute für seine verantwortungsvolle Tätigkeit, und wir bitten Sie, Herr Weiskirch, Ihren Mitarbeitern unseren Dank für die geleistete Arbeit zu übermitteln.
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Dem Herrn Bundesminister für Verteidigung versichere ich im Namen meiner Fraktion die volle Unterstützung
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und wünsche ihm trotz aller Belastungen des Amtes weiterhin die Frische, die Kraft und die Einsatzbereitschaft, die seine Arbeit auszeichnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Heistermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Rede des Kollegen Ehr11986
bar kann ich nur feststellen: Sie reden immer von Erblast. Ich könnte mich durchaus daran erinnern, daß einige sehr scharf darauf waren, die Regierungsverantwortung zu bekommen.
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Aber das ist - hören Sie zu - noch nicht einmal das entscheidende Argument. Dreizehn Jahre lang haben Sie Forderungen in den Raum gestellt und erklärt, wenn Sie regierten, würden Sie das umsetzen. Nun müssen Sie sich gefallen lassen, daß Sie an den Forderungen gemessen werden, die Sie selbst aufgestellt haben.
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Es ist erstaunlich, daß die Bundeswehr, die angeblich so desolat ist, bei NATO-Übungen immer mit guten Noten abschneidet. Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, diese Bundeswehr sei desolat,
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sage ich: Selbst drei Jahre Ministertätigkeit von Wörner haben nicht ausgereicht, eine intakte Bundeswehr zustande zu bringen. Ich würde mit diesen Beurteilungen sehr sehr vorsichtig sein.
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Die Soldaten werden das sehr genau registrieren.
Da wir keine allgemeine Aussprache über den Zustand der Bundeswehr führen,
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möchte ich gerne zu den Fragen kommen, die der Herr Wehrbeauftragte im Jahresbericht 1984 aufgeworfen hat. Ich möchte deshalb auch einige kritische Fragen an die Regierung stellen. Der Grund für diese kritischen Fragen liegt darin, daß die Stellungnahme der Bundesregierung zum Jahresbericht des Wehrbeauftragten in vielen Fällen verschwommen, nichtssagend ist oder eine Position einnimmt, die dem Votum des Verteidigungsausschusses entgegensteht.
Die Bundesregierung, hier vertreten durch den Bundesminister der Verteidigung, hat mit ihrer Stellungnahme die Chance verspielt, klare und eindeutige Antworten auf die dringenden Probleme der Soldaten und ihrer Familien zu geben. Ich selbst werde den Bundesminister der Verteidigung fragen, wie er bestimmte Entwicklungen innerhalb der Bundeswehr beurteilt, weil sie in der Stellungnahme zum Jahresbericht nicht klar erkennbar sind. Meine Kollegen Steiner, Dr. Klejdzinski und Kolbow werden in ihren Wortbeiträgen auf bestimmte Problemlagen im einzelnen zu sprechen kommen.
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- Sie wären wahrscheinlich froh, wenn Sie so etwas in Ihren Reihen hätten.
Auch diesmal sind Verstöße gegen die Grundsätze der Inneren Führung im Jahresbericht 1984 zu verzeichnen, darunter gravierende Fälle, die der Herr Wehrbeauftragte zu Recht in aller Breite darstellt. Jahr für Jahr debattiert das Parlament die Berichte des Wehrbeauftragten und gibt Weisung, was geändert werden soll. Was sind das eigentlich für Dienstvorgesetzte, die aus den Berichten des Wehrbeauftragten keinerlei Konsequenzen für ihr eigenes Verhalten ziehen. Interessiert es sie eigentlich nicht, was dieses Parlament zu den Feststellungen des Wehrbeauftragten ausführt? Wir stellen die Frage, ob sie sich damit nicht selbst als verantwortliche militärische Vorgesetzte disqualifizieren.
Ohne zu verallgemeinern: Die Engstirnigkeit und Herzlosigkeit mancher Vorgesetzter bei Entscheidungen, die ja Menschen betreffen, wirken nicht nur demotivierend auf die Bundeswehrsoldaten. Vielmehr tragen sie dazu bei, ein Negativbild in den Köpfen der Wehrpflichtigen einzuprägen. Wer die menschlichen Beziehungen zwischen Soldaten - hier zwischen Vorgesetzten und Untergebenen - stärken will, muß über das Stadium der Appelle hinausgehen, der muß selbst vorbildlich wirken. Zu Recht weist der Wehrbeauftragte darauf hin, daß die Unausgewogenheit zwischen dienstlichen Notwendigkeiten einerseits und der persönlichen Betroffenheit andererseits in einem kausalen Zusammenhang stehen. Warum, so fragen wir, läßt man einen Zeitsoldaten nicht vorzeitig aus seinem Dienstvertrag aussteigen, wenn hierfür durchaus berechtigte Gründe vorliegen, z. B. bei der Chance, einen qualifizierten Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft zu bekommen? Warum besteht man auf der Einhaltung des Dienstvertrages, während gleichzeitig Bewerber wegen nicht freier Dienstposten zurückgewiesen werden? Die unangemessene Antwort der Bundesregierung muß in der weiteren Parlamentsarbeit aufgearbeitet werden.
Mit großer Sorge registrieren wir Berichte aus der Truppe, daß der berüchtigte Kasernenton fröhliche Urständ feiert. Danach ist erst der ein richtiger Soldat und Vorgesetzter, der die entsprechende Tonlage wählt.
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Denken oder gar Mitdenken ist dabei nicht erwünscht. Wir werden das noch unter Beweis stellen. Von Fürsorgepflicht gegenüber den Untergebenen findet sich dabei keine Spur. Daß solches Verhalten kein Vorbild für junge Menschen ist, braucht sicherlich nicht unterstrichen zu werden.
Wir erwarten von den jungen Leuten einen Dienst für die Bundesrepublik Deutschland. Sie haben deshalb Anspruch darauf, anständig behandelt zu werden.
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Wenn der Beirat für Fragen der Inneren Führung zum Jahresbericht 1984 ausführt, daß bei der Auswahl der Vorgesetzten die quantitativ nicht meßbaren Werte, z. B. Charakter, Anständigkeit, Menschlichkeit und Bildung, zunehmend an Bedeutung geHeistermann
winnen, dann sagen wir Sozialdemokraten: Erst die vorgenannten Werte machen die Persönlichkeit eines militärischen Vorgesetzten aus.
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Daß diese Werte nicht immer im notwendigen Umfang beachtet wurden, erklärt zumindest zum Teil die Überforderungen von Vorgesetzten, die in einer anderen Verwendung sicherlich besser aufgehoben wären.
In der Zeitschrift „Truppen-Praxis", Ausgabe Nr. 5, nimmt der Minister Wörner zu Fragen der Menschenführung in einem Interview Stellung. Er erklärt, jeder einzelne sei aufgerufen, sein eigenes Beispiel zu geben.
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Wir greifen dieses Stichwort auf und möchten den Minister auffordern, mit gutem Beispiel voranzugehen. Wir möchten ihn fragen, wieso sich das innere Klima und die innere Struktur der Streitkräfte verändert haben, wieso sich bei einigen Vorgesetzten ein Verhalten entwickelt hat, das auf blinden Gehorsam Untergebener abgestellt ist.
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Woher kommen die Vorbilder für ein solches Verhalten? Hat der Minister vielleicht durch seine markigen Reden diese Vorgesetzten sozusagen motiviert, sich ein solches Verhalten zuzulegen?
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Ich kann nur sagen: Die Geister, die man einst beschworen hat, wird man so schnell nicht wieder los. Uns reicht es nicht aus, zu erklären, auch in der Gesellschaft sei nicht alles zum Besten bestellt.
Wo Befehl und Gehorsam herrschen, sind an die Menschenführung sehr hohe Anforderungen zu stellen. Der Soldat hat Anspruch darauf, in seiner Menschenwürde unantastbar zu sein und als Staatsbürger in Uniform anerkannt zu werden. Deshalb sagen wir auch ein klares Nein zum Mißbrauch beim Dienst in Uniform. Wehrpflichtige dürfen nicht hilflos einer unkontrollierten Macht ausgesetzt werden. Allzu leicht könnte diese Macht dazu führen, sie zu mißbrauchen.
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Macht es den Bundesminister der Verteidigung eigentlich nicht hellhörig, wenn in der Zeitschrift „Die Bundeswehr", Ausgabe Nr. 9, zu lesen ist, daß ein Oberst i. G. aus den Erlebnisberichten seines Sohnes, der bei der Bundeswehr dient, deprimierende Schlüsse zieht und daß dieser Sohn merkwürdige Erfahrungen in Sachen Menschenführung gesammelt hat? Uns macht das betroffen, und deshalb erwarten wir auch eine klare Antwort durch den Bundesminister der Verteidigung.
Was sollen eigentlich die Soldaten von einem Minister halten, der die Überarbeitung des Traditionserlasses als Verschlußsache behandelt? Deutlicher ausgedrückt: Tradition im Panzerschrank. Sinnbildlicher kann man kaum dokumentieren, welches Denken beim Minister Platz gegriffen hat.
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Warum beteiligen Sie, Herr Minister, nicht alle politisch und gesellschaftlich maßgeblichen Gruppen und Soldaten an dieser Debatte über die Traditionsrichtlinien? Warum laden Sie nicht zur Mitdiskussion ein? Warum verfahren Sie statt dessen nach dem Motto: Kaiserliche Hoheit geruht zu erlassen?
Mit Ihrem Beispiel fallen Sie in ein Zeitalter zurück, das doch längst überholt sein sollte. Die Soldaten der Bundeswehr stehen als Staatsbürger in Uniform nicht neben, sondern inmitten unserer Gesellschaft.
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Deshalb sind sie in die Meinungsbildung nicht einzubeziehen. Die Soldaten der Bundeswehr brauchen sich in dieser Frage keinen Maulkorb umbinden zu lassen.
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Sie sollten sich vielmehr selbst aktiv in diese Debatte einschalten.
Um es klar und deutlich zu sagen: Nicht ein Minister begründet die Tradition der Bundeswehr; erst die eigene. Geschichte der Bundeswehr wird das ermöglichen.
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Aus sozialdemokratischer Sicht müssen die Traditionsrichtlinien einen eindeutigen Bezug zu den Werten unserer Demokratie haben. Falsches Pathos und falsche Identifikationen sind dabei ebenso fehl am Platze.
Den Generalinspekteur und die Inspekteure der Teilstreitkräfte bitten wir, die Jahresberichte des Wehrbeauftragten eingehend auf allen militärischen Ebenen zu beraten und Konsequenzen daraus zu ziehen.
Der Wille des Parlaments muß deutlich werden, daß persönliches Fehlverhalten keinen parlamentarischen Rückhalt hat.
Dem Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeitern danken wir für die Zuarbeit.
Ebenso bitten wir, Herr Präsident, ihm das Rederecht einzuräumen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({17})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Feldmann.
Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über den letzten Bericht des ausgeschiedenen Wehrbeauftragten
Karl-Wilhelm Berkhan, dem ich an dieser Stelle namens der FDP nochmals für die geleistete Arbeite danke.
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Für mich ist dieser Bericht ein eindrucksvolles Plädoyer für das Prinzip der Inneren Führung. Die Innere Führung ist ein Garant dafür, daß die Bundeswehr nicht zu einem Staat im Staate geworden ist. Ein Ziel der Inneren Führung ist es, die Bundeswehr möglichst nahtlos in die pluralistische Gesellschaft zu integrieren. Dies ist ein ständiger Prozeß; das wissen wir alle.
Es ist aber auch erforderlich, daß die Soldaten trotz der Einschränkung ihrer Grundrechte immer wieder spüren, daß sie in einer demokratischen Armee ihren Dienst tun. Unsere Soldaten werden die Notwendigkeit ihres Dienstes zur Verteidigung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit um so besser einsehen, je mehr sie diese Werte auch innerhalb der Bundeswehr spüren und erleben.
Der Bericht des Wehrbeauftragten ist natürlich auch ein Mängelbericht, Herr Kollege Heistermann. Würde der Wehrbeauftragte nicht bewußt seine Finger in die Schwachstellen des Dienstablaufs legen, so würde er seiner Aufgabe, Anwalt und eine besondere Petitionsinstanz der Soldaten zu sein, nicht gerecht werden.
Aber, Herr Kollege Heistermann, wer versucht, auf der Grundlage dieser Berichte zu verallgemeinern und ein Negativbild der Bundeswehr zu zeichnen, der liegt schief.
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Dieser Bericht darf und kann nicht zur Diffamierung der Bundeswehr mißbraucht werden. Sie wissen so gut wie ich, daß es sich bei diesem Bericht um ein Aufzeigen von Schwachstellen, von Ausnahmeerscheinungen handelt. Das möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich betonen.
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Dieses Parlament wollte einen Ombudsmann für die Soldaten, damit die Devise vom Menschen im Mittelpunkt nicht zum Schlagwort verkommt und damit Mißständen und Fehlentwicklungen auch und gerade in Einzelfällen nachgegangen werden kann. Die Soldaten können von uns und vom Verteidigungsminister erwarten, daß wir der Kritik des Wehrbeauftragten nachgehen und versuchen, die notwendigen Schlüsse und Konsequenzen zu ziehen.
Es gibt eine wachsende Kluft zwischen oben und unten. Die Vorgesetzten müssen sich daher verstärkt um ihre Soldaten kümmern und auf deren Probleme eingehen. Ohne den beständigen Dialog zwischen Vorgesetzten und Untergebenen ist eine sinnvolle Dienstgestaltung kaum möglich. Jeder einzelne Fall von Schikane und auch der berühmt-berüchtigte Kasernenhofton, den Sie auch angesprochen haben, schadet - das ist richtig - dem Ansehen der Bundeswehr. Umgangsstil und Betriebsklima in der Bundeswehr müssen den Ansprüchen einer demokratischen Gesellschaft gerecht werden. Da stimme ich Ihnen zu.
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Wir können nicht alles verordnen. Deshalb ist es erforderlich, daß die militärischen Vorgesetzten die Prinzipien der Inneren Führung verinnerlichen und als Selbstverständlichkeit handhaben. Wo dies nach 30 Jahren Bundeswehr noch nicht geschieht, müssen die Soldaten selbstverständlich die Möglichkeit haben, sich mit rechtsstaatlichen Mitteln zu wehren.
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Keinesfalls darf es so sein, daß einem Soldaten, wie in diesem Jahresbericht wieder kritisiert, dienstliche Nachteile deshalb erwachsen, weil er sich an den Wehrbeauftragten gewandt hat. Untergebene und Vorgesetzte müssen lernen, mit dem Amt des Wehrbeauftragten und den gegebenen Beschwerdeverfahren richtig umzugehen. Sicher - da stimme ich Ihnen zu, Hèrr Kollege Heistermann - muß über das Amt des Wehrbeauftragten in der Truppe noch besser informiert werden. Über die Verteilung der Broschüren hinaus erscheint es mir ebenfalls sinnvoll, den Jahresbericht im Rahmen des politischen Unterrichts bei den Einheiten ausführlich und offen zu diskutieren.
Viele Probleme entstehen erst durch Leerlauf. Dem ist durch eine sinnvolle und straffe Dienstgestaltung entgegenzutreten. Es gibt sie noch, die Gammelei in der Truppe. Das Urteil des Wehrpflichtigen über die Bundeswehr ist deshalb am Ende seiner Dienstzeit leider oft negativer als zu Beginn. Das Gammel-Argument spielt in der zur Zeit geführten Diskussion über die Verlängerung des Wehrdienstes ebenfalls eine wesentliche Rolle. Deshalb ist eine sinnvolle Dienstgestaltung ein wichtiger Beitrag zur Akzeptanz unserer Bundeswehr.
Ich komme zur sozialen Lage der Soldaten. In der Aussprache zum Jahresbericht 1983 habe ich bereits darauf hingewiesen, daß die Personalsituation der Bundeswehr und ihre Einsatzbereitschaft in den 90er Jahren weitgehend davon abhängig sind, wie viele Zeit- und Berufssoldaten wir jetzt gewinnen können. Die Attraktivität einer längeren Verpflichtung, sei es als Soldat auf Zeit oder als Berufssoldat, muß jetzt gesteigert werden. Es geht nicht darum, die Soldaten mit sozialen Wohltaten zu überschütten, sondern darum, den Anschluß der Soldaten an die Sozialentwicklung unserer Gesellschaft sicherzustellen.
Der Auftrag der Bundeswehr bringt einige besondere Belastungen der Soldaten und ihrer Familien mit sich. Das wissen wir. Ca. 10 000 Berufs- und Zeitsoldaten werden jährlich versetzt. Bis zu zehn Umzüge und gar mehr können in einem Soldatenleben zusammenkommen.
Wenn wir diese Belastungen schon nicht vermeiden können, so sollten wir uns wenigstens bemühen, und zwar intensiv bemühen, sie zu mildern. Weil dies von den Familien der Soldaten zunehmend als unerträgliches Opfer empfunden wird, müssen unsere Bemühungen deutlich verstärkt
werden, um die Zahl der Versetzungen zu vermindern, um die Integration der Soldaten und ihrer Familien zu erleichtern und um die Kosten, die durch Umzug und Trennung entstehen, auszugleichen. Die Fürsorgepflicht des Dienstherren gebietet es nach Auffassung der FDP, bei Versetzung besonders die schulische Situation der Kinder der Soldaten zu berücksichtigen.
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Ich darf an unsere Forderung erinnern, Soldaten mit schulpflichtigen Kindern nur zum 1. Juli zu versetzen. Hier ist einfach mehr Flexibilität erforderlich.
Die FDP begrüßt sehr, daß der Verteidigungsminister zum 1. Januar 1986 mehrere Verbesserungen im finanziellen und sozialen Umfeld der Versetzung vorsieht, so die Zahlung von Trennungsgeld bei Vorwegumzug der Familie bis zum Dienstantritt, die von uns geforderte Erhöhung der Pauschvergütung für sonstige Umzugsauslagen, die Verbesserung des Zuschlags bei häufigen Umzügen und die Aufhebung der Jahresgrenze für die Zahlung von Trennungsgeld.
Der Wehrbeauftragte hat in diesem Jahr zum xtenmal die im Soldatengesetz bereits 1956 vorgesehene und von der FDP mehrfach geforderte Arbeitslosenversicherung für ehemalige Zeitsoldaten angemahnt. Der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages hat die Bundesregierung am 17. April in einer gemeinsamen Entschließung aufgefordert, auf der Grundlage des Entwicklungshelfermodells die erforderlichen Rechtsgrundlagen für eine noch in diesem Jahr wirksam werdende Regelung zu schaffen. Wir müssen leider auch feststellen, daß für das Haushaltsjahr 1986 hierzu keine Mittel eingestellt sind. Wir verstehen zwar, daß Abstimmungen mit dem Finanzminister und dem Arbeitsminister erforderlich sind. Aber wir haben kein Verständnis dafür, daß bis heute kein Lösungsweg aufgezeigt wurde.
Das persönliche Opfer, das die Wehr- und Ersatz-dienstleistenden für die Gemeinschaft bringen, ist erheblich. Es ist nicht zuletzt ein finanzielles Opfer. Der Wehrsold liegt auch nach der Erhöhung noch deutlich unter den Bezügen, die Azubis erhalten.
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Ich halte es für nicht zumutbar, daß diese Wehrpflichtigen für die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel von zu Hause bis zum Heimatbahnhof und vom Zielbahnhof bis zur Kaserne bis zu einem Tagessold aus eigener Tasche zahlen müssen. Hier sollten wir nicht zu knauserig sein. Mir ist es z. B. unverständlich, daß zwar die Benutzung der Eisenbahn für Wehrpflichtige kostenlos ist, aber Bahnbusse in diese Regelung nur dann einbezogen sind, wenn sie Schienenverbindungen ersetzen.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch einen Appell an die Gemeinden richten. Ich verstehe, daß sie den Wehrpflichtigen nicht generell die kostenlose Benutzung der städtischen Verkehrsmittel zugestehen können. Aber können die Gemeinden den Wehrpflichtigen nicht zumindest die Freifahrt für die städtischen Verkehrsmittel bei der Fahrt von und zur Kaserne, also in der Regel freitags und sonntags, gewähren? Das wäre eine sehr konkrete und willkommene Hilfe für unsere Wehrpflichtigen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung zur Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft. Der Wehrbeauftragte hatte den Verteidigungsminister schon im Jahresbericht 1983 aufgefordert, seine Auffassung zum Traditionsverständnis in der Bundeswehr darzulegen. Auf der Hardthöhe ist seit Amtsantritt des Ministers ein sehr kleiner, exklusiver Mitarbeiterkreis mit der Ausarbeitung eines neuen Traditionserlasses befaßt.
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Bei Nachfragen, auch aus dem parlamentarischen Bereich, Herr Bundesminister, werden aber die Schotten dichtgemacht. Diese Geheimniskrämerei halte ich nicht für gut.
Das liberale Traditionsverständnis jedenfalls ist eindeutig. Hierzu heißt es in einem Beschluß des FDP-Bundesvorstandes vom 21. Juni 1985 - ich darf zitieren -:
Die FDP warnt eindringlich davor, nunmehr hinter den bereits erreichten Stand der Traditionsdiskussion zurückzufallen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Redezeit eines Abgeordneten einer kleinen Fraktion ist begrenzt. Er hat sich deshalb auf einige wenige Schwerpunkte des Themas zu beschränken.
In der Diskussion über den Jahresbericht des Wehrbeauftragten 1983 hatte mein Vorgänger Roland Vogt vier Kriterien der Fraktion der GRÜNEN genannt, an Hand derer die Arbeit des Wehrbeauftragten gemessen werden sollte. Ich darf daran erinnern. Erstes Kriterium: Inwieweit schenkt der Wehrbeauftragte den wachsenden Gewissenskonflikten der Soldaten Aufmerksamkeit? Zweitens. Inwieweit überprüft er die Zumutbarkeit des Kriegsdienstes insgesamt? Drittens. Inwieweit geht der Wehrbeauftragte auf die Kontrolle des Rollenbildes der Soldaten ein, d. h. inwieweit werden die Soldaten als Menschen in Verantwortung und nicht als reine Befehlsempfänger betrachtet? Der vierte Punkt bezog sich auf die Beachtung der Auswirkungen sozialer Not und Arbeitslosigkeit.
Was den letzten Punkt betrifft, muß man dem Bericht des Wehrbeauftragten eindeutig Lob zuerkennen. Die hier geäußerte Kritik an Mißständen im Bereich der sozialen Absicherung nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr und an spezifischen Belastungen von Soldatenfamilien und Sol11990
daten im Ausland mußte sein und verdient unsere Anerkennung.
Bei der anderen Frage, ob der Soldat in der Bundeswehr als Mensch in der Verantwortung gesehen oder zum bloßen Befehlsempfänger reduziert wird, nehmen wir dem Wehrbeauftragten ab, daß er den Finger auf die Wunden legen und für die Behebung der Mißstände sorgen will. Die Fülle von Beispielen in diesem Bericht, wie Wehrpflichtige geradezu zu menschlichem Abfall erklärt werden, mißhandelt werden, ausgebeutet werden, schikaniert werden, ist erschreckend. Diese Auswüchse sind allerdings nur die Spitze eines Eisbergs.
Ich kann nicht auf den ganzen Problemkreis der Inneren Führung eingehen. Es muß aber immer wieder deutlich gesagt werden - die anderen Fraktionen in diesem Hause sagen das nämlich nicht - und darüber gesondert diskutiert werden, daß Militär und Demokratie grundsätzlich unvereinbar sind.
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Militär und Demokratie sind ein Antagonismus und werden es immer bleiben.
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Die Innere Führung ist unseres Erachtens nichts anderes als der ständig zum Mißlingen verurteilte Versuch, Unvereinbares miteinander zu vereinbaren. Die Menschenwürde, Herr Kollege Feldmann, wird nicht erst dann verletzt, wenn ein Feldwebel einem untergebenen Soldaten rät, sich aufzuhängen, wie dem Bericht zu entnehmen ist, sondern sie wird bereits dadurch verletzt, daß man diesem Menschen eine Uniform anzieht, einen Helm aufsetzt, ihn sogenannte Haltung annehmen läßt, ihn in der Formalausbildung zur Marionette perfektioniert,
({2})
ihm eine Tötungsmaschine in die Hand drückt und damit üben läßt, kurz ihn zum funktionierenden Apparat reduziert.
({3}) - Ein Gewehr zum Beispiel, Herr Berger.
Nicht die Absicht der Kriegsverhinderung, die ich Ihnen zugestehe, ist allein entscheidend, sondern die Methode. Auch viele Wohlmeinende, die der Bundeswehr nahestehen, begreifen unserer Meinung nach nicht, daß die Art, wie der junge Mensch in der Bundeswehr zurechtgestutzt wird, mit demokratischen Umgangsformen prinzipiell nicht zu vereinbaren ist.
({4}) Sie ist antidemokratisch.
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Der Versuch, Demokratie in dem Bereich Militär zu verankern, wird, ich muß sagen: leider, immer zum Scheitern verurteilt sein. Ich sage „leider" deshalb, weil, wenn der Versuch gelänge, die Bundeswehr
keine acht oder zehn Monate mehr bestehen würde.
Der umgekehrte Versuch der Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft ist aus oben genannten Gründen abzulehnen. Wir sind nicht wie der Wehrbeauftragte beeindruckt von der Zunahme der Patenschaften von Städten und Gemeinden für Einheiten und Verbände der Bundeswehr. Wir sind zwar nicht dagegen, daß eine Gemeinde einem Wehrpflichtigen eine verbilligte Freizeitofferte macht, sind allerdings dagegen, daß der Wehrbeauftragte dies begrüßt, weil seines Erachtens solche Integration die Wehrmotivation fördere.
Überhaupt ist der Bericht des Wehrbeauftragten geprägt von einem Geist der Fürsorge und der Pflege. Das ist anerkennenswert. Wir haben an und für sich nichts dagegen, wenn es dem Wehrbeauftragten ein inneres Anliegen ist, daß er die Bundeswehr als einen Eckpfeiler unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung definiert und beteuert, ihr Platz in der Gesellschaft sei nicht gefährdet. Wir meinen zwar, daß eine solche parteipolitische Aussage - eines der Spektren in diesem Parlament - nicht in einen Bericht eines Wehrbeauftragten gehört, denn der Wehrbeauftragte ist unserer Auffassung nach politische Kontrollinstanz und kein Propagandabeauftragter, aber jeder ist eben doch Mensch, und wir meinen, dann soll er seine Bedürfnisse in diesem Punkt ausleben. Nur - und damit komme ich auf die beiden ersten Kriterien, die wir genannt haben, an denen wir auch die Tätigkeit des Wehrbeauftragten messen -, in einen Bericht gehört auch die Frage nach dem Hintergrund des Wehrdienstes, besonders wenn dieser Wehrbeauftragte die zurückgehende Motivation in der Bundeswehr beklagt. Ein Jahresbericht ist unvollständig, wenn das Problem der Motivation bei Wehrpflichtigen auf einzelne Auswüchse verkürzt und die Lösung in deren Beseitigung gesehen wird.
Was muß denn ein Wehrpflichtiger, der seine Augen und Ohren offenhält, heute empfinden, wenn ihm eingetrichtert wird, er solle sein Land verteidigen? Er weiß, das geht nicht, konventionell, chemisch, biologisch, atomar; wie immer auch auf dem Schlachtfeld gewütet werden wird, Mitteleuropa wird nach einem Krieg verwüstet sein. Hier wird keiner oder kaum einer überleben können. Verteidigung? Er weiß, die NATO droht, als erste Atomwaffen einzusetzen, Waffen, die Gustav Heinemann, der ehemalige Bundespräsident einmal als „Unkrautvertilgungsmittel" bezeichnet hat und damit deren Menschenverachtung dokumentieren wollte. Er kennt den amerikanischen Präsidenten, der diese Atomwaffen ja freigibt, als einen Mann, der anläßlich des 40. Jahrestages von Hiroshima gesagt hat, daß dieser hunderttausendfache Mord an unschuldigen Menschen notwendig gewesen sei, und so weiter. Er kennt die Auffassung der amerikanischen Regierung heute, daß die Strategie der Abschreckung, unter der ja die Wehrpflichtigen ausgebildet werden, als de facto überholt angesehen wird. Er kennt die Absicht der NATO, den Krieg ins gegnerische Territorium hineinzutragen, und auch deLange
ren Bereitschaft, chemische Mittel anzuwenden. Verteidigung?
Ich meine, daß wir in diesem Bericht auch die von dem Verteidigungsministerium unterdrückte Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts hätten finden müssen, in der nachgewiesen wird, daß die Antworten, wie es dort heißt, ein düsteres Licht auf die Wehrbereitschaft und den Wehrwillen der Mannschaftsdienstgrade werfen. Fast drei Viertel aller Befragten sind der Meinung, nichts könne einen Krieg mit Massenvernichtungsmitteln, ohne die eine künftige Auseinandersetzung kaum denkbar ist, rechtfertigen. Noch immerhin zwei Drittel sprechen sogar davon, kein Krieg könne gerechtfertigt werden. Mannschaftsdienstgrade in der Bundeswehr! Das gehört in den Jahresbericht hinein.
Bei aller Anerkennung des Bemühens des Wehrbeauftragten in den Einzelheiten, ein Bericht dieser Art darf kein Bundeswehrpropagandabericht sein. Die kritische Ader ist hierin nicht zu erkennen. Hinweise auf die Gewissensnot vieler junger Soldaten sind überhaupt nicht zu finden. Die Frage nach der Hauptursache des Motivationsverlustes in der Bundeswehr fehlt, wie ich aufzuzeigen versucht habe, völlig.
Die Sprache in diesem Bericht verrät den Geist. Ich sage das ganz unpolemisch. Es ist ein Geist der Fürsorge, sicherlich; aber es ist ein soldatischer Geist der Fürsorge. Die Kritik bleibt immanent. Insofern ist dieser Bericht unvollständig. Er wird dem Anliegen, parlamentarische Kontrolle zu sein, insgesamt nicht gerecht. Wir als GRÜNE Fraktion können ihn deshalb nicht weiterempfehlen.
Vielen Dank.
({6})
Meine Damen und Herren, es ist gemäß § 115 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung verlangt worden, dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages das Wort zu erteilen.
Das Wort hat der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages.
Weiskirch, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Für die Möglichkeit, zum Jahresbericht 1984 meines Amtsvorgängers Karl Wilhelm Berkhan hier sprechen zu dürfen, danke ich Ihnen.
Die Jahresberichte des Wehrbeauftragten sind sehr persönliche Papiere. Sie geben wieder, was der Wehrbeauftragte bei seinen Truppenbesuchen und bei anderen Gelegenheiten in Gesprächen mit Soldaten und in schriftlichen Eingaben erfahren und aufgenommen hat. Dies macht es seinem Nachfolger nicht gerade leicht, den Jahresbericht des Amtsvorgängers zu vertreten. Allerdings liegt es bei dem Bericht, den wir hier heute beraten, anders. Ich kann diesem Bericht voll und ohne Abstriche zustimmen. Ich kann das deshalb, weil ich in meiner halbjährigen Amtszeit vieles von dem, was Berkhan in seinem Bericht festgehalten hat, schon selbst erlebt und erfahren habe. Dabei meine ich das Positive, aber ich meine auch das Negative.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu den Jahresberichten des Wehrbeauftragten überhaupt machen. Sie werden in der Offentlichkeit vielfach als Zustandsberichte über die Bundeswehr aufgefaßt oder - um es deutlicher zu sagen - mißverstanden.
({0})
Sie sind ihrer Natur nach Zusammenstellungen von Fehlentwicklungen, die es zu bremsen und abzustellen gilt. Der Abgeordnete Feldmann hat darauf hingewiesen. Natürlich sagt der Wehrbeauftragte auch, was ihm besonders lobenswert erscheint. In der Regel aber geht es ihm um die Früherkennung von Schwächen und Fehlern, die behoben werden sollten und die von ihm deswegen klar angesprochen werden. Um es also noch einmal zu sagen: Die Jahresberichte des Wehrbeauftragten spiegeln nicht den durchgängigen Zustand der Bundeswehr wider. Dieser bietet nämlich sehr viel mehr Licht als Schatten.
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Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, bleiben wir zunächst einmal beim Schatten. Als ich im Bericht 1984, also in dem Bericht, über den wir hier sprechen, die Fälle las, in denen Vorgesetzte aus nur scheinbar wichtigen dienstlichen Gründen Sonderurlaubsanträge ihrer Untergebenen in dringenden Familienangelegenheiten abgelehnt haben, habe ich mich gefragt: Was dachten sich diese Vorgesetzten eigentlich dabei? Was ist das für ein Fürsorgeverständnis nach 30 Jahren Innerer Führung? Kaum hatte ich jedoch mein neues Amt angetreten, mußte ich lernen, daß es dann neue Fälle gibt und daß sich Vorgesetzte durch den Jahresbericht offenbar wenig beeindrucken ließen. Der Abgeordnete Heistermann hat dies zu Recht gerügt.
Ich will nur drei Beispiele nennen:
Da schrieb mir ein junges Mädchen - ich zitiere wörtlich -:
Ich habe am 28. April Konfirmation. Mein Bruder soll in dieser Zeit auf eine Übung fahren und kriegt kein frei. Sein Oberleutnant hat ihm gesagt, daß eine Konfirmation kein großes Familienfest sei. Ich sehe das völlig anders und bitte Sie, mir zu helfen.
In diesem Fall konnte ich helfen.
({2})
Zu spät erfuhr ich von einem Obergefreiten, dem trotz Vorlegens einer Bescheinigung der evangelischen Kirchengemeinde verwehrt wurde, an der Hochzeit seiner Schwester teilzunehmen. Er mußte in dieser Zeit bei einem Offiziersball kellnern, wahrlich ein wichtiger Dienst und wahrlich einfühlsame Vorgesetzte, die so etwas verfügt hatten.
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Drittes Beispiel: Auch nicht geholfen werden konnte jenem jungen Soldaten, der unter Vorlage eines ärztlichen Attests um Nachtausgang bat, weil er seine todkranke Mutter in einer Tumorklinik besuchen wollte. Der Nachtausgang wurde ihm nicht
Weiskirch
gewährt. Die Mutter starb, ohne daß der Soldat sie lebend wiedersah.
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Ich bin - das sage ich ganz ehrlich - erschrokken über die Gefühlskälte und Herzlosigkeit so manches Vorgesetzten. Wie berechtigt erscheint Berkhans Forderung, dem Anspruch jedes Soldaten auf menschliche Behandlung Geltung zu verschaffen. Menschlich behandelt zu werden ist eigentlich ein Selbstverständnis, das aber offensichtlich doch nicht überall zur Selbstverständlichkeit gehört.
Wenn im vorliegenden Jahresbericht in diesem Zusammenhang weiter gefordert wird, jeder Soldat muß fühlen, daß er für seine Vorgesetzten mehr als nur ein bloßes Funktionselement ist,
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dann frage ich mich: Können die genannten drei Soldaten so fühlen? Vor allem: Wie können sie das, wenn ihnen ausdrücklich zu verstehen gegeben wird, daß sie eben doch nur Funktionselement sind und nicht mehr, wenn ihnen ausdrücklich gesagt wird - ich zitiere einen Vorgesetzten wörtlich -: „Sie sind hier Verbrauchsmaterial. Wir können Sie einsetzen, wann und wo immer wir wollen."?
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Nicht daß es in unserer Bundeswehr überall so ist - Gott bewahre -, aber daß es auch so ist, veranlaßt mich, die Menschenführung in den Streitkräften in meiner Amtszeit zu einem Schwerpunkt meiner Kontrolltätigkeit zu machen.
({7})
Der zwischenmenschliche Bereich bleibt die tragende Säule der Armee. Der Hinweis, der Umgang der Menschen miteinander sei in unserer Gesellschaft insgesamt kälter geworden - ich will das gar nicht abstreiten -, beruhigt mich da nicht. Unsere Verteidigungsfähigkeit hängt letztlich von dem Ausmaß der Bereitschaft ab, Kameradschaft üben zu wollen, von dem Willen, füreinander, für die Bedürfnisse des Kameraden, für sein Wohl und für sein Wehe dazusein.
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Erst diese Eigenschaften geben Raum für den Staatsbürger in Uniform, unser Leitbild der Inneren Führung.
Der zwischenmenschliche Bereich muß daher mehr als bisher Gegenstand der Dienstaufsicht auf allen Führungsebenen sein. Damit meine ich aber eine wache Dienstaufsicht mit offenen Augen, keine müde mit halboffenen und vor allen Dingen nicht eine mit Augenzwinkern. Innere Führung als Dauerauftrag - das gilt nicht nur für den Wehrbeauftragten, sondern das gilt auch für alle Soldaten in der Bundeswehr.
Aber nun ein paar Bemerkungen zum Licht in den Streitkräften: Zu Recht hat mein Amtsvorgänger auf die vielen Initiativen von Vorgesetzten hingewiesen, um die Wiedereingliederung ihrer Soldaten in das zivile Erwerbsleben zu ermöglichen. Bataillone bieten Grundwehrdienstleistenden EDVKurse, Elektroschweiß-Lehrgänge oder Fremdsprachentraining an. Mancher Vorgesetzte hat hier die Grenze des Machbaren geradezu erreicht, wenn nicht schon überschritten; denn der Sinn des Wehrdienstes ist ja nicht die Berufsvorbereitung. Er kann daher auch nicht beliebig abgekürzt, und die Soldaten können nicht zur Aufnahme einer Ausbildung freigestellt werden, wann immer sie wollen.
Einige Arbeitgeber, meine Damen und Herren, besonders öffentliche, scheinen dies aber anzunehmen. Da müssen sich Wehrpflichtige von Stadtverwaltungen sagen lassen: Zum 1. September dieses Jahres nehmen wir dich; sieh zu, daß die Bundeswehr dich freistellt. Was im nächsten Jahr ist, wissen wir nicht. Unser Wehrpflichtiger muß dann vielleicht erleben, daß ein anderer seinen Platz einnimmt. Dies ist dann in seinen Augen die Gegenleistung für sein Gelöbnis, der Bundesrepublik Deutschland treu dienen zu wollen.
({9})
Aber auch hier gibt es Ausnahmen; das stimmt hoffnungsvoll. So hat der hessische Minister der Finanzen einem jungen Grundwehrdienstleistenden, der nicht mehr in einen laufenden Ausbildungsgang eingeschleust werden konnte, dieser Tage schon eine Einstellungszusage für 1986 gegeben und ihm angeboten, ihn bis dahin aushilfsweise im Angestelltenverhältnis zu beschäftigen. Andere öffentliche Arbeitgeber sollten sich ebenfalls um derartig flexible Lösungen bemühen.
({10})
Das Spannungsverhältnis von Wehrdienst, Arbeit und Ausbildung wird der zweite Schwerpunkt meiner künftigen Arbeit sein.
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Mich interessiert auch, wie die Wiedereingliederung ausscheidender Zeitsoldaten in den Arbeitsmarkt funktioniert. Manche Truppenteile berichten, die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt und dem Berufsförderungsdienst funktioniere hervorragend. Anderswo scheinen die Verantwortlichen gegeneinander zu arbeiten, so im Bereich des im Jahresbericht erwähnten Großverbandes, der sich erfolgreich um die Wiedereingliederung seiner Zeitsoldaten bemüht hatte. Das örtliche Arbeitsamt reagierte auf diese erfolreiche Initiative mit der Übersendung eines Bußgeldkataloges.
({12})
Das fördert nicht gerade das Engagement militärischer Vorgesetzter. Zuständigkeiten für Behörden haben ihren guten Grund und Sinn und dürfen nicht verwischt werden. Aber der Bürger ist nicht für die Behörden, sondern diese sind für den Bürger da. Sie müssen von dem Willen beseelt sein, zum Wohle des Bürgers - hier: des ausscheidenden Bürgers in Uniform - zusammenzuarbeiten. Ich bitte alle Mitglieder dieses Hauses, ihren Einfluß
Wehrbeauftragter Weiskirch
geltend zu machen, damit dies örtlich überall geschieht.
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Mit dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Heinrich Franke, habe ich heute vor einer Woche die Frage der Eingliederung ausscheidender Soldaten ins zivile Erwerbsleben erörtert. Der Bundesanstalt danke ich dafür, daß sie die Arbeitsämter angewiesen hat, bei der Eignungsfeststellung - ich zitiere - „die abgeleistete Wehrpflicht oder die von Soldaten durch fachliche Ausbildung und Verwendung im Truppendienst sowie durch die berufsfördernden Maßnahmen der Bundeswehr erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten zu berücksichtigen". Darauf sollte der Bundesminister der Verteidigung eingehen, z. B. dadurch, daß endlich Dienstzeugnisse so formuliert werden, daß die Arbeitsämter wirklich etwas damit anfangen können.
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Überdies habe ich den Eindruck, daß die Servicemöglichkeiten der Bundesanstalt, die sie dem Verteidigungsministerium ausdrücklich angeboten hat - beispielsweise durch das sogenannte Mikros-Gerät für den Nachweis offener Stellen -, noch nicht ausreichend genutzt werden.
Zu Recht, meine Damen und Herren, wird im Jahresbericht 1984 mit Nachdruck die soziale Absicherung ehemaliger Zeitsoldaten für den Fall ihrer Arbeitslosigkeit angemahnt. Die schriftliche Stellungnahme des Bundesministers der Verteidigung und auch seine Äußerungen im Weißbuch zu diesem Problem reichen mir, das sage ich ganz offen, nicht aus.
({15})
Seit Jahrzehnten ist man sich des Problems bewußt, ohne daß eine Lösung in Sicht ist.
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Ich wünsche mir hier etwas mehr Flexibilität. Außer dem Entwicklungshelfermodell, das nun seit 1976 in der Diskussion ist, gibt es sicher auch andere Lösungswege. Vielleicht könnte man die Übergangsgebührnisse für Zeitsoldaten verlängern, wenn diese arbeitslos werden. Die SaZ 2 genießen nach ihrem Ausscheiden, wie Sie wissen, den Schutz des Arbeitsplatzschutzgesetzes. Soldaten ab SaZ 8 aufwärts erfreuen sich ebenfalls einer relativ großzügigen Förderung. Die SaZ 4 bis 7 sitzen jedoch so ziemlich zwischen allen Stühlen. Wenn, wie der Bundesminister der Verteidigung sagt, nur wenige Zeitsoldaten nach ihrem Ausscheiden arbeitslos werden, sollte es doch um so leichter fallen, hier wirksame Hilfe zu leisten.
Auf anderen Gebieten hat der Bundesminister der Verteidigung die Anregungen des Wehrbeauftragten aufgegriffen und schnell in Maßnahmen umgesetzt. Dies gilt für das im Juli vom Inspekteur des Heeres verabschiedete Positionspapier zum Einsatz lebensälterer Grundwehrdienstleistender im Heer. Dies gilt für die inzwischen erfolgte Neufassung des Erlasses Handel und Gewerbeausübung im Bereich der Bundeswehr, mit dem es gelingen sollte, das Versicherungswesen in den Kasernen unter Kontrolle zu halten. Es gilt auch für eine Reihe anderer Punkte.
Ebenfalls gilt dies für den Kommandeurbrief 1/85 des Generalinspekteurs der Bundeswehr zur Bedeutung der Reservisten für die Streitkräfte. Trotz des 30jährigen Bestehens der Bundeswehr stehen wir beim Thema Reservisten erst am Anfang. Der Abgeordnete Ehrbar hat vorhin darauf hingewiesen.
Alle müssen hier lernen: die Truppe, die Gesellschaft, aber auch die Reservisten selbst. Die Truppe muß lernen, daß Männer zu ihr kommen, die wegen der Wehrübungen erhebliche Abstriche im Beruf, im Familienleben und in der Freizeit machen mußten. Sie können daher erwarten, gut geführt und betreut und sorgfältig ausgebildet zu werden.
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Die Gesellschaft muß lernen, daß unsere Bundeswehr ihren Verteidigungsbeitrag nur leisten kann, wenn neue Opfer. erbracht werden und für den Ausfall der Reservisten im Berufsleben während der Wehrübungen Verständnis aufgebracht wird. Viele Reservisten schließlich müssen lernen, künftig mehr in ihre Aus- und Weiterbildung zu investieren. Die Aus- und Weiterbildung verlangen mehr als ein Pistolen- oder Gewehrschießen mit anschließendem Umtrunk oder einen kleinen Orientierungsmarsch am Wochenende. Auch um die Reservisten, die mich bereits jetzt in zunehmendem Maße in Anspruch nehmen, werde ich mich daher zu kümmern haben.
Meine Damen und Herren, meine Zeit reicht nicht aus, um allen Gesichtspunkten des Jahresberichts gerecht zu werden; Stichworte: Dienstzeitbelastung, ärztliche Betreuung, Tradition usw. Karl Wilhelm Berkhan hat mir ein reiches Erbe hinterlassen. Ich werde mich bemühen, es zu hüten und zu mehren, und hierzu erbitte ich Ihre Hilfe. Bei meiner Wahl ist mir von diesem Hause großes Vertrauen entgegengebracht worden. Ich werde alle Anstrengungen unternehmen, mir dieses Vertrauen zu erhalten - zum Wohle der gemeinsamen Sache.
Ich bedanke mich.
({18})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Breuer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weite Teile des Jahresberichts 1984 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages widmen sich der Frage des Miteinanders der Soldaten der Bundeswehr, des Klimas, das in der Bundeswehr herrscht. Ich denke, daß wir sicher alle zusammen der Meinung sind, daß diese Fragen nicht irgendwelche Fragen sind, sondern zentrale Fragen für Verteidigungsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft insgesamt. Wichtig sind sie we11994
gen des menschlichen Miteinanders, der menschlichen Begegnung, der Menschlichkeit, die in der
Truppe herrscht. Hier geht es um junge Menschen
- ich meine die Wehrpflichtigen -, die zum erstenmal in ihrem Leben mit dem Staat konfrontiert werden, die heute für 15 Monate ihres Lebens aus der gewohnten Umgebung herausgeholt werden, und hier geht es darum, daß jährlich etwa 225 000 junge Menschen Erlebnisse mit dem Klima in der Bundeswehr haben, über die sie natürlich gegenüber anderen berichten.
Ich meine, daß wir eine große Verantwortung tragen, wenn wir hier über die bereits diskutierten Verstöße sprechen. Es ist sicher nicht so, daß diese Verstöße beispielhaft für das allgemeine Verhalten von Vorgesetzten in der Bundeswehr wären.
({0})
Meine Meinung und feste Überzeugung ist, daß der Geist und das Klima in der Bundeswehr im großen und ganzen sehr in Ordnung sind.
({1})
Aber, meine Damen und Herren, die Verstöße existieren, die Unmenschlichkeit existiert, und sie darf nicht verharmlost werden.
({2})
- Liebe Kollegen von der SPD, es ist richtig und gut, daß Sie mir hier zustimmen; ich weiß allerdings nicht, ob Sie es gleich noch tun werden.
({3})
- Herr Kollege Klejdzinski, Sie haben vorhin an den Minister die Frage gerichtet, ob er nicht dazu beitrage, daß der Umgangston sowie der Stil und die Form in der Bundeswehr leiden. Ob diese Ihre Frage an die richtige Adresse geht, ist doch wirklich sehr zu bezweifeln. Wir müssen hier nämlich - das ist ein Teil unserer Verantwortung - deutlich herausstellen, daß wir an all diejenigen in der Bundeswehr appellieren, die Vorgesetzte sind und Verantwortung tragen. Es kann nicht so sein, daß man Verantwortung einzig und allein auf ein Ministerium überträgt.
({4})
Meine Erfahrung mit diesem Minister ist, daß er - ({5})
- Sie tragen ein Stück mit dazu bei, wenn Sie weiter so dumm reden, Herr Kollege! - Meine Erfahrung ist, daß er der Zielsetzung eines kooperativen Umgangs in der Bundeswehr sehr gerecht wird und darauf achtet, daß Verstöße dagegen vermieden werden.
({6})
Meine Damen und Herren, jährlich 225 000 Wehrpflichtige, die über die Bundeswehr berichten, das heißt, daß in den letzten 30 Jahren mehr als 6 Millionen damals junge Menschen bei der Bundeswehr gedient haben. Wir wissen, daß heute die ersten Wehrpflichtigen einberufen werden, deren Väter bei der Bundeswehr gedient haben.
({7})
Wenn die Bundeswehr dann als selbstverständlicher Teil dieser Gesellschaft dasteht - das ist die allgemeine Erfahrung, die wir machen -, heißt das, daß die Zielsetzung der Inneren Führung im wesentlichen erreicht worden ist.
Ich möchte etwas sagen zu der Frage der Behandlung von Sonderurlaubsgesuchen, die ja hier auch im Zusammenhang mit der Menschenführung diskutiert worden ist. Das sind schlimme Beispiele, die der Wehrbeauftragte uns hier in den Bericht schreibt. Das sind Beispiele, die zeigen und sagen, daß ein Formalismus, ein behördlicher, ein bürokratischer Formalismus nach wie vor große Teile bestimmt. Der größte Feind des menschlichen Miteinander in der Bundeswehr scheint mir ohnehin dieser Bürokratismus und dieser Formalismus zu sein.
({8})
Es gibt viele Beispiele dafür, daß das Bemühen von Vorgesetzten behindert wird durch einen übertriebenen Bürokratismus und Formalismus.
({9})
Wir sollten jede Bemühung des Ministeriums und seiner politischen Führung im Hinblick auf den Abbau solcher unsinnigen bürokratischen Vorschriften in allen Bereichen unterstützen.
Meine Damen und Herren, der Kollege Heistermann sprach eben davon, daß die Soldaten der Bundeswehr im Mittelpunkt der Gesellschaft stehen müßten. Ich glaube, wir alle stimmen ihm da zu. Aber die kritische Frage, Herr Kollege - und dies bei allem Wohlwollen -, ist, ob Sie denn einverstanden sind mit allem in Ihrer Partei hinsichtlich einer politischen Zielsetzung, die die Soldaten der Bundeswehr gegenüber unserer Gesellschaft regelrecht in einen Rechtfertigungsdruck bringt.
({10})
Stellen Sie sich - und Ihre Aufgeregtheit ist ein Beweis dafür, daß ich den Finger in die Wunde lege - doch bitte in dieser Frage hinsichtlich der politischen Zielsetzung von weiten Teilen Ihrer Partei vor den Spiegel. Es kann nicht sein, meine Damen und Herren, daß der Wehrpflichtige, der einen Auftrag des Grundgesetzes für uns alle erfüllt, in einen Rechtfertigungsdruck vor der Gesellschaft für seinen Dienst gerät.
({11})
Die SPD hat allen Grund, darüber nachzudenken, wie weite Kräfte dieser Partei
({12})
in dieser Richtung politisch handeln. Insofern sind die Worte des Kollegen Heistermann möglicherweise gut gemeint. Aber sie müssen dann vor allen Dingen auf den Parteitagen der SPD sowohl auf unterster wie auch auf oberer Ebene gebraucht werden. Hinsichtlich der Menschenführung, hinsichtlich der Verwirklichung des Prinzips der Inneren Führung halte ich es für sehr notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Realisierung des Personalstrukturgesetzes, die Realisierung des Vorhabens, den Verwendungs- und Beförderungsstau innerhalb der Bundeswehr aufzuheben, von diesem Minister richtig erkannt und durchgesetzt worden ist. Hier wiederum die Aufforderung an die Kollegen der SPD, einmal darüber nachzudenken, welche Rolle sie in der Diskussion darüber gespielt haben. Mein Eindruck war, daß Sie in dieser Diskussion nach dem Strickmuster der politischen Agitation, das Sie in dieser Legislaturperiode allgemein pflegen, nämlich Neidkomplexe zu wecken versuchen,
({13})
wobei Sie wenig darauf achten, welche Sachgesichtspunkte, welche sachlichen Zielrichtungen verfolgt werden.
({14})
Sie haben - und ich kann dies sehr gut bewerten
hinsichtlich dessen, was sich seitens Ihrer Partei
beispielsweise in meinem Wahlkreis bewegt und tut
- so getan, als ob es uns hinsichtlich der Zielrichtung darum ginge, Offizieren einen Vorruhestand zu besorgen, noch dazu unverdient, indem Sie sagen, das sei das oberste Ziel des Bemühens, und haben nicht die Zielrichtung deutlich gemacht, die wir eigentlich haben und die im übrigen vorher Ihre Minister auch haben wollten, nämlich dafür zu sorgen, daß die Motivation der Vorgesetzten auch hinsichtlich der Menschenführung verstärkt und verbessert wird.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr.
Herr Abgeordneter Breuer, würden Sie einmal das Verhältnis darstellen, daß sich 6 000 im Beförderungs- und Verwendungsstau befinden, aber jetzt nur 1200 Stellen geschaffen wurden? Nach der Aufrechnung bleiben immerhin noch 4 800 im Verwendungsstau und nun erklären Sie mal der Öffentlichkeit, wie dieses Problem gelöst sein soll.
({0})
Zunächst einmal wissen Sie sehr genau, Herr Kollege Heistermann, daß die Zahl von 1 200 eine Bewegung des Drei- bis Vierfachen bewirkt.
({0})
- Natürlich nach unten. - Zum anderen muß ich Sie fragen, wie Sie mir denn intellektuell redlich begegnen wollen, wenn Sie das Ganze betrachten und lösen wollen, und wie Sie es eigentlich erklären
können, daß Sie schon mit dem Teil nicht einverstanden waren, den wir eingeleitet haben?
({1})
Das ist nicht redlich. Auch hierzu meine Aufforderung: wenn Sie denn gutwillig und in der richtigen Zielrichtung arbeiten, dann setzen Sie sich doch bitte in Ihrer Partei und Fraktion dafür ein, daß auch die anderen auf diesen Weg gebracht werden.
Meine Damen und Herren, ein wesentlicher Punkt, den ich anschneiden möchte, bezieht sich auf die Frage der von Arbeitslosigkeit betroffenen Wehrpflichtigen und Zeitsoldaten im Anschluß an ihre Dienstzeit. Wenn wir im Bericht lesen müssen
- ich möchte diese Zahlen weder dramatisieren noch verharmlosen -, daß zumindest in Teilen der Bundeswehr 40 % der Soldaten davon betroffen sind, so ist das ein Problem, das uns absolut herausfordern muß.
({2})
- Herr Kollege Klejdzinski, lassen Sie sich dazu herausfordern, ab und zu einmal zuzuhören und hier nicht immer nur gallige Sprüche zu klopfen; ab und zu wenigstens.
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Die Frage der Arbeitslosigkeit im Anschluß an den Wehrdienst muß uns herausfordern. Wir müssen dabei natürlich sehen, daß die Einberufungspraxis in den letzten zwei Jahren - und das ist gut so - insbesondere arbeitslose junge Männer berücksichtigte, was dazu geführt hat, daß am Ende der Wehrdienstzeit ebenfalls wieder Arbeitslosigkeit stand.
Wenn Willi Weiskirch, der Herr Wehrbeauftragte, eben sagte, es gebe Licht und Schatten, und wenn er dem Lichte positive Beispiele hinsichtlich der Beratung von Soldaten in Arbeitsplatzfragen zuordnete, dann möchte ich das ganz besonders hervorheben. Im Bericht des Wehrbeauftragten finden sich gute Beispiele der Zusammenarbeit von Truppenteilen der Bundeswehr mit den Arbeitsämtern, den Industrie- und Handelskammern und anderen Organisationen und Institutionen. Diese Beispiele sollten auch in dieser Debatte hervorgehoben werden, damit sich andere an ihnen ausrichten können. Es ist sehr wesentlich, daß sich die Verbände und Einheiten der Bundeswehr mit der Frage der Arbeitslosigkeit beschäftigen. Das ist manchmal gar nicht so einfach,
({4})
wenn Vorgesetzte, die selbst von diesem Problem viel weniger betroffen sind, weil sie länger verpflichtet oder sogar Berufssoldaten sind, mit dieser Frage konfrontiert werden.
Sie fragten nach der Lösung. Hierfür gibt es keine Patentrezepte, Herr Kollege Heistermann. Sicher aber ist die Notwendigkeit des dringenden Hinweises gegeben, damit alle Möglichkeiten der
Kooperation zwischen den Beteiligten und den verantwortlichen Organisationen - ich habe sie eben genannt - frühzeitig gesucht werden.
({5})
Viel zu oft ist es so - das sind sicher Erfahrungen, die auch Sie als Abgeordnetenkollege mit jungen Männern aus Ihrem Wahlkreis machen -, daß die Sensibilisierung für die Fragen der Beschäftigung nach dem Wehrdienst zu spät erfolgt. Das darf nicht erst einen Monat vor Ende des Grundwehrdienstes der Fall sein, sondern das muß weitaus früher erfolgen. Darauf sollten wir verweisen. Wir sollten auch darauf verweisen, daß es notwendig ist, den Wehrpflichtigen - auch den Zeitsoldaten - genügend Sonderurlaubstage zur Verfügung zu stellen, um sich in Kontaktgesprächen über ihre Chancen zu erkundigen und möglicherweise auch zum Erfolg zu kommen.
({6})
Meine Erfahrung - wenn Sie sagen: Setzen Sie es doch durch - mit Minister Dr. Wörner ist, daß er, wenn Dinge auf der Ebene der Truppe nicht geregelt werden konnten, immer Garant dafür war, daß sie dann im Hause, im Verteidigungsministerium, gelöst werden konnten. Ich möchte mich bei ihm ausdrücklich dafür bedanken.
({7})
In der Frage der Arbeitslosigkeit möchte ich allerdings auch ein kritisches Wort zur Praxis vieler Arbeitgeber in unserem Lande sagen. Die Betroffenheit der Arbeitgeber von der Ableistung von Grundwehrdienst durch ihre Beschäftigten ist sicher unterschiedlich. Es ist ein Riesenunterschied, ob ein Großbetrieb oder ein Zwei-Mann-Betrieb betroffen ist. Aber ich muß leider sehr oft - zu oft - feststellen, daß viele Arbeitgeber diese Frage - und zwar ähnlich wie in der Bundeswehr - zu formalistisch betrachten. Ich würde mir wünschen, daß wir noch mehr Arbeitgeber in der Bundesrepublik haben, die die Gesamtverpflichtung, die Gemeinverpflichtung der allgemeinen Wehrpflicht anerkennen, die den jungen Menschen nicht mit dem Grundwehrdienst und seiner Wehrpflicht alleine lassen, sondern ihm, beispielsweise durch Anschlußverträge, durch Zeitverträge zwischen Ausbildung und Einstellung, helfen, damit zurechtzukommen.
Gerade diese Frage der Zeitverträge aus einem ganz anderen Bereich, aus dem Bereich Arbeit und Soziales, kann möglicherweise dazu beitragen, daß jungen Wehrpflichtigen geholfen wird. Deshalb der Appell an die Arbeitgeber, davon stärker Gebrauch zu machen.
({8})
Ich möchte mich bei dem Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeitern für den Jahresbericht 1984 bedanken. Ich möchte mich bei den Soldaten der Bundeswehr für ihren Dienst für Frieden und Freiheit bedanken, und ich möchte unserem Minister Dr. Wörner die Unterstützung unserer Fraktion bei seinem Vorhaben in die richtige Zielrichtung deutlich machen und versichern.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Klejdzinski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mich dem eigentlichen Thema zuwende, weil ich mich sachlich mit dem Bericht auseinandersetzen möchte, nämlich soziale Sicherung der ehemaligen Zeitsoldaten oder soziale Sicherung der Soldaten schlechthin, insbesondere was die Problematik Arbeitslosigkeit, Berufsförderungsdienst und Bildungswesen anbetrifft, muß ich mir doch drei Bemerkungen erlauben.
({0})
- Richtig, so viele, Herr Wimmer.
Erstens zu Ihrem Hinweis auf das Personalstrukturgesetz, Herr Breuer. Ich sage Ihnen mit aller Deutlichkeit: Ich als Sozialdemokrat und einer, der auch ein bißchen von den Problemen versteht
({1})
- sicherlich nur auch, Herr Wimmer -, bin davon ausgegangen, daß diese Lösung nicht sozial verträglich sein kann. Weil sie nicht sozial verträglich sein kann, haben wir sie abgelehnt, obwohl das Problem an sich gelöst werden mußte. Das ist richtig.
({2})
- Hören Sie doch erst einmal zu, was ich sage! Wenn Sie etwas von der Sache verständen, hätten Sie gewußt, welche Lösungen wir vorgeschlagen haben. Sie waren nicht im Ausschuß und haben sich nicht sachkundig gemacht. Wir haben beispielsweise eine andere Reservistenkonzeption vorgeschlagen.
({3})
Wir haben darüber nachgedacht und die Vorschläge eingebracht, wie wir bestimmte strukturelle Veränderungen vornehmen können, um beispielsweise diesen Verwendungsstau im einzelnen aufzulösen.
Zweite Bemerkung zu der Fraktion DIE GRÜNEN. Wer beispielsweise sagt, er kann diesen Bericht nicht zur Annahme empfehlen, der sollte zumindest folgendes tun. Er sollte seine Argumente in dieser Sache im Ausschuß einbringen und dort nicht durch Abwesenheit, als diese Sache diskutiert wurde, insofern glänzen, daß man sich überhaupt nicht zur Sache äußert. Ansonsten möchte ich Ihnen empfehlen: Bitte setzen Sie sich mit den Soldaten zusammen, gehen Sie mal in die Truppe und versuchen Sie mal wirklich zu erfahren, ob das, was der Wehrbeauftragte Karl Berkhan niedergeschrieben hat, nicht im Grunde genommen, wie Sie selbst
auf der einen Seite festgestellt haben, eine Tatsachenbeschreibung war.
Ich bin dem neuen Wehrbeauftragten Willi Weiskirch dankbar - dies soll meine dritte Bemerkung sein -, daß er gesagt hat, er will dafür sorgen, daß die Soldaten als Menschen nicht das Verbrauchsmaterial der Bundeswehr sind. Ich bin dankbar dafür, daß er erklärt hat, er wird die Menschenführung in den Streitkräften in den Mittelpunkt seines Handelns stellen. Ich kann Ihnen versichern, Herr Weiskirch: Wenn Sie so Ihr Amt verstehen und so in Ihrem Amt handeln, dann werden Sie die Unterstützung der Sozialdemokraten haben.
({4})
Zur Thematik der sozialen Sicherung. Um ausreichend viele qualifizierte Zeitsoldaten mit der notwendigen Motivation in Zukunft gewinnen zu können, bedarf es verstärkter Anstrengungen, Zeitsoldaten rechtzeitig und umfassend auf ihre Rückkehr ins zivile Leben vorzubereiten. Ihr beruflicher und sozialer Aufstieg mit Hilfe der Bundeswehr wird künftig noch stärker herausgestellt werden müssen. Zu Recht hat beispielsweise der Wehrbeauftragte in seinem Bericht herausgestellt: Es ist dringend geboten, erkannte Defizite abzubauen; Absicherung im Fall späterer Arbeitslosigkeit ist geboten; Fürsorgepflicht des Dienstherrn muß gesichert sein. Motivation und Vertrauen für die Belange der Landesverteidigung hängen nach unserer Einschätzung stets davon ab, ob und in welcher Weise Soldaten ihre Perspektive für das spätere Erwerbsleben gewahrt sehen.
Diese Problemstellung hat nach unserer Einschätzung eine zentrale Funktion, wenn man an das von uns als unsinnig bezeichnete Vorhaben des Ministers denkt, die Friedensstärke der Bundeswehr auch in den 90er Jahren noch auf 456 000 Soldaten halten zu können, insbesondere wenn wir daran erinnern, daß er dafür - neben anderen Maßnahmen - 27 000 länger dienende Freiwillige gewinnen will. Ich stehe dieser Hoffnung, daß es klappt - das sage ich mit aller Deutlichkeit - mit großer Skepsis gegenüber.
({5})
- Das überrascht nicht, Herr Breuer.
Treffend oder nicht treffend verweist der Bundesminister, wenn er das Problem Arbeitslosigkeit behandelt, lediglich darauf, daß die Pflege des Kontakts mit den Verbänden und Vereinigungen notwendig ist. Wir haben bisher eine kritische Bewertung zu dieser Fragestellung von ihm nicht und auch nicht von der Fraktion der CDU/CSU vernommen. Arbeitslosigkeit und Arbeitsplatzmangel, die Sorge um einen Arbeitsplatz gehen nicht spurlos an Wehrpflichten und Soldaten auf Zeit vorüber. Zeitsoldaten haben bei der Wiedereingliederung in das zivile Berufsleben trotz des Soldatenversorgungsgesetzes mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die prekäre Arbeitsmarktsituation und andere Umstände führen in der Regel dazu, daß sie zunächst einmal arbeitslos werden. Der Deutsche Bundeswehr-Verband hat das Entwicklungshelfermodell mehrfach zur Diskussion gestellt. Diesbezüglich kam von der Hardthöhe sehr wenig.
Wer ernsthaft eine Lösung will, wer ernsthaft seiner Fürsorgepflicht nachkommen will, wer ernsthaft erklärt: „Der Hintergrund der Problematik ist erkannt, die Ausführungen des Wehrbeauftragten sind zutreffend", muß schließlich handeln. Die Bundesregierung hat dies ja erklärt, aber das Handeln in der Sache fehlt.
Was muß eigentlich beispielsweise ein Parlament tun, um den Minister zum Handeln zu bewegen? Ist es nicht hinreichend, daß bereits in den Jahresberichten 1976, 1978 und 1982 ebenso wie in dem Jahresbericht 1984 das Problem der Arbeitslosigkeit angesprochen wurde? Schon am 1. April 1956 wurde ausdrücklich in § 30 des Soldatengesetzes festgelegt, daß die Arbeitslosenversicherung für Soldaten auf Zeit gesetzlich geregelt werden muß. Sie mögen mir vielleicht vorhalten: Das ist die Erblast. Ich übernehme das insofern, als ich zugebe, daß auch wir in der Vergangenheit diesbezüglich nicht das Notwendige getan haben. Aber zur Sache muß ich sagen: Damals war die Problematik der Arbeitslosigkeit nicht so gravierend wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
({6})
Natürlich erinnere ich mich heute an den großen Oppositionspolitiker Dr. Wörner, der einmal auszog, folgendermaßen zu werben: Liebe Soldaten, wählt CDU, ich weiß, wo den Soldaten der Schuh drückt, ich habe die entscheidungsreifen Vorlagen in der Schublade, ich bin entscheidungsfreudig.
Kommen Sie jetzt bitte nicht mit dem Argument, daß Sie alles hätten nachholen müssen, was wir angeblich versäumt haben. Ich finde es richtig, was vorhin mein Kollege Heistermann zum Traditionserlaß festgestellt hat: Heute hat er die Tradition im Panzerschrank. Das ist wahrscheinlich die einzige entscheidungsfreudige Vorlage, die er heute noch hat. Nur wagt er diese Entscheidung nicht offen zu diskutieren, was notwendig wäre.
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Ein weiteres Spannungsfeld tut sich auf zwischen Grundwehrdienst und zivilberuflicher Tätigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Wehrgerechtigkeit. Einer grundsätzlichen Neuordnung bedarf es bei der Berufsförderung und den Hilfen bei der Wiedereingliederung. Alle bisherigen Operationen, die in dieser Hinsicht durchgeführt wurden, haben nicht Vorteile für die Soldaten gebracht. Ich denke insbesondere daran, daß langdienende Soldaten bei ihrem Ausscheiden in der Situation sind, daß sich ihre Kinder in der schulischen oder beruflichen Ausbildung befinden. Mit diesem Problem haben es Soldaten aller Dienstgrade zu tun.
Ich denke an die Berichterstattergespräche, die wir auf der Hardthöhe bezüglich des Bildungswesens geführt haben. Die Hardthöhe konnte noch nicht einmal Auskunft darüber geben, wie viele Soldaten auf Zeit wirklich arbeitslos sind. Dies zeugt
nicht gerade von einer als freundlich zu bezeichnenden Analyse des Problems.
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Wir Sozialdemokraten mahnen den Minister, dem Menschen, dem Soldaten, Priorität gegenüber dem Material einzuräumen. Herr Wehrbeauftragter Weiskirch, die Einbindung der Bundeswehr in den Staat und die positive Einstellung der Soldaten zum Staat werden entscheidend durch Ihr Mitwirken geprägt. Als Anwalt der Soldaten haben Sie unser Vertrauen.
Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Bemerkungen vorweg; teilweise geht es um persönliche Dinge. Herr Berger hört offenbar nur denjenigen zu, die ihre Wehrpflicht abgeleistet haben. Ich kann Sie hier beruhigen: Ich habe meine Wehrpflicht abgeleistet, aber ich habe anschließend zu denen gehört, die für sich das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung in Anspruch genommen und dies als innere Verpflichtung aufgefaßt haben, weil sich in der Zwischenzeit an den Einsichten etwas geändert hat.
({0})
Ein zweiter Punkt. Herr Kollege Klejdzinski, ich bitte wirklich, etwas vorsichtig zu sein, wenn Sie mir vorwerfen, bei der Ausschußarbeit an diesem Thema nicht mitgemacht zu haben. Ich war dabei, als Herr Weiskirch Bericht erstattet hat bzw. als der Bericht des Wehrbeauftragten zur Sprache kam. Ich halte das auch - wie man in der Boxersprache sagt - für einen Schlag unter die Gürtellinie. Denn ein Abgeordneter einer kleinen Fraktion muß auf vielen Hochzeiten tanzen. Er kann es sich nicht leisten, wie Abgordnete einer großen Fraktion in einem Ausschuß mitzuarbeiten und dort die Arbeit konkret mitzumachen. Ich muß teilweise in drei bis vier Ausschüssen an einem Tag präsent sein. Sie wissen das und sagen das trotzdem hier. Das finde ich schade. Das hätte ich von Ihnen eigentlich nicht erwartet. Außerdem provozieren Sie damit lediglich ein Verhalten unsererseits, daß wir jetzt mit Listen ankommen und den Herrn Klejdzinski beobachten, wie oft er im Ausschuß ist und wie oft er auf die Toilette geht. Ich möchte das eigentlich nicht tun.
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Zum nächsten Punkt. Als Vorbemerkung: Herr Kollege, Truppenbesuche bei der Bundeswehr betrachte ich als meine Aufgabe. Ich bin sehr oft bei der Bundeswehr zu Diskussionen. Da leite ich gleich zu dem über, was ich eigentlich sagen will.
Die Erfahrungen in der Bundeswehr, die ich mache, sind die: Da werden Mannschaftsdienstgrade zur politischen Bildung hingesetzt. Die hören sich die Diskussion an. Und wenn DIE GRÜNEN dabei sind, hören sie aufmerksam zu; ich habe den Eindruck: immer aufmerksamer, weil wir nämlich Fragen stellen, die in der Bundeswehr und in diesem Parlament vorher noch nie so scharf gestellt worden sind. Ich behaupte nicht, daß wir immer die richtigen Antworten finden. Wir geben das wenigstens zu - im Unterschied zu Ihnen. Aber wir haben die richtigen Fragen gestellt. Wir haben präzisere Fragen gestellt, Fragen, die neu sind, und Fragen, die nicht neu sind, die vor zwanzig Jahren zum letzten Mal gestellt worden sind, nämlich nach der Qualität, nach der Möglichkeit von Verteidigung überhaupt.
Und dann erfahre ich im nachhinein, daß Bundeswehrsoldaten aller Dienstgrade auf einen persönlich zukommen und das Gespräch suchen und genau diese Besorgnis äußern, die wir in den Diskussionen äußern. Und dann merkt man das an der Rückkoppelung durch Briefe, durch Telefonanrufe noch einmal: Es ist ein Interesse da; es ist ein Problembewußtsein geweckt worden.
Insofern können Sie nicht sagen, wir sollen hier Truppenbesuche machen, wir GRÜNEN ständen sozusagen außerhalb der Diskussion innerhalb der Bundeswehr. Das ist absolut nicht der Fall. Im Gegenteil. Wir sind in unserer Besorgnis und in unseren Fragestellungen noch intensiver drin, seit wir Besuche bei der Bundeswehr machen. Auch dort gibt es ja klar denkende Menschen, die auch innerhalb ihres Auftrags Fragen stellen und Grenzen erkennen, etwa die NATO-Doktrin.
Ich möchte aber noch in aller Kürze auf das eingehen, Herr Weiskirch, was Sie vorhin gesagt haben. Ich muß noch einmal sagen: Ich akzeptiere es, wenn Sie sich bemühen, Mängel abzustellen, wenn Sie versuchen, den ganzen Ablauf innerhalb der Bundeswehr menschlicher zu gestalten, und wenn Sie Auswüchse vermeiden wollen. Da haben Sie unsere Unterstützung, auch als der vierten Kraft in diesem Bundestag.
Nur muß ich auch Sie auffordern: Machen Sie sich bitte Gedanken über die Motivation! Beklagen Sie nicht nur die fehlende Motivation von Soldaten, sondern machen Sie sich dann auch Gedanken in alle möglichen Richtungen, die diesen Problembereich betreffen! Man kann nicht über das Thema Motivation sprechen, ohne auf den gesamten Sinn, auf die gesamte Sinnhaftigkeit des Dienstes bei der Bundeswehr einzugehen.
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Und da hat sich in den letzten 20 Jahren nun einmal etwas verändert. Die Menschen nicht nur außerhalb der Bundeswehr, sondern auch innerhalb der Bundeswehr erkennen zunehmend die Fragwürdigkeit der Möglichkeit der Verteidigung. Und das muß doch Rückwirkungen auf die Motivation haben.
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Da kann man doch einer politischen Couleur sein,
wie man will: Man muß sich doch Gedanken machen, ob dieses Land überhaupt so verteidigt werLange
den kann, wie es ja der Auftrag eines Bundeswehrsoldaten ist.
Der zweite Punkt - ich komme damit zum Ende - ist das Verhältnis zwischen Demokratie und Militär. Solange diese Gedanken nicht ausgedacht sind, muß der Bericht eines Wehrbeauftragten immer zu kurz greifen. Wenn man glaubt, daß die Bundeswehr ein integraler Bestandteil einer Demokratie sein kann,
({4})
dann kommt man zu anderen Schlüssen als wir GRÜNE. Ich bin anderer Meinung. Ich habe das vorhin bereits dargelegt, Herr Kollege Berger. Ich habe versucht, auf die Unmöglichkeit der Vereinbarkeit von Militär und Gesellschaft hinzuweisen. Das soll man auch so sagen. Dann kann man sagen: Okay, ich bin hier anderer Meinung.
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- Unvereinbarkeit, natürlich.
Ich glaube also, daß der Bericht des Wehrbeauftragten auf diese Problematik hinweisen muß. Und wenn er darauf hinweist, dann ist zumindest das Feld der Diskussion eindeutiger ausgeführt worden. Aber es würde nichts verschwiegen. Und das ist der Punkt, den ich vorhin zu kritisieren versucht habe. Das verstehe ich zugleich als Aufforderung, im nächsten Jahr in diesem Sinne tätig zu werden.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Steiner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der letzte Jahresbericht des von uns allen sehr geschätzten Wehrbeauftragten Karl Wilhelm Berkhan ist Gegenstand unserer heutigen Aussprache. In einem Kapitel seines Jahresberichts 1984 befaßt sich der Wehrbeauftragte, dem im übrigen der Beirat für Fragen der Inneren Führung eine bemerkenswerte Ausgewogenheit bescheinigt, mit den Belastungen der Soldatenfamilien, Belastungen, die besonders durch die Versetzungspraxis und Versetzungshäufigkeit eintreten und die von den Familien zu Recht als unerträgliches Opfer betrachtet werden. 10 000 Berufs- und Zeitsoldaten werden Jahr für Jahr an einen anderen Dienstort versetzt. Zehn und mehr Umzüge in einem Soldatenleben sind keine Seltenheit. So schreibt Karl Wilhelm Berkhan in seinem Bericht.
Wir alle kennen zwar die damit verbundenen Probleme; dennoch müssen sie immer wieder genannt und angesprochen werden. Die Probleme sind Aufgabe der sozialen Bindung am bisherigen Standort, Störung in der Schulausbildung der Kinder, Aufgabe des Ausbildungsplatzes der in Berufsausbildung befindlichen Kinder bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes der Ehefrau, und das in einer Zeit, meine Damen und Herren, in der sich jeder glücklich schätzen kann, der einen sicheren Arbeitsplatz bzw. einen Ausbildungsplatz hat.
Unsere Soldaten sind in unserer Gesellschaft, in der die soziale Sicherheit einen hohen Stellenwert hat, nicht mehr bereit, Versetzungsentscheidungen ergeben hinzunehmen, denn auch sie sind als Angehörige der Bundeswehr, einer Armee der Demokratie, Herr Kollege Lange, Teil unserer Gesellschaft und haben als solche selbstverständlich ihre eigenen Denk- und Verhaltensweisen. So nehmen die Eingaben betreffend Versetzung beim Wehrbeauftragten wieder zu. Die Zahlen im Jahresbericht sprechen für sich: 1982 waren es 590, 1983 waren es 693, 1984 stieg die Zahl auf 752. Mit Recht weist Karl Wilhelm Berkhan auf eine besorgniserregende Entwicklung hin.
Wir müssen den Soldaten endlich wieder das Gefühl geben, daß ihre persönlichen und familiären Belange nicht ständig hinter militärischen Erfordernissen zurückstehen müssen. Deshalb fordert der Wehrbeauftragte eine ernsthafte, eine ausgewogene Güterabwägung zwischen diesen beiden Komponenten, um zu erreichen, daß nicht nur der richtige Mann am richtigen Platz, sondern ein zufriedener Mann am richtigen Platz seinen Dienst versieht.
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Im Versetzungsmanagement und auch bei den Versetzungsfolgen muß sich etwas andern. Zum Versetzungsmanagement muß ein ausführliches Personalgespräch gehören mit dem Ziel, Soldaten eine längere Planung innerhalb der Familie zu ermöglichen. Auch Folgeversetzungen, insbesondere Folgeumzüge, müssen stärker berücksichtigt werden. Bei den Versetzungsfolgen müßte der Bundesverteidigungsminister schnellere und gezieltere Maßnahmen zur Verbesserung im finanziellen und sozialen Umfeld ergreifen. Unsere Soldaten haben genug von schöngesetzten Worten des Ministers. Sie wollen endlich Taten sehen.
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Zwar wurde auf unser Drängen hin zum 1. Januar 1985 eine zweite monatliche Reisebeihilfe für Familienheimfahrten und die Verdoppelung der Erstattungsbeträge für versetzungsbedingten Nachhilfeunterricht der Kinder eingeführt. Damit sind die Probleme aber nicht gelöst. Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
In der Debatte zur sozialen Lage in den Streitkräften am 28. März haben wir Sozialdemokraten mehrfach gefordert, mit höchster Priorität an die Verwirklichung der folgenden Ausgleichsmaßnahmen zu gehen: Zahlung von Trennungsgeld bis zum Dienstantritt am neuen Standort, wenn z. B. die Familie vor dem Dienstbeginn umzieht, weil der Schuljahresbeginn nicht mit dem Dienstantritt übereinstimmt. Nach dem geltenden Recht werden diese Familien von Ihnen bestraft. Weiter forderten wir die Anpassung der Umzugskostenvergütung an die gestiegenen Kosten und die Aufhebung der Jahresgrenze für die Zahlung von Trennungsgeld. Außerdem sollte geprüft werden, ob es bei Versetzung nicht künftig jedem einzelnen Soldaten überlassen
bleiben sollte, ob er an den neuen Standort umzieht oder seine Familie wegen der vielfältigen Bindungen am alten Standort beläßt und Trennungsgeld bezieht. Wir können nur hoffen, daß die nun angekündigten Verbesserungen tatsächlich kommen.
Die Wohnungsfürsorge bedarf dringend einer Verbesserung. Insbesondere müssen ausreichend Wohnungen für unsere Soldaten an allen Standorten zur Verfügung stehen. Zur Zeit nimmt die Zahl der Bundesdarlehenswohnungen jährlich um bis zu 2 000 ab, weil die Besetzungsrechte des Bundes auslaufen.
Der Standard der verfügbaren Wohnungen muß verbessert und vereinheitlicht werden. Lassen Sie mich das an einem Beispiel deutlich machen. Eine Wohnung am Standort A verfügt lediglich über einen Küchenraum ohne Ausstattung. Der Soldat, der dorthin umzieht, eine solche Wohnung zugewiesen bekommt, muß sich also eine Küche kaufen. Nach drei Jahren wird er an den Standort B umgesetzt, bekommt eine Wohnung mit einer ausgestatteten Küche zugewiesen. Die Küche ist dann also überflüssig. Er verkauft sie möglicherweise an seinen Nachfolger am Standort A, allerdings mit Verlust. Das kann sich so fortsetzen und hat natürlich zusätzliche finanzielle Belastungen für den Soldaten zur Folge. ich meine, ein einheitlicher Ausstattungsstandard könnte das verhindern.
Eventuell sollte auch eine Ergänzung des Wohngeldgesetzes speziell für die Angehörigen der Soldaten ernsthaft erwogen werden, damit sie auch damit sie auch Möglichkeiten haben, auf dem freien Wohnungsmarkt eine individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Wohnung zu suchen.
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Hier ist der Verteidigungsminister gefordert. Es reicht nicht aus, daß er in der Stellungnahme zum Jahresbericht des Wehrbeauftragten 1984 lapidar feststellt: „Der Dienstherr darf von der jederzeitigen Versetzbarkeit eines Berufs- und Zeitsoldaten ausgehen", und dann einen ganzen Katalog von „man müßte", „man sollte", „man könnte" anfügt. Wer ist „man"? Sie, Herr Dr. Wörner, Sie sind Minister, Sie sind zum Handeln aufgefordert. Schon nächste Woche werden wir sehen, wie ernst Sie es meinen. Dann nämlich ist der erste Zwischenbericht über den Stand der Wohnungsfürsorge im Verteidigungsausschuß fällig; so beschlossen in der 68. Sitzung des Ausschusses am 22. Mai dieses Jahres.
Behalten Sie die Mahnung des ehemaligen Wehrbeauftragten im Ohr: nur ein zufriedener Soldat ist ein motivierter Soldat. Lösen Sie die aufgezeigten Probleme so, wie Sie es versprochen haben. Wir werden nicht nachlassen, Sie dazu aufzufordern. Dabei rechnen wir mit der Unterstützung unseres ehemaligen Kollegen, des Wehrbeauftragten Willi Weiskirch, und mit seinem uneingeschränkten Engagement für die Soldaten.
Ich bedanke mich.
({3})
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister der Verteidigung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Auch wenn der vorliegende Jahresbericht noch von Ihrem Vorgänger im Amt vorgelegt worden ist, möchte ich zuerst Ihnen, Herr Wehrbeauftragter, und mit Ihnen den Angehörigen Ihres Amtes für den vorgelegten Bericht danken.
({0})
Wir empfinden diesen Bericht gerade dort, wo er kritisch ist, als hilfreich, ebenso im übrigen diese Debatte mit ihrem sachlichen Verlauf. Ihre Arbeit ist ja nicht nur die Erfüllung Ihres im Gesetz vorgesehenen Auftrages, sondern sie geschieht letztlich zum Wohl unserer Soldaten und zum Wohl unserer Bundeswehr.
Dieser Bericht - und dafür bin ich Ihnen besonders dankbar, daß Sie das selbst klargestellt haben - ist ein Mängelbericht. Jeder hier verzeichnete Mangel ist ein Mangel zuviel, wird so von uns gesehen und sehr ernstgenommen. Aber der Bericht beschreibt nicht den Zustand der Bundeswehr. Das muß man sich ebenso klar vor Augen halten.
({1})
Ich sage deswegen als der für diese Bundeswehr
verantwortliche Minister, daß der innere Zustand der Bundeswehr heute gut ist, besser jedenfalls als zu der Zeit, da wir die Verantwortung übernommen haben.
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Die Bundeswehr ist nicht in einer desolaten Verfassung. Ich werde Ihnen - Sie brauchen keine Sorge zu haben - auch nicht den Gefallen tun und hier in eine Schwarzweißmalerei verfallen. Deswegen sage ich ausdrücklich: Sie war auch nicht in einem desolaten Zustand, als wir sie übernommen haben. Das heißt: Die Bundeswehr ist über die Jahre hindurch eine im Bündnis angesehene und schlagkräftige Armee gewesen und geblieben.
Allerdings - daher meine Feststellung, daß sich vieles gebessert habe -: Als wir anfingen, war die Bundeswehr verunsichert. Das wissen Sie noch besser als wir. Die Bundeswehr war starken Kürzungen ausgesetzt, der Übungsbetrieb war eingeschränkt, es gab keine verbindliche Planung. Drükkende personelle und soziale Probleme waren ungelöst. Heute hat die Bundeswehr wieder eine verbindliche Planung, eine klare Perspektive. Sie hat die beste Personallage in ihrer Geschichte.
({3})
Der Verwendungsstau ist angepackt, die Lücken in der Schlagkraft werden geschlossen, der Übungsbetrieb ist voll und ohne Einschränkung wiederhergestellt, und die Soldaten wissen - das ist nicht unwesentlich -, daß nicht nur die politische Führung, sondern auch die tragenden Parteien CDU/ CSU und FDP zur Bundeswehr, zu ihren Soldaten und zivilen Mitarbeitern stehen und sie nicht im
Stich lassen. Wir haben gehandelt und eben nicht nur geredet. Ich lasse mich gerne an dem messen, was ich bei meinem Amtsantritt gesagt habe.
Ich greife nur drei Beispiele heraus. Wo Sie dem Verwendungsstau tatenlos gegenübergestanden haben, haben wir ihn angepackt. Wo Sie die Zahl der Längerdiener heruntergefahren haben, obwohl Sie wissen, was auf uns in den 90er Jahren zukommt, haben wir sie nach oben gefahren.
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Wo Sie den Dienstausgleich gekürzt haben, haben wir ihn wiederhergestellt. Die Bundeswehr weiß das, sie anerkennt das. Das Echo zeigt es. Sie sollten das fairerweise anerkennen, anstatt dort Kritik zu üben, wo nun weiß Gott keine Kritik zu üben ist.
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Nun hat der Wehrbeauftragte zwei Stichworte geliefert, auf die ich gerne und dankbar eingehe, weil Ihre Schwerpunkte, Herr Wehrbeauftragter - nämlich die Schwerpunkte Menschenführung und Dienstaufsicht - Schwerpunkte meiner Amtsführung sind. Sie finden sie in meiner ersten Rede vor den Kommandeuren der Bundeswehr. Seitdem haben wir auf diesem Felde konsequent weitergemacht.
Wie der Dienst in den Streitkräften von unseren jungen Soldaten, den Wehrpflichtigen und auch den Freiwilligen, subjektiv empfunden wird, hängt ganz entscheidend von der militärischen Führung ab. Dafür legt auch dieser Bericht des Wehrberauftragten ein klares Zeugnis ab, und zwar zum Guten wie zum Schlechten. Das ist besonders wichtig. Wir haben im Augenblick in der Bundeswehr eine Generation junger Wehrpflichtiger von einer Qualität, wie wir sie schon lange nicht mehr hatten. Sie sind willig, leistungsbereit, aufgeschlossen. Sie kommen nicht mit einem großen Hurra zur Bundeswehr, selbstverständlich nicht, aber sie haben, wenn sie dabei sind, die Absicht, einen guten Dienst zu leisten. Man kann diesen jungen Leuten gegenüber im Grunde genommen nur zwei Fehler machen: sie nicht anständig anzupacken und zu behandeln, d. h. menschlich, wie das hier in der Debatte gesagt wurde. Dafür sind sie sehr empfänglich; sie erwarten mit Recht eine anständige Führung. Und sie wollen gefordert werden, d. h. sie wollen das Gefühl haben: Wenn ich schon beim Bund bin, dann soll das, was ich beim Bund tue, Sinn machen. Ich will meine Zeit dort nicht verplempern. Das sind die beiden entscheidenden Punkte. Daher ist die Frage der Menschenführung so wichtig.
Deswegen habe ich vom ersten Tage an Erziehung, Bildung und Ausbildung der Soldaten, der militärischen Führer zu verbessern versucht. Ich will nicht sagen, daß das in drei Jahren abschließend gelungen wäre. Ich will auch gar nicht sagen, daß ich der erste bin, der damit angefangen hat. Es wäre falsch. Ich würde meinem Kollegen Leber oder meinem Kollegen Apel unterstellen, sie hätten hier eine grundsätzlich andere Auffassung gehabt. Nur, ich habe das ganz bewußt wieder zum Schwerpunkt gemacht und die dafür nötigen Maßnahmen in Kraft gesetzt.
Und jetzt gebe ich Ihnen Aufschluß darüber: Wir haben den Anteil der längerdienenden Soldaten in drei Jahren um 9 500 erhöht, um die Führerdichte in der Truppe spürbar zu verstärken.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klejdzinski?
Wenn mir das auf die Zeit nicht angerechnet wird, Herr Präsident, gerne.
Herr Minister, Sie haben angesprochen, daß Sie sich um die Erziehung und Ausbildung der Soldaten kümmern wollen. Ich darf Sie fragen: Warum haben Sie uns, den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses, den Traditionserlaß, den Sie im Panzerschrank unter Verschluß halten und bisher an einzelne nur numeriert ausgegeben haben, nicht zur Verfügung gestellt, um die Probleme mit uns gemeinsam zu diskutieren?
Also, ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage. Ich hätte das nach der Bemerkung des Kollegen Feldmann ohnehin angesprochen. Mein Ehrgeiz ist - ob mir das gelingt, weiß ich nicht -, einen Traditionserlaß zu machen, der über wechselnde politische Mehrheiten hinaus Bestand hat. Daher lasse ich schon seit mehr als einem Jahr an einem solchen Entwurf sehr sorgfältig arbeiten. Die Entwürfe, die mir bis jetzt vorgelegen haben, befriedigen mich nicht. Ehe sie nicht so sind, daß sie mich selbst befriedigen, werde ich sie weder ins Parlament noch in die Öffentlichkeit geben. Sobald das abgeschlossen ist, werden Sie Gelegenheit haben, sich dazu zu äußern.
({0})
Ich sage noch einmal: Wir haben den Anteil der längerdienenden Soldaten in drei Jahren um 9 500 erhöht und damit die Führerdichte verbessert. Wir haben fast 3 000 neue Planstellen zur Realisierung der Heeresstruktur IV, zur Milderung des Verwendungsstaus und zur besseren personellen Ausstattung anderer Bereiche geschaffen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Suhr?
Herr Präsident, ich bitte sehr um Vergebung, aber angesichts der Zeit möchte ich das nicht mehr tun.
Und jetzt sage ich dazu, weil das ja immer einer der Punkte war, die uns hier beschäftigt haben: Das hat gerade auch dem Unteroffizierskorps und den Offizieren des militärfachlichen Dienstes gegolten. Schließlich werden wir mit der Umsetzung des Personalstrukturgesetzes der Überalterung auf einsatzwichtigen Dienstposten entgegenwirken und die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte damit spürbar verbessern.
Nur in Parenthese, weil hier ein Streit über die 1 500 - nicht 1 200 - war: 1 500 reichen nach den Berechnungen der Streitkräfte aus, um den Verwendungsstau im Bereich der Offiziere abzubauen, weil der Verwendungsfluß jeweils zwei bis drei - in manchen Fällen sogar vier - Verwendungen einschließt. Schließlich haben wir die Spitzendienstgrade, Stabsfeldwebel und Oberstabsfeldwebel, wieder eingeführt, um die Attraktivität der Laufbahn zu erhöhen und die Bedeutung der Stellung des Unteroffiziers zu unterstreichen.
Ich sagte bereits, daß wir heute den Erfolg dieser Maßnahmen zu verzeichnen haben. Wir haben vor allen Dingen bei den Unteroffizieren die beste Personallage, die die Bundeswehr je hatte. Wir können aus vielen Bewerbern auswählen: nicht nur beim Unteroffizier, Feldwebel, sondern auch beim Offizier. Damit können wir wieder gezielt Einfluß auf die Qualität unserer militärischen Führer nehmen.
Zur Neuorientierung und Verbesserung der Erziehung und Ausbildung haben wir im letzten Jahr ein Gesamtkonzept zum Bildungswesen der Bundeswehr vorgelegt. Das ist vom Verteidigungsausschuß gebilligt und mit großer Mehrheit positiv gewürdigt worden.
Folgende Maßnahmen aus diesem Konzept wurden inzwischen verwirklicht, nicht nur angekündigt: Wir haben die Unteroffiziersausbildung um drei Monate verlängert, die Maat-Ausbildung an der Marineunteroffiziersschule wiedereingeführt, und zwar mit dem erklärten Ziel, die Menschenführung hier in den Mittelpunkt der verlängerten Ausbildung zu stellen, um dazu beizutragen, Herr Wehrbeauftragter, meine verehrten Damen und Herren Kollegen, daß solche Fälle, wie Sie sie vorhin zu meinem eigenen Leidweisen und zu dem aller Kollegen hier vortragen mußten, weniger und weniger vorkommen. Wir haben die Ausbildung in Menschenführung auch in allen anderen Laufbahnlehrgängen, in Fortbildungslehrgängen für Feldwebel des Heeres verbessert. Wir haben die Ausbildung der Heeresoffiziere neu geordnet. Sie ermöglicht jetzt eine längere Ausbildungs- und Verwendungszeit in der Truppe vor Beginn des Studiums an den Universitäten der Bundeswehr und vermittelt damit mehr Praxisnähe und mehr Menschenkenntnis, insonderheit die Kenntnis der Wehrpflichtigen, mit dem sie jetzt in der Truppe länger zusammen sind.
({0})
Wir haben in der Aus- und Fortbildung der Stabsoffiziere mehr Praxisbezug geschaffen, die Generalstabs- und Admiralstabsausbildung wieder auf zwei Jahre verlängert und sicherheitspolitische Fortbildungskurse an der Führungsakademie der Bundeswehr eingerichtet. Schließlich werden wir neue Studiengänge in der Hochschulausbildung an den Universitäten der Bundeswehr einführen und den Praxisbezug verstärken.
Darüber hinaus haben wir Initiativen ergriffen - nicht nur geredet -, um die politische Bildung weiter zu verbessern und das Gespräch und die Zusammenarbeit in und mit allen Teilen der Gesellschaft zu intensivieren. Die sicherheitspolitischen Arbeitstagungen für die Truppe, die Arbeitstagung für Soldaten, die als Kommunalpolitiker tätig sind, die Arbeitstagung „Wehrpflicht und Familie" sowie die rege Teilnahme von Soldaten am Evangelischen Kirchen- und am Katholikentag sind Beispiele, die für sich selbst sprechen und nachhaltige Wirkung gezeigt haben.
Noch ist nicht alles so, wie wir es uns wünschen. Hier hat ein Kollege der GRÜNEN gesprochen. Er befindet sich im übrigen schon wieder außerhalb des Saales. Das kann ja wohl nicht angehen. Wenn er dauernd darauf hinweist, daß es sich bei ihm um eine kleine Fraktion handelt, erwarte ich, nachdem er in einer Debatte gesprochen hat, daß er hier bleibt und sich mit der Sache auseinandersetzt.
({1})
Ich kann nur sagen: Wenn dieser Kollege hier zunächst ein Zerrbild der Bundeswehr zeichnet, als ob sich Bundeswehr und Demokratie nicht vertragen könnten, dann ist das, beiläufig gesagt, partiell ein Unfug sondergleichen.
({2})
Natürlich haben wir eine Bundeswehr in der Demokratie. Befehl und Gehorsam sind natürlich keine demokratischen Prinzipien - darauf hat schon der frühere Vorsitzende der SPD-Fraktion, Erler, einmal völlig zu Recht hingewiesen -,
({3})
Aber daß wir den Soldaten als Staatsbürger in Uniform sehen und ihn auch so behandeln, ist ein urdemokratischer Gedanke, der sich sehr wohl mit unserer Verfassung und der Praxis der Streitkräfte verträgt.
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Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mann?
Nein. Ich hatte das gerade schon gesagt.
Das gilt also grundsätzlich für Ihre gesamte Redezeit.
Herr Kollege Lange, in Ihrem zweiten Redebeitrag erzählen Sie uns, daß sie in dieser Armee mit Wehrpflichtigen und Vorgesetzten diskutieren konnten. Sie erzählen die lebhafte Reaktion, die das ergeben hat. Ja, mein Gott, wollen Sie eigentlich noch ein besseres Beispiel dafür, daß die praktizierte Demokratie für diese Armee selbstverständlich ist?
({0})
Wie kann man dann diese Zerrbilder weiter aufrechterhalten?
({1})
Ein Weiteres nehme ich sehr ernst.
({2})
- Ihnen fällt in der gesamten Debatte doch nichts anderes mehr ein. Während der Kollege Lange wenigstens noch zur Sache gesprochen hat, fällt Ihnen nichts mehr ein.
({3})
Herr Kollege Lange, den einen Punkt greife ich gern auf. Natürlich ist es so, daß die Wehrpflichtigen und die Berufs- und Zeitsoldaten - übrigens gleichermaßen - heute nicht nur stärker in der Gesellschaft gefordert werden, zum Sinn des Wehrdienstes Aussagen zu machen. Angesichts der Diskussion, die an Ihnen gar nicht spurlos vorübergehen kann und auch nicht soll, ist es notwendig, daß sie über den Sinn ihres Dienstes und den Sinn der Verteidigung nachdenken. Ich sage noch einmal: Daran ist nichts Schlechtes. Es ist sogar überhaupt nicht schlecht, daß das auch von Leuten hinterfragt wird wie beispielsweise von Ihnen.
Nur möchte ich vor einem warnen. Sie haben auf diese kritische Frage für sich und Ihre politischen Freunde eine Antwort gegeben. Wir geben darauf eine andere Antwort. Daraus dürfen sie aber nicht den Schluß ableiten, daß diejenigen unserer Soldaten - Wehrpflichtige, Zeit- und Berufssoldaten -, die nach wie vor und heute mehr denn je vom Sinn der Verteidigung als des entscheidenden Beitrags zur Kriegsverhinderung überzeugt sind, nicht mindestens das gleiche Recht haben, sich auf ihr Gewissen und ihre Überzeugung zu berufen, wie Sie.
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- Gut. Es freut mich, daß wir darüber einig sind. Das will ich auch nicht polemisch sehen. Ich will nur, daß diese Einseitigkeit in der Betrachtung verschwindet, daß man also nicht so tut, als ob jene, die sagen, daß sie mit ihrem Dienst dem Frieden und der Freiheit dienen, nicht reflektierten, sich keine Gedanken machten. Die machen sich sehr wohl Gedanken und können für sich mindestens eines in Anspruch nehmen: daß dieses Bündnis und daß diese Bundeswehr ganz entscheidend dazu beigetragen haben, daß die Bürger in unserem Land in den letzten 30, 40 Jahren friedlich und in Freiheit leben und arbeiten konnten.
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Erste Erfahrungsberichte und Meldungen aus der Truppe signalisieren, daß wir mit unserer Politik den richtigen Weg eingeschlagen haben. Die bedeutend höhere Zahl von besser ausgebildeten und motivierten Unteroffizieren beginnt sich auszuwirken, nicht zuletzt auch zugunsten einer abwechslungsreicheren und fordernderen Dienstgestaltung. Damit auch das klar ist: Auch ich bin mit dem Erreichten noch nicht zufrieden, und wir alle müssen hier zusammen weiterhelfen.
Noch ein Stichwort greife ich hier auf: Reservisten. Herr Kollege Klejdzinski, ich glaube, man kann guten Gewissens sagen, daß auf kaum einem anderen Gebiet in den letzten drei Jahren so viel getan wurde wie auf dem Gebiet der Reservisten.
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Gehen Sie einmal zu den Reservisten, gehen sie nicht nur zu den Verbänden - allerdings können Sie auch zu denen gehen, denn auch dort werden Sie die Antwort finden -, gehen Sie hinaus und fragen Sie den Reservisten draußen. Natürlich gibt es noch viele Beispiele dafür, daß dieses oder jenes nicht klappt, aber insgesamt werden sie kaum einen finden, der Ihnen nicht sagen würde, daß hier viel geschehen ist. Da werden wir weitermachen, denn in unserer Personalplanung spielt der Reservist eine entscheidende Rolle, und daher muß ihm mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.
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Meine Damen und Herren, nachdem ich etwas zu den Maßnahmen, die wir ergriffen haben, und zu dem, was sich da auszuwirken beginnt, gesagt habe, möchte ich auch noch etwas zu den Vorgesetzten insgesamt sagen. Bei allen Mängeln und Fehlern sollten wir nicht vergessen, daß Jahr für Jahr und Tag für Tag die weitaus meisten militärischen Vorgesetzten - oft unter sehr schwierigen Bedingungen - vorbildlich, mit großem Idealismus und, so sage ich auch, mit Geschick in der Menschenführung ihre Truppe führen und sich bemühen, ihren Untergebenen in jeder Lage und zu jeder Zeit bei Sorgen und Problemen ein helfender und fairer Gesprächspartner zu sein. Meine Damen und Herren, Sie werden es dem Bundesminister der Verteidigung nicht verübeln, daß er diesen Vorgesetzten an dieser Stelle herzlich dafür dankt.
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Aber es ist eine Erfahrung in unser aller Leben, daß selbstverständlich die Schwächen stärker ins Gewicht fallen, stärker auffallen und auch stärker herumgesprochen werden als die unzähligen Fälle, wo das klappt, wo junge Wehrpflichtige auch mir sagen: Ich habe einen pfundigen Vorgesetzten, der mir hilft, der mich anleitet und der Verständnis für mich zeigt.
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- Das sind die Fälle, die, wie Sie mit Recht sagen, häufig nicht in der Presse stehen und häufig nicht im Parlament landen, die man aber, so finde ich, bei einer solchen Debatte erwähnen sollte.
Wir haben auch wichtige soziale Probleme gelöst; wir haben den Dienstzeitausgleich wiederhergestellt und haben Arbeitslose mit Vorrang eingestellt. Wir haben sehr viel dafür getan, daß junge Menschen, die wir als Arbeitslose zur Truppe geholt hatten, einen Arbeitsplatz finden konnten. Da werden wir nicht nachlassen!
Wir haben den Übergang von Zeitsoldaten ins Zivilleben verbessert. Der Erlaß des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, den Sie, Herr Wehrbeauftragter, zitiert haben, stammt aus einer Zeit nach einem Gespräch, das wir mit ihm hatten, und ich werde Ihre Anregungen sehr dankbar aufgreifen. Wir werden hier weitermachen!
Wir haben dann die Nachhilfepauschale verdoppelt, wir haben die zweite Familienheimfahrt für Trennungsgeldempfänger durchgesetzt, wir haben die Zahl der Ausbildungsplätze gesteigert, wir haben - was nicht unwichtig ist - die Bekleidung der Soldaten verbessert, und schließlich haben wir den Wehrsold erhöht. Ich glaube, das ist - um das hier ganz zaghaft auszusprechen - eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.
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Deswegen hat dieser Verteidigungsminister vor der Begegnung mit der Truppe überhaupt keine Angst. Wir merken das mehr und mehr an der Reaktion dieser Truppe. Aber das soll nicht heißen, daß alle Probleme gelöst wären. Ich will Ihnen die drei Probleme nennen, die mich am stärksten beschäftigen und für deren Lösung wir mehr tun müssen; insofern nehme ich auch die kritischen Bemerkungen der Opposition ernst. Und nicht nur das, ich empfinde sie auch als hilfreich und werde Sie bitten, mit mir zusammen an den Verbesserungen zu arbeiten: Das ist einmal die Frage einer gerechteren Gestaltung des Dienstzeitausgleichs und des Herabfahrens der Dienstzeitbelastung. Das ist zum zweiten die soziale Sicherung ausscheidender Soldaten, wobei ich Ihnen sage: Die Berufschancen der Zeitsoldaten sind nach unseren Feststellungen hervorragend und werden immer besser, weil sich ihr Wert in der Industrie, in der Wirtschaft mehr und mehr herumspricht. Aber für diejenigen, die nun keinen Arbeitsplatz finden - Sie haben recht, es ist eine verschwindende Minderheit -, müssen wir etwas tun.
Warum haben wir es noch nicht getan? Ich kann es ganz offen sagen: Wir haben es natürlich versucht. Der Finanzminister hätte gern mitgemacht. Aber er sagt: Ich kann es nicht nur für die Soldaten tun, ich habe andere Gruppen, Lehramtsbewerber, die nicht eingestellt werden; ich habe auch Juristen im Vorbereitungsdienst, die nicht eingestellt werden. Denen muß ich dann das gleiche anbieten. Das ist der Grund, warum es mir bis jetzt nicht gelungen ist, das mit dem Finanzminister zusammen anzugehen.
Der letzte Punkt ist die Frage der Versetzungen, der Versetzungshäufigkeit. Es ist schon richtig: Wir können auf Versetzungen nicht verzichten. Wir haben im übrigen die Zahl der Versetzungen wieder sehr stark nach unten gefahren. Aber es bleibt ein Rest, und zwar ein hoher Rest. Ich möchte auf den ersten Blick sagen: Auch mir ist er noch zu hoch. Nur ist es sehr schwer, wirklich Lösungen zu finden, die auf Dauer halten und die mit den militärischen Erfordernissen in Übereinstimmung stehen. Ihre Anregungen greife ich auf; wir werden ihnen nachgehen.
Was mich übrigens mehr bekümmert, ist die Auswirkung der Versetzungen auf die Familien, auf die
Soldatenfrauen, auf die Kinder der Soldaten. Aber es sollte gelegentlich auch einmal, wenn man über sogenannte Sonderrechte der Soldaten spricht oder das in der Öffentlichkeit kritisiert, anerkannt werden, daß diese Soldaten und ihre Familien weit höhere Lasten zu tragen haben als viele andere Gruppen in unserer Gesellschaft.
({11})
Herr Wehrbeauftragter - um zu schließen -, ich möchte mich noch einmal für Ihre Arbeit und für Ihren Beitrag hier bedanken. Ich möchte all denen danken, die in dieser Debatte Vorschläge gemacht haben und uns weitergeholfen haben. Ich möchte diesen Dank auch im Namen der Soldaten der Bundeswehr sagen, die zum Wehrbeauftragten heute eine positive Einstellung haben; da gibt es überhaupt keinen Zweifel, auch und gerade dort, wo er kritisch ist. Ich möchte allerdings auch die Gelegenheit nützen, all denen, und zwar den Soldaten wie den zivilen Mitarbeitern, die in dieser Armee unserer Bundeswehr Dienst tun, herzlich Dank zu sagen einmal für ihren Dienst, dann aber auch für die Art und Weise, wie sie diesen Dienst tun. Sie tragen die Belastungen, ohne zu klagen. Sie sind bereit, sich für uns alle einzusetzen. Sie haben dafür unseren Respekt und unsere Anerkennung verdient.
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Kolbow.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich den Kollegen Feldmann sehr herzlich einladen, zu dem, was er zum Traditionsproblem gesagt hat, sich so zu verhalten wie die Liberalen am 30.9. 1982, also einen Tag vor der sogenannten Wende: mit der SPD zu votieren bei den Überlegungen, die jetzt der Herr Bundesminister der Verteidigung anstellt.
Das zweite ist, daß ich sehr aufmerksam Ihnen, Herr Lange, zugehört habe, auch dem, was der Minister dazu gesagt hat, was Militär und Demokratie angeht. Sie meinten, sagen zu müssen, daß dies grundsätzlich unvereinbar sei. Ich glaube, das entspringt Ihrem basisdemokratischen Verständnis. Dafür kann man Verständnis haben. Aber ich frage Sie - und bitte Sie, das auch zu überlegen, wenn Sie weiterhin darüber reden -: Ist eine solche Streitkraft auch mit einem reinen - darauf legen wir sehr großen Wert - Verteidigungsauftrag zu führen? Deswegen haben wir eben ein ständiges Korrelativ mit der Inneren Führung eingebracht und sind davon überzeugt, daß Menschsein vor der Wehrpflicht oder vor dem Eintritt in die Bundeswehr auch Menschsein bleiben muß und Menschsein bleiben wird, so wie diese demokratische Armee geführt wird.
({0})
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesminister der Verteidigung hat natürlich ein positives Bild von seiner Amtsführung gezeichnet; das ist ihm nicht übel zu nehmen.
({1})
- Nur langsam, meine Herren. Der Minister hat gesagt, diese Armee sei zwar jetzt besser als zu dem Zeitpunkt, als er sie übernahm. Er hat aber auch gesagt - und das respektiere ich -, ihr Zustand sei nicht desolat gewesen. Damit stelle ich fest, daß der Herr Minister auf dem Weg der Besserung im Vergleich zu anderen Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen ist, die da sagen, sie hätten immer noch die Erblast zu bewältigen. Minister Wörner hat offensichtlich keine Erblast übernommen, und das ist in der Tat richtig so.
({2})
Denn die Verteidigungsminister Schmidt, Leber und Apel, meine Damen und Herren, stehen für die Qualität dieser Bundeswehr und auch - das sage ich an die Adresse der GRÜNEN - für eine demokratische Armee in diesem demokratischen Staat.
({3})
Nun haben Sie sich, Herr Minister auch mit dem ehemaligen Kollegen Weiskirch beschäftigt. Es ist dem letzten Redner der Opposition immer so aufgetragen, auf das einzugehen, was der Minister gesagt hat, obwohl ich mich gern auch mit Ihnen, lieber ehemaliger Kollege Weiskirch, unterhalten hätte.
Bevor Sie sich dem Punkt zuwenden, Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mann?
Aber immer, Herr Mann.
Vielen Dank, Herr Kollege Kolbow. - In dem uns vorliegenden Bericht ist eine Vorbemerkung enthalten, auf die sich meine Frage bezieht. Dort geht es um den Fall des Generals Dr. Kießling und die Umstände seiner Entlassung.
({0})
Teilen Sie meine Auffassung, daß der Bundesminister der Verteidigung in diesem Fall ein schlechtes Beispiel für die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze gegeben hat, indem er den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gegenüber diesem sehr hochrangigen Soldaten verletzt hat, und teilen Sie die Auffassung des Wehrbeauftragten, daß dieser Fall die Gemüter der Soldaten in der Bundeswehr offenbar bis heute bewegt?
({1})
Das ist keine unpassende, sondern eine sehr angemessene Frage in einem Zusammenhang, wo wir über Demokratie in der Bundeswehr sprechen. Ich war stellvertretender Vorsitzender des Untersuchungsausschusses und kann diese Frage uneingeschränkt mit dem Untersuchungsergebnis, allerdings der Minderheit, bejahen, Herr Kollege Mann.
({0})
Ich wollte noch über einen anderen Punkt reden, Herr Minister, weil Sie zum Ausdruck gebracht haben, die Stimmung in der Bundeswehr sei heute besser als vor Ihrer Amtszeit. Wir machen ja alle unsere Truppenbesuche und diskutieren mit den Soldaten. Ich muß schon fragen, auf welchen Veranstaltungen Sie denn anwesend sind; sind das vielleicht ausgewählte Soldaten, oder wie verhält es sich, wenn beispielsweise beim Deutschen Bundeswehrverband nur noch ein Generalswort, ausgesprochen vor Ort, die vorhandene Stimmungslage unterdrücken konnte, die sich schlicht und einfach - ich möchte mich nicht unparlamentarisch ausdrücken - nur mit dem Wort „mies" kennzeichnen läßt, um kein anderes Wort zu gebrauchen.
Ich muß um der Sachlichkeit willen, zu der ich hoffe, durch die Eingangsrepliken beitragen zu können in der mir verbleibenden Redezeit noch einen Punkt ansprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren, der unser aller Anstrengung bedarf. Es handelt sich um das Sanitätswesen der Bundeswehr.
Meine Damen und Herren, der Bericht für 1984 enthält keine Bemerkungen über das Sanitätswesen der Bundeswehr. Ich glaube, dies bedeutet sicher nicht, daß alle Probleme im Sanitätsdienst gelöst wären.
Herr Abgeordneter, es liegt noch der Wunsch nach eine Zwischenfrage des Abgeordneten Horn vor.
Das ist mein Obmann, da kann ich nichts machen, selbstverständlich.
Ich bedanke mich vielmals, Herr Kollege Kolbow. Herr Kollege Kolbow, würden Sie, nachdem Sie den Minister dreimal angesprochen haben, seine augenblickliche Aufmerksamkeit nicht auch als ein Kennzeichen sichtbaren Desinteresses an dem gesamten Vorgang ansehen?
({0})
Herr Kollege Horn, ich würde sagen, wir bringen den Freitagvormittag, meine Damen und Herren, in Ruhe über die Bühne.
({0})
- Herr Kollege Ehrbar, schreien Sie nicht so. Ich kann verstehen, daß Ihnen diese Frage unangenehm ist. Ich habe mich an Unaufmerksamkeiten von seiten der Regierungsbank in diesem Plenum schon gewöhnt.
Ich möchte deutlich machen, daß der Sanitätsdienst der Bundeswehr für die SPD-Fraktion einen besonderen Stellenwert hat und daß wir die bedenkenswerten Feststellungen Ihres Vorgängers, Herr Weiskirch, Herrn Berkhan, vom 4. Oktober 1984 in diesem Hohen Hause aus der Sicht von heute kritisch, aber konstruktiv beleuchten möchten. Herr Berkhan sagte vor knapp einem Jahr von dieser Stelle aus: „Derzeit kann der Sanitätsdienst seinen
Friedensauftrag, nämlich die vom Gesetz garantierte unentgeltliche Hilfsfürsorge für alle Soldaten sicherzustellen, mehr schlecht als recht erfüllen."
({1})
Als Berichterstatter des Verteidigungsausschusses für das Sanitätswesen weiß ich, daß sich seit diesem Resümee des verdienten Wehrbeauftragten Berkhan an der aktuellen Situation nichts verändert hat und daß nach wie vor erhebliche Probleme bestehen.
Es ist nicht nur so - das werden Sie gleich merken -, daß wir nur tadeln, sondern wir erkennen an, daß in diesem Jahr Voraussetzungen geschaffen wurden, um diese Probleme mittel- und langfristig besser bewältigen zu können. Die zusätzlichen Mittel zur Verbesserung der materiellen Ausstattung im Etat 1986, aber auch in der Bundeswehrplanung, werden ausdrücklich begrüßt. Wir als Haus, als Budgetkontrolleur und Initiator, haben dafür Sorge zu tragen, daß dies dann auch in den Haushalten 1987 und folgende Wirklichkeit werden kann. Ich stehe nicht an zu sagen, daß es zu unterstützen ist, daß nun auch endlich die organisatorischen Voraussetzungen für eine Verbesserung der sanitätsdienstlichen Versorgung der Soldaten geschaffen werden.
Dennoch bleibt eine Reihe von Problemen bestehen, die nur mit der Unterstützung des Parlaments und in der Zusammenarbeit mit dem Wehrbeauftragten - gewissermaßen als vorgeschobenem Parlamentsbeobachter - gelöst werden können. Wir werden Ihnen, Herr Weiskirch, dabei hilfreich zur Seite stehen.
Ich möchte die Notwendigkeit der Verbesserung der Situation der Bundeswehrkrankenhäuser ansprechen, die weitere Aufstellung der Sanitätszentren und den Aufbau des betriebsärztlichen Dienstes. Ich möchte von dieser Stelle des Parlaments aus dem Bundesrechnungshof, aber auch dem Bundesminister der Finanzen sehr nachdrücklich sagen, daß der Verteidigungsausschuß und der Haushaltsausschuß die Haltung, die in diesen drei Problemen von diesen beiden Stellen eingenommen wird, nicht teilen kann und daß wir hier ein Maß an Bürokratie erleben, das die ärztliche Versorgung für unsere Soldaten und ihre Familien in Frage stellt, wenn sich weiter so verhalten wird.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, daß gerade das Beispiel der betriebsärztlichen Versorgung, um das noch einmal deutlich zu machen, hier aufzugreifen ist. Es ist ein Skandal, daß von den 230 000 betriebsärztlichen Einsatzstunden, die in der Bundeswehr erforderlich sind, zur Zeit trotz des Einsatzes von 13,5 Millionen DM für Vertragsärzte die betriebsärztliche Versorgung nur zu ca. 60 % sichergestellt wird, was ständige Verstöße gegen das Arbeitssicherheitsgesetz nicht nur vermuten läßt, wie die bedauerlichen Vergiftungsunfälle beim Abschleifen von Tarnschutzanstrichen von Panzern in diesem Jahr gezeigt haben. Ich gehe davon aus, daß wir uns im nächsten Jahr darüber bei Ihren
Prüfbemerkungen, Herr Wehrbeauftrager, in diesem Hause noch einmal unterhalten.
Ein letzter Punkt - da wollte ich noch einmal den Finger auch aus dem Gesichtsfeld des Parlamentes auf die Wunde legen - ist der Mangel an längerdienenden Sanitätsoffizieren, wo das Fehl augenblicklich noch 43 %, bei Fachärzten sogar 50 % beträgt. Zwar wird dieser Mangel zahlenmäßig jetzt voll durch grundwehrdienstleistende Sanitätsoffiziere ausgeglichen. Die Klagen des Wehrbeauftragten vom letzten Jahr haben damit gefruchtet. Trotzdem ergeben sich nach wie vor auf Grund der zu geringen Berufserfahrung erhebliche Probleme, die künftig durch die Pflicht, eine zweijährige Tätigkeit als Arzt im Praktikum auszuüben, und eine jährliche Einstellungsquote von etwa 120 Sanitätsoffiziersanwärtern bei gegenwärtig etwa 1 150 studierenden Sanitätsoffiziersanwärtern gemildert werden. Trotzdem - das ist unsere Aufgabe - werden diese Probleme erst 1994 ganz gelöst werden können, was in den Jahren bis dahin dringend die Verbesserung der Ausbildung der einberufenen Ärzte erfordert. Ich verweise hier sehr deutlich noch einmal auf die Ausführungen von Herrn Berkhan von 1984 zum Einweisungslehrgang bei der Sanitätsakademie, insbesondere was dessen Praxisnähe angeht.
Abschließend begrüße ich, die Bemühungen im Sanitätsdienst zu intensivieren, die Stehzeiten von Truppenärzten auf durchschnittlich drei Jahre zu verlängern. Wir können es den Berufs- und Zeitsoldaten wirklich nicht länger zumuten, sich bei jedem Besuch einem neuen Arzt anvertrauen und jedesmal ihre Krankengeschichte vortragen zu müssen. Ich glaube, auch jeder von uns - so hat der Wehrbeauftragte hier im letzten Jahr in seiner Abschlußrede dargetan - würde rebellieren, wenn ihm so etwas zugemutet werden würde. Hier ist man auf dem richtigen Weg. Ich wende mich hier an das Parlament, dieses auch im Haushalt der künftigen Jahre so zu begleiten, daß die eingesetzten Stellen im Sanitätsdienst so weitergeführt werden können, weil sie im Interesse der Gesundheitsfürsorge weiter so behandelt werden müssen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich bin am Schluß, Herr Präsident.
Sie sehen, für den Sanitätsdienst wie für das gesamte Haus gibt es in diesen Fragen weiterhin viel zu tun. Er sei Ihnen, wie wir und natürlich auch Sie, Herr Minister, in Bayern zu sagen pflegen, weiter Ihrer und unser aller Liebe empfohlen.
Ich danke Ihnen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Biehle.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich muß gestehen, der Kollege Kolbow hat sich sehr zurückhalBiehle
tend verhalten und sich eigentlich nur auf das Sanitätswesen beschränkt, wobei ich sagen möchte, daß das Sanitätswesen in dem Bereich der Bundeswehr natürlich ein wichtiger Punkt ist. Aber - das sollte man auch als Erfolgsbilanz dieses Ministers herausstellen - in den letzten zwei Haushalten wurde uns bestätigt,
({0})
daß es keine Wünsche der Sanitätsinspektion mehr gibt, daß wir Wesentliches nachgeholt haben, daß wir den Zustand positiv verändert haben, nachdem selbst der Verteidigungsvorrat angegriffen war und sehr große Schwierigkeiten bestanden haben.
Es gab da auch vorhin eine Zwischenfrage des Kollegen Mann, der den Fall Kießling noch einmal als ein schlechtes Beispiel heraufbeschworen hat, das der Minister hier gegeben habe.
({1})
Dazu muß ich einmal sagen: Die grünen Kasernenblockierer und die Bemerkung des Abgeordneten Lange, Demokratie und Streitkräfte passen nicht zusammen, die stempeln die Soldaten zu Antidemokraten,
({2})
dies ist auch kein gutes Beispiel, das ist gegen und nicht für die Demokratie.
({3})
Die Kollegen Klejdzinski, Steiner und Heistermann haben sehr viel Lob für den Wehrbeauftragten ausgesprochen. Ich kann mich dem anschließen. Nur muß ich Ihnen dazu sagen: Was er als seine künftige Leitlinie aufgezeigt hat, war schon vor seiner Berufung - noch als Abgeordneter - seine Politik und ist heute noch die Politik der Union. Wenn Sie das schon loben, dann ist das auch ein Lob für die Union und ihre Politik.
({4})
Dennoch muß dazu gesagt werden: Wenn es auch eine ganze Reihe von Beschwerden gibt, so betreffen nicht alle die Innere Führung. Es sind eine Reihe anderer Dinge dabei, die es in einer Demokratie und in einem solchen Apparat wie dem der Bundeswehr gibt. Man muß auch einmal dazu sagen: Wir haben 495 000 Soldaten und 175 000 Zivilbedienstete. Da ist vieles intakt, da ist viel Opferbereitschaft, da ist viel Engagement - auch das sollte man einmal positiv herausstellen - für diese Bundeswehr, für diesen Staat, für diese Demokratie.
({5})
Ich möchte ausdrücklich für die Leistung danken, die unsere Soldaten für diesen Staat gebracht haben, und ich danke auch den Familien unserer Soldaten.
({6})
Der Kollege Dr. Klejdzinski hat gesagt, es fehle am Handeln. Die SPD hat 13 Jahre lang zur Lösung des Problems der Familienheimfahrten nein gesagt.
({7})
Sie hat tatenlos dem Verwendungsstau und der Dienstzeitbelastung zugesehen. Die Liste ist endlos. Wir haben mit vielen Lösungen gegen das ständige Nein der SPD begonnen.
({8})
Ich kann Ihnen nur raten: Machen Sie bei der Lösung dieser Probleme mit. Der Minister hat selbst eine lange Liste dessen erwähnt - ich will das nicht wiederholen -, was in der Zwischenzeit geschehen ist. Ich kann ihm namens meiner Fraktion nur ein herzliches Dankeschön dafür sagen, daß er im Gegensatz zu den vorher bei Ihnen vorhandenen Reden endlich Taten vollbracht hat.
({9})
Es ist keine Frage: Es gibt noch Lücken, beispielsweise bei der Dienstzeitbelastung, bei der Wehrgerechtigkeit, beim Arbeitslosenproblem. Wir werden uns sehr schnell einigen können, wenn wir das gemeinsam anpacken. Ich gehe sogar soweit, ohne Rückendeckung meiner eigenen Fraktion zu sagen: Wenn die Gelder tatsächlich fehlen sollten, müßten wir überlegen, einen Panzer oder einen Tornado weniger zu kaufen, um diese letzten, aber wichtigen sozialen Fragen lösen zu können, die noch offen sind.
Darüber werden wir zu reden haben. Diese Koalition ist bereit, die letzten Lücken zu schließen, im Interesse unserer Soldaten, die einen Dienst für diese Gemeinschaft, für dieses Land, für die Freiheit leisten. Lassen Sie mich hinzufügen: auch für die GRÜNEN, damit sie hier reden und draußen protestieren können. Das sollten Sie nicht vergessen.
({10})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu dieser Debatte nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses. Wer der Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses auf Drucksache 10/3779 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke schön. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Beschlußempfehlung bei Gegenstimmen und einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich nutze die Gelegenheit, dem Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeitern guten Erfolg für ihre verantwortungsvolle Aufgabe zu wünschen. Ich glaube, ich tue das im Namen des ganzen Hauses.
({0})
Vizepräsident Westphal
Ich rufe nun Punkt 14 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anzeige und Beanstandung von Landpachtverträgen ({1})
- Drucksache 10/508 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2})
- Drucksache 10/3498 Berichterstatter: Abgeordneter Pfuhl ({3})
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts
- Drucksache 10/509 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({4})
- Drucksache 10/3830 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Göhner Dr. Schwenk ({5})
({6})
Zu Tagesordnungspunkt 14 liegen Änderungsanträge der Fraktionen DIE GRÜNEN sowie der CDU/CSU, SPD und FDP auf den Drucksachen 10/3898, 10/3899 und 10/3912 vor.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 14a und 14b und jeweils ein Beitrag bis zu fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Das heißt also, daß zu diesem Tagesordnungspunkt zwei Debattenrunden mit je fünf Minuten je Redner stattfinden sollen. - Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Ich sehe, daß ist der Fall. Das Wort hat der Abgeordnete Pfuhl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, als Berichterstatter zu dem vorliegenden Gesetzentwurf eines Landpachtverkehrsgesetzes darauf zu verweisen, daß dazu ein Änderungsantrag der drei Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP vorliegt, der von seiten des Agrarausschusses in seiner Sitzung vom letzten Mittwoch übernommen wurde.
Diese beiden Änderungsanträge beziehen sich auf formelle Dinge. Die Begründung ist beigefügt.
Gestatten Sie mir gleichzeitig, in Ergänzung meines Berichts zum Entwurf des Gesetzes auf folgendes hinzuweisen. Wir haben in Ergänzung dieses Berichts und nach Beratung und Vereinbarung im Agrarausschuß folgende Erläuterung des Gesetzentwurfs zu geben.
Der Begriff „ungesunde Anhäufung von land- und forstwirtschaftlicher Nutzfläche" ist ein unbestimmbarer Begriff. Er läßt sich nur im Einzelfall seitens der Länder festlegen. Es wird darauf abzustellen sein, ob im jeweiligen Einzelfall das ortsübliche Maß der Entfernung zwischen Hofstelle und Pachtfläche wesentlich überschritten wird. Damit soll dem Unwesen des Tiefladerbauern entgegengewirkt werden.
Dies als Ergänzung zum Bericht auch für diejenigen, die hinterher mit dem Instrumentarium des Gesetzes umzugehen haben.
Ich danke Ihnen.
({0})
Nun eröffne ich die allgemeine Aussprache. Dazu hat zunächst der Abgeordnete Hornung das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Anmerkung des Berichterstatters möchte ich noch sagen, daß wir die Themen der Obergrenze der Tiefladerbauern, die schon angesprochen wurden, und der ungesunden Verteilung von Grund und Boden zwar im Ausschuß eingehend beraten haben, sie aber nicht im Gesetz haben wollen. Wir wollen jedoch, daß dies in die Erläuterungen zum Gesetz geschrieben wird und damit für die Landwirtschaftsgerichte als Orientierung dient. Das bedeutet zugleich, daß die beiden Anträge der GRÜNEN entfallen.
Ich habe großes Verständnis dafür, daß wir das in das Protokoll bringen, obwohl es mir nicht gelingt, zu verstehen, was die Obergrenze eines Tiefladerbauern ist. Aber das muß erlaubt sein.
({0})
Als nächster hat der Abgeordnete Werner ({1}) das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! meine Damen und Herren! Es liegen Ihnen zwei Änderungsanträge meiner Fraktion zum Landpachtverkehrsgesetz vor. Der eine bezieht sich auf den § 4. Der zweite ist grundsätzlicher Art und sieht eine Erweiterung des § 2 vor.
Zu den Beanstandungsgründen, weshalb ein Pachtvertrag nach § 4 abgelehnt werden kann, fehlt eine klare Definition. Die Auslegung der Begriffe „ungesunde Verteilung der Bodennutzung" und „wenn die Verpachtung Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspricht" kann sehr verschieden sein. Dabei entsteht besonders die Gefahr einer willkürlichen Handhabung, bei der die Betriebsvergrößerung schlechthin als Verbesserung der Agrarstruktur betrachtet wird, so daß gerade den sozial schwachen und aufstockungsbedürftigen Landwirten das Land vorenthalten wird.
({0})
Die Einschränkung für rund 300 000 Nebenerwerbslandwirte, daß sie als Anwärter auf Pachtland
Werner ({1})
mit einem Vollerwerbslandwirt nur dann gleichgestellt werden sollen, wenn ihre Existenzgrundlage wesentlich verbessert wird, kann letztlich jede Zupacht für Nebenerwerbslandwirte be- und verhindern. In unserem Antrag werden Vollerwerbsbetriebe und Nebenerwerbsbetriebe gleichgestellt. Bei Beibehaltung der jetzigen Agrarpolitik der Bundesrepublik und der EG werden noch viele Betriebe zur Aufgabe ihrer Höfe gezwungen werden, so daß weiterhin mit steigenden Pachtflächen gerechnet werden muß.
Die Schwierigkeit, einer Behörde die Entscheidung bei einer Pachtgenehmigung zu überlassen, wird gerade durch dieses Landpachtverkehrsgesetz deutlich. Sie soll eine ungesunde Verteilung der Bodennutzung verhindern. Das klingt sehr schön, ist aber für eine Behörde nur dann durchführbar, wenn es ganz klar definierte Ziele dafür gibt, und die gibt es nicht.
({2})
Die einzelnen Regionen sind auch zu unterschiedlich strukturiert, um etwa absolute Hektargrenzen für eine Zupacht einzusetzen. Wir meinen, daß dörfliche Pachtgenossenschaften ähnlich wie die heute bestehenden Jagdgenossenschaften ihre Probleme, die bei der Vergabe von Pachtland auftreten, selber lösen können. Mitverantwortung wird ja sonst seitens der Regierung immer gefordert. Dabei müssen ökologische und soziale Erfordernisse im ländlichen Raum Berücksichtigung finden.
Die Pachtgenossenschaften sollten folgende Maßstäbe festlegen: Erstens einen Vorrang für Betriebsverpachtungen gegenüber Teilverpachtungen, um Arbeitsstellen und Hofplätze zu erhalten, zweitens ein Vorpachtrecht für Jungbauern und Jungbäuerinnen,
({3})
drittens Höchstpreise, die sich an ortsüblichen Erträgen orientieren, viertens Höchstgrenzen, zu denen ein Betrieb zupachten kann, die sich an den regionalen Betriebsstrukturen orientieren, fünftens ein Verbot des Vertragsanbaus über Jahrespachtverträge.
({4})
Solche Genossenschaften könnten sich auch mit freiwilligem Landaustausch befassen. Die heutigen Zupachtverhältnisse sind mehrheitlich nicht das Ergebnis einer sinnvollen Betriebseingliederung. Flächen werden gepachtet, um Milchquoten zu erhalten, um Gülle loszuwerden, um mit den Vieheinheiten die Bewertungsgrenzen nicht zu überschreiten und damit gewerblich zu werden oder um darauf Mais oder Stärkekartoffeln als Dauerfrucht anzubauen. Dabei wird der Pachtpreis, der auf Grund normaler landwirtschaftlicher Erzeugnisse gezahlt werden kann, völlig außer Kurs gesetzt. Wir glauben nicht, daß sich durch dieses Gesetz die bisherige ungesunde Verteilung landwirtschaftlicher Nutzfläche ändern wird.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Paintner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt es, daß mit der zweiten und dritten Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfes die Beratungen zum landwirtschaftlichen Pachtrecht in diesem Hohen Hause zum Abschluß gebracht werden. Das ist der Dritte Anlauf zu einer Reform des landwirtschaftlichen Pachtrechts. Man könnte somit sagen: Aller guten Dinge sind drei.
Bereits in der 8. Legislaturperiode hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts vorgelegt. Allerdings war damals nur vorgesehen, die materiell-rechtlichen Vorschriften des landwirtschaftlichen Pachtrechts im BGB zu regeln. Das im geltenden Landpachtgesetz geregelte Anzeige- und Beanstandungsverfahren für Pachtverträge sollte aufgehoben werden.
Die Entwicklung auf dem landwirtschaftlichen Pachtmarkt, insbesondere der Nachfragedruck und die damit verbundene Steigerung des Pachtzinses, bewog meine Fraktion, für die Beibehaltung eines modifizierten Anzeige- und Beanstandungsverfahrens einzutreten. Vor allem das engagierte Bemühen meines verstorbenen Freundes und Kollegen Walter Peters aus Poppenbüll führte während der Beratungen des Gesetzentwurfes der damaligen Bundesregierung im Ernährungsausschuß zu einer Gesetzesinitiative aller drei im Bundestag vertretenen Fraktionen mit dem Ziel, das geltende Anzeige- und Beanstandungsverfahren für landwirtschaftliche Pachtverträge beizubehalten, wenn auch in einer den unterschiedlichen Verhältnissen in den einzelnen Bundesländern besser angepaßten Form. Dieser Lagebeurteilung schloß sich später die Bundesregierung mit der Vorlage des Entwurfs eines Landpachtverkehrsgesetzes an.
Meine Fraktion hat durchgängig auf die Gefahr der Abschaffung des Instruments der Landpachtverkehrskontrolle hingewiesen, nämlich auf die Gefahr, daß damit zugleich das Grundstückverkehrsgesetz ausgehöhlt würde. Der wichtigste Produktionsfaktor der Landwirtschaft, die landwirtschaftliche Nutzfläche, würde dann dem ungehemmten Spiel der Marktkräfte überlassen. Das aber kann nicht Aufgabe einer Agrarpolitik sein, die den bäuerlichen Familienbetrieb schützen und eine Konzentration der landwirtschaftlichen Produktion auf eine kleine Anzahl von übergroßen Betrieben verhindern will. Wir bejahen daher die Beibehaltung des Anzeige- und Beanstandungsverfahrens für landwirtschaftliche Pachtverträge bei weitgehender Schaffung von Erleichterungen bei der Anwendung dieses Verfahrens durch die Länder. Diese Erleichterungen lassen den Ländern die Freiheit, das prinzipiell notwendige Instrument des Anzeige- und Beanstandungsverfahrens nur in dem Maße einzusetzen, wie es die jeweiligen agrarpolitischen Gegebenheiten erfordern.
Die FDP-Fraktion begrüßt auch mit Nachdruck die im Entwurf eines Landpachtverkehrsgesetzes vorgesehene sogenannte Nebenerwerbsklausel,
über die es in den Ausschußberatungen ebenso wie im außerparlamentarischen Raum zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen gekommen ist.
Festzuhalten ist jedoch folgendes: Nach derzeit geltendem Recht kommt dem Haupterwerbslandwirt gegenüber dem Nebenerwerbslandwirt bei der Anpachtung landwirtschaftlicher Grundstücke ein Vorrecht zu. Dieser grundsätzliche Vorrang der Haupterwerbslandwirte ist nicht mehr gerechtfertigt. Die Landbewirtschaftung durch die Nebenerwerbsbetriebe gewinnt heute eine immer stärker werdende Bedeutung für die Erhaltung der Lebensfähigkeit des ländlichen Raumes, den Schutz und die Pflege unserer Kulturlandschaft. Dies macht eine Anerkennung durch den Gesetzgeber erforderlich. Insoweit wird die jetzt zur Beschlußfassung anstehende Fassung der Nebenerwerbsklausel der Interessenlage in vollem Umfang gerecht.
Nicht vertretbar erscheint es uns auch, einer Konzentration von Pachtflächen in einer Hand durch eine bundesrechtliche Festlegung von Obergrenzen entgegenzuwirken. Die für Zupachtungen agrarstrukturell bedenkliche Obergrenze kann je nach Land und Region wie auch nach Betriebsformen und Betriebsart sehr unterschiedlich sein. Daher wurde die in § 4 Abs. 4 des Landpachtverkehrsgesetzes enthaltene Ermächtigung für die Länder vorgesehen, von der ich hoffe, daß sie im Interesse einer wirksamen Landpachtverkehrskontrolle ausgeschöpft wird.
Schließlich gibt die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Härteklausel der Verwaltung zusätzlichen Handlungsspielraum für eine ausgewogene Handhabung der gesetzlichen Vorschriften.
Ich darf abschließend namens meiner Fraktion die Hoffnung zum Ausdruck bringen, daß die beiden Gesetzentwürfe in der Ihnen zur Beschlußfassung vorliegenden Form beschlossen und, wie vorgesehen, in Kraft treten können.
Ich danke.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Pfuhl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf vorab erklären, daß die sozialdemokratische Fraktion diesem Landpachtverkehrsgesetz in der vorliegenden Form zustimmen wird.
Gestatten Sie mir aber vorher kurz eine Bemerkung. Von den rund 12 Millionen ha landwirtschaftlicher Nutzfläche in der Bundesrepublik ist etwa ein Drittel Pachtland. Im Jahre 1982 hatten 85 % der damals 650 000 landwirtschaftlichen Betriebe Land zugepachtet. Dies beweist die enorme Bedeutung der hier vorliegenden beiden Gesetzentwürfe, die wir zu beraten haben. Um so bedauerlicher finde ich es natürlich, daß ich nur fünf Minuten Zeit zur Stellungnahme habe. Ich hoffe nicht, daß diese Tatsache ein Spiegelbild der Bedeutung der Landwirt schaft in unserer Gesellschaft und speziell in diesem Hause darstellt.
({0})
- Nun, die Herrn Geschäftsführer geben Startlaut.
Ich wurde eben auch darum gebeten, noch einmal den Begriff des Tiefladerbauern klarzulegen. Ein Tiefladerbauer ist derjenige, der industriell Landwirtschaft betreibt, indem er von einer bestimmten zentralen Hoffläche aus mit einem Tieflader jeweils die von ihm gepachteten Flächen in einer weiten Entfernung von dieser zentralen Hoffläche aus bedient, indem er die Maschinen dorthin mit einem Tieflader transportiert, dort wie amerikanische Großfarmen die Landwirtschaft betreibt und dann am Abend wieder auf einem Tieflader die Maschinen an einen anderen Platz fährt und damit in einem Umkreis von 100, 200 km jeweils Pachtland bewirtschaftet, das er den dort wohnenden örtlichen Landwirten durch höhere Pachtpreise weggepachtet hat.
({1})
- Das muß nicht nur industriell sein; aber in der Regel wird es so betrieben. - Früher galt der Satz, daß der Boden zum besseren Wirt wandern soll; heute gilt, daß die Bewirtschaftung des Bodens zum besseren Wirt wandern soll. Das Zusammenfallen von Grundeigentum und Bewirtschaftung ist heute nur noch zu einem Teil gegeben. Die drastische Verringerung der Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe bei der Vergrößerung der Betriebsgrößen war und wird auch in Zukunft - wir mögen es beklagen oder begrüßen - weitergehen, ohne daß damit jedoch automatisch der Eigentumsübergang erfolgt.
Hier ist, wenn wir den sogenannten Familienbetrieb stützen und diese von mir eben zitierten anonymen Betriebsgesellschaften und Finanzgesellschaften verhindern wollen, ein zeitgemäßes Pachtrecht notwendig. Dies hat sowohl zur Änderung im BGB-Teil geführt, den wir nachher beraten werden, als auch zu den notwendigen Regulierungsmaßnahmen in Form von Anzeigen und Beanstandungsverfahren der öffentlichen Hand. Dies gilt sowohl für die problemloseren Parzellenpachtungen als auch für Pachtungen bei ganzen Höfen. Wir haben uns zu dieser vorliegenden Bundesregelung durchgerungen, die den Rahmen für die Länder setzt und gleichzeitig auch den Freiraum läßt, die Regelung entsprechend den Eigenarten und regionalen Besonderheiten der Länder zu treffen.
Unsere Gesetzgebung soll die Mobilität der Bewirtschaftung und damit die Verpachtung fördern, d. h. einen Ausgleich, eine Ausgewogenheit der Interessenlagen von Pächtern und Verpächtern garantieren. Zu viele Verpächterrechte knebeln den Pächter, machen ihn wirtschaftlich abhängig. Zu viele Rechte des Pächters verhindern, wie wir bei westlichen Nachbarn sehen können, die angestrebte Bereitschaft zur Verpachtung überhaupt.
Deswegen lehnen wir auch den Antrag, den die GRÜNEN hier gestellt haben, ab.
Im übrigen sind Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe gleichgestellt, sofern die Existenz des Nebenerwerbsbetriebes durch diese Pachtung wesentlich verbessert wird. Dies ist auch eine Anerkennung der Leistung der vielen tausend Nebenerwerbsbetriebe in unserer Republik, die im Rahmen ihrer Arbeit Landschaftsschutz betreiben und gleichzeitig die Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen durchführen, die sonst der Sozialbranche anheimfallen würden. Das wollen wir nicht.
Wir wollen auch nicht, daß Landpachthyänen - sei es aus Hobbygründen, auf Grund ihrer finanziellen Stärke oder aus Spekulationsgründen - Landpachtung betreiben und damit die ortsansässigen Familienbetriebe, die notwendigerweise auf diese Pachtflächen angewiesen wären, auf Grund erhöhter Pachtpreise wegdrängen. Den zuständigen Am-tern wird mit diesem Gesetz die Möglichkeit gegeben, diese ungesunde Anhäufung landwirtschaftlicher Nutzfläche durch Pachtungen zu unterbinden. Wir betreiben damit eine Bodenordnung, die wir als Grundlage unserer Landwirtschaft betrachten.
Zu dem Antrag der GRÜNEN, hier sogenannte Pachtgenossenschaften einzurichten, muß ich sagen, daß ich diese Lösung für nicht praktikabel halte. Ich kann nicht ein Jagdrecht für einen großen Gemarkungsbereich, das mehreren Pächtern gemeinsam oder einem einzigen Pächter nur das Recht auf jagdliche Nutzung verleiht, auf dieses System übertragen. Was würde geschehen, Herr Kollege Werner, wenn die Entfernungen in dem einen Dorf so, im nächsten Dorf so und in einem anderen Dorf wieder anders angesehen würden? Das wäre eine totale Zersplitterung der Vorstellung, die wir in bezug auf die Möglichkeit einer Verbesserung der Agrarstruktur haben. Es würde vor allem auch eine Rechtszersplitterung geben, die wir j a gerade über die Landwirtschaftsgerichte verhindern wollen.
Ein Letztes. Wir haben - entgegen dem Regierungsentwurf - die öffentliche Hand mit den privaten Verpächtern gleichgesetzt, weil wir glauben, daß dieses Gesetz für Bund und Länder gleichermaßen gelten muß. Sie müssen zu den gleichen Pachtbedingungen verpachten oder pachten können.
Alles in allem hoffen wir aber, daß dieses Gesetz dazu führen wird, daß die Mobilität im Pachtwesen in dieser Republik verstärkt wird, und daß es damit zum Wohle unserer Landwirtschaft wirkt.
Ich danke Ihnen.
({2})
Ich bedanke mich im Namen aller Laien ausdrücklich für die Aufklärung in der Frage der Tiefladerbauern. Ich habe das wie die Beantwortung einer Zwischenfrage bei der Zeiteinteilung honoriert.
Als nächster Redner hat der Abgeordnete Hornung das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Landpachtverkehrsgesetz, das wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten, wurde bereits 1966 durch den Bauernverband angeregt. Eine Neuordnung kam nicht zustande. Erst zehn Jahre später kam es zu einem Entwurf, der dem Bundesrat zugeleitet wurde und dann 1977 dem Bundestag vorgelegt wurde.
In einer Zeit des ungehemmten Produktionszuwachses, wo „Wachsen oder Weichen" auf der Tagesordnung stand, verschärfte sich selbstverständlich die Pachtsituation erheblich. Die Betriebe wurden in die Veredlung „hineingefördert", und kaum war dort voll investiert, reichte schon die Fläche nicht mehr. Um nicht gewerblich zu werden, mußte dann in den nächsten sogenannten Thünenschen Kreis auf dem Pachtmark eingestiegen werden, und zwar zu jedem Preis und über viele Gemarkungen hinweg. Viel Feindschaft ist in diesen Jahren in die Dörfer hineingetragen worden. Die Landwirtschaftsgerichte waren hier nahezu machtlos. Dabei haben viele Landwirte geglaubt, mit einem entsprechenden Kraftakt seien sie bei den Überlebenden. In dieser Situation haben alle Fraktionen erneut einen Gesetzentwurf eingebracht. Aber weder in der 8. noch in der 9. Legislaturperiode des Bundestages konnte ein Ergebnis erzielt werden.
Wieder aktuell - das muß man sagen - wurde der Pachtverkehr als mit der Garantiemengenregelung bei der Milch Übertragungen von Referenzmengen zum Teil über 100 Kilometer hinweg und mit großen Flächen möglich waren. Mittlerweile haben mehr als 50 % der Betriebe landwirtschaftliche Flächen zugepachtet. Das entspricht einem Anteil von mehr als 30 % der gesamten Landwirtschaftsfläche in der Bundesrepublik Deutschland.
Unter der Verantwortung der jetzigen CDU-Regierung kamen wir nun nach einer Anhörung der entsprechenden Fachverbände zu einem positiven Abschluß. Zwar gilt auch heute noch - das gebe ich zu - das alte Motto: Allen Leuten Recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Dennoch: Es wurde ein höchstmögliches Maß der Wahrung der Interessen von Nebenerwerbs- und Haupterwerbslandwirten erzielt. Damit wird die gesamte Bandbreite der bäuerlichen Familienbetriebe erfaßt.
Neben den Schwerpunkten des Gesetzes wie Anzeigepflicht, Regelungsmöglichkeiten der Länder, Gleichstellung der Landwirte, soweit sie Unternehmer im Sinne des GAL sind, und Härteregelung möchte ich noch zwei Punkte ansprechen, die wegen der besonderen Problematik im Gesetz nicht und in den Erläuterungen des schriftlichen Berichts nicht ausreichend zum Ausdruck kommen. Es handelt sich um die Pacht über größere Entfernungen - Stichwort: „Tiefladerbauer" - und um die ungesunde Anhäufung von land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen. Ich appelliere hier an die Bundesländer, daß sie von ihrer Ermächtigung in § 4 Abs. 4 Gebrauch machen.
Besonderes Augenmerk möchte ich noch der Bedeutung der Nebenerwerbslandwirtschaft in diesem Landpachtverkehrsgesetz widmen. 84 % aller Landwirte haben Neben- oder Zusatzeinkommen. 40%
der landwirtschaftlichen Betriebe mit mehr als einem Hektar werden im Nebenerwerb bewirtschaftet. Der gesellschaftspolitische Stellenwert dieser Sachlage geht deswegen meines Erachtens über die Landbewirtschaftung weit hinaus. Es ist hier auch eine besondere Bedeutung für die Erhaltung der Lebensfähigkeit der Dörfer und der Siedlungsstruktur sowie einer funktionsfähigen Landschaft als Freizeit- und Erholungsraum festzustellen.
Durch den Strukturwandel sind die Betriebe größer geworden. Dabei hat natürlich auch der Konkurrenzkampf so manches bewirkt, ein Konkurrenzkampf, in dem die Nebenerwerbslandwirtschaft nach dem Grundsatz, wie wir ihn bisher im Gesetz hatten, benachteiligt war. Heute wird der Nebenerwerbslandwirt nicht mehr benachteiligt. Diese Uneingeschränktheit kann aber nicht aufrechterhalten werden. Jedoch: Gegenüber dem Nichtlandwirt und dem Hobbylandwirt ist dieser Vorrang weiter in den Vordergrund zu stellen und hat er seine volle Berechtigung. Sollten aber weder Haupt- noch Nebenerwerbslandwirte über den Pachtweg freiwerdende Flächen benötigen, dann wollen wir - denn dann ist kein agrarpolitisches Interesse gegeben - auch nicht in die Entscheidungsfreiheit anderer Vertragspartner eingreifen.
Zu den Anträgen der GRÜNEN möchte ich, wie auch die SPD es formuliert hat, noch sagen: Der eine Antrag erfordert mehr Bürokratie, und der andere mit der Prosperitätsklausel würde viele Dinge so hoch schrauben, daß dies ebenfalls keinen nützlichen Zweck hätte.
Recht herzlichen Dank.
({0})
Wir kommen nun zur zweiten Runde.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Werner ({1}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich gern auf Herrn Pfuhls Einwand eingehen, daß in jeder Gemeinde verschiedene Grundsätze zur Sprache kämen, daß also die Entfernungshöchstgrenzen verändert würden. Ich meine, gerade Sie hätten vorhin im Zusammenhang mit den „Tiefladerbauern" gesagt, daß man Grenzen nicht generell festlegen könne, sondern daß das regionsweise geschehen müsse.
({0})
- Nun, es ist ziemlich gleichgültig, ob Sie in Regionen verschiedene Grenzen setzen oder ob Sie das nach den jeweils in den Dörfern vorgegebenen Strukturen tun. Wir haben in den einzelnen Dörfern von den Größen her, von den Beständen her schon Unterschiede: In dem einen Dorf haben wir große, in dem anderen Dorf kleine Betriebe.
Jetzt möchte ich zum landwirtschaftlichen Pachtrecht Stellung nehmen: Auf der ersten Seite dieses
Gesetzentwurfes endet der Abschnitt „A. Zielsetzung" mit dem Satz:
Zugleich sollen Maßnahmen zur Sicherstellung der Ertragsfähigkeit der Pachtsache die Verpachtungsbereitschaft und damit die Bodenmobilität verstärken.
Ich habe darüber nachgedacht, wann Bodenmobilität aus meiner Sicht wünschenswert ist. Sie ist es für mich nur dann, wenn der Bewirtschafter, gleichgültig, ob Eigentümer oder Pächter, ob Gesellschaft oder Privatperson, kein anderes und kein besseres Verhältnis zu Boden und Tier hat, als damit nur Geld zu verdienen. Gerade aber die Mobilität des Bodens führt zu solchen Verhältnissen. Nicht nur in den USA wird die Landwirtschaft durch Kapital beeinflußt, das nicht aus der Landwirtschaft stammt.
Auch die Sicherstellung der Ertragsfähigkeit als Zielsetzung des Entwurfs ist nicht mehr zeitgemäß. Heute trägt eine Ertragssteigerung durch Verpachtung, wie sie tatsächlich oft zu beobachten ist, nur dazu bei, die Überschußberge zu vergrößern. Zeitgemäß wäre ein Paragraph, der Zupacht von landwirtschaftlichen Flächen an eine umweltverträgliche Bewirtschaftung bindet, damit auf Höchsterträge verzichtet und somit zum Abbau der Überschüsse beiträgt.
({1})
Wenn ein einziger Betrieb im Weser-Ems-Gebiet 200 ha zupachtet und darauf Stärkekartoffeln anbaut, die mit 800 DM bei 45 t Ertrag je Hektar bezuschußt werden, dieser Unternehmer also jährlich 160 000 DM Subvention bekommt und 1 500 DM Pacht je Hektar bezahlt, dann ist zu fragen, ob diese Art von Bodenmobilität noch zu begrüßen ist.
({2})
Ein kleiner Hof, der gern noch etwas zupachten möchte, kann bei solchen Pachtpreisen natürlich nicht mithalten.
Es gibt einen Satz, der sagt - Sie haben ihn schon zitiert -: Das Land wandert zum besseren Wirt. Mit „Wirt" ist hier nicht der Gastwirt, sondern der Bauer gemeint. Auch dieser Satz stimmt leider nicht mehr. Das Land wandert zum Kapitalkräftigeren, zum Spezialisierten und oft auch zu Bauern, die sich für die Flucht nach vorn mit großem Risiko entschlossen haben. Vielleicht käme da der Bauer in Frage, der Stärkekartoffeln auf 200 ha anbaut.
({3})
§ 589 des Gesetzentwurfs sieht den Zusammenschluß mehrerer Betriebe für eine gemeinsame Nutzung vor, und zwar im ganzen oder teilweise. Entstanden ist dieser Entwurf, bevor die unsozialste Hilfe für die Landwirtschaft kam, bevor wir die Mehrwertsteuerpauschale beschert bekamen. Heute dürfen wohl Massentierhalter mit über 330 Vieheinheiten, die aber auf dieses ungerechte Steuergeschenk nicht gern verzichten wollen, also teilungsbedürftig sind, diesen Paragraphen nutzen, um so - laut Abs. 2 - zur Verbesserung der Rentabilität zu kommen; statt Zusammenlegung also Betriebsteilung.
Werner ({4})
Leider scheint noch kein Ende der durch die nationale und EG-Politik erzwungene Bodenmobilität in Sicht zu sein. Die Brüsseler Änderungsvorschläge in Richtung Anpassung an den Markt werden die Betriebsaufgaben beschleunigen, und die Hilfen, die gegeben werden sollen, sind größtenteils Sterbehilfen.
Mehrmals wird im Gesetzentwurf auf die Verbesserung der Kreditbasis des Pächters hingewiesen: in §§ 582 a und 583 a. Sosehr dies auf der einen Seite zu begrüßen ist, so sollten Pächter heute bei Aufnahme hoher Kredite doch daran denken, daß niemand im voraus sagen kann, wohin die Reise geht. Neben allen Preisschwankungen nach unten wird von der Regierung und der EG keinerlei Perspektive gegeben, nach der ein Bauer heute seine Wirtschaft ausrichten könnte. Unsicherheit ist in der Landwirtschaft verstärkt, aber auch sonst auf allen Ebenen der Faktor, der alles belastet.
Schönen Dank.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Regelung des Pachtrechts, nun wieder geschlossen im Bürgerlichen Gesetzbuch, kann sicherlich nicht Dinge der Agrarordnung regeln. Sie soll einfach neutral die Voraussetzungen für Pacht und Verpachtung besser und übersichtlicher regeln. In diesem Rahmen soll sich sowohl der im Hauptberuf tätige Landwirt wie auch der Nebenerwerbslandwirt möglichst sicher bewegen können. Er soll einen klaren Rahmen für seine Dispositionen vorfinden. Was er dann innerhalb dieses Rahmens tut, muß sicherlich an anderer Stelle geregelt werden; es kann deshalb hier nicht zur Kritik an dem jetzt vorliegenden Entwurf herangezogen werden.
Wir glauben nicht, daß mit dem neuen Landpachtgesetz und mit der Vereinheitlichung eine neue und schönere Ära für die Landwirtschaft anbricht; wir glauben lediglich, daß ein Instrument, das auch erforderlich ist, jetzt wieder übersichtlicher und besser zur Verfügung steht, nachdem das verstreut geregelte Recht wieder im BGB zusammengefaßt worden ist.
Was ich ausdrücklich erwähnen möchte, ist die durchgängige Zuständigkeit der Landwirtschaftsgerichte mit ihren ehrenamtlichen Beisitzern, die über Fach- und Sachkunde,
({0})
aber gelegentlich auch über ein gehöriges Maß an Personenkunde verfügen, das man bei landwirtschaftlichen Streitigkeiten auch gut gebrauchen kann, um zu angemessenen Urteilen zu kommen.
({1})
Genauso, wie sich die meisten Kaufleute bei der Kammer für Handelssachen besser aufgehoben fühlen als bei einer normalen Zivilkammer,
({2}) glauben wir, daß auch die Landwirte hier besser aufgehoben sind, so daß diese durchgängige Regelung sicherlich zu begrüßen ist, weil sie zur Bereinigung der ohnehin auch in Zukunft bestimmt schwierigen Fragen einen guten Beitrag leisten kann.
({3})
Weit entfernt also davon, Wunder zu erwarten, danken wir dem Bundesjustizminister und seinen Mitarbeitern dafür, daß sie diese Zusammenfügung des früher verstreuten Rechts auf fachlich saubere Weise vorgenommen und das Ganze auf eine übersichtliche und klare Basis gestellt haben. Wir hoffen, daß dies zusammen mit anderen - auch an ganz anderer Stelle zu treffenden - Maßnahmen ein Beitrag dazu ist, die enormen Schwierigkeiten unserer Landwirtschaft in der heutigen Zeit etwas besser in den Griff zu bekommen.
Herzlichen Dank.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwenk.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat schon einige Legislaturperioden her, daß das Gesetz zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts im Bundestag eingebracht worden ist, ein Gesetz, das von Jahr zu Jahr und von der 8. bis zur 10. Legislaturperiode weitergeschoben wurde, bis es nun endlich verabschiedet wird. Das hat aber nichts mit irgendwelchen Schwächen des Entwurfs zum Landpachtrecht zu tun; es hat vielmehr etwas damit zu tun, daß sich die Mehrheit der Bundesländer lange Zeit sowohl untereinander als auch mit der sozialliberalen Bundesregierung nicht über das begleitende Landpachtverkehrsgesetz einigen konnte.
({0})
- Warten Sie nur ab!
Jetzt wird die notwendige Einigung endlich erreicht, und das Landpachtverkehrsgesetz wird - wir haben ja eine verbundene Debatte - verabschiedet werden. Damit war und ist der Weg für das jetzt ebenfalls zu verabschiedende Landpachtrecht frei. Ich will einmal dahingestellt sein lassen, ob sich die Mehrheit der Bundesländer mit dem Bund seinerzeit nicht einigen konnte oder nicht einigen wollte; jedenfalls wäre es sinnlos gewesen, das Landpachtgesetz ohne das Landpachtverkehrsgesetz zu verabschieden, weil dadurch alte Zusammenhänge zerstört worden wären, und deshalb mußte eben der Rechtsausschuß so lange warten.
Dr. Schwenk ({1})
Schon die geringe Lesungszeit, die uns eingeräumt wurde, zeigt auf, daß eine gründliche Vorbereitung des Gesetzentwurfes uns heftige Kontroversen erspart hat. Das ist nun Anlaß, all denen zu danken, die im Bundesjustizministerium die Vorarbeiten zu diesem Entwurf geleistet haben.
Ich möchte daran erinnern, daß der frühere Bundesjustizminister Jürgen Schmude in seiner Einbringungsrede gesagt hat, dieses Gesetz gehe einen Mittelweg zwischen den Interessen des Pächters und denen des Verpächters. Es will und soll einen fairen Interessenausgleich anbieten; zugleich soll das Pachtverhältnis aber auch moderneren, auch in der Landwirtschaft erforderlichen beweglicheren Wirtschaftsabläufen Raum geben, und zwar durch die Verpflichtung, mit Hilfe von Inventaraufnahmen bei Pachtbeginn und -ende Streitigkeiten zwischen Pächter und Verpächter zu vermeiden, und nicht zuletzt soll das materielle Pachtrecht wieder ins Bürgerliche Gesetzbuch zurückgeholt werden, worin ein Beitrag zur Rechtsvereinfachung und -bereinigung zu sehen ist.
Der ausgereifte Entwurf, der auf die Zeit von Hans-Jochen Vogel zurückgeht - ({2})
- Sie haben jetzt eine Veränderung zugunsten des Verpächters vorgenommen. Das kann ich leicht an Hand des Gesetzes nachweisen. Gucken Sie sich nur mal den § 588 Abs. 2 im Kontext zu § 591 Abs. 2 an. Wenn der Verpächter Verbesserungsmaßnahmen durchführt, kann der Pächter nur ablehnen, wenn es für ihn eine Härte ist. Wenn der Pächter das tut, dann muß es dem Verpächter zuzumuten sein. Sie sehen also, der Pächter kann sich schwerer wehren als der Verpächter. Das ist ein Punkt Ihrer Veränderungen.
Auch die andere Änderung, die Sie hereingebracht haben, mit dem Eigentumszuwachs bei Überinventar, ist deutlich eine Verbesserung zugunsten des Verpächters und nicht zugunsten des Pächters. Da haben Sie eine andere Zielsetzung, als wir sie früher hatten. Das ist auch ein Grund, weswegen wir einzelne Passagen Ihrer Änderungen ablehnen, aber dem Gesamtgesetz zustimmen, weil es nämlich wesentliche Teile unseres Anliegens, ein faires, modernes Pachtrecht für beiden Seiten einzuführen, durchhält. Wir werden zustimmen - Sie sind der anderen Versuchung leider nicht ganz entgangen -, da es sich nur um Einzelheiten handelt und das Gesamtwerk zustimmungswürdig ist.
Wir bedauern auch, daß Sie die Passagen über die Einbringung in eine Kooperative ohne Zustimmung des Verpächters gestrichen haben. Die Kooperative hat jetzt nicht mehr die Bedeutung, die sie früher mal haben sollte. Aber nötig, das alles einzustampfen, war es nicht.
({3})
Noch einmal: die Einbringung von Überinventar, die nun dem Verpächter zuwächst, ist nicht ein Signal, die Kreditbasis des Pächters zu stärken. Sie haben zwar im Rechtsausschuß andere Auffassungen vertreten - ich habe das noch einmal nachgesehen - aber das ist nicht der Fall. Dem Pächter wird der Anreiz genommen, neues, modernes Gerät, was Überinventar sein könnte, zu beschaffen, weil es sofort in das Eigentum des Verpächters fällt und er nur einen Ausgleichsanspruch hat. Gerade dieser Anreiz ist nötig. Wir wissen, daß die Landwirtschaft unter erheblicher Verschuldung zu leiden hat. Wenn wir hier in die falsche Richtung Signale setzen, tun wir den Pächtern keinen Gefallen.
Wir hoffen und wünschen, daß die Neuordnung beider Pachtrechtsgesetze den Partnern zugute-kommt. Wir wissen, daß der bessere Wirt auch die Gelegenheit haben muß, seine Wirtschaftsgrundlage zu stärken. Wir wünschen, daß das dann auch der Fall ist. Gut Ding will manchmal Weile haben. Wir sind lange Zeit im Rechtsausschuß behindert worden; endlich haben wir es geschafft. Ich danke allen, die daran mitgewirkt haben.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Göhner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beenden heute mit der Verabschiedung des neuen Landpachtrechts eine seit zwei Jahrzehnten währende Diskussion. Die Koalition hat sich damit auf einem früher höchst umstrittenen Gebiet der Agrar- und Rechtspolitik erneut als handlungsfähig erwiesen. Herr Kollege Schwenk, ich darf Sie daran erinnern, daß z. B. der heutige Oppositionsführer und damalige Justizminister Vogel hier Gesetzentwürfe mit einer ganz anderen Konzeption eingebracht hatte, schon damals gegen den Widerstand des Landwitschaftsministeriums, gegen den Widerstand weiter Kreise aus Ihrer Fraktion. Auch deshalb hat diese Diskussion zehn Jahre länger gedauert, als ursprünglich notwendig war.
Ich möchte hier nur zu den privatrechtlichen Neuregelungen etwas sagen und zum Landpachtverkehrsgesetz eine Erklärung zur Abstimmung schriftlich zu Protokoll geben.
Lassen Sie mich ein paar Punkte zu dem aufgreifen, was der Vertreter der GRÜNEN gesagt hat. Ihre Idee mit den Pachtgenossenschaften ist bei Licht besehen - ich meine das ganz ernst und in aller Ruhe - mittelalterlicher Art. An die Stelle des Fronherrn, der das Land an die Bauern verteilt, träte eine Pachtgenossenschaft, die wie der mittelalterliche Fronherr damals den Fronzins heute den Pachtzins festzusetzen hätte. Sie werden jede Dorfgemeinschaft mit dieser Aufgabe sprengen. Ihr Beispiel der Jagdgenossenschaft zeigt gerade, wie schon dabei häufig Dorfgemeinschaften großen Belastungen ausgesetzt sind. Sie würden diese Dorfgemeinschaft völlig überfordern, weil in jedem einzelnen Fall über wirtschaftliche Angelegenheiten des betroffenen Landwirtes bis hin zu existenziellen Fragen entschieden würde.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Werner ({0})?
Bitte schön.
Glauben Sie, daß durch die jetzige Änderung des Pachtgesetzes diese Dinge verhindert werden, die ich vorhin geschildert habe, daß also Betriebe mehr teures Geld aufwenden müssen; das ist doch im neuen Pachtgesetz nicht enthalten, daß wir nach oben hin einen Stopp, eine finanzielle Grenze bekämen?
Herr Kollege, ich glaube nicht, daß wir all diese Mißstände durch ein Bundesgesetz beseitigen können. Ich möchte Ihnen lediglich sagen, daß Ihre Vorstellungen wirklich mittelalterlicher Prägung sind und jede Dorfgemeinschaft sprengen würden.
({0})
Lassen Sie mich eines hinzufügen: Wissen Sie, im Rechtsausschuß haben wir diesen Gesetzentwurf dreimal diskutiert. Zweimal haben die Vertreter der GRÜNEN kein einziges Wort zu dem Gesetzentwurf gesagt. Auch beim drittenmal ist keineswegs die Rede davon gewesen, daß Sie die vorliegenden Änderungsanträge stellen wollen. Wenn Sie jetzt im Plenum plötzlich solche Anträge stellen, dann hätten Sie diese Anträge schon im Rechtsausschuß zur Diskussion stellen können.
({1})
Meine Damen und Herren, das privatrechtliche neue Landpachtrecht löst einige Regelungen ab, die aus der Zeit der Jahrhundertwende stammen und die deshalb naturgemäß den Bedingungen einer modernen Landwirtschaft angepaßt werden mußten. Ich kann mich hier weitgehend auf die Äußerung des Kollegen Kleinert beziehen. Ich möchte nur noch darauf hinweisen, daß, Herr Kollege Schwenk, das Verhältnis und der Interessenausgleich zwischen Pächter und Verpächter im Gesetzentwurf doch überhaupt nicht geändert worden ist. Wir haben eine gravierende Neuregelung, auf die Herr Kleinert hingewiesen hat, nämlich die generelle Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichtes - das darf ich erwähnen - auf einstimmige Empfehlung des Ernährungsausschusses und auf einmütige Empfehlung der Praktiker aus dem Hearing des Ernährungsausschusses, aber gegen Ihre Stimmen im Rechtsausschuß, dem federführenden Ausschuß eingefügt.
({2})
Wir haben dies mehrheitlich beschlossen und ich glaube, es ist ein guter Beschluß, weil wir damit den Wünschen und Belangen der Praxis entgegenkommen und dadurch sicherstellen, daß den Landwirten zwei völlig unverständliche gleichzeitig oder hintereinander zu beschreitende Rechtswege erspart bleiben. Deshalb ist dies auch ein Beitrag zur Entbürokratisierung und Vereinfachung von Gesetzen.
({3})
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß das neue landwirtschaftliche Pachtrecht und sein privatrechtlicher Teil mit einigen wichtigen Änderungen - ich erwähne beispielsweise die Änderung der Kündigungsfristen - den veränderten Bedingungen moderner Landwirtschaft entspricht und die Dispositionsmöglichkeiten des Pächters erweitert, daß allerdings diese Regelungen sich jetzt sicherlich in der Praxis bewähren müssen. Wir stellen auch heute in der Landwirtschaft einen ständigen Wandel von Produktionsbedingungen und auch von Strukturen fest. Es kann nicht die Aufgabe eines Pachtgesetzes sein, schon gar nicht eines privatrechtlichen Pachtgesetzes, den sich vollziehenden Wandel sozusagen gesetzlich zu reglementieren. Diese Möglichkeit hat man mit einem Bundesgesetz schon gar nicht und mit einer privatrechtlichen Regelung auch nicht.
Ich hoffe, daß wir nach zwei Jahrzehnten kontroverser Diskussion mit der einmütigen Verabschiedung der beiden Gesetzentwürfe die Pachtrechtsdiskussion erst einmal auf einige Zeit beenden können, damit das Gesetz Gelegenheit hat, sich in der Praxis zu bewähren.
({4})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Nun haben wir noch eine Reihe von Einzelberatungen und Abstimmungen vorzunehmen.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14 a, den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Anzeige und Beanstandung von Landpachtverträgen auf Drucksache 10/508.
Ich rufe § 1 in der Ausschußfassung auf. Wer der aufgerufenen Vorschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der Fraktion DIE GRÜNEN und bei einer Enthaltung sind die aufgerufenen Vorschriften mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 2 der Ausschußfassung auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/3898 ein Änderungsantrag des Abgeordneten Werner ({0}) und der Fraktion DIE GRÜNEN vor.
Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mit Mehrheit abgelehnt.
Wer § 2 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist § 2 in der Ausschußfassung mit Mehrheit gegen die Stimmen der Fraktion DIE GRÜNEN bei einer Enthaltung angenommen.
Vizepräsident Westphal
Ich rufe § 3 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die aufgerufene Vorschrift mit Mehrheit gegen die Stimmen der Fraktion DIE GRÜNEN und bei einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe § 4 in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/3899 ein Änderungsantrag des Abgeordneten Werner ({1}) und der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit der schon festgestellten Mehrheit abgelehnt.
Wer § 4 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist die aufgerufene Vorschrift mit Mehrheit bei mehreren Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe §§ 5 bis 8 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind mit Mehrheit gegen die Stimmen der GRÜNEN bei einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe § 9 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/3912 unter Nr. 1 ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen?
- Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der Fraktion DIE GRÜNEN ist der Änderungsantrag angenommen.
Jetzt stelle ich den § 9 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung zur Abstimmung. Wer dem die Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die aufgerufene Vorschrift ist mit Mehrheit gegen die Stimmen der Fraktion DIE GRÜNEN bei einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe die §§ 10 bis 13 auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen?
- Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind mit Mehrheit gegen die Stimmen der Fraktion DIE GRÜNEN bei einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe § 14 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/3912 unter Nr. 2 ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vor. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen?
- Enthaltungen? - Bei Enthaltungen der Fraktion DIE GRÜNEN ist der Änderungsantrag angenommen.
Wer § 14 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die aufgerufene Vorschrift mit Mehrheit gegen die Stimmen der Fraktion DIE GRÜNEN angenommen.
Es bleibt noch über Einleitung und Überschrift abzustimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann sind Einleitung und Überschrift mit Mehrheit angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Meine Damen und Herren, nach Annahme von Änderungsanträgen in zweiter Beratung darf sich nach 84b unserer Geschäftsordnung die dritte Beratung nur dann unmittelbar anschließen, wenn auf Antrag einer Fraktion oder 5 vom Hundert der Mitglieder des Bundestages zwei Drittel der anwesenden Mitglieder dies beschließen. Ein entsprechender Antrag liegt vor. Darf ich fragen, ob das Haus damit einverstanden ist? - Das ist entsprechend dem Wunsch übereinstimmende Meinung, so daß von daher auch die erforderliche Mehrheit festgestellt werden kann. Ich sehe, daß Sie einverstanden sind.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann ist das Gesetz mit Mehrheit bei Gegenstimmen der Fraktion DIE GRÜNEN und einer Enthaltung angenommen.
Ich teile mit, daß der Abgeordnete Dr. Göhner eine schriftliche Erklärung nach § 31 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung abgegeben hat, die zu dem Protokoll genommen wird*). Sie erklärt sein Abstimmungsverhalten.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14b, den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des landwirtschaftlichen Pachtrechts auf Drucksache 10/509.
Ich rufe die Art. 1 bis 6, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann sind die aufgerufenen Vorschriften in der zweiten Lesung mit Mehrheit gegen die Stimmen der Fraktion DIE GRÜNEN angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem
Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte
*) Anlage 3
Vizepräsident Westphal
ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Gesetz ist mit großer Mehrheit angenommen worden.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 2. Oktober 1985, 13 Uhr ein.
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.