Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren; die Sitzung ist eröffnet.
Am 18. Juni 1985 hat der Abgeordnete Roland Vogt ({0}) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als sein Nachfolger hat am gleichen Tag der Abgeordnete Willi Tatge die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße den neuen Kollegen in unserem Hause und wünsche gute Zusammenarbeit.
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
- Drucksache 10/3487 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Herr Erhard zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Schreiner auf:
Wann gedenkt die Bundesregierung den Standort für das computergestützte Auskunftssystem für juristische Informationen in der Bundesrepublik Deutschland ({1}) endgültig festzulegen, und ist es realistisch, daß Saarbrücken Standort des Systems wird?
Herr Kollege Schreiner, ich antworte auf Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat sich am 27. November 1984 eindeutig und endgültig unter vielen Bewerberstädten für Saarbrücken als künftigen Standort des Juristischen Informationssystems JURIS entschieden. Sie ist nach wie vor der Auffassung, daß Saarbrücken gute Bedingungen für den Betrieb von JURIS bieten wird. Saarbrücken wird deshalb Standort des Systems bleiben.
Zusatzfrage, Herr Schreiner.
Herr Staatssekretär, kann man damit Meldungen des „Handelsblatts" vom 11. April dieses Jahres als gegenstandslos ansehen, wo geschrieben wurde, daß über den Standort Saarbrükken das Bundeskabinett noch nicht das letzte Wort gesprochen habe?
Das ist eine Fehlinformation.
Die zweite Zusatzfrage, bitte.
Wann könnte vom zeitlichen Ablauf her JURIS in Saarbrücken die Arbeit aufnehmen?
Sowohl das Bundesministerium der Justiz hier wie auch das Landesjustizministerium in Saarbrücken haben je einen Arbeitsstab gebildet. Die beiden Stäbe haben ihre Arbeit aufgenommen und sind dabei, den Umzug vorzubereiten. Der Raumbedarf ist in den beteiligten Kreisen von Handwerk und Wirtschaft ausgeschrieben worden. Wir gehen davon aus, daß in diesem und dem nächsten Jahr der Umzug stattfindet, so daß 1987 JURIS in Saarbrücken die Arbeit aufnehmen kann.
Die Frage 2 der Abgeordneten Frau Dr. Lepsius soll auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit sind wir schon am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Justiz. Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Frage, Herr Erhard.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Herr Rawe zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Grünbeck auf:
Sind der Bundesregierung Bürgerbeschwerden bekannt, wonach Briefkästen der Deutschen Bundespost durch zu große Zeitabstände bei der Leerung derartig überfüllt sind, daß das Entnehmen von Briefen möglich und damit das Postgeheimnis nicht mehr gewährleistet ist, und welche Gegenmaßnahmen erwägt sind?
Herr Kollege Grünbeck, der Bundesregierung ist bekannt, daß es in der Vergangenheit vereinzelt Hinweise von Postkunden auf überfüllte Briefkästen gegeben hat.
Derartige Vorfälle sind jedoch nicht etwa eine Folge zu großer Zeitabstände zwischen den Kastenleerungen. Vielmehr sind sie erfahrungsgemäß darauf zurückzuführen, daß entweder einzelne Kunden größere Mengen Briefsendungen in den betreffenden Briefkasten eingeworfen haben oder eine großformatige Sendung auf Grund ihrer Abmessungen im oberen Teil des Briefkastens hängengeblieben ist. Die Postämter gehen solchen Hinweisen jeweils sofort nach und sorgen durch entsprechende Maßnahmen für eine Beseitigung des Mangels. Dabei werden gegebenenfalls auch die in Betracht kommenden Kunden unter Erläuterung des Sachverhalts gebeten, größere Sendungsmengen und sperrige Briefsendungen künftig unmittelbar am Postschalter einzuliefern.
Zusatzfrage, Herr Grünbeck.
Herr Staatssekretär, vor unserem Bundeshaus ist ein Briefkasten für Abgeordnetenpost. Er ist regelmäßig überfüllt. In Bonn gibt es mehrere solche Briefkästen, bei denen für die dort eingeworfenen Sendungen das Postgeheimnis für meine Begriffe besonders wichtig, aber nicht gewährleistet ist, weil sie jeden Abend überfüllt sind.
Herr Kollege, mir ist dieser Sachverhalt in dieser Form im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt; aber ich nehme Ihre Anregung selbstverständlich gerne auf, auch heute noch das Postamt hier anzuweisen, dies künftig genau zu überwachen.
Keine weitere Zusatzfrage. Dann sind wir auch hier am Ende des Geschäftsbereichs. Ich danke Herrn Rawe für die Beantwortung der Fragen.
Den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie brauche ich nicht aufzurufen, weil der Fragesteller der Frage 4, der Abgeordnete Dr. Schierholz, um schriftliche Beantwortung gebeten hat. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern.
Da der Abgeordnete Dr. Hirsch nicht im Raum ist, wird seine Frage 22 entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Die Fragen 23 und 24 der Abgeordneten Frau Männle sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich komme zur Frage 25 des Abgeordneten Ströbele, der auch nicht im Raum ist. Somit werden auch die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Ströbele entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Es tut mir leid. War das Ihr letzter Auftritt bei uns?
({0})
- Ich wünsche Ihnen alles Gute, Herr Dr. Fröhlich, im Ruhestand, der Ihnen bevorsteht.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Häfele zur Verfügung.
Der Abgeordnete Kirschner hat gebeten, daß seine Fragen 27 und 28 schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 29 des Abgeordneten Braun auf:
Trifft es zu, daß Wasseranschlußbeiträge auf Grund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts nicht umsatzsteuerpflichtig sind, die Finanzverwaltung jedoch weiterhin an der Auffassung festhält, die Wasseranschlußbeiträge als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen anzusehen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Braun, es trifft zu, daß das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 19. März 1982 die Auffassung vertreten hat, Wasseranschlußbeiträge seien kein Entgelt für eine umsatzsteuerbare Leistung des Wasserversorgungsunternehmens. Zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder besteht Einvernehmen, das Urteil in der Praxis nicht anzuwenden.
Die Umsatzsteuer wird nach dem Entgelt Bernessen. Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Nach Auffassung der Bundesregierung wendet der Leistungsempfänger den Wasseranschlußbeitrag auch für die Wasserlieferung auf. Dies entspricht der langjährigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte. Die Finanzverwaltung folgt daher weiterhin dieser Rechtsprechung.
Einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Dezember 1982, also rund neun Monate nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, ist zu entnehmen, daß das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte selbst auf Kritik stößt.
Bei den Spitzenverbänden der Versorgungswirtschaft findet die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls keine Zustimmung.
Herr Braun, eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es den Grundsätzen der Steuergerechtigkeit widerspricht, wenn informierte Abnehmer die Bescheide erfolgreich anfechten können und nichtinformierte Abnehmer die Umsatzsteuer zahlen?
Vielleicht können auch die Fragestunde und Ihre Frage dazu beitragen, die Öffentlichkeit aufzuklären. Es ist natürlich immer ein gewisses Problem, wenn eine unklare Rechtsprechung besteht - hier auf der einen Seite das Bundesverwaltungsgericht, auf der anderen Seite der Bundesfinanzhof -, daß Informierte etParl. Staatssekretär Dr. Häfele
was mehr Möglichkeiten haben. Das ist leider immer so.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Braun.
Herr Staatssekretär, besteht für die Bundesregierung die Möglichkeit, daß sie von sich aus eine Klärung durch den Bundesfinanzhof herbeiführt?
Damit bin ich an sich schon bei der Beantwortung Ihrer zweiten Frage. Wenn Sie einverstanden sind, darf ich vielleicht Ihre zweite Frage beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 30 des Abgeordneten Braun auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um die entstandene Rechtsunsicherheiten zu beenden?
Die Bundesregierung ist daran interessiert, in der Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung der Wasseranschlußbeiträge möglichst bald Klarheit zu schaffen. Sie steht mit den Spitzenverbänden der Versorgungswirtschaft in Verbindung. Durch ein Musterrechtsmittel soll versucht werden, so schnell wie möglich eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu erhalten. Mit den obersten Finanzbehörden der Länder ist vereinbart worden, daß bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs hinsichtlich der streitigen Beträge Aussetzung der Vollziehung gewährt werden kann.
Durch die Beantwortung dieser Frage und durch Ihre Fragestellung ist damit auch in der Öffentlichkeit klargestellt, daß alle Bürger diese Möglichkeit haben.
Zusatzfrage, Herr Braun.
Wie würde die Bundesregierung die Situation beurteilen, falls der Bundesfinanzhof in einem Urteil die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigen würde?
Wenn eine Entscheidung ergeht, die wir so nicht erwartet hatten, muß man das natürlich gründlich prüfen. Wenn der Bundesfinanzhof hier von seiner bisherigen Rechtsprechung abginge und insofern dann in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht stünde, wäre schon ernsthaft zu überlegen, ob man die bisherige Handhabung noch aufrechterhalten kann. Das müßte dann geprüft werden.
Herr Braun, Sie haben noch eine Zusatzfrage. Bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es auch im Sinne der Verwaltungsvereinfachung wäre, wenn man nicht durch diese Handhabung, wie sie heute in der Praxis noch vorhanden ist, geradezu Prozesse herausforderte, d. h., könnte hier nicht durch eine Klärung auch eine Verwaltungsvereinfachung herbeigeführt werden?
Herr Kollege Braun, Sie haben recht. Aber wir haben eben leider die Entwicklung, daß wir auf vielen Gebieten so viel geregelt haben, daß notgedrungen Streitfragen entstehen. Hier haben wir den leidigen Fall, daß zwei höchste Gerichte eine Sache verschieden beurteilen, und das ist immer eine mühsame Angelegenheit.
Wir kommen dann zur Frage 31 des Abgeordneten Stiegler, den ich nicht im Saal sehen kann. Die Frage wird der Geschäftsordnung gemäß behandelt.
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Dr. Weng ({0}) auf. - Auch er ist nicht da. Es wird entsprechend verfahren.
Damit sind wir - es tut mir leid - am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Finanzen. Vielen Dank, Herr Dr. Häfele, für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Dr. Sprung, Parlamentarischer Staatssekretär beim Wirtschaftsminister zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Michels auf. - Auch er ist nicht anwesend. Dann wird mit Frage 33 ebenso wie mit Frage 34 nach der Geschäftsordnung verfahren.
Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Wolfram ({1}) auf:
Teilt die Bundesregierung - vor allem der Bundesminister für Wirtschaft - uneingeschränkt und ohne jeden Vorbehalt alle Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Finanzen Dr. Voss im „Bonner Energie-Report" vom 3. Juni 1985 - wiedergegeben in den „BMF-Nachrichten" Nr. 18/85 vom 7. Juni 1985 - zu dem Thema „Können wir die Kohle weiter wie bisher bezahlen", und, wenn nein, in welchen Aussagen decken sich die Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Voss nicht mit den Auffassungen der Bundesregierung?
Herr Kollege Wolfram, die Bundesregierung sieht im Beitrag der deutschen Kohle zur Deckung unseres Energiebedarfs ein unverzichtbares Element der Versorgungssicherheit. Ihre Politik ist darauf ausgerichtet, die Wettbewerbsposition der deutschen Kohle zu stützen. Dies muß in möglichst weitgehendem Einklang mit den Bedürfnissen der deutschen Volkswirtschaft insgesamt geschehen.
Der Bundeskanzler hat in seiner Rede vom November 1984 vor der IGBE in diesem Sinne darauf hingewiesen, daß die Maßnahmen zugunsten der Kohle im Verhältnis zu anderen politischen Anforderungen gesehen werden müssen. Zur Kontinuität der Kohlepolitik gehört daher auch, daß sie die Knappheit öffentlicher Mittel zu berücksichtigen hat. Dies hat die Kohlerunde 1983 ausdrücklich festgehalten.
Auch der Steinkohlebergbau kann nicht von der Politik der Haushaltskonsolidierung und des Subventionsabbaus ausgespart werden. Er muß seinerseits alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um seine Kosten so niedrig wie möglich zu
I halten und damit die finanziellen Risiken für die öffentliche Hand verläßlich zu mindern.
Der Beitrag von Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Voss „Können wir die Kohle weiter wie bisher bezahlen?" liegt in diesem Rahmen der Kohlepolitik.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wolfram.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sehen Sie in dieser Feststellung nicht einen Widerspruch zu den eben im Wirtschaftsausschuß getroffenen Feststellungen, nach denen es noch keine Festlegung der Bundesregierung in der Frage der Behandlung von Kohleexporten in die Länder der EG gibt, wer hat den Parlamentarischen Staatssekretär Voss bevollmächtigt, eine solche Aussage mit diesem Ankündigungseffekt zu machen, und teilen Sie nicht meine Auffassung, daß zur Stabilität nicht nur die Stabilität des Haushalts, sondern auch die Stabilisierung von Arbeitsplätzen gehört?
Herr Kollege Wolfram, ich habe in der letzten Stunde nicht mehr bei der Sitzung des Wirtschaftsausschusses anwesend sein können. Minister Bangemann hat in der Tat, wie ich inzwischen gehört habe, dazu Stellung bezogen. Sie haben eben das, was vorgetragen worden ist, wiedergegeben. Ich sehe die Ausführungen von Herrn Voss nicht im Widerspruch zu dem, was Herr Minister Bangemann vorhin vorgetragen hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich kann jetzt nicht in Frageform einen Streit über einen Dissens, der nach meiner Bewertung gegeben ist, führen, aber teilen Sie, Herr Staatssekretär, nicht meine Auffassung, daß die Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs Voss zu einer starken Beunruhigung vor allem in der Bergarbeiterschaft des Saarlandes, des Aachener Reviers und des Ruhrgebiets führen müssen, weil der Eindruck entsteht, daß die Bundesregierung hier erstmals die Katze aus dem Sack läßt, und weil damit - würde das so eintreten - die Vernichtung von weiteren 8 bis 10 Millionen t deutscher Förderkapazität mit der entsprechenden Vernichtung von Arbeitsplätzen verbunden wäre?
Herr Kollege Wolfram, ich darf darauf hinweisen, daß in der Kohlerunde 1983 zu dem Exportproblem schon Ausführungen gemacht, Feststellungen getroffen worden sind. Sie kennen den Text über das Ergebnis der Kohlerunde. Ich lese Ihnen noch einmal die entsprechenden Sätze vor:
Längerfristig stehen für Kohleexporte, die kein Beitrag zur Sicherung der deutschen Energieversorgung sind, öffentliche Mittel nicht zur Verfügung. Besondere Lieferbeziehungen sollen hiervon nicht berührt werden.
Das, was Herr Voss zum Ausdruck gebracht hat, liegt auf der Linie dieser Ausführungen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie eben richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, die deutsche Steinkohle könne nicht von der Konsolidierungspolitik ausgespart bleiben und müsse daran beteiligt werden, die Risiken der öffentlichen Hand zu mindern. Ich frage nun: Wären Sie in der Lage, uns das volumenmäßig mitzuteilen, was die Bundesregierung im Hinterkopf trägt in bezug auf die finanziellen Auswirkungen von der Menge her, bezogen auf die deutsche Steinkohle und kann man aus Ihrer Formulierung schließen, daß sich die deutsche Steinkohle bislang nicht an einer Risikominderung für die öffentliche Hand beteiligt habe, und wenn j a, warum nicht?
Nein, dies können Sie aus meinen Ausführungen nicht schließen. Die Aussagen, die gemacht worden sind, zeigen die Tendenz an. Es werden keine konkreten Zahlen genannt, es können auch keine konkreten Zahlen genannt werden.
Wir kommen zur Frage 36 des Abgeordneten Wolfram:
Ist die Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Voss „Für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit, auf die unser finanzpolitisches Handeln in der Kohlepolitik ausgerichtet ist, tragen hingegen Exporte deutscher Steinkohle nicht bei. Öffentliche Hilfen für eine dauernde Subventionierung von Kohleexporten sind dem Steuerzahler nicht länger zuzumuten" die Auffassung des Bundeskanzlers und der gesamten Bundesregierung, und sind die für 1986 vom Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft vereinbarten Kürzungen der „Kohlehilfen" bereits der erste Schritt in diese Richtung und mit der Konsequenz, daß damit die Stillegung von drei bis fünf weiteren Großschachtanlagen durch die Bundesregierung vorprogrammiert wird?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Wolfram, die für das Jahr 1986 zwischen dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister für Wirtschaft vereinbarte Kürzung des Titelansatzes „Kokskohlenbeihilfe" hat mit dem Thema Abbau der Exporte nichts zu tun. Sie berücksichtigt, wie in der Presseerklärung des Bundesministers für Wirtschaft vom 5. Juni 1985 ausdrücklich klargestellt wurde, lediglich die in den ersten vier Monaten dieses Jahres deutlich gewordene Verbesserung der Wettbewerbssituation der heimischen Kohle gegenüber der Importkohle infolge des hohen Dollarkurses.
Im übrigen decken sich die zitierten Äußerungen des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Voss mit dem Inhalt der Erklärung der Bundesregierung in der Kohlerunde am 10. Oktober 1983. Dort ist festgestellt:
Längerfristig stehen für Kohleexporte, die kein
Beitrag zur Sicherung der deutschen Energieversorgung sind, öffentliche Mittel nicht zur
Verfügung. Besondere Lieferbeziehungen sollen hiervon nicht berührt werden.
Ich habe diesen Text eben schon einmal vorgetragen.
Herr Wolfram, Zusatzfrage, bitte.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, nachdem ich zunächst feststelle, daß Sie öffentlich diese Klarstellung bezüglich der 700 Millionen getroffen haben, wofür ich mich bedanke, frage ich Sie, ob nicht Ihre Aussage, Versorgungssicherheit beziehe sich nur auf das Gebiet der Bundesrepublik, eigentlich eine antieuropäische Aussage ist und sich gegen den Gemeinsamen Markt, gegen das Handeln und Denken und die Versorgungssicherheit für den Gemeinsamen Markt richtet? Denn im Krisenfalle ist eben dieses Europa gefragt. Wir sind dann nicht allein betroffen.
Herr Kollege Wolfram, das ist ganz sicher nicht der Fall. Sie wissen, daß, was die Exporte betrifft, auch in der EG Stimmen laut werden, die in eine ähnliche Richtung gehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Wolfram.
Herr Staatssekretär, ich habe Ihre Antwort beim besten Willen nicht verstanden. Vielleicht verdeutlichen Sie die noch einmal in einer schriftlichen Antwort.
Ich möchte Sie noch einmal klar fragen: Steht diese Handlungsweise nicht im Widerspruch zu der Tatsache, daß wir auch für Kohle und Stahl einen Gemeinsamen Markt haben und daß die Kommission im Krisenfalle die Mangellage erklären und uns Lieferverpflichtungen auferlegen kann, obwohl es in Überschußzeiten keine Abnahmeverpflichtungen gibt, und müssen Sie nicht die Lieferungen, die Sie mit der Kokskohlebeihilfe versehen, an die deutsche Stahlindustrie genauso behandeln wie Lieferungen an die Länder der Europäischen Gemeinschaft?
Herr Wolfram, die Beurteilung der Situation in der EG durch die EG-Kommission ist offenkundig eine andere als die, die Sie jetzt vornehmen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Vogel ({0}).
Herr Staatssekretär, ich würde gern bei dieser ganzen Fragengeschichte ein bißchen Grund unter die Füße kriegen und möchte von Ihnen gerne wissen: Wieviel Millionen Tonnen Steinkohle wurden überhaupt exportiert, mit wieviel Subventionen, und - parallel dazu - wieviel Millionen Tonnen Steinkohle wurden importiert? Ist es nicht denkbar und sinnvoll oder strebt die Bundesregierung an, eine Substitution der Importe durch vermehrten Einsatz heimischer
Steinkohle zu erreichen, so daß dadurch praktisch Subventionen für den Kohleexport abgebaut werden könnten?
Sie haben die Frage gestellt, wie hoch die Export- und die Importmengen sind. Ich kann Ihnen die Zahlen jetzt nicht nennen, bin aber gerne bereit, Ihnen diese Zahlen zur Verfügung zu stellen.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Becker ({0}).
Herr Staatssekretär, können wir davon ausgehen, daß die Bundesregierung nach wie vor an der Kohlevorrangpolitik festhält, und können wir des weiteren davon ausgehen, daß die Bundesregierung Bestrebungen der Kohle, im Wärmemarkt weiter voranzukommen, unterstützt?
Herr Becker, dies ist so. Sie können davon ausgehen, daß die Bundesregierung diese Politik verfolgt und damit in der Kontinuität der Energiepolitik bleibt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Wieczorek.
Herr Staatssekretär, haben Sie einen Überblick darüber, wie sich die Streichung der Kokskohlesubvention für den EG-Bereich auf das Arbeitsplatzangebot und auf mögliche Zechenschließungen auswirkt?
Herr Kollege, einen Überblick darüber habe ich nicht. Das hängt von der Entwicklung des Marktes, von der Entwicklung des Absatzes ab. Darüber kann man heute nur spekulieren. Man kann nicht sagen, welche Wirkungen das letzten Endes auf den Absatz haben wird.
Zusatzfrage des Abgeordneten Müller ({0}).
Herr Staatssekretär, können Sie auch hier im Plenum noch einmal die Aussagen des Bundeswirtschaftsministers im Ausschuß von eben bestätigen, daß an der Grundlage der Kohlepolitik der Bundesregierung nichts geändert wird und daß auch insbesondere der Ansatz im Haushaltsplan des Wirtschaftsministeriums bezüglich der jetzt ins Auge gefaßten Kokskohlebeihilfe keine Plafondierung erfährt?
Herr Kollege Müller, dies beides habe ich getan. In den beiden Antworten ist dies noch einmal deutlich geworden. An der Kohlevorrangpolitik und auch an den anderen Maßnahmen ändert sich nichts. Was den Haushaltsansatz betrifft, so hat der Herr Bundeswirtschaftsminister dazu die nötigen Erklärungen im Ausschuß gegeben.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.
Darf ich diesen Ausführungen entnehmen, daß die Äußerungen von Herrn Dr. Voss private Meinung von ihm gewesen sind?
Herr Kollege, was die Ausführungen des Kollegen Voss betrifft, so habe ich dazu Entsprechendes gesagt. Herr Voss ist nicht über das hinausgegangen, was in der Kohlerunde 1983 festgestellt worden ist.
Zusatzfrage des Abgeordneten Gansel.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Kürzung von Lieferungen an die EG in Höhe von 8 Millionen t zur Schließung von 4 bis 5 Zechen führen kann und gehört es nicht zu einer verantwortlichen Politik, nicht nur auf Risiken des Marktes hinzuweisen, sondern sich auch um die Arbeitsplatzrisiken zu kümmern?
Herr Kollege Gansel, ich kann dies nicht bestätigen. Zunächst einmal ist festzuhalten, daß es zu diesem Rückgang der Exporte, wie Sie das unterstellt haben, noch nicht gekommen ist,
({0})
daß auch nicht konkrete Entscheidungen anstehen, sondern daß es sich darum handelt - und auch nur dies ist von Herrn Voss zum Ausdruck gebracht worden -, daß längerfristig für Kohleexporte, die kein Beitrag zur Sicherung der deutschen Energieversorgung sind, öffentliche Mittel nicht zur Verfügung stehen. Nichts sonst ist bisher gesagt worden.
({1})
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Blunck.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung denn Vorsorge dafür getroffen, daß dann, wenn die von Herrn Gansel befürchteten Auswirkungen eintreten, die Arbeitnehmer wieder in Lohn und Brot kommen, und gehört das nicht zu Ihren Obliegenheiten?
Frau Kollegin, dies sind spekulative Annahmen, wie Sie j a auch selber zum Ausdruck bringen: befürchtete Auswirkungen; dies ist die Meinung von Herrn Gansel.
Wir kommen zur Frage 37 des Abgeordneten Catenhusen. - Er ist nicht im Saal. Die Frage wird der Geschäftsordnung gemäß behandelt.
Ich rufe die Frage 38 der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, Waffenexporte nach Saudi-Arabien über Kooperations-Abkommen mit Frankreich bzw. Großbritannien zuzulassen?
Bitte schön, Herr Parl. Staatssekretär.
Frau Kollegin, die Bundesregierung richtet sich beim Export aus Koproduktion mit NATO-Partnern nach den rüstungsexportpolitischen Grundsätzen von 1982. Danach wird dem Kooperationsinteresse grundsätzlich Vorrang eingeräumt. Exporte aus Gemeinschaftsproduktion durch das Kooperationspartnerland erfolgen in dessen eigener Verantwortung und Zuständigkeit. Die Bundesregierung hat sich jedoch vorbehalten, bestimmten Exportvorhaben im Konsultationswege entgegenzutreten.
Diese Grundsätze gelten auch für etwaige Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien.
Zusatzfrage, Frau Dr. Hamm-Brücher.
Frau Dr. Hamm-Brücherre FDP : Haben entsprechende Konsultationsverfahren für Kooperationsvereinbarungen für Waffenexporte nach Saudi-Arabien bereits stattgefunden, oder stehen sie bevor?
Frau Kollegin, die Bundesregierung hat in der Vergangenheit wiederholt von der Möglichkeit der Konsultation Gebrauch gemacht. Ich bitte jedoch um Verständnis dafür, daß ich keine Einzelheiten nennen kann, denn Rüstungsexportpolitik eines Kooperationspartnerlandes ist Teil seiner Außenpolitik. Etwaige Aussagen hierzu berühren die Souveränität des exportierenden Landes. Es kann nicht Sache der Bundesregierung sein, hierzu in der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen.
Weitere Zusatzfrage, Frau Dr. Hamm-Brücher.
Herr Staatssekretär, wir stimmen sicher überein, daß die Frage des Waffenexports - direkt oder indirekt - nach Saudi-Arabien für uns von besonderer Delikatesse ist. Ich frage Sie jetzt abermals: Hat es in Fragen von Waffenexporten nach Saudi-Arabien Konsultationen mit der Bundesregierung gegeben oder nicht?
Frau Kollegin, ich habe Ihnen auf diese Frage eben geantwortet. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit wiederholt von der Möglichkeit von Konsultationen Gebrauch gemacht.
({0})
- In der Frage von Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien.
Zusatzfrage, Herr Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, wenn es also Kooperationen gibt - wie ich Ihrer Antwort entnehmen muß -, die den Export von Waffen nach Saudi-Arabien beinhalten, dann würde es ja sicherlich nicht die Souveränität des betreffenden Landes beeinträchtigen, wenn Sie uns mitteilen, um welche Waffen es sich handelt.
Herr Kollege Hirsch, das Ziel der Zusammenarbeit sind nicht Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien gewesen, sondern Kooperation im rüstungswirtschaftlichen Bereich.
Ich bin gerne bereit, in den zuständigen parlamentarischen Gremien zu Einzelfällen Stellung zu nehmen, aber hier im Plenum des Deutschen Bundestages möchte ich das nicht tun.
({0})
- Auch dazu ist die Bundesregierung gerne bereit in den entsprechend zuständigen Ausschüssen des Bundestages Rede und Antwort zu stehen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Gansel.
Herr Staatssekretär, da Minister Schäuble heute den Auswärtigen Ausschuß informieren wird, haben Sie gute Gelegenheit, Ihr Versprechen einzulösen und dazuzukommen.
Ich frage Sie aber hier öffentlich. Da ja die Haltung der Bundesrepublik keine Frage ist, die die Souveränität Frankreichs betrifft, sondern Ihre Bereitwilligkeit, gegenüber dem Parlament Auskunft zu geben: Welche Haltung hat die Bundesregierung denn bei dem Export von französischen Panzern nach Saudi-Arabien eingenommen, für die aus der Bundesrepublik Motoren geliefert werden sollen?
Herr Kollege Gansel, ich bringe noch einmal die Bereitschaft der Bundesregierung zum Ausdruck, über Einzelheiten in den zuständigen Ausschüssen entsprechend Auskunft zu geben.
({0})
Augenblick. - Es wäre ja ganz gut, wenn wir das so machen könnten, aber wir haben hier Fragestunde.
Jetzt hat zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Oostergetelo das Wort.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben die Konsultationen mit Saudi-Arabien zugegeben.
({0}) Habe ich das richtig verstanden?
({1})
- Aber die Gespräche mit Saudi-Arabien im Gesamtrahmen haben Sie zugegeben. Haben diese Gespräche - Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Auch dies ist nicht richtig, Herr Kollege. Es geht um Konsultationen mit dem Kooperationspartner über Lieferungen dieses Kooperationspartners an Saudi-Arabien. Es geht nicht um Gespräche mit Saudi-Arabien.
Herr Präsident, da meine Frage nicht zu Ende war: Darf ich -
Ich gebe Ihnen das Recht, die Frage noch zu Ende zu stellen.
Herr Staatssekretär, ich möchte wissen, ob Sie über diese Konsultationen auch mit Israel gesprochen haben.
Herr Kollege, noch einmal: Es geht bei diesen Konsultationen darum, daß mit dem Kooperationspartner über dessen Waffenexporte nach Saudi-Arabien gesprochen wird. Nur darum geht es. Da ist kein Raum für Gespräche mit anderen Staaten.
Meine Damen und Her-, ren, wir sind am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Wirtschaft. Ich bedanke mich beim Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Sprung für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Die Frage 39 des Abgeordneten Carstensen ({0}) ist zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten Oostergetelo auf:
Wie vereinbart sich der von Bundeskanzler Dr. Kohl während der Aktuellen Stunde zur Europapolitik am 22. Mai 1985 geäußerte Vorwurf, die SPD habe in der Vergangenheit nichts oder zu wenig dafür getan, daß der sogenannte positive Grenzausgleich abgebaut werde, mit der derzeitig verbreiteten Erfolgsmeldung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, daß es ihm gelungen sei, den für dieses Jahr vorprogrammierten weiteren Abbau des deutschen Grenzausgleichs zu verhindern?
Herr Kollege Oostergetelo, in der angesprochenen Äußerung des Herrn Bundeskanzlers während der Aktuellen Stunde am 22. Mai 1985 ist kein Widerspruch zur Bewertung des Verhandlungsergebnisses bezüglich des Währungsausgleichs zu sehen. Die Kritik des Bundeskanzlers richtete sich darauf, daß die SPD-geführte Bundesregierung zum einen eine hinhaltende Abbaubereitschaft gezeigt und zum anderen den tatsächlichen Abbau ohne Einkommensausgleich hingenommen hat. Dies hat auch dazu beigetragen, daß die deutsche Landwirtschaft - trotz meist hoher positiver Währungsausgleichsbeträge - im europäischen Einkommensvergleich auf den vorletzten Platz abgerutscht ist.
Inzwischen ist eine Umstellung im System erfolgt. Jetzt können keine neuen positiven Grenzausgleichsbeträge mehr entstehen. Beim 5%igen Abbau des bestehenden Währungsausgleichs zum 1. Januar 1985 haben wir einen vollen nationalen Ausgleich über die Mehrwertsteuer vorgenommen. Bei der Systemumstellung haben wir für den Abbau des restlichen Währungsausgleichs von rund 2 % bis 3 % eine dreijährige Abbaufrist vereinbart. Beim Abbau ist das von der früheren Bundesregierung vereinbarte Prinzip des sogenannten Gentleman's Agreement zu beachten. Danach darf der Abbau
nicht zu nominellen Preissenkungen führen. Ferner ist die Einkommenslage zu berücksichtigen. Der Vorschlag der EG-Kommission, bei Milch und Getreide einen Abbau auf 1,8 %, d. h. um 1,1 % bzw. 0,6 %, vorzunehmen, stand eindeutig im Widerspruch zu den vereinbarten Abbauregelungen. Deshalb haben wir uns konsequenterweise mit allem Nachdruck gegen diesen Abbauschritt gewehrt und ihn auch mit Erfolg abwehren können.
Bevor ich das Wort weitergebe, darf ich dahinten um ein bißchen Ruhe bitten, damit der Staatssekretär in Ruhe antworten kann und nicht andere übertönen muß.
Herr Oostergetelo, zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann die diesjährige Verhandlungslinie der Bundesregierung, den Rest des positiven Grenzausgleichs zu bewahren, verallgemeinernd so interpretiert werden, daß auch die Bundesregierung den Grenzausgleich als Instrument zur Stützung der landwirtschaftlichen Einkommen in der Bundesrepublik Deutschland betrachtet?
Nein, so kann man das nicht verallgemeinern, Herr Kollege.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Oostergetelo.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung denn nicht die Meinung, daß der Mehrzahl der EG-Partner - nicht aber der Bundesrepublik - in der Zukunft ein Instrument zur Verfügung stehen wird, um mit dem Abbau des negativen Grenzausgleichs zusätzliche Einkommensverbesserungen für ihre Landwirte vorzunehmen, und wie bewerten Sie die Einstellung des Bundeskanzlers, der der Opposition vorwirft, den Grenzausgleich nicht genügend abgebaut zu haben?
Herr Kollege, Tatsache ist, daß das alte System, von dem Sie hier glauben machen möchten, daß es keine Mängel gehabt hat, solche durchaus gehabt hat; ich habe das deutlich gemacht. Wir hätten nämlich zuletzt einen viel höheren positiven Grenzausgleich haben müssen, ungefähr 26 %. Tatsache ist, daß praktisch nur die Hälfte erreicht werden konnte. Der andere Teil ist in der Zwischenzeit - ohne Ausgleich für die Landwirtschaft - stillschweigend abgebaut worden.
Tatsache ist aber auch, daß wir von dem neuen System, das wir jetzt EG-weit eingeführt haben, bis heute noch nicht sagen können, wie es langfristig im einzelnen wirken wird. Es kommt vor allen Dingen darauf an, ob sich die Währungsrealitäten innerhalb der EG verändern oder nicht.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Blunck.
Herr Staatssekretär, gehe ich recht in der Annahme, daß Ihnen die Erkenntnis, daß das System Mängel gehabt hat, erst ziemlich spät gekommen ist? Denn es ist doch sicher richtig,
daß der vorherige Staatssekretär auch Gallus hieß.
Ich habe nie behauptet, Frau Kollegin, daß in der sozial-liberalen Regierung keine Fehler gemacht worden seien oder sich alles ohne Mängel vollzogen habe. Dies gilt insbesondere in bezug auf die Agrarpolitik der EG, auf die wir eben nur einen anteilmäßigen Einfluß haben und hinsichtlich der die übrigen neun Staaten zur Meinungsbildung mit beitragen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Gansel.
Stimmt es, Herr Gallus, daß Sie an der Erblast, die Sie selbst produziert haben, schwer tragen?
({0})
Herr Kollege, was die Erblast anbetrifft, so bin ich mit ihr bis heute glänzend fertig geworden.
({0})
Nun kommen wir zur Frage 41 des Abgeordneten Oostergetelo:
Ist die Bundesregierung tatsächlich der Meinung, daß die Einkommensentwicklung für die deutschen Bauern im EG-internen Vergleich in der Vergangenheit günstiger verlaufen wäre, wenn die jetzige Regelung, bei der ausschließlich negativer Grenzausgleich entstehen kann, gegolten hätte, insbesondere unter Würdigung des Gesichtspunktes, daß alle Mitgliedstaaten der EG - bis auf die Bundesrepublik Deutschland - durch den Abbau negativer Währungsausgleichsbeträge zusätzliche Einkommensverbesserungen für ihre Landwirtschaft realisieren können?
Mal sehen, ob sie damit auch so glänzend fertig werden.
Herr Kollege, die Frage, ob die Einkommensentwicklung für die deutschen Bauern in der Vergangenheit im EG-Vergleich zur Anwendung der jetzigen Währungsausgleichsregelung günstiger verlaufen wäre, ist rein hypothetisch und kann deshalb so nicht beantwortet werden. Mit dem jetzigen System liegen noch nicht genügend Erfahrungswerte vor.
Zusatzfrage, Herr Oostergetelo.
Herr Staatssekretär, da diese beiden Fragen im Zusammenhang stehen, darf ich Sie noch einmal fragen: Wie bewerten Sie denn die Äußerung des jetzigen Regierungschefs, der, an die Opposition gewandt, der damaligen Regierung vorwirft, sie habe ja den Grenzausgleich nicht genügend abgebaut, obwohl die jetzige Regierung zur gleichen Zeit in allen landwirtschaftlichen Blättern Wert darauf legt, mitzuteilen, daß sie 1,8 % des Grenzausgleichs in diesem Jahr zugunsten der bäuerlichen Landwirtschaft verteidigt habe? Ist nun der Abbau des Grenzausgleichs in einem Jahr etwas anderes als im anderen Jahr?
Herr Kollege, ich habe die Antwort eigentlich schon gegeben. Die
Bundesregierung will der deutschen Landwirtschaft j a durch den Abbau des Grenzausgleichs keine Einkommenseinbußen zumuten. Deshalb ist j a die Vorsteuerpauschale um 5% angehoben worden. Ich habe Ihnen auch deutlich gemacht, daß der Rest unter Berücksichtigung des Gentlemen's Agreement abgebaut wird. Dies steht allerdings im engen Zusammenhang mit den jeweiligen Preisfestsetzungen. Nachdem aus allgemeinen Sparsamkeitsgründen in der EG in diesem Jahr beim Preis nicht viel drin ist, mußte auch ein Weg gefunden werden, den weiteren Abbau des Grenzausgleichs zu verlangsamen bzw. hinauszuzögern.
Zusatzfrage, Herr Oostergetelo.
Herr Staatssekretär, da der radikale Abbau des Grenzausgleichs im vorigen Jahr um 8% - 5% werden ausgeglichen durch die Vorsteuerpauschale, die Sie insofern zu Recht erwähnt haben - ja doch beinhaltet, daß wir national bis 1991 20 Milliarden DM dafür gebrauchen werden, um das auszugleichen, was die Bauern verlieren würden, bestätigen Sie doch selber, daß der radikale Abbau des Grenzausgleichs ein großer Negativfaktor für die deutschen Einkommen sind. Wie kann dann der Bundeskanzler das Gegenteil behaupten? Oder können Sie ihm Nachhilfe geben?
Herr Kollege, so eine Entscheidung kann erst im nachhinein vollzogen werden. Erst wenn die Zeit abgelaufen ist, können wir unter dem Strich feststellen, wie das im einzelnen gelaufen ist, auch für die Einkommenssituation der Landwirtschaft.
Eine Zusatzfrage, Frau Blunck.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie gerade richtig verstanden, daß Sie erklärt haben, das neue System könnten Sie noch nicht bewerten, aber das alte sei schlecht gewesen? Ist es weiterhin nicht herzlich gleichgültig, ob nach Währungsverschiebungen z. B. 3% positiver und 4 % negativer Grenzausgleich abgebaut werden oder ob in einem Vorgang 7% negativer Grenzausgleich abgebaut werden, wenn die Auswirkungen auf die Relation der in Landeswährung gezahlten Preise im zwischenstaatlichen Vergleich die gleichen bleiben?
Frau Kollegin, zunächst einmal möchte ich hier mit aller Deutlichkeit feststellen, daß Sie aus meinen Antworten nicht entnehmen können, daß ich gesagt habe, das, was vorher war, sei schlecht gewesen, und das, was wir jetzt haben, sei absolut gut. Ich habe lediglich gesagt, daß das vorhergehende System nicht ohne Mängel gewesen ist. Das weiß jeder, der sich mit der Agrarpolitik befaßt. Ich habe gesagt, daß sich die jetzige Regelung nun differenziert so auswirkt, daß je nach der Währungsänderung in den einzelnen Ländern bei uns kein positiver Währungsausgleich mehr entsteht, aber negative Währungsausgleiche entstehen können. Wir gehen davon aus, daß wir hoffentlich in der Zukunft wenig Währungsänderungen in den Ländern haben werden, die bis jetzt sehr stark abgewertet haben.
Das war's!
Die Frage 42 des Abgeordneten Stiegler ist zurückgezogen worden.
Dann kommen wir zur Frage 43 der Frau Abgeordneten Blunck.
In welchen Zeitungen ist die ganzseitige Anzeige von Bundesminister Kiechle erschienen, in der sich der Minister an die Bäuerinnen und Bauern wendet, die Agrarpreisbeschlüsse des EG-Ministerrats vom 16. Mai 1985 erläutert, und welche Kosten wurden für die Anzeigenserie aufgewendet?
Frau Kollegin, die Anzeige ist in insgesamt 20 landwirtschaftlichen Fachzeitschriften erschienen. Dies waren: „Bauernblatt für Schleswig Holstein", Rendsburg, „Bremer Landwirtschaftliche Rundschau", Bremen, „Land-Report", Hannover, „Das Landvolk", Hannover, „Hannoversche Land- und Forstwirtschaftliche Zeitung", Hannover, „Landwirtschaftsblatt WeserEms", Oldenburg, „Landwirtschaftliches Wochenblatt Westfalen-Lippe", Münster, „Landwirtschaftliche Zeitschrift Rheinland", Bonn, „Der Hessenbauer", Friedrichsdorf, „Rheinische Bauernzeitung", Koblenz, „Pfälzer Bauer", Kaiserslautern, „Der Landbote", Wiesbaden, „Saarländisches Bauernblatt", Saarbrücken, „Württembergisches Wochenblatt für Landwirtschaft", Stuttgart, „Schwäbischer Bauer", Ravensburg, „Badische Bauernzeitung", Freiburg, „Badisches Landwirtschaftliches Wochenblatt", Stuttgart, „Die Landpost", Konstanz, „Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt", München, und „Allgäuer Bauernblatt", Kempten. Die Kosten betrugen 73 822 DM.
Zusatzfrage, Frau
Blunck.
Herr Staatssekretär, können Sie mir mitteilen, aus welchen Haushaltstiteln im einzelnen die Kosten für die Anzeigenserie bestritten wurden?
Pressetitel - Öffentlichkeitsarbeit.
Weitere Zusatzfrage, Frau Blunck.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß man bei einem Landwirtschaftsminister, der es nötig hat, mit so hohem Kostenaufwand in all diesen Zeitungen eine Mitteilung dergestalt, wie sie hier geschehen ist, zu veröffentlichen, Zweifel an seiner guten Verhandlungsführung haben kann?
Nein, Frau Kollegin, da stimme ich Ihnen nicht zu, weil hier eine außergewöhnliche Situation eingetreten ist. Sie ist mit der Situation vergleichbar, die wir vor 15 bis 18 Jahren gehabt haben, als in der EG ebenfalls um den zukünftigen Getreidepreis gerungen worden ist.
Eine ähnliche Situation ist wiederum eingetreten. Deshalb war es angesichts dieser außergewöhnlichen Umstände richtig, der Landwirtschaft eine entsprechende Aufklärung zuteil werden zu lassen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Oostergetelo.
Herr Staatssekretär, da in der Diskussion und auch in der Anzeigenaktion der Eckwert Getreidepreis so herausgestellt worden ist, frage ich Sie: Was haben eigentlich die 90 % der Bauern, die Getreide zufüttern, die Milchbauern oder die Getreidebauern davon, wenn es beim Getreidepreis um ganze 40 Pfennig pro Doppelzentner geht?
Herr Kollege, ich glaube, es ist eine sehr vordergründige Betrachtung der Gesamtsituation, wenn man nur auf der Basis Ihrer beiden Fragen die Getreidepreise sieht. Man muß vielmehr die Gesamtentwicklung berücksichtigen, die Relation EG-Getreidepreis: Weltmarktpreis; denn das, was jetzt in Brüssel geschehen soll und möglicherweise trotz unseres Widerstandes auch geschehen wird, ist nur der Anfang einer Entwicklung hin zum Weltmarktpreis für Getreide. Manche gehen davon aus, daß wir dann in eine günstigere Situation kämen, auch was die Substitute betrifft. Das bestreite ich. Wenn das so wäre, hätten angesichts des hohen Dollarkurses die Substitute in Europa längst teurer werden müssen. Das Gegenteil ist der Fall gewesen. Wir sind also auf einer Ebene angelangt, von der es nach unten gehen kann. Am Ende können wir die Konkurrenz mit Amerika dann nicht aushalten.
Wenn nun allerdings diese Politik von der Mehrheit der EG-Mitglieder getragen wird, wird am Ende dieser Politik die Frage stehen, welche Strukturen die europäische Landwirtschaft überhaupt noch wird erhalten können und welche nicht.
Zusatzfrage, Herr Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, ist es, wenn man von der großen Anzahl der Bauern ausgeht, richtig, daß wie Sie behauptet haben, im Grunde genommen nur ein kleiner Kreis der Bauern von diesen Regelungen betroffen sei?
Entschuldigung, Herr Oostergetelo hat das behauptet. Ich habe gerade eine Erklärung abgegeben, die genau das Gegenteil zum Inhalt hatte, die sich auf die Gesamttendenz der Agrarpreissituation bezog, wie sie sich zwischen Europa, den Ländern der Dritten Welt und Amerika ergibt. Natürlich ist die Frage umstritten - das kann ich nicht bestreiten -, inwieweit sich der Getreidepreis auf das Gesamteinkommen der jeweiligen Sparten auswirkt. Da gibt es auch sehr unterschiedliche wissenschaftliche Auffassungen. Das ist auch seitens der sechs Professoren deutlich geworden, die eine grundlegend andere Auffassung in bezug auf die Verhandlung in Brüssel dargelegt haben, als sie von meinem Minister vertreten wird.
Zusatzfrage des Abgeordneten Becker.
Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, daß sich die Getreidepreise trotz des deutschen Widerstandes, der ja durch das Veto augenscheinlich geworden ist, doch in der von der Kommission vorgesehenen Weise ändern werden. War es dann für die weitere europäische Entwicklung eigentlich richtig, dieses Veto überhaupt einzulegen, und hätte man das nicht in der Zeitungsanzeige erläutern können?
Ich bin der Auffassung, daß es notwendig war, ein Zeichen zu setzen. Inwieweit die Dinge dann im einzelnen von der Kommission vollzogen werden oder nicht, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Ein Verhandlungstermin ist auf Anfang Juli datiert. Dann kann, wie wir hoffen, über entsprechende Kompromisse verhandelt werden. Für die Bundesregierung war es entscheidend, einmal ein deutliches Zeichen zu setzen.
Ich rufe Frage 44 der Abgeordneten Frau Blunck auf:
Welche Annahmen liegen den Angaben von Bundesminister Kiechle zugrunde, wonach die deutsche Landwirtschaft auf Grund der EG-Beschlüsse Einkommensverbesserungen von 2 v. H. bis 3 v. H. im Durchschnitt und von 4 v. H. bis 5 v. H. bei den Milchbauern erwarten kann, und kann die Bundesregierung dabei insbesondere die erwartete Entwicklung der Marktpreise erläutern?
Wie nach früheren Preisbeschlüssen auch sind die isolierten Preis-und Einkommenswirkungen ermittelt worden, die sich aus den Beschlüssen vom 16. Mai kalkulatorisch ergeben. Danach wird damit gerechnet, daß auf Grund der Beschlüsse das durchschnittliche Stützungsniveau um etwa 0,5 % ansteigen wird. Zusammen mit den flankierenden Maßnahmen - insbesondere dem Abbau der Mitverantwortungsabgabe und der Verkürzung der Zahlungsfristen - errechnet sich daraus eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise um 0,9 %. Dieser Anstieg führt rechnerisch zu einer Verbesserung der Einkommen im Durchschnitt der Vollerwerbsbetriebe um 2 % bis 3 %.
Da sich die Erhöhung der Erzeugerpreise in erster Linie aus den Beschlüssen für Milch ergibt, liegt das Schwergewicht der Wirkungen bei den Futterbaubetrieben. Die genannten rechnerischen Auswirkungen sind nicht mit einer Vorschätzung der Einkommen gleichzusetzen. Die tatsächliche Preis- und Einkommensentwicklung im Wirtschaftsjahr 1985/86 hängt nicht nur von diesen Beschlüssen, sondern in stärkerem Maße von der Produktions- und Marktentwicklung sowie weiteren nationalen und EG-weiten agrarpolitischen Maßnahmen ab.
Die Bundesregierung kann zur Zeit keine Aussagen über die erwartete Entwicklung der Marktpreise machen. Das ist frühestens möglich, wenn zuverlässige Angaben über die Höhe der Ernte 1985 vorliegen.
Frau Blunck zu einer Zusatzfrage; bitte.
Herr Staatssekretär, wäre es, wenn ich Ihre Antwort auf die erste Frage mit berücksichtige, die Anzeigenserie habe annähernd 100 000 DM gekostet, eigentlich nicht angebrachter, wenn der Landwirtschaftsminister in Zukunft - wenn er denn Madame Tessier als Horoskopdame Konkurrenz machen will - gleich ein derartiges Gutachten bei einem entsprechenden Wahrsager bestellte?
Das verstehe ich nun überhaupt nicht, Frau Kollegin.
({0})
Ich will versuchen, auf Ihre Frage hin noch einmal zu bestätigen: Wenn Sie in Brüssel Preiserhöhungen von im Schnitt 1 % erzielen oder wenn die Preise um durchschnittlich 1 % zurückgehen, dann wirkt sich das bei den Einkommen mit 2 % bis 3 % aus. Das ist immer so gewesen. Genau das habe ich Ihnen konkret gesagt. Wenn Sie die Anzeige genau gelesen hätten, dann hätten Sie festgestellt, daß genau dies dort deutlich hervorgehoben worden ist. Es heißt dort, es sei bei der Milch mit Einkommensverbesserungen von 4 % bis 5 % zu rechnen. Dann wird die Garantiemengenregelung erläutert. Unter Ziffer 4 heißt es, bei den Einkommen in der deutschen Landwirtschaft insgesamt sei ein Plus von 2 % bis 3 % zu erwarten. Man muß eben zwischen der Einkommenswirkung im Milchbereich und allgemein in der Landwirtschaft unterscheiden. Das habe ich auch ganz deutlich gemacht.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Blunck.
Herr Staatssekretär, will diese Bundesregierung weiterhin ihre Wunschvorstellungen - die ja nicht auf Tatsachen gegründet sind, denn all das, was in der Anzeige stand, beruht auf Annahmen - in Form von Anzeigen unter das Volk bringen und wie es jetzt geschehen ist, aus dem Titel Öffentlichkeitsarbeit mit rund 100 000 DM finanzieren, statt konkrete Politik zu betreiben?
Frau Kollegin, zum ersten hat die Anzeige rund 73 000 DM gekostet. Das sind knapp drei Viertel dessen, was Sie eben genannt haben. Zum zweiten haben Sie erklärt, die Bundesregierung wolle ihre Wunschvorstellungen unter das Bauernvolk bringen. Das ist schlicht nicht wahr. Denn in dieser Anzeige wird konkret dargelegt - das möchte ich an zwei Absätzen belegen -, wie die Verhandlungen gelaufen sind. Auch Sie wissen, wie schwierig die Verhandlungen gewesen sind. Der Bundeslandwirtschaftsminister hat gerade in diesem Teil der Verhandlungen Erfolge aufzuweisen, an deren Erreichbarkeit nach 70stündigen Verhandlungen viele nicht geglaubt haben.
Zunächst einmal wird der Währungsausgleich, über den wir vorhin diskutiert haben, nicht weiter abgebaut. Er sollte auf 1,8 % abgebaut werden. Das hätte bei der Milch noch einmal 1,1 Prozentpunkte und beim Getreide noch einmal 0,6 Prozentpunkte weniger bedeutet, ganz konkret. Des weiteren wurde in bezug auf die Verrechnung bei der Milch erreicht, daß die Gelder, die die Bauern bei Überlieferung zahlen müssen, national zu weiteren Aktionen zum Herauskauf von Milch verwendet werden dürfen. Das soll das Gesetz regeln, über das wir heute morgen im Ernährungsausschuß gesprochen haben.
Sie können nicht behaupten, daß dem Volk hier Wunschvorstellungen nahegebracht worden sind. Hier wurden ganz konkret die Ergebnisse dargestellt, die erzielt worden sind, und diese sind beachtenswert.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, ausgehend von Ihren sachverständigen Antworten: Was kann ich beispielsweise den Bauern in meinem Wahlkreis sagen? Welche Vorteile haben beispielsweise die Bauern, die zufüttern, oder welche Vorteile haben die Grünlandbauern von den Brüsseler Agrarbeschlüssen?
Sie haben - erstens - den Vorteil, daß für kein Agrarprodukt bei dieser Preisrunde eine so gute Preisanhebung erzielt worden ist wie für die Milch. Zweitens gibt es eine Verkürzung der Zahlungsfrist bei der Übernahme der Interventionsprodukte, was sich höchstwahrscheinlich gerade in Ihrem Wahlkreis auswirken wird. Drittens wird der Zeitraum für die Abrechnung für das, was jemand mehr oder weniger liefert, von einem Vierteljahr auf ein Jahr verlängert. Viertens: Nachdem wir die Gelder in der Größenordnung von 120 bis 150 Millionen DM, die die Bauern zahlen müssen, die zuviel liefern, nicht nach Brüssel abführen müssen, stehen sie für weitere Herauskaufaktionen zur Verfügung. Das bedeutet auf der anderen Seite, daß wir nun mehr Luft bekommen, um den Ländern Quoten für schwierige Fälle zur Verfügung zu stellen. Wie heute morgen der Herr Minister im Ernährungsausschuß angekündigt hat, werden es etwa 150 000 Tonnen sein. Somit können in Ihrem Wahlkreis weitere schwer betroffene Betriebe auf Grund dieser Situation mit zusätzlichen Quoten - wie in allen anderen Gebieten der Bundesrepublik - bedacht werden.
Jetzt kommt der Abgeordnete Oostergetelo zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich bewundere, welche Möglichkeiten Sie bei der Beantwortung einer Frage finden. Deshalb bitte ich Sie: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Herr Strothe vom Getreideverband erklärt hat, daß uns diese angeblichen 40 Pf pro Doppelzentner nichts als Ärger und Verdruß eingebracht haben? Könnten Sie mir sagen: Hat der Bundeskanzler in seiner Kritik zum Grenzausgleich die abgebauten 8 % vom vorigen Jahr gemeint oder das von Ihnen positiv erwähnte Festhalten an 1,8% in diesem Jahr? Welches
kann er Ihrer Meinung nach gemeint haben? Das eine muß wohl dem anderen widersprechen.
Herr Kollege, wenn Sie mir Ihre Frage konkret vortragen würden, wäre ich bereit, darauf eine konkrete Antwort zu geben. Einen Teil davon habe ich noch nicht einmal richtig verstanden; entschuldigen Sie bitte.
Oostergetelo: Herr Staatssekretär, ich hatte Sie gefragt -
Das geht leider nicht, es tut mir leid. Wir können das nicht zu einem Zwiegespräch werden lassen, auch wenn es interessant ist, und dann auch noch in verschiedenen Dialekten.
Die nächste Zusatzfrage hat der Abgeordnete Becker ({0}).
Herr Staatssekretär, könnten Sie uns im Zusammenhang mit dieser Frage einmal sagen, wie sich die Einkommensentwicklung bei den französischen Bauern im Verhältnis zu den deutschen Bauern darstellt?
Die Einkommensentwicklung wird sich nach dieser Preisrunde in Frankreich etwas besser abzeichnen als in der Bundesrepublik Deutschland. Denn Frankreich hat noch einen Rest von negativem Grenzausgleich abzubauen; das wirkt sich bei den Preisen in Frankreich positiv aus, und zwar in der Größenordnung von ungefähr 3 %.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.
Herr Staatssekretär, ich habe eben mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, daß im Zuge der Konsolidierungspolitik der Bundesregierung für diese Anzeige rund 73 000 DM ausgegeben worden sind. Ich frage, ob zu erwarten steht, daß die Bundesregierung im arbeits- und sozialrechtlichen Bereich, wo die Beschlußlage der Regierung noch konfuser ist und die Verwirrung der Abgeordneten ein hohes Ausmaß erreicht hat und anzunehmen ist, daß die Verwirrung der Bürger ein noch höheres Ausmaß erreicht hat als bei den Bauern, ebenfalls breitgestreut Anzeigenserien veröffentlichen wird.
Das ist keine Frage, die der Parlamentarische Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium beantworten kann.
Herr Präsident, wenn Sie gestatten, will ich gerne sagen, daß ich bereits der vergangenen Regierung angehört habe und daß es auch unter der sozialliberalen Regierung, an der Sie - die SPD - beteiligt waren, so war, daß die Regierung in schwierigen Zeiten Aufklärungsaktionen durchgeführt hat. Diese sind ebenfalls nicht umsonst zu haben gewesen.
({0})
Jetzt kommt der Abgeordnete Reimann zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da die Anzeigen zentrales Mittel der Politik der Bundesregierung geworden sind, frage ich Sie: Ist die Politik in der Landwirtschaft für die Bundesregierung so schwierig und kompliziert geworden, daß sie keine andere umsetzbare Strategie mehr hat als Anzeigen?
Herr Kollge, die Situation ist einfach die, daß es nach den Unruhen, die in der Landwirtschaft angesichts der Einführung der Quotenregelung geherrscht haben - das ist ein offenes Geheimnis - das hat jeder draußen gespürt -, dringend notwendig war, schnell und umfassend zu informieren. Ansonsten stehen der Bundesregierung natürlich alle übrigen Mittel zur Verfügung, auch über ihre Abgeordneten usw.
Jetzt haben wir diesen Geschäftsbereich beendet. Ich danke Ihnen, Herr Gallus, für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Würzbach steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Der Fragesteller der Fragen 60 und 61, der Abgeordnete Sieler, ist nicht im Saal. Die Fragen werden gemäß der Geschäftsordnung behandelt.
Das gleiche gilt für die Frage 62 des Abgeordneten Dr. Schierholz.
Ich komme zur Frage 63 des Abgeordneten Catenhusen:
Auf welchen Übungsplätzen im Bundesgebiet haben die in Münster-Handorf stationierten Panzer- bzw. Panzergrenadierbataillone 194 und 193 in den letzten vier Jahren die in der MIF ({0}) von 1982 für die Erweiterungsfläche des Standortübungsplatzes MünsterHandorf vorgesehenen Fahr-, Ziel- und Schießübungen durchgeführt, und welche Gründe stehen einer weiteren Nutzung der bislang genutzten Übungsplätze entgegen?
Herr Präsident, Herr Kollege Catenhusen, die Ausbildung des Panzerbataillons 194 und des Panzergrenadierbataillons 193 wurde in der zurückliegenden Zeit und wird auch heute noch auf dem Standortübungsplatz Münster-Handorf, dem dortigen Ostteil -, dem britischen Übungsgelände Münster-Dorbaum, dem Truppenübungsplatz Haltern und auf den Truppenübungsplätzen im norddeutschen Bereich - BergenHohne und Munster - durchgeführt.
Die ungenügende Größe des Standortübungsplatzes Münster-Handorf läßt viele vorgeschriebene Ausbildungsvorhaben nicht zu. Die Mitbenutzung der anderen genannten Truppenübungsplätze ist jedoch derart eingeschränkt, daß der anzustrebende Ausbildungsstand nicht erreicht werden kann. Eine befriedigende Ausbildungssituation wird nach dem gegenwärtigen Diskussionsstand dann eintreten, wenn die sogenannte Westerweiterung des Standortübungsplatzes in vollem Umfang für AusbilParl. Staatssekretär Würzbach
dungszwecke genutzt werden kann. Hier muß aber zunächst die dort noch aus dem Zweiten Weltkrieg liegende Munition aufgesammelt und vernichtet werden.
Zusatzfrage, Herr Catenhusen.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß es in den letzten Jahren keine Einschränkungen der Benutzung anderer Übungsplätze durch die in Münster stationierten Einheiten gegeben hat?
Ich habe darauf hingewiesen, daß die Übungsplätze, die die Bundeswehr hat, voll ausgelastet sind und daß diese beiden Bataillone in freien verfügbaren Zeiten auch weiter entfernt gelegene Übungsplätze haben benutzen können. Dies wird auch in Zukunft so sein. Freie Kapazitäten, um mehr Übungen aus dem dortigen Bereich um Münster woandershin zu legen, gibt es auf anderen Plätzen nicht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Catenhusen.
Kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß der Grund für diese Erweiterung des Standortübungsplatzes Handorf nicht darin liegt, daß andere bisher zu Verfügung stehende Übungsplätze nicht mehr zur Verfügung stehen?
Dies ist korrekt.
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Verteidigung. Danke schön, Herr Würzbach, für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht Parlamentarische Staatssekretärin Frau Karwatzki zur Verfügung.
Frage 64 des Abgeordneten Fiebig wird auf Grund von Abschnitt I Ziffer 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 65 des Abgeordneten Klejdzinski:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die zum Jahresanfang 1983 eingeführte Einkommensgrenze für Kindergeldbezieher mit mehr als einem Kind Benachteiligungen entstehen können, wenn z. B. durch Anwendung der § 7 bAbschreibung die maßgebende Einkommensgrenze überschritten wird, damit Kindergeld nicht mehr ungekürzt ausgezahlt wird und dies zur Folge haben kann, daß der Steuerzahler nicht entlastet wird, sondern finanzielle Einbußen hinnehmen muß, und wenn ja, welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um diese Ungerechtigkeit so schnell wie möglich zu beseitigen?
Bitte schön, Frau Staatssekretär.
Herr Kollege, für die einkommensabhängige Minderung des Kindergeldes gilt ein eigenständiger sozialrechtlicher Einkommensbegriff. Er geht vom Bruttoeinkommen aus, von dem bestimmte, im Gesetz festgelegte Belastungen wie Sozialversicherungsbeiträge und gezahlte Einkommensteuer abzuziehen sind, um das maßgebliche Einkommen festzustellen. Für je 480 DM, um die das Jahreseinkommen die Einkommensgrenze übersteigt, wird das Kindergeld um 50 % von 480 DM, also 240 DM pro Jahr oder 20 DM pro Monat, gemindert; dies natürlich nur, bis der Sockelbetrag von 70 DM für das zweite bzw. 140 DM für das dritte und weitere Kin-S der, der in keinem Fall unterschritten wird, erreicht ist. Dadurch können Steuerermäßigungen, die - wie z. B. die Absetzung nach § 7 b EStG - wegen Belastung gewährt werden, die der Einkommensbegriff des Kindergeldrechts nicht berücksichtigt, im wirtschaftlichen Ergebnis zu 50 v. H. verlorengehen. Denn sie vermindern die Einkommensteuer und erhöhen dadurch das für die Kindergeldminderung maßgebliche Einkommen.
Die Bundesregierung hat sich im Gesetzgebungsverfahren zu dem von ihr eingebrachten Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes sowohl gegen eine generelle Änderung als auch gegen die vom Bundesrat vorgeschlagene, auf das sogenannte Baukindergeld beschränkte Änderung ausgesprochen. Zur Begründung hat sie insbesondere auf die mit einer Änderung verbundenen Mehrausgaben hingewiesen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Klejdzinski.
Frau Staatssekretär, da das ja eine relativ schwierige Thematik ist, frage ich: Ist es richtig, was ich einer Fachzeitschrift entnommen habe, daß es beispielsweise bei einer Familie mit vier Kindern, die normalerweise einen Verlust von 200 DM je Kind hat, 2 520 DM im Jahr sind?
Das könnte sein. Aber es kommt, wie Sie selber zu Recht sagen, auf den Einzelfall an. Wenn Sie so freundlich sind, mir dies zur Verfügung zu stellen, bin ich gern bereit, das nachrechnen und Ihnen die Antwort zukommen zu lassen.
Die zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Klejdzinski.
Bezogen auf meine zweite Zusatzfrage kann ich Ihnen sagen, Frau Staatssekretärin, daß es eine Veröffentlichung in „BHW-aktuell" ist, wo dies im einzelnen erläutert ist. Ich halte diese Thematik, wenn sie wirklich so ist, wie es dort erläutert ist, für so gravierend, daß die Bundesregierung hier wirklich etwas tun müßte.
Sie müssen aber jetzt ein Fragezeichen an Ihre Ausführungen anhängen.
Entschuldigung, Herr Präsident. - Kann ich Sie weiterhin fragen, ob beispielsweise der Steuerfreibetrag nach § 7 b bei 7 500 DM und einem unterstellten Steuersatz von 25% zu einer Steuerentlastung um 1 875 DM führt? Büßt diese Familie dann wirklich 645 DM ein?
Es kann im Einzelfall sein.
Wir kommen zur Frage 66 des Abgeordneten Dr. Klejdzinski:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß diese Benachteiligung auch dann eintreten kann, wenn Hausbesitzer z. B. Energiesparmaßnahmen durchführen und dafür Zuschüsse erhalten, und um welche Regelung bemüht sich die Bundesregierung, um rückwirkend die finanziellen Einbußen der Familien auszugleichen'?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Klejdzinski, Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zählen nicht zu dem für die einkommensabhängige Minderung des Kindergeldes maßgeblichen Einkommen. Sie können daher nicht bei der Kindergeldminderung verlorengehen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Klejdzinski.
Ist Ihnen denn bekannt, Frau Staatssekretärin, daß es zu dieser Frage schon Eingaben beim Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages gab?
Mir ist das nicht bekannt. Ich gehe davon aus, daß es den Beamten des Hauses bekannt ist, und werde der Sache nachgehen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 67 und 68 des Abgeordneten Haungs sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Die Frage 69 des Abgeordneten Sauter ({0}) kann nicht beantwortet, sondern muß der Geschäftsordnung gemäß behandelt werden, weil der Fragesteller nicht anwesend ist.
Das gilt auch für die Frage 70 des Abgeordneten Sauter ({1}).
Wir kommen zur Frage 71 der Abgeordneten Frau Dr. Hamm-Brücher. - Frau Dr. Hamm-Brücher war bei uns, ist aber nicht mehr bei uns. Also wird auch die Frage 71 entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Vielen Dank, Frau Karwatzki, für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte steht für die Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Herr Abgeordneter Rapp ({2}) ist nicht im Saal. Daher können seine Fragen 72 und 73 nur entsprechend der Geschäftsordnung behandelt werden.
Der Fragesteller der Fragen 74 und 75, der Abgeordnete Hettling, bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Auch der Fragesteller der Frage 76, der Abgeordnete Dr. Jobst, bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu der Frage 77 des Abgeordneten Schulte ({3}). Er ist nicht anwesend. Das ist heute wenig erfreulich. Auch diese Frage wird entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Wir kommen zu der Frage 78 des Abgeordneten von Schmude. Der Abgeordnete ist nicht anwesend. Die Frage wird entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Wie ist es mit der Frage 79 des Abgeordneten Carstensen ({4})? - Auch er ist nicht anwesend, so daß seine Frage gemäß der Geschäftsordnung behandelt wird.
Das gilt auch für die Fragen 80 und 81 des Abgeordneten Daweke.
Ich finde es nicht sehr erfreulich, daß ich hier feststellen muß, daß alle diese Fragen entsprechend der Geschäftsordnung behandelt werden müssen, weil die Kollegen nicht gekommen sind.
Ich muß mich noch bei Herrn Schulte bedanken, der leider umsonst gekommen ist.
({5})
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Jahn steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Zuerst die Frage 82 des Abgeordneten Schreiner. - Er hat hier mehrfach teilgenommen; jetzt ist er nicht mehr anwesend. Seine Frage wird gemäß der Geschäftsordnung behandelt.
Auch die Fragen 83 und 84 des Abgeordneten Dr. Sperling können nicht beantwortet werden, da der Abgeordnete nicht da ist, und sie werden gemäß der Geschäftsordnung behandelt.
Die Fragen 85 und 86 des Abgeordneten Reschke werden auf Grund Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit ist meine Akte zu Ende. Das heißt, wir sind erstmalig in der Geschichte des Bundestages, nehme ich an - mindestens so lange, wie ich im Bundestag bin -, vorzeitig am Ende der Fragestunde, weil keine Fragen mehr da sind.
Ihnen danke ich herzlich, Herr Staatssekretär, für Ihr Kommen.
Da wir um 14.30 Uhr eine Aktuelle Stunde haben, schlage ich vor, daß wir die Sitzung bis dahin unterbrechen und sie um 14.30 Uhr fortsetzen.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({6})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Geplante Stillegung der Firma Wuppermann GmbH, Leverkusen
Vizepräsident Westphal
Die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß Nr. 1 Buchstabe c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem genannten Thema verlangt.
Ich eröffne dazu die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Auhagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von 1980 bis 1983 hat die Wuppermann GmbH von Bund und Land noch 11 Millionen DM Sonderbeihilfen zur Erhaltung des Stahlstandortes Leverkusen erhalten. 1983 stellte die Landesregierung Nordrhein-Westfalen für die Übernahme von Wuppermann durch den Krupp Konzern eine Landesbürgschaft in Höhe von 36 Millionen DM zur Verfügung, um den Stahlstandort Wuppermann zu erhalten.
Am 29. Mai dieses Jahres erfährt die Belegschaft der Stahlwerke Wuppermann zu ihrer Überraschung, daß der Krupp Vorstand beschlossen hat, den Stahlstandort Leverkusen dichtzumachen, und dies ohne vorherige Information des Betriebsrates und des Aufsichtsrates von Wuppermann.
Dieser Beschluß des Krupp Vorstandes, die Stahlwerke Wuppermann-Leverkusen, ohne vorherige Information des Betriebsrates und des Aufsichtsrates insgesamt zu schließen, ist nach unserer Auffassung kennzeichnend für die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der betroffenen Belegschaft und ihrer rund 1 000 Familien. Er macht darüber hinaus deutlich, daß öffentliche, volkswirtschaftliche, soziale und regionalpolitische Gesichtspunkte den privatwirtschaftlichen Rentabilitätskriterien einzelner Stahlkonzerne rücksichtslos zum Opfer fallen.
Der Krupp Vorstand gibt an, durch die Schließung des Standortes Leverkusen 70 Millionen DM einzusparen. Dieser privatwirtschaftlichen Rechnung stehen gegenüber: 20 Millionen DM pro Jahr für anfallende Kosten bei der Arbeitslosen- und Sozialversicherung, Dutzende von Millionen für Folgekosten für die Stadt Leverkusen, Schäden infolge des Ruins zahlreicher Zulieferfirmen, ebenfalls in Höhe von Dutzenden von Millionen.
Wie wir gehört haben, beabsichtigt nun auch die Bundesregierung, .die Verlagerung der Warmmittelbandstraße von Leverkusen nach Bochum in Millionenhöhe zu subventionieren. Für die Belegschaft von Wuppermann und anderer kleinerer Firmen bedeutet dieser Beschluß das Abdrängen in das berufliche Nichts, in die soziale Aussichtslosigkeit.
Auf Grund der Altersstruktur haben nur wenige Kollegen Aussicht auf einen beruflichen Neuanfang. Auch durch diesen Beschluß wird die gewerkschaftliche Forderung, j a selbst die Forderung der SPD, nach einer Politik der Standortsicherung ad absurdum geführt. Wenn die Entscheidung von Krupp, den Standort Wuppermann dichtzumachen, durch Bund und Land hingenommen wird, wird dies nur der Auftakt zu weiteren Vernichtungen von Standorten sein: Die Stahlwerke Südwestfalen in Siegen, Georgsmarienhütte bei Osnabrück, Halt-hoff in Bayern und andere werden folgen. Die Folgekosten und sozialen Probleme, die auf die Öffentlichkeit und die Betroffenen zukommen, stehen in keinem Verhältnis zum öffentlichen Nutzen der Rationalisierungskonzepte der Stahlkonzerne.
Wir GRÜNEN haben diese Aktuelle Stunde aus folgenden Gründen beantragt:
Erstens. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich dem Beschluß des Krupp-Vorstandes zur Standortvernichtung entgegenzustellen und den privatwirtschaftlichen Rentabilitätskriterien des Krupp-Konzernes die volkswirtschaftlichen, sozialen und regionalpolitischen Auswirkungen und Folgekosten gegenüberzustellen. Diese Gegenrechnung der Schäden, die für die Öffentlichkeit entstehen, ist bei den erheblichen Subventionen von Bund und Land eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
({0})
Zweitens. Um dies zu ermöglichen, ist die Bundesregierung aufgefordert, die Fristen für die Sozialpläne im Rahmen der Stahlbeihilfen, die Ende September auslaufen, für die Firma Wuppermann über den 30. September hinaus zu verlängern.
Drittens. Wir GRÜNEN fordern aber auch die SPD-Bundestagsfraktion auf, ihren Einfluß auf die SPD-Landesregierung in Nordrhein-Westfalen geltend zu machen, den Stillegungsbeschluß von Krupp nicht zu akzeptieren und ihre eigene Forderung nach einem stahlpolitischen Gesamtkonzept selbst ernst zu nehmen.
Ich stelle jetzt schon dem Minister Bangemann die Frage, ob die Bundesregierung diese Subventionen in Millionenhöhe vom Krupp Konzern zurückfordern wird, falls, was wir alle nicht hoffen wollen, der Standort Wuppermann den Betriebsstrategien von Krupp zum Opfer fallen wird. Arbeitsplatzvernichtung und Wortbruch dürfen nicht öffentlich subventioniert werden.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lammert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon anrührend zu beobachten, wie DIE GRÜNEN nach jahrelangen gegenteiligen Einlassungen nun auf einmal ihr Herz für die Erhaltung von Industriestrukturen entdeckt haben,
({0})
allerdings bei dieser neuen Variante ökonomischen Sachverstand genauso vermissen lassen wie bei den früheren Einlassungen auch.
({1})
Faktum ist, daß die labile Lage auf dem Stahlmarkt auch nach den jüngsten Ministerratsentscheidungen nach wie vor Anpassungsdruck signalisiert und daß von daher der Prozeß der Kostensenkung und der Kapazitätsanpassung fortgesetzt werden muß. Art und Ort solcher Rationalisierungs10740
maßnahmen sind Aufgabe und Zuständigkeit der betroffenen Unternehmen.
({2})
Die Bundesregierung hat deswegen aus guten Gründen - wir werden das ja sicher im einzelnen diskutieren, lieber Wolfgang Roth -, sehr im Unterschied zur nordrhein-westfälischen Landesregierung keinen Einfluß auf die Transaktionen genommen,
({3})
die Gegenstand dieser Debatte sind.
Wir stellen heute fest, daß der Versuch der nordrhein-westfälischen Landesregierung, mit ihrer Intervention die Arbeitsplätze an diesem Standort zu sichern, offensichtlich nicht den gewünschten Erfolg hat.
({4})
Die Bundesregierung hat in der Tat das Umstrukturierungskonzept von Wuppermann und von Krupp mit öffentlichen Mitteln begleitet. Sie hat das übrigens nach präzise den gleichen Kriterien getan, die für alle anderen Stahlunternehmen auch gelten. Die jetzt beschlossene Stillegung der Mittelbandstraße stellt fraglos eine genehmigungspflichtige Änderung des ursprünglichen Konzepts von Wuppermann und Krupp dar. Nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion kann kein Zweifel daran bestehen, daß eine Verpflichtung zur Zustimmung und damit zur Förderung dieser Maßnahmen für die Bundesregierung nicht besteht. Bei der notwendigen Prüfung der geänderten Umstrukturierungsprogramme müssen die Auswirkungen auf die Tragfähigkeit und damit auf die langfristigen Folgen für die Rentabilität wie die Arbeitsplätze im Vordergrund stehen. Dies gilt ganz besonders für die möglichst verbindliche Umsetzung und Einbindung des Angebots der Firma Krupp, für die von der Stillegung betroffenen Arbeitnehmer Ersatzarbeitsplätze bereit zu stellen.
Soweit Ersatzarbeitsplätze an dem anderen Standort in Bochum angeboten werden sollen, auf deren Warmbreitbandstraße die bisher in Leverkusen produzierten Flachstähle verlagert werden sollen, können sie nicht von vornherein als unzumutbar zurückgewiesen werden. Wenn Arbeitsplatzmobilität im gleichen Unternehmensverbund über kaum mehr als 50 km im selben Bundesland als unzumutbar erklärt wird, dann sind die Arbeitsmarktprobleme in diesem Land nicht zu lösen.
({5})
Die Bundesregierung ist deswegen zu einer sorgfältigen Prüfung aller in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen aufgerufen, um nicht in die gleiche Lage zu kommen wie das Land Nordrhein-Westfalen, das mit einer voreiligen politischen Intervention genau die Entwicklung in Leverkusen verhindern wollte,
({6})
die nun doch eingetreten ist. Möglicherweise werden wir dazu weiterführende Einlassungen von der nordrhein-westfälischen Landesregierung in dieser Diskussion vorgetragen bekommen.
Das negative Schulbeispiel eines aktivistischen Interventionismus, wie er uns hier wieder von der nordrhein-westfälischen Landesregierung vorgeführt worden ist, demonstriert einmal mehr die Richtigkeit der von uns seit Jahren vorgetragenen und dargestellten Kriterien für öffentliche Hilfen bei betriebswirtschaftlichen Umstrukturierungsmaßnahmen.
({7})
- Ich erläutere Ihnen das j a gerade, Herr Emmerlich. Vielleicht sind Sie so freundlich, das noch abzuwarten.
({8})
Zu rechtfertigen sind solche öffentlichen Hilfen überhaupt nur dann, wenn mit ihrer Hilfe langfristig Rentabilität und Arbeitsplatzsicherheit wiederhergestellt werden können. Wenn aber mit und ohne öffentliche Hilfen weder die Rentabilität wiederherzustellen noch die langfristige Sicherung der Arbeitsplätze sicherzustellen ist, dann gibt es weder politisch noch ökonomisch eine Rechtfertigung für solche öffentlichen Hilfen.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Roth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da kaufte im Jahre 1983 die Krupp Stahl AG die Firma Wuppermann. Da versprach der Konzern den Verkäufern die langfristige Sicherung des Stahlstandorts.
({0})
Da versprach der Bundeskanzler, die Stahlstandorte insgesamt zu sichern. Da schlug die Familie Wuppermann, der frühere Eigentümer, ein Angebot mit einem höheren Kaufpreis aus, weil Krupp die Sicherung des Bestandes des Unternehmens versprach. Da wurde der Belegschaft in vielen Gesprächen die Fortführung der Firma garantiert. Da verlangte und bekam man vom Staat zur Sicherung der Firma im Alleingang 14 Millionen DM an Subventionen. Da wurden aber gleichzeitig plötzlich überhöhte Verrechnungspreise innerhalb des Unternehmens verlangt und Verluste produziert.
({1})
Da wurde dann im Jahre 1985, wenige Tage nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, das Ruder völlig herumgerissen. Da wurde ohne Beteiligung der Belegschaft in einer Gesellschafterversammlung die Schließung der Stahlfertigung beschlossen - ohne jede Mitbestimmung.
({2})
Da gab es kein Konzept für irgendeine alternative
Fertigung in dem Betrieb in Leverkusen. Und dann
forderte der Konzern anschließend 70 bis 90 Millionen DM an Subventionen - für die Kosten der Stillegung des Betriebes.
({3})
Das ist der Vorgang.
Meine Damen und Herren, hätte ein Filmemacher im Auftrag von „ZDF" oder „ARD" einen derartigen Ablauf dargestellt, hätten wir ab heute Proteste vom BDI, von Unternehmern gegen diese Verleumdung der Unternehmerschaft in der Bundesrepublik Deutschland.
({4})
Man kann sich gar nicht vorstellen, wie das nun auf die Arbeitnehmer wirkt.
({5})
Ist es da, so frage ich, unverständlich, wenn Arbeitnehmer von Subventionsbetrug reden?
({6})
Ist es da unverschämt, wenn sie von der Komplicenschaft zwischen Staat und Konzern reden? Ist es da eigentlich noch unverständlich, wenn die betroffenen Arbeitnehmer sagen, dieses Wirtschaftssystem sei korrupt?
({7})
Und diese Frage ist formuliert worden. Das heißt, hier wird doch mehr als ein Stahlstandort stillgelegt. Hier wird mit dem Vertrauen der Arbeitnehmerschaft in die Unternehmer und die Bundesregierung wirklich gespielt. Ich halte das für den eigentlichen Kern der Problematik.
({8})
Und jetzt sagt die Bundesregierung, sie sympathisiere mit der Belegschaft. Ich halte das für blanken Zynismus. Die Untätigkeit der Bundesregierung, die Verweigerung eines Stahlkonzepts seit einigen Jahren, hat schließlich dazu geführt, daß der Betrieb in Leverkusen ohne Alternative dasteht. Und das ist der Punkt, Herr Wissmann. Es ist schon grotesk, Herr Wissmann: Die Wirtschaftsvereinigung sagt: Wir brauchen ein nationales Stahlkonzept! - Die IG Metall sagt: Wir brauchen ein nationales Stahlkonzept. - Die Monopolkommission, die Wettbewerbshüter sagen: Wir brauchen ein Stahlkonzept! - Die Opposition sagt: Wir würden in der Gestaltung dieses Stahlkonzepts mitmachen. - Und alle sagen: Wir würden Opfer bringen. Wir würden Beiträge bringen. - Und die Bundesregierung - der Wirtschaftsminister hat es nicht für notwendig gehalten, hier herzukommen; das ist seine Entscheidung - verweigert ein Stahlkonzept und gibt insgesamt 3,3 Milliarden DM an Subventionen aus. Das halte ich für den Kern der Problematik Wuppermann und der Stahlpolitik dieser Bundesregierung. Sie sollten mit Ihrer Drückebergerei in dieser Frage aufhören, meine Damen und Herren.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Beckmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Über 900 Arbeitnehmer der Theodor Wuppermann GmbH in Leverkusen fürchten um ihre Arbeitsplätze. Dies ist eine Folge eines Beschlusses der Krupp Stahl AG als Alleingesellschafterin dieses Unternehmens. Wir dürfen unterstellen, daß die Entscheidung der Krupp Stahl AG keine Willkürmaßnahme darstellt, sondern sich als Folge eines anhaltenden Umstrukturierungsprozesses der deutschen und europäischen Stahlindustrie ergibt.
Man kann sich aber auch die Frage stellen, ob dies nicht auch - ich zitiere aus der „Stuttgarter Zeitung" vom gestrigen Tag - das „fragwürdige Ende einer nebulösen Nachtaktion" ist. Insoweit sind eine Reihe von Fragen an die nordrhein-westfälische Landesregierung zu richten.
({0})
Diese hatte im Juli 1983 durch Gewährung einer Bürgschaft von 36 Millionen DM an Krupp Stahl
({1})
das Rennen zwischen diesem Unternehmen und der Klöckner Stahlwerke AG entschieden.
({2})
Die von der geplanten Stillegung der Mittelband-straße Betroffenen und die vielen anderen Bürger in diesem Lande möchten gerne wissen, welche Verabredungen zwischen der Landesregierung und der Krupp Stahl AG der damaligen Bürgschaftsgewährung zugrunde lagen und ob die Landesregierung - Herr Minister Einert, ich bitte Sie wirklich um Ihre Aufmerksamkeit - die Öffentlichkeit nicht täuscht,
({3})
wenn sie - wie kürzlich der Landeswirtschaftsminister Jochimsen im Westdeutschen Fernsehen am 13. Juni - das Verhalten der Alleingesellschafterin als „zynisch" bezeichnet.
Ich frage die Landesregierung, ob ihr die beabsichtigten Stillegungspläne tatsächlich erst durch den Gesellschafterbeschluß vom 29. Mai bekanntgeworden sind.
({4})
Ich frage die Landesregierung, ob sie nicht bereits im Januar dieses Jahres in der Spitze des Landeswirtschaftsministeriums über entsprechende Pläne unterrichtet war. Ich frage die Landesregierung, ob sie es nicht vielleicht aus wahltaktischen Gründen
im Hinblick auf den Landtagswahltermin grob fahrlässig unterlassen hat, ihre jetzt so plakativ vorgetragenen Bedenken zu einem früheren Zeitpunkt der Öffentlichkeit vorzutragen.
({5})
Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat nie ein Hehl daraus gemacht, daß sie ein Vorgehen wie das der Landesregierung im Juli 1983, also eine massive Einflußnahme auf betriebswirtschaftliche Entscheidungen, ordnungspolitisch für völlig verfehlt hält.
({6})
Wenn die Landesregierung aber schon zu einem aus meiner Sicht völlig unbrauchbaren Mittel gegriffen hat und hierbei für den Ernstfall der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft in erheblichem Maße Steuermittel bereitzustellen gewillt war - es handelt sich hierbei um immerhin 36 Millionen DM -, dann schließt sich hieran zwanglos die Frage an, ob es Vereinbarungen mit der Krupp Stahl AG über den Erhalt von Arbeitsplätzen bei Wuppermann gegeben hat und ob diese Vereinbarungen auch abgesichert worden sind. Nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden der Krupp Stahl AG, Herrn Dr. Gödde, in einem Interview des Westdeutschen Fernsehens am 13. Juni dieses Jahres ist dies nicht der Fall gewesen. Ich zitiere:
Es gibt weder mit der Landesregierung Vereinbarungen oder Zusagen für den Erhalt des Standortes Leverkusen. Es gibt auch keine Vereinbarungen in dem Kaufvertrag über den Standort.
({7})
Wenn die Landesregierung oder der Vertreter der SPD-Fraktion, Herr Kollege Roth, heute in larmoyanter Form die Stillegung der Mittelbandstraße in der zweiten Hälfte des Jahres 1986 beklagen, dann haben diese Vertreter der Sozialdemokratie im Jahre 1983 offensichtlich nicht mit der den Arbeitnehmern der Firma Wuppermann und den Steuerzahlern gegenüber gebotenen Sorgfalt gehandelt.
({8})
Dies müssen wir der Landesregierung und ihrem Ministerpräsidenten mit allem Nachdruck vorwerfen.
Ich fürchte - was das Verhalten der Landesregierung in dieser Angelegenheit betrifft -, daß der Betriebsratsvorsitzende von Wuppermann, Herr Paul Hölper, recht behalten hat, als er schon vor einem halben Jahr ausweislich des Zitats eines Hamburger Wochenmagazins ahnungsvoll feststellte: „Rau hat von der Stahlindustrie keine Ahnung." - Dieses Urteil eines Stahlgewerkschafters bietet allerdings den zwei Dritteln der deutschen Stahlindustrie, die in Nordrhein-Westfalen angesiedelt sind, keine rosigen Aussichten.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft, Herr Grüner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 29. Mai hat die Krupp Stahl AG als Alleingesellschafter der Theodor Wuppermann GmbH einen Gesellschafterbeschluß gefaßt, über den wir heute hier diskutieren, der die Stillegung der Mittelbandstraße der Theodor Wuppermann GmbH im Verlaufe des zweiten Halbjahres 1986 und die Verlagerung dieser Erzeugung auf die Warmbreitbandstraße in Bochum vorsieht.
Wir alle wissen, daß im Zusammenhang mit der Diskussion um die Übernahme der Wuppermann GmbH durch Klöckner oder durch Krupp in der Öffentlichkeit die Vermutung geäußert worden war, daß Klöckner diese Übernahme nur plane, um mit der Stillegung die Quote zu erwerben. Alle wissen auch, daß im Zusammenhang mit der vielbegrüßten Fusion Krupp/Klöckner die Stillegung von Wuppermann Gesprächsthema im Rahmen dieses Fusionskonzeptes gewesen ist.
Das Unternehmen Krupp erwartet nun nach seiner Darstellung allein durch die Stillegung von Wuppermann einen Rationalisierungseffekt von 70 Millionen DM. Den Arbeitnehmern sollen nach Angaben von Krupp soweit wie möglich Ersatzarbeitsplätze angeboten werden. Krupp beantragt, die zusätzlichen Aufwendungen aus der Stillegung des Walzwerkes Wuppermann in die Strukturverbesserungshilfen des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen einzubeziehen. Diese Hilfen halten sich nach Angaben des Unternehmens im Rahmen der bisher zugesagten Hilfen, die noch nicht ausgeschöpft wurden.
Diese Maßnahmen stellen ohne jeden Zweifel eine genehmigungspflichtige Änderung der ursprünglichen Konzepte von Wuppermann und Krupp dar. Nach Nr. 8 der Zuwendungsverträge haben sich die Unternehmen verpflichtet, die Umstrukturierungsprogramme gemäß ihren Anträgen durchzuführen. Wesentliche Änderungen bedürfen der Zustimmung des Bundes; auf dessen Verlangen haben die Zuwendungsempfänger eine erneute Prüfung und Bestätigung durch die Treuarbeit zu veranlassen.
Der Bund muß also prüfen, ob er der Änderung der Konzepte zustimmen wird. Nach Nr. 8 der Zuwendungsverträge ist die Zustimmung zu Änderungen der Umstrukturierungsprogramme zu erteilen, solange die Programme in ihrer Struktur im wesentlichen erhalten bleiben und die Tragfähigkeit der Unternehmen gewährleistet ist. Da das Wuppermannprogramm in seiner Struktur nicht erhalten bleibt, dürfte eine Zustimmungsverpflichtung für den Bund nicht gegeben sein.
({0})
- Ich versuche hier darzulegen, wie der Sachverhalt ist. Das ist auch der Sinn der Aktuellen Stunde.
Doch müssen in diesem Zusammenhang auch die Auswirkungen auf die Tragfähigkeit des Konzeptes von Krupp berücksichtigt werden, z. B., ob dadurch die Arbeitsplätze in Bochum und in dem Gesamtunternehmen zusätzlich gesichert werden. Diese Prüfung ist eingeleitet worden. Die Treuarbeit ist eingeschaltet. Ich meine, Herr Roth, wir sollten auch darauf achten, was die Betriebsräte von Krupp zu diesem Gesamtthema zu sagen haben, und hier nicht ein einseitiges Szenario zeichnen, das der Realität und den Schwierigkeiten in der Stahlindustrie in keiner Weise Rechnung trägt.
({1})
Die Bundesregierung hat den Unternehmen im Rahmen der Beihilfegewährung auch keine Auflagen erteilt, einzelne Betriebsstätten zu erhalten.
({2})
- Wir haben keine Auflagen gemacht, und wir haben nicht die Übernahme von Wuppermann durch Krupp in irgendeiner Weise durch unser Eingreifen unter irgendeiner Garantiegewährung ermöglicht
- um das ganz deutlich zu sagen.
({3})
- Das war die Erklärung, die die Firma Krupp öffentlich abgegeben hat,
({4})
nachdem sie mit Hilfe der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in die Lage versetzt worden war, Wuppermann gegen die Konkurrenz von Klöckner zu übernehmen.
({5})
Dasselbe Unternehmen Krupp hat in einem von Ihnen in der Tendenz befürworteten Fusionskonzept Krupp/Klöckner die These vertreten, daß in einem solchen Konzept Wuppermann stillgelegt werden muß, was auch seit langem bekannt ist.
({6})
Immer wieder hat die Bundesregierung deutlich gemacht, daß sie angesichts des Ausmaßes der weltweiten Stahlkrise nicht davon ausgehen kann, daß alle Stahlstandorte erhalten bleiben. Ferner sind betriebswirtschaftliche Überlegungen zur Rationalisierung alleine Aufgabe der Unternehmen und nicht Aufgabe des Staates.
Ob der Landesregierung Nordrhein-Westfalen entsprechende andere Zusicherungen von Krupp vorliegen, entzieht sich der Kenntnis der Bundesregierung. 1983 sollte die Stillegung Wuppermanns gerade durch die Übernahme des Unternehmens durch Krupp verhindert werden. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens hat durch die Bürgschaftsgewährung an Krupp in Höhe von 34 Millionen DM, durch die Krupp die Wuppermann-Anteile erwerben konnte, verhindert, daß der Kaufinteressent Klöckner zum Zuge kam. Klöckner soll damals geplant haben, Wuppermann stillzulegen, um die Quoten Wuppermanns für eine bessere Auslastung seiner Warmbreitbandstraße in Bremen und damit für die dortigen Arbeitnehmer zu nutzen. Ob das Land irgendwelche Auflagen zum Erhalt des Standortes im Rahmen der Bürgschaftsgewährung erteilt hat, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Presseberichten ist aber zu entnehmen, daß das Land jetzt eine Überprüfung der Landesbürgschaft angekündigt hat.
Die Bundesregierung verfolgt bei den Stahlbeihilfen das Ziel, die notwendige Anpassung der deutschen Stahlindustrie an die veränderten Marktverhältnisse zu unterstützen. Aus Bundessicht sind weitere Maßnahmen zur Kostensenkung und Kapazitätsanpassung angesichts der nach wie vor labilen Lage auf dem Stahlmarkt und des fortbestehenden Anpassungsdruckes nicht zu vermeiden. Jedoch konnte bislang noch nicht im Detail überprüft werden, ob die Stillegung von Wuppermann zu einer Verbesserung der Tragfähigkeit des neuen Gesamtunternehmens führt. Eine abschließende Bewertung der Krupp-Pläne ist deshalb noch nicht möglich. Falls allerdings die Stillegung zu einer Kostenverbesserung von 70 Millionen DM bei dem Gesamtunternehmen führt, wie Krupp das sagt, so kann daran angesichts der Lage der Stahlunternehmen nicht ohne weiteres vorbeigegangen werden.
Im übrigen, Herr Kollege Roth, möchte ich Sie doch darauf aufmerksam machen: Die immer wieder erhobene Forderung nach einem Stahlkonzept der Bundesregierung, deren Erfüllung wir auch in der sozialliberalen Koalition
({7})
aus guten Gründen verweigert haben, wirft doch die Frage auf, warum die Sozialdemokraten in ihrer genauen Kenntnis der Verhältnisse nicht ihrerseits ein Stahlkonzept vorlegen
({8})
- das ist aber eine bescheidene Ausrede, wenn Sie so große Sachkenner sind - und warum die IG Metall, die in all diesen Aufsichtsräten sitzt und überall den Einblick hat, sich scheut, ein solches Konzept vorzulegen.
({9})
Meine Damen und Herren, wir sollten der deutschen Öffentlichkeit gegenüber ein bißchen ehrlicher sein, als das in diesen Äußerungen zum Ausdruck gekommen ist.
({10})
Das Wort hat der Minister für Bundesangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Einert.
Minister Einert ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Beschluß der Krupp-Stahlfirma steht ja nicht nur isoliert zur Debatte, sondern er steht in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Beschluß des EG-Stahlministerrates vom 26./27. März dieses Jahres, wonach im Jahre 1985 noch zusätzliche Beihilfen notifiziert, genehmigt und gezahlt werden können. Nach den letzten Meldungen, die wir gerade in diesen Tagen aus Brüssel erhalten, werden hier die ersten Summen gehandelt, was die übrigen EG-Partner noch angemeldet, notifiziert haben, und zwar mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß sie die Zahlung nicht etwa bis Ende dieses Jahres abschließen werden, sondern daß sie die Summen - 10 Milliarden Französische Francs, 3 600 Milliarden Lire und ähnliche Beträge - auch im Zuge der nächsten Jahre noch abwickeln werden.
Das hat natürlich einen unmittelbaren Einfluß auch auf die hier zugrunde liegende Frage.
({1})
Tun wir doch nicht so, als wenn das ein singulärer Vorgang wäre, über den wir hier reden. Im Grunde genommen muß jeder wissen, daß an jeder Stelle „Wuppermann" morgen oder übermorgen stattfinden wird. Die gleichen Debatten werden wir über ähnliche Fragen auch noch führen müssen.
({2})
Lassen Sie mich nach diesem Vorspann zu der Frage Stellung nehmen, die hier gestellt worden ist und die der Bundeswirtschaftsminister am 12. Juni im Wirtschaftsausschuß auch in Richtung Land Nordrhein-Westfalen gestellt hat. Sie alle haben nach den Intentionen des Landes beim Antrag der Firma Krupp-Stahl AG auf eine Landesbürgschaft zu einem Kredit für den Erwerb der Gesellschafteranteile der Firma Theodor Wuppermann GmbH im Jahr 1983 gefragt. Für die Übernahme der Bürgschaft waren drei Gründe maßgebend. Erstens. Die Quote für die Mittelbandstraße in Leverkusen sollte im Lande bleiben. Zweitens. Der zur Produktion der Mittelbandstraße in Leverkusen erforderliche Rohstahl sollte weiterhin in Rheinhausen erschmolzen werden. Drittens. Die Theodor Wuppermann GmbH in Leverkusen als Stahlstandort sollte erhalten bleiben.
({3})
Das muß man so nüchtern formulieren. Es ist für jedes Land, für jede Landesregierung legitim, die Landesinteressen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob für Bremen oder für Niedersachsen; das gilt doch auch für ähnliche Situationen; der eine setzt sich ein bißchen mehr, der andere ein bißchen weniger durch. Tun Sie doch bitte nicht so, als ob das alles mit Blauäugigkeit gemacht worden wäre.
({4})
Sie beweisen damit, Herr Beckmann, ein Maß von Ahnungslosigkeit, daß kaum zu überbieten ist, muß ich Ihnen mal sagen.
({5})
- Das gilt auch für Sie.
Was wären denn wohl die Alternativen aus nordrhein-westfälischer Sicht gewesen, wenn wir uns damals nicht so verhalten hätten? Die Quote wäre aus Nordrhein-Westfalen weg gewesen.
({6})
Zweitens. Zusätzlich wäre die Rohstoffbasis Rheinhausen gefährdet gewesen. Drittens. Was wir heute gemeinsam beklagen, nämlich das Ende der Existenz von Wuppermann und über tausend Arbeitsplätzen, wäre damals definitiv gewesen. Was blieb denn damals der Landesregierung von NordrheinWestfalen vor diesem Hintergrund wohl an Alternativen? Das gilt für die niedersächsiche Landesregierung genauso wie für die bayerische und andere, unabhängig davon, welche parteipolitische Kappe wir auf dem Kopf tragen. Tun wir doch nicht so, als könnten wir uns gegenseitig mit solchen albernen Vorwürfen überziehen.
({7})
Für die einstimmige Billigung dieser Bürgschaft nach Sachvortrag durch die Vertreter von Krupp Stahl und die Landesregierung vor dem Haushaltsund Finanzausschuß des Landtags - dazu gehören Ihre Freunde genauso ({8})
- ach so! - war ein mitentscheidendes Motiv nicht nur für die Landesregierung, sondern auch für den Haushalts- und Finanzausschuß des Landtags die überzeugende Aussage, der Krupp Stahl AG, die Arbeitsplätze in Leverkusen mindestens mittelfristig zu erhalten.
Nun muß man natürlich auch etwas wissen. Ich geniere mich fast ein bißchen, eine solche Binsenweisheit hier vorzutragen. Nur Ihre Fragestellung macht es notwendig, Ihnen ein bißchen Aufklärung zu geben. Sie wissen ganz genau, daß eine solche Bürgschaft nicht gegenüber der Firma, sondern gegenüber den Banken abgegeben wird. Dort können Sie Auflagen gegen den Wegfall von Arbeitsplätzen gar nicht machen. Da können Sie gar nicht in die unternehmerische Dispositionsfreiheit der Banken oder des betroffenen Unternehmens eingreifen.
Diese Bürgschaft ist nach Anhörung des Firmenvertreters vor dem Haushalts- und Finanzausschuß gegeben worden.
({9})
Die Landesregierung hat sich darüber hinaus bemüht, die Arbeitsplätze in Leverkusen zu erhalten. Das Land hat zusammen mit dem Bund das als tragfähig anerkannte Unternehmenskonzept der
Minister Einert ({10})
Firma Wuppermann, das ja neben Kapazitätsabbau und Strukturverbesserungsmaßnahmen Investitionen in beachtlicher Höhe vorsah, finanziell flankiert. Das muß im Kontext gelesen werden.
Die Landesregierung hat in diesem Zusammenhang ihrerseits Bemerkungen und Fragen in Richtung Bundesregierung zu richten. Wir sehen mit dem Bundesminister für Wirtschaft die Geschäftsgrundlage für das Umstrukturierungskonzept der Theodor Wuppermann GmbH entfallen.
({11})
Ich weiß, was ich damit sage.
Die sich daraus ergebenden tatsächlichen und rechtlichen Folgen für die öffentlichen Zuwendungsgeber sollten daher gemeinsam von Bund und Land erörtert werden. Wir sehen mit außerordentlichem Interesse der Stellungnahme der Bundesregierung entgegen, ob auch sie die vertraglich geregelten Konsequenzen, d. h. den Rücktritt vom Vertrag und die Rückzahlung der ausgezahlten Beträge, für unvermeidbar hält.
({12})
In diesem Fall hätten dann entsprechend die gleichen Konsequenzen für die Anträge der Krupp Stahl AG auf öffentliche Hilfe für die Stillegungsmaßnahmen in Rheinhausen und Leverkusen zu gelten. Das kann man ja wohl nicht isoliert betrachten.
Der Antrag der Krupp Stahl AG auf finanzielle Beteiligung des Landes an diesen Stillegungsmaßnahmen zeigt doch wieder mal den Widersinn der stahlpolitischen Finanzierungsmodalitäten insgesamt. Die Länder - wiederum unabhängig davon, wie die Landesregierung aussieht - sollen sich daran beteiligen, wenn die Stahlunternehmen sich aus bestimmten Standorten vollständig zurückziehen. Das kann nicht mit der regionalpolitischen Verantwortung und den stahlpolitischen Vorstellungen der Landesregierung in Übereinstimmung gebracht werden. Zu den stahlpolitischen Kriterien des Landes gehört auch die industriepolitische Sinnhaftigkeit der Vorhaben der Unternehmen, auch wenn man sie nicht aus der Verantwortung entlassen kann.
Dies generell, aber auch im konkreten Fall zu beurteilen setzt allerdings Klarheit über die mittelfristige Stahlkonzeption der Bundesregierung voraus.
({13})
Ein solches Konzept liegt bis heute nicht nur nicht vor, sondern es wird auch abgelehnt, überhaupt eines in Zusammenarbeit zu erstellen, auch unter Wahrung der Unternehmensverantwortung.
({14})
Der Ministerpräsident meines Landes hat das in seiner Regierungserklärung noch einmal ganz deutlich angemahnt, und nach Meinung Nordrhein-Westfalens müßten u. a. eindeutige Vorstellungen der Bundesregierung zu den Problemen darin enthalten sein: der Übernahme der Theodor Wuppermann GmbH durch die Krupp-Stahl AG und ihre
Folgen, der seit langem angekündigten Fusion der Stahlbereiche von Krupp-Stahl und Klöckner mit ihren beabsichtigten Rationalisierungsmaßnahmen, zu denen bekanntlich auch die Schließung der Mittelbandstraße in Leverkusen gehört, und der finanziellen Flankierung der weiteren Umstrukturierungsmaßnahmen entsprechend der sektoralpolitischen Verantwortung des Bundes, und die liegt beim Bund und nicht bei den Landesregierungen.
({15})
Wir teilen vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung durchaus die Sorge der Betroffenen. Wir werden im Rahmen unserer Möglichkeiten diese Bemühungen fortsetzen und hoffen, daß damit auch eine solche Debatte und die klare Zuweisung von Verantwortung ihre Eigendynamik für die Zukunft entwickeln kann.
({16})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wissmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die GRÜNEN haben mit ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde vor allem die Sozialdemokraten, auf der Bundesratsbank einerseits und im Plenum andererseits, in erhebliche Verlegenheit gebracht;
({0})
denn während Herr Roth hier eine Schaufensterrede hält und eine laute Klage anstimmt, schildert der nordrhein-westfälische Landesminister die Probleme der letzten Jahre, die seine eigene Landesregierung im Zusammenhang mit Wuppermann zu verantworten hat.
({1})
Meine Damen und Herren, ich will nur noch einmal an die Fakten erinnern. Die Fakten sehen so aus, daß Ihr Landesminister soeben noch einmal erklärt hat, die Übernahme der Bürgschaft durch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in Höhe von 34 Millionen DM sei an drei Bedingungen geknüpft gewesen. Die erste Bedingung war die Erhaltung der Stahlquote, und interessanterweise - man merkt es schon an der Reihenfolge - war die letzte Bedingung die Erhaltung des Werkes Wuppermann.
({2})
Dann hat er, wenn man genau zugehört hat, Herr Kollege Wolfram,
({3})
erklärt, bei der Übernahme der Bürgschaft habe
man sich genau nach dem verhalten, was der Vorstandsvorsitzende der Firma Krupp im Haushalts10746
ausschuß des nordrhein-westfälischen Landtages zuvor erklärt habe.
({4})
Nun darf ich noch einmal aus einem zu einem anderen Zeitpunkt schon erwähnten Interview zitieren, das derselbe Vorstandsvorsitzende am 13. Juni im Fernsehen des Westdeutschen Rundfunks gegeben hat. Er sagt - ich zitiere wörtlich -: „Ich habe vor dem Haushaltsausschuß" - also genau bevor Sie die Zusage gegeben haben - „gesagt, nach dem Stand 1983 werden wir, die Krupp AG, von zwei Mittelbandstraßen höchstwahrscheinlich eine behalten können". Das heißt, eine gab es in Bochum, eine bei Wuppermann. Es konnte kaum jemand davon ausgehen, daß die Bochumer geschlossen werde,
({5})
d. h. es mußte schon damals mindestens in Kauf genommen werden, daß diejenigen, die die Bürgschaft geben, mindestens stillschweigend hinnehmen, daß möglicherweise Wuppermann in diesem Prozeß auf Dauer mit seinen Arbeitsplätzen nicht erhalten werden könne.
({6})
Meine Damen und Herren, deswegen diskutieren wir heute nicht ein Problem der Bundesregierung, sondern ein mißlungenes Beispiel für die von Herrn Roth geforderte nationale Stahlpolitik am Beispiel interventionistischer fehlgeschlagener Versuche der nordrhein-westfälischen Landesregierung.
({7})
- Meine Damen und Herren, Ihre Aufregung zeigt, daß ich offensichtlich treffe, wenn ich dies sage,
({8})
und dann kann ich ja auch noch hinzufügen, daß bereits im Januar dieses Jahres die Betriebsleitung von Krupp bei der nordrhein-westfälischen Landesregierung die voraussichtliche Stillegung angekündigt hat
({9})
und daß deswegen die Frage zu stellen ist, warum die nordrhein-westfälische Landesregierung die Wahlen hat verstreichen lassen, bevor sie den Arbeitnehmern, den Menschen die Wahrheit über die voraussichtlich erwarteten Stillegungen mitgeteilt hat. Das halte ich für unredlich!
({10})
Meine Damen und Herren, wir meinen, daß jetzt eine ernsthafte Prüfung der Konzeptveränderung abgewartet werden muß. Der Herr Staatssekretär hat mitgeteilt, daß die Treuarbeit eingeschaltet ist. Uns kommt es darauf an, daß alles versucht wird, um den Menschen, die von einer möglichen Stillegung betroffen sind, im Falle einer Stillegung
({11})
Ersatzarbeitsplätze anzubieten.
({12})
- Ihre Aufregung wäre gerechtfertigter, wenn Sie sich kritischer mit der fragwürdigen Haltung Ihrer Genossen in der Landesregierung auseinandersetzen würden
({13})
und auch mit dem mißlungenen Beispiel bürgschaftspolitischer Intervention, das ich gerade eben dargestellt habe.
({14})
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Das Konzept der GRÜNEN und der SPD ist zum Scheitern verurteilt.
({15})
Staatliche Interventionen haben in allen westeuropäischen Ländern nicht mehr, sondern weniger Arbeitsplätze bewirkt.
({16})
Wir haben in Deutschland schon zu viele Arbeitsplätze verloren, aber wir haben in Deutschland weniger Arbeitsplätze verloren
({17})
als in den Ländern, in denen es staatliche Stahlunternehmen gibt. Wir wollen den Weg, den Sie vorschlagen, im Interesse der Arbeitnehmer nicht mitgehen, sondern weiterhin mit marktwirtschaftlichen Methoden an die Probleme der Stahlindustrie herangehen.
({18})
Das Wort hat der Abgeordnete Wiefel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich doch bitte einmal einiges aus lokaler Sicht sagen. Wer in diesen Tagen nach Leverkusen kommt, wird Menschen antreffen, die in tiefer Sorge um ihren Arbeitsplatz sind; bei uns nennt man sie liebevoll „die Wuppermänner". Wuppermann ist ein Unternehmen, das eine 113jährige Familientradition hinter sich hatte, bevor es von Krupp übernommen wurde.
Aber nicht nur die Betroffenen und ihre Familien sind voller Sorge. Mit ihnen haben sich Mitarbeiter anderer Betriebsbereiche, die Gewerkschaften, die
Kirchen und alle Parteien solidarisiert. Die Sorge treibt die Menschen um, weil schon vor einigen Jahren ein Zweigbetrieb der Firma Klöckner im Stadtteil Opladen sowie die Schusterinsel AG, ein Textilbetrieb, mit jeweils mehreren hundert Arbeitsplätzen - so muß ich jetzt sagen - vernichtet wurden. Wenn jetzt auch die Firma Wuppermann, die 1975 noch eine Belegschaftsstärke von 2 700 Menschen hatte, welche, als 1983 Krupp Stahl bei Wuppermann einstieg, bereits auf 1 800 Mitarbeiter reduziert wurde und heute noch bei 1050 Arbeitsplätzen - davon 120 Auszubildende, also bemerkenswerterweise über 10% - liegt, stillgelegt wird, werden im Stadtteil Manfort die Lichter ausgehen. Der überwiegende Teil der Belegschaft wohnt dort. Das wird neben der Not der Betroffenen zwangsläufig auch wirtschaftliche Folgen für die Allgemeinheit haben, und die Monostruktur dieser Stadt wächst.
Es hat genügend Optimisten gegeben, die mir gegenüber geäußert haben, der Großbetrieb Bayer werde dann schon die freigesetzten Arbeitskräfte aufnehmen. Aus Gesprächen mit der Leitung der genannten Firma ist mir bekannt, daß dies - bei. allem Entgegenkommen, das man dort findet - nur in wenigen Ausnahmefällen möglich ist.
Aus vielerlei Gesprächen mit Betriebsräten und Belegschaftsmitgliedern weiß ich, wie groß der Unmut ist, der sich hier breitmacht. Man fühlt sich hinters Licht geführt, man fühlt sich verraten, man fühlt sich betrogen.
({0})
Im Kaufvertrag hat die Krupp Stahl AG die Absicht bekundet, die Masse der Arbeitsplätze zu erhalten.
({1})
Herr Kollege Wissmann, ich kann Ihrer Fehlinterpretation hier nicht folgen. Das war eine wahre Mohrenwäsche.
({2})
- Das können Sie alles im Vertrag nachlesen.
Absichtserklärungen sind bekanntlich nicht einklagbar, sowenig wie die Aussage des Bundeskanzlers.
Meine Damen und Herren, es ist erschreckend, wie sich Verantwortliche, man muß fast sagen, kalt und menschenverachtend - das Empfinden überkommt einen - im Fernsehen zu den Problemen äußern. Es hat mich, offen gestanden, gefröstelt, als ich Herrn Gödde auf dem Bildschirm sah und seine eiskalte Erklärung hörte, als er für den Krupp-Vorstand sagte, man werde diesen Weg unbeirrbar weitergehen. Das Wort für die Betroffenen fiel mager und wenig zukunftverheißend aus.
Herr Kollege Lammert, ich habe, als ich Sie anhörte, auch einen solchen Hauch verspürt. Das war so etwas, ich hätte bald gesagt, Computersprache. Der Bürger auf der Straße begreift es nicht, daß hohe Bürgschaften des Landes und Zuschüsse des Bundes, die dem einzigen Zweck der Erhaltung der Arbeitsplätze dienen sollen - und dies hat der Vorstand der Krupp Stahl AG auch gegenüber der Landesregierung, dem Haushalts- und Finanzausschuß und den Altgesellschaftern als Konzeptverwirklichung zugesagt -, jetzt der Vernichtung von Arbeitsplätzen dienen sollen.
({3})
Ich sage nur: Keine müde Mark für solche Vorhaben!
({4})
Vielmehr muß ich an die Moral eines Unternehmens mit weltweitem Namen, die Firma Krupp, und an den Bundeskanzler appellieren, Absichtserklärungen und Versprechungen zu halten und den Menschen bei Wuppermann den Arbeitsplatz zu sichern. Meine Damen und Herren, wir reden so oft vom Wettkampf der Systeme: Ein System wird auf die Dauer verlieren, das nicht mehr die Menschen im Vordergrund sieht.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Schulhoff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei Ihrer rhetorischen Filmvorführung, Herr Roth, haben Sie leider den Hauptdarsteller, nämlich das Land Nordrhein-Westfalen, vergessen. Auch haben Sie sich vorher - und das ist viel wichtiger - nicht mit Ihren Freunden in Nordrhein-Westfalen abgesprochen, wie gerade die Ausführungen von Herrn Einert sehr deutlich gemacht haben. Ich bin der Meinung, daß wir dem Thema mit billiger Polemik nicht nahekommen, und ich bin sehr froh über die Ausführungen meines Vorgängers. Wir wollen nämlich den Menschen sehen, den es hier ganz hart trifft.
Obwohl der Prozeß der Strukturverbesserung und damit die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie noch nicht abgeschlossen ist - das kann keiner leugnen -, kann man heute schon sagen, daß diese Regierung mit ihrem Förderungskonzept jetzt schon erste Erfolge verbuchen kann. Im Gegensatz dazu hat doch die vorherige Bundesregierung über ein Jahrzehnt - und da waren Sie doch auch da, Herr Roth - tatenlos zugesehen, wie immer mehr deutsche Stahlarbeitsplätze der internationalen Konkurrenz zum Opfer fielen, und das nicht, weil diese Arbeitsplätze unrentabel waren, sondern weil unerträgliche Wettbewerbsbedingungen vorlagen. Hier ist insbesondere auch an das Subventionierungsgebaren unserer europäischen Freunde zu denken.
Erst diese Bundesregierung hat unter Inanspruchnahme öffentlicher Haushalte Strukturbeihilfen gegeben, die endlich einen Konsolidierungsprozeß im Stahlsektor einleiteten. Hinzu kommen ihre Erfolge, daß der prozentuale Anteil - darüber wurde auch noch gerungen - der deutschen Stahlerzeugung an der europäischen Stahlproduktion
nicht vermindert wurde und die Aussicht besteht, daß die unheilvolle Subventionierungspraxis endlich zu Ende geht.
Bei der Beurteilung der Situation Wuppermann aus Bundessicht müssen meiner Ansicht die derzeitigen Förderungsmaßnahmen der Bundesregierung und ihre Zielrichtung betrachtet werden. Diese haben nämlich eine zweifache Richtung, einmal die Rationalisierungsmaßnahmen einzuleiten, die langfristig die Rentabilität der Unternehmen erhöhen, damit natürlich auch ihre internationale Konkurrenzfähigkeit stärken, und zweitens die Arbeitsplätze nachhaltig zu sichern. Modernisierung sowie Steigerung der Produktivität sind dabei ebenso notwendig und unvermeidbar wie der Abbau überhöhter Kapazitäten. Gerade die erhöhte Investitionszulage sollte dazu beitragen - wie auch die Strukturverbesserungsbeihilfen -, die Investitions- und Modernisierungsfähigkeit der Stahlindustrie zu verbessern.
Diese von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen können aber nur dann erfolgreich wirken, wenn gewährleistet ist, daß die Unternehmen rasch und zügig das ihnen angebotene Förderungskonzept nutzen. Deshalb wurden die Maßnahmen auch auf drei Jahre begrenzt. Weiter legt die Bundesregierung großen Wert darauf, daß die Erarbeitung und Ausführung der Konzepte in der unternehmerischen Verantwortung liegen muß. Die Stahlerzeuger müssen sich selbst wieder am Markt behaupten können. Deshalb hat die Bundesregierung dem Unternehmen auch keine Auflagen erteilt, einzelne Betriebsstätten zu erhalten; denn jede Fortschreibung von Strukturen birgt die Gefahr, dauersubventionsabhängige Arbeitsplätze zu erhalten, und das wollen Sie doch auch nicht.
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Angesichts des Ausmaßes der weltweiten Stahlkrise kann nicht davon ausgegangen werden, daß alle Standorte erhalten bleiben.
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Weder die Bundesregierung noch der Kanzler haben sich dafür hier an dieser Stelle ausgesprochen.
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Ferner sind betriebswirtschaftliche Überlegungen zur Rationalisierung allein Aufgabe der Unternehmen und nicht Aufgabe des Staates; denn das geht meistens daneben.
Nur diese Entscheidungskriterien dürften den Bund bei Gewährung von Zuschüssen - oder in diesem Fall vielleicht bei der Rückforderung bereits geleisteter Zuschüsse - leiten.
Meines Wissens, mein Damen und Herren, hat die Firma Krupp keine verbindliche Zusage im Rahmen der Beihilfegewährung zum Erhalt des Standortes der Firma Wuppermann gegenüber abgegeben.
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Nur das Land Nordrhein-Westfalen hat mit der Gewährung seiner Bürgschaft den Anschein erweckt, als ob hier eine Zusage
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zum Erhalt des Standortes gegeben wurde. Diese Frage müssen Sie selbst nach Ihrem Gewissen entscheiden. Meiner Ansicht nach findet die Diskussion hier weder zum richtigen Zeitpunkt noch am richtigen Ort statt; denn sie müßte im Landtag Nordrhein-Westfalens, nämlich in Düsseldorf, stattfinden.
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Haben Sie Ihre Zusage nur aus wirtschaftlicher Inkompetenz gegeben? Oder war das wiederum eine Wahlkampfmaßnahme?
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Die Beantwortung dieser Frage überlasse ich Ihnen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jens.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, es ist schon entlarvend, wie hier der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU sich hinstellt und die Unternehmensinteressen der Firma Krupp vertritt und quasi für die Stillegung von Wuppermann plädiert.
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Ich kann gut verstehen, daß die Arbeitnehmer in Leverkusen auf die Barrikaden gehen. Wenn man weiß, daß jeder Zehnte in dieser Republik arbeitslos ist, dann versteht man, daß jeder um seinen Arbeitsplatz kämpft. Leider hat diese Regierung bisher überhaupt nichts zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit getan.
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Ich will nicht polemisieren, aber ich will zwei Sachen festhalten. Ich glaube, nach Durchsicht der Daten muß man sich, wenn man sich die Chronologie der Entscheidungen ansieht, erstens eingestehen: Diese Entscheidungen über die Stillegung von Wuppermann sind nicht korrekt zustande gekommen.
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Zweitens muß man sagen: Das Land hat zweifellos eine Bürgschaft von 34 Millionen DM unter der Auflage gegeben, daß die Arbeitsplätze in Leverkusen erhalten bleiben.
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Was hier gemacht wird, ist eine Art von Subventionsschwindel.
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Meine Damen und Herren, was hier passiert, schadet nicht nur der Firma Krupp, ich behaupte, das schadet allen Unternehmen in der Stahlindustrie.
Ich darf vielleicht noch sagen, daß ich die GRÜNEN, die diese Aktuelle Stunde beantragt haben, auch nicht verstehe. Ich finde das ein bißchen peinlich. Ich kenne Beispiele dafür, daß Sie in meinem Bereich gegen jeden Rauch, gegen jeden Lärm aus einem Stahlwerk scharf protestieren, und hier setzten Sie sich für die Arbeitnehmer bei Wuppermann ein, was aus meiner Sicht ziemlich heuchlerisch wirkt.
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Wenn die Beschäftigung besser wäre, dann wäre der Strukturwandel leichter zu ermöglichen. Aber die Regierung hat jetzt - gerade gestern - ihre eigenen Prognosen über die Arbeitsmarktsituation korrigiert.
Die Firma Krupp hat mit den Millionenbeträgen des Staates überhaupt nichts getan, um neue, zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu schaffen. Ganz schlimm ist: Das Ersatzarbeitsplatzprogramm für die Stahlstandorte läuft Ende 1985 aus. Die Regierung und die CDU tun nichts, um hier neue Hilfen für die Stahlstandorte zu erreichen.
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Der Bundeskanzler Kohl hatte im Wahlkampf 1983 gesagt, er wolle sich persönlich um die Situation der Stahlindustrie und um die Sicherung der Arbeitsplätze kümmern. Aber davon sehen wir überhaupt nichts. Der Enkel Adenauers denkt offenbar wie Adenauer: Wat kümmert mich mein Jeschwätz von jestern?
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Meine Damen und Herren, Herr Köhler sitzt in dieser Stahlindustrie. Da müßte etwas neu geordnet werden. Mit Marktwirtschaft hat dieser Wirtschaftszweig überhaupt nichts mehr zu tun. Wir fordern noch einmal: Unternehmer, Gewerkschaften und Regierung gehören an einen Tisch, und die müssen ein vernünftiges Konzept ausarbeiten. Ein Stahlausschuß muß her; der ist dringend notwendig. Die Stahlstandorte müssen im Kern erhalten bleiben.
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Aber durch die Rederei dieser Regierung - auch durch Ihre Ausführungen - sieht man einmal mehr: Sie wollen die Probleme gar nicht lösen. Diese Regierung hier ist auch nicht in der Lage, diese Probleme zu lösen.
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Ich meine, Wuppermann hätte eine Zukunft. Die Auftragslage ist gut, die Produktionsanlagen sind relativ modern. 1984 hatten wir ein ausgeglichenes Betriebsergebnis; dabei werden noch Verrechnungspreise angewendet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu beitragen, daß Gewinne von Wuppermann auf die Muttergesellschaft weggedrückt werden.
Die Arbeitnehmer bei Wuppermann haben die Solidarität der Sozialdemokraten. Wir sagen: Wuppermann darf nicht sterben!
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Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft, Herr Grüner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Dr. Jens hier von Subventionsschwindel mit Blick auf die Firma Krupp spricht, so möchte ich doch mit großer Entschiedenheit darauf hinweisen, daß alle diese Abmachungen unter dem vertraglichen Gesichtspunkt getroffen worden sind, daß Änderungen des Konzeptes möglich sind, und daß das die Konsequenz haben kann - die ich hier dargestellt habe -, daß gewährte Subventionen auch zurückgefordert werden können. Ich halte es einfach für unvertretbar, daß hier in der Öffentlichkeit ein so falscher und schädlicher Eindruck erzeugt wird.
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Ich habe aber Veranlassung, eine Frage an die nordrhein-westfälische Landesregierung zu stellen, denn hier hat Herr Einert für die nordrhein-westfälische Landesregierung gerade gefordert, daß der Wegfall der Geschäftsgrundlage die vertraglich geregelten Konsequenzen, letztlich also den Rücktritt vom Vertrag und die Rückzahlung der ausgezahlten Beträge, unvermeidbar macht. Ich wäre sehr interessiert, ob die sozialdemokratische Fraktion diese Auffassung teilt und ob auch die nordrhein-westfälische Landesregierung diese Aufforderung allen Ernstes an die Bundesregierung richtet.
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Eine vorherige sorgfältige Prüfung würde ich Ihnen jedenfalls empfehlen.
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Voreilige und von Emotionen getragene Beschlüsse könnten nämlich dem gesamten Unternehmen Krupp/Wuppermann mit seinen mehr als 20 000 Stahlarbeitsplätzen erheblichen Schaden zufügen
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und diese Arbeitsplätze möglicherweise insgesamt gefährden.
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Lassen Sie mich abschließend sagen: Es ist eine Verzerrung der Darstellung dieser Diskussion, wenn wir aus dem Auge verlieren, daß alle öffentlichen Subventionen, ob vom Land oder vom Bund gegeben, nur das einzige Ziel hatten: möglichst viele
Arbeitsplätze zu erhalten, und daß wir an dieses geänderte Konzept der Firma Krupp unter demselben Gesichtspunkt, nämlich möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten, herangehen müssen.
Die Bundesregierung leidet unter dem Verlust jedes einzelnen Arbeitsplatzes, ob in Bremen, ob in Bochum, ob in Leverkusen. Das ist unsere gesamtwirtschaftliche Verantwortung.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich in aller Deutlichkeit dem Vorwurf widersprechen, Herr Kollege Dr. Jens, den Sie in Richtung des Kollegen Wissmann ausgesprochen haben, er vertrete die Argumente der Firma Krupp.
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Mit keiner Silbe ist das von ihm so gesagt worden, wie Sie das dargestellt haben. Es ist lediglich von ihm ausgeführt worden, daß für den Eventualfall der Schließung der Firma, von der wir reden, Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden müssen.
Firmenschließungen sind eine schlimme Sache. Da stimme ich dem Kollegen Wiefel durchaus zu. Ich weiß es, weil auch in meinem Wahlkreis derzeit von einer Firmenschließung - ein Fertighausbetrieb mit 600 Arbeitsplätzen - die Rede ist. Ich kenne die Nöte der dortigen Arbeitskräfte und ihrer Familien.
Zwei Bemerkungen aber zum Grundsätzlichen in der Stahlpolitik müssen doch nach dem Verlauf dieser Debatte erlaubt sein: Sie, meine verehrten Kollegen von der SPD, treten im Bundestag auf und erklären, Sie hätten, wären Sie in der Verantwortung, ein geschlossenes Stahlkonzept und die Lösung aller Probleme.
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Ich kenne diese Töne als saarländischer Abgeordneter sehr genau.
Der jetzige saarländische Ministerpräsident Lafontaine trat während des Wahlkampfes auf und erklärte, die SPD und er wären in der Lage, ein Konzept vorzulegen, um bei Arbed-Saarstahl für klare Verhältnisse zu sorgen.
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Vor seinem Amtsantritt hat Herr Lafontaine überall getönt, er werde die Sache bei Arbed selbst in Ordnung bringen.
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Er hat wohl zu diesem Zeitpunkt den ganzen Sachverhalt noch nicht richtig überblickt. Denn seit er
durch eifriges Aktenstudium über die Situation bei
Arbed informiert ist, wird Lafontaine immer leiser, und von seinem großartig verkündeten Konzept ist nicht mehr viel übriggeblieben.
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Schon in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit ist die Ernüchterung der Stahlarbeiter an der Saar eingetreten. Dies wird uns aus allen Betriebsversammlungen berichtet.
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An diesem Beispiel Lafontaine - das gilt genauso für Johannes Rau - möchte ich nur darstellen, daß die Stahlpolitik der SPD lediglich Stückwerk ist.
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Ich will eine zweite Bemerkung machen: Sie müssen doch zugeben, daß unsere Umstrukturierungsmaßnahmen nach zwei Jahren überzeugende Erfolge zeigen.
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Sie wie wir wissen doch, daß in unserer Stahlindustrie Umstrukturierungen erfolgen müssen und erfolgen mußten. Sie möchten dies durch massive staatliche Einflußnahme erreichen. Von Verstaatlichung sprechen Sie wohlweislich nicht, Sie sprechen von Vergesellschaftung. Sie geben dem Begriff aber nur ein anderes Etikett. Sie müssen sich aber die Erfolge unserer Stahlindustrie bei der Umstrukturierung ansehen und zugeben,
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daß unsere im wesentlichen privatwirtschaftlich organisierte und mitbestimmte Stahlindustrie effizienter und wettbewerbsfähiger ist als die staatlichen Stahlindustrien z. B. in Frankreich oder in Großbritannien.
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Ich möchte Ihnen nur noch einmal in Erinnerung rufen, welche finanziellen Dimensionen auf Sie zukommen würden, wenn Ihre Vergesellschaftungspläne fortgesetzt würden. Der französische Staat hat für 1984 - ich betone: nur für das Jahr 1984 - für die Stahlindustrie Verluste in Höhe von etwa 5 Milliarden DM abzudecken. Diese Verluste treten gerade deswegen auf, weil nicht mehr Unternehmenspolitik nach marktwirtschaftlichen Kriterien betrieben wird.
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Meine verehrten Kollegen, ich kann Sie nur warnen. Sie werden scheitern, wenn Sie auf die Dauer den Weg, den unsere Wirtschaftsordnung vorsieht, nicht weiterverfolgen und statt dessen den Weg weiter in Frage stellen.
Danke schön.
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Das Wort hat der Abgeordnete Urbaniak.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Bemerkung zum ParlaUrbaniak
mentarischen Staatssekretär Grüner. Herr Grüner, wenn Sie die Ausführungen von Herrn Einert richtig aufgenommen haben, dann erübrigen sich die Fragen, die Sie hier gestellt haben.
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Der zweite Punkt: Sie sollten es unterlassen - ich habe das bei Ihnen bisher nicht festgestellt, aber es scheint sich einzuschleichen -, den Betriebsrat Wuppermann gegen den Betriebsrat von Kruppstahl und gegen den von Rheinhausen auszuspielen. Das darf man nicht machen!
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Die Betriebsräte streiten für ihre Arbeitsplätze. Das ist legitim, das wird erwartet, und das muß auch so sein. Spielen Sie nicht einen Betriebsrat gegen den anderen aus. Das ist keine faire Sache der Bundesregierung. Das sage ich klipp und klar.
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Herr Kollege Wissmann, Sie müssen sehr sorgfältig argumentieren;
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denn es gibt oder gab eine Mittelbandstraße von Krupp in Werdohl; die ist stillgelegt. Wenn es also eine Konsequenz gäbe, müßte die bei den „Wuppermännern" erhalten werden.
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- In Bochum gibt es keine Mittelbandstraße, sondern eine Grobblechstraße.
Kollege Beckmann, lassen Sie doch bitte den Ministerpräsident Rau aus dem Spiel. Der Ministerpräsident kennt sich an den Stahlstandorten gut aus; denn dort hat er überproportionale Stimmenergebnisse erhalten.
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- Ja, das ist die Vertrauensbasis, und die FDP haben wir da unter Denkmalschutz gestellt, weil wir schon gar nicht mehr rechnen können, wie Sie da aussehen.
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Ich sage das hier so, wie es ist.
Die Landesregierung hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß Krupp das überhaupt machen konnte, und sie hat richtig und zukunftsweisend gehandelt. Warten Sie erst mal ab, wie das bei der Georg- Marien- Hütte und von der hannoveranischen Regierung gemacht werden wird. Wir danken der Landesregierung dafür. Beim Vortrag von Herrn Gödde im Finanz- und im Haushaltsausschuß waren Ihre CDU-Kollegen dabei. Haben Sie denn da die Fragen gestellt, die Sie hier aufwerfen?
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Also verschanzen Sie sich nicht hinter diesen Dingen! Die Landesregierung hat richtig gehandelt. Wir unterstützen sie.
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Bedenken Sie einmal, wie schluderig man mit der Betriebsverfassung durch die Vorstandsherren umgegangen ist: Da wird der Betriebsrat nicht informiert. Da wird das Aufsichtsratsmitglied Hölpert, der zusammen mit Herrn Gödde und weiteren im Aufsichtsrat ist, nicht informiert. Da wird eine Gesellschaftsversammlung gemacht. Es wird gekappt und stillgelegt, und der Betriebsrat kriegt das Ergebnis mitgeteilt. Ist das vertrauensvolle Zusammenarbeit nach unserer Verfassungslage?
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Das ist nicht in Ordnung. Darum sage ich Ihnen, man muß für den Erhalt der Arbeitsplätze weiter kämpfen. Wenn wir sie dennoch nicht retten können: Wir haben die soziale Flankierung gegen Ihren Widerstand durchgesetzt, damit man wenigstens den älteren Kollegen helfen kann, und das ist ganz wichtig.
Was uns allerdings droht, Kollege Grüner, mit Beendigung des Subventionskodexes und den Einlassungen, die die Bundesregierung auf unsere Fragen bisher dazu gegeben hat, welche Subventionswelle der anderen europäischen Staaten da auf uns zukommt, das ist j a noch nicht entschieden. Ich hoffe, daß Sie das alles bedenken, damit wir nicht in eine weitere Zerreißprobe mit unserer Stahlindustrie kommen; denn die Bundesregierung ist j a offensichtlich nicht in der Lage, mit den Problemen an den Stahlstandorten fertigzuwerden. Was sie bisher vorgelegt haben, ist eine schlechte Bilanz.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Köhler ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die GRÜNEN haben eins fertig gebracht: Sie haben hier ein Scheingefecht hervorgerufen, und ich mache jetzt den Versuch, die alte Stahlfraktion wiederherzustellen, weil ich der Meinung bin, daß sehr viele Argumente von falschen Tatsachen ausgegangen sind. Ich werde versuchen, die eine oder andere richtigzustellen.
Mir liegt daran zu sagen: Sie, die Sie so lange in der Regierungsverantwortung waren, wissen, wie schwer es uns gefallen ist, erstklassigen deutschen Facharbeitern - genauso erstklassig wie in anderen Ländern - klarzumachen: sie müssen nach Hause gehen, weil in Lothringen die Arbeitsplätze mit Subventionen erhalten wurden. Wir sollten das nicht vergessen. Wir haben einen europäischen Hintergrund.
({0})
Dr. Köhler ({1})
- Moment. Es wäre gut, wenn Sie mich zu Ende reden ließen, weil ich dann vielleicht auch dazu etwas sagen könnte.
Sie haben zwar keinen Standort stillgelegt, aber die Stahlindustrie alleingelassen. Sie haben weder in Europa
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etwas erreicht noch haben Sie hier im Lande etwas getan.
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Ich bitte Sie, zu berücksichtigen, daß es eine andere Bundesregierung war, die zum erstenmal entsprechende Maßnahmen plante.
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Nun sage ich etwas zu dem, Herr Kollege Roth, was Sie gesagt haben. Ich mache das auf meine persönliche Weise. Wir sollten beide gemeinsam noch einmal den Brief lesen, den Ihnen Herr Wuppermann geschrieben hat. Sie haben nämlich mit ein paar Dingen argumentiert, die nicht drinstehen. Mir liegt daran - das können wir hier nicht ausbreiten -, daß wir unter uns die Tatsachen würdigen und nichts Falsches öffentlich verbreiten.
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Als nächstes möchte ich etwas zum Stahlkonzept sagen: Ich gebe dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Land Bayern einen Rat. Es steht ja noch die Fusion von Klöckner und Krupp aus. Wir wissen, daß diese Fusion scheitern muß, wenn man von einem Land, Niedersachsen, verlangt, ein Drittel der Stillegungskosten zu übernehmen, und der Vorteil der Maßnahme im Rheinland oder in Nordrhein-Westfalen und in Bayern landet.
Wenn wir also bei unserer gemeinsamen Politik
- umstrukturieren ja, aber sozial verträglich - bleiben wollen, läge doch hier eine Chance. Aber das Verlangen, daß das Land Niedersachsen gewissermaßen für die Sicherung von Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen und in Bayern Geld gibt, ist ein unmenschliches Verlangen.
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Eine Initiative der beiden betroffenen Länder würde ich sehr begrüßen.
Nun wende ich mich unserem Bundesratsminister Einert zu. Jetzt hat ja jeder den Namen gehört
- weil einige Kollegen ihn noch nicht kannten. Ich kenne natürlich den Verlauf der Sitzung. Das, was Sie zu den zwei ersten Punkten vorgetragen haben, ist vollkommen richtig, nämlich Verhinderung der Auswanderung der Quote - ein ungemein motivierendes Argument - und zweitens die Sicherung von 30 % Rohstahlerzeugung in Rheinhausen - ein absolut motivierendes Element. Aber beim dritten Punkt haben Sie eine andere Wortwahl bevorzugt. Der dritte Punkt hieß damals: Verhinderung der sofortigen Stillegung.
Alle drei Ziele haben Sie damit erreicht. Ich schelte Sie wegen dieser Entscheidung nicht. Auch nicht meine CDU-Kollegen im Landtag, auch nicht meine SPD-Kollegen im Landtag. Nur, wogegen ich bin, ist, daß wir jetzt nachträglich das dritte Ziel, die Verhinderung der sofortigen Stillegung, in eine Standortgarantie umdrehen, die niemals und von niemandem gegeben worden ist.
Nun komme ich zu den -
Herr Abgeordneter, ich muß Ihnen leider sagen, daß Ihre Redezeit bereits überschritten ist. Noch einen letzten Satz.
Also, einen Satz - aber einen langen,
({0}) mit vielen Kommas.
Nein, Herr Köhler. Da muß ich Sie unterbrechen. Dann müssen Sie jetzt das Rednerpult verlassen.
({0})
Es tut mir leid. Wir haben eine Aktuelle Stunde. Bei der gelten ganz harte Regeln - auch wenn das eine fröhliche Sache sein und bleiben kann. Sie haben noch die Gelegenheit, kurz Ihre Rede abzuschließen.
Natürlich. - Ich will noch etwas zu der Höhe der Leistungen des Landes sagen -
Nein, Herr Abgeordneter, das geht nicht. Es tut mir leid. Sie haben Ihre Redezeit über eine Minute überschritten.
Aber durch die Unterhaltung zwischen uns beiden.
({0})
Ja, zum Teil.
Herr Präsident, ich folge Ihrer Aufforderung.
Ich bedanke mich.
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Ich glaube, es ist ratsam, den Regeln zu folgen. Sie waren trotzdem gut bedient.
Mein Problem ist, daß mir bis jetzt keine Wortmeldung für einen zwölften Redebeitrag in der Aktuellen Stunde von einer Fraktion, die darauf zunächst Anspruch hätte, vorliegt. Mir liegt andererseits eine Wortmeldung des Abgeordneten Roth vor. Ich würde ihm das Wort erteilen, wenn der andere Anspruch nicht erhoben wird. - Okay. Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde hat der Abgeordnete Roth das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich. - Herr ParlamentariRoth
scher Staatssekretär Grüner hat - bezogen auf einen Begriff, den Herr Jens verwendet hat - eine Frage an uns gestellt. Herr Jens hat wiedergegeben, wie in Leverkusen geredet wird. Man empfindet das als wirklichen Subventionsschwindel. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.
Der Hintergrund der Angelegenheit sieht doch so aus: Sie führen unter Ausschluß der Öffentlichkeit ständig Verhandlungen mit den betroffenen Unternehmen, aber Sie sagen selber nicht, mit welcher Stahlstruktur es in Deutschland langfristig weitergehen soll. Das weiß doch niemand. Das heißt: Wenn Sie das Verhalten der Bundesregierung, die Kriterien - auch bezogen auf die vielen Stahlstandorte -, nach denen Sie sich richten wollen, nicht bekanntgeben, dann führt das zu Mißtrauen. Das hat inzwischen zu einer Auseinandersetzung in bezug auf die Wirtschaftsordnung geführt - Herr Jens hat auch davon gesprochen -, von der die Kolleginnen und Kollegen draußen im Betrieb sagen: Das ist nur noch Gemuschel. Die sitzen da unter einer Decke und sind gemeinsam eigentlich nur noch orientiert, uns übers Ohr zu hauen.
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Das ist die Stimmung draußen in den Betrieben.
Wer als jemand, der diese Wirtschaftsordnung im Ganzen gesehen verteidigen will - was Sie ja tun, was Herr Jens genauso tut -, ein Stück Vertrauensarbeit leisten will, der muß doch ein Stahlkonzept vorlegen. Er muß sagen: So wollen wir es langfristig, denn wir zahlen ja so viel dafür.
Jetzt komme ich auf das zurück, was die Kollegen von der CDU - insbesondere Herr Köhler - gesagt haben. Wissen Sie, ich habe diese Geschichte ja auch schon leidvoll in der alten Koalition miterlebt. Man weigert sich, eine Konzeption für die Stahlindustrie vorzulegen. Die Zuhörer hier im Raum sollen ruhig wissen, daß Sie außer Abgeordneter auch langjähriger Vertreter der Interessen der Stahlindustrie sind. In diesem Zusammenhang deute ich nur an, daß die beiden großen Parteien im
Deutschen Bundestag - was die Übernahme von Verantwortung für die Struktur der Stahlindustrie betrifft - vielleicht ein bißchen enger zusammenarbeiten könnten als diejenigen, die seit zehn Jahren dem Wirtschaftsministerium vorstehen
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und immer Geld, Geld, Geld geben, aber keine Zusicherung für die Arbeitsplätze verlangen. Dieses Problem müssen Sie in der CDU/CSU-Fraktion diskutieren. Sie müssen fragen: Warum ging das so schief im Saarland? Warum ging das so schief in Nordrhein-Westfalen? - Das hat nämlich mit der Verweigerung einer Strukturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland im Bereich des Stahls zu tun. Das ist der Punkt.
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Meine Damen und Herren, damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Es gibt eine Wortmeldung zu einer Erklärung nach § 30 der Geschäftsordnung des Abgeordneten Dr. Köhler.
Herr Kollege Roth, Sie haben mich als noch aktiven Verfechter der Interessen der deutschen Stahlindustrie apostrophiert. In mir sehen Sie seit einem halben Jahr einen fröhlichen Rentner.
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So ist das doch friedlich ausgegangen.
Wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 20. Juni 1985, 8.30 Uhr - eine ungewöhnliche Zeit - ein.
Die Sitzung ist geschlossen.