Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
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Meine Damen und Herren! In der vergangenen Woche wurde Mexiko von einer verheerenden Naturkatastrophe heimgesucht. Drei starke Erdstöße haben vor allem die Hauptstadt des Landes schwer in Mitleidenschaft gezogen. Mit Erschütterung haben wir die Berichte über die Zerstörungen und die sich daraus ergebende Notlage aufgenommen. Obwohl das ganze Ausmaß der Katastrophe noch nicht abzusehen ist, steht fest, daß Tausende von Toten zu beklagen sind. Die Zahl derer, die verletzt wurden, die Angehörige und Freunde verloren, die ihre Wohnungen und ihr Hab und Gut einbüßten, dürfte ein Vielfaches betragen. Daher verdient der Einsatz der deutschen und internationalen Hilfsorganisationen, die zu Spenden aufgerufen haben, unser aller Unterstützung.
Dem so hart geprüften mexikanischen Volk, seinem Parlament und seiner Regierung spreche ich die tief empfundene Anteilnahme des Deutschen Bundestages aus.
Sie haben sich von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Wir haben einigen Kollegen heute zum Geburtstag zu gratulieren. Der Kollege Matthöfer feiert heute seinen 60. Geburtstag. Der Abgeordnete Grünbeck hat am 17. September ebenfalls seinen 60. Geburtstag gefeiert, der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Sprung am 16. September gleichfalls seinen 60. Geburtstag. Ich darf allen diesen Kollegen im Namen des Hauses zu diesen runden Geburtstagen meine besten Wünsche übermitteln.
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Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich folgendes bekanntzugeben:
Ausweislich des Stenographischen Berichtes hat der Kollege Ottmar Schreiner in der Sitzung am 13. September 1985 geäußert:
Sie sind nicht nur der größte und bösartigste Verleumder dieser Republik. Sie sind auch der übelste und schamloseste Pharisäer dieses Landes.
Er hat weiter mehrere Kollegen dieses Hauses als die „Vertretung des neureichen Bonzentums" in Deutschland bezeichnet.
Für diese Äußerungen erteile ich dem Abgeordneten Ottmar Schreiner im Namen von Vizepräsidentin Frau Renger, die zu diesem Zeitpunkt amtierte, einen Ordnungsruf.
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Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Kabinettberichterstattung
Meine Damen und Herren, der erste Versuch mit einer Kabinettberichterstattung am 11. September hat gezeigt, daß noch Klarheit über einige Punkte geschaffen werden muß. Daß ein neues Verfahren nicht beim ersten Versuch perfekt läuft, halte ich nicht für ungewöhnlich. Es kommt darauf an, daß sich das Verfahren mit der Zeit einspielt.
Mit dem Vertreter der Bundesregierung im Ältestenrat ist geklärt worden, daß es der Regierung freisteht, welche Punkte aus der Kabinettsitzung sie in ihren Bericht einbezieht, daß sie dann aber auch Fragen dazu beantworten muß. Wenn dies wegen der Ressortverantwortung der Minister auf Schwierigkeiten stößt, ist es ohne weiteres möglich, daß außer dem Berichterstatter andere Kabinettsmitglieder anwesend sind, die auf entsprechende Fragen aus ihrem Zuständigkeitsbereich antworten.
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Ebenso ist es möglich, daß der Bericht selbst nicht nur von einem, sondern beispielsweise von zwei oder drei Ministern gegeben wird, wenn zwei oder drei Ressortschwerpunkte in der Kabinettsitzung wichtig waren und über alle berichtet werden soll. Aus der Sicht des Hauses ist es keineswegs ein Nachteil, wenn mehr als ein Bundesminister für Fragen zur Verfügung stehen.
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Geklärt wurde auch, daß in die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung nicht eingegriffen werden soll, daß aber andererseits eine Vorabverteilung eines vorformulierten Berichts aus der Kabi11822
Präsident Dr. Jenninger
nettsitzung an die Presse nicht den Intentionen des Hauses entspricht.
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Der Grundgedanke ist, daß das Parlament der Ort sein soll, an dem zuerst aus der Kabinettsitzung berichtet wird.
In Pressekommentaren war mehrfach zu lesen, die Kabinettberichterstattung habe sich stark einer „üblichen" kontroversen Debatte des Bundestages angenähert. Daraus sollten wir, meine Damen und Herren, folgern, daß bei diesem Verfahren nicht die manchmal schon feststehenden gegensätzlichen Meinungen dominieren sollten, sondern das Bemühen um zusätzliche Informationen über die Willensbildung in der Bundesregierung.
Das läßt sich nicht immer säuberlich voneinander trennen. Vielleicht kann aber bedacht werden, daß es in diesem Stadium nicht immer darauf ankommt, sofort eine abschließende Stellungnahme zur Sache insgesamt abzugeben.
Insgesamt denke ich, meine Damen und Herren, daß das neue Verfahren doch eine beachtliche, zum Teil aber auch kritische Aufnahme gefunden hat. Wir sollten deshalb die Chance einer weiteren Erprobung nutzen.
Noch einmal kurz zu den Regeln: Der Bericht der Bundesregierung darf insgesamt bis zu zehn Minuten dauern. Für jede Frage und jede Antwort stehen bis zu zwei Minuten zur Verfügung. Gefragt werden kann zu den Punkten, die im Bericht angesprochen wurden. Jeder Abgeordnete hat nur eine Frage. Am Ende besteht die Möglichkeit zu Schlußerklärungen der Fraktionen.
Für den Bericht aus der Kabinettsitzung steht der Herr Bundesminister für Verkehr zur Verfügung. Ich erteile ihm das Wort für den Bericht.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich berichte aus der 100. Kabinettsitzung von heute über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Fahrlehrergesetzes ({0}) und über die Schaffung eines weiteren Steuervorteils für bleifreies Benzin und einen Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes.
Ich darf dazu ausführen: Im Verkehrssicherheitsprogramm der Bundesregierung 1984 wurde angekündigt, eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Fahrlehrergesetzes durchzuführen. Ziel: Das hohe Unfallrisiko von Fahranfängern soll eingeschränkt werden. Dabei handelt es sich im einzelnen um folgende Maßnahmen: Es wird eine Fahrerlaubnis auf Probe für Fahranfänger eingeführt. Es wird die obligatorische Teilnahme am Fahrschulunterricht als Voraussetzung für den Erwerb einer Fahrerlaubnis vorgeschrieben. Die Fahrschülerausbildung durch Laien wird nicht mehr möglich sein. An die Qualifikation der Fahrlehrer werden erhöhte Anforderungen gestellt.
Kernstück des Entwurfs ist die Einführung der Fahrerlaubnis auf Probe. Die Probezeit dauert zwei Jahre. In dieser Zeit soll sich der Fahranfänger besonders bewähren. Von der Probezeit werden allerdings diejenigen Fahrzeugarten ausgenommen, bei denen das Unfallrisiko, insbesondere wegen niedriger durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeiten gering ist. Dabei handelt es sich um die in der jetzigen Klasse fünf genannten Fahrzeuge, also z. B. Traktoren und Krankenfahrstühle.
Begeht der Fahranfänger innerhalb der Probezeit gewichtige Verstöße gegen die Verkehrsvorschriften, muß er an einem Nachschulungskurs teilnehmen. Dabei handelt es sich im einzelnen um Verkehrsverstöße, die auf besondere Defizite in der Einstellung und im Verkehrsverhalten eines Fahranfängers schließen lassen, wie z. B. überhöhte Geschwindigkeit, Vorfahrtsverletzungen und nicht vorschriftsmäßiges Verhalten an Fußgängerüberwegen. Zugleich muß ein entsprechender Verkehrsverstoß so schwerwiegend sein, daß eine Eintragung in das Verkehrszentralregister erfolgt. Kommt der Nachzuschulende der Anordnung der Nachschulung nicht nach, ist ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Verstößt er trotz Nachschulung erneut gegen Verkehrsvorschriften, so muß die gesamte Fahrerlaubnisprüfung wiederholt werden. Verhält sich der Fahranfänger allerdings korrekt, so bleibt er im Besitz der Fahrerlaubnis ohne weitere Prüfung.
Mit der Nachschulung, die einen zentralen Punkt der beschlossenen Maßnahmen darstellt, sollen vor allem die Erkennung möglicher Gefahrensituationen verbessert, die Risikobereitschaft vermindert, Fehleinschätzungen fahrphysikalischer, technischer und verkehrsrechtlicher Sachverhalte korrigiert und eine rücksichtsvolle Einstellung zum Verkehr erreicht werden. Einzelheiten der Nachschulungen, die in Form von Gruppengesprächen durchgeführt werden, werden in einer Ausführungsverordnung zu diesem Gesetz geregelt.
Die Bundesanstalt für Straßenwesen wird im übrigen die praktische Anwendung dieser neuen Maßnahmen wissenschaftlich begleiten und auswerten, so daß insbesondere die vorgesehene Nachschulung auffällig gewordener Fahranfänger entsprechend den gewonnenen Erfahrungen weiter verbessert werden kann. Darüber hinaus können durch die begleitenden Untersuchungen nähere Kenntnisse über das Verkehrsverhalten von Fahranfängern gewonnen werden, die in der Zukunft wiederum zur Verbesserung der Fahrerlaubnis auf Probe beitragen können.
Weiteres wesentliches Kriterium für die Verkehrssicherheit ist nach wie vor die Qualität der Vorbereitung auf die aktive Verkehrsteilnahme. Das Verkehrssicherheitsprogramm der Bundesregierung kündigt daher eine Reihe von Maßnahmen zur Intensivierung der Ausbildung in der Fahrschule an, die demnächst auf dem Verordnungsweg umgesetzt werden sollen. Sie können jedoch nur dann Erfolg haben, wenn flankierend hierzu die immer noch zulässige Ausbildung durch Laien aufgegeben und ein Zwang zur Teilnahme am Fahrschulunterricht eingeführt wird.
Ferner sieht der Gesetzentwurf eine Verlängerung der Fahrlehrerausbildung vor. Mit der AusBundesminister Dr. Dollinger
dehnung der vorgeschriebenen Fahrpraxis der Fahrlehrer in Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und auf Motorrädern soll eine weitere Qualitätsverbesserung in der Fahrausbildung erzielt werden.
Die Bundesregierung geht davon aus, daß diese Maßnahmen dazu beitragen werden, die Unfallzahlen günstig zu beeinflussen. Das Änderungsgesetz wird, wie gesagt, von der Bundesanstalt für Straßenwesen wissenschaftlich begleitet. Nach vier Jahren wird gegebenenfalls entschieden, welche Änderungen notwendig sind und vorgenommen werden sollen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich darf nun zu dem Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Mineralölsteuer kommen. Ziel des Gesetzentwurfes ist es, noch einmal den Anreiz zu verstärken, um bleifreies Benzin anzubieten und zu verwenden. Bekanntlich hat das bleifreie Benzin erst einen Anteil von etwa 1 v. H. am gesamten Benzinverbrauch erreicht. Die technischen Verwendungsmöglichkeiten für bleifreies Benzin übersteigen den tatsächlichen Verbrauch um ein Vielfaches. Außerdem steht die Einführung des bleifreien Superbenzins in Europaqualität an. Davon hängt der Verbrauch der neuen schadstoffarmen Personenkraftwagen mit Superbenzinmotoren zweifellos mit ab. Ohne Bereitstellung von bleifreiem Superbenzin können auch keine Altfahrzeuge mit Superbenzinmotoren nachträglich mit dem ungeregelten Katalysator ausgerüstet werden.
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Mineralölsteuer für bleifreies Benzin von heute 49 Pf je Liter vom 1. Januar 1986 bis zum 31. März 1987 um 3 Pf auf 46 Pf, vom 1. April 1987 bis zum 31. März 1988 um 2 Pf auf 47 Pf und schließlich vom 1. April 1988 bis zum 31. März 1989 um 1 Pf auf 48 Pf je Liter zu senken. Der Steuervorteil gegenüber dem verbleiten Benzin beträgt dann angesichts des gegenwärtigen Steuervorteils von 4 Pf vom 1. Januar 1986 bis zum 31. März 7 Pf je Liter, vom 1. April 1987 bis zum 31. März 1988 6 Pf je Liter und schließlich vom 1. April 1988 bis zum 31. März 1989 5 Pf je Liter.
Alle Fördermaßnahmen für bleifreies Benzin werden auf die schwierige Einführungsphase vom 1. April 1985 bis zum 31. März 1989 konzentriert. Ab 1. April 1989 soll für alle Benzinsorten wieder der einheitliche Steuersatz von 51 Pf je Liter gelten. Eine Steuererhöhung für verbleites Benzin ist unter diesen Umständen nicht erforderlich.
Die jetzt in Aussicht genommene Spreizung der Mineralölsteuersätze für bleifreies und verbleites Benzin von 7, 6 und 5 Pf übersteigt die herstellungsbedingten Mehrkosten für bleifreies Benzin. Die Spanne umfaßt auch jeweils einen angemessenen Deckungsbeitrag zu den bei steigendem Absatz abnehmenden Verteilungsmehrkosten für bleifreies Benzin.
Die Bundesregierung baut auf die Zusage der Mineralölindustrie, daß die Steuerermäßigung voll an die Kraftfahrer weitergegeben wird. Bei dem durchschnittlichen Preisunterschied von 2 Pf je Liter für bleifreies und verbleites Benzin ist zu erwarten, daß nach dem 1. Januar 1986 bleifreies Benzin entsprechend angeboten werden kann. Die Verantwortung für die Benzinpreisbildung liegt allerdings - das möchte ich hier ausdrücklich klarstellen - beim Markt und bei der Mineralölwirtschaft
Von dieser Stelle trete ich erneut der Behauptung entgegen, die Bundesregierung oder der Bundesminister der Finanzen wolle an der Einführung bleifreien Benzins verdienen. Die technische Möglichkeit zur Verwendung von bleifreiem Benzin ist so gewachsen, daß infolge der einseitigen zusätzlichen Steuerermäßigung bereits ab einem Absatzanteil von 25 v. H. am gesamten Benzinverbrauch Steuermindereinnahmen entstehen. Ich hoffe, daß die steuerlichen Maßnahmen von der Industrie entsprechend begleitet werden, und ich hoffe, daß die Kraftfahrer alle Möglichkeiten ausnützen, bleifrei im Interesse einer Verbesserung der Umwelt zu tanken.
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Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister, für Ihren Bericht.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesminister hat hier im wesentlichen zwei Komplexe angesprochen. Das eine ist der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Fahrlehrergesetzes. Der zweite Komplex betrifft die Mineralölsteuer. Ich schlage vor, daß wir beide Komplexe hintereinander behandeln und zunächst einmal Fragen zu dem ersten Punkt stellen.
Zu einer Frage erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Daubertshäuser.
Herr Minister, in Ihrem Bericht haben Sie erklärt, der Führerschein auf Probe sei der Kernpunkt Ihrer straßenverkehrsrechtlichen Änderungen. Wenn hier nun die auffällig gewordenen Führerscheinneulinge Kenntnisse und Erfahrungen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit vermittelt erhalten sollen, weswegen sind dann nach dem, was Sie hier vorgetragen haben, diese Kenntnisse und Erfahrungen bei den Führerscheinneulingen entbehrlich, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht auffällig geworden sind?
Bitte, Herr Bundesminister.
Herr Kollege Daubertshäuser, ich habe akustisch nicht ganz verstanden, was Sie am Schluß sagten. Würden Sie es bitte wiederholen.
Herr Minister, Sie haben vorhin dargestellt, daß der Kernpunkt Ihrer straßenverkehrsrechtlichen Änderungen der Führerschein auf Probe sein wird. Sie unterscheiden hier; Sie sagen, Sie wollten die auffällig gewordenen Führerscheinneulinge einer Sonderbehandlung unterwerfen, weil sie mangelhafte Kenntnisse und Erfahrungen haben. Aber dann stellt sich doch die Frage: Weswegen unterwerfen Sie nicht auch alle anderen Führerscheinneulinge diesem Verfahren?
Ich gehe davon aus, Herr Kollege Daubertshäuser, daß der Führerschein auf Probe eine erzieherische Maßnahme sein wird, die dazu führt, daß sich der junge Führerscheinbesitzer tatsächlich vorsichtig verhält, bis er entsprechende praktische Erfahrungen hat. Sie wissen ja, in vielen Unfallmeldungen heißt es: Führerschein vor 14 Tagen oder vor drei Wochen gemacht. Diese Fälle wollen wir diesem Verfahren unterwerfen. Ich glaube, es ist doch völlig unmöglich, daß wir Leute, die schon zehn oder zwanzig Jahre einen Führerschein haben, nochmals prüfen.
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Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Jobst.
Herr Bundesminister, die Bundesregierung ist mit der Einführung des Führerscheins auf Probe auf dem richtigen Wege, die Verkehrssicherheit in unserem Lande zu verbessern. Die Verkehrssicherheit hat sich in den letzten Jahren erfreulicherweise erheblich gebessert. Die Zahl der tödlichen Unfälle ist zurückgegangen. Das ist alles erfreulich. Dennoch ist die Zahl der Unfälle, vor allem der tödlichen und schweren Unfälle, nach wie vor zu hoch. Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung mit der Einführung des Führerscheines auf Probe -
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, eine Frage zu formulieren.
Ja, ich habe j a zwei Minuten Zeit.
Aber keine Rede zu halten, sondern eine Frage zu formulieren.
Ich meine, daß die Bundesregierung das Problem in richtiger Weise angegangen hat. Ich stelle deshalb zwei Fragen.
Herr Kollege, es gibt nur eine Frage. Ich bitte Sie, sich an die Regeln zu halten.
Herr Präsident, ich stelle eine Frage. Welche begleitenden Maßnahmen wird die Bundesregierung zusätzlich ergreifen, um bei den jungen Kraftfahrern zu erreichen, daß sie sich im Verkehr verantwortungsbewußter verhalten, weil das Problem der schweren und tödlichen Unfälle in erster Linie ein Problem der jungen Kraftfahrer ist, und ist sichergestellt, daß zum 1. Januar 1986 die Verwaltungsschwierigkeiten überwunden werden können, um den Führerschein auf Probe auch tatsächlich einzuführen?
Herr Kollege Jobst, wir müssen jetzt selbstverständlich das parlamentarische Verfahren abschließen. Ich hoffe zuversichtlich, daß wir bis Mitte nächsten Jahres so weit sind, daß es den Führerschein auf Probe gibt. Begleitende Maßnahmen sind selbstverständlich vorhanden. Ich weise nur darauf hin, daß wir mit den beabsichtigten Änderungen dafür sorgen wollen,
daß die Ausbildung durch die Fahrlehrer gründlicher und der einzelne im Hinblick auf Unfälle verantwortungsbewußter wird.
Zu einer weiteren Frage Frau Abgeordnete Hartenstein.
Herr Bundesminister, in einigen anderen Ländern, z. B. in England und in Frankreich, gilt eine unseres Erachtens höchst sinnvolle Regelung, nämlich die, daß Fahranfänger bestimmte Höchstgeschwindigkeiten nicht überschreiten dürfen. Die entsprechenden Länder haben damit übrigens sehr gute Erfahrungen gemacht.
Meine Frage: Hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang erwogen, eine solche flankierende Regelung mit einzuführen - wenn ja, würde mich das sehr interessieren -, oder gedenkt sie an eine solche Regelung überhaupt nicht heranzugehen, und, wenn nein, was sind die Gründe dafür?
Frau Kollegin, selbstverständlich haben wir bei den Beratungen auch daran gedacht, aber es ist j a unendlich schwierig, die Fahrzeuge danach kenntlich zu machen, ob in dem Auto eine Person, die gerade erst den Führerschein gemacht hat, oder eine, die ihn schon länger hat, sitzt. Das Ganze wäre letzten Endes sehr kompliziert, und ich glaube, wir sollten auch immer daran denken, daß Verordnungen oder Gesetze, die wir machen, praktikabel sind.
Eine Frage der Frau Abgeordneten Hamm-Brücher.
Herr Minister, obgleich ich große Zweifel habe, ob die Art Ihrer Berichterstattung den eigentlichen parlamentspolitischen Sinn, den wir bei dieser Art von Unterrichtung und Fragestunde vor Augen hatten, erfüllt - ({0})
Frau Abgeordnete, bitte stellen Sie eine Frage, und rügen Sie hier jetzt nicht das Verfahren!
Ja, ich möchte versuchen, mit meiner Frage etwas Leben hineinzubekommen.
Herr Minister, ich frage Sie jetzt: Wenn Sie so eine Maßnahme wie den Führerschein auf Probe einführen wollen, bitte ich Sie, uns einmal die genauen statistischen Unterlagen darüber vorzulegen, wie hoch der Anteil von Jugendlichen an Verkehrsunfällen innerhalb der ersten zwei Jahre nach Erhalt des Führerscheins ist.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister.
Frau Kollegin Hamm-Brücher, es gibt da in der Tat keinen ZweiBundesminister Dr. Dollinger
fel, und ich habe auch die Zahlen. Die Beteiligung von Fahranfängern an Unfällen mit Mofas und Mopeds lag im Jahre 1984 für bis zu 18jährige bei 43,6%, für bis zu 21jährige bei 57,2%. Das ist klar, denn die Verkehrsteilnehmer sind in diesem Bereich ja vor allem junge Menschen.
Bei den Kraftradfahrern haben wir im Jahre 1984 bei den bis zu 21jährigen 64,7 %, bei den bis zu 25jährigen 84,3 %. Auch hier sieht man also, daß die junge Generation besonders beteiligt ist.
Bei den Pkw-Fahrern haben wir bei den bis zu 21jährigen 21 %, und wenn ich bis 25 Jahre gehe, haben wir 39,9 %. Man sieht also, daß gerade bei den Anfängern die Unfallzahl außerordentlich groß ist.
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Zu einer Frage hat der Abgeordnete Amling das Wort.
Herr Bundesminister, Sie sehen vor, daß sich der auffällig gewordene Führerscheinneuling einer Nachschulung unterziehen muß. Ich möchte Sie fragen: Haben Sie auch daran gedacht, unter welchen Voraussetzungen diese Nachschulung stattfinden kann, und kann jeder Fahrlehrer eine solche Nachschulung vornehmen, oder sind bestimmte Qualifikationen erforderlich?
Herr Kollege, es sind gewisse Qualifikationen erforderlich. Einzelheiten werden wir in den Beratungen noch erläutern.
Zu einer Frage hat der Abgeordnete Bühler das Wort.
Herr Minister, ebenfalls eine Frage zur vorgesehenen Praxis der Nachschulung: Das Verkehrssicherheitsprogramm 1984 der Bundesregierung sieht vor, daß Nachschulungen dann vorgenommen werden müssen, wenn eine bestimmte Punktzahl in Flensburg erreicht worden ist. Im Gegensatz dazu sieht jetzt der Gesetzentwurf vor, daß unabhängig von bestimmten Eintragungen in Flensburg bei bestimmten Verstößen eine Nachschulung vorgenommen werden muß. Was sind die Gründe für die Änderung dieses Konzeptes?
Die Gründe sind technischer Art. Wir werden aber eine gründliche Erfassung aller Verfehlungen haben, so daß hier niemand durchkommen wird.
Zu einer Frage der Herr Abgeordnete Hettling.
Nehmen wir einmal einen auffällig gewordenen Führerscheininhaber, dem während der Probezeit der Führerschein - sagen wir einmal, für sechs Monate - abgenommen wird. Was passiert dann mit der Probezeit? Läuft die weiter, wird sie ausgesetzt, fängt sie neu an?
Die Probezeit läuft in dem Falle weiter.
Die Frage ist beantwortet. Herr Abgeordneter Fischer ({0}) zu einer weiteren Frage.
Herr Bundesminister, wird nicht durch die Regelung, daß nach der zweijährigen Probezeit nicht erneut eine Prüfung abgenommen wird, derjenige begünstigt, der in dieser zweijährigen Probezeit sehr wenig am Verkehr teilnimmt, möglicherweise überhaupt nicht daran teilnimmt und also auch im Verkehr keine Fehler machen kann?
Herr Kollege Fischer, das ist natürlich eine sehr nette Frage. Da es sich aber meistens um junge Menschen handelt, kann ich mir eines nicht vorstellen: daß so ein junger Mensch, wenn er den Führerschein gemacht hat, nun Mofa oder Motorrad oder Auto einsperrt, bis die zwei Jahre herum sind. Das glaube ich nicht. Der Drang, tatsächlich zu fahren, wenn man den Führerschein hat, wird so stark sein, daß ich von dieser Seite keine Beeinträchtigung der Probezeit sehe.
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Zu einer weiteren Frage der Abgeordnete Kretkowski.
Herr Minister, die Probezeit auf dem Moped soll die Probezeit auf dem Pkw entbehrlich machen. Können Sie das statistisch belegen, oder anders gefragt: Sind die jungen Leute, die einen Mopedführerschein hatten, anschließend auf dem Pkw weniger unfallträchtig als die anderen?
Das ist ein Punkt, den wir lange diskutiert haben. Eine Zeitlang war auch die Meinung herrschend, daß eigentlich mit jedem neuen Führerschein, der erworben wird, die Probezeit wieder anlaufen sollte. Wir haben uns dann aber doch entschlossen, darauf zu verzichten, und eine einmalige Probezeit angenommen, denn ohne Zweifel wird der Führerschein-Neuling, selbst wenn es ein Motorradfahrer ist, durch die zwei Jahre an das Verkehrsgeschehen gewöhnt, so daß wir glauben, daß damit eine Sicherheit gegeben ist, daß Unfälle verhindert werden.
Zu einer weiteren Frage der Abgeordnete Jung.
Herr Bundesminister, der Führerschein auf Probe wird mit ziemlicher Sicherheit zu einer Minderung der Unfallhäufigkeit führen. Liegen Ihrem Hause Erkenntnisse vor, wonach auch eine zunehmende Verminderung der Sehfähigkeit von Kraftfahrzeugführern zu einem erhöhten Unfallrisiko führt, und ist vorgesehen, im Zuge dieser Gesetzesänderungen auch hier verschärfte Prüfungen vorzunehmen?
Wir haben das Problem der Sehfähigkeit wiederholt auch mit Ärzten diskutiert, weil es in der Tat ein ernstes Problem ist, vor allem wenn jemand nur noch auf einem Auge sieht oder wenn Sehschwierigkeiten mit der Dunkelheit eintreten. Wir konnten uns nicht entschließen, hier für die Zukunft eine generelle Prüfung einzuführen.
Zu einer weiteren Frage hat der Abgeordnete Schulte ({0}) das Wort.
Herr Minister, Ihre jetzt beschlossene Maßnahme hat ja den Sinn, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und gleichzeitig Verkehrsunfälle, insbesondere mit Verletzten und Todesopfern, zu verhindern. Gibt es seitens Ihres Ministeriums eine Abschätzung darüber, inwieweit die Zahl der Unfälle, die so ausgehen, reduziert werden kann, und haben Sie das zum zweiten in Relation gesetzt zu einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen und Landstraßen, die j a auch ein erheblicher Beitrag zur Verkehrssicherheit ist?
Das Thema Geschwindigkeitsbegrenzung haben wir in dem Punkte nicht besonders behandelt. Wir gehen davon aus, daß sich der junge Fahrer oder die junge Fahrerin - um die Gleichberechtigung herauszustellen - im Rahmen der Probezeit an die gegebenen Geschwindigkeiten hält, daß in den Ortschaften, soweit keine anderen Regelungen vorhanden sind, normal 50, auf den Staatsstraßen 100 und auf den Autobahnen mit der Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde gefahren wird. Das ist letzten Endes auch ein Bestandteil der Fahrausbildung.
Zum anderen möchte ich bemerken, es liegen Schätzungen vor, aber ich glaube, man sollte solche Zahlen nicht überbewerten. Wir rechnen selbstverständlich mit einem Erfolg der Maßnahmen, aber wir werden im Rahmen der Laufzeit feststellen können, ob das so gut ist, wie wir hoffen und glauben, oder nicht.
Zu einer weiteren Frage der Abgeordnete Eimer.
Herr Minister, als flankierende Maßnahme haben Sie von einer Veränderung der Ausbildung gesprochen. Bedeutet das eine Verlängerung der Ausbildung und eine Verteuerung des Führerscheins?
Wir haben eine Verlängerung der Ausbildungszeit für den Fahrlehrer um einen Monat vorgesehen. Wir wollen außerdem, daß derjenige, der zur Prüfung ansteht, sich pflichtgemäß - ich sagte es schon - auch am theoretischen Unterricht beteiligen muß und daß Unterrichtung durch Laien wegfällt.
Zu einer Frage der Abgeordnete Ströbele.
Herr Minister, was hat das Kabinett in der Sitzung zu dem Problem Südafrika, zu der Kündigung -
Herr Kollege, ich lasse die Frage nicht zu, da dies nicht Gegenstand des Vortrages war.
Das Wort hat der Abgeordnete Ibrügger.
Herr Bundesminister, Sie haben in der Antwort auf den Kollegen Kretkowski zum Ausdruck gebracht, daß Sie von einem Führerscheinbewerber aus der Mopetklasse, der dann die Pkw-Klasse erreichen will, nicht noch einmal den Ablauf einer Bewährungsfrist verlangen; so habe ich Sie da wohl richtig verstanden. Können wir das vielleicht an einem Fall darstellen?
Darf ich die Frage in dem Zusammenhang erweitern: Gilt dies auch für die Führerscheinbewerber, die in der Klasse III ihre Probezeit absolviert haben und dann auf den Lkw-Führerschein umsteigen wollen, auch für den Bereich des schweren Lastverkehrs? Denn offensichtlich gibt es doch bisher nicht ausreichend statistische Erkenntnisse über die Fahrfähigkeit beispielsweise der Mopedfahrer, die sich anders im Verkehr bewegen, als wenn sie einen vierrädrigen Untersatz mit erheblich höheren Geschwindigkeiten fahren. Könnten Sie vielleicht noch einmal auf diesen Punkt der Frage des Kollegen Kretkowski eingehen?
Herr Kollege, ich habe vorhin versucht, anzudeuten, daß wir uns darüber lange Gedanken gemacht haben. Ich bitte, eines einmal rechnerisch zu sehen: Beim ersten Führerschein, den der Bewerber macht, hat er zwei Jahre Probezeit. Dann kommt er in ein Alter hinein, wo er einen Führerschein einer anderen Klasse machen kann, dann hat er wieder zwei Jahre Probezeit; wenn er vom Pkw auf den Lkw geht, wieder zwei Jahre Probezeit. Der Mann kommt aus der Probezeit überhaupt nicht mehr raus. Deshalb sind wir der Meinung, daß die erste Probezeit genügen sollte. Aber es ist j a von mir deutlich gesagt worden, daß wir diese ganze Sache begleiten werden. Wenn sich herausstellen sollte, daß das nicht ausreicht - z. B. beim Übergang vom Pkw zum Lkw -, muß man die Schlußfolgerungen ziehen und ändern.
Zu einer weiteren Frage der Abgeordnete Bindig.
Die neue Regelung wird ja eine ganze Reihe von neuen Verwaltungsgängen auslösen. Können Sie mir sagen, wie viele Planstellen im öffentlichen Dienst dafür geschaffen werden müssen und bei welchen Trägern des öffentlichen Dienstes diese Stellen anfallen werden?
Die Frage nach neuen Planstellen bei neuen Gesetzen ist natürlich berechtigt. Wir sind aber der Überzeugung, daß hier keine große Bewegung eintreten wird, denn die Erfassung in Flensburg beim Kraftfahrtbundesamt ist ja relativ einfach. Eine große Chance, neue Kräfte einstellen zu müssen, ist nicht vorhanden.
Zu einer Frage der Abgeordnete Conradi.
Herr Minister, können Sie uns bitte darstellen, wie die Kabinettsentscheidung festgehalten worden ist, um sicherzustellen, daß die Minister der CSU ihr Stimmverhalten anschließend nicht anders interpretieren?
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Ich bedanke mich für die große Sorge, die Sie haben. Aber sie ist völlig unbegründet. Es war einhellig die Meinung, daß das so gemacht werden sollte. Ich sehe keine Schwierigkeiten für nachher. Ich bitte, daß uns die Opposition so tatkräftig unterstützt wie alle Koalitionspartner heute im Kabinett.
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Meine Damen und Herren, eigentlich wollte ich polemische Fragen nicht zulassen. Aber da sie humorvoll gemeint war, habe ich ausnahmsweise Barmherzigkeit walten lassen.
Zu einer Frage hat das Wort der Abgeordnete Haar.
Herr Minister, Sie haben die Frage meiner Kollegin Dr. Hartenstein ganz kurz und für uns überhaupt nicht verständlich beantwortet. Ich will sie noch einmal konkret wiederholen: In England und in Frankreich gibt es Regelungen für Fahranfänger, wonach sie bestimmte Höchstgeschwindigkeiten nicht überschreiten dürfen. Diese Regelungen in den beiden Nachbarländern haben sich gut bewährt, auch unter den Aspekten der Verkehrssicherheit. Warum denken Sie nicht daran, etwas Ähnliches unter gleichen Aspekten auch in der Bundesrepublik einzuführen?
Herr Kollege Haar, ich habe darauf hingewiesen, wie es mit den Geschwindigkeitsbegrenzungen der Bundesrepublik Deutschland steht. Ich gehe davon aus, daß sich auch die Anfänger beim Fahren daran halten. Sollten wir uns irren, kann man jederzeit darüber reden. Aber ich bitte, einmal zu überdenken, in welche Klassifizierung der Fahrzeuge wir eigentlich hineinkommen: Der Vater hat ein Auto, und es fährt meinetwegen einmal die Tochter. Dann muß plötzlich ein anderes Schild angebracht werden u. ä. Man muß an die Praktikabilität dieser Dinge denken.
Zu einer weiteren Frage der Abgeordnete Pauli.
Herr Minister, Sie wollen für Führerscheinneulinge beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg ein besonderes Register einrichten. Wenn jetzt ein Neuling einen Verkehrsverstoß begeht, wird er gegebenenfalls dort eingetragen. Wird er dann auch in das allgemeine Verkehrsregister eingetragen, und erfolgt damit eine Doppeleintragung?
Es ist keine Doppelbuchung in Flensburg, sondern nur eine vorgesehen.
Meine Damen und Herren, es sind noch eine Reihe von Fragen zu dem zweiten Komplex da. Da wir nur noch neun Minuten Zeit haben, schlage ich vor, daß wir auch zu diesem Komplex noch Fragen zulassen.
Zu einer Frage hat das Wort der Abgeordnete Meyer zu Bentrup.
Herr Minister, bei der letzten Änderung des Mineralölsteuergesetzes ist in der Anhörung von den Verbänden zur Frage der Spreizung immer wieder gesagt worden: Je stärker die Spreizung, um so größer ist der Mißbrauch und die Manipulation. Wie wollen Sie diese Manipulation oder den Mißbrauch jetzt ausschließen?
Daß bei einer solchen Differenz in der Spreizung natürlich die Gefahr vorhanden ist, daß man irgend etwas manipuliert, schließen wir nicht aus. Deshalb wird überlegt, in welchem Ausmaß es möglich sein wird, durch Färbung des Treibstoffs sicherzustellen, daß hier Unterschleife vermieden werden.
Zu einer Frage der Abgeordnete Sperling.
Herr Minister, meine Frage entbehrt sowohl der Polemik wie des Humors. Wie lange hat die Kabinettsitzung gedauert, und welche Zeitmenge beanspruchten die Tagesordnungspunkte, über die Sie Bericht erstatten?
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Also, ich bitte, mich nicht auf die Minute festzulegen. Aber 9.30 Uhr ist normaler Beginn der Kabinettsitzung, und im allgemeinen ist der Herr Bundeskanzler sehr pünktlich.
Zu einer Frage hat das Wort der Abgeordnete Schulhoff.
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Herr Präsident, verzeihen Sie. Ich war mit der Antwort noch nicht fertig.
Bitte sehr, Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.
Die Regierung hat da keine Geheimnisse, darum kann sie offen darüber sprechen. Wir haben diese beiden Punkte gehabt und haben sehr ausführlich darüber gesprochen. Die Kabinettsitzung war, ich glaube, so etwa um 11.30 Uhr zu Ende. Ich bitte, mich nicht genau festzulegen. Diese Beratungen haben wohl zwei Drittel der Zeit in Anspruch genommen.
Zu einer Frage der Abgeordnete Schulhoff.
Herr Minister, welchen Preisabstand zwischen verbleitem und unverblei11828
tem Kraftstoff erwartet die Bundesregierung als Folge der verstärkten Spreizung?
Wir erwarten eine Steigerung des Absatzes - ich darf das mal aus der Praxis sagen - der GfN, also der Autobahntankstellen. Wir haben 272 Autobahntankstellen. Bisher sind 140 umgestellt. Das ist eine sehr flotte Sache gewesen; das kostet Millionen. Die haben in den ersten Monaten pro Tankstelle und Tag 401 verkauft. Das sind Apothekermengen. Wenn Sie sich vor Augen halten, wie groß die Tankfüllung ist und daß das gleich bezahlt werden muß, und den Absatz vergleichen, wird klar, daß das so gering ist, daß sich das nicht rechnet. Deshalb müssen wir alles tun, damit der Verbrauch von bleifreiem Benzin gesteigert wird. Deshalb diese Maßnahmen, aber auch die Bitte an die Industrie, klarzumachen, welche älteren Fahrzeuge aus den letzten Jahren ohne Schädigung des Motors auch bleifrei gefahren werden können.
Zu einer Frage der Abgeordnete Duve.
Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß mit dieser sehr schwachen Maßnahme zur Erreichung der Spreizung die Bundesregierung nun alle Schritte aufgegeben hat, international, also in Europa, die Zustimmung für das Verbot des Verkaufs von bleihaltigem Normalbenzin einzuholen, auf das wir eigentlich nach meiner Meinung und nach Meinung vieler Sachverständiger zusteuern sollten?
Herr Kollege, wenn sich international Möglichkeiten ergeben, die Vereinheitlichung durchzuführen, wird die Bundesregierung selbstverständlich diese nicht nur unterstützen, sondern auch versuchen, diese wahrzunehmen.
Zu einer Frage der Abgeordnete Schroeder ({0}).
Herr Bundesminister, von welchem Marktanteil unverbleiten Benzins geht die Bundesregierung bei der Annahme der Aufkommensneutralität aus?
Diese Zahl habe ich leider nicht gegenwärtig. Ich werde sie Ihnen gern schriftlich mitteilen.
Zu einer Frage der Abgeordnete Mertens ({0}).
Herr Minister, können Sie dem Hause sagen, welche steuerlichen Mehreinnahmen sich aus der am 1. April 1985 in Kraft getretenen Spreizung der Mineralölsteuer ergeben, also Senkung für unverbleites Benzin um 2 Pf, Erhöhung für verbleites Benzin um 2 Pf?
Das dürfte im Augenblick bei etwa 380 Millionen DM liegen; aber es ist das Ziel der Bundesregierung, daß diese Sache
zu keinem Geschäft für den Fiskus führt. Im Endergebnis wird sich das wieder ausgleichen.
Zu einer Frage der Abgeordnete Milz.
Herr Minister, angesichts der richtigen Beschlüsse, die die Bundesregierung gefaßt hat, frage ich: Will sich die Bundesregierung gegenüber den Mineralölkonzernen auch dafür einsetzen, daß sichergestellt wird, daß auch in dünn besiedelten ländlichen Gebieten ein ausreichendes Angebot an bleifreiem Benzin vorgehalten wird?
Ich habe vorhin von der GfN gesprochen, wo wir es selbst entscheiden können; in bezug auf das übrige Tankstellennetz ist der Bundesminister für Wirtschaft zuständig. Auch hier werden alle Bemühungen unternommen, um ein flächendeckendes Netz zu erreichen.
Zu einer weiteren Frage Abgeordneter Volmer.
Herr Minister, darf ich die naive Frage stellen, mit welchen Themen sich das Kabinett sonst noch befaßt -
Herr Kollege, ich weise diese Frage zurück, weil sie nicht Gegenstand der Berichterstattung ist. Ich bitte die Fraktionen, sich an die gemeinsam beschlossenen Regeln zu halten.
({0}) Eine Frage des Abgeordneten Stutzer.
Herr Bundesminister, mit welchem Stoff soll das bleifreie Benzin gefärbt werden, und welche Farbe ist vorgesehen?
Darüber kann ich noch keine Auskunft erteilen, das ist eine Sache der Mineralölwirtschaft.
({0})
Zu einer weiteren Frage der Abgeordnete Lennartz.
Herr Minister, wieviel Prozent des Pkw-Bestandes können dauernd mit bleifreiem Benzin und wieviel Prozent können abwechselnd mit bleifreiem und bleihaltigem Benzin betankt werden?
Nach den Gesprächen, die ich mit der Automobilindustrie hatte, laufen hier weitere Untersuchungen. VW hat bereits eine Übersicht herausgegeben, welche alten Fahrzeuge bleifrei fahren können. Ich hoffe, daß die anderen Unternehmungen dem folgen. Im Augenblick ist ein Überblick hier noch nicht möglich.
Zu einer Frage die Frau Abgeordnete Hönes.
Herr Minister, können Sie uns folgendes verraten: Gab es heute morgen im Kabinett eine Diskussion über steuerliche ErleichFrau Hönes
terungen, die dem umweltfreundlichen öffentlichen Sektor zugute kommen können?
Wir haben nur über das gesprochen, was ich berichtet habe, eine weitere Spreizung der Mineralölsteuer.
({0})
Meine Damen und Herren, weitere Fragen liegen nicht vor. Die Zeit ist inzwischen auch abgelaufen.
Die Fraktionen haben nunmehr die Möglichkeit, zur Kabinettberichterstattung eine Erklärung von fünf Minuten abzugeben. Liegen Wortmeldungen vor? - Das Wort hat der Abgeordnete Senfft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß für die Fraktion der GRÜNEN sagen: Wir sind sehr überrascht; es war eine äußerst spannende Veranstaltung heute hier.
({0})
Es waren lauter Tatsachen, die wir schon aus der Zeitung erfahren konnten. Ich muß da auch die leicht unterdrückte Kritik von Frau Hamm-Brücher hier noch einmal aufgreifen und muß für unsere Fraktion sagen, daß die Form, wie wir das hier praktizieren, sicherlich nicht zu einer Belebung des Parlaments, sondern genau zum Gegenteil beiträgt.
Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zur Sache, und reden Sie hier nicht über das Verfahren!
({0}).
Das führt dazu, daß der Herr Minister noch einmal ausführlich Selbstdarstellung für die Bundesregierung betreiben konnte.
({0})
Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zur Sache!
({0})
- Herr Abgeordneter Sperling, ich rufe Sie zur Ordnung.
({1})
Ich komme jetzt zur Sache und muß feststellen, daß zu der Vorlage, die hier behandelt worden ist, von unserer Fraktion zu dieser Zeit, wo alles bekannt ist, kein weiterer Beratungs- bzw. Besprechungsbedarf besteht und daß wir ganz einfach diese Aktuelle Stunde, wie sie hier stattgefunden hat, diese Aussprache, diese Kabinettberichterstattung, die keine war, für eine Farce halten.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Straßmeir.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat heute zu zwei Feldern der Politik Erklärungen aus dem Kabinett und seinen Beschlüssen abgegeben. Das eine betrifft die Steuerpolitik, das andere das Straßenverkehrsgesetz, den Bereich der Verkehrssicherheit. Im Grunde genommen scheinen das zwei widerstrebende Materien zu sein, aber nur auf den ersten Blick. Sie machen sofort deutlich, was das Konzept der Bundesregierung ist, nämlich den Straßenverkehr, die fortschreitende moderne Technik unfallsicher und umweltverträglich zu machen. Eine gelungene und gute Gesamtkonzeption! Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, werden sie deshalb unterstützen und die notwendigen Initiativen im Parlament ergreifen.
({0})
Das Kernstück der Straßenverkehrssicherheitsmaßnahmen ist der Führerschein auf Probe. Ich glaube, Frau Kollegin Hamm-Brücher, der Bundesminister hat eingehend dargelegt, wie notwendig das ist. Unter den Teilnehmern am Straßenverkehr bis 25 Jahre sind fast 90 %. Fahranfänger. Diese 90 % haben allein 40 % Anteil am gesamten Unfallgeschehen in der Bundesrepublik Deutschland. Hier war Handlungsbedarf gegeben, und wir sind froh, daß wir, wie ich hoffe, Herr Kollege Daubertshäuser, gemeinsam hier übereinstimmend auf dem Weg zur Förderung der Verkehrssicherheit voranschreiten. Wir sind auch für die Begleitmaßnahmen dankbar.
Zum zweiten Punkt, zur Mineralölsteuerspreizung: Hier ist ein richtiger Weg eingeschlagen. Bisher ist das bleifreie Benzin 2 Pf teurer. Die Spreizung von 4 Pf war kein ausreichender Anreiz. Aber ich glaube, daß es jetzt möglich ist, diesen Absatz zu fördern, was wir alle wünschen sollten.
Aber ich mache ein Bedenken geltend. Wir werden, sofern es eine parlamentarische Beratung geben wird - und davon gehe ich aus -, durchaus noch fragen müssen, ob die zeitlichen Abstufungen, ihre Degressionen beibehalten werden müssen. Da gibt es möglicherweise noch Verbesserungsvorschläge.
Letzte Bemerkung: Ganz sicher ist, daß wir dringlich erwarten, daß die Mineralölwirtschaft diese Steuervorteile nun auch unverletzt und unversehrt an den Endverbraucher weitergibt.
({1})
Wir erwarten darüber hinaus zunehmend, daß mit dem größeren Umsatz an bleifreiem Benzin auch die Preisangleichung in der Weise geschieht, daß es nicht teurer ist als Normalbenzin.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Daubertshäuser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Straßmeir, Sie werden mir es nachsehen, wenn ich sage: Ich kann Ihnen nicht in der Beurteilung folgen, daß dies, was wir hier aus dem Kabinett gehört haben, eine gelungene Gesamtkonzeption gewesen sei.
({0})
Wenn man hier die steuerlichen Wirkungen in Zusammenhang mit den Unfällen des Individualverkehrs bringt, dann muß man wohl auch einen Blick auf die Zahlen werfen, die der Bundesminister Dr. Dollinger genannt hat, nämlich steuerliche Mehreinnahmen von 380 Millionen DM, die ja letztlich vom Bundesfinanzminister mit dem Umweltschutzgedanken dem Bürger aus der Tasche gezogen werden. Eine sinnvolle Gesamtverkehrskonzeption würde entstehen, wenn Sie dieses Geld nehmen und es in den ÖPNV geben oder der Deutschen Bundesbahn zur Verfügung stellen würden.
({1})
Dann könnten Sie von einer sinnvollen Gesamtkonzeption reden.
({2})
Herr Kollege Dr. Jobst, ich möchte zu dem Schwerpunkt dessen, was der Herr Bundesverkehrsminister hier vorgetragen hat, noch einige Gedanken äußern; denn ich glaube, in der Notwendigkeit der Reduzierung der Verkehrsunfälle sind wir uns in diesem Hause alle einig, soweit diese Einzelmaßnahmen sinnvoll in eine Gesamtkonzeption einzupassen sind. Man muß allerdings wissen, Herr Bundesverkehrsminister, daß Verkehrssicherheitsmaßnahmen schon einen unpopulären Charakter in sich tragen; sonst sind sie nicht wirkungsvoll. Ich hatte bei vielen Ihrer Antworten den Eindruck, daß Sie sehr stark das populistische Element hier berücksichtigt haben. Ich bin der Auffassung, daß diese populistischen Elemente für den Gedanken der Verkehrssicherheit schädlich sind. Sie haben doch eigentlich die schlimmsten Erfahrungen damit machen müssen, wenn ich an die Bußgeldbewährung denke. Auch hier haben Sie ja zwei Jahre zugewartet. Das, was Sie heute als große Erfolge feiern, hätten Sie eigentlich auch schon früher haben können.
Bei dem, was Sie hier vorgetragen haben, gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, die unsere Unterstützung finden: die bessere Qualifikation der Fahrlehrer, daß die Fahrschülerausbildung nur noch von qualifiziertem Personal durchgeführt werden kann, die obligatorische Teilnahme am Fahrschulunterricht und dergleichen mehr. Das sind Positionen, die wir voll mit Ihnen teilen, wo Sie unsere Unterstützung haben werden.
Das Kernstück, wie Sie es bezeichnet haben, nämlich die Einführung der Fahrerlaubnis auf Probe, ist allerdings für uns nicht unterstützenswert, weil gerade die vorausgegangenen Fragen und ihre Antworten bewiesen haben, daß Sie hier lediglich eine halbherzige Lösung versuchen, die außerdem noch mit einem sehr hohen Verwaltungsaufwand
verbunden ist und nur einen geringen Verkehrssicherheitsgewinn bringt; Herr Kollege Dr. Jobst, ich glaube, das kann man schon sagen. Es gibt - wenn Sie sich an das Anhörungsverfahren im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages erinnern - eine ganze Reihe von Sachverständigen bis hin zum Bundesrichter a. D. Dr. Spiegel, die sich für die zweistufige Ausbildung, nämlich für die sogenannte generalpräventive Lösung, entschieden haben, auch die Deutsche Verkehrswacht, auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat. Es soll eben nicht von Zufälligkeiten abhängen, ob sich jemand einer Nachschulung unterwerfen muß. Wir haben von Herrn Dr. Spiegel im Anhörungsverfahren gehört, daß er mit seiner Auffassung deckungsgleich mit der bayerischen Staatsregierung ist. Also Sie sehen, Herr Kollege Dr. Jobst, der Vorschlag, für den ich hier plädiere, wird auch von den wichtigsten Verkehrssicherheitsorganisationen - einschließlich der bayerischen Staatsregierung - so gesehen. Im Interesse der Verkehrssicherheit in unserem Lande wäre das auch der richtige Weg gewesen. Wir werten, Herr Minister, in diesem Punkt Ihre Lösung nicht als beispielgebend, auch weil sie wieder zusätzliche Planstellen im öffentlichen Dienst und zusätzlichen Verwaltungsaufwand erfordert und weil Sie letztlich den Zufall zum Wertmaßstab der Verkehrssicherheitsarbeit machen. Deshalb werden wir in den Ausschußberatungen dem heutigen Beschluß der Bundesregierung nicht Folge leisten können.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Hoffie.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir über das Ergebnis der Brüsseler Beschlüsse zu Abgasgrenzwerten im Frühjahr hier gesprochen haben, habe ich für die FDP erklärt, daß, nachdem wir bessere Werte dort nicht haben durchsetzen können, es nunmehr notwendig werden würde, flankierende Maßnahmen zu ergreifen, die wir in der eigenen Verantwortung bringen können. Damals haben wir gesagt, das Ideale wäre die Durchsetzung des Drei-Säulen-Modells, so wie es in der Schweiz und in Österreich praktiziert wird, nämlich des Verbots des Verkaufs von verbleitem Normalbenzin, um von vornherein eine Preisdifferenzierung von etwa 10 Pf zu bekommen zwischen dann als einzigem noch verbleitem Superbenzin und unverbleitem Sprit. Dann hätte man sich das, was heute im Kabinett zu beschließen war, sparen können; und man hätte einen noch größeren Effekt gehabt, hätte Milliarden nicht in die Umrüstung der Tankstellen stecken müssen, hätte von vornherein sichergestellt, daß es kein weiteres Tankstellensterben für diejenigen gibt, die gar keinen Platz an ihrer Tankstelle haben, um die vierte und fünfte Säule für unverbleiten Sprit in die Erde zu bringen. All das hätte man sich sparen können. Dieses DreiSäulen-Modell scheitert an dem Widerstand der Partner in Europa. Da muß man sich wirklich mal fragen, wieweit dort inzwischen die Unvernunft fortgeschritten ist.
Deshalb war notwendig - und wir hatten das damals angekündigt, wenn das nicht möglich ist -, eine über die 4-Pf-Regelung hinausgehende Spreizung zu bringen. Das ist heute so beschlossen worden, und das ist zu begrüßen; denn es kann ja wohl nicht richtig sein, daß wir die deutschen Autofahrer dazu aufrufen, abgasarme Fahrzeuge zu kaufen und ihre Fahrzeuge, wenn es geht, auf abgasarme Techniken umzurüsten, und dann nicht zu entsprechenden Preisen, quasi auch als Bonus für die Leistung zu mehr Umweltschutz, ein billigeres Angebot zu machen. Durch das, was heute beschlossen wird, nämlich dann eine 7-Pf-Spreizung, muß sichergestellt werden, daß dann ab 1. Januar tatsächlich bleifreier Sprit als billigstes Spritangebot an allen deutschen Tankstellen wäre. Wenn das nicht erreicht wird, dann allerdings muß sich der deutsche Bürger, müssen wir uns alle direkt gegen die Mineralölindustrie wenden; denn von dieser allein hängt ab, ob dieser Steuervorteil wirklich weitergegeben wird.
Wer eine darüber hinausgehende Spreizung haben wollte, muß allerdings auch zur Kenntnis nehmen, daß in der Regel alle Fahrzeuge, die nicht älter als vier oder fünf Jahre sind, mit unverbleitem Sprit gefahren werden können, ohne daß die Halter einen wirklichen Beitrag zu mehr Umweltschutz leisten, indem sie ihr Fahrzeug umrüsten oder sogar auf Katalysatortechnik umstellen. Das heißt, je stärker wir hier das bleifreie Benzin subventionieren, um so geringer ist der Anreiz für denjenigen, der ein Altfahrzeug fährt, das nicht älter als fünf Jahre ist, sich ein Auto mit der modernsten Technik zu kaufen. Da wandeln wir natürlich auf einem schmalen Grat. Den Bleigehalt herauszubekommen ist zwar auch ein Umweltschutzwert an sich, aber nicht das eigentliche Ziel, nämlich die Abgasgrenzwerte deutlich zu verringern. Deswegen sollten wir hinsichtlich der Erwartungen bezüglich der Auswirkungen der Regelung, die wir heute hier zur Kenntnis nehmen, vorsichtig sein. Diese Regelung ist zu begrüßen; aber vor falschen und zu hohen Erwartungen muß man warnen.
Deswegen will ich die Bundesregierung noch einmal nachdrücklich auffordern, an der Konzeption des Drei-Säulen-Modells festzuhalten, hinsichtlich dessen wir bisher offensichtlich nur die Unterstützung der Niederlande haben, die ebenfalls andere Wege gehen müssen, wenn der Rest in Europa nicht mitzieht.
Zum zweiten Teil: Führerschein auf Probe. Das ist in der Tat ein Kernstück unseres Verkehrssicherheitsprogramms, mit dem wir das fortschreiben, was zuletzt 1973 konzeptionell insgesamt vorgelegt wurde. Da wird es bei den Ausschußberatungen ein paar Fragen geben. Wir werden in der Tat fragen müssen, Herr Bundesverkehrsminister, ob derjenige, der einen Führerschein für Leichtkraftfahrzeuge hat, ohne weitere Probezeit jedes beliebige Auto fahren darf. Das kann nämlich nicht im Sinne des Erfinders sein. Wir werden auch überlegen müssen, ob diese Regelung tatsächlich schon auf voller Breite für den Fall ausreicht, daß jemand auf andere Typen wie z. B. die schweren Lastkraftwagen umsteigen will. Wichtig ist, daß wir nach der
Bußgeldbewehrung für die Gurtanlegepflicht hier den entscheidenden nächsten Schritt gegangen sind, um das verkehrspolitische Ziel unserer Sicherheitskonzeption zu erreichen, nämlich bis etwa Ende der 80er Jahre die Zahl der Toten und Verletzten auf den Straßen zu halbieren.
Im übrigen, Herr Präsident, auch wenn ich jetzt vielleicht in die Gefahr gerate, sofort kritisiert zu werden: Diese neue Frageform wird sicher nur dann ein wirklicher Erfolg werden können, wenn das hier nicht in die Form von Ausschußberatungen abgleitet, sondern wir uns mit den aktuellen, wichtigen Themen aus Kabinettsberatungen beschäftigen.
Herzlichen Dank.
({0})
Meine Damen und Herren, die Kabinettberichterstattung ist beendet.
Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf: Aktuelle Stunde
Ausverkauf von Sozialmietwohnungen durch
gemeinnützige Wohnungsunternehmen
Die Fraktion der FDP hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem genannten Thema verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die FDP-Bundestagsfraktion, aber wohl auch die deutsche Öffentlichkeit sind verblüfft und besorgt. Es hagelt Meldungen über den Ausverkauf von Sozialmietwohnungen durch gemeinnützige Wohnungsunternehmen. Die Tatsache, daß wir diese Aktuelle Stunde für richtig halten, wird durch nichts stärker belegt als durch die Meldung, die soeben eingegangen ist, daß der Chef der gewerkschaftseigenen Neuen Heimat uns schon kritisiert, bevor hier ein Satz gesagt worden ist. Ich sage Herrn Hoffmann: wir entscheiden, ob es Aktuelle Stunden gibt, und nicht die Neue Heimat.
({0})
Im Klartext, meine Damen und Herren: Das gemeinwirtschaftliche Unternehmen Neue Heimat, ausgestattet mit dem steuerlichen Vorteil der Gemeinnützigkeit, verkauft in rabiater Weise über 20 000 Wohnungen, versetzt Mieter in Angst und Sorge um ihre Bleibe und saniert die Finanzen ihrer DGB-Aktionäre, indem es den Wohnungsmarkt belastet, damit weitere Wohnungsbauaktivitäten lähmt und Arbeitsplätze von Bauarbeitern gefährdet.
({1})
({2})
In Waiblingen, in Ludwigsburg, in München, vor allem aber in den SPD-regierten Stadtstaaten Hamburg und Bremen herrscht helle Aufregung. Wie immer fehlt es nicht an Haltet-den-Dieb-Parolen.
Da zieht der sozialdemokratische Bremer Bürgermeister gegen die Neue Heimat zu Felde. Herr von Dohnanyi in Hamburg kritisiert. Und selbst die IG Druck und Zensur - ist sie nicht Aktionär der Neuen Heimat? - schimpft laut.
({3})
Gerade die sozialdemokratisch regierten Stadtstaaten haben doch diese Wohnungswirtschaft entstehen lassen.
({4})
Wie ist das eigentlich mit den Aktionären? Wie ist das mit der Aufsichtsratskontrolle? Wo waren denn die mitbestimmungserfahrenen Aufsichtsratsvorsitzenden Breit und Vetter,
({5})
als die Neue Heimat ihre Mieter bei Heizkostenabrechnungen übers Ohr gehauen hat, als Arbeitergroschen in Luxushotels in Monaco und in Wohnanlagen in Venezuela investiert wurden?
({6})
Die Verantwortlichen sind heute weg. Ehemalige Vorstände spielen im besten Stil gemeinwirtschaftlicher Ruheständler jetzt Golf im Tessin.
({7})
Jetzt bleibt dem neuen Vorstand, der den Schaden nicht angerichtet hat - das will ich Herrn Hofmann ausdrücklich bestätigen; er hat diesen Schaden nicht angerichtet -,
({8})
nichts anderes übrig, als auf Kosten der Mieter, auf Kosten ihrer Wohnrechte zu sanieren. Und der DGB-Vorsitzende segnet das ab. Wie wäre es denn, Herr Breit, wenn die Aktionäre der Neuen Heimat für die Folgen ihrer Mißwirtschaft einträten?
({9})
Aber dann ginge es j a wieder an die Kasse des DGB.
({10})
Ich verstehe, daß der DGB die Bundesanstalt für Arbeit als Streikkasse behalten muß.
({11})
Dieser DGB will im Oktober gegen „Sozialabbau" demonstrieren.
({12})
Und das alles, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, Herr Vogel, vor dem Hintergrund dessen,
({13})
was Sie im letzten Bundestagswahlkampf der Öffentlichkeit geboten haben: Schauergemälde von
ausgebeuteten Mietern. Inflationäre Mietpreissteigerungen, haben Sie, Herr Vogel, uns vorgehalten.
({14})
Herr Jahn am 29. November 1982: Staatlich privilegierter Mißbrauch wirtschaftlicher Macht! Herr Jahn Anfang 1983: Gigantische Spekulationswelle!
({15})
Die Sozialdemokraten: Verkauf von Wohnungen unsozial! Und schließlich Ihr Flugblatt: Wer Kohl wählt, der wählt Privatisierung von Bundeswohnungen! Spekulationen über Verteuerung! Der soziale Friede gerät in Gefahr! Deutschland darf nicht nach rechts kippen! So heißt es auf dem Flugblatt. Was Sie machen? Sie kippen die Mieter der Sozialwohnungen weg.
({16})
Wohlgemerkt: Die FDP ist immer dafür gewesen, aus Mietern Eigentümer zu machen, aber doch nicht so: Über alle Köpfe weg wird hier verkauft, zum Teil ohne die Mieter überhaupt zu fragen.
Schließlich die Frage an Radio Eriwan: Gibt es einen Unterschied zwischen der gemeinwirtschaftlichen Politik der Neuen Heimat und dem Verhalten eines sogenannten spätkapitalistischen Wohnungshais? Antwort: Im Prinzip nein; aber die Neue Heimat ist größer, sie ist rücksichtsloser, und sie erfreut sich für diese schlimme Politik der Unterstützung der Sozialdemokraten.
({17})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Walthemathe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es entbehrt j a nicht ganz der Pikanterie, daß ausgerechnet die FDP diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Ich will mal vorweg sagen, Herr Graf Lambsdorff: Was ist der Unterschied? Ich will die Neue Heimat überhaupt nicht verteidigen, was Sie gleich merken werden.
({0})
Aber die, die dort den Schaden angerichtet haben, sind weg. Bei dieser Bundesregierung und bei Ihnen befreundeten Organisationen ist das nicht der Fall.
({1})
Das man nun Chancen ergreift, auch als FDP von der eigenen Politik abzulenken, kann ich ja noch verstehen. Aber gerade die FDP hat schon zu Zeiten der sozialliberalen Regierung mit Graf Lambsdorff als Wirtschaftsminister immer wieder versucht, die Wohnungspolitik so zu gestalten, daß Wohnungen ohne Rücksicht auf Mieter und Bewohner als beliebige Ware angesehen werden sollten.
({2})
Und jetzt versuchen Sie, angesichts der Misere um die Neue Heimat einen Generalangriff gegen die gesamte gemeinnützige Wohnungswirtschaft
mit ihren über 1 800 Unternehmen und Genossenschaften zu führen. Das war deutlich zu hören.
({3})
Kein Wort über Mieterschutz, über Sozialstaat, über soziale Verpflichtung des Eigentums und der Eigentümer!
({4})
Wo stünden die Mieter denn eigentlich, wenn wir die Gesetze verabschiedet hätten, die Sie von der FDP schon Ende der 70er Jahre vorgeschlagen haben? Dann gäbe es keine Sozialwohnungen mehr. Dann gäbe es keinen Mieterschutz mehr. Dann gäbe es keinen Preisschutz für Mieter mehr.
({5})
Sie sind nicht die Anwälte der wirklich Betroffenen, sondern Sie versuchen jetzt, Ihr Süppchen auf dem Feuer zu kochen, das von der Konkursabwendungspolitik der Neuen Heimat entfacht worden ist.
({6})
Wir Sozialdemokraten bedauern zutiefst, daß durch Mißmanagement und durch falsche Wachstumsgläubigkeit ein Konzern ins Trudeln geraten ist,
({7})
der ursprünglich wesentlich zum Aufbau unserer Republik beigetragen hat. Wir sind bestürzt über die angebliche oder tatsächliche Notwendigkeit eines Unternehmens, große intakte Teile seines Wohnungsbestandes jetzt an sogenannte Anleger zu verkaufen. Es handelt sich um Wohnungsbestände, die ja schließlich deshalb öffentlich gefördert worden sind, damit auch Durchschnittsverdienern und sozial Schwächeren Wohnraum zu angemessenen und gesicherten Bedingungen dauerhaft zur Verfügung gestellt werden kann.
({8})
Nun hätte ein Konkurs der Neuen Heimat zweifellos noch tiefergreifende Wirkungen, weil dann niemand sagen könnte, wer die Wohnungen ersteigern würde und was im Anschluß damit geschieht. Aber die Art der Verkäufe durch den NH-Konzern ruft unsere Empörung hervor.
({9})
Es ist unverantwortlich, auf Angebote von Städten nicht einzugehen, wenn schon verkauft werden muß. Ich denke an kommunale oder staatliche Träger der Wohnungspolitik.
Als Bremer mache ich überhaupt kein Hehl aus meiner tiefen Enttäuschung, daß ein entsprechendes Angebot der Stadt Bremen über 8 115 Wohnungen in der vergangenen Woche ausgeschlagen wurde.
({10})
Die Fehler früherer Manager und auch der Aufsichtsgremien sollen nicht unter den Teppich gekehrt werden.
({11})
- Darf man hier eigentlich noch reden, oder was ist das hier für ein Parlament?
({12})
Wir Sozialdemokraten fühlen uns den eigentlich Betroffenen - das sind die Bewohner der Siedlungen - verbunden und verantwortlich. Wir werden es deshalb nicht zulassen, daß die Misere eines angeschlagenen Konzerns auf dem Rücken der kleinen Leute, der ehrlichen Steuerzahler und der vertragstreuen Mieter ausgetragen wird.
({13})
Nicht umsonst haben wir stets für eine Stärkung und Beibehaltung der Rechte der Mieter gekämpft. Wir werden die Mieter auch jetzt unterstützen, ihre Rechte zu kennen und wahrzunehmen.
Die Mietenerhöhungspolitik dieser Bundesregierung, die den kleinen Leuten im Verhältnis zu ihrem Einkommen immer mehr Wohnkaufkraft aus den Taschen zieht, trifft auf unseren Widerstand. Aber wir ziehen aus den Geschehnissen um die Neue Heimat den umgekehrten Schluß: Die Wohnungsgemeinnützigkeit und die Hinführung zu einer Stärkung des solidarischen Genossenschaftsgedankens sind das Gebot der Stunde und nicht die weitere sogenannte Liberalisierung des Wohnungsbestandes zugunsten der Eigentümer und der Spekulanten.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Kansy.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Laut waren Sie ja, Herr Waltemathe, aber dafür haben wir sicherlich Verständnis. Sie bedauern, Sie sind angeblich bestürzt, Sie vernebeln, Sie rufen auf zum Demonstrieren, zusammen mit den Herren aus den Chefetagen gerade der gemeinnützigen Einrichtungen, von der wir heute reden. Sie verteilen Musterreden mit Sprüchen wie: Solidarität ist unsere Stärke - DGB
({0})
oder: Arbeitnehmer werden zu „Ex und hopp"-Wegwerfware usw.
Meine Damen und Herren, Arbeitnehmer haben tatsächlich Grund zum Demonstrieren, denn diese famose Wohnungsbaugesellschaft verkauft in einer Blitzaktion 22 000 Wohnungen, in denen überwiegend Gewerkschafter wohnen, und kündigt den Verkauf von 60 000 Wohnungen an. Aber natürlich wird dagegen nicht demonstriert, denn diese Wohnungsbaugesellschaft gehört im besten Filz Gewerkschaft und Genossen selber. An der Gewerkschafts- und Parteibasis allerdings - ich kann nachfühlen, Herr Waltemathe, warum Sie laut wer11834
den - breitet sich Entsetzen aus. Die Musterrede gegen die Bundesregierung, die sie noch verteilen, wird schal, wenn man Worte wie Umverteilung, „ex und hopp" und Solidarität an der Basis hört.
So schrieben denn die Bremer Sozialdemokraten an die Herren Brandt und Vogel - ich zitiere -:
Die Kette Neue Heimat, DGB, nah an der SPD, ist politisch nicht aus der Welt zu schaffen.
Recht haben Ihre Bremer Genossen, Herr Waltemathe. Hier in Bonn fordern Sie den Neubau von Sozialwohnungen, aber draußen im Lande verhökern Sie Zehntausende davon an eine Immobiliengesellschaft, die eine kürzlich gegründete Tochter des DGB ist.
({1})
Mittels dieser Ihrer roten Geldwaschanlage werden Sozialwohnungen, die zunächst der mieterschützenden Bindung nach dem Gemeinnützigkeitsrecht unterliegen, erst einmal aus der Gemeinnützigkeit herausgenommen.
({2})
Was diese famose Gesellschaft mit dem „umwerfenden" Stammkapital von 100 000 DM bei 22 000 Wohnungen machen wird, malt sich ein sozialdemokratischer Oberbürgermeister so aus - ich zitiere -:
Es bedarf keiner Phantasie, daß diese Wohnungen anschließend zu weitaus höheren Preisen weiterverkauft werden und damit eine Praxis vollzogen wird, die sonst nur von Spekulanten ausgeübt wird.
({3})
Das soll übrigens der Nachfolger von Herrn Dr. Vogel in einer bekannten deutschen Großstadt gesagt haben.
Während Sie hier in Bonn einschließlich Ihres sozialdemokratischen Mieterbundpräsidenten Ihre Horrorgeschichten weitererzählen, spekulieren Sie draußen selbst. Während Sie hier Bürger verteufeln, die sich aus dem Bestand eine Wohnung zur Alterssicherung kaufen, machen Sie eben dies draußen gleich zehntausendfach. Während Sie hier der Bundesregierung vorwerfen, sie behandle Arbeitnehmer wie eine „Ex und hopp"-Wegwerfware, verscherbeln Sie die Wohnungen draußen zum Billigtarif. Während Sie in Bonn angebliche Umverteilung beklagen, verteilen Sie draußen selbst kräftig um.
Zu allem Überfluß - Herr Waltemathe, da hatten Sie vorhin mit dem, was Sie sagten, unrecht - bringen Sie und nicht wir die ganze gemeinnützige Wohnungswirtschaft in eine ganz fragwürdige Situation,
({4})
aber nicht nur die gemeinnützige Wohnungswirtschaft, sondern auch Tausende von Arbeitnehmern in der Neuen Heimat selbst, die einmal dort arbeiten wollten, um Hoffnungsträger für Menschen zu sein, die sich im Lande billige und preiswerte Wohnungen bauen wollten.
({5})
- Es sollte demonstriert werden. Ja, demonstrieren Sie ruhig gemeinsam mit Ihren Funktionären im Deutschen Gewerkschaftsbund, aber gegen Doppelzüngigkeit, gegen Mißwirtschaft und gegen mangelnde Solidarität.
({6})
Die Adressaten dieser Demonstration sitzen in den Chefetagen der Unternehmen des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Die Musterrede, die Sie gerade verteilen, muß wohl dieses Mal ein anderer schreiben.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Werner ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Vorbemerkung: Es ist doch seltsam, daß wir hier schon zum zweitenmal erleben, wie die Regierungskoalition eine Aktuelle Stunde beantragt mit der Absicht, die Opposition anzuschießen.
({0})
Die Vermutung drängt sich auf, daß man sich auf dieser Seite des Hauses bereits in die Oppositionsrolle einzuüben beginnt.
({1})
Mein Dank geht zunächst einmal an die FDP, weil sie uns heute die Gelegenheit gibt, erneut über die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus zu diskutieren.
({2})
Das Schauspiel, das hier geboten wird, trägt offenbar den Titel „Herr Biedermann und die Brandstifter".
({3})
Es ist doch die altbekannte Gebetsmühle der Regierung, immer wieder auf die Marktwirtschaft im Wohnungsbereich zu pochen. Jetzt macht die Neue Heimat endlich einmal ernst mit der Marktwirtschaft,
({4})
und was passiert: Großes Geschrei von den Gralshütern der Marktwirtschaft!
Tatsache ist doch, daß die Regierung seit mehreren Jahren systematisch den sozialen Wohnungsbau zerstört: Keine Förderung von Sozialmietwohnungen, viele Erleichterungen, um aus der Sozialbindung herauszukommen - um nur einige Beispiele zu nennen.
({5})
Die Neue Heimat praktiziert doch genau die Art von Marktwirtschaft, die CDU und FDP die ganzen Jahre hindurch propagiert haben. Genau hier liegt der mieter- und sozialfeindliche Kern der sogenannten sozialen Marktwirtschaft.
({6})
Werner ({7})
Ihre sonstigen Bekenntnisse zur Sozialpolitik bleiben da reine Makulatur.
({8})
Wenn Sie jetzt die große Empörung vortäuschen, so nehmen Sie doch in Wahrheit doch nur dankbar die Geschäftspraktiken der Neuen Heimat zum Anlaß, die gemeinnützige Wohnungswirtschaft zu zerschlagen.
Hier steckt die geheime Kumpanei zwischen Ihnen, den Totengräbern des Sozialen Wohnungsbaus, und der Neuen Heimat, die sich unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit wie ein ganz normaler Wohnungskapitalist verhält.
Es würde an dieser Stelle den Rahmen meiner Rede sprengen, hier ins Detail zu gehen.
({9})
Es gibt Beispiele dafür, daß der Verkauf von Sozialmietwohnungen durch die Neue Heimat an solche Firmen erfolgt, die gerade über 50 000 DM Eigenkapital verfügen. Solchen Firmen werden Millionenobjekte anvertraut. Dabei bleiben natürlich Sachen wie frühere Instandhaltungsverpflichtungen usw. auf der Strecke.
Angesichts dieser Geschäftspraktiken fällt es schwer, die Grundidee der Gemeinnützigkeit weiter hochzuhalten. Diese Grundidee liegt nach unserem Verständnis gerade in der Zurückdrängung des Profits im Wohnungsbereich als Gegengewicht zur Marktwirtschaft.
Deshalb ziehen wir aus den Geschäftspraktiken der Neuen Heimat nicht den Schluß, die Wohnungsgemeinnützigkeit zu zerschlagen, sondern wir fordern vielmehr eine grundlegende Reform der Gemeinnützigkeit.
Wichtigster Punkt dabei sind die Entflechtung von Großkonzernen und die Stärkung von Mieterrechten.
({10})
Alle öffentlich geförderten Wohnungen sind aus unserer Sicht ein gesellschaftliches Sondervermögen, das nicht vermarktet werden darf.
Wir fordern daher die Gründung einer Auffanggesellschaft, die den Wohnungsbestand der Neuen Heimat in eine Stiftung überführt. Nur eine Stiftung kann dauerhaft die Sozialbindung der Wohnungen sichern. Nur so wird verhindert, daß die bisherigen Mieter der Neuen Heimat zum Kauf ihrer Wohnungen genötigt und damit in zum Teil riskante Finanzmanöver gedrängt werden. Das Beispiel der Fuggerei in Augsburg zeigt, wie über Jahrhunderte hinweg Wohnraum mit der Form einer Stiftung gesichert werden kann.
({11})
Zum Schluß möchte ich es sehr begrüßen, daß sich zur Zeit eine bundesweite „Schutzgemeinschaft der Neue-Heimat-Geschädigten" gründet. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, ein Gegengewicht gegen die Praktiken der Neuen Heimat zu setzen, zumal
sich die Mietervereinigungen teils sehr zurückhalten.
Noch einmal: Ziel unserer grünen Politik ist, daß im Wohnungsbau der Grundsatz gilt: einmal öffentlich gefördert - dauerhaft sozialgebunden.
({12})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorab: der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Jahn ({0}) legt Wert auf die Feststellung, daß mein Freund Graf Lambsdorff in seinem Beitrag eben den Kollegen Jahn ({1}) gemeint hat.
({2})
Meine Damen und Herren, ich will die schizophrene Gemeinwohlinterpretation der Neuen Heimat, die dann wohl auch die der Gesellschaftergewerkschaften ist - denn sie haben j a zugestimmt -, hier nicht weiter geißeln. Das haben Kollegen vor mir getan.
Ich will auch jene Stadtväter - z. B. jene in Böblingen - nicht töricht nennen, daß sie weiland der Neuen Heimat ihren Baugrund zu einem Spottpreis überließen. Sie waren guten Willens, und das, was jetzt geschah, lag jenseits ihrer Vorstellungskraft.
Ich will auch die Väter der Wohnungsgemeinnützigkeit nicht tadeln; denn das von ihnen verliehene Steuerprivileg war in ihrer Zeit gerechtfertigt. Ja, ich will uns selbst, meine Damen und Herren, nur milde tadeln, daß wir untätig blieben, als die Subventionsrechtfertigungen Stück für Stück obsolet wurden und wirtschaftliche Riesen wie die NH wuchsen; denn, meine Damen und Herren, Heroenmut wider den Zeitgeist ist der Wiederwahl bedürftigen Politikern und politischen Parteien selten gegeben.
Ich kann sicher auch unsere Großväter und Väter nicht dafür kritisieren, daß sie den sozialen Wohnungsbau erfunden haben; denn ihre Idee war im kriegszerstörten Land mit riesiger Wohnungsnot und Kapitalarmut gut, richtig und wirkungsvoll.
Ich muß schließlich auch Verständnis für Herrn Kronawitter und die Mehrheit des Münchener Stadtrats aufbringen, daß sie die Stadtkasse um 165 Millionen DM fledderten, um mehr als zweitausend Mietern und ihren Familien Schlimmes zu ersparen. Warum dann allerdings noch 9 Millionen DM Maklercourtage und 15 Millionen DM Entschädigung - was ist das? ({3})
an die BGI gezahlt werden mußten, das zeigt nur die unverschämte Art und Weise, wie man hier Sanierung betreibt, meine Damen und Herren!
({4})
Nein, meine Damen und Herren, ich will Ihnen nur den ökonomischen Aberwitz solchen interventionistischen staatlichen Handelns demonstrieren. Ich möchte jene wachrütteln, denen bei solcher staatlicher finanzieller Mißwirtschaft immer noch nichts Besseres einfällt, als um den Verlust preiswerten Wohnraums zu jammern; denn, meine Damen und Herren, dieser „preiswerte Wohnraum" ist so teuer, daß man davon Paläste hätte bauen können:
Subvention 1: Ein Teil der Grundstückskosten wurde von der Allgemeinheit gezahlt.
Subvention 2: Ober Jahrzehnte hat die Allgemeinheit auf jeden Pfennig Steuern vom bauenden und verwaltenden Unternehmen verzichtet, obwohl die Mieter Kostenmieten einschließlich Verwaltungspauschale, Instandhaltungspauschale und Eigenkapitalverzinsung gezahlt haben.
Subvention 3: Einen wesentlichen Teil der Herstellungskosten hat die Allgemeinheit gezahlt, zum Teil mehr als 100 000 DM pro Stück.
Subvention 4 - und hier wird es nun wirklich aberwitzig -: Der Steuerzahler kauft diese Wohnung zu einem Preis, der erheblich über den Herstellungskosten liegt.
({5})
Oder, falls die BGI oder eine andere Grundstücksverwertungsgesellschaft die Wohnungen Kapitalanlegern andrehen kann, Subvention 5: Während der gesetzlichen oder vertraglichen Schonfrist für die Mieter beteiligen sich die Steuerzahler acht bis zehn Jahre lang mit rund 50 % an den Verlusten der Kapitalanleger.
Subvention 6: Nach der dann fälligen happigen Mieterhöhung zahlen wir treu und brav Wohngeld.
Voilà, meine Damen und Herren, das ist ökonomisches Verhalten à la Staatsinterventionismus!
({6}) So werden Steuergelder verschleudert,
({7})
und das alles, meine Damen und Herren, für Wohnungen, bei denen ich gelegentlich den Eindruck habe, daß sie nicht einmal den Kriterien einer angemessenen menschenwürdigen Behausung entsprechen.
({8})
Mein Resümee ist ein Appell an Bundesregierung und dieses Haus - vielleicht bleibt er ohne Ergebnis -: Der Staat, Bund und Länder, und auch die Gemeinden haben als Financier im Wohnungsmarkt nichts zu suchen. Was wir brauchen, ist ein gutes Mieterschutzgesetz und ist ein gutes Wohngeldgesetz, sonst nichts, absolut nichts!
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Conradi.
Beim Stichwort „Neue Heimat" gehen die Emotionen hoch, meine Damen und Herren, und manch einer versucht da - wenn es sein muß, Graf Lambsdorff, auf Stammtischniveau -, sein Mütchen an den deutschen Gewerkschaften zu kühlen.
({0})
Die Fairneß gebietet es, trotz der Kritik in den vergangenen Jahren hier festzuhalten, daß die Neue Heimat mit vielen qualifizierten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Wohnungsbau und Städtebau dieser Republik gute und große Leistungen vollbracht hat.
({1})
Wer die NH kritisiert - Anlaß dazu gibt es genug -, sollte es sich nicht zu leicht machen. Uns fällt es schwer, und wir sind betroffen, daß hier gegen die Moral der deutschen Arbeiterbewegung auf eine Art und Weise verstoßen worden ist, die viele Mitglieder der Gewerkschaften und uns empört und verletzt.
({2})
Wir meinen, das unternehmerische Fehlverhalten, das sich hier zeigt, sollte den Gewerkschaften Anlaß geben, die Führungsstruktur ihrer Unternehmen zu überdenken und zu ändern.
({3})
- Wenn Sie noch lange dazwischenrufen, können wir hier gern einmal auspacken und sagen, wer auch alles dabei war, z. B. Lothar Späth, der jahrelang für dieses Unternehmen gearbeitet hat; lassen Sie sich einmal darüber informieren, welche Verluste aus den Grundstückskäufen entstanden sind, die in Baden-Württemberg damals von Lothar Späth für die NH getätigt wurden.
({4})
Man muß auch daran erinnern, daß die Dach- und Prüfverbände der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft jahrelang geschlafen haben. Wie konnten sie es zulassen, daß die Wohnungsgemeinnützigkeit so in Verruf kam?
Und es ist daran zu erinnern, daß Kommunalpolitiker, und zwar schwarze wie rote, in ihrer Wachstumseuphorie die Neue Heimat zu Grundstückskäufen animiert haben, die sich später als Fehlinvestitionen erwiesen haben.
({5})
Schließlich haben wir als Gesetzgeber es jahrelang versäumt, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz von 1940 endlich so zu verändern, daß die gemeinnützigen Unternehmen und ihre Wohnungen wirklich der Gemeinschaft nützen. Statt hier selbstgerecht auf der Neuen Heimat herumzuhacken, sollten wir uns selbstkritisch fragen, was wir als Gesetzgeber tun können, um die WohnungsgemeinConradi
nützigkeit wieder zu einem sozialen Eckpfeiler unseres Wohnungswesens zu machen.
({6})
Zum anderen: Was können wir tun, um den Mietern zu helfen, deren Wohnungen verkauft werden müssen, wenn die Neue Heimat den Konkurs vermeiden will?
Die Koalition will die Wohnungsgemeinnützigkeit ganz offensichtlich zerschlagen.
({7})
Sie will, daß im Wohnungsbau alleine der Markt regiert. Für Soziales ist bei Ihnen kein Platz mehr.
({8})
Wir wollen die Wohnungsgemeinnützigkeit erhalten und stärken. Wir wollen die mit Steuergeldern gebauten Wohnungen nicht Spekulanten ausliefern wie Sie, sondern wir wollen sie für die Menschen erhalten, für die sie gebaut worden sind.
({9})
Sie wollen die Abschaffung, wir wollen die Reform der Wohnungsgemeinnützigkeit.
({10})
Wir bitten die Länder, wir bitten die Gemeinden, wir bitten aber auch die gemeinnützige Wohnungswirtschaft, mit uns nach Wegen zu suchen, wie wir den Ausverkauf der Wohnungen der Neuen Heimat an die Spekulation verhindern können. Dazu gibt es vernünftige Modelle in Nordrhein-Westfalen, in Hessen und in München. Wir meinen, daß es beispielsweise ein fairer Weg sein könnte, diese Wohnungen in Bewohnergenossenschaften zu überführen, weil Genossenschaften dem einzelnen mehr Möglichkeiten zur Verantwortung und zur Selbsthilfe geben als große professionalisierte, zentralisierte und anonymisierte Wohnungsunternehmen.
Wir bitten die Gewerkschaften, ihre soziale Verpflichtung, ihre Glaubwürdigkeit hier nicht leicht zu nehmen, sondern auf die Führung der Neuen Heimat einzuwirken, daß wir diesen Weg gemeinsam begehen. Wenn wir im Aufbau von Bewohnergenossenschaften ein Stück vorankämen, dann könnte die Krise der Neuen Heimat ein erster Schritt zur Gesundung der Wohnungsgemeinnützigkeit sein.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Metz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 17. September 1985 hat die Neue Heimat Bremen an eine BG-Immobiliengesellschaft mbH in Frankfurt am Main 8 082 Wohneinheiten verkauft. In dem schon erwähnten Brief der Bremer SPD-Führung heißt es dazu:
Es handelt sich allesamt um intakte Wohngebiete des sozialen Wohnungsbaus und um sozialdemokratische Hochburgen.
Man merkt schon, wo die tiefe Sorge der Sozialdemokraten ihre Wurzeln hat.
({0})
Diese Wohnungen sind nach Schätzungen des Bremer Bausenators Meyer zu einem Quadratmeterpreis von 700 mit 750 DM verkauft worden. Was die Menschen in Bremen auch ärgert, ist die Tatsache, daß solche Wohnungen ihren Mietern in Bremen bisher von der Neuen Heimat zum doppelten Quadratmeterpreis, nämlich zu 1 500 DM angeboten und auch verkauft wurden.
({1})
Meine Damen und Herren, der Neuerwerber ist kein Sozialmieter. Wer ist es? Die BG-Immobiliengesellschaft Frankfurt hat am 31. Januar 1985 unter Nummer 25066 im Handelsregister das Licht der Welt erblickt. Sie brachte dabei das stolze Kapital von 100 000 DM mit. Mit diesen 100 000 DM ausgestattet, kauft sie in diesen Tagen bundesweit für eine Milliarde DM Wohnungen von der Neuen Heimat, darunter die genannten bremischen Wohnungen, die eine Fläche von 491 699 Quadratmeter ausmachen und rund 350 Millionen Mark erbracht haben. Diesen 350 Millionen DM stehen Mieteinnahmen aus den Wohnungen über den gesamten Bewirtschaftungszeitraum von rund 250 Millionen DM gegenüber. Das heißt, der Erwerber muß mittelfristig 100 Millionen DM finanzieren.
Wer ist das nun, der mit 100 000 DM diese stolze Leistung vollbringt? Diese BGI Frankfurt ist eine hunderprozentige Tochter der VHU - Vermögensholding- und Unternehmensbeteiligung GmbH Frankfurt. Das, meine Damen und Herren, ist die Gesellschaft, die bis zum Februar dieses Jahres VOFÜ Verwaltungsgesellschaft hieß. VOFÜ steht für Volksfürsorge; aber zur Zeit wechselt man gern die Namen. Die Neue Heimat Städtebau GmbH hat ihren wohlklingenden Namen neuerdings ja auch verloren. Sie heißt ja heute Gesellschaft für Städtebau und Planung.
({2})
Aber zurück zu unserer kleinen Gesellschaft: BGI gleich hundertprozentige Tochter der VHU, diese wiederum eine hundertprozentige Tochter der Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft AG Frankfurt. Diese Beteiligungsgesellschaft ist nun sowohl die 98 %ige Mutter der Neue Heimat Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH in Hamburg als auch die hundertprozentige Tochter des Deutschen Gewerkschaftsbundes plus Einzelgewerkschaften.
({3})
Etwas einfacher ausgedrückt: Hier kauft ein nichtgemeinnütziger Urenkel des DGB von der Tochter
seiner Großmutter für eine Milliarde DM Wohnungen.
({4})
Weil er ja im Bremer Fall 100 Millionen DM finanzieren muß, muß er diese preiswert erstandenen Wohnungen teuer weiterverkaufen. Aus diesem Bremer Paket fallen sofort 3 000 Wohnungen aus der Bindung, weil eine Bagatellgrenze unterschritten ist. Diese Wohnungen, in denen in Bremen seit 30 Jahren Frauen und Männer aus der Kriegs- und Aufbaugeneration wohnen, werden jetzt genau wie frei finanzierte Wohnungen behandelt.
Der Aufsichtsrat mußte das genehmigen. Wer ist das im Bremer Fall? Das ist als Vorsitzender Erich Frister, früher GEW-Vorsitzender, heute Neue-Heimat-Geschäftsführer, das ist Werner Lenz, heute SPD-Wirtschaftssenator, früher NH-Manager, das ist Erwin Schmidt, früher DGB-Kreisvorsitzender Bremen, ehemaliger Vizepräsident der bremischen Bürgerschaft, SPD, das ist Richard Skribelka, Kreisvorsitzender des DGB Bremerhaven und SPD-Stadtverordneter, das ist Karl-Heinz Jantzen, ehemaliger SPD-Senator, das ist Günter Lemke, SPD-Stadtrat in Bremerhaven, das ist Wilhelm Hubrich, SPD, ÖTV-Bezirksvorsitzender Weser-Ems. Meine Damen und Herren, Filz, soweit das Auge reicht.
({5}) Ich muß leider aufhören.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
({6})
Das Wort hat der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im März 1982, unmittelbar nachdem der neue Vorstandsvorsitzende, Herr Dr. Hoffmann, seine Tätigkeit bei der Neuen Heimat aufgenommen hatte, richtete er einen zentralen Kummerkasten für Mieterbeschwerden ein. Der Mann wußte, was er tat. Diese Aktion kann heute freilich von den Mietern der Neuen Heimat nur noch als blanker Hohn empfunden werden.
({0})
Es kann und soll nicht die Aufgabe der Bundesregierung sein, in die unternehmerischen Entscheidungen der Neuen Heimat einzugreifen. Aber die Bundesregierung kann angesichts der jüngsten Entwicklung in und um die Neue Heimat nicht mehr schweigen. Gegenwärtig müssen die Mieter der Neuen Heimat zuschauen, wie ihre Wohnungen am Markt verramscht und verscherbelt werden. Niemals hat es in der freien unternehmerischen
Wohnungswirtschaft auch nur halbwegs einen derartigen Fall gegeben.
({1})
Die Frage ist, wenn man alles überblickt, bewertet und sich selbst dabei ein hohes Maß an Objektivität auferlegt: Wie sieht die wohnungswirtschaftliche und wohnungspolitische Bilanz der Neuen Heimat aus? Sie erweist sich als eine Bilanz des wirtschaftlichen Versagens, der sozialen Rücksichtslosigkeit, der politischen Heuchelei und der gröblichen Verletzung von Arbeitnehmerinteressen.
({2})
Ich würde diese Formulierungen nicht wählen, wenn nicht viele, die heute für die Neue Heimat direkt oder indirekt Verantwortung tragen, sich selbst ins Glashaus begeben hätten und in maßloser Weise eine vernünftige, sozialorientierte Mieten- und Mieterpolitik als kapitalistisch und unsozial diffamiert hätten.
({3})
Es ist Tatsache, die Neue Heimat hat in einem nie gekannten Ausmaß mit Grundstücken spekuliert und dafür die Streikkassen der Arbeitnehmer eingesetzt.
({4})
Das ganze Ausmaß des Fehlverhaltens, nach dessen Ursache heute zu fragen ist, wird an folgenden Dimensionen deutlich.
({5})
Die Neue Heimat besitzt derzeit noch rund 300 000 Wohnungen. Einschließlich der in der letzten Woche verkauften Wohnungen hat die Neue Heimat inzwischen fast 80 000 Wohnungen abgestoßen. Weitere 50 000 bis 60 000 Wohnungen sollen bis 1990 verkauft werden. Und was die Bürger wissen sollen, für den Gesamtbestand der Wohnungen hat die Neue Heimat über 10 Milliarden DM an öffentlichen Subventionen erhalten. Bisher wurden Verluste in Höhe von rund 1,3 Milliarden DM ausgeglichen. Dies entspricht einer Belastung des einzelnen Gewerkschaftsmitgliedes von bereits 160 DM.
({6})
Mit weiteren Verlusten in Höhe von 2 Milliarden DM wird gerechnet. Aber das Gesamtausmaß der Verluste ist noch nicht abzusehen. Wohnungspolitisch bedenklich ist, daß der Verlustausgleich der Gewerkschaftsmitglieder für die Sanierung auch des kommerziellen Teils der Neuen Heimat, nämlich die Neue Heimat Städtebau und die Neue Heimat International, erfolgt.
Meine Damen und Herren, es wurde in letzter Zeit vom DGB - und nicht von den geringsten - davon gesprochen, in Deutschland breite sich eine neue Armut aus,
({7})
Bettler zögen wieder durch unsere Straßen. Wir werden bald Mieter sehen, von der Neuen Heimat vertrieben, die bei den sogenannten Kapitalisten Wohnungen suchen, dort auch Wohnungen finden werden, und zwar zu besseren Preisen.
({8})
Hauptursache für die Verluste sind Grundstücksspekulationen in der Bundesrepublik Deutschland und weltweit, vor allem in Südamerika. Diese Spekulation widerspricht dem Gedanken der Gemeinnützigkeit.
({9})
Meine Damen und Herren, erinnern Sie sich an die Parteitagsbeschlüsse vom April 1973? Damals wollte man den Beruf des Maklers verbieten. Der Makler wurde an den Schandpranger der Sozialwidrigkeit gestellt, und heute muß sich die Neue Heimat der Makler bedienen, um ihre Wohnungen zu verscherbeln.
({10})
Verehrter Kollege Vogel - weil ich Sie gerade sehe -, das war jener berühmte Parteitag vom April 1973 in Hannover, wo Sie die Theorie des Verfügungs- und Nutzungseigentums als Grundlage einer Bodenreform eingeführt haben.
({11})
Heute stelle ich für die Bundesregierung fest, durch die Finanzpolitik, die Wirtschafts- und Haushaltspolitik dieser Bundesregierung wurde die Preisstabilität am Immobilienmarkt wiederhergestellt und der Bodenspekulation ein Ende bereitet.
({12})
In einer funktionierenden Marktwirtschaft gibt es keine Bodenspekulation.
({13})
Die Grundstückspreise sind bundesweit gefallen. Selbst in München haben die Grundstückspreise erheblich nachgelassen.
({14})
Die Neue Heimat könnte sich nur mit gigantischen Preissteigerungen am Grundstücksmarkt retten. Aber jetzt muß sie sich marktwirtschaftlich, wettbewerbsmäßig behaupten. Und das kann sie nicht.
({15})
Meine Damen und Herren, der Kollege Metz hat den Fall Bremen in großer Deutlichkeit dargestellt. Dieser Fall Bremen beweist, daß hier gegen alle Prinzipien, gegen alle Ideen und gegen die Grundphilosophie der Wohnungsgemeinnützigkeit verstoßen worden ist. Ich bin deshalb verärgert und auch
empört, weil ich mit dem Kollegen Stoltenberg dabei bin, im Einvernehmen mit der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft und, wie ich gehofft habe, auch im Einvernehmen mit den Fraktionen dieses Hauses die Wohnungsgemeinnützigkeit auf eine neue rechtliche Grundlage zu stellen. Ich muß sagen: Ich habe nicht geglaubt, daß gerade bei der Neuen Heimat, bei der gewerkschaftseigenen Wohnungsbaugesellschaft, in einer so groben Weise gegen diese Prinzipien der Gemeinnützigkeit verstoßen worden wäre.
({16})
Was würden wohl Paul Lücke oder auch Hans Böckler, zwei Leute, die sich um den Deutschen Gewerkschaftsbund und um die deutsche Wohnungsbaupolitik hervorragende Verdienste erworben haben, sagen, wenn sie das Ergebnis dieser Politik heute zu beurteilen hätten? Die dies angerichtet haben, haben sich vor diesen Persönlichkeiten heute zu schämen.
Meine Damen und Herren, das besonders sichere Wohnrecht von Mietern gemeinnütziger Wohnungsunternehmen wird durch die Verkaufsaktionen der Neuen Heimat unterlaufen. Die Diskussion über die Verfügungsreserve, die gemeinnützige Wohnungsunternehmen für die soziale Absicherung der Wohnungswirtschaft bereitstellen, gerät in ein schiefes Licht. Es ist unverständlich, warum die Neue Heimat ihre Wohnungen nicht anderen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen angeboten und warum die gemeinnützige Wohnungswirtschaft keine interne Regelung gefunden hat.
(Dr. Vogel [SPD]: Da hat er recht! - Beifall
des Abg. Conradi ({17})
An diesem Beispiel hätte die Solidarität der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft demonstriert werden können.
({18})
Aus rechtlicher Sicht kann der Verkauf der Wohnungen der Neuen Heimat nicht unterbunden werden, denn niemand hat bisher daran gedacht, daß es einen solchen Fall von Zwangsverkäufen je geben könnte.
({19})
Wir müssen daher bei der Novelle zum Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht aus diesen Vorgängen unsere Schlüsse ziehen. Sie dürfen ganz sicher sein: Die Bundesregierung hat sich bisher als Anwalt der Mieter erwiesen.
({20})
Sie wird sich weiterhin als Anwalt der Mieter, insbesondere auch der Mieter der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft erweisen.
({21})
Der Fall Neue Heimat zeigt: Wir müssen die Mieter nicht gegen den ausbeuterischen Vermieter, gegen die privaten Wohnungs- und Grundeigentümer,
sondern gegen die willkürlichen, unsozialen Praktiken der Neuen Heimat schützen.
({22})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich nur wundern, mit welcher Selbstherrlichkeit hier - Graf Lambsdorff, da schließe ich Sie ausdrücklich ein - einige ein weiß Gott für die Betroffenen nicht einfaches Problem behandeln. Nach dem, was ich von Ihnen, die sonst doch immer so von wirtschaftlichem Sachverstand strotzen, gehört habe, kann ich nur sagen: Hut ab vor den Gewerkschaften, die dieses Thema in ihren Versammlungen mit weitaus mehr Ernst und Sachverstand behandeln, als Sie es hier getan haben!
({0})
- Ihr Zwischenruf zeigt, daß Sie sich in Gewerkschaftsversammlungen nicht aufhalten.
Was ist denn geschehen? Ein Unternehmen, das der Gemeinnützigkeit unterliegt, ist in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und versucht, seine Liquidität - ({1})
- Da schreien Sie noch „bravo"! Das sollte mal draußen bekannt werden. Ich hoffe, daß das im Protokoll festgehalten ist.
({2})
Ein Unternehmen, das der Gemeinnützigkeit unterliegt, ist in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und versucht, seine Liquidität durch Verkauf von Wohnungen zu erhalten.
({3})
- Da können Sie sicher sein, ich bin nicht darin. Informieren Sie mal sachlich!
Wir Sozialdemokraten haben gar keinen Grund, uns vor die Neue Heimat zu stellen. Wir bedauern ausdrücklich, daß diese Entwicklung eingetreten ist.
({4})
Sicher hat das Management versagt. Insofern sind auch Konsequenzen gezogen worden.
Wir haben uns hier zu fragen, ob und welche Konsequenzen für die Gemeinnützigkeit zu ziehen sind. Der Fall Neue Heimat zeigt, da er innerhalb der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft selten vorkommt, daß er kein Beweis für ein generelles Versagen der Gemeinnützigkeit ist. Für diese Feststellung, Herr Minister, sind wir Ihnen sehr dankbar. Wir müssen uns allerdings fragen, ob der Prüfungsverband der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft seine Aufgabe erfüllt hat oder ob hier von uns nicht Konsequenzen zu ziehen sind.
Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, tun Sie doch nicht so, als ob es in dieser Wirtschaftsordnung etwas absolut Einmaliges wäre, wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten gerät. Jeden Monat lesen wir, daß die Zahl der Pleiten neue Rekordhöhen erreicht. Um Ihr Gedächtnis etwas aufzufrischen, möchte ich Sie an AEG erinnern - Herr Lambsdorff, das fällt doch in Ihre Regierungszeit - oder an die Firma Krupp, die durch Bürgschaften wieder flottgemacht wurden. Oder denken Sie an die Zusammenbrüche von Baukonzernen in der letzten Zeit! Oder, Herr Minister, denken Sie doch an Klöckner, das sein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen in einer Nacht- und Nebel-Aktion verscheuert hat, wo ich eigentlich während Ihrer Ministerzeit auf Ihren Aufschrei, Herr Lambsdorff, gewartet habe!
({5}) Darauf aber warte ich heute noch.
({6})
Heute noch bin ich darauf gespannt, wie der zuständige Minister Schnipkoweit, Ihr Parteikollege, Herr Minister Schneider, darauf reagieren wird und die Vorteile, die das Unternehmen aus seiner Gemeinnützigkeit geschöpft hat, abschöpft.
({7})
Wir stehen auf seiten der Familien, die Sorge haben, daß durch den Verkauf ihrer Wohnungen langfristig ihr Wohnrecht berührt wird. Daß diese Sorge bei der Aktion der Neuen Heimat nicht eingetreten ist, spricht nicht gegen die Neue Heimat, meine Damen und Herren, das möchte ich hier bemerken. Diese Menschen schützen wir. Wir müssen uns doch fragen, ob die jetzigen Schutzbestimmungen ausreichen.
({8})
Wenn die Mieter Sorge um ihre Wohnungen haben, dann doch auch deshalb, weil durch ihre Politik der Einkommensminderung bei den breiten Schichten die Menschen in Sorge leben, daß sie nicht mehr in der Lage sind, die durch die Umwandlung erhöhten Mieten zu zahlen.
({9})
Hier zeigt sich doch auf einem weiteren Feld die Auswirkung einer Politik, die Sie zu vertreten haben! Wenn sich also jemand aus dem politischen Raum schuldbewußt an die Brust klopfen muß, dann sind es diejenigen, die meinen, aus der Situation politisches Kapital schlagen zu können.
({10})
Sie haben nämlich jene Politik zu vertreten, die zu einer Verarmung der breiten Schichten führt.
({11}): Das ist wohl eine
neue Verelendungstheorie!)
Zu beklagen ist - das möchte ich ausdrücklich sagen - die Verkaufspolitik der Neuen Heimat.
({12})
Ich fordere die Neue Heimat auf, wenn sie verkauft, den Kommunen bzw. anderen gemeinnützigen Wohnungsunternehmen ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Die Neue Heimat würde damit den Mietern nicht nur viele Sorgen ersparen, sondern auch beweisen, daß sie in ihrer anerkannt schwierigen Lage die Interessen der Mieter höher bewertet als die eine oder andere Mark, die sie bei anderen Erwerbern mehr erzielen kann. Wir alle sind aufgerufen, uns den Kopf darüber zu zerbrechen, wie Mietern, die ihre Wohnungen von Genossenschaften erwerben wollen, geholfen werden kann.
Wir haben die Handlungen der Neuen Heimat nicht zu vertreten. Wir werden alles tun, um die Mieter vor negativen Folgen zu schützen.
({13})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Faltlhauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt Geschichten, die sind so ungeheuerlich und unglaublich, daß man sie der Reihe nach erzählen muß, damit man ihren tatsächlichen Wert richtig begreifen kann. Deshalb bringe ich den Bericht zum Thema dieser Aktuellen Stunde aus Münchener Sicht schön der Reihe nach.
Ich wäre froh gewesen, wenn der Präsident des Mieterbundes bei einer solchen Aussprache auch einmal hier wäre, damit er sich das auch hätte anhören können.
({0})
Der erste Teil der Geschichte handelt in München von einem ursprünglich geplanten Geschäft. Da ist die Neue Heimat Bayern, der es eigentlich gut geht, die überhaupt nicht verkaufen müßte; aber die Mißwirtschaft, vom Hamburger Schreibtisch aus verursacht, zwingt dazu, etwas zu tun. Vom gleichen Hamburger Schreibtisch aus wird deshalb verlangt: die bayerische Neue Heimat muß einen Solidaritätsbeitrag erbringen! Der Plan sah vor, 3 000 bayerische Wohnungen an die BG-Immobiliengesellschaft zu veräußern, wie es hier schon so schön beschrieben worden ist. Die BGI sollte möglichst billig kaufen, damit sie beim Wiederverkauf einen möglichst hohen Ertrag erwirtschaften könnte. Herr Werner von den GRÜNEN: Was meinen Sie, wie die marktwirtschaftlich handeln wollten! So, daß es nur so staubt! Die wollten einen ordentlichen Ertrag da herausholen!
Diese abenteuerliche Zwischenschaltung der Briefkastengesellschaft BGI sollte es ermöglichen, die Erträge aus der Tochtergesellschaft zur Muttergesellschaft zu transferieren. Das geht nämlich heute nicht; das ist der eigentliche Hintergrund. Ich meine, daß hier ein Umgehungstatbestand vorliegt, der in Frankfurt, wo er schon passiert ist, rechtsaufsichtlich begutachtet werden sollte. Mehr noch, es ist anzunehmen, daß in München der gleiche Vertrag vorgesehen war, wie er in Frankfurt abgeschlossen wurde, nämlich ein Vertrag, in dem der BGI großzügigste Teilzahlungsmöglichkeiten eingeräumt werden mit dem Ergebnis, daß die Briefkastentochter sofort beste Bilanzen ausweisen kann. Man stelle sich einmal vor, eine Briefkastenfirma mit 100 000 DM Eigenkapital bewerkstelligt den größten Immobiliendeal der Nachkriegsgeschichte!
Der zweite Teil der Geschichte in München: Da kommt der Gegenwind, zunächst von den betroffenen Mietern. Die schreiben am 11. August dem Herrn Hoffmann in Hamburg unter anderem - Herr Menzel, hören Sie jetzt gut zu, was die tatsächlich sagen; Sie als Aufsichtsratsmitglied der Neuen Heimat sollten das sehr gut hören -:
In unseren Wohnungen wohnen Betriebsräte, Vertrauensfrauen und -männer, die in den Betrieben die Politik der Gewerkschaft umsetzen sollen. Wie das in Zukunft geschehen soll, wenn Du uns aus dem Grundrecht zum Wohnen nimmst, ist ein Rätsel.
Wir haben in der Gewerkschaft das Kämpfen gelernt. Leider müssen wir unseren reichen Erfahrungsschatz gegen unsere Gegner im Großkapital nun gegen unsere eigenen Leute einsetzen.
({1})
Dies beunruhigte den bayerischen DGB-Vorsitzenden, der zufälligerweise stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender in der bayerischen Neuen Heimat ist, und der lief zum Münchener Stadtoberhaupt Kronawitter. Bei dem stieß er gleich - ich fahre in der Geschichte fort - auf offene Ohren. Verständlich; denn der hatte bei seinem erfolgreichen Wahlkampf in München auf den Plakaten geschrieben: „400 000 Mieter sind uns lieber als ein paar Spekulanten!"
({2})
Wie peinlich wäre es gewesen, wenn die größten Spekulanten nun seine eigenen Freunde und Kollegen von der Gewerkschaft und von der Neuen Heimat gewesen wären! Also wurde ein neues Geschäft vereinbart: das Geschäft mit den Steuergeldern. Und dies ist der dritte Teil der Geschichte: die Geschichte eines Sanierungsgeschenkes.
Da kamen am 6. September die Freunde Dr. Hoffmann und Kronawitter im Rathaus zusammen und vereinbarten, daß 2 093 Wohnungen für einen Gesamtpreis von 165 Millionen DM verkauft werden.
({3})
- Nein, die hat diesem Preis nicht zugestimmt! Seltsamkeit Nummer eins: Diese 2 000 Wohnungen
kosten nun insgesamt mehr als vorher die 3 000 Wohnungen, die der BGI angeboten wurden.
Zweite Merkwürdigkeit - das wurde schon genannt -: 15 Millionen DM Entschädigungssumme an die BGI. Also derjenige, der vor Schaden bewahren will, zahlt an denjenigen, der vor Schaden bewahrt werden soll noch eine Entschädigung. Ich verstehe das nicht. Verstehen soll das, wer kann.
Dritte Merkwürdigkeit: 9 Millionen DM an Vermittlungsprovision - wieso eigentlich Vermittlung? - gehen an die Neue Heimat. Insgesamt also 24 Millionen DM an Steuergeldern als Sanierungsgeschenk! Und das unter der Federführung eines Oberbürgermeisters, der seinen Wahlkampf mit unbewiesenen, dubiosen Behauptungen wegen eines Baulandgeschenkes geführt hat.
({4})
Auch hier: Filz, soweit man sieht. Um so peinlicher ist es, daß das von den gleichen Leuten, Herr Vogel, kommt, die ununterbrochen politisch davon leben, andere, ordentliche Unternehmer als Spekulanten und Profiteure zu diffamieren.
Persönlich meine ich, man sollte den Vorschlag des bayerischen Ministerpräsidenten genau prüfen, daß die Bayerische Versicherungskammer und die Landesbodenkreditanstalt sich darum kümmern, damit die Leute in dieser Siedlung nicht auf der Straße stehen.
Ich kann am Schluß den Kollegen von der SPD nur zurufen: Schminken Sie sich Ihr soziales Pathos in diesem Hause ab, und schauen Sie erst einmal, daß die Zustände in Ihren eigenen Reihen und in Ihren eigenen Institutionen sozial erträglich und rechtlich korrekt geordnet sind.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Sperling.
Erstens. Zu welchen Bedingungen in München gekauft und verkauft wird, steht noch nicht fest. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist in München der Kaufvertrag keineswegs unterschrieben.
Zweitens. Wenn die Neue Heimat sich so verhält wie diese Bundesregierung, nämlich rücksichtslos und unsozial, dann verdient die Neue Heimat genauso Kritik, Protest und Demonstration, wie diese Bundesregierung Kritik, Protest und Demonstrationen verdient.
({0})
Das Thema Neue Heimat würde ja gar nicht aufkommen - das habe ich bei dieser Debatte verstanden -, wenn nicht die Eigentümer als Gewerkschafter und Sozialdemokraten ebenfalls zu fassen wären.
Wer hat denn von Ihnen Protest angemeldet, als das Europäische Siedlungswerk, eine Gründung
von Präsident Gerstenmaier - früher saß er auf dem Sessel des Bundestagspräsidenten -, mit dem Verkauf von Sozialwohnungen wild geworden ist und wir damals versucht haben, das abzuwenden? Hat sich da irgendwo ein protestierender Ruf aus Ihren Reihen ergeben? - Nein.
Wann haben Sie protestiert, als Firmen der deutschen Stahlindustrie
({1})
und andere Unternehmen darangingen, den mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungsbestand auf den Markt zu werfen? Hat sich da auf Ihrer Seite eine Hand zum Protest gerührt? - Nein, keine Hand.
({2})
Sie beginnen mit dem Protestieren nicht, wenn es um die Neue Heimat geht, sondern wenn Sie mit dem Versuch, die Neue Heimat zu kritisieren, Sozialdemokraten und vor allen Dingen Gewerkschafter treffen können in der Woche, die uns bevorsteht. Um nichts anderes geht es Ihnen.
({3})
Sie wissen so gut wie die Aufsichtsorgane der Neuen Heimat, daß verkauft werden muß, um einen Konkurs abzuwenden. Wer nicht 100 % der Mieter der Neuen Heimat in Bedrängnis bringen will - Sie haben zu Recht kritisiert, daß 20 % bis 30 % der Mieter in Bedrängnis kommen -, wird schon auf Überlegungen eingehen müssen, die Peter Conradi am deutlichsten und ganz sanft am Rande der Wohnungsbauminister angestellt haben, nämlich eine Strategie zu entwickeln, wie man den Mietern zur Sicherheit verhilft.
({4})
Wer dies will, muß aufpassen, daß er nicht aus dem Glashaus Steine wirft.
Als ich gestern von der Aktuellen Stunde erfuhr, hatte ich in dieser Zeitung, dem „Volksblatt", die Überschrift vor Augen „Schuldenlast droht FDP zu erdrücken". Herr Lambsdorff, was hat die FDP alles getan, als sie sich in einer existentiellen Finanznot befand, in der sie sich ja immer noch befindet? Sie hat einen Vorsitzenden ausgewechselt, als das mit der Amnestie zu scheitern drohte. Wir danken ja Herrn Möllemann für alles, was er in dieser Situation gesagt hat.
({5})
Ich hatte also erwartet, daß die FDP in dieser finanziellen Notlage der Lage der Neuen Heimat besonderes Verständnis entgegenbringt. Nichts davon!
({6})
Dabei ist doch die Geschäftspolitik der FDP keineswegs von Entscheidungen frei gewesen, wie die Neue Heimat sie auch treffen mußte.
({7})
Wenn man danach fragt, was man in einer solchen Situation tut, dann entwickelt man bitte schön sowohl für die eigene Partei als auch für die auch durch Entscheidungen der eigenen Partei in der Vergangenheit geförderten Unternehmen im gemeinen Nutzen Strategien nach vorn.
Sie kritisieren hier den Ausverkauf von Sozialwohnungen, obgleich Ihre Politik doch zugleich darauf gerichtet ist, den Ausverkauf der Gemeinnützigkeit herbeizuführen.
({8})
Dies ist die Heuchelei, die im Grunde genommen einem Grafen Lambsdorff nicht ansteht. Sie sind angeschlagener als die Neue Heimat, Herr Lambsdorff;
({9})
sonst hätten Sie dies hier so nicht gesagt.
({10})
Um was geht es? Daß die Neue Heimat verkaufen muß, ist klar. Daß man helfen kann, die Wohnungen für einkommensschwache Mieter zu halten, ist eigentlich auch klar. Bund, Länder, Gemeinden und gemeinnützige Wohnungswirtschaft könnten etwas tun. Sie müssen etwas tun, weil die Wohnungspolitik dieser Regierung - und das auf Betreiben der hier pharisäerisch auftretenden FDP - darangegangen ist,
({11})
den Mietern mehr Probleme zu bereiten. Die Probleme sind nämlich größer geworden: Sinkende Realeinkommen der Mieter sind seit der Wendezeit der Regelfall und stehen weiter bevor.
({12})
Schauen Sie sich die Manipulationen des Herrn Stoltenberg mit den Realeinkommen und der Lohnquote an. Sinkende Realeinkommen sind die Regel geworden und stehen nach Ihrer Planung weiter bevor.
({13})
Zu verzeichnen sind steigende Mieten nicht nur beim sozialen Wohnungsbau. Die Mieten steigen schneller als die Lebenshaltungskosten.
Nach wie vor kämpfen Sie dafür, daß das, was der Minister „verramschen" und „spekulieren mit Wohnungen" genannt hat, bleiben kann; denn das steuerliche Erwerbermodell, das für die Mieter der
Neuen Heimat das eigentliche Problem ist, haben sie nicht abgeschafft.
({14})
Sie sind also objektiv mit Ihrer Wohnungspolitik der Grund dafür, daß wir noch härter gegen jene Ausverkaufspolitik der Neuen Heimat protestieren müssen.
({15})
Deswegen: Gehen Sie in sich, und hören Sie auf mit pharisäerischer Rederei hier!
({16})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Rönsch.
Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! wir wollen doch mal wieder zu den Realitäten zurückkommen. Was passiert hier denn eigentlich, Herr Kollege Vogel? Hier werden Wohnungen verramscht. Hier hat ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen auf dem Buckel der Mieter Kasse gemacht. Klammheimlich passiert hier wirklich Ungeheuerliches. Ich habe Verständnis dafür, wenn die Gewerkschafter unter Ihnen aus tiefem Herzen dagegen sind. Nur, ich erwarte ein öffentliches Wort auch gegen den Vorsitzenden des DGB, der sich hinstellt und sagt - ich darf das mal zitieren -, ohne Begeisterung müsse er den Verkäufen zustimmen. Na, es wäre ja noch schöner, wenn er auch noch begeistert wäre!
({0})
Was ist denn in den vergangenen Jahren passiert? Ohne großes Aufheben wurden für 800 Millionen DM unter den Gesellschaftern die Gelder verschoben. Seit 1982 sind schon 32 000 Wohnungen verkauft worden, um die Spekulationen der Neuen Heimat International damit aufzufangen. Da präsentiert sich ein „King Albert" als Potentat und hinterläßt eine große Erblast. Das kennen wir von den Sozialdemokraten. Darin sind sie geübt.
({1})
Es kommt dann ein Erblastverwalter Hofmann. Und der setzt sich rigoros über die Grundbedürfnisse und Lebensinteressen der Mieter hinweg. Er verkauft weiter.
({2})
Meine Kollegen haben schon aus ihren Städten gesagt, was dort die Mieter der Neuen Heimat zu erwarten haben: in Bremen über 8 000 Wohnungen zum Verkauf, Berlin 1 800, in München 2 100, in Frankfurt am Main 3 400. Bis 1988 sollen 60 000 Wohnungen verkauft werden.
Können Sie, meine Herren und Damen von der SPD, sich vorstellen, welche Angst in den Mietern umgeht? Können Sie, meine Herren und Damen von den Gewerkschaften, sich vorstellen, was ein
Familienvater zu Hause erzählen soll? Er bezahlt seinen Beitrag an die Gewerkschaft, und diese gewerkschaftseigenen Unternehmen ziehen ihm das Dach über dem Kopf weg?
({3})
Es ist doch ganz verständlich, daß er sein Gewerkschaftsbuch dann dem Vorsitzenden Breit vor die Füße wirft, der für all diese Geschehnisse ursächlich verantwortlich ist.
({4})
Auch an dieser Stelle vermisse ich den Mieterbundpräsidenten Jahn. Immer, wenn wir über Wohngeld, über Mieten oder über den sozialen Wohnungsbau diskutieren, ist Herr Jahn hier abwesend. Ich stelle das hier zum dritten Mal fest.
({5})
Heute habe ich Verständnis für ihn. Ich nehme an, er entwirft schon sein Schreiben, das er an seine Mieterschutzvereine schickt. Denn die Mieter müssen ja jetzt geschützt werden.
({6})
- Natürlich: Die Mieter müssen vor den gewerkschaftseigenen Unternehmen geschützt werden, die sich hier als Spekulanten betätigen.
({7})
Es ist die Aufgabe von Herrn Jahn, dort endlich mal einzugreifen. Ich hätte von ihm starke Worte gegen den Herrn Breit erwartet.
Da hat doch auch unser Bremer Kollege Waltemathe bei der Diskussion zur 6. Wohngeldnovelle schon Ahnungen gehabt, was in Bremen passiert. Er sprach damals von der neuen Wohnarmut. Herr Kollege Waltemathe, jetzt stellt sich diese neue Wohnarmut in Bremen tatsächlich für die Mieter dar.
Wir können von Glück reden, daß unsere Bundesregierung in der Lage gewesen ist, innerhalb so kurzer Zeit die Wohngeldnovelle mit diesem Volumen zu verabschieden. Denn wir stellen damit sicher, daß die Leute, die jetzt durch die gewerkschaftseigenen Unternehmen vom Markt verdrängt werden, mit dem Wohngeld wieder angemessenen Wohnraum finden können.
Aber das ist ja nicht das einzige unsoziale Unternehmen, das sich in gewerkschaftseigenen Händen befindet. Überlegen Sie, was coop veranstaltet hat. Auch da sind gemeinwirtschaftliche Manager dem Mammon nachgejagt. Da sind Überstunden gemacht worden, ohne daß der Betriebsrat zugestimmt hat. Da wurde ganz locker ein Bußgeld bezahlt, ohne daß die Überstunden abgebaut wurden und ohne etwa Arbeitslose einzustellen. Das setzt die Kontinuität der unsozialen Politik der gewerkschaftseigenen Unternehmen fort. Ich appelliere noch einmal ganz deutlich an die Gewerkschaften, uns zu sagen, in welchen Ballungsgebieten denn jetzt noch Wohnungen verramscht werden.
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Man muß sich mal vorstellen: die Leute wohnen in Großsiedlungen im sozialen Wohnungsbau und wissen gar nicht, an wen sie demnächst die Miete bezahlen müssen. Die Neue Heimat soll jetzt bitte schön klar und deutlich offenlegen, wo sie weitere Verkäufe zu tätigen beabsichtigt. Und sie soll bitte schön auch sagen, an wen sie verkaufen will. Die Verfilzungen sind ja hier von meinen Kollegen schon ganz deutlich geschildert worden. Die Neue Heimat ist als gemeinnütziges Unternehmen verpflichtet, ihren Mietern klar und deutlich offenzulegen, wie sie ihre Geschäftspolitik in der Zukunft zu gestalten gedenkt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Jung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich ganz einfach feststellen: Was sich hier in der bundesdeutschen Öffentlichkeit abspielt, wie ein gewerkschaftliches Wohnungsbauunternehmen mit dem Status der Gemeinnützigkeit einige Tausende öffentlich geförderte Sozialmietwohnungen verscherbelt - die Frage, an wen, hat Herr Kronawitter in München beantwortet: an sogenannte Luxussanierer und an Spekulanten -, ist in der Tat ein sozial- und finanzpolitischer Skandal in unserem Land.
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Der Neuen Heimat steht das Wasser offenbar bis zum Hals. Als letzte Rettung soll nun der massenhafte Verkauf von Sozialwohnungen herhalten.
Muß da nicht laut und deutlich die Frage gestellt werden: Wo bleibt eigentlich das soziale Gewissen
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von Gewerkschaftsfunktionären, die diesen Mißstand verursacht haben? Woher will der Deutsche Gewerkschaftsbund eigentlich den Mut nehmen, um im Oktober dieses Jahres Aktionswochen zu dem Thema: Arbeitslosigkeit und Sozialabbau zu veranstalten? Meine Damen und Herren, die Akteure, die im Oktober auf uns zukommen, sind namensgleich mit jenen Herren, die im Verwaltungsrat der Neuen Heimat saßen und dort das verursacht haben, was wir heute beklagen,
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nämlich Breit, Döding, Loderer, Monika WulfMathies, Vetter, Hesselbach, Kluncker. Sie alle sind namensgleich mit jenen Gewerkschafts- und SPD-Mitgliedern, die heute nicht müde werden, uns sozialen Abbau vorzuwerfen.
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Jung ({4})
Noch im Mai 1982 hat der Vorsitzende der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Günter Volkmar, in einem „Spiegel"-Interview verkündet:
Die Kernaufgabe der Neuen Heimat lautet nach wie vor, die Arbeitnehmer günstig mit Wohnraum zu versorgen.
Bereits ein Jahr später hat man diesen moralischen Anspruch aufgegeben. Es war der neue Chef der Neuen Heimat, der ausgerechnet in der „Welt der Arbeit" vom 17. März 1983 verkündet hat: „Was belastet, wird verkauft."
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Sehen Sie, meine Damen und Herren, da muß doch wirklich die Frage gestellt werden: Sollte einem solchen Unternehmen nicht die Gemeinnützigkeit entzogen werden? Das hätte eigentlich geschehen sollen, als in der Öffentlichkeit bereits scheibchenweise bekannt wurde, wie der neue Chef der Neuen Heimat immer tiefer in die Gewerkschaftskassen hineingreifen mußte, um dieses marode Unternehmen künstlich am Leben zu erhalten.
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Mir ist ein Pressearchiv behilflich gewesen, als ich in mühsamer Kleinarbeit die Pressemeldungen der vergangenen Jahre zusammengetragen habe. Ich habe einmal zusammengezählt, wieviel die Einzelgewerkschaften von Ende der 70er Jahre bis 1985 aus der Streik- und Gewerkschaftskasse für dieses Unternehmen beisteuern mußten.
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Es war die runde Summe von 2,45 Milliarden DM.
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Wen wundert es da, wenn dem Deutschen Gewerkschaftsbund die Mitglieder scharenweise davonlaufen? Diese Arbeiter müssen sich doch wirklich betrogen vorkommen, wenn sie erst einmal mit ihren Beiträgen zur Sanierung beitragen sollen und nachher noch aus den Wohnungen herausgekündigt, herausgeschmissen werden.
Meine Damen und Herren, die bereits dargestellte personelle Verfilzung von SPD und Gewerkschaften brauche ich nicht mehr zu erwähnen. Ich komme auch in diesem Fall zum einzig richtigen Schluß: Sozialisten können nicht mit Geld umgehen. Eher kann mein braver Hund an einem Stück Wurst, das auf dem Boden liegt, vorbeigehen, als daß Sozialisten die Finger vom Geld anderer Leute lassen.
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Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 26. September 1985, 8 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.