Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, die heutige Sitzung habe ich gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 3 des Grundgesetzes auf Grund eines Verlangens der Fraktion der SPD einberufen.
Bevor ich den einzigen Punkt der Tagesordnung aufrufe, habe ich einige amtliche Mitteilungen zu machen.
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Meine Damen und Herren, wir gedenken in Trauer zweier Mitglieder des Deutschen Bundestages, die während der Parlamentsferien verstorben sind.
Am 12. Juli verstarb unerwartet im 61. Lebensjahr der Abgeordnete Dr. Werner Marx. Wir haben mit ihm einen Kollegen verloren, der zu den erfahrensten und angesehensten Mitgliedern der Fraktion der CDU/CSU gehörte und der sich im ganzen Hause großer Achtung und Wertschätzung erfreute.
Werner Marx, der dem Deutschen Bundestag seit 1965 20 Jahre hindurch angehörte, war in der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland ein Begriff. Seine Kenntnisse, seine Sachkunde, sein Rat werden uns fehlen. Die Lücke, die er hier im Plenum, im Auswärtigen Ausschuß und in der Fraktion der CDU/CSU hinterläßt, wird nur schwer zu schließen sein.
Werner Marx wurde am 15. November 1924 in Edenkoben in der Pfalz geboren, kam 1941 als 17jähriger an die Front und wurde wiederholt schwer verwundet. 1947 holte er das Abitur nach und begann mit einem Studium der Philosophie, Geschichte und Geographie, das er mit der Promotion zum Dr. phil. abschloß. Seit 1955 war er zunächst politischer Redakteur und Journalist in Bonn, ging anschließend in das Verteidigungsministerium, wurde 1959 Referent im Kultusministerium von Rheinland-Pfalz und kehrte 1960 nach Bonn - in den Führungsstab der Bundeswehr - zurück.
Im Deutschen Bundestag vertrat Werner Marx seit 1965 zunächst den Wahlkreis Kaiserslautern und dann, ab 1972 bis zu seinem Tode, den Wahlkreis Pirmasens. Schon 1966 in den Vorstand seiner Fraktion gewählt, wurde er 1969 Vorsitzender des Arbeitskreises für Außen-, Deutschland-, Verteidigungs-, Europa-, Entwicklungs- und Außenwirtschaftspolitik der CDU/CSU-Fraktion. Er behielt dieses Amt, bis er 1980 zum Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses gewählt wurde. Seit 1982 war er Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses.
Wir alle kannten ihn als einen Kollegen, der sich leidenschaftlich für die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht aller Deutschen eingesetzt hat. Er war ein tiefgläubiger Mensch, der sich, wo immer er konnte, auch um das Schicksal des einzelnen kümmerte, der Hilfe anbot, wo immer es möglich war. Wir werden diesen aufrechten Anwalt für Freiheit, Menschenrechte und Menschenwürde nicht vergessen.
Ich habe an seiner Beerdigung mit vielen Kollegen dieses Hauses teilgenommen und möchte Frau Marx und ihren sechs Kindern auch von diesem Platz aus das Mitgefühl des ganzen Deutschen Bundestages aussprechen.
In Trauer gedenken wir auch des Mitgliedes des Deutschen Bundestages, unseres Kollegen Walter Polkehn, der kurz nach Vollendung seines 64. Lebensj ahres am 16. August nach langer, schwerer Krankheit verstarb.
Walter Polkehn war seit 1972 Bundestagsabgeordneter der Sozialdemokratischen Partei und vertrat den Wahlkreis Oldenburg/Ammerland. Er wurde am 24. Juli 1921 in Ortelsburg/Ostpreußen geboren, besuchte von 1928 bis 1936 die Volksschule und absolvierte 1936 bis 1939 eine Berufsschule als Sattler und Polsterer. Nach dem Krieg, an dem er als Soldat teilnahm, und nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1949, arbeitete er zunächst in der Landwirtschaft und dann seit Februar 1951 als Beamter bei der Landeszentralbank in Niedersachsen, Hauptstelle Oldenburg der Deutschen Bundesbank.
Walter Polkehn war Mitglied der Gewerkschaft ÖTV und seit 1963 Mitglied der SPD.
Im Deutschen Bundestag gehörte er dem Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Präsident Dr. Jenninger
an. Sein Engagement galt vor allem der Wohnungspolitik, der Gesundheits- und Familienpolitik.
Besondere Verdienste aber hat er sich als Vorsitzender des Gesprächskreises Polen der SPD-Bundestagsfraktion erworben. Er hat sich - im stillen und ohne davon Aufhebens zu machen - unermüdlich für die Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen eingesetzt. Ich bin dankbar, daß ich Walter Polkehn noch kurz vor seinem Tode - gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Fraktion der SPD, seinem Vorgänger in diesem Amt und dem Botschafter der Volksrepublik Polen - wegen seiner Verdienste auf diesem schwierigen Feld mit einem Orden auszeichnen durfte, und ich werde diese Stunde im Hause Polkehn nicht vergessen.
Frau Polkehn und ihren beiden Kindern spreche ich namens des ganzen Hauses unser aller Mitgefühl aus.
Der Deutsche Bundestag wird seinen verstorbenen Mitgliedern Dr. Werner Marx und Walter Polkehn ein dankbares und ehrendes Gedenken bewahren.
Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen erhoben.
Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, einigen Kolleginnen und Kollegen habe ich zu Geburtstagen zu gratulieren. Am 6. Juli hat die Abgeordnete Frau Dr. Neumeister ihren 65. Geburtstag, am 18. Juli der Abgeordnete Engelsberger seinen 60. Geburtstag, am 18. Juli Bundesminister Dr. Zimmermann ebenfalls seinen 60. Geburtstag, am 4. August der Abgeordnete Vogelsang auch seinen 60. Geburtstag und am 15. August der Abgeordnete Dr. Hupka seinen 70. Geburtstag gefeiert. Ich darf den Kolleginnen und Kollegen namens des ganzen Hauses unsere besten Wünsche zu diesen Geburtstagen aussprechen.
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Meine Damen und Herren, für den verstorbenen Kollegen Dr. Marx hat mit Wirkung vom 22. Juli 1985 der Abgeordnete Schultz ({2}) die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Für den verstorbenen Kollegen Polkehn hat mit Wirkung vom 23. August 1985 der Abgeordnete Eickmeyer die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße den neuen Kollegen Schultz sowie den uns bekannten Kollegen Eickmeyer herzlich und wünsche gute Zusammenarbeit.
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Ich rufe nun den einzigen Punkt der Tagesordnung der heutigen Sitzung auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entlassung des Bundesministers des Innern - Drucksache 10/3762 -
b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN
Entlassung des Bundesministers des Innern - Drucksache 10/3596 Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel ({4}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie jeder andere Staat auf dieser Welt muß auch die Bundesrepublik Deutschland ihre Fähigkeit bewahren und notfalls verteidigen, die ihr anvertrauten Rechtsgüter zu schützen. Das ist ihr verfassungsmäßiger Auftrag. Dazu gehört auch die ausreichende Information über Entwicklungen außerhalb des Bundesgebietes und die Abwehr fremder Ausforschungsaktivitäten, soweit sie sich auf Kernbereiche unserer Sicherheit richten. Solche Kernbereiche gibt es auch in einer offenen Gesellschaft. Dem entspricht, daß wir uns gegen die übertriebene Ausdehnung der Geheimhaltung wenden. Weniger ist auf diesem Gebiet mehr. Wirkliche Geheimnisse tatsächlich zu schützen, ist wichtiger, als formale Geheimvermerke uferlos auszudehnen.
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Die Erfüllung dieses verfassungsmäßigen Auftrags erfordert vor allem den sinnvollen und verantwortungsbewußten Einsatz der dafür geschaffenen Institutionen. Es bedeutet einen Verstoß gegen diesen Grundsatz, mehr noch, es bedeutet eine Gefährdung unserer Sicherheit, wenn die gegenwärtige Bundesregierung immer umfassendere Datensammlungen über Zehntausende, ja Hunderttausende von Mitbürgerinnen und Mitbürgern, etwa von friedlichen Demonstranten, verlangt, aber nicht in der Lage ist, wirkliche Staatsgeheimnisse,
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wie etwa die Konstruktionsdetails des Tornado-Flugzeugs, vor Verrat zu schützen. Unter der Verantwortung des Bundeswirtschaftsministeriums, das hier in erster Linie zuständig ist, hat es hier unter dem gegenwärtigen, aber auch unter dem vorherigen Amtsinhaber ernste Versäumnisse gegeben. Der Verratsfall Rotsch hat das deutlich bewiesen.
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Ebenso gefährdet aber unsere Sicherheit, wer - wie die Herren Zimmermann und Spranger - unablässig einer schärferen Überprüfung von kleinen Post- und Bahnbeamten das Wort redet, aber nicht in der Lage ist, den Spitzenbereich der eigenen Spionageabwehr unter Kontrolle zu halten.
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Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist noch eine zurückhaltende Beschreibung des Ereignisses, das Anlaß zu dieser Sondersitzung gegeben hat. Sie, Herr Bundesinnenminister, haben diesen Bereich, den Spitzenbereich der Spionageabwehr, nicht nur nicht unter Kontrolle gehabt, Sie waren
diesem Bereich gegenüber nach allem, was Sie bisher erklärt haben, ahnungslos und gleichgültig.
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Sie machen nun, Herr Kollege Zimmermann,
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aus Ihrer Gleichgültigkeit geradezu eine Tugend, weil Sie sich von dieser angeblichen Ahnungslosigkeit das politische Überleben versprechen. Von der labilen Verfassung des für die Spionageabwehr zuständigen Gruppenleiters des Bundesamtes für Verfassungsschutz wollen Sie beispielsweise erst erfahren haben, als die amtliche Nachrichtenagentur ADN dessen Übertritt in die DDR meldete, oder 24 Stunden zuvor.
Dieser Übertritt war das letzte Glied einer Ursachenverkettung, der der bisherige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf Grund seiner Einschätzung einer komplexen Situation ihren Lauf ließ. Wir erkennen an, daß sich der Präsident diese Einschätzung und die damit verbundene Abwägung nicht leicht gemacht hat. Aber die Folgen dieser Einschätzung und der Entscheidung, den Beamten trotz alarmierender Sicherheitsbedenken in seiner Funktion zu belassen, waren fatal. Sie hat nämlich im Ergebnis zur schwersten Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Spionageabwehr geführt.
Der Generalbundesanwalt, Herr Rebmann, hat dazu im Ersten Deutschen Fernsehen wörtlich ausgeführt - ich zitiere das, was der Generalbundesanwalt der Öffentlichkeit mitgeteilt hat -:
Regierungsdirektor Tiedge hat umfassenden Einblick in den Personalbestand, in die Logistik, in die Strategie, die Taktik, die Operationen und Operationsmöglichkeiten unserer Spionageabwehr in bezug auf die DDR und deren Nachrichtendienste. Er hatte auch weitgehende Einblicke in die Verfahren, die ich
- also der Generalbundesanwalt führe wegen Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland sowie die Beschuldigten, die für die DDR tätig waren. Wenn er alle diese Erkenntnisse in der DDR offenbart, begeht er einen ganz schweren Fall
- bei anderer Gelegenheit lautete die Formulierung: einen besonders schweren Fall von Landesverrat im Bereich der Nachrichtendienste.
Und der Generalbundesanwalt weiß wohl, wovon er in diesem Zusammenhang redet.
Darüber hinaus ist das Vertrauen unserer Verbündeten und anderer Staaten in die Vertrauenswürdigkeit der Bundesrepublik und in die Fähigkeit dieser Republik, ihre eigenen Interessen wirksam zu wahren, nachhaltig erschüttert worden. Sie selbst, Herr Bundeskanzler, haben diesen Gesichtspunkt als Grund für die Entlassung des bisherigen Präsidenten genannt und ihn damit ausdrücklich anerkannt. Schweren Schaden hat aber auch das
Ansehen der Bundesrepublik gelitten. Das Urteil der internationalen Presse über diesen Vorgang ist seit über 14 Tagen rundherum verheerend. Auch uns wohlgesonnene Blätter, die Sie sonst sehr gerne zitieren, greifen das schlimme Wort von der Bananenrepublik auf. Übrigens, Herr Bundeskanzler - Sie selbst waren der erste, der noch als Oppositionsvorsitzender in den Debatten im Januar 1978 die Bundesrepublik Deutschland hier von dieser Stelle aus mit dem Begriff der Bananenrepublik in Zusammenhang gebracht hat.
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Wir Sozialdemokraten haben unseren Staat damals gegen diese Ihre Schmähung in Schutz genommen. Wir tun das auch heute gegenüber ausländischen Stimmen, die dieses Wort gebrauchen.
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Wir bedauern allerdings, daß Ereignisse während Ihrer Regierungszeit dem Begriff allmählich einen Schein der Rechtfertigung geben.
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Zunächst bestand auch noch die Gefahr, daß die Deutschlandpolitik in Mitleidenschaft gezogen wird. Ihre unbesonnene Bemerkung vom Urlaubsort aus, die Sie dazu gemacht haben, ist inzwischen erfreulicherweise von Herrn Kollegen Windelen und anderen Koalitionssprechern, darunter auch von Herrn Strauß, korrigiert worden. Wir begrüßen das.
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Herr Hellenbroich hat sich zu den Folgen seiner Entscheidung bekannt und die persönlichen Konsequenzen gezogen. Herr Zimmermann als der zuständige Minister soll hingegen weiterhin im Amt bleiben. Herr Bundeskanzler, diese Ihre Entscheidung ist für die deutsche Öffentlichkeit und für dieses Parlament schlechterdings eine Zumutung.
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Herr Zimmermann trägt als zuständiger Ressortminister für den Vorgang und seine Folgen die politische Verantwortung. Diese Verantwortung ist nach gefestigter parlamentarischer Übung unabhängig von der Frage des persönlichen Fehlverhaltens. Die politische Verantwortung ist ein Grundelement des demokratischen Parlamentarismus und der politischen Hygiene. Die politische Verantwortung erfordert den Rücktritt, wenn ein schwerwiegendes Ereignis im Zuständigkeitsbereich eines Ministers das Vertrauen in die Amtsführung seines Ressorts erschüttert hat. Herr Bundeskanzler und Sie, meine Damen und Herren, haben doch selbst wegen eines Ereignisses viel geringerer Bedeutung den Rücktritt beispielsweise Georg Lebers als Verteidigungsminister verlangt, obwohl Sie ihm selbst keinen einzigen persönlichen Vorwurf machen konnten. Und dieser untadelige Mann, an dem Sie sich ein Bei11288
spiel nehmen sollten, ist aus freiem Entschluß zurückgetreten.
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Herr Bundeskanzler, warum messen Sie mit zweierlei Maß? Warum soll eigentlich für Herrn Zimmermann nicht gelten, was Sie damals von dieser Stelle aus nicht nur im Falle Georg Lebers gefordert haben? Herr Bundeskanzler, haben Sie Ihre markigen Worte von damals vergessen? Sie sagten am 26. Januar 1978 hier im Plenum des Bundestages wörtlich:
Jeder Minister steht für seinen Amtsbereich für diese ganze Bundesrepublik Deutschland. Wie immer man zu der jeweiligen Regierung steht, im Geiste und im Sinne unserer Verfassung ist das unsere Bundesrepublik Deutschland. Deswegen kann es uns
- da meinten Sie sich als Opposition nicht einerlei sein, wenn hier in einer solchen Weise die Demontage der Autorität unseres Staates vorgeführt wird.
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Das, Herr Bundeskanzler, sind Maßstäbe, denen wir heute unverändert zustimmen können. Ich frage Sie deshalb: Warum handeln Sie jetzt als Bundeskanzler nicht nach Ihren eigenen Grundsätzen? Denn - mit Ihren Worten zu sprechen - um eine „Demontage" staatlichen Ansehens handelt es sich ja wohl bei den Vorgängen, über die seit Wochen diskutiert wird.
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Meine Damen und Herren, gegen Herrn Zimmermann sind aber durchaus auch persönliche Vorwürfe zu erheben. Herr Zimmermann sagt, er habe von der psychischen und physischen Verfassung des betreffenden Beamten und seiner Überschuldung nichts gewußt. Er sagt weiter, seine Verpflichtung zur Dienstaufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz habe darin bestanden, dann tätig zu werden, wenn er von anderen angerufen, in der Zeitung durch Artikel darauf aufmerksam gemacht oder sonst von Dritten darum gebeten werde.
Herr Kollege Zimmermann, das ist eine merkwürdige Pflichtauffassung. Von jedem Beamten verlangen wir alle und Sie als Beamtenminister, nicht nur zuzuwarten, sondern die Initiative zu ergreifen, auch zu fragen und sich zu erkundigen.
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Ausgerechnet der so forsche und schneidige Herr Zimmermann meint, es genüge, wenn er in seinem Sessel sitze und abwarte, ob jemand zu ihm kommt.
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Sie, Herr Kollege Zimmermann, und Ihr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger reden, nein, Sie schwadronieren doch unentwegt von der Gefahr, die unserer Ordnung von allen Seiten drohe.
Sie beschuldigen doch Ihrerseits unaufhörlich andere, mit dieser Sicherheit nachlässig umzugehen, und Sie malen doch dauernd das düstere Bild von Subversion, Spionage und Wühlarbeit an die Wand. Und da haben Sie sich kein einziges Mal nach dem Sicherheitszustand des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Spionageabwehr erkundigt?
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Jeder Anfänger, Herr Kollege Zimmermann, weiß doch, daß die Spionageabwehr ein bevorzugtes Ziel fremder Aktivitäten ist. Jedenfalls seit dem Fall Felfe weiß das auch der letzte Anfänger. Jeder kleine Anfänger weiß auch, daß Alkoholmißbrauch und Überschuldung lehrbuchmäßige Anknüpfungen für fremde Aktivitäten sind. Und da haben Sie kein einziges Mal gefragt? Da hat Ihre Fachabteilung mit sieben Referaten und über zwei Dutzend Beamten nicht ein einziges Mal die Sicherheitsakten der betreffenden Personen eingesehen? Das können Sie weismachen, wem Sie wollen.
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Herr Bundesminister Zimmermann, Herrn Regierungsdirektor Tiedge ist zumindest einmal rechtskräftig mit Strafbefehl der Führerschein entzogen worden. Jeder Anfänger weiß, daß darüber Mitteilungen von der Staatsanwaltschaft zu machen sind. Jeder weiß, daß das disziplinare Untersuchungen auslöst. Ich frage Sie: Wollen Sie behaupten, daß die Mitteilung über die Bestrafung und die Entziehung des Führerscheins nicht zu den Akten und nicht zur Kenntnis Ihres Ministeriums gelangt ist?
Außerdem sind in diesem Falle keine disziplinarischen Maßnahmen eingeleitet worden, die bei jedem „kleinen" Beamten in einem solchen Fall sofort Platz greifen. Ich frage Sie noch einmal: Ist das alles Ihrem Hause und Ihnen unbekannt geblieben?
Warum eigentlich, Herr Kollege Zimmermann - und ich frage den Beamtenminister -, hat Ihr Ministerium, das doch angeblich von nichts etwas wußte, das Herrn Tiedge nach wie vor für einen hochqualifizierten und befähigten Mann hielt, die Beförderung dieses Beamten zum Ministerialrat abgelehnt, obwohl er nach seinem Dienstalter und seiner Qualifikation eindeutig zur Beförderung her-anstand? Mit welchen Gründen denn bitte?
Jetzt schreibt eine Ihnen nahestehende Zeitung, im Bundesamt für Verfassungsschutz gebe es rund 30 Dienstkräfte, deren Alkoholkonsum zu Bemerkungen Anlaß gebe. Die Zeitung drückt das etwas derber und direkter aus.
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Und von alldem hat Ihre Fachabteilung, von alldem hat Ihr Fachreferent, von alldem haben Sie selber nichts gewußt?
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Herr Kollege Zimmermann, Herr Rombach, als Abteilungsleiter der unmittelbare Vorgesetzte des betreffenden Beamten, war doch jahrelang sicherheitspolitischer Referent der Unionsfraktion und einer Ihrer engen Mitarbeiter und Mitarbeiter des Herrn Kollegen Spranger. Herr Rombach, der lange in einem persönlichen Vertrauensverhältnis zu Ihnen gestanden hat, behauptet jetzt ständig, wiederholt gewarnt zu haben. Und Sie wollen uns glauben machen, Herr Zimmermann, daß Herr Rombach Sie oder Herrn Spranger kein einziges Mal angesprochen hat, obwohl er Sie beide persönlich gekannt hat
({20})
und obwohl Sie selbst Herrn Rombach in das Bundesamt für Verfassungsschutz geholt haben?
Außerdem eine weitere konkrete Frage: Ist es richtig, Herr Kollege Zimmermann, daß Ihr Ministerium vor einiger Zeit für eine Anzahl stark verschuldeter Beamter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, darunter auch für den hier in Rede stehenden Beamten, eine Umschuldungsaktion in die Wege geleitet hat? Ist das richtig?
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Hat nicht sogar Ihr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger im Bundesamt selbst eine Dienstbesprechung geleitet, bei der auch die katastrophale Verschuldung eben dieses Beamten zur Sprache kam?
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Und von alldem haben Sie, Herr Kollege Zimmermann, der Sie sich Tag und Nacht um die Sicherheit sorgen, nichts erfahren? Und der in der letzten Zeit, in den letzten beiden Wochen, seit Beginn des Falles Tiedge so merkwürdig schweigsam gewordene Herr Spranger, von dem man jeden Tag eine schmetternde Fanfare erwartet hätte, hat auch nichts gewußt? Oder schweigt er deshalb in einer so persönlichkeitsfremden Weise seit 14 Tagen?
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Wir erwarten, Herr Kollege Zimmermann, Ihre präzisen Antworten auf diese Fragen, hier in dieser Sitzung und von dieser Stelle.
Herr Kollege Zimmermann, Sie sind ja in Ihrem Leben schon öfter gefragt worden, z. B. von Herrn Schäfer, dem heutigen stellvertretenden Bundespressesprecher, der Ihre Antworten dankenswerterweise sogar veröffentlichte. Da liest man dann in dem interessanten Büchlein: „Gefragt: Friedrich Zimmermann 1980" als Originalton Zimmermann:
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Ich bin das Gegenteil von listig und verschlagen, weil das einfach Eigenschaften sind, die
mir nicht liegen.
({25})
So Friedrich Zimmermann. Und dann sagt er einen bemerkenswerten Satz:
In der Tat zähle ich - Friedrich Zimmermann zu meinen ausgeprägten Eigenschaften, daß ich dort, wo ich es sein kann, von rückhaltloser Offenheit bin.
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Herr Zimmermann: Hier und heute können Sie nicht nur von rückhaltloser Offenheit sein, hier ist es Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit, von rückhaltloser Offenheit zu sein.
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Vorsorglich, Herr Kollege Zimmermann: Hier haben Sie eine umfassende Wahrheitspflicht. Hier ist es nicht in Ihr Belieben gestellt, hier müssen Sie präzise antworten und die volle Wahrheit sagen!
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Weiter: Warum haben Sie die regelmäßigen persönlichen Lagebesprechungen mit dem Präsidenten des Amtes, die unter Ihren Vorgängern - sie sind zum Teil im Saal -, dem Kollegen Genscher, Herrn Maihofer und dem Kollegen Baum, mehrmals monatlich stattfanden, nahezu einschlafen lassen? Wenn Sie das immer bestreiten, dann nennen Sie uns doch beispielsweise die Zahl dieser regelmäßigen Gespräche im Jahre 1983, im Jahre 1984. Seien Sie rückhaltlos offen, nehmen Sie Ihre Unterlagen und geben Sie hier eine überzeugende Antwort!
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Ich frage, Herr Zimmermann: Hat deswegen, weil Sie diese regelmäßigen Besprechungen einschlafen ließen, zwischen dem Präsidenten und Ihnen ein distanziertes und förmliches Verhältnis und nicht das Vertrauensverhältnis zwischen Minister und Amtspräsidenten bestanden, das diese Aufgabe erfordert, ein Vertrauensverhältnis, bei dem es dann eben auch keine gegenseitigen Geheimnisse in existentiellen Fragen gibt?
Nein, Kollege Zimmermann, so einfach kommen Sie nicht davon. Es ist schon jetzt zu deutlich, daß Sie zwar viel über die Sicherheit des Gemeinwesens geredet haben, daß aber Ihr eigener Einsatz für diese Sicherheit da, wo es nicht um Öffentlichkeitswirkung, wo es nicht um Angriff gegen die andere Partei, sondern um die tägliche, mühsame, für die Öffentlichkeit nicht sichtbare, sorgfältige Detailarbeit geht, völlig unzulänglich war.
({30})
Auch deshalb sind Sie nach Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion in Ihrem Amt nicht länger tragbar.
Sie, Herr Bundeskanzler, haben anders entschieden. Sie haben den Beamten Hellenbroich entlassen - übrigens ohne ihn selbst überhaupt nur anzuhören und ihm Gelegenheit zu geben, sich Ihnen gegenüber zu rechtfertigen und seine Gesichtspunkte vorzutragen.
({31})
Sie haben ihn, Herr Bundeskanzler - und das halte ich für bedenklich -, durch eine Mitteilung Ihres Pressesprechers sogar öffentlich belastet, bevor Ihnen auch nur der erste schriftliche Bericht von Herrn Zimmermann vorlag. Herr Bundeskanzler, Sie sind doch sonst - und wir teilen diese Auffassung - so vehement gegen Vorverurteilungen. In diesem Fall waren Sie der Vorverurteiler, Herr Bundeskanzler.
({32})
Sie haben den Beamten entlassen, dafür haben Sie Herrn Zimmermann im Amt belassen.
Herr Bundeskanzler, Sie können nicht bei jedem Skandal nach dem Motto „Die Kleineren hängt man, und die Größeren läßt man laufen" Beamte in die Wüste schicken und die Minister ungeschoren lassen.
({33})
Sie können nicht, Herr Bundeskanzler, auf die Dauer und auf unbeschränkte Zeit unserem Volk eine Regierung zumuten, in der immer mehr Minister durch Pannen und Skandale, durch mangelnde Bereitschaft, für Fehlschläge und gravierende Unterlassungen die Verantwortung zu übernehmen, Autorität und Ansehen verspielen, und zwar nicht nur das persönliche Ansehen und die persönliche Autorität, sondern die Autorität dieses Staates und dieses Gemeinwesens.
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Herr Bundeskanzler, es war nicht gut, daß Herr von Lambsdorff nach Erhebung der Anklage noch sechs Monate im Amt blieb, obwohl jeder kleine Beamte sofort suspendiert worden wäre. Herr Bundeskanzler, es ist schlimm, daß Sie einen Bundespressesprecher als Staatssekretär beschäftigt haben, der Ihnen gravierende Steuerhinterziehungen verschwieg. Es ist schlimm, daß Sie der Bundeswehr noch immer Herrn Wörner und der Bundespost noch immer Herrn Schwarz-Schilling zumuten, obwohl der eine grobes Fehlverhalten eingestanden und Sie selber um den Rücktritt gebeten hat und der andere in eine Vielzahl gerichtlicher Verfahren von höchst bedenklicher inhaltlicher Gestaltung verwickelt ist.
({35})
Herr Bundeskanzler, damit Sie nicht in die Verlegenheit von Herrn Zimmermann kommen, Sie seien ahnungslos und hätten nichts gewußt, holen Sie bitte über den Inhalt der Verfahren und der Vorwürfe eine Auskunft des Senats von Berlin und des Justizsenators ein, damit später nicht auch Sie ahnungslos sind.
({36})
Es wäre noch schlimmer, Herr Bundeskanzler, wenn Herr Zimmermann bliebe, Herr Zimmermann, der ja nicht das erste Mal versagt hat, der auch für andere Fehlschläge Verantwortung trägt, etwa für das Katalysator-Desaster.
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Herr Bundeskanzler, Sie haben Ihr Kabinett einmal ein Kabinett der geistig-moralischen Erneuerung genannt.
({38})
Sie haben einmal davon gesprochen, daß dieses Kabinett und seine Angehörigen die preußischen Tugenden wieder ernst nähmen. Jetzt, Herr Bundeskanzler, nach noch nicht einmal zweieinhalb Jahren spricht man weltweit von einem Kabinett, das mit Skandalen und Affären belastet ist; und es ist nicht übertrieben, zu sagen, daß aus dem Kabinett der geistig-moralischen Erneuerung der Politik ein Kabinett des politisch-moralischen Niedergangs geworden ist.
({39})
Deshalb, Herr Bundeskanzler, appellieren wir an Sie:
({40})
Raffen Sie sich auf! Herr Zimmermann hat Ihnen einmal - es ist noch nicht lange her - öffentlich Führungsschwäche vorgeworfen, Strafen Sie Herrn Zimmermann wenigstens heute Lügen!
({41})
Herr Bundeskanzler, zeigen Sie endlich die geistig-moralische Führungskraft, die Herr Zimmermann von Ihnen fordert! Entlassen Sie ihn aus seinem Amt!
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Jeder einzelne in diesem Haus, jede Kollegin und jeder Kollege werden Gelegenheit haben, zu dieser Aufforderung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion am Ende dieser Sitzung in namentlicher Abstimmung ja oder nein zu sagen und damit seine Verantwortung deutlich zu machen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
({43})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Miltner.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Opposition, der heute und hier zur Debatte steht, ist schlicht und einfach unbegründet. Ihm fehlt jede Substanz.
({0})
Das künstliche Sich-Entrüsten des Herrn Kollegen Vogel ist hier auch nicht am Platze.
({1})
Das Verhalten des Bundesinnenministers ist frei von jedem Tadel.
({2})
Präsident Dr. Jenninger
Er hat das volle Vertrauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte den Redner anzuhören.
Meine Damen und Herren, zunächst hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ehmke anläßlich des Falles Tiedge noch vor einer parteipolitischen Auseinandersetzung gewarnt und hinzugefügt: Es handelt sich um eine gemeinsame Bedrohung, die gegen uns alle gerichtet ist. Wenig später hält dagegen sein Fraktionsvorsitzender eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages für notwendig, um daraus das politische Süppchen für die SPD kochen zu können.
({0})
Aber unsere Bevölkerung hat ein feines Gespür dafür,
({1})
daß es von wenig staatspolitischer Verantwortung zeugt, wenn aus diesem für uns alle belastenden Spionagefall politisches Kapital geschlagen werden soll.
({2})
Darum hat die SPD auch keine Unterstützung in der Öffentlichkeit und nicht einmal bei den Medien.
({3})
Ihr Versuch, aus dem Fall Tiedge einen Fall Zimmermann zu machen, ist bereits jetzt gescheitert.
({4})
Ohne die weitere Unterrichtung in der Parlamentarischen Kontrollkommission abzuwarten, wo der Verratsfall mit der gebotenen Vertraulichkeit in allen Einzelheiten geprüft und untersucht wird, haben Sie, die SPD, allein die öffentliche Show inszeniert. Das beweist auch das Verhalten von Herrn Kollegen Vogel, der unmittelbar nach der PKK-Sitzung am 27. August in eine Pressekonferenz ging und dort den Eindruck erweckt hat, als ob das Ergebnis der PKK-Sitzung die Rücktrittsforderung decke. Das Gegenteil ist der Fall gewesen. Das wußte er ganz genau. Deshalb war der Auftritt von Herrn Kollegen Vogel auf dieser Pressekonferenz unredlich und unseriös.
({5})
Auch bei der heutigen Sondersitzung geht es Ihnen ja nicht um die Aufklärung der Ursachen eines schwerwiegenden Verratsfalles und schon gar nicht darum, den Schaden möglichst schnell zu beheben und unsere Spionageabwehr wieder effektiver zu gestalten. Der Fraktionsvorsitzende der SPD weiß als Vorsitzender der Parlamentarischen Kontrollkommission genau, daß die näheren Umstände von Spionage- und Verratsfällen und die Belange einer wirksamen Spionageabwehr nicht in voller Breite öffentlich im Plenum erörtert werden können. Deshalb ist es auch unaufrichtig, den Bundesinnenminister in diesem Zusammenhang mit Vorwürfen zu überhäufen und deren Haltlosigkeit damit zu verschleiern, daß man diese Behauptungen leider wegen der gebotenen Vertraulichkeit nicht direkt begründen könne.
({6})
Das alles geschieht in der perfiden Gewißheit, daß der so Angegriffene sich nicht wehren kann, weil er sonst die vereinbarte und gebotene Geheimhaltung verletzen würde.
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Meine Damen und Herren, der Übertritt des Tiedge in die DDR, die Flucht der Agenten Lüneburg, Richter und Betzing müssen vollständig aufgeklärt werden. Die Ursachen dieser Fälle, ihr Umfang und ihr Schaden für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sowie die Arbeitsfähigkeit der Spionageabwehr sind peinlich genau zu ermitteln.
Der Herr Bundesinnenminister hat sofort nach Bekanntwerden dieser Fälle die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet, und wir erwarten von ihm weitere Berichte. Ich bin sicher, daß der Bundesinnenminister und der Generalbundesanwalt den Innenausschuß und die Parlamentarische Kontrollkommission fortlaufend und umfassend unterrichten werden.
Wenn es auch Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, wirklich um rückhaltlose Untersuchung, schnellstmögliche Schadensbewertung und wirksame Vorsorge für die Zukunft geht, sollten Sie die Arbeit der dafür in erster Linie berufenen Parlamentarischen Kontrollkommission auf jeden Fall abwarten und nicht voreilig durch solche Reden wie heute belasten.
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Jetzt kann und muß sich die Parlamentarische Kontrollkommission in besonderer Weise bewähren. Die fortgesetzte öffentliche Erörterung der Stärken und der Schwächen unserer Nachrichtendienste wird letztlich nur den Herren der östlichen Spionagedienste in die Hände arbeiten,
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den Schaden im Inland nicht beheben und auch das Vertrauen der Verbündeten in unsere Sicherheitsbehörden nicht stärken.
({10})
Die Vorwürfe der Opposition im Zusammenhang mit den Spionagefällen gegen die Amtsführung von Innenminister Dr. Zimmermann sind, wie es sich gezeigt, hat, konstruiert und unbegründet. Wenn bei
der Versetzung des früheren Verfassungsschutzpräsidenten in den einstweiligen Ruhestand nach § 36 des Bundesbeamtengesetzes das Bild des Sündenbocks aus dem Alten Testament beschworen worden ist, so geht dieser Vergleich fehl. Das Bundesbeamtengesetz ermöglicht es, jederzeit leitende Beamte ohne Angabe von Gründen zu entlassen. Dabei handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme. Dabei geht es auch nicht um eigenes oder fremdes Verschulden oder ein Dienstvergehen. Es genügt, daß das Vertrauen beeinträchtigt wurde. Und von dieser Möglichkeit haben Sie, meine Herren von der SPD, während Ihrer 13 Jahre oft, ich möchte sagen: zu oft, Gebrauch gemacht, als daß Sie jetzt diese Maßnahme kritisieren dürften.
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Ich möchte ausdrücklich feststellen: Der Herr Bundeskanzler hat eine schnelle und klare Personalentscheidung getroffen,
({12}) die der Lage angemessen und notwendig war.
({13})
Im übrigen bleiben die früheren Verdienste von Herrn Hellenbroich für das Bundesamt für Verfassungsschutz davon unberührt.
({14})
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD, dem Bundesminister jetzt ständig den Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers Leber als angeblich leuchtendes Beispiel vorhalten, hat Sie Ihr zeitgeschichtliches Erinnerungsvermögen wohl völlig verlassen. Der damalige Verteidigungsminister mußte Anfang Februar 1978 seinen Hut nehmen, weil ihm bei der Leitung seines Ressorts schwere Fehler unterlaufen waren. Minister Leber hatte sich um den im Juli 1976 aufgekommenen Spionagefall Lutze/Wiegel eineinhalb Jahre nicht gekümmert. Und der Minister mußte im Jahre 1977, im Dezember, eingestehen, daß er die Tragweite des Geheimnisverrats für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr soeben in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gelesen und erst dann ein Disziplinarverfahren gegen seinen Abteilungsleiter eingeleitet hatte, der den Verrat so leicht ermöglicht hatte.
Vollends unhaltbar wurde Minister Leber damals, weil er im März 1977 eine vollständige Unterrichtung des Bundestages über die sogenannten Lauschaktionen durch sein Schweigen verhindert hatte.
({15})
Die CDU/CSU-Fraktion hat damals Minister Leber ausdrücklich keinen Vorwurf gemacht, daß es die Spionagefälle Lutze/Wiegel gab. Wir haben den Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers gefordert, weil er diese Spionagefälle sträflich fahrlässig behandelt und so als Minister versagt hatte. Im übrigen hatte Leber bei den Linken in der
SPD schon längst jedes Vertrauen und jede Unterstützung verloren gehabt.
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Von alledem, von gravierenden Versäumnissen trotz Kenntnis von einem Spionagefall kann jetzt und hier und heute in diesem Falle keine Rede sein.
({17})
Herr Kollege Vogel, Sie hätten allenfalls dann eine Beziehung zur Ministerverantwortung herstellen können, wenn Sie behauptet hätten, der Minister habe einen für das Amt des Präsidenten unqualifizierten Beamten berufen und trage deswegen letztlich die Entscheidung des Herrn Hellenbroich. Sie wissen aber ganz genau, daß Präsident Hellenbroich als früherer Vizepräsident und Abteilungsleiter im BfV sich in hervorragender Weise für den Posten des Präsidenten angeboten hatte. Präsident Hellenbroich war im In- und Ausland als Fachmann auf seinem Gebiet angesehen.
Solange also der Bundesinnenminister und sein Ministerium keine Anhaltspunkte über Sicherheitsrisiken in der Person von leitenden Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz besaßen, brauchte Minister Zimmermann den Verfassungsschutzpräsidenten auch nicht speziell nach solchen Sicherheitsrisiken zu fragen. Oder soll er bei jeder Zusammenkunft fragen: Haben Sie noch irgend etwas bei Ihren leitenden Beamten, bei 20 Gruppenleitern, bei 8 Abteilungsleitern allein im Bundesamt für Verfassungsschutz?
({18})
Herr Kollege Vogel, Sie haben vorhin gemeint, es hätte j a eine Mitteilung von den Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen wegen des Führerscheinentzuges an das Bundesamt oder an das Bundesinnenministerium gehen müssen. Ich kann Ihnen nach meiner Rückfrage sagen: Eine solche Mitteilung ist aus Nordrhein-Westfalen nicht an das Innenministerium und nicht an das Bundesamt gegangen. Man müßte jetzt einmal prüfen, Herr Kollege, ob ein Versagen der nordrhein-westfälischen Behörden vorliegt.
({19})
Es ist geradezu infam, wenn die Opposition dem Innenminister auch in heutigen Pressemitteilungen wieder unterstellt, er beziehungsweise seine Beamten hätten doch von den persönlichen Problemen des Herrn Tiedge gewußt. Wie soll denn der Bundesinnenminister den Negativbeweis führen? Sie von der Opposition haben Ihre Unterstellung durch nichts, aber auch durch gar nichts belegen können.
({20})
Dem steht ja auch die ganz eindeutige Aussage von
Herrn Hellenbroich entgegen. Die Entscheidung,
den Gruppenleiter Tiedge trotz seiner persönlichen
Verhältnisse und seines Verhaltens in seiner Funktion zu belassen, hat der Präsident des Bundesamtes in eigener Verantwortung getroffen und diese Entscheidung auch in voller eigener Kompetenz gesehen. Der damalige Präsident des BW wollte seine Verantwortung bewußt mit niemandem teilen. Er hat auch jetzt in Kenntnis des Falles Tiedge erklärt, er würde wiederum so wie damals handeln.
({21})
Um jeden Zweifel auszuschließen: Dieser Verratsfall Tiedge ist sehr schlimm. Aber ich frage die SPD: Woher nehmen gerade Sie die Legitimation für diese Vorwürfe an die Regierung und an den Bundesinnenminister? Sie haben in den vergangenen Jahren gewollt oder ungewollt gerade die kommunistische Bedrohung heruntergespielt.
({22})
Sie nehmen die Abgrenzung zur DKP nicht mehr so ernst wie in früheren Jahren.
({23})
Für Teile der SPD sind die Kommunisten bei bestimmten politischen Aktionen hoffähig gemacht worden.
({24})
Sie lamentieren über mangelnde Finanzzuschüsse für die Fahrt zu den Moskauer Weltjugendfestspielen, obwohl Sie wissen, daß es eine kommunistisch gelenkte Propagandaveranstaltung ist.
({25})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn ({0})?
Nein, danke.
({0})
Es ist eine Ironie der Ereignisse, daß der nordrhein-westfälische Innenminister Schnoor den zur Spionageabwehr sehr bedeutungsvollen Melderegisterabgleich im Sommer 1984 gestoppt hat, während gleichzeitig, wie die jüngsten Spionagefälle zeigen, sich DDR-Agenten besonders in seinem Land bewegen.
({1})
Bei der ständigen Abqualifizierung des Bundesamts für Verfassungsschutz tut sich beispielsweise auch der stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen, Professor Isola, besonders hervor, indem er die Tätigkeit des Bundesamts schlicht als „Bespitzelung" diffamiert.
({2})
Auf derselben Ebene liegt die Äußerung des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Emmerlich vom 19. August dieses Jahres, wenn er den Sicherheitsbehörden wörtlich eine teilweise verfassungsrechtlich zweifelhafte Praxis bescheinigt. Wenn sich die Opposition jetzt Sorgen um die Arbeitsfähigkeit unserer Nachrichtendienste macht, so sollte sie sich erst einmal klar und eindeutig zu den Zielen des Verfassungsschutzes bekennen.
({3})
Es ist bezeichnend, wenn Kollege Vogel in diesem Zusammenhang und bei diesem Spionagefall davon spricht, daß man die Großen laufenlasse und die Kleinen hänge.
({4})
Dieser Vergleich ist absurd. Gerade die Fälle der Sekretärinnen Lüneburg und Richter und auch der Fall des Amtsboten Betzing zeigen, daß die östlichen Nachrichtendienste gezielt ihre Spione bei diesen Positionen ansetzen.
({5})
Die Koalition, meine Damen und Herren, wird sich von Ihren haltlosen Behauptungen und Unterstellungen nicht beeindrucken lassen. Sie wird die notwendigen Konsequenzen aus den jüngsten Vorfällen ziehen. Die Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfungen müssen unverzüglich in verbesserter Form in Kraft gesetzt werden. Vielleicht sind Sie bereit, daran auch mitzuwirken. Mit unseren Gesetzen für den Verfassungsschutz, für den MAD und für die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste mit anderen Behörden werden wir dafür die Voraussetzungen schaffen.
({6})
Ich halte es schließlich auch für notwendig, den Nachrichtendiensten qualifiziertes Personal zuzuführen und einen Personalaustausch mit anderen Bundes- und Landesbehörden zu praktizieren.
({7})
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Als Minister aus politischer Verantwortung wegen des Fehlverhaltens eines Beamten Konsequenzen ziehen zu müssen setzt zumindest voraus, daß eine gewisse Kausalität zwischen dem Verhalten des Ministers und dem Fehlverhalten des Beamten besteht. Das ist hier nicht der Fall,
({8})
und zwar erstens deswegen nicht, weil der Bundesinnenminister und seine Beamten im Ministerium keine Kenntnis über die schwierigen persönlichen Verhältnisse des Herrn Tiedge hatten und feststeht, daß der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz weder den Minister noch einen Beamten seines Ministeriums darüber informiert hat; zweitens, weil die konkrete Dienstaufsicht über den Gruppenleiter Tiedge grundsätzlich beim Präsidenten des Bundesamtes lag; drittens, weil dem Minister keine Versäumnisse in bezug auf die Angelegenheiten des Bundesamtes vorgeworfen werden können.
In den 34 Monaten seiner Amtszeit haben 40 sogenannte Sicherheitslagen stattgefunden, neben den wöchentlichen Lagebesprechungen im Bundeskanzleramt, an denen die Präsidenten der Dienste und die Staatssekretäre des Bundesinnenministeriums und des Bundesjustizministeriums teilnehmen.
Für die Unionsfraktion weise ich daher mit allem Nachdruck den Versuch zurück, mit haltlosen Anschuldigungen das Ansehen des Bundesministers des Innern zu schädigen.
({9})
Wir werden deshalb den Antrag zurückweisen und ihn in der Abstimmung ablehnen, wie es ihm gebührt.
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion danke ich dem Bundesinnenminister ausdrücklich für seine Amtsführung und spreche ihm unser Vertrauen aus.
({10})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ströbele.
Herr Präsident! Verehrte Frauen und Männer!
({0})
Dieses Bundesamt für Verfassungsschutz scheint eine ganz tolle Behörde zu sein. Da erscheint seit Jahren morgens ein Kollege mit langer Alkoholfahne zum Dienst und beschäftigt sich mit prekären Angelegenheiten. Das ist aber kein Grund, ihn rauszuschmeißen, sondern das ist ein Grund, ihn der besonderen Fürsorge seines Chefs zu versichern. Wenn dann die Schulden des Kollegen wachsen und die Zahlungsbefehle und Pfändungen ins Haus stehen, ist das auch nur ein Grund, diese Fürsorge zu intensivieren. Wenn Haus und Familie verwahrlosen, dann wird die Fürsorge erneut intensiviert. Wenn dann schließlich der Kollege trotz aller Unterstützung vom Amte untertauchen muß, kümmert sich das Amt ganz fürsorglich und liebevoll um die zurückgebliebenen Kinder. Vermutete homosexuelle Neigungen eines anderen Kollegen sind kein Grund zur Aufregung im Amt, sondern offenbar etwas ganz normales.
({1})
Eine fast alternative Behörde, könnte man meinen! Briefträger, Finanzbeamte und Generale können von solchen Behörden und von solchen Chefs nur träumen.
Ein solcher Zustand eines Geheimdienstes kann für uns kein Grund sein, einen Minister zu entlassen. Gerade dieser Zustand des Geheimdienstes ist es, der Demokraten beruhigen kann, auch wenn wir inzwischen wissen, daß nicht pure Menschlichkeit oder alternative Einstellung Herrn Hellenbroich zu diesem Verhalten veranlaßt haben.
Wir finden auch nichts dabei, wenn Spione sich gegenseitig ausspionieren, wenn sie sich tarnen und enttarnen. Tüchtige Doppelagenten regen die Phantasie an;
({2})
das duftet nach Karl May und Mata Hari. Ich mag Spione, wenn sie sich gegenseitig ausspionieren, wenn die Geheimdienste untereinander rotieren und wenn man gar nicht mehr weiß, wer nun für wen in welchem Augenblick in erster Linie arbeitet.
Überhaupt, wir GRÜNEN sind grundsätzlich gegen staatliche Geheimnisse und staatliche Geheimniskrämerei.
({3})
Deshalb ist das alles für uns kein Grund, den Herrn Zimmermann zu entlassen.
Aber die Affäre Tiedge gibt uns Veranlassung, uns mit diesem Bundesamt für Verfassungsschutz einmal etwas näher zu beschäftigen. Dieser Geheimdienst wurde nach dem Kriege unter maßgeblicher Beteiligung alter Nazi-Agenten aufgebaut, wie z. B. der Name Feltgen beweist. Von ihnen hat das Amt Elitedenken, Korpsgeist und die miese Tradition einer geschlossenen Männergesellschaft gelernt und hat ein perverses Verhältnis zur Bevölkerung und zur demokratischen Öffentlichkeit entwickelt.
({4})
Tiefes Mißtrauen gegen jede kritische, aufmüpfige Bewegung und gegen jede Aktion, wenn sie nur im Geruch steht, links zu sein, bestimmte die Haltung dieses Amtes zur Bevölkerung, und zwar bis heute, wie die Veröffentlichungen im „Spiegel" über die Praktiken der Abteilung P III dieses Amtes im Juni beweisen.
Die andere Seite der Affäre Tiedge ist diese: Was jetzt über die Personen dieses Amtes durch die Presse gezogen wird, zeigt einen Männlichkeitswahn dieser geschlossenen Gesellschaft, die von Depressionen, von Verzweiflung, von Aggressivität und vom Alkohol geprägt ist. Verquere Homosexualität taucht nicht zufällig immer wieder in diesem Rahmen auf.
({5})
Aus nicht zugelassener Sexualität erklären sich Alkoholismus und Aggressivität. Wohin das letztlich führt, zeigte die SA des Herrn Röhm.
Frauen passen nicht in diese Gesellschaften. Sekretärinnen sind bloße Objekte des Geheimdienstes. Liebe wird denunziert, indem man sie als geheimdienstliches Mittel mißbraucht.
({6})
Eine solche Männergesellschaft wollen wir nicht. Sie bringt Gefahren für Demokratie und Bevölkerung, und sie bringt sie gerade dann, wenn sie straff
geführt und reorganisiert wird, wie die SPD das fordert und wie die SPD das täte, wenn sie könnte.
({7})
Da hilft nur eines: Dieses Bundesamt für Verfassungsschutz muß geschlossen werden!
({8})
Die SPD hatte zwölf Jahre Zeit, an Geist und Struktur dieses Dienstes etwas zu ändern.
({9})
Sie hat es versäumt, wie man jetzt wieder sieht.
({10})
Wir wollen dieses Amt nicht, denn der Krieg der Geheimdienste, wie er hier betrieben wird, ist auch Krieg, und wir sind grundsätzlich gegen Krieg. Mit wirklicher politischer und militärischer Entspannung ist das alles nicht vereinbar. Echte Entspannung setzt offene Kontrolle voraus. Außerdem sind die Mittel dieses Geheimdienstes schmutzig; nur im Kino sind sie lustig.
({11})
Solche Spione sind ekelhaft; die wollen wir nicht.
Vor allem sind - darauf kommt es in erster Linie an - Geheimdienste wie das Bundesamt für Verfassungsschutz mit richtig verstandener Demokratie unvereinbar.
({12})
Verfassungsschutz ist in der Demokratie Aufgabe der Bürger selbst. Gegen Gefährdungen schützen wirksam und gefahrlos nur Demokraten mit Zivilcourage
({13})
und eine entsprechende politische Kultur,
({14})
nicht aber im Verborgenen wirkende Geheimdienstler.
({15})
Deshalb muß dieses Bundesamt aufgelöst werden, und bis zur Auflösung dieses Bundesamtes, bis wir das durchsetzen können,
({16})
fordern wir die Beteiligung an der Kontrolle auch dieses Geheimdienstes.
({17})
Die einzige Fraktion des Deutschen Bundestages, die auch in dieser Affäre keinen Dreck am Stecken hat, sind die GRÜNEN.
({18})
Gerade sie werden von der parlamentarischen Kontrolle in der Parlamentarischen Kontrollkommission nach wie vor ausgeschlossen. Die Herren der Altparteien wollen in dieser Kommission unter sich bleiben. Die nicht verstrickten GRÜNEN könnten vielleicht beim Kungeln und beim Unter-den-Teppich-Kehren stören.
Den Altparteien des Verschweigens und des Vertuschens setzen wir die Forderung entgegen, endlich das Selbstverständliche zu tun und die GRÜNEN in die Parlamentarische Kontrollkommission hineinzunehmen.
Der jetzige Antrag der SPD-Fraktion, der Antrag Tiedge/Zimmermann, dient dazu, von dem Antrag, den die Fraktion der GRÜNEN gestellt hat, abzulenken, nämlich hier über Filz und darüber zu debattieren, in welchem Maße Politiker auch dieses Hauses bestochen worden sind, und das hier auf die Tagesordnung zu setzen.
({19})
Der SPD-Antrag auf Rücktritt des Ministers verschleiert im übrigen, daß die Herren Schmidt und Baum und all die anderen der sozialliberalen Koalition das genauso viele Jahre verwaltet haben wie die jetzige Koalition; denn die Herren Tiedge und Hellenbroich und all die anderen waren doch auch damals im Bundesamt für Verfassungsschutz. Die haben genauso geschlafen, oder denen war das genauso gleichgültig; denn der Herr Tiedge hat damals auch schon getrunken, und der Herr Hellenbroich hatte damals auch schon sehr gute familiäre Beziehungen zu der EAP über seinen Bruder. Das war für diese Koalition alles kein Grund einzuschreiten.
Herr Zimmermann hat in diesem Falle mal wieder das Gedächtnis verloren. Was dabei herausgekommen ist, ist für uns kein Grund, dem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen, und ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Herr Zimmermann hat das Wohl der Bundesrepublik dadurch nicht gefährdet. Herr Zimmermann ist eine große Gefahr für die Menschen in der Bundesrepublik, weil er seit Jahren die Gesundheit der Menschen gefährdet, weil er verantwortlich ist, wenn Menschen unter verschmutzter Luft, unter verseuchtem Wasser, unter verunreinigten Lebensmitteln leiden und die Natur zugrunde geht. Deshalb fordern wir den Rücktritt dieses Ministers. Herr Zimmermann, treten Sie zurück, heute noch!
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ströbele, Ihre Rede hat in mir geradezu nostalgische Erinne11296
rungen an den Altkollegen Joschka Fischer erweckt. Das muß ich Ihnen sagen.
({0})
Da sind wir doch andere Kaliber gewohnt gewesen.
Sie haben unter vielen anderen die sehr merkwürdige Bemerkung gemacht, daß Sie Verständnis für Spione und Doppelspione hätten. Ich glaube, es gibt keinen besseren Beleg für die Richtigkeit einer Entscheidung dieses Hauses, die mir persönlich innere Zweifel erweckt hatte, der Entscheidung, die Beteiligung an der Parlamentarischen Kontrollkommission nicht einem Proporz zu überlassen, sondern sie zum Gegenstand einer Persönlichkeitswahl dieses Hauses zu machen.
({1})
Die Fraktion der Freien Demokraten wird - ({2})
- Verehrte Kollegen, ich werde gleich auf Ihre Frage zurückkommen.
({3})
Die Fraktion der Freien Demokraten wird den Antrag der Opposition nicht unterstützen. Jeder Minister trägt eine politische und parlamentarische Verantwortung. Der uns bekannte Sachverhalt zwingt aber nicht zum Rücktritt oder zur Entlassung des Ministers.
({4})
- Ja, Sie werden das gleich noch hören.
Es ist unstreitig, daß sich der Fall Tiedge als außerordentlich schwerer Fall des Landesverrates darstellt. Es ist der bisher schwerwiegendste Vorgang dieser Art, der die Tätigkeit der Spionageabwehr über Jahre nachhaltig beeinträchtigt. Es ist auch offensichtlich, daß der Fall Tiedge mit Problemen des Schutzes der Privatsphäre, gemeinhin Datenschutz genannt, nichts zu tun hat. Der Beamte war von seinem Dienstvorgesetzten als Sicherheitsrisiko erkannt und ist gleichwohl vom Behördenchef auf seinem Platz belassen worden. Soweit der Innenminister mit Rücksicht auf die anderen Fälle die Sicherheitsrichtlinien verändern will
- Kollege Miltner hat das soeben angekündigt -, also das Verfahren der Prüfung von Personen, die wegen ihrer besonderen Vertrauenswürdigkeit in sicherheitsrelevanten Stellen tätig sind oder in sie berufen werden sollen, kann der Minister selbstverständlich auf die Vorlagen seines Amtsvorgängers Baum unverändert zurückgreifen. Aber ohne persönliches Vertrauen helfen auch noch so schöne Richtlinien nichts. Auch wäre es nicht vertretbar, wenn wir jeden Deutschen nur deswegen zum erhöhten Sicherheitsrisiko stempeln würden, weil er
das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik irgendwann verlassen hat.
({5})
Es ist jedenfalls völlig unstreitig, daß die Sicherheitsüberprüfungen um so strenger sein müssen, je sicherheitsrelevanter die Tätigkeit eines Mitarbeiters ist. Die Art der beabsichtigten Verwendung ist der entscheidende Maßstab, wie weit und wie intensiv in der Vergangenheit und in der Umgebung eines Mitarbeiters mit seinem Einverständnis geprüft werden muß.
Der Fall Tiedge weist andere Besonderheiten auf. Da ist die Frage, wie erreicht werden kann, daß für die Behörde - nämlich für das Verfassungsschutzamt - hochqualifizierte und in jeder Weise geeignete Mitarbeiter gewonnen werden können. Das ist nicht etwa nur eine Frage der Besoldungsgruppe, sondern das ist eine Frage der Würdigung der Tätigkeit dieses Dienstes.
Darum sage ich: Wir halten die Tätigkeit des Verfassungsschutzes für notwendig. Es gibt auch keinen Staat in der Welt, der seine Dienste so strengen parlamentarischen und gesetzlichen Kontrollen unterwirft wie die Bundesrepublik.
({6})
Das wird so bleiben. Darum müssen wir uns um das Ansehen dieser Beamten auch dadurch bemühen, daß wir ihre Arbeit zutreffend würdigen, und zwar auch über die Parteigrenzen hinweg.
({7})
Wenn die Tätigkeit des Verfassungsschutzes unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zu kritisieren wäre, Herr Kollege Vogel, dann läge die Verantwortung dafür hier in diesem Parlament.
({8})
Ich halte es darum nicht für sehr sinnvoll, daß Sie von der Überprüfung oder der Nachforschung in bezug auf ich weiß nicht wie viele tausend Personen - kleine Leute - reden, ohne gleichzeitig hier in parlamentarischer Verantwortung vorzutragen, welche Konsequenzen Sie daraus gezogen haben und ziehen wollen.
({9})
Es erfüllt uns auch mit zunehmender Sorge, daß die Beamten dieser Dienste bis in nachgeordnete Funktionen hinein in Diskussionen danach gegliedert werden, zu welcher Partei sie gehören und ob sie in irgendeinen Proporz passen.
({10})
Die Arbeit dieser Dienste ist keine parteipolitische Funktion,
({11})
und es wäre verheerend, wenn ihre Tätigkeit und ihre Kontrolle durch die Bildung politischer Seilschaften beeinträchtigt werden würden.
({12})
Wenn also darauf abgehoben wird, daß es ganz unwahrscheinlich sei, daß Herr Rombach keine Informationen weitergegeben habe, dann kann man diese Frage auch auf andere Mitarbeiter des Dienstes beziehen. Wir sollten bei beiden nicht davon ausgehen, solange uns konkrete Fakten nicht zur Verfügung stehen.
({13})
Wir müssen die Arbeit dieser Beamten sachgerecht würdigen. Darum ist es auch unverständlich, warum der bayerische Ministerpräsident Strauß, unter dessen Verantwortung ebenfalls ein Verfassungsschutz arbeitet, ausgerechnet in der Deutschen Demokratischen Republik mitteilt, daß 90 % der Ergebnisse dieser Dienste unbrauchbar seien.
({14})
Wenn das der Fall wäre, gehörten Tatsachen dazu in den Bayerischen Landtag sowie hierin in den Innenausschuß und vor die Parlamentarische Kontrollkommission, aber nicht vor die Journalisten der Deutschen Demokratischen Republik.
({15})
Es ist weiter zu fragen, welche grundsätzlichen Vorkehrungen getroffen worden sind, um Personalentscheidungen auch zu Lasten besonderer Geheimnisträger treffen zu können, wenn sie in Abhängigkeiten geraten sind oder wenn das Vertrauensverhältnis zu ihnen sonst gestört ist. Der Regierungsdirektor Tiedge ist ja nicht der erste, einzige und letzte Alkoholiker in einem Nachrichtendienst. Es gibt auch andere denkbare persönliche Verstrikkungen, die z. B. Erpreßbarkeiten begründen können und deren Lösung nur durch eine enge und intensive Zusammenarbeit mit den Ministerien und mit den anderen Diensten jedenfalls erleichtert werden könnte. Diese Fragen sind neben anderen in der Parlamentarischen Kontrollkommission zu klären, die ihre Beratungen eben nicht abgeschlossen hat.
Wir bedauern, daß der Kollege Vogel als Vorsitzender dieser Kommission uns die heutige Debatte zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufzwingt, ohne daß wir die gesamte Sachlage, die einer abgewogenen Beurteilung zugrunde liegen sollte, haben feststellen können.
({16})
Nach Art. 64 unserer Verfassung werden Bundesminister auf Vorschlag des Bundeskanzlers ernannt und entlassen. Der Bundestag hat nicht die Möglichkeit, den einzelnen Bundesminister aus der Bundesregierung herauszulösen. Ich habe mich geirrt, wenn ich daraus zeitweise den Schluß gezogen habe, daß die parlamentarische Verantwortung eines Ministers durch diese Bestimmung gemindert sei. Sie besteht, wenn es auch verfassungsrechtlich die alleinige Entscheidung des Ministers selbst und des Bundeskanzlers bleibt, welche Folge sich aus der parlamentarischen Verantwortung im jeweiligen Einzelfall ergibt.
Der Abgeordnete Reinhold Maier hat in einer Debatte dieses Hauses am 16. September 1954 aus Anlaß des Falles John sehr eindrucksvoll dargelegt, daß ein Minister auch ohne persönliches Verschulden eine parlamentarische Veranwortung hat und haben muß. Es unterscheidet ihn ja gerade von seinen Beamten und von einem nachgeordneten Mitarbeiter, daß er nicht die Bemühung schuldet, sondern den Erfolg. Er darf sich dem Parlament gegenüber nicht unangreifbar fühlen. Reinhold Maier sagt, dem parlamentarischen Minister müsse stets der Blick auf die politischen Absturzstellen geöffnet bleiben. Ich zitiere: „Nur so lernt er, an gemachten Fehlern, zukünftige zu vermeiden. Und es ist ja so: er hat meistens für Fehler einzustehen, die andere gemacht haben ... Verzichten wir auf das Wirksamwerden dieser inneren Kräfte des parlamentarischen Prinzips, dann setzen wir das parlamentarische Prinzip außer Kurs."
({17})
Diese parlamentarische Verantwortung des Ministers wird nicht durch eine Haftung des politischen Beamten ersetzt; denn diese besteht gegenüber seinen Dienstvorgesetzten und nicht gegenüber dem Parlament. Es gibt Beispiele, in denen Minister eine solche Erfolgshaftung oder - besser - Mißerfolgshaftung ohne Einschränkung für sich akzeptiert haben. Sie können aber nicht zum allgemeinen verpflichtenden Prinzip im Sinne einer Automatik gemacht werden. Das hieße, die Verfassung der Sache nach zu ändern und den Minister zum Spielball fremder Entscheidungen und unwägbarer Zufälligkeiten zu machen.
({18})
Jeder Kanzler, jeder Minister muß seinen persönlichen Stil in dieser Abwägungsfrage finden und darstellen. Er muß wissen, daß der politische Erfolg - und weit mehr als sein persönliches Ansehen - auch davon abhängt, wie er persönlich solche Krisen seiner politischen und parlamentarischen Existenz bewältigt. Diese Frage des Stils ist zu trennen von dem unzweifelhaften Kern parlamentarischer Haftung, nämlich für eigenes Verschulden, für Organisationsfehler und für personelle Fehlentscheidungen. In diesem Bereich darf es keine Mutmaßungen geben, sondern in diesem Bereich darf man sich nur auf Fakten stützen.
Der Minister selbst hat von dem Fall Tiedge nichts gewußt. Er hat im Innenausschuß dargestellt, daß sein Haus auch bis zum 21. August dieses Jahres nicht informiert gewesen sei. Das ist bedauerlich, aber wir kennen keine Tatsache, die dem widerspräche. Eine persönliche Mitschuld an einer falschen Entscheidung in der Sache selbst kann ihm also nicht angelastet werden.
Die Entscheidung, den Präsidenten Hellenbroich in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, war richtig. Er hätte den Innenminister informieren müssen, selbst wenn dabei nicht nur vertrauliche, sondern auch äußerst geheimzuhaltende Dinge hätten zur Sprache kommen müssen. Wem gegenüber wenn nicht gegenüber dem Minister hätten sie denn sonst offenbart werden sollen? Bei richtiger Bewertung des notwendigen Vertrauensverhältnisses zwischen Amtschef und verantwortlichem Minister kann es keine Alternative geben, wenn die Zusammenarbeit zwischen beiden überhaupt funktionieren soll. Hier scheint es gefehlt zu haben, wenn wir gleichzeitig hören, daß auch in einem anderen wesentlichen Fall, nämlich dem Fall Höke, die Information des Ministers nicht unverzüglich erfolgt ist.
Nach dem Vortrag des Ministers im Innenausschuß ist auch die Dienstaufsicht intensiv ausgeübt worden. Der Minister hat nach seiner Darstellung selbst detaillierte Dienstgespräche geführt, auch solche, die sich auf die Abteilung IV bezogen. Ich begrüße die Erklärung des Ministers, daß er diese besonderen Gespräche ebenso häufig geführt habe wie sein Amtsvorgänger. Er würdigt damit dessen intensives Bemühen um die innere Sicherheit, indem er es für sich zum Maßstab macht.
({19})
Wir gehen davon aus, daß auch das Haus die Fachaufsicht mit der notwendigen Genauigkeit durchgeführt hat. Auch in diesem Bereich kennen wir keine Tatsache, die zu einer Beanstandung führen würde.
Wir sind deswegen zu der Auffassung gekommen, daß weder ein Rücktritt noch eine Entlassung des Ministers verlangt werden kann. Wir werden den Antrag der Opposition darum nicht unterstützen.
Ich möchte zum Schluß eine persönliche Bemerkung an den Innenminister richten. Sie sind mit einem besonderen Anspruch, Herr Kollege Zimmermann, im Bereich der Innen- und Rechtspolitik in Ihr Amt gekommen. Wir wußten und wir wissen, wie schwierig diese Aufgabe ist. In einer Debatte dieses Hauses, am 14. Oktober 1982, habe ich bei Ihrem Amtsantritt gesagt:
Sie werden wie jeder Innenminister merken, wie schwer dieses Amt ist, wie schwer die Verantwortung, die Ihnen übertragen wurde, und wie einsam Sie darin werden können.
Wir haben Ihnen die parlamentarische Unterstützung im Rahmen der Koalition zugesagt, und wir wollen, daß diese Regierung insgesamt Erfolg hat, damit sie die wirklichen Probleme dieser Jahre lösen kann. An diesem Ziel halten wir unverändert fest.
({20})
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister des Innern.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich meinen Bericht beginne, muß ich einige Ausführungen zu den Worten des Kollegen Vogel machen.
Herr Kollege Vogel, die meisten Fragen, die Sie heute im Plenum gestellt haben, habe ich gestern in einer Sondersitzung des Innenausschusses beantwortet; ungefähr 30 Redner; 80 bis 100 Fragen werden ungefähr gestellt worden sein.
({0})
Die weiteren Fragen, die Sie gestellt haben, nach Führerschein und Befassung des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger mit finanziellen Problemen von Dienstangehörigen, werde ich morgen in der PKK beantworten, weil sie im Sachverhalt zu läppisch sind, um vor dem Plenum behandelt zu werden.
({1})
Was Sie über meine Dienstaufsicht geurteilt haben, obwohl Sie sicher über die dreieinhalbstündige Sitzung des Innenausschusses gestern informiert worden sind, ist eine intellektuelle Unseriosität und eine schlichte Unwahrheit in ihrer Qualifizierung.
({2})
Aber es kommt noch schlimmer, noch charakteristischer für Sie: Sie haben mir unterstellt,
({3})
daß ich den Abteilungsleiter Rombach doch wohl sicher empfangen hätte. Es glaube mir doch niemand, haben Sie gesagt, daß ich das nicht getan hätte. - Der Abteilungsleiter Rombach war im Bundesamt für Verfassungsschutz, bevor er mein Mitarbeiter in der CDU/CSU-Fraktion wurde, und er ging nachher wieder ins Bundesamt für Verfassungsschutz zurück.
({4})
Ich habe ihn in der gesamten Zeit, in der ich Bundesinnenminister war und er als Abteilungsleiter Mitglied des Bundesamtes für Verfassungsschutz, nicht empfangen, weil es meinem Verständnis von der Ausübung des Amtes widerspräche, hinter dem Rücken der Amtsleitung einen mir auch noch so gut bekannten Abteilungsleiter zu Informationen aus dem Amt zu empfangen.
({5})
- Herr Ehmke, daß Ihnen das unverständlich ist, ist dem Hohen Haus bekannt.
({6})
In diesem Amt gibt es einen Vizepräsidenten, der Ihr Vertrauen genießt und der von mir berufen worden ist, weil er Ihr Vertrauen genießt. Ich hoffe, Sie unterstellen ihm nicht das gleiche. Ich glaube nicht, daß er von sich aus - ({7})
- Er wußte Bescheid. Seine dienstliche Erklärung weist aus, daß er Bescheid wußte und in zwei Fällen tätig war.
({8})
Ich hoffe und ich glaube, daß er Sie nicht von sich aus informiert hat.
({9})
Sie sollten sich aber morgen, Herr Kollege Vogel, in der Parlamentarischen Kontrollkommission fragen lassen, wie es damit bei Ihnen gestanden hat.
({10})
- Ja, so ist es bei Ihnen. - Das alles hätte ich nicht getan, wenn diese Rede des Abgeordneten Dr. Vogel nicht von der Art gewesen wäre, wie sie gewesen ist.
({11})
Am Freitag vorletzter Woche, am 23. August, teilte die Nachrichtenagentur der DDR, ADN, mit, daß der Regierungsdirektor Tiedge des Bundesamtes für Verfassungsschutz in die DDR übergetreten sei und dort um politisches Asyl gebeten habe.
({12})
Nach den bisherigen Erkenntnissen wurde Tiedge zuletzt am vorausgegangenen Sonntag, dem 18. August, in Köln gesehen. Am nächsten Tag meldete er sich telefonisch krank. Bis heute liegen keine präzisen Fakten über Zeitpunkt, Ort und Umstände des Übertritts vor. Der Bundesregierung ist die Kopie einer schriftlichen Erklärung Tiedges zugeleitet worden, in der er angibt, er sei am 19. August 1985 aus einer für ihn ausweglosen persönlichen Situation, aber aus freien Stücken und auf Grund eigener Entscheidung in die DDR übergewechselt.
({13})
Tiedge gehörte dem Bundesamt seit dem 15. September 1966 an. Er war in verschiedenen Referaten der Abteilung Spionageabwehr und Geheimschutz eingesetzt und leitete seit dem 28. Januar 1982 die Referatsgruppe Nachrichtendienste der DDR. Er galt bis zu seinem Verschwinden als Experte der Abwehr der DDR-Dienste.
Am Mittwoch, dem 14. August, war Tiedge zuletzt im Bundesamt für Verfassungsschutz und bat um einen Tag Urlaub für den 15. August. Am Freitag, dem 16. August, informierte er das Amt fernmündlich, daß er auch für diesen Tag Urlaub nehme. Am Montagmorgen, dem 19. August, meldete er sich, wie gesagt, telefonisch krank, nach Mitteilung seiner Töchter jedoch nicht von zu Hause aus. Weitere Versuche des Amtes, Tiedge an diesem Tag zu Hause zu erreichen, schlugen fehl.
Die im Laufe des 19. August unterrichtete Amtsleitung des Bundesamtes veranlaßte am darauffolgenden Dienstag, nachdem Tiedge erneut morgens nicht zu Hause angetroffen wurde, umfangreiche Suchmaßnahmen.
Das Bundesministerium des Innern, und zwar Staatssekretär Neusel, wurde am Mittwoch, dem 21. August, durch den Präsidenten des Amtes unter gleichzeitiger erstmaliger Mitteilung des persönlichen Hintergrundes von Tiedges Verschwinden unterrichtet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Bundesministerium des Innern weder vom Verschwinden noch von den besonderen Lebensumständen Tiedges Kenntnis.
Heute wissen wir, daß es bei ihm drei äußerst problematische Lebensbereiche gab: seine finanzielle, seine familiäre und seine gesundheitliche Situation. Nach ärztlicher Auskunft litt er an Fettleibigkeit, Diabetes und Bluthochdruck; hinzu kamen Kreislaufprobleme. Sein schlechter Gesundheitszustand läßt sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückführen. Diese Neigung soll bereits seit Ende der 70er Jahre bestanden haben. Alkoholgenuß im Dienst wurde jedoch nicht festgestellt.
Die finanzielle Situation Tiedges muß als bedrükkend bezeichnet werden. Trotz beachtlicher finanzieller Zuwendungen aus der Verwandschaft stieg die Schuldenlast in den letzten Jahren auf einen Stand, bei dem Zinsen und Tilgungen einen großen Teil seines Gehalts aufzehrten. Rechnungen mußten zum Teil angemahnt werden, in einzelnen Fällen kam es zu Zwangsmaßnahmen.
({14})
Der seinerzeitigen Amtsleitung des Bundesamtes waren diese Umstände sowie Tiedges schwierige familiäre Situation nach dem Tode seiner Frau am 16. Juli 1982 bekannt. Die Amtsleitung hat dennoch davon abgesehen, das Bundesministerium des Innern hiervon in Kenntnis zu setzen. Sie hat nach Erörterung des Falles entschieden, ihn weiter in seiner dienstlichen Funktion zu belassen, ihm aber Rat und Hilfe bei der Bewältigung seiner persönlichen Schwierigkeiten anzubieten und ihm ernste Abmahnungen wegen der bedenklichen Züge seiner persönlichen Lebensführung zu erteilen.
Nach dieser Sachinformation komme ich zur politischen Verantwortung. Dabei gibt es keinen Zweifel, daß der Grundsatz der politischen Verantwortung der Bundesregierung für jede Regierungstätigkeit gilt.
Hieraus folgt jedoch nicht, daß der Regierung oder dem in der Ressortverantwortung stehenden einzelnen Bundesminister jede Dienstpflichtverletzung oder jedes andere Fehlverhalten eines Mitarbeiters im Geschäftsbereich unmittelbar und persönlich zuzurechnen wäre. In einer arbeitsteiligen und stufenmäßig aufgebauten Verwaltung kann sich die persönliche Verantwortlichkeit eines Bundesministers außer auf seine eigenen Handlungen und Entscheidungen nur auf die sachgerechte Organisation seines Geschäftsbereichs und auf die Geeignetheit der Maßstäbe bei der Auswahl der Mitarbeiter erstrecken, die er mit besonderen Aufgaben betraut.
({15})
Auch bei strenger Anwendung dieses Grundsatzes habe ich festzustellen, daß das Bundesministerium des Inneren korrekt gehandelt hat.
({16})
Die Fach- und Dienstaufsicht über das Amt wurde kontinuierlich in den dafür vorgesehenen Verfahren ausgeübt.
({17})
Ich habe das in der gestrigen Sondersitzung des Innenausschusses im einzelnen vorgetragen. Dabei konnten mir eigene Fehlentscheidungen weder in personeller noch in organisatorischer Hinsicht vorgeworfen werden.
Für seine Aufgabenbewältigung ist dem Bundesamt darüber hinaus eine weitgehende Selbständigkeit gesetzlich eingeräumt. Diese Selbständigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz entspringt der dem Wesen unseres Staates entsprechenden Grundentscheidung, nicht einen allumfassenden, allzuständigen Staatssicherheitsdienst - ein in den Staaten des kommunistischen Machtbereichs überall vorfindbares Modell - zu schaffen, sondern mit den Sicherheitsaufgaben verschiedene Behörden mit jeweils eigener Zuständigkeit zu betrauen, die ihre Aufgaben auf der Grundlage der Bindung an das für sie geltende Gesetz zu erfüllen haben. Damit wird auch die Eigenständigkeit der Ämter und die im Prinzip selbständige und selbstverantwortliche Amtsführung ihrer Leitungen vorausgesetzt.
Die Fachaufsicht greift in Entscheidungen des unterstellten Amts dann ein, wenn diese als korrekturbedürftig erscheinen.
Da es für mich keinerlei Anhaltspunkte für die mögliche Fehlentwicklung im Fall Tiedge gab, gab es für mich bis zum Bekanntwerden seines Verschwindens folglich auch nichts zu unternehmen oder zu unterlassen. Dies sage ich ausdrücklich auch an die Adresse all derer, die hinterher alles schon von Anfang an gewußt haben wollen.
Ich komme zum Kern meiner Ausführungen, nämlich: Was hat der Bundesminister des Inneren unternommen, um der ihm verfassungsrechtlich auferlegten Pflicht zu genügen, Schaden von der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden? Er hat eine Reihe sehr konkreter Maßnahmen getroffen, die ich im einzelnen erläutere. Es sind Maßnahmen der Schadensfeststellung, der Schadensbegrenzung und der Schadensverringerung.
({18})
Eines der markanten Tätigkeitsfelder der totalitären kommunistischen Systeme ist die rücksichtslose Ausspähung der freiheitlichen westlichen Gesellschaftsordnungen, eine Ausspähung, mit der bevorzugt mehrere Ziele verfolgt werden, nämlich die technische und wirtschaftliche Unterlegenheit der kommunistischen Systeme zu verringern, politische Entscheidungen und Entwicklungen voraussehen zu können und schließlich auch durch sogenannte aktive Maßnahmen in den freiheitlichen Gesellschaftsordnungen, die auf dem Konsensprinzip der Bevölkerung basieren, Verunsicherung und Mißstimmung zu schaffen.
Wir haben es auf diesem Gebiet in erster Linie mit dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit und dessen Spionageapparat, der Hauptverwaltung Aufklärung zu tun.
Die Abwehr der DDR-Dienste ist ein zentrales Aufgabengebiet der Verfassungsschutzbehörden.
({19})
Im Zentrum dieser Aufgaben lag das Tätigkeitsgebiet Tiedges. Als der für die Abwehr der DDR-Dienste zuständige Gruppenleiter war er detailliert unterrichtet über die personelle Struktur der Verfassungsschutzbehörden, ihre technische Ausrüstung, die Stärken und Schwächen des eigenen Dienstes und des abzuwehrenden DDR-Nachrichtendienstes, die Methodik der Spionageabwehr, über die Leistungsebenen anderer Dienste, über Art, Methode und Intensität der Zusammenarbeit der Dienste untereinander.
Es muß davon ausgegangen werden - in solchen Fällen muß man immer vom schlimmsten Fall ausgehen -, daß Tiedge diese Kenntnisse verraten hat oder noch verraten wird. Diese Feststellung gilt für das Bundesamt sowie Teile der Landesämter für Verfassungsschutz. Sie gilt nach den bisherigen Ermittlungen nicht für den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst, da die Dienste des Bundes im operativen Bereich das Prinzip einer strengen Abschottung beachten.
Es kann keinen Zweifel geben, daß es sich trotz dieser Einschränkung beim Fall Tiedge um einen gewichtigen, für unsere Sicherheitsinteressen besonders schädlichen Fall handelt. Ich möchte aber nachdrücklich betonen, daß wir dadurch zwar einen erheblichen Rückschlag bei unserer Spionageabwehr erlitten haben, daß aber die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland insgesamt nicht gefährdet ist.
Im Bundesministerium des Innern wurde sofort nach Bekanntwerden des Verschwindens Tiedges eine Arbeitskommission eingesetzt, deren Aufgabe es ist, den angerichteten Schaden rückhaltlos aufzuklären und Maßnahmen der Schadensbegrenzung und Schadensminderung zu ergreifen. Die besonderen Schwierigkeiten, mit denen sich diese Kommission befassen muß, ergeben sich, wie jeder verstehen wird, auch daraus, daß es notwendig ist,
Deutscher Bundestag 10. Wahlperiode Präsident Dr. Jenninger
die letzten 20 Jahre des Lebensweges von Tiedge möglichst exakt nachzuzeichnen, um den Wissensstand, den er in die DDR mitgenommen hat, überschauen zu können. Insoweit spielt es für die Gegenmaßnahmen nur eine untergeordnete Rolle, ob er bereits seit Jahren spionierte oder ob es sich - worauf die bekanntgewordenen Fakten hindeuten - bei seinem Übertritt um eine Kurzschlußreaktion gehandelt hat.
Parallel zur Schadensfeststellung sind unverzüglich alle als geeignet erscheinenden Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und Schadensverminderung ergriffen worden. Das ist insbesondere die sofortige Einstellung aller nachrichtendienstlichen Operationen, von denen vermutet werden muß, daß Tiedge Kenntnis von ihnen oder den sie durchführenden Personen hat. Ebenso wurden eine Reihe von Schutzvorkehrungen für die hiervon betroffenen geheimen Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz getroffen.
Im Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz sind alle im Augenblick als geeignet erscheinenden personellen und organisatorischen Maßnahmen angelaufen, um Tiedges Kenntnisse so weit wie möglich zu neutralisieren. Diese Maßnahmen beziehen sich insbesondere auf die Abteilung IV des Amtes. Ich habe die Weisung gegeben, daß bei den notwendigen personellen und sachlichen Umstrukturierungen im Bundesamt diese Arbeitseinheit optimal ausgestattet wird, um sie möglichst schnell wieder voll arbeitsfähig zu machen.
({20})
Die Angehörigen des Amtes erfüllen ihren gesetzlichen Auftrag unter schwierigen Bedingungen. Sie haben sich in vielen Jahren bewährt und erbringen Leistungen, die dieser Staat braucht. Oft sehen sie sich dabei jedoch öffentlicher Diskriminierung und Diffamierung ausgesetzt, die die Aufklärungsarbeit zum Schutz der Verfassungsordnung und der Sicherheit unseres Staatswesens demagogisch als „Schnüffelei" beschimpfen.
({21})
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Ich gestatte keine Fragen. Das ist eine zusammenhängende Erklärung.
({0})
Damit sollen gleichzeitig Mißtrauen in der Bevölkerung geschürt und die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes verunsichert werden.
Ich werde das Amt dabei unterstützen, trotz des schweren Rückschlags seine Wirkungskraft bald wiederherzustellen, und rufe alle verantwortungsbewußten politischen Kräfte auf, diesem Bemühen ihre Unterstützung zu geben. Dann kann es mit Einsatzbereitschaft, Intelligenz und dem Zusammenstehen der Mitarbeiter auch gelingen, den Angriffen der Gegner unseres Staates zu widerstehen und den drohenden Gefahren mit wirksamer Abwehr zu begegnen.
({1})
Das alles wird nicht ohne weitere persönliche Belastungen für die in ihren privaten und beruflichen Möglichkeiten ohnehin eingeschränkten Mitarbeiter des Amtes möglich sein. Es ist zugleich aber auch eine Herausforderung an die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter des Amtes, der sich zu stellen ich sie ausdrücklich aufrufe. Es ist ein Gebot der Schadensminderung, dem Amt alle erdenkliche Hilfestellung zu geben, damit es das Vertrauen in seine volle Leistungsfähigkeit wiedergewinnt.
Ich möchte an dieser Stelle nur daran erinnern, daß der institutionelle Schutz der Verfassung, der als Aufgabe den Verfassungsschutzbehörden zugewiesen ist, auf einer Grundentscheidung der Väter des Grundgesetzes beruht, die von allen demokratischen Kräften mitgetragen wurde.
Der Vollständigkeit halber sollte man nicht vergessen, daß es die Kommunisten im Parlamentarischen Rat und im ersten Deutschen Bundestag waren, die ein Verfassungsschutzamt verhindern wollten. Daß es nunmehr die GRÜNEN sind, die heute das gleiche versuchen, spricht für sich.
({2})
Herr Abgeordneter, der Herr Bundesminister läßt keine Zwischenfragen zu.
({0})
Meine Damen und Herren, alles im Augenblick Mögliche wird getan, um den Schaden, der für die Bundesrepublik Deutschland entstanden ist, so gering wie möglich zu halten. Über weitere Einzelheiten habe ich bereits die Parlamentarische Kontrollkommission und gestern den Innenausschuß des Deutschen Bundestages unterrichtet. Die Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission werde ich morgen fortsetzen.
({0})
Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über den Vorgang, der heute hier im Hohen Haus zur Debatte steht, ist das Parlament in den letzten Tagen in verschiedenen Sitzungen - ich erinnere an die Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission, an die Sitzung des Innenausschusses und jetzt eben
an den Bericht des Herrn Bundesinnenministers - umfassend und rückhaltlos unterrichtet worden.
({0})
Meine Damen und Herren, es ist für jeden, der diese Debatte aufmerksam gehört hat, merkwürdig, daß sich die Opposition - und hier unterscheiden sich GRÜNE und Sozialdemokraten in nichts - weit weniger für den feststellbaren Schaden und die Möglichkeit der Schadensbegrenzung interessiert haben und interessieren als für die Frage: Wie kann man einen Bundesminister stürzen?
({1})
Meine Damen und Herren, das Ziel Ihrer ganzen Aktivität ist, daß Sie ein politisches Opfer sehen wollen. Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, Herr Kollege und Herr Abgeordneter Vogel, daß Sie an diesem Vorgang darüber hinaus irgendein Interesse hätten.
({2})
Ihre Rede diente im wesentlichen dazu, Persönlichkeiten aus Ihrer politischen Gegnerschaft herabzusetzen, herabzuwürdigen und zu verdächtigen.
({3})
Die Art und Weise, wie Sie diese Debatte geführt haben, spricht für sich. Ich habe nicht die Absicht, weiter darauf einzugehen. Es ist ein weiterer Beweis für Ihre Vorstellungen vom Umgang miteinander. Ihr Kollege Wischnewski hat das ja heute in der geeigneten Weise dargestellt.
({4})
Es war doch in diesen Tagen offenkundig, daß Sie zunächst noch auf eine Feststellung gehofft hatten, daß man dem Bundesinnenminister ein irgendwie geartetes Fehlverhalten hätte zuordnen können. Sie haben sich auch heute - und das entspricht Ihrer parlamentarischen Umgangsart - in allgemeinen Verdächtigungen geäußert, ohne konkrete Beweise für Ihre Behauptungen vorlegen zu können.
({5})
Herr Abgeordneter Vogel, spätestens seit der Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission, deren Vorsitzender Sie gegenwärtig immerhin sind, wissen Sie, daß Sie diese Vorwürfe so nicht erheben können, daß es ein solches Fehlverhalten nicht gibt, weder für die Entstehung dieses Falles noch bei der administrativen und politischen Behandlung nach dem Verschwinden von Herrn Tiedge.
Meine Damen und Herren, im Gegensatz zu Erfahrungen mit Spionagefällen der Vergangenheit wurde von dieser Bundesregierung nichts, aber auch gar nichts verschleiert. Es wurde rückhaltlos Sachaufklärung geleistet, und es wurde die notwendige und angemessene personelle Konsequenz gezogen.
Herr Abgeordneter Vogel, ich brauche keinen Hinweis darauf, wie ich mich in diesem Zusammenhang gegenüber Herrn Hellenbroich geäußert habe. Wenn nur jeder, der von irgendeinem meiner Vorgänger in der Vergangenheit aus dem Amt entlassen worden ist, mit einer ähnlichen Erklärung verabschiedet worden wäre, wäre das vielleicht für das Klima in unserer Beamtenschaft gelegentlich besser gewesen.
({6})
Ein Zweites ist geschehen. Wir haben das, was uns möglich war, was dem Innenministerium und auch dem Innenminister möglich war, im Blick auf Schadensaufklärung und Schadensbegrenzung unverzüglich eingeleitet. Dies unterscheidet diesen Fall von anderen Fällen, die Sie, wie ich denke, zu eilfertig zum Vergleich herangezogen haben, ganz wesentlich. Nun manipulieren Sie mit dem Begriff der politischen Verantwortung, indem Sie so tun,
({7})
als ob dies automatisch auch ohne ein persönlich zurechenbares oder gar vorwerfbares Fehlverhalten zu einem Ministerrücktritt führe.
Natürlich, Herr Abgeordneter Vogel - jeder in diesem Haus weiß das -, trägt jeder Bundesminister die politische Verantwortung für das, was in seinem Amtsbereich geschieht.
({8})
Der Minister hat diese Verantwortung. Es geht nicht darum, ob er sie übernehmen will oder nicht. Der Kollege Hirsch hat dazu ganz Wichtiges ausgeführt. Wichtig ist diese Verantwortung im Amt und erst keineswegs dann, wenn etwa die Opposition über einen Rücktritt oder eine Entlassung spekuliert. Das Ritual Ihrer Rücktrittsforderung verkürzt und verfälscht nach meiner festen Überzeugung den Gehalt politischer Verantwortung. Wann der Rücktritt eines Bundesministers als Konsequenz seiner politischen Verantwortung gefordert ist, ist immer - das müssen Sie doch fairerweise auch einmal sagen - auch eine Frage des ganz konkreten Vorganges und seiner Behandlung.
Auf jeden Fall aber müßte der Vorgang, bezogen auf das Tun und Unterlassen des Ministers, diesem zurechenbar sein. Das ist - das wissen Sie ganz genau - in diesem Fall nicht möglich. Sie wissen es - ich sage es noch einmal - aus den Diskussionen des Innenausschusses und der Parlamentarischen Kontrollkommission.
Bundesminister Dr. Zimmermann hat hier eben noch einmal eingehend und überzeugend vor dem Hohen Hause dargelegt, daß er von den Belastungen in der Person des Regierungsdirektors Tiedge nicht informiert war.
Lassen Sie mich noch etwas anderes sagen. Es kann doch niemand im Ernst verlangen, daß jeder Spionagefall zum Rücktritt betroffener Politiker führen muß. Denn das würde ja bedeuten - ich sage dies nicht ohne Grund -, daß Geheimdienste anderer Länder über die Amtsdauer eines MiniBundeskanzler Dr. Kohl
sters der Bundesrepublik Deutschland entscheiden.
({9})
Genau dies habe ich als Oppositionsführer als Meinung der CDU/CSU in einem konkreten Fall, den Sie ohne Not in die Debatte eingebracht haben, hier erklärt.
Weil manche von Ihnen in diesen Tagen Bezug auf eine Debatte um den damaligen Bundesminister Georg Leber nehmen, will ich sehr gerne auf diese Debatte zurückkommen. Ich habe dem damaligen Bundesminister Leber im einzelnen belegt, daß eine fahrlässige Behandlung eines Spionagefalles vorgekommen war. Ich habe ihm dieses Versäumnis vorgehalten und darauf hingewiesen, daß Leute zu entfernen waren, die für einen unzulässigen Lauschangriff auf seine Sekretärin verantwortlich waren. Ich habe ihm dann wörtlich gesagt:
Es hat Ihnen hier überhaupt niemand einen Vorwurf gemacht, daß es diese Spionagefälle gab ..., daß Spionagefälle bei der gegebenen Situation der Teilung ... des eigenen Vaterlandes zu den schlimmen Erscheinungen unserer Zeit gehören und daß niemand leugnen kann, daß sie bei jeder Regierung, gleich, welche politische Farbe sie trägt, selbstverständlich vorkommen. Ich habe gesagt und wiederhole dies: Ich denke gar nicht daran, und niemand von meinen Freunden denkt daran, etwa einem Minister einen Vorwurf zu machen; denn dann würden wir es ja den Männern des Staatssicherheitsdienstes der DDR überlassen, die jeweilige Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu stürzen. Das ist überhaupt nicht unser Thema.
Sehen Sie, Herr Vogel, der Kollege Leber
({10})
hat damals zu mir gesagt:
Herr Kollege Dr. Kohl, ich habe auch Ihnen heute vormittag aufmerksam zugehört. Ich möchte nicht versäumen, Ihnen zu sagen, daß ich persönlich es sehr wohltuend empfunden habe, daß Sie in dem nun schon seit Wochen wogenden Meer von harten Anklagen und schlimmen Verdächtigungen mit persönlich die Tatsache, daß dieser schwere Spionagefall über uns gekommen ist, daß er sich ereignet hat, nicht zur Last legen. Ich bedanke mich dafür bei Ihnen, weil es die erste Stimme ist, die ich gehört habe.
Meine Damen und Herren, so etwas löst manches auf, was Gräben aufreißt und was uns hindert, in wichtigen Fragen „wir" zu sagen.
Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
({11})
Meine Damen und Herren, um auch das abschließend noch einmal zu sagen: Hier geht es nicht um den Rücktritt des Kollegen Leber. Den haben Sie bewerkstelligt; das wissen Sie so gut wie ich.
({12})
Denn nach unserer Verfassung - das werden Sie, Herr Abgeordneter Vogel, doch wenigstens nicht leugnen können - haben die Opposition und der Oppositionsführer nicht die Möglichkeit, einen Bundesminister zu entlassen.
Meine Damen und Herren, Sie haben damals die Entlassung des Kollegen Leber mit herbeigeführt. Das ist eine andere Frage.
({13})
Ich sage Ihnen auf Ihren konkreten Antrag meine Antwort: Ich habe nicht die Absicht, den Bundesinnenminister zu entlassen.
({14})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Penner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben es mit der Moral, Herr Bundeskanzler; oder besser gesagt: Sie führen die Moral gerne im Munde. Es weiß allerdings niemand so genau, was Sie damit meinen. Die einen glauben, daß dahinter etwas Bedeutendes steckt. Andere vermuten eher die moralinsäuerlichen Niederungen der frühen Nachkriegsjahre, weil Sie sich ja so gerne zum Enkel Konrad Adenauers stilisieren.
Jedenfalls ist das Reklamieren von Moral ein, wenn nicht d a s Leitmotiv Ihrer Tätigkeit als Bundeskanzler. Das bleibt Ihnen unbenommen. Sie können als Oppositionsführer die geistig-moralische Wende fordern und nach dem Rollenwechsel zum Bundeskanzler verkünden, sie sei nun eingetreten.
Das können Sie alles tun. Sie werden es sich dann aber auch gefallen lassen müssen, daß besonders die Opposition Ihren Anspruch aufgreift und prüft.
({0})
Da ist es kein Geheimnis, daß nicht nur der Opposition Ihre Art von Wende eher als Ausflucht erscheint, als Ausflucht in die wabernde Unverbindlichkeit eines Nebels, in dem die drängenden kantenscharfen politischen Fragen unserer Zeit verschwinden, in dem sie einfach keinen Platz haben.
Herr Bundeskanzler, so mag man über Ihre verbale Wende urteilen, solange man freundlich bleibt. Wenn man sich an die Tatsachen hält, dann wird die Diagnose unfreundlicher, ja beklemmender, aber um so genauer. Dafür genügt es, Namen zu nennen: Geißler zuvörderst, Schwarz-Schilling, Manfred Wörner und mehr und mehr Zimmermann - zugleich Zeugen, Wegmarken und Symbole Ihres Wendeverständnisses.
({1})
Diese Namen allein sind sprechender als alle möglichen gegenteiligen Beteuerungen.
({2})
Weil Sie, Herr Bundeskanzler, die geistig-moralische Wende, was das auch immer sei, stets aufs neue propagieren, zwingen Sie die Opposition, Sie an Ihren eigenen Maßstäben zu messen.
({3})
Die Opposition kommt bei allen Deutungsschwierigkeiten gar nicht umhin, das Verhältnis zwischen dem moralischen Anspruch Ihres Wendevokabulars und Ihren Taten unter die Lupe zu nehmen.
({4})
Das gilt auch für die Behandlung des Problemfalles Zimmermann. Keiner kann von der Opposition erwarten, daß sie nur andächtig Ihren Worten lauscht oder Ihr Schweigen registriert,
({5})
ohne Ihre Taten zu gewichten. Und für die Taten stehen in der Politik Namen, die zum Vergleich herausfordern. Deshalb kann es auch keiner der SPD verübeln, Herr Bundeskanzler, wenn sie dabei an eigene Persönlichkeiten denkt, die durch ihr Tun und ihr Handeln unabhängig von Parteizugehörigkeit Vorbild für andere hätten sein müssen,
({6})
an Georg Leber etwa oder Fritz Halstenberg, um nur zwei zu nennen.
({7})
Solche Beispiele hat es übrigens auch in Ihren eigenen Reihen gegeben, nur muß man sich fragen, Herr Bundeskanzler, ob unter Ihrer Ägide ein Rücktritt wie der des früheren baden-württembergischen Justizministers Traugott Bender überhaupt vorstellbar wäre. Dieser Mann hatte weiß Gott nichts mit den Vorgängen in Stammheim, die letztlich Anlaß für seinen Rücktritt waren, zu tun, und trotzdem wich er nicht aus, stellte sich der Verantwortung, die er auf keinen Dritten abwälzen konnte und wollte, der politischen Verantwortung nämlich. Wer vor den Konsequenzen, auch bitteren Konsequenzen der einmal übernommenen politischen Verantwortung nicht kneift, der handelt moralisch.
({8})
Für diese schlichte Erkenntnis bedarf es Ihrer aufgesetzten Moralproklamationen überhaupt nicht, Herr Bundeskanzler.
({9})
Im Gegenteil, das Amtsbeharrungsvermögen Ihrer Kabinettsmitglieder steht zu Ihrem moralgetränkten Selbstverständnis in kennzeichnendem Widerspruch.
({10})
Aber es geht hier nicht nur und auch nicht in erster Linie um die Courage zum fälligen Amtsverzicht - das könnte letztlich eine Frage der persönlichen Moral bleiben -, der Fall Zimmermann hat eine viel weitreichendere Dimension; es geht auch um ein Staatsinteresse und, wenn das zu prosaisch ist, es geht um Staatsräson.
({11})
Und dann fallen Tatsachen noch mehr ins Gewicht.
Was die Fakten im Fall Zimmermann angeht, so steht jetzt schon im wesentlichen folgendes fest: Der Mann ist weg, in der DDR, Regierungsdirektor Tiedge nämlich, seit fast 20 Jahren beim Bundesamt für Verfassungsschutz tätig, seit gut drei Jahren als Leiter der Gruppe IV b in dieser Behörde. Das sind die nüchternen Verwaltungsfakten. Diese Abteilung ist zuständig für Nachrichtendienste der DDR. Das macht nicht nur sachliche Details aus, das macht nicht nur Pläne, Methoden, Akten, Register aus, vielmehr noch, das sind Namen, das sind Menschen, das sind Schicksale, die allesamt bedroht, im wahrsten Sinne des Wortes betroffen sind.
Günther Bading in der „Welt" vom 28. August 1985 hat es so formuliert: Spätestens seit Juli 1982 - zu dieser Zeit wurde Tiedge Gruppenleiter - war er „über alle Tätigkeiten im Bereich der ,DDR`-Nachrichtendienste informiert", und daran ist nicht zu deuteln.
Und weiter: Tiedge war seit Jahren alkoholabhängig und auch sonst in erheblichen persönlichen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Regierungsdirektor Tiedge ist nicht der einzige Alkoholkranke im Bundesamt für Verfassungsschutz. Von weiteren 30 Alkoholabhängigen ist die Rede.
({12})
Die Schwächen von Tiedge waren bekannt und führten auch zu dienstlichen Reaktionen. Und der frühere Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Hellenbroich, ist in den Einstweiligen Ruhestand versetzt worden.
Herr Bundeskanzler, in diesem Zusammenhang kann ich Ihnen, der Sie ja beim Bundesnachrichtendienst ganz nahe in der Verantwortung stehen - der Bundesnachrichtendienst ist beim Bundeskanzleramt aufgehängt -, bohrende Fragen nicht ersparen. Was hat Sie eigentlich geritten, die Entlassung Hellenbroichs noch zu begründen, wo aus guten gesetzlich vorgesehenen Gründen der sogenannte politische Beamte jederzeit ohne Angabe von Gründen in den Ruhestand versetzt werden kann?
({13})
Haben Sie denn gar nichts aus dem Fall der Entlassung von General Kießling gelernt? Nicht einmal wie man handwerklich solche Fragen löst?
({14})
Sind Sie sich eigentlich im klaren darüber, daß Ihre Gründe im Falle eines Falles voll gerichtlich nachprüfbar wären, übrigens auch die verständnisvollen Äußerungen, die amtlicherseits der Entscheidung Hellenbroichs entgegengebracht werden? Der Rechtsvertreter von General Kießling hat Ihnen doch vorexerziert, was man aus einer solchen Fallgestaltung herausholen kann, Herr Bundeskanzler, und dies auf Kosten der Steuerzahler. Herr Bundeskanzler, der Eindruck verstärkt sich, daß Sie nicht einmal in der Lage sind, aus kürzer zurückliegenden Fehlern zu lernen.
({15})
Zurück zum Spionagefall: Die Bundesregierung selbst hat den Vorgang als äußerst schwerwiegend eingestuft. Der Bundesinnenminister hat in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt von einem besonders schweren Fall von Landesverrat gesprochen. Hochrangige Mitarbeiter der Spionageabwehr sind der Meinung, die Aufarbeitung des Schadens werde Jahre in Anspruch nehmen. Das Echo im Ausland ist vernichtend. Herr Bundeskanzler, nach den bisherigen Erfahrungen - ein bißchen verstehe ich auch selbst davon - wird der Fall die Informationsbereitschaft unserer Partnerländer, besonders der USA, grundlegend beeinflussen, und das nicht zu unserem Vorteil.
Angelpunkt des Ganzen ist, verehrter Herr Bundeskanzler, das Bundesamt für Verfassungsschutz, keine freischwebende Organisationseinheit, sondern eine sogenannte Bundesoberbehörde, die, wie das Gesetz es formuliert, dem Bundesinnenminister „untersteht". Und was ist? Bundesinnenminister Dr. Friedrich Zimmermann, Hohepriester der inneren Sicherheit und wackerer Streiter für Recht und Ordnung, ist weiterhin im Amt. Die SPD muß diesen Weg der Erörterung im Parlament gehen, weil sich der Fall Zimmermann bis heute zu unserem Bedauern nicht durch Rücktritt oder Entlassung erledigt hat.
Unsere Rücktrittsforderung, Herr Bundeskanzler, ist Konsequenz der politischen Verantwortung des Ministers insbesondere für den Spionagefall Tiedge. Der Minister ist für alle Vorgänge seines Ressorts und der ihm unterstellten Behörden und Dienststellen politisch verantwortlich, nämlich als Inhaber seines öffentlichen Amtes. Dabei bleibt es völlig unerheblich, ob er im Einzelfall etwas weiß oder etwas nicht weiß. Der Minister hat von Amts wegen eine Einstandspflicht für den Bereich seiner Kompetenzen; wie den Autofahrer oder den Flugzeugführer auch trifft ihn eine Art Gefährdungshaftung, selbst wenn er am Tatgeschehen nicht schuldhaft beteiligt ist. Und es wäre ja auch noch schöner, wenn sich ein Minister durch Nichtwissen von vornherein einen unangreifbaren Verbleib in seinem Amt sichern könnte!
({16})
Herr Bundeskanzler, jeder Minister darf in der Öffentlichkeit die Erfolge seines Ressorts in Anspruch nehmen, obwohl das Gros der Arbeit im einzelnen von den Mitarbeitern und von untergebenen Behörden und Dienststellen getan wird. Für die politische Erfolgsbilanz verlangt normalerweise keiner einen Nachweis des persönlichen Einsatzes im Einzelfall.
({17})
Dann muß aber auch umgekehrt gelten: Auch der politische Mißerfolg kann nicht aus Einzelnachweisen errechnet werden.
({18})
Herr Minister, politische Verantwortung ist unteilbar, im Positiven wie im Negativen.
({19})
Politische Amtsverantwortung hat mit persönlicher Zurechenbarkeit von Einzelverfehlungen im Ressort und mit moralischer Schuld daran überhaupt nichts zu tun. Zwar kann persönliches Fehlverhalten eines Ministers auch zu politischen Konsequenzen führen; die politische Verantwortung, d. h. die Haftung des Amtsinhabers im Hinblick auf das Gemeinwohl, hat jedoch nicht die persönliche Verantwortung zur Voraussetzung.
Selbstverständlich - das ist einzuräumen - würde das Regieren unmöglich, wenn ein Minister für jede mehr oder weniger unbedeutende Panne in seinem Ressort den Hut nehmen müßte. Aber davon ist gar nicht die Rede. An der außerordentlichen Tragweite des Falles, um den es hier geht, kann ja kein Zweifel bestehen, und Sie haben das ja selbst gesagt, Herr Bundeskanzler, Sie haben es selbst gesagt, Herr Bundesinnenminister.
({20})
Wenn dieser Fall nicht ausreicht, um aus der politischen Amtsverantwortung die Konsequenz zu ziehen, auf welche Katastrophe sollen wir denn überhaupt noch warten, bis das seltsame Festhalten des Bundeskanzlers an seinem gescheiterten Kabinettskollegen ins Wanken kommt?
({21})
Ich halte fest: Es ist für die politische Verantwortung des Ministers wegen des objektiven Gewichts des Spionagefalles Tiedge völlig gleichgültig, ob er etwas versäumt, ob er etwas übersehen hat oder aber im Extremfall etwas nicht wissen konnte.
Dabei will ich eine persönliche Einschätzung in diesem Zusammenhang nicht verschweigen: Ich glaube nicht daran, daß der Fall Tiedge mit seinen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Problemen im Bundesministerium des Innern nicht bekannt gewesen sei. Die Dauer der Fehlentwicklung von Tiedge, seine exponierte Stellung beim Amt sowie die nahe Verzahnung zwischen Amt und Ministerium - Herr Minister, Sie haben selbst im Innenausschuß über das Netz von Kommunikationssträngen hin wie her berichtet - weisen ganz eindeutig in eine andere Richtung.
Aber noch einmal: Wie dem auch sei, Sie tragen in jedem Fall die politische Verantwortung, und da der Fall Tiedge so katastrophale Ausmaße hat, müssen Sie Ihr Amt aufgeben, oder Sie, Herr Bundeskanzler, müssen die Entlassung des Ministers betreiben.
({22})
Da Sie immer auf Moral setzen, Herr Bundeskanzler, bitte schön: Halten Sie es allen Ernstes für angängig, Hellenbroich zu entlassen und Zimmermann im Amt zu lassen? Halten Sie es für moralisch vertretbar, nur einen Beamten zu feuern, um das Gefüge der Koalition nicht zu stören oder gar die eigene Haut zu retten? Sind das die moralischen Maßstäbe, die von Ihnen kommen?
({23})
Doch zurück zur politischen Verantwortung, Herr Bundeskanzler, um die es geht. Da ist in den letzten Tagen im Zusammenhang mit Ministerrücktritten von noblem oder weniger noblem oder auch dickfelligem Verhalten die Rede gewesen. Es mag wohl so sein, daß die Wertung so oder so ausfallen kann, und es ist auch wahr, daß ein rechtzeitiges Beiseitetreten hier honorig sein und beispielgebend wirken kann. Hinzuzufügen wäre vor allem, Herr Bundeskanzler: Was soll die jüngere Generation mit ihrer Staatsverdrossenheit anfangen, wenn die Inhaber der höchsten politischen Verantwortung ihr ein so kleinkrämerisches Verhältnis zur Macht vorleben?
({24})
Alle diese Aspekte, Herr Bundeskanzler, sind bedeutsam, aber sie treffen noch nicht den springenden Punkt, ja sie könnten ihn sogar verstellen. Aus der politischen Verantwortung des Ministers ergeben sich Notwendigkeiten, die den Spielraum seines subjektiven Beliebens überschreiten. Der Rücktritt kann für einen verantwortlich handelnden Minister zur Obliegenheit werden. Konkret: Der Spionagefall Tiedge belastet die Handlungs- und Steuerungsfähigkeit des Bundesinnenministeriums, weil der Vorgang von dem jetzt amtierenden Minister nicht abzulösen ist. Mit Recht haben Sie, Herr Bundeskanzler, und Sie, Herr Bundesinnenminister, Schritte zur Begrenzung und Heilung des Schadens eingeleitet - wie denn auch nicht. Ob sie alle taugen, das wird sich zeigen. Dabei gibt die Berufung Wiecks zum Chef des BND bisher nur Aufschluß über die Einschätzung des Schadens durch Sie selbst; denn offenbar versprechen Sie sich davon, daß Sie einen internationalen Sachkenner ohne Rücksicht auf dessen Qualifikation ausgewählt haben, die notwendige Wiedergewinnung von internationalem Vertrauen. Auch die Entlassung Hellenbroichs war nach meiner Einschätzung den Umständen nach wohl unumgänglich. Und es ist auch richtig, daß die nötigen Umstrukturierungen im Amt begonnen werden.
Damit wir uns recht verstehen, Herr Bundeskanzler: Wir stellen hier keinen Blankoscheck für alles und jedes aus. Es gibt auch keinen Freifahrtschein zurück in den Obrigkeitsstaat. Und wir lassen es schon gar nicht zu, daß innere Sicherheit und Datenschutz gegeneinander ausgespielt werden.
({25})
Sie werden sich damit vertraut machen müssen,
Herr Bundeskanzler, daß die innere Sicherheit
auch dem Datenschutz dient, weil Datenschutz Teil unserer Freiheit ist.
({26})
Mit ideologischen Verklemmungen und Verspanntheiten, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesinnenminister, werden Sie also bei uns kein Echo finden. Hingegen werden wir mitmachen, wenn es um die Feststellung von Ursachen und Tatsachen geht. Und wir werden auch nicht abseits stehen, wenn dann notwendige Konsequenzen gezogen werden müssen.
Aber das ganze Gebäude der Sanierungsmaßnahmen wackelt, wenn der verantwortliche Minister Zimmermann bleibt.
({27})
Herr Bundeskanzler, Sie müssen vor dem In- und Ausland ein deutliches Zeichen setzen: Nur mit einem neuen Kopf auch an der Spitze des Ministeriums kann ein neuer Anfang gemacht werden, um Handlungs- und Steuerungsfähigkeit wiederzugewinnen und verlorengegangenes Vertrauen nach innen wie nach außen neu aufzubauen.
Ich frage mich, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesinnenminister: Sind Sie sich eigentlich bewußt, wie verheerend sich das Verleugnen und Verschieben von politischer Verantwortung auf Dritte auf die Mitarbeiter in den Behörden auswirken muß? Sind Sie sich darüber im klaren, daß nur die Bereitschaft zur politischen Verantwortung des Ministers den Willen zur Verantwortung auch bei den Mitarbeitern im Ressort begründen kann?
({28})
Was bleibt denn von den Appellen an die Verantwortungsbereitschaft, wenn der Finger immer nur auf den anderen zeigt? Wollen Sie uns wirklich einen drittklassigen Krimi vorführen, in dem der Täter nur der Gärtner oder der Portier sein können, weil man von denen die geringste Gegenwehr erwartet? Nein, es geht um Steuerungs- und Handlungsfähigkeit politisch verantworteten Administrierens. Da sind Sie gefragt, Herr Bundesinnenminister und Herr Bundeskanzler.
Herr Bundeskanzler, es geht nicht darum, bei günstiger Gelegenheit einen Minister zu kippen. Wir fordern den Rücktritt des Ministers, weil es um lebenswichtige Interessen des Staates geht.
({29})
Herr Bundeskanzler, letztlich hängen Gedeih und Verderb von der Identifikationsbereitschaft des Volkes ab, des sogenannten einfachen Mannes auf der Straße. Der gesunde Menschenverstand urteilt danach, wie die höchsten Amtsträger von ihrer politischen Verantwortung dann Gebrauch machen, wenn es wirklich kritisch ist, wenn es an Ihre eigene persönliche Befindlichkeit geht.
Herr Bundeskanzler, seien Sie diesmal der kritischen Situation gewachsen: Sie dürfen nicht zulassen, daß ein Minister nach dem anderen seine Glaubwürdigkeit einbüßt und zum politischen Nichts absackt. Wörner und Schwarz-Schilling sind
dabei besonders auffällige Beispiele der jüngsten Vergangenheit; Zimmermann käme hinzu. Herr Bundeskanzler, wir wollen nicht hoffen, daß Sie das Nötige unterlassen, weil Sie nur im Kreise politischer Lemuren politisch überleben können.
({30})
Herr Bundeskanzler, lassen Sie die Operettenseligkeit aus dem Land des Lächelns hinter sich.
({31}) Herr Bundeskanzler, walten Sie Ihres Amtes!
({32})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dregger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz des Jubels Ihrer Kollegen, Herr Kollege Penner, muß ich sagen, daß Sie bei dieser Rede einen sehr gequälten Eindruck gemacht haben.
({0})
Ihre Rede war eine Kombination von hohen moralischen Ansprüchen und völlig unmoralischen, weil durch nichts belegten Verdächtigungen.
({1})
Meine Damen und Herren, Schmähungen und Verdächtigungen sollten - zumindest in Sicherheitsfragen - keine Instrumente sein, auch nicht für die Opposition.
Am Ende der Debatte möchte ich für meine Fraktion ein kurzes Resümee ziehen.
({2})
Ich möchte mich zunächst zum Antragsteller SPD und ihrem Vorsitzenden, dem Kollegen Vogel, äußern,
({3})
sodann zum Innenminister, dessen Rücktritt von Herrn Vogel gefordert wurde, und dann zum früheren Präsidenten des Verfassungsschutzamtes, der eine Schlüsselrolle in dieser Frage hatte, und zwar nicht nur auf Grund seiner Stellung, sondern auch auf Grund seiner Lagebeurteilung und seinen Entschlüssen. Ich möchte schließlich noch einmal kurz auf die völlig unzutreffenden Vergleiche zu den Fällen Brandt/Guillaume und Leber eingehen und möchte daran einige wenige prinzipielle Schlußfolgerungen knüpfen.
Ich beginne mit Herrn Vogel. Der Oppositionsführer hat in dieser Affäre - ich sage das jetzt auch als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission - eine - ich äußere mich zurückhaltend - ungute Rolle gespielt.
({4})
Herr Kollege Vogel, im Fall MAD und seiner unberechtigten Vorwürfe gegen den General Kießling haben sich die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission noch darauf verständigen können, daß sie an einer Debatte aus Anlaß einer Aktuellen Stunde zu diesem Fall nicht teilnehmen würden, um keine Rollenvermischung zwischen dieser objektiven, streng geheimzuhaltenden Tätigkeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission herzustellen.
({5})
In diesem Falle haben Sie nicht nur das Wort ergriffen - jetzt tue ich es auch -, sondern Sie sind unmittelbar nach der Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission, deren Vorsitzender Sie zur Zeit sind, vor die Presse getreten und haben den Rücktritt des Bundesinnenministers gefordert.
({6})
Sie haben dabei den völlig unzutreffenden und falschen Eindruck zumindest in Kauf genommen,
({7})
wenn nicht sogar hervorrufen wollen, daß das Ergebnis unserer Beratungen in der Parlamentarischen Kontrollkommission diesen Rücktrittsantrag rechtfertigen würde. Meine Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall. Deswegen sage ich, daß Ihr Verhalten, Herr Kollege Vogel, in dieser Frage unredlich und unseriös gewesen ist.
({8})
Zum Innenminister. Mein Kollege Miltner hat schon ausgeführt, daß wir sein Verbleiben im Amt billigen und daß wir ihm tadelfreies Verhalten bescheinigen. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Ich würde Herrn Zimmermann rügen, wenn er bei dem gegebenen Sachverhalt sein Amt aufgegeben hätte.
({9})
- Ich begründe das. Man muß den Sachverhalt sauber analysieren.
Erstens. Das Spionageverhalten hat sich nicht in der persönlichen Umgebung von Herrn Zimmermann abgespielt.
({10})
Das schließt einen Vergleich mit dem Fall Brandt/ Guillaume aus.
Zweitens. Das Spionageverhalten hat sich nicht in einer Abteilung des Innenministeriums abgespielt - das schließt insofern den Vergleich mit dem Fall Leber aus -, sondern in einer nachgeordneten Behörde, in einer obersten Bundesbehörde, die bewußt aus dem Ministerium ausgegliedert worden ist, um in größerer Selbständigkeit ihre Aufgabe wahrnehmen zu können, was ich auch nach wie vor für richtig halte.
Wenn der Bundesinnenminister Zimmermann - und auch bei diesem Sachverhalt waren Informationen notwendig und möglich - den Sachverhalt Tiedge nicht erfahren hat, dann liegt das nicht an einer fehlerhaften Organisation. Ich sehe keinen Anlaß, im Verhältnis des Bundesamtes zum Ministerium etwas zu ändern. Es liegt auch nicht an verweigerten Gesprächskontakten oder einer unterlassenen Aufsichtsführung.
Der Bundesinnenminister hat gestern vor dem Innenausschuß und heute vor dem Plenum unwidersprochen ausgeführt, daß er im gleichen Umfange wie seine Vorgänger die Sicherheitslagen durchgeführt hat. Herr Hellenbroich hat uns erklärt: Auch wenn man ihn nach einem Personalproblem befragt hätte, hätte er geantwortet: Keine besonderen Vorkommnisse.
({11})
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz wollte die Information des Innenministers nicht, weil er der Auffassung war, daß dieses Sicherheitsproblem von ihm allein, ohne Mitwirkung des Innenministers und des Ministeriums, besser gelöst werden könne. Das war eine Lagebeurteilung des Präsidenten.
({12})
Ich halte dieses Verhalten des Präsidenten Hellenbroich für fehlerhaft.
Wenn der Innenminister bei diesem Sachverhalt zurückträte, dann wäre das eine schiere Erfolgshaftung, die die Spionageabteilung in Ost-Berlin zum Herrn der Bundesregierung machen würde. Und das wollen wir nicht.
({13})
Denn es ist kein Problem, in einer nachgeordneten Behörde eines jeden Ressorts bei unserem liberalen System einen Spion unterzubringen und dann nach Belieben diesen Spionagefall hochgehen zu lassen. Wenn das die Konsequenz hätte, daß der betreffende Minister zurücktreten müßte, dann würde nicht mehr der Kanzler entscheiden, wer Minister ist, sondern die Spionagezentrale in Ost-Berlin würde das entscheiden. Und das wollen wir nicht.
({14})
Drittens. Ich äußere mich zum Präsidenten Hellenbroich. Er hat nach meiner Beurteilung in diesem schwerwiegenden Fall versagt, aber er ist deshalb kein Versager. Ich betone das.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
Bitte schön, Herr Kollege Jahn.
Herr Kollege Dregger, wollen Sie mit Ihrer eben aufgestellten Argumentation auch die Behauptung verbinden - die neu wäre -, daß der verschwundene Regierungsdirektor Tiedge schon während seiner Amtszeit ein Agent der DDR war?
Herr Jahn, das habe ich nicht behauptet, und ich möchte es hier auch nicht erörtern;
({0})
denn dafür gibt es ja die Parlamentarische Kontrollkommission, der Sie angehören. Ich hoffe, daß wir morgen unsere Beratungen in Sachlichkeit fortsetzen können.
({1})
Präsident Hellenbroich hat in dieser Frage versagt - ich wiederhole es -, aber er ist kein Versager. Ich finde es gut, daß der Bundeskanzler das bei seiner Versetzung in den Ruhestand zum Ausdruck gebracht hat. Das war nobel. Sie können es auch moralisch nennen. Herr Penner, Sie suchen ja immer nach moralischen Erlebnissen. Die können Sie bei uns finden; in Ihren eigenen Reden jedenfalls nicht.
({2})
Die Versetzung des Präsidenten Hellenbroich in den einstweiligen Ruhestand - ein typischer Fall dafür - war notwendig, weil es auf Grund dieses Versagens im Einzelfall an dem notwendigen Vertrauen im eigenen Amt und bei befreundeten Nachrichtendiensten fehlen würde, wenn er diese Aufgabe jetzt wahrnähme. Deswegen war die Entscheidung des Bundeskanzlers richtig, und er hat eine gute Entscheidung hinsichtlich des Nachfolgers, des Botschafters Wieck, getroffen. Auch das ist richtig.
({3})
Meine Damen und Herren, ich will jetzt einmal Parteizugehörigkeiten nennen, obwohl ich der Meinung bin, daß in einem Apparat Effizienz und keine Parteizugehörigkeit notwendig ist. Aber gerade weil das Verhalten des Bundeskanzlers diese Haltung demonstriert - ich habe zu Beginn erklärt, hier gibt es keine parteipolitischen Rücksichtnahmen -,
({4})
habe ich gesagt, daß der Präsident Hellenbroich meiner Partei und der des Bundeskanzlers, der CDU, angehört
({5})
und daß sein Stellvertreter Ihrer Partei angehört. Der Stellvertreter hat diese Entscheidung des Präsidenten kollegial mitgetragen und hält sie - wie Präsident Hellenbroich - nach wie vor für berechtigt.
({6})
Es wäre also durchaus denkbar gewesen, daß der
Bundeskanzler die gesamte Amtsleitung abgelöst
hätte, also nicht nur den Präsidenten Hellenbroich,
sondern auch seinen Stellvertreter, der Ihrer Partei angehört.
({7})
Ich finde es gut, daß der Bundeskanzler das nicht getan hat; ich begrüße das. Auch diese Haltung ist nobel, meine Damen und Herren.
({8})
Der vierte Punkt, die unzutreffenden Vergleiche Brandt/Leber: Zum Fall Leber - ich schätze Herrn Leber sehr - haben sich schon mein Kollege Miltner und der Bundeskanzler im einzelnen geäußert. Ich will etwas zu dem Fall Brandt/Guillaume sagen.
({9})
Auch das ist ja weitgehend vergessen.
({10})
Meine Damen und Herren - Herr Ehmke, Sie wissen es, Sie waren damals Kanzleramtsminister -, als Herr Guillaume eingestellt werden sollte, hat der damalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes in zwei Fernschreiben davor gewarnt mit der Aussage, da bestehe Spionageverdacht. Sie haben dann in geradezu grandioser Weise den Betroffenen gefragt, ob er denn nun ein Spion sei.
({11})
Auf Grund der Aussage dieses Herrn Guillaume haben Sie ihn eingestellt und behalten.
({12})
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Ehmke?
Sofort, aber den Satz will ich noch ausführen.
Okay.
Nachdem das alles bereits bekannt war, hat man Herrn Guillaume als Begleiter des Bundeskanzlers Brandt nach Norwegen gehen lassen,
({0})
wo er allein über alle Post, geheimste Nachrichtenpost verfügen konnte - und das, nachdem diese Verdächte vorhanden waren. Daß Herr Brandt zurückgetreten ist, war keine Frage seiner politischen Verantwortung, sondern seines politischen Fehlverhaltens und Ihres Fehlverhaltens, Herr Kollege Ehmke.
({1})
Sie haben das Wort zur Zwischenfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Kollege Dregger, erinnern Sie sich vielleicht noch schwach daran, daß für die Überprüfung in diesem Fall - wie in allen anderen Fällen - das Verfassungsschutzamt zuständig war und daß dieses Verfassungsschutzamt - übrigens die Abteilung von Herrn Hellenbroich, falls es Sie interessiert - diesem Mann in zwei Fällen, für „Geheim" und „Streng geheim", einen absoluten Persilschein ausgestellt hat und daß die politische Verantwortung für die Überprüfung beim damaligen Innenminister, beim Herrn Kollegen Genscher, lag? Ich bin allerdings - anders als Herr Kollege Zimmermann - damals zurückgetreten - Dr. Dregger ({0}): Ein guter Entschluß.
- nicht weil ich juristische Verantwortung hatte, sondern weil ich das für ein Gebot politischen Anstands hielt. Sie aber haben politischen Anstand leider nur im Mund.
({0})
Ich stelle fest, meine Damen und Herren, daß Herr Kollege Ehmke nicht bestreitet, was ich behauptet habe, daß nämlich der damalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Wessel, in zwei Fernschreiben gewarnt hat - wegen Spionageverdacht. Und dann sagen Sie, Sie hätten sich anderswo einen Persilschein geholt. Lieber Herr Ehmke, ich kann Ihnen versichern: Weder der Kanzleramtsminster Schäuble noch der Innenminister noch dieser Bundeskanzler würden einen Mann wie Guillaume in ihrer Umgebung geduldet haben, wenn der Präsident des Bundesnachrichtendienstes in zwei Fernschreiben zuvor davor gewarnt hat.
({0})
Sie haben versagt, der damalige Bundeskanzler Brandt hat versagt. Es ging nicht um politische Verantwortung, sondern um persönliches Fehlverhalten.
Im übrigen, wer hat denn den Bundeskanzler Brandt gestürzt?
({1})
Doch nicht der Guillaume, sondern der Herbert Wehner! Meine Damen und Herren, das wissen Sie doch!
({2})
Wir erinnern uns noch, wie Kollege Brandt, der jetzt liest, und der Kollege Wehner, solange Wehner noch im Parlament war, nebeneinander, aber voneinander abgekehrt saßen. Das wissen wir doch alles.
({3})
Sie können doch nicht mit solchen Geschichten kommen,
({4})
um zu sagen, der Innenminister müsse zurücktreten, dieser Innenminister, dem überhaupt kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Das ist doch absurd mit Ihren moralischen Vergleichen! Das ist völlig unmöglich!
({5})
Und was den von mir hoch geschätzten Kollegen Leber angeht: Der mußte doch einen Abgang finden, weil er jede Solidarität in seiner sich wandelnden sozialdemokratischen Bundestagsfraktion verloren hatte. Sie wollten ihn doch nicht mehr tragen, genausowenig wie Sie den Kollegen Schmidt tragen wollten.
({6})
Der war doch Vertreter einer Minderheitsposition.
({7})
Da reden Sie etwas von der politischen Verantwortung.
Meine Damen und Herren, einige prinzipielle Schlußfolgerungen aus diesem Fall, die über den Einzelfall hinausgehen. Ich glaube, für diejenigen, für die es notwendig ist, ist wieder einmal demonstriert worden, in welch besonderem Verhältnis wir zu Ost-Berlin und im gewissen Umfang auch zu Moskau stehen.
({8})
Es gibt ja zwei Ebenen. Es gibt die Oberfläche, auf der es um Freundschaft, Entspannung, Austausch, Handel geht.
({9})
Ich bin natürlich dafür, daß wir auf dieser Ebene operieren.
({10})
Das ist doch selbstverständlich.
Aber es gibt auch die zweite Ebene, unterhalb der Oberfläche.
({11})
Da gibt es nicht nur Spionage - die gibt es in allen Ländern -, sondern den Versuch der Systemzerstörung unserer Republik; da gibt es einen gnadenlosen Kampf.
({12})
Auch das ist für mich keine Überraschung. Das war immer so seit der Oktoberrevolution 1917 und seit 1945. Wir müssen nur davon Kenntnis nehmen.
Wenn Sie, Herr Penner und Herr Vogel, sich zu inneren Sicherheit unseres Landes so besorgt äußern - die Besorgnisse sind gerechtfertigt -, dann, meine ich, sollten wir Demokraten erkennen, daß wir dieser Lage, die ich eben angedeutet habe, nur mit funktionsfähigen Sicherheitsdiensten begegnen können, die von uns getragen werden, die nicht nur mit Ablehnung und Mißtrauen behandelt werden, wie es von der linken Seite dieses Hauses allzuoft geschehen ist, sondern die das Gefühl haben, daß sie für diese Republik, für die Freiheit, für die Demokratie, für Deutschland ihren Dienst leisten. Das müssen die wissen.
({13})
Wenn wir dieser Lage begegnen wollen, brauchen wir außer den Diensten
({14})
eine Haltung aller demokratischen Parteien, die diese Republik wollen - und die Sozialdemokraten wollen sie wie wir -, daß sie in Fragen der nationalen Sicherheit zusammenstehen,
({15})
daß sie in Sicherheitsfragen das nationale und demokratische Interesse dem parteipolitischen Interesse überordnen.
({16})
Darauf kommt es an. Dahin geht mein Appell.
Ich möchte zum Schluß dem Innenminister danken
({17})
für seinen präzisen Bericht, für sein Verhalten, das tadelsfrei war, und dem Bundeskanzler für seine souveräne und noble Haltung.
({18})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mann.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich freue mich, Sie nach den Sommerferien wiederzusehen, muß allerdings hier am Anfang meine persönliche Wertung dieser bisherigen Debatte vorausschicken. Abgesehen von dem brillanten Beitrag des Kollegen Penner ist der „Scheibenwischer" von Dieter Hildebrandt gestern abend von wesentlich höherem Erkenntnis- und Unterhaltungswert gewesen als die Debatte dieser Volksvertretung.
({0})
Unsere Fraktion fordert im Gegensatz zur SPD den Rücktritt des Bundesinnenministers - Herr Minister Zimmermann ist im Moment nicht da;
({1})
doch, da kommt er wieder -, weil er in schwerwiegender Weise seine Amtspflichten in Lebensfragen verletzt hat.
({2})
Wir haben vor über zwei Monaten, am 28. Juni, an jenem schwarzen Freitag, Herr Minister Zimmermann, als Sie eine Regierungserklärung zum Luxemburger Kompromiß hier abgegeben haben, Ihren Rücktritt gefordert. Damals war über diesen Rücktritt eine Debatte nicht möglich. Wir meinen, daß diese Debatte - jetzt verlassen Sie bezeichnenderweise den Saal, Sie Ankündigungsminister - über dieses Ihr umweltpolitisches Versagen in diesem Bundestag geführt werden müßte, statt über einen Geheimdienstskandal, wie wir ihn alle Jahre wieder erleben werden.
Herr Dregger, Sie haben sich gerade als Geschichtslehrer betätigt. Sie haben an den Fall Guillaume erinnert. Wir könnten noch einige andere Fälle hier erwähnen. Solche Fälle werden sich wiederholen. Nach einem mehrwöchigen Rauschen des Blätterwaldes wird schon in einem Jahr kaum noch jemand wissen, wer Tiedge war. In wenigen Jahren werden aber die politisch Verantwortlichen angeklagt, weil sie nichts gegen das Sterben der Wälder unternommen haben.
({3})
An Papier für den Blätterwald und für Sonntagsreden wird es dann nicht fehlen, wohl aber an Luft zum Atmen. Wir müssen davon ausgehen, daß die gegenwärtig geführte Waldschadenserhebung entsprechend den ersten Feststellungen aus Baden-Württemberg eine weitere dramatische Zunahme des Waldsterbens belegen wird. Besonders bedrohlich ist die Zunahme der Erkrankung der Laubbäume und vor allem der Buche. Und womit verschwenden wir in dieser Sitzung unsere Zeit? Wir lassen uns mit Halbinformationen abspeisen. Herr Penner, Sie erwarten, daß der Rücktritt eines einzigen Ministers dieser Skandalregierung irgend etwas ändern wird? Da hilft doch nur eine Abwahl dieser gesamten Regierung im Januar 1987.
({4})
Ich komme auf den Kern des wirklich skandalösen Versagens des hier nicht anwesenden Bundesinnenministers zurück. Herr Minister Zimmermann hat versagt. Deswegen müßte er hier heute zurücktreten; denn er ist seinen selbst gesetzten Maßstäben nicht gerecht geworden.
({5})
Sie haben, Herr Minister Zimmermann, die Bevölkerung immer wieder versucht irrezuführen. Sie haben am 28. Juni versucht, Ihr Scheitern als Erfolg auszugeben oder gar als umweltpolitischen Durchbruch auf europäischer Ebene zu verkaufen.
({6})
Wir GRÜNEN haben, seitdem wir in diesem Bundestag sind, immer wieder auf durchgreifende Sofortmaßnahmen gegen das Waldsterben gedrängt. Lange vor der SPD haben wir eine Geschwindigkeitsbegrenzung gefordert.
Lassen Sie mich einige Stationen des Zimmermannschen Holzweges frei nach dem Motto „Von Rückschritt zu Rückschritt - ein bundesrepublikanisches Trauerspiel unter der Regie von Helmut Kohl" aufzeigen. Im Juni 1983 gibt Zimmermann bekannt, daß ab 1. Januar 1986 nur noch Neuwagen mit Katalysatoren zugelassen werden sollen. Im Juli 1983 erfolgt der entsprechende Beschluß des Bundeskabinetts.
({7})
Entschuldigen Sie bitte. - Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, die notwendige Ruhe herzustellen. Es handelt sich nur noch um wenige Minuten. Der Redner soll nunmehr in seinen Ausführungen fortfahren.
Am 13. September 1983 sagte Herr Zimmermann vor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wörtlich: „Wir werden mit allem Nachdruck dafür eintreten, daß sich die EG nicht mit minimalen Anforderungen begnügt, sondern das wirklich Notwendige tut." Am 4. April 1984 sagte wiederum Herr Zimmermann in „auto, motor und sport": „Wir wollen nicht warten, bis in Brüssel die Vorschläge der Kommission auf dem Tisch liegen und der Ministerrat entschieden hat. Wer glaubt, wir werden die richtige Zukunftsentscheidung zur Einführung des umweltfreundlichen Autos an der Brüsseler Garderobe abgeben" - das sind die großen Sprüche von Herrn Zimmermann -, „der irrt. Wir bleiben auf unserem Kurs."
Im Frühsommer 1984 rückt die Bundesregierung langsam von der Ankündigung der obligatorischen Einführung des Katalysators ab. Am 3. Juli 1984 beschließt das Bundeskabinett offiziell, vom Plan der obligatorischen Einführung abzurücken, sieht statt dessen die freiwillige Einführung der Katalysatoren vor, unterstützt durch Steueränderungen, die die Mehrkosten ausgleichen sollen. 19. September 1984: Das Kabinett beschließt zum drittenmal ein Konzept zur Einführung der Abgaskatalysatoren, u. a. mit einem Steuererlaß ab 1. Juli 1985, einer Verringerung der Mineralölsteuer für bleifreies Benzin zum 1. April 1985 und einer Pflicht zum Einbau von Katalysatoren in Neuwagen zum 1. Januar 1988 bzw. 1989. Und im vorläufigen Schlußakt des Trauerspiels am 20. März 1985: das Konzept der EG-Umweltminister, wie es, am 28. Juni in diesem Hause von Herrn Minister Zimmermann erläutert - mit seinem endgültigen Umfall -, beschlossen worden ist.
Die Bundesregierung hätte sich bei ihren Verhandlungen und übrigens auch bei dem Druck, der jetzt auf die dänische Regierung ausgeübt wird, ein Beispiel an Dänemark nehmen sollen. Der dänische Umweltminister Christensen erklärte am 28. Juni:
... denn verschiedene Staaten waren bis in die frühen Stunden hinein auf unserer Seite. Erst im letzten Augenblick ließen sie sich auf diesen Kompromiß ein. Hier haben wir erlebt, daß andere Interessen als die des Umweltschutzes mit am Verhandlungstisch saßen, nämlich die der Autoindustrie.
Herr Präsident, ich komme zum Schluß. Herr Bundesinnenminister, Sie sind durch das Auseinanderklaffen von Worten und Taten in lebenswichtigen
Fragen zu einem Symbol politischer Unglaubwürdigkeit geworden.
({0})
Zu Ihren Gunsten läßt sich anmerken, daß Sie sich einreihen in die Skandalministerregierung Kohl: Schwarz-Schilling, Wörner, Lambsdorff, Geißler. Es bedarf der Zulassung der Anklage durch ein deutsches Gericht, Herr Bundeskanzler, um Minister in Ihrer Regierung zum Rücktritt zu veranlassen. Und dies alles im Zeichen moralischer Erneuerung. Ich wiederhole: Da hilft nur eines, die Abwahl Ihrer Regierung durch die Bürgerinnen und Bürger unserer Republik im Januar 1987.
Vielen Dank.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.
Wir haben jetzt zwei namentliche Abstimmungen durchzuführen. Ich betone: zwei namentliche Abstimmungen.
Die Schriftführer, auch die, die nicht an den Urnen sind, werden gebeten, zur Auszählung zu kommen. Offensichtlich ist nicht die nötige Zahl von Schriftführern vorhanden.
Dr. Vogel hat für die SPD-Fraktion gemäß § 52 der Geschäftsordnung namentliche Abstimmung über den von ihr eingebrachten Antrag verlangt.
Wer dem Antrag auf Drucksache 10/3762 zuzustimmen wünscht, den bitte ich die Abstimmungskarte mit „Ja", wer dagegen stimmen oder sich der Stimme enthalten will, die entsprechenden Abstimmungskarten zu verwenden. Die Abstimmung ist eröffnet. Ich möchte fragen, ob sich jemand im Saale befindet, der seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß, nachdem ausgezählt worden ist, noch die namentliche Abstimmung über den Antrag der GRÜNEN erfolgt.
Meine Damen und Herren, ich möchte das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD „Entlassung des Bundesministers des Innern" auf Drucksache 10/3762 bekanntgeben: Abgegebene Stimmen 490, ungültig keine. Mit Ja haben 214 gestimmt, mit Nein haben 275 gestimmt; Enthaltungen eine.
Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 488 Abgeordnete; davon
j a: 213 Abgeordnete
nein: 274 Abgeordnete
enthalten: 1 Abgeordneter
Ja
SPD
Amling
Antretter Dr. Apel Bachmaier Bamberg
Becker ({0}) Bernrath
Berschkeit Bindig
Frau Blunck
Brandt
Brück
Buckpesch Büchler ({1})
Dr. von Bülow
Buschfort Catenhusen
Collet
Conradi
Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Delorme
Dr. Diederich ({2}) Dreßler
Duve
Egert
Dr. Ehmke ({3})
Dr. Ehrenberg Eickmeyer
Dr. Emmerlich
Esters
Ewen
Fiebig
Fischer ({4}) Fischer ({5}) Franke ({6})
Frau Fuchs ({7})
Frau Fuchs ({8}) Gansel
Gerstl ({9})
Gilges
Glombig Dr. Glotz Grunenberg
Dr. Haack Haar
Haase ({10})
Haehser
Hansen ({11})
Frau Dr. Hartenstein
Dr. Hauchler
Hauck
Dr. Hauff Heimann Heistermann
Herterich Hettling Heyenn
Hiller ({12})
Horn
Frau Huber Huonker Ibrügger
Immer ({13}) Jahn ({14})
Jansen
Jaunich
Dr. Jens
Jung ({15}) Junghans Jungmann Kastning
Kiehm
Kirschner Kisslinger Klein ({16})
Dr. Klejdzinski
Klose
Kolbow Kretkowski
Kühbacher
Kuhlwein
Lambinus
Lennartz Leonhart Liedtke Löffler Lohmann ({17})
Lutz
Frau Luuk
Frau Matthäus-Maier Matthöfer
Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens ({18}) Dr. Mitzscherling
Müller ({19}) Müller ({20})
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann ({21}) Dr. Nöbel
Frau Odendahl Oostergetelo
Paterna Pauli
Peter ({22})
Porzner Poß
Purps
Ranker
Rapp ({23})
Rappe ({24}) Reimann
Frau Renger
Reschke Reuschenbach
Reuter
Rohde ({25})
Roth
Sander
Schäfer ({26}) Schanz
Dr. Scheer
Schlaga Schlatter Schluckebier
Frau Schmedt ({27})
Dr. Schmidt ({28}) Schmidt ({29}) Schmidt ({30})
Frau Schmidt ({31}) Schmidt ({32}) Schmitt ({33})
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger Schreiner
Schröder ({34}) Schröer ({35}) Schulte ({36})
Dr. Schwenk ({37}) Sielaff
Sieler
Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Spöri
Stahl ({38})
Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler Stobbe Stockleben
Dr. Struck
Vizepräsident Cronenberg Frau Terborg
Tietjen
Toetemeyer Frau Traupe Urbaniak
Vahlberg
Vogelsang
Voigt ({39})
Vosen
Waltemathe Walther
Wartenberg ({40}) Weinhofer
Weisskirchen ({41}) Dr. Wernitz
Westphal
Frau Weyel Dr. Wieczorek
Wieczorek ({42}) Wiefel
von der Wiesche
Wimmer ({43}) Witek
Dr. de With Wolfram
({44})
Würtz
Zander
Zeitler
Frau Zutt
DIE GRÜNEN
Auhagen
Frau Borgmann
Bueb
Frau Dann Frau Hönes Horacek
Frau Kelly Kleinert ({45})
Lange
Dr. Müller ({46}) Schmidt ({47}) Schulte ({48})
Senf ft
Suhr
Tatge
Tischer
Vogel ({49})
Volmer
Frau Wagner Werner ({50}) Werner ({51})
fraktionslos Bastian
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein
Frau Augustin Austermann
Dr. Barzel
Bayha
Dr. Becker ({52}) Berger
Frau Berger ({53}) Biehle
Dr. Blank
Dr. Blens Dr. Blüm Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen
Borchert
Boroffka
Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler ({54})
Dr. Bugl
Buschbom Carstens ({55})
Carstensen ({56}) Clemens
Conrad ({57}) Dr. Czaja
Dr. Daniels Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Dolata
Dr. Dollinger
Doss
Dr. Dregger Echternach Ehrbar
Eigen
Engelsberger
Erhard
({58}) Eylmann
Dr. Faltlhauser
Feilcke
Fellner
Fischer ({59}) Francke ({60})
Dr. Friedmann
Ganz ({61})
Dr. Geißler
Dr. von Geldern
Dr. George Gerlach ({62}) Gerstein
Gerster ({63})
Glos
Dr. Göhner Dr. Götz
Günther
Dr. Hackel Dr. Häfele von Hammerstein
Hanz ({64})
Haungs
Hauser ({65}) Hauser ({66}) Hedrich
Freiherr Heereman
von Zuydtwyck
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig Herkenrath Hinrichs
Hinsken
Höffkes
Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({67}) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Jäger ({68})
Jagoda
Dr. Jahn ({69})
Dr. Jobst
Jung ({70}) Kalisch
Dr.-Ing. Kansy Frau Karwatzki Keller
Kiechle
Kittelmann
Klein ({71})
Dr. Köhler ({72}) Dr. Köhler ({73}) Dr. Kohl
Kraus
Dr. Kreile
Krey
Kroll-Schlüter Dr. Kronenberg
Dr. Kunz ({74}) Lamers
Dr. Lammert Landré
Dr. Langner Lattmann
Dr. Laufs
Lenzer
Link ({75}) Link ({76}) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold
Löher
Lohmann ({77}) Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle Magin
Marschewski Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Mikat
Milz
Dr. Möller
Müller ({78}) Müller ({79}) Müller ({80})
Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr. Olderog
Pesch
Petersen
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pinger
Pöppl
Pohlmann
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rawe
Reddemann Regenspurger Repnik
Dr. Riedl ({81})
Dr. Riesenhuber Rode ({82}) Frau Rönsch Frau Roitzsch
({83}) Dr. Rose
Rossmanith
Roth ({84}) Rühe
Ruf
Sauer ({85})
Sauer ({86}) Saurin
Sauter ({87}) Sauter ({88})
Dr. Schäuble Scharrenbroich
Schartz ({89})
Schemken Scheu
Schlottmann Schmidbauer
Schmitz ({90})
von Schmude
Schneider ({91})
Dr. Schneider ({92}) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder ({93}) Schulhoff
Dr. Schulte
({94}) Schulze ({95})
Schultz ({96})
Schwarz
Dr. Schwörer
Seehofer
Seesing
Seiters
Spilker
Spranger Dr. Sprung Dr. Stark ({97})
Dr. Stavenhagen Stockhausen
Dr. Stoltenberg
Stommel
Straßmeir Strube
Stücklen
Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer
Uldall
Frau Verhülsdonk
Vogel ({98})
Vogt ({99})
Dr. Voigt ({100})
Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil
Dr. Warnke Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg
Weirich
Weiß
Werner ({101})
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wilz
Wimmer ({102})
Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Wittmann ({103})
Dr. Wörner Würzbach Dr. Wulff Zierer
Zink
FDP
Frau Dr. AdamSchwaetzer
Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg ({104}) Eimer ({105})
Engelhard Ertl
Vizepräsident Cronenberg
Dr. Feldmann
Gallus Gattermann
Genscher
Grünbeck
Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Hoffie Hoppe
Kleinert ({106}) Kohn
Dr.-Ing. Laermann
Dr. Graf Lambsdorff Mischnick
Möllemann
Neuhausen
Paintner
Ronneburger
Dr. Rumpf
Schäfer ({107})
Frau Dr. Segall
Frau Seiler-Albring
Dr. Weng ({108}) Wolfgramm ({109})
fraktionslos
Voigt ({110})
Enthalten
fraktionslos Handlos
Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3596. Die Fraktion verlangt auf Grund § 52 der Geschäftsordnung namentliche Abstimmung. Wer diesem Antrag auf Drucksache 10/3596 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Abstimmungskarte mit Ja, wer dagegen stimmt, die Abstimmungskarte mit Nein zu verwenden.
Ich eröffne die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich möchte fragen, ob sich jemand im Saal befindet, der seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat. - Wenn das nicht der Fall ist, schließe ich die Abstimmung und bitte, mit dem Auszählen zu beginnen. Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit, damit ich das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekanntgeben kann. Über den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN „Entlassung des Bundesministers des Innern" auf Drucksache 10/3596 ist wie folgt abgestimmt worden: Abgegebene Stimmen 493, ungültig keine; mit Ja gestimmt haben 33, mit Nein 277; es gab 183 Enthaltungen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 483; davon
j a: 27 Abgeordnete
nein: 272 Abgeordnete
enthalten: 178 Abgeordnete ungültig: 6
Ja
SPD
Conradi
Immer ({111}) Waltemathe
DIE GRÜNEN
Auhagen
Frau Borgmann Bueb
Frau Dann
Frau Hönes Horacek
Frau Kelly
Kleinert ({112}) Lange
Dr. Müller ({113}) Schmidt ({114})
Schulte ({115}) Senfft
Suhr Tatge Tischer Vogel ({116})
Volmer
Frau Wagner
Werner ({117}) Werner ({118})
fraktionslos Bastian
Nein
CDU/CSU
Dr. Abelein
Frau Augustin Austermann
Dr. Barzel
Bayha
Dr. Becker ({119}) Berger
Frau Berger ({120}) Biehle
Dr. Blank
Dr. Blens
Dr. Blüm Dr. Bötsch
Bohl
Bohlsen Borchert
Boroffka
Braun Breuer Broll
Brunner
Bühler ({121})
Dr. Bugl Buschbom
Carstens ({122}) Carstensen ({123}) Clemens
Conrad ({124}) Dr. Czaja
Dr. Daniels
Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger
Dolata
Dr. Dollinger
Doss
Echternach
Ehrbar Eigen
Engelsberger
Erhard
({125}) Eylmann
Dr. Faltlhauser
Feilcke Fellner
Fischer ({126}) Francke ({127})
Dr. Friedmann
Ganz ({128})
Dr. Geißler
Dr. von Geldern
Dr. George
Gerlach ({129}) Gerstein
Gerster ({130})
Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Günther Dr. Hackel
Dr. Häfele
von Hammerstein
Hanz ({131})
Haungs
Hauser ({132}) Hauser ({133}) Hedrich
Freiherr Heereman
von Zuydtwyck
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann ({134}) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch
Dr. Hupka
Graf Huyn
Jäger ({135})
Jagoda
Dr. Jahn ({136})
Dr. Jobst
Jung ({137})
Kalisch Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kiechle Kittelmann
Klein ({138})
Dr. Köhler ({139}) Dr. Köhler ({140}) Dr. Kohl
Kraus
Dr. Kreile
Krey
Kroll-Schlüter
Dr. Kronenberg
Dr. Kunz ({141}) Lamers
Dr. Lammert
Landré
Dr. Langner
Lattmann Dr. Laufs Lenzer
Link ({142})
Link ({143}) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold
Löher
Lohmann ({144}) Dr. h. c. Lorenz
Louven Lowack Maaß
Frau Männle
Magin
Marschewski
Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Mikat Dr. Miltner
Milz
Dr. Möller
Müller ({145}) Müller ({146})
Müller ({147})
Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr. Olderog
Pesch
Petersen Pfeffermann
Pfeifer
Vizepräsident Cronenberg Dr. Pinger
Pöppl
Pohlmann
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Rawe
Reddemann Regenspurger Repnik
Dr. Riedl ({148})
Dr. Riesenhuber Rode ({149}) Frau Rönsch Frau Roitzsch
({150}) Dr. Rose
Rossmanith Roth ({151}) Rühe
Ruf
Sauer ({152})
Sauer ({153}) Saurin
Sauter ({154}) Sauter ({155})
Dr. Schäuble Scharrenbroich Schartz ({156}) Schemken
Scheu
Schlottmann Schmidbauer Schmitz ({157})
von Schmude Schneider
({158})
Dr. Schneider ({159}) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder ({160}) Schulhoff
Dr. Schulte
({161}) Schulze ({162}) Schultz ({163}) Schwarz
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Seiters
Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Dr. Stark ({164})
Dr. Stavenhagen Stockhausen
Dr. Stoltenberg Stommel
Straßmeir
Strube
Stücklen
Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer Uldall
Frau Verhülsdonk
Vogel ({165})
Vogt ({166})
Dr. Voigt ({167})
Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiß
Werner ({168}) Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms Wilz
Wimmer ({169}) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann
Wittmann ({170}) Dr. Wörner
Würzbach Dr. Wulff Zierer
Zink
FDP
Frau Dr. AdamSchwaetzer Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg ({171}) Eimer ({172}) Engelhard
Ertl
Dr. Feldmann Gallus
Gattermann Genscher Grünbeck Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Hirsch
Hoff ie
Hoppe
Kleinert ({173}) Kohn
Dr.-Ing. Laermann
Dr. Graf Lambsdorff Mischnick
Möllemann Neuhausen Paintner
Ronneburger Dr. Rumpf Schäfer ({174})
Frau Dr. Segall
Frau Seiler-Albring
Dr. Weng ({175}) Wolfgramm ({176})
fraktionslos
Voigt ({177})
Enthalten
SPD
Amling
Antretter Dr. Apel
Bachmaier Bamberg
Becker ({178}) Bernrath
Berschkeit Bindig
Brandt
Brück
Buckpesch Büchler ({179})
Dr. von Bülow
Buschfort Catenhusen Collet
Dr. Corterier Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin
Daubertshäuser Delorme
Dreßler Duve
Egert
Dr. Ehmke ({180})
Dr. Ehrenberg Eickmeyer
Dr. Emmerlich
Esters
Ewen
Fiebig
Fischer ({181}) Fischer ({182}) Franke ({183}) Frau Fuchs ({184}) Gerstl ({185})
Gilges
Glombig Dr. Glotz Grunenberg
Dr. Haack Haar
Haase ({186}) Haehser
Hansen ({187}) Frau Dr. Hartenstein Dr. Hauchler
Hauck
Dr. Hauff Heimann Heistermann Herterich Hettling Heyenn
Hiller ({188})
Horn
Frau Huber
Huonker Ibrügger
Jahn ({189}) Jaunich
Dr. Jens
Jung ({190}) Jungmann
Kastning Kiehm
Kirschner Kisslinger Klein ({191})
Dr. Klejdzinski
Klose
Kolbow Kretkowski Kühbacher
Kuhlwein Lambinus Lennartz Leonhart Liedtke Löffler
Lohmann ({192}) Lutz
Frau Luuk
Frau Matthäus-Maier Matthöfer
Meininghaus
Menzel
Dr. Mertens ({193}) Dr. Mitzscherling Müller ({194}) Müller ({195})
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Neumann ({196}) Dr. Nöbel
Frau Odendahl Oostergetelo
Paterna Pauli
Peter ({197})
Porzner
Poß
Purps
Ranker
Rappe ({198}) Reimann
Frau Renger
Reschke
Reuter
Rohde ({199}) Roth
Sander
Schäfer ({200}) Schanz
Dr. Scheer
Schlaga
Schlatter
Schluckebier
Frau Schmedt
({201})
Dr. Schmidt ({202}) Schmidt ({203}) Schmidt ({204})
Frau Schmidt ({205}) Schmidt ({206}) Schmitt ({207})
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger
Schreiner
Schröder ({208}) Schröer ({209}) Schulte ({210})
Dr. Schwenk ({211}) Sielaff
Sieler
Frau Dr. Skarpelis-Sperk
Dr. Soell
Dr. Spöri
Stahl ({212})
Steiner
Frau Steinhauer Stiegler
Stobbe
Stockleben
Dr. Struck
Frau Terborg
Tietjen
Toetemeyer
Frau Traupe
Urbaniak
Vahlberg
Vogelsang
Voigt ({213}) Vosen
Walther
Wartenberg ({214}) Weinhofer
Weisskirchen ({215}) Dr. Wernitz
Westphal
Frau Weyel
Dr. Wieczorek
Wieczorek ({216}) Wiefel
von der Wiesche
Wimmer ({217}) Witek
Dr. de With
Wolfram
({218}) Würtz
Zander
Zeitler
Frau Zutt
fraktionslos Handlos
Vizepräsident Cronenberg
Ungültig Dr. Diederich ({219})
Frau Fuchs ({220})
SPD Gansel
Jansen
Frau Blunck Frau Simonis
Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.
Wir sind nunmehr am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 4. September 1985, 9 Uhr ein und wünsche Ihnen allen einen angenehmen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.