Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/26/1985

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, ich eröffne unsere Sitzung und rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 10/3539 Wir kommen zuerst zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Voss zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Pauli auf: Ist die Bundesregierung bereit, in den Bereichen der öffentlichen Verwaltung zusätzliche Planstellen einzurichten, wo bisher die entsprechenden Tätigkeiten von nebenberuflich Tätigen bzw. von Aushilfskräften ausgeführt wurden? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege Pauli, nebenberuflich Tätige und Aushilfskräfte werden in der Bundesverwaltung nur in besonderen Einzelfällen eingesetzt, und zwar wie folgt: Wenn ein bestimmter Auftrag durchzuführen ist, werden Verträge bis zu drei Jahren abgeschlossen; wenn kurzfristig unerwartet Mehraufgaben zu erledigen sind, die in angemessener Frist durch vorhandenes Personal nicht erfüllt werden können, werden Verträge bis zu 18 Monaten abgeschlossen. Planstellen können dagegen nur für Daueraufgaben eingerichtet werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Pauli.

Günter Pauli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001683, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Tatsache, daß an den 28 Bundeswehrfachschulen insgesamt 2 371 Unterrichtsstunden wöchentlich von ca. 450 nebenamtlichen Lehrkräften erteilt werden, und sind Sie nicht auch der Auffassung, daß es sinnvoll wäre, zur Deckung des entsprechenden Lehrkräftebedarfs Planstellen für arbeitslose Lehrer einzurichten?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege Pauli, ich würde diese Frage nach den Kriterien, die ich eben dargestellt habe, prüfen und dann entsprechend behandeln wollen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Pauli.

Günter Pauli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001683, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, auch die nächste Frage prüfen zu lassen, nämlich diese: Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß im Bundesarchiv in Koblenz seit Jahren eine Aufsichtsperson für den Benutzersaal beschäftigt ist, ohne daß eine entsprechende Planstelle vorhanden ist, so daß für diese Aufsichtstätigkeit nur noch Rentner beschäftigt werden, die keinen Anspruch auf eine Dauerbeschäftigung mehr durchsetzen können, und sind Sie nicht auch der Auffassung, daß es sinnvoll wäre, im Bundesarchiv eine Planstelle zur Besetzung durch einen Arbeitslosen einzurichten?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege Pauli, Sie werden verstehen, daß ich mich zu diesen Einzelfragen an dieser Stelle nicht äußern kann. Ich kann nur darauf hinweisen, daß die Kriterien, die ich eben genannt habe, für all diese Fälle angewendet werden sollten, weil sie vernünftig sind, Planstellen also nur dann eingerichtet werden können und eingerichtet werden sollen, wenn Daueraufgaben vorliegen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Fiebig.

Udo Fiebig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000539, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß es dem Steuerzahler im Grunde genommen gleichgültig ist, ob die, die bestimmte Tätigkeiten ausführen, als Inhaber von Planstellen besoldet werden oder aber, ohne eine Planstelle zu haben, aus allgemeinen Haushaltsmitteln bezahlt werden, und wenn ja, sind Sie dann nicht der Auffassung, daß es vernünftig ist, für unentbehrliche Tätigkeiten entsprechende Planstellen einzurichten?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege, das hängt davon ab, welche Art von Tätigkeit vorliegt. Wenn es wirklich eine Tätigkeit ist, die nicht nur vorübergehender Natur ist, die also über einen längeren Zeitraum ausgeübt wird, und wenn es infolgedessen sinnvoll ist, eine Planstelle einzurichten, kann das für die Steuerzahler die beste Möglichkeit sein. Wenn es sich aber im umgekehrten Fall nicht darum handelt, daß für längere Zeit, also für die Dauer, eine Arbeit für eine Planstelle zur Verfügung steht, wird eine Planstelle für den Steuerzahler bedeutend teurer als der sonst gewählte Weg, Zeitarbeitsverträge abzuschließen, um die Arbeiten im vereinbarten Zeitraum erledigen zu lassen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jaunich.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie mir darüber Auskunft geben, ob für solche aushilfsweisen Beschäftigungen bei entsprechender Qualifikation vorrangig Arbeitslose herangezogen werden?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege, das hängt davon ab, wie das Angebot ist und welcher Art die Tätigkeiten sind. Ich glaube nicht, daß die Auswahl nach den Kriterien getroffen wird, die Sie hier eben genannt haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe Frage 4 des Abgeordneten Dr. Weng ({0}) auf: Ist die Bundesregierung bereit, zur Verstärkung des Drucks auf Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen gesetzliche Regelungen derart anzustreben, daß gewerbliche Tätigkeiten öffentlicher Körperschaften ebenso der Mehrwert- und gegebenenfalls der Gewerbesteuer unterworfen werden wie private Unternehmen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege Weng, nach geltendem Recht unterliegen juristische Personen des öffentlichen Rechts mit den Umsätzen der Umsatzsteuer, die sie im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art im Sinne des Körperschaftsteuerrechts oder eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausführen. Ein Betrieb gewerblicher Art liegt vor, wenn eine wirtschaftliche Tätigkeit nachhaltig und mit der Absicht ausgeübt wird, Einnahmen zu erzielen. Die Tätigkeit muß sich ferner aus der Gesamtbetätigung der Körperschaft wirtschaftlich herausheben. Unterhalb einer Bagatellgrenze von 60 000 DM Jahresumsatz wird im Regelfall ein Betrieb gewerblicher Art nicht angenommen. Wirtschaftliche Tätigkeiten der öffentlichen Hand, die von Gewicht sind, unterliegen hiernach bereits nach geltendem Recht der Umsatzsteuer. Nach den bisherigen Erfahrungen bietet der körperschaftsteuerliche Begriff des Betriebes gewerblicher Art eine ausreichende Handhabe, um größere Wettbewerbsstörungen auszuschließen. Auch bei der Gewerbesteuer sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit ihren gewerblichen Tätigkeiten schon nach geltendem Recht grundsätzlich steuerpflichtig. Ausgenommen von der Gewerbesteuerpflicht sind lediglich Unternehmen, die als Hoheitsbetriebe der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen. Für die öffentliche Hand besteht nach alledem kein Anreiz, wirtschaftliche Betätigungen aus steuerlichen Gründen selbst auszuführen. Im übrigen unterliegen die juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit ihren Betrieben gewerblicher Art auch der Körperschaftsteuer.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Weng.

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, verstehe ich Sie richtig, daß Sie erklären, Wettbewerbsverzerrungen lägen in dem von mir angesprochenen Bereich nach Auffassung der Bundesregierung nicht vor und deswegen bestehe kein Handlungsbedarf?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Das ist grundsätzlich richtig, Herr Kollege Weng, denn eine Steuerpflicht besteht in dem eben von mir genannten Rahmen, und von daher besteht somit kein Handlungsbedarf.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Weng.

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sind Sie bereit, Herr Staatssekretär, mir eine Reihe konkreter Einzelfälle, die ich jetzt hier nicht im einzelnen darlegen will, weil das zuviel Zeit kosten würde, unter Berücksichtigung dieses Aspektes zu beantworten, d. h. dazu im einzelnen unter dem Aspekt „keine Wettbewerbsverzerrungen" Stellung zu nehmen?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Selbstverständlich, Herr Kollege.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ist das hierzu eine Zusatzfrage, Herr Pauli? - Dann sind Sie an der Reihe.

Günter Pauli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001683, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind auch Kataster- und Vermessungsämter bei den Dienstleistungen der Mehrwertsteuerpflicht unterworfen, bei denen öffentlich bestellte Vermessungsingenieure Mehrwertsteuer in vollem Umfang zahlen müssen? Wenn dies nicht der Fall ist: Wie stellt die Bundesregierung die garantierte Gleichbehandlung sicher?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege, eine Steuerpflicht liegt nur dann nicht vor, wenn es sich um hoheitliche Aufgaben handelt, die hier versehen werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Finanzen. Ich danke dem Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Für die Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Höpfinger zur Verfügung. Die beiden Fragen 5 und 6 des Herrn Abgeordneten Catenhusen sollen auf Wunsch schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen beigefügt. Wir kommen zur Frage 7 des Abgeordneten von Schmude: Vizepräsident Westphal Wie beurteilt die Bundesregierung die im Hearing des innerdeutschen Ausschusses vom 12. Juni 1985 vorgebrachten Beanstandungen von Verbandsvertretern, daß in der Hansestadt Hamburg DDR-Übersiedler bei der Bearbeitung von Arbeitslosengeldanträgen im Durchschnitt doppelt solange warten müssen, wie im übrigen Bundesgebiet, sogenannte Sofortkredite als Eingliederungshilfe erst nach drei bis vier Monaten entschieden und den DDR-Übersiedlern überwiegend Wohnungen in unzumutbarem Zustand zur Verfügung gestellt werden?

Stefan Höpfinger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000926

Herr Kollege von Schmude, im Arbeitsamt Hamburg werden Anträge auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe innerhalb von einem Tag bis zu drei Tagen nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen bearbeitet. Dies gilt auch für Anträge von DDR-Übersiedlern. Die Arbeitsämter sind darüber hinaus angewiesen, Leistungsanträge von DDR-Übersiedlern bevorzugt zu bearbeiten und erforderlichenfalls Vorschüsse zu zahlen. Die von Ihnen zitierte Behauptung von Verbandsvertretern im Hearing des Innerdeutschen Ausschusses dürfte deshalb auf einem Mißverständnis beruhen. Auch die Behauptungen über eine verzögerte Bewilligung von Einrichtungsdarlehen und über den unzumutbaren Zustand der Wohnungen, die DDR-Übersiedlern in Hamburg zur Verfügung gestellt werden, kann ich nicht bestätigen. Ich bin jedoch gern bereit, der Sache nachzugehen, wenn Sie mir entsprechende Fälle nennen. Ich darf noch darauf hinweisen: Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe werden im Regelfall auf ein Konto des Arbeitslosen überwiesen. Die Überweisung dauert bis zu einer Woche. Im Regelfall kann der Arbeitslose deshalb nach eineinhalb Wochen - also eine halbe Woche Bearbeitungszeit und eine Woche Überweisungszeit - über die erste Leistungszahlung verfügen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr von Schmude, Zusatzfrage bitte. von Schmude ({0}): Herr Staatssekreträr, teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß es besonders verwerflich und beschämend wäre, wenn - wie behauptet wird und wie es durch die Überprüfungen, die in Hamburg eingeleitet worden sind, festgestellt wird - die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Neue Heimat in Hamburg die Situation der DDR-Übersiedler ausnutzt, indem sie ihnen zu teure Wohnungen, die dazu noch in einem schlechten Zustand sind, vermietet?

Stefan Höpfinger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000926

Herr Kollege von Schmude, ich halte es an und für sich für verwerflich, wenn eine Notsituation von Menschen irgendwie ausgenützt wird; aber solche Dinge sind erst einmal nachzuprüfen und festzustellen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr von Schmude. von Schmude ({0}): Für den Fall, daß diese Nachprüfung erfolgt und diese Ergebnisse bringt, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, auf den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg einzuwirken, um den durch das vorgeworfene Verhalten der Neuen Heimat verursachten schlimmen Eindruck zu korrigieren, in Hamburg seien DDR- Übersiedler unerwünscht bzw. nur solche erwünscht wie der ehemalige kommunistische Liedermacher Biermann?

Stefan Höpfinger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000926

Herr Kollege von Schmude, wenn solches durch Untersuchungen festgestellt wird, bin ich überzeugt, daß das Ergebnis den zuständigen Stellen zugestellt wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Kollege von Schmude, wenn ich jetzt Ihre Frage noch einmal überfliege, war sie an zwei verschiedene Ministerien zu richten. Man kann als Abgeordneter auch zwei Fragen stellen. Sie hätten dann wahrscheinlich eine sachgerechtere Antwort von dem zuständigen Ministerium bekommen können. Wir haben zu diesem Geschäftsbereich noch die Frage 8 des Abgeordneten Clemens: Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Umfang Betriebe bzw. Arbeitskolonnen der DDR in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt werden, und was gedenkt sie hiergegen angesichts der Arbeitslosigkeit, insbesondere im Zonengrenzland, zu tun?

Stefan Höpfinger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000926

Herr Kollege Clemens, in welchem Umfang Betriebe oder Arbeitskolonnen aus der DDR in der Bundesrepublik Deutschland tätig werden, wird statistisch nicht erfaßt. Deutsche Arbeitnehmer aus der DDR genießen als Deutsche die Grundrechte der Freizügigkeit und freien Berufswahl des Grundgesetzes. Sie benötigen daher weder eine Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis noch unterliegen sie besonderen Kontrolloder Meldepflichten. Es ist zu vermuten, daß sich die im vorigen Jahr von der Bundesregierung genannten Zahlen der hier tätigen Arbeitnehmer aus der DDR nicht wesentlich verändert haben. Sie beruhen auf vorsichtigen Schätzungen der westdeutschen Bauunternehmen. Ich darf hierzu auf die Antworten der Bundesregierung vom 10. Mai und 27. Juni 1984 auf die Fragen der Abgeordneten Stutzer - Drucksache 10/1453 - und von Schmude - Drucksache 10/1656 - verweisen. Wegen des Grundrechts auf Freizügigkeit auch der Deutschen aus der DDR besteht keine rechtliche Möglichkeit, die Tätigkeit von DDR-Arbeitnehmern im Bundesgebiet zu verhindern. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß die Zahl der westdeutschen Arbeitnehmer, die im Zusammenhang mit Anlagelieferungen in der DDR tätig sind, eher größer sein dürfte als die Zahl der DDR-Arbeitnehmer im Bundesgebiet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Clemens, eine Zusatzfrage, bitte schön.

Joachim Clemens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000330, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich habe leider die Antworten nicht zur Hand, auf die Sie sich beziehen; aber darf ich Sie fragen, ob der Bundesregierung bekannt ist, daß die DDR-Betriebe hier in der Bundesrepublik, insbesondere im Bereich der Bauwirtschaft und insbe10970 sondere im Zonengrenzland mit Dumpingpreisen Betriebe und Unternehmen der Bundesrepublik unterbieten?

Stefan Höpfinger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000926

Herr Kollege Clemens, die DDR ist verpflichtet, den im Berliner Abkommen festgelegten Grundsatz zu beachten, daß sich die Preise für Waren und Dienstleistungen an unseren Marktpreisen orientieren müssen. Die Angemessenheit der Preise kann notfalls in einem Preisprüfungsverfahren untersucht werden. Im Rahmen dieses Verfahrens können die Wettbewerbssituation überprüft und erhebliche Schädigungen abgewehrt werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfragen? - Nein. Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Jetzt steht uns zur Beantwortung der Fragen der Parlamentarische Staatssekretär Würzbach zur Verfügung. Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Schierholz auf: Worauf ist es zurückzuführen, daß der totale Kriegsdienstverweigerer Klaus Stefan Philipp dreieinhalb Monate nach seiner Einberufung zum Grundwehrdienst kurz vor seiner Gerichtsverhandlung wegen Fahnenflucht in einem unverhältnismaßig harten Feldjägereinsatz vorläufig festgenommen worden ist, und warum wird dieser junge Mann, der unzweideutig eine Gewissensentscheidung gegen jegliche Art der Wehrpflicht getroffen hat, nicht auf der Basis von § 29 Wehrpflichtgesetz aus der Bundeswehr entlassen?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Präsident! Herr Kollege! Der von Ihnen genannte Soldat wurde am 2. Januar 1985 einberufen. Da er seinen Grundwehrdienst jedoch nicht antrat, sondern vielmehr, wie wir j a hier im Plenum des Bundestages gehört hatten, sich in der Geschäftsstelle der GRÜNEN einsiedelte, stellte seine Einheit ein Fahndungsersuchen. Der fahnenflüchtige Soldat wurde dann in der Nacht vom 18. auf den 19. April von einer Feldjägerstreife in Bonn gemeinsam mit der Polizei gestellt. Es kam hierbei weder zu einer vorläufigen Festnahme noch zur Anwendung unmittelbaren Zwangs. Die Entlassung des Soldaten, wonach Sie fragen, nach § 29 des Wehrpflichtgesetzes ist nicht möglich, da er bisher keinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt hat, geschweige denn anerkannt ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage von Herrn Dr. Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, wie geht denn die Bundesregierung mit solchen, in letzter Zeit ja häufiger öffentlich bekannt gewordenen, aber schon länger in der Bundeswehr vorkommenden Fällen um, wo junge Menschen Gewissensgründe gegen die Ausübung des Kriegsdienstes mit der Waffe geltend machen? ({0})

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

So wie das Gesetz es vorschreibt. Auch jeder Soldat hat sein Gewissen geprüft und ist zu der Entscheidung gekommen, daß es sich lohnt, zur Aufrechterhaltung von Freiheit und Frieden diesen Dienst in den Streitkräften zu tun.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da ich den letzten Teil Ihrer Antwort hier nicht mit Ihnen diskutieren darf, Herr Staatssekretär, möchte ich Sie lediglich noch fragen, ob die Bundesregierung bereit ist, über solche Fälle von Kriegsdienstverweigerern in der Truppe einen Bericht zu erstatten.

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Die Bundesregierung hat eine Fülle von Berichten in den zuständigen Ressorts und vor jedem Gremium, das darum bittet, zu allen Zeiten gegeben, wie auch jüngst. - Ich will noch einmal darauf hinweisen, daß der Mann, den Sie in Ihrer Geschäftsstelle untergebracht haben, überhaupt kein Kriegsdienstverweigerer ist. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Die Fragen 10 und 11 des Herrn Abgeordneten Hansen ({0}) sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir sind damit am Ende der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich, Herr Staatssekretär. Danke für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Karwatzki zur Verfügung. Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Haungs auf: Wie beurteilt die Bundesregierung den Modellvorschlag des Deutschen Roten Kreuzes zur Berufsausbildung der Rettungssanitäter? Bitte schön, Frau Staatssekretär.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Haungs, der Modellvorschlag des Deutschen Roten Kreuzes zur Berufsausbildung der Rettungssanitäter wird wie die übrigen der Bundesregierung vorliegenden Vorschläge aus dem Bereich der Berufskreise in die Überlegungen zur Erstellung eines Entwurfs für ein Gesetz über den Beruf des Rettungssanitäters miteinbezogen werden. Er ist auch von der Arbeitsgruppe „Rettungssanitäter" des Bund-Länder-Ausschusses Rettungswesen geprüft worden und weicht in den Grundüberlegungen nicht wesentlich von dem Votum dieser Arbeitsgruppe ab, mit dem sich der Bund-LänParl. Staatssekretär Frau Karwatzki der-Ausschuß noch beschäftigt. Ich möchte dem Vorschlag dieses Ausschusses jetzt nicht vorgreifen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Haungs auf: Wann wird die Bundesregierung endlich das Berufsbild des Rettungssanitäters verabschieden? Bitte schön, Frau Staatssekretär. Frau Karwatzki, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege, Voraussetzung für die Erstellung eines erneuten Gesetzentwurfs über den Beruf des Rettungssanitäters ist das Votum des Bund-Länder-Ausschusses „Rettungswesen", der zur Untersuchung und Erarbeitung der für ein solches Gesetz wichtigen Grunddaten seit zwei Jahren eine eigene Arbeitsgruppe „Rettungssanitäter" eingesetzt hat. Die Arbeitsgruppe, in der Vertreter des Bundes und der Länder mitarbeiten, hat inzwischen einen Vorschlag erarbeitet und dem Bund-Länder-Ausschuß im Mai dieses Jahres zugeleitet. Das Votum spricht sich - wie inzwischen bekannt ist - für den Erlaß eines entsprechenden Gesetzes auf der Grundlage bestimmter, von der Arbeitsgruppe zur Grundlage gemachter Bedingungen aus. Zur Zeit ist der Bund-LänderAusschuß selbst noch mit der Klärung einiger Fragen befaßt. Sobald er seine Arbeit abgeschlossen hat, wird der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit einen Referentenentwurf erarbeiten und mit den Beteiligten abstimmen. Auf die Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Bard und der Fraktion DIE GRÜNEN - Drucksache 10/1631 - wird ergänzend Bezug genommen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Haungs.

Rainer Haungs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000830, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, bis wann mit diesem Referentenentwurf gerechnet werden kann?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Nein, das kann ich nicht, Herr Kollege. Ich kann doch die Beamten, die daran sitzen, nicht in einen Zeitdruck bringen, zumal wir nicht direkt zuständig sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Jaunich, zu einer Zusatzfrage.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, ob der Bund-Länder-Ausschuß bzw. die Arbeitsgruppe im Rahmen ihrer Erörterungen auch untersucht hat, ob ein Ausbildungsgang, gestützt auf das Berufsbildungsgesetz, möglich wäre.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Jaunich, das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ich bin selbstverständlich gerne bereit, mich sachkundig zu machen und Ihnen die Antwort zuzustellen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Fiebig auf: Ist die Bundesregierung mit mir einer Meinung, daß zur Erfüllung des Zweiten Arzneimittelgesetzes und zum Nachweis von Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eine international anerkannte wissenschaftliche Disziplin „klinische Pharmakologie" auch in der Bundesrepublik Deutschland dringend notwendig ist? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollge Fiebig, die wissenschaftliche Disziplin klinische Pharmakologie hat im Rahmen der Arzneimittelversorgung, vor allem auch im Hinblick auf die Anforderungen, die durch das Arzneimittelgesetz an Arzneimittel gestellt werden, eine wichtige Funktion. Eine personell, institutionell und finanziell gute Ausstattung dieses medizinischen Fachs ist deshalb im Hinblick auf einen effektiven Vollzug der gesetzlichen Bestimmungen über die klinische Prüfung von Arzneimitteln am Menschen erstrebenswert. Aus diesen Gründen teile ich Ihre Meinung.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Fiebig? Fiebig ({0}): Nein.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Fiebig auf: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Lage der klinischen Pharmakologie in der Bundesrepublik Deutschland zu verbessern, damit sie ihren wissenschaftlichen Rang behält, zur Innovation im Arzneimittelbereich beitragen und damit die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Arzneimittel auf dem Weltmarkt verbessern kann? Bitte schön, Frau Staatssekretär.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Fiebig, das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat sich bereits 1979 für eine Verbesserung der Lage der klinischen Pharmakologie in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt und die Anregung zu einer Entschließung der 43. Gesundheitsministerkonferenz am 10./11. Mai 1979 gegeben, mit der die Kultusministerkonferenz gebeten wurde, „im Hochschulbereich der Errichtung von Lehrstühlen und der Schaffung von Abteilungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen". Die Kultusministerkonferenz hat diese Entschließung positiv aufgenommen und sich in den vergangenen Jahren für den Ausbau der klinischen Pharmakologie an den Hochschulen im Rahmen der Möglichkeiten eingesetzt. Zur Unterstützung des Fachs „klinische Pharmakologie" wurde 1977 eine Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation nach Bonn eingeladen, die die vielfältigen Aufgaben der klinischen Pharmakologie präzisierte. Das Europäische Regionalbüro der WHO erarbeitet z. Z. eine Studie über die Situation der klinischen Pharmakologie in Europa, die im Sommer 1986 vorgelegt und auch in der Bundesrepublik diskutiert werden wird. Seit 1972 finanziert das Ministerium eine WHO-Symposienreihe über die „klinisch-pharmakologische Bewertung bei der Arzneimittelkontrolle", die sich sowohl mit generellen wie auch mit speziellen Themen, z. B. „Arneimittel für ältere Menschen", „Arzneimitttel für Säug10972 linge und Kleinkinder" und „Arzneimittel in Schwangerschaft und Geburt", befaßt. Es ist beabsichtigt, der Ausbildung in klinischer Pharmakologie im Rahmen des Medizinstudiums bei der bevorstehenden Novellierung der Approbationsordnung für Ärzte ein stärkeres Gewicht zu geben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Fiebig.

Udo Fiebig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000539, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretär, beabsichtigt der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Forschungsaufträge im Bereich der klinischen Pharmakologie zu vergeben und auch für die Finanzierung zu sorgen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Fiebig, Sie wissen, daß wir nur modellhaft fördern können. Wenn das in dem einen oder anderen Fall möglich ist, sage ich Ihnen eine Förderung zu. Dies kann ich aber erst nach Prüfung tun.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Fiebig.

Udo Fiebig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000539, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretär, Sie haben einige Aktivitäten aufgezählt, die noch aus den 70er Jahren stammen. Welche Aktivitäten plant denn die jetzige Bundesregierung etwa im Hinblick auf das Ende des Jahrzehnts, um die klinische Pharmakologie in den Stand zu versetzen, ihre Aufgaben zu erfüllen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Fiebig, ich sagte bereits, daß wir bei der Änderung der Approbationsordnung festschreiben werden, daß dieser Gesichtspunkt stärker in der Ausbildung berücksichtigt wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine weitere Zusatzfrage. Wir kommen zur Frage 16 der Abg. Frau Dr. Hamm-Brücher: Wie hat sich der deutsch-israelische Jugendaustausch in den letzten drei Jahren finanziell und zahlenmäßig entwikkelt? Bitte schön, Frau Staatssekretär.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Frau Kollegin Hamm-Brücher, da mir die Zahlen für 1984 noch nicht vorliegen, teile ich Ihnen gern die Zahlen von 1981 bis 1983 mit. Ich muß mich dabei auf den aus Mitteln des Bundesjugendplans geförderten deutsch-israelischen Jugendaustausch beschränken. Soweit solche Austauschprogramme auch aus Mitteln der Bundesländer bzw. der Kommunen unterstützt werden, liegt kein statistisches Zahlenmaterial vor. Im einzelnen: 1981 wurden 101 Programme in der Bundesrepublik Deutschland mit 1 540 israelischen Teilnehmern und 149 Programme in Israel mit 2 639 deutschen Teilnehmern mit einem Gesamtbetrag von 2 565 600 DM gefördert. 1982 wurden 85 Programme in der Bundesrepublik Deutschland mit 1 431 israelischen Teilnehmern und 132 Programme in Israel mit 2 400 deutschen Teilnehmern mit einem Gesamtbetrag von 2 606 000 DM gefördert. 1983 betrug die Zahl der Programme in der Bundesrepublik Deutschland 128 mit 2 041 israelischen Teilnehmern, und die Zahl der Programme in Israel betrug 135 mit 2 491 deutschen Teilnehmern. Der Förderungsbetrag aus Mitteln des Bundesjugendplans belief sich auf 3 009 000 DM. Zusätzlich fanden in den letzten Jahren jährlich 60 bis 70 Programme der Internationalen Jugendgemeinschafts- und Sozialdienste in Israel statt, deren Teilnehmerzahl und Förderung statistisch nicht gesondert erfaßt sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Frau Dr. Hamm-Brücher.

Dr. Dr. h. c. Hildegard Hamm-Brücher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000793, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Mit meinem Dank möchte ich eine Zusatzfrage verbinden: Werden Anträge, die von Organisationen gestellt werden, mangels finanzieller Unterstützungsmöglichkeiten abgelehnt?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Nein, Frau Kollegin Hamm-Brücher, das kann ich mir nicht vorstellen. Im Rahmen des vorhandenen Volumens wird gerade der deutsch-israelische Jugendaustausch nach dem deutsch-französischen Jugendaustausch an der zweiten Stelle gefördert.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Frau Dr. Hamm-Brücher.

Dr. Dr. h. c. Hildegard Hamm-Brücher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000793, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist Ihnen bekannt, Frau Staatssekretär, daß israelische Jugendgruppen jetzt nicht mehr an Programmen teilnehmen können, weil hohe Kosten bei der Ausreise aus Israel entstehen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Ja, Frau Kollegin Hamm-Brücher, das ist uns bekannt. Dies trifft ja nicht nur für die israelischen Jugendgruppen, sondern für alle Israelis zu, die ausreisen wollen. Wir haben uns selbstverständlich sehr gern dafür eingesetzt, daß möglichst der Jugendaustausch draußenvor bleibt. Mir ist in einem persönlichen Gespräch von dem Stellvertreter des Herrn Botschafters mitgeteilt worden, daß dies vor September nicht möglich ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, handelt es sich auf israelischer Seite in erster Linie um einen staatlichen Jugendaustausch, oder werden dort auch Verbände und Jugendverbände unter privater bzw. freier Trägerschaft gefördert?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Es wird sowohl das eine als auch das andere gefördert. Dabei spielt gerade der Austausch mit den freien Trägern eine sehr wesentliche Rolle.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 17 der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher auf: Beabsichtigt die Bundesregierung eine Intensivierung des deutsch-israelischen Jugendaustausches? Vizepräsident Westphal Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Frau Kollegin Hamm-Brücher, die Bundesregierung ist grundsätzlich an einer Intensivierung des deutschisraelischen Jugendaustausches interessiert. Ich sagte Ihnen soeben schon, daß wir uns viel Mühe geben, gerade die Begegnung junger Leute zu fördern; aber Sie wissen auf Grund Ihrer langjährigen Erfahrung selbst, daß wir keinen Einfluß auf einen Staat nehmen können, wenn er auf Grund seiner eigenen wirtschaftlichen Situation solche Verfügungen erläßt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Frau Dr. Hamm-Brücher.

Dr. Dr. h. c. Hildegard Hamm-Brücher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000793, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretär, können Sie mir die Frage beantworten, ob Klagen von deutschen Jugendorganisationen oder gar vom Bundesjugendring vorliegen, daß die Unterstützung seitens der Bundesregierung nicht ausreichend sei?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Frau Kollegin Hamm-Brücher, Jugendverbände werden uns immer sagen, daß es nicht ausreichend ist. Aber Sie wissen selbst, daß wir uns im Rahmen des vorliegenden Etats rechtzeitig vorher gerade mit den bundesrelevanten Institutionen, so auch mit dem Deutschen Bundesjugendring, in Verbindung setzen und im Rahmen des vorhandenen Volumens bisher auch immer den Ansprüchen der jungen Leute haben Genüge tun können. Es wird immer so sein, daß man immer noch mehr fördern kann. Aber, Frau Kollegin Hamm-Brücher, ich glaube schon, daß wir gerade auch aus unserer Verpflichtung heraus dem deutsch-israelischen Jugendaustausch viel zuerkennen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Noch eine Zusatzfrage, Frau Dr. Hamm-Brücher.

Dr. Dr. h. c. Hildegard Hamm-Brücher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000793, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretär, ich bin Ihnen für diese ganz klare Aussage sehr dankbar, möchte aber noch einmal konkreter nachfragen: Ist Ihnen bekannt, daß über ein nachlassendes grundsätzliches Interesse der Bundesregierung an der Förderung des deutsch-israelischen Jugendaustausches Klage geführt wurde?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Nein, das ist mir nicht bekannt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da wir gerade schon beim Geld waren, Frau Staatssekretärin, möchte ich doch noch konkret fragen, um wieviel die Bundesregierung den Etatansatz im Jahre 1986 für diesen Zweck erhöhen will.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege, Sie wissen, daß die Etatgespräche gerade beendet worden sind. Ich kann Ihnen hier keine Auskünfte zu Einzelheiten geben, um wieviel wir das zu erhöhen gedenken, aber Sie dürfen sicher sein, daß bei den Mitteln des Bundesjugendplanes keine Abstriche gemacht werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretär, wäre es Ihnen möglich, einmal darzulegen, bei welchen Organisationen insbesondere Interesse besteht, mit Jugendlichen nach Israel zu fahren? Sind dies insbesondere Gruppen aus politischen Jugendorganisationen, sind es kirchliche Jugendgruppen, Gruppen aus der Gewerkschaftsjugend oder aus den Sportverbänden?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege, ich muß schnell einmal in meine schlaue Unterlage schauen. ({0}) - Ich bedanke mich für den Zuruf. Als erstes möchte ich anmerken, daß grundsätzlich bei allen Jugendverbänden - egal, welcher politischen oder religiösen Richtung - eine große Bereitschaft gegeben ist, mit jungen Israelis in Kontakt zu treten. Ich kann sagen, daß gerade im Bereich der beiden christlichen Kirchen sehr intensive Kontakte gehalten werden. Ich möchte aber in gleicher Weise sagen, daß die Jugendverbände der politischen Parteien diese Begegnungen mit den jungen Israelis ebenfalls als sehr wichtig erachten. Herr Kollege - ich habe die Angaben gerade in meinen Unterlagen gefunden -, Hauptträger sind auf deutscher Seite neben den traditionellen Jugendverbänden - dazu habe ich bereits etwas ausgeführt - auch Bildungsstätten, die kommunalen Jugendämter, über die ich leider keine Aussagen zahlenmäßiger Art machen kann, sowie der Internationale Jugend- und Besucheraustauschdienst der Bundesrepublik Deutschland. Es wird hier sehr nachdrücklich darauf hingewiesen, daß neben den. Jugendgruppen - ich hebe das bewußt noch einmal hervor - der beiden Konfessionen auch die Sportjugend und die Gewerkschaftsjugend nicht nur Interessenten, sondern aktive Teilnehmer an solchen Begegnungen sind. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Die Frage 18 der Abgeordneten Frau Steinhauer soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Wir stehen damit am Ende des Geschäftsbereiches des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen, Frau Staatssekretärin. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte zur Verfügung. Die Fragen 19 bis 22 sollen auf Wunsch der Fragesteller, der Herren Abgeordneten Dr. Ehrenberg und Fischer ({0}), schriftlich beantwortet Vizepräsident Westphal werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf: Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Maße bisher Firmen aus dem Zonenrandgebiet mit Aufträgen am Neubau der Bundesbahnstrecke Nord-Süd beteiligt waren und inwieweit auswärtige Firmen berücksichtigt wurden? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Herr Kollege, die erforderlichen baulichen Investitionen nach Abzug von Grunderwerbs- und Planungskosten belaufen sich für den Neubau der Strecke Hannover-Würzburg auf 10 Milliarden DM. Bisher wurden Bauaufträge mit einer Summe von 4,7 Milliarden DM vergeben. Firmen aus dem Zonenrandgebiet haben nach den Angaben der Deutschen Bundesbahn Bauaufträge im Wert von annähernd 30 % erhalten. Ausländische Firmen allein haben keinen Auftrag erhalten. Als Partner von Arbeitsgemeinschaften waren überwiegend österreichische Fachfirmen - bisher mit knapp 10 % - am Vergabevolumen beteiligt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, halten Sie nicht den Anteil von 30 % bei Bauaufträgen für Firmen aus dem Zonenrandgebiet für zu niedrig, weil gerade dort die Baufirmen in einer besonders schwierigen Situation stehen und wir dort eine hohe Arbeitslosenquote haben?

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Herr Kollege, wir haben in diesem Sinne mehrfach mit der Deutschen Bundesbahn gesprochen. Sie kennen allerdings selber die Vergaberichtlinien, die Schranken auferlegen. Ich muß aber im Hinblick auf den Abschnitt, der zu 100 % im Zonenrandgebiet liegt, nämlich den Abschnitt Kassel-Fulda, noch folgendes ausführen. Wir hatten dort bisher ein Vergabevolumen von 1,85 Milliarden DM. Bei diesen Vergaben liegt der Anteil der Firmen aus dem Zonenrandgebiet deutlich über 50 %.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist auch gesichert, daß in den Fällen, in denen Aufträge an Generalunternehmer gehen, Subunternehmer aus dem Zonenrandgebiet gebührend berücksichtigt werden?

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Herr Kollege, davon gehe ich aus. Ich werde Ihre Frage aber gern zum Anlaß nehmen, hier noch einmal nachzustoßen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da die Bundesbahn nicht davon abgeht, gerade im Raum Südostniedersachsen, also im Umfeld Hannover-Göttingen, Strecken stillzulegen bzw. Strecken auf Busebene zu verlagern, und damit die bisherigen Reparaturaufgaben auch für den mittelständischen Bereich nicht mehr zum Tragen kommen, würde ich Sie gern fragen wollen, ob Sie auch Zahlenmaterial über diesen niedersächsischen Zonenrandbereich, über den Streckenabschnitt Hannover-Göttingen, haben.

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Das müßte ich extra heraussuchen. Ich schicke es Ihnen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir kommen zur Frage 24 des Abgeordneten Senfft: Welche Beweggründe sind ausschlaggebend dafür, daß im Rahmen des Sonderangebotes „Rosarotes Jahr" der Deutschen Bundesbahn der ermäßigte Kinderfahrpreis von 10 DM nur für eigene Kinder oder Enkelkinder gilt, während bei Nutzung des entsprechenden Pauschalpreises für die Mitnahme eines Hundes der Nachweis der „Familienzugehörigkeit" nicht erbracht werden muß? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Herr Kollege, die Beförderungsentgelte sind mit 29 DM und 10 DM so unterschiedlich, daß man einen Vergleich nicht anstellen sollte. Ich sehe allerdings auch nicht, wie man bei einem beförderten Hund die Familienzugehörigkeit feststellen sollte.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Senfft.

Hans Werner Senfft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002162, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, können Sie denn die Ansicht teilen, daß unser Anliegen nicht unbedingt ist, die Hunde gegenüber den Kindern bei den Fahrpreisen zu benachteiligen, sondern daß es gerade umgekehrt unser Anliegen ist, die Kinder bei der Tarifregelung mit den Hunden gleichzustellen und zu erreichen, daß auch Nachbarkinder oder nichtfamilienangehörige Kinder, die in der Gruppe mitfahren, nur den ermäßigten Fahrpreis von 10 DM zu zahlen haben?

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Herr Kollege, ein Kind muß 10 DM bezahlen, ein Hund 29 DM. Ich glaube, daß darin auch zum Ausdruck kommt, daß die Deutsche Bundesbahn an die Familien denkt. Wir müssen allerdings davon ausgehen, daß eine Ausdehnung allgemein auf Kinder ohne Prüfung der Familienzugehörigkeit den Kreis der Berechtigten unüberschaubar machen würde.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Senfft.

Hans Werner Senfft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002162, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß es ein besonderes Anliegen - insbesondere auch des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn - ist, Kinder und Jugendliche vermehrt auf die Schiene zu bekommen, und daß insofern bei dem Vergleich mit dem Auto, wo ja bekanntlich nicht nachgeprüft wird, ob es sich um familienangehörige Kinder oder um Nachbarkinder handelt, die Bahn erst dann bei diesen Tarifen konkurrenzfähig ist, wenn die Regelung eingeführt wird, daß auch Nachbarkinder zu diesem 10-DM-Tarif fahren können? Welche Bestimmungen stehen dem entgegen?

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Herr Kollege, bei dem Ganzen dreht es sich um ein kommerzielles Angebot der Deutschen Bundesbahn. Allein durch die Tatsache, daß es für Kinder einen gesonderten Tarif gibt, hat die Deutsche Bundesbahn unter Beweis gestellt, daß sie auch an die Familien denkt. Ich könnte mir allerdings vorstellen, daß es in der Zukunft noch weitere Sonderangebote gibt. Im übrigen gibt es neben den Angeboten für Familien noch weitere Nachlässe für Gruppenreisen, bei denen die Bahn dem Auto ganz gezielt Konkurrenz macht. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Schulte ({0}) hat eine Zusatzfrage.

Stefan Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002102, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich selber bin zwar nicht verheiratet, habe aber eine Freundin mit Kind. Wir leben zusammen; ein familienähnlicher Zustand. Eine Frage an Sie: Wo steht eigentlich in der Bibel, daß für eine Familie der Trauschein notwendig ist? ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Da müssen wir aber den Justizminister und nicht den Verkehrsminister fragen. ({0}) Bei allem Wohlwollen muß ich das als nicht zur Frage gehörig betrachten.

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Ich werde allerdings bei der nächsten Frage darauf eingehen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Dr. Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da die Antworten der Bundesregierung außerordentlich unbefriedigend sind, möchte ich erst einmal fragen, Herr Staatssekretär, welche Erkenntnisse Ihnen denn über die Einführung des „rosaroten Jahres" in bezug auf die Erhöhung der Zahl der Transporte von Hunden vorliegen?

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Das kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen. Wenn es aber ein großes Interesse der Fraktion DIE GRÜNEN ist, liefere ich das gerne nach. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe jetzt die Frage 25 des Abgeordneten Senfft auf: Aus welchen Gründen verweigert die Deutsche Bundesbahn unverheirateten Paaren mit Kindern die Nutzung des Sonderangebotes „Familienpaß"?

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Herr Kollege, als Familien im Sinne der Sonderangebote gelten auch Elternteile mit mindestens einem Kind. Damit beantworte ich auch die Frage von vorhin. Berechtigtes Kind kann, sofern es mit dem Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebt, auch ein nichteheliches Kind sein. Der Familienpaß kann also für den nichtehelichen Vater und das Kind oder für die nichteheliche Mutter und das Kind, nicht aber für die nichtehelichen Eltern zusammen ausgestellt werden. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Nun bin ich auf die Zusatzfrage gespannt. Bitte schön, Herr Senfft.

Hans Werner Senfft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002162, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß im Gegensatz zu der Anwendung des Begriffs der eheähnlichen Gemeinschaft bei der Sozialhilfe oder dem Wohngeld diesen sogenannten eheähnlichen Gemeinschaften bei der Bahn eine Vergünstigung nicht zuteil wird, und, wenn ja, wäre die Bundesregierung bereit, auf die Bundesbahn dahin gehend einzuwirken, daß dies zugunsten der Inanspruchnahme durch die eheähnlichen Gemeinschaften angepaßt wird?

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Herr Kollege, diese Sonderangebote der Deutschen Bundesbahn werden vom Vorstand der DB in Frankfurt entwikkelt. Die Bundesregierung nimmt darauf keinen Einfluß.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Senfft.

Hans Werner Senfft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002162, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß § 16 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes dem Bundesminister für Verkehr die Möglichkeit einräumt, Tarifänderungen von der Deutschen Bundesbahn zu verlangen, „wenn dies aus Gründen des allgemeinen Wohls erforderlich ist", und teilen Sie die Ansicht, daß hier auf Grund eines sozialen Interesses durchaus das Bedürfnis nach einem „allgemeinen Wohl" vorhanden ist mit der Folge, daß die Bundesregierung hier einschreiten könnte?

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Ich gehe nicht davon aus, das Ihr Fall auf den zitierten Paragraphen zutrifft.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe Frage 26 des Abgeordneten Carstensen ({0}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Dann wird die Frage gemäß der Geschäftsordnung behandelt. Die Fragen 27 und 28 der Abgeordneten Frau Schmidt ({1}) sollen auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe Frage 29 des Abgeordneten Sauer ({2}) auf: Vizepräsident Westphal Ist der Bundesregierung die personelle Überbesetzung des Zuges D 3527 seit Inkrafttreten des Sommerfahrplanes der Deutschen Bundesbahn zwischen Schiaden und Wolfenbüttel bekannt, und was gedenkt die Bundesregierung diesbezüglich zu unternehmen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Herr Kollege, nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn trifft es zu, daß seit Beginn des Sommerfahrplans 1985 der Zug 3527 zwischen Schiaden und Wolfenbüttel Überbesetzungen aufweist. Die Deutsche Bundesbahn führt zur Zeit eine Sonderzählung durch; das Ergebnis soll am Montag, dem 1. Juli vorliegen. Von diesem Ergebnis wird es abhängen, ob Maßnahmen für die Entspannung der Situation erforderlich werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da bisherige Nachforschungen der Deutschen Bundesbahn Wolfenbüttel - ich beziehe mich hier auf die Lokalzeitung vom 13. Juni 1985 - bei der Braunschweiger Direktion auf keinen guten Boden gefallen sind: Kann ich - da bisher fünf Personenwagen im Zug mitgeführt worden sind, jetzt aber nur noch drei - davon ausgehen, daß man sich wenigstens auf ein Mittelmaß einigen kann, also daß, bevor dort ein wirkliches Unglück passiert, wieder mit vier Wagen gefahren wird?

Manfred Schulte (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002101

Ich gehe davon aus, daß die Bahn umgehend handeln wird, wenn die Sonderzählungen Ihr Anliegen rechtfertigen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine weitere Zusatzfrage. Die Fragen 30 und 31 des Herrn Abgeordneten Stiegler sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Verkehr. - Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Jahn zur Verfügung. Ich rufe Frage 32 der Abgeordneten Frau Augustin auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß einige staatliche Bauämter in Hessen nicht in der Lage sind, anstehende Bauvorhaben des Bundes zügig zu bearbeiten, so daß nur mit Verzögerung dringend notwendige Bauvorhaben realisiert werden können? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Frau Kollegin Augustin, der Bundesregierung ist bekannt, daß einige staatliche Bauämter in Hessen in der Vergangenheit Bauvorhaben des Bundes aus Personalmangel nicht zügig bearbeitet haben. Auf entsprechende Hinweise der Bundesregierung an die Hessische Landesregierung ist inzwischen in personeller und organisatorischer Hinsicht Abhilfe geschaffen. Die Bauvorhaben des Bundes werden nunmehr zeitgerecht abgewickelt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Frau Augustin.

Anneliese Augustin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, waren solche Mängel vorhanden, und - falls dies der Fall ist - sind diese Mängel von der Bundesregierung beanstandet worden?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Frau Kollegin Augustin, die Bundesregierung hatte Veranlassung, bei der Hessischen Staatsregierung, bei dem hessischen Ministerium der Finanzen, am 12. Juli 1983 in der von mir soeben erwähnten Hinsicht vorstellig zu werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Augustin.

Anneliese Augustin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gibt es einen bestimmten Text, der belegt, in welcher Weise das geschehen ist?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Die Bundesregierung hat sich, wie ich schon sagte, in dem Schreiben vom 12. Juli 1983 an den hessischen Minister der Finanzen gewandt. Ich möchte hier jetzt nicht den ganzen Inhalt verlesen. Wir haben in diesem Schreiben zum Ausdruck gebracht, daß wir im Hinblick auf das Verwaltungsabkommen dankbar wären, wenn der hessische Minister der Finanzen sein Augenmerk auf die erforderlichen personellen und organisatorischen Voraussetzungen richten und auch veranlassen würde, daß die Bundesbauaufgaben zügig und termingerecht durchgeführt werden können. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie müssen aber stehenbleiben, denn Sie haben noch eine Frage gestellt, Frau Augustin, nämlich die Frage 33: Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß bei der Durchführung von Baumaßnahmen des Bundes, die in der Gesamtverantwortung des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau liegen, den Finanzverwaltungen der Länder auf Grund der §§ 8({0}) und 22 Nr. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes ({1}) in der Fassung des Finanzanpassungsgesetzes ({2}) vom 30. August 1971 und den dazu geschlosenen Verwaltungsabkommen zur beschleunigten Durchführung dieser Baumaßnahmen des Bundes und des besseren Mittelabflusses im verstärkten Umfang gestattet wird, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, für Planung und Ausführung von Baumaßnahmen des Bundes freiberufliche Architekten, Ingenieure oder sonstige Sonderfachleute für baufachliche Fragen im Sinne des Abschnittes K 19 der Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen ({3}) einzusetzen, um die Bauwirtschaft insgesamt zu fördern und die staatlichen Bauverwaltungen der Länder zu entlasten? Dann kommt wieder Herr Staatssekretär zur Beantwortung.

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Frau Kollegin Augustin, nach Abschnitt K 12 der Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen kann das Bauamt für die Erledigung der ihm obliegenden Aufgaben freiberuflich Tätige hinzuziehen, wenn Art und Umfang der Leistungen dies erfordern. Bei bedeutenden Baumaßnahmen entscheidet der Bundesbauminister als oberste technische Instanz des Bundes mit der Erteilung des Planungsauftrages auch über die Einschaltung von Freiberuflern. Im Bereich des Bundes wird bei der Planung und Ausführung von Bauvorhaben die Einschaltung freiberuflich Tätiger im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten voll ausgeschöpft. Es gibt deshalb nur wenige größere Bauvorhaben des Bundes, die in letzter Zeit ohne Hinzuziehung freier Architekten errichtet worden sind. Die Bundesregierung prüft gleichwohl gegenwärtig, wie freiberuflich Tätige noch mehr als bisher an Bauaufgaben des Bundes beteiligt werden können und dieses Ziel in den Richtlinien verdeutlicht werden kann. Die Bundesregierung hat auch den zuständigen Ausschuß, in dem der Bund und die Länder Vorschriften über die Durchführung von Bauaufgaben abstimmen, mit dieser Frage befaßt. Ich bin bereit, Ihnen zur gegebenen Zeit auch das Ergebnis der Überprüfung mitzuteilen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Frau Augustin.

Anneliese Augustin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000062, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe keine Zusatzfrage. Ich möchte nur bitten, daß Sie mir das dann zustellen. - Vielen Dank.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir kommen zur Frage 34 des Abgeordneten Weinhofer, der nicht anwesend ist. Dann wird entsprechend der Geschäftsordnung verfahren. Das gilt auch für Frage 35 des Abgeordneten Weinhofer*). Wir kommen zur Frage 36 des Abgeordneten Dr. Weng. Er war hier. Es wird entsprechend der Geschäftsordnung verfahren **). Die Fragen 37 und 38 des Abgeordneten Schemken sind zurückgezogen worden. Wir kommen zur Frage 39 des Abgeordneten Kastning: Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß von einer Fehlsubventionierung von Bundesdarlehenswohnungen am Bundeswehrstandort Bückeburg gesprochen werden kann, weil die Oberfinanzdirektion Hannover als Reaktion auf die erschwerte Vermietbarkeit wegen zu hoher Mietbelastungen seit dem 1. April 1985 bei einem führenden Vermieter für die fremdvermieteten Bundesdarlehenswohnungen auf den sogenannten OFD-Zuschlag verzichtet, und gibt es ähnliche Verhältnisse auch in anderen Bundeswehrstandorten? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Kastning, Mieter, die nicht im Bundesdienst beschäftigt sind und daher im Rahmen der Wohnungsfürsorge *) Beantwortung der Fragen 34 und 35 auf Seiten 10978 und 10979. **) Beantwortung der Frage 36 auf Seite 10979. des Bundes nicht zu betreuen sind - sogenannte Fremdmieter -, haben bei der Anmietung einer mit Bundesmitteln geförderten Mietwohnung - Bundesdarlehenswohnung - einen Zuschlag zur Miete zu entrichten, der sich aus einer Verzinsung bis zu 4 % des auf die betreffende Wohnung entfallenden anteiligen Bundesdarlehens errechnet. Dieser Fremdmieterzuschlag ist vom Vermieter an den Bund abzuführen. Nach den Darlehensverträgen, die der Bund mit den Bauherren der Bundesdarlehenswohnungen - dies gilt im gesamten Bundesgebiet - abgeschlossen hat, ist von der Erhebung des Fremdmieterzuschlages dann abzusehen, wenn der Bauherr nachweist, daß die erhöhte Miete nach den örtlichen Gegebenheiten am Markt nicht zu erzielen ist. Durch diese Regelung wird vermieden, daß der Bund Zinsforderungen stellt, die zu einer Gefährdung der Vermietbarkeit der Wohnungen führen könnten. Bei der überwiegenden Anzahl der Bundesdarlehenswohnungen in Bückeburg haben die Prüfungen ergeben, daß nach den darlehensvertraglichen Vereinbarungen Fremdmieterzuschläge nicht mehr erhoben werden können. Von einer Fehlsubventionierung von Bundesdarlehenswohnungen kann in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden. Sowohl die Mietenregelung wie auch die Tatsache etwaiger Fremdvermietungen von Wohnungen, die für Bundesbedienstete nicht mehr benötigt werden, stellen Vertragsinhalte dar, die bereits zum Zeitpunkt der Förderung der Baumaßnahme vereinbart worden sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Kastning.

Ernst Kastning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001070, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich denn dann, daß in einer Stellungnahme zu einer Petition durch Ihr Haus - noch vor wenigen Wochen; oder vor wenigen Monaten, will ich vorsichtigerweise einmal sagen - von einem geringfügigen Umfang an Fremdvermietungen gesprochen worden ist, dennoch aber seit geraumer Zeit auf den OFD-Zuschlag verzichtet wird, um die Wohnungen überhaupt vermieten zu können?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Kastning, der Bundesregierung ist bekannt, daß Sie wegen der Mieten der Bundesdarlehenswohnungen bereits am 15. November 1984 den Petitionsausschuß angerufen haben. Wir wissen auch, daß der Petitionsausschuß Ihnen geantwortet hat. Mir liegt allerdings die Antwort nicht im Wortlaut vor. Der Bundesregierung ist lediglich mitgeteilt worden, daß der Petitionsausschuß die Angelegenheit als erledigt erklärt hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Kastning.

Ernst Kastning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001070, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß am Ende des ersten Quartals 1985 am Bundeswehrstandort Bükkeburg etwas über 38 % der vorhandenen Bundesdarlehenswohnungen inzwischen fremdvermietet worden sind oder zur Fremdbelegung anstanden, und sind Sie auf Grund dieses Tatbestandes bereit, am Ort noch einmal nachzufragen und mir umgehend auf anderem, meinetwegen schriftlichem Wege eine Beurteilung dieses Tatbestandes zukommen zu lassen?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Kastning, ich bin gerne bereit, bei den Einzelobjekten, um die es sich ja in Bückeburg handelt - es sind insgesamt 396 Bundesdarlehenswohnungen -, noch einmal eine Erhebung durchzuführen und Ihnen das Ergebnis mitzuteilen. Nur kann ich das jetzt, hier, in einer Fragestunde nicht abschließend werten. Ich habe allerdings einige Einzelheiten vorliegen. Ich möchte nur soviel sagen: Der Wegfall des Fremdmieterzuschlags ist nach Mitteilung der Oberfinanzdirektion Hannover nicht auf einen offensichtlichen Leerstand von Wohnungen zurückzuführen, auch nicht auf eine erschwerte Vermietbarkeit. Grund ist die Heranführung der Mieten der Darlehenswohnungen an die Mieten vergleichbarer Wohnungen des freien Marktes.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt kommt die nächste Frage. Der Abgeordnete Kastning hat noch die Frage 40, die erst beantwortet werden muß; dann hat er wieder Zusatzfragen: Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die derzeitigen Mietbelastungen bei Bundesdarlehenswohnungen am Bundeswehrstandort Bückeburg - möglicherweise auch in anderen Bundeswehrstandorten - in vielen Fällen die Angemessenheitsgrenze nach dem Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 28. Januar 1971 - DII 6 - 222 702 -1/3, Gemeinsames Ministerialblatt S. 113 in der Fassung vom 26. April 1975, - DIII 7 - 222 702 - 1/3, Gemeinsames Ministerialblatt S. 458 zum § 2 Nr. 1 der Trennungsgeldverordnung übersteigen, und wenn ja, wie beurteilt sie diesen Tatbestand? Dr. Jahn; Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kastning, das Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 28. Januar 1971 in der geltenden Fassung von 1975 regelt die Zumutbarkeit von Mieten für Wohnungen des freien Marktes, wenn der Bedienstete Trennungsgeld beantragt. Für die Mieten oder die Mietgestaltung von Bundesdarlehenswohnungen sowie für bereits bestehende Mietverhältnisse ist dieses Rundschreiben daher ohne Belang. Im übrigen ist nach dem zitierten Rundschreiben die Miete für eine Wohnung des freien Marktes nur dann als nicht zumutbar anzusehen, wenn sie - ohne Nebenkosten und Umlagen - 18 % der monatlichen Bezüge übersteigt und wenn die Miete höher ist als die Miete für eine am Dienstort neu zu errichtende angemessene Bundesdarlehenswohnung. Vorbehaltlich etwaiger Prüfungen im Einzelfall kann die Bundesregierung nicht bestätigen, daß die Mieten der Bundesdarlehenswohnungen in Bückeburg oder an anderen Orten diese für Wohnungen des freien Marktes geltende Angemessenheitsgrenze übersteigen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Kastning.

Ernst Kastning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001070, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich frage noch: Wenn Sie jetzt sagen, daß die Miete für die Bundesdarlehenswohnungen dort wohl nicht über dem Zumutbaren liegt, wie erklären Sie sich dann, daß der führende Vermieter den OFD-Zuschlag gestrichen hat, um sie - das sage ich einmal - überhaupt noch loszuwerden?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Kastning, ich kann jetzt nicht einen einzelnen Vermieter vor dem Deutschen Bundestag bewerten. Ich kann nur die Gesamtsituation bewerten. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben noch eine Zusatzfrage. Herr Kastning, bitte.

Ernst Kastning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001070, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte Sie dann fragen, ob Sie bereit sind, sich über die in Frage kommenden Behörden - sei es Standortverwaltung oder OFD - eine Übersicht zu verschaffen, ob es Überschreitungen dieser Angemessenheitsgrenze von 18 %, die Sie vorhin nannten, gibt. Ich frage das deswegen, weil mir ernstzunehmende Hinweise dazu vorliegen, daß es diese in einer nennenswerten Zahl in Bückeburg gibt. Ich frage nicht ohne Grund hier im Plenum des Bundestages.

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Kastning, ich habe Ihnen eben zugesagt, daß ich die Verhältnisse in Bückeburg noch einmal im einzelnen überprüfen möchte, was man innerhalb von vier Tagen eben nicht in dem von Ihnen gewünschten Umfang machen kann. Ich werde Ihnen das Ergebnis mitteilen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Staatssekretär, wir haben die beiden Fragesteller der Fragen 34, 35 und 36, deren Fragen aufgerufen worden waren und die Sekunden später eingetroffen sind. Ihre Fragen möchte ich mit Ihrem Einverständnis noch einmal aufrufen, wenn Sie noch einmal zurückblättern würden. Ich rufe Frage 34 des Abgeordneten Weinhofer auf: Welche Botschaftsgebäude und Konsulate wurden während der letzten zehn Jahre mit welchen Kosten errichtet? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Weinhofer, auf Ihre Frage müßte ich jetzt eine Liste von 23 Botschaftsgebäuden oder Konsulaten vorlesen, wo in den letzten Jahren welche Baukosten angefallen sind, und an welchen Fertigstellungsdaten. Ich habe die Liste hier. Wenn Sie einverstanden sind, werde ich Ihnen diese Liste gleich aushändigen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Weinhofer.

Karl Weinhofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002452, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin einverstanden, Herr Staatssekretär. Zuerst möchte ich Ihnen aber Dank sagen, daß Sie meine Fragen noch drangenommen haben. Ich habe noch eine Zusatzfrage: Könnten Sie mir Auskunft darüber geben, welche anderen bundeseigenen Bauten im Ausland - ich denke hier an Diplomatenwohnungen und an Schulen - in dem von mir genannten Zeitraum - also in den letzten zehn Jahren - errichtet wurden; und könnten Sie mir auch die Bausumme sagen?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Sie werden verstehen, daß ich diese Frage jetzt in bezug auf die einzelnen Objekte nicht beantworten kann. Aber ich will auch diese Aufstellung für Sie fertigen lassen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Weinhofer.

Karl Weinhofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002452, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Können Sie mir dann auch in diesem Sinne die Frage 35 beantworten, was die Auslobung von Fachlosen bezüglich des deutschen Natursteins betrifft?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Dann rufe ich jetzt die Frage 35 des Abgeordneten Weinhofer auf: Wo wurden dabei im Ausbau Fachlose für deutschen und ausländischen Naturwerkstein ausgeschrieben, und welches Material wurde dann verarbeitet?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Weinhofer, dies ist ja nicht die erste Frage, die Sie in diesem Gesamtzusammenhang im Deutschen Bundestag stellen. Die Vergabe der Bauleistungen und Lieferungen fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundesbaudirektion. Ich habe diese auf Grund Ihrer Anfrage angewiesen, schriftlich zu allen einzelnen Objekten Stellung zu nehmen. Sobald mir diese Stellungnahme vorliegt, werde ich Ihnen die gewünschten Angaben zuleiten. Ich darf aber noch einmal an meine Antwort in der Fragestunde vom 8. Februar 1985 erinnern. Dort habe ich ausgeführt, daß bei der Errichtung deutscher diplomatischer Vertretungen die Bundesregierung, soweit dies wirtschaftlich vertretbar und mit der Gestaltung der Bauten vereinbar ist, künftig darauf hinwirken wird, Material zu berücksichtigen, das in der Bundesrepublik Deutschland vorkommt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 36 des Abgeordneten Dr. Weng auf: Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß sich - nachdem sich der Wohnungsmarkt in weiten Bereichen von einem Angebots- in einen Nachfragemarkt gewandelt hat - die Frage der Gemeinnützigkeit von Wohnungsbauunternehmen neu stellt?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Weng, der Bundesminister der Finanzen hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau im März vorigen Jahres eine „Unabhängige Kommission zur Prüfung der steuerlichen Regelungen für gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsunternehmen" eingesetzt. Diese Kommission soll gutachtlich vor allem zu der Frage Stellung nehmen, ob die derzeitigen gesetzlichen Aufgaben und die tatsächliche Geschäftsabwicklung der gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsunternehmen unter den gegenwärtigen und künftig zu erwartenden Verhältnissen besondere steuerliche Vergünstigungen für diese Unternehmen rechtfertigen. Dabei sollten neben steuersystematischen und steuerpolitischen u. a. auch allgemein wirtschaftspolitische, insbesondere wettbewerbspolitische Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Die „Unabhängige Kommission" wird ihr Gutachten in Kürze vorlegen. Ich kann und will diesem Gutachten und dem Bericht nicht vorgreifen, den der Bundesminister der Finanzen und der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf der Grundlage des Gutachtens der Bundesregierung zu erstatten haben werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Dr. Weng, Zusatzfrage, bitte.

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß das ganz schön viel Zeit ist für eine solche Kommissionsarbeit in Anbetracht der akuten Situation auf dem Wohnungsmarkt?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Weng, eine Neuorientierung der Gemeinnützigkeit ist eine wichtige Aufgabe. Diese Aufgabe muß umfassend vorbereitet werden. Ich glaube, wir sollten es begrüßen, daß die Bundesregierung vor Abschluß ihrer Meinungsbildung unabhängige Gutachter zu Rate zieht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Weng.

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben erklärt, in Kürze werde dieser Bericht vorgelegt. Könnten Sie das präzisieren?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Ich kann dem Gutachtergremium nicht vorgreifen. Aber nach allem, was wir in der Bundesregierung wissen, wird dies in den nächsten Wochen der Fall sein.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Waltemathe.

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist das Bundesbauministerium der Auffassung, daß auch in einer sozialen Marktwirtschaft Platz sein muß für einen Wohnungsteilmarkt, an dem sich Unternehmen beteiligen, die nicht profitorientiert sind?

Gerhard Jahn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001012

Herr Kollege Waltemathe, der Bundesbauminister hat wiederholt öffentlich bekundet, daß er am Prinzip der Gemeinnützigkeit festhält.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen Vizepräsident Westphal steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger zur Verfügung. Die Fragen 66 und 67 des Abgeordneten Immer ({0}) sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 68 des Abgeordneten Kißlinger auf: Ist die Bundesregierung bereit, im Falle eines Scheiterns der Luxemburger Verhandlungen am 25. Juni 1985 über Abgasgrenzwerte unverzüglich durch die Einführung eines Tempolimits zur Verminderung der Schadstoffbelastung der Luft beizutragen?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Kollege Kißlinger, Ihre spekulative Frage beeinflußt die Bundesregierung in ihrer Entscheidungsbildung nicht. Entscheidungen über die etwaige Einführung weiterer Geschwindigkeitsbegrenzungen wird die Bundesregierung erst nach Abschluß des Großversuchs treffen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Kißlinger.

Karl Kisslinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001104, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung Meldungen des bayerischen Bundes Umwelt- und Naturschutz bestätigen, wonach sich auf den Teststrecken des Großversuchs bereits zwei Drittel aller Autofahrer an das Tempolimit halten, und was spricht dann eigentlich dagegen, sofort ein verbindliches Tempolimit als Notmaßnahme festzulegen?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Der Bundesregierung sind diese Aussagen nicht bekannt, und deswegen kann die Bundesregierung sie auch nicht bestätigen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe Frage 69 des Abgeordneten Ströbele auf: Bedeutet die Billigung der Entscheidung der Bayerischen Landesregierung, die Traditionsfeiern ehemaliger Mitglieder der Waffen-SS in Nesselwang im Mai 1985 nicht zu verbieten, daß die Bundesregierung die Traditionsvereine der Waffen- SS für Organisationen hält, die an der Ausgestaltung des politischen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland, als gemeinnützig anerkannt und damit öffentlich gefördert, mitwirken sollen?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Der Bundesminister des Innern hat darauf hingewiesen, daß die Entscheidung den bayerischen Behörden oblag, und hat zur Vermeidung von Mißverständnissen hinzugefügt, er sehe keinen Anlaß, sich von der Entscheidung zu distanzieren. Das bedeutet: Dem Bundesminister des Innern lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die rechtliche Möglichkeit eines Verbots gegeben war. Zur Frage der Anerkennung von Truppenkameradschaften ehemaliger Angehöriger der Waffen- SS als steuerbegünstigt/gemeinnützig im Sinne der §§ 51 ff. der Abgabenordnung hat der Bundesminister der Finanzen erklärt, er habe die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder mit Schreiben vom 14. Juli 1983 darauf hingewiesen, daß Vereine, zu deren Zwecken nur oder neben steuerbegünstigten Zwecken auch die Förderung von Tradition und Kameradschaft gehört, nach geltendem Recht nicht als gemeinnützig behandelt werden können.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, der in seinem Schreiben vom 13. Juni 1985 an den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Herr Galinski, schreibt, daß es sich bei dem Treffen in Nesselwang um das Treffen von SS-Angehörigen gehandelt habe, von Ewiggestrigen, Verblendeten, Böswilligen, die, obgleich sie es besser wissen, Lügen über die Verbrechen der Nazis an jüdischen Mitbürgern verbreiten und die schrecklichen Vorkommnisse in Auschwitz und anderen Vernichtungslagern verharmlosen?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Es ist nicht meine Aufgabe, hier zur Meinung und Ansicht des Herrn Regierenden Bürgermeisters von Berlin eine Stellungnahme abzugeben, sondern ich habe Ihre Frage zu beantworten, und das habe ich getan. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, sind Sie - ebenfalls mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin - der Auffassung, man müsse über das, was sich in Nesselwang im Mai dieses Jahres getan hat, tiefsten Abscheu empfinden?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Ich wiederhole meine Antwort auf Ihre erste Zusatzfrage.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe Frage 70 des Abgeordneten Ströbele auf: Unterstellt die Bundesregierung in ihrem Schreiben vom 7. Juni 1985 an Herrn Heinz Galinski, den Vorsteher der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, er habe sie aufgefordert, NS-Diktaturmethoden anzuwenden, um mit den Traditionsverbänden der Waffen-SS fertig zu werden, und meint sie nicht, daß der Bundesminister des Innern sich bei Herrn Galinski entschuldigen, eine eindeutige Stellungnahme gegen die Traditionsverbände abgeben und gemeinsam mit Bundesminister Dr. Stoltenberg der „HIAG" die Gemeinnützigkeit entziehen sollte?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Galinski hat mit Schreiben vom 29. Mai 1985 vom Bundesminister des Innern ein Einschreiten des Staates gefordert und in diesem Zusammenhang ausgeführt, eine langwierige gerichtliche Beweisführung würde mehr schaden als nutzen. Mit Schreiben vom 5. Juni 1985 hat der Bundesminister des Innern Herrn Galinski darauf hingeParl. Staatssekretär Spranger wiesen, daß ein Einschreiten des Staates im Unterschied zu den Verhältnissen unter der NS-Diktatur oder in anderen totalitären Staaten nur dann möglich ist, wenn die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für derartige Maßnahmen vorliegen und gerichtsverwertbar nachweisbar sind. Eine Unterstellung der in der Frage genannten Art enthält das Schreiben nicht. Der Bundesminister des Innern sieht daher auch keinen Grund, sich bei Herrn Galinski zu entschuldigen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es zumindest eine grenzenlose Geschmacklosigkeit ist, den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Herrn Galinski, in einem Schreiben an ihn mit Methoden der NS-Diktatur in Zusammenhang zu bringen?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Ich weiß nicht, wessen Meinung Sie hier zitieren, aber ich teile diese Meinung nicht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage von Herrn Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß Sie meine eben gestellte Frage beantwortet haben?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Ich habe Ihnen eine Antwort erteilt, wie sie Ihre Frage nahezu automatisch veranlaßt hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Mann.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß die Art und Weise, auf die Sie hier die Fragen beantworten oder nicht beantworten, genau die Gefahr schafft, die wir im Rahmen der langen Diskussionen über das 21. Strafrechtsänderungsgesetz immer wieder dadurch vermittelt bekommen haben, daß uns vorgehalten wird, hier werde eine Aufrechnungsmentalität sichtbar?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Diese Auffassung teile ich nicht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Waltemathe.

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie im nachhinein betrachtet zu dem Treffen in Nesselwang politisch der Auffassung, daß die innere Sicherheit, mindestens aber der innere Frieden in der Bundesrepublik durch solche Treffen beeinträchtigt wird?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Kollege Mann - ({0}) - Entschuldigung; ich bitte wirklich um Entschuldigung. Ich glaube, Herr Kollege Waltemathe, daß der von mir zitierte Schriftwechsel diese Frage Nesselwang und Hintergrund ausreichend beantwortet hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir kommen zur Frage 71 des Abgeordneten Gilges: Ist der Bundesregierung die Äußerung des NPD-Landesvorsitzenden Heinz Schimmerohn bekannt, daß auf Grund der „räumlichen Nähe" zum „Deutschlandtreffen der Schlesier" in Hannover die NPD zum gleichen Zeitpunkt ihren Bundesparteitag in Stadthagen ({0}) durchführte, weil „eine große Anzahl Mitglieder und Freunde der Partei sowieso in Hannover" sei, und wenn ja, welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Teilnahme von NPD-Mitgliedern am „Deutschlandtreffen der Schlesier"?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Kollege Gilges, die in der Frage wiedergegebene Äußerung des NPD-Landesvorsitzenden ist der Bundesregierung nicht bekannt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Gilges.

Konrad Gilges (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000680, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, diese Aussage war in einer Zeitung, in einer Regionalzeitung - ich glaube, es waren die „Schaumburger Nachrichten" - abgedruckt. Diese Zeitung ist ja der Bundesregierung auch zugänglich. Hätte die Bundesregierung nicht Zeit gehabt, vom Zeitpunkt des Treffens bis zum heutigen Tag einmal nachzuprüfen, in welchem Zeitungsarchiv diese Aussage auftaucht? Zweitens. Was mir viel wichtiger zu sein scheint, ist ja die Frage nach den Erkenntnissen im zweiten Teil meiner Frage 71. Weil das nicht beantwortet worden ist, frage ich hier noch einmal nach: Herr Staatssekretär, gibt es Erkenntnisse der Bundesregierung über die Teilnahme von NPD-Mitgliedern am Deutschlandtreffen der Schlesier? Der Verfassungsschutz und andere Staatsschutzorgane haben ja auf Grund der Beobachtung der NPD Kenntnis davon gehabt, daß Mitglieder der NPD an dem Deutschlandtreffen der Schlesier teilnehmen wollten.

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Kollege Gilges, der letzte Teil Ihrer Frage 71 ist im Grunde noch einmal in der Frage 72 enthalten. Wenn Sie einverstanden sind, gebe ich Ihnen gern in der Antwort zur Frage 72 auch die Antwort zum zweiten Teil der Frage 71. Zu Ihrer ersten Frage nach der Quelle: Es wäre für uns hilfreich gewesen, diese Fundstelle benannt zu bekommen. Wir haben jedenfalls bisher - ohne Ihren Hinweis auf die Fundstelle - keine Informationen über eine solche Erklärung des NPD-Landesvorsitzenden gehabt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Gilges.

Konrad Gilges (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000680, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber diese Aussage mit der „räumlichen Nähe" ist auch in den „Stuttgarter Nachrichten" erschienen. Ich gebe Ihnen damit jetzt eine zweite Zeitung bekannt. Des weiteren ist diese Aussage in der Tendenz auch in der „Frankfurter Rundschau" erschienen, und zwar in der Ausgabe vom 3. Juni. In den „Stuttgarter Nachrichten" ist die Aussage in der Ausgabe vom 29. Mai abgedruckt gewesen. Herr Staatssekretär, es muß bei der Größe des Verfassungsschutzapparates, den wir haben und den ich auch kenne, weil er in meinem Wahlkreis beheimatet ist, doch möglich sein, daß man dort auch Zeitungen liest; noch dazu so einschlägige Zeitungen wie die „Stuttgarter Nachrichten" und die „Frankfurter Rundschau" oder auch die „Schaumburger Nachrichten"; ich glaube, die heißen so oder so ähnlich.

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Es tut mir leid - Gilges ({0}): Ich kann noch die Zusatzfrage stellen, ob in Ihrem Haus nur der „Bayernkurier" gelesen wird.

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Die letzte ist sicherlich eine sehr wichtige und nützliche Zeitung. Jetzt noch einmal speziell auf Ihre Frage geantwortet: Ich habe nur wiederzugeben, was die von Ihnen zitierten Sicherheitsbehörden dem BMI mitgeteilt haben. Ich bin gern bereit, die Sicherheitsbehörden auf Ihre Kritik aufmerksam zu machen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Mann.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, Herr Staatssekretär, wir sind gespannt, wie Sie dieser Anregung folgen werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie müssen fragen, Herr Mann.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber ich frage Sie: Steht nicht Ihr Verhalten, was diesen NPD-Parteitag betrifft, z. B. in einem merkwürdigen Gegensatz zu der Observierung der Friedensbewegung? Wir hatten j a vor einigen Wochen Gelegenheit, Sie dazu zu befragen. Und meinen Sie nicht, daß dies zu der Vermutung Anlaß gibt, hier würde von Ihrem Ministerium bzw. von dem Ihnen unterstehenden Verfassungsschutzamt einäugig - in der Tat einäugig - vorgegangen?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Augenblick, Herr Staatssekretär! Es fällt mir schwer, zu der Frage 71 einen Zusammenhang herzustellen. Aber ich will es Ihnen gern überlassen, ob Sie darauf antworten wollen. ({0})

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Mann, Sie stellen hier Zusammenhänge her, die aus der Beantwortung der ersten Frage nicht herzustellen sind. Ich habe die erste Frage daraufhin beantwortet, ob mir eine Äußerung bestimmter Art bekannt ist. Ich habe mich zum NPD-Parteitag und zu ähnlichen Dingen nicht geäußert. Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ich das zu Frage 72 tun werde.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt habe ich noch eine Zusatzfrage zur Frage 71, das ist die Zusatzfrage von Herrn Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ist der Eindruck beabsichtigt, den Sie hier in diesem Hause erwecken, daß Sie und Ihr Ministerium durch die ausweichende Beantwortung dieser Fragen im Hohen Hause gewisse Sympathien für Organisationen wie NPD oder Waffen-SS an den Tag legen?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Dieser Eindruck ist völlig falsch, weil wir keiner Frage zum Bereich des politischen Extremismus ausweichen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Der Abgeordnete Waltemathe hat noch eine Zusatzfrage.

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie auf Grund von Erkenntnissen der dafür zuständigen Dienste zwar wissen, wer an Ostermärschen teilnimmt, aber keinerlei Kenntnis darüber besitzen, wer an Schlesier-treffen teilnimmt, obwohl in der „Frankfurter Rundschau" vom 3. Juni 1985 ein Zweispalter mit der großen Überschrift „NPD nutzt Schlesiertreffen" steht?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Kollege Waltemathe, Sie haben immer noch nicht verstanden, daß die Frage 71 einen ganz bestimmten Punkt angeschnitten hat, den ich zu beantworten hatte, und daß der Punkt, den Sie jetzt anschneiden, die Frage 72 betrifft. Ich bin bereit, bei der Frage 72 darauf einzugehen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Und dazu kommen wir jetzt. Es ist die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Gilges: Besitzt die Bundesregierung Erkenntnisse, wonach die NPD das „Deutschlandtreffen der Schlesier" genutzt hat, um unter den Teilnehmern für die Ziele der Partei zu werben? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Herr Abgeordneter Gilges, Ihre Frage ist dran. ({0})

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Kollege Gilges, die NPD terminierte ihr Deutschlandtreffen in Stadthagen so, daß die Mitglieder der NPD in Hannover unter den Teilnehmern des Schlesiertreffens Werbematerial verteilen konnten. Es handelte sich dabei um eine eigens gedruckte Sondernummer des NPD-Parteiorgans „Deutsche Stimme", Flugblätter und Ansteckplaketten mit dem Aufdruck „Ein Herz für Deutschland".

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Gilges.

Konrad Gilges (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000680, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, welche Maßnahmen wurden dann unternommen - u. a. von den Organisatoren des Schlesiertreffens -, um der NPD diese Möglichkeit zu nehmen, und zweitens: Können Sie mal qualifizieren, wie viele NPD-Mitglieder an diesem Schlesiertreffen, insbesondere an der Kundgebung teilgenommen haben, bei der der Bundeskanzler dieser Republik geredet hat?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Staatliche Behörden und Veranstalter können nur dann etwas unternehmen, wenn rechtliche Bestimmungen verletzt wurden. Das ist bei dem Verteilen offensichtlich nicht der Fall gewesen. Was die Teilnahme anlangt, so ist festzustellen, daß nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden einzelne NPD-Mitglieder am Schlesiertreffen teilgenommen haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gilges.

Konrad Gilges (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000680, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich will jetzt noch einmal genauer fragen, Herr Staatssekretär. Ich möchte wissen, wie hoch die Zahl der Teilnehmer an dem Schlesiertreffen war, die Mitglieder der NPD sind bzw. die zu diesem Dunstkreis des Rechtsradikalismus gehören.

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Es gibt meines Wissens keine sicheren Erkenntnisse, auf Grund deren Ihnen numerisch exakt Rechnungen oder Zahlen genannt werden können. Ich muß mich darauf beschränken, zu sagen, daß es einzelne NPD- Mitglieder waren, die an diesem Schlesiertreffen teilgenommen haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Mann, Sie wollten zu Frage 72 eine Zusatzfrage stellen? ({0}) - Nein, das geht nicht. ({1}) - Sie haben ja schon eine gehabt. Bei allem Wohlwollen! ({2}) - Ein Blick in die Geschäftsordnung macht immer klüger. ({3}) - Dies ist Ihr Recht. Bitte schön.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, beabsichtigen Sie auf Grund der heutigen Fragestunde zu diesem Punkt, die Ihnen nachgeordneten Verfassungsschutzämter anzuhalten, sich stärker aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren wie aus der „Frankfurter Rundschau", den „Stuttgarter Nachrichten", vielleicht auch manchmal, wenn da eine wichtige Veranstaltung stattfindet, der „Schaumburger Zeitung" oder wie sie heißt?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Ich werde gerne überprüfen lassen, ob es hier Informationsdefizite vorwerfbarer Art gab.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir kommen zur Frage 73 des Abgeordneten Dr. Hirsch: Trifft die Darstellung im 6. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz von Nordrhein-Westfalen ({0}) zu, daß das Bundeskriminalamt im Herbst 1983 von einer nordrhein-westfälischen Kreispolizeibehörde Daten über Personen, die an Demonstrationen friedlich teilgenommen haben, erhalten und in der Datei „Lage 1" gespeichert hat, und welche Konsequenzen in bezug auf Löschung, weitere Nutzung und Verarbeitung dieser Daten auf Bundesebene zieht die Bundesregierung aus der vom nordrheinwestfälischen Datenschutzbeauftragten in seinem Bericht dargelegten Unzulässigkeit der Weitergabe der personenbezogenen Daten der Betroffenen an das Bundeskriminalamt?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Die beiden im Sechsten Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz Nordrhein-Westfalen - Seiten 53 ff. - angesprochenen Fälle hat bereits der Bundesbeauftragte für den Datenschutz in seinem Bericht vom 24. Februar 1984 über das Ergebnis seiner Prüfung der Datei „Lage 1" aufgegriffen. Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat die Speicherung dieser beiden Fälle als unzulässig angesehen. Der Bundesminister des Innern hat nach Prüfung der Angelegenheit in seiner Stellungnahme gegenüber dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz mitgeteilt, daß die erfolgten Speicherungen nicht den durch die Errichtungsanordnung festgelegten Erfassungsvoraussetzungen entsprochen haben. Der gesamte Datenbestand der Datei „Lage 1" ist am 29. Februar 1984 physikalisch gelöscht worden. Das gilt auch für die in Rede stehenden Daten, so daß sich die Frage nach ihrer weiteren Nutzung nicht mehr stellt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, unter welchen Voraussetzungen nach der Errichtungsanordnung der Datei „Lage 1" Personen in dieser Datei erfaßt wurden?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Kollege Hirsch, ich habe jetzt diese Errichtungsanordnung nicht hier. Aber da es sich hier um zwei Fälle handelt, die beanstandet wurden, gehe ich davon aus, daß es nicht mehr waren, mit der Konsequenz, daß die richtigen Folgerungen aus dieser fehlsamen Speicherung gezogen wurden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, es handelte sich in beiden Fällen um Personen, die an einer Autostraße in einem Fall ein Transparent und im anderen Fall ein Schild gezeigt hatten, mit denen sie sich gegen den Nachrüstungsbeschluß wendeten, und die von der Polizei ermittelt wurden, weil sie nach Auffassung der Polizei, die von der Staatsanwaltschaft nicht bestätigt wurde, damit in die Sicherheit des Straßenverkehrs eingriffen: Halten sie es für sachgerecht, Personen dieses Zuschnitts in einer Datei deswegen zu erfassen, weil sie solche Schilder oder Transparente zeigen?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Kollege Dr. Hirsch, ich glaube, die Entscheidung des Innenmi10984 nisters, verbunden mit der physikalischen Vernichtung dieser Datei, hat die richtige Antwort gegeben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 74 des Abgeordneten Dr. Enders auf: Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, ob die Bundesbehörden nach verbindlichen Gesichtspunkten die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften gestalten, oder kann ein einzelner Bundesgrenzschutz-Kommandeur nach eigenem Ermessen sein Verhalten zu der Arbeitnehmervertretung bestimmen?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Kollege Dr. Enders, verbindliche Regelungen für die Zusammenarbeit der BGS-Kommandeure mit den Gewerkschaften sind im Bundespersonalvertretungsgesetz enthalten. Danach haben der Leiter der Dienststelle und der Personalrat auch im Zusammenwirken mit den in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften insbesondere den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zu beachten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, welche Handhabe hat die Bundesregierung, um sicherzustellen, daß dann, wenn diese vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht besteht, die Vorgänge untersucht und geahndet werden? Spranger, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Enders, wir haben in dieser Sache schon eine umfangreiche Diskussion und einen Schriftwechsel gehabt. Der Sachstand ist im Vergleich zu den Antworten, die ich Ihnen schon vor einigen Monaten geben mußte, zwar fortgeschrittener, aber nicht entscheidend verbessert worden. Wir haben am 13. Juni mit den Beteiligten im BMI entsprechende Gespräche geführt. Ich bin gern bereit - ich weiß nicht, ob Sie darüber informiert sind -, Sie darüber zu informieren, und verleihe der Hoffnung Ausdruck, daß man doch zu einer vernünftigen Lösung kommt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000469, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, seien Sie gewiß, daß auch von mir aus die unbedingte Hoffnung besteht, daß in diesem kritischen Falle endlich Ruhe eintritt; denn das ist sehr zum Nachteil für den Bundesgrenzschutz.

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Die Tatsache, daß wir intensiv im Gespräch sind, macht deutlich, daß auch Ihnen an einer vernünftigen Konfliktlösung gelegen ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 75 des Herrn Abgeordneten Mann auf: Was hat die Bundesregierung unternommen, um die am 7. Juni 1985 aus Berlin ({0}) nach Beirut abgeschobenen vier Menschen - darunter der 17jährige Jahad Atris und die erst 15jährige Kaldar Renard - zu schützen, und was ist der Bundesregierung über das Schicksal der abgeschobenen Menschen bekannt, insbesondere, ob sie noch leben?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Abgeordneter Mann, ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich beide Fragen gemeinsam beantworten dürfte. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Dann rufe ich auch die Frage 76 des Herrn Abgeordneten Mann auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Abschiebung der genannten Palästinenser nach Beirut in einer Situation, in der Palästinenser von Amal-Milizen gejagt, beschossen und ermordet werden und in der gerade auch am und in der Nähe des Flugplatzes Beirut heftige Kämpfe tobten und von standrechtlichen Erschießungen von Palästinensern durch AmalMilizen auf dem Flughafen Beirut berichtet wurde?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Die Entscheidung über die Abschiebung von Ausländern fällt in die Zuständigkeit der Länder und unterliegt nicht der Beurteilung der Bundesregierung. Das Auswärtige Amt hat von der Botschaft in Beirut einen Bericht angefordert, der auch die von Ihnen gestellten Fragen über den Verbleib der Abgeschobenen umfassen soll. Der Bericht liegt noch nicht vor.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Mann.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, keine Zusatzfrage, wenigstens im Moment nicht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, was hat die Bundesregierung auf mein Schreiben vom 7. Juni 1985 hin unternommen, in dem ich die Bundesregierung - in eiligem Fernschreiben - darauf hingewiesen habe, daß drei Personen, Palästinenser, auf dem Wege nach Beirut seien und dort von den Amal-Milizen am Flughafen erwartet würden?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Abgeordneter Ströbele, ich habe hier Fragen des Abgeordneten Mann zu beantworten. Das von Ihnen zitierte Schreiben lag mir bei der Formulierung der Antwort auf die Fragen des Herrn Abgeordneten Mann nicht vor. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Augenblick! Sie haben die Möglichkeit einer zweiten Zusatzfrage, weil zwei Fragen zusammen beantwortet werden. Wenn Sie das tun wollen, tun Sie das gleich!

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. Herr Staatssekretär, in der Frage des Kollegen Mann ist mein Schreiben vom 7. Juni 1985 erwähnt. Sie können doch nicht sagen, Sie haben es nicht gekannt. Darauf wird in der Frage Bezug genommen.

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Ich glaube, daß ich hier Antworten nur auf Fragen des Abgeordneten Mann zu geben habe. Ich kann Ihr Schreiben nicht einbeziehen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Nun geht es nicht mehr. Ich habe keine weiteren Zusatzfragen. Wir kommen zur Frage 77. ({0}) - Also, Herr Mann, Sie hatten mir geantwortet, Sie hätten keine Zusatzfrage. ({1}) - Also, ich will mir gern Rat einholen, wie wir sonst verfahren. - Es ist möglich. Sie haben Zusatzfragen. Bitte schön, Herr Mann.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, da Ihnen j a nun bekannt ist, daß dieses Schreiben des Kollegen Ströbele vom 7. Juni vorgelegen hat: War Ihnen das bekannt? Ich glaube, ich habe Sie richtig verstanden: Es war Ihnen nicht bekannt. Was sind Sie bereit zu unternehmen, damit in Zukunft in derartigen Fällen der Informationsfluß innerhalb der Regierung so organisiert wird, daß bei Gefahr für Leib und Leben - darum geht es hier ja - die notwendigen Maßnahmen getroffen werden können, zumal - damit bin ich am Ende - es hier ja im Grund genommen um Kinder geht, die in den Libanon verbracht worden sind, und Art. 6 des Grundgesetzes - ich glaube, das werden Sie mir voll bestätigen - ein sehr hohes Gut ist?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Kollege Mann, ich weise noch einmal darauf hin, daß die Frage der Abschiebung von Ausländern eine Sache der Zuständigkeit der Länder ist. ({0}) Der Innenminister hat in diesem Fall keine Kompetenzen. Soweit die Bundesregierung hier Kompetenz hat, hat sie sich über das Auswärtige Amt an die Botschaft gewandt, um Auskunft zu erhalten. Diese liegt noch nicht vor. Sobald diese vorliegt, werden wir sie Ihnen und auch Herrn Abgeordneten Ströbele zugänglich machen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Vogel ({0}).

Axel Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002376, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, soweit ich weiß, gibt es Innenministerkonferenzen zwischen dem Bundesinnenminister und den Landesinnenministern. Wäre diese Abschiebung von Palästinensern bei der derzeitigen Situation in Beirut nicht ein Punkt, der dort von seiten der Bundesregierung mal angesprochen werden könnte?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Diese Themen werden natürlich immer wieder angesprochen. Aber das ändert nichts an der Zuständigkeit, die bei den Ländern liegt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich gehe davon aus, daß es zur Zeit keine Zusatzfrage gibt. ({0}) - Okay, gut. Herr Abgeordneter Mann.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär Spranger, meinen Sie nicht, daß gerade nach dem schrecklichen Fall Kemal Altun keinesfalls Kompetenzabgrenzungen, welcher Art auch immer - etwa zwischen den Ländern und dem Bund oder dem Auswärtigen Amt und dem Innenministerium -, in derartigen Fällen zu Lasten von Menschen gehen dürfen, und halten Sie nicht aus diesem Grund die bürokratischen Verfahren für dringend verbesserungsbedürftig - wenn Ihnen dieses Schreiben nicht bekannt gewesen ist?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Der Auffassung, die Sie im ersten Teil Ihrer Frage äußern, stimme ich zu. Das ändert nichts daran, daß der Bund sich nicht über Zuständigkeiten der Länder gegen deren Willen hinwegsetzen kann.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt habe ich noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Vogel ({0}).

Axel Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002376, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich würde gern wissen, ob Ihnen der geschilderte Sachverhalt bekannt ist, daß Palästinenser nach Beirut abgeschoben und dort am Flughafen von Amal-Milizen in Empfang genommen und abtransportiert wurden?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Ich habe diesen Sachverhalt der Fragestellung entnommen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir kommen zur Frage 77 des Abgeordneten Waltemathe: Schließen es die geltenden bundesrechtlichen Datenschutzbestimmungen aus, daß der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes Auskünfte über das Schicksal von NS-Opfern ({0}) erteilt, so daß für Wissenschaft und Forschung immer größere Lücken entstehen, und wenn ja, müssen unter diesen Umständen nicht die geltenden Regelungen geändert werden?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Kollege Waltemathe, der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes hat keine Unterlagen über NS-Opfer. Die von Ihnen aufgeworfene Frage einer Änderung des Datenschutzrechts des Bundes stellt sich demnach nicht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Waltemathe.

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß der Suchdienst des Roten Kreuzes dann gegebenenfalls über die Daten von NS-Tätern verfügt und daß es für die Erforschung der NS-Zeit aus geschichtlichen Gründen, aus Dokumentationsgründen gleichwohl wichtig wäre, Angaben von diesem Suchdienst in Arolsen, wie er früher bestanden hat, zu erhalten?

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Diese Sammlung in Arolsen beschäftigt sich nicht mit NS-Tätern, sondern mit NS-Opfern. Das ist keine Anstalt des Roten Kreuzes, sondern das wird beim Internationalen Suchdienst aufbewahrt. ({0}) - Nein, Sie hatten gefragt, Herr Kollege, ob der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes Unterlagen über NS-Opfer führt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Waltemathe.

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich gebe zu, daß das falsch formuliert war, daß tatsächlich der Internationale Suchdienst gemeint ist. Jetzt wiederhole ich meine schriftlich gestellte Frage in der Form des Internationalen Suchdienstes.

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Der Internationale Suchdienst ist eine unter Leitung und Verwaltung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz stehende, vom Bund finanzierte zwischenstaatliche Einrichtung. Bei ihren Auskünften unterliegt sie demzufolge weder bundes- noch landesrechtlichen Datenschutzvorschriften. Die Zulässigkeit personenbezogener Auskünfte aus den Unterlagen des Internationalen Suchdienstes richtet sich allein nach den im Zusammenhang mit dem DeutschlandVertrag von 1955 abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers des Innern. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz brauche ich nicht aufzurufen, da die Frage 78 des Abgeordneten Clemens und die Fragen 79 und 80 des Abgeordneten Bachmaier schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Herr Grüner zur Verfügung. Die Frage 81 der Abgeordneten Frau Simonis soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Wir kommen zur Frage 82 des Abgeordneten Würtz, der nicht im Raum ist. Das wird entsprechend der Geschäftsordnung behandelt. Ich rufe die Frage 83 des Abgeordneten Waltemathe auf: Hat das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft den Export von vier Militärhubschraubern Typ BO 105 und einem weiteren Militärhubschrauber Typ BK 117 nach Südafrika trotz des UNO-Rüstungsembargos gegen Südafrika und trotz entgegenstehender Rüstungsexportbestimmungen der Bundesrepublik Deutschland mit Billigung der Bundesregierung genehmigt, gegebenenfalls mit welcher ({0}) Begründung?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft hat für den Export von Militärhubschraubern der genannten MBB-Typen nach Südafrika keine Genehmigung erteilt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Waltemathe.

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn das so ist, wie erklären Sie es sich dann, daß nach Berichten südafrikanischer Zeitungen vier Militärhubschrauber BO 105 und ein Militärhubschrauber BK 117 nach Südafrika geliefert worden sind und der südafrikanische Polizeiminister Le Grange erklärt hat, daß die deutschen Hubschrauber bei der Bekämpfung innerer Unruhen eingesetzt werden sollen, während die Militärhubschrauber selbst von den Herstellerfirmen als Militärhubschrauber bezeichnet werden, also einer Exportgenehmigung bedürften?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich habe für solche Meldungen, deren Richtigkeit ich nicht nachprüfen und auch nicht bestätigen kann, keinerlei Erklärung. Die Firma MBB hat uns ausdrücklich bestätigt, daß keine Militärhubschrauber nach Südafrika geliefert worden sind, und das ist auch selbstverständlich, weil das hätte genehmigt werden müssen und nicht genehmigt worden wäre.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Waltemathe.

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Kann man also aus Ihrer jetzt gegebenen Antwort schließen, daß Militärhubschrauber deutscher Hersteller, die in Südafrika eintreffen, von Deutschland nicht exportiert worden sind, also auch nicht zum Export freigegeben worden sind?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Das kann man mit Sicherheit daraus schließen. Ich möchte hinzufügen, daß bei der Eigentümlichkeit der Nachrichten, die in diesem Zusammenhang kolportiert werden, auch die Gefahr von Verwechslungen zwischen zivilen Hubschraubern und militärischen Hubschraubern nicht ausgeschlossen werden kann. Klar ist jedenfalls, daß nicht geliefert wurde, daß keine Genehmigung erteilt worden ist und daß auch keine Genehmigung erteilt worden wäre, wenn sie beantragt worden wäre.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Borgmann.

Annemarie Borgmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000234, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Könnten Sie mir bitte sagen, wie die Bundesregierung den Unterschied zwischen einem militärischen und einem zivilen Hubschrauber definiert?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Zivilhubschrauber würden ihre Zivileigenschaft verlieren, wenn sie durch spezielle Waffenträger und bestimmte militärische Zusatzausrüstungen bestückt würden und damit Eigenschaften von Hubschraubern erhielten, die speziell für militärische Zwecke konstruiert sind. In diesem Fall wäre eine Ausfuhrgenehmigung notwendig, die nicht erteilt würde.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Gilges.

Konrad Gilges (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000680, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist denn dem Wirtschaftsministerium bekannt, daß Hubschrauber der Firma MBB an die Republik Südafrika zwecks ziviler Nutzung - u. a. auch für Polizeieinsatz - geliefert worden sind und die Möglichkeit besteht, diese Hubschrauber auch für eine militärische Nutzung umzubauen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Firma MBB hat keine Ausfuhrbeschränkungen bei zivilen Hubschraubern. Ich kann keine Auskunft darüber geben, weil das nicht gefragt worden ist. Sie können die Auskunft aber sicher auch von der Firma MBB bekommen, ob zivile Hubschrauber nach Südafrika geliefert worden sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Vogel ({0}).

Axel Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002376, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Herstellerfirma MBB in der Hauszeitung „MBB aktuell" im März 1980 darauf hingewiesen hat, daß auch der Hubschrauber BK 117 für militärische Zwecke konzipiert ist?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ja, das ist bekannt. Durch eine entsprechende militärische Zusatzausrüstung wird aus einem zivilen Hubschrauber ein militärischer. Dessen Ausfuhr nach Südafrika ist allerdings nicht erlaubt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind am Ende der Fragestunde. Ich danke dem Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Die anderen Geschäftsbereiche werden morgen behandelt. Zur Geschäftsordnung hat sich der Abgeordnete Mann gemeldet. Bitte schön.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich beantrage, die Aktuelle Stunde auszusetzen, bis der Rechtsausschuß seine Beratungen zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Versammlungsgesetzes beendet hat. Der Rechtsausschuß hat um 13 Uhr beschlossen, um 14.30 Uhr eine Sondersitzung abzuhalten. Es besteht aus der Sicht unserer Fraktion kein Bedarf für eine solche Sondersitzung. Vielmehr gehen die Beratungen des Plenums, geht die Aktuelle Stunde vor. Deswegen, so meinen wir, sollte die Aktuelle Stunde ausgesetzt werden, bis der Rechtsausschuß seine Beratungen beendet hat. Ich sehe meine Verpflichtung darin, hier an diesen Beratungen teilzunehmen, nicht aber an einer Sondersitzung, die von Ihnen durchgesetzt worden ist, um - ich will das hier einmal ganz deutlich sagen - dieses Demonstrationsrecht noch vor der Sommerpause durchzupeitschen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Gibt es weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über den Geschäftsordnungsantrag abstimmen, wonach die Aktuelle Stunde für eine bis jetzt unbestimmte Zeit ausgesetzt werden soll. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Enthaltungen? - Die Mehrheit hat entschieden, daß wir die Aktuelle Stunde jetzt durchführen. Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde 3. Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages vom 27. August bis 20. September 1985 in Genf Die Fraktion der SPD hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem genannten Thema verlangt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Verheugen.

Günter Verheugen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es der noch nicht anwesenden Bundesregierung mit einer neuen Phase der Entspannungspolitik ernst ist ({0}) - da ist sie; herzlich willkommen -, könnte sie ihren Willen beweisen, indem sie sich endlich auf dem Feld der Nichtverbreitung von Atomwaffen engagiert. Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil der Deutsche Bundestag nur so noch eine Chance hat, vor Beginn der 3. Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag seine Meinung zu sagen. Dieser Vertrag ist eines der wenigen Instrumente der Rüstungskontrollpolitik, die wir haben. Seine Zielsetzung hat für uns eine lebenswichtige Bedeutung. Wir reden hier nicht über technische Spezialitäten, sondern über die Verpflichtung, die Bedrohung des Lebens durch Atomwaffen zu vermindern und aus der Welt zu schaffen. Wenn es ein Land gibt, das Anlaß zu einer vorwärtstreibenden Rolle in der Nichtverbreitungspolitik hat, dann unseres. ({1}) Wir können nicht erkennen, daß die Bundesregierung im Vorfeld der bevorstehenden Konferenz besonderes Engagement oder auch nur besonderes Interesse gezeigt hätte. Sie hat auf politische Initiativen gänzlich verzichtet und läßt die Konferenz auf sich zukommen, als ginge es um eine lästige Pflichtübung. Wir halten das für eine gefährliche Fehleinschätzung: Ein genauer Blick auf den Stand der Nichtverbreitungspolitik zeigt alarmierende Perspektiven. Der Atomwaffensperrvertrag ist seinerzeit von den Nichtkernwaffenbesitzern mit abgeschlossen worden, weil sich die Atommächte zur nuklearen Abrüstung verpflichtet haben. Trotz der Rüstungsbegrenzungsabkommen der 70er Jahre haben sich die Atomwaffen quantitativ und qualitativ immer weiter vermehrt und entwickelt. Die Tendenz ist weiterhin steigend. Niemand kann heute sicher sein, daß der in zehn Jahren auslaufende Vertrag verlängert wird oder ob er nicht schon vorher zusammenbricht, weil immer mehr wichtige Länder der Driten Welt ihre Bereitschaft zum Verzicht auf Atomwaffen schlecht belohnt sehen. Es ist nicht gelungen, die Zahl der Staaten, die über Atomwaffen oder über die Fähigkeit verfügen, sie in kurzer Zeit herzustellen, auf die klassischen fünf zu beschränken. Genau in den Wetterecken der Weltpolitik finden sich Staaten, die sich entweder schon die Waffen oder die notwendige Technologie verschafft haben: im Nahen Osten Israel, in Südasien Indien und Pakistan, im südlichen Afrika die Republik Südafrika. Eigentlich müßte uns der kalte Schauer den Rükken herunterlaufen, wenn wir genau in diesen Tagen erfahren, wie ernst die amerikanische Regierung die Gefahr nimmt, Atomwaffen könnten in die Hände von Terroristen geraten. Es wird noch schlimmer, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß es Staaten gibt, die zumindest hinreichend verdächtig sind, terroristische Aktivitäten zu unterstützen. ({2}) - Das hat etwas damit zu tun, Herr Kollege. Die erschreckende Ausbreitung einer Technologie, die man friedlich nutzen kann, aber eben auch anders, wirft die Frage auf, ob auch nur noch einen einzigen Tag verantwortet werden kann, Nukleartechnologie zu Bedingungen zu verbreiten, die unterhalb des Sicherheitsstandards des Nichtverbreitungsregimes liegen und den Mißbrauch nicht zweifelsfrei ausschließen. Man muß befürchten, daß der Atomwaffensperrvertrag als Instrument der Nichtverbreitungspolitik schon deshalb ausgehöhlt wird, weil die Zahl der Staaten wachsen wird, die dem Vertrag nicht beigetreten sind, sich dennoch in den Besitz sensitiver Technologie gebracht haben und auch in der Lage sein werden, diese Technologie zu exportieren. Es würde sich dann ein grauer Kernenergiemarkt entwickeln, wenn es ihn nicht schon gibt. Man muß sich nicht ausmalen, was es bedeutet, wenn der Atomwaffensperrvertrag scheitert. Israel hat seinerzeit mit der Bombardierung des irakischen Reaktors einen Vorgeschmack geliefert. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat am Anfang dieses Jahres konkrete Vorschläge an die Bundesregierung gerichtet, was sie tun könnte, um die beschriebenen Gefahren abzuwenden. Die Bundesregierung hat diese Vorschläge ignoriert. Sie hat keinen Anlaß gesehen, die Initiative zu einer Vorkonferenz zu ergreifen. Sie hat nichts unternommen, um die Kernwaffenstaaten zu einer Abrüstungskonferenz zu bringen. Sie hat keinen Anlaß gesehen, dafür einzutreten, den Export von Nukleartechnologie nur noch unter den weitestgehenden Sicherungen zu ermöglichen. Wir erwarten, daß die Bundesregierung jetzt endlich aufwacht, daß sie ihre Untätigkeit beendet und sich an ihr eigenes Versprechen erinnert, Frieden zu schaffen mit weniger Waffen. ({3})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Abelein.

Prof. Dr. Manfred Abelein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000001, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland hat unverändert ein grundsätzliches und vitales Interesse daran, daß die in der Welt vorhandenen Kernwaffen vermindert werden und daß infolgedessen die Zahl der Kernwaffenstaaten nicht weiter anwächst. Das ist der zentrale Inhalt des Nichtverbreitungsvertrages. Auch wenn bisher nicht alle Ziele dieses Vertrages im wünschenswerten Ausmaß erreicht worden sind - wofür die Bundesregierung mit Sicherheit keine Verantwortung trägt -, schätzt die Bundesregierung das bislang Erreichte nicht gering ein. Der ABM-Vertrag und das SALT-I-Abkommen zeigen, daß man auf dem richtigen Wege zu einer Kontrolle der Nuklearrüstung ist. Auch SALT II, obgleich nicht formell verabschiedet, ist ein Beitrag dazu. Denn die beiden Großmächte halten sich an den Inhalt dieses Abkommens. Es ist zwar bedauerlich, daß nicht alle in Betracht kommenden Staaten sich dem Nichtverbreitungsvertrag angeschlossen haben, aber auch darin liegt nicht eine Verantwortung der Bundesregierung. Denn immerhin sind es in der Zwischenzeit 120 Staaten, die Mitglieder dieses Vertrages sind. Auch wenn die Bemühungen, die noch außenstehenden Staaten zur Mitgliedschaft und zu entsprechenden Verhaltensweisen zu bewegen, bislang ohne Erfolg geblieben sind, müssen die Anstrengungen auch der Bundesregierung, das Nichtverbreitungsabkommen möglichst umfassend und dicht zu machen, mit allen diplomatischen und politischen Mitteln fortgesetzt werden. Die Bundesregierung bemüht sich - im Gegensatz zu dem, was der Vorredner gesagt hat - zusammen mit den Regierungen anderer wichtiger Vertragsstaaten wie beispielsweise den USA, der Sowjetunion, Großbritannien, Japan, den skandinavischen Staaten und den Niederlanden schon lange, solche noch außerhalb stehende Staaten wie beispielsweise Argentinien, Brasilien, Spanien und Pakistan zum Beitritt zu bewegen. An Bemühungen der Bundesregierung liegt es also nicht. Das zweite Kernstück des Nichtverbreitungsvertrages, die internationale Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie, ist in der Zwischenzeit zwischen den Parteien der Regierungskoalition und der Opposition unstreitig. Wir betrachten eine ausschließlich auf die friedliche Nutzung ausgerichtete Verwendung der Kernenergie als langfristiges gemeinsames Ziel. In dem Vertrag sind die ersten Schritte in diese Richtung festgelegt. An der Bundesregierung wird es mit Sicherheit nicht scheitern, die Bemühungen um die friedDr. Abelein liche Nutzung bei der 3. Überprüfungskonferenz noch zu verstärken. Die gegenwärtige Bundesregierung befindet sich auf diesem Gebiet in der Kontinuität mit allen ihren Vorgängerinnen. Es wird leicht übersehen, daß zwischen der 1. und der 2. Überprüfungskonferenz 26 und seither sieben weitere Staaten dem Vertrag beigetreten sind, was ebenfalls zeigt, daß die Bemühungen sehr wohl nicht erfolglos geblieben sind. Bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie ist vor allem aber an die Entwicklungsgebiete der Welt mit ihren mannigfachen energiepolitischen und wirtschaftspolitischen Problemen zu denken. Schon aus der geographischen und politischen Lage der Bundesrepublik heraus wird sich die Bundesregierung auch künftig mit allem Nachdruck für die Weiterführung bzw. die Wiederaufnahme der nuklearen Rüstungskontrollverhandlungen einsetzen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß die Bundesrepublik Deutschland schon im Brüsseler Vertrag vom Oktober 1954 auf die Herstellung von Atomwaffen verzichtet hat. Im Jahre 1957 trat die Bundesrepublik Deutschland dem Vertrag der EURATOM bei, der das weitestgehende Kontrollsystem für die Nutzung der Kernenergie vorsieht. Anmerken möchte ich des weiteren, daß im Verhältnis nach außen die Bundesrepublik und die jetzige Bundesregierung sichergestellt haben, daß deutsche Nuklearexporte in Nicht-Kernwaffenstaaten gemäß den Bestimmungen des Nichtverbreitungsvertrages nur dann erfolgen, wenn sich die Empfänger für die internationalen Kontrollen der Wiener Behörden ausdrücklich ausgesprochen haben und diese anerkennen. Darüber hinaus hat sich die Bundesregierung - im Gegensatz zu vielen anderen Staaten - noch verschärften Kontrollbestimmungen unterworfen; sie sind unter dem Namen Londoner Richtlinien bekanntgeworden. Abschließend möchte ich bemerken: Die Bundesregierung wird die 3. Überprüfungskonferenz sehr ernst nehmen und darauf hinwirken, daß die Bestimmungen des Nichtverbreitungsvertrages dort entsprechend zur Geltung kommen. Danke. ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kelly.

Petra Karin Kelly (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir begrüßen diese Aktuelle Stunde. Es ist aber bedauernswert, wie wenige Abgeordnete ihr beiwohnen. Es ist auch bedauerlich, daß der Deutsche Bundestag keine parlamentarische Delegation nach Genf entsenden wird. Wir begrüßen es auch, daß die SPD verschiedene politische Initiativen ergreift; doch ich hoffe, es sind keine halbherzigen. Die Friedens- und Ökologiebewegung wird im September dieses Jahres auch eine bundesweite Konferenz anläßlich der 3. Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag in Bonn durchführen. Bisher haben immerhin vier Bundestagsabgeordnete der SPD eine Unterstützung dieser Konferenz zugesagt. ({0}) Wir hätten es auch viel wirkungsvoller und auch glaubwürdiger empfunden, wenn der Deutsche Bundestag in der Lage gewesen wäre, eigens zu diesem lebenswichtigen Thema eine öffentliche Anhörung durchzuführen. Seit nahezu 30 Jahren wird nämlich in der Öffentlichkeit die Illusion geschürt - so wie das leider im Antrag der SPD zur Nichtverbreitung der Kernwaffen der Fall ist -, die zivile Atomtechnik ließe sich von der militärischen eindeutig trennen. Tatsächlich würden und werden auch in der Bundesrepublik mit der zivilen Atomenergie die technologischen Voraussetzungen für eine militärische Nutzung der Atomenergie einschließlich der Herstellung von Waffen laufend verbessert. Je deutlicher die ursprünglich gehegten energiepolitischen Hoffnungen in die Atomenergie verblassen, um so markanter kommt die militärische Seite dieser Technologie zum Vorschein. Zur Klarstellung muß erwähnt werden, daß der Atomwaffensperrvertrag sich nur auf zivile und militärische Kernsprengungen bezieht. Alle anderen militärischen Nutzungsmöglichkeiten der Kernenergie wie Antrieb von Kriegsschiffen, z. B. U-Booten, Stromerzeugung für militärische Anlagen, Verwendung von Kernmaterial in konventionellen Waffen, Anwendung von Radioisotopbatterien, selbst auch die Verwendung von Atommüll als Kontaminationswaffe, sind erlaubt, da es zu keiner nuklearen Sprengung kommt. Diese Vorgeschichte zeigt auch klar, daß die bewußte Offenhaltung der militärischen Option in der Bundesrepublik bis zum Beitritt zu diesem Atomwaffensperrvertrag als eine historische Tatsache angesehen werden muß. Werfen wir einen kurzen Blick hinter die Kulissen. Damals unter Kiesinger/Brandt wurde der Atomwaffensperrvertrag unterschrieben, doch es gab zahlreiche Schlupflöcher - auch heute noch -, die auf Bonner Betreiben in diesen Vertrag eingebaut werden konnten. Unterzeichnet wurde dieser Vertrag im Jahre 1969 von der Regierung Brandt/ Scheel, die die Ratifizierung dieses Vertrages aber gleichzeitig von einer Abschwächung seiner Kontrollbestimmungen abhängig machte. Wer die Sicherheitskontrolle der IAEO in Wien kennt, der weiß, daß ein Mißbrauch von nuklearen Materialien zur Herstellung von Atomwaffen nicht verhindert werden kann. Dann wissen wir, daß im Februar 1974 diesem Vertrag mit dem dubiosen Verifikationsabkommen zugestimmt worden ist. Doch damals stimmten 100 Abgeordnete der Unionsparteien gegen den Atomwaffensperrvertrag, ({1}) darunter viele Minister im Kabinett Kohl wie Herr Zimmermann, Herr Wörner, Herr Kiechle, Herr 10990 Deutscher Bundestag - 10.b Wahlperiode Frau Kelly Warnke, Herr Dollinger usw. Einstimmig hingegen verabschiedete man das Verifikationsabkommen. Damit wurde ein Kontrollabkommen für die Bundesrepublik beschlossen, das ausdrücklich die Atomenergieverwendung bei „nichtfriedlichen Tätigkeiten" erlaubt - das ist der Art. 14 - und für diesen Fall alle Kontrollmaßnahmen außer Kraft setzt. Von 1974 also bis heute hat die Bundesrepublik eine Nuklearpolitik betrieben, durch die die atomare Proliferation gefördert worden ist und gefördert wird. Nur einige Beispiele: Die Nuklearexportpolitik der Bundesrepublik orientiert sich nicht am Gesichtspunkt der Nichtweiterverbreitung. Zum Beispiel machen wir genau mit den Staaten, die dem Atomsperrvertrag nicht beigetreten sind, atomare Geschäfte wie mit Argentinien, Brasilien, Indien, Pakistan, Südafrika und neuerdings China. Im Ausland ist diese zweifelhafte Rolle beim Umgang mit Atomwaffentechnologien seit dem Geschäft mit Brasilien im Jahre 1975 wohlbekannt. Durch ihre Exportpolitik hat die Bundesrepublik vor allem Südafrika, aber auch Indien und Pakistan bei der Entwicklung von Atomwaffen geholfen und sie unterstützt. Die Lieferung von Komponenten für Anreicherungsanlagen an Südafrika und an Pakistan - von Komponenten, wofür ein Herr im Fall Pakistan gerade zu acht Monaten Gefängnis verurteilt worden ist -, stellt einen Bruch des Nichtweiterverbreitungsvertrages durch die Bundesrepublik dar. Eine von den Vereinten Nationen im Jahre 1981 erstellte Studie sagt klar und deutlich, daß wir in bezug auf die südafrikanische Atombombe mitgewirkt haben. Ganz kurz noch: Der größte Teil des von NUKEM/ALKEM in Hessen verarbeiteten Urans - auf Umwegen über die Sowjetunion, wo es aufbereitet wird - stammt aus Namibien. Ich komme zum Schluß. Die Nuklear-Technik GmbH mit Sitz in Gelnhausen gibt offen zu, daß sie das National Accelerated Centre in Stellenbosch in Südafrika beliefert. Wenn wir so weitermachen und hier weiterhin so unehrlich diskutieren und nicht deutlich machen, daß Atomenergie -

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluß.

Petra Karin Kelly (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001081, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- - nicht getrennt werden kann, gibt es keine Chance mehr für diesen Atomwaffensperrvertrag. Danke. ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer ({0}).

Helmut Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001932, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit den Behauptungen von Frau Kelly wird sich Herr Kollege Laermann noch auseinandersetzen. Ich glaube, daß es Ihrer Taktik, die hier ja seit Jahren verfolgt wird, entspricht, Dubioses zu unterstellen und selbst dubiose Argumente anzuführen, Frau Kelly. Ich glaube, das muß man einmal sehr deutlich sagen. ({0}) Ich höre diese Argumentation betreffend Südafrika an den Universitäten in Deutschland schon seit Jahren. Es werden unglaubliche Behauptungen aufgestellt, die nicht bewiesen werden. Es ist absolut unrichtig, daß die Bundesregierung etwas liefert, bestenfalls können Firmen liefern. Sie wissen ganz genau, daß es hier enorme Restriktionen gibt. Es ist auch nicht richtig, daß sich Argentinien, Brasilien völlig außerhalb des Vertrages befinden. Sie haben vor Jahren in Tlatelolco einen eigenen Vertrag unterschrieben, der praktisch mit dem Atomwaffensperrvertrag korrespondiert. Meine Damen und Herren, Sie - auch Sie von der SPD - reden immer davon, die Bundesregierung sei dafür verantwortlich, daß dieses oder jenes Land dem Atomwaffensperrvertrag nicht beitrete. Ich darf jetzt einmal an Sie, die Sie ja alle so enorm viel in der Welt herumreisen, ich darf an uns alle hier, an uns Parlamentarier, die Frage richten: Was eigentlich tun wir bei unseren häufigen Reisen in bestimmte Länder, in denen man so etwas ja auch einmal mit der Regierung diskutieren darf? Ich habe das z. B. in Israel getan. Die Antwort der Israelis war: Solange die arabischen Staaten nicht bereit sind, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, treten wir einem solchen Vertrag auch nicht bei. Ich halte das für eine sehr schlaue Argumentation, die mich aber nicht überzeugt. Israel könnte einen sehr guten Beweis für seine Haltung in dieser Frage erbringen, wenn es sich z. B. zumindest mit Ägypten darauf verständigen könnte, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten. Ich meine, wir als Abgeordnete sollten von unserer Möglichkeit Gebrauch machen, dieses Thema gerade in den Ländern immer wieder anzusprechen, in denen die Bereitschaft, beizutreten, bisher nicht vorhanden war, zum Teil mit durchaus fadenscheinigen Argumenten; das gebe ich Ihnen zu. Frau Kelly hat zu Beginn ihrer Ausführungen gesagt, sie sei traurig, daß der Saal nicht so gut besetzt sei und daß ein so wichtiges Thema hier nicht die Aufmerksamkeit des Bundestages finde. Dazu darf ich, kritisch wie ich bin - ich weiß, daß Herr Duve jetzt dazwischenrufen wird -, sagen: Ich bin nicht überzeugt, daß diese Aktuelle Stunde so aktuell ist, wie es scheint. ({1}) Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, das zu lesen, was ich selbst in der Debatte am 16. Januar hier zu diesem Thema gesagt habe. Das könnte ich heute - das muß ich Ihnen wirklich sagen, ich tue das hier zum zweiten Mal - alles wiederholen, weil es inzwischen keine neuen Argumente gibt, auch nicht zu Ihren Fragen. Angesichts des Umstandes, daß Staatsminister Möllemann am vorigen Donnerstag auf 13 Druckseiten - Protokoll des Deutschen Bundestages - erschöpfend Auskunft gegeben hat, die Bundesregierung die Große Anfrage erschöpfend beantwortet hat, muß ich Frau Kelly Schäfer ({2}) die Frage stellen: Ist es wirklich so aktuell? Denn wir werden dieses Thema bei der Verabschiedung dieses Antrags nach der Sommerpause zum vierten Mal mit genau den gleichen Argumenten wieder behandeln. Herr Präsident, an das Präsidium des Deutschen Bundestages sei die Frage gerichtet: Sind diese Übungen hier wirklich noch aktuell? ({3}) Also, es tut mir leid, aber ich bin mir fast zu schade -

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie, daß ich unterbreche. - Es gibt keine Richtlinien über die Aktualität. Ich ermuntere die Fraktionen des Deutschen Bundestages, sich darüber Gedanken zu machen. ({0})

Helmut Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001932, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. Ich glaube, wir müssen das wirklich einmal ernsthaft tun; denn wir haben noch eine Reihe anderer wichtiger Themen. Ich darf, zur SPD gewandt, sagen: Wir stimmen j a mit sehr vielem von dem, was Sie sagen, überein. Nur, angesichts der praktischen Forderungen, die Sie aufgestellt haben, daß man eine Vorbereitungskonferenz der nichtnuklearen Staaten durchführen solle, daß man dann später möglicherweise eine Konferenz aller Staaten abhalten solle, die über nukleare Waffen verfügen, so wie angesichts Ihrer langen Regierungstätigkeit frage ich Sie: Halten Sie solche Unternehmungen wirklich für erfolgreich? Würde es, wenn sich alle Staaten, die nicht über nukleare Waffen verfügen, in einer Konferenz über die Ächtung von Atomwaffen einigen könnten - Staaten, von denen j a nun eine ganze Reihe dem Warschauer Pakt und der NATO angehören; wieder andere gehören zur Dritten Welt, Staaten, die ganz verschiedene Voraussetzungen in die Diskussion einbringen -, wirklich helfen, bei den eigentlichen Verhandlungen weiterzukommen? Ich bezweifle das sehr. Von daher sollten wir, so meine ich, das Vertrauen in die Bundesregierung haben, daß sie bei dieser Konferenz darauf dringt, daß das, was für uns alle unbefriedigend geblieben ist, verbessert wird. Aber überschätzen wir auch nicht die Möglichkeiten, die die Bundesregierung hat. Vielen Dank. ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Soell.

Prof. Dr. Hartmut Soell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002186, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer, wenn Sie sich hier an der Frage der Aktualität hochziehen - alle Ihre Ausführungen gehen in die gleiche Richtung -, dann muß ich Ihnen sagen: Es geht hier nicht um die bloße Tagesaktualität, sondern es geht um ein brennendes Thema, bei dem der Einfluß der Bundesregierung zwar sicherlich begrenzt ist, hinsichtlich dessen aber unser Vorwurf war - deswegen war auch die Fragestunde in der letzten Woche so intensiv -, daß bezüglich der Vorbereitung dieser 3. Überprüfungskonferenz in den letzten Monaten sehr wenig geschehen ist, um die Dinge voranzutreiben. ({0}) Es war bisher die Rede von der sogenannten horizontalen Nichtverbreitung. Ich spreche jetzt über die vertikale Nichtverbreitung, nämlich über die Frage, wie die Atommächte selbst mit ihren Waffen umgehen. Diese Nichtverbreitung hat, insbesondere was den umfassenden Stopp von Atomversuchen angeht, einen hohen Symbolwert. Dieser drückt sich in der Zahl der UN-Resolutionen seit den 50er Jahren aus. Er ist ebenso abzulesen an den zahlreichen Vorstößen von neutralen und nicht gebundenen Ländern im Rahmen der Genfer Abrüstungskonferenz, ein erneutes Verhandlungsmandat für einen umfassenden Teststopp zustande zu bringen. Seit 1945 hat es rund 1 500 Tests von Nuklearwaffen gegeben, davon seit dem Teststoppabkommen von 1963, welches oberirdische Tests verbot, rund 500 unter der Erde. Seither ist jedenfalls die Überzeugung sehr viel stärker geworden, daß von einem umfassenden Verbot aller Atomversuche ein erheblicher Druck auf eine substantielle Reduzierung der Atomwaffenvorräte und damit auch auf die Bedeutungsminderung der Atomwaffen überhaupt ausginge. Wie ist gegenwärtig die Lage? Mitte der 70er Jahre wurden von den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion Verträge zur Begrenzung unterirdischer Kernwaffenversuche ausgehandelt, die bisher vom amerikanischen Kongreß nicht ratifiziert worden sind. Dennoch haben beide Seiten zugesagt, sich an diese Vereinbarungen zu halten, die eine Höchstgrenze von 150 KT vorsehen. Danach gab es in den späten 70er Jahren trilaterale Verhandlungen zwischen Großbritannien, den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, die 1980 ohne vertragliches Ergebnis abgebrochen worden sind, obwohl wesentlich nur noch die Zahlen der nationalen automatischen seismischen Stationen und die Art der Ausrüstung für die Inspektoren offengeblieben sind. Wenn man nun nach den Ursachen und nach den Verursachern dieser Stagnation fragt, dann muß ich, der ich sonst nicht bereit bin, für Leisetreterei, was das Rüstungskontrollverhalten der Sowjetunion angeht, einzutreten, sagen, daß die Vereinigten Staaten an dieser Stagnation erheblich mehr Verantwortung tragen. ({1}) Man muß sich einmal das Zitat des amerikanischen Vizepräsidenten Bush auf der Genfer Abrüstungskonferenz 1984 vor Augen halten, daß ein umfassendes Versuchsverbot nur ein langfristiges Ziel sei. Als er dort gefragt wurde, wie langfristig dieses Ziel denn sei, hat er gesagt - er meinte es nicht nur ironisch -: Erst nach dem fünften SALT-Vertrag. Dies steht nicht nur im Widerspruch zur wachsenden Weltmeinung in dieser Frage, insbesondere unter den neutralen und nicht gebundenen Staaten, sondern es steht auch im Widerspruch zu der amerikanischen Initiative zur strategischen Verteidigung. Die Vereinigten Staaten müssen nämlich ein Interesse daran haben, daß die immer raffinierteren und zielgenaueren Sprengköpfe für Offensivwaffen nicht mehr getestet werden. Auch dieses müssen wir in der Öffentlichkeit sehr viel stärker ausbreiten. Wir fordern die Bundesregierung auf, erstens die von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages getragene Forderung nach einem umfassenden Teststopp im Rahmen der 3. Überprüfungskonferenz mit Nachdruck vorzutragen und dazu auch die Möglichkeiten des Teststoppabkommens von 1963 mit auszunutzen. Art. 2 sieht vor, daß alle Vertragsteilnehmer, wenn zwei Drittel der Vertragsstaaten zustimmen, Vertragsänderungen vorschlagen können. Wir fordern die Bundesregierung zweitens auf, die Anträge der neutralen und nicht gebundenen Staaten auf ein umfassendes Verhandlungsmandat der Abrüstungskonferenz in Genf mit zu unterstützen. Wir fordern die Bundesregierung drittens auf, die Erfahrungen deutscher Wissenschaftler und der deutschen seismologischen Einrichtungen, wie dies Bundeskanzler Helmut Schmidt schon auf der ersten Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen 1978 vorgeschlagen hat, entsprechend international anzubieten. Wir fordern die Bundesregierung viertens auf, die Erfahrungen der Wissenschaftler anderer Länder - z. B. aus Schweden und Japan - auf einem internationalen Wissenschaftssymposion - ähnlich dem von 1980 - zu nutzen, um die internationale Diskussion voranzutreiben. Schönen Dank. ({2})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Graf Huyn.

Hans Huyn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000987, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Verheugen hat die Frage aufgeworfen, wie ernst es denn die Bundesregierung mit der „neuen Phase der Entspannungspolitik" nimmt. ({0}) Das ist in der Tat eine Frage, die ich mir auch stelle und die sich sicher viele stellen. Nur, Herr Verheugen, die Antwort auf Ihre Frage ist insofern sehr einfach, als zu dieser neuen Phase der Entspannungspolitik immer zwei gehören. ({1}) Eine einseitige Entspannung führt nämlich, wie die Geschichte gerade der 70er Jahre gezeigt hat, nicht zu erfolgreichen Ergebnissen. Die Bundesregierung hat - das möchte ich betonen - insofern auch in der Kontinuität ihrer Vorgängerregierungen den Atomsperrvertrag, den Nichtverbreitungsvertrag, sehr ernstgenommen. Ausdrücklich zurückweisen möchte ich aber das, was hier von dem Kollegen Soell gesagt wurde, der nämlich eine weitgehend einseitige Schuldzuweisung in Richtung der Vereinigten Staaten vornahm. Wenn wir von der Interessenlage der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesregierung ausgehen, müssen wir an zwei Dinge erinnern, erstens daran, daß die Geschäftsgrundlage für unseren Beitritt die glaubwürdige Zusage der Kernwaffenmächte war, über verifizierbare Rüstungskontrolle und Abrüstung zu verhandeln, und zweitens an die sowjetische Anerkennung der nuklearen Sicherheit, die die Vereinigten Staaten uns garantieren. Vor der 3. Überprüfungskonferenz, vor der wir jetzt stehen, müssen wir feststellen: Die Vereinigten Staaten haben beide Verpflichtungen, die für uns bedeutend sind, erfüllt. Die Sowjetunion hat beide nicht erfüllt. Die sowjetische Politik ist vielmehr ein fortlaufender Verstoß gegen Geist und Buchstaben des Vertrages. Beispiele: Erstens. In der Präambel zum Vertrag wird daran erinnert, daß die Staaten jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt unterlassen müssen. Der bewaffnete Interventionismus der Sowjetunion spricht dem Hohn. Zweitens. Die Sowjetunion begann 1977 einseitig mit der Aufstellung der SS-20-Raketen, die uns bedrohen, als eines nuklearen Droh- und Erpressungspotentials. ({2}) Drittens. Die fünf Jahre seit der 2. Überprüfungskonferenz haben die Vertragstreue der Sowjetunion vollends unglaubwürdig gemacht. Nachdem die Vereinigten Staaten Moskau endlich dazu gebracht hatten, in Genf über nuklearstrategische Systeme zu verhandeln, bestand der einzige sowjetische Beitrag hierzu darin, diese Verhandlungen zu blockieren und schließlich, 1983, einseitig abzubrechen. ({3}) Viertens. In allen Bereichen verwahrt sich die Sowjetunion gegen wirksame Kontrollmaßnahmen. Dies, meine Damen und Herren, sind die Tatsachen, und dann kann man nicht eine einseitige Schuldzuweisung in Richtung Vereinigte Staaten vornehmen. Das Gegenteil ist zutreffend! ({4}) - Sie betreiben j a schon nicht mehr Äquidistanz, sondern eine zunehmende Annäherung an sowjetische Positionen. ({5}) Das sind doch die Tatsachen! ({6}) - Lesen Sie doch nach, was Herr Brandt in Moskau alles besprochen hat! ({7}) Die Sowjetunion kommt ihren Pflichten aus Art. VI des Atomwaffensperrvertrages nicht nach. Sie zeigt nicht, wie es im Vertrag heißt, die redliche Absicht, zu Verhandlungen zu kommen, mit denen Rüstung kontrollierbar begrenzt werden kann. Sie hat ihrerseits die Rüstungsspirale immer weiter hochgetrieben. Wir akzeptieren es daher nicht, wenn Sie die Vereinigten Staaten mit der Sowjetunion moralisch, politisch und faktisch gleichsetzen. Wir weisen dies mit Nachdruck zurück. In der Frage des NV-Vertrages hat die Bundesregierung mit ihrem Verhalten unser volles Vertrauen. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laermann.

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich mit dem Antrag der SPD-Fraktion auseinandersetzt, stellt man fest, daß sich dieser Antrag auch, j a, vorwiegend und über weite Strecken auf die Bereiche Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Nutzung der Kerntechnologie bezieht. Ich möchte deswegen auch ganz gezielt auf diese Fragestellung, die hier zum Ausdruck kommt eingehen. Wir sind hier - das muß ich der Bundesregierung ausdrücklich bescheinigen - in der Kontinuität der Entwicklung. Vergangene Bundesregierungen haben sich durchaus im Bewußtsein ihrer Verantwortung darum bemüht, das, was an brisanten, an sensitiven Technologien dort ansteht, auch internationaler Kontrolle zu unterwerfen. Dies gilt auch bei der Kooperation mit Partnerstaaten, insbesondere mit den Schwellenländern und solchen Ländern, die dem NV-Vertrag nicht beigetreten sind und die aus Gründen der Autonomie nicht beitreten wollten. Es sind verschiedene Gründe, warum sie nicht beitreten wollten. Wir haben in der Verpflichtung, die wir als Industrieland hier gesehen haben, im Einvernehmen mit den Bundesregierungen - ich sage jetzt ausdrücklich, im Plural sprechend, Bundesregierungen - dafür gesorgt, daß wir diese Länder in trilaterale Vereinbarungen mit eingebunden haben. Damit haben sich auch diese Länder der vollen Kontrolle ihrer Anlagen durch die Internationale Atomenergiebehörde in Wien unterworfen. Ich denke, daß dies ein wichtiger Schritt ist. Ich möchte dem Kollegen Verheugen sagen, daß gerade dies aus unserer Sicht ein Mittel und eine Möglichkeit ist und gewesen ist, eben nicht den „grauen Markt" entstehen zu lassen, sondern hier die Mitsprache und die Mitkontrolle und die Mitverantwortung zu sehen. Diese Länder, mit denen wir in bezug auf friedliche Nutzung der Kernenergie in Kooperation stehen, können das, was sie von uns und aus der Kooperation an Know-how, an Material, an Komponenten bekommen, nicht weitergeben, ohne sich der Kontrolle zu unterziehen und ohne Zustimmung der Bundesregierung. Dies ist in den Verträgen ausdrücklich festgelegt. Ich denke, daß dies ein ganz wichtiger Schritt ist, um hier in der Tat auch bei den Ländern, denen wir diese Technologien nicht vorenthalten können, eine Kontrolle zu haben. Diese Länder wären sonst auf anderem Wege - vielleicht wäre das etwas mühsamer, vielleicht dauerte es etwas länger - in der Lage, sich diese Techniken und Technologien zu beschaffen. Dann hätten wir überhaupt keine Möglichkeit - wir Industrieländer und die Länder, die dem NV-Vertrag beigetreten sind -, sich mit der Verwendung und der Kontrolle der Verwendung von Kenntnissen und von Komponenten zu beschäftigen. Wenn die Frau Kelly hier sagt, daß wir Komponenten an Südafrika geliefert hätten, so muß ich erwidern, daß dies mitnichten der Fall ist. ({0}) Dies ist überhaupt nicht der Fall. Wenn Sie aber verhindern wollen, daß Erkenntnisse, daß Knowhow transferiert wird, dann müßten wir alle diejenigen, die über Kenntnisse auf diesem Gebiet verfügen - das betrifft dann nicht nur den nationalen Bereich -, eigentlich hinter Gitter sperren. Und das wird nicht möglich sein. Dies sind im Grunde genommen Erkenntnisse, ist ein Wissensstand, der sich weiterverbreitet hat, und es ist unsere Verpflichtung - insbesondere von Industriestaaten; hier stimmen wir sicherlich überein -, Mißbrauchsmöglichkeiten auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Dabei müssen wir uns im klaren darüber sein, daß wir diese Risiken nicht vollends werden abbauen und verhindern können. ({1}) Nun möchte ich noch folgendes zu Ihnen sagen. Sie beziehen sich beispielsweise auf die Empfehlungen der INFCE-Konferenz. Wo in der Bundesrepublik verwenden, verarbeiten wir eigentlich noch hoch angereichtertes Uran, das man in die Gruppe des waffengrädigen Materials einordnen könnte? - Nur noch in den Forschungs-, nur noch in den Materialprüfungsreaktoren. Hier wird in der Kontinuität ein Programm fortgeführt, das sicherstellt, daß wir in spätestens vier Jahren keine dieser Reaktoren mehr haben. Es werden eine Reihe von Reaktoren, die auf hoch angereichterter Basis arbeiten, stillgelegt werden; es werden andere umgestellt werden. Es gibt noch zwei auslaufende Projekte, bei denen es keine Möglichkeit mehr gibt, sie auch noch umzustellen, bei denen das auch nicht lohnt. Das einzige Problem, das wir zur Zeit in dieser Richtung noch sehen, ist der THTR 300, der auf der Thoriumbasis mit hoch angereichertem Material arbeiten muß. Wir gehen davon aus, daß nach den ersten beiden Betriebsphasen - das hat auch etwas mit Genehmigungsverfahren zu tun - die Umstellung erfolgt, wie die Versuche am AVR-Reaktor gezeigt haben. Die Planungen für einen HTR 500 gehen ja schon auf die Grundlage niedrig angereicherten Urans. Im übrigen muß ich sagen: Hochanreicherung erfolgt nicht in unserem Land, sondern wir beziehen dieses angereicherte Material aus den USA - unter der Kontrolle des Department of Energy, unter der Kontrolle der EG, unter der Kontrolle der Bundesregierung. Hier wird keine Mißbrauchsmöglichkeit gegeben sein, wie dies überhaupt für alles spaltbare Material gilt. Das möchte ich ausdrücklich feststellen. ({2}) Aber wenn Sie, verehrte Kollegen von der SPD, so stark auf die Empfehlungen der INFCE abheben, dann möchte ich Sie daran erinnern, daß Sie dann bitte schön auch die Empfehlungen der INFCE im Bereich Wiederaufarbeitung noch aufnehmen möchten. Denn die INFCE-Konferenz hat ja nach wie vor festgestellt, daß sie Sicherheitsbedenken gegenüber einer Endlagerung ohne Wiederaufarbeitung hat - gerade im Hinblick auf Kontrolle und Safe-guards-Anwendung von Plutonium. Ich habe leider keine Zeit, dies im Detail auszuführen, möchte aber die verehrten Kollegen daran erinnern: wenn sie sich auf der einen Seite an den Empfehlungen so stark orientieren, dann bitte schön auch auf der anderen Seite gerade aus den von uns und der Bundesregierung ernstgenommenen Sicherheits- und Verantwortungsaspekten heraus. Danke schön. ({3})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Scheer.

Dr. Hermann Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD hat diese Aktuelle Stunde beantragt, weil es ein Armutszeugnis wäre, wenn der Bundestag vor Beginn dieser 3. Überprüfungskonferenz dazu nicht gesprochen hätte. ({0}) Daß es in Form einer Aktuellen Stunde geschehen mußte, liegt nicht an uns. Am 12. April 1984 haben wir in einem Entschließungsantrag die Bundesregierung zu konkreten Schritten aufgefordert, damit in Anbetracht der Überprüfungskonferenz die vertragsgemäße Verpflichtung der Atommächte zu atomarer Abrüstung politisch verbindlicher als bisher eingefordert wird. Wir forderten unter anderem die Einberufung einer Vorkonferenz aller nichtatomaren Staaten nach dem Vorbild einer ebensolchen Konferenz aus dem Jahre 1968, die damals auf Initiative der Bundesregierung - Große Koalition - zustande kam. Diese Konferenz erwirkte die Bereitschaft von über hundert Ländern, diesen Vertrag zu unterschreiben, und formulierte die Erwartung der Nichtatomaren. Das soll keine Bedeutung für jetzt haben? Die Bundesregierung reagierte nicht, und bis heute, nach über einem Jahr, sind diese Anträge im Plenum nicht abschließend beraten worden. Im Januar dieses Jahres reichten wir einen weiteren Antrag ein, der erneut die Notwendigkeit einer solchen Vorkonferenz hervorhob. Auch dieser Antrag ist bis heute nicht im Plenum abschließend beraten worden. Die Bundesregierung hat sich dazu wiederum nicht geäußert. Beide Anträge werden wahrscheinlich erst auf der Tagesordnung stehen, wenn die Konferenz schon vorbei ist. Dies ist eine Mißachtung des Parlaments und eine Mißachtung des Themas und der Sache, um die es hier geht. ({1}) Die Mehrheit dieses Parlaments hat also Initiativen systematisch verschleppt, die sich um die Erhaltung des wichtigsten aller bisherigen Rüstungskontrollverträge bemühen. Deswegen hier die Aktuelle Stunde. Es gibt leider auch keine anderweitigen Initiativen der Bundesregierung, die über den Trott der letzten Jahre hinausgehen oder die Verschleppung rechtfertigen würden. Einen solchen Trott aber, der sich auf eine bürokratisierte Abrüstungsdiplomatie allein verläßt, können wir uns nicht länger leisten. Dies wird spätestens bei dieser Überprüfungskonferenz der Öffentlichkeit deutlich werden. Es sind dazu politische Impulse notwendig und nicht ein dauerndes Abwiegeln, das eine lähmende Sorglosigkeit bei einer Sache erzeugt, bei der die Alarmglokken immer lauter werden. ({2}) Deshalb müssen wir deutlich machen, daß die Bundesrepublik an der Seite der nichtatomaren Länder steht, wenn wir unseren eigenen Verzicht auf Atomwaffen ernst nehmen, und daß wir dabei nicht an der Seite der Atommächte stehen, die ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen zu atomarer Abrüstung bisher mißachtet haben. ({3}) Dies ist in diesem Falle keine Frage, des Ost-WestGegensatzes, Graf Huyn, sondern es geht um die Forderung der nichtatomaren Länder gegenüber den atomaren Ländern in Ost und West. ({4}) Wir müssen also deutlich machen, daß im Zuge der Entwicklung kleinerer atomarer Sprengköpfe sowie zielgenauer Trägersysteme die waffentechnische Möglichkeit für zunehmend mehr Länder besteht, eine eigene Atomstreitmacht aufzubauen, und daß es deshalb kurzsichtig und verantwortungslos ist, wenn durch Nichterfüllung der Verpflichtung zu atomarer Abrüstung bei den Atommächten die atomare Aufrüstung vieler Staaten provoziert würde. Das ist das Thema, um das es geht. Die Untätigkeit der Mehrheit dieses Parlaments und auch der Regierung geht offensichtlich darauf zurück, daß sich die Unionsfraktion, die zu großen Teilen 1974 gegen die Ratifizierung des Vertrages stimmte, ({5}) zu erheblichen Teilen offenbar immer noch nicht mit diesem Vertrag abgefunden hat. ({6}) Wir bezweifeln, ob Sie ernsthaft eine atomare Abrüstung wollen. Wir bezweifeln, ob Sie wirklich alle einen vollständigen atomaren Teststopp wollen und nicht lieber die weitere Modernisierung von Atomwaffen, wozu ja Tests erforderlich sind. Und wir bestreiten, daß Sie - die Unionsfraktion ist gemeint - tatsächlich bereit sind, sich bei der Überprüfungskonferenz wie ein nichtatomarer Staat zu verhalten, und statt dessen Ihre Position in erster Linie in unmündiger Weise davon abhängig machen, was die Atommächte gutheißen. Solange Sie weder bereit sind, Initiativen des Parlaments aufzunehmen, noch selbst Initiativen zu ergreifen, solange Sie das noch nicht einmal ernsthaft erwägen, müssen diese Zweifel erhoben werden. Und deshalb diese Aktuelle Stunde. ({7})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich erteile das Wort dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, Herrn Möllemann.

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Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die Nichtverbreitungspolitik der Bundesregierung ist im Januar des Jahres hier im Plenum umfassend erörtert worden. An dieser Stelle stand damals unser Kollege Dr. Mertes, dessen zu früher Verlust auch für dieses Haus uns allen in diesem Augenblick besonders bewußt ist. Ich lasse mich von seiner damaligen Äußerung leiten, daß sich das Thema der Nichtverbreitung wenig zur polemischen Erörterung eigne, ({0}) und daß die deutsche Nichtverbreitungspolitik bisher mit Zustimmung des ganzen Hauses auf den Erkenntnissen auch der von der SPD-geführten früheren Bundesregierung aufgebaut habe. Im Blick auf die 3. Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages und die Frage, wie sich der Vertrag als das wichtigste Instrument der Nichtverbreitung von Kernsprengkörpern seit der letzten Überprüfungskonferenz im Jahre 1980 bewährt hat, kommt die Bundesregierung zu einem positiven Ergebnis. Erstens. Kein Nichtkernwaffenstaat hat seitdem eine Kernexplosion ausgelöst. Zweitens. Die Internationale Atomenergie-Organisation, IAEO, in Wien, von der hier schon die Rede war, hat sich mit den Ergebnissen ihrer Sicherungsmaßnahmen zufrieden erklärt, auch bezüglich solcher Staaten, die nicht Parteien des Nichtverbreitungsvertrages sind. Drittens. Einige zusätzliche Staaten sind dem Vertrag neu beigetreten. Auch die Bundesregierung hat für den Beitritt zum Nichtverbreitungsvertrag geworben. Wir werden das auch weiter tun, insbesondere bei den Schwellenländern, die dem Vertrag noch reserviert gegenüberstehen. Dafür ist aber eine wichtige Voraussetzung, daß der Vertrag in seiner gegenwärtigen Form beibehalten wird. Das bedeutet auch: Es sollte nicht der Versuch unternommen werden, seinen Inhalt, etwa im Blick auf die Exportkonditionen, zu verschärfen. Die Überprüfungskonferenz, die in Kürze beginnen wird, ist kein Tribunal. Sie dient einer allseitigen und umfassenden Überprüfung der bisherigen Ergebnisse des Vertrages. Da können wir ihm in wichtigen Bereichen gute Noten ausstellen. Das gilt insbesondere für die Verpflichtung der Kernwaffenstaaten und der Nichtkernwaffenstaaten, einer Verbreitung von Kernsprengkörpern entgegenzuwirken. Das gilt auch für die vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen. Dieses Kernstück des Vertrages hat sich also bewährt. Wir werden bei der Überprüfungskonferenz ferner darauf hinweisen, daß wir zur Förderung der friedlichen Nutzung der Kernenergie, wie sie in Art. IV des Vertrages gefordert wird, unseren Teil beigetragen haben. Damit waren wir bestrebt, allen Staaten, für die dies möglich ist, bei der Sicherung ihrer Energieversorgung zu helfen. Auch und gerade damit leistet die Bundesrepublik Deutschland einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Nichtverbreitungsvertrages. Frau Kelly, man muß an dieser Stelle sagen - abgesehen davon, daß Ihre Fraktion ohnehin grundsätzlich auch die friedliche Nutzung der Kernenergie ablehnt; da trennen uns eben Welten in der Betrachtung dieses Energiebereichs -: In allen Staaten der Dritten Welt wird eine Auffassung wie die Ihre, man solle den Staaten der Dritten Welt die friedliche Nutzung der Kernenergie vorenthalten und ihnen fortgeschrittene Technologien damit nicht zugänglich machen als eine Art Neoimperialismus interpretiert. ({1}) Die Bundesregierung wird bei der Überprüfungskonferenz ihre bisherige Linie vertreten, daß das wichtigste Mittel der Nichtverbreitung der Beitritt zum Nichtverbreitungsvertrag bleibt. Dies ist auch das wirkungsvollste Mittel zur globalen Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten der Wiener Organisation. Die Ergebnisse der Verhandlungen über nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle sind bisher hinter den an Art. VI geknüpften Erwartungen zurückgeblieben. ({2}) Manche Nichtkernwaffenstaaten werfen daher den Kernwaffenstaaten eine Verletzung der in Art. VI verankerten Vertragspflichten vor. ({3}) Dabei bleibt außer acht, daß Art. VI nur Verhandlungspflichten schafft. Die Verhandlungen, die die Großmächte seit Inkrafttreten des Vertrags geführt haben, führten zu so grundlegend wichtigen Ergebnissen wie dem ABM-Vertrag und dem SALT-Prozeß. In diesem Zusammenhang ist ebenso die kürzlich abgegebene Erklärung der USA positiv hervorzuheben, daß sie die SALT-Begrenzungen unter den Voraussetzungen entsprechenden Verhaltens der Sowjetunion weiter beachten werden, auch wenn SALT II ausläuft. Die Bundesregierung mißt einem umfassenden und verläßlich verifizierbaren nuklearen Teststopp unverändert große Bedeutung bei und setzt sich weiterhin dafür ein. Allerdings haben wir in der Fragestunde hier auch deutlich gemacht: ein solcher Teststopp muß überprüfbar sein. Es nützt doch niemandem im Bereich der internationalen Politik und erst recht nicht in der Rüstungskontrolle ein Vertragswerk, dessen Einhaltung nicht überprüft werden kann. ({4}) Wer könnte etwas gegen die Überprüfung der Einhaltung eines Vertrages haben, wenn nicht derjenige, der nicht beabsichtigt, sich an den Vertrag zu halten? Daher appellieren wir an die Sowjetunion, die sich positiv zu einem solchen Teststopp äußert, auch die Überprüfung eines solchen Teststopps zuzulassen. Dann wird man sich sehr schnell verständigen können. ({5}) Ich unterstreiche weiter, daß die Bundesregierung das Nichtverbreitungsregime als wichtiges Element der Rüstungskontrollpolitik insgesamt betrachtet. Ich unterstreiche auch, daß die Bundesregierung nicht die Idee einer europäischen Nuklearstreitmacht vertritt. Wir treten dafür ein, daß das Nichtverbreitungsregime darüber hinaus als Basis der internationalen Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie gestärkt wird und zu universeller Geltung gelangt. Daher werden wir uns aktiv an den Arbeiten der Konferenz beteiligen und uns für ein substantielles Schlußdokument einsetzen, das einvernehmlich weiterführende Empfehlungen zu den Bereichen Nichtverbreitung, friedliche Nutzung der Kernenergie und nukleare Abrüstung enthält. Schließlich möchte ich dem hier aus durchsichtigen Gründen erhobenen Vorwurf der SPD entgegentreten. Für das, was hier im Parlament behandelt oder nicht behandelt wird, ist nicht die Bundesregierung zuständig. Das können Sie über den Mechanismus des Ältestenrats sehr wohl beeinflussen. Aber es ist nicht in Ordnung, Kollege Scheer, wenn der Punkt, von dem Sie hier gesprochen haben, auf der Tagesordnung des Ausschusses steht, ich für die Bundesregierung da und bereit bin, ihn zu behandeln, er dann aber auf Ihren Antrag hin abgesetzt wird, um einen anderen, aus Ihrer Sicht wichtigeren Punkt, nämlich Rüstungsexport, zu behandeln, und Sie das dann dem Parlament vorwerfen. Das können Sie nicht. ({6}) Das zweite. Ich halte es für unglaublich, wie Sie sich hier einfach hinstellen und sagen: Weil bestimmte Erfolge noch nicht erreicht worden sind, müssen Sie der Bundesregierung Untätigkeit vorwerfen. Diese Bundesregierung hat einen entscheidenden Anteil daran, daß die Gespräche in Genf über die Reduzierung von Kernwaffen wieder in Gang gekommen sind. Ich glaube, das werden Sie nicht bestreiten. Ich würde meinerseits Ihnen nicht bestreiten, daß Sie sich mit gleicher Leidenschaft dafür eingesetzt haben. ({7}) Aber dann sollten Sie nicht sagen, daß diese Bundesregierung in dieser Frage untätig ist. Schlußbemerkungen. Hier ist von verschiedenen Seiten gefragt worden, was denn mit der neuen Phase der Entspannungspolitik gemeint sei. Wir verstehen unter einer neuen Phase der Entspannungspolitik - der Bundeskanzler hat es in einer Rede, der Bundesaußenminister in mehreren Beiträgen gesagt -, daß wir uns mit allem Nachdruck dafür einsetzen, daß dem Wettrüsten auf der Erde ein Ende gesetzt wird und daß ein Wettrüsten im Weltall verhindert wird, wie in der Erklärung der Außenminister der USA und der Sowjetunion steht, ({8}) und daß wir dem KSZE-Prozeß, Sicherheit nicht nur durch Verteidigung, sondern auch durch Zusammenarbeit zu organisieren, mit allem Nachdruck unsere Unterstützung geben und deswegen über den Rüstungskontrollbereich hinaus uns bemühen, im Bereich der kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit das Fundament für eine solche übergreifende Zusammenarbeit zu schaffen. Daher ist es, glaube ich, klug, wenn die Bundesregierung auch im Bereich der Nichtverbreitung von Kernwaffen und mit Blick auf die Überprüfungskonferenz präzis die Politik weiterverfolgt, die sie bisher geleitet hat. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Lenzer.

Christian Lenzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001327, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wieder etwas Ruhe in die Debatte eingekehrt. Herr Kollege Dr. Scheer, Sie haben hier sehr starke Worte der Kritik an die Bundesregierung gerichtet. Ich muß Ihnen sagen, daß Ihre Vorwürfe einfach nicht zutreffen. Ich darf Sie daran erinnern, daß die Bundesregierung am 12. November 1984 Ihre Große Anfrage sehr umfassend beantwortet hat. Ich darf Sie ferner daran erinnern, daß im Ausschuß und auch im Unterausschuß Rüstungskontrolle über dieses Thema eingehend debattiert worden ist. Ich weise ferner darauf hin, daß am 24. Januar 1985 hier in diesem Hause eine Debatte in der gleichen Sache stattgefunden hat und daß Sie den Staatsminister Möllemann in der letzten Woche - man muß das schon sagen - über eine Stunde mit Fragen genervt haben. Sie müssen dann aber auch einmal bitte die Antwort auf diese Fragen zur Kenntnis nehmen und müssen sich an diesen Fakten orientieren. ({0}) Der Nichtverbreitungsvertrag ruht auf zwei Säulen. Ich möchte mich noch mit einigen Bemerkungen wiederum der zivilen, friedlichen Nutzung der Kernenergie zuwenden. Der Nichtverbreitungsvertrag verpflichtet nämlich zur friedlichen Nutzung der Kernenergie ohne Diskriminierung. Er verpflichtet die Industrieländer, dabei den Entwicklungsländern, den Schwellenländern behilflich zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man die Universalität dieses Vertragswerkes durchsetzen will, wenn sich auch nur ein einziges Land ungerecht behandelt und diskriminiert fühlt. Dieser Nichtdiskriminierungsgrundsatz ist also für die friedliche Nutzung der Kernenergie ganz wichtig. Jedes Kernenergieland - auch das muß man wissen - mit einer entsprechenden Forschungs- und wissenschaftlichen, technischen Infrastruktur wäre theoretisch in der Lage, einen nuklearen Sprengkörper herzustellen. Es ist also kein technisches Problem, dieses zu verhindern, sondern es ist die Aufgabe der Politik. ({1}) Die Nichtverbreitungspolitik dieser Bundesregierung liegt wie ein aufgeschlagenes Buch vor Ihnen. Sie müssen nur darin lesen. Mehr kann man wirklich nicht tun. Auch hier: Bitte halten Sie sich an die Fakten! ({2}) Die friedliche Nutzung der Kernenergie - auch dies ist bereits gesagt worden - ist für viele, viele Länder ein wesentlicher Bestandteil der Energieversorgungspolitik. Wir hatten Ende 1983 weltweit ca. 313 Kernkraftwerke mit 190 000 Megawatt in Betrieb, wir hatten 207 Kernkraftwerke in der gleichen Größenordnung in Bau. Sie mögen daraus ersehen, daß das keine exotische Technologie ist, sondern es handelt sich hier um eine Zukunftstechnologie. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion: Bitte klären Sie jetzt einmal auch für die Öffentlichkeit sichtbar und deutlich Ihr Verhältnis zur friedlichen Nutzung der Kernenergie! Ich habe nämlich das Gefühl, wenn ich jetzt an die hessische Entwicklung und an Ministerpräsident Börner denke, der sich ursprünglich einmal um eine Wiederaufarbeitungsanlage in Wangershausen in Nordhessen bemüht hat, oder wenn ich an den Brief des Minsiterpräsidenten Johannes Rau an den Bundeskanzler denke, daß Sie einmal in der Schnellbrütertechnologie, in der Wiederaufarbeitungstechnologie und drittens durch die dauernden Vorwürfe, die Bundesregierung sei untätig in der Nichtverbreitungspolitik, die Kernenergie auch in ihrer friedlichen Nutzung aushebeln wollen. ({3}) Wenn Sie das wollen, dann sagen Sie das doch bitte deutlich; es ist ja ein Standpunkt, zu dem man stehen kann. ({4}) - Herr Schierholz, Sie sagen „schön wär's". Bei Ihnen weiß ich genau, was Sie wollen, aber bei der SPD weiß ich es wirklich nicht. ({5}) - Ausnahmsweise freue ich mich auch einmal über Ihre Zustimmung. Die CDU/CSU-Fraktion bestärkt die Bundesregierung in ihrer Politik. Wir haben ebenfalls ein vitales Interesse daran, daß der Nichtverbreitungsvertrag mit eindeutigen und unzweifelhaften Regelungen auch in der Öffentlichkeit durchgesetzt wird. Aber wir haben ein ebenso großes Interesse daran, daß wir unter dem Gesichtspunkt der Nichtdiskriminierung die friedliche Nutzung der Kernenergie als eine zukunftsträchtige Technologie, für die wir in unserer industriellen Entwicklung bisher schon ein großes Potential aktiviert haben und auch in Zukunft weiterhin aktivieren wollen, zur Verfügung haben. Es besteht, wie Sie wissen, ein ausgeklügeltes System der vertraglichen Sicherung, was sowohl den abrüstungspolitischen Teil als auch die friedliche Nutzung der Kernenergie weiter begünstigt. Ich meine, wir sollten bei all unseren Betrachtungen diese beiden tragenden Säulen der Nichtverbreitungspolitik dieser Bundesregierung sehen. Wir unterstützen die Bundesregierung ausdrücklich auf diesem Weg. ({6})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kübler.

Dr. Klaus Kübler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001238, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die 3. Überprüfungskonferenz, Herr Staatsminister Möllemann, soll sicherlich - auch nach unserer Auffassung - kein Tribunal werden. Sie soll aber natürlich, wie das Wort sagt, eine Überprüfungskonferenz unter dem Aspekt sein, ob die Regelungen noch in allen Beziehungen vernünftig sind. Ich halte es auch nicht für richtig, wenn sowohl Sie, Herr Laermann, als auch Sie, Herr Lenzer - Sie sind sicherlich forschungspolitisch immer etwas nüchterner und vielleicht leider etwas weniger kritisch -, zu sehr auf „heile Welt" machen. Wir alle wissen, daß wir nicht erst seit heute einen grauen Markt auf diesem Gebiet haben. Ein ganz wesentlicher Ansatz unseres Antrages ist, ob man im Rahmen der Überprüfungskonfe10998 renz, was den grauen Markt betrifft, in der Tat Verbesserungen vornehmen kann. Ich erinnere daran, Herr Lenzer, daß die zweite Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" dieses Thema nicht mehr vollständig diskutieren konnte, aber intensiv diskutiert hat. Aber die Kollegen der CDU und der CSU in diesem Gremium und auch Herr Laermann haben hier ({0}) - ja, konstruktiv - mitdiskutiert, und wir waren uns durchaus in der Tendenz einig, daß Verbesserungen notwendig sind. ({1}) Wir werden nicht alles verhindern können, aber wir wissen, daß es einen grauen Markt und damit auch schwarze Schafe gibt. Ich glaube auch, daß die Bundesrepublik als eines der großen wirtschafts- und technologiepolitischen Exportländer - wie man auch immer dazu stehen mag - auf diesem Sektor besondere Verpflichtungen hat, sich dieses Themas anzunehmen. Ich will - dies ist leider in der bisherigen Diskussion zu kurz gekommen - noch einmal sechs Punkte sehr deutlich formulieren, bei denen wir die Notwendigkeit sehen - sie stehen auch im wesentlichen im Antrag -, daß sie in dieser Überprüfungskonferenz diskutiert werden. Das ist auch das Ziel unseres Antrages. Erstens. Es wird eine einheitliche Exportpolitik aller nuklearexportierenden Länder angestrebt. Ich bin nicht so blauäugig, zu glauben, daß dies von heute auf morgen geht. Ich erinnere nur daran, daß ein Konflikt zwischen der Carter-Administration und der damaligen Bundesregierung bestanden hat, bei dem die Carter-Administration viel restriktiver war als die Bundesrepublik Deutschland. Es muß doch wohl möglich sein, hier zu einer einheitlichen Exportpolitik zu kommen, da die Zahl dieser Länder zur Zeit immer noch begrenzt ist und hoffentlich nicht nur wirtschaftsegoistische Interessen durchschlagen. Zweitens. Wirtschaftlicher Export und technologische Zusammenarbeit sollen nur angestrebt werden dürfen, wenn die Bedingungen des full scope safeguard gegeben sind. Ich wäre sehr dankbar gewesen, wenn in der Diskussion nicht nur so allgemein, sondern an Hand solcher Kriterien viel konkreter diskutiert worden wäre. Drittens sollte ernsthaft geprüft werden, ob ziviler Nuklearexport in Zukunft nur noch in Länder gehen darf, die den Nichtverbreitungsvertrag unterschrieben haben und sich der Überwachung durch die Internationale Atomenergiebehörde unterwerfen. Dies ist im Grunde genommen das Schlupfloch für den grauen Markt. Wer die „Süddeutsche Zeitung" von heute gelesen hat, der weiß - dies ist schon erwähnt worden -, wie riskant die Situation, was Nuklearterrorismus angeht, ist. Viertens. Es soll und muß vermieden werden, daß technologische Zusammenarbeit und wirtschaftlicher Export für einen geschlossenen Brennstoffkreislauf erfolgen. Es ist wichtig, darüber zu diskutieren. Fünftens. Es muß die Herabsetzung des Anreicherungsgrades des verwendeten Urans bis auf ein Maß erreicht werden, das nicht kernwaffenfähig ist. Wenn ich die forschungspolitische Diskussion verfolge, so ist dies zumindest ein Punkt, in dem wir im Prinzip offensichtlich übereinstimmen. ({2}) Sechstens. Es muß die strikte Trennung - bei allen inneren Vorbehalten, wie ich zugebe; inwieweit dies faktisch möglich ist, steht dahin - zwischen militärischen und zivilen kerntechnischen Anlagen garantiert sein. Herr Lenzer und Herr Laermann, es kommt uns - ich spreche hier vor allen Dingen auch die Forschungs- und Wirtschaftspolitiker an - darauf an, diese Punkte in die Beratung einzubringen und zu sehen, wie weit man auf diesem Wege vorankommt. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Lamers.

Karl Lamers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001273, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, der Verlauf der Debatte hat gezeigt, daß die Frage, die der Kollege Schäfer hier eben gestellt hat, nur allzu berechtigt war. Ich habe mir auch die Frage gestellt: Was soll angesichts der sehr intensiven Befassung des Parlaments in seinen Ausschüssen und in seiner Gesamtheit in den vergangenen Monaten diese Aktuelle Stunde? Ich muß Ihnen wirklich in allem Ernst sagen: Wenn dieses Instrument der Aktuellen Stunde in einer derartigen Weise weiter mißbraucht wird, ({0}) wie das in den letzten Monaten durch Sie und die Fraktion der GRÜNEN geschehen ist, dann entwerten Sie dieses Instrument und tun sich, dem ganzen Parlament und uns allen gewiß keinen Gefallen. ({1}) Auch die Lautstärke, Herr Kollege Scheer, mit der Sie Ihre Argumente hier vorgetragen haben, hat die Güte Ihrer Argumente um keinen Deut erhöht. Ich muß Ihnen sagen: Der Versuch, den Sie hier unternommen haben, die Bundesregierung und die Unionsfraktion an den abrüstungspolitischen Pranger zu stellen, mit leeren Behauptungen, ohne die Spur eines Beweises auch nur anzuführen, wird Ihnen nicht gelingen. Wenn wir das ernstzunehmen hätten, dann hätte ein Aufschrei der Empörung durch unsere Reihen gehen müssen, als Sie sagten, wir wollten die nukleare Abrüstung nicht ernsthaft. Meine Damen und Herren, das ist im Grunde ein ganz ungeheuerlicher Vorwurf. Aber man kann das wirklich nicht ernst nehmen. Deswegen lohnt es sich auch nicht, weiter darauf einzugehen. Es kann gar keine Frage sein, daß die Unionsfraktionen selbstverständlich und nach wie vor uneingeschränkt die doppelte abrüstungspolitische Zielsetzung des Nichtverbreitungsvertrages unterstützen, nämlich eine Vermehrung von Kernwaffenstaaten zu verhindern und eine Beendigung des Wettrüstens und eine Abrüstung der bestehenden Atomwaffenpotentiale zu fördern. ({2}) Ich meine, man muß auch feststellen, daß das erste Ziel erreicht worden ist. Es gibt seit Abschluß des Vertrages keinen neuen Atomwaffenstaat. Natürlich ist das andere Ziel der nuklearen Abrüstung nur höchst unbefriedigend verwirklicht. Darüber sind wir uns einig. Aber immerhin gibt es SALT I und SALT II. Es gibt den ABM-Vertrag und vor allen Dingen seit neuestem wieder Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion in Genf. Meine Damen und Herren, die Vorschläge, die Sie in Ihrem Antrag, den wir heute morgen im Auswärtigen Ausschuß mit guten Gründen abgelehnt haben, unterbreitet haben, um das Regime des Nichtverbreitungsvertrages zu stärken, sind außerordentlich problematisch. Damit können wir uns nicht anfreunden. Natürlich hat es vor dem Abschluß dieses Vertrages eine Vorkonferenz gegeben, die auch von der Bundesregierung damals mit initiiert worden ist. Aber die Lage heute ist anders. Noch weniger erscheint uns eine Konferenz aller Kernwaffenstaaten zum derzeitigen Zeitpunkt sinnvoll. Eine derartige Forderung nach einer solchen Konferenz im derzeitigen Augenblick, d. h. vor Erfolgen der Genfer Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion, widerspricht den eindeutig geäußerten Positionen sowohl Großbritanniens wie Chinas wie vor allen Dingen auch Frankreichs. Für Frankreich gilt übrigens auch, daß die Forderung der SPD nach einer strikten Trennung zwischen militärischen und zivilen kerntechnischen Anlagen nicht akzeptiert wird. Sie wissen das sehr gut. Abgesehen davon, daß diese Forderung abrüstungspolitisch ganz irrelevant ist, frage ich mich, wieso die SPD hier wie in der Frage einer Abrüstungskonferenz aller Kernwaffenstaaten eine Position einnimmt, die von unseren französischen Freunden mit Nachdruck und, wie ich hinzufügen möchte, berechtigterweise abgelehnt wird. ({3}) Das paßt, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr schlecht zu der neuerdings von Ihnen so nachdrücklich geforderten sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Frankreich. ({4}) Übrigens können wir uns ebensowenig der Forderung anschließen, den Nichtverbreitungsvertrag zu revidieren und zu erweitern. Sie wissen sehr gut, daß wir damit die Schleusen für Revisionsforderungen der Staaten der Dritten Welt öffnen würden, die bestimmt nicht Ihre und auch nicht unsere Forderungen sind. Eine solche Forderung ist also kontraproduktiv. Die Bundesregierung, verehrte Kolleginnen und Kollegen hat dargelegt, daß der Vorwurf, sie sei auf diesem Felde inaktiv und desinteressiert, absolut unberechtigt ist. Ich muß darauf hinweisen, daß im Unterausschuß Abrüstung und Rüstungskontrolle und im Auswärtigen Ausschuß die Position der Bundesregierung so dezidiert und so überzeugend dargelegt worden ist, daß dieser Vorwurf, wenn Sie es ehrlich meinten, nie hätte erhoben werden können. Ich danke Ihnen. ({5})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Berger.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Lamers hat schon darauf hingewiesen, was wohl der tiefere Sinn dieser Aktuellen Stunde ist, nämlich die Nachricht zu transportieren, die Sozialdemokraten seien für Abrüstung, Entspannung und Rüstungskontrolle, während die Regierung und die sie tragende Koalition für Rüstung, für Sicherheit und gegen Entspannung sei. ({0}) Diese Koalition, für die ich jetzt zum Abschluß sprechen soll, macht eine gute Sicherheitspolitik. Die Sozialdemokraten haben ein gespaltenes Verhältnis zur Sicherheitspolitik. Der Kollege Scheer hat in der vorhin schon zitierten Debatte im Januar dieses Jahres hier folgendes ausgeführt: Wir Sozialdemokraten sehen hierbei die deutsche Position nicht an der Seite einer oder mehrerer Atommächte, sondern an der Seite der Länder, die die nukleare Abrüstung und damit die Überwindung der atomaren Abschreckung für eine unverzichtbare Aufgabe halten. ({1}) Meine Damen und Herren von der SPD, ich halte diese Position für falsch. Sie ist schlicht unvereinbar mit der Sicherheitspolitik, die Sie, als Sie in der Regierungsverantwortung waren, betrieben haben und die wir seit 1960 gemeinsam in diesem Hause gemacht haben. Es wäre falsch, nur atomar abrüsten zu wollen, und das etwa auch noch um jeden Preis. Art. 6 des Nichtverbreitungsvertrages enthält nicht nur die Forderung nach einer atomaren Abrüstung, sondern auch nach der allgemeinen Abrüstung mit dem Ziel einer gesamtstrategischen Stabilität. Der Nichtverbreitungsvertrag verfehlte seinen Sinn, wenn wir z. B. zu atomwaffenfreien Zonen kämen, in die sowjetische Panzer ungehindert hineinstoßen könnten. Übrigens: Wer etwa für die Nichtverbreitung um jeden Preis, für die atomare Abrüstung um jeden Preis ist, der müßte eigentlich auch völlig uneingeschränkt SDI zustimmen. ({2}) Ich stelle fest: Sie kommen gerade zu einer gegenteiligen Auffassung. Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal klarstellen: Im Gegensatz zu der Aussage des Kollegen Scheer stehen wir an der Seite der Atommächte USA, Frankreich und Großbritannien. Die gemeinsame Sicherheitspolitik im Rahmen des westlichen Verteidigungsbündnisses wird auch in Zukunft Frieden und Freiheit erhalten. Die Sozialdemokraten machen einen Fehler, wenn sie atomare Abrüstung absolut setzen. ({3}) - Meine sehr verehrten Kollegen, es ist immer falsch, wenn man etwas aus einem Gesamtzusammenhang löst. Atomare Abschreckung ist besser, als einen konventionellen Verteidigungskrieg führen zu müssen. Nicht nur die Atomwaffen sind eine Geisel der Menschheit, der Krieg ist es noch viel mehr. Der Kollege Lamers ist soeben schon auf die Vorkonferenz eingegangen, die Sie gefordert haben. Lassen Sie mich in dem Zusammenhang noch die Frage stellen, ob Sie etwa die Absicht gehabt hätten, ein Land wie Indien zu dieser Vorkonferenz einzuladen, oder aber die Schwellenländer, von denen wir mit hinreichendem Grund annehmen können, daß sie sich zumindest die Fähigkeit, Kernwaffen herzustellen, verschafft haben. Noch weniger konstruktiv im Hinblick auf das Ziel der Nichtverbreitung, der Stärkung dieses Nichtverbreitungsvertrages wäre jetzt eine Konferenz sämtlicher Atommächte, wie Sie sie an anderer Stelle gefordert haben. Eine solche Konferenz nähme den beiden Verhandlungspartnern, die jetzt in Genf zusammensitzen, jeglichen Verhandlungsdruck, um bei wichtigen Fragen der nuklearen Rüstungskontrolle oder der Abrüstung endlich einen Durchbruch zu erzielen. Meine Damen und Herren, wer nur blind gegen diese Politik der Abhaltung vom Krieg eifert, wer atomwaffenfreie Zonen fordert, die für uns ein Sicherheitsrisiko werden könnten, wer eine falsche Front von Nicht-Kernwaffenstaaten unter unserer Führung gegen unsere Sicherheitspartner USA, Frankreich und Großbritannien aufbauen will, der dient weder der Sicherheit unseres Landes noch der Politik der Nichtverbreitung. Vielen Dank. ({4})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet. Die Beschlußempfehlung und die Berichte des Innenausschusses zu den Tagesordnungspunkten 2 a bis 2c konnten erst gestern verteilt werden. Ich gehe davon aus, daß von der Frist für den Beginn der Beratung gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsordnung abgewichen werden soll. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist das mit der erforderlichen Mehrheit so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 c auf: a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Drucksachen 10/1861, 10/1862 ({0}) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({1}) - Drucksache 10/3556 -Berichterstatter: Abgeordnete Schäfer ({2}) Schulte ({3}) Schmidbauer ({4}) b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes - Drucksache 10/1022 Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({5}) - Drucksache 10/3556 Berichterstatter: Abgeordnete Schäfer ({6}) Schulte ({7}) Schmidbauer ({8}) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({9}) zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung aa) Zweiter Immissionsschutzbericht der Bundesregierung bb) Dritter Immissionsschutzbericht der Bundesregierung - Drucksachen 9/1458, 10/1354, 10/3543 Berichterstatter: Abgeordnete Schmidbauer Frau Dr. Hartenstein Im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 c und ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidbauer.

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haSchmidbauer ben - das ist unstrittig - im Bereich des Umweltschutzes in den letzten Jahren vieles erreicht. Die Bilanz unserer Leistungen seit 1982 ({0}) kann sich sehen lassen. ({1}) - Er hat meine Rede vorher gesehen. Das war also nicht die Vorausahnung vom Kollegen Schäfer. Die CDU/CSU-Fraktion sieht in gezielten und kalkulierbaren Maßnahmen zur Luftreinhaltung, die an den Quellen der Luftverschmutzung ansetzen, einen Schwerpunkt ihrer vorsorglichen Umweltpoltik. In unserem Entschließungsantrag „Unsere Verantwortung für die Umwelt" vom 9. Februar 1984 sind die entsprechenden Grundzüge dargelegt. Neben einer Erweiterung und Verfeinerung des bisher rein ordnungsrechtlich ausgerichteten Instrumentariums der Ge- und Verbote muß das Eigeninteresse der Wirtschaft an der Einführung umweltfreundlicher Verfahren und Produktionsweisen gestärkt werden. Wir führen deshalb im Sinne unserer Wirtschaftsordnung neue marktwirtschaftliche Elemente in die Umweltschutzpolitik ein. Das heißt, wir wollen die Kräfte des Marktes für die Umwelt arbeiten lassen. ({2}) Damit macht es dann auch einen Sinn, die anstehenden hohen Investitionen, die auf Grund der Großfeuerungsanlagen-Verordnung und der Technischen Anleitung Luft durchgeführt werden müssen, im Rahmen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes entsprechend abzusichern und zu erleichtern. Mit der heute anstehenden Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes soll vor allen Dingen die Sanierung von Altanlagen, von denen das Hauptemissionspotential ausgeht, vorangetrieben werden. Dies ist einer der Schwerpunkte dieser Novelle. Die den Vollzugsbehörden zur Verfügung stehenden Instrumente des Gesetzes werden effektiver gestaltet und verbessert. Bei Altanlagen, die vor Jahren genehmigt wurden und die dem Stand der technik nicht mehr entsprechen, wird die Eingriffsschwelle für nachträgliche Anordnungen gesenkt. Maßstab wird künftig nicht mehr die wirtschaftliche Vertretbarkeit einer Maßnahme für den Anlagenbetreiber, sondern der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit sein. Hierüber sind sich alle Beteiligten einig. Über den Vorschlag des Bundesrates hinaus schlägt die Koalition vor, den Vollzugsbehörden zusätzliche Abwägungskriterien für die Verhältnismäßigkeitsprüfung an die Hand zu geben. Auf Grund der Ergebnisse des Hearings vom 24. April 1985 haben die Koalitionsfraktionen weitere Vorschläge zur Ergänzung der Gesetzentwürfe des Bundesrates in die Ausschußberatungen eingebracht. Diese sehen u. a. vor, daß in Zukunft durch Rechtsverordnung der Bundesregierung nach § 7 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmt werden kann, inwieweit Anlagen, deren Errichtung und Betrieb zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung genehmigt sind, nach Ablauf bestimmter Übergangsfristen den Anforderungen für Neuanlagen entsprechen müssen. Bei der Bestimmung der Übergangsfristen und der einzuhaltenden Anforderungen sind folgende Kriterien vom Verordnungsgeber zu berücksichtigen: Art, Menge und Gefährlichkeit der von den Anlagen ausgehenden Emissionen sowie Nutzungsdauer und technische Besonderheit der Anlagen. Diese Ergänzung der vorhandenen Ermächtigung führt zu klaren Fristvorgaben, mehr Berechenbarkeit und Vorausschaubarkeit für die Anlagenbetreiber, weil das zu erreichende Sanierungsziel für einen bestimmten Altanlagenbestand über feste Übergangsfristen stufenweise erreicht wird. Neben der Verbesserung des ordnungsrechtlichen Instrumentariums, ohne das im Umweltschutz nicht auszukommen ist, ist der Einsatz marktwirtschaftlich wirkender Instrumente ein zusätzliches Mittel, um die gesteckten Sanierungsziele zu erreichen. Bereits mit dem im August 1984 der Öffentlichkeit vorgestellten Referentenentwurf zur Technischen Anleitung Luft hatte der Bundesinnenminister als marktwirtschaftlichen Anreiz eine Kompensationsregelung vorgeschlagen. Im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vom 9. Februar 1984 ist dieser Gedanke der Bundesregierung zur Prüfung vorgelegt worden. Die Koalitionsfraktionen halten es für erforderlich und richtig, diese Ausgleichsmöglichkeit auch im Bundes-Immissionsschutzgesetz zu verankern. Die neuen Regelungen, die als Ermächtigungsnormen zum Erlaß von Rechtsverordnungen bzw. allgemeinen Verwaltungsvorschriften ausgestaltet sind, sehen vor, daß bei Altanlagen in näher bestimmten Gebieten und für einen bestimmten Zeitraum von ordnungsrechtlich vorgegebenen technischen Anforderungen abgewichen werden darf, sofern durch technische Maßnahmen an anderen Anlagen des Betreibers oder Dritter in diesen Gebieten insgesamt eine weitergehende Emissionsminderung derselben oder in ihrer Wirkung gleichen Stoffe erreicht wird. Ziel dieser Regelung ist es, die Entscheidungsspielräume der Umweltbehörden und der Anlagenbetreiber, vor allem auch der mittelständischen Unternehmer zu erweitern und insgesamt mit geringeren Kosten ein Mehr an Umweltschutz zu erreichen. Vorteil dieser Konzeption ist es, daß insbesondere bei Anlagen mit relativ günstigen Umweltschutzkosten mehr Emissions-Minderungsmaßnahmen durchgeführt werden, während bei Anlagen mit vergleichsweise hohen spezifischen Kosten bei insgesamt verbessertem Umweltschutz Umweltinvestitionen für eine bestimmte Zeit zurückgestellt werden können. Die Vollzugsbehörden müssen und werden sicherstellen, daß durch dieses neue Instrument der Kompensation mehr Umweltschutz reali11002 Schmidbauer siert wird, als der ordnungsrechtliche Rahmen hergibt. ({3}) Mitnahmeeffekte darf es dabei nicht geben. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Reststoffvermeidung. In § 5 des Gesetzes wird das bereits geltende Gebot zur Reststoffverwertung um das Gebot zur Reststoffvermeidung ergänzt. Wir schlagen - in der Akzentsetzung anders als vom Bundesrat vorgeschlagen - vor, Reststoffvermeidung und Reststoffverwertung grundsätzlich nebeneinanderzustellen, um den Unternehmen die Freiheit einzuräumen, unter Umwelt- und Kostengesichtspunkten das jeweils optimale Verfahren zu wählen. Hier schließt sich dann auch der Kreis im Bereich der Abfallwirtschaft. Die Prinzipien: Abfallvermeidung und Abfallverwertung gehen vor reiner Abfallbeseitigung, wie sie in der Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz vorgesehen sind, finden in § 5 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes eine entsprechende Verankerung. ({4}) - Sie kommen j a nachher dran. Ein weiterer Schwerpunkt im Gesetz ist die Abwärmeverwertung. Obwohl viele Betriebe anfallende Abwärme aus Kostengründen bereits nutzen, hat sich herausgestellt, daß das vorhandene Einsparungspotential noch nicht in allen Fällen voll ausgenutzt wird. ({5}) Diesem Ziel dient die Einführung eines neuen Gebotes zur Abwärmenutzung. In einer Rechtsverordnung wird geregelt, daß genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, daß anfallende Abwärme in anderen Anlagen des Betreibers eingesetzt wird. Der weitergehende Vorschlag des Bundesrates, auch die Einspeisung von Wärme in weithin noch nicht vorhandene Fernwärmenetze vorzuschreiben, ging uns ordnungspolitisch zu weit. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz ist dafür sicher nicht der richtige Regelungsbereich. Dies hat jedenfalls das im Innenausschuß durchgeführte Hearing eindeutig ergeben. Wir wollen deshalb im Bundes-Immissionsschutzgesetz allein die interne Wärmenutzung für eigene Anlagen des Betreibers. Die CDU/CSU-Fraktion geht mit der Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Bereich der Luftreinhaltung einen weiteren Schritt voran. Ich danke Ihnen. ({6})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schäfer ({0}).

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! „Die Leitgedanken des Bundes-Immissionsschutzgesetzes 1974 - Gefahrenabwehr und Vorsorge - entsprechen ihrer Konzeption nach einer ökologisch orientierten Gesetzgebung." - So die Feststellung des Bundes für Umwelt und Naturschutz und des Öko-Instituts Freiburg bei der Anhörung des Innenausschusses zu diesem Gesetz. Das Gesetz aus dem Jahre 1974 ist wirklich ein gutes Beispiel für erfolgreiche Umweltpolitik, Herr Kollege Baum, der sozialliberalen Koalition in der ersten Hälfte der 70er Jahre. ({0}) Ein Jahrzehnt praktischer Erfahrung bei der Umsetzung dieses Gesetzes zeigt freilich auch: Die besten gesetzlichen Regelungen bleiben vergleichsweise wirkungslos, wenn sie nicht angewandt und eingehalten werden. Dies gilt vor allem für die Altanlagensanierung. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre in diesem Bereich muß man den Schluß ziehen: Die Pflichten der Betreiber müssen konkretisiert und erweitert, die Befugnisse der Behörden müssen gestärkt werden. Leider, meine Damen und Herren, haben Sie von den Koalitionsfraktionen diese Chance nicht genutzt. Im Gegenteil: Viele wichtige und richtige Vorschläge des Bundesrats für eine wirksame Luftreinhaltepolitik sind von Ihnen im Gesetzgebungsverfahren verwässert worden. ({1}) Der Bundesrat hat mit Mehrheit weitergehende Umweltschutzanforderungen - in diesem Fall sogar mit Stimmführerschaft von Bayern und Nordrhein-Westfalen gemeinsam - vorgeschlagen, ({2}) die Sie anschließend in wichtigen Punkten wieder rückgängig gemacht haben. Dafür zwei Beispiele. Erstens. Der Bundesrat hat vorgeschlagen, die Anlagen so zu betreiben, daß möglichst wenig Reststoffe - sprich: Abfälle - anfallen. Dieses strikte Gebot zur Reststoffvermeidung, umweltpolitisch vernünftig, wurde von den Koalitionsfraktionen aufgeweicht. Das Reststoffverbot soll nur noch gelten, wenn die Reststoffe nicht ordnungsgemäß zu beseitigen sind. ({3}) Zweites Beispiel: Energie einsparen ist umweltpolitisch dringend geboten. Je weniger Energie wir verbrauchen, desto weniger wird die Umwelt belastet. Aus dieser richtigen Erkenntnis heraus schlug der Bundesrat - wieder bei Stimmführerschaft von Bayern und Nordrhein-Westfalen - vor, bei der Genehmigung von Anlagen auch die Frage zu prüfen, ob die entstehende Abwärme genutzt werden kann. Auch hier dreht die Regierungskoalition die Vorstellung des Bundesrats zurück. Nach der heutigen Vorlage soll die Abwärmenutzung nur intern im Genehmigungsverfahren als mögliche Nutzung geprüft werden. Gerade die externe Abwärmenutzung wie auch die Kraft-Wärme-Koppelung sind eine unverzichtbare Forderung zur rationellen Energieverwendung Schäfer ({4}) und damit zur Reduzierung von Umweltbelastungen. Von daher ist es energie- und umweltpolitisch schlichtweg unverständlich, daß Sie von der CDU/ CSU und der FDP hinter die Vorstellung des Bundesrats zurückfallen. Kernstück der kleinen Novelle, die Sie uns heute vorlegen, sind die Vorstellungen zur Neufassung des § 17 Abs. 2 - Altanlagensanierung - und die Einführung einer Kompensationsmöglichkeit in § 7 Abs. 2. Wer sich § 17 Abs. 2 - Altanlagensanierung - in Ihrer Vorlage ansieht, wird feststellen müssen, daß es sich hier um ein ausgesprochenes bürokratisches Wortungetüm handelt. Für die Praxis wäre es besser, § 17 Abs. 2 ersatzlos zu streichen; so auch die Mehrheit der Sachverständigen bei der Anhörung. ({5}) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auch bei den nachträglichen Anordnungen zu berücksichtigen ist, gilt als grundgesetzlicher Verfassungsauftrag eh für jegliches Verwaltungshandeln. ({6}) Was die Kompensationsregelung angeht, so muß man zunächst festhalten - ich sage das positiv -, daß sich diese Regelungsmöglichkeit nur auf Altanlagen bezieht. Im Gegensatz zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Schmidbauer, will ich auch positiv festhalten, daß im Grunde das, was an marktwirtschaftlichen Umweltinstrumenten öffentlich diskutiert wird und was zu Lasten eines wirksamen Umweltschutzes und zugunsten wirtschaftlicher Interessen ginge, im Grunde in dieses Gesetz keinen Eingang gefunden hat. Ich will dies hier ausdrücklich positiv wertend sagen. Im Grunde schreibt die nunmehr im Gesetz vorgesehene Kompensationslösung lediglich das fest, was bisher schon informal zwischen Behörde und Betreibern geschieht. Freilich konnten wir nicht zustimmen, weil Sie nicht ausschließen konnten - das hat die Bundesregierung im Ausschuß auch bestätigt -, daß sich über diese Kompensationsregelung negative Mitnahmeeffekte zu Lasten der Umwelt und zugunsten von Betreibern einstellen. ({7}) Kurzum, die Novelle zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, die Sie heute vorlegen, beschränkt sich im wesentlichen auf zwei Punkte. Der eine ist überflüssig, der andere ist umweltpolitisch fragwürdig. Alle weitergehenden Vorschläge zur Verbesserung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes haben Sie im Ausschuß abgeschmettert. In der Rhetorik stimmen Sie mit uns darin überein, daß niemand ein Recht, geschweige denn einen Rechtsanspruch auf die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden hat. Wenn es dann zum gesetzgeberischen Schwur kommt, orientieren Sie sich freilich an Vorstellungen, die all das, was Sie rhetorisch von sich geben, zum puren Lippenbekenntnis werden lassen. Am Beispiel der Luftreinhaltung bedeutet das, daß Sie sie - die Luftreinhaltung - nach wie vor an den Prinzipien der Gewerbeordnung, wie sie im 19. Jahrhundert entwickelt worden ist, festmachen und sich weigern, dem übergreifenden und vordringlichen Umweltschutzgedanken auch rechtlich zu entsprechen. ({8}) Aus Ihrer Sicht folgerichtig haben Sie dann auch unsere entsprechenden Anträge im Ausschuß abgelehnt. Ich will einen weiteren Punkt nennen, an dem Sie weitergreifende Umweltschutzgedanken abgelehnt haben. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß heute der Widerruf von einmal erteilten Genehmigungen nur unter sehr erschwerten Bedingungen erfolgen kann. In aller Regel besteht dann eine Entschädigungspflicht des Staates zugunsten der Betreiber. Unseren Vorschlag, daß die Genehmigung für den Betrieb einer Anlage - entschädigungslos - dann widerrufen werden kann, wenn Leben und Gesundheit, besondere Sachwerte oder geschützte Tier- und Pflanzenarten gefährdet sind, haben Sie abgelehnt. Im Klartext heißt das für Ihre Umweltpolitik: Wenn, wie beispielsweise im Falle Boehringer in Hamburg, wegen unmittelbarer Gesundheitsgefahren für die beschäftigten Arbeitnehmer und die Nachbarn der Betrieb der Anlage nicht mehr zulässig ist, muß nach Ihrer Vorstellung den Betreibern aus Steuermitteln dafür auch noch eine Entschädigung gezahlt werden. Hier stellen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, das von Ihnen sonst so hochgehaltene Verursacherprinzip auf den Kopf; hier zeigen Sie einmal mehr, wessen Anwalt Sie sind: im Zweifel für kurzfristige betriebswirtschaftliche Interessen, gegen die Umwelt. ({9}) Wir diskutieren heute gleichzeitig den Zweiten und den Dritten Immissionsschutzbericht der Bundesregierung, der zweite von der vormaligen Bundesregierung, der dritte von dieser zu verantworten. Beide Berichte geben ein nüchternes, ein ungeschminktes Bild der umweltpolitischen Lage vor allem auf dem Gebiet der Luftreinhaltung. Beide Berichte weisen die großen Gefahren auf Grund der zunehmenden Luftverunreinigung und Luftverschmutzung aus. Beide Berichte sind letztlich unterschiedlos ein einziger Appell im Sinne zielgerichteten und energischen Handelns in der Umweltpolitik. Leider sind Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, diesem Appell mit dem, was Sie heute an Novellierungsvorschlägen zum Bundes-Immissionsschutzgesetz vorlegen, nicht gefolgt. Auch nach der heute mit Mehrheit verabschiedeten Novellierung bleibt die Weiterentwicklung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zwingend und dringend geboten. ({10})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Baum.

Gerhart Rudolf Baum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000111, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schäfer, Sie haben hier ein doch recht düsteres Bild gemalt, und es ist nötig, daß wir ({0}) unsere Luftreinhaltepolitik einmal in einen Zusammenhang stellen. Die Novelle steht ja nicht allein da, sondern sie muß im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen gesehen werden. Ich darf daran erinnern, daß wir 1977 eine Novelle vorgelegt und diskutiert hatten, die dann nicht zum Zuge gekommen ist. ({1}) - Ja, das müßte man näher erkunden. Dazu fehlt mir leider die Zeit. Ich könnte Ihnen das sagen. Da gab es Widerstände bei den Ländern. Es wäre gut gewesen, wenn wir einiges von dem gemacht hätten, was damals verfolgt wurde. Leider wurde dieses Gesetz dann nicht weiterverfolgt. Zu dem Gesamtkonzept - darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen - gehört die Großfeuerungsanlagen-Verordnung. Herr Menke-Glückert, der frühere Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium, hat gerade einen Kommentar dazu geschrieben und hat mit Recht gesagt: Diese Großfeuerungsanlagen-Verordnung bedeutet einen tiefen Einschnitt in die bisherige Energiepolitik und Kraftwerksplanung. Der Rang umweltpolitischer Ziele ist gegenüber Zielen der Energie- und Industriepolitik nachhaltig verstärkt worden. Die politischen Prioritäten in der Bundesrepublik sind verändert worden. Ich teile diese Meinung; denn diese Verordnung setzt ein Investitionsvolumen von etwa 20 Milliarden DM in Bewegung. Bei der Rheinischen Braunkohle schätzt man das Volumen auf etwa 6 Milliarden DM, und das in einem Zeitraum von ca. acht Jahren. Ein besseres Programm „Arbeit und Umwelt", meine Damen und Herren von der SPD-Opposition, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, wenn ich gleichzeitig weiß, daß durch diese Investitionen etwa 40 000 Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen werden. Das war doch unsere Politik, auch unsere gemeinsame Politik: durch strikte Auflagen Investitionen nach dem Verursacherprinzip zu erreichen. Ich wundere mich, daß Sie von diesem Prinzip mit Ihrem Vorschlag einer Stiftung „Arbeit und Umwelt" abgehen. ({2}) Sie wollen zusätzlich die Energiepreise belasten und wollen aus dieser zusätzlichen Belastung Investitionen fördern. Wir sagen den Betreibern, was sie zu investieren haben, und daraus ergibt sich dann die Belastung; ({3}) in Nordrhein-Westfalen bedeutet dies gebietsweise eine Strompreiserhöhung von 8%. ({4}) Ich frage mich, wie Sie bei einer solchen Situation eine weitere Verteuerung der Energie überhaupt hinnehmen können. Auch das, was die Koalition zur Förderung der Investitionen tut - Stadterneuerung, Stadtsanierung und Umweltschutz -, geschieht nicht durch eine Verteuerung der Energie, ({5}) doch, natürlich machen Sie das - sondern durch Steuermittel. Das ist meiner Ansicht nach sehr viel wirkungsvoller als das, was Sie vorschlagen. Diese Politik setzen wir ja nicht nur hier fort, sondern auf allen möglichen Gebieten: im Wasserrecht, im Bereich des Bodenschutzes, im Bereich des Abfallrechts. ({6}) Bis 1988 erwartet die Elektrizitätswirtschaft allein bei ihren Anlagen eine Schwefeldioxidverminderung von 1 Million Jahrestonnen. Sie kennen die Zahlen. Es ist also so, daß etwas geschieht; hier wird investiert und hier wird reduziert. ({7}) Und es ist ja so - Sie haben eben die Berichte genannt - ({8}) - Wenn Sie wollen, daß sie die Emissionen auf Null bringen, dann brauchen Sie es nur zu sagen; dann müssen Sie alles abstellen. Das kann ja kein vernünftiger Mensch wollen. Wir können uns aus den Vorentscheidungen, die hier jahrzehntelang getroffen worden sind, nicht lösen. Wir leben in einer Industriegesellschaft, aus der wir uns nicht ausklinken können. Aber wir können feststellen, daß die Schwefeldioxidemissionen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sind. Die Stickoxidemissionen haben sich nicht vermindert, sie haben sich aber auch nicht - wie in den letzten Jahren - weiter erhöht. Und das trotz einer erheblichen Zunahme der Zahl der Kraftfahrzeuge. Man muß ja auch einmal sagen: In den Jahren 1971 bis 1981 sind in der Bundesrepublik Deutschland etwa 200 Milliarden DM in den Umweltschutz investiert worden. Wir fangen ja nicht am Punkt Null an, wie Sie manchmal meinen. ({9}) Die Reduzierung der Luftschadstoffe darf nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Waldschäden gesehen werden. Ich meine, Luftreinhaltepolitik zielt vor allem auch auf den Schutz der menschlichen Gesundheit. Ich hätte mir gewünscht, daß auch in den Beratungen der letzten Monate in der Europäischen Gemeinschaft dieser Gesichtspunkt etwas stärker zur Geltung gekommen wäre. Diesen Schutz der Gesundheit haben wir mit allen anderen Europäern gemeinsam; Waldschäden haben wir nur allein. Alles in allem kann man also sagen, daß diese Novelle ein Stück auf dem Wege zu einer ökologisch und sozial verpflichteten Marktwirtschaft ist. Der Produktionsfaktor Natur gewinnt an Bedeutung; er ist ebenso wichtig wie die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit. Der Umweltpolitik wird der gleiche Rang eingeräumt wie der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Das Umweltgut reine Luft ist ein knappes Gut geworden, und der Produktionfaktor Natur ist nicht mehr kostenlos; für ihn bestehen Knappheitspreise, und den technischen Fortschritt wollen wir gezielt einsetzen, um Umweltgefahren zu mindern. Die Novelle ist das Ergebnis einer gründlichen Diskussion. Wir haben uns auch an den Anhörungen orientiert, die wir hier durchgeführt haben. Das Positive, das wir herausstreichen müssen, ist, daß Altanlagen letztlich so behandelt werden wie Neuanlagen - mit unterschiedlicher Zeitachse. Wir geben dem Vorsorgeprinzip Vorrang. Wir haben nun endlich die Konzeptverordnungen mit Bindungswirkung, nicht mehr punktuelle Maßnahmen, sondern Maßnahmen, die einem Konzept entsprechen. Meine Fraktion hätte es gewünscht, daß wir noch eine stärkere Verknüpfung der Luftreinhaltung mit der Landesplanung hätten erreichen können; aber das müssen wir auf andere Weise anstreben. Ich war und bin der Meinung, die Luftreinhalteplanung sollte noch klarere Zielvorgaben für die Landesentwicklung enthalten. Aber wichtig ist, daß wir jetzt Konzeptverordnungen haben. Wichtig ist, daß eine breite Modernisierung eingeleitet worden ist, u. a. mit dem Teil 3 der TA Luft. Wichtig ist, Herr Kollege Schäfer - das müssen Sie anerkennen -, daß in § 17 Abs. 2 der Einwand der wirtschaftlichen Vertretbarkeit gefallen ist. Das ist unbezweifelbar richtig. Da kann man sich fragen, ob man die Abwägungskriterien den Genehmigungsbehörden überläßt, oder ob man sie, wie wir es getan haben, ins Gesetz hineinschreibt. Das Ergebnis ist, daß wir zu einer einfacheren, ungehinderteren Altanlagensanierung, als sie bisher möglich ist, kommen. Wir haben zum erstenmal Kompensationslösungen in § 7. Darauf wurde schon hingewiesen. Ich halte den Spielraum für so gering, daß ich hier keinen Mißbrauch fürchte. Wir haben ein Reststoffvermeidungsgebot und schlagen damit den Bogen zum Abfallbeseitigungsgesetz, zur Recycling-Wirtschaft. Wir tun das wirtschaftlich Mögliche und Vernünftige bei der Abwärmenutzung. Sie haben doch die Sachverständigen gehört. Das, was der Bundesrat will, ist nicht finanzierbar, ist unter den gegebenen Umständen nicht machbar. Der Bundestag sollte sich an dem orientieren, was wirklich durchsetzbar ist. Hier im Gesetz haben Sie eine wirtschaftlich vernünftige Abwärmenutzung. Wir haben bei dem Widerruf, Herr Kollege Schäfer, natürlich auch zu berücksichtigen, daß sich Betreiber auf einen behördlichen Bescheid in einem gewissen Umfang verlassen können müssen. Einer Anlage liegt j a ein Genehmigungsbescheid zugrunde - künftig nach strengeren Normen. Sie müssen also abwägen, wann eine Entschädigungspflicht beginnt, und wann nicht. ({10}) Das Innovationspotential der Wirtschaft wird also hier eingesetzt, und ich meine, daß wir uns mit der Novelle ein ganzes Stück weiter nach vorne bewegt haben, wenn man all die anderen Maßnahmen dazunimmt, die wir im Bereich der Luftreinhaltung treffen, von der GroßfeuerungsanlagenVerordnung bis zu den Verordnungen, die TA Luft Teil 2, TA Luft Teil 3. Hier ist eine weitgefächerte Strategie, die sehr viel Energie und Kraft und Investitionen fordert. Das sollte anerkannt werden, auch wenn Sie in dem einen oder anderen Punkt nicht zufriedengestellt sind. Wir tragen diese Novellierung, wir stimmen ihr zu und hoffen, daß sie möglichst gute Wirkung hat bei Investitionen für den Umweltschutz und für Arbeitsplätze auf diesem Felde. ({11})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schulte ({0}).

Stefan Schulte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002102, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu meinen Vorrednern fällt mir nur ein: ihr Eigenlob stinkt genauso wie unsere Luft. ({0}) - Ich hoffe, daß die Wähler 1987 ihr Wahlverhalten nicht nach Ihren Sonntagsreden hier ausrichten, sondern nach dem Zustand des Waldes. ({1}) - Nun mal sehen, wer zum Schluß die Nase vorn hat. Der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Entwurf zur Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zeigt einmal mehr, daß die Umweltpolitik dieser Bundesregierung dort aufhört, wo das Profitinteresse der Wirtschaft beginnt. ({2}) Das heißt, der Spielraum für diese Bundesregierung, wirksame Umweltpolitik zu betreiben, ist gleich Null. Die Diskussion um die Neufassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes hat bewiesen, daß Meinungen von Experten und Umweltschützern bei dieser Regierung und bei den Fraktionen der CDU/CSU und FDP überhaupt nichts gelten. Anstatt endlich zur Kenntnis zu nehmen, in welch großem Ausmaß Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltsituation neue Arbeitsplätze schaffen, glaubt Herr Zimmermann noch immer an das alte Märchen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, wonach Umweltschutz die Exportfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinträchtige. Schulte ({3}) Wird die Neufassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in dieser von BDI-Lobby-Vertretern entworfenen Fassung gebilligt, so wird zum drittenmal nach Verabschiedung der Großfeuerungsanlagen-Verordnung und der Novellierung der TA Luft eine Chance vertan, die notwendigen und sinnvollen Schritte zum Schutz der menschlichen Gesundheit und Natur vor Luftverunreinigungen zu treffen. ({4}) Trotz zunehmender Sonderabfallprobleme lehnt man die Aufnahme eines prinzipiellen Abfallvermeidungsgebotes in das Bundes-Immissionsschutzgesetz ab. Jedem Bürger ist klar, daß Abfälle, die erst gar nicht anfallen, auch keine Umweltschäden hervorrufen können. Aber trotzdem sollen zukünftig Abfallvermeidung und Abfallverwertung gleichberechtigt nebeneinander stehen. Neue Umweltschäden etwa durch das Recycling bestimmter Kunststoffe sind somit vorprogrammiert. Auch die Regelungen hinsichtlich der Abwärmenutzung, die im Gesetz festgeschrieben werden sollen, werden - und dies meint selbst der BDI - in der Praxis keine zusätzliche Abwärmenutzung und damit Energieeinsparung mit sich bringen. - Demgegenüber ließen sich durch die Vorschläge der GRÜNEN zur externen Abwärmenutzung in Verbindung mit der Erarbeitung regionaler und kommunaler Energieversorgungskonzepte erhebliche Fortschritte bei der Nutzung anfallender Wärme erzielen. Notwendig ist vor allen Dingen auch, daß Anlagen künftig nur noch an solchen Standorten errichtet werden dürfen, wo eine sinnvolle Nutzung der Abwärme gegeben ist. Auch die Vorschläge der Koalitionsfraktionen zur Novellierung des § 17 Abs. 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zeigen deutlich die Handschrift der Industrie. Dieser Paragraph verhinderte bisher, daß viele Kraftwerke und Industrieanlagen nachträglich mit Abgasreinigungsanlagen ausgestattet wurden, weil u. a. die Behörden einen zu großen Ermessensspielraum haben. Ohne jeden sachlichen Grund wurde auf die von den GRÜNEN vorgeschlagene Reduzierung des Ermessensspielraums der ausführenden Behörden verzichtet. Das hätte die Vollzugsbehörden bei der Durchsetzung nachträglicher Anordnungen entscheidend gestärkt. Bleibt es bei dieser Ablehnung der Koalitionsfraktionen zu den Vorschlägen der GRÜNEN, wird die von der Bundesregierung als bedeutsame Maßnahme zur Luftreinhaltung - was man hier auch wieder hören konnte - apostrophierte Novellierung des § 17 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Praxis keinerlei Verbesserung darstellen. Die Forderung der Koalitionsfraktionen zur Änderung dieses Paragraphen fällt sogar noch hinter den Vorschlag des Bundesrates zurück. Indem Nutzungsdauer und technische Besonderheiten von Anlagen zum Entscheidungskriterium dafür erhoben wurden, ob nachträgliche Anordnungen getroffen werden sollen, wird alles beim alten bleiben. Kommt dies so durch, so dürfen die alten Klitschen auch weiterhin zum Himmel stinken, obwohl ihre Emissionen, wie Untersuchungen bei industriellen Feuerungsanlagen in Nordrhein-Westfalen bewiesen haben, reihenweise über den in der TA Luft festgelegten Schadstoffgrenzwerten liegen. Mehr als unverständlich bleibt auch, weshalb die Vorschläge der Fraktion DIE GRÜNEN zur Schaffung eines Einsichtsrechtes für jedermann in Emissionserklärungen und Emissionskataster nicht ernsthaft überdacht wurden. Dabei boten unsere Vorschläge eine sinnvolle Möglichkeit, sowohl dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung in Fragen der Luftreinhaltung als auch dem Schutz von Betriebsgeheimnissen der Unternehmen entgegenzukommen. Meiner Auffassung nach können Gesetze allein nicht die alltägliche Umweltverseuchung durch die Industrie stoppen. Was wir brauchen, ist ein mehr an Transparenz; denn der Filz aus Politikern, Bürokraten und Firmenbesitzern scheut das Licht der Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser. ({5}) Weiterhin ungelöst bleibt zudem die Frage der Stellung und Aufgaben der Immissionsschutzbeauftragten im Rahmen der Luftreinhaltepolitik. Festzuhalten bleibt, daß Stellung und Aufgaben des Immissionsschutzbeauftragten dringend einer Erneuerung bedürfen. Auf Grund der überaus großen auch materiellen Abhängigkeit des Immissionsschutzbeauftragten vom Unternehmer können diese Beauftragten bisher keine nennenswerten Fortschritte in der betrieblichen Luftreinhaltesituation erreichen. Im Gegenteil, in den meisten Fällen werden derzeit von den Immissionsschutzbeauftragten nicht einmal Umweltstraftaten der Unternehmen angezeigt. Alles in allem: Diese Gesetzesnovellierung ist typisch für die Möchtegernpolitik dieser Bundesregierung. Die Ankündigungen können noch so gut sein, letztlich bleibt das übrig, was der Großindustrie und den Energiekonzernen nicht weh tut. Man darf gespannt sein, an welchem Montag der „Spiegel" Unterlagen veröffentlicht, die die finanzielle Lobbyarbeit beim Zustandekommen dieser Gesetzesänderung nachweisen. Danke schön. ({6})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Herrn Spranger.

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes heute im Deutschen Bundestag wird ein wichtiges und umfassendes Umweltgesetz beraten und zum Abschluß gebracht. Dieses Gesetz verfolgt zwei Ziele: Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen, Bäumen und anderen Sachen vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zum anderen Vorbeugung und Vorsorge gegen Umweltschäden. ({0}) Es bestimmt mit seinen umfassenden Vorschriften das gesamte wirtschaftliche Handeln in unserem Lande. - Bei Ihrer Rede und Ihren Zwischenrufen wird mir allmählich klar, warum Sie nicht einmal auf Ihren Parteitagen mehr als Chaos produzieren. ({1}) Die Vorschriften werden in ihrem Vollzug Auswirkungen auch auf jeden einzelnen Bürger in unserem Land haben. Mit der heute anstehenden Novellierung dieses Gesetzes macht die Bundesregierung erneut deutlich, daß Umweltschutz ein zentrales Thema, eine zentrale Aufgabe dieser Bundesregierung bleibt. Vor dem Hintergrund der weiträumigen Luftverschmutzung, besonders der sichtbaren Vegetations- und Materialschäden, ist unsere Luftreinhaltestrategie auf Umweltvorsorge ausgerichtet. Unser Ziel ist die konsequente und schrittweise Reduzierung der Umweltbelastung aus allen Emissionsquellen. Um zu einer spürbaren Verminderung der Luftverschmutzung zu gelangen, muß vor allem die Sanierung der Altanlagen, von denen das Hauptemissionspotential ausgeht, energisch voran getrieben werden. Nach der Verabschiedung der Großfeuerungsanlagen-Verordnung und der TA Luft Teil 2 wird die Bundesregierung noch in diesem Sommer eine Novelle zur TA Luft beschließen, mit der die bisherigen Emissionsgrenzwerte erheblich, zum Teil drastisch reduziert werden. Um diese Verschärfungen rasch und wirksam in die Praxis umzusetzen, muß das Eingriffsinstrumentarium des Gesetzes gegenüber Altanlagen effizienter gestaltet werden. ({2}) Die Bundesregierung begrüßt deshalb besonders die Änderung des § 17 Abs. 2, mit der der Einwand der Unternehmen ({3}) hinsichtlich wirtschaftlicher Unvertretbarkeit beseitigt und als alleiniger Maßstab für nachträgliche Anordnungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeführt wird. ({4}) Für die Sanierung sämtlicher Altanlagen wird erstmals in der kommenden Novelle zur TA Luft ein von uns entwickeltes längerfristiges, auf einheitliche und gleichmäßige Durchführung gerichtetes Konzept vorgelegt. Die gesetzliche Grundlage für dieses neue Luftreinhaltekonzept schafft die heute zur Beschlußfassung vorliegende Novelle zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, besonders die Ermächtigungen in § 7 Abs. 2 und in § 48. Dieses neue Konzept arbeitet mit klaren Fristvorgaben, nach denen die bestehenden Anlagen umgerüstet werden müssen. Bei der Bestimmung der Sanierungsfristen und der für Altanlagen einzuhaltenden technischen Anforderungen werden vor allem die Art, die Menge und die Gefährlichkeit der Emissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlagen berücksichtigt. Je größer das einem Schadstoff innewohnende Risikopotential ist, desto strenger sind die technischen Anforderungen, desto kürzer sind die Sanierungsfristen. Ziel der heutigen Novelle ist damit auch neben den beabsichtigten einschneidenden Umweltverbesserungen, insbesondere bei Altanlagen, die Kalkulierbarkeit und Investitionssicherheit für die Anlagenbetreiber zu schaffen. Nur eine für die Wirtschaft insgesamt verläßliche Umweltpolitik würde auf Dauer die notwendigen Umweltverbesserungen bringen. Nur eine verläßliche und konsequente Umweltpolitik wird die Arbeitsplätze in hochtechnisierten Bereichen schaffen, die wir brauchen. Mehr Umweltschutz ist deshalb auch ein entscheidender Faktor für die Belebung und Modernisierung unserer Wirtschaft. Nur umweltverträgliche Produktionsverfahren werden sich auf Dauer halten können. ({5}) Um das Eigeninteresse der Wirtschaft an einer Verbesserung des Umweltschutzes noch weiter zu erhöhen, sieht die vorliegende Novelle auch Ausgleichsmaßnahmen zwischen benachbarten Unternehmen vor, wenn insgesamt die Umweltsituation in den jeweiligen Gebieten verbessert wird. Dieses neue marktwirtschaftlich wirkende Instrument wird insbesondere in hoch belasteten Gebieten dazu führen, die Belastung mit Luftschadstoffen schneller, wirksamer und auch kostengünstiger zu reduzieren. ({6}) - Das können wir abwarten, das können wir demnächst schon feststellen. ({7}) Mit der Ihnen zur Beschlußfassung vorliegenden Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes werden die gesetzlichen Voraussetzungen für eine durchgreifende Verringerung der Luftbelastung in der Bundesrepublik Deutschland geschaffen. Der Innenausschuß hat nach Anhörung maßgebender Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Rechtsprechung und Verwaltung die vorliegende Beschlußempfehlung erarbeitet. Die Bundesregierung bittet um die Zustimmung des Deutschen Bundestages. ({8})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung, zunächst über den Tagesordnungspunkt 2 a, den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Drucksachen 10/1861, 10/1862 ({0}). Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2 b. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/3556 unter Ziffer 2, den von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des BundesImmissionsschutzgesetzes für erledigt zu erklären. Wer dieser Beschlußempfehlung des Innenausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2 c). Wer der Beschlußempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 10/3543 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3a bis 3d auf: a) Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1984 - Einzelplan 20 -- Drucksache 10/3304 - Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesrechnungshof ({1}) - Drucksachen 10/3204, 10/3323 Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) - Drucksache 10/3510 Berichterstatter: Abgeordnete Esters Dr. Müller ({3}) Roth ({4}) ({5}) c) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Bundesrechnungshof ({6}) - Drucksache 10/2929 Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({7}) - Drucksache 10/3510 Berichterstatter: Abgeordnete Esters Dr. Müller ({8}) Roth ({9}) ({10}) d) Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({11}) zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1984 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung ({12}) - Drucksache 10/2223, 10/3509 Berichterstatter: Abgeordneter Kleinert ({13}) Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 3a bis d und eine Aussprache von 90 Minuten vorgesehen - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Herr Abgeordneter Kleinert, Sie haben das Wort zur Berichterstattung.

Dr. Hubert Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001122, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/3509 legt der Haushaltsausschuß sein Beratungsergebnis zur Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 1982 vor und empfiehlt dem Plenum, dieser Beschlußempfehlung seine Zustimmung zu geben. Die insgesamt 97 Prüfungsbemerkungen, die der Bundesrechnungshof zum Haushaltsverfahren gemacht hat, sind im Rechnungsprüfungsausschuß eingehend erörtert worden. In den meisten Fällen ist von den zuständigen Stellen Abhilfe versprochen worden. Leider mußte konstatiert werden, daß gegenüber den Vorjahren eine durchaus besorgniserregende Zunahme sowohl der Anzahl als auch der Schwere der gerügten Fälle zu verzeichnen ist. Aus 76 Fällen, die im Haushaltsverfahren 1981 gerügt wurden, sind inzwischen 97 geworden. Das sind fast 20% mehr. Selbst diese Fälle dürften nur die Spitze eines Eisberges sein. Die Gründe dafür sind sicher vorrangig struktureller Art. Es gibt allerdings auch Anzeichen für einen problematischen oder mangelnden politischen Willen zu einer sparsamen Haushaltsführung. Ich möchte dies kurz an zwei Beispielen erläutern, die sowohl die alte, d. h. die damalige SPD-Regierung als auch die neue Bundesregierung betreffen. Als erstes Beispiel erwähne ich Nr. 54 der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes. Diese Bemerkung betrifft den Stand der steuerlichen Betriebsprüfung bei den als Großbanken eingestuften Kleinert ({0}) Kreditinstituten. Der Bundesminister der Finanzen hat die vom Rechnungshof bemängelte Praxis inzwischen teilweise dadurch legalisiert, daß - mit Schreiben vom 6. September 1984 - die Umsatz-und Gewinngrenzen für die Größenklasseneinteilung verändert worden sind. Das heißt für ca. 50 000 Betriebe, daß sie nicht mehr so oft geprüft werden wie bisher. Dies bedeutet eine Zunahme der Zinsvorteile. Der Grundsatz der Anschlußprüfung wird womöglich nicht eingehalten. Die Steuer kann dadurch umgangen werden. Ferner zieht sich das Bundesministerium der Finanzen auf die durch nichts belegte Schwierigkeit zurück, für das Bundesamt für Finanzen geeignete Betriebsprüfer zu finden. Darüber hinaus gibt es beim Bundesministerium der Finanzen keine erkennbare Bereitschaft, dem Vorschlag des Rechnungshofs zu folgen, unter Einschaltung des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesamts für Finanzen für die erforderlichen Prüfungen zu sorgen. Nach meiner Auffassung aber erfordert der in der Verfassung festgeschriebene Grundsatz der Vollständigkeit gerade eben ein solches Vorgehen. Als zweites Beispiel möchte ich hier in aller Kürze Nr. 30 der Bemerkungen des Bundesrechnungshofs anführen. Es geht dort um die Finanzierung eines Waffensystems. Es geht immerhin um einen Schaden von mehr als 100 Millionen DM, der nach dem Prüfungsergebnis des Rechnungshofes zu beanstanden ist. Der wesentliche Grund für diesen Schaden liegt in zu langen Zahlungswegen und zu hohen Guthabenbeständen auf dem Konto für die Finanzierung dieses Systems. Der Bundesrechnungshof hatte dem Bundesministerium der Verteidigung und den bundesdeutschen Mitgliedern des Lenkungsausschusses vorgehalten, nach Bekanntwerden der Zahlungswege und der überhöhten Mittelanforderungen entsprechende Korrekturen mindestens fahrlässig unterlassen zu haben. Das Bundesministerium der Verteidigung hat sich aber auf Mängel des Vertrages und gleichzeitig merkwürdigerweise gerade auf Vertragsmäßigkeit dieser eindeutig verschwenderischen Praxis zurückgezogen. Dieses Beispiel ist - ebenso wie das erste - sicherlich kein verläßliches Indiz dafür, daß derartige Praktiken in Zukunft unterbleiben werden. Gleichwohl empfehle ich, die im Haushaltsausschuß einmütig beschlossene Annahme der Beschlußempfehlung auch hier im Plenum nachzuvollziehen. Danke schön. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich danke dem Berichterstatter für seinen Bericht. Ich eröffne die allgemeine Aussprache und erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen Herrn Dr. Voss. Dr. Voss, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Gesetz über den Bundesrechnungshof wird heute das letzte Reformgesetz zur Haushaltsrechtsreform des Jahres 1969 verabschiedet. Ich begrüße es ganz besonders, daß dies einvernehmlich geschieht. Daher erscheint es mir auch vermeidlich, noch einmal darauf einzugehen, warum in dreizehn Jahren sozialdemokratischer Regierungsführung hier nichts zustande gebracht worden ist. Das Gesetz berührt Grundsatzfragen zwischen Legislative und Exekutive. Aus diesem Grunde hat die Bundesregierung bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes von Anfang an engen Kontakt mit dem Parlament und dem Bundesrechnungshof gehalten, die wesentliche Beiträge geleistet haben. Auf diese Weise konnten insbesondere auch die Vorstellungen des Haushaltsausschusses frühzeitig in den Gesetzentwurf einfließen. Die Vorstellungen der Bundesregierung und der Koalition einerseits sowie der Opposition andererseits lagen dennoch zu Beginn der parlamentarischen Beratungen in einigen wichtigen Fragen auseinander. Das galt z. B. beim Verfahren zur Bestellung des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes. Angesichts seiner besonderen Bedeutung für die Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle gegenüber der Exekutive waren die Fraktionen und die Bundesregierung bestrebt, für den Gesetzentwurf eine breite parlamentarische Mehrheit zu erreichen. Alle Beteiligten haben sich aufeinander zubewegt. Dies ist erfreulich und einer besonderen Erwähnung wert, ({0}) weil es nicht allzu oft vorkommt, meine Damen und Herren. Auf diese Weise konnte eine von allen Seiten getragene Beschlußempfehlung erreicht werden. Das Gesetz schafft eine zeitgemäße Grundlage für den Bundesrechnungshof und trägt den Forderungen nach einer modernen Finanzkontrolle Rechnung. Die Erfahrungen in der Vergangenheit haben gezeigt, daß neben der Prüfung der Haushaltsrechnung eines abgeschlossenen Haushaltsjahres die Prüfung der aktuelleren Haushalts- und Wirtschaftsführung einschließlich der Verfahrensabläufe und Organisationsfragen an Bedeutung gewinnt. Der Rechnungshof muß in die Lage versetzt werden, möglichst gegenwartsnah zu prüfen, um dazu beizutragen, Fehlentscheidungen und finanzielle Nachteile zu vermeiden. Dieses Ziel ist im allgemeinen nur zu erreichen, wenn der Bundesrechnungshof frühzeitig tätig wird, denn im nachhinein sind Fehlentscheidungen und damit verbundene finanzielle Nachteile kaum noch gutzumachen. Daher gilt der Grundsatz: Vorbeugen und vermeiden ist besser als der spätere Versuch zu heilen. Deshalb wird im Gesetzeswortlaut die Unterstützung des Bundestages, des Bundesrates und der Bundesregierung „bei ihren Entscheidungen" hervorgehoben. Mit dem neuen Gesetz wird die hierfür erforderliche Organisationsform geschaffen. Sozusagen flankierend, meine Damen und Herren, ist von der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Bundesrechnungshof vorgesehen, die Vorprü11010 fungsordnung zu ändern, um auch in diesem wichtigen, wenn auch gelegentlich im Schatten stehenden Bereich Verbesserungen vorzunehmen. Zur Verwirklichung der Haushaltsreform war es notwendig, den Bundesrechnungshof näher an die Legislative heranzuführen. Der Punkt hierbei, der auch in der Öffentlichkeit die bedeutendste Rolle gespielt und die größte Resonanz gefunden hat, ist das Verfahren zur Bestellung von Präsident und Vizepräsident. Die Regelung, die hier gefunden worden ist, ist ausgewogen. Denn der Bundesrechnungshof dient nicht nur der Legislative bei der parlamentarischen Kontrolle, sondern ebenso der Exekutive als unverzichtbare unabhängige Instanz zur Kontrolle ihres Verwaltungshandelns. Wenn zwei Gewalten gleichermaßen betroffen sind, meine Damen und Herren, müssen sie auch gleichberechtigt zusammenwirken. Bei der Bestellung der Leitung des Rechnungshofes ist daher Einvernehmen erforderlich. In dem Vorschlagsrecht der Bundesregierung und den anschließenden Wahlen durch die gesetzgebenden Körperschaften kommt das auf Konsens gerichtete Zusammenwirken von Exekutive und Legislative zum Ausdruck. Der Entwurf der SPD sah dagegen die Wahl des Präsidenten allein durch den Bundestag mit zwei Dritteln seiner Mitglieder auf Vorschlag der Fraktion oder einer bestimmten Anzahl von Abgeordneten vor. Diese Vorstellungen der Opposition wurden nicht der besonderen Stellung des Bundesrechnungshofes gegenüber der Exekutive und der Legislative gerecht, die ich bereits hervorgehoben habe. Auch für die Exekutive ist der Bundesrechnungshof ein unverzichtbares unabhängiges Kontrollorgan. Das Vorschlagsrecht der Bundesregierung war daher für eine ausgewogene Regelung im Bestellungsverfahren erforderlich. Die Stellung des Präsidenten und des Vizepräsidenten wird durch den Wahlmodus, auf den man sich jetzt geeinigt hat - geheime Wahl und Mehrheit der Mitglieder dieses Hauses -, und durch den Ausschluß der Wiederwahl - nach einer Amtszeit von zwölf Jahren - gestärkt. Damit sind Präsident und Vizepräsident zur Wahrung des verfassungsmäßigen Auftrages des Bundesrechnungshofes noch unabhängiger gegenüber der Regierung, aber auch gegenüber dem Parlament, meine Damen und Herren. Bei dem Gesetzentwurf war es verfassungspolitisch geboten - im Gegensatz zu den ursprünglichen Vorstellungen der Opposition -, auch den Bundesrat gleichgewichtig einzubeziehen, denn nach Art. 114 unseres Grundgesetzes sind Bundestag und Bundesrat berechtigt und verpflichtet, den Haushaltsvollzug zu kontrollieren. Gegenüber beiden Bundesorganen ist Rechnung zu legen. Ich hatte bereits auf die Bedeutung des Konsenses zwischen der Exekutive und der Legislative bei der Bestellung des Präsidenten und des Vizepräsidenten hingewiesen. Hierzu gehört auch, daß sich die Bundesregierung vor ihren Vorschlägen mit dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages und mit dem Finanzausschuß des Bundesrates ins Benehmen setzt. Dies ist von der Bundesregierung ausdrücklich so beschlossen worden. Damit wird jeweils schon im Vorfeld eine breite Mehrheit angestrebt. Meine Damen und Herren, ich meine, daß wir mit dem neuen Gesetz eine moderne, gute organisatorische Basis für die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes in den nächsten Jahrzehnten schaffen und damit die Finanzkontrolle - nicht zuletzt auch im Interesse der Steuerzahler - deutlich verbessern. Die Bundesregierung dankt daher allen, die zu diesem Ergebnis beigetragen haben. Danke schön. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten jetzt, wie wir soeben aus dem Munde des Regierungsvertreters Herrn Staatssekretär Voss hörten, ein neues Rechnungshofgesetz. Zugrunde liegt der Gesetzentwurf der Bundesregierung und der Koalition. Beide Entwürfe stimmen vollinhaltlich überein. Zugrunde liegt der Beratung auch der Entwurf der Opposition, der in einigen Teilen von den anderen Entwürfen abweicht. Es ist richtig, was Herr Staatssekretär Voss soeben sagte: Wir haben uns im Laufe der Beratungen aufeinander zubewegt. Es war überhaupt beeindruckend, von welchem Ernst und von welcher Sachbezogenheit diese Beratungen getragen waren. Ich möchte gleich eingangs auch den Vertretern der anderen Fraktionen dafür danken, daß dies so möglich war. Es hat mich gefreut, aus dem Munde des Regierungsvertreters, aus dem Munde von Herrn Voss, soeben zu hören: Es war ein wesentliches Ziel dieses Gesetzes, den Bundesrechnungshof näher an das Parlament heranzuführen. ({0}) - Verehrter Herr Kollege von Hammerstein, wir sind uns einig: Wenn dem Parlament das Budgetrecht zusteht - darum haben die westlichen Parlamente lange genug gekämpft -, dann hat es auch das Recht der Budgetkontrolle. Dieses Recht wiederum kann es nur dann richtig ausüben, wenn es einen Rechnungshof als Partner hat, der auf seine Anliegen und auf seine Betrachtungsweise eingeht. ({1}) Nun hat sich mancher sicherlich gefragt: Warum wird denn jetzt ein neues Rechnungshofgesetz geschaffen? - Ich habe mir diese Frage auch lange vorgelegt, aber es steht nun einmal fest, daß die jetzt gerade noch geltenden gesetzlichen Regelungen veraltet und teilweise überholt sind. Eine gesetzliche Grundlage für den Bundesrechnungshof ist z. B. - jetzt, in dieser Minute noch Dr. Friedmann Abschnitt V der alten Reichshaushaltsordnung von 1922. In dieser Reichshaushaltsordnung ist noch die Rede vom Reichspräsidenten, vom Reichsfinanzminister, von den Reichsbeamten, vom Reichsgericht - Dinge, die eben für die Weimarer Zeit paßten und die auch während der Zeit des Dritten Reiches so geblieben sind, aber die schon vom äußeren Erscheinungsbild her nicht mehr zur Bundesrepublik passen. Das Bundesrechnungshofgesetz, das die andere Grundlage für den Rechnungshof ist, stammt immerhin aus dem Jahre 1950; aber es ist eben in Teilen nicht mehr modern genug. Wenn man bedenkt, welchen Weg die Finanzkontrolle draußen in der Wirtschaft genommen hat, welche Stellung dort der Kontrolleur, der Revisor hat, so kann es nicht verwundern, daß auch hier die gesetzlichen Grundlagen der neuesten Zeit und dem neuesten Stand der Erkenntnisse und auch der heutigen Aufgabenstellung angepaßt werden müssen. Das bisherige Bundesrechnungshofgesetz ist überwiegend noch von Kriterien und von Gesichtspunkten durchzogen, die mehr auf die Exekutive abgestimmt sind, aber dem Kollegialitätsprinzip noch nicht voll Rechnung tragen. Dies war also ein Grund, weshalb ein neues Gesetz an der Reihe war. Einen zweiten Punkt hat Herr Staatssekretär Voss eben angesprochen. Es wäre logisch gewesen, die Haushaltsrechtsreform des Jahres 1969 durch ein neues Rechnungshofgesetz zu ergänzen. Die Zeit reichte damals nicht, die Arbeit blieb liegen. Alle folgenden Regierungen haben erklärt, sie hätten Wichtigeres zu tun, als sich mit einem neuen Gesetz zu befassen, und zeitweise mußte man auch den Eindruck haben, als müßte man den Jäger zum Jagen tragen; das galt nicht mehr für die letzten Monate, aber das Interesse war nicht immer sonderlich groß. ({2}) Ein dritter Punkt, Herr Kollege Walther, war, daß die interessierte Öffentlichkeit, vor allem der Bund der Steuerzahler, immer wieder darauf gedrängt hat, die Stellung des Rechnungshofes zu verstärken, weil man eben im Rechnungshof einen zentralen Punkt im Kampf gegen die Steuerverschwendung sieht. ({3}) - Da gebe ich Ihnen recht, lieber Herr Weng. - Da kam der Bund der Steuerzahler z. B. mit der Forderung, einen neuen Straftatbestand zu schaffen, den der Steuerverschwendung, und er kam auch mit der Forderung, den Rechnungshof zum Amtsankläger zu machen. Wir haben diese Gesichtspunkte zwar in das neue Gesetz nicht aufgenommen, aber diese Überlegungen waren immerhin Gegenstand der Beratungen und werden sicherlich auch das Arbeitsverhältnis zum Rechnungshof prägen. Nicht zuletzt gibt es einen vierten wichtigen Grund. Bei der täglichen Zusammenarbeit zwischen Parlament und Rechnungshof, insbesondere zwischen Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschuß einerseits und Rechnungshof andererseits, sieht man, daß die beiden Institutionen näher zueinander gebracht werden müssen und daß es dazu auch einer neuen gesetzlichen Grundlage bedarf. Ich glaube, daß dies mit dem vorliegenden Entwurf weitgehend gelungen ist. Insoweit sind wir auf jeden Fall ein Stück weiter. Nun fragt man sich: Was ist denn neu? Herr Voss hat das alles angesprochen. Ich möchte nur eines herausarbeiten. Das neue Bundesrechnungshofgesetz ist primär ein Organisationsgesetz. Da wird nämlich in der Organisation des Rechnungshofes, Herr Kollege Müller, einiges geändert. ({4}) An die Stelle des Präsidialprinzips tritt beispielsweise an manchen Orten jetzt auch das Kollegialprinzip. ({5}) Während beispielsweise bisher der Präsident am Anfang des Jahres die Geschäfte des Rechnungshofes neu einteilen konnte, und zwar er allein, braucht er jetzt das Einvernehmen mit dem Ständigen Ausschuß des Großen Senats. Für dieses Kollegialprinzip gibt es auch noch einige weitere Beispiele. In der Öffentlichkeit allerdings hat man darüber kaum gesprochen. Da hat sich alles auf das Verfahren der Bestellung des Präsidenten konzentriert. ({6}) - Sie haben auf die Personifizierung hingewiesen. Das hat zwar zur Aktualität beigetragen, war aber nicht Gegenstand unserer Beratungen und war nicht Motiv für die gesetzlichen Regelungen; ({7}) denn, meine lieben Kollegen, ein Gesetz muß auf Dauer angelegt sein und darf nicht augenblicklichen, gar noch personellen Situationen Rechnung tragen wollen. ({8}) Hinsichtlich des Verfahrens, hinsichtlich des neuen Bestellungsverfahrens, das Herr Staatssekretär Voss soeben geschildert hat, war lange umstritten, ob es denn richtig sei, daß sich der Bundesrat - gleichberechtigt neben dem Bundestag - an der Wahl beteiligt. Das Argument war immer wieder, der Bundestag habe ja auch keinen Einfluß auf die Bestellung des Präsidenten des jeweiligen Landesrechnungshofs. Es wurde gefragt: Warum soll dann - umgekehrt - der Bundesrat bei der Bestellung des Präsidenten des Bundesrechnungshofs mitwirken? Ich möchte eines klarstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Hier ist der Bundesrat nicht als Ländervertretung angesprochen, sondern als Bundesorgan, als Verfassungsorgan. Man kann nun einmal nicht bestreiten, daß das Verfassungsorgan Bundesrat mit dem Haushaltsgebaren des Bundes in vielfacher Weise verquickt ist. Das beginnt mit der jährlichen Verabschiedung des Haushaltsgeset11012 zes und geht hin bis zur alljährlichen Entlastung, die wir nachher auch besprechen, beraten werden. Mir liegt noch an einer anderen Klarstellung: Der Bundesrechnungshof ist natürlich kein Verfassungsorgan. Aber seine Existenz ist in der Verfassung garantiert, seine Aufgabe ist aus der Verfassung abzuleiten, er hat also Verfassungsauftrag. Der Bundesrechnungshof ist nicht Teil der Legislative - das wollen wir nicht, bei aller Heranführung an das Parlament -, er muß unabhängig bleiben. Er ist aber auch nicht Teil der Exekutive. Ich habe allen Grund, dies hier so deutlich zu sagen, weil es immer wieder Bestrebungen gibt, den Bundesrechnungshof in der Nähe der Exekutive anzusiedeln. ({9}) Nun möchte ich nicht verhehlen, daß bei dieser Gelegenheit noch eine ganze Reihe von Dingen neu hätte geregelt werden können. Vorhin hat Kollege Kleinert die mißliche Situation der unterbliebenen Betriebsprüfung bei Banken im Frankfurter Raum angesprochen. ({10}) Es hätte nahegelegen, den prüfungsfreien Raum bei Betriebsprüfern künftig auch noch in die Kompetenz des Rechnungshofs aufzunehmen. Ich könnte mir vorstellen, daß es durchaus Sinn machte, auch Krankenkassen durch den Rechnungshof prüfen zu lassen. Wir haben entsprechende Erfahrungen dort gemacht, wo der Bundesrechnungshof bei Krankenkassen auf Grund jetziger Kompetenz schon prüfen konnte. Wir hätten auch allen Anlaß gehabt, den Prüfungsdienst neu zu regeln, einschließlich des Sonderprüfungsamtes bei der Bundesbahn. ({11}) Aber das hätte das jetzige Gesetz überfrachtet. Wahrscheinlich wären wir zeitlich zu sehr in Verzug gekommen, wenn wir all dies gleichzeitig in einem Aufwasch hätten regeln wollen. ({12}) - Das ist richtig, lieber Herr Kollege Roth. - Wir haben deshalb in die Beschlußempfehlung aufgenommen, daß bei ohnehin anstehenden gesetzlichen Änderungen an anderer Stelle diese regelungsbedürftigen Tatbestände einbezogen werden müssen. Nun wollen wir aber eines richtig sehen, meine verehrten Damen und Herren: Es muß ja nicht unbedingt sein, daß alles gesetzlich geregelt ist, was der Rechnungshof zu tun hat. Ohne die bisherige Arbeit des Rechnungshofes kritisieren zu wollen, möchte ich doch feststellen, daß manches in Zukunft intensiver getan werden kann. ({13}) Ich denke z. B. daran, daß der Rechnungshof für die Politik ein äußerst wertvoller Helfer werden kann, wenn es darum geht, Auswüchsen der Bürokratie zu begegnen. ({14}) Im Kampf gegen die verbürokratisierte Umwelt hat niemand eine solche Erfahrung wie der Bundesrechnungshof. Er weiß, was dort Sitte und Unsitte ist. Er sollte der Legislative da noch stärker an die Hand gehen. Mir liegt auch daran, daß der Bundesrechnungshof künftig mehr den Regreßfragen nachgeht. ({15}) Wir brauchen keinen neuen Straftatbestand. Aber wenn der Rechnungshof solche Fälle konsequent aufzeigt und hier in Zukunft vor allem intensiver am Ball bleibt, damit die Fälle nicht wie bisher nach dem Motto „Eine Krähe hackt der anderen Krähe kein Auge aus" erledigt werden, dann könnte er sich sehr verdient machen. ({16}) Meine Damen und Herren, ich bin auch der Meinung, daß sich der Bundesrechnungshof künftig stärker an internationale Vorhaben heranmachen muß, zumindest an den deutschen Partner solcher Vorhaben. ({17}) Das, was damals mit dem „Tornado" auf finanziellem Sektor passiert ist, braucht sich nicht zu wiederholen. Mißwüchse, die sich da ausbilden, kann man auch beim deutschen Partner allein erkennen. ({18}) Ich bin auch der Meinung - das ist mir ein wesentliches Anliegen -, daß der Bundesrechnungshof nicht nur dann tätig werden soll, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, ({19}) sondern mehr noch als bisher muß der Bundesrechnungshof auf der Grundlage seiner Erfahrungen vorbeugend tätig werden. ({20}) Er nimmt ja an den Beratungen bei den Ministerien und in den Ausschüssen des Parlaments teil. Diese Erfahrungen sollte er uns in der Legislative mehr noch als bisher rechtzeitig an die Hand geben. ({21}) Ein entscheidender Punkt scheint mir auch zu sein, daß der Bundesrechnungshof mehr noch als bisher Effektivitätskontrollen durchzuführen hat. Er weiß ja, welches die Beweggründe der Politik sind, wenn dieses oder jenes Gesetz ausgearbeitet wird. Was liegt da näher, als nachschauend zu überDr. Friedmann prüfen, ob die Erwartungen, die mit dem Gesetz verbunden waren, finanziell in Erfüllung gegangen sind? Wir sollten den Rechnungshof nicht zurückweisen, wenn er uns darauf hinweist, daß das eine oder andere Gesetz die Erwartungen nicht erfüllt. Ich möchte, damit keine Mißverständnisse aufkommen, ausdrücklich sagen: Der Rechnungshof hat bisher gute Arbeit geleistet. Ich wollte aber auch aufzeigen, daß vieles noch besser werden kann, ohne daß es zusätzlicher gesetzlicher Regelungen bedarf. Ich möchte deshalb auch meinerseits dem Bundesrechnungshof - ich sehe den Herrn Präsidenten und seine Mitarbeiter - für die bisherige Mitarbeit und Zusammenarbeit danken. ({22}) Ich möchte Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bitten, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Schönen Dank. ({23})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Esters.

Helmut Esters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir verabschieden heute das Organisationsgesetz für den Bundesrechnungshof. Ich möchte zunächst dem Bundesrechnungshof dafür danken, daß er die wesentlichen Vorarbeiten, die für die Organisationsstruktur und andere Dinge in diesem Gesetz von Belang sind, ausgearbeitet und dem Finanzministerium zugeleitet hat, das dankenswerterweise die Vorstellungen des Bundesrechnungshofs - wenn man schätzen würde - zu etwa 95 % übernommen hat. ({0}) Keine Bundesregierung und kein Bundesfinanzminister, Herr Kollege Friedmann - das weiß ich auch aus der Vergangenheit -, hatten ein besonderes Interesse daran, ein neues Rechnungshofgesetz zu machen, weil doch alle ahnten, daß dann das Wahlverfahren oder das Verfahren zur Bestimmung des Präsidenten und des Vizepräsidenten näher an das Parlament herangeholt würde. Insofern ist es auch erstmals uns allen eingefallen - bis dahin hat es dies nicht gegeben -, bei der entsprechenden Jahresrechnung des Bundesrechnungshofs vom Haushaltsausschuß her empfehlen zu lassen - und das Parlament ist dem einstimmig gefolgt -, der Bundesregierung Termine zu setzen. ({1}) - natürlich. Wir müssen j a nicht immer streiten. Wir dürfen uns auch einmal einig sein. Ich möchte aber zunächst mit den für mich und meine Fraktion kritischen Teilen beginnen, die wir jetzt verabschieden. Das uns vorliegende Rechnungshofgesetz wird den Maßstäben, die sich dieses Haus selbst in seiner Selbstverständnisdebatte vom September letzten Jahres gesetzt hat, nicht gerecht. ({2}) Die hohen Erwartungen auch der Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuß sind mit diesem Gesetz nicht erfüllt, so sehr ich anerkenne, daß viele Kollegen, insbesondere Frau Seiler-Albring und Bernhard Friedmann, dazu beigetragen haben, daß sich diejenigen, die sich nicht bewegen wollten, im Endeffekt doch noch bewegt haben. Das Vorschlagsrecht für den Präsidenten und den Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofs bleibt bei der Bundesregierung. Folglich ist die Wahl durch den Deutschen Bundestag nicht frei, wie es der Würde des Hauses entsprochen hätte - so in der Selbstverständnisdebatte. Hinzu kommt, daß er das Wahlrecht mit dem Bundesrat teilen muß, ohne daß es dazu eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit oder eine von der bisherigen Wirklichkeit der Finanzkontrolle her gegebene Rechtfertigung gibt. Das Quorum für die Wahl ist die Kanzlermehrheit, so daß die Opposition rechtlich gesehen überstimmt werden kann. ({3}) Ich wiederhole deshalb meine Feststellung aus der ersten Lesung: Könnte dieses Haus allein aus parlamentarischer Sichtweise entscheiden, so hätte es dem Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion den Vorzug gegeben. ({4}) Warum aber stimmt nun meine Fraktion dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung doch zu? Dafür gibt es Gründe. Ein Bundesrechnungshof eignet sich nicht für eine parteipolitische Auseinandersetzung. ({5}) Die Initiative für dieses Gesetz ist vom gesamten Parlament ergriffen worden. Folglich soll es auch gemeinsam verabschiedet werden. ({6}) Erklärtes Ziel des Gesetzes ist es, den Bundesrechnungshof näher an den Deutschen Bundestag heranzuführen, um die parlamentarische Finanzkontrolle zu stärken. Da dies ebenfalls eine gemeinsame Aufgabe des Parlaments ist, würde eine Abstimmung nach Mehrheit oder Minderheit nur zur künftigen Schwächung dieser zentralen Parlamentsfunktion führen. Ein Bundesrechnungshof, der auf Grund eines nur von der Mehrheit getragenen Gesetzes arbeitete, geriete selbst in den Verdacht, parteiisch oder abhängig zu sein, anstatt auf einer breiten Vertrauensbasis zu stehen, die seine Unabhängigkeit in der Verfassungswirklichkeit garantiert. Neben diesen - wenn man so will: staatspolitischen - Gründen, die meine Fraktion berücksichtigt, gibt es jedoch durch die Beratungen im Ausschuß konkrete Verbesserungen, die auf den Gesetzentwurf meiner Fraktion mit zurückgehen. Ich will dazu meine eingangs geäußerte Kritik jetzt ins Positive zu wenden versuchen. Sicherlich bleibt es bei dem Vorschlagsrecht der Bundesregierung, doch ist diese in der Ausübung nicht frei. Es ist gemeinsame Auffassung des Haushaltsausschusses und der Bundesregierung - der Bundesfinanzminister, seinerzeit in den Gesprächen vertreten durch den Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Voss, hat es in den Beratungen und in den Gesprächen ausdrücklich bestätigt -, daß zuvor eine Verständigung mit dem Parlament, den Fraktionen und dem Haushaltsausschuß gesucht werden soll, die mehr ist als die bloße juristische Definition des Benehmens. Um die Herbeiführung dieser Verständigung zu sichern, erfolgt die Wahl durch den Deutschen Bundestag geheim oder - wie es in der Geschäftsordnung des Bundestages ausgedrückt ist - mit verdeckten Stimmkarten. Keine Bundesregierung wird aber einen Vorschlag unterbreiten wollen, der in geheimer Wahl durchfallen könnte, weil dies ein schwerer Gesichtsverlust wäre. Sicherlich schließt das Quorum der Kanzlermehrheit rein rechnerisch betrachtet eine Überstimmung der Opposition nicht aus. Doch ist bei den Beratungen im Haushaltsausschuß wiederum einvernehmlich zugesichert worden, daß ein derartiger Tatbestand tatsächlich nicht eintreten wird. Die Mehrheit und der Bundesfinanzminister haben klargestellt, daß auch sie im Interesse des Vertrauens und der Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes stets die breite Mehrheit, wenn man so will, im Ergebnis eine Zweidrittelmehrheit, sehen wollen. Schließlich sichern die geheime Wahl und die Kanzlermehrheit eine Teilnahme aller Mitglieder dieses Hauses, so daß von daher nicht nur die Bedeutung des Wahlvorgangs selbst unterstrichen wird, sondern auch die Notwendigkeit, einen weitgehend konsensfähigen Kandidaten vorzuschlagen. Wie wirksam die Wahl durch das Parlament unter diesen Vorzeichen auf das Vorschlagsrecht der Bundesregierung ausstrahlt, auch ohne daß dafür eine fugenlose gesetzliche Sicherheit hergestellt ist, demonstriert die bereits erfolgte Zurückziehung des von der Bundesregierung zunächst favorisierten Kandidaten. Auch dieser Vorgang gibt uns als Oppositionsfraktion das Vertrauen, trotz aller Bedenken im einzelnen dem gemeinsamen Gesetzentwurf zuzustimmen. Wir sind sicher, daß in der politischen Praxis, die sehr viel verästelter und abwägender ist als ein nackter Gesetzestext, der Deutsche Bundestag die ihm zustehenden Rechte und Möglichkeiten voll ausfüllen und sein Gewicht in den entsprechenden Einfluß umsetzen wird. Insofern bin ich zuversichtlich, daß das Bundesrechnungshofgesetz, das wir gemeinsam beschließen wollen, die Effizienz und Beweglichkeit des Bundesrechnungshofes weiter steigert und dadurch das Finanz-, Kontroll- und Budgetrecht als das Kronrecht des Parlaments bestätigt und stärkt. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat Frau Abgeordnete Seiler-Albring.

Ursula Seiler-Albring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002155, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige zweite und dritte Lesung des Gesetzes über den Rechnungshof ist der Abschluß eines in den verschiedenen Fachgremien sehr sachlich, kollegial und intensiv geführten Dialogs und Entscheidungsprozesses, einer Diskussion, die aber - dieses möchte ich eingangs doch sagen - in den letzten Wochen und Monaten durch die spekulierende Berichterstattung über die Person des künftigen Präsidenten des Rechnungshofes leider überlagert wurde. ({0}) Ich halte dieses bei allem Verständnis dafür, daß Personalfragen das Salz in der journalistischen Tagessuppe sind, für sehr bedauerlich, weil die Bedeutung dieses Gesetzes darüber zeitweise in den Hintergrund zu geraten drohte. ({1}) - Es ist sicherlich richtig, daß Präsident und Vizepräsident des Bundesrechnungshofes wichtige Personen sind und in ihrer Persönlichkeitsstruktur der Wichtigkeit und Würde ihres Amtes entsprechen müssen. Sie sind aber nicht der Rechnungshof. Meine Fraktion hat bereits in der 9. Legislaturperiode auf die Notwendigkeit hingewiesen, endlich zu einem Gesetz über den Bundesrechnungshof zu kommen. Wir wollten ein modernes Organisationsgesetz, das der Bedeutung, die der Rechnungshof für uns als Partner hat, Rechnung trägt. Die parlamentarische Finanzkontrolle ist ein ganz wesentliches Element im Zusammenwirken von Exekutive und Legislative. Ohne die Sachkompetenz aber und die Zuarbeit durch den Rechnungshof und seine Mitarbeiter können wir als Parlamentarier dieser wichtigen Aufgabe der Finanzkontrolle wenn überhaupt, dann nur sehr unzulänglich gerecht werden. Die Bemerkungen des Rechnungshofes 1984 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, über die heute hier ebenfalls beraten wird, zeigen sehr deutlich, daß es sich immer noch nicht in allen Amtsstuben herumgesprochen hat, daß es sich bei den zur Verfügung gestellten Finanzmitteln eben nicht um Manna, das vom Himmel regnet, sondern um mühsam erarbeitete und sehr ungern abgegebene Steuergelder handelt, mit denen man nicht fahrlässig umzugehen hat. ({2}) Wenn also unser Appell an die Exekutive, mit den ihr anvertrauten Mittel sorgfältig und wirtschaftlich umzugehen, nicht bloß mit einem freundlichen, aber doch sehr distanzierten Lächeln bedacht werden und entsprechende Konsequenzen haben soll, dann brauchen wir einen effizienten, gut und modern ausgestatteten Rechnungshof mit qualifizierten Mitarbeitern. Die Vorschriften, nach denen der Rechnungshof bislang gearbeitet hat - das ist ja schon mehrfach ausgeführt worden -, gehen zum Teil auf Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung zurück und entsprachen nicht mehr den Anforderungen, die wir an eine moderne Finanzkontrolle zu stellen haben. Die vorliegenden Entwürfe, die wir beraten haben, fassen die maßgebenden Vorschriften zusammen und entwickeln sie entsprechend den Erfordernissen unserer Zeit fort. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Entscheidungsautonomie wird verstärkt, und eine elastischere und effizientere Arbeitsweise wird ermöglicht. Bei allem grundsätzlichen Konsens darüber, daß wir ein modernes, zeitgemäßes Rechnungshofgesetz haben wollten, war doch der Entscheidungs- und Abstimmungsprozeß, der zu dem heute vorliegenden Bericht - und hoffentlich auch Beschluß - geführt hat, nicht einfach. Vor allen Dingen in der Frage des Vorschlagsrechts und der Wahlmodalitäten lagen die Positionen zu Beginn recht weit auseinander. Ich habe in der Aussprache zum vorliegenden Gesetz in der ersten Lesung an dieser Stelle ausgeführt, daß der Entwurf der Bundesregierung für mich in einigen wesentlichen Punkten unbefriedigend sei. Bei allem Verständnis dafür, daß die Regierung ein Gesetz vorlegt, das ihren Wünschen und Vorstellungen optimal entspricht und das selbstverständlich eine Interpretation ihrer Zuordnung von Rechnungshof und Regierung ist - dazu gehört natürlich das ausschließliche Vorschlagsrecht und konsequenterweise auch die einfache Mehrheit bei der Wahl des Präsidenten -, war es doch unsere Aufgabe als Parlamentarier, in den Beratungen, zumal wenn wir an die Selbstverständnisdebatte zurückdenken, unsere Positionen mit Nachdruck zu vertreten. Auf unser Drängen war j a bereits in die Begründung zu diesem Entwurf aufgenommen worden, daß das Benehmen mit dem Haushaltsausschuß hergestellt werden sollte. Ich hätte mir nun gewünscht - und da mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube -, daß eine stärkere Beteiligung des Haushaltsausschusses schließlich doch möglich gewesen wäre. Unverzichtbar aber war nach meiner Meinung, daß die Wahl des Präsidenten des Rechnungshofes geheim zu erfolgen hat und mit einer qualifizierten Mehrheit; denn es kann doch wohl nicht angehen, daß der Präsident, der Repräsentant einer so wichtigen Institution, die für das Parlament einen so exzeptionellen Stellenwert hat, so en passant irgendwann an einem Freitagmorgen bei der Präsenz von zehn oder 15 Mann hier gewählt würde. ({3}) Ich habe damals angekündigt, daß wir versuchen werden, doch zu einem einvernehmlichen Beschluß im Ausschuß zu kommen. Dies ist uns gelungen; das heißt, bis vor kurzer Zeit bin ich davon ausgegangen, daß uns dies gelungen sei. Es wurde nun aber signalisiert, daß sich die Kollegen von den GRÜNEN diesem Beschluß nicht anschließen werden, was ich sehr bedauern würde; denn das Thema Rechnungshofgesetz eignet sich nicht - und das hat Herr Kollege Esters eben auch noch einmal gesagt - zu einem parteipolitischen Ärmelkrempeln. ({4}) - Ja, sicher! Aber ich fände es gut, wenn sich die GRÜNEN in dieser Position wenigstens einmal den staatstragenden Parteien anschlössen; denn dieses entspricht ja doch durchaus der Arbeit, wie wir sie gemeinsam im Rechnungsprüfungsausschuß in aller Regel durchführen. ({5}) Die GRÜNEN schließen sich dem an, wenn sie da sind. Aber das ist ein Spezialthema zwischen mir und Herrn Kleinert. ({6}) Wir legen also heute hier einen Kompromiß vor, und in der Natur des Kompromisses liegt es, daß er keinen so recht und vollständig zufriedenstellen kann. Dies trifft auch hier zu. Aber in diesem Fall liegt schon in der Tatsache, daß wir angesichts der Ausgangslage zu einem auch von der großen Oppositionspartei mitgetragenen Beschluß kommen werden, ein großer Erfolg, auf den wir, glaube ich, stolz sein können. Ich möchte allen denen sehr herzlich danken, die bereit waren, zugunsten eines gemeinsam getragenen Gesetzes von ihren weitergehenden Positionen, für die sie jeweils sehr achtenswerte Gründe gehabt haben, abzugehen. Da möchte ich mich ausdrücklich an die SPD mit Herrn Esters an der Spitze wenden. Ich weiß, daß der Schritt, den Sie auf uns zu getan haben, ein sehr großer gewesen ist. ({7}) Wir haben mit der Vorschrift über die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten in geheimer Abstimmung und mit absoluter Mehrheit sichergestellt, daß die Regierung ihr Vorschlagsrecht, so wahrnehmen muß, daß ein möglichst breiter Konsens sicher ist, d. h. daß der vorgeschlagene Kandidat ein Persönlichkeitsprofil aufweisen muß, welches der Bedeutung seines Amtes angemessen ist. ({8}) Wir haben, da das Gesetz über den Rechnungshof in erster Linie ein Organisationsgesetz ist, bewußt darauf verzichtet, weitere regelungsbedürftige Fragen aufzugreifen, die bei der Finanzkontrolle aufgetreten sind und die bei anderen noch anstehenden Gesetzesvorhaben entschieden werden sollten. Dazu gehört - und dies möchte ich doch noch ganz kurz ausführen - nach Auffassung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, daß die Organisation des Prüfungsdienstes einschließlich des Hauptprüfungsamtes bei der Deutschen Bundesbahn befriedigend geregelt werden muß. Es ist nicht einzusehen, daß sich ein Sondervermögen einen eigenen Rechnungshof innerhalb seiner Organisation leistet. Dies ist Doppelarbeit und Büro11016 kratismus. Die Bundesregierung, hier der Bundesverkehrsminister, wäre gut beraten, wenn sie den Anregungen des Haushaltsausschusses folgte und für ein Auslaufen der Staatssekretärsvereinbarung sorgte. ({9}) Das Hauptprüfungsamt der Bundesbahn ist - wenn wir uns erinnern - ein Relikt aus den 20er Jahren, als die Reichsbahn im Wege der Reparationsleistungen verpfändet worden und somit der Kontrolle durch den Reichsrechnungshof entzogen war. Ich könnte mir vorstellen, daß wir unsere Anregung bei der Beratung des Einzelplans 12, dem des Bundesministers für Verkehr, die Bereitschaft des Ministeriums, uns zu folgen, noch einmal kritisch hinterfragen werden. Mit der Verabschiedung des Gesetzes über den Rechnungshof, meine Damen und Herren, treten wir in eine neue Ära der Finanzkontrolle ein, ein Grund für uns, dem scheidenden Präsidenten des Bundesrechnungshofes für seine Arbeit sehr herzlich zu danken. ({10}) Präsident Wittrock - und dies nimmt er sicherlich nicht übel - war in der Vergangenheit vielleicht in einzelnen Fällen nicht immer ein bequemer Partner. Wenn man aber die Eigenständigkeit des Rechnungshofes bejaht und mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs auch noch stärken will, ist dies auch ein Kompliment für den scheidenden Präsidenten und auch seine Mitarbeiter. Wir haben versichert, meine Damen und Herren, daß wir rechtzeitig alles dafür tun werden, daß der neue Präsident nach dem neuen Gesetz über den Bundesrechnungshof gewählt werden wird. Ich kann heute feststellen, daß wir Wort gehalten haben. Abschließend komme ich zur Entlastung der Bundesregierung gemäß Art. 114 des Grundgesetzes für das Haushaltsjahr 1982. Meine Fraktion stimmt der Entlastung zu. Wir erwarten aber von der Bundesregierung, daß sie vermehrt dafür Sorge trägt, dem Bürger das Gefühl zu vermitteln, daß seine Steuergelder nach bestem Wissen und Gewissen verwaltet werden. Ich danke Ihnen. ({11})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert ({0}). ({1})

Dr. Hubert Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001122, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das ist der Vorteil der kleinen Fraktion, Herr vom Hammerstein. Aber Ihre Jungfernrede im letzten Herbst hat mir ausgesprochen gut gefallen. Frau Seiler-Albring, gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung zu Beginn: Daß Sie mich gerne noch häufiger sehen möchten, ehrt mich selbstverständlich; aber daß Sie jetzt am Rechnungshofgesetz unsere staatstragende Gesinnung überprüfen wollen - ich finde, da machen Sie es uns wirklich ein bißchen zu leicht. ({0}) Da sollten Sie uns kompliziertere Aufgaben stellen. ({1}) In der ersten Lesung des Entwurfs des Bundesrechnungshofgesetzes am 26. April 1985 habe ich an dieser Stelle ausgeführt - jetzt zitiere ich mich selber -: ... der Rechnungshof ist ein wichtiges Instrument für eine funktionierende demokratische Kontrolle. ({2}) Deshalb ist es auch nur folgerichtig, wenn er stärker in die Nähe des Parlaments und der Fraktionen gerückt wird. ({3}) Der dadurch mögliche Gewinn an effektiver Kontrollmöglichkeit gegenüber der Regierung muß verbunden werden mit einer größeren Transparenz und mit stärkeren Möglichkeiten der Einflußnahme für die einzelnen Fraktionen. Eine Reform, die in diese Richtung geht, wird unsere Zustimmung finden. ({4}) Gleichzeitig habe ich deutlich zu machen versucht, ({5}) daß nach unserer Auffassung der inzwischen zurückgezogene SPD-Entwurf weit mehr in diese Richtung geht als die Regierungsvorlage. Gemessen an der Zielvorgabe, die Sie selber vorgenommen haben, ist - da ist dem Kollegen Esters ausdrücklich zuzustimmen - die vorliegende Beschlußempfehlung allenfalls ein halbherziger Schritt. Denn in fast allen wesentlichen Dissens-punkten hat sich der Entwurf der Bundesregierung letzten Endes doch durchgesetzt. Dies gilt sowohl für die Frage des Vorschlagsrechts wie für die Frage des Quorums, das für die Wahl des Rechnungshofpräsidenten und seines Stellvertreters erforderlich ist. ({6}) Es soll dabei bleiben, daß die Bundesregierung das alleinige Vorschlagsrecht behält, und es soll dabei bleiben, daß für die Wahl die einfache Mehrheit der Mitglieder des Bundestages ausreicht. Weitergehende Vorstellungen, die im SPD-Entwurf enthalten waren und auch den einzelnen Fraktionen ein Vorschlagsrecht einräumten und gleichzeitig durch ein Zweidrittelquorum der Opposition einen Einfluß auf die Wahl des Rechnungshofpräsidenten einräumen wollten - der Rechnungshofpräsident, da Kleinert ({7}) stimmen wir hoffentlich alle überein, sollte von Partei- und Fraktionseinflüssen möglichst unabhängig sein -, ({8}) sind unter den Tisch gefallen. ({9}) Ich meine, daß dies dem doch von allen Seiten geäußerten Ziel, den Rechnungshof als Instrument parlamentarischer Kontrolle mehr an das Parlament heranzuführen, widerspricht. Mir bleibt es schlicht unverständlich, wieso es nicht möglich sein soll, auch den Fraktionen ein Vorschlagsrecht einzuräumen. ({10}) Daß der ursprüngliche Wunschkandidat des Bundeskanzlers für dieses Amt nicht zur Verfügung steht, ({11}) hat die Brisanz des Themas Rechnungshof sicher heruntergeschraubt. Aber auch die Tatsache, daß Herr Schreckenberger bei Ihnen nicht durchsetzbar war und deswegen schon im vorhinein den Verzicht geleistet hat, ändert nichts daran: Der Bundesregierung das alleinige Vorschlagsrecht einzuräumen ist halbherzig und inkonsequent ({12}) gemessen an einem Ziel, den Rechnungshof wirklich näher ans Parlament heranzurücken. Wir haben dieser Beschlußempfehlung im Ausschuß deshalb nicht widersprochen, weil wir Ihre Grundintention teilen und weil wir es richtig finden, die Wahl des Rechnungshofpräsidenten überhaupt ins Parlament zu bringen. Dies ist sinnvoll. Das ist gar keine Frage. Aber wir wollen auch deutlich machen, daß dieser Gesetzentwurf, der heute zur Abstimmung vorliegt, auf halbem Weg stehengeblieben ist, da er die Weigerung enthält, all jene vernünftigen Änderungsvorschläge, die im SPD-Entwurf enthalten waren, aufzunehmen. Um deutlich zu machen, daß der sinnvollere Weg gewesen wäre, diese Vorschläge aufzunehmen, und daß es aus unserer Sicht auch sinnvoller gewesen wäre, wenn die Sozialdemokraten dabei geblieben wären, werden wir dem neuen Rechnungshofgesetz unsere Zustimmung versagen müssen. ({13}) Wenn die SPD schon dazu übergegangen ist, sich dies alles abhandeln zu lassen, dann wollen wenigstens wir deutlich machen, daß Ihr Vorschlag, daß euer Vorschlag der sinnvollere Weg gewesen wäre, um zu einer wirklich sinnvollen Reform des Rechnungshofwesens zu kommen. ({14}) - Ich habe das gerade begründet. - Das wäre eine sinnvolle Reform gewesen, die dem entsprochen hätte, was vorhin zu Recht angesprochen worden ist, auch dem, was in der Debatte um das Selbstverständnis des Deutschen Bundestages im letzten Herbst angeklungen ist. ({15}) - Wo stehen Sie denn bei der CDU, Herr Roth? Wir sind dafür, hier eine wirkliche Reform des Rechnungshofwesens in Gang zu bringen, und wir hätten es begrüßt, wenn der SPD-Gesetzentwurf hier zur Abstimmung gestanden hätte. Wir hätten dem zugestimmt. Aber was Sie hier vorschlagen, ist uns zu halbherzig, und um das deutlich zu machen, müssen wir hier leider unsere Zustimmung versagen. ({16})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Deres.

Karl Deres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000374, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Von der hohen Bühne der Gesetzgebung zurück in den kleinen grauen Alltag des Rechnungsprüfungsausschusses. Liebe Kolleginnen und Kollegen! 30 Monate nach Abschluß des Rechnungsjahres 1982 liegt Ihnen die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung des Bundesrechnungshofes, Drucksache 10/2223 - das sind die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1984 zur Haushaltsund Wirtschaftsführung ({0}) -, zur Beschlußfassung vor. Der Rechnungsprüfungsausschuß hat am 16. Januar 1985 mit der Beratung begonnen, nachdem die Unterrichtung des Bundesrechnungshofs am 30. Oktober 1984 zugeleitet worden war. Ein und ein dreiviertel Jahr für Prüfung und Stellungnahme der Ministerien bis zur Übersendung der Unterrichtung ist eine lange Zeit auf den ersten Blick. Erst der Einblick ins Detail läßt Verständnis für diese Situation entstehen, wobei sich der Rechnungsprüfungsausschuß der Nachteile dieser langen Frist bewußt ist. ({1}) Wir legen daher verstärkt Wert auf aktuelle Zwischenprüfungen des Bundesrechnungshofes, wie schon mehrfach bekundet wurde und wie das z. B. während der Beratungen beim Bundesgesundheitsamt in Berlin geschehen ist. Als Ergebnis empfehlen wir dem Bundestag, der Bundesregierung gemäß Art. 114 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 114 der Bundeshaushaltsordnung Entlastung für das Haushaltsjahr 1982 zu erteilen. ({2}) Wir gehen davon aus, daß die Bundesregierung den Feststellungen und Bemerkungen umfassend und konsequent Rechnung trägt. ({3}) - Die Klärung kommt noch, Klaus-Dieter. Für die geleistete Arbeit darf auch ich an dieser Stelle den Damen und Herren des Bundesrechnungshofes, sehr geehrter Herr Präsident, danken. In diesen Dank schließe ich die ständig anwesenden Vertreter des Bundesfinanzministeriums und die Mitarbeiter des Sekretariats ein. ({4}) Nach Abschluß der Beratungen kann ich auch für die gute Kooperation der Vertreter aller Ministerien danken, die ihre Position manchmal mehr und manchmal minder geschickt vertreten haben. Ich will aus der Vielzahl der Prüfungsbemerkungen einige herausgreifen, um die Probleme anschaulich zu machen. Dabei möchte ich bemerken, daß die Prüfung und Wertung der einzelnen Punkte im Ausschuß ohne Rücksichtnahme auf die jeweilige Bundesregierung im Amt geschehen ist. Dafür kann man allen Kollegen im Ausschuß nur dankbar sein, wobei ich durchaus Verständnis dafür habe, daß per Ende 1982 eine Reihe von Verantwortlichen für die Vergangenheit mit dem heutigen Abschluß vernehmlich aufatmen werden. Dabei kann man der jetzigen Bundesregierung bescheinigen, daß sich ihre Vertreter ganz und gar in der Kontinuität der Verantwortung gesehen haben. ({5}) - Eben. Als erstes Stichwort nehme ich mal das berühmtberüchtigte Dezemberfieber der Verwaltungen. Im Auswärtigen Amt wurden zum Jahresende 1982 in einer Vielzahl von Fällen Zahlungen geleistet, um Haushaltsmittel nicht verfallen zu lassen, obwohl die bestellten Geräte, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenstände noch nicht geliefert und die Forderungen der Lieferanten noch nicht fällig waren. Die Bediensteten hatten wahrheitswidrig auf den Vorausrechnungen neben der rechnerischen auch die sachliche Richtigkeit und damit zugleich den ordnungsgemäßen Eingang der noch nicht gelieferten Gegenstände bestätigt. Damit wurde gegen Grundsätze des Haushaltsrechts verstoßen. Im übrigen wurden unnötige Lieferrisiken übernommen. Die Gegenargumentation des Ministeriums und die Verneinung der Haftungsfrage konnte den Ausschuß nicht überzeugen. Der Ausschuß hat von der Bemerkung zustimmend Kenntnis genommen. Er hat das Verhalten des Bundesministers mißbilligt und ihn aufgefordert, die Haftungsfrage erneut zu prüfen und die eingeleiteten disziplinarischen Schritte weiter zu verfolgen. Das sei eine Warnung an die Verwaltung, sich nicht vom Dezemberfieber befallen zu lassen. Ein weiteres Beispiel: Bauen ohne genehmigte Pläne. Quod licet Jovi, non licet bovi; was Jupiter erlaubt ist, so denkt der Bürger, ist noch lange nicht jedem Ochsen erlaubt. Der Bundesminister hat hingenommen, daß die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung Schleusen, Wehren und ein Schiffshebewerk begonnen und fertiggebaut hat, ohne genehmigte Entwürfe zu haben. Zum Beispiel wurden 1981 Entwürfe für zwei Bauwerke am Elbe-Seitenkanal erstellt, die bereits - man höre und staune - 1976 fertiggestellt und in Betrieb waren. ({6}) Begonnene Arbeiten richteten sich häufig nicht nach den Planungsunterlagen; vielmehr wurden die Entwürfe der fortschreitenden Bauausführung angepaßt. Auch Instandsetzungsmaßnahmen, die kostenaufwendig waren und schwierige ingenieurmäßige Leistungen enthielten, wurden ohne Entwürfe durchgezogen. Dies klingt unglaublich, und man fühlt sich in die Bauzeit des Kölner Doms versetzt. Sie werden nichts anderes erwarten, als daß der Ausschuß die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs nur zustimmend zur Kenntnis nehmen und die festgestellten Verstöße mißbilligen konnte, besonders weil die Beanstandungen bereits Gegenstand der Bemerkungen zur Haushaltsrechnung 1972 vom 10. Oktober 1974 waren und der Bundesminister schon damals zugesagt hatte, ({7}) die Dienststellen der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung entsprechend anzuweisen. Den dritten Punkt möchte ich hier weglassen, weil der Kollege Kleinert diesen - die Finanzierung eines Waffensystems - schon aufgegriffen hat. Aber ein weiteres Beispiel aus dem Bereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Es ist uns allen bekannt, daß die Bürger grundsätzlich positiv zur Entwicklungshilfe stehen; sie beweisen es insbesondere bei Spenden für die kirchlichen und sonstigen freiwilligen Organisationen. Mit besonderer Sensibilität aber verfolgen sie die mit ihren Steuern betriebene staatliche Entwicklungspolitik. Die Prüfung der Angaben über Planung und Forschung im Entwicklungshilfebereich soll den Bürgern zeigen, daß auch gerade hier auf sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung geachtet wird. Der Bundesrechnungshof hatte hier die Vorhaben der Haushaltsjahre 1977 bis 1981 geprüft. Mehr als ein Viertel der 150 Vorhaben führte zu Beanstandungen. ({8}) Aus den in der Drucksache angeführten Einzelbeispielen ergibt sich in einem Fall, daß ein Auftrag freihändig vergeben wurde, ohne zu prüfen, ob weitere fachkundige Anbieter vorhanden waren. Begründung: Nur der Auftragnehmer verfüge über die einschlägige Kompetenz. Dem Bundesminister war schon damals bekannt, daß der Auftragnehmer das gleiche Forschungsthema für den Deutschen Entwicklungsdienst in drei Vorprojekten mit einer Auftragssumme von 75 000 DM bearbeitet hatte, deren Ergebnis nur in Teilen und auch nur deshalb brauchbar war, weil der Deutsche Entwicklungsdienst diese mit erheblichem Arbeitsaufwand aus- bzw. umgearbeitet hatte. Weitere Einzelfälle zu diesen Ausgaben im Bereich entwicklungspolitischer Forschung muß ich mir ersparen. Die Lektüre in der Drucksache kann ich Ihnen nur empfehlen. Die einzelnen Fälle lesen sich wie Kurzkrimis. Ein letztes Beispiel darf ich Ihnen aus dem Bereich der Betätigung des Bundes bei Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit vorstellen. Ich tue dies nicht zuletzt deshalb, um die Kollegen, die sich noch nicht für die Privatisierung bundeseigener Unternehmen erwärmen können, zum Nachdenken zu bringen. ({9}) Ein Bundesunternehmen arbeitete seit langem mit Verlust. Die im Fertigungsbereich veranlaßten Sanierungsmaßnahmen blieben ohne Erfolg. Der Bundesrechnungshof ersuchte den zuständigen Bundesminister wiederholt seit dem Jahre 1972, auf die Beseitigung der Verlustquellen hinzuwirken, damit unvertretbare Belastungen des Unternehmens und des Bundes verhindert würden. - Vergeblich. Der Bundesminister sorgte nicht mit Nachdruck dafür, daß Fehlentwicklungen früher verhindert wurden. ({10}) Der Bundesrechnungshof zeigte ferner auf, daß die anhaltenden Mißerfolge bei den Sanierungsbemühungen, auf die inzwischen auch der Abschlußprüfer aufmerksam gemacht hatte, weniger auf Konjunktureinflüsse als in erster Linie auf Mängel und Versäumnisse insbesondere in der Führung der Geschäfte zurückzuführen seien und daß die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates sowie die Betätigung des Bundes die negative Entwicklung des Unternehmens nicht verhindert hätten. ({11}) Die Unternehmung hat in den Jahren 1972 bis 1982 - man höre und staune - bis zu 1 Milliarde DM Verlustabdeckungen erhalten. Wurden die Arbeitsplätze wenigstens erhalten? Noch nicht einmal diese Frage kann positiv beantwortet werden. Gute Arbeitskräfte wanderten zunehmend ab. Der Bestand war kaum in der Lage, für neue Technologie und Fertigungsmethoden eingesetzt zu werden. Meine Damen und Herren, für diese Firma gibt es seit 1982 keine weiteren Transfusionen. Ich möchte denen, die immer schreien, wir hätten keine Subventionen gestrichen, ins Stammbuch schreiben, daß in dem Bereich der Betätigung von bundeseigenen Unternehmen schon manches geschehen ist, was leider wegen der Vertraulichkeit nicht immer so in die Öffentlichkeit hineingetragen werden kann. ({12}) Für uns kann die Konsequenz nur lauten, daß sich der Bund zunehmend, in angemessenen Schritten, aber konsequent aus den nicht staatspolitisch wichtigen Beteiligungen zurückzieht. ({13}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, bisher habe ich nur Beispiele vorgetragen, bei denen der Bundeshaushalt auf der Verliererseite stand. Das ist in der überwiegenden Zahl der Prüfungsfälle auch so. In einem Fall hoffen wir im Rechnungsprüfungsausschuß und auch im Haushaltsausschuß die Einnahmeseite verbessern zu können, Herr Vorsitzender des Ausschusses. ({14}) Der Bundesrechnungshof hat den Bundesminister der Finanzen auf negative Entwicklungen und regionale Unterschiede bei der steuerlichen Betriebsprüfung, insbesondere bei der Prüfung der Kreditinstitute im Frankfurter Bereich, hingewiesen. Ich will nicht danach fragen, wie viele Steuereinnahmen dem Bund und den Ländern - wie man so schön sagt - „durch die Lappen" gegangen sind. ({15}) Der hessische Finanzminister soll aber inzwischen zugesagt haben, für einen regelmäßigen Turnus der Betriebsprüfung Sorge zu tragen. ({16}) Ich hoffe, daß wir bei diesen Betriebsprüfungen ein gutes Ergebnis erreichen und sage: Auf denn! Bei soviel Hoffnung stimmt die CDU/CSU-Fraktion der Entlastung der Regierung für 1982 zu. ({17})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Kühbacher.

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ob die SPD der Entlastung dieser jetzigen Bundesregierung zustimmt, muß man sich sehr überlegen. Wenn ich die Präsenz der Regierung hier auf der Bank sehe, Herr Präsident, dann frage ich mich wirklich ({0}) - nun schimpfen Sie nicht dazwischen, Kollege Strube -, ob es angemessen ist - wenn man bedenkt, daß wir im Rechnungsprüfungsausschuß, ohne Vorbereitungszeit gerechnet sechzig bis hundert Stunden gearbeitet haben -, daß nicht einmal die Parlamentarischen Staatssekretäre, die doch gut dotiert werden, anwesend sind. - Herr Rawe, ich erwähne Sie als lobendes Beispiel in der Riege, die hier gemeint ist. - Herr Präsident ich erspare Ihnen das nicht - und ich wäre Ihnen dankbar, wenn einmal Gespräche darüber geführt würden -: Es wird das Auswärtige Amt beanstandet: niemand da; das BMI: niemand da; ({1}) BMF: Herzlichen Dank für Ihre Anwesenheit!; Bundesministerium für Wirtschaft: nicht anwesend; ({2}) Bundesministerium für Landwirtschaft: nicht anwesend; Bundesministerium für Arbeit: nicht anwesend; Bundesminister für Verkehr: nicht anwesend. ({3}) - Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. - Jetzt kann ich das fortsetzen. Außer dem Staatssekretär Rawe, dessen Haus beanstandet wurde, ist niemand anwesend. - Herr Staatssekretär Hennig, zu Ihrem Haus gibt es überhaupt keine Bemerkungen, ({4}) aber Sie sind trotzdem anwesend. Das finde ich schon außerordentlich. ({5}) Damit es klar wird: Hier wird eine Entlastung einer Bundesregierung beredet, um daraus Erfahrungen für die Zukunft zu sammeln, Herr Kollege von Hammerstein. Denn hier heißt es - das wird heute beschlossen -: ... Die Bundesminister werden ersucht, die Beanstandungen der Handlungsweise einzelner Bediensteter diesen zur künftigen Beachtung zur Kenntnis zu bringen und die Durchführung der gebotenen Maßnahmen unter Beachtung der Einzelbemerkungen des Haushaltsausschusses ... zu überwachen. Diese Damen und Herren haben es nicht einmal nötig, hierher zu kommen. Ich finde das nicht in Ordnung, und wir sollten uns überlegen, ob wir uns diesen Stil gefallen lassen. ({6}) - Wenn Sie weiter Zwischenfragen stellen, dann werden wir die Entlastung auch gar nicht vornehmen, denn wir sind hier im Moment in der Mehrheit, damit das auch klar ist. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, gestatten Sie denn die Zwischenfragen der Abgeordneten Bohl und Dr. Riedl sowie des Abgeordneten Esters?

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielleicht stellen Sie alle drei Zwischenfragen hintereinander, dann beantworte ich sie zusammen. - Es wird ja nicht auf die Redezeit angerechnet?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Nein. - Herr Abgeordneter Bohl.

Friedrich Bohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000230, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie mir erklären, wieso bei der Entlastung für den Bundeshaushalt 1982 die bis zum 1. Oktober 1982 amtierenden Bundesminister der SPD nicht anwesend sind? ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Dr. Riedl.

Dr. Erich Riedl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001843, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Kühbacher, ich darf die ausgezeichnete Zwischenfrage meines Kollegen Bohl wiederholen und Sie fragen, ob Sie mir vielleicht erklären können, wie viele Mitglieder Ihrer Bundesregierung - ehrenwerte SPD-Bundesminister, Parlamentarische Staatssekretäre -, die zu entlasten sind, heute durch Abwesenheit glänzen, und können Sie mir vielleicht erklären, ob der Grund für ihre Anwesenheit das schlechte Gewissen wegen ihrer schlechten Politik ist? ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter Esters.

Helmut Esters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kühbacher, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß zur Erteilung der Entlastung für das Haushaltsjahr 1982 der damalige Bundesminister der Verteidigung anwesend ist, daß der bis Mai 1982 amtierende Bundesminister der Finanzen anwesend ist, daß der ab Mai amtierende Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen anwesend ist und auch der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär Zander! ({0}) Wenn Sie dann auf die Regierungsbank sehen, Herr Kollege Kühbacher, dann werden Sie feststellen, daß die damalige Regierung besser vertreten ist als die jetzige, denn dort sitzen nur Parlamentarische Staatssekretäre. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, Sie nehmen dem Abgeordneten Kühbacher gleich die Antwort weg. - Herr Abgeordneter, gestatten Sie auch noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walther?

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr gern.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Dann können wir das alles in einem Aufwasch machen.

Rudi Walther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kühbacher, wären Sie so freundlich, dem Kollegen Bohl - der das ja nicht wissen kann - Aufklärung darüber zu geben -

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, Dreiecksfragen sind nicht zulässig. ({0})

Rudi Walther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich formuliere es anders, Herr Präsident. Ich bin das zwar anders gewohnt, aber wenn Sie das so auslegen, dann beuge ich mich dem natürlich. - Herr Kollege Kühbacher, wären Sie bereit, dem Haus bekanntzugeben - all denjenigen, die es nicht wissen können, weil sie nicht an den Beratungen des Ausschusses teilgenommen haben -, daß sich die Bemerkungen zum Haushalt 1982 nicht nur auf Vorgänge des Jahres 1982 beziehen, sondern auf solche, die sich bis in das Jahr 1984 hinein erstrecken? ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, nun haben Sie die Gelegenheit, die vier Fragen zu beantworten.

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich darf den vier stehenden Kollegen erklären, daß auf der Seite der SPD natürlich mehr ehemalige Minister und frühere und mögliche neue Parlamentarische Staatssekretäre anwesend sind. ({0}) Aber zur Sache. Natürlich haben wir im Rechnungsprüfungsausschuß nicht über die Entlastung von SPD-Ministern oder CDU-Ministern zu beraten, sondern wir haben die Folgerungen aus dem Fehlverhalten von Verwaltungen zu ziehen. Die Minister und Staatssekretäre wechseln, aber die Verwaltung bleibt. Das habe ich hier schon einmal ausgeführt. Nur, worum es dem Parlament geht: Das muß von den politisch Verantwortlichen doch hier wenigstens aufgenommen werden. Vielleicht sollte ich die Kritik gleich in diese Richtung erstrecken: Neben den Ministern und neben den Parlamentarischen Staatssekretären gibt es in verschiedenen Häusern auch noch weitere Staatssekretäre, aber auch diese sind nicht anwesend. ({1}) Es ist zu beanstanden, wie sich die Bundesregierung insgesamt in dieser Frage dem Parlament gegenüber verhält. Das finde ich nicht angemessen. Das muß man doch einmal ausdrücken dürfen. ({2}) Nun will ich noch kurz einige Highlights zur Sprache bringen, um die es uns in den Beratungen des Rechnungsprüfungsausschusses gegangen ist, und zwar zum Thema Verpflichtungsermächtigungen, ein Kapitel, das, glaube ich, auf die Verwaltung insgesamt gesehen beim Finanzminister anzusiedeln ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Haushaltsrecht ein Instrument - Verpflichtungsermächtigung -, das es der Regierung erlaubt, im laufenden Jahr Verpflichtungen für das nächste und übernächste Jahr einzugehen. Der Rechnungshof und auch wir haben schon früher festgestellt, daß diese Verpflichtungsermächtigungen nicht ordentlich gebucht werden. Das führt dazu, daß am Ende eines Bestelljahres zumindest der Finanzminister nicht genau weiß, in welchem Maße die Häuser, die einzelnen Ressorts, ihre einzelnen Etats für das nächste Jahr bereits vorbelastet haben. Wir kommen dann zu sogenannten Überkippern. Das heißt, wir haben mehr Bestellungen, als es möglicherweise an Baransätzen im nächsten Jahr durch das Parlament zu bewilligen gilt. Dadurch werden wir im Parlament gezwungen, Bestellungen durch Geld abzudecken, das wir eigentlich gar nicht ausgeben wollten. Ich fordere den Finanzminister auf, durch Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung hier endgültig für eine klare Buchführung zu sorgen, wie man das von einem geordneten Staatswesen verlangen kann. ({3}) Im Verteidigungsbereich, im Entwicklungsbereich, Herr Staatssekretär Voss, liegt es dort im argen - das betrifft nicht Ihr Haus -, da muß etwas getan werden. Der zweite Themenbereich betrifft alle Ressorts und ist sicherlich für den Steuerzahler interessant. Wir haben beim Bund Kraftfahrer, die privatvertraglich beschäftigt sind. Der Rechnungshof hat bei einer Querschnittsprüfung festgestellt - in diesem Fall beim Bundesminister der Verteidigung -, daß sogenannte Bereitschaftsdienste durch Tarifvertrag so gestellt sind, daß diese Bereitschaftszeiten voll zu alimentieren sind. Das heißt, wenn man 24 Stunden Bereitschaftsdienst macht, bekommt man auch 24 Stunden bezahlt. So lautet der Tarifvertrag, das steht den Arbeitnehmern zu, und das ist ihnen nicht vorzuwerfen. Den Ministerien allerdings ist vorzuwerfen, wenn sie die Dienste so organisieren, daß in diesen 24 Stunden nur eine Stunde tatsächlich gefahren wird. Wenn die Arbeitsbelastung so ist, erwarte ich von den Ministerien, daß man, anstatt auf einen Fahrer zurückzugreifen, zum Telefon greift und notfalls ein Taxi benutzt. ({4}) Der Steuerzahler kann erwarten, daß wir, wenn wir 24 Stunden Arbeitszeit vergüten, nicht nur eine Stunde geleistet bekommen. Damit tue ich niemandem einen Tort an. Ich denke, das ist zu organisieren und zu klären. Ein weiterer Punkt, bei dem wir - Herr Präsident des Rechnungshofes, Sie sehen es uns nach - die Politik und die Wirkungsweise anders sehen als der Rechnungshof. Der Rechnungshof hat sicherlich zu Recht festgestellt, daß drei Musikcorps des Grenzschutzes, was die dienstlichen Einsätze angeht, durch eines zu ersetzen seien. Das ist aus der dienstlichen Sicht sicherlich so zu beurteilen. Das Parlament hat politisch entschieden, daß die Bundespolizei - Bundesgrenzschutz - neben dienstlichen Anlässen auch Werbeveranstaltungen durchzuführen hat. Die Polizei muß nicht immer nur mit dem Knüppel, sondern sie sollte den Bürgern auch mit Musik gegenübertreten. Wir haben das anders entschieden als Sie. ({5}) Ich habe ein weiteres Problem. Es ist nicht so gravierend, aber es betrifft die Vertragsgestaltung des gesamten öffentlichen Bereiches. Hierfür wäre der Bundeswirtschaftsminister der Ansprechpartner. Wir stellen fest, daß, wenn Dritte für die öffentliche Hand Selbstkostenpreise berechnen, Herr Staatssekretär Voss, diese Lieferanten in die Selbstkostenpreise die von ihnen zu zahlenden Steuern einrechnen; Umsatzsteuer, d'accord, aber häufig auch Gewerbeertragssteuer. ({6}) Bei der Prüfung durch den Rechnungshof ist festgestellt worden, daß viele solcher Firmen überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in jedem Jahr gewerbeertragssteuerpflichtig waren. Trotzdem sind die Rechnungen im nachhinein nicht korrigiert worden. Es kann doch nicht sein, daß die öffentliche Hand, daß wir als Steuerzahler an Private Gelder bezahlen, die diese Unternehmen unter der Überschrift „Unsere Steuerverpflichtung" uns auferlegen - vertraglich in Ordnung -, die sie aber gar nicht zu leisten haben. Ich erwarte von der Bundesregierung, daß sie die Vertragsbedingungen derart ändert, daß für den Fall, daß solche Ausgaben, also solche Steuern, nicht eingetreten sind, die Unternehmungen verpflichtet werden, diesen Betrag zurückzuzahlen und sich nicht so zu bereichern. Ich bedanke mich beim Rechnungshof für diesen Hinweis. Meine Damen und Herren, wir werden beim Thema Kokskohlenbeihilfe, Kohleförderung, Kohlesubvention noch eine vertiefte Diskussion nötig haben. Ich bedanke mich beim Rechnungshof, daß er hier einen Stein ins Wasser geworfen hat. Der Bundesminister für Wirtschaft und der Bundesminister der Finanzen waren bis heute nicht in der Lage, die aufgekommenen Fragen für den Rechnungsprüfungsausschuß, für den Haushaltsausschuß zweifelsfrei aufzuarbeiten. Wir haben eine Sonderprüfung und eine Sondersitzung für Anfang September zu diesem Themenbereich angesetzt. Es steht zu erwarten, daß dabei herauskommt, daß eine ganz erhebliche Summe - ich sage einmal nur so: unter dem Strich nennt der Rechnungshof 700 Millionen DM - möglicherweise zur Disposition steht. Wir werden das vertieft zu beraten haben. Hier sind einige Dinge, denen wir nachgehen müssen. Hier sind Automatismen eingetreten, die auf jeden Fall auf ihre Notwendigkeit und ihre Berechnungsart hin untersucht werden sollten. Bei Nachfragen hat man den Eindruck, daß wir gelegentlich öffentliche Hilfe zahlen, die der Strompreiskunde über den Strompreis ein weiteres Mal abzugelten hat, obwohl das Elektrizitätsversorgungsunternehmen diese Beträge bereits durch die öffentliche Hand erhalten hat. Dem müssen wir sicherlich nachgehen und das untersuchen. Ich komme zu einem weiteren Punkt, bei dem man glaubt, man liest nicht richtig. Wir haben den sogenannten Stabilisierungsfonds für Wein. Das ist eine Einrichtung, von der den produzierenden Winzern ein zusätzlicher Betrag abgefordert wird, um bestimmte Vermarktungsüberlegungen in Gang zu setzen. Das sind öffentliche Abgaben, die zu leisten sind. Die Geschäftsführer dieses Stabilisierungsfonds für Wein bekommen Gehälter, von denen man nur träumen kann. Darüber hinaus haben sie andere Privilegien, von denen man ebenfalls nur träumen kann. ({7}) Das, was uns daran stört, ist, daß der Bundesminister für Landwirtschaft die Auffassung vertreten hat: Na j a, die regeln doch ihre eigenen Angelegenheiten; da haben wir überhaupt nicht reinzureden. Also, was ich der Bundesregierung zu sagen habe: Wenn die Winzer öffentliche Abgaben zu zahlen haben, dann haben sich die Geschäftsführer des Fonds an dem Finanzgebaren der öffentlichen Hand zu orientieren. ({8}) Es sollten dort nicht Staatssekretärsgehälter gezahlt werden. Denn es ist das Geld der Winzer, das dort verwaltet wird, und die haben den gleichen Anspruch wie jeder andere Steuerzahler auch. Ich wäre dankbar, wenn das durchgesetzt werden könnte. Ein weiterer Punkt, der mir am Herzen liegt, betrifft die Hauptstadt Bonn. Meine Damen und Herren, wir haben einen Vertrag mit der Stadt Bonn, und der Rechnungshof hat diesen Vertrag mit der Stadt Bonn einmal auf Vertragserfüllung abgeklopft. Wir stellen fest, daß die Stadt Bonn die Annehmlichkeiten des Vertrages sehr gern in Anspruch nimmt, nämlich das Geld des Bundes. Wenn es aber um die Kontrolle der Gelder geht, wenn die Bundesregierung nachfragt, ob die Gelder effizient verwendet worden sind, dann werden die Bücher plötzlich wieder geschlossen. ({9}) Herr Staatssekretär, meine Bitte wäre, daß Ihre Beamten, die in den Aufsichtsgremien der Stadt Bonn mit tätig sind - das sind Beamte aus dem Finanzministerium -, ihrer Aufgabe auch tatsächlich nachkommen. Ich sage es jetzt einmal ein bißchen bissig: Wenn man Theater kontrolliert, kann man das sicherlich nicht nur von der Zuschauerbank aus machen, sondern man muß vielleicht auch einmal hinter die Kulissen gucken. ({10}) Meine Bitte wäre, daß hier einmal nachgeschaut wird. Der Haushaltsausschuß hat sich vorbehalten, den nächsten Vertrag mit der Stadt Bonn vorher vorgelegt zu bekommen. Denn hier gehen erhebliche Beträge in einen Bereich hinein, von dem wir glauben, daß er nicht ausreichend kontrolliert wird. Mein letzter Punkt, Herr Staatssekretär Rawe, betrifft die Deutsche Bundespost. Wir, der Haushaltsausschuß, fordern Sie auf, auf dem Wege der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit - z. B. auch beim Postgirodienst, der in Konkurrenz zu entsprechenden Bankendiensten steht - weiterhin fortzuschreiten; Sie sind da auf einem vernünftigen Weg. Aber wir stellen auch fest, Herr Staatssekretär, daß Ihre Verwaltung manchmal dabei ist, über das Ziel hinauszuschießen, wenn es um die ZentralisieKühbacher rung bestimmter Dienstleistungen geht. Wenn schon bei Mittelbehörden zentralisiert wird, dann sollte man - wir werden das hier heute beschließen und bitten Sie, das dann auch umzusetzen - nicht in die Ballungszentren hineingehen, in denen Arbeitsplätze ohnehin in großer Zahl vorhanden sind. Vielmehr sollte man dann in strukturschwache Räume gehen, z. B. in das Zonenrandgebiet. Das ist der richtige Weg, nicht aber der, in ohnehin strukturschwachen Gebieten Arbeitsplätze abzuziehen. ({11}) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, obwohl die SPD hier in der Mehrheit ist und Sie in große Schwierigkeiten bringen könnte, ({12}) stimmen wir der Entlastung der alten SPD-Regierung und der neuen Regierung zu. ({13})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, da mir weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, schließe ich die Aussprache. Zum Tagesordnungspunkt 3 a schlägt der Ältestenrat vor, den Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes auf Drucksache 10/3304 an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 3 b, den Entwurf eines Bundesrechnungshofgesetzes auf den Drucksachen 10/3204 und 10/3323. Ich rufe zunächst die §§ 1 bis 24, Einleitung und Überschrift mit der vom Ausschuß empfohlenen Änderung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen. Wir treten nun in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist das Gesetz in der vorliegenden Form angenommen. Ich komme zu Tagesordnungspunkt 3 c, den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Bundesrechnungshofgesetzes auf Drucksache 10/2929. Der Ausschuß schlägt auf Drucksache 10/ 3510 unter Nr. 2 der Beschlußempfehlung vor, diesen Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 3 d. Wer der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 10/3509 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a und b auf: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Jens, Rapp ({1}), Bachmaier, Curdt, Müller ({2}), Frau Odendahl, Oostergetelo, Stiegler, Frau Weyel, Dr. Wieczorek, Wolfram ({3}), Stahl ({4}), Dr. Kübler, Huonker und der Fraktion der SPD Förderung von Existenzgründungen - Drucksachen 10/2275, 10/3121 - Berichterstatter: Abgeordneter Uldall b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({5}) zu dem Antrag der Abgeordneten Uldall, Dr. Faltlhauser, Wissmann, Hauser ({6}), Doss, Engelsberger, Hinrichs, Dr. Lippold, Kittelmann, Kraus, Dr. Kronenberg, Dr. Lammert, Landré, Lattmann, Müller ({7}), Niegel, Dr. Schwörer, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Unland, Gerstein, Haungs, Hinsken, Maaß, Ruf, Jung ({8}), Dr. Jobst, Eylmann, Schwarz, Frau Fischer, Frau Roitzsch ({9}), Dr. Müller, Dr. Hoffacker, Dr. Becker ({10}), Clemens, von Hammerstein, Dr. Götz, Carstensen ({11}), Hornung, Linsmeier, Seesing, Fischer ({12}), Dr. Olderog, Dr. Bugl, Magin, Milz, Strube, Rode ({13}), Pesch, Dr. Voigt ({14}), Bühler ({15}), Frau Dr. Wisniewski, Bohl, Wilz, Schartz ({16}), Schneider ({17}), Lintner, Böhm ({18}), Stockhausen, Frau Geiger, Nelle, Jagoda, Frau Dempwolf, Dr. Czaja, Herkenrath, Louven, Kolb, Frau Dr. Hellwig, Zink, Freiherr von Schorlemer und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Graf Lambsdorff, Dr. Haussmann, Beckmann, Grünbeck, Gattermann, Dr. Solms, Dr. Weng, Wurbs, Dr.-Ing. Laermann, Cronenberg ({19}) und der Fraktion der FDP Eigenkapitalhilfeprogramm und Ansparförderprogramm - Drucksachen 10/2549, 10/3134 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jens Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b und eine Aussprache von 60 Minuten vorgesehen. - Wiederspruch gegen diesen Vorschlag des Ältestenrates ergibt sich nicht. Damit ist das beschlossen. Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Uldall.

Gunnar Uldall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ziel der Bundesregierung ist es, daß durch eine langfristige Verbesserung der Rahmen11024 daten die wirtschaftliche Entwicklung so verbessert wird, daß die Beschäftigung bei uns in der Bundesrepublik wieder steigt. Einer der wichtigsten Eckpunkte dieser Rahmendaten ist die Stärkung der privaten Initiative und die Stärkung des privaten Sektors schlechthin. Damit unterscheiden wir uns grundsätzlich von der alten SPD-Regierung, die das Heil vor allen Dingen in einer ständigen Ausweitung des Staatsanteils sah. Wir haben auf diesem Weg zur Verringerung des staatlichen Einflusses bereits viel erreicht. Wir haben vor allen Dingen erreicht, daß die Ausgaben des Staates langsamer steigen, als die Wirtschaft insgesamt wächst. Wir haben erreicht, daß die Steuern durch das Steuerentlastungsgesetz 1984 und durch das Steuerentlastungsgesetz 1986/88 deutlich reduziert werden. Eine weitere Maßnahme zur Verringerung des staatlichen Einflusses ist die Beseitigung des Bürokratiegestrüpps. In diesem Zusammenhang der Verbesserung der Eckdaten unserer Wirtschaft muß man auch unseren Antrag zur Einführung des Existenzgründungssparens sehen. Wir wollen die Arbeitnehmer ermutigen, den Weg in die Selbständigkeit zu gehen und Unternehmer zu werden. Je mehr selbständige Unternehmer bei uns in der Bundesrepublik tätig sind und am Wirtschaftsprozeß teilnehmen, desto flexibler und erfolgreicher wird unsere Wirtschaft auf die Herausforderungen reagieren. ({0}) Die Politik der Bundesregierung und das gestiegene Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes finden ihren Niederschlag in dem sprunghaften Anstieg der vom Staat geförderten Unternehmensgründungen. Von 1982 auf 1984 stiegen die Förderungen im Rahmen des ERP-Programms von 12 000 auf 16 000 Unternehmen, d. h. um 33 %. In demselben Zeitraum stiegen die Förderungen durch das Eigenkapitalhilfeprogramm von etwa 3 000 auf 10 000. Sie haben sich also fast verdreifacht. Es ist eben eine erfolgreiche Mittelstandspolitik, die wir betreiben. Es ist zugleich ein erfolgreicher Beitrag für unseren Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik. Seit 1982 haben die Unternehmen, die durch die Bundesregierung gefördert wurden, eine Viertelmillion neue Arbeitsplätze geschaffen. Man sieht also auch hier wiederum, daß die Belebung der Marktwirtschaft Belebung des Arbeitsmarkts und Politik für den Arbeitnehmer bedeutet. Dauerhafte Arbeitsplätze werden nur dann geschaffen, wenn Unternehmer die Initiative dazu ergreifen. Unsere Wirtschaftspolitik muß deswegen alles tun, um die Unternehmer zu ermutigen. Das Beispiel der USA, des Landes mit der größten Steigerung der Arbeitsplatzzahlen in den letzten zehn Jahren, zeigt, daß die neuen Arbeitsplätze vor allen Dingen im mittelständischen Bereich und im Dienstleistungssektor entstehen, und genau auf diese Gruppe, auf den Mittelstand und auf den Dienstleistungssektor, zielt unser vorliegendes Programm ab. Deswegen können wir jetzt schon sagen, daß dieses neue Programm zur Existenzgründungsförderung einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigungsförderung bei uns in der Bundesrepublik leisten wird. Unser Existenzgründungssparen richtet sich an alle Handwerker, die nach Beendigung des Meisterkurses einen eigenen Handwerksbetrieb eröffnen wollen. Es richtet sich an die Verkäufer, die später einmal einen eigenen Laden aufbauen wollen. Es richtet sich an die Ingenieure, die später einen Fertigungsbetrieb eröffnen wollen. Unser Ziel ist es, daß sich all die Genannten langfristig auf ihren Schritt in die Selbständigkeit vorbereiten, denn je sorgfältiger eine Existenzgründung vorbereitet wird, je mehr sich der zukünftige Unternehmer auf seine neue Rolle vorbereitet, um so größer sind seine Aussichten, daß seine Neugründung auch ein Erfolg wird. Wir belohnen diese Vorbereitung und diese Ansparzeit mit einer Prämie von 20 % auf den Betrag, den der junge Unternehmer angespart hat, maximal mit 10 000 DM. Das bedeutet für den jungen Mann oder die junge Frau, die sich selbständig machen, daß sich dann, wenn z. B. über einen Zeitraum von sieben Jahren jeden Monat 400 DM angespart werden, mit der Prämie und mit den aufgelaufenen Zinsen ein Betrag von 50 000 DM angesammelt haben wird. Da kann man natürlich sagen: Das ist nicht viel. Wenn man es aber mit dem vergleicht, was heute bei der Neugründung eines Unternehmens zur Verfügung steht, so kann man sagen, daß in Zukunft bei der Neugründung eines Unternehmens an Eigenkapital 50 bis 100 % mehr als heute zur Verfügung stehen wird. Nach den lobenden Worten für unseren eigenen Antrag möchte ich nun zum Antrag der SPD kritisch einiges sagen. Herr Jens, wir freuen uns natürlich darüber, daß auch die Sozialdemokraten erkennen, daß das freie Unternehmertum notwendig ist, um die Beschäftigungssituation in der Bundesrepublik zu verbessern. Aber besser, als einen Antrag vorzulegen, wäre es, wenn die Sozialdemokraten einen Stopp in der Verteufelung der Unternehmer herbeiführen würden. Wenn Sie das tun würden, Herr Jens, würden Sie damit einen größeren Beitrag zur Belebung der Marktwirtschaft leisten als mit Ihrem Antrag. Denn dieser Antrag weist doch einige kritische Punkte auf, die auf keinen Fall so verabschiedet werden dürfen. Dazu gehört vor allen Dingen die Bindung des Darlehens, das Sie vorschlagen, an die Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze. ({1}) Dies darf auf keinen Fall gekoppelt werden, denn wir wollen ja gerade in der kritischen Anfangsphase eines neugegründeten Unternehmens erreichen, daß neue Arbeitskräfte eingestellt werden. Wenn der junge Unternehmer erwarten muß, daß ihm eine Darlehenskündigung für den Fall droht, daß er die Beschäftigung in seinem Betrieb nicht auf Dauer aufrechterhalten kann, wird er im Zweifelsfall erst gar keine neuen Arbeitskräfte einstellen. Deswegen müssen wir Ihren Vorschlag, Herr Jens, in dieser Form ablehnen. Er darf nicht so akzeptiert werden, weil er kontraproduktiv wirken würde. Unser Programm wird ohne bürokratischen Aufwand realisiert werden. Das Verfahren, das wir vorgeschlagen haben, ist ein sehr einfaches. Bereits am 1. August dieses Jahres wird das Programm in Kraft gesetzt werden können. Mit dem Eigenkapitalhilfeprogramm, mit den ERP-Darlehen und jetzt mit unserem Existenzgründungssparen verfügen wir dann über ein abgerundetes und in sich abgestimmtes Instrumentarium zur Förderung der Unternehmen. Ich rufe deswegen alle jungen Leute, alle Arbeitnehmer in der Bundesrepublik auf, die Chance, die ihnen durch dieses Instrumentarium geboten wird, zu nutzen, und zwar zu ihrem eigenen Vorteil und zur Verbesserung der Beschäftigungssituation in der Bundesrepublik. Vielen Dank. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Uldall, dieser Vorwurf, wir verteufelten die Unternehmer - ich finde, der ist völlig unangebracht; er ist auch geradezu absurd. ({0}) Wir predigen ununterbrochen, wir brauchten im Grunde mehr und bessere Unternehmer. Hätten wir doch nur Unternehmer, wie sie Joseph Schumpeter beschrieben hat, dann sähe es in unserer Wirtschaft in der Tat ein bißchen besser aus. Also, hören Sie damit auf! Wir stimmen ja auch der Beschlußempfehlung und dem Bericht des Wirtschaftsausschusses auf Drucksache 10/3134 zu. Wir haben uns hier zusammengerauft, und das ist im Grunde eine positive Sache. Darüber sollte man dann sehr sachlich und objektiv sprechen. ({1}) Ich meine, mit dieser Ansparförderung, die wir hier heute akzeptieren, wird unser Eigenkapitalhilfeprogramm, das wir während der sozialliberalen Koalition eingeführt hatten, auf vernünftige Art und Weise ergänzt. Mit dem Eigenkapitalhilfeprogramm fördern wir die, die sich kurzfristig, ad hoc, entscheiden, sich selbständig zu machen; mit der Ansparförderung schaffen wir eine Voraussetzung dafür, daß ein bißchen Eigenkapital vorhanden ist für jene, die es langfristig planen. Davon sind vor allem Handwerksmeister betroffen, und das ergänzt sich sehr gut. Wir Sozialdemokraten bedauern allerdings, daß die Regierungskoalition in den drei wichtigen Punkten, von denen Sie eben schon gesprochen hatten, unserem Antrag nicht folgen konnte. Es wäre sinnvoll gewesen, wenn die freien Berufe mit einbezogen worden wären. Ärzte, Ingenieure, Architekten haben, wenn sie sich selbständig machen, heutzutage große Summen zu investieren. Da wäre eine derartige Hilfe einfach angebracht. Wir werden dies auch in Zukunft fordern. Ich glaube, es wäre auch sinnvoll gewesen, wenn Sie akzeptiert hätten, daß für die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze eine Bürgschaft zur Verfügung gestellt worden wäre. Es geht ja nur um eine Bürgschaft. Bitte, verbreiten Sie keine Legenden! Dies hätte die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen angeregt, und das ist heutzutage unser Problem Nummer eins. Ich meine auch, die Verdoppelung der Sparsumme - nicht der Prämie - für Forschung und Technologie wäre ebenfalls sinnvoll. Das paßte genau in unsere Landschaft. Wir wollen zukunftsträchtige Entwicklungen anstoßen. Wir bedauern, daß die Regierungskoalition diesen weitergehenden Vorstellungen der SPD mit etwas fadenscheinigen Argumenten nicht folgen konnten. Ich sage hier: Wenn wir in diesem Land die Regierungsverantwortung wieder übernehmen, dann werden wir diese Forderungen wieder im Plenum behandeln und sie verwirklichen. Für eine sinnvolle Gestaltung der Existenzgründungshilfe wäre es allerdings noch wichtig, daß wir aufpassen, daß die Förderungspräferenzen bei verschiedenen Hilfen sinnvoll aufeinander abgestimmt werden, ({2}) daß wir aufpassen, daß es keine Fehlentwicklungen gibt und vor allem keine Mitnahmeeffekte, ({3}) und daß wir nach Prüfung ständig bereit sind, diese Fehlentwicklungen und Mitnahmeeffekte zu beseitigen. Schließlich ist es - so glaube ich - wichtig, daß wir bei der ganzen Existenzgründungsförderung dafür sorgen, daß Bund, Länder und Gemeinden ihre Maßnahmen miteinander koordinieren. ({4}) Hier gibt es in der Tat Koordinierungsbedarf. Und ich glaube, wenn das überhaupt von den Bürgern angenommen werden soll, dann muß das alles der Öffentlichkeit verständlich dargestellt werden. ({5}) Diese Existenzgründungshilfen wirken nämlich zweifellos verführerisch. Die neuen jungen Unternehmer müßten mehr als bisher auch - so glaube ich - auf die Marktentwicklung achten ({6}) und ihre Produkte und ihre Dienstleistungen im Auge behalten. Nach Aussagen der Creditreform sind heutzutage 10% der Neugründungen schon betrügerische Neugründungen, vor allem in der Form einer GmbH. Auch da müssen wir, so glaube ich, aufpassen, daß das nicht noch zunimmt. Ich meine, grundsätzlich haben wir hiermit die Förderung neuer Existenzen auf eine gute Grundlage gestellt. Ich glaube, in Zukunft muß das Augenmerk der mittelständischen Politik - von unserer Seite aus auf alle Fälle - verstärkt denen gelten, die bereits im Markt sind. Für Existenzgründungen wird in der Tat genug getan, aber für die, die im Markt sind, kann man sehr wohl noch ein bißchen mehr tun. Insbesondere müssen wir in unserer Situation leider feststellen; unzureichende wirtschaftliche Entwicklung macht den im Markt Befindlichen das Leben besonders schwer. Der Sachverständigenrat hat gerade vorgestern in seinem Sondergutachten auf die Fehlentwicklungen auf merksam gemacht. Er stellt fest, daß diese Regierung nicht den Eindruck erweckt, als verfolge sie gegenwärtig unbeirrt ein glaubwürdiges Konzept zur Kräftigung des Wachstums und zur Verminderung der Arbeitslosigkeit. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist verpflichtet, das Ziel des § 1 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes zu verfolgen. Ich stelle leider fest, sie tut es nicht. Mit Appellen an die Unternehmer, sie mögen doch bitte sehr mehr einstellen, ist das Problem nicht zu lösen. Die Unternehmer sind aus meiner Sicht sehr rational handelnde Menschen, und wenn die Bedingungen nicht so sind, dann stellen sie auch keinen zusätzlich ein; und die Bedingungen sind nicht so. ({7}) Es fehlt ganz zweifellos an Nachfrage. Wenn ein Unternehmer seine Produkte, die er produziert, nicht verkaufen kann, dann kann man noch so viel reden, dann kann Herr Stoltenberg und kann Herr Blüm noch so viele schöne Worte finden; aber dann wird nichts zusätzlich getan, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Der Export ist zur Zeit zwar eine tragende Säule unserer wirtschaftlichen Entwicklung; aber ich meine, hier könnten sehr wohl die Attachés oder aber auch die Botschaften etwas mehr tun, um gerade kleinen und mittleren Unternehmen bei der Akquirierung von Exportaufträgen zu helfen. ({8}) Ich meine auch, daß die private Nachfrage belebt werden muß. Sie ist im ersten Quartal dieses Jahres um 0,6 % gegenüber dem Vergleichszeitraum im vergangenen Jahr gesunken. Das macht ganz zweifellos den Einzelhändlern, aber auch den Handwerkern, das Leben besonders schwer. Im Handwerk hatten wir einen Umsatzrückgang von 5,1 % im ersten Quartal zu verzeichnen. Alles führt dazu, daß das Jahr 1985 nun wieder ein neues Rekordjahr zu werden scheint, und zwar, meine Damen und Herren, ein Rekordjahr wieder an Unternehmenszusammenbrüchen. Das ist eine bedauerliche Entwicklung. ({9}) Ich glaube z. B., wir müssen alle gemeinsam darauf achten, daß die Lohnnebenkosten nicht mehr steigen, sondern endlich sinken; ({10}) Denn die Höhe der Lohnnebenkosten führt dazu, daß die Schattenwirtschaft beständig zunimmt. ({11}) Das ist ganz selbstverständlich in einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Aber leider, Herr Gattermann, sind jetzt die Rentenversicherungsbeiträge auf 19,2 % gestiegen und haben damit die höchste Ziffer erreicht, die wir je erreicht haben. Also das ist keine Heldentat. Ich glaube auch, daß die Unternehmer steuerlich benachteiligt werden, und zwar bei der Verwendung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital gibt es eine erhebliche Benachteiligung der Unternehmer. Es ist außerdem ein Unfug, daß Anlagen in Finanzkapital steuerlich günstiger gestellt sind als Mittel, die im Unternehmen investiert werden. ({12}) Ein ausgemachter Unfug ist das, meine Damen und Herren. ({13}) Ich füge ferner hinzu, die Insolvenzrechtsreform wäre im übrigen längst überfällig. Wir brauchen dringend ein Reorganisationsverfahren, um zu versuchen, Unternehmen und damit Arbeitsplätze im Insolvenzfall zu schützen und zu bewahren. Wir sind, meine Damen und Herren, der Ansicht, daß es immer noch erhebliche Nachteile für kleine und mittlere gegenüber den großen Unternehmen im Markt gibt. Wir sind nicht der Meinung, daß wir eine Schutzzaunpolitik für die Kleinen und Mittleren brauchen. Das wäre völlig verfehlt. Die Kleinen und Mittleren wollen das im Grunde auch gar nicht. Aber wir müssen mehr tun, um die Nachteile, die sie gegenüber den Großen haben, auszugleichen. Wenn wir das beachten, meine Damen und Herren, dann haben diese Unternehmen eine große Zukunftschance. Das ist meine feste Überzeugung. Ihr eigentliches Kapital sind auch nicht die finanziellen Ressourcen, ist nicht die Marktmacht, die Große manchmal haben. Das wichtigste Kapital dieser Selbständigen ist das technische und ökonomische Wissen, das persönliche Können, das Engagement, die Beweglichkeit und die persönliche Leistungsbereitschaft. Deshalb brauchen wir auch möglichst viele kleine und mittlere Unternehmen. Die Sicherung und Stärkung einer leistungsfähigen mittelständischen Schicht ist und bleibt ein zentrales Anliegen sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik. Ich danke Ihnen. ({14})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Debatte kommen wir zu dem positiven und erfreulichen Ergebnis, daß wir gemeinsam im Chor singen, daß wir die gleiche SpraDr. Solms che sprechen. Das ist für uns quasi ein ganz neues SPD-Gefühl, das Sie hier verbreiten, Herr Dr. Jens. ({0}) Der Kollege Rapp wird sich wahrscheinlich dem Chor anschließen. Das sind aber nicht die Politik und die Aussage, die die SPD in ihrer Gesamtheit landauf landab verbreitet, es sei denn, sie würde sich weiterentwickeln. Wir freuen uns. Jeder kann dazulernen. Dann werden wir in der Zukunft eine gemeinsame Politik von allen Parteien in diesem Hause mit Ausnahme der Fraktion DIE GRÜNEN durchführen können. ({1}) Wir Freien Demokraten begrüßen, daß es gelungen ist, das Eigenkapitalhilfeprogramm bis 1987 zunächst einmal fortzuschreiben und zu finanzieren. Wir begrüßen darüber hinaus, daß das Ansparförderprogramm als Ergänzung dazugestellt worden ist, nicht um es zu ersetzen, sondern um es zu ergänzen. Das sage ich auch in die Zukunft gerichtet: Es kann nur eine Ergänzung sein. Wir glauben, daß damit wesentliche Schritte getan werden, um die Rahmenbedingungen für den Einstieg in die Selbständigkeit, die Gründung von neuen Unternehmen zu verbessern. Wir bedauern dabei, wie alle Vorredner ebenfalls, daß bis jetzt und zu diesem Zeitpunkt die freien Berufe nicht einbezogen werden konnten, und zwar aus fiskalischen Gründen, ganz offen gesagt. Aber was heute nicht ist, kann vielleicht in einem anderen Jahr in der Zukunft noch dazukommen. ({2}) Grundanliegen dieses Antrages ist es, die Initialzündung zu geben, damit mehr Menschen das Risiko eingehen, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Dies muß man vor dem Hintergrund der Gesamtbeschäftigtenzahlen und der Gesamtzahl der Selbständigen in der Bundesrepublik sehen. Die Bedeutung der kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Bundesrepublik ist überhaupt nicht zu überschätzen. 60 % aller Arbeitnehmer in der Bundesrepublik sind in Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern beschäftigt. 80 % aller Ausbildungsplätze in der Bundesrepublik werden in solchen kleinen und mittleren Unternehmen zur Verfügung gestellt. Das allein zeigt, daß die Beschäftigung nur verbessert werden kann, wenn gerade im Bereich des Mittelstandes und der kleinen Unternehmen, die flexibler, risikobereiter sind und sich schneller und besser auf die Marktbedingungen, die sich wandeln, einstellen, die Bedingungen gegenüber Großunternehmen verbessert werden. Wenn Sie die Entwicklung der Beschäftigtenzahl im Vergleich zu den Vereinigten Staaten untersuchen - ein Vergleich, der in den letzten Wochen und Monaten oft gezogen wurde -, kommen Sie zu dem Ergebnis, daß in den Vereinigten Staaten seit Anfang der 70er Jahre mehr als 25 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Von diesen 25 Millionen neuen Arbeitsplätzen sind etwa 80% in kleinen und neu entstandenen Unternehmen geschaffen worden und nur ein kleiner Teil in den großen Unternehmen. Genau die gleiche Entwicklung können wir auch hier nur auslösen und erwarten. In der Bundesrepublik ist aber seit etwa 1972 die Zahl der Arbeitsplätze um über 1 Million zurückgegangen. Erst seit Mitte letzten Jahres ist die absolute Zahl der Arbeitsplätze wieder im Steigen begriffen. Das heißt, erst 1984 konnte dieser Trend gebrochen werden - ein volkswirtschaftlich ungeheuer wichtiges Datum. Daß dies noch nicht auf die allgemeine Arbeitsplatzsituation durchschlägt, ist klar. ({3}) Die Arbeitslosenzahl ist immer ein Spätindikator. Das weiß jeder, der sich mit diesen Problemen schon länger beschäftigt. Es ist also ein direkter Zusammenhang festzustellen zwischen kleinen und jungen Unternehmen und den Chancen Unternehmen zu gründen einerseits, und der Leistungskraft der Wirtschaft in der Zukunft auf der anderen Seite. Meine Damen und Herren, Herr Kollege Jens hat vorhin die Zahl der Insolvenzen vorgetragen, die wieder ansteigt. Ich gebe das völlig zu. Sie hatten kürzlich in einer Debatte gesagt, 1984 seien die Insolvenzen auf 16 700 gestiegen. Das ist nicht richtig. Die unternehmerischen Insolvenzen haben etwa rund 12 000 betragen. Darüber hinaus waren es private Insolvenzen, insbesondere in Nachlaßverfahren. Aber trotzdem: Auch diese Zahl ist zu hoch. Sie alleine sagt jedoch noch nichts aus. Man muß sie ins Verhältnis setzen zu den neu geschaffenen, neu entstandenen, neu gegründeten Unternehmen. Diese Zahl ist im Jahre 1984 mit 46 300 eben erheblich stärker gestiegen. Das ist eine Aussage des Verbandes der Vereine „Creditreform". Das heißt also, die Zahl der neugegründeten Unternehmen übersteigt bei weitem die Zahl der Insolvenzen. Auch wenn Sie einen Vergleich zwischen dem Wachstum der Gesamtzahl der Unternehmen und der Zahl der Unternehmen anstellen, die geschlossen werden, werden Sie feststellen, daß der positive Anteil überwiegt. Zu denken gibt aber, daß ein sehr hoher Prozentsatz dieser neugegründeten Unternehmen die Zeit von vier bis acht Jahren nicht überdauert, sondern dann wieder in Konkurs geht. 76 % aller insolventen Unternehmen geben in den ersten acht Jahren ihres Bestehens auf. Das heißt also, daß gerade die Anfangszeit für junge Unternehmen besonders problematisch ist, weil sie noch nicht in der Lage sind, Reserven zu bilden, weil sie sich auf dem Markt noch nicht haben etablieren können und deshalb den Risiken des Marktgeschehens noch besonders ausgesetzt sind. Um so wichtiger ist es, daß man in der Anordnung der Rahmenbedingungen etwas für diese Unternehmen tut, damit sie die ersten Problemjahre leichter überstehen können. Das ist der Ansatz, der in diesen Anträgen unternommen worden ist. Die Maßnahmen zur Förderung von Unternehmensneugründungen, wie das ERP-Existenzgründungsprogramm und das Eigenkapitalhilfeprogramm, geben eine Initialzündung. Insofern sind sie eine von uns positiv zu beurteilende Subvention, eine Subvention, die unterstützt werden muß. Bereits 1983 ist die Nachfrage nach den Gründungsprogrammen sprunghaft angestiegen. 1984 nahmen die Kreditbewegungen im Rahmen des Eigenkapitalhilfeprogramms nochmals um 30 % zu. Einen weiteren Beitrag zur Förderung von Unternehmensneugründungen wird die noch im August dieses Jahres anlaufende Ansparförderung leisten, über die wir heute diskutieren. Ein Erfolg der Programme läßt sich aber nicht nur daran ablesen, daß eine große Nachfrage nach ihnen besteht. Auch die Bonität der bewilligten Kredite hat sich als weit überdurchschnittlich erwiesen. Es ist ein bemerkenswertes Element, daß' diese Neugründungen, die durch das Eigenkapitalhilfeprogramm und die anderen Programme gefördert worden sind, nur ein sehr viel geringeres Maß an Insolvenzen erleben, als es im allgemeinen Bereich der Fall ist. ({4}) In den ersten vier Jahren ihres Bestehens sind nämlich nur 5% dieser Neugründungen insolvent geworden. Das heißt also, daß die Prüfung, die mit der Zurverfügungstellung der Förderung verbunden ist, einen positiven Effekt auslöst und diese Unternehmen damit für die Zukunft eben besser gewappnet sind. ({5}) Ich will noch zwei Bemerkungen zu den zusätzlichen Anträgen der SPD-Fraktion machen. Sie schlägt zum einen eine Verdoppelung der Ansparförderung auf 100 000 DM bei den begünstigten Sparleistungen für Existenzgründungen im Forschungs- und Entwicklungsbereich vor. Wir sehen hierin keineswegs eine geeignete Maßnahme zur Förderung des Strukturwandels, sondern vielmehr einen interventionistischen Eingriff in die zukünftige Unternehmensstruktur. Dies muß man natürlich vor dem Hintergrund sehen, daß es im Forschungs- und Entwicklungsbereich ohnehin eine Zahl von Programmen gibt, deren Unüberschaubarkeit für die Betroffenen dazu führt, daß gerade kleine Unternehmen sie nicht mehr nachfragen, weil sie nicht die Kapazität haben, sich mit diesen Programmen und den Programmprozeduren auseinanderzusetzen. Deshalb besteht eine Nachfrage nach den Programmen im Forschungs- und Entwicklungsbereich im wesentlichen bei der Großindustrie. Das Geld fließt dann in die Großindustrie, die eine Förderung in diesem Sinne eigentlich nicht mehr nötig hat. Deswegen lehnen wir die Verdoppelung ab. Darüber hinaus schlägt die SPD-Fraktion vor, die Förderung von Dauerarbeitsplätzen in der Gründungsphase eines Unternehmens zu unterstützen. Wir glauben, daß das nicht zu verantworten wäre. Es kommt zunächst darauf an, daß die Gründung als solche gefördert wird, daß das Unternehmen solide finanziert ist und sich mittel- und langfristig als lebensfähig und rentabel erweist. Verleitet man das Unternehmen schon in der Gründungsphase zu einem hohen Beschäftigungsstand mit hoher Bindungswirkung, so wird dies dazu führen, daß es kostenmäßig stärker belastet wird, als es eigentlich nach unternehmerischen Gesichtspunkten richtig wäre. Das wird die Anfälligkeit des Unternehmens gerade in den ersten Jahren erhöhen und nicht senken. Priorität haben alle Maßnahmen, die langfristig einen dauerhaften Erfolg erzielen. Das heißt, wir müssen heute Existenzgründungen fördern, damit diese neugegründeten Existenzen morgen sichere Arbeitsplätze anbieten können. Die FDP-Fraktion unterstützt diesen Antrag. Wir freuen uns, daß wir dabei auf allgemeine Zustimmung stoßen. Wenn Sie Unternehmerpersönlichkeiten finden wollen - und das sage ich zur SPD -, die bereit sind, in das Risiko zu gehen, ein Unternehmen zu gründen, dann müssen Sie nicht nur solche Angebote machen, sondern Sie müssen insgesamt das Klima dafür schaffen, Sie müssen Zuversicht, Sie müssen Optimismus verbreiten, damit die Leute bereit sind, diesen Sprung zu wagen. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, weil ich das gemacht habe, daß Sie in dem Moment, wo Sie diesen Sprung wagen, noch gar nicht wissen, auf was Sie sich da einlassen, weil Sie sich einem Wust von Überwachungs-, von Kontrollbestimmungen, Auflagen, Abgaben gegenübersehen, den Sie als einzelne Person gar nicht korrekt beherrschen können, zumindest nicht in der ersten Zeit, auch weil Sie nicht die notwendige Beratung und Unterstützung im eigenen Unternehmen haben. Deshalb geht es darum, das Klima durch positive Aussagen zu unterstützen, aber auch, wie hier, durch positive Maßnahmen. ({6})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Tatge.

Willi Tatge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002300, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Damen und Herren, liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Anträge von CDU, CSU und FDP wie auch der Antrag von der SPD beinhalten Maßnahmen vor dem Hintergrund illusionärer Erwartungen und Hoffnungen. ({0}) Die Koalitionsfraktionen wollen mit ihren Förderungsprogrammen die Eigenkapitalinitiativen der Vergangenheit fortführen. Derartige Konzepte sind aber nicht erfolgreich, wie der Höchststand der Arbeitslosigkeit und der Unternehmerpleiten zeigt. Der SPD-Antrag - getragen von einer unkritischen Technologie- und Wachstumsgläubigkeit -schlägt die Förderung beliebiger technologischer Entwicklungen vor. Von sozialen oder gar ökologischen Vergabekriterien ist nicht die Rede. ({1}) Tatsache ist: Die Wochenzeitschrift „Newsweek" bescheinigt den High-Tech-Firmen eine vorzeitige Midlife Crisis. Das Marktforschungsunternehmen Dataquest schätzt, daß von den 350 Firmen, die in den USA Micro-Computer herstellen, noch 75 Firmen überleben werden. Die Home-Computer-Produktion wird die erste Leiche im Computergeschäft sein, so schreibt „Newsweek" weiter. Und eine solche unsinnige Entwicklung wollen beide Anträge fördern. Unsere Position zu Betriebsgründungsprogrammen ist folgende. Wir GRÜNEN treten dafür ein, daß die Gründung von kleinen und mittleren Betrieben insbesondere nach folgenden drei Kriterien ermöglicht wird: Erstens. Die Förderung kann nicht für beliebige Unternehmenszwecke erfolgen. ({2}) Die wirtschaftliche Orientierung einer betrieblichen Neugründung darf insbesondere nicht gegen ökologische und soziale Belange verstoßen. ({3}) Mit anderen Worten, wir halten einen Betrieb, der als Anhängsel eines Rüstungskonzerns Forschung betreibt oder einen Peepshow-Laden nicht für förderungswürdig. ({4}) Es sind bei Betriebsgründungsprogrammen ökologische und soziale Vergabekriterien zu entwickeln. Zweitens. Wir treten dafür ein, den Sektor selbstverwaltete Alternativbetriebe in die Förderung einzubeziehen. Wir wissen durch Untersuchungen, daß eine große Zahl Jugendlicher unter bestimmten Bedingungen gern in diesem Sektor alternativökonomischer Betriebe arbeiten würde. Dies ist ein wichtiges Experimentierfeld einer neuen Wirtschafts- und Lebensweise, die unsere Unterstützung verdienen würde. ({5}) Die alternative Qualität dieser Betriebe besteht in der Selbstorganisation der Arbeit, der ausdrücklichen Berücksichtigung der ökologischen Produktionsverfahren und ökologischer Produkte, der Ablehnung von Hierarchie, der Ablehnung von überzogenem Spezialistentum bei der Arbeit. Hier geht es nicht nur darum, alternative Betriebe zu fördern, es ist ebenfalls erforderlich, die Diskriminierung alternativer Betriebe durch den etablierten Bankensektor zu verändern. ({6}) Drittens. Wir GRÜNEN befürworten auch Betriebsgründungsprogramme für Arbeitsloseninitiativen, die gemeinschaftliche wirtschaftliche Existenzen gründen wollen. Wir haben bereits mit unserem Gesetzentwurf zur Förderung lokaler Beschäftigungsinitiativen vorgeschlagen, daß nach dem Arbeitsförderungsgesetz ABM-Mittel als Starthilfe für derartige Betriebsgründungen kapitalisiert werden können. Arbeitslose haben normalerweise keinen Zugang zu den üblichen Existenzgründungsprogrammen. Sie verfügen in der Regel nicht über den eigenen Anteil zur Eigenkapitalbildung. Hier könnte eine neue Verwendung von ABM-Mitteln Abhilfe schaffen. In diesem Rahmen sollten auch Belegschaftsinitiativen zur Rettung bedrohter Arbeitsplätze gefördert werden. ({7}) Meine Damen und Herren, so könnte eine sinnvolle Förderung aussehen, wenn Sie diese politisch nur wollten. Danke schön. ({8})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Faltlhauser.

Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000517, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was der Kollege Jens hier vorgetragen hat, war, wie ich meine, doch ein Solo: ein Solo in der SPD in bezug auf Marktwirtschaft, angebotsorientierte Wirtschaftspolitik und unternehmerische Wirtschaft, die auf Innovation, Risiko und Flexibilität baut. ({0}) Sie hatten bei diesem Solo nicht nur kein Publikum - ich habe das genau beobachtet -, es gab auch keine Reaktion innerhalb der SPD-Fraktion, so sie überhaupt vorhanden ist. Sie haben in dieser Frage nicht einmal Mitspieler. Herr Kollege Jens, ich würde Ihnen raten, sich zu überlegen, ob Sie in dieser Frage nicht eigentlich in ein anderes Orchester gehören. ({1}) Herr Kollege Jens, gerade in Ihrem Antrag wollen Sie im übrigen ja z. B. die Dauerarbeitsplätze in besonderer Weise fördern. Das ist von vornherein eine Festschreibung der Faktorkombination. Genau dies steht natürlich der Flexibilität in unserer Wirtschaft in keiner Weise an. Deshalb haben wir das auch abgelehnt. Sie haben beklagt, daß wir Ihren weitergehenden Vorstellungen im Wirtschaftsausschuß nicht gefolgt sind. Es wurde schon von Herrn Kollegen Dr. Solms gesagt, daß die freien Berufe zwar durchaus mit ins Kalkül gezogen werden könnten; es waren aber vor allem Kostengründe, die zu unserer Ablehnung geführt haben. Darüber hinaus muß man natürlich auch sehen, daß der Mitnahmeeffekt, vor dem Sie selbst gewarnt haben, bei den freien Berufen in besonderer Weise leicht vorkommen kann. Es ist etwa für einen älteren Rechtsanwalt leicht möglich, schnell noch einmal selbständig zu werden und das entsprechende Förderungsgeld mitzunehmen, ohne daß sich irgendwelche Effekte für den Arbeitsmarkt ergeben. Ich möchte zu den Ausführungen des Kollegen von den GRÜNEN noch eine Bemerkung machen: Sie haben hier wiederholt etwas zu den selbstverwalteten Alternativbetrieben vorgetragen. Ich meine, daß diese selbstverwalteten Alternativbetriebe selbstverständlich einer besonders sorgfältigen Beobachtung bedürfen. ({2}) Die Kollegen von der CDU in Berlin tun dies auch und fördern entsprechend. Wer für Initiative in der Wirtschaft ist, kann solche alternativen Initiativen prinzipiell nicht ausschließen. ({3}) Ich hoffe aber, daß sich diese Betriebe ihrerseits auch bereitfinden, sich in der Zukunft in stärkerem Maße als bisher den normalen Wettbewerbsbedingungen - etwa der Wahrheit und Klarheit gegenüber dem Finanzamt - zu unterziehen. ({4}) Die Erfahrungen zeigen uns das bedauerlicherweise nicht. „Schafft Arbeitsplätze" sagt heute jedermann. Das ist ein Postulat unserer Tage. Viele meinen, sie müßten nur fordern: Staat, schaffe du in irgendeiner Weise Arbeitsplätze! - Dem Antrag, der hier zur Abstimmung steht, liegt eine andere Philosophie zugrunde. Sie heißt: Schaffe 10 000 Selbständige; diese werden dann 100 000 Arbeitsplätze schaffen. - Herr Kollege Jens, die SPD beklagt immer das Fehlen einer sogenannten aktiven Arbeitsmarktpolitik. Diese Bundesregierung hat im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik aber bereits erhebliche Erfolge erzielt. Die Zahl der Arbeitslosen wäre um etwa 500 000 höher, hätten wir keine Rückkehrhilfe, hätten wir keinen Vorruhestand und hätten wir keine zusätzlichen ABM-Maßnahmen durchgesetzt. Die Förderung von Existenzgründungen, wie wir sie hier vorschlagen, ist jedoch das systemkonformste Mittel zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen. Die Förderung von Existenzgründungen ist das klassische Instrument der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. Diese Angebotsorientierung ist die Grundlage der wirtschaftspolitischen Arbeit dieser Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen. Ich halte es deshalb - das wiederhole ich, Herr Kollege Jens - für bemerkenswert, daß auch die SPD mit ihrem Antrag - unabhängig von einigen irritierenden Details - den Grundgedanken der Stärkung der Angebotsseite bejaht hat. Ich halte es auch für erfreulich, daß Sie im Wirtschaftsausschuß letztlich zugestimmt haben und hier wohl zustimmen werden. Ihnen sind sicherlich die Argumente ausgegangen. Ich halte es auch für erfreulich, daß man im Bundestag einmal gemeinsam etwas macht. Man muß nicht den Leuten draußen immer vorgaukeln, man wäre in allen Punkten völlig uneinig. Der Haushaltsausschuß hat für dieses Programm für das Jahr 1985 eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 200 Millionen DM beschlossen. Dieser bemerkenswerte Betrag reicht für mindestens 20 000 Anträge noch in diesem Jahr. Es ist anzunehmen, daß mit diesen 200 Millionen DM noch wesentlich mehr Anträge gesichert werden können, da es unwahrscheinlich ist, daß jeder Antragsteller tatsächlich eine Existenz gründet, und ebenso unwahrscheinlich, daß jeder Antragsteller die maximale Höhe von 50 000 DM anspart. Also die Förderung über 20 000 selbständige Existenzen zusätzlich zu den bisher schon so erfolgreichen Programmen! Das wird tatsächlich einen erheblichen weiteren Schub zur Gründung selbständiger Existenzen bringen! Meine Damen und Herren, ich will hier besonders herausstellen, daß dieses Ansparprogramm - mit den entsprechenden Richtlinien des Bundesministers für Wirtschaft im Entwurf vom 10. Mai 1985 - besonders praktikabel und unbürokratisch ausgestaltet ist. Es hat keinen Wert, daß wir hier ständig schöne Dinge beschließen, die draußen niemand versteht ({5}) oder die deshalb nicht umgesetzt werden, weil es zu viele Bürokratiehürden zu überwinden gibt. Deshalb will ich sieben Merkmale dieses Programms aufführen, die zeigen, daß es sich hier um ein besonders bürgerfreundliches Programm handelt. Erstens. Wenn der Handwerksgeselle Huber beschließt, in ein paar Jahren selbständig zu werden, so kann er im nächsten Kreditinstitut um die Ecke einen entsprechenden Sparvertrag abschließen. Er muß also nicht in irgendeine ferne Behörde, er muß sich keinen Vermittler kommen lassen. Die erste Hürde ist also leicht zu nehmen. ({6}) - Er kann auch Ihren Namen annehmen, Herr Müller. Wenn Sie es wären, dann würden Sie, wenn Sie selbständig würden, sicherlich die Chance haben, das in der Wirtschaftspolitik nachzuholen, was Sie als GRÜNER normalerweise gerade nicht beherrschen. ({7}) Dann würden Sie nämlich sehen, wie es ist mit dem Risiko in der Wirtschaft und mit der dort notwendigen Innovationskraft. ({8}) Zweitens. Das Kreditinstitut muß dem Handwerksgesellen nur ein Antragsformular vorlegen. Das muß der ausfüllen. Dann bekommt er - das ist ein wesentlicher Punkt, der lange diskutiert wurde - bereits zu diesem Zeitpunkt eine Zusage, so das Geld, die 200 Millionen DM, noch nicht ausgeschöpft ist. In diesem Antrag muß er nur sagen, daß er eine eigenständige Existenz gründen oder übernehmen will oder in einem Unternehmen eine „tätige Beteiligung" vorhat. Geselle Huber verpflichtet sich weiter lediglich, eine Sparleistung inklusive der Zinsen unmittelbar als Eigenkapital für die Existenzgründung zu verwenden. Ich meine, auch diese zweite Hürde ist niedrig. Drittens. Die Kreditinstitute ihrerseits haben die Möglichkeit, durch ergänzende Ausgestaltungen diese Ansparverträge weiter attraktiv zu machen. Wir können die Kreditinstitute nur auffordern, von dieser Möglichkeit umfassend Gebrauch zu machen, damit die Akzeptanzhürden noch niedriger werden. Viertens. Zunächst gibt es beim Abschluß des Sparvertrages keine großen Prüfungen. Die Prämie bekommt der Handwerksgeselle erst dann, wenn er sich tatsächlich selbständig macht. Das ist im übrigen eines der vielen Vorteile dieses Prämiensystems gegenüber dem lange diskutierten Konzept der Anlage analog dem Bausparen. Fünftens. Der Handwerksgeselle ist dann mit seinen Einzahlungen nicht an feste Beträge gebunden. Er kann soviel zahlen, wie er gerade leisten kann. Auch das ist eine sehr pragmatische Regelung. Lediglich im letzten Ansparjahr ist ein kräftiges Zulegen über dem Durchschnitt der beiden Jahre zuvor nicht mehr prämienwirksam. Sechstens. Vor der Auszahlung der Prämie muß natürlich geprüft werden, ob die Voraussetzungen der Existenzgründung tatsächlich zutreffen. Dazu kann man unglaublich komplizierte und umfangreiche Prüfungen einleiten. Da das finanzielle Engagement des Bundes etwa beim ERP-Existenzgründungsprogramm und im Eigenkapitalhilfeprogramm sehr langfristig ist, ist dort die Prüfung intensiv und aufwendig. Hier, bei diesem Ansparprogramm, wird sich die Lastenausgleichsbank weitgehend auf die Erklärungen des Antragstellers stutzen - wenn er falsche Erklärungen abgibt, droht ihm das Strafgesetzbuch nach § 264 - und die ergänzenden Unterlagen der Hausbanken. Wie wir wissen, kennt ja die Hausbank in der Regel die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers genauer als eine ferne Behörde. Ich meine daher, eine Prüfung ist einfacher und bürgernäher wirklich nicht möglich. Siebtens. Schließlich ist die komplizierte Frage der Dauerhaftigkeit einer selbständigen Existenz auch sehr einfach geregelt. Der Ansparzuschuß ist zurückzuzahlen, wenn die selbständige Existenz innerhalb eines Jahres nach Auszahlung des Zuschusses ohne zwingenden Grund aufgegeben wird. Meine Damen und Herren, das ist alles in allem ein besonders bürgernahes Programm, das ist eine Regelung mit dem richtigen Grundansatz, nämlich beim Angebot anzusetzen, und schließlich handelt es sich um ein Programm, das vom ersten Moment an finanziell großzügig ausgestattet ist. Dieses Programm wird ab dem 1. August 1985 in Kraft treten. Ich kann den Appell des Kollegen Uldall an die Bürger hier nur wiederholen: Greifen Sie dieses Programm auf! ({9}) Die Politik hat ihre Vorleistung erbracht. Die Rahmenbedingungen sind gegeben. Die Bürger können dieses Angebot annehmen, nicht zuletzt zum Wohle des Arbeitsmarktes. ({10})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Rapp.

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Faltlhauser, ich möchte Ihnen etwas ins Stammbuch schreiben: Die herablassende Art, mit der Sie sich mit uns Sozialdemokraten und mit unserer Initiative befaßt haben, haben wir überhaupt nicht als charmant empfunden. Wahrscheinlich schaden Sie sich selber am meisten, wenn Sie sich dauernd ein Bild des Gegners entwerfen, das zwar Ihren taktischen Kalkülen, aber in keiner Weise der Realität entspricht. ({0}) Meine Damen und Herren, mit dem Begriff des Mittelstandes verbindet sich bei den meisten Leuten die Vorstellung von Beständigkeit, von Dauerhaftigkeit und Stabilität. ({1}) Es gibt etwa 1,9 Millionen Wirtschaftsunternehmen im Land. Ganze 3 600 von ihnen sind der Kategorie der Großbetriebe zuzurechnen. Ergo sind um die 98% des Gesamtbestandes von 1,9 Millionen Firmen kleine und mittlere Unternehmen. Vielleicht ist noch die plausibelste Abgrenzung die, daß Großbetriebe solche Firmen sind, die gerade wegen ihrer Größe politisch, faktisch nicht sterben können. Dafür wird gesorgt. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen aber handelt es sich nicht um einen stabilen Bestand dauerhaft etablierter und fest im Markt verankerter Firmen. Im Gegenteil, jährlich scheiden 5% bis 10 % von ihnen - es ist jedenfalls eine sechsstellige Zahl - aus dem Markt aus; andere entstehen in mindestens gleich großer Zahl jährlich neu. Der Saldo der Gewerbeanmeldungen und -abmeldungen ist zum Glück eh und je positiv gewesen. Der Bestand nimmt zwar langsam, aber immerhin zu. Die meisten derjenigen, die ausscheiden, liquidieren still, andere fusionieren. Gewaltige Verluste an Volksvermögen treten ein, weil allzuoft die rechtzeitige Übergabe gesunder Firmen an Unternehmer der nächsten Generation mißlingt. Und endlich scheidet eine gerade in den letzten beiden Jahren stark gestiegene Anzahl von Unternehmen durch Insolvenz aus. Der Befund lautet also: Der Unternehmensbestand ist zwar quantitativ eine stabile und verläßliche, qualitativ und strukturell aber keineswegs eine statische Größe. Er stellt sich vielmehr ununterbrochen aufs neue im Gehen und Kommen her, ({2}) im Absterben und in der Neubildung von Firmen. Er stellt sich her - nach dem bekannten Diktum von Schumpeter - im ständigen Prozeß der schöpferischen Zerstörung, vulgo im Strukturwandel und Rapp ({3}) in eben diesem dynamischen Prozeß der Regeneration, der Erneuerung des Unternehmensbestandes vollzieht sich die Modernisierung der Wirtschaft, bei der ständig produktive Arbeitsplätze in künftig hoffentlich wieder größerer Zahl neu entstehen und weniger produktive wegfallen. An dieser Stelle wäre daran zu erinnern, wie die CDU/CSU zu Ihrer Oppositionszeit aus den Insolvenzzahlen ein Totschlagargument gegen die Sozialdemokraten gemacht hat. ({4}) Nun haben Sie die Insolvenzen, die Pleitewelle ja überhaupt nicht gestoppt, im Gegenteil, sie wird jedes Jahr größer. Das hat ein Stück weit mit Ihrer Politik der totalen Vernachlässigung der Nachfrage und der Massenkaufkraft zu tun, aber ein Stück weit hat es auch mit dem Strukturwandel zu tun. Wir gestehen Ihnen das zu. Zu unserer Zeit war das nicht anders - uns haben Sie den Verweis auf den Strukturwandel nie zugestanden. Nun aber wollen wir heute nicht Vergangenheit bewältigen, sondern einen Schritt zur Zukunftssicherung tun. Wenn es eine der Aufgaben von Mittelstandspolitik ist, im Interesse der Zukunft der Arbeit wie auch im Interesse der Aufrechterhaltung des Leistungswettbewerbs den Bestand an Selbständigen aus Handwerk, Handel, Gewerbe und freien Berufen zu sichern und ihre Zahl möglichst zu erhöhen, so wird aus dem, was ich zur dynamischen Erneuerung der Wirtschaft gesagt habe, deutlich, daß dazu bloße Bestandspflege nicht genügt. Eine bewußte und zielstrebige Politik zur Förderung der Regenerationsfähigkeit des Unternehmensbestandes muß hinzutreten. Das gilt verstärkt in einer Zeit, in der die faktische Politik der Bundesregierung an den kleinen Selbständigen tatsächlich völlig vorbeigeht. ({5}) Ihre Vermögensteuersenkung, meine Damen und Herren von der Koalition, hat dafür geradezu Symbolwert. 60 % der Vermögensteuersenkung gingen an 0,7 % der Betriebe, ({6}) in die restlichen 40 % der Senkungsmassen hatten sich 99,3 % der Betriebe zu teilen. Die Selbständigen wissen, daß jedenfalls dies unter sozialdemokratischer Regierungsführung nicht passiert wäre. ({7}) Im Bundesfinanzministerium wird eine Studie unter Verschluß gehalten, aus der hervorgeht, daß kleine Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten eine um 25 % höhere Nettobelastung zu tragen haben als Großunternehmen; Nettobelastung gleich Steuern plus Abgaben minus Subventionen. Dies zu ändern, wäre die Aufgabe einer Mittelstandspolitik, die sich die Pflege des Bestandes angelegen sein ließe. Wenn es richtig ist, daß an den hohen Insolvenzzahlen Kapitalmangel und Mangel an unternehmerischer Erfahrung in gleicher Weise schuld sind, ist es ganz unverständlich und tatsächlich unverantwortlich, wenn die Bundesregierung offenbar entschlossen ist, die Beratungsförderung stufenweise auf Null zu bringen. ({8}) Meine Damen und Herren, die Förderung von Existenzgründungen ist das Kernstück einer auf die Verbesserung der Regenerationsfähigkeit gerichteten Politik. Es ist zur Zeit sozialdemokratischer Regierungsführung geschehen, daß das ERP- Sondervermögen in großem und wachsendem Umfang zur Förderung von Existenzgründungen umgewidmet und eingesetzt wurde. Zu unserer Regierungszeit wurde das Eigenkapitalhilfeprogramm hinzugefügt. Zu unserer Regierungszeit hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau die M-Programme aufgelegt als ein überzeugendes Instrument der Bestandssicherung. ({9}) Mit den heute anstehenden Gesetzentwürfen zur Ansparförderung wird eine Lücke geschlossen. Vielen Existenzgründungen ist das Scheitern auf die Stirn geschrieben: Das vorhandene Eigenkapital reicht nicht aus; der oft spontane Entschluß, sich selbständig zu machen, ist häufig weder durch die verfügbaren Eigenmittel noch durch Erfahrung und Planung hinreichend fundiert. Indem wir das Ansparen von Eigenmitteln zur Existenzgründung durch eine Sparhilfe fördern, wirken wir beiden Mängeln vieler Existenzgründungen entgegen. Bis dahin stimmen die konkurrierenden Gesetzentwürfe überein. Die Unterschiede liegen in folgenden, in der Tat wesentlichen Punkten. Erstens. Unser Gesetzentwurf bezieht die freien Berufe ein. Zweitens. In der Verdoppelung der Fördersumme für forschungs- und technologieorientierte Unternehmen - u. a. auch für Unternehmen, deren Technologie ökologisch orientiert ist - sehen wir ein wichtiges strukturpolitisches Element, mit dem wir auch dem Vorwurf widerstehen können, auf Nullsummenmärkten gehe die Förderung von Existenzgründungen stets zu Lasten des Altbestandes. Drittens möchten wir die Ansparförderung durch Bürgschaften zur Erleichterung der Fremdfinanzierung ergänzen, deren Vergabekriterien in der Tat auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze abstellt. Nicht die Ansparförderung ist - wohlgemerkt - in unserem Gesetzentwurf arbeitsplatzbezogen, sondern die ergänzenden Bürgschaften sollen es sein. In der Regel, meine Damen und Herren, ist es ja so, daß ein neugegründetes Unternehmen fünf bis sieben Jahre braucht, bis es sich im Markt so durchgesetzt hat, daß die Existenz aus der Ertragskraft heraus gesichert erscheint. Bis dahin wird regelmäßig ein mehr oder weniger großer Teil des eingebrachten Eigenkapitals aufgezehrt, woran viele Neugründungen leider gerade dann scheitern, wenn sie das Gröbste hinter sich haben. Ist das Eigenkapital wegen der Anlaufverluste weitgehend aufgebraucht, dann fehlt es an Sicherungsmasse für die jetzt nötige Fremdfinanzierung. Hier würden die von uns vorgeschlagenen Bürgschaften einsetzen und helfen, aber das lehnen die Rapp ({10}) Koalitionsfraktionen ab. Sie lehnen es überwiegend wohl deshalb ab, weil der Vorschlag von der Opposition kommt. Das haben Sie mit sich selber auszumachen. Mehrheit ist Mehrheit, also werden wir Sozialdemokraten nach der zu erwartenden Ablehnung unseres Gesetzentwurfs durch die Mehrheit des Hauses dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zustimmen. Wir wollen, daß wenigstens diese Teillösung eines umfassenderen Problems den Weg ins Bundesgesetzblatt findet, wenn es schon wegen der Mehrheitsverhältnisse leider nicht gelingen kann, unsere umfassendere Lösung zur Geltung zu bringen. ({11})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 10/3121 zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Jens, Rapp ({0}), Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen Ablehnung dieses Antrags. Wer dieser Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 4 b, und zwar über die Beschlußempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 10/3134. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 10/2549 unverändert anzunehmen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Keine. Damit ist die Beschlußempfehlung angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf: Beratung des Antrags des Abgeordneten Horacek und der Fraktion DIE GRÜNEN Repräsentation der Bundesrepublik Deutschland im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz - Drucksache 10/2680 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß Das Wort wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt vor, diesen Antrag an den Auswärtigen Ausschuß zu überweisen, Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Planung für die Weiterentwicklung des Programms „Humanisierung des Arbeitslebens" - Drucksachen 10/16, 10/2748 Berichterstatter: Abgeordnete Gerstein Stockleben Frau Dr. Bard Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat eine Aussprache von bis zu zehn Minuten je Fraktion vereinbart. Widerspruch erhebt sich nicht? - Dann ist so beschlossen. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich dem Abgeordneten Gerstein das Wort.

Ludwig Gerstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000668, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist seit 1982 das erste Mal, daß wir hier wieder über die Entwicklung des Programms „Humanisierung des Arbeitslebens" diskutieren können. Seit dieser Zeit liegt ein langer Weg gemeinsamer Bemühungen bis zu der vom Ausschuß für Forschung und Technologie einstimmig verabschiedeten Empfehlung hinter uns, die diesem Hohen Haus heute zur Beschlußfassung vorliegt. Ich möchte den Kollegen der anderen Fraktionen an dieser Stelle für ihre konstruktive Zusammenarbeit und die dadurch erreichte Einstimmigkeit auf diesem so wichtigen Beratungsfeld recht herzlich danken. Meine Damen und Herren, es ist zwar jetzt nicht der Augenblick, Vergangenheitsbewältigung zu betreiben, aber ich darf doch daran erinnern, daß das Programm und seine Durchführung in den vergangenen Jahren zu mancher Kritik Anlaß gegeben haben. ({0}) - Ja, ich weise ja nur noch einmal darauf hin. - Es ist aber erfreulich, daß inzwischen unter aktiver Mithilfe des Parlaments nicht nur die kritisierten Fehler beseitigt worden sind, sondern daß in zunehmendem Maße auch Spannungen zwischen den Teilnehmern an dem Programm ebenso wie unterschiedliche Auffassungen zwischen den politischen Parteien im Hinblick auf die Durchführung des Programms abgebaut worden sind. Die allgemeine Zustimmung zu den Arbeiten und Ergebnissen des Programms „Humanisierung des Arbeitslebens" ist größer geworden. Das vorliegende Programm ist ideologisch entschlackt und wirksamer in der Umsetzung gestaltet worden. ({1}) Meine Damen und Herren, das Bemühen aller am Wirtschaftsprozeß Beteiligten, die Arbeitswelt humaner zu gestalten und Belastungen abzubauen, erkennen wir an. Es ist sehr deutlich sichtbar, daß hier viele Verbesserungen erreicht worden sind, die gemeinsame Überzeugung aller im Bundestag vertretenen Parteien über die Bedeutung und die Notwendigkeit des Programms soll heute diese Bemü11034 hungen aller am Wirtschaftsprozeß Beteiligten unterstützen. Insoweit kommt dem letzten Punkt der Beschlußempfehlung, dem Punkt 7, durch den die Beteiligten aufgefordert werden, alle Anstrengungen zu unternehmen, damit die betriebliche Praxis aus den Erkenntnissen der Forschung zur Humanisierung des Arbeitslebens auch wirklich Nutzen ziehen kann, große Bedeutung zu. Die Beschlußempfehlung selbst bedeutet zunächst einmal Zustimmung, und zwar einstimmige Zustimmung, zum Bericht der Bundesregierung über das Forschungsprogramm und Zustimmung zur jetzigen Durchführung des Programms. Der Beschluß soll aber auch darauf hinweisen, wie sehr wir diese Forschungsarbeiten und die Umsetzung der Ergebnisse in die Praxis auch für die weitere Entwicklung einer menschengerechten Arbeitswelt nach wie vor für erforderlich halten. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion betrachtet die nun vorliegende Neuausrichtung des Programms „Humanisierung des Arbeitslebens" als ein wesentliches Element bei der Erfüllung der vom Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 formulierten Zielsetzung einer Gesellschaft mit menschlichem Gesicht, welche die technologische Herausforderung der kommenden Jahre bestehen muß. Meine Damen und Herren, die besonderen Wünsche und Erwartungen des Parlaments sind in den sieben Punkten der Beschlußempfehlung formuliert. Diese Vorstellungen sollen der Bundesregierung, aber auch all denen, die an dem Programm mitwirken, als Leitschnur zukünftiger Arbeit dienen. Wir begrüßen es daher ganz besonders, daß die Bundesregierung inzwischen die Beschlußempfehlung bei der Gestaltung neuer Förderschwerpunkte aufgegriffen hat. Das gilt vor allem für den neuen Förderschwerpunkt menschengerechte Anwendung neuer Technologien in Büro, Verwaltung und in der Produktion. ({2}) Das gilt für weitere Förderschwerpunkte wie z. B. die Vorbereitung und Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Betriebserfahrungen für den Schutz der Gesundheit an Arbeitsplätzen mit neuen Informations- und Kommunikationstechniken und für die menschengerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Bergbau. Herr Stahl, ich verkenne ja gar nicht, daß wir auch auf dem aufbauen, was zu Ihrer Zeit auf diesem Gebiet geleistet worden ist. Das soll durchaus anerkannt werden, bei Beibehaltung der Kritik, die wir damals geübt haben und üben mußten. Im übrigen halten wir es für richtig, daß auch im kommenden Haushaltsjahr 106 Millionen DM für das Programm vorgesehen sind. Damit sind auch gewisse Unterstellungen der Vergangenheit, diese Bundesregierung würde das Programm sozusagen abtöten, gegenstandslos geworden. Ich möchte darauf mit allem Nachdruck hinweisen. ({3}) Es steht hier nicht genügend Zeit zur Verfügung, um auf die Förderschwerpunkte im einzelnen einzugehen. Ich möchte jedoch einen Gedanken herausgreifen, der mir besonders wichtig erscheint. Schon bei früheren Debatten ist von Rednern beider Seiten des Hauses auf den Zusammenhang zwischen der Humanisierung des Arbeitslebens und der Arbeitslosigkeit hingewiesen worden. Es bleibt natürlich dabei: Dort, wo es keine Arbeit gibt, kann die Humanisierung des Arbeitslebens überhaupt nicht stattfinden. Natürlich steht der Abbau der Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt aller unserer Bemühungen. Aber andererseits kommt man gerade dann, wenn man das Programm einmal etwas näher betrachtet und in die derzeitige Situation einbaut, zu dem Ergebnis, daß bestimmte Förderschwerpunkte Beiträge zur Lösung von Arbeitsmarktproblemen leisten können. Das gilt vor allem für diejenigen Probleme, die durch den Einsatz moderner Technologien und durch Strukturveränderungen entstanden sind. Alle Untersuchungen - es gibt inzwischen ja sehr viele -, die sich mit den Auswirkungen moderner Technologien auf den Arbeitsmarkt, aber auch auf den einzelnen Arbeitnehmer - und auf den kommt es vor allen Dingen an - befassen, kommen zu dem Ergebnis, das ich aus dem Bericht des Forschungsministeriums über die Arbeitsmarktwirkungen moderner Technologien wie folgt kurz zitieren möchte: Erstens. Spürbar abgenommen haben Umgebungseinflüsse und körperliche Belastung. Zweitens. Dagegen haben geistige Anforderungen - die Skala reicht vom Streß bis zur erhöhten Aufmerksamkeit - deutlich an Gewicht gewonnen. Drittens. Zugenommen haben im Saldo die Qualifikationsanforderungen. Meine Damen und Herren, diese Untersuchungsergebnisse zeigen, wie notwendig gerade die Hilfestellungen sind, die das Programm zur Humanisierung des Arbeitslebens für eine Verbesserung der Qualifizierung von Arbeitnehmern in den Betrieben bei neuen Produktionskonzepten geben kann. Wir haben das in Punkt 4 der Beschlußempfehlung hervorgehoben, wo wir darum bitten, entsprechende Maßnahmen vorzuschlagen. Meine Damen und Herren, wir brauchen von der Forschung Hinweise, wie den Arbeitnehmern, auch und gerade den jungen Arbeitnehmern, geholfen werden kann, über ihre Grundausbildung hinaus den technischen Fortschritt mitzuvollziehen, damit sie durch eine neue Qualifikation den technischen Fortschritt für sich an neuen Arbeitsplätzen nutzen können. Dann, wenn das Programm diese Hilfen geben kann, ist eines seiner wichtigsten Ziele erreicht und ist ein Beitrag für den Arbeitsmarkt und seine Sicherung geleistet. ({4}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß etwas zitieren, was der Vorsitzende des GeGerstein sprächskreises „Humanisierung des Arbeitslebens" - das ist eines der wichtigsten Beratungsgremien des Bundesforschungsministers in dieser Sache, in dem auch alle Teilnehmer am Programm „HdA" vertreten sind -, Herr Professor Pornschlegel, uns, den Mitgliedern des Forschungsausschusses, in einem liebenswürdigen Brief geschrieben hat: Die Mitglieder des Gesprächskreises wissen es außerordentlich zu schätzen, daß Sie das Programm zur Humanisierung des Arbeitslebens in seinem Kontext als Bestandteil staatlicher Technologiepolitik nachhaltig unterstützen und die aus Ihrer Sicht dringlich erscheinenden Problemfelder präzise benennen. Er fährt fort: Die Betonung der Qualifizierung von Arbeitnehmern bei neuen Produktionskonzepten wird vom Gesprächskreis geteilt, die Rolle der Beteiligung von Arbeitnehmern, Betriebs und Personalräten sowie deren Organisation am Programm gewürdigt. ({5}) Meine Damen und Herren, bei so viel Zustimmung dürfte es trotz mancherlei unterschiedlicher Akzente, von denen wir vielleicht auch noch einiges hören werden, heute nicht schwerfallen, der Beschlußempfehlung des Ausschusses hier im Hohen Hause zuzustimmen. Ich bin sicher, daß wir mit diesen Empfehlungen ein sehr wichtiges Programm flankieren und unterstützen, letzten Endes zum Wohle der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik. Vielen Dank. ({6})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stockleben.

Adolf Stockleben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002255, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solch ein Programm „Humanisierung des Arbeitslebens" wird sicher nie konfliktfrei - jedenfalls dann nicht, wenn es um die Umsetzung in die Praxis geht -, aber es sollte ideologiefrei gefahren werden. Das Programm „Humanisierung des Arbeitslebens" ist eigentlich seit seinem Bestehen im Parlament und auch in der Öffentlichkeit immer sehr kontrovers diskutiert worden, und Kritik an einzelnen schlecht gelaufenen Projekten ist dabei häufig auf das gesamte Programm übertragen worden. Bei der CDU hatte man zeitweilig den Eindruck, daß ihr die ganze Richtung nicht paßte, und sie hat dann auch in der 9. Wahlperiode eine neutrale Überprüfung dieses Programms gefordert. Wir haben dazu eine öffentliche Anhörung durchgeführt und haben Wissenschaftler und Tarifvertragsparteien befragt. Bei dieser Anhörung ergab sich im Grunde, daß alle bereit waren, an diesem Programm Korrekturen vorzunehmen, und wir fanden auch einen Konsens mit den Befragten, der dieses Programm mit einigen Veränderungen erneut auf den Weg brachte. Die Beschlußempfehlung von damals hatte zum Inhalt, daß Bewährtes weiterentwickelt und offensichtliche Fehlentwicklungen beendet werden sollen. Der menschengerechten Anwendung von neuen Technologien soll besondere Bedeutung beigemessen werden. Schwierigkeiten bei der Umsetzung sollen überwunden werden, und konkrete Vorschläge zur Beseitigung der Hemmnisse bei der Übertragung von Ergebnissen in andere Bereiche sind zu unterbreiten. Die Bundesregierung ist dann diesem Auftrag nachgekommen und hat dies im April 1983 in einem Bericht, Bundestagsdrucksache 10/16, dem Parlament vorgelegt. Obwohl die neue Bundesregierung und insbesondere der Bundesforschungsminister zwischenzeitlich durch einige haushaltspolitische Beschlüsse und durch zum Teil überzogene pauschale Kritik am Projektträger des Programms Zweifel an ihrem Willen zur Fortführung aufkommen ließen, zeigte sich im federführenden Ausschuß während der Beratung des Berichts, daß über die Fraktionen hinweg ein breiter Konsens besteht. Ich möchte mich bei meinen Kollegen des Forschungsausschusses, bei den Berichterstattern herzlich bedanken. Nachdem wir hier mit der CDU/CSU und der FDP einen Konsens gefunden hatten, waren auch die GRÜNEN bereit, diesem Antrag ihre Zustimmung zu geben. So kam es zu einer Beschlußfassung, und die GRÜNEN haben dann ihren Antrag diesem Beschluß quasi als Material beigefügt. Ich will noch auf ein paar ganz besondere Schwerpunkte dieses Programms hinweisen, nämlich einmal auf das Problemfeld Arbeitsorganisation. Wenn bisher immer von Fachleuten solche Arbeitsorganisationen sehr zentral vorgegeben worden sind, dann hat das sicherlich zu vielen Konflikten und Fehlentwicklungen geführt. Wir sind der Meinung, daß bei Veränderung der Arbeitsorganisation, insbesondere bei der Zerhackung von Arbeitsgängen in Arbeitsstücke, die Belastung des einzelnen Arbeitnehmers in den vergangenen Jahren enorm zugenommen hat und daß Qualifikationsprozesse unterbrochen wurden. Wir wollen eine andere Arbeitsorganisation, bei der im Betrieb in der Gruppe wieder innovatives Lernen machbar und möglich sein wird, bei der auch der Leistungsgeminderte, der Behinderte seinen Arbeitsplatz findet und bei der Lernprozesse organisiert werden, die dem Leistungsgeminderten und dem Behinderten - sie können häufig die Leistungslatte, die gesetzt wird, nicht mehr überspringen - Hilfestellung im Rahmen der Solidarität solch einer Gruppendynamik geben. So finden Behinderte ihren Platz in der Arbeitswelt. Ich wage zu behaupten, daß vier Fünftel der Arbeitslosen heute Leistungsgeminderte und Behinderte sind, die selbst dann, wenn sich der Arbeitsmarkt wieder einmal verbessern sollte, nicht so leicht wieder einen Arbeitsplatz finden werden. Deswegen war es auch unser Wille im Ausschuß, insbesondere diesen Punkt der Leistungsgeminderten und Behinderten erneut aufzunehmen und hier einen zusätzlichen Programmschwerpunkt in dem Humanisierungsprogramm zu setzen. Wir werden in der Verfolgung dessen nicht müde werden. Wir dürfen dies hier heute nicht nur als Papier einstimmig verabschieden; das würde sicherlich nicht reichen. Wir betrachten das als einen Auftrag an die Regierung. Wir werden die Regierung dann nicht nur daran messen, was vielleicht - oder vielleicht auch nicht - der Staatssekretär hierzu sagen wird, sondern wir werden sie konkret an ihren Taten messen. ({0}) Meine sehr geehrten Damen und Heren, ich bitte wirklich um eines: Wer ernsthaft die Umsetzung der Humanisierung des Arbeitslebens will, der kann dies nicht nur mit solchen Entschließungen und entsprechenden Sprüchen erreichen. Es bedarf hier der Mitbestimmung von Betriebsräten und Personalräten. ({1}) Ohne dieses Instrument ist das überhaupt nicht denkbar, ist dies nicht machbar. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Einsatz von neuen Technologien kann menschengerecht, qualifikationsfördernd, sozial verträglich gestaltet werden, aber er kann nicht gegen den Willen der Arbeitnehmer und ihrer Vertretungen in den Betrieben geschehen. Wenn die Koalitionsparteien hier nun einen Abbau von Mitbestimmungsrechten ins Auge fassen, dann ist zumindest der ernsthafte Wille zur Übertragung von solchen Ergebnissen in Zweifel zu ziehen, weil das Instrument der Mitbestimmung einfach nötig ist. Die Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern bei der Einführung von neuen Technologien sind geradezu herausgefordert. Sie wollen im Grunde genommen dabeigehen, die Arbeitnehmer hier herauszuhalten. Ich bitte Sie wirklich, auch im Rahmen dieses Gesetzesvorhabens, das Sie vielleicht noch im Herbst einbringen werden, nicht nur auf uns Sozialdemokraten, sondern auch auf die Sozialausschüsse zu hören, die ja ebenfalls der Meinung sind, daß Betriebs- und Personalräte bei der Einführung und Anwendung von neuen Technologien erweiterte Mitbestimmungsrechte erhalten müssen. Dieses Programm wird, wie auch Herr Gerstein sagt, nicht nur daran gemessen, was wir im Forschungsausschuß geleistet haben. Ich meine, das ist sicherlich ein gutes Stück Arbeit gewesen. Wir haben uns hier lange Jahre kontrovers gegenübergestanden. Ich darf mich noch einmal für die Kooperationsbereitschaft für diese Entschließung bei Ihnen ganz herzlich bedanken; aber ich bin auch der Meinung, daß das Programm nicht nur daran zu messen ist, was uns Wissenschaftler aufschreiben, sondern daran, wie sich die reale Arbeitswelt durch unsere Politik in den nächsten Jahren verändern wird. Daran werden Sie sich und wir uns messen lassen müssen. - Herzlichen Dank. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laermann.

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß wir uns über ein so wichtiges Thema in solcher Einvernehmlichkeit hier aussprechen. Ich finde das gut so. Das sind erfreuliche und hoffnungsvolle Ansätze. Das Programm „Humanisierung des Arbeitslebens" war von Anfang an im Ansatz gut. ({0}) Es war notwendig, es war gut. Wir haben alle unsere negativen Erfahrungen gemacht. Es gab auch Ausreißer, die das Ganze in Verruf zu bringen drohten. Aber ich denke, daß wir aus diesen negativen Erfahrungen insgesamt unsere Konsequenzen gezogen haben - auch die Exekutive - und daß insgesamt dieses Programm jetzt auf einem guten Wege ist. ({1}) Wir haben doch folgendes festzustellen. Wir haben gefährliche, die Gesundheit beeinträchtigende Situationen an Arbeitsplätzen, körperlich belastende Arbeit, wir haben monotone, stumpfsinnige Arbeit, wir haben Fließbandarbeit. Solche Bedingungen haben wir durch neue technische Entwicklungen verbessern können. Wir haben durchaus ganz wesentliche Entlastungen des arbeitenden Menschen an seinem Arbeitsplatz hervorbringen können - und das durch neue Technologien. Das setzt aber auch voraus - und da stimme ich ja mit dem Kollegen Stockleben durchaus überein -, daß wir auf Grund dieser Entwicklungen zu neuen Formen, zu humaneren Formen der Arbeitsorganisation kommen können und kommen müssen, daß wir die Struktur der Arbeitsprozesse verändern können, verändern müssen und daß wir dazu ergänzend auch weiterhin Forschung brauchen. Aber machen wir uns keine Illusionen darüber, daß nicht neue Technologien auch Nachteile mit sich bringen könnten und daß neue, neuartige Belastungen entstehen können. Es kann körperliche Entlastungen geben, aber neuerdings zu psychischen Belastungen führen. Es muß Zweck und Ziel begleitender Forschung und Untersuchungen sein, solche neuen, sich abzeichnenden Belastungen zu vermeiden, negative Wirkungen auch im sozialen Umfeld von vornherein zu verhindern. Deswegen gilt gerade für das Programm „Humanisierung des Arbeitslebens", daß der Mensch im Mittelpunkt der Forschungen und Untersuchungen stehen muß. Aber Forschung darf auf diesem Gebiet auch nicht Selbstzweck werden. Es muß auf diesen Gebieten problemnahe geforscht werden, an Ort und Stelle, dort, wo die Probleme auftauchen. Es hilft uns überhaupt nicht, wenn in Wissenschaftlerstuben irgendwelche schlauen Dinge ausgedacht werden, die dank aber, weil fern von jeder Realität, von denjenigen, die es betrifft, nicht aufgenommen werden. Deswegen muß an Ort und Stelle von denjenigen, die an den Arbeitsprozessen beteiligt sind, ob in leitenden Funktionen, ob in Arbeitnehmerfunktionen, dieses Unternehmen „Humanisierung des Arbeitslebens" gemeinsam getragen werden. Es ist ebenso wichtig, daß die Ergebnisse aus diesen Untersuchungen auch umgesetzt werden. Nicht graue Theorie ist hier gefragt, sondern - ich wiederhole - das Zusammenwirken aller an den Arbeitsprozessen und an der Arbeitsorganisation Beteiligten. Ich möchte noch eine Anmerkung machen. Es mag den Anschein haben, als ob Humanisierung der Arbeitswelt nur etwas für Großbetriebe, für Großunternehmen sei, als ob das nur für Personal-und Betriebsräte, für Berufsgenossenschaften, für die Gewerbeaufsicht, für die Tarifvertragsparteien wichtig sei. Nein, ich meine, daß wir davon ausgehen müssen, daß technische Entwicklungen auch in vielen anderen Arbeitsbereichen, im Handwerk, im Handel, im Gewerbe eingesetzt haben. Ich halte es für eine zwingende Voraussetzung, wenn das Programm in positivem Sinne weitergeführt oder zu Ende geführt werden soll, daß die Erkenntnisse auch in diesen Bereichen umgesetzt werden. Denken wir doch daran, wie viele Arbeitnehmer eigentlich in kleinen und mittelständischen Betrieben beschäftigt sind. Auch hier gilt es, die Erkenntnisse, die wir mit neuen Technologien und über neue Technologien gewinnen, umzusetzen. Also: Aufarbeitung der Forschungsergebnisse, und zwar anwendungsorientiert für alle Bereiche, für alle diejenigen, die in Arbeitsprozessen stehen. Ich stimme auch mit dem Kollegen Stockleben überein, daß es in Zukunft verstärkt ein Schwerpunkt sein muß, daß wir uns um Arbeitshilfen für Behinderte bemühen, damit diese Lebensinhalt, Selbständigkeit erhalten und so für sie Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung geschaffen werden. Dies ist ganz wichtig. Hier sollten wir technische Entwicklungen im positiven Sinne einsetzen und diese auch so bewerten. Ich meine, daß es auch wichtig ist, daß wir uns mit der Frage beschäftigen: Was erfordern denn eigentlich neue Technologien, neue Produktionsprozesse, Automatisierung? Sie erfordern einen höheren Qualifikationsgrad. Das ist eine zwingende Voraussetzung. Und wenn wir dies erkennen, müssen wir auch erkennen, daß diese Entwicklungen eine Herausforderung an unser Bildungssystem, unser System von Aus- und Weiterbildung, sind. Aber gleichzeitig gilt es - das möchte ich ganz besonders betonen - auch der Erkenntnis Raum zu geben, daß nicht alle am Arbeitsprozeß Beteiligten möglicherweise diese höheren Qualifikationsanforderungen werden erfüllen können. Deswegen müssen wir mit Nachdruck unser Augenmerk auf das Schicksal derjenigen Menschen richten, die diese steigenden Qualifikationsanforderungen nicht werden erfüllen können. ({2}) - Ja, alle in der Solidarität. ({3}) Dies kann Forschung, dies kann ein Programm Humanisierung der Arbeitswelt nicht allein bewältigen. Aber ich denke, es ist ein Gebot der Humanität. Und in „Humanisierung" steckt eben als Kern das Wort „Humanität" drin. Es ist also ein Gebot der Humanität, eine wichtige politische Aufgabe und damit auch eine Aufgabe für die Parlamente, nicht nur für dieses Haus hier, sondern auch für die Länderparlamente. Sie haben dafür Sorge zu tragen, daß auch den Leistungsgeminderten in unserer Gesellschaft ein erfülltes und ausgefülltes Leben gesichert werden kann. Wir bekennen uns - das sage ich für meine Fraktion - zu den Zielen des Programms Humanisierung der Arbeitswelt in seinen Grundsätzen: Erarbeitung von Schutzdaten, Richtwerten, Mindestanforderungen an Maschinen, Werkzeuge, Anlagen und Arbeitsstätten. Und wir bekennen uns dazu, daß die Entwicklung von menschengerechten Arbeitstechnologien Vorrang haben muß, die Erarbeitung von beispielhaften Vorschlägen und Modellen für die Arbeitsorganisation, für die Gestaltung von Arbeitsplätzen und für die Gestaltung des Arbeitsumfeldes. Wichtig ist auch - das möchte ich noch einmal betonen - die Aufarbeitung und damit die Verbreitung und Anwendung der Erkenntnisse und der Betriebserfahrungen; denn hier gilt es wirklich, unter Ausnutzung praktischer Erfahrungen diese Kenntnisse umzusetzen. ({4}) Lassen Sie mich mit etwas Euphorie, sicherlich mit sehr idealen Vorstellungen sagen: Es sollte auch unser aller Bestreben sein, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, daß die Technik dem Menschen dienstbar gemacht wird, und dafür zu sorgen, daß Arbeit nicht weitgehend nur als Notwendigkeit, als Zwang empfunden wird, sondern daß damit den arbeitenden, den produktiv tätigen Menschen persönliche Befriedigung und schließlich Erfüllung gegeben wird. Ich bedanke mich. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Tischer.

Udo Tischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002330, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach einigem Hin und Her um Fortführung und Ziele des Programms Humanisierung der Arbeitswelt liegt nunmehr die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Forschung und Technologie vor. Sie wird von allen Fraktionen getragen. Die Fraktion der GRÜNEN möchte sich jedoch nicht der optischen Schönwetterlage, die durch diesen gemeinsam getragenen Beschluß entstehen könnte, anschließen. Zwar begrüßt die Fraktion der GRÜNEN die Weiterführung des HdA-Programms, jedoch spricht der Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN zum Haushalt 1985 allein schon vom finanziellen Volumen her eine deutliche Sprache. Hier hatte die Fraktion der GRÜNEN eine deutliche Erhöhung des Titelansatzes von 103,5 Millionen DM auf 200 Millionen DM sowie eine Ausweitung der Förderschwerpunkte und der Richtlinien verlangt. ({0}) So sind die GRÜNEN nicht daran interessiert, wie Menschen besser an Maschinen angepaßt und somit in Lebensweisen gepreßt werden, die alles andere als menschlich sind, sondern den GRÜNEN kommt es darauf an, daß industrielle Produktionsweisen an den Menschen und die Umwelt angepaßt werden. Nicht Profitmaximierung, sondern die Sozial- und Umweltverträglichkeit der Produktionsweisen ist das Anliegen der GRÜNEN. Die drohende Roboterfunktion, die abhängig Beschäftigte nach dem Ansinnen zahlreicher Unternehmer zunehmend einnehmen sollen, muß den klaren Widerstand aller Parlamentarier erfahren, da nur sie in der Lage sind, dort Technisierungsprozesse zu stoppen, wo moderne Industrie- und Bürotechniken den Menschen zu Sklaven von Maschinen und Robotern machen. Gerade in diesen Bereichen ist es mehr als wichtig, daß Forschungsprojekte sich mehr mit seelischen Auswirkungen industrieller Produktion befassen. Interessant dabei dürften nicht nur die Belastungen des Betroffenen selber sein, sondern z. B. auch die Auswirkungen der monotonen Tätigkeit eines Fließbandarbeiters von VW in seinem familiären Umfeld. Denn nicht nur der betroffene Fließbandarbeiter, sondern auch dessen Frau und Kinder gehören zu dem engeren Kreis derer, die den Schaden moderner Produktionsweisen unmittelbar zu tragen und auszustehen haben. ({1}) Es kommt den GRÜNEN darauf an, Initiativen zu entwickeln, die geeignet sind, den Menschen aus der Abhängigkeit von den Maschinen herauszuführen, damit er näher an selbstbestimmtes und nichtmonotones Arbeiten gelangen kann. ({2}) - Das sagen gerade Sie von der SPD! Auf den Gewerkschaftsveranstaltungen, bei denen ich neben SPD-Leuten gesessen habe, wurde aber immer etwas anderes gesagt. Wie wichtig auch die Erforschung und laufende Überprüfung der zu verarbeitenden Stoffe sind, zeigt nicht zuletzt die Auseinandersetzung um Formaldehyd. Es darf nicht länger sein, daß abhängig Beschäftigte zunehmend im unklaren darüber gelassen werden mit welchen gefährlichen Arbeitsstoffen sie umgehen. Keinem krebskranken Facharbeiter nützt die Antwort auf die Frage, warum er an Krebs erkrankte. Wichtig ist, daß gefährliche Arbeitsstoffe erforscht und eliminiert werden. Wichtig ist allerdings auch, daß Forschungsergebnisse nicht in den Schubladen der Behörden verschwinden, wenn sie entsprechend brisant sind, sondern daß dann unmittelbare Gegenmaßnahmen getroffen werden, wenn dies notwendig ist. Die GRÜNEN sind auch daran interessiert, daß die Forschung auch dahin erweitert wird, wie abhängig Beschäftigte an selbstbestimmte Tätigkeiten herangeführt werden können, die eine persönliche freie Entfaltung der Betroffenen sicherstellen. ({3}) Wir halten es gerade beim Programm „Humanisierung des Arbeitslebens" für wichtig, daß die Beteiligung der Beschäftigten und ihrer Vertretungen sichergestellt wird. Die Beteiligung der Beschäftigten in Form des Zustimmungsbedürfnisses der Betriebs- und Personalräte sowie über das Beratungsrecht der Gewerkschaften in allen Phasen der Projekte halten wir für eine Forderung, deren Umsetzung in einer Demokratie eigentlich keine Probleme verursachen dürfte und vor allem nichts kostet. Um die Beteiligung abhängig Beschäftigter entsprechend zu fördern, halten wir auch einen Ausbau von Beratungsstellen für Beschäftigte, Betriebs- und Personalräte zur eingehenden Information und Beratung in Fragen des Technologieeinsatzes und des Arbeitsschutzes für notwendig. Schließlich - dies sei betont - halten wir es für unumgänglich, daß zugunsten einer effizienteren und qualitativ optimalen Durchführung des Programms der Projektträger HdA mit mehr Entscheidungskompetenzen ausgestattet wird, um mehr Selbständigkeit erreichen zu können. Sollten wir gemeinsam diesen Ausbau des HdA- Programms erreichen können, dann haben wir, meine ich, das notwendige kritische Forum, das mit der notwendigen Aufmerksamkeit die Entwicklung des technischen Bereichs sowie des Arbeitslebens zugunsten des Menschen beobachtet und Alternativen zur Diskussion stellt, die schließlich das Parlament zum Tätigwerden verpflichten. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Probst.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich am Schluß dieser Debatte einige Punkte noch einmal herausstellen. Erstens. Es ist richtig, Herr Kollege Stockleben, daß um das Programm „Humanisierung des Arbeitslebens" auch in diesem Parlament ein langer Streit stattgefunden hat. ({0}) Ich gehe davon aus, daß es sich bei diesem Streit zum weit überwiegenden Teil um Mißverständnisse gehandelt hat, ({1}) teilweise auch um unberechtigte Verdächtigungen und Unterstellungen, die derzeit einer realen Betrachtungsweise gewichen sind. Das ist außerordentlich wichtig und ist sozusagen die Grundlage für eine vernünftige Entwicklung. ({2}) Parl. Staatsekretär Dr. Probst Zweitens. Das Thema „Humanisierung des Arbeitslebens" erschöpft sich nicht in einem staatlichen Programm. Ich möchte ausdrücklich festhalten, daß es das ureigenste Gebiet, die ureigenste Aufgabe der deutschen Wirtschaft ist, dafür zu sorgen, daß das Arbeitsleben in einem humanen Rahmen abläuft und daß hierzu auch Voraussetzungen, soweit Betriebe das können, geschaffen werden müssen. ({3}) Ich möchte aber auch sagen, Herr Kollege Matthöfer, daß sich dieses Programm natürlich auch nicht als ein Werkzeug oder als ein Vehikel der Tarifpolitik eignet. Wenn man das vielleicht da oder dort irgendwann einmal angestrebt hat, so hat man mittlerweile erfahren, daß man dann in dem Programm relativ schwer weiterkommt. Es ist richtig und notwendig - das möchte ich als dritten Punkt herausstellen, ohne mich jetzt in die Mitbestimmungsfrage einzumischen -, daß es zu einer Zusammenarbeit kommt. Unternehmer, die Vertretung des Personals im Betrieb, j a das betroffene Personal, alle müssen zusammenwirken. Sonst ist ein effizientes Durchziehen eines Vorhabens nicht möglich. Der Konsens ist eine der Voraussetzungen. ({4}) - Herr Stahl, die Praxis hat gezeigt, daß nur diese Programme überhaupt durchführbar sind, wo der Konsens hergestellt wird. Ob das mit oder ohne gesetzliche Grundlage geschieht, ist dann fast gleichgültig. Das heißt, das Programm muß so angelegt sein, daß dieser Konsens möglich ist. Schließlich und endlich geht es ja um ein hohes Ziel. Es geht um die Frage der Gesundheit der Arbeitnehmer, um die Frage der Gefährlichkeit von Stoffen. Es geht um die Hitze, es geht um Lärmbelastungen am Arbeitsplatz. Hier kann und soll der Staat an ganz bestimmten Stellen, wo von selbst nichts läuft, in den Betrieben mithelfen, anregen helfen, daß das eine oder andere bewältigt werden kann. ({5}) Aber der besondere Schwerpunkt, Herr Kollege Stahl, ist heute in dem Thema der Anwendung neuer Techniken in einer neuen Gesellschaft zu suchen. Die anderen Dinge sind weitgehend gelöst, und es wäre einmal reizvoll zu untersuchen, inwieweit Technik die Arbeit humanisiert hat. ({6}) Wenn man sich manche Moloche aus dem vergangenen Jahrhundert vorstellt, so war die Technik als solche auch ein sehr stark humaner Teil der menschlichen Entwicklung, wenn auch natürlich nicht immer. Heute werden neue Techniken immer schneller in betriebliche Prozesse eingeführt, und es ist eine der ganz, ganz wichtigen Aufgaben unserer Zeit, mit diesen Techniken der menschlichen Natur so gerecht zu werden, daß das Arbeiten nicht nur nicht krank, sondern Freude macht. ({7}) Wir haben ein Hilfsmittel hierzu. Die Zeiten, wo Technik so vergötzt wurde, daß sie von sich aus schon etwas losgelöst Wertvolles, Selbständiges, Erstrebenswertes ist, sind vorbei. Ich betrachte es als einen kulturellen Durchbruch, daß Technik heute mehr als in der Vergangenheit als Werkzeug für den Menschen verstanden wird. Lassen Sie uns hier zusammenarbeiten! Nichts eignet sich für künstliche Gegensätze weniger als der Bereich der Humanisierung des Arbeitslebens. ({8}) Ich möchte mich beim Ausschuß für Forschung und Technologie über alle Parteien hinweg besonders herzlich dafür bedanken, daß man den Grundansatz hatte, daß hier nur Gemeinsamkeit, praktisches Rangehen an ein wichtiges Grundproblem weiterhilft. Ich danke sehr für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Forschung und Technologie auf Drucksache 10/2748. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b auf: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes - Drucksache 10/3544 -Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) Innenausschuß Rechtsausschuß b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes - Drucksache 10/3557 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({1}) Innenausschuß Rechtsausschuß Meine Damen und Herren, interfraktionell ist eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b und ein Beitrag von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Gibt Vizepräsident Frau Renger es dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist es so beschlossen. Um das Wort zur Begründung wird nicht gebeten. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Bohl.

Friedrich Bohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000230, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der noch bessere Schutz der Unabhängigkeit des politischen Mandats und damit die Gewährleistung der Gemeinwohlorientierung des Mandatsträgers war das Ziel der Überprüfung der Verhaltensrichtlinien durch die Rechtsstellungskommission des Ältestenrates. Diese Kommission hat sich ihre Aufgabe nicht leicht gemacht und hat in vielen Sitzungen die Problematik intensiv beraten. Einig waren wir uns dabei in der Rechtsstellungskommission, daß die Verhaltensrichtlinien in das Abgeordnetengesetz aufzunehmen sind und daß eine Reihe von Einzelpunkten neu geregelt werden sollte. Es bestand ein durchaus beachtenswertes Maß an Übereinstimmung in dieser Frage. Dennoch konnten wir uns zwischen den Fraktionen in der Rechtsstellungskommission nicht auf einen einheitlichen Gesetzentwurf einigen. In entscheidenden Punkten waren die Auffassungen der Oppositionsfraktionen mit unseren Vorstellungen nicht in Einklang zu bringen, so daß heute die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Vorstellungen über eine sinnvolle Verbesserung und Erweiterung der Verhaltensrichtlinien vorlegen. Lassen Sie mich, bevor ich im einzelnen zu unserem Gesetzesantrag Stellung nehme, ein Wort zu den geltenden Verhaltensrichtlinien sagen, die sich der Deutsche Bundestag 1972 gegeben hat und die 1980 ergänzt wurden. Der Abgeordnete ist Inhaber eines besonderen, ihm anvertrauten Amtes. Hieraus erwachsen ihm besondere Pflichten und Rechte. Man kann nicht verneinen, daß bei der Mandatsausübung auch die Gefahr einer Kollision mit privaten Interessen eines Abgeordneten besteht. Gerade aus diesem Grunde haben fast alle Parlamente der westlichen Demokratien Regelungen, die das Verhalten von Parlamentariern unter diesen Gesichtspunkten normieren. Die in unseren Verhaltensrichtlinien enthaltenen Anzeigepflichten des Abgeordneten entsprechen den hohen Maßstäben unseres repräsentativen Systems. Dieses System ist insgesamt auf Öffentlichkeit und Offenlegung bestimmter Interessenverknüpfungen angelegt, die bei Abgeordneten vorliegen können. Der Bürger hat ein Recht zu erfahren, welche Interessen der Abgeordnete wahrnimmt; der Bürger muß auf Integrität, Unbestechlichkeit und Unabhängigkeit der politischen Institutionen und des Parlamentes vertrauen können. Unsere Verhaltensregeln, meine Damen und Herren, haben sich durchaus bewährt, und ich bin der festen Überzeugung, daß sie erheblich besser als ihr Ruf sind. Ich bedaure es außerordentlich, daß in der Öffentlichkeit oft ein absolut falsches Bild von der Bedeutung und dem Sinn dieser Verhaltensregeln suggeriert und dabei häufig leichtfertig unterstellt wird, daß wir Abgeordnete uns zu einem Großteil an diese Regeln selbst gar nicht hielten. Wir haben, finde ich, als Parlamentarier absolut keinen Anlaß, dieses von uns aus durchsichtigen Motiven erzeugte Bild zu akzeptieren. Ich finde, wir haben Anspruch auf gerechte Würdigung unserer Arbeit. Wir sind Repräsentanten des ganzen Volkes und nicht Vertreter persönlicher, wirtschaftlicher oder parteilicher Interessen. In diesem Zusammenhang kann ich es auch nur bedauern, daß Mitglieder dieses Hauses zu diesem falschen Bild oft beitragen. In diesem Zusammenhang muß auch die Erklärung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Vogel genannt werden, der auf Grund der Veröffentlichung des „Spiegel" von Anfang dieser Woche sogleich ungeprüft nach schärferen Verhaltensregeln für Abgeordnete ruft. Warum eigentlich? Hier werden doch, um der Presse gefällig zu sein, schon ganz erhebliche Verbiegungen vorgenommen. ({0}) Ich finde, wir haben als Abgeordnete die Verpflichtung, das Ansehen des Parlaments und seiner Mitglieder zu schützen und gegen maßlose, irrationale, überzogene Kritik und Angriffe zu verteidigen. Ich möchte heute hier noch einmal deutlich das wiederholen, was wir schon in der Novemberdebatte gesagt haben: Dieses Parlament und auch die Parteien in dieser Republik sind weder käuflich noch unterwerfen sie sich dem Diktat von bestimmten Interessengruppen. Wir können auf unser Parlament stolz sein. ({1}) Ich kann auch nicht sehen, daß uns Erkenntnisse des Flick-Untersuchungsausschusses, dessen Tätigkeit Ende 1984 mit äußerer Anlaß für die Überprüfung der Verhaltensrichtlinien war, bei den Beratungen der Rechtsstellungskommision veranlaßt hätten, konkrete Beschlüsse zu fassen. Es ist sicherlich gut, daß wir uns heute dieser staatspolitisch wichtigen Aufgabe stellen und sie nicht - wie Ende letzten Jahres - in einer emotional aufgeladenen Atmosphäre, sondern sachlich, ruhig, besonnen und problemorientiert diskutieren. Ich glaube, wir haben in unserem Gesetzentwurf hier den richtigen Weg beschritten. Natürlich werden wir ihn in den Ausschußberatungen noch einmal überprüfen und durchleuchten, und wahrscheinlich erfährt er in dieser oder jener Sache noch einmal eine Veränderung. Wir sind durchaus gesprächsbereit und grundsätzlich für weitere Verbesserungen offen. Ich bedaure es, daß wir nicht in der Lage waren, einen von allen Fraktionen getragenen Gesetzentwurf zu erarbeiten. Das wäre sicherlich gut gewesen, weil es wichtig wäre, in diesem für unsere parlamentarische Demokratie so sensiblen Bereich Einvernehmen deutlich zu machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPD hat vorgeschlagen - darauf darf ich vielleicht doch noch kurz eingehen -, daß die AnzeigepflichBohl ten ganz erheblich ausweitet werden. Es wurde sogar vorgeschlagen, daß Kredite angegeben werden sollen. Das kann nicht der richtige Weg sein. Ansatzpunkt für unsere Überlegungen muß sein, die unabhängige Mandatsausübung zu garantieren und zu gewährleisten. ({2}) - Es war aber bei Ihnen im Gespräch, und Sie haben auch jetzt eine erheblich weitergehende Anzeigepflicht in Ihren Entwurf aufgenommen. ({3}) Sie haben auch vorgesehen, daß die Angaben zu einem Großteil ins Handbuch aufgenommen werden sollen. Sie wollen das Einkommen des Abgeordneten beim Präsidium angegeben haben. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Das Einkommen des Abgeordneten als solches interessiert nicht. Interessieren kann nur das, was Interessenverknüpfung bedeutet, was die freie Mandatsausübung berühren kann. Damit haben das Gehalt, das Einkommen, die sonstigen Angelegenheiten eines Abgeordneten absolut nichts zu tun. ({4}) Meine Damen und Herren, ich weiß, daß das Vertrauen der Bürger in die Unabhängigkeit und Integrität unserer parlamentarischen Demokratie und damit auch in unser Parlament in hohem Maße von einer zufriedenstellenden Regelung der Verhaltensrichtlinien abhängt. Mit dem von uns vorgelegten Gesetzesantrag haben wir hierzu einen entscheidenden und wichtigen Schritt getan. Wir bitten aber - das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen - gleichzeitig auch alle Gutwilligen, unser Parlament bei den für unsere Demokratie wichtigen Aufgaben und bei unserer schwierigen Arbeit zu unterstützen. Wir haben uns der notwendigen Kritik zu stellen. Wir wenden uns aber leidenschaftlich gegen maßlose Kritik, die alle Maßstäbe verliert und gegen unseren Parlamentarismus schlechthin Stimmung macht. Die Unabhängigkeit des Mandats folgt in unserem parlamentarischen System aus dem Gebot der Gemeinwohlverpflichtung des Abgeordneten. Diese Gemeinwohlverpflichtung entspricht unserem politischen Selbstverständnis als CDU/CSU.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ströbele?

Friedrich Bohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000230, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Sie mir nicht angerechnet wird, gern.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Natürlich.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, sind Sie mit mir der Auffassung, daß Tatsachen, wie sie in dieser Woche im „Spiegel" veröffentlicht worden sind, oder Tatsachen, wie sie im Flick-Untersuchungsausschuß zur Sprache gekommen sind, das Ansehen der Abgeordneten schädigen und nicht Versuche, solchen Schäden entgegenzuwirken?

Friedrich Bohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000230, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte mit aller Klarheit sagen - vorhin habe ich das schon angesprochen -, daß Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Flick-Untersuchungsausschuß für die Beratungen in der Rechtsstellungskommission bei der Formulierung von irgendwelchen Vorschlägen von keiner relevanten Bedeutung gewesen sind. Das ist eine ganz eindeutige und klare Aussage. Ich bin nicht der Auffassung, daß wir in diesem Hohen Hause dem Vorschub leisten sollten, was sich schlechthin gegen unseren Parlamentarismus wendet. Ich bin nicht der Auffassung - das wiederhole ich -, daß wir als Abgeordnete verpflichtet sind, unsere Einkommen, aus freien Berufen zum Beispiel, wie es der Vorschlag der SPD vorsieht, zu offenbaren. Dafür besteht keinerlei Verpflichtung. Ich sage noch einmal, es läßt sich über manches durchaus reden, z. B. Nebentätigkeiten und anderes mehr. Das sind Dinge, die nach unserer Auffassung gegenüber dem Präsidium zu offenbaren sind, nicht gegenüber dem sogenannten Abgeordnetenrat. Aber Kredite und Einkommen aus freien Berufen zu publizieren, ist absolut nicht notwendig, um zu gewährleisten, daß der Abgeordnete sein Mandat frei ausüben kann. ({0}) - Ich bedanke mich für diesen Zuruf. Und was den „Spiegel" von dieser Woche angeht: Über seriösen Journalismus kann man wirklich streiten. ({1}) Das möchte ich mit Deutlichkeit sagen. Wenn Sie mitbekommen haben, daß die Staatsanwaltschaft in Bonn erklärt hat, daß kein Anlaß besteht, hier zu ermitteln, dann fällt das, was am Montag im „Spiegel" gestanden hat, auf die Urheber zurück. Abschließend sage ich: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß sind von uns allen gefordert, um Max Weber zu zitieren. Dies leitet uns auch bei dem vorliegenden Gesetzentwurf. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Conradi.

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben die Chance, das durch Affären und Skandale verlorene Vertrauen der Öffentlichkeit in dieses Parlament zurückzugewinnen. Ich hoffe, Herr Bohl, wir werden diese Chance nützen. In der Flick-Debatte im November vorigen Jahres haben alle Redner hier von den notwendigen Konsequenzen und von der Selbstreinigungskraft des Parlaments gesprochen. Die vorliegenden Gesetzentwürfe sollen die Verhaltensregeln für Abgeordnete schärfen und diese Regeln gesetzlich verankern. Herr Bohl, ich kann Ihnen nicht folgen, wenn Sie sagen, die Verhaltensregeln hätten sich sehr gut bewährt. ({0}) - Haben sie sich so gut bewährt? Warum gab es dann diese Skandale, warum gab es die Affären, warum müssen wir jetzt Konsequenzen ziehen? Nein, die Verhaltensregeln haben sich in ihrer Anwendung offensichtlich nicht bewährt. Sie waren zu löcherig, sie waren ein allgemeiner Moralkodex ohne Sanktion, ohne Kontrolle. Deswegen wollen wir sie jetzt neufassen und verschärfen und wollen sie als gesetzliche Pflichten des Abgeordneten verankern.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bohl?

Friedrich Bohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000230, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Conradi, können Sie mir sagen, wo im Hinblick auf Erkenntnisse aus dem Flick-Untersuchungsausschuß die geltenden Verhaltensrichtlinien versagt haben?

Peter Conradi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000335, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Bohl, Sie waren bei dieser Debatte genauso dabei wie ich. Alle Redner damals haben gesagt: Die Vorgänge um Flick zwingen uns, die Verhaltensregeln zu überprüfen. Der Ältestenrat hat der Rechtsstellungskommission diesen Auftrag doch nicht ohne Grund gegeben. Sie haben das offenbar aus heiterem Himmel heraus getan; wir haben es aus den Erfahrungen der Flickaffäre heraus beschlossen. Das sind doch Spiegelfechtereien, die Sie hier betreiben, die Zweifel daran erwecken, ob Sie es hier mit der Selbstreinigungskraft des Parlamentes ernst meinen. ({0}) Nun muß man sich darüber im klaren sein, daß es wasserdichte Lösungen nicht geben wird. Es gibt immer Umgehungsmöglichkeiten. Man kann die Moral eines Abgeordneten nicht durch Gesetz erzwingen, man kann sie allenfalls fördern. Wollten wir jede Umgehungsmöglichkeit ausschließen, wollten wir jedes Schlupfloch gesetzlich zustopfen, dann wüßten wir in andere Rechtsgüter eingreifen, z. B. in den Persönlichkeitsschutz der Ehefrau oder in den Datenschutz; das wollen wir nicht. Weil dies schwierig ist, bitten wir die sachkundige Öffentlichkeit um Kritik, um Mithilfe in den Ausschußberatungen. Das Abgeordnetengesetz ist Sache des ganzen Parlaments. Es ist nicht im Streit zwischen Koalition und Opposition. Es geht hier nicht darum, daß wir in Fraktionen gegeneinander streiten, denn wir sind auch in den Fraktionen unterschiedlicher Auffassung über das, was hier vorliegt. Da ist jeder einzelne Abgeordnete gefragt. Es geht da nicht um den Bestand der Koalition oder die Geschlossenheit der Opposition. Wo liegen nun die Meinungsunterschiede? Erstens. Sie wollen als Gremium für Berichte und Kontrolle das Präsidium, mit der Begründung, das Präsidium habe „diese Aufgabe schon bisher wahrgenommen". Bei allem schuldigen Respekt vor dem Präsidium: Hätte das Präsidium diese Aufgabe bisher gründlich wahrgenommen, dann wäre uns einiges erspart geblieben, dann ständen wir heute nicht hier. Die alte Bürokratenregel „Das haben wir immer schon so gemacht" ist hier falsch. Wenn es um das Ansehen, um die Glaubwürdigkeit des ganzen Parlaments geht, dann muß auch das ganze Parlament an der Verantwortung beteiligt werden, d. h. alle Fraktionen. Ich verstehe nicht, warum Sie Angst vor den GRÜNEN haben. Ich habe keine; ich sehe keinen Anlaß dazu. Im übrigen verfahren wir doch in der Politik sonst auch immer so, daß wir die Leute, die uns kritisieren, mit in die Verantwortung hineinnehmen. Warum nicht hier? ({1}) Wir nehmen den Vorschlag des Bundespräsidenten, einen Ehrenrat einzurichten, ernst und schlagen einen Abgeordnetenrat vor, der aus dem Präsidium und je einem Abgeordneten jeder Fraktion bestehen soll. Der zweite Streitpunkt ist: Welche Tätigkeiten sollen mitgeteilt werden? Da kommen wir an das Problem der beratenden Berufe. Wir können die beratenden Berufe hier nicht völlig herauslassen. ({2}) Das würde zu grotesken Folgen führen. Überlegen Sie bitte einmal: Ein Abgeordneter aus dem Finanzausschuß, der ein Großunternehmen berät, müßte das mitteilen. Wäre derselbe oder dieselbe Abgeordnete Steuerberater - beratender Beruf -, müßte er es nicht mitteilen. Würde ein beamteter Architekt den Bundesverband der Bauindustrie beraten, müßte er das mitteilen. Ließe sich derselbe Architekt als freier Architekt - beratender Beruf - eintragen, müßte er es nicht mitteilen. Sie sehen: So können wir es nicht regeln. Es geht hier um den Konflikt zwischen der Freiheit der Berufsausübung und der Pflicht, Interessenverknüpfungen offenzulegen. Wir wollen wirklich nicht wissen, wen der Anwalt in Ehescheidungssachen und bei Verkehrsstrafsachen berät, aber wir wollen das wissen, „was die unabhängige Ausübung des Mandats berühren kann". So heißt es in Ihrer Begründung. ({3}) Deswegen schlagen wir vor, die Mitteilungspflicht auf Verträge und Mandate zu beschränken, die eine bestimmte Honorarsumme überschreiten; die soll das Präsidium festlegen. Das ist ein pragmatischer Vorschlag. Wir sind für Verbesserungsvorschläge dankbar. Zum Beispiel könnten wir uns auch denken, die Berichtspflicht auf die Fälle zu beschränken, in denen eine Interessenverknüpfung zwischen beruflichem Mandat und politischem Mandat zu besorgen ist. Drittens: Über die Einkünfte, die dem Präsidium bzw. dem Abgeordnetenrat mitgeteilt werden sollen, werden wir uns sicher lange streiten. Ihre Vorschläge entsprechen nicht Ihren hohen eigenen Grundsätzen. Es ist doch lächerlich: Der Abgeordnete, der ein Buch schreibt, hat die Einkünfte mitzuteilen. Oder: Der, der als Betriebsrat noch teilzeitig tätig ist, hat seine Einkünfte mitzuteilen. Aber der Abgeordnete, der als Anwalt ein GroßunternehConradi men berät und dessen Interessen hier vertritt, soll sein Einkommen nicht mitteilen. Das wäre absurd. Wir wollen Sie hier an den noch nicht erfüllten Auftrag des Verfassungsgerichts erinnern, das gesagt hat, Art. 48 in Verbindung mit Art. 38 GG verlange gesetzliche Vorkehrungen dagegen, daß Abgeordnete nur deshalb Bezüge bekommen, weil sie als Mandatsträger hier bestimmte Interessen vertreten. Diesem Auftrag des Verfassungsgerichts kommt unser Entwurf nach, Ihr Entwurf nicht. ({4}) Vierter Streitpunkt: Was die Veröffentlichung angeht, teile ich persönlich die Auffassung von Herrn Geißler, der die „gläsernen Taschen" fordert. Das ist hier nicht mehrheitsfähig, aber ich weiß, daß eine ganze Reihe von Kollegen so verfährt. Gläserne Taschen muß schließlich nur der fürchten, der Dreck in den Taschen hat. ({5}) - Dies ist ein öffentliches Amt, Herr Bohl. Sie sagen selbst, daß dieses Amt „auf Öffentlichkeit und Offenlegung von Interessenverknüpfungen angelegt ist". Also werden Sie diese Interessenverknüpfungen auch offenlegen müssen. ({6}) Was die Veröffentlichung betrifft, so schlagen wir vor, nicht nur Berufe und Ämter, sondern auch andere Tätigkeiten, wenn eine bestimmte Honorarsumme überschritten wird, zu veröffentlichen. Fünftens: Zu den Sanktionen: Die Feststellung in einer Bundestagsdrucksache, ein Abgeordneter habe seine Pflichten nach dem Abgeordnetengesetz verletzt, ist eine schwere Sanktion. Wenn Sie diese Sanktionsdrohung an eine Einstimmigkeit im Gremium binden wollen, dann machen Sie sie wirkungslos, dann wird das zur Farce. ({7}) Wenn das greifen soll, dann darf nicht Einstimmigkeit verlangt werden. Wir lassen mit uns über eine qualifizierte Mehrheit reden, z. B. über eine Zweidrittel- oder eine Dreiviertelmehrheit. Wer aber Einstimmigkeit fordert, der will keine Sanktionen. Ein Letztes: Als ich gelesen habe, daß Sie dieses Gesetz erst 1987 in Kraft treten lassen wollen, habe ich gedacht, das ist ein schlechter Witz. Einen Mißstand zu erkennen und ihn nicht abzustellen, sondern zwei Jahre weiter schmoren zu lassen, statt ihn tatkräftig zu korrigieren, das ist kein ernsthafter Beitrag zu unserem Bemühen, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. ({8}) Ich habe gesagt, wir haben eine Chance, und wir wollen sie nutzen. Wir teilen die hohen Maßstäbe, die Sie in Ihrer Begründung anführen. Leider entsprechen Ihre konkreten Vorschläge diesen hohen Maßstäben nicht. Deshalb haben wir Zweifel daran, ob Sie es ernst meinen; wir werden das sehen. Wir wollen eine unpolemische, ernsthafte, sachangemessene Behandlung in den Ausschüssen, weil uns die Sache, nämlich die Glaubwürdigkeit dieses Parlaments und damit die Glaubwürdigkeit der parlamentarischen Demokratie wichtig ist. Mit diesem Grundsatz gehen wir in die Ausschußberatungen. Über deren Ergebnisse werden wir hier, wenn das notwendig ist, noch einmal hart streiten. Denn in dieser Sache ist Streit im Interesse der Demokratie notwendig. ({9})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgramm.

Torsten Wolfgramm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002557, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir haben uns einige Mühe mit diesem Entwurf gemacht und ihn ausführlich beraten. Es zeigt sich, so meine ich, daß hier - bis auf einige wichtige Punkte - eine gemeinsame Position in beiden Entwürfen, sowohl in dem der SPD als auch in dem der Koalition, zum Tragen kommt. Es ist richtig dargestellt worden, daß wir jetzt von der Position abgehen, die Verhaltensregeln nur als Anlage zur Geschäftsordnung zu sehen. Wir wollen sie schon dadurch verbindlicher machen, wir wollen sie schon dadurch verschärfen, daß wir sie ins Abgeordnetengesetz schreiben. Sie werden also in Zukunft in einem Gesetz stehen. Auch einige andere Positionen haben wir hier ganz deutlich verschärft. Nur, Herr Kollege Conradi, die Schelte, die Sie dem Präsidium soeben haben zuteil werden lassen, kann ich überhaupt nicht teilen. Denn das Präsidium hat seine Pflicht bisher ordentlich erfüllt. Im übrigen: Sie werden Angaben, die sich hinterher als nicht richtig herausstellen, auch mit den neuen Regeln nicht erfassen können. Das heißt, das Präsidium hat in der Vergangenheit seine Arbeit nach der Meinung der Freien Demokraten ordentlich, sorgfältig und vertrauensvoll erfüllt. ({0}) Es geht hier um die Frage der Unabhängigkeit des Mandats und damit auch um die für uns alle deutliche Außenwirkung. Es geht aber auch um das Abwägen der Persönlichkeitsrechte, Herr Mann. Das kann man nicht mit einem Federstrich beiseite schieben. Auch Abgeordnete haben ihre Rechte als Bürger und als Abgeordnete. ({1}) Ich erkläre schon hier für meine Fraktion, daß wir nach der ersten Lesung in den Ausschüssen ein Hearing dazu durchführen wollen. Wir möchten von kompetenter Seite diesen Konflikt zwischen dem Öffentlichkeitsprinzip und dem Behinderungsverbot nach Art. 48 des Grundgesetzes deutlich ausgetragen wissen. Wir möchten auch von kompetenter Seite hören, wie schmal oder wie breit der Grat dabei ist, den wir uns vorstellen. ({2}) Wir werden - das weiß der Koalitionspartner - in die Beratung einbringen, daß wir in der Frage der Beraterverträge der Meinung sind, daß sie auch Wolfgramm ({3}) zu veröffentlichen sind, weil sich ja gerade an ihnen ganz deutlich Kritik am Parlament und auch an den Abgeordneten entzündet hat. ({4}) Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, ob wir ein Gremium von außen nehmen sollen, das unabhängig von den Abgeordneten über die Einhaltung der Regeln wacht. Wir sind alle zusammen der Meinung gewesen: Das sollen die Abgeordneten selbst regeln. Das sollen sie nach unserer Meinung mit diesem Präsidium regeln, das diese Rechte und Pflichten bisher ausgeübt hat und von dem wir der Meinung sind, daß wir ihm das nicht zu entziehen haben und auch nicht zu entziehen brauchen, weil das Präsidium unser Vertrauen genießt, weil es vom Bundestag gewählt ist und weil es auch noch andere wichtige Rechte hat. Es kann j a einen Abgeordneten bis zu 30 Tagen von seiner Anwesenheitspflicht entbinden. Das sind sehr harte Eingriffe in die Rechte der Abgeordneten. Ich kann nicht einsehen, daß wir zu einem Abgeordnetenrat kommen sollen, der eine mühsame Konstruktion zusätzlicher und neuer Kollegen bedeutet. Bei den Sanktionen hatten wir überlegt, ob wir zusätzlich zu der Veröffentlichungspflicht auch noch den Einzug der Vermögenswerte vorsehen sollten. Wir hatten das damals in unserer Berlin-Sitzung mit anderen Vorstellungen veröffentlicht. Wir müssen auch da prüfen, ob dieses Verfahren ein nicht rechtsförmliches ist und ob das dann möglich ist. Jedenfalls werden wir es auch mit in das Hearing einbringen. Herr Kollege Conradi, Sie haben sich, finde ich, die Sache sehr leicht gemacht in Ihrer Äußerung über das Inkrafttreten. Es gibt gute Gründe, sehr gute Gründe, zu sagen, daß man die Kollegen mit einer solchen Verschärfung des Abgeordnetengesetzes, also der Verhaltensrichtlinien im Gesetz, nicht ohne weiteres in einer Legislaturperiode konfrontieren kann. Sie wissen von Kollegen, die öffentlich geäußert haben - es waren Selbständige und Angehörige freier Berufe -, unter diesen Umständen hätten sie das Mandat nicht angenommen. ({5}) Ich verspreche mir von dem Hearing eine Klärung, eine Hilfe für diese Kollegen. Sie können nicht so über diese Sache hinweggehen und sagen, man müsse sofort die Konsequenzen ziehen, ohne sich überhaupt über die Rechte der Betroffenen Gedanken zu machen. ({6}) Ich hätte mir übrigens gewünscht, daß bei dieser Debatte doch das eine oder andere Mitglied des Hauses zusätzlich anwesend ist. Es ist für den einen oder anderen Kollegen vielleicht doch wichtig, zu wissen, was wir uns vorstellen. Aber dazu werden uns die zweite und dritte Lesung noch Gelegenheit bieten. Die Freien Demokraten werden sorgfältig und intensiv beraten. Wir werden so rasch wie möglich beraten, aber nicht auf Kosten der Sorgfalt. Erlauben Sie mir, noch eine kleine Anmerkung zu zitieren, die deutlich macht, daß dasselbe Mittel bei verschiedenen Menschen unterschiedlich wirkt. Ich werde versuchen, aus dem Gedächtnis etwas zu zitieren, was ich Ihnen eigentlich aus dem Rollwagenbüchlein vortragen wollte, und zwar eine kleine Geschichte aus dem Mittelalter: Ein Bader wurde zu einem Hufschmied gerufen, der starkes Fieber hatte. Es stellte sich heraus, daß der Hufschmied Appetit auf Sauerkraut bekam. Der Bader ließ es kommen. Daraufhin wurde der Hufschmied geheilt. Der Bader notierte in seinem Rezeptbuch: Sauerkraut bei Fieber, Hufschmied geheilt. Kurze Zeit später wurde er zu einem Schneider gerufen - Sie sehen, alles sehr angesehene Berufe -, der ebenfalls an Fieber litt. Er verordnete sogleich Sauerkraut, aber der Schneider verstarb leider. Der Bader notierte in seinem Rezeptbuch: Sauerkraut bei Fieber, bei Hufschmieden gut, bei Schneidern schlecht. ({7})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Mann.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich darstellen, in welchen größeren Zusammenhang die von den Koalitionsfraktionen und von der SPD-Opposition vorgelegten Gesetzentwürfe zur Änderung des Abgeordnetengesetzes in der heutigen ersten Beratung gestellt werden müssen. Ohne die Affäre Barzel würde die heutige Debatte nicht stattfinden. Am 16. November 1984 hat der Bundestag über Parteienfinanzierung und Unabhängigkeit des politischen Mandats in Verbindung mit der Flick- und Spenden-Affäre debattiert. Erinnern wir uns an die Ankündigung des Kollegen Dr. Bötsch - ich sehe ihn im Moment nicht - zu Anfang der damaligen Debatte. Er erklärte, seine Fraktion wolle dazu beitragen - ich zitiere -, Klarheit zu schaffen, Zweifel auszuräumen und verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Er führte weiter aus: Vor allem wollen wir den mündigen Bürgern die Sicherheit geben, daß nur sie - und ausschließlich sie - darüber zu bestimmen haben, wer dieses Land und seine Bewohner regiert. Durch die heute vorgelegten Gesetzentwürfe müßte mithin, Herr Bohl, das Vertrauen der Bürger in die Unabhängigkeit des Parlaments wenigstens ein Stück weit wiederhergestellt werden. ({0}) An dieser Stelle möchte ich aus der „Süddeutschen Zeitung" vom heutigen Tage zitieren. Die „Süddeutsche Zeitung" überschreibt ihren Kommentor - aus meiner, aus unserer Sicht zu Recht - „Lasche Verhaltensregeln", und dann heißt es in diesem Artikel: Zusammengenommen bedeutet dies, daß der Versuch gescheitert ist, aus den zurückliegenden ({1}) und den noch schwärenden ({2}) politischen Spenden-Affären einvernehmlich klare Konsequenzen zu ziehen. Genau im Bereich der halbdunklen Zone von Nebentätigkeiten, die nicht illegal sind, aber auch nicht unzweifelhaft dem Bild des ungebundenen und unabhängigen Abgeordneten entsprechen, verweigert die Koalition ausreichende Transparenz. Der Wähler wird demnach auch in Zukunft bei der Lektüre des Handbuchs des Deutschen Bundestages nicht wirklich erkennen können, was sein Abgeordneter nebenher tatsächlich noch für Verpflichtungen eingeht. So weit die „Süddeutsche Zeitung". ({3}) Sie haben j a hier zu erkennen gegeben - so vor allem der Kollege Wolfgramm -, daß Sie sehr gründlich beraten wollen. Eine Anhörung ist angekündigt worden. Ich begrüße das auch für unsere Fraktion. Ich hoffe, daß die „Süddeutsche Zeitung" mit ihrer Beurteilung vorn heutigen Tage nicht recht behält. Ich wage an dieser Stelle die Behauptung - an Sie, Herr Bohl, und Ihre Kollegen von den Koalitionsfraktionen gerichtet -: Ohne die kontinuierliche und kritische Berichterstattung einiger Presseorgane, die Sie übrigens denunziert haben, und ohne die dadurch hergestellte Öffentlichkeit bezüglich der Spendenpraxis des Flick-Konzerns sowie - das darf ich in aller Bescheidenheit feststellen - ohne das Vorhandensein und die Initiativen der GRÜNEN wäre der Flick-Untersuchungsausschuß nicht zustande gekommen, ({4}) ohne die Arbeit des Untersuchungsausschusses hätte es keine Affäre Rainer Barzel gegeben, ({5}) und ohne die Affäre Barzel säßen wir heute nicht hier, um über eine Änderung des Abgeordnetengesetzes hinsichtlich der Verhaltensrichtlinien zu diskutieren. ({6}) Ein Verhaltenskodex für Abgeordnete - beruhigen Sie sich, meine verehrten Kollegen von der SPD-Fraktion - kann nicht losgelöst von den Diskussionen um eine Parlamentsreform behandelt werden. Ich benutze daher die Gelegenheit und verleihe der Erwartung Ausdruck, daß wir unmittelbar nach der Sommerpause über die in der entsprechenden Kommission des Bundestages erörterten Vorschläge an dieser Stelle und möglichst zu einer vernünftigen Zeit eingehend beraten können. Ich möchte weiter erwähnen, daß die Kollegin Frau Dr. Hamm-Brücher für die interfraktionelle Initiative „Parlamentsreform" in einer Presseerklärung am 3. Juni 1985 darauf hingewiesen hat, daß die Ad-hocKommission „Parlamentsreform" in ihrer Arbeit durch eine bedauerliche Verschleppungstaktik seitens der Fraktionsgeschäftsführungen bei der Ausführung des Auftrages des Bundestages vom 20. September 1984 behindert worden ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Auch die mühsame Zusammenführung der beiden Themen, verehrter Kollege, sollte Sie nicht davon abhalten, beim Thema zu bleiben.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vor allem die Forderung - Frau Präsidentin, ich sehe den Zusammmenhang sehr wohl - des Arbeitsauftrages nach verstärkter und wirksamerer -

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich bitte, die Präsidentin nicht zu kritisieren.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bitte?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich bitte, die Präsidentin nicht zu kritisieren. Das war eine Kritik. ({0})

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe das auch nicht als Kritik verstanden; ich muß mich jetzt etwas beeilen, damit nachvollziehbar wird, warum das dazugehört. - Vor allem die Forderung nach verstärkter, wirksamerer Kontrolle des Parlaments sowie die Vorschläge zur Stärkung der Stellung des einzelnen Abgeordneten stehen in engem Zusammenhang mit einer Änderung der Verhaltensregeln für Abgeordnete. Verhaltensregeln und damit Rechte und Pflichten des einzelnen Abgeordneten entwickeln sich im Spannungsverhältnis von Art. 21 und Art. 38 des Grundgesetzes. Ihr Inhalt ist nicht von dem Selbstverständnis dieses Parlaments zu trennen. Parlamentarische Realität ist - das sollten wir ruhig zur Kenntnis nehmen -, daß eben nicht mehr das Parlament als Ganzes gegenüber der Regierung Kontrolle ausübt, weil es zu einer unauflöslichen und durch Personalunion von Kabinettsmitgliedern, Parlamentarischen Staatssekretären und Bundestagsabgeordneten gefestigten politischen Interessenidentität zwischen Regierung und Regierungsmehrheit in der Legislative gekommen ist, wie es Carl-Christoph Schweitzer treffend in seinen Anmerkungen zur Diskussion um die Parlamentsreform in der Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament" vom 15. Juni 1985 ausdrückt. Im Anschluß an Schweitzer läßt sich feststellen, daß die Opposition zur Ausübung der Kontrolle bereit ist, während die Regierungsfraktionen infolge ihres Informationsvorsprunges in der Regel allein zu einer solchen Kontrolle fähig sind. Angesichts dieser Verfassungsrealitäten kommt meiner Überzeugung nach der Stärkung der Stellung des einzelnen Abgeordneten vorrangige Bedeutung zu. Insofern habe ich große Zweifel, daß sich durch die Arbeit der Ad-hoc-Kommission hier etwas gravierend ändern wird. Gestatten Sie mir im Zusammenhang mit der Parlamentsreform einen abschließenden Hinweis auf den unserer „grünen" Überzeugung nach wichtigsten Gesichtspunkt: Öffentlichkeit. Sie wissen, daß wir GRÜNEN schon zu Beginn unserer Arbeit im Bundestag auf Öffentlichkeit aller Ausschußsitzungen gedrängt haben; ({0}) leider ohne Erfolg. Der Bundestag insgesamt wäre gut beraten, wenn er dem Gesichtspunkt der Öffentlichkeit ({1}) bei der weiteren Beratung der Vorschläge zur Parlamentsreform grundlegende Bedeutung beimessen würde. Das kann uns im übrigen auch ein Blick nach England und in die Vereinigten Staaten erleichtern. Natürlich sind auch Grundfragen des parlamentarischen Selbstverständnisses berührt, wenn, wie es die Regierungsfraktionen in ihrem Entwurf tun, die Selbstkontrolle des Parlaments auf zur Zeit drei von vier Fraktionen beschränkt wird. ({2}) Es ist verfassungsrechtlich, verfassungspolitisch ein Unding, wie die Regierungsfraktionen von Anfang an versucht haben, die ungeliebte neue Fraktion der GRÜNEN von wichtigen parlamentarischen Gremien fernzuhalten. Das war die parlamentarische Kontrollkommission, die G-10-Kommission, ({3}) und das haben Sie bei der Beratung der Geheimdienst-Haushalte eben auch praktiziert. ({4}) Nur wer etwas zu verbergen hat, scheut das Licht der Öffentlichkeit. Ich will Ihnen an dieser Stelle sagen: Mit Sicherheit wird es nicht gelingen, Vertrauen zu bilden, wenn die vertrauensbildende Maßnahme von Anbeginn an von Mißtrauen gegenüber einem Teil der Bevölkerung, der durch unsere Fraktion in diesem Parlament vertreten ist, geprägt wird. ({5}) So betrachtet unterstützen wir den Vorschlag der SPD-Fraktion auf Einführung eines Abgeordnetenrates, an dem alle Fraktionen des Parlaments beteiligt sind. ({6}) Weil wir jedoch der Auffassung sind, daß die wirksamste Kontrolle des Parlaments und der Abgeordneten durch die Öffentlichkeit erfolgt, drängen wir auf eine wirksame Offenlegung aller mit der Ausübung des Mandats zusammenhängenden Tätigkeiten und Einkünfte der Abgeordneten. Ich will an dieser Stelle sagen, daß auch bei uns die Diskussionen noch nicht abgeschlossen sind. Wir sind für gläserne Taschen und sehr wohl nicht für den gläsernen Abgeordneten. Das Wichtigste möchte ich zum Schluß allerdings noch sagen: Nur wenn das Verhältnis von wirtschaftlicher Macht, von Geld, zur Demokratie ein anderes wird, werden diese Verhaltensrichtlinien Erfolg haben können. Unsere Überzeugung ist, wir werden durch gesetzliche Änderungen nur sehr wenig erreichen, wenn wir uns dem Problem - insofern ist diese Woche durch die Information im „Spiegel" eine gute Gelegenheit - der demokratischen Kontrolle der Wirtschaft nicht stellen. Ich selbst will zum Schluß sagen: Ich habe eine große Skepsis in bezug auf Veränderungen in diesen sehr sensiblen, sehr wichtigen Fragen durch Änderung von Gesetzen, durch Änderung von Verhaltensrichtlinien. Ich glaube, nur wenn wir selbst als Abgeordnete unseren Verfassungsauftrag ernster nehmen, uns unserer Verantwortung gegenüber dem gesamten Volk und nicht nur gegenüber bestimmten Kreisen der Wirtschaft bewußt sind, wird sich das Vertrauen der Bevölkerung zu den Abgeordneten zurückgewinnen lassen. - Vielen Dank. ({7})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt vor, die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 10/3544 und 10/3557 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung und zur Mitberatung an den Innenausschuß und den Rechtsausschuß. - Weitere Vorschläge erfolgen nicht, wie ich sehe. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Rechtsbereinigungsgesetzes - Drucksache 10/3290 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({0}) Rechtsausschuß Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Verkehr Haushaltsausschuß Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Einverständnis des Hauses? - Dann ist das auch so beschlossen. Das Wort zur Begründung wird erbeten. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Waffenschmidt hat das Wort.

Dr. Horst Waffenschmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002403

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ({0}) Der vorliegende Entwurf eines Ersten Rechtsbereinigungsgesetzes enthält Vorhaben aus den Geschäftsbereichen von acht Bundesressorts. Durch dieses Gesetz sollen künftig 18 Gesetze und Verordnungen völlig entfallen. In weiteren 31 Gesetzen werden insgesamt zirka 110 Einzelvorschriften zur Streichung vorgeschlagen. Die mit dem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Rechtsbereinigungsmaßnahmen sollen für die Betroffenen und für die Verwaltung wesentliche Erleichterungen und Vereinfachungen bringen. Zum Teil dient der Gesetzentwurf auch der Streichung von Vorschriften, die durch Zeitablauf und durch Rechtsänderung notwendig geworden ist. Insbesondere aber sollen Anzeige- und Meldepflichten eingeschränkt, Genehmigungserfordernisse aufgelockert oder abgeschafft, Wertgrenzen angehoben und Genehmigungsverfahren durch Konzentration vereinfacht werden. Ich will nur wenige Beispiele nennen. Im Bereich des Bundesministers für Verkehr wird allein die Umwandlung des Beförderungsbescheinigungsverfahrens in eine bloße Anmeldepflicht im Werkfernverkehr jährlich zu einem Wegfall von zirka 10 000 Verfahren führen. ({1}) Es geht ferner um wesentliche Verfahrenserleichterungen bei Genehmigungen z. B. im Umweltschutzbereich. Weiter soll im Bereich des Bundesministers für Wirtschaft z. B. die Möglichkeit eröffnet werden, daß die Industrie- und Handelskammern die Voraussetzungen für die öffentliche Bestellung von Sachverständigen künftig sowohl im Hinblick auf die Bestellung als auch im Hinblick auf die Rechte und die Pflichten selbst in eigener Autorität regeln können; also Verlagerung von Aufgaben von oben nach unten. Im Bereich des Bundesministers der Justiz und des Bundesministers der Finanzen sollen aufwendige Meldepflichten z. B. im Hinblick auf die Bestellung von Pfandbriefen, die einen erheblichen Aufwand mit sich bringen, beseitigt werden. Ich könnte weitere Beispiele nennen. Ich will nur noch auf einen wichtigen Komplex hinweisen. Der Gesetzentwurf enthält auch eine Gruppe von Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen, die der Anpassung an das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes dienen. ({2}) - Es ist, Herr Kollege, wichtig, daß wir bei diesem Ersten Rechtsbereinigungsgesetz mal an ein paar Beispielen deutlich machen, wo wesentliche Verfahrenserschwernisse abgebaut werden und wo wir zur Vereinfachung von Verwaltungsverfahren kommen. ({3}) Das ist eine gute Begründung für ein Rechtsbereinigungsgesetz.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die Bundesregierung hat das Recht, ihren Antrag zu begründen, meine Damen und Herren. ({0})

Dr. Horst Waffenschmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002403

Meine Damen und Herren, ich möchte fortfahren. - Weil einige Kollegen von der SPD noch gerne ein paar Beispiele hören wollen, will ich die auch gern anführen. Das sind einige ganz wichtige Dinge, die wir Ihnen aus der praktischen Arbeit für die Rechtsbereinigung hier heute gerne mitteilen; denn wir wollen, daß auch die Bürger etwas davon erfahren, was wir hier an Vereinfachungen vorschlagen. ({0}) Ich möchte Ihnen gerne noch zwei Beispiele nennen, die den Gesetzentwurf auch sehr wesentlich begründen. Wir haben neben den vielen Vorschlägen zur Beseitigung von über 100 Einzelvorschriften heute auch die Initiativen zu nennen, die es begleitend zu diesem Vorschlag gegeben hat. ({1}) Ich nenne als Beispiel die ersten Statistikbereinigungsverordnung von 1984. Ich nenne als eine wesentliche Initiative den Verzicht auf die regelmäßige Einholung von polizeilichen Führungszeugnissen bei der Erteilung von Führerscheinen. Hierdurch werden 1,2 Millionen Verwaltungsvorgänge eingespart. Wenn wir in diesem Hause der Meinung sind, meine Damen und Herren, daß Verfahren erleichtert werden sollten, daß von überflüssigen Verwaltungsverfahren Abschied genommen werden sollte, können wir uns miteinander darüber freuen, daß solche Initiativen durchgesetzt werden. ({2}) - Ich halte mich gerne daran, lieber Herr Kollege. Aber hier sind einige wichtige Zahlen vorzutragen, die entsprechend aufbereitet sind und die ich Ihnen gerne sehr korrekt hier vortragen möchte. ({3}) Ich will hier deutlich machen, daß das, was wir im Rechtsbereinigungsgesetz vorschlagen, in eine Vielzahl von Vorschlägen zu 144 Bereichen eingebettet ist. Herr Kollege Walther, Sie als Vorsitzenden des Haushaltsausschusses müßte das besonders interessieren; denn das alles dient doch auch zur Vereinfachung kostenaufwendiger Verfahren. ({4}) In 144 Bereichen sind wir dabei, Initiativen durchzuführen, die auch - meine Damen und Herren, das will ich hier einmal sagen - auf eine sehr lebendige Begleitung durch die Bürger zurückgehen. Wir haben bei der unabhängigen Kommission für Rechts- und Verwaltungsvereinfachung des Bundes über 1 500 Vorschläge von Bürgern, von Behörden, ({5}) aus Betrieben, von Gewerkschaften und vielen anderen Bereichen bekommen, in denen gesagt wurde: Dies und jenes könnt ihr noch tun, um aufwendige Verwaltungsverfahren zu vereinfachen. - Ich finde, es ist eine gute Sache, daß sich heute das Parlament damit beschäftigt, damit wir durch diese Initiative in einer ganzen Reihe von Bereichen zu einfachen Verfahren kommen. ({6}) Lassen Sie mich hier noch drei wesentliche Initiativen nennen, die in engem Zusammenhang mit dem Rechtsbereinigungsgesetz stehen, das hier heute beraten wird. Es geht nicht nur darum, daß wir überflüssige Vorschriften abschaffen, daß wir Bereinigungen vornehmen, sondern es geht auch darum, daß wir bei der Neufassung von Vorschriften darauf achten, daß überflüssiger Aufwand vermieden wird. ({7}) Darum hat das Kabinett zehn Prüffragen zur Gesetzgebung verabschiedet, die an die einzelnen Ressorts gegangen sind, für die Ressorts verbindlich geworden sind und auch Ihnen, meine Damen und Herren, hier im Parlament mitgeteilt worden sind. Lassen Sie mich eine zweite Initiative in dem Zusammenhang nennen. Wir haben sehr großen Wert drauf gelegt, auch in der Unabhängigen Kommission für Rechts- und Verwaltungsvereinfachung, wo Vertreter des Bundes, der Länder und der Kommunalen Spitzenverbände zusammenarbeiten, daß wir begleitend zu diesem Rechtsbereinigungsgesetz Vorschläge für eine einfache Verwaltungssprache und für eine einfache Durchführung von Verwaltungsvorgängen machen. ({8}) - Ja, Herr Kollege Walther, es ist traurig, daß Sie sie sich noch nicht angesehen haben. Wir haben sie in vielen tausend Exemplaren der Öffentlichkeit und den Behörden zur Verfügung gestellt. ({9}) Ich darf hier heute - ich denke, das wird das Parlament sehr erfreuen - darauf verweisen, daß wir inzwischen 32 000 Exemplare von Vorschlägen für eine Vereinfachung der Verwaltungssprache und auch für bürgernahe Verwaltungsverfahren an die Bundesbehörden und auch an nachgeordnete Dienststellen mit der Bitte übersandt haben, sich künftig an guten Vorbildern, die auch aus der Verwaltungspraxis erarbeitet wurden, zu orientieren. Ich will eine letzte Bemerkung machen. Neben den Initiativen, die wir heute hier vorschlagen, sind wir dabei, bereits ein weiteres Rechtsbereinigungsgesetz zu erarbeiten. Maßgeblich wirken dabei wieder die Vertreter von Bund, Ländern, Gemeinden, Wirtschaftsverbänden, aber auch aus der Wissenschaft und der Rechtsprechung mit, ({10}) die die gesamte Erfahrung über die Unabhängige Kommission einbringen. ({11}) Wir wollen das zweite Rechtsbereinigungsgesetz so frühzeitig vorlegen, ({12}) Man kann keine Zwischenfrage stellen!) daß wir es noch in dieser Wahlperiode verabschieden können. Ständige Aufgabe für uns alle hier im Parlament wird es aber sein, ({13}) dafür zu streiten, daß auf jeden Fall auch dies Beachtung findet: Wir müssen mit den Bürgern ehrlich darüber reden, daß der moderne Rechtsstaat und der moderne Sozialstaat sicher ein Maß von Vorschriften braucht, ({14}) aber daß wir auch miteinander gegen den Aberglauben streiten, alles würde schöner und besser und gerechter, wenn die öffentliche Hand es regelt. Wir müssen uns an dem Grundsatz orientieren: So viele Normen, wie der Rechtsstaat unbedingt erforderlich macht, aber auch so viel Freiheit für den Bürger und so viel Ermessensspielraum für die Behörden vor Ort wie eben möglich. ({15}) In diesem Sinn bitte ich das Erste Rechtsbereinigungsgesetz möglichst zügig zu beraten und im Bundestag möglichst bald zu verabschieden, damit Bürger, Wirtschaft und alle Beteiligten in den Genuß der Vereinfachung kommen können. Herzlichen Dank. ({16})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich eröffne die Aussprache. Nun sind auch Zwischenfragen erlaubt. Das Wort hat der Abgeordnete Schröer. ({0}) - Nein. Bei Begründungen gibt es keine Zwischenfragen. ({1})

Thomas Schröer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002084, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär, ich Schröer ({0}) hatte mir vorgenommen, Ihnen am Anfang meines Beitrages etwas Nettes zu sagen. Das fällt mir allerdings nach Ihrer Rede leider etwas schwer. Deshalb lasse ich das jetzt weg und sage nur das sachlich Gebotene. ({1}) Wir unterstützen Ihre Absicht, den Gesetzesdschungel zu durchforsten und überflüssige und unzeitgemäße Rechtsvorschriften zu beseitigen. Der vorgelegte Gesetzesentwurf scheint uns hierfür eine vernünftige Grundlage zu bieten, jedenfalls nach erster Durchsicht. Wir werden alle Ihre Vorschläge im Ausschuß sorgfältig und vorbehaltlos beraten. Interessant erscheint mir aber, daß ein Drittel Ihrer Vorschläge Gesetze betrifft, die in den letzten zwei Jahren unter Ihrer Regierungsverantwortung hier im Haus beschlossen worden sind. ({2}) - Ein Drittel. Das Ganze bezieht sich auf Gesetze seit 1942. Das früheste Gesetz stammt aus dem Jahr 1942. ({3}) Offensichtlich starten Sie mit diesem Rechtsbereinigungsgesetz zugleich eine Aktion zur Beseitigung von Hausmüll. Das kann nur nützlich sein. Es geht der Bundesregierung ganz sicher nicht nur um einige technokratische Regelungen, sondern es soll wohl auch ein politisches Signal gesetzt werden, nämlich - so haben Sie sich, Herr Staatssekretär, schon im Bundesrat ausgedrückt -: Staatliches Handeln soll einfacher, überschaubarer, praxisnäher werden. Bei anderer Gelegenheit haben Sie, Herr Staatssekretär, gesagt: Auch die Gesetzesmaschinerie soll in Zukunft ihren Katalysator erhalten. Nun haben Sie j a Ihre speziellen Erfahrungen mit Katalysatoren. Mein Eindruck ist: Der „Gesetzeskatalysator" ist auch schon vor seiner Einführung gescheitert. Denn kaum eine Bundesregierung hat so viele Gesetze in so kurzer Zeit dem Bundestag zugeleitet wie Ihre. ({4}) - 192 Gesetze sind bis zum 11. dieses Monats von der Bundesregierung dem Bundestag zugeleitet worden. Das sind 40% mehr als in der gesamten 9. Wahlperiode. ({5}) Ich werfe Ihnen das übrigens gar nicht vor, ich stelle das nur fest. Aber andere werfen Ihnen das vor, z. B. Ihre Freunde in der Redaktion Ihrer Hauspostille, der FAZ. Die haben nämlich geschrieben - jetzt zitiere ich -: „Die immer höher steigende Gesetzesflut" - unter Ihrer Regierung - „steht in krassem Widerspruch zu der Ankündigung der Bundesregierung, Vorschriften zu streichen und zu vereinfachen. ({6}) Entrümpelung beim Staat bringt gar nichts, wenn zur gleichen Zeit mehr Vorschriften neu gemacht als alte gestrichen werden."

Harald B. Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001931, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Waffenschmidt, hören Sie zu!) Was mich aber viel mehr und politisch interessiert ist, wie Sie dies alles mit dem ideologieträchtigen Postulat Ihres Generalsekretärs in Übereinstimmung bringen, der immer wieder behauptet hat: „Weniger Gesetze gleich mehr Freiheit für den Bürger." Soll, nein: muß ich Ihnen jetzt den Umkehrschluß vorhalten, daß nämlich Ihre Gesetzesfülle weniger Freiheit für den Bürger bedeutet? Eines steht jedenfalls fest: Wir Abgeordneten können unserer Zukunft unter dieser Regierung gelassen entgegensehen. Wir werden nicht beschäftigungslos werden. Auch die Beamten dürfen sich freuen: Wenn sie schon nicht mehr Gehalt bekommen haben, so bekommen sie von dieser Regierung doch auf jeden Fall mehr Gesetze. Meine Damen und Herren, das Bemühen um Entbürokratisierung muß aber noch vor einem anderen Hintergrund gesehen werden. Ich denke, wir alle spüren die wachsende Sensibilität gerade bei jungen Leuten gegenüber dem von ihnen oft als Moloch empfundenen Staat. Hier vermengen sich irrationale Befürchtungen mit konkreten Erfahrungen, und Sie, die CDU/CSU, haben mit dazu beigetragen, solche Ängste zu schüren, indem Sie lange Jahre „Staat" gegen „Freiheit" ausgespielt haben. Dies schlägt jetzt auf Sie zurück. Ich denke, wir alle sind aufgefordert, diesem Mißtrauen, diesen Ängsten zu begegnen. Ihr Beitrag hierzu darf sich nicht darauf beschränken, die „Milchsachkundeverordnung" oder die „Qualitätsnorm für Gemüsepaprika und für Porree ({0})" zu streichen. Überlegen sollten Sie vielmehr, was es für die Haltung junger Menschen zu diesem Staat bedeutet, wenn Sie auf dem maschinenlesbaren Personalausweis oder der Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts beharren, wenn Ihr Minister - Ihr Minister! - sich als Kunstzensor und Ihr Staatssekretärskollege Spranger sich als Pressezensor aufwirft. ({1}) - Herr Kollege, Sie haben in den Sommerferien Zeit, Ihr Repertoire an Zwischenrufen zu bereinigen. - Mit dieser Politik schaffen Sie nicht Vertrauen in diesen Staat, sondern Sie zerstören Vertrauen. Verzeihen Sie mir, wenn ich das so offen sage: Mein Eindruck ist, Ihre Politik ist von der unterschwelligen Angst vor dem freien, seine Freiheit lebenden Bürger geprägt. ({2}) Schröer ({3}) Sie vertiefen die Kluft zwischen dem Staat und seinen Menschen, statt zu tun, was notwendig wäre, nämlich diese Kluft zu überwinden. ({4}) - Sehen Sie, da haben wir wenigstens eine Gemeinsamkeit, die ich bisher noch gar nicht entdeckt hatte. Meine Damen und Herren, eine letzte Bemerkung. Die Mehrheit der Bürger ärgert sich nicht darüber, daß Sie so viele Gesetze machen. Die Mehrheit der Bürger ärgert sich darüber, daß Sie so viele schlechte Gesetze machen. Schlecht, weil unsozial und ungerecht. Ich denke, Sie sollten die Sommerpause einmal dazu nutzen, für sich selbst aufzulisten, was Sie in den letzten zwei Jahren an arbeitnehmerfeindlichen, familienfeindlichen, frauenfeindlichen Gesetzen beschlossen haben. Hier eröffnete sich Ihnen ein weites Feld zur Rechtsbereinigung. Dafür bräuchten Sie, Herr Staatssekretär Waffenschmidt, keine Kommission und keine Professoren. Hierfür bräuchten Sie und Ihre Kollegen nur eines: nämlich ein Herz für die kleinen Leute. ({5})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Clemens.

Joachim Clemens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000330, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon längere Zeit her, daß der Altbundeskanzler Schmidt - ich hoffe, ich darf Ihnen auch bei der SPD noch zitieren ({0}) im Rahmen einer aufkommenden Diskussion über Rechts- und Verwaltungsvereinfachung beklagte, seine Stadtwerkerechnung nicht mehr lesen zu können. - Es ist auch schon sehr lange her, nämlich schon seit dem Jahre 1974, daß dieser Deutsche Bundestag einstimmig eine Entschließung angenommen hat, wonach das in unzählige Vorschriften zersplitterte Mietrecht vereinheitlicht und bereinigt und damit wesentlich vereinfacht werden sollte. Beiden, nur exemplarisch aufgeführten Beispielen ist eines gemeinsam: Man hat seinerzeit viel über Entbürokratisierung, Rechts- und Verwaltungsvereinfachung geredet, aber getan hat man nichts. Herr Schröer, auch heute haben wir hehre Worte gehört. Damals hat sich die SPD-geführte Bundesregierung, wie so oft in ihrer Regierungszeit, nur zum Reden bekannt; dem sind aber keine Taten gefolgt. Die Bürokratie - das war das Ergebnis - wucherte weiter wie ein Krebsgeschwür. ({1}) Ganz anders die jetzige Bundesregierung. Ihr muß man uneingeschränkt Lob zollen - ich meine, das habe ich sogar aus den Worten von Herrn Schröer von der Opposition herausgehört -, denn sie hat der Entbürokratisierung nun neue Impulse gegeben, und zwar nicht nur mit Worten, sondern mit Taten. Das begann mit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom Mai 1983, der damals ausführte: Wirksamkeit und Überzeugungskraft staatlichen Handelns wachsen, wenn der Staat darauf verzichtet, zu viele Bereiche des Lebens zu regeln. In der Vergangenheit hat der Staat im Übermaß Aufgaben an sich gezogen. Umkehr ist dringend geboten ... Es muß uns gelingen, das Recht zu vereinfachen und Überreglementierungen zu beseitigen. Die Bundesregierung hat dann auch sofort mit Nachdruck gehandelt. Man hat eine unabhängige Kommission für Rechts- und Verwaltungsvereinfachung unter der Stabführung des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt eingesetzt, und diese hat schon einige tausend Vorschläge und Anregungen von Bürgern und Verwaltungen, aber auch von den Ländern erhalten, die nun Zug um Zug mit dem Ziel der Entbürokratisierung umgesetzt werden müssen. Die Bundesregierung war aber auch schon darüber hinaus tätig. Ein erster Bericht weist aus, daß man schon 144 Maßnahmen beschlossen oder auf den Weg gebracht hat. Ich erwähne als ein Beispiel den Verzicht auf Führungszeugnisse beim Erwerb von Führerscheinen. Damit sind immerhin 1,2 Millionen Anfragen an das Bundeszentralregister überflüssig geworden. Das ist schon einmal sehr gut. Das Wohnrechtsvereinfachungsgesetz wurde erarbeitet, und das Baugesetzbuch steht vor der Tür.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?

Joachim Clemens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000330, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. ({0})

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Clemens, können wir beide gemeinsam der Bundesregierung einen 145. Vorschlag zuleiten, nämlich den, das Gesetz zum Zusatzprotokoll vom 15. März 1978 zum Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht ebenfalls als völlig überflüssig abzuschaffen?

Joachim Clemens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000330, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Kühbacher, es gibt sicherlich noch viele andere Beispiele. Ich kann jetzt aus Zeitmangel nicht auf alle eingehen. Ich wüßte aber noch nette andere Beispiele, die dem ähneln, was Sie hier eben genannt haben. Ich wäre damit einverstanden. ({0}) - Alles klar. Was die Bundesregierung beschlossen hat, beinhaltete zunächst einmal Aufhebungen und Vereinfachungen auf Grund der Änderung von Gesetzen bzw. von neuen Gesetzesvorhaben. Das Erste Rechtsbereinigungsgesetz zielt nunmehr auf die Aufhebung und Vereinfachung von Vorschriften, die nicht schnell durch eine Gesetzesänderung oder durch ein neues Gesetzesvorhaben verwirklicht werden können. Wir ergänzen also die bisherige erfolgreiche Arbeit der Bundesregierung durch diesen Gesetzentwurf. Wir haben schon gehört, ein Zweites Rechtsbereinigungsgesetz soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Wenn dann die Bundesregierung wie vorgesehen jedes Jahr ein weiteres Rechtsbereinigungsgesetz dem Parlament zuleitet und wir es verabschieden, werden wir eine Vielzahl von überflüssigen Gesetzes- und Rechtsvorschriften aufgeben, vereinfachen und damit unserem Ziel näherkommen, Bürger, Wirtschaft und Verwaltung von bürokratischem Ballast spürbar zu entlasten. Wir befinden uns trotz der guten Vorarbeit der Bundesregierung noch beim Einstieg in die Problematik. Sicherlich wäre es wünschenswert, wenn das Tempo der Entbürokratisierung wesentlich erhöht werden könnte. Ich wäre sehr dafür. Das ist aber einfacher gesagt als getan. Es gibt nun einmal kein Patentrezept, um von heute auf morgen das gesamte öffentliche Normenwerk mit allen seinen vielen Verästelungen neu zu konzipieren und durch neue einfache und allgemeinverständliche Gesetze auf einen Schlag zu ersetzen. Außerdem müssen nicht nur viele Institutionen jetzt gehört werden, sondern auch die Kommunen und insbesondere die Länder beteiligt werden. Das bringt Zeitverzögerungen mit sich. Kurzum: Wir müssen feststellen, der Fortschritt beim Abbau der Bürokratie läßt sich nur in mühevoller Kleinarbeit vollziehen. Ich werde auf dieses Gesetz nicht im einzelnen eingehen. Wir haben dazu in den Ausschüssen genug Zeit, im übrigen auch in der nächsten Lesung. Ich sage nur für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu, den Gesetzentwurf zügig zu beraten und zu verabschieden. Ich möchte diesen Gesetzesvorschlag der Bundesregierung aber zum Anlaß nehmen, selbstkritisch an uns als Gesetzgeber zu appellieren, nämlich der Produktion von immer neuen Gesetzen Einhalt zu gebieten und die Normenflut damit einzudämmen. Wir Deutschen haben dank unseres Hanges zur Gründlichkeit die Angewohnheit, alle Lebensbereiche bis auf das berühmt-berüchtigte I-Tüpfelchen zu regeln. Unser Hang zum Perfektionismus ist insoweit unübertroffen. Überreglementierungen sind die Folge. So ist es sicherlich ein großer Irrtum, wenn wir annehmen, daß durch immer mehr kasuistische Regelungen die Probleme in allen Lebensbereichen zu lösen sind. Es ist eigentlich eine von uns sicherlich bisher unterschätzte Erfahrung, daß der Gesetzgeber gar nicht so perfekt vordenken kann, wie sich die Wirklichkeit später darstellt. Auch müßte uns eigentlich klar sein, daß, je dichter das Netz an gesetzlichen Regelungen geknüpft ist, desto lückenhafter sich seine Anwendung dann erweist und zu raschem Änderungsbedarf führt. Darunter leidet wieder die Rechtskontinuität. Das wiederum führt zum Schwund des Vertrauens der Bürger in das Recht. Die Bundesregierung hat sich mit den von ihr beschlossenen blauen Prüffragen das Ziel gesetzt, alle Rechtsetzungsvorhaben frühzeitig auf ihre Notwendigkeit und Qualität zu überprüfen. Ich kann nur sagen: sehr gut. Man kann nur hoffen, daß diese Zielsetzung regelmäßig bedacht wird. Immerhin sind erste Anzeichen sichtbar - nun, Herr Schröer, bitte ich gut zuzuhören -, wonach nämlich der Anteil der von der Regierung eingebrachten Gesetzentwürfe im Vergleich zu früheren Wahlperioden - ich denke an die 7. bis 9. Periode unter der Regie eines SPD-Kanzlers - wesentlich zurückgegangen ist. Leider wird diese positive Entwicklung dadurch kompensiert, daß der Anteil der aus den Reihen der Bundestagsfraktionen eingebrachten Gesetzentwürfe zunimmt. ({1}) Jetzt bitte ich noch genauer zuzuhören. Die beiden Oppositionsfraktionen, nämlich die SPD und die GRÜNEN, haben in der 10. Legislaturperiode allein 25% aller Gesetzentwürfe eingebracht. ({2}) Diesen Hinweis bringe ich nur, weil Herr Schröer vorhin der Bundesregierung Vorwürfe gemacht hat. Wir geben das also gern wieder zurück. ({3}) - Das machen andere auch. Wir Parlamentarier sollten uns daher ebenfalls in die Pflicht nehmen und trotz aller Profilierungsbemühungen einzelner Politiker, für die man auf der einen Seite sicherlich Verständnis haben muß, wie auch des Wettbewerbs zwischen den Parteien stets fragen, ob ein Gesetz überhaupt notwendig ist und ob insoweit ein Regelungsbedarf besteht. Wir sind bei allen notwendigen Gesetzesvorhaben auch dazu aufgerufen, uns einer einfachen, allgemein verständlichen Gesetzessprache zu befleißigen. Mit Perfektion betriebene, immer komplizierter werdende Regelungen, leider oft mit heißer Nadel genäht, ({4}) sind nicht nur für den Bürger absolut unverständlich und unüberschaubar, sie sind häufig sogar für Juristen nicht verständlich. Gesetze, die keiner versteht, führen zu Rechtsunsicherheit und stärken andererseits die Bürokratie. Ich möchte mit einem kleinen Zitat des früheren Bergbauministers aus Weimar, Herrn Johann Wolfgang von Goethe, aus dem Faust, 1. Teil, schließen, wo er Mephisto sagen läßt: Es erben sich Gesetz' und Rechte Wie eine ew'ge Krankheit fort; Sie schleppen von Geschlecht sich zu Geschlechte Und rücken sacht von Ort zu Ort. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage; Weh' Dir, daß Du ein Enkel bist! ({5})Helfen wir alle mit, die Krankheit Gesetzesflut zu bekämpfen! Lassen Sie uns auch Gesetze kassieren und nicht nur solche produzieren. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Clemens, ich fand es sehr bedauerlich, daß Sie bei dem Zitat - einem wirklich schönen Zitat - den folgenden Satz weggelassen haben: ({0}) Vom Rechte, das mit uns geboren ist, Von dem ist, leider! nie die Frage. ({1}) Das ist für uns, dem Gesetzgeber, in der Tat eine wahre Mahnung. Man kann darin schon eine treffende Beschreibung unserer Wirklichkeit sehen, denn wir beschäftigen uns bei der Gesetzgebung zu einem großen Teil mit Dingen, die mehr technokratischer, verwaltungsmäßiger Art sind. Es soll verwaltungsmäßiges Handeln geregelt werden, aber wir fassen den Kern politischer Entscheidungen eigentlich nur selten und nur in unzureichendem Maße in gesetzliche Formeln. Ich finde, daß meine beiden Vorredner, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf - von den polemischen Formeln abgesehen -, wirklich treffliche Ausführungen gemacht haben, so daß ich mich auf wenige Bemerkungen beschränken kann. Ich glaube, es ist deutlich geworden, daß ein großer Teil der Bürokratiediskussion eine Gesetzgebungsdiskussion ist. Ich habe nur den Eindruck, daß die Analyse nicht vollständig ist. Es herrscht nämlich die verbreitete Vorstellung, der Gesetzgeber erfasse in den letzten Jahren immer neue Lebensgebiete gesetzlich. Das ist nicht der Fall. Wenn man sich die Gesetze einmal ansieht, dann stellt man fest, daß - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - die großen gesetzgeberischen Landnahmen, also die Versuche, neue Gebiete zu regeln - wie z. B. beim Datenschutz, was uns j a große Schwierigkeiten macht -, eigentlich seit über zehn Jahren abgeschlossen sind. Wir beschäftigen uns in wachsender Geschwindigkeit damit, das Verwaltungshandeln immer intensiver, immer genauer, immer fein abgestimmter zu regeln. Damit entsteht eine Flut von Novellierungen. ({2}) Wenn man das erkennt und sich fragt, was man eigentlich dagegen tun kann, dann wird auch der Preis deutlich. Der Preis der Verwaltungsvereinfachung liegt in der Delegation von Entscheidungen, in dem Überlassen von Entscheidungen an Verwaltungen. Aber auch innerhalb der Verwaltung werden Entscheidungen an nachgeordnete Körperschaften delegiert. Das bedeutet gleichzeitig den Verzicht auf das Ideal der absoluten Gleichheit, den Verzicht auf die Vorstellung, daß derselbe Sachverhalt überall in völlig gleicher Weise geregelt werden müßte. Wer daran festhält, wird niemals zu einer Verwaltungsvereinfachung kommen. Ich muß sagen - ich meine das durchaus selbstkritisch -, daß wir nur selten die Gelassenheit aufbringen, zu sagen: das wird schon von irgend jemandem richtig geregelt werden; das ist mehr ausführende Verwaltung als Gesetzgebung. - Das ist in der Tat der Punkt. Herr Kollege Waffenschmidt, wenn man sich dieses Gesetz vornimmt, dann stellt man fest: Das wichtigste Wort ist das erste Wort, nämlich das Wort „Erstes" Rechtsbereinigungsgesetz, was uns ja Hoffnung macht, daß es nicht das letzte wird, sondern daß wir eine Kette von Vereinfachungsgesetzen bekommen. Wenn man in diesem Text hineingeht, merkt man, wie kompliziert die Verwaltung ist. Ich will einmal einen Vorschlag zur Novellierung des Immissionsschutzgesetzes vorlesen, weil sie so schön formuliert ist. Gerade heute haben wir ja schon eine Novellierung gemacht. Es folgt nun die Vorlage für eine weitere Novellierung. Wenn man sich den Text vorliest, kann man nur dem intimen Sachkenner deutlich machen, daß es sich um eine Vereinfachungsvorschrift handelt. Da heißt es: Folgender Abs. 2 wird an § 13 angefügt: Die Genehmigungsbehörde hat die Entscheidung nach Maßgabe der Vorschriften für die eingeschlossenen Entscheidungen und insoweit im Einvernehmen mit den für diese Entscheidungen zuständigen Behörden zu treffen. Nun weiß jeder ganz genau, was gemeint ist. In der Tat, wenn man sich das ansieht, kann das zu einer Verwaltungsvereinfachung führen. Das ist unbestritten richtig. Aber man sieht daran, wie unglaublich kompliziert das ganze Geflecht geworden ist. Man muß Verständnis dafür haben, daß der Bürger sagt: Ich verstehe das nicht mehr! Dieses Unverständnis führt zu einer wachsenden Entfremdung des Bürgers von Teilen dessen, was wir als notwendig erkennen und machen wollen. Darüber hinwegzukommen, ist eine wichtige Aufgabe, die nur mit Vereinfachungen zu lösen ist. Darum wollte ich hier keine Kritik anschließen, sondern mich bei Ihnen bedanken, daß Sie die Verantwortung für diese Kommission übernommen haben. Das ist eine ganz wichtige Sache. Wir sollten im Laufe der Beratung dieses Ersten Rechtsbereinigungsgesetzes prüfen, wie viele der Maßnahmen, die in dem Ersten Bericht genannt sind, vielleicht bei der Gelegenheit mit erledigt und beschleunigt werden können, damit wir auch in diesem Bereich nicht von einer Novelle zur anderen hetzen, sondern von Zeit zu Zeit, dann aber vernünftige und runde Sachen entscheiden. Unser Dank also auch an die Mitglieder der Kommission, und die volle und entschiedene Unterstützung unserer Fraktion. Vielen Dank. ({3})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn es in dem Zitat der Regierungserklärung, das vorhin verlesen worden ist, heißt, es gehe darum, das Recht zu vereinfachen und Überregelementierungen zu beseitigen, knüpft das an eine sicherlich sehr populäre Forderung an, nämlich an die Sehnsucht nach der Freiheit in weiten Kreisen der Bevölkerung von ständiger Reglementierung und nach einem freien selbstbestimmten Leben. In der Tat ist es so, daß heute in den Gesetzen - jede zweite Kabarettsendung nimmt darauf Bezug - die Menschen zu „Erhebungseinheiten" oder zu „Abfertigungsbeteiligten" oder ähnlichen Sachen degradiert werden. Die Flut und der Umfang der Gesetze ist nicht nur etwa im Steuerbereich, wo das ja bekannt ist, so kompliziert, daß häufig mehrere Anwälte vonnöten sind, um eine sachgerechte Beratung zu gewährleisten. Auch im Sozialhilferecht, auf das viele Menschen angewiesen sind, die sich keine Anwälte leisten können, ist inzwischen die gesetzliche Regelung so kompliziert geworden, daß sich ein normaler Mensch da nicht mehr durchfinden kann. Es geht also darum, die Verrechtlichung aller Lebensbereiche zu reduzieren. Dieser Forderung können wir uns sicherlich anschließen. Aber wenn man sich den Anfang des Zitates, das Sie vorhin verlesen haben, Herr Kollege Clemens, ansieht, wird man eines ganz anderen belehrt. Dort steht nämlich: „Wirksamkeit und Überzeugungskraft staatlichen Handelns" - es geht also um staatliches Handeln - „wachsen, wenn der Staat darauf verzichtet, zu viele Bereiche des Lebens zu regeln." Es geht also nicht etwa darum, den Staat aus dem Leben möglichst herauszuhalten und möglichst viele Bereiche staatfrei zu machen, sondern es geht wiederum darum, dem Bürger eine Akzeptanz staatlichen Handelns möglichst gut zu verkaufen. Dabei wäre es für alle Menschen sicherlich sehr viel besser, wenn sie in früher Jugend lernen könnten, selbständig und selbstbestimmt ihr Leben zu gestalten. Ich komme aus Berlin. Berlin ist ja u. a. auch die Stadt der alternativen Betriebe, der Versuche, alternative Lebens- und Arbeitsbedingungen auszuprobieren und zu praktizieren. Ich erinnere dabei an Institutionen, die inzwischen auch bis nach Bonn bekannt sein dürften, wie „Netzwerk" oder die kürzlich auf diesem Gelände hier gastierende UFA-Fabrik mit ihrem Zirkus. Hier werden wichtige Erfahrungen gemacht, und hier wird versucht, ohne Gesetze und ohne Reglementierungen, ohne Verbote, das Leben anders, besser und menschenwürdiger zu gestalten. ({0}) Allerdings machen diese Menschen die Erfahrung, daß es auch zu kulturellen Fortschritten gehören kann, Rechte zu regeln, schon um die Rechte von Minderheiten zu sichern und zu garantieren. Es gibt also ein Spannungsfeld zwischen unabhängigem, selbstbestimmtem Leben, der Möglichkeit, Konflikte selbst und verantwortlich auszutragen, auf der einen Seite und der Verrechtlichung möglichst vieler Lebensbereiche auf der anderen Seite. Diesen Konflikt gibt es, und dieser Konflikt muß gelöst werden. Er kann aber nicht so gelöst werden, wie es mit diesem Gesetz hier versucht wird. Die Anzahl der Vorschriften, die vorher hier genannt worden sind, ist kein Gütezeichen für diese Regelung. Auch der von der Sozialdemokratie immer wieder vorgeschlagene Weg, die Selbstbestimmung zu verordnen, ist eine sozialdemokratische Illusion. Es kann nur darum gehen, selbst auszuprobieren, selbst zu lernen und selbst zu versuchen, ohne Staat, ohne gesetzliche Regelungen, ohne Verordnungen in selbstbestimmten Lebensformen die Konflikte und Probleme zu lösen. Dabei ist dieser Regierungsentwurf leider kein erster Schritt. Machen Sie ein wirkliches Gesetz zur Abschaffung der Gesetze, und wir stellen uns an Ihre Seite! Unterstützen Sie bis dahin wie wir die Versuche alternativen Lebens und alternativen Arbeitens in der Bundesrepublik und in Berlin! ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. - Dazu gibt es keine anderweitigen Vorschläge. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Verwaltungsprozeßordnung ({0}) - Drucksachen 10/3437, 10/3477 Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Hans A. Engelhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000472

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute nimmt der Gesetzgeber erneut einen Anlauf, ein einheitliches Prozeßgesetz für die öffentlich-rechtlichen Gerichtszweige auf den Weg zu bringen. Schon 1956, vor nunmehr fast 30 Jahren, hatte der Deutsche Bundestag auf Antrag meiner Fraktion die Bundesregierung dazu aufgefordert, eine gemeinsame Prozeßordnung vorzulegen. Seitdem ist an dieser politisch wie rechtlich schwierigen Materie gearbeitet, gewerkelt, hin- und hergeschoben und wieder gearbeitet worden. Ich habe dann 1982 den Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung zum erstenmal hier einbringen können. Nun sind seit dieser Zeit wiederum zweieinhalb Jahre vergangen. Aber diese Zwischenzeit ist gut dafür genutzt worden, eine Menge von wichtigsten, unverzichtbaren Gesprächen zu führen und größere Klarheit über die künftige Gestalt des öffentlich-rechtlichen Prozeßrechts zu gewinnen. Das Gesetzgebungsvorhaben wird von einem breiten Konsens in diesem Hause getragen. Auch die Länder haben sich für die Einbringung des Entwurfs eingesetzt, und dieser Entwurf ist eingehend mit ihnen abgestimmt worden. Die Bundesregierung hat nur bei ganzen vier der insgesamt 73 Änderungswünsche der Länder nicht zustimmen können. Diese breite Basis ist natürlich für den Entwurf wichtig, der das Verwaltungsprozeßrecht für drei Gerichtsbarkeiten neu ordnet und damit eines der bedeutendsten rechtspolitischen Vorhaben ist. Der Entwurf vereinheitlicht, und der Entwurf vereinfacht. Er bringt ein gutes Stück Rechtsbereinigung und verringert die Zahl der für das Verwaltungsprozeßrecht maßgebenden Vorschriften ganz erheblich. Schließlich wird auch das Ziel verfolgt, die gerichtlichen Verfahren zu beschleunigen, soweit das überhaupt verfahrensrechtlich bewirkt werden kann. Ich möchte aber gerade als liberaler Justizminister ausdrücklich hervorheben: Bei aller Beschleunigung des Verfahrens darf und wird der Rechtsschutz des Bürgers durch diesen Entwurf, wenn er Gesetz wird, nicht beschnitten werden. Die weitere Beratung des Entwurfs ist dringend, schon wegen des eben angesprochenen Ziels, die öffentlich-rechtlichen Prozesse zu beschleunigen. Ich würde es deswegen sehr begrüßen, wenn der Entwurf noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden könnte. Das ist ein gutes Stück Arbeit, aber die Vorbereitung ist gut, und die Zeit, richtig angewandt, wird dafür ausreichen. Es ist auch möglich, den Umfang des Entwurfes zu verringern und seine Behandlung zu beschleunigen. Die Vorschriften über die Gerichtsverfassung können zunächst ausgeklammert und später in ein einheitliches Gerichtsverfassungsgesetz übernommen werden. Dies ist ja auch von vielen Seiten ganz sachbezogen vorgeschlagen worden, nicht zuletzt auch vom Deutschen Juristentag. Es sprechen gute Gründe dafür, die Diskussion über einige schwierige gerichtsverfassungsrechtliche Fragen nicht im jetzigen Zeitpunkt zu führen, sondern die weitere Entwicklung erst einmal abzuwarten. Die Diskussion darüber, welche eiligen Maßnahmen vorab getroffen werden müßten, ist heute bereits abgeschlossen. Hier hat die Koalition vor kurzem ja, wenn auch nicht immer zur Freude der Opposition, ihre Handlungsfähigkeit auf rechtspolitischem Gebiet voll unter Beweis gestellt. Zwei schwierige Punkte haben wir vorweg im Gesetz zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren geregelt, ({0}) das in wenigen Tagen verkündet werden wird. Der eine Punkt ist die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte für Großverfahren, der zweite Punkt die Entlastung des Bundesfinanzhofs durch Aussetzung der Streitwertrevision. Beide Regelungen sind in die befristeten Entlastungsgesetze eingestellt worden, um die Gesamtbereinigung der Verwaltungsprozeßordnung vorzubehalten. Nun ist es an der Zeit, das Nebeneinander von befristeten Entlastungsgesetzen und einzelnen Verfahrensordnungen schließlich durch eine Gesamtbereinigung aus einem Guß abzulösen. ({1})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fischer ({0}).

Gernot Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000551, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesjustizminister, gestatten Sie mir zunächst ein persönliches Wort. Als wir vor zweieinhalb Jahren diesen Gesetzentwurf schon einmal in erster Lesung beraten hatten, hatte ich Grund, Ihnen Dank zu sagen, Dank für die politische Kontinuität, die in diesem Gesetzentwurf zum Ausdruck gekommen war. Von diesem Dank kann heute leider keine Rede mehr sein; darauf werde ich noch eingehen. Heute muß ich Ihnen vielmehr sagen, daß ich Sie bewundern muß, ({0}) bewundern deshalb, weil Sie auf eine Art und Weise die Kurve gekriegt haben, wie ich es bisher nur selten erlebt habe. Dinge, die Sie vor zweieinhalb Jahren als unannehmbar bezeichnet haben, etwa die Einführung der erstinstanzlichen Zuständigkeit bei den Oberverwaltungsgerichten, sehen Sie heute als sinnvoll und vernünftig an. ({1}) Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten stehen heute noch zu diesem Gesetzentwurf, wie er hier vorliegt und wie er seit zweienhalb Jahren vorliegt. Wir sind für die Zusammenführung der Verfahrensordnungen in der Verwaltungs-, der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit. Wir sind auch für eine Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens. Wir sind für einen effektiven Rechtsschutz der Bürger, und wir sind deshalb - da stimme ich Ihnen zu - auch für eine zügige Beratung dieses Entwurfs. Ich habe allerdings Zweifel, ob auch Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, insbesondere Sie, Herr Justizminister, noch in allen Punkten zu diesem Entwurf stehen. Ich habe Zweifel, ob es Ihnen tatsächlich ernst damit ist, daß dieser Gesetzentwurf auch Gesetz wird. Vieles spricht Fischer ({2}) nach den Erfahrungen in der Vergangenheit dafür, daß es hier um Scheinaktivitäten geht. ({3}) Ich will das näher erläutern. In der Debatte am 26. November 1982 haben Sie, Herr Bundesjustizminister, zum Thema „erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgericht bei technischen Großvorhaben" folgendes ausgeführt - ich zitiere -: Ich würde es allerdings für bedenklich halten, im Vorgriff auf die beabsichtigte umfassende Neuordnung des Prozeßrechts wegen dieser und anderer Einzelfragen noch die geltenden Verfahrensgesetze zu ändern, wie dies von einigen Ländern angestrebt wird. Ein solches Verfahren dient weder der Übersichtlichkeit der Gesetzgebung noch dem Bestreben, die Gesetzesflut einzudämmen. Über das vom Bundesrat bereits vorgelegte Dritte Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung hinaus sollten deswegen Änderungen der Verfahrensgesetze nicht mehr angestrebt werden. Der Kollege Bergerowski von der FDP-Fraktion sagte - auch wieder in diesem Zusammenhang -: Es muß ja einfach vom Grundsatz her Bedenken begegnen, diese komplizierten Verfahren nur einer Instanz zu unterwerfen. Heute klingt dies - das haben wir eben gehört - ganz anders. Sie, derselbe Bundesjustizminister, sind heute der Auffassung, diese Zuständigkeitsverlagerungen, wie sie vor kurzem im Hauruckverfahren durchgeführt worden sind, seien sinnvoll. Ich kann Ihnen deshalb leider den Vorwurf nicht ersparen, einmal mehr umgefallen zu sein und rechtsstaatliche Prinzipien koalitionspolitischen Zwängen geopfert zu haben. In der Debatte am 26. November 1982 haben Sie, Herr Bundesjustizminister, unter Hinweis auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte zu Recht gefordert, dieser Gesetzentwurf müsse zügig beraten werden, insbesondere weil wegen der Vorschriften zur Entlastung der Gerichte dieses Gesetzgebungsvorhaben dringend sei. Auch zu dieser Aussage steht Ihr tatsächliches Verhalten in krassem Widerspruch, denn schon am 29. April 1983, also vor mehr als zwei Jahren, lag die Stellungnahme des Bundesrates zu diesem Gesetzentwurf vor, und Sie haben mehr als zwei Jahre gebraucht, um sich dazu zu äußern. Angesichts dieses Verhaltens werden Sie es mir nachsehen, wenn ich Ihre Standfestigkeit auch bei anderen, nicht minder gewichtigen Fragen in Zweifel ziehe, ({4}) so z. B. auch bei der Frage, ob die Finanzgerichtsbarkeit tatsächlich in dieses Gesetz einbezogen wird oder nicht. Denn schon heute habe ich den Eindruck, daß man gerade gegenüber den Wünschen des Präsidenten des Bundesfinanzhofs aus sehr durchsichtigen Motiven außerordentlich aufgeschlossen ist. Einen Vorschuß haben Sie ja bereits mit der Einführung der Grundsatzrevision im finanzgerichtlichen Verfahren gezahlt, ohne daß ausreichende Rechtstatsachen vorgelegen hätten, die diese Entscheidung gerechtfertigt hätten. Dies auch sehr zum Mißvergnügen - auch das lassen Sie mich hinzufügen - einer breiten Öffentlichkeit. Wenn Sie das „Handelsblatt" vom 18. Juni 1985 gelesen haben, werden Sie wissen, wie man über diese Dinge denkt. ({5}) - Das „Handelsblatt" ist doch unverdächtig, wenn ich mich darauf beziehe, Herr Beckmann. ({6}) Seit fast 30 Jahren wird die Vereinheitlichung der drei Verfahrensordnungen im Interesse eines besseren und eines schnelleren Rechtsschutzes diskutiert. Drängende Fragen harren nach wir vor einer Antwort, z. B. Zulassungsberufung in der Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit, stärkerer Einsatz des Einzelrichters, Abwicklung von Massenverfahren, Beschränkung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsklagen, Vereinfachung der Rechtswegverweisung - um nur einige Stichworte zu nennen. Die Koalitionsfraktionen, meine Damen und Herren, werden den Nachweis führen müssen, daß es ihnen mit diesem Gesetz ernst ist. Ich bin skeptisch. Dies nicht zuletzt auch auf Grund der ständigen Querelen der Koalitionsparteien gerade auf diesem Felde der Politik. Bei der Beratung im November 1982, meine Damen und Herren, habe ich darauf hingewiesen, daß der Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung in der Fachliteratur gelegentlich als Jahrhundertgesetz bezeichnet wird. Ich habe darauf hingewiesen, daß diese Bezeichnung jedoch nicht daher rührt, daß solche Gesetze 100 Jahre lang beraten werden. 30 Jahre haben wir mittlerweile hinter uns. Ich würde mich außerordentlich freuen, wenn Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, durch eine entsprechende Förderung der Beratungen meine Skepsis in diesem Punkt zerstreuen könnten. Wir Sozialdemokraten jedenfalls werden wie stets konstruktive Beiträge in dieser Beratung leisten. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Buschbom. ({0})

Helmut Buschbom (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000314, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrte Kollegin! Liebe Kollegen! - Eine Dame hat sich inzwischen eingefunden. ({0}) Die Verwaltungsprozeßordnung. Vorläufer hatten wir im 9. Bundestag; erste Lesung am 26. November 1982. Mein damaliger Debattenbeitrag hatte unter anderem die Vorgeschichte einheitlicher Prozeßgesetze in Deutschland aufgezeigt, die bereits mit der Sitzung der Deutschen Bundesversammlung vom 6. Februar 1862 begann und über den Bundesrat des Norddeutschen Bundes durch die Verabschiedung der Justizgesetze im Deutschen Reichstag im Jahre 1876 ein vorläufiges Ende fanden. ({1}) Den Protokollen von damals hatte ich entnommen, daß dem Reichstag ehemalige Kollegen angehörten, deren Namen uns hier auch heute noch vertraut sind. Ein Herr von Waldburg-Zeil hatte damals mit Nein gestimmt. ({2}) Ein Freiherr von Schorlemer - wie ich erfahren habe, ein Verwandter unseres lieben Kollegen - fehlte bei der Abstimmung. ({3}) - Sein Namensvetter ist heute da. Übrigens fehlten auch - das hatte ich damals ebenfalls gesagt - von der SPD die bekannten Kollegen Bebel und Liebknecht, ebenfalls unentschuldigt. Der Herr Justizminister hat uns schon gesagt, daß Teile der Vorlage inzwischen erledigt sind. Ich möchte darauf nicht mehr eingehen. Der Kollege Fischer hat schon die restlichen Anliegen angezogen; daher erübrigt sich auch eine Feststellung dazu. Es bleibt zu sagen: Als Kernfragen der weiteren Beratung werden sich für mich die Einführung des Einzelrichters und der Wegfall einer zweiten Tatsacheninstanz durch die Begrenzung der Berufungsmöglichkeiten auf eine Zulassungsberufung erweisen. Die so vorgeschlagenen Vereinfachungs- und Entlastungsmaßnahmen bedürfen eingehender Beratung, wozu wir auch die Hilfe und Mitwirkung der Fachverbände und Rechtspraktiker benötigen. Mir bleibt nur noch zu beantragen, die Vorlage an die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Ausschüsse zu überweisen. - Danke sehr. ({4})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mann.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Herr Minister! Ich beschränke mich auf einige grundsätzliche Anmerkungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Die Diskussion innerhalb unserer Fraktion ist noch am Anfang, ({0}) aber das schließt nicht aus, daß ich hier zunächst einmal einiges zur Zielsetzung des Entwurfs sagen möchte. Dieser lange Entwurf, der eine über 30jährige Geschichte hat, hat wie man in der Begründung liest, die Ziele Vereinheitlichung, Vereinfachung, Entlastung. Er steht also in einem politischen Zusammenhang mit dem vorher behandelten Tagesordnungsgegenstand. Ich werde auch den Verdacht nicht los, daß, wie mein Kollege Ströbele eben gesagt hat, zum Teil das Thema Entbürokratisierung, Rechtsbereinigung, Beschleunigung von Ihnen als ein populäres Thema aufgenommen wird, ohne daß Sie bereit sind, wirklich konzeptionelle Lösungen vorzuschlagen. ({1}) Ich meine, daß wir die Bedenken gegen diesen Entwurf sehr ernst nehmen sollten, die aus einer der drei betroffenen Gerichtsbarkeiten kommen, nämlich aus der Finanzgerichtsbarkeit. Mir liegt hier eine Pressemitteilung des Bundesfinanzhofes vom 20. Dezember 1984 vor. Das ist zwar schon etwas her, aber da heißt es: Der BFH hat schwere Bedenken, ob die erstrebte Vereinheitlichung auch zur Vereinfachung führt. Er befürchtet vielmehr, daß ein neues Verfahrensrecht zahlreiche Rechtsfragen aufwirft, die den Rechtssuchenden in der Sache nichts nützen, von den Gerichten jedoch neu überdacht und entschieden werden müssen. Dadurch wird der Rechtsschutz erschwert, und die Gerichte können ihrer eigentlichen Aufgabe, innerhalb möglichst kurzer Zeit eine Sachentscheidung zu treffen, nicht nachkommen Soweit der Bundesfinanzhof. Herr Kollege Fischer hat j a - vermutlich auf Grund ihm vorliegender Informationen - auch seine Zweifel in dieser Richtung geäußert. Ich meine, wir sollten gerade angesichts der Belastung des Rechtsausschusses mit anderen, alten Vorlagen hier ehrlich miteinander umgehen. Ich habe fast die Befürchtung, dieses Jahrhundertwerk - vom Umfang her -, das 1953, was ich eben sagen wollte, ja schon gefordert worden ist - und am Anfang ist sozusagen die Weichenstellung verpaßt worden -, wird auch in dieser Wahlperiode nicht zur Verabschiedung kommen. Ich vermute auch nicht, daß Ihre Handlungsbereitschaft so groß ist wie z. B. bei der heutigen Beratung zum Demonstrationsstrafrecht. Aber wir können uns ja überraschen lassen. Ich möchte zum zweiten jetzt einige Punkte nennen, die mir bei einer ersten Lektüre des Entwurfs, die leider nicht sehr gründlich war, weil wir heute eine Sondersitzung des Rechtsausschusses hatten, aufgefallen sind. Ich frage, Herr Minister, meine Kollegen von den Koalitionsfraktionen, wenn Sie hier diesen Entwurf vorlegen, 1985 erneut vorlegen: Wo ist z. B. die Verbandsklage, wenn es Ihnen mit der Stärkung von Bürgerrechten wirklich ernst ist? ({2}) Ich konnte sie in dem Entwurf nicht entdecken. Mir ist aufgefallen: Sie sprechen so viel von Transparenz der Verwaltung, Transparenz der Gerichtsverfahren. Ich habe mir mal die einschlägigen Bestimmungen zum Akteneinsichtsrecht angesehen. Da hat der Bundesrat z. B. eine Stellungnahme, bezogen auf das Immissionsschutzgesetz und die Nachbarklage, abgegeben, aus der sich ergibt, daß Sie nicht einmal betroffenen Nachbarn die meiner Überzeugung nach für eine sinnvolle Verfolgung der Klage erforderliche Einsicht gewähren wollen. Und die Regierung hat dem, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, nicht widersprochen. Ich vermisse aus der Sicht unserer Fraktion auch neue Ansätze in bezug auf Prozeßkostenhilfe. Wir alle wissen von dem Problem der Anwaltschaft, der Anwaltsschwemme. Ich wünsche mir - vielleicht kommen wir in den Beratungen noch dazu -, daß der große Bereich des Sozialrechts den Anwälten, den jungen Juristen nähergebracht wird. Dazu gehört auch - diese Forderungen liegen uns übrigens vor; ich denke an eine Entschließung des Republikanischen Anwaltvereins, die wir neulich in unserer Fraktion diskutiert haben -, ({3}) daß man in diesem Bereich vom Staat her auch Mittel zur Verfügung stellt. ({4}) Ich glaube, verehrte Kollegen von den Regierungsfraktionen, daß Entbürokratisierung durch den selbständigen Anwalt, der der Verwaltung klarmacht, in welchem Maße Vorschriften ihr Eigenleben führen, sehr wohl gefördert werden kann. Ich glaube, daß viele Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte überhaupt nicht kennen und es sehr notwendig wäre, wenn man Bürgerrechte stärken will - und das ist eines der Ziele eines solchen Gesetzentwurfs -, hier sehr gründlich über solche Möglichkeiten zu diskutieren. Ich komme zum Schluß. Herr Minister, ich freue mich, daß Sie, vielleicht weil Sie es geahnt haben, das Problem, daß Sie sich die Rosinen aus dem Entwurf herausgepickt haben, selbst angesprochen haben. Und Herr Kollege Fischer hat zu Recht auch auf das Gesetz zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren - „Prozesse über technische Großprojekte", so haben Sie es selbst in Klammern in Ihrer Pressemitteilung vom 21. Juni 1985 genannt - Bezug genommen. „Auch bei Streitigkeiten über wichtige technische Großvorhaben ist nur schnelles Recht auch gutes Recht", so überschreiben Sie die Pressemitteilung. Herr Minister, Sie haben eben selbst davon gesprochen - insofern nehme ich Sie heute beim Wort und beziehe mich nicht auf die Rede vor zweieinhalb Jahren, die ich nicht gehört habe -: Bei aller Beschleunigung darf der Rechtsschutz nicht beschnitten werden. - Dennoch haben Sie - Ihr Ministerium hat sich mit dazu hergegeben - die von mir in der zweiten und dritten Lesung vor einigen Wochen so bezeichnete Lex Wakkersdorf durch diesen Bundestag durchzupeitschen geholfen. Wir hatten heute leider nicht die Gelegenheit, in einer Aktuellen Stunde über die Innen- und Rechtspolitik dieser Bundesregierung zu reden. ({5}) Aber ich muß an dieser Stelle - und das gehört dazu - doch einmal sagen, daß die Art und Weise wie im Rechtsausschuß Gesetzentwürfe von dieser Tragweite durchgesetzt werden - heute das Demonstrationsrecht, im Herbst vielleicht das Ehescheidungsfolgenrecht -, rechtspolitisch äußerst bedenklich ist. Ich habe neulich schon gesagt: Die Rechtspolitik wird auch in München gemacht. Wir haben inzwischen nicht nur eine Bundesregierung, sondern, wie am 13. Juni zu beobachten, auch ein Nebenkabinett, eine Elefantenrunde, das bestimmte Gesetzesvorhaben beschließt, die dann von den Kollegen der Koalitionsfraktionen unter Beschränkung der Beratungsmöglichkeiten dieses Hohen Hauses gehorsamst durchgepeitscht werden. ({6}) - Herr Bohl, das will ich an dieser Stelle mal sagen. Schade, Herr Erhard, daß Sie jetzt erst gekommen sind. Ich finde es schon einen rechtspolitischen Skandal, sich aus diesem Gesetzentwurf die Rosine herauszupicken. Bei der Drucklegung sind Sie offenbar gar nicht nachgekommen; denn in der Begründung des Gesetzentwurfs - ich müßte blättern ({7}) bekennen Sie sich noch zu der Zweistufigkeit. Das macht deutlich, daß nicht einmal dieser Gesetzentwurf mit der Geschwindigkeit Ihrer Koalitionsabsprachen mithalten kann, womit zur Zeit Rechts- und Innenpolitik gemacht wird. Ich muß sagen: Deswegen sind meine, unsere Hoffnungen, gesunken, daß die hehren Ziele, von denen Sie, Herr Minister Engelhard, auch heute gesprochen haben und die in der Begründung des Gesetzentwurfs niedergelegt sind, nämlich eine Vereinheitlichung, eine Beschleunigung, eine Verbesserung des Rechtsschutzes der Bürger durch übersichtliche Verfahren, in dieser Wahlperiode erreicht werden. Ich finde, eine Regierung, die so vorgeht, wie Sie es mit dieser Beschleunigungsnovelle getan haben und wie es heute im Rechtsausschuß geschehen ist, hat Ihre rechtspolitische Glaubwürdigkeit verspielt. Vielen Dank. ({8})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Beckmann.

Klaus Beckmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf bringt ein Reformwerk auf den Weg, das auf eine breite Resonanz in der Öffentlichkeit gestoßen ist. Zu Recht hat Justizminister Hans Engelhard es als eines der bedeutensten Vorhaben zur Reform des gerichtlichen Verfahrensrechts in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet. Wenn allerdings - für meinen Geschmack ein wenig zu euphorisch - von einem „Jahrhundertwerk" geschwärmt wird, bin ich vorsichtig. Lassen Sie mich ganz klar sagen: Wir türmen hier keine pompösen Rechtsgebilde auf, und wir setzen auch keine rechtsgeschichtlichen Denkmäler. Was wir hier machen - das kann ich zumindest für meine Fraktion sagen -, ist am äußerst Notwendigen orientiert und im Interesse der Rechtsanwender so knapp und so einfach wie möglich gehalten. Unter diesen Prämissen ist auch der hier zur Diskussion stehende Entwurf zu sehen. Ein Wort zu denen, die die Forderung aufgestellt haben, dieses Reformvorhaben dazu zu nutzen, überhaupt eine einheitliche Gerichtsbarkeit einzuführen, also die bestehende Gliederung, den Instanzenzug und die richterliche Besetzung der drei Gerichtsbarkeiten völlig aufeinander abzustimmen und damit zu einem Abbau der bisherigen Verwaltungs- und Finanzgerichte zu kommen. Eine solche Radikallösung wäre in der unmittelbaren Nachkriegszeit, als die verschiedenen Zweige der Judikative noch im Aufbau waren, sicher möglich gewesen. Heute aber wäre der damit verbundene Aufwand nach meiner persönlichen Einschätzung um ein Mehrfaches höher als der hiermit zu erzielende Gewinn an Vereinfachung und Durchsichtigkeit des Verfahrens. Ich glaube, eher wäre das Gegenteil der Fall. Dem rechtsuchenden Bürger würde die Beschreitung des Rechtsweges zunächst auf längere Zeit wesentlich erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht, und nach der Reform würden sich viele fragen, wo denn nun die Vereinfachung und die Beschleunigung des Verfahrens geblieben seien. Beide erwünschten Effekte wären dem Umstellungschaos zum Opfer gefallen. Eine solche Radikallösung wird es also nicht geben. Auf der anderen Seite, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, werden wir uns allerdings denen entgegenstellen, die lieber alles beim alten lassen wollen. Wer Rechtspolitik so machen will, kann gleich sein Päcklein schnüren und nach Hause gehen. Rechtspolitik ist wie jede andere Politik nicht nur die Kunst des Möglichen und Machbaren, sondern vor allem die des Verantwortbaren. ({0}) Für mich ist es jedenfalls nicht länger verantwortbar, daß Tausende von Rechtsuchenden immer noch unerträglich lange auf ihr Recht warten müssen. ({1}) Hier gilt es schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen. Der erste Schritt ist durch das kürzlich verabschiedete Gesetz zur Entlastung der Verwaltungs- und Finanzgerichte bereits getan worden. ({2}) Der vorgelegte Entwurf wird weitere entscheidende Hilfen in dieser Richtung mit sich bringen. Er enthält Vorschläge, die eine effiziente Beschleunigung, Straffung und Vereinfachung des Verfahrens zur Folge haben werden. Trotz all dieser sichtlichen Verbesserungen bin ich aber auch der Ansicht, daß in der weiteren parlamentarischen Beratung doch darüber gesprochen werden muß, wie weitere Vereinheitlichungen in der einen oder anderen Hinsicht erzielt werden können. So gilt es beispielsweise zu prüfen, meine Damen und Herren, ob das Institut des Vertreters des öffentlichen Interesses weiter aufrechterhalten werden muß, ob es auf andere Verfahrenszweige ausgedehnt oder ganz abgeschafft werden muß. Auch wird man vielleicht einmal prüfen können, ob diese Reform wirklich, wovon der Entwurf auch ausgeht, keine Kosten verursachen wird. Ich könnte mir vorstellen, daß durch die Umstellung großer Teile des Verwaltungs- und Bearbeitungsapparates, allein schon durch das Drucken von Formularen, durch Veränderung von Organisationsstrukturen erhebliche Kosten verursacht werden. In einigen weiteren Grund- und Einzelfragen wird bei den Beratungen insbesondere zu prüfen sein, wie die Stellung des rechtsuchenden Bürgers gegenüber der Verwaltung noch weiter gestärkt werden kann und wie dem Ziel einer einheitlichen Verfahrensordnung und damit einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung zum Durchbruch verholfen werden kann. Meine Damen und Herren, mein verehrter Kollege Burkhard Hirsch hat zu dem zuvor zitierten Entlastungsgesetz von gleicher Stelle aus einmal gesagt - aus Gründen, die erst nachher bekannt wurden - Ballonfahren sei das Größte. Er verglich damals den Gesetzentwurf zur Gerichtsentlastung mit einem Freiluftballon, in den eine ganze Reihe von Passagieren hineingeklettert seien, die die Gunst der Stunde nutzen wollten. Neben diesen befinde sich aber auch noch Ballast in Form von Sandsäcken an Bord. Er gab damals dem Plenum auf, zu überlegen, was Passagiere und was Ballast sei. Letzteren müsse man nämlich abwerfen; sonst würde sich der Ballon nicht erheben. Welch ein Gleichnis! Es paßt schon fast auf jedes Gesetzesvorhaben. Immer will noch jemand schnell in den Korb klettern, um mit aufzusteigen, und der eine oder andere hängt schnell noch einen Sandsack mehr an den Korb, um ihn am Boden festzuhalten. Auch bei diesem Gesetzesvorhaben, verehrte Kollegen, ist so mancher blinde Passagier dabei. Den müssen wir orten, und den müssen wir dann an die Luft setzen. Auch hier schleppt der Ballon, der Korb noch das eine oder andere Kilo zuviel. Getreu meinem Kollegen Hirsch werden wir auch diesen Gesetzentwurf daraufhin untersuchen, welchen BalBeckmann last wir abwerfen können. Ich bin aber auch der Ansicht, daß wir sorgsam darauf achten müssen, nicht die Hauptperson beim Start zu vergessen, andererseits aber auch den Ballast nicht so schnell abzuwerfen, daß Korb und Ballon dabei Schaden nehmen. ({3}) - Herr Mann, wenn Sie es nicht verstehen, nehmen Sie Rückfrage bei mir! ({4}) Ich glaube, daß wir mit diesem Entwurf auf einem guten Wege sind, und ich bitte den Bundesminister der Justiz, auf diesem Wege fortzuschreiten, damit wir am Ende den Erfolg haben, den wir für alle Bürger und für uns auch wünschen dürfen. Vielen Dank. ({5})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt vor, den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung auf Drucksachen 10/3437 und 10/3477 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuß und zur Mitberatung an den Innenausschuß, Finanzausschuß und Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Zur Information aller Kollegen: Es kommt noch ein Tagesordnungspunkt, bevor wir mit dem Aufruf von nicht mit Debatte verbundenen Gesetzen und Beschlüssen dann eine namentliche Abstimmung haben werden. Der Punkt, der jetzt noch vor uns steht, wird mit Fünf-Minuten-Reden behandelt. Bis zur namentlichen Abstimmung werden etwa noch 15 Minuten vergehen. Ich wäre für Aufmerksamkeit dankbar; denn die Kollegen, die sich jetzt um dieses Sachthema bemühen, haben verdient, daß man ihnen zuhört. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung - Drucksache 10/3559 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({0}) Rechtsausschuß Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Segall.

Dr. Inge Segall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002144, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns heute schon wieder mit einer Änderung der Bundesärzteordnung befassen müssen - es ist der Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung -, so ist das eine Folge der vierten Änderung der Bundesärzteordnung. Die Einführung der Praxisphase hat zu einem erhöhten Bedarf und damit zu Engpässen an Plätzen für Ärzte beim Praktikum in den Krankenhäusern geführt. Außerdem forderte das Gesetz, daß durch diese erweiterte ärztliche Ausbildung keine neuen Kosten entstehen sollten. Daher soll die fünfte Änderung der Bundesärzteordnung - ähnlich wie im Hochschul- und Forschungsbereich - die Möglichkeit zum Abschluß befristeter Arbeitsverträge eröffnen. Dadurch könnten freie Arztstellen in den Krankenhäusern besser für die Ausbildung der jungen Ärzte während ihrer „Arzt im Praktikum"-Zeit genutzt werden. Freie Arztstellen als Stellen für Ärzte im Praktikum einsetzen zu können erfordert eine größere Beweglichkeit bei der Besetzung dieser Plätze. Es ist jetzt also beschlossen worden, daß wir befristete Arbeitsverträge in diesem Bereich bekommen können. Für uns Liberale war bei der Erstellung des Gesetzentwurfes besonders wichtig, daß die Weiterbildung auch in der Form einer Teilzeitbeschäftigung erfolgen kann. Das heißt, in diesen Fällen müssen die Zeiten so verlängert werden, daß sie wieder dem Zeitraum einer Vollzeitbeschäftigung entsprechen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?

Dr. Inge Segall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002144, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, bitte.

Klaus Dieter Kühbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, spielen für Sie als Liberale bei diesem schwerwiegenden Problem die Patienten in den Krankenhäusern auch noch eine Rolle, wenn Sie freie Arztplätze an Ärzte in Ausbildung vergeben wollen?

Dr. Inge Segall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002144, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es handelt sich dabei j a um voll ausgebildete Ärzte, die jetzt nur noch ihr Praktikum ableisten. Sie haben bereits einen Abschluß. Insofern besteht keine Gefahr. Außerdem ist in der Bundesärzteordnung festgelegt, daß die Betreffenden alle unter Aufsicht arbeiten. Es ist also absolut keine Gefahr für die Betreuung der Patienten gegeben. ({0}) - Damit dürfte dieses Thema erledigt sein. Ich möchte noch folgendes feststellen. Wir haben diese Zusatzregelung gefordert, um insbesondere den Frauen die Möglichkeit zu geben, ihre Weiterbildung in Zukunft ungehindert als Teilzeittätigkeit absolvieren zu können. Selbstverständlich ist diese Regelung nicht in diskriminierender Weise ge11060 schlechtsspezifisch für Frauen reserviert. Sie eröffnet auch jungen Ärzten die Möglichkeit, ihre Weiterbildung - aus welchem Grunde auch immer - flexibel zu gestalten. Auch die Befristung des Gesetzes entspricht einer Forderung der FDP. Wir sind der Meinung, daß zunächst einmal Erfahrungen mit diesem Gesetz gesammelt werden sollten, ehe eine permanente Regelung erfolgt. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jaunich.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Segall, es handelt sich eben nicht um Ärzte mit einem Abschluß, denn der Abschluß wird durch die Approbation erbracht. Dies nur zur sachlichen Richtigstellung. Mit Datum vom 14. März dieses Jahres ist die Bundesärzteordnung zuletzt geändert worden. Mit diesem Entwurf soll sie erneut geändert werden. Im Grunde genommen haben wir es hier damit zu tun, daß ein Versehen der Bundesregierung und der sie tragenden Koalition jetzt repariert werden soll. Beinahe wäre dies aber erneut vergessen worden, denn anders ist die Tatsache nicht zu erklären, daß wir eine hektographierte Unterlage für die Beratung dieses Punktes erst seit heute mittag in unseren Fächern haben. Im März ging es hier darum, wie man die praktische Ausbildung der Ärzte verbessern kann. Sie meine Damen und Herren von der Koalition, und die Bundesregierung haben sich für einen Weg entschlossen, den wir Sozialdemokraten als den falschen Weg bezeichnet haben. Sie haben den „Arzt im Praktikum" eingeführt, der also vor der Approbationserteilung zwei Jahre - für eine Übergangszeit 18 Monate - eine zusätzliche praktische Ausbildung durchlaufen soll. Wir Sozialdemokraten haben dies nicht nur als einen falschen Weg bezeichnet, sondern wir haben unsere sachliche Alternative in einem eigenständigen Gesetzentwurf, in dem Hausärzteweiterbildungsgesetz, dem Deutschen Bundestag vorgelegt. ({0}) Wir haben Ihrer Änderung unsere Zustimmung verweigert. Es wird Sie nicht verwundern, wenn ich Ihnen in der ersten Lesung sage, daß wir auch dem fünften Änderungsentwurf zur Bundesärzteordnung unsere Zustimmung nicht geben werden. ({1}) Unsere grundsätzlichen Vorbehalte gelten weiter, j a, sie haben sich in der Zwischenzeit verstärkt. Meine Damen, meine Herren, schreien Sie bitte nicht auf dem falschen Bein hurra. In die Bewährungsprobe kommen Sie erst noch hinein. ({2}) Ich will hier die alte Schlacht nicht erneut führen, gestatte mir aber noch einige Sätze aus einer Stellungnahme der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherungen zu diesem Thema vorzutragen: Ein Hauptproblem ist die Struktur der ärztlichen Versorgung. Wir fordern seit Jahren, daß die ärztliche Grundversorgung nur durch Ärzte mit einer entsprechenden Aus- und Weiterbildung sichergestellt wird. Das jetzige Gesetzesvorhaben verfolgt dieses Ziel nicht. Das ist die Stellungnahme der gesetzlichen Krankenkassen zu Ihrem damaligen Vierten Gesetz zur Änderung der Bundesärzteordnung. Die angestrebte Regelung „Arzt im Praktikum" läßt die Zusammenhänge zwischen Aus- und Weiterbildung und der Qualität der ärztlichen Versorgung und vor allem die besondere Situation in der allgemeinärztlichen Versorgung außer acht. Dort können nach geltendem Recht neben Ärzten für Allgemeinmedizin auch Ärzte ohne eine auf die spezifischen Belange der allgemeinärztlichen Versorgung ausgerichteten Aus- und Weiterbildung tätig werden. Das ist der Kernpunkt unserer Auseinandersetzung gewesen, der Kernpunkt unserer Entscheidung. Der vorliegende Entwurf muß aber noch andere Ziele verfolgen, als die Praktikumsplätze kostenneutral zu sichern, wie Sie sagen. Zum Beweis dafür möchte ich aus einem Schreiben des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit an die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion und der FDP- Fraktion zitieren. Dort setzt er sich mit dem Vorwurf auseinander, daß es durch die Umwandlung von Assistenzarztstellen künftig wenig Stellen für die Weiterbildung zum Allgemeinarzt geben werde. Er sagt: Es werden nur die in den ersten beiden Jahren nach Inkrafttreten, 1987 und 1988, frei werdenden Assistenzarztstellen aufgeteilt werden müssen, um die Stellen für „Arzt im Praktikum" bereitzustellen. Meine Damen , meine Herren, der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf geht aber davon aus, daß der § 10b bis zum 31. Dezember 1997 Gültigkeit haben soll. Entweder hat der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Herr Geißler, die Unwahrheit gesagt, in einem „Liebe-Freunde"-Papier an Sie gerichtet - was für mich so überraschend nicht wäre -, oder aber Sie verfolgen mit diesem Gesetzentwurf weitergehende Ziele, Ziele, die Sie z. B. mit dem sogenannten Entlassungsförderungsgesetz - Beschäftigungsförderungsgesetz heißt es offiziell - bereits eingeleitet haben. ({3}) - Ihr Lachen qualifiziert Sie nicht gerade, Herr Kollege Hoffacker. ({4}) Wenn Sie zu diesem Thema nichts anderes als Lachen übrighaben, ist das Ihr Problem, nicht das meinige. ({5}) Meine Damen, meine Herren, wenn es darum ginge, die entsprechenden Ausbildungsplätze für den „Arzt im Praktikum" kosteneutral zu gewährleisten, müßten Sie nicht die Geltung dieses eingeschobenen Paragraphen bis 1997 anstreben, wie das der vorliegende Gesetzentwurf tut. Wenn ich an dieser Stelle nicht nur Fragezeichen machen, sondern darüber hinausgehende Vermutungen äußere, dann wird das durch Ihre Haltung bestärkt. Ich danke Ihnen. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Faltlhauser.

Prof. Dr. Kurt Faltlhauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000517, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sollten hier nicht den Eindruck erwecken, als müßten wir hier die Debatte um die Ausbildung des Arztes als AiP, als Arzt im Praktikum, einerseits und um die „Pflichtweiterbildung" andererseits, die wir j a schon geführt haben, wiederholen. ({0}) Es geht hier schlicht und einfach um eine technisch notwendige Ausformung des bereits beschlossenen Konzepts „Arzt im Praktikum". Der Arzt im Praktikum muß natürlich auch die Möglichkeit haben, im Krankenhaus ausgebildet zu werden. Da er im Krankenhaus angesichts der steigenden Zahl von Arztstudenten und Auszubildenden zunehmend nicht mehr die Möglichkeit hat, tatsächlich an den Patienten zu kommen, müssen wir dafür sorgen, daß diejenigen, die im Krankenhaus sind, nach spätestens acht Jahren wieder wechseln, daß sie dann hinausgehen in die Praxis. Deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf für Zeitverträge vorgelegt. Im übrigen muß man auch sehen, daß genau das, was hier verhandelt wird, bereits im „Gesetz über die befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen" ist. Hier geht es also nur um eine Angleichung der Rechtssituation in allen Krankenhäusern. Ich darf in diesem Zusammenhang die Opposition daran erinnern, daß es der Marburger Bund war, der erst kürzlich darauf hingewiesen hat, daß die Frage der Kapazität an den Krankenhäusern wesentlich besser zu lösen ist, als man noch vor einem halben Jahr bei der Debatte um die Weiterbildung und um die Pflichtweiterbildung und um den AiP gedacht hat. ({1}) Die Experten strafen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, Lügen: Die Konzeption dieser Bundesregierung ist jetzt, im Vorfeld der Verwirklichung, bereits so weit, daß man sagen kann: das wird gutgehen. ({2}) Ich will an dieser Stelle allerdings noch eine andere Bemerkung machen. Ich glaube, daß wir die 18 Monate, die wir für den Arzt im Praktikum festgelegt haben, möglichst langfristig beibehalten sollten, und zwar nicht nur aus Kapazitätsgründen, sondern auch aus prinzipiellen Erwägungen. Wir können es nicht vertreten, daß die jungen Leute immer länger studieren und lernen. Wir können dadurch vielleicht das eine oder andere Problem auf dem Arbeitsmarkt lösen; aber ich glaube, es ist nicht vertretbar, daß die Leute erst mit 32, 33 Jahren in den Beruf kommen. Am Ende des Berufslebens kürzen wir dann auch immer wieder. Das, was dazwischen liegt, soll dann die Last der Sozialversicherung tragen. Das geht mit Sicherheit nicht. Lassen Sie mich noch eine weitere Bemerkung machen. Eines ist auch nicht möglich - das glauben viele Vertreter der Ärzteschaft, aber auch der Opposition -: daß man auf die Konzeption des Arztes im Praktikum gewissermaßen noch die Konzeption der Pflichtweiterbildung draufpappen kann. Dann würden die Leute normalerweise mit 34 oder mit 35 Jahren ihre praktische Ausbildung beenden. Bei dem ganzen Vorgang sollte sich - unabhängig von technischen Details - jeder hier fragen, ob er von einem ordentlichen Arzt behandelt werden will, der praktische Erfahrungen hat, oder nicht, ob er sich von einem „Barfußarzt", der nur eine theoretische Ausbildung hat, behandeln lassen will. Jeder wird den Anspruch erheben: Ich will von einem erfahrenen, in der Praxis ausgebildeten Arzt behandelt werden. Derjenige, der dies für sich selbst beansprucht, der muß als Gesetzgeber auch die technischen Voraussetzungen für diese praktische Ausbildung schaffen und diesem Gesetz deshalb seine Zustimmung geben. ({3})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, Frau Karwatzki.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jaunich, der Minister sagt nie die Unwahrheit. ({0}) Diesen Nachweis, lieber Kollege Jaunich, werden wir in den Ausschußberatungen erbringen. Meine Damen und Herren, durch eine weitere Novelle soll die Bundesärzteordnung um Regelungen über die Befristung von Arbeitsverträgen mit Ärzten in der Weiterbildung ergänzt werden. Die Bundesregierung begrüßt diese Initiative der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP. Ich hoffe, daß der Gesetzentwurf nach der Sommerpause zügig beraten werden kann. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Nein, Herr Präsident, denn ich bin schon fast fertig. - Es ist Eile geboten, da die Praxisphase erstmals bereits in der zweiten Jahreshälfte anlaufen wird. Meine Damen und Herren, ich hoffe, es war in Ihrer aller Interesse, daß ich es kurz gemacht habe. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zu überweisen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({0}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit dem Gesetz zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts - Drucksachen 10 /843, 10/3540 -Berichterstatter: Abgeordnete Hauck Schlottmann Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit auf Drucksache 10/3540 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses mit großer Mehrheit angenommen worden. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Zusatzprotokoll vom 15. März 1978 zum Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht - Drucksache 10/3434 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß Das Wort wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({1}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1985 bei Kap. 30 05 Tit. 892 11 - Entwicklung Schneller Brutreaktoren -- Drucksachen 10/3268, 10/3470 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Müller ({2}) Dr. Stavenhagen Zander Dr. Weng ({3}) Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3572 vor. Das Wort zur Geschäftsordnung wird gewünscht. Bitte schön, Herr Abgeordneter Bueb.

Eberhard Bueb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000293, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte der Vereinbarung widersprechen, daß dieser Punkt ohne Debatte laufen soll. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Gibt es zur Geschäftsordnung andere Wortmeldungen? - Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Stavenhagen.

Dr. Lutz G. Stavenhagen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man im Ausschuß seine Arbeit nicht erledigt, muß man uns nicht zu später Stunde mit namentlichen Abstimmungen ärgern. ({0}) Es ist ein Unfug, nachdem über den Schnellen Brüter in allen Variationen ausführlich diskutiert ist, diesen Antrag zu stellen. Wir lehnen ihn ab. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Der Abgeordnete Porzner hat zur Geschäftsordnung das Wort gewünscht.

Konrad Porzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001739, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Der Antrag hat ein wichtiges energiepolitisches Thema zum Inhalt. Deswegen muß auch zur späten Stunde ganz kurz darüber geredet werden. ({0}) Weil dieser Entschließungsantrag vorgelegt wurde, müssen wir entgegen der Vereinbarung im Ältestenrat, wo wir miteinander, auch die Fraktion der GRÜNEN, sagten, daß dieser Tagesordnungspunkt ohne Debatte behandelt wird, kurz darüber reden. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir haben von drei Fraktionen eine Geschäftsordnungsäußerung gehört. Gibt es weitere? Der § 23 unserer Geschäftsordnung, der die Eröffnung einer Aussprache behandelt, besagt, daß der Präsident die Aussprache über jeden Verhandlungsgegenstand zu eröffnen hat, der auf der Tagesordnung steht. Dieser steht auf der Tagesordnung. Es steht nicht auf der Tagesordnung ein beigefügter, heute neu eingereichter Entschließungsantrag. ({0}) Das ist ein Nebenantrag. Wenn jetzt zum Haupttagesordnungspunkt das Wort gewünscht wird - dies ist durch den Bruch einer Vereinbarung im Ältestenrat verlangt -, habe ich das Wort zu erteilen. Es wird das Wort zur Berichterstattung vom Abgeordneten Müller ({1}) gewünscht. - Bitte schön.

Dr. Joachim Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001553, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Unterrichtung durch die Bundesregierung zu der überplanmäßigen Ausgabe, über die hier jetzt zu reden sein wird, ist der Satz enthalten - er verpflichtet mich, Sie über den Sachverhalt aufzuklären -: Die Mehrausgaben sind zur Sicherstellung der Gesamtfinanzierung des Schnellen Brutreaktors im Rahmen des geltenden Finanzierungsplans erforderlich. In gleicher Höhe entlastet ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen den Einzelplan 30 durch Leistung eines Beitrages für Vorhaben der nichtnuklearen Forschung. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist folgende: Wer ist hier „ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen", und auf welche Art und Weise - meiner Ansicht nach ist es eine unseriöse Art und Weise - ist der Schnelle Brutreaktor finanziert worden? ({0}) - Kann ich mal um Ruhe bitten!

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, ich darf um Aufmerksamkeit für den Präsidenten bitten. Auch der Präsident kann nur etwas verstehen, wenn ausreichende Ruhe im Saal ist. ({0}) - Entschuldigen Sie bitte! In diesem Parlament wird frei geredet. Solche Kritik wird hier von oben zurückgewiesen. ({1}) Ich bitte Sie, Herr Müller, sich daran zu halten, daß Sie Berichterstatter sind.

Dr. Joachim Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001553, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Herr Präsident. - Bitte, verzeihen Sie mir, daß ich als Berichterstatter für den Einzelplan 30 des Bundesministeriums für Forschung und Technologie an dieser Stelle das Wort ergreife, aber es scheint mir auf Grund des dahinterstehenden Sachverhalts notwendig zu sein. Die Hamburger Electricitätswerke haben sich Anfang der 80er Jahre ausbedungen, keine Zahlungen für den Schnellen Brüter in Kalkar leisten zu müssen. Das ist der Tatbestand, der dahintersteht. ({0}) Weil aber auf deren Finanzierungsbeitrag nicht verzichtet werden konnte, wählte man damals einen Umweg, den ich im Rahmen einer Haushaltsentscheidung für außergewöhnlich halte. Die HEW tragen zur Finanzierung der Kohleforschung bei, wogegen grundsätzlich zunächst einmal nichts zu sagen ist, und zwar im Rahmen des Einzelplans 30. Dafür leistet der Bund in gleicher Höhe zusätzliche Zahlungen für den Schnellen Brüter. Ich halte dies insofern für sehr problematisch, als das Parlament hier jetzt gezwungen wird, eine derartige Entscheidung zu revidieren, d. h. eine Umwegfinanzierung im nachhinein zu legitimieren. ({1}) - Dies ist Berichterstattung. Dieser erst einmal rein finanztechnische Vorgang ist bezüglich der Gesamtkosten des Schnellen Brüters nicht entscheidend. Entscheidend ist, daß dieser Schnelle Brüter ein Milliardengrab für Steuergelder gewesen ist. Dabei haben auch Umwegfinanzierungen eine Rolle gespielt, die natürlich eine Verschleierung der wirklichen Finanzierung gewesen sind. ({2}) Bei der jetzigen Beschlußempfehlung handelt es sich also lediglich um die Einlösung eines gegenüber der hamburgischen Öffentlichkeit eingegangenen Versprechens der HEW, nicht direkt in die Plutoniumwirtschaft einzusteigen. Jetzt, mit dieser neuen Art der Finanzierung des Schnellen Brutreaktors beginnt der direkte Einstieg.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, ich möchte Sie noch einmal darauf aufmerksam machen, daß Sie als Berichterstatter nicht zu Ihrem Entschließungsantrag, sondern zu dieser überplanmäßigen Ausgabe zu sprechen haben. ({0}) Sie haben noch eine Minute. Bitte schön.

Dr. Joachim Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001553, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, ich vertrete schon die Auffassung, daß ich eben nicht zu unserem Antrag - der steht hier für mich überhaupt nicht zur Debatte -, sondern zur Art und Weise gesprochen habe, wie dieser Schnelle Brüter u. a. unter Vorspiegelung falscher Tatsachen finanziert worden ist, und damit bin ich auch schon am Ende. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Gibt es weitere Wortmeldungen von Berichterstattern? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die verlangte Aussprache und entscheide von mir aus, daß es jeweils Beiträge von bis zu fünf Minuten sein können. ({0}) Das Wort hat der Abgeordnete Tatge.

Willi Tatge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002300, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Damen und Herren! Liebe Freunde und Freundinnen! ({0}) In einem historischen Exkurs schreibt der Politikwissenschaftler Otto Keck für eine Schriftenreihe des Wissenschaftszentrums Berlin, das Projekt des Schnellen Brutreaktors sei seit 1960 hauptsächlich entwickelt worden, um den damals fast 100 Wissenschaftlern und Ingenieuren des KFK und dem Zentrum überhaupt eine sinnvolle Aufgabe zu geben. Wir wissen - und nicht erst seit heute -, daß diese Aufgabenstellung auch nur scheinbar sinnvoll war. Nun sind die Brüterträume geplatzt. ({1}) Ende letzten Jahres mußte der Kalkar-Betreiber, die Schnelle Brüter-Kernkraftwerksgesellschaft, einräumen, daß ihr Brüter gar nicht zu brüten vermag. Er ist - was für ein absurder Wahnsinn! - Plutoniumliferant für Bomben. Wir stellen fest: Die Anti-KKW-Bewegung hat mit ihrer Warnung vor der zivilen und militärischen Nutzung dieses Projekts recht gehabt. ({2}) Jetzt scheint auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen quasi über Nacht schlau geworden zu sein. Rau, Matthiesen und Farthmann sagen dem Brüter adieu. Fast deckungsgleich haben sie die Argumente übernommen, die AKW-Gegner und kritische Wissenschaftler jahrelang fast verzweifelt in die Diskussion warfen. ({3}) Doch Sie, meine Herren von der Sozialdemokratie, haben diesen Brüter gegen den erbitterten Widerstand der Antiatombewegung gebaut. Wir fordern Sie auf, sich uns im Widerstand nun anzuschließen und jetzt auch unseren konsequenten Weg zu gehen; denn der Widerstand gegen die Plutoniumwirtschaft nimmt zu. Nach dem WAA-Beschluß der Bundesregierung formiert sich der Widerstand in Bayern durch regionale Bürgerinitiatiyen, durch den Bund für Umwelt und Naturschutz in Bayern sowie durch verschiedene Parteien. Sie tragen diesen Widerstand. ({4}) Sie wissen, meine Damen und Herren: ohne WAA auch kein Schneller Brüter. Wir begrüßen die sich entwickelnde Opposition der Sozialdemokratie gegen die Wiederaufarbeitungsanlage und den Schnellen Brüter. Ich möchte hier aus dem Bericht der Arbeitsgruppe hessischer Atompolitik zitieren: Unabhängig von der Genehmigungsfähigkeit des Antrags sind alle zur Verfügung stehenden politischen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Durchsetzung der Plutoniumwirtschaft zu verhindern, wie etwa - jetzt kommen zwei Punkte gesetzgeberische Initiativen auf Bundesebene und Initiativen auf Bund-Länder-Ebene. Meine Damen und Herren von der SPD, seien Sie konsequent, stimmen Sie für unseren Entschließungsantrag! ({5})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Laermann.

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es im Grunde genommen schon eine merkwürdige Sache: Der Entschließungsantrag, der uns jetzt auf der grünen Drucksache 10/3572 vorgelegt wird, ist genau der Entschließungsantrag, der in der letzten Aprilwoche dieses Jahres dem Plenum schon einmal mit der Drucksache 10/3200 vorlag. Geändert ist das Datum. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, daß es von der Sache her von Ende April bis jetzt irgendeine Veränderung gegeben hätte. Sie nehmen die Beratungen im Haushaltsausschuß über eine Veränderung in der Finanzierung zum Anlaß, um in der Sache hier erneut zu versuchen, uns von unserem Beschluß abzubringen. ({0}) Ich muß dazu feststellen, daß im Jahre 1969 - dreimal dürfen Sie raten, wer zu jener Zeit die Regierungsverantwortung hatte - der Beschluß zum Bau des Schnellen Brüters SNR 300 gefaßt wurde. Es sind nun einmal neue Entwicklungen; es wurde Neuland beschritten. Diese Planungen und Ausführungsarbeiten zogen sich verständlicherweise unter Berücksichtigung eines sehr intensiven und sehr ausdrücklichen Sicherheitsbedürfnisses in die Länge.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller ({0})?

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber bitte schön, Herr Präsident.

Dr. Joachim Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001553, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Herr Kollege. Sind Sie mit mir der Meinung, daß der Schnelle Brutreaktor und die Finanzierung desselben sehr wohl sehr viel miteinander zu tun haben, insofern nämlich der Haushaltsausschuß berechtigt war, ernsthaft und lange darüber zu diskutieren? ({0})

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, Herr Kollege Müller, selbstverständlich hat das etwas miteinander zu tun, denn ohne Geld können Sie eine solche Maschine natürlich nicht bauen. ({0}) Aber wir haben im Laufe der Jahre schon sehr oft über die Finanzierung dieses Brutreaktors gesprochen und diskutiert, und zwar hier im Plenum. Ich verstehe ja, daß Sie diese Entwicklungsgeschichte nicht verfolgt haben und nicht verfolgen konnten, weil Sie dem Parlament noch nicht angehört haben. Das haben Sie nur von außen beobachtet. ({1}) - Das kommt noch hinzu. Aber vielleicht gestatten Sie mir den Versuch, das Unternehmen einmal anzugehen, Ihnen etwas über Hintergründe und Zusammenhänge, über die chronologische Abfolge dieser Projektabwicklung und über das zu sagen, was diese Maschine, was dieses Projekt eigentlich technologiepolitisch, industriepolitisch und auch - für die Zukunft gesehen - energiepolitisch bedeutet. ({2}) Ich darf noch einmal darauf zurückkommen: 1969 wurde die grundsätzliche Entscheidung getroffen, 1974 gab es dann die sogenannten Vereinbarungen von Nizza, bei der der damalige Bundeskanzler mit dem französischen Staatspräsidenten eine Vereinbarung über die Kooperation auf dem Gebiet der Entwicklung der Schnellen Brutreaktortechnologie getroffen hat. Auf Grund dieser Absprachen und dieser Vereinbarung folgten dann später die sogenannten Dernbacher Vereinbarungen. Auf der Grundlage dieser Vereinbarungen zwischen zwei autonomen und souveränen Staaten kam es dann zu den vertraglichen Vereinbarungen, an denen sich auch Belgien und die Niederlande beteiligt haben. Belgien und die Niederlande sind nach wie vor an diesem Projekt auch in bezug auf die Finanzierung beteiligt. Es hat hier im Parlament große Diskussionen über die Notwendigkeit, die Nützlichkeit, die Gefährlichkeit und die Risiken gegeben, die mit der Schnellbrutreaktortechnologie verbunden waren. ({3}) Auf Grund dieser Diskussionen beschloß das Parlament die Einsetzung einer Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik". Diese Enquete-Kommission hat dann in der folgenden Legislaturperiode ihre Arbeit fortgesetzt, weil sie nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen ist. Hauptgegenstand der Beratungen war und ist in der Tat - ({4}) Ich habe vom Präsidenten gehört und gelernt, daß jeder Abgeordnete hier das Recht hat zu reden. Dieses Recht nehme ich jetzt für mich in Anspruch. ({5}) - Ich denke schon, aber sie werden sich das gefallen lassen müssen. Wir haben in dieser Enquete-Kommission über mehrere Jahre hinweg intensivst gearbeitet, durch inländische und ausländische Experten, die ihre unterschiedliche Position zu dem Projekt Schneller Brüter dargelegt haben, intensive Beratungen erfahren. Auf der Grundlage dieser Beratungen und Sachverständigengutachten hat die Kommission dann schließlich mit Mehrheit festgestellt, daß das Risiko eines Schnellbrutreaktors -

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Um das aufzuklären: Herr Kollege Laermann hat mit vollem Recht gesagt, ich hätte gemeint, jeder könne hier frei reden. Aber ich habe eine Entscheidung getroffen, weil es zur Zeit keine Vereinbarung der Geschäftsführer gibt. . ({0}) Das ist eine Entscheidung, die hieß: je Fraktion fünf Minuten Redezeit. Ich bin gerne bereit, eine neue Vereinbarung der Geschäftsführer zu akzeptieren. In der Zwischenzeit muß ich hier „regieren". Ihre fünf Minuten sind nun leider vorbei, Herr Laermann.

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke schön. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Porzner.

Konrad Porzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001739, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Ältestenrat hat mit der Zustimmung aller Fraktionen - ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Augenblick, Herr Porzner! Ich muß hier zunächst einmal unterbrechen und dem Abgeordneten Pfeffermann erklären, daß Vizepräsident Westphal es das, was er tut, im Parlament nicht geben darf und daß ich das auch nicht dulde. ({0}) Ich weiß sehr genau, daß auch Handlungen eines Präsidenten manchmal kritisiert werden können, weil sie nicht ganz richtig oder falsch sind. Aber es ist ein parlamentarischer Brauch - und ich sorge dafür, daß er eingehalten wird -, daß von unten her nicht auf diese Weise das Präsidenten-Verhalten kritisiert wird. Ich nenne den Namen des Abgeordneten Pfeffermann, weil dies nicht das erste Mal gewesen ist. Herr Abgeordneter Porzner, Sie haben das Wort. ({1})

Konrad Porzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001739, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Ältestenrat hat mit der Zustimmung aller Fraktionen die Tagesordnung dieser Woche festgelegt ({0}) und dem Parlament empfohlen, mehr als 30 Tagesordnungspunkte zu behandeln, darunter auch den Tagesordnungspunkt 13, nämlich: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung über eine überplanmäßige Ausgabe im Haushaltsjahr 1985 bei Kap. 30 05 Tit. 892 11 - Entwicklung schneller Brutreaktoren -. Wir haben im Ältestenrat mit Zustimmung der GRÜNEN vereinbart, daß dieser Tagesordnungspunkt ohne Debatte behandelt wird. Nun legen die GRÜNEN heute abend dazu einen Entschließungsantrag vor, über den der Bundestag abstimmen muß. Er hat gar keine andere Wahl, als daß wir das im Zusammenhang mit dieser Beratung im Rahmen dieser Tagesordnung abschließen. Die SPD-Fraktion hatte keine Möglichkeit, den Antrag in ihrer Fraktion und in ihren Gremien zu erörtern und zu besprechen. ({1}) Darauf aber haben wir Anspruch. ({2}) Die SPD-Fraktion hat auch keine Möglichkeit gehabt, mit den davon unmittelbar betroffenen Landesregierungen auch nur kurz zu sprechen. Die Entscheidung über die Brütertechnologie ist aber von grundsätzlicher Bedeutung für die Energiepolitik. Wenn der Bundestag, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, seiner Verantwortung gerecht werden will, dann muß er ein solches Thema sorgfältig und grundsätzlich behandeln, ({3}) und dann muß er das nach Vorbereitung in den Fraktionen tun. ({4}) Die SPD-Fraktion wird nach der Sommerpause - haben Sie keine Sorge - auf der Grundlage ihrer Parteitagsbeschlüsse dem Deutschen Bundestag einen Antrag zur Brütertechnologie vorlegen, und zwar so rechtzeitig, daß sich das ganze Haus, daß sich alle Fraktionen damit befassen und wir dann eine verantwortungsbewußte Entscheidung treffen können. ({5}) Die GRÜNEN kritisieren zu Recht, daß die Koalitionsfraktionen dem Bundestag für die Beratung wichtigster Gesetzentwürfe keine Zeit geben: ({6}) in der vorigen Woche beim Versorgungsrecht für Hinterbliebene, in dieser Woche beim Demonstrationsstrafrecht. ({7}) Diese Gesetze wurden mit einer Eile durch die Ausschüsse gepeitscht, daß man eine Beschlußfassung im Parlament - morgen haben wir es wieder mit so etwas zu tun - nicht mehr verantworten kann. ({8}) Aber, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, heute abend verlangen Sie von uns das gleiche wie die CDU/CSU bei den gerade genannten Punkten. ({9}) Wir lassen uns ein solches Verfahren weder von den GRÜNEN noch von der Koalition aufzwingen. ({10})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller ({0})?

Konrad Porzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001739, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, jetzt nicht! Ich rede nicht zur Sache, sondern ich rede hier zum Verfahren und zur Geschäftsordnung. ({0}) Wir lassen uns, Herr Müller, ein solches Verfahren weder von Ihnen noch von einer anderen Fraktion aufzwingen. Wir lassen uns das weder von der CDU/CSU noch von Ihnen bieten. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen! ({1}) Wir bringen unsere Ablehnung einer solchen Verhaltensweise dadurch zum Ausdruck, daß wir uns der Stimme enthalten. ({2}) Sie alle werden Gelegenheit haben, zu einem Antrag der SPD sachlich Stellung zu nehmen, wenn er im Herbst vorgelegt wird. ({3})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, der Versuch des Präsidenten, den Geschäftsführern eine Möglichkeit zu geben, zu einer neuen Vereinbarung zu kommen, hat nicht dazu geführt, daß es eine Vereinbarung gibt. Dies heißt, wir verfahren nach der Geschäftsordnung. Das heißt weiter, die Beiträge, die geleistet werden, wenn es Anmeldungen von Rednern gibt, können bis zu 15 Minuten betragen. Ich werde also nachher dem Abgeordneten Laermann noch einmal das Wort geben. ({0}) Ich bitte das auch für die anderen Fraktionen zur Kenntnis zu nehmen. - Jetzt ist als nächster der Abgeordnete Stavenhagen dran.

Dr. Lutz G. Stavenhagen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem das Haus zu später Stunde zum Schnellen Brüter auch noch in der Sache diskutieren will, werden wir dies tun. ({0}) Besonders beeindruckend ist hierbei das tapfere Jein der SPD, ({1}) die auf beiden Füßen sowohl dafür als auch dagegen steht. Dies ist die Grundposition der SPD nicht nur in der Technologiepolitik, sondern auch in der Sicherheitspolitik, in der Wirtschaftspolitik und in vielen anderen Fragen. ({2}) Ich sehe - oder sah zumindest - hier im Saal mehrere Forschungsminister der SPD, die regelmäßig, wenn die Kosten des Schnellen Brüters bei der SPD aus den Gleisen liefen, gesagt haben: „Aber wir machen weiter; denn Abbruch wäre teurer als Fortführung." Was vor vielen Jahren richtig war - vielleicht! -, kann heute sicher nicht falsch sein. Der Kollege Laermann hat bereits darauf hingewiesen, daß die Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergiepolitik" sich ausführlich über Jahre mit der Verantwortbarkeit und auch der technologiepolitischen Bedeutung des Schnellen Brüters befaßt hat. Sie ist mit Mehrheit zu dem Schluß gekommen, daß der Schnelle Brüter und damit natürlich auch seine Inbetriebnahme unter Risikogesichtspunkten verantwortet werden kann, daß sich das Risiko des Schnellen Brüters innerhalb des Risikoprofils der Leichtwasserreaktoren bewegt: Kein höheres Risiko als bei Reaktoren, die seit vielen Jahren in dieser Republik einen nicht unerheblichen Teil für die Sicherung der Stromerzeugung leisten. ({3}) Ich empfehle den Damen und Herren von den GRÜNEN, sich einmal der Mühe zu unterziehen, diesen Bericht sorgfältig zu studieren; dann würden Sie vielleicht Ihren Antrag nicht mehr mit der gleichen Fröhlichkeit aufrechterhalten können. Dies vorausgeschickt, ist es schon ein finanzpolitischer Aberwitz, den Schnellen Brüter jetzt, nachdem er fertig wird, gewissermaßen abbrechen zu wollen und dort vielleicht ein „Grünes Museum" einzurichten. ({4}) Dies ist grober Unfug. Sie werden mit den Eintrittsgeldern für dieses Museum auch nicht annähernd die Kosten tragen können. Es war Forschungsminister Riesenhuber, der erstmals das finanzielle Risiko des Schnellen Brüters in den Griff gekriegt hat. Nachdem vorher auf Grund schlechter Verträge die Industrie in unzureichende Mitverantwortung genommen war und deswegen die Kosten in einem unseligen Dreiecksverhältnis zwischen denen, die gern noch ein bißchen mehr machen, den Sicherheitsbehörden, den dauernd etwas Neues einfiel, und dem Staat, der die Rechnung dafür bezahlen sollte, nachdem endlich dieses unselige Dreiecksverhältnis durch eine stärkere Mitverantwortung der Industrie in den Griff genommen worden ist - siehe da! -, blieben die Kosten auf einmal konstant. ({5}) Wir sind immer noch in der Marge von 6,5 Milliarden DM, ein gewaltiger Schritt, natürlich, wenn man sich vor Augen hält, daß ursprünglich einmal gesagt worden war, der Schnelle Brüter würde für 800 Millionen DM zu haben sein. Aber seitdem Heinz Riesenhuber Forschungsminister ist, sind die Kosten nicht mehr gestiegen. Er hat etwas erreicht, was davor für undurchsetzbar gehalten worden war. Er hat nämlich die Industrie verpflichtet, etwaige Mehrkosten allein zu tragen. Dies haben die Forschungsminister der SPD nicht geschafft. Jetzt bei diesem Projekt, wo es fertig wird, wo es überhaupt forschungspolitischen Sinn machen kann, wenn es nämlich in Betrieb genommen wird, gewissermaßen die Notbremse ziehen zu wollen, kann in diesem Haus wirklich nur den GRÜNEN einfallen. ({6}) Meine Damen und Herren, wenn man in dem Entschließungsantrag zu forschungspolitischen Aspekten liest, daß dieser Schnelle Brüter eine Brutrate von über 1 haben werde, kann ich nur sagen: Das hätten Ihnen viele aus unserer Fraktion seit Jahren sagen können. Das ist nämlich keine neue Erfindung, sondern der Grund ist eine Kernanordnung, die kostengünstiger ist als ein Kern mit einer Brutrate von unter 1. Aber ob der Brutfaktor nun 0,9 oder 1,1 ist, ist völlig wurscht; denn damit wird die Technologie demonstriert. Es ist eine quan11068 titative Veränderung, aber kein qualitativer Sprung, wenn die Brutrate größer oder kleiner als 1 ist. Ich wundere mich schon sehr, daß das Nichterreichen der Brutrate gerade die GRÜNEN umtreibt und sie den Schnellen Brüter deswegen nicht wollen, weil er angeblich doch nicht ganz das Perpetuum mobile ist, das sie vielleicht gerne hätten. ({7}) Also, unter forschungspolitischen Aspekten macht die Anlage überhaupt erst Sinn, wenn wir damit auch in eine Betriebsphase gehen. ({8}) Die Risiken für Mensch und Natur sind in der Enquete-Kommission in großer Breite, in großem Ernst und großer Sorgfalt beraten worden und als nicht größer als die bei Leichtwasserreaktoren betrachtet worden. Und dann erzählen Sie wieder Ihr altes Ammenmärchen, daß der Schnelle Brüter Grundlage für die Produktion von Atombomben sei. ({9}) Dazu muß ich sagen: Kein Land, von dem wir wissen oder vermuten, daß es die Atombombe besitzt oder relativ bald Zugriff zur Atombombe haben könnte, besitzt dafür einen Schnellen Brüter. Es ist in der Tat die trotteligste Weise, um zu einer Atombombe zu kommen, erst einen Schnellen Brüter für 6,5 Milliarden DM zu bauen. ({10}) Dies ist grober Unfug. Das sollten Sie endlich einmal hinnehmen, weil Sie mit diesem Gerede vom bombenfähigen Material nichts anderes im Sinn haben, als Leute zu verunsichern und zu verwirren. Auch dies ist in der Enquete-Kommission untersucht worden. Und die Enquete-Kommission ist eindeutig zu der Aussage gekommen, daß es durch den Schnellen Brüter in Kalkar zum einen keinen Einstieg in eine gigantische Plutoniumwirtschaft geben wird und zum anderen der Schnelle Brüter auch unter Proliferationsgesichtspunkten kein besonderes Risiko darstellt. ({11}) Sie sprachen von den volkswirtschaftlichen Aspekten. Zu den volkswirtschaftlichen Aspekten gehört natürlich, daß ich eine Investition - teuer genug ist sie ja geworden - nicht in den Sand setze und nachher die Schulkinder durchführe, sondern daß ich dann auch den forschungspolitischen Nutzen daraus ziehe. Wir wissen heute, daß eine breite Anwendung von Schnellen Brütern kurzfristig nicht bevorsteht. Dies wissen wir alle. Aber die Brütertechnologie ist eine wichtige Option für die langfristige Sicherung der Kernenergie. Und diese wichtige Option gilt es zu erhalten. Wir erhalten sie natürlich nur, wenn wir diese Anlage auch in Betrieb nehmen und darüber hinaus in internationaler Zusammenarbeit die Brütertechnologie und das, was sich da tut, sorgfältig beobachten und auch mit anderen Ländern dialogfähig bleiben. Deswegen muß auch dieser Schnelle Brüter in Betrieb genommen werden, damit wir die Erfahrungen und den Nutzen daraus ziehen können. Eines ist sicher, einen zusätzlichen Schnellen Brüter in der Finanzierungsweise, wie wir sie übernommen haben, übernehmen mußten, wird es nicht mehr geben. Wenn es also einen weiteren Brüter, eine nächste Generation gibt, ({12}) dann in verstärkter internationaler Zusammenarbeit und auch in einem wesentlich verstärkten industriellen Interesse. Dann müssen die Elektrizitätsversorgungsunternehmen und die Industrie ihr Interesse an einem weiteren Brüter nicht nur verbal bekunden, sondern durch massives Engagement auch unter Beweis stellen. Diese Entscheidung steht aber heute nicht an, sondern es steht auf Grund dieses Antrags, der schlecht vorbereitet ist und auf die Fakten nicht Bezug nimmt, jetzt an, darüber zu entscheiden, ob man kurz vor zwölf das alles in den Teich setzt und diese Geschichte einstellt. Dies halten wir für unzulässig. Dies halten wir für volkswirtschaftlichen Aberwitz und für technologiepolitischen Unfug. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab. ({13})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, darf ich Sie einen Moment unterbrechen? Ich möchte Ihnen ein bißchen Ruhe schaffen. Meine Damen und Herren, in diesem Fall muß ich mich an diese Seite wenden. ({0}) Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Hier vorn hat ein Redner das Wort und auch das Recht, gehört zu werden. Bitte schön, Herr Stavenhagen, fahren Sie fort.

Dr. Lutz G. Stavenhagen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002223, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich wollte ja zum Schluß nur noch sagen, was die Kolleginnen und Kollegen sowieso im Protokoll werden nachlesen können: daß wir diesen Antrag ablehnen, und zwar mit ausreichender Mehrheit. Schönen Dank. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Mann.

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als nordrhein-westfälischer Abgeordneter möchte ich mich zu diesem Punkt auch mal kurz äußern. ({0}) Ich möchte zunächst, Herr Kollege Porzner, zu dem Vorhalt Stellung nehmen, unsere Fraktion behandele Sie hier heute ähnlich, wie es die RegieMann rungsfraktionen in den letzten Wochen und vor allem in dieser letzten Sitzungswoche vor den Sommerferien tun. ({1}) Herr Kollege Porzner, der Kollege Laermann hat hier heute zu Recht darauf hingewiesen, daß fast derselbe Antrag von uns auf Grund unserer Großen Anfrage zum Schnellen Nichtbrüter bereits vor einiger Zeit in diesem Haus zur Abstimmung gestanden hat. ({2}) Jetzt muß ich mal an die Adresse der SPD trotz aller guten kollegialen Zusammenarbeit sagen: ({3}) Sich hier heute abend zu enthalten und das damit zu begründen, Sie hätten Beratungsbedarf und seien überfahren ({4}) macht einfach nur deutlich, daß die Sowohl-Alsauch-Politik, die Sie in der Atomenergiepolitik Ende der 70er Jahre mit Ihren Parteitagsbeschlüssen auf der einen Seite und den Handlungen der Regierung Schmidt auf der anderen Seite betrieben haben, auch heute im Jahr 1985 noch nicht ganz ausgestanden ist. ({5})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt ({0})?

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber sicher, Herr Kollege Schmidt; immer.

Manfred Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002011, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Mann, habe ich Sie heute im Rechtsausschuß richtig verstanden, daß Sie sich furchtbar darüber beklagt haben, daß Sie über Demonstrationsstrafrecht ohne ausreichende Beratungsmöglichkeit abstimmen müssen? Wie bringen Sie das damit in Übereinstimmung, daß Sie uns hier vorwerfen, daß wir Ihnen gegenüber das gleiche geltend machen, was Sie heute lautstark und langatmig im Rechtsausschuß - nach meiner Meinung: zu Recht - vorgetragen haben? ({0})

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Schmidt, ich dachte, es sei hinreichend klar gewesen: Dieser Antrag lag Ihnen auch für Ihre fraktionsinternen Beratungen bereits vor zwei oder drei Monaten vor. Wenn Sie sich nicht entscheiden können und hier Beratungsbedarf zur Begründung anführen, ist das Ihr Problem, aber nicht das Problem unserer Fraktion, die, wie ich meine, diesen Antrag hier heute zu Recht zur Abstimmung stellt ({0}) und wo wir erwarten können, daß Sie sich mit Ja oder Nein entscheiden, statt sich zu enthalten. ({1}) - Bitte, Herr Kollege Müller.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Einen Augenblick, das macht hier der Präsident! - Herr Kollege Mann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller ({0})?

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bitte, Herr Kollege Müller.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte schön, Herr Müller!

Dr. Joachim Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001553, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Mann, sind Sie mit mir der Auffassung, daß ein gewaltiger Unterschied zwischen einem Gesetzentwurf und einem Entschließungsantrag ist?

Norbert Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001417, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

So ist es, lieber Jo. Ich danke dir für diese Frage. ({0}) Ich meine, Herr Kollege Schmidt und die übrigen Kollegen aus dem Rechtsausschuß, es ist sehr wohl etwas anderes, ob man über einen Gesetzentwurf oder über einen Entschließungsantrag abstimmt. ({1}) Aber ich möchte auch noch etwas Positives an Ihre Adresse sagen. ({2}) Ich glaube, ich spreche im Namen unserer gesamten Fraktion. Ich hoffe, wenn wir im Herbst vielleicht zum dritten Mal einen ähnlichen Antrag zur Abstimmung stellen, daß Sie nach dem Vorbild der nordrhein-westfälischen Landesregierung oder einzelner Minister mit uns gegen dieses Faß ohne Boden stimmen werden. ({3}) Dann hätten Sie allerdings tatsächlich Glaubwürdigkeit im Sinne einer neuen alternativen Energiepolitik, wie wir sie in Hessen gemeinsam versuchen, wo heute ein Gesetzentwurf eingebracht worden ist, bewiesen. ({4}) Jetzt aber zu Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Ihr angekündigtes Ja zeigt leider, daß Sie nicht bereit und willens sind - Herr Laermann hat zu Recht auf die lange Geschichte seit 1969 hingewie11070 sen - zu lernen. In der Tat wäre Kalkar energiepolitisch und für die Demokratie in unserem Lande als grünes Museum besser, als, wie wir in unserem Entschließungsantrag unter Ziffer 3 „Risiken für Mensch und Natur" dargelegt haben, hier um jeden Preis mit der Inbetriebnahme zu demonstrieren, daß Sie recht behalten haben, obwohl Sie tatsächlich nicht recht haben, wie sich aus der Entwicklung der Diskussion um die Brütertechnologie inzwischen, glaube ich, für jeden Fachmann ergeben hat. ({6}) An der Stelle mal eine Anmerkung zu Wackersdorf: Selbst die Atomenergiewirtschaft ist inzwischen an der Wiederaufarbeitung nicht mehr interessiert. Sie müssen ihr diese Sackgassentechnologie geradezu aufdrängen. ({7}) Herr Laermann, nachdem Sie sich auf die EnqueteKommission bezogen haben, würde es Ihnen gut anstehen, auch aus den Ergebnissen dieser Kommission wirklich zu lernen. Wir meinen, um zum Schluß zu kommen - ({8}) - Wenn Sie wollen, kann ich auch noch länger, bis zu 15 Minuten, reden. ({9}) Zum Schluß zum Faß ohne Boden. Wir beraten hier heute auf Grund des Berichtes des Haushaltsausschusses. Sie alle außer den GRÜNEN haben dieses Trauerspiel um die Kostenexplosion, um die Entwicklung zu den 7 Milliarden DM mitgemacht. ({10}) Sie sollten uns ersparen, hier vielleicht in Zukunft noch weitere staatliche Mittel für ein Projekt zur Verfügung stellen zu müssen, das wirklich seine beste Nutzung als Museum für eine verfehlte Politik der Großtechnologie, der menschengefährdenden Großprojekte fände, statt zu investieren, im übrigen in Projekte - da haben wir die Verbindung zum Demonstrationsrecht -, ({11}) die die Demokratie in unserem Lande zum Teil zugrunde gerichtet haben, die den Glauben vieler junger Menschen an die Einsichtsfähigkeit der Politiker zerstört haben. In diesem Sinne würden Sie bei den Wählern, die wir repräsentieren, Vertrauen zurückgewinnen, wenn Sie Ihre Fehler eingestehen würden, statt hier heute trotzig, wie Sie nun einmal sind, auf dieser Sackgassentechnologie zu bestehen. Schönen Dank für Ihre Geduld. ({12})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Laermann.

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Mann hat mich gebeten, ich möchte aus den Erfahrungen, Erkenntnissen, Beschlüssen und Empfehlungen der Enquete-Kommission lernen. Herr Mann, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß ich daran mehrere Jahre lang aktiv mitgewirkt habe - bis zur physischen und psychischen Erschöpfung. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Schauen Sie sich doch erst einmal die Ergebnisse an, nehmen Sie sich die Materialien vor. Sie könnten uns hier dann manche überflüssige Debatte ersparen. ({0}) Sie wiederholen hier heute etwas, was Sie schon einmal vorgelegt haben. Wir wissen gar nicht, wie oft Sie damit noch ankommen. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß dieses Hohe Haus sich wiederholt und ausführlich über die Jahre hinweg mit diesem sehr wichtigen und bedeutenden Thema befaßt hat. Ich möchte Ihnen empfehlen, daß Sie alles das einmal verinnerlichen, was wir hier in Ausübung verantwortungsbewußter Politik zu diesem Thema gesagt haben, was wir hier an Entscheidungen getroffen haben, bis hin zu dem Vorbehalt der Betriebsgenehmigung, der dann nach Vorlage der Ergebnisse der Enquete-Kommission aufgehoben worden ist, weil wir uns vergewissert haben, daß der Betrieb verantwortbar ist. Sonst hätte dieses Haus das nicht mit einer so deutlichen Mehrheit beschlossen. Das gilt für die damals hier in diesem Haus vertretenen Fraktionen insgesamt. Ich denke, Sie sollten uns auch nicht länger davon abhalten, hier ernsthaft zu arbeiten. Ich kann nämlich Ihr Bemühen, nach zwei oder drei Monaten dasselbe noch einmal zu versuchen, wirklich nicht als ernsthaft betrachten. ({1}) Sie mißbrauchen auch unsere Geduld und unsere Bereitschaft, auch auf Ihre Argumente und auf Ihre Positionen einzugehen, uns damit auseinanderzusetzen. Wenn der Kollege Porzner vorhin gesagt hat, hier würden Gesetze durchgepeitscht, so muß ich aus der Erkenntnis über Gesetzesberatungen in den Ausschüssen doch einmal fragen, wieso Sie eigentlich immer dann, wenn Ihnen von der Opposition eine Gesetzesvorlage nicht gefällt, anfangen, zu filibustern, und damit das ganze Unternehmen mit unsachlichen Argumenten in die Länge ziehen. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schierholz?

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, Herr Präsident, ich bedaure. Um meine eigenen Worte und die Ernsthaftigkeit unseres Bemühens nicht in Zweifel zu ziehen, möchte ich dieses Unternehmen wirklich nicht noch in die Länge ziehen. ({0}) Ich möchte nur noch eines sagen. Gesetze werden hier überhaupt nicht durchgepeitscht. Hier geht es vielmehr um notwendige Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Wir haben auch in Sachen Schneller Brüter die Entscheidung getroffen. Was die Technik betrifft, was die Sicherheit betrifft, was die Risiken betrifft, was die internationalen Verpflichtungen betrifft - darauf sind Sie überhaupt nicht eingegangen. Sie müssen doch sehen, daß wir mit Frankreich verhandeln müssen, daß wir mit Belgien verhandeln müssen, daß wir mit den Niederlanden verhandeln müssen. Wollen Sie eigentlich, wenn wir auf der einen Seite für Europa sprechen, auf der anderen Seite sagen: Verträge kümmern uns nicht? Ich frage Sie: Wie lange wollen Sie eigentlich noch unsere Geduld mißbrauchen? ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Wortmeldungen liegen zu dieser Debatte nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung. Es ist noch nicht die namentliche Abstimmung. Wir stimmen zunächst über die Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ab. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/3470, von der Unterrichtung Kenntnis zu nehmen. Erhebt sich hiergegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN. Die Fraktion DIE GRÜNEN verlangt gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag auf Drucksache 10/3572 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Abstimmungskarte mit Ja, wer dagegenstimmen oder sich der Stimme enthalten will, den bitte ich, die entsprechenden Abstimmungskarten in die hier vorne aufgestellten Urnen zu legen. Ich muß Ihnen noch mitteilen, daß zwei Abgeordnete, nämlich die Abgeordneten Glombig und Collet, nach § 31 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erklärt haben, daß sie nicht an der Abstimmung teilnehmen. Die Abstimmung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich muß noch bekanntgeben, daß der Abgeordnete Kirschner ebenfalls nach § 31 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung mitgeteilt hat, daß er nicht an der Abstimmung teilgenommen hat. Ich nutze die Zwischenzeit, um die restlichen Tagesordnungspunkte abzuwickeln, bei denen keine Debatten vorgesehen sind. - Ich darf bitten, Platz zu nehmen oder die Gespräche außerhalb des Saales zu führen. Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Daubertshäuser, Haar, Bamberg, Amling, Antretter, Berschkeit, Buckpesch, Curdt, Hettling, Ibrügger, Kretkowski, Pauli, Hoffmann ({1}), Dr. Steger, Purps, Frau Steinhauer und der Fraktion der SPD Personennahverkehr der Deutschen Bundesbahn in der Fläche - Drucksachen 10/1503, 10/3488 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jobst Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr auf Drucksache 10/3488 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Dann ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf: Beratung der Sammelübersicht 82 des Petitionsausschusses ({2}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 10/3505 Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf. Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dr. Schmude, Frau Fuchs ({3}), Jaunich, Kuhlwein, Lutz, Schäfer ({4}), Frau Schmidt ({5}), Frau Odendahl, Bachmaier, Frau Blunck, Catenhusen, Dr. Diederich ({6}), Egert, Frau Fuchs ({7}), Frau Dr. Hartenstein, Frau Huber, Immer ({8}), Dr. Kübler, Frau Dr. Lepsius, Frau Luuk, Frau Dr. MartinyGlotz, Frau Matthäus-Maier, Müller ({9}), Peter ({10}), Frau Renger , Frau Schmedt ({11}), Frau Simonis, Dr. Soell, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Frau Steinhauer, Stiegler, Frau Terborg, Frau Dr. Timm, Frau Traupe, Frau Weyel, Wolfram ({12}), Frau Zutt, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Umsetzung der Empfehlungen der Sachverständigenkommission zum Sechsten Jugendbericht „Verbesserung der Chancengleichheit von Mädchen in der Bundesrepublik Deutschland" ({13}) - Drucksache 10/3385 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({14}) Innenausschuß Vizepräsident Westphal Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Das Wort wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag auf Drucksache 10/3385 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Nun müssen wir warten, bis des Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt wird. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN zu Tagesordnungspunkt 13 auf Drucksache 10/3572 ist mir mitgeteilt worden. Mir ist aber auch mitgeteilt worden, daß es Unstimmigkeiten bei der Abstimmung gegeben hat, die im Augenblick noch nicht feststellbar sind. Deshalb mache ich die Mitteilung unter dem Vorbehalt, daß das endgültige Ergebnis morgen vormittag bekanntgegeben wird, wenn es überprüft worden ist. Es sind - so sieht der Bericht aus - 351 Stimmen abgegeben worden. Davon waren ungültig: keine Stimmen. Mit Ja haben 26 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 228. Es hat 97 Enthaltungen gegeben. Ich wiederhole meinen Vorbehalt: Es wird noch einmal überprüft. Es kann sein, daß sich dadurch zwar nicht die Mehrheit, aber das Stimmenverhältnis verändert. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 337; davon j a: 20 nein: 220 enthalten: 89 ungültig: 8 Ja DIE GRÜNEN Frau Dann Frau Hönes Horacek Kleinert ({15}) Lange Dr. Müller ({16}) Dr. Schierholz Schily Schmidt ({17}) Schulte ({18}) Senfft Suhr Tatge Tischer Vogel ({19}) Werner ({20}) Werner ({21}) Nein CDU/CSU Frau Augustin Bayha Dr. Becker ({22}) Berger Frau Berger ({23}) Biehle Dr. Blüm Böhm ({24}) Dr. Bötsch Bohl Bohlsen Borchert Boroffka Broll Brunner Bühler ({25}) Dr. Bugl Buschbom Carstensen ({26}) Clemens Conrad ({27}) Dr. Czaja Dr. Daniels Daweke Frau Dempwolf Dörflinger Dr. Dollinger Doss Dr. Dregger Ehrbar Eigen Engelsberger Erhard ({28}) Feilcke Fellner Frau Fischer Fischer ({29}) Francke ({30}) Ganz ({31}) Frau Geiger Dr. Geißler Dr. von Geldern Dr. George Gerlach ({32}) Gerstein Gerster ({33}) Glos Dr. Göhner Götzer Günther Dr. Häfele Hanz ({34}) Hauser ({35}) Hedrich Freiherr Heereman von Zuydtwyck Helmrich Hinsken Höffkes Höpfinger Dr. Hoffacker Frau Hoffmann ({36}) Dr. Hornhues Hornung Jäger ({37}) Jagoda Dr. Jahn ({38}) Dr. Jobst Jung ({39}) Dr.-Ing. Kansy Frau Karwatzki Kittelmann Dr. Köhler ({40}) Dr. Kohl Kolb Kraus Dr. Kreile Frau Krone-Appuhn Dr. Kunz ({41}) Landré Dr. Langner Lattmann Dr. Laufs Link ({42}) Linsmeier Lintner Dr. Lippold Lohmann ({43}) Louven Lowack Maaß Frau Männle Magin Marschewski Metz Dr. Miltner Müller ({44}) Frau Dr. Neumeister Niegel Dr. Olderog Pfeffermann Pöppl Pohlmann Rawe Reddemann Regenspurger Repnik Dr. Riesenhuber Frau Rönsch Roth ({45}) Ruf Sauer ({46}) Saurin Sauter ({47}) Sauter ({48}) Dr. Schäuble Scheu Schneider ({49}) Dr. Schneider ({50}) Freiherr von Schorlemer Schreiber Dr. Schroeder ({51}) Dr. Schulte ({52}) Schwarz Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer Seehofer Seesing Seiters Dr. Freiherr Spies von Büllesheim Dr. Stark ({53}) Dr. Stercken Stockhausen Dr. Stoltenberg Stutzer Susset Dr. Todenhöfer Uldall Dr. Unland Vogel ({54}) Vogt ({55}) Dr. Voigt ({56}) Dr. Waffenschmidt Dr. Waigel Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke Dr. Warrikoff Dr. von Wartenberg Weiß Werner ({57}) Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms Frau Dr. Wisniewski Wissmann Dr. Wittmann Wittmann ({58}) Dr. Wörner . Würzbach Dr. Wulff Zierer Dr. Zimmermann Zink SPD Curdt Fischer ({59}) Grunenberg Dr. Haack Haase ({60}) Horn Immer ({61}) Kühbacher Lietke Nehm Purps Rappe ({62}) Frau Renger Schluckebier Dr. Schmidt ({63}) Schulte ({64}) Stahl ({65}) Frau Steinhauer Tietjen Urbaniak Vogelsang Vizepräsident Westphal von der Wiesche Wolfram ({66}) FDP Frau Dr. AdamSchwaetzer Beckmann Bredehorn Cronenberg ({67}) Eimer ({68}) Engelhard Ertl Gallus Gattermann Genscher Frau Dr. Hamm-Brücher Hoffie Hoppe Kleinert ({69}) Dr.-Ing. Laermann Dr. Graf Lambsdorff Mischnick Möllemann Neuhausen Paintner Ronneburger Dr. Rumpf Frau Dr. Segall Wolfgramm ({70}) Enthalten SPD Amling Antretter Bachmaier Becker ({71}) Bindig Frau Blunck Brück Buckpesch Büchler ({72}) Dr. von Bülow Buschfort Conradi Daubertshäuser Delorme Dr. Ehmke ({73}) Dr. Ehrenberg Dr. Emmerlich Dr. Enders Esters Ewen Fischer ({74}) Gansel Gerstl ({75}) Gilges Frau Dr. Hartenstein Heimann Heistermann Hettling Huonker Jahn ({76}) Jaunich Junghans Jungmann Kastning Kiehm Klein ({77}) Klose Kolbow Kuhlwein Lohmann ({78}) Lutz Frau Matthäus-Maier Matthöfer Meininghaus Müller ({79}) Müller ({80}) Dr. Müller-Emmert Müntefering Dr. Nöbel Frau Odendahl Oostergetelo Paterna Porzner Rapp ({81}) Reuter Rohde ({82}) Roth Schäfer ({83}) Schlaga Frau Schmedt ({84}) Schmidt ({85}) Frau Schmidt ({86}) Dr. Schmude Schröer ({87}) Dr. Schwenk ({88}) Dr. Soell Dr. Sperling Dr. Spöri Stiegler Stockleben Dr. Struck Frau Terborg Frau Dr. Timm Frau Traupe Vahlberg Verheugen Dr. Vogel Vosen Wartenberg Dr. Wernitz Westphal Frau Weyel Wimmer ({89}) Dr. de With Zander Frau Zutt FDP Dr. Feldmann Dr. Hirsch Ungültig SPD Peter ({90}) Pfuhl Schreiner Sieler Frau Simonis Waltemathe Würtz Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 27. Juni 1985, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.