Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/13/1985

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um vier Zusatzpunkte erweitert werden. Diese Punkte sind in der Liste „Zusatzpunkte zur verbundenen Tagesordnung", die Ihnen vorliegt, unter Nr. 2 bis 5 aufgeführt: Beratung des Antrags der Abgeordneten Vogel ({0}), Senfft und der Fraktion DIE GRÜNEN Aufnahme der Bundesbahnlinie Ingolstadt-Landshut in den Bundesverkehrswegeplan - Drucksache 10/3459 Beratung des Antrags der Abgeordneten Vogel ({1}), Senfft und der Fraktion DIE GRÜNEN Behindertengerechter Ausbau der Münchner S-Bahnhöfe - Drucksache 10/3460 - Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Europaabgeordnetengesetzes - Drucksache 10/3453 - Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt - Drucksache 10/3454 - Ich gehe davon aus, daß mit der Aufsetzung dieser Tagesordnungspunkte - soweit erforderlich - gleichzeitig von der Frist für den Beginn der Beratung abgewichen wird. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Nach einer weiteren interfraktionellen Vereinbarung sollen die Punkte 2f - Einstellung der Bauarbeiten zur Kanalisierung der Saar - und 2 h - S-Bahnverbindungen im mittleren Ruhrgebiet - abgesetzt werden. Sind Sie auch damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich rufe sodann die Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 e und 2g sowie sie Zusatzpunkte 2 und 3 auf: 2. a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau der Wettbewerbsverzerrungen und zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Bundesbahn ({2}) - Drucksache 10/808 - aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr ({3}) - Drucksache 10/2218 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jobst bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 10/2219 Berichterstatter: Abgeordnete Hoffmann ({5}) Metz ({6}) b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes ({7}) - Drucksache 10/3009 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr ({8}) Innenausschuß Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO c) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Ausbau des Schienenwegenetzes der Deutschen Bundesbahn ({9}) - Drucksache 10/3010 10542

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Ausschuß für Verkehr ({0}) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß d) Beratung des Antrags des Abgeordneten Drabiniok und der Fraktion DIE GRÜNEN Einstellung der U-Bahn-Förderung aus Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes - Drucksache 10/2092 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr ({1}) Innenausschuß e) Beratung des Antrags des Abgeordneten Drabiniok und der Fraktion DIE GRÜNEN Erhalt der Bundesbahnstrecke KemptenIsny - Drucksache 10/2507 - Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr g) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({2}) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Abgeordneten Straßmeir, Dr. Jobst, Milz, Bohlsen, Bühler ({3}), Fischer ({4}), Hanz ({5}), Haungs, Pfeffermann, Schemken, Tillmann, Hinsken, Lemmrich, Hoffie, Kohn, Dr. Weng und Genossen und der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Deutsche Bundesbahn - Drucksachen 10/1234, 10/2271 - Berichterstatter: Abgeordneter Kohn Zusatzpunkt 2: Beratung des Antrags der Abgeordneten Vogel ({6}), Senfft und der Fraktion DIE GRÜNEN Aufnahme der Bundesbahnlinie IngolstadtLandshut in den Bundesverkehrswegeplan - Drucksache 10/3459 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Verkehr ({7}) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Zusatzpunkt 3: Beratung des Antrags der Abgeordneten Vogel ({8}), Senfft und der Fraktion DIE GRÜNEN Behindertengerechter Ausbau der Münchner S-Bahnhöfe - Drucksache 10/3460 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Zu Tagesordnungspunkt 2 a liegt ein Entschließungsantrag des Abgeordneten Senfft und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3457 vor. Es sind eine gemeinsame Beratung dieser Tagesordnungspunkte und eine Aussprache von drei Stunden vereinbart. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Wird das Wort zur Berichterstattung oder zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Daubertshäuser.

Klaus Daubertshäuser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000359, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere heutige Bundesbahndebatte findet vor dem Hintergrund der Feierlichkeiten des Jubiläumsjahres der Bahn statt. Die Deutsche Bundesbahn feiert zu Recht, denn sie hat viel geleistet. Sie hat die wirtschaftliche Entwicklung und die Industrialisierung unseres Landes erst ermöglicht. Sie ist ein Verkehrsmittel für alle Schichten und Gruppen der Bevölkerung. Sie transportiert alle Arten von Gütern, und damit leistet sie einen wichtigen Beitrag für das wirtschaftliche Wohlergehen unserer Gesellschaft. Insgesamt, meine Damen und Herren, ist auch heute die Bahn für unsere Bürger und für die Wirtschaft unverzichtbar. Zwei Milliarden Menschen werden jährlich von der Bundesbahn befördert. Im Gütertransport transportiert sie im Jahresdurchschnitt mehr als 300 Millionen Tonnen. Dies alles sind beachtliche Leistungen. Dem Unternehmen und seinen Beschäftigten, die diese Leistungen manchmal unter sehr schweren Bedingungen erbringen - ich denke hier insbesondere an den schwierigen Schicht- und Wechseldienst - gebührt unsere Anerkennung. ({0}) Diese 300 000 Eisenbahner, die tagtäglich mehr als ihre Pflicht erfüllen, haben allen Grund, im Jubiläumsjahr zu feiern und stolz zu sein auf die Leistungen, die sie in der Vergangenheit und in der Gegenwart erbracht haben. Dafür sagt die SPDBundestagsfraktion ausdrücklich herzlichen Dank. ({1}) Meine Damen und Herren, der Unternehmensvorstand hat das Jubiläumsjahr genutzt, um einmal mehr die Leistungen der Deutschen Bundesbahn in der Öffentlichkeit positiv herauszustellen. Ihm ist es hervorragend gelungen, die Bundesbahn als dynamisches, kreatives Dienstleistungsunternehmen darzustellen, das um den Kunden wirbt und das die Zusammenarbeit mit anderen Verkehrsträgern sucht. Dies ist wichtig. Die Bahn braucht ein positives Image. Sie ist auch leistungsfähig. Die Kunden müssen aber auch von der Leistungsfähigkeit des Unternehmens anhaltend überzeugt sein. Das heißt: Die Produkte der Bahn müssen stimmen. Es wäre mittelfristig und langfristig gefährlich, wenn sich Image und Marketing des Unternehmens allzuweit von der Produktenrealität entfernten. Meine Damen und Herren, wir haben 1981 mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Bundesbahngesetzes die Weichen für dieses neue Bahnmanagement, das sich heute erfolgreich darum bemüht, alte Klisches abzubauen, gestellt. Wir haben 1981 postuliert: Die Bahn ist keine staatliche Abfertigungsbehörde mit Alleinbeförderungsanspruch. - Wir freuen uns darüber, daß der neue Bahnvorstand diese Maxime unternehmenspolitisch umgesetzt hat. Meine Damen und Herren, ich muß allerdings auch daran erinnern, daß diese dritte Novelle, die die neue Management-Struktur erst ermöglicht, von der CDU/CSU damals aufs heftigste bekämpft wurde. Sie haben in der damaligen Debatte über diesen Gesetzentwurf harte und herabwürdigende Urteile formuliert. Heute - vier Jahre später - müssen auch sie einsehen, daß die Wirklichkeit Ihre damalige Polemik widerlegt hat. Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie profitieren sogar von der von uns vorgenommenen Weichenstellung. ({2}) - Herr Kollege Straßmeir, ich möchte nicht zitieren, was Ihre Kollegen damals über den sogenannten Winzling, der nicht einmal das Bein hebe, um einen Schritt nach vorn zu machen, gesagt haben. ({3}) - Herr Kollege Straßmeir, ich hoffe ja nur, daß Sie diese Rückbesinnung dazu bringt, unsere heute vorgelegten Gesetzentwürfe einer ernsthaften Würdigung zu unterziehen, damit Sie vielleicht auch noch ein bißchen davon profitieren können. ({4}) Meine Damen und Herren, die letzten Jahre haben deutlich gemacht, daß der Straßenverkehr die Grenzen seines Wachstums erreicht hat. Die Vorteile des Verkehrssystems Schiene sind wieder stärker in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt. In dem Spannungsfeld von Verkehr und Umwelt nimmt die Bahn eine positive Sonderstellung ein. Das gilt für die Faktoren Energieverbrauch, Flächenbedarf, Verkehrslärm, Luftverschmutzung und letztlich auch Verkehrssicherheit. Diese Querschnittsaufgaben unterstreichen eindrucksvoll: Wir alle - die Bürger und die Wirtschaft - brauchen die Bahn. Weil das so ist, müssen wir die Bahn so modern, so leistungsfähig und attraktiv gestalten, daß sie einen sicheren Platz im Wettbewerb der Verkehrsträger behält. Mit der dritten Novelle von 1981 sind die Aufgaben und die Führungsstruktur des Bahnvorstandes an die Regelungen der Wirtschaft angepaßt worden, wie wir heute sehen: mit gutem Erfolg. Diese dritte Novelle ist ja auch die Grundlage des heute günstigeren Erscheinungsbildes der Bahn. Die von uns vorgelegten Gesetzentwürfe setzen den mit der dritten Bahn-Novelle eingeschlagenen Weg fort. Dies ist notwendig, weil der rechtliche und finanzielle Rahmen der Bahn im Hinblick auf die geänderten wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bedingungen fortgeschrieben werden muß. Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, wir sehen als Opposition unsere Aufgabe auch darin, dem Unternehmen Deutsche Bundesbahn und seinen Beschäftigten durch ein zukunftsgerechteres und nachvollziehbares, d. h. realistisches Konzept noch mehr Motivation und Schwung zu geben. Die Bahn muß weg von dem Schrumpfkurs, den der Bundesfinanzminister und der Bundesverkehrsminister mit ihren Leitlinien verordnet haben. ({5}) Wir wollen die Weichen nicht in Richtung auf eine Kahlschlagsanierung stellen. Unsere Gesetzesinitiativen zielen auf eine attraktive und leistungsfähige Bahn, die den Rückhalt der Politik hat. Das heißt: Unsere Gesetzesvorschläge eröffnen der Bahn die Perspektiven für eine bessere Zukunft. Ich will die Hauptziele unserer Gesetzentwürfe in vier Punkten zusammenfassen. Erstens. Wir wollen die Unternehmensverfassung weiter reformieren. Das Unternehmen braucht den notwendigen Handlungsspielraum für eine gesunde Weiterentwicklung. Zweitens. Wir wollen die Bundesbahn finanziell von den ihr auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und den historisch bedingten Lasten befreien. Drittens. Wir wollen die notwendigen Investitionen zum Erhalt der Leistungsfähigkeit des Schienenverkehrs absichern. Viertens. Wir wollen eine schrittweise Kapitalbereinigung, um damit schließlich die wirtschaftliche Situation der Bundesbahn zu verbessern. ({6}) - Herr Kollege Lemmrich, eine rückwärts gerichtete Klagemauerpolitik mit gegenseitigen Schuldzuweisungen löst doch die DB-Probleme nicht. ({7}) Die Ursachen für diese Entwicklung müssen beseitigt werden. Zur Stabilisierung der Situation der Bundesbahn und zu ihrer schließlichen Gesundung sind eben einschneidende politische Entscheidungen erforderlich. Denn nur die Politik kann die über Jahrzehnte gewachsenen Strukturprobleme der Bundesbahn lösen. Weil das so ist, meine Damen und Herren, sind die Probleme der Bundesbahn ein Prüfstein, ein Prüfstein für Regierung und Opposition. Hier müssen beide Seiten des Hauses ihre Fähigkeit zur Pro10544 blemlösung unter Beweis stellen. Unsere Gesetzentwürfe sind deshalb auch ein Signal an Sie, an die Regierungsfraktionen, daß wir bereit sind, unseren Anteil zu dieser Problemlösung zu leisten. ({8}) - Herr Kollege Jobst, der Gesetzgeber und die Bundesregierung müssen jetzt die Weichen richtig stellen. Dr. Gohlke, der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, hat erst kürzlich öffentlich gewarnt. Er sagte: Durch die gezielten Imageverbesserungen in Verbindung mit den verringerten Fehlbeträgen in den letzten Jahren dürfe sich niemand zu der Folgerung verleiten lassen, die Bahn könne sich aus eigener Kraft konsolidieren oder gar sanieren. - Ich kann dem nur zustimmen. Bei allen Feierlichkeiten dürfen die nach wie vor bestehenden Probleme nicht verdeckt und auch nicht übertüncht werden. Auch Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, sollte bewußt sein: Die Politik ist gefordert; die langfristig für das Unternehmen überlebensnotwendigen Rahmendaten werden von der Politik vorgegeben. Die Bundesregierung hat sich bisher an diesem politischen Entscheidungsbedarf vorbeigedrückt. ({9}) Auch Sie von den Koalitionsfraktionen, Herr Kollege Dr. Jobst, haben bisher gekniffen. Sie haben die Inhalte Ihrer früheren Entschließungsanträge verdrängt. Unsere Gesetzentwürfe geben Ihnen die Möglichkeit, zu Ihren alten Positionen zurückzukehren. ({10}) Hermann Josef Abs hat uns allen, vor allem aber Ihnen, ins Stammbuch geschrieben, es sei unverzichtbar, daß die Bundesregierung ihrerseits die Rahmenbedingungen für die Bundesbahn entscheidend verbessere. Er sagt, zögerliches und kompromißhaftes Handeln sei nicht vertretbar, ohne der Bahn und der deutschen Verkehrswirtschaft einen dauerhaften und nicht wiedergutzumachenden Schaden zuzufügen. Nehmen Sie diesen Appell von Abs auf, und lassen Sie uns gemeinsam die notwendigen Entscheidungen vorbereiten und durchführen. Auch der Kollege Jobst hat in früheren Jahren hier erklärt, die politischen Entscheidungsdefizite seien für die Fehlentwicklung der Bahn verantwortlich. ({11}) Bekennen wir uns deshalb doch endlich zu unserer gemeinsamen politischen Verantwortung. Helfen Sie mit, die Bahn vernünftig zu sanieren und sie nicht politisch zu ruinieren, meine Damen und Herren. ({12}) Unverzichtbar ist in diesem Zusammenhang die klare Abgrenzung der unternehmerischen von den gemeinwirtschaftlichen, staatlich beeinflußten Aufgaben der Bundesbahn. Es muß Schluß sein mit dieser Vermischung der Verantwortung von Staat und Unternehmen. Im November 1981 hat Herr Dr. Schulte von dieser Stelle gesagt, die Union werde eine klare Abgrenzung der eigenverantwortlichen Unternehmensbereiche und der Bereiche der staatlichen Unternehmensvorsorge herbeiführen. Meine Damen und Herren, halten Sie sich doch an diese Erkenntnis, und drehen Sie sich nicht wie eine Wetterfahne! ({13}) Wir alle, die Eigentümer des Unternehmens, müssen uns klar zur Verantwortung bekennen. Diese Vermengung der gemeinwirtschaftlichen und der eigenwirtschaftlichen Aufgaben ist ein politisches Erbe aus der Nachkriegszeit, aber unternehmenspolitisch aus heutiger Sicht eine höchst fragwürdige, ja schädliche Konstruktion. Hier liegt auch der schwergewichtige Grund für die roten Zahlen des Unternehmens. Notwendig ist aber auch ein besseres Rechnungswesen. Das heißt, das Rechnungswesen der Bahn muß so angepaßt werden, daß die Ergebnisse des Infrastrukturbereichs, der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben und des eigenwirtschaftlichen Bereichs ersichtlich sind. Hierdurch wird die notwendige Transparenz geschaffen, die es dann erst ermöglicht, Kosten und Erträge entsprechend zuzurechnen. Das Unternehmen fordert dies seit langem. Alle europäischen Eisenbahnen sind auf dem Weg, die Trennungsrechnung einzuführen. Die EG-Kommission verfolgt dieses Thema mit Nachdruck. Deshalb ist es unverständlich, daß sich die Bundesregierung hier weiter sperrt. Die Trennungsrechnung ist das geeignete Instrument, um die einzelnen Aufgabenbereiche der Bundesbahn transparent zu machen. Die Arbeitsgruppe von Herrn Abs hat deshalb die Einführung der Trennungsrechnung empfohlen, und Sie haben sie in der Vergangenheit auch wiederholt gefordert. Deshalb, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, bleiben Sie bei dieser Politik, handeln Sie mit Kontinuität und reden Sie nicht nur davon. Bekennen Sie sich zu der Verantwortung des Eigentümers Bund für sein Unternehmen Deutsche Bundesbahn. Durchbrechen Sie mit uns diese Handlungsblockade, die durch ein Geflecht widerstreitender Interessen und Positionen entstanden ist. Meine Damen und Herren, mit unseren Gesetzentwürfen bringen wir die Verkehrsfinanzpolitik in den Einklang mit den verkehrspolitischen, den raumordnungspolitischen und strukturpolitischen Erfordernissen. Sie sollten endlich auch die Verkehrspolitik als die Querschnittsaufgabe begreifen, die fachübergreifend politisch gestaltet werden muß. ({14}) Wir vermissen noch bis heute Ihr Gesamtverkehrskonzept, in dem Sie dann auch die Rolle der Deutschen Bundesbahn definieren, obwohl dies angekündigt war. Die Trennungsrechnung, die wir mit unserem Gesetzentwurf vorschlagen, ist auch die Voraussetzung dafür, daß im Infrastrukturbereich gleichwerDaubertshäuser tige Wettbewerbsbedingungen für die konkurrierenden Verkehrsträger hergestellt werden. Wir wollen die Wettbewerbsbedingungen der Verkehrsträger Schiene, Straße und Wasser angleichen. Deshalb schlagen wir vor, daß der Bund auch die Investitionskosten des Schienennetzes zu übernehmen hat. Wir wollen den Ausbau des Schienenwegenetzes der Bundesbahn gesetzlich absichern. Er soll also künftig als Bedarfsplan für einen Fünfjahreszeitraum vom Deutschen Bundestag beraten und als Gesetz beschlossen werden. Das Verfahren zum Ausbau des Schienenwegenetzes wird damit dann an das Verfahren zum Ausbau der Bundesfernstraßen angeglichen. Durch die gesetzliche Absicherung der Ausbauplanung der Deutschen Bundesbahn erhalten deren Planungsarbeiten dann auch eine feste Grundlage, d. h. die Kontinuität des Planungsprozesses wird verbessert, die Verbindlichkeit der Planungen wird erhöht, und der vom Parlament beschlossene Ausbau des Schienenwegenetzes gibt den Planungen, Herr Dr. Jobst, ein höheres Gewicht, und erleichtert der Bahn es auch, die beschlossenen Vorhaben zu realisieren. ({15}) Meine Damen und Herren, ohne die Steigerung der Investitionsfähigkeit der Deutschen Bundesbahn werden Sie die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens nicht herstellen können. ({16}) Wenn Sie heute die angeblichen Konsolidierungserfolge bei der Bundesbahn als großartiges Regierungsergebnis darstellen werden, dann wird der Öffentlichkeit damit Sand in die Augen gestreut; denn in der Jahresrechnung 1983/84 ist sehr schnell nachlesbar, daß die angeblichen Konsolidierungserfolge ausschließlich auf der Aufwandseite zu suchen sind, d. h. durchschlagende Ertragssteigerungen sucht man vergeblich. Im Jahre 1983 sind die Erträge gegenüber dem Jahr 1982 sogar gesunken. Die Bahn hat auch keine neuen wesentlichen Verkehrsanteile hinzugewinnen können. Das heißt, die Verringerung der jeweiligen Jahresfehlbeträge 1983 und 1984 ist fast ausschließlich auf Grund von Aufwandsverringerungen zustande gekommen, und zwar durch Reduzierung der Sachausgaben für Fahrzeuge mit ca. 200 Millionen DM und bei den Löhnen mit ca. 350 Millionen DM. Hier liegt der Grundstock für die sogenannten Konsolidierungserfolge. Jedem, auch dem wenig Sachkundigen, ist klar, daß ein solches Sanierungsprogramm nur über einen sehr, sehr kurzen Zeitraum aufrechterhalten werden kann. Die Unterhaltsausgaben für die Infrastruktur und für die Fahrzeuge lassen sich nur temporär drosseln, und ein Personalabbau stößt auch unausweichlich auf Grenzen. Dieser Kurs, bereits zwei Jahre gefahren, zeigt, daß diese Art von Konsolidierungsspielräumen bald ausgereizt ist. Darauf dann so, wie Sie das tun, eine zukunftsweisende Bahnpolitik gründen zu wollen kann nur die befriedigen, die Freude an einem Strohfeuer haben. Dies ist jedoch auf Dauer gesehen kein haltbarer Weg zur Gesundung des Unternehmens. ({17}) Meine Damen und Herren, ich wehre mich auch gegen die irreführenden Äußerungen, die Bundesbahn erhalte im Zeitraum bis 1990 vom Eigentümer Bund 40 Milliarden DM für Investitionen. Franz Josef Strauß hat zu Recht beanstandet, daß die Investitionszuschüsse des Bundes an die Bahn real sinken. Von dem Investitionsvolumen der Deutschen Bundesbahn in der Größenordnung von 42 Milliarden DM, das den aktuellen Bahnschätzungen von 1984 bis 1990 zugrunde liegt, erhält die Bahn nicht 40 Milliarden DM vom Eigentümer Bund, wie Sie es in der Öffentlichkeit darstellen, sondern lediglich etwa 26 Milliarden DM. Es ist auch nicht so, wie dieser Tage in den Medien zu lesen war, daß eine Akzentverschiebung in der Verkehrsinvestitionspolitik, nämlich weg von der Straße hin zu der Schiene, von Ihnen geplant sei und nun erstmals die Schiene in der Investitionspolitik vor dem Straßensystem rangiert. Damit versuchen Sie dann, Ihr Nichthandeln im politischen Entscheidungsbereich zu rechtfertigen. Auch dies ist nicht haltbar, weil Sie hier Äpfel mit Birnen vergleichen. Die realen Zahlen zeigen nach wie vor eine Dominanz des Verkehrssystems Straße. In dem Zeitraum von 1986 bis 1995 betragen die Investitionszuschüsse des Bundes für die Bahn 38,5 Milliarden DM und für die Straße die ungleich höhere Summe von 62,2 Milliarden DM. Das ist Tatsache. ({18}) - Ich habe hier schon einmal gesagt, Herr Kollege Lemmrich: Wenn Sie unser Angebot ernst nehmen und aufnehmen, kann dies der Beginn für größere Gemeinsamkeiten und für ein fraktionsübergreifendes Zusammenwirken in der Bahnpolitik sein. Die Haushaltspolitik und die Wirtschaftspolitik müssen anerkennen, daß nur eine funktionierende Verkehrswirtschaft die Basisdienstleistung ist, die unsere gesamte Volkswirtschaft benötigt. Diese Basisfunktion fällt in den Verfassungsauftrag des Staates, für die Gleichheit der Lebenschancen zu sorgen. Der Staat hat ein vernünftiges Verkehrssystem zu garantieren. Es muß regional umfassend sein, und zwar nicht nur zeitweilig, sondern ständig und verläßlich, so daß der Bürger und die Wirtschaft darauf Entscheidungen aufbauen können. Nur so sind berechenbare Zukunftsentscheidungen überhaupt erst möglich. Rationalisierung und Marketingkonzepte allein reichen als Unternehmenskonzept nicht aus. Sie können erst recht kein politisches Gesamtkonzept ersetzen. Bei dem entsprechenden politischen Willen sind die Probleme der Deutschen Bundesbahn zu lösen. Das erwarten die Eisenbahner von uns, vom Eigentümer Bund, zu Recht. Wir wollen mit unseren Gesetzentwürfen den politischen Nachholbedarf, der besteht, schließen. Wir wollen dem Unternehmen Deutsche Bundesbahn umfassende politische Rückendeckung geben. Unsere Gesetzentwürfe stellen die Weichen für eine neue Bahn. Wir bringen damit die Bahn auf das Überholgleis. ({19}) Sie, meine Damen und Herren, haben es mit Ihrer parlamentarischen Mehrheit in der Hand, im Jahr des 150. Jubiläums der Deutschen Bundesbahn mit uns gemeinsam die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft der Deutschen Bundesbahn zu stellen. Vielen Dank. ({20})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Straßmeir.

Günter Straßmeir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin den Oppositionsparteien sehr dankbar, daß sie uns mit ihren Anträgen ermöglicht haben, sozusagen rechtzeitig zum Bahnjubiläum heute noch einmal über die Deutsche Bundesbahn zu diskutieren - also wegen des Jubiläums, und nicht, weil ich in Ihren Anträgen einen tieferen Sinn zu erkennen vermag. ({0}) Deswegen möchte ich von dieser Stelle aus so wie Sie, Herr Kollege Daubertshäuser - ich glaube, Sie hätten in unser aller Namen sprechen dürfen, und wir hätten ihnen Beifall gezollt -, den Angehörigen der Deutschen Bundesbahn für die Leistungen in der Vergangenheit Dank sagen und ihnen für die Zukunft für ihre Arbeit alles nur erdenklich Gute wünschen. ({1}) - Sehr liebenswürdig! Die Deutsche Bundesbahn präsentiert sich als ein aktives und repräsentatives Unternehmen im Jubiläumsjahr. Nun stellen Sie sich einmal vor, wir hätten dieses Jubiläum unter Ihrer Regierungsägide begehen müssen. Eine Trauerveranstaltung wäre das geworden. ({2}) - Es gab doch, Herr Abgeordneter Vogel, unter Ihrer Regierungsverantwortung jene tödliche Linie von sinkenden Erträgen, rapidem Ansteigen der Schulden. ({3}) Finanzieller Ruin stand bevor. ({4}) Wer hat „Kahlschlag" in die Debatte eingeführt? Der Kollege Hauff, nicht wir. Die Deutsche Bundesbahn war bei unserem Regierungsantritt das Haushaltsrisiko Nummer eins geworden, und sie war auf dem Weg, uns jede verkehrspolitische Option zu nehmen. Die Bundeszuschüsse betrugen 1970 - ich sage das für diejenigen, die in der Regierung gesessen haben - 3,9 Milliarden DM, im Jahre 1980 und folgende 13 Milliarden DM. Heute steigen die Erträge, und das nicht nur auf Grund von Rationalisierungseinsparungen durch Personalkosten. Es ist unredlich, Herr Kollege Daubertshäuser, das zu sagen. ({5}) Die Schulden stagnieren. Vor diesem Hintergrund ist das kontinuierliche Sinken des Jahresfehlbetrages nicht nur eine Hoffnung für die Kunden, sondern zugleich auch eine Ermutigung für die Angehörigen der Deutschen Bundesbahn. ({6}) Ich möchte allen Dank sagen, die mit sehr viel Aufopferung zu diesem Ergebnis beigetragen haben: ({7}) den Mitarbeitern der Deutschen Bundesbahn. Ihnen gebührt Dank dafür, daß sie zusätzlichen Aufwand geleistet haben, daß sie zum Teil auch andere Arbeit angenommen haben und daß sie weitere Wege als bisher zu ihrer Arbeitsstätte in Kauf genommen haben. Wenn Sie, meine Damen und Herren, weiter hätten wursteln dürfen, ({8}) hätten wir eine Verschuldung von 90 Milliarden DM gehabt, so wie Sie das selbst prognostiziert haben. Im gegenwärtigen Zeitpunkt ist bei der Verschuldung sogar eine Trendumkehr zu erwarten. Im Jahre 1984 hat es keine neue Nettokreditaufnahme gegeben. Im Gegenteil - stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten ein einziges Mal ein solches Ergebnis verkünden können -: Es hat eine Senkung der Neuverschuldung um 80 Millionen DM gegeben, und die Erträge sind in den Jahren 1983 und 1984 jeweils annähernd präterpropter um 500 Millionen DM gestiegen. Das sind eben nicht nur - das werden wir in den Ausschußberatungen sehr deutlich machen - die Folgen von Rationalisierungseinsparungen auf der Personalseite. Sie haben das ja auch zart angedeutet. Das alles zeigt, daß die Konsolidierungspolitik vor dem Hintergrund der Leitlinien auf dem richtigen Weg ist. Ich möchte an dieser Stelle dem Herrn Bundesminister Dr. Dollinger für seine mutige Entscheidung des Jahres 1983 sehr, sehr herzlich danken. ({9}) Das heißt aber doch auch, Herr Kollege Daubertshäuser, daß das Bundesbahngesetz in der jetzigen Fassung der Lage der Deutschen Bundesbahn und ihrer notwendigen Entwicklung gerecht wird. Sie hätten doch der Redlichkeit halber sagen sollen, daß auch wir dem Änderungsgesetz zum Bundesbahngesetz zugestimmt haben. Ich wünschte, Sie wären nach einer heftigen Diskussion auch nur einmal in der Lage, unseren Gesetzentwürfen zuzustimmen. Das wäre der Bahn vielleicht dienlicher. ({10}) Jetzt, nachdem Sie 20 Jahre lang - zuerst mit uns gemeinsam, dann über 16 Jahre in der alleinigen Verantwortung - Verkehrspolitik betrieben haben, kommen Sie daher und sagen, wir müßten endlich die Altschulden beseitigen. Sie legen dazu einen Gesetzentwurf vor. ({11}) Ich sage Ihnen, das ist ein Problem, das auch uns bewegt, auch schon wegen des Erscheinungsbildes der Deutschen Bundesbahn. Aber unsere Haushaltskonsolidierung - das sage ich im Gegensatz zu Ihnen - ist noch nicht so weit, daß wir dieses Problem jetzt anpacken können. ({12}) Im übrigen, Herr Kollege, ist das nach meiner Meinung ein rein theoretisches Problem. Es ist ja beschrieben, angepackt. In der Regierungserklärung heißt es: Es ist auch an der Zeit, daß der Bund als Eigentümer der Bundesbahn die durch den Wiederaufbau nach dem Krieg bei ihr entstandene Schuldenlast abnimmt. ({13}) Es war die Regierungserklärung des Bundeskanzlers Willy Brandt vom 28. Oktober 1969. Nun frage ich Sie: Was haben Sie denn in den 15 Jahren gemacht? Jetzt, wo Sie auf der Oppositionsbank sitzen, nachdem Sie uns ein trauriges Erbe hinterlassen haben, wollen Sie uns auf einmal zumuten, in zwei Jahren das zu bewegen, was Sie während der ganzen Zeit verabsäumt haben. ({14}) Ich darf Ihnen sagen: Wir werden Ihre Vorschläge prüfen. Aber Sie werden doch Verständnis dafür haben, daß wir skeptisch sind, wenn sich die Bankrotteure plötzlich als Sanierer des Unternehmens anbieten und Vorschläge machen. ({15}) Nun wollen Sie das Bundesbahngesetz erneut ändern. Sie wollen einen Aufsichtsrat schaffen. Wir werden darüber beraten. Aber ich sage Ihnen schon an dieser Stelle, daß das u. a. auch auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt. Die Aufstockung des Aufsichtsrats auf 25 Mitglieder ist mit einer wesentlichen Verringerung der bisherigen Genehmigungsvorbehalte des nach Art. 65 GG verfassungsmäßig verantwortlichen Bundesministers für Verkehr verbunden. Es geht also nicht nur um eine Änderung zugunsten etwa der Arbeitnehmer, sondern hier geht es u. a. auch um den Wunsch von Ihnen, die Kompetenzen zu verlagern. Wir werden, wenn dies in die Beratungen geht, sehr auf der Hut sein. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten Ihre Zeit besser verwenden, als pausenlos Gesetzesinitiativen hervorzubringen. ({16}) Ich meine, Sie werden es nie lernen und Sie können es wohl auch nicht lassen, zu glauben, daß man etwas immer nur mit Reglementierungen bewegen kann. ({17}) Dieses Bündel von Gesetzen, das Sie vorlegen, wäre dann das siebte erfolglose Sanierungskonzept auf dem Papier. Unsere Politik ist anderer Art. ({18}) Wir setzen auf praktisches Handeln, wir setzen auf Verständigung und Kooperation, ({19}) wir setzen auf solide Finanzierung. Dies ist das, was in den Leitlinien festgeschrieben ist. Diese Politik werden wir weiterverfolgen. ({20}) Jetzt kommen Sie und möchten auch noch ein Gesetz über den Ausbau des Schienenwegenetzes der Deutschen Bundesbahn. Nun, wir haben Ihnen gesagt: Der Vorstand, die Mitarbeiter der Bundesbahn sind aktiv. Die Bundesregierung hat die Rahmenbedingungen abgesteckt, die Finanzierungen vorgegeben. Allein die Tatsache, daß sich die Investitionen der Bundesbahn von 4,2 Milliarden DM im Jahre 1982 auf 5,9 Milliarden DM im Jahre 1985 erhöht haben, zeigt, mit welcher Priorität wir die Bahninvestitionen berücksichtigen. Im Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes ist auch angedeutet, daß wir 34 Milliarden DM aufwenden werden. Im übrigen ist hier eine Umkehr zu verzeichnen: Im Bundesverkehrswegeplan der Jahre 1976 bis 1985 hatte die Straße Vorrang, im Bundesverkehrswegeplan von 1986 bis 1995 wird die Bundesbahn das Schwergewicht ausmachen. Deswegen glaube ich, daß es überflüssig ist, wenn Sie nun - etwa nach dem Muster des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen - einen Gesetzentwurf über den Ausbau des Schienenwegenetzes vorlegen. Wenn die Bahn aktiv ist, wenn die Regierung handelt, braucht man eine solche Gesetzesinitiative nicht. Und wenn wir im Jahre 1981 diesem Gedanken nähergetreten sind, dann geschah das ganz einfach deshalb, weil die damalige Regierung eben nicht handelte. Die Situation damals war etwa vergleichbar mit der, die zur Klage des Europäischen Parlaments gegen die Europäische Kommission wegen Untätigkeit geführt hat. Heute allerdings würde eine solche Initiative die Bahn in ihrer Flexibilität einengen. Deswegen ist dieser Gesetzentwurf überflüssig. Meine Damen und Herren, es gibt im Jahr des Jubiläums viel Gutes zu berichten. Aber das heißt nicht, daß damit alle Wünsche erfüllt sind. Es muß auch weiterhin daran gearbeitet werden, ein qualitativ hochwertiges Produktangebot hervorzubringen. Wir brauchen eine bessere Ausnutzung der Kapazitäten, wir brauchen bedarfs- und wettbewerbsorientierte Angebots- und Servicestrategien, und wir brauchen eine selektive Preispolitik. Dies sind die Aufgaben für die Zukunft. Wir werden gemeinsam, Regierung und Koalitionsfraktionen, einen Beitrag dazu leisten, daß die Bundesbahn modern, kundenorientiert, umweltfreundlich und sicher in das dritte Jahrtausend fährt. Herzlichen Dank. ({21})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Senfft.

Hans Werner Senfft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002162, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man hier so zuhört, dann hat man das Gefühl: Thema verfehlt. Es macht in einer Bahndebatte doch wohl überhaupt keinen Sinn, hier nichts anderes als gegenseitige Schuldzuweisungen hinsichtlich der Fehler in der Vergangenheit zu hören. Das ist völlig überflüssig und hat mit dem Thema nichts zu tun. Zudem ist es so, daß Sie beide recht haben: Sowohl die SPD als auch die CDU hat mit ihren Schuldzuweisungen recht. Denn in den letzten 30 Jahren haben alle Parteien und alle Bundesregierungen im Verkehrsbereich eine total verfehlte Politik gegen die Bundesbahn betrieben. ({0}) Das ist heute nicht anders als in der Vergangenheit. Die CDU/CSU macht heute in der Regierung letzten Endes auch nichts anderes, als es die SPD 13 Jahre lang vorher getan hat. Es hat sich absolut nichts geändert. ({1}) Meine Damen und Herren, wir haben Jubel, Trubel, Heiterkeit im Jubiläumsjahr der Bahn. Wenn man sich die Festreden, die Sonntagsreden anhört, dann hat man den Eindruck: Ganz Deutschland ist vehement für die Bahn, das Auto spielt keine Rolle mehr, ganz Deutschland jubelt. Aber auf wessen Rücken wird das ausgetragen? Es wird auf dem Rücken der Eisenbahner ausgetragen, und es wird auf dem Rücken der Kunden ausgetragen, denen immer mehr Nahverkehrszüge und Strecken aus ihrem Fahrplan gestrichen werden. Sie sind die eigentlich Notleidenden dieser verfehlten Bundesbahnpolitik. So sieht es aus. ({2}) Meine Damen und Herren, ich möchte einmal kurz die Realität skizzieren, damit wir von dieser rosaroten Wolkentheorie wegkommen, die im Hinblick auf die Bahn verbreitet wird. Bis 1990 sind 7 000 km Streckenstillegungen im Reisezugverkehr von der Regierung geplant. Realisiert sind bis jetzt schon über 1 000 km. Geplant sind ferner 6 000 km Streckenstillegungen im Güterzugverkehr. 1 500 Lokomotiven sollen abgeschafft oder verschrottet werden. 3 000 Reisezugwagen und 50 000 Güterzugwagen - weg damit, auf den Schrott, Abbau. Das ist der von dieser Bundesregierung geplante Schrumpfkurs. ({3}) Was sind die Folgen? Schauen wir uns einmal allein die Arbeitsplätze an. Während Ihrer zweij äh-rigen Regierungszeit haben Sie schon 25 000 Arbeitsplätze bei der Bahn abgebaut, vernichtet. ({4}) Kein Mensch redet darüber. Wenn auch nur für 1 000 Arbeitsplätze bei Ford oder irgendeiner anderen Automobilfirma Kurzarbeit eingeführt wird, dann ist das Geschrei groß. Wenn aber innerhalb von zwei Jahren 25 000 Arbeitsplätze bei einem staatlichen Betrieb - es ist ja kein Unternehmen, sondern ein Staatsbetrieb - vernichtet werden und bis 1990 weitere 60 000 Arbeitsplätze locker abgebaut werden, dann kräht kein Hahn danach. ({5}) Da hilft auch kein verbaler Dank an die Eisenbahner. Beispielsweise haben die Auszubildenden bei der Bahn überhaupt nichts davon, wenn sie nach der Ausbildung auf die Straße geschmissen werden. Dann haben sie nichts von Ihren schönen Worten. So sieht es doch aus. ({6}) Lassen Sie mich jetzt dazu Stellung nehmen, wie die „neue Bahn" aussehen wird. Sie wird ein Luxusverkehrsmittel im Fernverkehr für die Leistungseliten sein, die sich das noch leisten können. Dann gibt es Intercity-Züge mit Btx-Bildschirmplätzen, mit Telefon am Platz usw. Darauf beschränkt es sich. Das Geld, das wir zur Erfüllung sozialer Aufgaben so nötig brauchen, verbauen Sie für Luxusschnellbahntrassen. Das ist eine überzogene, eine überspitzte Planung, die wir in dieser Form ablehnen. ({7}) Neun von zehn Reisenden sind Reisende im Nahverkehr. Das sind Schüler, die mit der Bahn zur Schule fahren, das sind Berufstätige, die mit der Bahn im Nahverkehr zur Arbeit fahren, das sind Familien, das sind Mütter mit Kindern, die zum Einkaufen fahren, und das sind Leute, die mit der Bahn in Naherholungsgebiete fahren. Darauf sollten Sie das Schwergewicht legen; denn hier liegen die wirklichen Bedürfnisse der Menschen. Das erleben Sie überall dort, wo eine Strecke stillgelegt werden soll, und überall dort, wo Züge gestrichen werden, weil dann die Leute betroffen sind. Anstatt in eine Neubaustrecke für eine Zeitersparnis von zum Teil nur einer Minute 100 Millionen DM zu investieren, sollten Sie das Geld lieber investieren, um den Personennahverkehr in der Fläche attraktiver zu gestalten. Das Motto der „neuen Bahn" heißt: halb so schnell wie das Flugzeug, doppelt so schnell wie das Auto. Ich möchte Ihnen folgendes sagen: Wenn wir im Nahverkehr in der Fläche heute eine Geschwindigkeit halb so schnell wie das Auto und doppelt so schnell wie das Mofa hätten, wäre das schon ein Fortschritt. So schlimm sieht das heute auf diesen Strecken aus. Dort muß endlich investiert und eine attraktivere Gestaltung erreicht werden. ({8}) Wir müssen hinzufügen, daß wir die Bundesbahnpolitik nicht isoliert sehen dürfen. Bundesbahnpolitik ist Verkehrspolitik. Diese Politik muß integiert betrieben werden. ({9}) Wenn es stimmt, daß Sie vorhaben, der Bahn eine Renaissance zu bescheren und den Verkehr mehr und mehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, dann frage ich Sie: Wozu brauchen Sie dann noch neue Straßen? Die brauchen Sie dann nicht, weil Sie die Straßen entlasten würden, wenn Sie den Verkehr wirklich auf die Schiene verlagerten. Aber das haben Sie gar nicht vor. Statt dessen soll der Verkehr auf der Straße steigen, der Güterverkehr um 50 %. Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Die Marktanteile der Bahn sollen sich bis 1990 weiter zu Lasten der Bahn und zugunsten des Straßengüterfernverkehrs verschieben. Dabei wäre heute die Aufgabe für die Zukunft, endlich mit der Forderung, die man in allen Sonntagsreden immer wieder hört, ernst zu machen: Wir müssen den Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. - Alles schöne Worte, seit 15 Jahren. Getan wurde gar nichts. - Das Gegenteil ist der Fall: Der Straßengüterfernverkehr wächst und wächst und wächst. Und auch diese Regierung beabsichtigt in keinster Weise, etwas dagegen zu unternehmen. ({10}) - Das hat er nicht nötig. Er versteht wahrscheinlich auch gar nicht, was ich hier ausführe. ({11}) Meine Damen und Herren, ich möchte noch etwas zu den gesellschaftlichen Kosten des Autoverkehrs und zu dem sogenannten Bahndefizit sagen; denn wenn man die Rechnung einmal richtig aufstellt, ist es so, daß die Bahn kein Defizit einfährt. Sie fährt vielmehr jedes Jahr 2 Milliarden DM Gewinn ein, wenn man die Rechnung mal korrekt macht. ({12}) - Volkswirtschaftlich gesehen macht die Bahn 2 Milliarden DM Gewinn. Aber Sie sehen das ja mit dieser Scheuklappentheorie der Betriebswirtschaft. ({13}) Auf der anderen Seite gibt es im Straßenverkehr 50 Milliarden DM soziale Folgekosten, die die Allgemeinheit zu zahlen hat. ({14}) - Ja, nehmen wir nur einmal das Waldsterben und Ihr sogenanntes umweltfreundliches Auto. Wir haben doch schon gestern gehört, wie das den Bach runtergeht mit Ihrem umweltfreundlichen Auto, das auch kein umweltfreundliches Auto sein wird, wenn da ein Katalysator eingebaut ist. ({15}) - Dann darf ich Sie einmal fragen: Ist für Sie ein Katalysatorauto umweltfreundlich, wenn es nach wie vor auf der Straße 8 000 Tote gibt, wenn nach wie vor der Lärm da ist, wenn nach wie vor Straßen gebaut werden? Ist das umweltfreundlich? ({16}) Die Alternative zu dem ausufernden Straßenverkehr kann nur die breite und massive Förderung des öffentlichen Verkehrs sein, nicht nur der Bahn, sondern auch des übrigen öffentlichen Personennahverkehrs. Aber was erleben wir heute? Genau das Gegenteil davon. Welch absurde Vorstellung: die Wälder sterben, und Sie bauen das umweltfreundlichste Verkehrsmittel, die Bahn, ab. Es ist vollkommen absurd und unverantwortlich, daß Sie noch weitere Streckenstillegungen durchführen. ({17}) - Genau, das ist Lobbypolitik par excellence. Herr Lemmrich, ich weiß, was eine Diesellok an Abgasen von sich gibt. Die verbraucht 250 l. Und es ist ganz allein Ihre Verantwortung, daß Sie eine 1 500-PS-Lok mit einem Reisezugwagen fahren lassen und keine neuen Triebwagen bestellen, die nur ein Fünftel der Energie verbrauchen, die diese Diesellokomotive verbraucht. Das ist die Realität. ({18}) - Der Informationsstand ist: Die neuen Triebwagen der Bahn sind seit sieben Jahren in Dänemark im Einsatz. Jetzt sollen sie endlich auch hier kom10550 men. Es wäre besser, wenn Sie die früher bestellt hätten. ({19}) - Das ist Ihre Theorie. Sehr richtig, Herr Hoffie, das ist Ihr Niveau, wenn Sie der Meinung sind, sie müßten uns klar machen, daß der Strom aus der Steckdose komme. ({20}) Ich komme jetzt zu dem entscheidenden Punkt, auf den ich mich konzentrieren möchte, unseren Entschließungsantrag, der das fordert, was sowieso ganz Deutschland fordert. ({21}) - Auch Sie. Alle fordern einen Streckenstillegungsstopp. Alle fordern: Die Bahn muß bleiben. ({22}) Wir beantragen heute deshalb den Erhalt des Reisezugbetriebes auf allen Strecken, die bislang noch nicht stillgelegt worden sind. Gott sei Dank gibt es noch ein paar. ({23}) Wir vertreten damit die Forderungen aller betroffenen Kommunen, aller betroffenen Kreise, die Forderungen von Herrn Jaumann, Herrn Strauß, der Länderverkehrsminister, und wir vertreten die Auffassung, die Sie immer in Ihren Wahlkämpfen äußern, wo Sie mit aller Entschiedenheit und voller Kraft für den Erhalt der Strecke in Ihrem Wahlkreis kämpfen. Das ist bei fast allen Abgeordneten, die hier im Saal sitzen, der Fall. Es ist diese Doppelzüngigkeit, daß Sie vor Ort den Leuten eine Bahn versprechen und dafür eintreten ({24}) - ja -, eine bessere Bahn, während Sie hier, an dieser Stelle, der Bahn die politischen Rahmenbedingungen verweigern, die sie braucht, um das durchzuführen, was Sie vor Ort den Bürgern versprechen. Das ist eine Doppelzüngigkeit, und das muß endlich ein Ende haben! ({25}) Ich kann jetzt schon sagen - das werde ich gleich noch ausführlich begründen - , daß wir natürlich eine namentliche Abstimmung herbeiführen, damit die Bürger in ihrem Wahlkreis auch einmal die Möglichkeit haben, zu sehen, ob Sie die Versprechungen, die Sie im Wahlkreis machen, auch hier in Bonn so hartnäckig, mit voller Kraft und - wie Sie das immer betonen - mit kämpferischem Widerstandsgeist vertreten und damit für die Bahn eintreten. Darauf werde ich also gleich noch etwas ausführlicher zu sprechen kommen. Wie gesagt, wir fordern, daß mit den Streckenstillegungen der Bahn endlich Schluß ist. Wir brauchen eine Wende in der Verkehrspolitik, wir brauchen nicht weniger Bahn, sondern mehr Bahn, und wir brauchen eine bessere, attraktivere Bahn, und zwar nicht nur auf den Hauptstrecken und in den Ballungsgebieten, sondern auch in den ländlichen Räumen. ({26})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoffie.

Klaus Jürgen Hoffie (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000935, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine dreistündige Eisenbahndebatte im Deutschen Bundestag, das ist ein Beitrag der Politik zum Jubiläumsjahr, weil alle Fraktionen dieses Hauses das ehrliche Bedürfnis haben, diesem Unternehmen mit seinen über 300 000 Mitarbeitern zu gratulieren sowie Dank und Anerkennung für vielfältige Leistungen auszusprechen, die jahrelang auch im Streit der Politik oft genug nicht nur zerredet worden, sondern auch untergegangen sind. Es ist gut, daß sich die Politik darauf besinnt, daß gerade sie mit der Darstellung der Bundesbahnpolitik erhebliche Beiträge auch zur Verbesserung des Erscheinungsbildes und zur Akzeptanz dieses Unternehmens in der breiten Öffentlichkeit leisten will, und da kann man nur hoffen, daß dies nicht nur im Jubiläumsjahr und nicht nur auf der Grundlage von Anträgen geschieht, die - wie die hier heute vorliegenden - keinen vernünftigen Beitrag zur Verbesserung der Ergebnisse der Bahn leisten können. ({0}) Meine Damen und Herren, deshalb will ich mich zuerst mit diesen Anträgen auseinandersetzen. Ein entschiedenes Nein setzt die FDP den Antragsforderungen von SPD und GRÜNEN entgegen, wo es um die Kernpunkte Ihrer Forderungen geht, nämlich darum, das Sondervermögen Deutsche Bundesbahn durch Übernahme der Altlasten mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt zu entschulden. Das, meine Damen und Herren, ist die Spitze der Selbstverleugnung nach 13 Jahren sozialdemokratischer Bahnpolitik, die ja Jahr für Jahr auch uns, dem damaligen Koalitionspartner, gegenüber begründet hat, warum es keinen Sinn hat, Schulden und Kosten lediglich von einem auf den anderen Haushalt zu verlagern; denn damit wäre zwar der Bahnhaushalt zunächst saniert, aber der Bundeshaushalt ruiniert, und im Ergebnis würde deshalb noch kein einziger Bundesbahner unter besseren Bedingungen arbeiten können, würde keine einzige Tonne Fracht mehr befördert werden, würde kein einziger Bürger vom Auto auf die Bahn umsteigen, ließe sich der Ertrag im Endergebnis um keine einzige Mark steigern. Meine Damen und Herren, das, was sozialdemokratische Verkehrsminister und was auch der Kollege Ernst Haar hier 13 Jahre lang kontinuierlich gepredigt haben, nämlich auch eine verantwortungsbewußte Finanzpolitik für die Bahn, wird nicht dadurch falsch, daß die SPD heute in der Opposition sitzt, noch dazu in einer Zeit, in der die Haushaltskonsolidierung das erklärte Regierungsziel ist. Ein entschiedenes Nein der FDP gilt auch der SPD-Forderung nach einer Änderung der Unternehmensverfassung mit dem Ziel, die paritätische Mitbestimmung im Verwaltungsrat dieses öffentlichen Dienstleistungsunternehmens durchzusetzen. ({1}) Nein sagen wir auch zu einem Schienenwegebedarfsgesetz, das ja nicht mehr ist als ein Schritt zu neuer Bürokratisierung und mit dem nicht mehr erreicht wird, als die vorhandenen Instrumente des Haushalts, des Wirtschaftsplans und des Verkehrswegeplans schon heute hergeben. Ein Bedarfsgesetz für den Schienenweg ist auch deshalb unsinnig und geradezu schädlich, weil das Gesamtinteresse der Bundesbahn für künftige Neubaustrecken auf keinen Fall den widerstreitenden Länderegoismen geopfert werden darf und es sich hier nicht wie bei Straßen um Auftragsverwaltung des Bundes handelt. Andererseits, meine Damen und Herren, lassen die SPD-Anträge Übereinstimmung erkennen, soweit sie jetzt aus der Oppositionsrolle heraus alte FDP-Forderungen übernehmen ({2}) - ich komme gleich darauf zu sprechen; dann werden wir fragen, warum das früher anders war -, die die SPD in der Regierungsverantwortung zurückgewiesen hatte. Das gilt für die Trennungsrechnung. Die haben wir damals gefordert, aber nicht bekommen. Das gilt auch für die .Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Lasten, soweit sie neu entstehen und das Ergebnis der Bundesbahn verschlechtern. Das ist genau das, was die FDP 1978, also vor sieben Jahren, in ihren zwölf Thesen zur Gesundung der Deutschen Bundesbahn vorgelegt hatte. Damals hatten wir die Verantwortung des Bundes für den Schienenweg gefordert. Wir wollten eine klare Trennungsrechnung, personelle Resultatsverantwortung sowie Kosten- und Erfolgskontrolle. Wir wollten den Abbau von Wettbewerbsverzerrungen, die Abkehr von Vorstellungen, die Bahn sei ein Universalunternehmen, das sich an jeder Art von Verkehr zu beteiligen habe. Damals sind wir an Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, gescheitert, die Sie sich ja auch nicht gescheut haben, mit Gutachten den Beweis dafür anzutreten, daß vor allem die Trennung von Fahrweg und Betrieb, für die wir uns stark gemacht hatten, wie es damals wörtlich in dem Ergebnis des Gutachtens hieß, „nicht realisierungswürdig" sei. ({3}) - Herr Kollege Daubertshäuser, heute verlangt der Vorstand der Deutschen Bundesbahn genau dies, daß nämlich die Bahn für ihre Strecken nur insoweit zahlt, wie sie genutzt werden. Außerdem fordert der Vorstand, daß sich die Bahn von einer Behörde zu einem wettbewerbsorientierten Leistungsunternehmen wandelt, daß sich die Bahn nicht als Bauchladen für Transportangebote, sondern als Markenartikler versteht und die bahnspezifischen Vorteile zum Konzept erhebt. Unser Nein, meine Damen und Herren, gilt erst recht für die Forderung der GRÜNEN, die in ihrem vorgelegten Bundesbahnsanierungsgesetzentwurf gleich zweistellige jährliche Milliardenbeträge aus dem Bundes- in den Bahnhaushalt transferieren wollen. Wer das bezahlt, ist in früheren Debatten oft genug gesagt und auch heute hier erklärt worden. Das ist nämlich der Autofahrer, der dann mit mehr als 20 Pf Erhöhung der Mineralölsteuer zur Kasse gebeten wird. ({4}) Dem liegt der Irrglaube zugrunde, die Bahn lasse sich am besten durch Verteufelung des Autos und Beseitigung der Arbeitsplätze in der Automobilindustrie sanieren. - Weil ich nur wenige Minuten Zeit habe, in denen ich hier für meine Fraktion reden kann, beantworte ich Ihre Fragen alle am Schluß der Debatte, wenn dazu dann noch Zeit ist. Ich setze mich dann gern mit Ihnen auseinander. Alte Bekannte treffen wir auch bei den übrigen Anträgen der GRÜNEN wieder, die auf Einstellung der U-Bahn-Förderung zielen und sich dabei dann noch an die falsche Adresse richten, weil die Planungshoheit für den kommunalen ÖPNV bei den Kommunen liegt, ({5}) der Verkehrsminister auf Vorschlag der Länder handelt und ihm kein einziger Fall genannt werden kann, der die Förderungsvoraussetzungen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes nicht erfüllt. Und wieder begegnen wir in dieser Debatte einem Baustoppantrag für ein Kanalprojekt - diesmal betrifft es den Kanal an der Saar - mit der alten Begründung, die Bahn müsse vor Wettbewerb mit der Binnenschiffahrt geschützt werden ({6}) - und den gibt es ja nicht, wenn man bestimmte Verkehrsmittel nicht mehr in der Konkurrenz sehen will -, ohne Rücksicht darauf, daß der Saarkanal eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit der saarländischen Montanindustrie ist und eine Bauruine von mehr als 72 der insgesamt 90 km auch zu größeren Landschaftseingriffen und -zerstörungen führen würde als die Fertigstellung. ({7}) Die neue Bahn hat Zukunft. Aber die Existenzberechtigung für das heute 150 Jahre alte Unternehmen und das Vertrauen in das traditionsreichste Stück deutscher Verkehrsinfrastruktur lassen sich nicht mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt kaufen, lassen sich nicht erreichen durch ständige Fortschreibung des Monopols der unrentablen Leistungen, nicht mit dirigistischer Lenkung und nicht mit Schutzzäunen gegen Wettbewerber. Das hat Herr Dr. Abs, den Sie, Herr Daubertshäuser, in der Bahnpolitik zum Zeugen anrufen, in seiner Jubiläumsrede sehr treffend gesagt, in einem überzeugenden Appell, sich wieder auf die unternehmerischen Tugenden der Entstehungsjahre zurückzubesinnen, den Mut zu mehr Markt und freiem Wettbewerb aufzubringen und die Eisenbahnbehörde zu einem Unternehmen zu machen, das wie in seinen Gründerjahren nach den Maßstäben privatwirtschaftlicher Verantwortung eigendynamisch und eben nicht als Verwaltungsapparat geführt wird, verbunden mit einer ganz klaren Absage an Diktatur, an Dirigismus und Bürokratismus, wie es Herr Abs dort formuliert hat. Die Bahn, meine Damen und Herren, hat Zukunft, wenn wir alle, wenn Regierung und Opposition, aber auch Gewerkschaften Schluß machen mit der Wiederholung alter Fehler, der Wiederholung alter Forderungen und Rezepte, wie sie sich zu großen Teilen auch in den vorliegenden Anträgen widerspiegeln. Für bessere Voraussetzungen hat der Vorstand der Bahn die Weichen gestellt. Daß er damit Erfolge einfährt, die man noch vor einigen Jahren für unmöglich gehalten hat, ist eindeutig bewiesen. ({8}) 600 Millionen DM Ergebnisverbesserung im letzten Jahr ({9}) - nicht auf irgendwessen Kosten, nicht durch Entlassung von Arbeitskräften, sondern zum Nutzen der gesamten deutschen Bevölkerung, Herr Kollege -, schon zwei Jahre lang keine neuen Schulden, Abbau der Altschulden um 80 Millionen DM, Rationalisierung und Investitionen, verbesserte Angebote und vor allem neue Ideen, klare Verantwortungsbereiche, Verkürzung der Entscheidungswege und voll im Plan der Leitlinien dieser Regierung. Das ist der Beweis für die Richtigkeit der Wende in der Bahnpolitik. Steigerung der Produktivität um real 40 %, die Absenkung der Gesamtkosten um 25 % und die Reduzierung der Personalkosten um 30 % bis 1990 als erklärte politische Zielvorgaben, ({10}) das ist keine Utopie mehr, meine Damen und Herren. Der Kurs stimmt, und die Bahn kommt wieder stärker unter Dampf, weil jetzt für dieses Dienstleistungsunternehmen eine Wettbewerbsstrategie Vorrang hat vor einer erfolglosen Verteidigungsstrategie in Form des langsamen Zurückfahrens von Serviceangeboten, ({11}) mühsamer Konservierung der bestehenden Struktur als der Politik der vergangenen Jahre. Jetzt wird, wie man sieht, dynamisch das realisiert, was wir damals, vor sieben Jahren, mit unserer Forderung formuliert hatten: daß sich die Bahn in Abkehr von der Vorstellung eines Universalunternehmens auf zukunftsträchtige Teilmärkte und bahnspezifische Leistungsvorteile spezialisieren muß. Hemjö Klein, der Absatzchef der Bahn, hat es richtig charakterisiert. Die Bahn hat tatsächlich mehr Raum als das Flugzeug, mehr Komfort als der Bus, ({12}) mehr Kommunikation als der Pkw und mehr Landschaft als alle zusammen. ({13}) Und es stimmt: Halb so schnell wie das Flugzeug, doppelt so schnell wie der Pkw wird sie auch künftig das Auto nicht ersetzen, Herr Kollege Senfft, und das Flugzeug nicht einholen, aber mit weniger Energie. Dabei sollten Sie als GRÜNE wissen, daß schon heute 16,4 % des Bahnstroms aus Atomkraftwerken kommt ({14}) und der Rest aus Ölkraftwerken und anderen, die mit fossilen Brennstoffen geheizt werden, die Sie doch am liebsten alle stillegen wollen - zum Schaden auch der Bahn. Meine Damen und Herren, weniger Energieverbrauch, weniger Lärm ({15}) - ich habe gesagt: am Schluß -, auch weniger Unfälle, weniger Witterungsabhängigkeit als andere Verkehrsträger: Das sind die spezifischen Vorteile, die es auf allen Gebieten mit marktgerechten Angeboten und verbessertem Service zu nutzen gilt. Da muß man auch hier einmal konkret Verkaufswerbung machen dürfen. Da muß man sagen, daß es jetzt Vier-Platz-Abteile, audiovisuelle Systeme und Nachrichtenübermittlung im TEE, größere Geschwindigkeit, bessere Reisebetreuung und stärkere Anbindung im IC '85 gibt, daß im Fernexpreß Spezialangebote für Urlaubs- und Touristikverkehr entwickelt werden sowie neue Preismodelle, besserer Service für Autoreisezüge, Schlafwagen als Hotel auf Rädern - auch am Zielort - und rosarot wie noch nie und künftig noch familienfreundlicher und nach Luftlinienkilometern berechnete tageszeitabhängige Tarife. Damit wird sich die Bundesbahn als eine dann wirklich echte Alternative im Personenverkehr nicht nur im Markt, sondern auch im Bewußtsein einer breiten Öffentlichkeit etablieren können. Sie muß es vor allem, indem sie die heranwachsende Generation für sich gewinnt; übrigens auch die GRÜNEN, die soviel von der Umweltfreundlichkeit reden und von denen wir wissen, daß sie am seltensten in den Zügen und in den Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs sitzen. ({16}) Die Bahn muß die junge Generation für sich gewinnen; denn es ist j a wohl doch erschreckend, daß erst jetzt bekannt wird, daß 96 von Hundert der vier- bis elfjährigen Kinder noch überhaupt nie praktischen Kontakt mit der Bahn hatten. ({17}) Damit wächst eine Generation heran, die die Eisenbahn nur vom Hörensagen oder als Spielzeug kennt. Deshalb gehört es zu den hervorragenden Leistungen der neuen Bahn, daß jetzt z. B. Kinder-landwagen rollen werden, ({18}) daß nachts Tramperangebote eröffnet werden, d. h. Liegewagen für nur 4 DM Zuschlag, die rollende Jugendherberge und daß Kinder in Begleitung von Eltern und Großeltern nur noch ganze 10 DM zahlen. ({19}) Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Ihre Aufregung darüber, gerade die Jugend an die Bahn heranzuführen, wäre ganz schnell zu beenden, wenn alle Sie in Verantwortung auch als Eltern zu allererst bei sich selbst anfingen, Ihre Kinder Bahn fahren zu lassen; die sind nämlich, wie die Zahlen ausweisen, nicht dabei. ({20}) Meine Damen und Herren, im Güterverkehr stehen endlich die mutige Absage der Bahn an dirigistische Transportlenkung nach dem Motto „Schwere Last auf lange Schienenstrecke" und die Aussage „Wenn es die Bahn nicht durch Leistung schafft, Güter auf die Schiene zu bringen, dann schafft sie es nie" sowie die richtige Schlußfolgerung „eben nicht Lkw oder Bahn, sondern Lkw und Bahn", mit dem Ziel, die Vorteile der einzelnen Verkehrsträger optimal zu kombinieren. ({21}) 88 Intercargo-Züge auf Nachtsprung zwischen den wichtigsten Wirtschaftszentren in der Bundesrepublik, Termin- und Expreßdienst, neues Partiefrachtangebot, Großcontainer und Huckepackverkehr mit Wechselbehältern, mit Sattelanhängern und kompletten Lastzügen und dahinter die Philosophie einer umfassenden Problemlösung von A bis Z mit einem System von Frachtzentren und neue Wege im Verkauf des Frachtangebots durch externe Partner - das kennzeichnet schon heute eine erfolgreiche Zukunft der Güterbahn. Für diese neue Bundesbahn, die den Wettbewerb eben nicht mehr scheut, sondern ihn als Herausforderung begreift, die nicht produziert, was sie am besten kann, sondern was der Markt am ehesten verlangt, die sich auf Leistung, auf Wirtschaftlichkeit als Handlungsmaxime besinnt, die andere eben nicht kopieren können, und bei der Preis, Fahrplan und Erscheinungsbild eine Einheit bilden, für diese Bahn und ihre über 300 000 Mitarbeiter hat die Zukunft in Wirklichkeit erst begonnen. ({22}) Als dynamisches, kreatives und kundenorientiertes - das können wir gemeinsam feststellen, Herr Kollege Daubertshäuser -, innovations- und leistungsfähiges Unternehmen verdient die Bahn breites Vertrauen der Öffentlichkeit, einen auch wieder neu gewonnenen Stolz seiner Mitarbeiter ({23}) und die volle Unterstützung der Bonner Politik. Herr Kollege Roth, das wird heute übrigens zu Recht in jeden Prospekt der Bahn geschrieben. Ich würde mir wünschen, daß es auch in Ihren Kopf und in die Köpfe Ihrer Kollegen hineinkommt. ({24}) Ich möchte für die FDP hier ausdrücklich diese Unterstützung zusichern und die Bahn ermutigen, den eingeschlagenen Kurs konsequent fortzusetzen. Herzlichen Dank. ({25})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Verkehr. ({0})

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst dafür bedanken, was meine Herren Vorredner gesagt haben. Der Dank gilt für den einen mehr, für den anderen weniger, aber ich halte es für sinnvoll, sich um Sachlichkeit zu bemühen. Herr Daubertshäuser, ich freue mich, daß Sie die Probleme sachlich behandelt haben. Ich habe manchmal fast gedacht, Sie seien mit dem, was Sie gesagt haben, erst zur SPD gekommen. ({0}) - Beruhigen Sie sich, ich habe einen kleinen Scherz gemacht. - Herr Kollege Vogel, warum denn nicht? Seien Sie doch nicht immer so traurig. ({1}) Es ist viel schöner, wenn man fröhlich ist. Sie wollen das 150jährige Jubiläum der Bahn feiern. Dann dürfen Sie nicht bloß an die 16 Jahre denken, in denen Sie Verantwortung für die Bahn trugen. Dann kann ich mir allerdings vorstellen, daß Sie traurig sind. ({2}) Trotzdem kann man bei der ganzen Geschichte fröhlich sein. Meine Damen und Herren, ich will auch gar nicht lange in der Vergangenheit kramen, weil ich mir nicht viel davon verspreche. Sie dürfen jedoch bei all dem, was Sie heute fordern, nicht vergessen, was im Jahre 1982 war. Die Zahlen sind doch bekannt. In zwölf Jahren ist das Defizit von 1,2 Milliarden DM auf 4,1 Milliarden DM gestiegen; die Verschuldung ist von 13,5 Milliarden DM auf 35,6 Milliarden gestiegen. Dieses Faktum muß man einfach einmal sehen. Ich will gar nicht weiter über die Ursachen nachdenken. ({3}) - Verzeihen Sie, da sollten Sie zuerst nachdenken, denn Sie haben seit 1966 die Verkehrsminister gestellt. Meine Herren, ich finde, wir sollten hier redlich miteinander umgehen. Es wird z. B. behauptet, ich wolle eine Schrumpfbahn machen. Ich habe hier eine Verlautbarung aus dem Verkehrsministerium vom 11. Dezember 1974. Darin steht unter Ziff. 1.3: „Langfristig konzentriert die DB sich auf ihre Aufgabe als Fernverkehrsunternehmen." ({4})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Daubertshäuser?

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Nein, im Moment nicht.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das ist nicht der Fall, Herr Kollege.

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Wir können gerne diskutieren; ich möchte den Gedanken aber noch zu Ende bringen. - Das bedeutet also eine Konzentration der Bahn auf den Fernverkehr. - Ich will nicht weiter aus dieser Meldung zitieren. Nun zu den Nebenstrecken. Ich habe hier ein Schreiben des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn an die Direktionen vom 20. September 1981. Dort heißt es: Daher dürfen vorerst, soweit von hier im Einzelfall nichts anderes verfügt wird, auf schwächer belasteten Strecken und Streckenabschnitten nur Maßnahmen der Kleinstunterhaltung ({0}) und zur Abwendung von Gefahren für Dritte ausgeführt werden. Warum sage ich dies? ({1}) - Herr Senfft, Sie sind ein nervöser Mann. Das ist ein Fehler. Sie müssen etwas zuhören können; dann wird es besser mit Ihnen. ({2}) Ich darf hier aber noch einmal sagen: Wenn wir von Streckenstillegungen sprechen, sollten wir auch sehen, was in der Vergangenheit war. Herr Senfft, wenn Sie sagen, ich wolle 7 000 km Strecken stillegen, dann ist das einfach falsch. ({3}) - Verzeihen Sie, es gibt bei dieser Bundesregierung keinen Plan zur Stillegung von Strecken, ({4}) aber es gibt eine Arbeit in der Richtung, das Verkehrsnetz modern zu gestalten, eine gute Verkehrserschließung voranzutreiben. ({5}) - Machen Sie doch nicht so großen Lärm. Lesen Sie doch einmal, was die Deutsche Bundesbahn in bezug auf die Verkehrserschließung mit dem Land Schleswig-Holstein vereinbart hat. Es sollen in vernünftiger Zusammenarbeit mit den Ländern tatsächliche Bereinigungen erfolgen, die nicht zur Ausdünnung in der Fläche, sondern zu einer besseren Verkehrsbedienung führen. Das ist letzten Endes unser Ziel. Meine Damen und Herren, es wurde davon gesprochen, die Regierung habe politisch nicht gehandelt. Ich muß Sie auf die Leitlinien hinweisen, die wir am 23. November 1983 verabschiedet haben. Es wurde vielfach gesagt, sie seien überhaupt nichts. Andere sagten, diese Leitlinien seien verheerend. Von einem der Vorredner wurde schon erwähnt: Steigerung der Arbeitsproduktivität um 40 %, Abbau der Personalkosten um 30 %, Senkung der Gesamtkosten um 25 % bis zum Jahre 1990. Diese Maßnahmen haben wir ein Jahr nach der Regierungsübernahme festgelegt. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir sie nicht getroffen hätten, in Übereinstimmung mit dem Vorstand, dann wäre eine klare Zielsetzung einfach nicht zu erreichen gewesen. Ich darf nun sagen, daß wir in bezug auf die Regierungserklärung vom 4. Mai 1983, in der der Herr Bundeskanzler ein klares positives Bekenntnis zur Bahn abgelegt hat - ({6}) - Meine Herrschaften, welche Verkehrsmittel der Herr Bundeskanzler benutzt, müssen Sie ihm überlassen. Es hat keinen Wert, darüber zu diskutieren. Ich gehe zum Haushaltsgesetz 1985: Die gesamten Bundesleistungen stiegen von 13,4 Milliarden DM um 600 Millionen DM auf über 14 Milliarden DM. Das war ein Anstieg um 4,5 % bei einer Steigerung des Verkehrshaushalts um 2,1 %. Die Investitionszuschüsse ohne ÖPNV wuchsen von 2,9 Milliarden DM um 500 Millionen DM auf 3,4 Milliarden DM. Das ist ein Anstieg um 17 %. Wir haben Umschichtungen durchgeführt. Ich meine also, daß hier tatsächliche Veränderungen stattgefunden haben. Nun zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes. Ich darf hier feststellen, daß im Zeitraum von 1986 bis 1995 der Anteil der Investitionszuschüsse im Schienennetz von 21,4 % auf 27,5 % steigen wird. Zum Vergleich: In Zukunft werden wir für das Bundesstraßennetz einen Rückgang von 48,9 % auf 39,2 % haben. Sie sehen daraus, daß hier ein Wandel in der Vorstellung, welche Investitionen notwendig sind, erfolgt ist. Wir können feststellen - das ist auch ein Ergebnis der Leitlinien -, daß letzten Endes in erfreulicher Weise das Jahresdefizit um 1 Milliarde DM abgebaut worden ist. Wenn wir im letzten Jahr die Schulden bei der Bahn um 80 Millionen DM abgebaut haben, verdient das Respekt. ({7})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Bundesminister, bleibt es bei Ihrer Entscheidung, keine Zwischenfragen zuzulassen?

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Ja, Herr Präsident!

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Kollege, dann bitte ich das zu berücksichtigen.

Dr. Werner Dollinger (Minister:in)

Politiker ID: 11000403

Ich stelle auch fest, daß wir in der Lage waren, die Bahn anders in die Öffentlichkeit zu bringen. Das, was sich die Bahn an Angeboten an die Bürger hat einfallen lassen, ist eine beachtliche Sache. ({0}) Herr Daubertshäuser, eines will ich nicht machen: das, was gut ist, dem Bahnvorstand zurechnen, und das, was schlecht ist, der Politik. Ich glaube, das Entscheidende ist eine gute Zusammenarbeit. Der Erfolg, den die Bahn zu verzeichnen hat, hängt damit zusammen, daß politisch eine klare Rückendekkung vorhanden ist. ({1}) Wir haben bei der Bahn nicht nur an den Personenverkehr gedacht, sondern auch an den Güterverkehr. Ich glaube, daß wir mit unseren Maßnahmen - Ausbau der Strecken, Neubau der Strecken, dadurch auch Beschleunigung für den Güterverkehr einschließlich des kombinierten Verkehrs - schneller zu Ergebnissen kommen, als wenn wir mit umständlichen Gesetzen zwangsweise Verkehr verlagern. Ich freue mich, daß sich die Investitionspolitik positiv weiterentwickelt. Ich darf hier sagen, daß es noch kein Jahr der Nachkriegszeit gegeben hat, wo die Deutsche Bundesbahn soviel investiert hat wie in diesem Jahr, nämlich 5,9 Milliarden DM. ({2}) Ich glaube, diese Zahl spricht für sich. Wir werden in dieser Beziehung entsprechend weiterfahren. Wir werden durch diese Investitionen natürlich nicht nur die Bauwirtschaft stark beeinflusen - Neubaustrecken, Ausbaustrecken -, sondern auch die Industrie. Das ist nach meiner Meinung von besonderer Bedeutung. Ich darf hier einmal sagen, was in diesem Jahr in Auftrag gegeben wird oder zum Teil schon gegeben ist: 60 E-Loks Typ 120, Wert: etwa 330 Millionen DM - ganz wichtig für eine schnelle Bahn, für eine rationelle Bahn, weil Sie die Lok dem Intercityzug und genausogut dem Güterzug vorspannen können, eine Lok, die auch für die Beschäftigungslage unserer Industrie, für den Export von großer Bedeutung ist, denn Sie können im Ausland nichts verkaufen, was hier nicht auch genutzt wird -, 75 klimatisierte Großraumwagen zweiter Klasse IC als Prototyp, 2 900 Güterwagen, 120 Dieseltriebwagen der Baureihe VT 628/928 - nach einem Gespräch mit Herrn Gohlke wird der Auftrag voraussichtlich auf 150 erhöht werden -, 350 Straßenomnibusse, 152 Lastkraftwagen, 920 Pkw-Transporter Kombi, 100 Sonderfahrzeuge, 44 Anhänger. Warum habe ich das genannt? Sie sehen, daß die Bahn bei den Investitionen für viele Bereiche von einer entsprechenden Bedeutung ist. Wir hoffen, daß der ICE, wenn er als Prototyp im Dezember vorgestellt wird, eine neue Phase des Schnellverkehrs auch über die Grenzen hinaus einleiten wird. Meine Damen und Herren, selbstverständlich sage ich auch etwas zu der Personallage. Die Darstellung, daß die Bahn Arbeitsplätze vernichtet, ist einfach falsch. ({3}) Die Tatsache ist, daß bei der Deutschen Bundesbahn Mitarbeiter vorhanden sind, für die im Grunde genommen kein Arbeitsplatz mehr vorhanden ist. Das ist das Problem. ({4}) Kein Unternehmen, weder ein privates noch ein staatliches, kann auf Dauer mehr Menschen beschäftigen, als notwendig sind. Wir haben eine Verantwortung für die Steuergelder und können das nicht tun. ({5}) Man muß dabei auch noch an etwas anderes denken. Ich behaupte, ein Mitarbeiter, für den kein Arbeitsplatz mehr da ist, der von einem Platz zum anderen geschickt werden muß, ist mit dieser Beschäftigung auf die Dauer auch nicht zufrieden. Sie sollten auch nicht vergessen, wie wir das tun: Wir haben niemanden bei der Bahn entlassen, ({6}) und es war eine gute Leistung des Vorstandes, der Gewerkschaften, der Betriebsräte, daß dieser Abbau durch Nicht-Wiederbesetzung von Arbeitsplätzen ausscheidender Kräfte, in dieser ruhigen Form, bisher durchgeführt werden konnte. ({7}) Auch das muß hinzugefügt werden: Wir haben bei der Bahn heute schon Überlegungen, wie mir der Vorstand sagt, gewisse Bereiche, z. B. die Lokführerlaufbahn, wieder zu öffnen. Man wird dafür sor10556 gen, daß eine gute Ausbildung erfolgt. Sie wissen, daß alle Lehrstellen bei der Bahn besetzt sind. Ich mache ein paar Bemerkungen zum öffentlichen Personennahverkehr. Der öffentliche Personennahverkehr wird in eine zunehmende Schwierigkeit, ja Krise, hineinkommen. ({8}) Wir haben dort 50 % Schülerbeförderung, und die kleiner werdenden Kinderzahlen sind Ihnen bekannt. Ich habe eine gewisse Umorganisation gemacht, um die Dinge in diesem Bereich besser in den Griff zu bekommen. Es muß aber gesagt werden, daß nicht primär der Bund für den öffentlichen Personennahverkehr verantwortlich ist. Das ist rechtlich klar. Wenn gesagt wird, wir würden nichts tun, dann halte ich dem nur entgegen: Wir haben im vorigen Jahr für den öffentlichen Personennahverkehr 6,4 Milliarden DM ausgegeben, während es bei den Ländern und Gemeinden zusammen nur 5,9 Milliarden DM waren. Es werden also die Tatsachen auf den Kopf gestellt, wenn behauptet wird, wir würden hier nichts tun. Meine Damen und Herren, ich behaupte, daß die Bahn eine gute Zukunft haben wird, weil sie neue Ideen entwickelt, weil die Politik ihr den Rücken für eine entsprechende Entfaltung stärkt. ({9}) Dabei denken wir nicht nur an das Bahnnetz in der Bundesrepublik, sondern wir versuchen, hier europäisch zu denken, etwa mit Überlegungen für die Fernstrecken Paris- Brüssel- Köln oder ParisSaarland - Rheinland-Pfalz - Mannheim/Ludwigshafen. Das sind Überlegungen, die in die Zukunft weisen. Deshalb glaube ich, daß wir bei allen Überlegungen, bei aller Kritik sagen müssen: Die Deutsche Bundesbahn ist in diesem Jubiläumsjahr besser dran als vor einigen Jahren. ({10}) Wir sollten uns darüber im klaren sein: Am Anfang der Bahngeschichte, die wir heute feiern, stand die Technik. Eine Vernachlässigung der modernen Technik würde die Bahn zurückwerfen; sie wurde durch Vernachlässigung bereits zurückgeworfen. ({11}) Deshalb sollten wir die moderne Technik nutzen und Mitarbeiter mit einer guten Ausbildung versehen, und das schafft dann bei einer entsprechenden Anpassung an den Arbeitskräftebedarf wieder sichere Arbeitsplätze. Und dann Mut, auch neue Wege bei der Bahn zu gehen! Wenn man die Geschichte von Nürnberg liest, weiß man, wie umstritten damals die Bahn war. ({12}) Es gab Gutachten von Professoren und Widerstand von allen Seiten. Es war damals gar keine staatliche Gründung, sondern eine private Gründung. Wenn wir von der Bahn der Vergangenheit sprechen, können wir auf vieles stolz sein, was die Verantwortlichen und die Mitarbeiter in 150 Jahren geleistet haben, und zwar oft unter schwersten Bedingungen. Wir können uns daran nicht begeistern, wenn wir uns nicht bemühen, das Erbe fortzuentwickeln, ich sage nicht: zu übernehmen, sondern: fortzuentwikkeln. ({13}) Das bedeutet letzten Endes modernste Technik, beste Ausbildung, und nicht Verwaltungsdenken, sondern unternehmerischen Mut im Hinblick auf das, was der Bürger und die Wirtschaft, was unsere Bevölkerung braucht. In diesem Sinn hoffe ich auf eine gute gemeinsame Arbeit. ({14})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Haar.

Ernst Haar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000760, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zum Schluß der Rede des Herrn Bundesverkehrsministers so etwas wie Jubiläumsatmosphäre mitbekommen. Zur Diskussion stehen heute allerdings andere Positionen. ({0}) Dabei räume ich gerne ein: 150 Jahre Deutsche Eisenbahnen sind ein denkwürdiges Jubiläum. Es hat aus diesem Anlaß viele Feiern in den letzten Monaten gegeben. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat es ausgezeichnet verstanden, die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft von Bahn und Eisenbahnern im Personen- und Güterverkehr in seiner ganzen Vielfalt vor der Öffentlichkeit darzustellen. Das Echo ist positiv. Das ist aber noch nicht Ihr Verdienst, Herr Minister. ({1}) All das darf uns nicht den Blick dafür verstellen, daß dabei zum Teil eine verklärte Rückschau in die Dampflokromantik entstanden ist, die für die Eisenbahner selbst ja alles andere als romantisch war. ({2}) Wenn schon davon gesprochen worden ist, daß private Initiative damals zur Gründung der Bahn geführt hat, geben Sie uns bitte eine Antwort, was Ihre Leitlinien sind und was Sie eigentlich wollen, ob Sie den öffentlichen Auftrag und die Gemeinwirtschaftlichkeit erhalten wollen oder ob Sie Privatisierung anstreben. Das müssen Sie der Offentlichkeit mal sagen. ({3}) Für alle, die die Bahn und die Eisenbahner ernst nehmen, sollte dieses Jubiläum Anlaß sein, ausgehend von der jetzigen Lage der Bahn Konzepte für ihre weitere Zukunft zu entwickeln. Darum bemühen wir uns ja heute. Das aus Gründen der Absatzförderung rosarot aufpolierte Image der Bahn darf uns nicht zu Fehleinschätzungen oder zur Selbsttäuschung führen. Wer nur sagt, es bestehe kein Handlungsbedarf, unterliegt einem folgenschweren Irrtum. ({4}) Die Fakten über die tatsächliche Lage der Bahn liegen auf dem Tisch. Sie müssen sie nur zur Kenntnis nehmen. Der Bahnvorstand hat dem Bundesverkehrsminister seine mehrjährige Unternehmensvorausschau auf den Tisch gelegt. Wenn der Sprecher der FDP die Initiativen des Bahnvorstands in seiner Rede nach vorn stellt, ohne eigene Überlegungen vorzutragen ({5}) - das ist mein Urteil; außer den Empfehlungen an die Gewerkschaften, die haben wir mit Interesse zur Kenntnis genommen -, ({6}) und wenn ähnlich der Minister hier argumentiert, dann muß ich sagen: Warum nehmen Sie eigentlich nicht die Mahnungen des Vorstandes der Bahn zur Kenntnis? ({7}) Sie müssen es doch auch gelesen haben. Ich fasse es in vier Punkten zusammen: Angesichts der unzureichenden Leistungen des Bundes an die Deutsche Bundesbahn, die Sie in den Leitlinien vom November 1983 sowie in der mittelfristigen Finanzplanung eingefroren und zum Problem erhoben haben, hat die Bahn keinerlei Chancen, aus den roten Zahlen herauszukommen. Gegen Ende dieses Jahrzehnts wird der Jahresfehlbetrag höher sein als gegenwärtig. Das ist die Ausgangssituation. ({8}) Die Verschuldung der Bahn steigt in beängstigender Weise weiter an. Bis 1990 wird nahezu die 50-Milliarden-DM-Grenze erreicht sein. Kommen Sie bitte nicht erneut mit alten Zahlen in der Diskussion! Wenn wir darüber reden wollen, was sich künftig entwickelt, müssen wir uns diesen Problemen heute stellen. Das ist der Punkt. ({9}) Niemand behauptet von uns, es seien in der Vergangenheit keine Fehler gemacht worden. ({10}) - Alter Huster! Infolge dieser Entwicklung nimmt die jährliche Zinsbelastung der Bahn von zur Zeit 3 Milliarden DM auf fast 4 Milliarden DM zu. Diese Entwicklung tritt ein, obwohl bei der Bahn weiter in großem Umfang Arbeitsplätze vernichtet werden sollen. Nach den von Herrn Dollinger ausdrücklich gebilligten Plänen ist eine weitere Verringerung der Zahl der aktiven Eisenbahner von rund 300 000 im Jahr 1984 auf 230 000 im Jahr 1990 vorgesehen. ({11}) Herr Minister, ich muß Ihnen schon ernsthaft eine Frage stellen: Wie kommen Sie dazu, hier vor aller Öffentlichkeit, vor diesem Hohen Haus einfach festzustellen, die Bahn habe zu viele Mitarbeiter? Ist Ihnen nicht bekannt, daß in drei Direktionen bereits Rangierarbeiter fehlen? Ist Ihnen nicht bekannt, daß das Lokpersonal auf Grund der Entscheidung, die mit Ihrer Billigung gefallen ist, bezüglich des Nachwuchses in drei, vier Jahren in eine ganz ernste Situation gerät? Ich würde Sie bitten, sich um diese Fragen einmal zu kümmern, bevor Sie solche Pauschalformulierungen vortragen. ({12})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter Haar, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Pfeffermann?

Ernst Haar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000760, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. ({0}) Wir sammeln schon unsere Erfahrungen. ({1}) Ich will dazu noch eine zweite Feststellung treffen. Der Bundesminister für Verkehr ist über diese Entwicklung in allen Einzelheiten informiert. Er weiß auch, daß der Bahnvorstand im Falle einer weitgehenden Liberalisierung der Verkehrsmärkte des Güterverkehrs ohne rechtzeitige Stärkung der Wettbewerbsposition der Bahn, d. h. ohne eine erhebliche Aufstockung der Bundesleistungen, bis 1989 mit Ertragsausfällen von über 2 Milliarden DM rechnet. Warum sagen Sie dazu nichts? ({2}) Wer angesichts dieser Situation erklärt, es bestehe kein Handlungsbedarf, handelt im Grunde unverantwortlich, ({3}) und zwar unverantwortlich gegenüber Eisenbahnern und unverantwortlich gegenüber Bürgern und Wirtschaft. Die Finanzlage, in die die Bahn getrieben wird, führt zwangsweise zu einem immer schnelleren Rückzug der Schiene aus der Fläche. ({4}) Der gemeinwirtschaftliche Auftrag der Bahn, in allen Teilräumen des Bundesgebiets gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen, wird mehr und mehr vernachlässigt. Wir Sozialdemokraten stehen mit dieser Beurteilung der Bahnpolitik der jetzigen Bundesregierung keineswegs allein da. Ich darf Ihnen mit freundli10558 cher Genehmigung des Herrn Präsidenten einmal zwei Zitate vorlesen. ({5}) Ich zitiere - hören Sie gut zu -: Die Bundesbahnpolitik darf nicht in erster Linie darauf ausgerichtet sein, die Bahn durch Einschränkung ihres Leistungsangebots und Konzentration auf den Verkehr zwischen Ballungsräumen betriebswirtschaftlich zu sanieren. Vielmehr ist die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der DB zu erhöhen. Das ist das eine Zitat. Das zweite: Mit einer kurzfristig orientierten Sparpolitik kann eine Konsolidierung der DB in Übereinstimmung mit den öffentlichen Interessen nicht erreicht werden. Der Bund muß die DB von Alt- und Fremdlasten freistellen und die Investitionshilfe für die DB mittelfristig deutlich erhöhen. Herrn Minister Dollinger müßte dieser Forderungskatalog gut bekannt sein. Er ist nämlich Teil einer parlamentarischen Initiative der CSU im Bayerischen Landtag. ({6}) Dazu möchte ich Sie einmal hören. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten abschließend ein weiteres Zitat in Erinnerung rufen: Die mit der Verschuldung der DB verbundene Zinslast verhindert nachhaltig eine Stabilisierung der Gewinn- und Verlustrechnung. Kein Unternehmen kann eine echte Zinslast von über 10% der eigenen Erlöse erwirtschaften. Dies ist einer der Kernsätze aus dem Gutachten einer Arbeitsgruppe unter der Leitung des Bankiers Hermann Josef Abs; weitere ließen sich anfügen. Die wirkliche Lage der Deutschen Bundesbahn kann nicht weiter mit rosaroten Sprüchen vernebelt werden. Es besteht ein akuter Handlungsbedarf. ({7}) Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat daher einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesbahngesetzes erarbeitet. Die Deutsche Bundesbahn braucht eine umfassende Verbesserung ihrer finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie eine Anpassung ihrer Unternehmensverfassung an die gewandelten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse. Wir haben mit dem jetzt in erster Lesung behandelten Gesetzentwurf im einzelnen aufgezeigt, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten. Der zu Anfang der 50er Jahre noch mögliche Ausgleich der Fehlbeträge im Schienenpersonenverkehr durch Gewinne im Güterverkehr ist seit langem nicht mehr möglich. Zwischen Einnahmen und Ausgaben der Bundesbahn klafft daher Jahr für Jahr eine größere Lücke. Dies ist einer der wesentlichen Gründe für die ständig steigende Verschuldung der Deutschen Bundesbahn. Die Deutsche Bundesbahn ist - ich glaube, hierin sind wir uns alle einig - ein am Prinzip der Gemeinwirtschaft orientiertes öffentliches Unternehmen. ({8}) Sie produziert einerseits Leistungen wie ein Wirtschaftsunternehmen nach kaufmännischen Grundsätzen - hier ist sie inzwischen beweglicher als früher -, ({9}) sie erbringt andererseits aber auch gemeinwirtschaftliche Leistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge, auf die der Staat, wenn er ein Sozialstaat ist, Herr Dr. Dollinger - das gilt auch für unsere Gespräche in den nächsten Wochen -, nicht verzichten kann. ({10}) Der Gesetzentwurf sieht eine klare Beschreibung und Zuordnung der eigenwirtschaftlichen Aufgaben, der gemeinwirtschaftlichen Leistungen sowie des Bereichs Infrastruktur vor. Bisher fehlten entsprechende Bestimmungen, was sich als hinderlich erwiesen hat. Der Bund muß für die von der Deutschen Bundesbahn im Rahmen der Daseinsvorsorge zu erbringenden Leistungen eine erhöhte Verantwortung übernehmen. Wir sehen daher vor, daß der Bund Art und Umfang dieser Leistungen in allgemeinen Vorgaben festlegt und gleichzeitig die volle finanzielle Verantwortung für diesen Aufgabenbereich übernimmt. Meine Herren von der Regierungskoalition, das haben Sie von dieser Stelle aus hier jahrelang gefordert. Wir bitten Sie, daß Sie Ihr Wort jetzt - mit uns - endlich einlösen. ({11}) Eine weitere Hypothek, die die Deutsche Bundesbahn belastet, sind die strukturell überhöhten Versorgungslasten. Das Verhältnis der aktiven Beamten zu den Versorgungsempfängern beträgt heute bereits 40 :60. Es wird sich in den nächsten Jahren weiter verschlechtern. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Versorgungslasten der Bahn im Verhältnis zur Lohn- und Gehaltssumme auf eine Größenordnung wie in vergleichbaren Unternehmensgrößen der Wirtschaft zu bringen. Wir haben das sehr vorsichtig in Ansatz gebracht. Wir wollen diese Diskussion mit Ihnen nicht mit Härte führen, sondern wir wollen miteinander praktische Lösungsansätze finden. ({12}) Die unvertretbar hohe Verschuldung der Bahn ist ein entscheidendes Hindernis für die finanzielle Gesundung der Bahn. Der Gesetzentwurf enthält daher besondere Vorschriften über die notwendige Kapitalbereinigung. Die von der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung 1973 eingeführte Übernahme der Zinsen der Altschulden der Bundesbahn durch den Bund soll nun gesetzlich veranHaar kert werden. Außerdem ist - das halte ich für besonders wichtig - zur weiteren Verbesserung der Kapitalstruktur ein Abbau dieser Verbindlichkeiten vorgesehen, indem der Bund diese Altschulden entsprechend seinen Haushaltsmöglichkeiten tilgen soll. Durch die im Gesetzentwurf der SPDFraktion vorgesehenen Regelungen wird nicht nur ein weiterer Anstieg der Verschuldung der Deutschen Bundesbahn verhindert, sondern auch ein schrittweiser Abbau der Verbindlichkeiten eingeleitet. Eine grundlegende Reform der Rahmenbedingungen der Bahn ist nicht nur im Verhältnis zwischen Bahn und Bund, sondern auch auf dem Gebiet der Unternehmensverfassung dringend erforderlich. Die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn sind weit geringer als in der gewerblichen Wirtschaft. ({13}) Alle bestehenden gesetzlichen Regelungen für vergleichbare Unternehmen der Wirtschaft räumen den Arbeitnehmern weit größere Beteiligungsrechte als bei der Deutschen Bundesbahn ein. Hier ist ein Schritt nach vorn überfällig. ({14}) Meine Damen und Herren, wir haben die Regelung wie im Montanbereich vorgeschlagen. Der Enkel von Herrn Adenauer, wie er sich in der Vergangenheit gern bezeichnet hat, soll an das erinnert sein, wofür auch Herr Adenauer eingetreten ist. ({15}) Der Gesetzentwurf sieht die Umwandlung des derzeitigen Verwaltungsrats in einen echten Aufsichtsrat vor. ({16}) Die dritte wesentliche Säule des Gesetzentwurfs meiner Fraktion ist der Bereich der Investitionen. ({17}) - Ich würde an Ihrer Stelle, Herr Dr. Jobst, auf Dauer nicht so dreckig lachen, wie Sie es versuchen, seit ich hier rede! Das sage ich deutlich. ({18}) - Wenn er nicht anders kann, dann sei es ihm verziehen. ({19}) - Das mußte mal sein. Die künftige Leistungsfähigkeit der Deutschen Bundesbahn wird entscheidend vom Umfang des weiteren Ausbaus des Schienenwegenetzes bestimmt. Der Gesetzentwurf sieht daher eine rechtliche und finanzielle Absicherung der Zukunftsinvestitionen der Bahn vor. Entsprechend den Regelungen für die Bundesfernstraßen soll künftig nicht nur der Straßenbauplan, sondern auch der weitere Ausbau des Schienenwegenetzes vom Deutschen Bundestag durch Gesetz beschlossen werden. Meine Damen und Herren, detaillierte Vorschläge für die Reform der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen der Bahn liegen jetzt auf dem Tisch. Treten Sie in einen ernsthaften Dialog mit uns hierüber ein! Verschließen Sie nicht die Augen vor den offenkundigen Realitäten! Angesichts einer immer weiter steigenden Verschuldung der Bahn kann wahrhaft nicht von einer Konsolidierung der Bahn gesprochen werden. Eine Konsolidierung der Bundesbahn bedeutet, daß sie auf Dauer von historischen Belastungen befreit wird und es ihr so gelingt, erst in Teilbereichen und dann insgesamt schwarze Zahlen als Zeichen marktwirtschaftlichen Erfolgs zu schreiben. Das wäre der richtige Sinn unserer Beratungen nach den Jubiläumsreden, die gehalten worden sind. ({20}) Dazu muß jedoch bald zusätzlich zu den derzeitigen Abgeltungsleistungen ein starker Einstieg in die Entschuldung erfolgen. Außerdem ist die Freistellung vom Auslastungsrisiko des Fahrwegs und die volle Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen notwendig. Meine Damen und Herren, ändern Sie endlich Ihre finanzpolitischen Prioritäten! Das ist unsere dringende Bitte an Sie. Nicht weitere Steuererleichterungen für Wohlhabende dürfen Vorrang haben, sondern die notwendigen Zukunftsinvestitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Verbesserung der Lebensqualität der Bürger. ({21}) Wenn Ihr Bekenntnis zur Umwelt ernstgenommen werden soll, dann müssen Sie in jedem Fall im Investitionssektor etwas zusätzlich tun. Dann können Sie nicht mit der Plafondierung fortfahren wollen. ({22}) Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Bahn sind kein lästiges Übel, sondern ein Gebot des Sozialstaats. Alle Regionen des Bundesgebiets haben ein Anrecht auf eine Grundversorgung mit öffentlichem Personen- und Güterverkehr, Herr Dr. Dollinger. Das gilt auch für die Buslinien, die in den letzten Monaten bereits wieder stillgelegt worden sind. ({23}) - Wir werden die Rechnung schon aufmachen. Ich darf bei dieser Gelegenheit an die Fraktion der GRÜNEN folgendes sagen. Ihre Position „überhaupt nichts mehr" entsprechend Ihrem Entschließungsantrag ist nicht real; denn volkswirtschaftlich sinnvoll ist selbstverständlich da und dort auch die Busbedienung in der Fläche, weil das keine Gegen10560 sätze sind. Das müssen Sie sich auch von uns sagen lassen. ({24}) Das Anrecht der Beschäftigten auf Mitbestimmung in entscheidenden Fragen ihres Unternehmens muß endlich auch für den staatlichen Bereich anerkannt werden. Ich appelliere an alle Mitglieder dieses Hohen Hauses: Lassen Sie uns gemeinsam nach Lösungen suchen, die die Bahn wieder nach vorn führen! Die Eisenbahner haben in den letzten Jahren vieles mit neuem Schwung angepackt. Dies allein vermag die Probleme jedoch nicht zu lösen. Wenn die Deutsche Bundesbahn jetzt nicht die Unterstützung durch die Politik erhält, sind alle Anstrengungen der Eisenbahner auch der zurückliegenden Jahrzehnte umsonst gewesen. Wir müssen wissen, um was es da geht. ({25}) Wir müssen endlich das Schattenboxen über die Vergangenheit beenden und die nötige Entschlußkraft für nach vorn führende Lösungen aufbringen. Die Eisenbahner erwarten von uns nicht schöne Worte anläßlich eines runden Jubiläums, sondern konkrete Schritte, die in die Zukunft führen. Sie werden alles in ihrer Kraft stehende unternehmen - davon bin ich überzeugt -, um die versprochene Renaissance der Bahn Wirklichkeit werden zu lassen. Tragen auch wir durch unsere politischen Entscheidungen den erforderlichen Teil dazu bei. Vielen Dank. ({26})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Haar, ich möchte auf Ihre Entgleisungen nicht weiter eingehen. Wer so reagiert wie Sie, der hat ein schlechtes Gewissen. ({0}) Ich kann mir vorstellen, nachdem Sie mehrere Jahre Parlamentarischer Staatssekretär in SPDRegierungen waren, welche Jubiläumsrede Sie heute vor dem Hintergrund der besseren Situation der Deutschen Bundesbahn gehalten hätten. Daß Sie eine Gewerkschaftsrede halten müssen, sehe ich Ihnen nach. Da habe ich volles Verständnis. ({1}) Aber wissen Sie, was mir gegen den Strich geht, ist die Heuchelei, ({2}) so zu tun, als wären Sie immer so gewesen. Sie haben - das war Ihr gutes Recht und Ihre Pflicht - als Parlamentarischer Staatssekretär viele Straßen eingeweiht. Sie waren sogar bei mir im Wahlkreis, dankenswerterweise. Und Sie sollten sich daran erinnern, was Sie damals gesagt haben, nämlich daß der Schwerpunkt der Verkehrspolitik Straßenbau sei, daß die Bürger die gleichen Chancen bekommen müßten und noch ein erheblicher Nachholbedarf da sei. ({3}) Und dies steht doch in diametralem Gegensatz zu dem, was Sie uns heute weismachen wollen, nämlich daß Sie schon immer eine ganz andere Politik vertreten hätten. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die jetzigen Gesetzesinitiativen der SPD im Verein mit den GRÜNEN für die Deutsche Bundesbahn stehen, ({5}) lieber Herr Kollege Daubertshäuser, in schroffem Gegensatz zum Verhalten in den 13 Jahren in der Regierungsverantwortung. ({6}) Sie haben die Trennungsrechnung für die Bahn gefordert. Darüber kann man reden. Nur, wenn man heute über Trennungsrechnung debattiert und wenn man eine sinnvolle Debatte über die Zukunft der Deutschen Bundesbahn führen will - und wir wollen sie führen -, ({7}) dann muß man zunächst eine politische Trennungsrechnung aufmachen, in dem Sinne, was Ursachen, was Verschulden waren, die zum Niedergang der Deutschen Bundesbahn geführt haben. Herr Kollege Daubertshäuser, es kam doch nicht von ungefähr - dafür, daß sich der Herr Haar nicht daran erinnern will, habe ich Verständnis -, daß der frühere Erste Präsident der Deutschen Bundesbahn, Vaerst, bei einer Anhörung im Verkehrsausschuß und Haushaltsausschuß uns allen offenbart hatte, die Eisenbahner könnten bei dieser Situation nicht mehr motiviert werden. ({8}) Das war doch damals unter Ihrer Regierungsver antwortung! ({9}) Die Aktivitäten, meine Herren von der SPD, kommen zu spät. Es wäre richtig und notwendig gewesen, diese Gesetzesinitiative unter Ihrer Regierungsverantwortung in die Tat umzusetzen.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Daubertshäuser?

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sofort. Die Bundesbahn könnte finanziell und leistungsmäßig ganz anders dastehen, wenn Sie richtig und rechtzeitig gehandelt hätten. Der Handlungsbedarf war Anfang der 70er Jahre gegeben. Der Bundesverkehrsminister hat die Schuldenentwicklung und die Entwicklung bei den Bundesleistungen ganz deutlich herausgestellt. Bitte schön.

Klaus Daubertshäuser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000359, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Jobst, sind Sie in der Lage, mir darzulegen, welche Initiativen gesetzgeberischer Art Sie in Ihrer dreizehnjährigen Oppositionszeit für die Bahn hier im Parlament unternommen haben?

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Kollege Daubertshäuser, wir haben eine Vielzahl von Entschließungsanträgen eingebracht. Wenn unsere Vorschläge und Forderungen in die Tat umgesetzt worden wären, hätte die Bahn schon damals mindestens so dagestanden, wie sie erfreulicherweise heute dasteht. ({0}) Die Gesundung der Deutschen Bundesbahn ist das zentrale Thema, die zentrale Aufgabe der Verkehrspolitik. Das Ziel der Verkehrspolitik der CDU/CSU ist eine finanziell gesunde Bahn, eine im Wettbewerb leistungsfähige Bahn, eine attraktive Bahn, die Zukunft hat, also eine moderne Bahn, kein Auslaufbetrieb und auch keine Schrumpfbahn, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir danken dem Bundesverkehrsminister - ich muß hier natürlich unterstreichen: dem Bundesverkehrsminister Dollinger - dafür, daß er sofort die Initiative ergriffen und die Sanierung der Deutschen Bundesbahn in die Wege geleitet hat. Die Leitlinien sind ein gutes Konzept, und wir haben die erfreuliche Tatsache zu verzeichnen, daß es bei der Bahn aufwärts geht und daß der Trend nach unten gebrochen ist. ({1}) Dies ist sicherlich ein Erfolg der Unternehmensführung; es ist aber auch und entscheidend ein Erfolg der Bundesbahnpolitik, denn nur durch die politischen Vorgaben, durch den politischen Rückhalt, konnten die mutigen Entscheidungen getroffen werden. ({2}) Sie, meine Herren von der SPD, haben die Eisenbahn und die Eisenbahner in all den Jahren Ihrer Regierungsverantwortung schmählich im Stich gelassen. ({3}) Heute hat die Verkehrspolitik wieder ein ganz anderes Gewicht. Der Verkehrshaushalt wurde aufgestockt; Sie von der SPD hatten ihn laufend reduziert. Die Bahn kann gewaltig investieren. ({4}) Auch das muß ich Ihnen, meine Herren von der SPD, noch sagen: Das Hauptversagen der SPD gegenüber der Bahn liegt darin, daß sie die Entwicklung in Wirtschaft und Verkehr, die durch das Auto eingetreten ist, nicht begriffen hat. Handlungsbedarf war Anfang der 70er Jahre gegeben. ({5}) Die gravierendste Fehlentscheidung der SPD war die, daß Sie die Personalreduzierung, die unter der CDU/CSU bei der Bahn durchgeführt worden war, gestoppt haben und daß das Personal wieder aufgestockt worden ist. Dadurch haben Sie bei der Bahn Milliarden verschleudert, ({6}) die besser in Rationalisierung und Modernisierung hätten gesteckt werden sollen. ({7}) Sie von der SPD haben die Deutsche Bundesbahn sehenden Auges in den Bankrott getrieben. Die Bahn wurde zu einer überpersonalisierten Organisation mit betriebsfremden Lasten. Und Sie haben die Bahn immer als politischen Spielball benutzt! Heute erbringt die Bahn mit 280 000 Eisenbahnern die gleichen Leistungen wie früher mit über 400 000 Eisenbahnern. Herr Abgeordneter Haar, auch Sie saßen im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages, als der Vorsitzende des von Ihnen neu kreierten Vorstands, Herr Dr. Gohlke, uns seine neuen Vorstellungen entwickelt und auch erklärt hat, daß bei der Deutschen Bundesbahn überzählige Mitarbeiter vorhanden seien. Das war im Mai/Juni 1982, als Sie noch in der Regierung waren, ({8}) und damals gab es von Ihnen keinen Widerspruch. Aber heute führen Sie sich hier so auf! ({9}) Die Deutsche Bundesbahn ist als unentbehrlicher Verkehrsträger zu erhalten und auf Dauer zu sichern. Die durch die Mißwirtschaft sowie durch politische Fehler und Versäumnisse herbeigeführte ungünstige Wirtschaftslage der Deutschen Bundesbahn darf für uns nicht Maßstab für die Leistungsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene sein. Die Gesetzesanträge der SPD sind ein Zeichen ihres schlechten Gewissens. Die Vorlagen der GRÜNEN kommen aus dem Reich der Utopie. Das Sanierungsgesetz der GRÜNEN würde eine Konservierung der Deutschen Bundesbahn bedeuten, das Rad der Entwicklung würde wieder zurückgedreht werden, und das würde der Bahn nicht helfen, sondern sie würde noch stärker aus dem Markt geworfen werden, als es in letzter Zeit der Fall ist. Die Deutsche Bundesbahn muß sich den gewandelten Verhältnissen anpassen - nicht umgekehrt. ({10}) Für uns ist die freie Wahl des Verkehrsmittels ein unverzichtbarer Grundsatz einer zukunftsorientier10562 ten Verkehrspolitik. Der Ordnungsrahmen im Verkehr hat ja auch nicht verhindert, daß die Bahn am Markt erheblich verloren hat.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Senfft?

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, meine Zeit läuft allmählich ab, und ich kann keine weiteren Zwischenfragen zulassen. ({0}) Meine Herren von der SPD, zu Ihren Vorlagen zum Bundesbahngesetz und zum Bundesbahnstrekkenausbaugesetz darf ich Ihnen nur sagen: Gemeinwirtschaftliche Leistungen müssen bezahlbar bleiben. Ich erinnere Sie nur an Ihren Änderungsantrag vom 7. September 1982, als Sie noch die Regierungsverantwortung trugen. Damals haben auch Sie gefordert, die Deutsche Bundesbahn müsse von der Notwendigkeit zur Erstellung von Leistungen befreit werden, die vom Markt nicht mehr akzeptiert werden. Einverständnis! ({1}) Der negative Trend der früheren Jahre bei der Bahn ist gebrochen. Dies ist eine gewaltige Leistung. Die Defizite konnten reduziert, die Schuldenentwicklung konnte gestoppt werden. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt bei der Deutschen Bundesbahn noch viel zu tun. Die Deutsche Bundesbahn ist in ihrer heutigen Situation, wenn die Verhältnisse unverändert blieben, auf Dauer unbezahlbar. Da stimme ich mit dem Kollegen Daubertshäuser überein, der festgestellt hat: Die Bahn kann sich aus eigener Kraft nicht konsolidieren. Und die enorme Verschuldung bei der Bahn signalisiert den Ernst der Lage. Die Bahn muß also weiterhin ihre Kosten senken, aber - das ist jetzt ihre wichtige Aufgabe - auch ihre Erträge steigern. Bei der Reduzierung des Personals konnten große Erfolge erreicht werden. Dies war nur mit dem Verständnis der Eisenbahner, mit dem typischen Eisenbahnergeist möglich. Dafür gebührt den Eisenbahnern, den Personalräten und auch den Gewerkschaften unser Dank. ({2}) Die Zukunft der Deutschen Bundesbahn liegt im großströmigen automatisierbaren Personen- und Güterverkehr. Die Deutsche Bundesbahn hat noch hohe Innovationspotentiale, nämlich durch ihre hohen Geschwindigkeiten, durch geringen Energieverbrauch und durch die Automatisierbarkeit bei hohem Sicherheitsgrad. Voraussetzung dafür ist, daß die Neubau- und Ausbaustrecken schnellstens fertiggestellt werden. Dazu brauchen wir keine neuen Gesetze. Darauf kann die Deutsche Bundesbahn nicht fahren. Wichtig ist, daß die Strecken gebaut werden und die Bahn ihre Systemvorteile einsetzen kann. Die SPD hat die Bahn bei diesen wichtigen Investitionsmaßnahmen finanziell und auch bei der Durchsetzbarkeit im Stich gelassen. Ich erinnere an die japanischen Staatsbahnen, die seit 21 Jahren mit großem Erfolg das Shinkansem-System betreiben. Die fahren 210 km in der Stunde und sind seit 21 Jahren unfallfrei. Die französischen Staatsbahnen fahren seit 1983 auf der Strecke Paris-Lyon mit 270 km in der Stunde. Und wie schnell fährt die Deutsche Bundesbahn? Unsere IC-Züge haben eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 110 km in der Stunde. Die Erhöhung der Geschwindigkeit ist aber auch für den Güterverkehr besonders wichtig. Die Bahn muß in die Lage versetzt werden, hochwertige Güter im Nachtsprung zwischen den Wirtschaftszentren zu transportieren. Ein großes Innovationspotential liegt bei der Bahn noch in der Automatisierbarkeit der Betriebsabläufe und in ihrer hohen Verkehrssicherheit. Das Teilnetz der Neubau- und Ausbaustrecken, wie es jetzt konzipiert ist, muß weiter komplettiert werden. Auch die ländlichen Räume dürfen nicht völlig vergessen werden. Auch diese Gebiete müssen über Anschlußstrecken von deren Knoten aus an das moderne Bahnnetz angebunden werden. Wir haben in unserem Land noch eine erhebliche Bindung von Volkswirtschaftsvermögen in den Lagervorräten der Wirtschaft. Die Experten schätzen dies auf 350 Milliarden DM. Hier liegen noch Rationalisierungsmöglichkeiten für unsere Volkswirtschaft, aber auch Chancen für die Verkehrsträger, insbesondere für die Deutsche Bundesbahn. Die Deutsche Bundesbahn braucht Marktnähe, Sie muß das Ohr am Markt haben. Eine wichtige Funktion hat die Deutsche Bundesbahn auch in der Fläche. Der Schienenverkehr in der Fläche muß erhalten bleiben, soweit dies strukturpolitisch geboten und von dem erreichbaren Verkehrsaufkommen her vertretbar ist. Streckenstillegungen hat es schon früher gegeben und werden auch in Zukunft nicht zu vermeiden sein, wenn diese Strecken nicht mehr angenommen werden. Der Antrag der GRÜNEN ist wirklichkeitsfremd. Ich gehe davon aus, daß ihn auch die SPD nicht akzeptieren kann. Die Deutsche Bundesbahn bleibt in der Fläche präsent. Sie hat ihre Aufgabe auch im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr. Dazu gibt es keine Patentrezepte, so wie Sie meinen, daß man über unser Land hinweg ein einheitliches Konzept erstellen könnte. Hier ist eine realistische Politik für den öffentlichen Personennahverkehr erforderlich. Es muß das nachfragegerechte Verkehrsmittel eingesetzt werden. Das kann in vielen Fällen auch der Bus sein. Ein letzter Gedanke. Zur wirtschaftlichen Stabilisierung und finanziellen Konsolidierung der Bahn gibt es keine Alternative. Wir wissen, daß mit der Sparpolitik allein die Sanierung der Bahn nicht erreicht werden kann. Der Deutschen Bundesbahn hängen die Alt- und Fremdlasten am Bein. Dieses Problem der Entschuldung muß noch angepackt werden. Da stimmen wir überein. Auch die Investitionshilfen müssen mittelfristig erhöht werden. Aber, meine sehr verehrten Kollegen von der SPD, wir können doch nicht alle Erblasten der Bahn, die Sie uns hinterlassen haben, auf einmal abtragen. ({3}) Der Ruf nach Gesetzen ist auch kein Ersatz für politisches Handeln. Die Ausgleichsleistungen, die der Bund heute der Bahn leistet, sind nicht, wie der Kollege Haar behauptet hat, gesenkt worden; sie betragen 1985 9,6 Milliarden DM, sind erheblich angehoben worden. Der Ruf nach einer Trennungsrechnung zwischen dem gemeinwirtschaftlichen Teil und dem betriebswirtschaftlichen Teil bei der Bahn ist verständlich. Nur, eine Trennungsrechnung löst die Probleme nicht. Auch wenn man Kosten trennt, kann man sich von Ihnen nicht verabschieden. Eine solche Regelung ist nur dann sinnvoll, wenn die Entschlackung von alten Fremdlasten erfolgt, denn sonst würde der Manipulation Tür und Tor geöffnet werden. Die neue Politik, das neue Selbstverständnis der Deutschen Bundesbahn zeigen ihre Wirkungen. Ich freue mich mit den Eisenbahnern und mit der Bundesbahnführung über diesen Erfolg. Es ist eine gute Arbeit in kurzer Zeit geleistet worden. ({4}) Wir sagen unseren Dank und unseren Respekt der Bundesbahnführung, den Eisenbahnern, und wir sagen unseren ganz besonderen Dank Herrn Verkehrsminister Dr. Werner Dollinger, ({5}) der die neue Politik eingeleitet und der der Bahn entscheidend geholfen hat, daß sie die notwendigen Maßnahmen hat treffen können. Und wir freuen uns, daß die Eisenbahner aus der Ecke, in der sie vorher gestanden haben, endlich herausgeholt werden konnten. Trotz Auto und Flugzeug hat die Deutsche Bundesbahn eine Zukunft. Wir werden den Bundesverkehrsminister bei seiner erfolgreich in die Wege geleiteten Politik weiterhin unterstützen. ({6})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Senfft.

Hans Werner Senfft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002162, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Damen und Herren, bevor ich zur Sache komme, eine kurze Feststellung: ({0}) Das ist heute meine erste Debatte hier im Bundestag. Ich muß sagen: Ich bin schon ein bißchen betroffen. ({1}) Ich bin etwas betroffen darüber, daß die Verkehrspolitiker, die schon jahrelang hier sitzen, die Obleute der Fraktionen von CDU/CSU und FDP samt dem Verkehrsminister hier erstens mit vorbereiteten Konzepten ankommen und dann zweitens nicht einmal den Mut haben, eine Zwischenfrage zuzulassen. ({2}) Ich erwarte von einem Verkehrsminister - er hat genug Redezeit, Zwischenfragen zuzulassen -, daß er in der Lage ist, auf Zwischenfragen einzugehen. Das kann man von einem Verkehrsminister doch wohl erwarten. Es ist ein Trauerspiel, muß ich sagen. ({3}) Ich möchte inhaltlich auf unseren Entschließungsantrag und auf die namentliche Abstimmung eingehen, die, von uns beantragt, gleich folgen wird. Herr Jobst, wenn Sie sagen, wir wollten mit unseren Vorlagen die Bahn konservieren, so ist das ganz einfach falsch. Die Realität ist anders. Sie konservieren mit Ihrer Politik die Bahn, und das seit 30 Jahren. Seit 30 Jahren haben Sie dieselben Fahrpläne, wenn nicht schon gestrichen wurde, dieselben alten Fahrzeuge, die alten Lokomotiven. Sie haben überhaupt nichts modernisiert. Sie haben die Bahn konserviert. Das wollen wir nicht. Wir wollen das Gegenteil. Wir wollen die Bahn modernisieren, attraktiver gestalten. Wir wollen Investitionen. ({4}) Herr Hoffie, Sie sind doch auch so vom Unternehmergeist beseelt - er ist auch nicht mehr da -, von der freien Marktwirtschaft. Ich möchte Herrn Hoffie mal fragen: Welche Firma kann es sich überhaupt erlauben, das gleiche zu machen wie die Bundesbahn, nämlich 30 Jahre lang ein und dasselbe Angebot bereitzuhalten und keine Verbesserungen zu bieten? ({5}) Wenn VW heute noch dieselben Modelle verkaufte wie vor 30 Jahren, würde dieses Unternehmen genauso pleite gehen. Wo nichts investiert wird, kann keine Verbesserung erfolgen. Wir aber wollen Investitionen, wollen Modernisierung. Jetzt wird hier gesagt: So pauschal geht das nicht, das ist einfach nicht möglich. Solche Argumente kommen. Es gibt Beispiele, etwa aus dem CDUregierten Baden-Württemberg: Meckesheim-Aglasterhausen. Es gibt das Beispiel Korntal-Weissach, die Bundesbahnstrecke Bonn-Euskirchen. Alles hervorragende Ergebnisse von Modellversuchen! Oder von Köln nach Gummersbach! Schauen Sie sich das vorbildliche Eisenbahnnetz in Dänemark an: Taktbetrieb, Stundentakt auch im ländlichen Raum. In den Niederlanden finden Sie das gleiche. Schauen Sie sich den schweizerischen Eisenbahnbetrieb an. Wenn Sie das einmal machen und dann mit der Situation bei uns vergleichen, so stellen Sie feest: Auch hier wäre es möglich. Das Angebot im ländlichen Raum ist - das ergibt sich beim Vergleich mit den benachbarten europäischen Nationen - nirgendwo so miserabel wie in der Bundesrepublik. ({6}) Wir haben einen enormen Nachholbedarf. Ich habe leider nur noch eine Minute und möchte stellvertretend einmal zitieren. Dann wird auch schon deutlich, warum wir eine namentliche Abstimmung wollen. Im Schreiben des CDU-Kollegen Volkmar Köhler an die GRÜNEN heißt es wie folgt: Ich versichere Ihnen, daß ich voll mit Ihnen darin übereinstimme, daß Einschränkungen des Leistungsangebotes im Schienenpersonennahverkehr der Deutschen Bundesbahn und besonders auf der Strecke Helmstedt-Schöningen-Wolffenbüttel verhindert werden müssen. Aus diesem Grund kämpfe ich seit mehr als zehn Jahren um den Erhalt dieser und anderer Strecken. Außerdem stehe ich in dieser wichtigen Frage in stetem engen Kontakt mit den betroffenen Gemeinden, Landes- und Bundesbehörden, und ich werde selbstverständlich meine Bemühungen gegen Streckenstillegungen der DB in unserem Raum energisch fortsetzen. Das ist ein Beispiel von vielen Beispielen quer durch alle Parteien, daß Sie den Bürgern vor Ort Versprechungen machen, die Sie in den letzten 20 Jahren nie eingelöst haben. Das wird endlich einmal Zeit. ({7}) Wir verlangen heute eine namentliche Abstimmung, damit die Bürger vor Ort in den Wahlkreisen sehen, ob Sie die Versprechen einhalten, die Sie in den Wahlkreisen geben, ob sie die Versprechen auch im entfernten Bonn einhalten. Sie wissen, die Realität in den letzten Jahren war nicht so. Wir sind der Meinung, der Betrug am Bürger muß endlich ein Ende haben. Wenn Sie den Mut aufbringen, in Ihren Wahlkreisen den Bürgern zu sagen: Jawohl, die Strecke muß dichtgemacht werden, dann ist das okay. Aber so, wie Sie das zur Zeit machen, geht es nicht. Sie haben heute die Möglichkeit, sich irgendwie zu entscheiden. Ganz Deutschland ist zur Zeit für die Bahn, auch der Bundeskanzler. Er war ja beim Waldsterben so erschrocken. Er hat folgendes ausgeführt: Wir brauchen eine Renaissance der Bahn, denn der Schienenverkehr ist nicht von gestern, sondern von morgen. Ökologisch und ökonomisch ist die Bahn so vernünftig, daß sie attraktiv gemacht werden muß. Jawohl, das ist genau unsere Auffassung. Endlich herrscht einmal Übereinstimmung; bereinstimmung auch mit dem Herrn Bundespräsidenten, Übereinstimmung mit allen Bundesländern, Übereinstimmung mit Jaumann, mit Strauß, mit Jochimsen, Übereinstimmung mit allen Abgeordneten, mit allen Landräten, mit den Kreisen. Alle sind sich einig: Die Bahn muß bleiben, die Bahn muß attraktiver gemacht werden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, nur nicht in Übereinstimmung mit dem Präsidenten, denn Ihre Redezeit ist abgelaufen. ({0})

Hans Werner Senfft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002162, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das ist dann wahrscheinlich die Minderheit. ({0}) Ich komme also zum letzten Satz. Ich hoffe, daß Sie diesem Entschließungsantrag deshalb zustimmen werden. Danke. ({1})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kohn.

Roland Kohn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001168, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach diesem grünen Fortsetzungsroman kann ich nur sagen: Erwartungsgemäß war der zweite Teil noch schwächer als der erste. ({0}) Meine Damen und Herren, wenn man einmal unbefangen die Anträge der Opposition zur Entwicklung des Unternehmens Deutsche Bundesbahn liest, dann könnte man sich in eine Märchenstunde versetzt fühlen. Deshalb möchte ich meine Ausführungen eigentlich auch mit einem kleinen Märchen beginnen. Es war nämlich einmal ein alter, grauer und lahmender Elefant, ein Arbeitselefant. ({1}) Der wurde eines Tages von einem verständnisvollen Zauberer und einer mitfühlenden Werbefee in einen dynamischen jungen rosaroten Elefanten verwandelt. Dieser Elefant machte eines Tages eine Reise an den Rhein und kam dort in eine nicht mehr ganz so kleine Stadt, wo der Hof zu tagen pflegt. Dort begegnete er zwei Höflingen, die gerade dabei waren, Blindekuh zu spielen. Sie tasteten den Elefanten ab. Der eine, der den Rüssel erwischt hatte, meinte, hier müsse es sich j a wohl um eine Schlange handeln, und der andere, der nun gerade ein Bein erwischt hatte, meinte, hier könne es sich ja nur um einen Baum handeln. Meine Damen und Herren Kollegen von der Opposition, erkennen Sie sich in diesem Gleichnis wieder? ({2}) Ich möchte Ihnen einen Rat geben: Nehmen Sie Ihre ideologische Binde ab, und schauen Sie den Tatsachen ins Auge, mit denen wir es bei der Deutschen Bundesbahn zu tun haben. ({3}) Die SPD-Fraktion - das will ich gerne einräumen - hat zwar ihre Hausaufgaben gemacht, sie hat sich allerdings im Stundenplan geirrt, denn seit den Bahn-Leitlinien der Bundesregierung vom November 1983 und seit dem Unternehmenskonzept '90 der Bahn steht eine marktwirtschaftlich operierende Bundesbahn auf der Tagesordnung, nicht aber die Fortsetzung der Funktionärswirtschaft mit anderen Mitteln. Sie fordern paritätische Mitbestimmung bei der Bundesbahn. Das ist - ich sage das ganz deutlich - kühle, sozialdemokratisch eingefärbte gewerkschaftliche Machtpolitik. Wenn man nämlich das SPD-Modell durchrechnet, dann kommt klar zum Ausdruck, was Sie wollen: Sie wollen durch eine rechtliche Konstruktion eine satte Mehrheit für ein Bündnis Gewerkschaft-SPD schaffen und damit die Unternehmensentwicklung bei der Bahn blockieren. So sichert man sich Mehrheiten. Wir werden dabei natürlich nicht mitmachen. Die GRÜNEN - das konnte ja auch gar nicht anders sein - haben ihre Hausaufgaben schlecht gemacht. ({4}) Sie kommen hier mit Vorschlägen aus der Tüte des Abc-Schützen und tun so, als seien Sie eine Oberschulleitung oder - um im Bild und beim Thema zu bleiben - eine Oberzugleitung. Das sind Sie aber nicht. ({5}) Sie fordern - das kann man eigentlich in zwei Punkten zusammenfassen - Zwangsverschickung auf die Schiene und Plünderung des Bundeshaushalts. ({6}) Auch dies ist keine Konzeption, mit der man die Bahn sanieren könnte. Nein, so leicht kann man es sich mit einem der wichtigsten Leistungsträger unserer Volkswirtschaft wirklich nicht machen. ({7})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Roland Kohn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001168, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, vielen Dank; zweimal Kollegen von den GRÜNEN, das hat gereicht. Wir Liberalen haben eine ganz klare Position. Wir wollen ein Unternehmen Bahn und keine Behörde Bahn. Wir wollen keine Staatsbahn, sondern eine Bahn, die am Markt operiert. ({0}) Auf diesem Wege sind wir ja zu ersten Erfolgen gekommen. Das Ergebnis des Jahres 1984 war um eine halbe Milliarde DM besser als das Ergebnis des Vorjahres. Vor allem aber ist besonders wichtig: Dieses Unternehmen hat wieder Zuversicht, Selbstvertrauen gewonnen. Die Mitarbeiter glauben wieder an die Zukunft ihres eigenen Unternehmens. Dafür gebührt dem Vorstand Dank, vor allem aber auch allen Eisenbahnern selbst. ({1}) Was muß weiter getan werden? Erste Stoßrichtung: Wir brauchen eine weitere Verbesserung der Produktpalette der Bundesbahn. Ich kann in diesem Zusammenhang nur mit äußerstem Befremden zur Kenntnis nehmen, was hier von seiten der GRÜNEN zum Thema Neubaustrecken gesagt wurde. Wenn Sie so argumentieren, dann haben Sie nicht begriffen, welche strategische Bedeutung Neubaustrecken für die Zukunft des Unternehmens Deutsche Bundesbahn haben werden. ({2}) Dann haben Sie nicht begriffen, was es bedeutet, wenn sich die Fahrtzeit von Mannheim nach Stuttgart halbiert. Dann haben Sie nicht begriffen, was es auch für die Motivation der Mitarbeiter dieses Unternehmens bedeutet, wenn - wie z. B. vor einigen Tagen bei der Eröffnung der westlichen Einführung der Ried-Bahn in den Mannheimer Hauptbahnhof wieder eine Zukunftsperspektive für das Unternehmen Bahn sichtbar wird. ({3}) Mit dem Konzept IC '85 ist ein guter Erfolg errungen worden, aber was unterhalb der Ebene des ICBetriebs bei der Fernbahn stattfindet, ist noch nicht ausreichend. Ich denke hier vor allem an die muffeligen D-Züge. Ich könnte mir sehr gut ein D-Zugsystem vorstellen, das an das IC-Netz anschließt und das ebenfalls im Takt verkehrt. Oder könnte man nicht auch prüfen, ob man auf bestimmten Strecken mit vereinfachten straßenbahnähnlichen Standards und Techniken fährt, ob man in Zusammenarbeit mit Privaten und Gebietskörperschaften nicht zu sinnvollen Konzeptionen gelangen kann? - Das, was Sie, Herr Kollege von den GRÜNEN, vorhin beispielhaft in bezug auf die Strecke Meckesheim-Aglasterhausen angeführt haben, hat mich besonders gefreut, weil das in meinem Wahlkreis liegt. Zweite Stoßrichtung: Wir brauchen eine Verbesserung im Rechnungswesen, eine Verbesserung im controlling, im Prüfungswesen. Wir müssen weg von bürokratischen und hin zu unternehmensgerechten Kontrollformen. Dritte Stoßrichtung: Die Mitarbeiter müssen noch mehr Spielraum für eigenes unternehmensbezogenes Handeln bekommen. Die Eisenbahner selbst sind das eigentliche Leistungszentrum der Bahn. Sie müssen in ihrer Kreativität, in ihrer Leistungsfähigkeit gefordert werden. Ich habe in den letzten Jahren bei der Bahn sehr viel Bereitschaft dazu verspürt. Meine Damen und Herren, ich möchte noch ein Wort zum Thema ÖPNV sagen. Wir Liberalen haben von dieser Stelle aus bereits mehrfach deutlich gemacht, daß wir die Konzeption der Bundesregierung und der Bahn unterstützen, daß es nicht dazu kommen darf, daß sich die Bundesbahn aus der Fläche zurückzieht. Wir sagen aber auch überall: Es muß zu sinnvollen Konzeptionen kommen. Der ÖPNV muß auch dort, wo er schienenbezogen bleiben soll, finanzierbar sein. Lassen Sie mich zum Abschluß einige Überlegungen anstellen, einen 10-Punkte-Vorschlag zur Diskussion stellen. Dazu zählt aus unserer Sicht - erstens - die Überprüfung der Genehmigungsvorbehalte des Bundesverkehrsministeriums mit dem möglichen Endziel eines Wegfalls. Dazu gehört zum zweiten die Frage, ob man den Verwaltungsrat des Unternehmens umgestalten kann zu einem Aufsichtsrat, analog etwa zu einer Aktiengesellschaft. Ein dritter Punkt, den man in diesem Zusammenhang ansprechen und diskutieren müßte, wäre die Frage einer Präzisierung der Unternehmensziele in der Präambel des Bundesbahngesetzes. Dort könnte man als Zielsetzung etwa hineinschreiben: Erbringung von Bürger- und kundenorientierten Verkehrsdienstleistungen zu Marktpreisen und Erbringung gemeinwirtschaftlich ausgerichteter Verkehrsdienstleistungen bei garantierter Abgeltung der Kosten nach dem Verkehrsverursacherprinzip. Ein vierter Punkt ist die Idee der gesetzlichen Verankerung der Trennungsrechnung im Bundesbahngesetz. Um hier Mißverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht darum, einen Schutzzaun um die Bundesbahn zu errichten, sie durch rechnerische Tricks in die schwarzen Zahlen zu bringen, sondern es geht darum, deutlich zu machen, wo die Kosten entstehen, um ein Instrument an der Hand zu haben, diese Kosten in den Griff zu bekommen. Ein fünfter Punkt, den ich gerne ansprechen möchte, ist die Frage des Prüfungsdienstes. Ich denke, daß die Prüfung des Jahresabschlusses durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorgenommen werden könnte und die Regelung des Prüfungsrechts des Bundesrechnungshofes analog zu anderen privatwirtschaftlichen Beteiligungen des Bundes gestaltet werden könnte. Vor allem ist es aber auch sinnvoll, so denke ich jedenfalls, das Hauptprüfungsamt der Bahn abzuschaffen, da es zum Teil die gleichen Felder abprüft wie die interne Revision und der Bundesrechnungshof. Ein sechster Punkt, den ich zur Diskussion stellen möchte, ist die Frage der Verbesserung der Kostenrechnung als Grundlage für die Kontrolle des eigenverantwortlichen Managements. Eine solche Konzeption mit einer Terminierung der Arbeiten an einem neuen Rechnungswesen für die Bahn und einer stufenweisen Umsetzung ihrer Ergebnisse könnte bis Ende des Jahres 1987 erarbeitet werden. Siebtens. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage der privatrechtlichen Dienstverträge, d. h. die Umgestaltung der Laufbahn des höheren Dienstes, so daß in Zukunft grundsätzlich der Abschluß privatrechtlicher Verträge für den höheren Dienst oberhalb der Einstiegsebene, soweit Führungsaufgaben bei der Position überwiegen, vorgesehen werden könnte. Ein achter Punkt wäre, die Frage der Gründung einer regionalisierten, dezentral nach betriebswirtschaftlichen Erfolgskriterien arbeitenden Verkaufsgesellschaft der Bahn zu prüfen, die alle Verkaufsaktivitäten der Bahn zusammenfaßt. Ein neunter Punkt wäre die Frage der Gründung eines Innovationszentrums Bundesbahn als Motor der Unternehmenskonzeption, um Ideen zu sammeln, Ideen zu produzieren, die den betriebswirtschaftlichen Erfolg der Bahn verbessern, die Kundenzufriedenheit und die Bindung der Kunden an das Unternehmen festigen und auch zur Humanisierung der Arbeitsplätze beitragen könnten. Der zehnte und letzte Punkt, den ich hier ansprechen möchte, ist die langfristig angelegte Verbesserung der Kapitalstruktur - d. h. Auslagerung nicht bahnspezifischer marktfähiger Aktivitäten, d. h. möglicherweise auch Umwandlung des Unternehmens in eine Holding mit GmbHs als Profitzentren und Stärkung der Kapitalbasis durch Hereinnahme privaten Kapitals. Diese zehn Punkte sind Ideen, wie man die Zukunft der Bahn auf Dauer sichern kann. Ich glaube, wir müssen aus der rein defensiven Diskussion über Schuldzuweisungen in der Vergangenheit herauskommen und uns einer offensiven und innovativen Politik gegenüber diesem Unternehmen zuwenden. Meine Damen und Herren, die Bahn hat in einer sehr informativen Broschüre, die kürzlich veröffentlicht wurde, einen sehr wichtigen Satz gesagt. Es heißt dort: „Die neue Bahn kann nicht von heute auf morgen entstehen, doch jeden Tag kommt ein Stück neue Bahn dazu." ({4}) Das ist das, was wir politisch unterstützen müssen. Wenn Sie darüber lachen, meine Herrschaften von der grün angestrichenen Fraktion, kann ich Ihnen nur sagen: Sie haben das Problem einfach nicht begriffen, aber das wäre von bahnpolitischen Abc-Schützen vielleicht auch zuviel verlangt. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich möchte Ihnen für Ihre weitere bahnpolitische Arbeit angesichts der Gesetzentwürfe und Entschließungsanträge, die Sie vorgelegt haben, eines als Motto mit auf den Weg geben: more pepper, less paper! ({5}) Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir mit den Vorstellungen, die ich hier vorgetragen habe, einen sinnvollen Beitrag leisten, wie wir den rosaroten Elefanten auch in Zukunft auf Trab halten können. Wir Liberalen sind dazu bereit, zusammen mit dem Vorstand, zusammen mit dem Verkehrsminister und zusammen mit den Eisenbahnern ein zuverlässiger und sicherer Partner der Bahn zu sein, um ihr eine Zukunft zu sichern. Vielen Dank. ({6})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ibrügger.

Lothar Ibrügger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000989, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kohn, Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind Vertreter des ganzen deutschen Volkes, und ich halte es für unanständig, Kollegen des Bundestages als Abc-Schützen abzuqualifizieren. ({0}) Es ist sicherlich keine Hilfestellung für unsere Diskussion, wenn jemand, der eine andere Meinung vertritt, so tituliert wird. In einer Broschüre las ich vor kurzem: Zahlen, die aufhorchen lassen: 30 000 Züge setzt die Bahn ein - pro Tag. Mit ihnen befördert sie 3 Millionen Reisende und 1 Million Tonnen Waren und Güter - auch das pro Tag. Trotz gesunkener Marktanteile: die Deutsche Bundesbahn ist - und bleibt - das größte Transportunternehmen der Bundesrepublik. Herr Präsident, meine Damen und Herren, das sind Daten, die sich sehen lassen können. Sie beweisen, daß Mobilität ohne die Bahn eigentlich undenkbar ist. Das heißt weiter: 28 000 km Schienennetz und 140 000 km Busnetz erschließen Stadt und Land in der Bundesrepublik Deutschland. Mit 14 000 Bussen reisen Tag für Tag weitere 2 Millionen Fahrgäste. Ohne die Bahn liefe vieles schleppender - oder gar nicht. Unsere Wirtschaft kann auf eine funktionierende moderne Bahn nicht verzichten. Unsere Bevölkerung, füge ich hinzu, kann auf eine funktionierende Deutsche Bundesbahn ebenso nicht verzichten. Ich betone daher ausdrücklich noch einmal die Aussage meines Kollegen Ernst Haar: „Alle Regionen des Bundesgebietes haben ein Anrecht auf Grundversorgung mit öffentlichem Personenverkehr und Güterverkehr." ({1}) Beispiel 1 für gemeinwirtschaftliche Aufgaben der Deutschen Bundesbahn: In den Ballungsgebieten der Bundesrepublik Deutschland, von Hamburg über Bremen, das Ruhrgebiet, Rhein-Main, Rhein-Neckar und München, um nur einige herauszugreifen, leben 50 % aller Einwohner der Bundesrepublik auf 7 % der Fläche. Diese Bevölkerungszahlen erzeugen eine enorme Verkehrsdichte in unseren Städten. Sie führen im Kraftfahrzeugverkehr zu erheblichen Belastungen durch Lärm, Erschütterung und Geruchsbelästigung. Ein Nahverkehrszug mit einer Länge von 250 m kann 1 50Ó Reisende schnell, sicher, bequem und auf raumsparendem Fahrweg befördern. Stellen wir uns die gleiche Zahl der Reisenden in Pkws vor: 1 000 Pkws in einer 10 km langen Schlange wären die Folge. Mit ihren Leistungen im Schienenpersonennahverkehr beweist die Bundesbahn täglich aufs neue ihren hohen gemeinwirtschaftlichen und umweltpolitischen Nutzen. Die Begrenzung der Beteiligung des Bundes über die Deutsche Bundesbahn an Verkehrsverbänden und die gleichzeitige Plafondierung der Bundesmittel für die Deutsche Bundesbahn belasten diesen gemeinwirtschaftlichen und umweltpolitischen Nutzen, der vielen Bürgern täglich zugute kommt. Was wären die 30 000 Züge pro Tag, umgesetzt in KfzLeistungen? Jedermann kann sich leicht vorstellen, welche immensen umweltpolitischen Belastungen damit verbunden wären. Die Leitlinien der Bundesregierung zur Bundesbahnpolitik geben keine Hilfestellung zur entscheidenden Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs in den Ballungsgebieten. Im Gegenteil! Das Geschachere um die S-Bahn in Köln war ein nur zu gutes Beispiel. ({2}) Beispiel 2: der ländliche Raum. Dort bestimmen Sorgen und Unruhe über beabsichtigte Streckenstillegungen die örtliche Diskussion. Es ist wahr, der Bahnhof befindet sich heute nicht mehr im Mittelpunkt der Ortschaft des ländlichen Raumes. Die Siedlungsentwicklung hat sich entlang der Straßen vollzogen, mit unangenehmen Folgen für eine große Gruppe unserer Bevölkerung, die über keinen Pkw verfügen kann. Ich spreche von den Schülern und Jugendlichen, den Ehefrauen mit Kindern in den Arbeitnehmerfamilien, den ausländischen Mitbürgern und vor allem den älteren Menschen, die ein befriedigendes öffentliches Nahverkehrsangebot im ländlichen Raum suchen und kaum finden. Ich komme aus einem Kreis im äußersten Norden des Landes Nordrhein-Westfalen mit rund 290 000 Einwohnern. In 125 Ortschaften verläßt im Schnitt jeder zweite Arbeitnehmer am Morgen den Wohnort, um in einem anderen Ort die Arbeitsstelle aufzusuchen, rund 90 % davon mit dem Pkw. Trotz der im ländlichen Raum wegen der unzureichenden öffentlichen Nahverkehrsverbindungen überdurchschnittlich hohen Motorisierungsziffern kann dort fast die Hälfte der Bevölkerung zur Arbeitszeit nicht über ein Fahrzeug verfügen. Sie braucht ein funktionierendes öffentliches Nahverkehrsnetz. Auch hier helfen die Leitlinien der Bundesregierung nicht weiter. Der Schrumpfkurs verspricht keine Besserung. ({3}) Wir sollten uns für die künftige Bedienung des ländlichen Raums im Schienenpersonenverkehr und im Güterverkehr ständig des eigentlichen Geheimnisses des IC-Erfolges bewußt sein. Erst die Knoten mit den Umsteigemöglichkeiten gewährleisten das IC-Netz. Bei 3,3 Milliarden DM, die gegenwärtig aufgebracht werden, um die Defizite im Schienenpersonennahverkehr auszugleichen, sollte es uns gelingen, die jetzt schon zur Verfügung ste10568 henden Mittel in Zusammenarbeit und Kooperation intelligenter zu nutzen: durch Knotenbildung, Taktverkehr und Umsteigemöglichkeiten bei Bahn und Bus. ({4}) Das Verkehrsangebot der Deutschen Bundesbahn muß das Rückgrat einer Netzbedienung in der Fläche für den Personenverkehr und den Güterverkehr sein. Es ist gemeinwirtschaftlich erforderlich und zwingend für die Daseinsvorsorge in Stadt und Land. Der Bund darf sich dem aus finanzwirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Gründen nicht entziehen. Herr Dollinger, ich muß Sie kurz an ein Schreiben des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 21. Februar 1984 erinnern. Er weist darauf hin, daß bei kommenden Entscheidungen über Streckenstillegungen möglichst frühzeitig sorgfältig abgewogen werden müsse zwischen dem Beitrag, den eine solche Maßnahme zur notwendigen Verringerung des Defizits der DB leisten kann, und ihren raumordnerischen und regionalwirtschaftlichen Folgen. Ein Rückzug der Bundesbahn aus der Fläche, so fährt er fort, wird von den betroffenen Regionen häufig so verstanden, als würden sie von der Bundesregierung „abgeschrieben" werden. - An diesem Eindruck läßt sich dann auch wirklich nichts ändern. Die Leitlinien der Bundesregierung und die Plafondierung der Bundesmittel dürfen nicht zu einem immer schnelleren Rückzug der Schiene aus der Fläche führen. Dies darf nicht das Zukunftskonzept der Deutschen Bundesbahn sein. Der bayerische Ministerpräsident Strauß ist da eigentlich völlig unserer Meinung. Er schrieb im Dezember 1983 in einer Philippika gegen die im Entwurf befindlichen Leitlinien der Bundesbahn dem Bundesfinanzminister Stoltenberg: Die Begrenzung der Beteiligung des Bundes über die Deutsche Bundesbahn an Verkehrskooperationen auf die Projekte, bei welchen sichergestellt ist, daß die Verluste der Bahn nicht höher steigen als die Gesamtzuwendung an sie, erweckt angesichts der gleichzeitigen Plafondierung aller Bundeszuwendungen genau das Gegenteil. Schließlich können die vielen dringend notwendigen Vorhaben nicht einfach zu den Akten genommen werden. Die Kommunen werden dadurch gezwungen, das Finanzierungsdefizit aufzufangen. Es folgt eine weitere bemerkenswerte Aussage des bayerischen Ministerpräsidenten: Das Bundesbahngesetz zeigt klar, daß zum Zielkatalog der Bundesbahn auch gemeinwirtschaftliche Aufgaben gehören. Alle Überlegungen sind deshalb wider das Gesetz, die davon ausgehen, daß das Unternehmensziel der Bahn allein auf erwerbswirtschaftliche Leistungsangebote reduziert wird und alle darüber hinausgehenden Aufgaben dem politischen Ermessen der Bundesregierung allein unterliegen und abgebaut werden dürfen. Die Deutsche Bundesbahn hat - wie andere Verwaltungsträger auch - gemeinwirtschaftliche Belange zu beachten und Aufgaben in diesem Sinne zu erfüllen. Dabei ist sie besonders an das verfassungsrechtliche Gebot zur gleichgewichtigen Entwicklung des gesamten Bundesgebietes gebunden. Nur dies rechtfertigt die Zahlungen der öffentlichen Hand an die Bahn. Recht hat er, der bayerische Ministerpräsident. ({5}) Dies ist auch einer der Gründe für unsere Gesetzesinitiativen. Alle Regionen des Bundesgebiets haben ein Anrecht auf Grundversorgung mit öffentlichem Personenverkehr und Güterverkehr. Gleichwertige Lebensbedingungen und ausgewogene wirtschaftliche Verhältnisse herzustellen ist ein zwingendes Gebot des Bundesraumordnungsgesetzes, zwingend für den Bundestag und die Bundesregierung. ({6}) Es verpflichtet die Bundesregierung, ein bedarfsgerechtes und leistungsfähiges Schienennetz vorzuhalten. Deshalb tritt die SPD für die Ausbau- und Neubaustrecken ebenso ein wie für die Erhaltung eines flächendeckenden Schienennetzes. Der von der SPD vorgelegte Gesetzentwurf öffnet den Weg dazu. Die Bundesbahn wäre hoffnungslos überfordert, wenn sie in Zukunft die Anpassung des Schienennetzes vom Vorkriegsstand an heutige Wirtschafts-und Siedlungsgegebenheiten selber finanzieren müßte. Deswegen unsere Gesetzesinitiative. Die „Leitlinien zur Konsolidierung der Deutschen Bundesbahn" haben einen weitgehenden Rückzug der Deutschen Bundesbahn aus dem öffentlichen Personennahverkehr vor allem in der Fläche eingeleitet. Dies widerspricht dem erklärten Ziel einer Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, seiner Einbindung in den Regionalverkehr und dem Anschluß an die Fernstrecken. Der Bund muß unser Unternehmen Deutsche Bundesbahn mit Investitionen so ausgestalten, daß Aufgaben und Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs von der Bahn auch voll erfüllt werden können. Wenn die Deutsche Bundesbahn diesen gemeinwirtschaftlichen Auftrag auch in Zukunft gewährleisten soll, muß die Politik der Plafondierung beendet werden. ({7}) Die Zeit reicht leider nicht, um die weiteren Vorschläge zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs in der Fläche vorzutragen. Dazu wird Gelegenheit im Ausschuß sein. Aber Umdenken tut sicherlich auf allen Seiten dieses Hauses not. Lösen wir uns vom Schema Opposition und Bundesregierung, SPD auf der einen, CDU/CSU und FDP auf der anderen Seite, ({8}) Bundesregierung und christlich-demokratisch regierte Länder hier, sozialdemokratisch regierte Bundesländer dort. Der Bundestag kann mit der Verabschiedung der Gesetzentwürfe - wenn es nachher gemeinschaftliche Gesetzesanträge sind, ist es mir um so lieber - Voraussetzungen dafür schaffen, daß die Deutsche Bundesbahn wirklich mit begründeter Zuversicht an die Schwelle des Jahres 2000 fahren kann. Stellen wir die Weiche, die wir mit den bisherigen Novellierungen doch schon betätigt haben, gemeinsam in die richtige Fahrtrichtung. Das verspricht Arbeit und Beschäftigung, volkswirtschaftlichen Gewinn und umweltpolitischen Nutzen. Herzlichen Dank. ({9})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Milz.

Peter Milz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns heute mit der Deutschen Bundesbahn und ihrer Zukunft beschäftigen, geht das wohl nicht, ohne ein paar Takte zur Vergangenheit und zur Gegenwart der Bahn zu sagen. Es geht wohl auch nicht, ohne sich mit der Verkehrspolitik der Vorgängerregierungen in den letzten 13 Jahren und der Verkehrsminister der SPD in den letzten 16 Jahren auseinanderzusetzen. ({0}) Die SPD verlangt heute ein neues Gesetz, sie verlangt eine Einordnung der Entwicklung der Bahn in gesetzliche Normen. Ich fühle mich fatal erinnert an das Vorhaben der SPD unter dem im übrigen sehr geschätzten ehemaligen Verkehrsminister Leber, der glaubte, die Probleme der Straßenbaupolitik dadurch lösen zu können, daß er den Leber-Plan schuf. Damals erklärte er: In zehn Jahren wird niemand weiter als 15 km von der Autobahn wohnen. Damit hatte er einen Erwartungshorizont errichtet, von dem wir schon damals gesagt haben, daß das nicht realisierbar sei. Es wird zu beweisen sein, daß auch das, was Sie heute sagen und tun, unrealistisch ist. Es ist nicht zu realisieren, weil es sich nicht an der Wirklichkeit orientiert. Was die Bahn heute braucht, sind zunächst einmal verläßliche Aussagen der Politiker. Diese verläßlichen Aussagen hat die Bundesregierung durch ihre Leitlinien am Beginn der Legislaturperiode auch der Deutschen Bundesbahn gegeben. Wir sind dem Verkehrsminister, wir sind der Bundesregierung dafür dankbar, daß sie der Bundesbahn eine im Rahmen ihrer Notwendigkeit klar formulierte Zielvorgabe gaben, um sie in die Lage zu versetzen, ihre zukünftige Entwicklung im wesentlichen auch durch eigene Entscheidungen sinnvoll gestalten zu können. Was sie als Zweites braucht, ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Politik einerseits und der Unternehmensführung der Bundesbahn andererseits, hier konkret dem Bundesbahnvorstand. Zu keiner Zeit hat sich eine Bundesregierung weniger in die unternehmerischen Entscheidungen des Bundesbahnvorstandes eingemischt, als das heute der Fall ist. Zu keiner Zeit hat die Politik mehr versucht, in die unternehmerischen Entscheidungen der Bundesbahn einzugreifen, als dies unter sozialdemokratisch geführten Regierungen der Fall gewesen ist. Meine Damen und Herren, das ist eine der Ursachen der Schwierigkeiten, mit denen wir uns heute auseinanderzusetzen haben. Hätten Sie sich, hätte sich u. a. der letzte Verkehrsminister, den Sie gestellt haben und den man übrigens bei verkehrspolitischen Debatten im Deutschen Bundestag überhaupt nicht mehr sieht, meine Damen und Herren - er schämt sich wohl seiner eigenen zweifelhaften Leistungen -, aus dieser unternehmerischen Politik herausgehalten, meine Damen und Herren, dann wäre manches bei der Deutschen Bundesbahn anders gelaufen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in aller Kürze zur Verläßlichkeit politischer Aussagen zurückkommen. Wir haben heute ein Paradebeispiel dafür, wie verläßlich Aussagen sozialdemokratischer Verkehrsexperten sind. Vor der Landtagswahl von Nordrhein-Westfalen bringt die SPD einen Antrag ein, in dem sie den Bau einer S-BahnStrecke im Ruhrgebiet fordert. Dieser Antrag trägt das Datum: 9. November 1984. Wir haben uns im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestages mit diesem Antrag im November 1984 beschäftigt. Wir haben den Antragstellern klargemacht, daß es sinnvoll sei, diesen Antrag zurückzuziehen, weil er sachlich nicht begründet ist, zurückzuziehen, meine Damen und Herren, weil das Land Nordrhein-Westfalen schon heute 44 % der Mittel zum Bau von S-Bahnen bekommt und einen noch höheren Anteil nur zu Lasten anderer Länder bekommen könnte, ({1}) zurückzuziehen, meine Damen und Herren, weil das Land Nordrhein-Westfalen die planerischen Voraussetzungen nicht geschaffen hatte, um dies überhaupt zu verwirklichen. Die Sozialdemokraten, meine Damen und Herren, waren nicht bereit, diesem unserem gutgemeinten Rat zu folgen. Heute nun, nachdem die Wahl in Nordrhein-Westfalen gelaufen ist, zieht die SPD den Antrag zurück. Vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen paßte er in die Landschaft, paßte er zum grandiosen Täuschungsmanöver der SPD in Nordrhein-Westfalen, ({2}) jetzt dagegen wird er zu den Akten gelegt, um ihn eines fernen Tages wieder aus der Schublade zu ziehen. Meine Damen und Herren, das sind die verläßlichen Aussagen der SPD zur Verkehrspolitik. ({3}) Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Zu Franz Josef Strauß und seinen Aussagen ist nichts zu sagen; auf ihn kann man sich verlassen. ({4})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Daubertshäuser?

Peter Milz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001511, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, Herr Präsident, die Zeit ist dafür zu kurz. Ich stelle weiter fest, meine Damen und Herren: Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen ist - u. a. - auch auf dem Hintergrund einer bewußten Wählertäuschung zum Ministerpräsidenten gewählt worden. ({0}) Im übrigen, meine Damen und Herren: Lesen Sie sich einmal die verkehrspolitischen Aussagen des Ministerpräsidenten unseres Landes durch. Sie werden dann feststellen, daß in der Regierungserklärung ganze zwei Sätze - und nicht mehr - zu dieser von Ihnen für so wichtig erklärten Frage wiederzufinden sind. Wo ist hier eigentlich die Redlichkeit, die Sie an den Tag legen sollten und die Sie von uns zu Recht verlangen? Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die Union war es und für die Union ist es eine Selbstverständlichkeit, daß die Bahn ihr Angebot nicht nur im Ballungsraum so attraktiv wie möglich gestalten muß - wir unterstützen die Bundesregierung bei diesem Vorhaben -, sondern für uns ist es auch eine Selbstverständlichkeit, die Bahn bei der Verwirklichung ihrer Absicht zu fördern, auch im ländlichen Raum ein ausreichendes Angebot an Schienenbedienung vorrätig zu halten. Ohne ein ausreichendes Angebot der Bahn, und zwar auf der Schiene, ist der ländliche Raum nicht zu entwikkeln, ({1}) wird den Bedürfnissen der Menschen im ländlichen Raum nicht ausreichend Rechnung getragen. Das aber, meine Damen und Herren, ist auch die Politik der Bundesregierung, die auch im Verkehrsausschuß sehr unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat, daß sie jeden Einzelfall prüft und daß die Entscheidung erst nach gründlicher Prüfung des Einzelfalles fällt. Nur so, meine Damen und Herren, kann man eine vernünftige Politik betreiben. ({2}) Lassen Sie mich abschließend einen dritten Punkt erwähnen und aufzeigen, wie erfolgreich die Politik dieser Bundesregierung in einer ganz wichtigen Frage ist. Die Bahn braucht auch die finanzielle Hilfe des Bundes. Sie braucht ebenfalls die notwendige Unterstützung bei ihren in Aussicht genommenen Investitionen. Investitionen sind nicht nur zur Verbesserung des Angebots der Bahn von Wichtigkeit; Investitionen - das wissen in der Zwischenzeit auch die Sozialdemokraten, die davon früher nie etwas gesagt haben - sichern auch Arbeitsplätze. Nicht staatliche Sonderprogramme, sondern sinnvolle Investitionen u. a. bei der Bahn sichern diese Arbeitsplätze. Ich hätte mir bei den kritischen Bemerkungen des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, ({3}) für die ich sehr viel Verständnis habe, gewünscht, daß unser Kollege Haar auch einmal darauf hinweist, daß die Investitionen der Bahn in diesem Jahr, da sie um 1,2 Milliarden höher liegen als im Vorjahr, ca. 10 000 Arbeitsplätze sichern und neu schaffen. Sie sichern und schaffen neu bei den Zulieferern und den Versorgungsbetrieben 10 000 Arbeitsplätze. Das heißt per Saldo: 20 000 Arbeitsplätze werden pro Jahr durch die Bahn gesichert und neu geschaffen. Meine Damen und Herren, dies ist doch eine Forderung, die Sie immer wieder an die Politik stellen. Weshalb sagen Sie, Herr Haar, dies nicht? Weshalb sagt dies kein Redner der SPD? ({4}) Hier könnten Sie einmal deutlich machen, daß es Ihnen nicht um billige Polemik geht, sondern um das Schicksal der Eisenbahner, um das Schicksal der Menschen, mit denen wir uns hier auseinanderzusetzen haben. ({5}) Wir werden die Bundesregierung auf ihrem Weg unterstützen, mögen Sie dagegenschreien, so laut es geht. Schreien ersetzt das Denken nicht, meine Damen und Herren. ({6})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bamberg.

Georg Bamberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000088, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, man sollte sich über die vorhergehende Rede von Herrn Milz nicht besonders aufregen. In ihr war bereits ein Hauch Oppositionsdenken spürbar. ({0}) Es gibt keinen Zweifel: Das Bahnmanagement ist bemüht, der Bahn ein neues, ein besseres Image nach außen zu verschaffen. Dies ist zum Teil auch gelungen. Hochglanzbroschüren wie z. B. jene mit dem Titel „Wir über uns" sind eine moderne Werbung. Es sind gute Ideen. Sie bringen die bemerkenswerten Angebote vom Intercity im Fernverkehr über Intercargo, Partiefracht und Termindienst im Güterverkehr denjenigen positiv und sympathisch nahe, für die diese Angebote bestimmt sind, nämlich dem Kunden und dem Markt schlechthin. Man würde der Unternehmensleitung der Bundesbahn nicht gerecht, wenn man diese betriebswirtschaftliche Leistung des dafür zuständigen Bahnvorstands nicht positiv würdigte. Das 150jährige Jubiläum wurde - warum auch nicht - geschickt eingebaut. Aber die selbstgestellte Frage des Bahnvorstands verdient überdacht zu werden: Wieso - so fragt der Bahnvorstand selbst - macht die Bahn dann keinen Gewinn? Diese Frage aufzugreifen, und zwar nicht betriebswirtschaftlich, wie es der Verkehrsminister tut, sondern verkehrspolitisch weiterzudenken, ({1}) eine Antwort auf die Frage zu geben zu versuchen, ob Aufwand und Erfolg sich glaubwürdig die Waage halten, ist nach meinem Verständnis die Aufgabe des Verkehrspolitikers. ({2}) Ich stelle die weitere Frage: Ist eine Bahnsanierung, eine Straffung, auch durch Ausbau möglich? Wie sähe beispielsweise die betriebswirtschaftliche Seite der Bahn aus, wenn man dieser Bahn und ihrem Management andere politische Rahmenbedingungen setzte, als man sie etwa durch die sogenannten Leitlinien der Bundesregierung gesetzt hat? Was sind das übrigens für Leitlinien, ({3}) die Arbeitslosigkeit und Umweltverschmutzung, die Geißeln unserer Zeit, fast völlig ignorieren? Bei anderen Leitlinien, meine sehr verehrten Damen und Herren - ich denke nicht an den sogenannten Leber-Plan für die Jahre 1968 bis 1972 -, war immerhin ein verkehrspolitisches Programm erkennbar. Im übrigen, Herr Milz, wäre der Leber-Plan selbstverständlich realisierbar gewesen, wenn nicht die CDU/CSU ihrer Straßenverkehrslobby nachgegeben hätte. Das war doch der Grund, warum der Leber-Plan gescheitert ist. ({4}) Ein Schritt in eine andere, richtige Richtung ist der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, der heute behandelt wird. Er gliedert sich in drei Stufen und würde die Rahmenbedingungen für die Betriebswirtschaft der Bahn so erweitern, daß der Vorstand der Deutschen Bundesbahn sein Erfolgsbemühen nicht in Personalabbau und Streckenstillegungen investieren müßte, sondern wie in expandierenden Industrieunternehmen selbstverständlich Erweiterungs- und Zukunftsinvestitionen vornehmen könnte. ({5}) Das ist der Grund für diesen Gesetzentwurf. Die richtige Meßlatte für einen Erfolg der Bahnpolitik kann nach meinem Dafürhalten nur die Steigerung des Anteils am Verkehrsaufkommen sein. ({6}) Nach der Broschüre aus dem Verkehrsministerium „Verkehr in Zahlen" bleibt die Tatsache bestehen, daß der Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen von 1981 bis 1983 gesunken ist, im Güterverkehr auf 27,9 %, im Personenverkehr auf 6,2 %. Sind das nicht alarmierende Zahlen, meine sehr verehrten Damen und Herren? Hinzu kommt, daß die Bundesregierung nicht verhindert hat, daß der Werkverkehr laufend zunimmt. Eine geringfügige Steigerung sei doch, so könnte man jetzt argumentieren, 1984 erkennbar gewesen. Aber die wird in Kürze wieder in Stagnation übergehen, weil die Wettbewerbsverzerrungen zuungunsten der Bahn auch durch bestes Management kaum abgebaut werden können und das Nichtfunktionieren des Marktes auf diesem Gebiet nur politisch gelöst werden kann. ({7}) Nein, es gibt auch darüber keinen Zweifel, daß, wenn wir, die Politik, nicht willens oder fähig sind, die Verkehrspolitik als zentralen Teil der Gesellschaftspolitik, alle lobbyistischen Widerstände brechend, radikal zu ändern, unsere Städte und Landschaften unter der Blechlawine kaputtgehen werden. Das steht für mich außer Zweifel. ({8}) Weil die Kollegen von der grünen Fraktion klatschen: Dies hat nicht ein Grüner gesagt, sondern dies hat der CSU-Bürgermeister und Vorsitzende des Bayerischen Städtetages von Landshut aus gesagt. ({9}) Und Daimer fährt fort - ich möchte hören, wenn ein Sozialdemokrat gesagt hätte, was Daimer gesagt hat, welches Lamento veranstaltet würde -: Das sich schon jetzt abzeichnende Verkehrschaos sei das Ergebnis der freien Marktwirtschaft. Deshalb werde man ohne Lenkungsmaßnahmen nicht auskommen. Wenn diese Regierung insgesamt in dem Teil, in dem Sie als Fachminister, Herr Dollinger, zuständig sind, schon Vorschläge und Warnungen der SPD ignoriert, müßten Sie doch nachdenklich werden angesichts der immer massiver werdenden Kritik gerade in der Bahnpolitik aus den eigenen Reihen. Der Sache wegen wünsche ich Ihnen einen sensiblen Machterhaltungsinstinkt, weil in den zwei Jahren - viel länger braucht es wahrscheinlich nicht mehr ({10}) sonst noch viel zuviel kaputtginge. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Tat, in einer Studie, die das Ifo-Institut im Auftrag wiederum des bayerischen Wirtschaftsministers erstellt hat, wird festgestellt: Bis zum Jahre 2000 wächst der Individualverkehr um 33 %, nimmt der Straßengüterfernverkehr um 70 % zu, steigt der Straßengüternahverkehr um 37 % - wenn die jetzige Verkehrspolitik nicht radikal geändert wird. Dies ginge im übrigen auch den Innenminister an. Aber über dessen Glaubwürdigkeit brauchen wir heute nicht mehr zu streiten. Wenn sich Politik, zumal Bahnpolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur in der Darstellung einer übrigens anzweifelbaren Betriebswirtschaft erschöpft und diese nicht perspektivisch kontrolliert, sich zudem dem Diktat des Finanzministers bedingungslos beugt und alle sachlichen Vor10572 I schläge und Warnungen auch aus den eigenen Reihen, lenkend einzugreifen, als abzulehnenden Dirigismus abqualifiziert, muß man von einem politischen Versagen sprechen dürfen. Nach meinem Dafürhalten versteht kein vernünftig denkender Mensch mehr, daß bestimmte gefährliche Güter, bestimmte Massengüter um den Preis einer weiter steigenden Umweltverhunzung, um den Preis von jährlich 11 000 Verkehrstoten weiterhin den Gesetzen des sogenannten freien Marktes unterworfen werden und über unsere Straßen rollen dürfen, während die umweltfreundliche, potentiell arbeitsplatzfördernde Bahn, das Volksvermögen Bundesbahn, so verstümmelt und bei dieser Politik letztendlich auch verschleudert wird. Nein, Lenkungsmaßnahmen für die Bahn dem Menschen zuliebe sind kein Dirigismus, sondern marktwirtschaftliche Instrumente zum Abbau von Wettbewerbsvorteilen anderer Verkehrsträger. Das ist eine Tatsache! ({11}) Ich füge an, daß zum Abbau dieser Wettbewerbsverzerrungen schleunigst eine Schwerverkehrsgebühr eingeführt werden muß. ({12}) Zu dieser Schwerverkehrsgebühr hat der Kollege Daubertshäuser ganz konkrete Vorschläge gemacht. Vor allem aber möchte ich von dieser Stelle aus die Mitarbeiter der Bahn, die Kolleginnen und Kollegen, ansprechen und ihnen von hier aus öffentlich Dank sagen. Ihre positive Einstellung zu ihrer Arbeit ist Voraussetzung dafür, daß - welches Konzept auch immer der Bahn verordnet wird - dieser große und wichtige Verkehrsträger überhaupt funktionieren kann. ({13}) Sie sind es, die draußen in den Regionen den oft berechtigten Unmut der Berufspendler zu spüren bekommen. Die große Politik hat in den meisten Fällen den Kontakt zur Wirklichkeit verloren. Diese Wirklichkeit steht in einem extremen Gegensatz zum Intercity-Image, weil ja bei jedem Fahrplanwechsel das Angebot verschlechtert wird; neuerdings heißt das: ausgedünnt wird. Es heißt auch, wie ich vorhin vom Verkehrsminister gehört habe, nicht mehr „Strekkenstillegung", sondern „Straffung", und es heißt auch nicht mehr „Entlassung", sondern „Umschichtung". Aber die Menschen wissen, was damit gemeint ist. ({14}) Die Masse der Berufspendler wird - vergessen wir auch dies nicht - deshalb zum Individualverkehr getrieben, weil der Ausbau des ÖPNV nicht mit der Rationalisierung in der Fläche Schritt hält. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine das ganz ernst und auch nicht provozierend: Nicht die Hochglanzbroschüren des Vorstands und auch nicht die flapsigen Sprüche der Verkaufsmanager prägen das Bild unserer Bundesbahn, sondern vor allem die Leistung der Eisenbahner am Fahrkarten- oder am Güterschalter, als Kundenberater, als Fahrdienstleiter, oder wo immer an der Verkaufsfront der Bahn gearbeitet wird. ({15}) Mit der derzeitigen Politik fördert man die Arbeitsmoral nicht, weil alle wissen, daß die in den Leitlinien geforderte Personalreduzierung um wiederum 50 000 jeden treffen kann, Leistung hin oder her. Aber ich sage auch dies: Unsere Kritik richtet sich nicht an den Bahnvorstand oder an einen Verantwortlichen in der Bahnbürokratie. Wenn die Eisenbahner das, was man ihrer Bahn antut, und manchmal die Welt nicht mehr verstehen, sind daran nicht Gohlke & Co. - schon gar nicht ein kleiner Eisenbahner - schuld, sondern die Schuld tragen ausschließlich die verantwortlichen Politiker der Wende-Regierung. Das ist die Erblast, die uns hinterlassen werden wird! ({16}) Die Alternative zur derzeitigen Bahnpolitik ist heute mehrmals klar und deutlich zum Ausdruck gekommen. In diesem Zusammenhang möchte ich zum Schluß noch ein Wort sagen. Herr Milz hat - das hat mich besonders gefreut - gemeint: Auf Strauß kann man sich verlassen. Ich zitiere wörtlich Strauß, der 1983 an Finanzminister Stoltenberg folgendes geschrieben hat: Es steht z. B. der betriebswirtschaftliche Erfolg einer umfassenden Ausdünnung des Netzes für den Schienenpersonenverkehr in keinem Verhältnis zu den dadurch ausgelösten Schäden. Schließlich räumt die Bahn selbst ein, daß die Einstellung des Personenverkehrs auf rund 7000 km Nebenstrecke ihren gegenwärtigen Zuschußbedarf nur um 3 % vermindern helfen würde. ({17}) So Franz Josef Strauß. Was in diesem Brief sonst noch steht, habe ich in meiner letzten Rede gesagt; es steht noch viel Schlimmeres darin. ({18}) Noch einmal, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierung: Auch der Verkehrsminister sollte - ich würde sagen, Herr Minister, der Not, nicht dem eigenen Triebe gehorchend, und hoffentlich, Herr Milz, durch Wahlergebnisse aufgescheucht - seine Politik überdenken, und der Minister sollte sie nicht nur überdenken, sondern endlich auch verkehrspolitisch handeln. Vorschläge sind da. Auch sollten Sie, meine Damen und Herren, darüber nachdenken, daß sich 289 000 Eisenbahner ihres Stellenwertes in unserer Gesellschaft sehr wohl bewußt sind. ({19})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich höre es immer gerne, wenn der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß, der in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur im Reden Spitze ist, sondern auch dementsprechend zu schreiben vermag, hier positiv zitiert wird. Im besonderen ist darauf hinzuweisen, daß es auch aus meiner Sicht hervorragend ist, daß er sich speziell um unsere Deutsche Bundesbahn so mit kümmert. Meine Damen und Herren, mir ist zur Aufgabe gestellt, hier das Thema „Bundesbahn in der Fläche" anzusprechen. Kollege Senfft von den GRÜNEN hat vorhin den einen oder anderen Vorredner bezichtigt, am Thema vorbeigeredet zu haben. Herr Senfft, wenn ich den Antrag der GRÜNEN sehe, der sich mit der Stillegung der Bundesbahnstrecke Kempten-Isny beschäftigt, und bedenke, daß Sie nicht ein einziges Wort dazu sagen, dann muß ich feststellen: bei Ihnen Thema verfehlt, bei uns Thema getroffen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst einiges allgemein bemerken. Zur Zeit steht unbestritten fest: Unsere Bundesbahn hat allgemein wieder Tritt gefaßt. Ihr Image ist aufpoliert. Sie präsentiert sich zu ihrem 150. Geburtstag hervorragend. Vorbei sind die Zeiten, wo sie täglich im negativen Gerede stand. Unsere Eisenbahner - das bemerke ich mit besonderer Freude - sind wieder stolz auf ihren Arbeitgeber, die Deutsche Bundesbahn. Ich sage das deshalb mit solchem Nachdruck, weil meine Frau selber eine Eisenbahnertochter ist, wodurch gewisse Beziehungen zur Deutschen Bundesbahn bestehen. ({0}) Meine Damen und Herren, ich meine auch feststellen zu dürfen, daß der eingetauschte neue Hauptlokführer, unser Bundesverkehrsminister Dr. Dollinger, wieder den Dampf gibt, den unsere Bahn braucht. Er gibt ihr wieder Zukunft. 40 Milliarden DM werden allein in den nächsten sechs Jahren von Bahn und Bund als Investitionssumme zur Verfügung gestellt; das ist so viel wie noch nie zuvor. Die Planung der SPD-Verkehrsminister, über 7000 km Strecken stillzulegen, ist aus dem Verkehr gezogen. Ich finde es mehr als befremdlich, Herr Haar, daß Sie sich hier hinstellen und so tun, als wenn Sie von dem nichts wüßten, obwohl Sie einmal selber einem Bundeskabinett mit angehört haben, und der Kahlschlagtheorie der früheren Bundesregierung unter dem früheren Bundesverkehrsminister das Wort mitgeredet haben. ({1}) Ich meine, daß Bundesverkehrsminister Dr. Dollinger richtig liegt, wenn er sagt: Es gibt diese Theorie nicht mehr; es wird individuell, von Fall zu Fall geprüft; überfallartige Lösungen gibt es nicht. ({2}) Selbstverständlich müßten Neukonstellationen Platz greifen. Weitere Bedienung durch die Deutsche Bundesbahn oder eventuelle Privatisierung bzw. Gründungen von GmbHs, das alles muß geprüft werden, um auch dem Bürger in der Fläche eine optimale Verkehrsmöglichkeit durch Schiene und Bus weiterhin zu bieten. Am Entscheidungsprozeß werden die Länder, die Bezirksregierungen, die Landkreise und Gemeinden beteiligt. Nichts geht über deren Köpfe eiskalt hinweg. Das ist gut so. Der Bürger darf doch nicht für die verfehlte SPD-Politik der letzten Jahre bestraft werden.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Senfft?

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. Ich habe nur ganz wenig Zeit. Mir stehen nur zehn Minuten zur Verfügung. Ich muß mich deshalb auf das Wesentliche dessen, was ich sagen möchte, beschränken. ({0}) - Sie haben die Möglichkeit, mit mir im Ausschuß zu reden und zu diskutieren. Wenn Sie davon nicht Gebrauch machen, sind Sie selber schuld. ({1}) Symptomatisch für viele solcher Fälle ist die Bundesbahnstrecke Kempten-Isny. Die Deutsche Bundesbahn hat für diese Strecke das Verfahren zur Einstellung des Gesamtbetriebs 1983 und das Verfahren zur Umstellung des Reisezugbetriebs auf Busbedienung 1984 eingeleitet. ({2}) Eine erneute Behandlung im Verwaltungsrat der Bundesbahn steht an. Das Reisendenaufkommen betrug zuletzt 110 Reisendenkilometer. ({3}) Meine Damen und Herren, für mich ist interessant, daß gerade hier die Einstellung des Betriebs von den Gemeinden Buchenberg, Weitnau und Wiggensbach nicht nur verstanden, sondern auch unterstützt wird. Auch der Landkreis Oberallgäu spricht sich neuerdings für einen Verzicht der Bundesbahnverbindung aus, wenn dafür die Infrastruktur an anderer Stelle verbessert, d. h. der Bau der B 12 neu vorangetrieben wird. Diesem Verlangen sowie dem Wunsch, eine gute Busverbindung zu schaffen, wird neben anderen seitens des Bundes nachgekommen. Muß doch auch Einsichtigkeit, die dort geboren wird, belohnt werden. Meine Damen und Herren, gestern erreichte uns Bundestagsabgeordnete eine hervorragend neu aufgemachte Broschüre der Deutschen Bundesbahn. Unter dem Titel „Unentbehrliche Bundesbahn" wird hier vermerkt, daß Tag für Tag fast 5 Millionen Fahrgäste mit der Deutschen Bundesbahn reisen. Ob Urlauber oder Geschäftsreisende, ob Arbeiter oder Schüler - die Bahn bringt sie alle an ihr Ziel, schnell, sicher, bequem und zuverlässig, heißt es da. 28 000 km Schienen verbinden Stadt und Land. Täglich verkehren über 20 000 Reisezüge. Es wird auch darauf verwiesen, daß der Personenkilometer bei der Bundesbahn „nur" 18,8 Pf kostet. Darauf möchte ich nachher noch ganz kurz besonders eingehen. Ich pflichte dem in der Broschüre zitierten Professor Jung bei, der gesagt hat: „Gäbe es unsere Bahn nicht, sie müßte erfunden werden." Meine Damen und Herren, von der Opposition ist teilweise verlangt worden, daß die Bundesbahn in der Fläche präsent bleibt. Die vorhandenen 28 000 km können aber nur gehalten werden, wenn eben auch in finanzieller Hinsicht das Notwendige bereitgestellt wird, um die Bundesbahn nicht in den nächsten Jahren in der Fläche auslaufen lassen zu müssen. Einige Ansätze sind als positiv zu verzeichnen, so die Inbetriebnahme von 120 Triebwagen, die kürzlich bestellt wurden und in Kürze geliefert werden. Ich meine aber auch, daß unser Bundesbahnvorstand, der heute hier vertreten ist und diese Reden zur Lage der Bundesbahn mit anhört, richtig liegt, wenn er in der Zukunft in der Fläche Zonentarife einführen möchte, damit auch hier eine gewisse Gleichheit der Lebensqualität gegenüber den Ballungsräumen herbeigeführt wird. Denn dort gibt es Zonentarife ja schon seit eh und je. Auch eine familienfreundliche Komponente ist längst überfällig. Ich habe das vor kurzem an meiner eigenen Geldbörse verspürt, als ich für 22 km Hin- und Rückfahrt allein für meine Frau 19,20 DM bezahlen mußte. Deshalb muß ich sagen: Zum Teil ist das ein teurer Luxus geworden, den sich nicht jedermann leisten kann. Deshalb auch der Appell an den Vorstand, dafür zu sorgen, daß eine familienfreundliche Komponente möglichst bald eingeführt wird. ({4}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend feststellen, wie ich mir die Deutsche Bundesbahn in der Fläche vorstelle. Erstens. Unsere Bundesbahn muß auch in der Fläche erhalten bleiben und attraktiver werden. Ökonomische Kriterien dürfen nicht allein den Ausschlag geben, wenn die Funktionsfähigkeit der Bundesbahn auf eine solche Basis gestellt wird. Zweitens. Unsere Bundesbahn muß ihre heutige Leistungskraft als Richtschnur nehmen, um den auf Grund mangelnder „Triebwagenpflege" in der Vergangenheit entstandenen „Rost" zu beheben. Das eröffnet neue Marktchancen auch in der Fläche. Drittens. Unsere Bundesbahn muß auch in der Fläche das Zonentarifsystem ähnlich wie in den Ballungsgebieten einführen. Darüber hinaus will auch die Fläche rosarot sehen. Das heißt, rosarote Programme sollten auch im Schienennahverkehr eingeführt werden und damit eine attraktive Konkurrenz zur Straße darstellen. Viertens. Unsere Bundesbahn muß sich eine noch effizientere Organisationsform geben und flexibel und offensiv die Herausforderungen in der Fläche anpacken. Fünftens. Unsere Bundesbahn darf im Interesse der Flächenregionen die Zielvorgaben des Zonenrandförderungsgesetzes und Raumordnungsgesetzes nicht unterlaufen. Dabei kann unsere Bundesbahn einen hervorragenden Beitrag zur Schaffung gleicher Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland leisten. Sechstens. Unsere Bundesbahn ist durch das Milliarden-Investitionsprogramm in die Lage versetzt, auch der Fläche einen Anteil am großen Kuchen zukommen zu lassen, um hier die Strecken mit Bestand schneller zu modernisieren und z. B. auch zu elektrifizieren. Zudem ist dies ein Beitrag zur Verbesserung der Umwelt auch in den Flächengebieten. Siebentens. Unsere Bundesbahn mit unserem Verkehrsminister Dr. Dollinger, zugleich auch „Lokführer" dieses Bundesbahnunternehmens, und seinem „Triebwagenchef" Dr. Gohlke werden und müssen den Schienenverkehr in der Fläche dort erhalten und modernisieren, wo es strukturpolitisch geboten und vom erreichbaren Verkehrsaufkommen her vertretbar erscheint. Das heißt, daß dann auch der Bürger selbst mit der Fahrkarte in der Hand über Streckenverlagerungen bzw. Stillegungen mitentscheidet. Achtens. Unsere Bundesbahn darf Verlagerungen bzw. Stillegungen nur vornehmen, nachdem zwischen Bund, Ländern und Kommunen jeweils im Einzelfall die verkehrs-, sturkturpolitischen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen überprüft sind. ({5}) Dies bewirkt Entscheidungen mit Augenmaß im Interesse der Betroffenen. Neuntens. Unsere Bundesbahn muß baldmöglichst die Bürger darüber informieren, welche Strecken in der Fläche aufrechterhalten werden. Eventuelle Beschlüsse, Verlagerungen betreffend, sind bald zu fassen, damit der Bürger draußen Klarheit hat. Zehntens und somit letzter Punkt. Unsere Bundesbahn muß sich zum Gebot machen, sich nicht an einer kurzfristigen Sparpolitik zu orientieren, sondern auch in der Fläche langfristig zu investieren, um den Bürger und die Wirtschaft vor Standortnachteilen zu bewahren. Lassen Sie mich deshalb zusammenfassend feststellen: Die Deutsche Bundesbahn muß im Schienenpersonennahverkehr auch künftig an attraktiveren und zugleich kostengünstigeren Angeboten arbeiten. Es ist dann keine Frage, daß betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten der Bahn und die Forderungen des Gemeinwohls in Einklang zu bringen sind. Dies ist der richtige Weg. Er weist auch in der Fläche in die Zukunft. Ich setze und verlasse mich auf unseren bewährten Verkehrsminister Dr. Dollinger und auf den Vorstand der Deutschen Bundesbahn. Herzlichen Dank. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, es war nicht gerade sehr kollegial, wie viele von Ihnen den Kollegen Hinsken bei seiner Rede behandelt haben. Er hat einen Anspruch darauf, genausogut angehört zu werden wie andere, auch und Vizepräsident Westphal gerade von den Kollegen, die erst jetzt in unseren Saal kommen. ({0}) Ich wäre dankbar, wenn auch ich ein bißchen Aufmerksamkeit von Ihnen erfahren könnte. Ich möchte Ihnen, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, mitteilen, daß auf der Diplomatentribüne eine Delegation des Ausschusses für Verteidigung und nationale Sicherheit des ägyptischen Parlaments Platz genommen hat. ({1}) Die Delegation steht unter der Leitung von Herrn Kamal Henry Badir. Wir freuen uns sehr, daß Sie uns besuchen, und wünschen Ihnen einen guten Aufenthalt in der Bundesrepublik. ({2}) Das Wort als letzter Redner in dieser Debatte hat nun der Abgeordnete Bohlsen. Ich wäre dankbar, wenn ich nicht zwischendurch wieder unterbrechen müßte, um an das Recht des Redners auf Gehör zu erinnern.

Wilfried Bohlsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000231, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Debatte hat Ernst Haar in seinem Redebeitrag den Satz formuliert: Den künftigen Problemen müssen wir uns heute stellen. - Ganz genau diese Politik versuchen wir zu betreiben. Nur, Herr Kollege Haar, ich frage Sie: Haben Sie in der Zeit Ihrer Verantwortung diese Politik so auf die Zukunft ausgerichtet, wie Sie es heute von uns fordern? Das wäre die Frage. ({0}) Meine Damen und Herren, zwischen zwei wichtigen Verkehrsträgern, zwischen Flugzeug und Straße, wird die Bahn zu einem neuen Selbstverständnis finden. Ich sage daher: Die Schiene hat Zukunft. Zurückgehende Jahresverluste, eine straffere Organisation und die Senkung der Personalkosten zeigen entscheidende Wirkungen, die die Talfahrt der Bahn beenden und eine Trendumkehr - dies sage ich sehr deutlich - eingeleitet haben. Die Bahn wird moderner, sie wird schneller, sie wird zuverlässiger, sie wird pünktlicher und sie wird kundenorientierter. Die Realisierung der Neu- und Ausbaustrecken, die Einführung der Drehstromlokomotive, die Einführung des Einmanntriebwagens, die Einführung des Hochgeschwindigkeitszuges ICE, der noch in diesem Jahr in Erprobung geht, sowie neue Service-und Betreuungsangebote sind unerläßlich, wenn die Bahn im Wettbewerb der Verkehrsträger mithalten will. Mit Geschwindigkeiten von 250 Stundenkilometern auf den Neu- und Ausbaustrecken Anfang der 90er Jahre läßt sich die Reisezeit zwischen Hannover und Würzburg fast um die Hälfte verkürzen. Die spezifischen Vorteile der Bahn liegen eindeutig auf langen Strecken. Sowohl im grenzüberschreitenden Personen- wie im grenzüberschreitenden Güterverkehr muß die Bahn verlorenes Terrain wieder zurückgewinnen. Im Zuge der Förderung des kombinierten Verkehrs wird es möglich, die Schiene an dem auch in Zukunft noch wachsenden Güterverkehr zu beteiligen und damit vor allem im Transitverkehr durch unser Land zu erheblichen Entlastungen zu kommen. Ich möchte deutlich machen, daß wir mit der Verabschiedung der Leitlinien zur Konsolidierung der Deutschen Bundesbahn zum erstenmal ein wirksames Konzept vorgelegt haben, das es ermöglicht hat, die Talfahrt der Deutschen Bundesbahn zu bremsen und statt dessen von Jahr zu Jahr mehr Fahrtwind in das Transportgeschäft der deutschen Bundesbahn zu bringen. Der jährliche Verlust der deutschen Bundesbahn sank von 4,15 Milliarden DM im Jahre 1982 auf 3,7 Milliarden DM im Jahre 1983 und nunmehr auf 3,12 Milliarden DM im Jahre 1984. Meine Damen und Herren, das ist ein Rückgang um 1 Milliarde DM innerhalb von nur drei Jahren Unionspolitik. Das ist ein Erfolg. ({1}) Erstmals stagnierte der Schuldenstand. Er konnte 1984 um 80 Millionen DM zurückgeführt werden, wobei der Fehlbetrag der Deutschen Bundesbahn sogar um 500 Millionen DM geringer war als im Vorjahr. Der gewaltige Ballast der Personalkosten wurde unter Ausnutzung der natürlichen Abgänge bei strafferer Organisation um 300 Millionen DM reduziert. Im Mittelpunkt unserer Deutschen Bundesbahn steht der Mensch. Darum sollten wir an dieser Stelle einen Dank an die Mitarbeiter der Deutschen Bundesbahn aussprechen, die Verständnis für die Umplanungen aufbrachten. So mußten in diesem Umstellungsprozeß vom Personal unter anderem Versetzungen, artfremde Verwendung, längere Fahrtzeiten, längere Fahrwege hingenommen werden, galt es doch, einem erheblichen Personalüberhang weiterhin Beschäftigung zu geben. Aber - meine Damen und Herren, das versichere ich Ihnen - am Ende dieser Sanierung stehen sichere Arbeitsplätze. ({2}) Die von der Bundesregierung geforderte Unternehmensstrategie bis 1990 basiert auf zwei Säulen. Die interne Strategie der DB zielt auf Realisierung ihres Marktanspruches durch verbesserte Marktfähigkeit der Produkte, durch dementsprechende Absatzpolitik, durch Produktivitätssteigerung, durch Kapazitätsanpassung und durch zukunftsorientierte Investitionen. Die externe Unterstützung leistet der Bund durch Finanzierung des Streckenausbaues, durch Beiträge zur Entschuldung sowie durch politische Rückendeckung. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch auf ein Angebot eingehen, das die DB neu anbietet. Das Intercargo-Angebot hat auf dem Verkehrsmarkt die Wende wieder hin zu steigenden Anteilen der Bahn am Gütertransportaufkommen insgesamt gebracht. Zwischen den bedeutenden Wirtschaftszentren der Bundesrepublik verkehren von Montag bis Freitag Nacht für Nacht laufüberwachte Güterzüge mit Vorrang vor anderen Zügen mit höchstzulässiger Geschwindigkeit, um gleichsam als eine Art verlängertes Fließband am nächsten Morgen Materialien zuzustellen. Für 1985 rechnet die Bundesbahn bereits mit rund 400 000 Wagen in der Intercargo-Beförderung. ({3}) Ich möchte feststellen: Schon nach kurzer Anlaufphase läßt sich sagen, daß das neue Angebot produktionstechnisch sauber geplant war und reibungslos durchführbar ist. Die zu sammelnden Erfahrungen werden der Deutschen Bundesbahn die Grundlagen für eine Weiterentwicklung liefern. Das Spektrum der Möglichkeiten für Leistungsverbesserungen ist vielfältig. Meine Vorredner - der Kolleger Hinsken, insbesondere aber auch Minister Dollinger - haben darauf hingewiesen, daß wir mit einer Neuanschaffung von 120 Leichttriebwagen der Klasse VT 628 rechnen dürfen. Heute kam der Zusatz des Ministers, daß diese Zahl gegebenenfalls noch um 30 aufgestockt wird. Für 1986 ist eine Anschaffung von zunächst 18 Stück geplant; danach werden pro Jahr weitere 36 Stück angeschafft. Der Einsatz dieser Leichttriebwagen erfolgt ab 1986 in fünf Regionen. Nur noch ein Wort zum Ordnungsrahmen, und zwar auch deswegen, weil meine Region davon betroffen ist. Wir wissen um den Ordnungsrahmen und die Möglichkeiten, die ihm gegeben sind. Wir wissen aber auch von der Möglichkeit der Deutschen Bundesbahn, Güterverkehr zum Ausnahmetarif anzubieten. Seit dem 1. April - das ist das Beispiel aus meiner Region - werden über den Seehafen Emden 800 000 Tonnen Eisenerz importiert und in Ganzzügen mit 48stündigem Umlauf nach Dillingen an der Saar transportiert. Es handelt sich hierbei - das sei festgehalten - um eine Verlagerung des Transports von Dünkirchen zu uns. Diese Verkehrsverlagerungen sind zu begrüßen, tragen sie doch zur Belebung des Emder Seehafens und zur Steigerung des Schienenverkehrs der Deutschen Bundesbahn bei. ({4}) Meine Damen und Herren, bei der Erweiterung des Angebots der Deutschen Bundesbahn dürfen wir nicht verkennen, daß auch Ausweitungen im ICBetrieb geschehen sind. Ich erinnere nur an die Strecke Bremen-Oldenburg, die mit Beginn des Sommerfahrplans jetzt eingerichtet wird. ({5}) Lassen Sie mich abschließend feststellen, meine Damen und Herren: Die Bahn rollt wieder dem Erfolg entgegen. ({6}) Ein im November 1983 erfolgreich beschrittener Weg der Deutschen Bundesbahn kann erfolgreich fortgesetzt werden. Der Entwurf eines neuen Bundesverkehrswegeplans macht deutlich, daß die Investitionen im Schienennetz die Investitionen im Straßenbau deutlich übertreffen werden. Nachdem die Bahn bis heute zum Teil noch auf einem Schienennetz aus dem vergangenen Jahrhundert fahren muß, ist dies eine Wende in den Verkehrsinvestitionen. ({7}) Wir haben die Verhältnisse umgedreht, ({8}) weil wir eine moderne, eine attraktive und eine konkurrenzfähige Bahn wollen und brauchen. Daher werden wir - die Lampe hier auf dem Rednerpult leuchtet ({9}) den eingeschlagenen Weg fortsetzen. Denn, meine Damen und Herren: Die Schiene hat Zukunft. ({10})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu dieser Debatte liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den Punkt 2 a der Tagesordnung, den von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Bundesbahnsanierungsgesetzes auf Drucksache 10/808. Der Ausschuß empfiehlt, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Ich rufe die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? -Dieser Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit großer Mehrheit abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung jede weitere Beratung. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Senfft und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3457. Meine Damen und Herren, die Fraktion der GRÜNEN hat nach § 52 der Geschäftsordnung die namentliche Abstimmung verlangt. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um die Abstimmungskarte mit „Ja", wer dagegenzustimmen wünscht oder sich der Stimme enthalten will, die entsprechende Karte in eine der aufgestellten Urnen zu legen. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Ich nutze die Gelegenheit, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß es anschließend zu diesen Tagesordnungspunkten, die wir jetzt beraten haben, weitere Abstimmungen geben wird. Meine Damen und Herren, ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat und dies zu tun wünscht? - Ich stelle fest, daß kein Mitglied des Hauses mehr an der Abstimmung teilzunehmen wünscht. Ich schließe Vizepräsident Westphal die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir können wohl die Zwischenzeit nutzen. Ich erteile dem Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil das Wort zu einer Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung. Ich bitte um Aufmerksamkeit.

Alois Waldburg-Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002413, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da der Kollege Jäger ({0}) und ich seit Jahren um den Erhalt der ländlichen Bahnstrecken, besonders des Isny-Bähnle, um das es heute ja auch gegangen ist, kämpfen, muß ich eine Erklärung dafür abgeben, warum ich nicht dem an sich vernünftigen Vorschlag zustimme, einen absoluten Stillegungsstopp durchzuführen. Die Stadt Isny droht im Moment im Verkehr völlig zu ersticken. Das hat die verheerendsten Auswirkungen auf die Bürger der Stadt Isny. Es sind im Augenblick Bemühungen im Gange, durch eine ortsnahe Umgehung von Isny diese Entlastung raschestmöglich in die 1. Dringlichkeit im Zuge der B 12 zu bekommen. Möglicherweise wird man dafür Stücke der Bahntrasse Isny-Kempten brauchen, die ja de facto im Moment stillgelegt ist - da fährt also überhaupt kein Zug mehr -. Wenn diese Notwendigkeit eintritt, liegt nach meiner Meinung die Priorität absolut bei der Verkehrsentlastung von Isny. Allerdings braucht man dabei nicht auf die Bahnanbindung zu verzichten; denn es gäbe die Möglichkeit, die Strecke Leutkirch-Isny wiederzubeleben. An diesem Beispiel sehen Sie, daß man im Einzelfall doch eine Ausnahme braucht. Deshalb habe ich dagegen gestimmt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir warten, bis das Ergebnis vorgelegt wird. Meine Damen und Herren, ich teile Ihnen das von den Schriftführern mitgeteilte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Senfft und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3457 mit. Abgegeben wurden 437 Stimmen. Davon war keine Stimme ungültig. Mit Ja haben gestimmt 24 Abgeordnete, mit Nein 413. Es hat keine Enthaltung gegeben. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 437; davon j a: 24 nein: 413 Ja DIE GRÜNEN Auhagen Frau Borgmann Bueb Frau Dann Frau Eid Frau Hönes Horacek Kleinert ({0}) Lange Mann Dr. Müller ({1}) Dr. Schierholz Schily Schmidt ({2}) Schulte ({3}) Senfft Ströbele Suhr Tischer Vogel ({4}) Frau Wagner Werner ({5}) Frau Zeitler fraktionslos Bastian Nein CDU/CSU Dr. Abelein Frau Augustin Dr. Barzel Bayha Dr. Becker ({6}) Berger Frau Berger ({7}) Biehle Dr. Blank Dr. Blüm Böhm ({8}) Dr. Bötsch Bohl Bohlsen Borchert Boroffka Braun Breuer Brunner Bühler ({9}) Dr. Bugl Buschbom Carstens ({10}) Carstensen ({11}) Clemens Conrad ({12}) Dr. Czaj a Dr. Daniels Daweke Frau Dempwolf Deres Dolata Doss Dr. Dregger Echternach Ehrbar Eigen Engelsberger Erhard ({13}) Dr. Faltlhauser Feilcke Fellner Frau Fischer Fischer ({14}) Francke ({15}) Dr. Friedmann Ganz ({16}) Frau Geiger Dr. George Gerlach ({17}) Gerstein Gerster ({18}) Dr. Götz Götzer Günther von Hammerstein Hanz ({19}) Hauser ({20}) Hedrich Freiherr Heereman von Zuydtwyck Frau Dr. Hellwig Helmrich Dr. Hennig Herkenrath Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Frau Hoffmann ({21}) Dr. Hornhues Hornung Dr. Hüsch Graf Huyn Jäger ({22}) Jagoda Dr. Jahn ({23}) Dr. Jobst Jung ({24}) Kalisch Dr.-Ing. Kansy Keller Kittelmann Klein ({25}) Dr. Köhler ({26}) Kolb Kraus Dr. Kreile Krey Kroll-Schlüter Frau Krone-Appuhn Dr. Kronenberg Dr. Kunz ({27}) Lamers Dr. Lammert Landré Dr. Langner Lattmann Link ({28}) Link ({29}) Linsmeier Lintner Dr. Lippold Löher Lohmann ({30}) Dr. h. c. Lorenz Louven Lowack Maaß Frau Männle Magin Marschewski Dr. Mertes ({31}) Metz Dr. Meyer zu Bentrup Michels Dr. Möller Müller ({32}) Müller ({33}) Frau Dr. Neumeister Niegel Dr.-Ing. Oldenstädt Pesch Petersen Pfeffermann Pfeifer Pöppl Pohlmann Dr. Pohlmeier Rawe Reddemann Vizepräsident Westphal Repnik Dr. Riedl ({34}) Dr. Riesenhuber Rode ({35}) Frau Rönsch Frau Roitzsch ({36}) Dr. Rose Rossmanith Roth ({37}) Rühe Ruf Sauer ({38}) Sauer ({39}) Saurin Sauter ({40}) Sauter ({41}) Dr. Schäuble Schartz ({42}) Schemken Scheu Schlottmann Schmidbauer Schmitz ({43}) von Schmude Schneider ({44}) Freiherr von Schorlemer Schreiber Dr. Schroeder ({45}) Schulhoff Dr. Schulte ({46}) Schulze ({47}) Schwarz Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer Seehofer Seesing Seiters Dr. Freiherr. Spies von Büllesheim Spilker Spranger Dr. Sprung Dr. Stark ({48}) Dr. Stavenhagen Dr. Stercken Stockhausen Stommel Strube Stutzer Susset Dr. Todenhöfer Uldall Dr. Unland Frau Verhülsdonk Vogel ({49}) Dr. Voigt ({50}) Dr. Voss Dr. Waffenschmidt Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warrikoff Dr. von Wartenberg Weiß Werner ({51}) Frau Dr. Wex Frau Will-Feld Wilz Wimmer ({52}) Windelen Frau Dr. Wisniewski Wissmann Dr. Wittmann Wittmann ({53}) Dr. Wörner Dr. Wulff Zierer Zink SPD Amling Antretter Bachmaier Bahr Becker ({54}) Bernrath Berschkeit Frau Blunck Brandt Brück Buckpesch Büchler ({55}) Buschfort Catenhusen Collet Conradi Curdt Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser Delorme Dr. Diederich ({56}) Dreßler Dr. Ehmke ({57}) Dr. Ehrenberg Dr. Emmerlich Esters Fiebig Fischer ({58}) Fischer ({59}) Frau Fuchs ({60}) Frau Fuchs ({61}) Gansel Gerstl ({62}) Gilges Glombig Grunenberg Dr. Haack Haar Haase ({63}) Haehser Hansen ({64}) Frau Dr. Hartenstein Dr. Hauchler Dr. Hauff Heimann Heistermann Herterich Hettling Heyenn Dr. Holtz Horn Frau Huber Huonker Ibrügger Immer ({65}) Jahn ({66}) Jansen Jung ({67}) Junghans Jungmann Kastning Kiehm Kirschner Kisslinger Klein ({68}) Klose Kolbow Dr. Kübler Kühbacher Lennartz Leonhart Frau Dr. Lepsius Liedtke Löffler Lohmann ({69}) Frau Luuk Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Matthöfer Meininghaus Menzel Dr. Mertens ({70}) Müller ({71}) Müller ({72}) Dr. Müller-Emmert Müntefering Nagel Nehm Neumann ({73}) Dr. Nöbel Oostergetelo Paterna Pauli Dr. Penner Peter ({74}) Pfuhl Porzner Poß Purps Ranker Reimann Reschke Reuter Rohde ({75}) Sander Schäfer ({76}) Schanz Dr. Scheer Schlaga Frau Schmedt . ({77}) Dr. Schmidt ({78}) Schmidt ({79}) Schmitt ({80}) Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schreiner Schulte ({81}) Dr. Schwenk ({82}) Sieler Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell Dr. Sperling Dr. Spöri Frau Steinhauer Stiegler Stobbe Stockleben Dr. Struck Tietjen Frau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe Urbaniak Verheugen Dr. Vogel Vogelsang Voigt ({83}) Waltemathe Walther Wartenberg Weinhofer Weisskirchen ({84}) Dr. Wernitz Frau Weyel Dr. Wieczorek Wieczorek ({85}) Wiefel von der Wiesche Wimmer ({86}) Wischnewski Witek Dr. de With Wolfram ({87}) Würtz FDP Frau Dr. AdamSchwaetzer Baum Beckmann Bredehorn Eimer ({88}) Dr. Feldmann Gallus Gattermann Genscher Grünbeck Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann Dr. Hirsch Hoffie Hoppe Kleinert ({89}) Kohn Dr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann Neuhausen Paintner Dr. Rumpf Schäfer ({90}) Frau Seiler-Albring Dr. Solms Dr. Weng ({91}) Wolfgramm ({92}) fraktionslos Voigt ({93}) Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt. Ich rufe jetzt den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3467 zur Abstimmung auf. ({94}) - Ich bitte auch die Kollegen um Aufmerksamkeit, die gerade ins Gespräch vertieft sind, das jetzt aber nicht sein sollten. Wer dem Entschließungsantrag auf Drucksache 10/3467 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Vizepräsident Westphal Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist dieser Entschließungsantrag einstimmig angenommen worden. Zu den Tagesordnungspunkten 2 b bis 2 e und zu den Zusatzpunkten 2 und 3 wird Überweisung der Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 2 g, und zwar über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/2271, den Entschließungsantrag abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses mit Mehrheit angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften - Drucksachen 10/2114, 10/2970 - a) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({95}) - Drucksache 10/3422 - Berichterstatter: Abgeordnete Bernrath Regenspurger b) Bericht des Haushaltsausschusses ({96}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 10/3450 Berichterstatter: Abgeordnete Kühbacher Dr. Müller ({97}) Gerster ({98}) Frau Seiler-Albring ({99}) Meine Damen und Herren, im Ältestenrat sind für die Aussprache zwei Beiträge bis zu je fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich bitte also, bei den folgenden Beiträgen einen Blick auf die Uhr und die anstehenden Termine zu werfen. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ihnen vorliegende Drucksache 10/3422 faßt zwei Gesetzentwürfe zusammen, die unterschiedlichen Ursprungs sind, die aber beide das Beamtenversorgungsgesetz betreffen. Wir haben sie deshalb im Innenausschuß miteinander verbunden. Zur Novellierung des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes, die wir von CDU/CSU und FDP initiiert haben, wird für meine Fraktion der Kollege Dr. Olderog vortragen. Ich erläutere Ihnen die Änderungen einer scheinbar zwar unbedeutenden Bestimmung, des § 5 des Beamtenversorgungsgesetzes, die aber für die aktiven Beamten und viele Versorgungsempfänger erhebliche Auswirkungen hat. Ich erwähne an dieser Stelle, daß unsere Kollegen Werner Broll und Otto Regenspurger, die leider gehindert sind, heute zu Ihnen zu sprechen, für die Fraktion der CDU/CSU maßgeblichen Anteil an dieser Gesetzesarbeit haben. Ich möchte diesen Kollegen für ihre engagierte Arbeit sehr herzlich danken. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluß vom 7. Juli 1982 festgestellt, daß Teile des § 5 des Beamtenversorgungsgesetzes, die zu ungerechtfertigten Differenzierungen führen, ohne daß sachlich einleuchtende Gründe dafür bestehen, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind. Dabei handelt es sich um Ausnahmen von dem Grundsatz, daß die Dienstbezüge des letzten Amtes nur ruhegehaltfähig sind, wenn der Beamte sie mindestens zwei Jahre lang erhalten hat. Diese Ausnahmen galten für den Fall, daß ein Beamter vor Ablauf dieser Frist verstarb oder wegen einer nicht durch seinen Dienst bedingten Dienstunfähigkeit den Dienst vorzeitig quittieren mußte. Wir hatten mehrere Möglichkeiten, die vom Bundesverfassungsgericht verlangte Gleichbehandlung herzustellen. Wir haben uns entschieden, den direkten Weg zu wählen, d. h.: Die Zweijahresfrist bleibt bestehen, die vom Bundesverfassungsgericht angegriffenen Ausnahmen werden gestrichen. Diese Regelung gilt entsprechend auch für die Versorgung der Soldaten. Wir haben die Gelegenheit der Novellierung des § 5 des Beamtenversorgungsgesetzes aber auch genutzt, eine von Bund und Ländern bisher unterschiedlich interpretierte Bestimmung in einem für alle Beamten positiven Sinne neu zu fassen. Künftig ist völlig klar, daß ein Beamter die Versorgung aus seinem letzten höheren Amt auch dann erhält, wenn er zwar nicht schon zwei Jahre vorher befördert worden ist, aber seine höherwertige Funktion zwei Jahre lang ausgeübt hat. Wir, die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP, halten es für gerecht, auch die Versorgung eines Beamten nach seiner wirklich erbrachten dienstlichen Leistung, also nach seiner tatsächlichen Funktion, zu gestalten und nicht danach, ob nach den Gegebenheiten eines Stellenplans mehr oder weniger zufällig eine Planstelle für diese Funktion vorhanden war. Wer den Beförderungsstau in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung kennt, weiß, daß damit gerade bei den Beamten des einfachen und mittleren Dienstes, die die Masse der Beamten in Bund, Ländern und Gemeinden stellen, die Ungerechtigkeit beseitigt wird, trotz anerkannter dienstlicher Leistungen und einer Beförderung nicht die Versorgung aus diesem Beförderungsamt zu erhalten. Die Koalitionsfraktionen haben deshalb den völlig unverständlichen Antrag der Fraktion der SPD, jede Beförderung innerhalb von zwei Jahren vor der Zurruhesetzung bei der Versorgung unberücksichtigt zu lassen, entschieden abgelehnt. Auch dieser Vorschlag setzt nach unserer Bewertung die Linie der SPD fort, sich zuerst und leichthin über die Belange der Beamten hinwegzusetzen. Meine Damen und Herren, die vom Verfassungsgericht erzwungene Neugestaltung des Versorgungsrechts hätte viele Beamte, die im Vertrauen auf das bisher gültige Recht in den Ruhestand getreten sind, nachträglich ganz empfindlich getroffen, wenn wir nicht eine Übergangsvorschrift geschaffen hätten, die sie von dem neuen Recht ausnimmt. Auch dies beweist, daß sich unsere Beamten auf uns verlassen können. Sie führen unter oft schweren, zum Teil ständig schwerer werdenden Bedingungen unsere Gesetze aus. Ich erwähne hier stellvertretend die Polizeibeamten. Es ist deshalb nur recht und billig, wenn wir ihnen unseren Schutz zukommen lassen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Bernrath.

Hans Gottfried Bernrath (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000161, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Sachlage beziehe ich mich auf das, was in der Berichterstattung steht und was jetzt der Herr Kollege Laufs vorgetragen hat. Ich möchte allerdings mit wenigen Stichworten einiges hinzufügen. Ich wiederhole: Wir haben jetzt die Zweijahresfrist, mit einigen Bedingungen versehen, geschaffen. Wir berücksichtigen die Wahrnehmung der Obliegenheiten der Wertigkeit, in die vor Ablauf von zwei Jahren befördert wurde. An sich hätten wir lieber die von Nordrhein-Westfalen vorgeschlagene Regelung gehabt: Sperre einer Beförderung innerhalb von zwei Jahren vor Eintritt in den Ruhestand ohne einen ausgedehnten Regel- und Ausnahmetatbestandskatalog. Das wäre sehr viel eindeutiger und auch sachgerechter sowie in der Praxis einfacher zu vollziehen gewesen. Wir stimmen dennoch der jetzt vorliegenden Lösung zu, weil wir auch auf diese Weise gesichert sehen, daß es künftig in diesen zwei Jahren nicht mehr zu Gefälligkeitsbeförderungen kommt, die vor dem Hintergrund ihrer versorgungsrechtlichen Wirkungen doch bedenklich waren und in der Öffentlichkeit Ärger hervorgerufen haben. ({0}) Wir bitten darum im Zusammenhang mit der Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf die Dienstvorgesetzten, nun auch diese Regelungen sorgfältig zu beachten, insbesondere auch vor dem Hintergrund der sehr günstigen beamtenrechtlichen Versorgungsregelungen. Man geht nämlich bei den Beamten im Zusammenhang mit der Altersversorgung vom Endeinkommen aus, wobei sich das Endeinkommen aus der letzten Beförderung bestimmt. Im Rentenrecht hingegen wird das versicherte Lebenseinkommen zugrunde gelegt. Das ist eine wesentlich ungünstigere Regelung. Gerade dann, wenn man die aus der Verfassung abgeleiteten Grundsätze für die Versorgung der Beamten gesichert sehen will, setzt dies auch bezüglich der Beförderung vor Erreichen der Altersgrenze ein sachgerechtes Vorgehen ein, gemessen an der noch zu erwartenden Leistung, auch vertretbares Befördern durch die Dienstvorgesetzten voraus. In diesem Sinne: Zustimmung und die Erwartung einer - ich wiederhole es noch einmal - sachgerechten Nutzung der neuen Regelung. Danke schön. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gesetze zur Regelung dienstrechtlicher Vorschriften kommen ja jetzt mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Während wir heute den Entwurf eines zweiten Gesetzes lesen, ist der Entwurf eines dritten Gesetzes bereits auf unseren Schreibtischen. Das alles wirkt sehr fleißig, verbessert unsere Statistik über gehaltene Reden und ist im Grunde genommen doch relativ unsystematisch. Ich wäre sehr dankbar und auch sehr froh gewesen, wenn wir, so wie wir das im Ausschuß getan haben, diese beiden Gesetze, die hier nacheinander behandelt werden, verknüpft hätten. ({0}) Inhaltlich ist das, was in dem Gesetz steht, mit hinreichender Deutlichkeit dargestellt. Ich schließe mich beiden Vorrednern an. Ich schließe mich auch dem Dank an, der den Beamten erstattet worden ist - was wir natürlich bei jeder Gelegenheit mit gutem Grund und auch zu Recht tun können. Man kann eigentlich nur noch anfügen, daß wir uns bei der Verabschiedung dieses Gesetzes und damit der Erfüllung der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nicht sonderlich beeilt haben; denn der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, der uns hier zum Handeln gezwungen hat, stammt immerhin aus dem Jahre 1972. Man sieht, daß wir uns aber immerhin nach Kräften darum bemühen, die segensreichen Gedanken, die das Gericht äußert, in die Tat umzusetzen. Wir begrüßen in diesem Sinne die Verabschiedung des Gesetzentwurfs. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Olderog. ({0}) - Es gibt auch Fraktionen, die mal auf einen Wortbeitrag verzichten. Dann rufe ich den Abgeordneten Bernrath auf. ({1}) - Wir hatten ja Sorge, nicht rechtzeitig bis zur Mittagspause durchzukommen. Jetzt habe ich diese Sorge nicht mehr. Herr Bernrath, Sie sind jetzt dran.

Hans Gottfried Bernrath (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000161, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch zu § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes nur einige Stichworte. Wir hätten gern eine ausführliche Orientierung an den Einzelhärten, die in der Praxis des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes auftreten, gehabt. Wir haben solche Härten auch geschildert bekommen. Aber die Koalition hat sich dann doch entschlossen, nicht auf die im einzelnen in der Praxis festgestellten Wirkungen des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes abzustellen, sondern diese Wirkungen pauschal zu mindern. Das heißt: 20%ige Anrechnung der Renten. Auf diese Weise ist allerdings kurzfristig keine Entlastung der hier betroffenen Ruheständler zu erreichen, weil es bei dieser pauschalen Regelung lediglich dazu kommt, daß erst nach weitgehendem Abschmelzen des Ausgleichsbetrages, den wir über 12 Jahre gestaffelt zahlen, diese 20-%-Grenze wirksam wird. Auf diese Weise wird das, was wir an Entlastung gern schaffen möchten, die meisten der jetzt betroffenen Ruheständler nicht mehr erreichen. Von daher bedauern wir, daß die Koalition, aber auch die Bundesregierung nicht bereit waren, mit uns im einzelnen darüber nachzudenken, wie wir die Belastungen für Ruheständler, die gleichzeitig noch einen Rentenanspruch haben - dazu lagen dem Bundestag in großer Zahl Petitionen vor -, abbauen könnten. Ich möchte in dem Zusammenhang sagen, daß das eigentlich hätte erwartet werden können, weil die Koalition schon vor Jahren, als sie noch nicht in der Regierungsverantwortung war, eine solche Zielsetzung angestrebt hat. Wir möchten darum noch einmal daran erinnern, daß es sicherlich über die jetzt zu treffende Regelung hinaus eine einfachere Regelung gegeben hätte, nämlich die Streichung des Art. 2 § 2 Abs. 4. Das hieße Einfrieren des Ausgleichs mit dem Ziel, auf diese Weise frühzeitig, noch vor dem Ableben der meisten hier Betroffenen, eine Verbesserung der Gesamtversorgung zu erreichen. Dennoch, wir stimmen zu. Wir fühlen uns auch ein bißchen mitverantwortlich für das, was an Lasten vermittelt worden ist. Darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen. Wir sehen es dennoch nach wie vor als berechtigt an, daß es Begrenzungen gegeben hat. Wir hatten damals erwartet, daß - parallel zu den Begrenzungen nach § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes - auf dem Tarifsektor ähnliche Begrenzungen vertraglich vereinbart würden. Zwar ist das getan worden, aber mit einer günstigeren Wirkung, als wir sie jetzt über die Korrektur des § 55 erreichen. Von daher läßt es sich auch vertreten, daß man vor dem Hintergrund der früheren Zielsetzung jetzt eine Verbesserung des Gesetzes aus der Praxis heraus auch dann, wenn man auf Grund der Vergangenheit die Verantwortung trägt, mit vertritt und ihr zustimmt. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Nun kann ich doch dem Abgeordneten Dr. Olderog das Wort geben. ({0})

Dr. Rolf Olderog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ihnen zur Beschlußfassung vorliegende Novellierung des 2. Haushaltsstrukturgesetzes, d. h. die Änderung der Anrechnung von Renten auf die Versorgungsbezüge von Ruhestandsbeamten, ist nicht ohne ihre Vorgeschichte verständlich. Es war die SPD-geführte Bundesregierung, die 1981 die schon bestehende Rentenanrechnung rückwirkend auch auf Beamtenverhältnisse ausdehnte, die vor dem 1. Januar 1966 begründet worden waren. Damit wurde nicht nur das Vertrauen vieler älterer Bürger, sondern ganz besonders das der ehemaligen Beamten zutiefst enttäuscht. Das wiegt um so schwerer, als gerade diese ehemaligen Beamten auf Grund ihrer Tätigkeit eine besonders enge Beziehung zu Recht und Gesetz hatten und auch heute noch haben. Sie sehen in diesem von der von der SPD geführten Koalition geschaffenen Gesetz einen Bruch des Vertrauens in die Bestandskraft von Gesetzen. Es ist dieselbe Generation, die schon durch Krieg und Nachkriegszeit in ihrem Vertrauen auf den Staat erschüttert worden war, die nun von der Regierung und der sie tragenden Mehrheit im Parlament eines Staates, den sie selbst aus Trümmern mit aufgebaut hatte, erneut enttäuscht wurde. Hunderte von Eingaben an meine Fraktion, an den Petitionsausschuß und an die zuständigen Ressorts sind hierfür ein deutlicher Beweis. Wir, die Fraktion der CDU/CSU, haben damals versprochen, dieses Gesetz zu ändern, sobald die Mehrheitsverhältnisse es zulassen. Wir lösen heute unser Wort ein. Schon einmal haben wir die Rentenanrechnung entschärft. 1984 schufen wir mit dem Haushaltsbegleitgesetz eine Härteregelung, wonach jedem Beamten mindestens 20 % der Pension zu belassen sind. Die jetzt zur Beschlußfassung vorliegende zweite Härteregelung sieht vor, daß der anzurechnende Rentenbetrag um 20% zu mindern ist, wenn das Beamtenverhältnis vor dem 1. Januar 1976 begründet worden ist. Beide Härteregelungen zusammen sind genau das, was wir versprochen haben. Wir hoffen, daß wir vielen von dieser Regelung betroffenen Beamten damit ein Stück Vertrauen zurückgeben können. Natürlich wissen wir auch, daß es Forderungen gibt, die gesamte Rentenanrechnung zu kassieren. Wir wisen auch, daß noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aussteht. Aber eine vollständige Rücknahme der Rentenanrechnung scheitert an den finanziellen Bedingungen. Die jetzt geschaffene zweite Härteregelung kostet Bund, Länder und Gemeinden bis 1990 geschätzt rund 170 Millionen DM und hält sich damit auch im Rahmen unserer haushaltspolitischen Möglichkeiten. In 13 Jahren haben die SPD-geführten Regierungen es geschafft, die Schulden des Bundes von 45 Milliarden DM im Jahre 1969 auf über 300 Milliarden DM hochzudrücken. ({0}) Dafür zahlen täglich alle Bürger dieses Landes insgesamt rund 80 Millionen DM Zinsen. ({1}) Vor diesem Hintergrund wird überhaupt erst deutlich, um welchen Erfolg für die Versorgungsempfänger es sich bei der von uns vorgeschlagenen Härteregelung handelt. Daß insbesondere die Bezieher niedriger Renten schon unmittelbar in den nächsten Jahren Nutzen davon haben werden, zeigt auch, daß sowohl die Bundesregierung als auch die sie tragenden Koalitionsfraktionen eben nicht, wie immer demagogisch behauptet wird, Politik für die Reichen machen, sondern daß sie die Interessen der sozial Schwachen beachten. Ohne unsere konsequente Haushaltskonsolidierung, die wir noch lange fortsetzen müssen, wäre die jetzt geschaffene Härteregelung nicht möglich gewesen. Daß dazu Opfer auch der Versorgungsempfänger erforderlich waren, bestreiten wir nicht. Aber die Erfolge dieses Konsolidierungskurses - Steigen des Wirtschaftswachstums, Abbau der Neuverschuldung und insbesondere stabile Preise - kommen jetzt auch den Versorgungsempfängern zugute. Ich kann heute für meine Fraktion sagen, daß es weder für die aktiven Beamten noch für die Versorgungsempfänger neue Sparmaßnahmen geben wird. Ob und in welchem Umfang Sparmaßnahmen in der Zukunft reduziert werden können, hängt davon ab, daß wir unseren erfolgreichen Kurs in der Haushaltspolitik fortsetzen. Wir werden jedenfalls nicht in den Fehler verfallen, wie es 13 Jahre unter den SPD-geführten Bundesregierungen geschehen ist, mit Schulden vermeintliche Wohltaten zu finanzieren, die unsere Kinder und Enkelkinder bezahlen müssen oder letztlich dazu führen, daß, wie es 1981 bei der SPD den Versorgungsempfängern geschehen ist, wohlerworbene Rechte abgebaut werden. Zum Schluß danke ich meinen Kollegen Regenspurger und Broll, die sich bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs besonders engagiert haben. Herzlichen Dank. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe lange überlegt, ob ich zu diesem Entwurf überhaupt noch etwas sagen sollte, nachdem er uns hier mehrfach beschäftigt hat. Aber ich glaube, man muß die bisherige Entwicklung dieses Besoldungsthemas doch noch unter einer etwas anderen Facette darstellen, als es der verehrte Kollege Olderog getan hat. Dabei geht es mir nicht um die individuelle Verantwortung des einzelnen Abgeordneten für diese oder jene Entscheidung, sondern darum, darzustellen, daß wir gemeinsam im Interesse der Konsolidierung des Haushalts und der Zurückführung der Personalkosten eine ganze Reihe besoldungsrechtlicher Entscheidungen haben treffen müssen, die uns außerordentlich schwergefallen sind. Das gilt für die frühere Koalition ebenso wie für die jetzige. Dem zweiten Haushaltsstrukturgesetz, Herr Kollege Olderog, haben Sie hier im Bundestag in der Tat nicht zugestimmt. Aber wie Sie wissen, haben der Bundesrat und auch die CDU- und CSU-geführten Länder dem zweiten Haushaltsstrukturgesetz mit der Verrechnung der sogenannten Doppelversorgung zugestimmt. Wir waren immer der Meinung, daß das ein irreführendes Stichwort ist. Wir haben große Sorgen gehabt, wie sich das auswirkt. Wir haben dann gemeinsam gemerkt, daß wir in der Tat etwas getan haben, was ein Gesetzgeber nicht tun sollte, nämlich in bestehende Vertrauensverhältnisse zu Lasten von Leuten einzugreifen, die ihre Altersversorgung auf einen neuen Tatbestand nicht mehr einrichten können. Ganz unabhängig von der materiellen Bedeutung hat das ja in der Tat bei vielen Betroffenen große Erbitterung - und ich sage: berechtigterweise - ausgelöst. Nur sollte sich hier keiner einen schlanken Fuß machen; beteiligt an dieser Operation in Bund und Ländern waren wir alle. Nun haben wir schon seit Jahren versucht, die Verhältnisse durch Härteregelungen in Ordnung zu bringen. Wie Sie wissen, haben wir im Innenausschuß gemeinsam versucht, die Anrechnungsvorschriften zu mildern. Beim ersten Aufgalopp ist das leider am Finanzminister gescheitert. Das war das Problem. Wir wollten gemeinsam sehr viel mehr machen. Nun schaffen wir endlich gemeinsam die größere Milderung, nämlich durch die Bewahrung von 20% der Pension und von 20% der Rente vor der Anrechnung. Ich finde, wir sollten bei einem solchen Gesetz jetzt nicht versuchen, hin- und herzuziselieren, wer das eine oder andere zu verantworten hat. Vielmehr sollten wir uns als Beamtenrechtler gemeinsam mit den Haushaltspolitikern darüber freuen, daß es uns gelungen ist, hier eine schwierige, unangenehme und die Betroffenen belastende Regelung wenigstens in Grenzen zurückzuschrauben. Wir haben - wie auch Sie - eine Fülle von Schreiben auf den Tisch bekommen von Leuten, die sagen: Das reicht uns nicht; das muß alles sehr viel weiter gehen. Wir müssen Ihnen sagen, daß wir in der Tat beachtliche Beträge aufwenden, jährlich steigend. 1991/92 sind es schon 54 Millionen DM pro Jahr, und dann steigt es rapide an. Diese Zahlen zeigen, daß wir hier eine Regelung getroffen haben, von der wir annehmen können, daß sie sich segensreich und vernünftig auf diejenigen auswirken wird, die ihre Altersversorgung auf diesen Tatbestand, der hier zur Debatte steht, eingerichtet haben. Darüber freuen wir uns, und ich denke, wir nehmen uns gemeinsam vor, diesen gesetzgeberischen Kunstfehler nicht mehr zu machen, sondern in Zukunft peinlich darauf zu achten, in Besitz- und vor allen Dingen Vertrauenstatbestände nicht mehr in irreparabler Weise einzugreifen. Das steht uns gut an, und das schulden wir in der Tat jenen, die in den schwierigen Nachkriegsjahren wesentlich zum Aufbau unseres Staates und unserer Gesellschaft beigetragen haben. Vielen Dank. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 7 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann sind die aufgerufenen Vorschriften bei zwei Enthaltungen angenommen worden. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf bei zwei Enthaltungen angenommen. Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 14 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt. Ich unterbreche die Sitzung. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 10/3448 Zuerst stehen noch die restlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung an. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär, Herr Würzbach, zur Verfügung. Ich rufe die Frage 50 des Abgeordneten Fischer ({0}) auf: Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung für den Zeitpunkt ihrer endgültigen offiziellen Entscheidung über die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am Forschungsprogramm zur Strategischen Verteidigungsinitiative der Vereinigten Staaten von Amerika unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die US-Regierung die 60-Tage-Frist für eine Beteiligung von interessierten Ländern nicht aufgehoben hat? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Würzbach, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Herr Kollege, die Bundesregierung wird die notwendigen Grundlagen zur Entscheidung über eine mögliche Beteiligung am SDI-Forschungsprogramm mit der gebotenen Sorgfalt - ich habe darauf gestern bei ähnlichen Fragen mehrfach hingewiesen - erarbeiten. Sie steht dabei unter keinerlei Zeitdruck, zumal eine bindende 60-Tage-Frist, wie Sie sie in Ihrer Frage erwähnen, nicht bestanden hat. Der amerikanische Verteidigungsminister hat in seinem Schreiben vom April 1985 seine zuvor öffentlich gegebene Erläuterung der Bundesregierung gegenüber wiederholt, daß die ursprünglich genannte Frist den Wunsch - den Wunsch! - der amerikanischen Seite nach einer raschen Beantwortung zum Ausdruck bringen sollte, aber keinesfalls als bindende Frist zu verstehen ist. Dies ist auch das Verständnis der Bundesregierung.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Fischer.

Lothar Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000554, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sehen Sie durch eine mögliche Entscheidung, sich an dem Forschungsprogramm zu SDI zu beteiligen, den Einstieg in das gesamte Programm schon vorprogrammiert, weil Politiker und Wissenschaftler auch auf amerikanischer Seite meinen, daß mit dem Einstieg der Point of no return bereits überschritten sei?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Dies sehe ich nicht, Herr Kollege. Ich sehe in der Entscheidung, die uns manche einreden wollen, sich nämlich überhaupt nicht darum zu kümmern, welche Möglichkeiten darin bestehen, vielmehr genau das Gegenteil. Sie wissen, wen ich hiermit meine. ({0}) - Den Außenminister? Ich glaube nicht, daß die Opposition den Außenminister stellt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine weiteren Zusatzfragen zu dieser Frage. Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Grunenberg auf: Mit welchem Mittel-Volumen rechnet die Bundesregierung als künftige Belastung des Bundeshaushalts, falls sich die Bundesrepublik Deutschland an dem Forschungsprogramm zur Strategischen Verteidigungsinitiative der Vereinigten Staaten von Amerika beteiligen sollte, und in welche Einzelpläne sollen gegebenenfalls die entsprechenden Mittel eingestellt werden?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Die Frage finanzieller Aufwendungen im Rahmen einer möglichen Beteiligung der Bundesrepublik am SDI-Programm stellt sich, wie aus den vorher gegebenen Antworten deutlich geworden ist, zur Zeit noch nicht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Grunenberg.

Horst Grunenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000743, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann man ausschließen, daß vorhandene wissenschaftliche und technische Entwicklungen in diesem Programm angerechnet werden, d. h. bei uns praktisch doppelt verkauft werden?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Da möchte ich aber davon ausgehen, daß die Bundesregierung im Falle einer Beteiligung sehr darauf achten wird, daß wir für eine Sache nicht zweimal bezahlen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Grunenberg.

Horst Grunenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000743, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nach dem schließt sich an: Kann man auch ausschließen, daß sicherlich vorhandene wissenschaftliche und technische Entwicklungen in den Vereinigten Staaten nicht auch noch obendrein von uns bezahlt werden?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Dies, finde ich, ist in der Antwort, die ich eben gegeben habe, beinhaltet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Vosen.

Josef Vosen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben eine Beteiligung - so entnehme ich das Ihren Worten -ja nicht ausgeschlossen. Sie wollten sorgfältig prüfen. Aber sicherlich ist doch eine Vorstellung vorhanden. Bisher ist es doch so gewesen, daß die Bundesrepublik im Rahmen dieser Projekte von einem Ansatz von zirka 10 % als Faustregel ausging, was bei insgesamt 80 Milliarden DM Volumen dann 8 Milliarden DM ausmachen würde. Gibt es diesbezüglich irgendwelche Vorstellungen, oder sind Sie völlig sorglos, was die Beteiligung der Bundesrepublik angeht, und wie stellen Sie darüber hinaus, wenn Sie sich beteiligen, dann sicher, daß die Forschungsergebnisse dann auch Eingang in unsere Industrie finden?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, auch Sie waren gestern in der Fragestunde anwesend. Ich finde, daß jeder, der der Fragestunde gefolgt ist, inzwischen hat verstehen können, daß es notwendig ist, diese Fragen zu klären, daß die Zeit aber viel zu früh ist. Wir führen erste Vorgespräche - die gründliche Einzelgespräche vorbereiten sollen -, um abzutasten, welche politischen, strategischen, technischen Möglichkeiten und welche finanziellen, vertragsmäßigen usw. Konsequenzen sich daraus überhaupt ergeben. All dies kann im Augenblick weder so noch anders beantwortet werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. von Bülow.

Dr. Andreas Bülow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000299, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, angesichts der Sorgfalt, auf die Sie sich berufen haben, frage ich Sie: Haben sich auf Grund der Sorgfalt bei der Überprüfung des ganzen Projekts bei Ihnen schon Vorstellungen darüber ergeben, was das Gesamtprojekt im Falle des erfolgreichen Abschlusses der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten kosten würde? Stimmt es, daß sowohl amerikanische als auch russische Quellen davon ausgehen, daß die Kosten einen Umfang von mindestens 1 200 Milliarden Dollar bis 2 000 Milliarden Dollar haben werden, und stimmt es, daß sich die Russen auf amerikanische Quellen berufen, denen zufolge man mit 1 % bis 2 % der Investitionssumme für SDI die Umgehung von SDI organisieren könnte?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege von Bülow, es gibt überhaupt noch keine Handhabe, für niemanden, weder für denjenigen, der etwas will, noch für denjenigen, der jetzt bereits sagt - ich weiß nicht, woher er die Gründe nimmt -, er wolle es auf keinen Fall, zu sagen: Was ist technisch möglich, und was wird dies möglicherweise kosten? All dies ist Spekulation, und Spekulation ist nicht Sache der Bundesregierung. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Würtz.

Peter Würtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002571, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben hier davon gesprochen, daß bisher in dieser Frage nur vorbereitende Sondierungen stattfinden. Ich hätte gern gewußt, in welchem Teil des Einzelplanes 14 Sie jetzt schon entstehende Ausgaben verbuchen.

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege Würtz, Sie sind alter Haushälter und kennen viele Haushalte zurückliegender Jahre und im groben den Entwurf für das kommende Jahr. Sie wissen, daß ein Programm, das bisher nur im Kopf besteht, noch nicht im Haushalt Niederschlag finden kann.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, darf ich aus den Antworten, die Sie auf die Fragen der Kollegen gegeben haben und die ich freundlich als sehr unverbindlich bezeichnen möchte, schließen, daß die Haltungen innerhalb der Bundesregierung hinsichtlich der Frage der Beteiligung am SDI-Forschungsprogramm immer weiter auseinanderdriften, insbesondere wenn man sich die Position des Bundesaußenministers ansieht?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Was Sie daraus schließen, ist Ihre persönliche Sache. Wenn Sie die Antworten sachlich wägen, dann können Sie das nicht daraus schließen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Da wir so viele Fragen haben, bitte ich, sich bei der Formulierung der Zusatzfragen sehr eng an die Ausgangsfrage zu halten. Ich müßte sonst feststellen, daß sie nicht zur Sache gehören. Wir haben so viele Fragen zu dem Vizepräsident Westphal gesamten Thema, und man kann auch sehr spezialisiert Zusatzfragen stellen. Der Abgeordnete Fischer ({0}) möchte eine weitere Zusatzfrage stellen.

Lothar Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000554, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen die Studie bezüglich des Technologietransfers von den USA nach Europa im zivilen Bereich, die im Auftrag der Bundesregierung vergeben worden ist, bekannt, wonach der Technologietransfer von Europa nach den USA zur Einbahnstraße geworden ist, und glauben Sie, daß sich der Technologietransfer im militärischen Bereich in beiden Richtungen entwickeln würde?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind bei der Frage 51 des Abgeordneten Grunenberg; ich kann darin nichts von Technologietransfer entdecken. Herr Kollege Fischer, Sie müssen Ihre Zusatzfrage bei einer anderen Frage stellen. Ich rufe die Frage 52 des Abgeordneten Grunenberg auf: Welche Überlegungen gibt es in der Bundesregierung, den für eine Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an dem Forschungsprogramm zur Strategischen Verteidigungsinitiative der Vereinigten Staaten von Amerika gegebenenfalls notwendigen finanziellen Mehraufwand zu decken ({0})?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Erst wenn sich die Bundesregierung in der Grundsatzfrage positiv für eine mögliche Beteiligung entschieden hätte, wären damit auch die Rahmenbedingungen festzulegen und die hier vorgelegten Fragen somit abschließend zu beantworten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Grunenberg.

Horst Grunenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000743, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann man in Anbetracht des Sparkurses, den die Bundesregierung ja eingeschlagen hat, davon ausgehen, daß die dann vorzunehmende Finanzierung zu Einsparungen im gesamten Haushalt oder nur in Teilbereichen - eventuell bei dem Einzelplan 30 - führt - mit der Folge, daß andere Maßnahmen und Projekte ausgeschlossen werden -, oder wird lediglich der Einzelplan 14 in Mitleidenschaft gezogen, mit der möglichen Folge, daß andere Projekte konventioneller Art außen vor bleiben?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, das sind hypothetische Fragen, Spekulationen, in die ich mich nicht einlasse. Es wird gründlich, sorgfältig, alles abwägend, ohne Zeitdruck geprüft, ob und, wenn ja, wie wir uns beteiligen. Dann hat dies systematisch Eingang zu finden in unseren Haushalt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Grunenberg.

Horst Grunenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000743, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann man hundertprozentig damit rechnen, daß speziell der Bereich der Sozialausgaben von diesen Programmen nicht in Mitleidenschaft gezogen wird?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, das ist eine beliebte Gegenüberstellung von manchen, die ich für hoch unsachlich halte. Es ist auch eine Frage der Sozialpolitik, für die Menschen in unserem Lande den Frieden und die Freiheit zu erhalten. Es geht auch in den Bereich der Sozialpolitik hinein, wenn wir es schaffen, atomare Angriffsraketen durch defensive Systeme zu verringern. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir haben eine Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie auch in Kenntnis der Aussagen des Bundesforschungsministers über eine finanzielle Beteiligung des Bundesforschungsministeriums an SDI heute ausschließen, daß bei einer möglichen finanziellen Beteiligung der Bundesrepublik am SDI-Programm auch der Haushalt des Bundesforschungsministeriums zur Finanzierung herangezogen wird?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, ich wiederhole, daß wir prüfen: Was ist möglich; was ist vernünftig, daß wir von dem Möglichen umsetzen? und daß wir dann zu entscheiden, zu untersuchen und auf die Haushaltsstellen aufzuteilen haben, was das kostet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Würzbach, sehen Sie mit mir einen Zusammenhang zwischen der gestern im Ausschuß für Forschung und Technologie praktisch beerdigten Spallationsneutronenquelle - finanzieller Umfang: ca. 2 Milliarden DM - und einem möglichen notwendig erscheinenden finanziellen Mehraufwand für eine Beteiligung der Bundesrepublik am SDI-Forschungsprogramm?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Nein.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Sie vorhin sehr intensiv Formulierungen gebraucht haben wie „Es wird geprüft, ...", „Hypothetische Fragen prüfen wir nicht" usw. usf., frage ich Sie: Welche Arbeitsergebnisse liegen aus Ihrer bisherigen SDI-Arbeitsgruppe vor, wie lauten die Arbeitsergebnisse, und mit welcher Tendenz gehen Sie damit möglicherweise in die Öffentlichkeit oder an die Presse, bevor wir etwas davon erfahren?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, die Arbeitsgruppen haben begonnen zu arbeiten. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung eines hochrangigen Vertreters des Kanzleramtes ist jetzt im Moment in Amerika, um dort eine Arbeit der Unterarbeitsgruppen vorzubereiten, in denen die Fachleute sitzen, um die Details zunächst einzukreisen und sie dann zu untersuchen. Sie fragen nach der Ten10586 denz. Die Tendenz ist eine unvoreingenommene - das unterscheidet uns von manchen, ich bin sicher, auch von Ihnen - Prüfung entsprechend der Leitlinie, die der Bundeskanzler am 18. April hier in der Regierungserklärung genannt hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Vosen.

Josef Vosen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich bin seit gestern, wie Sie sagten, dabei und bin eigentlich erschüttert über die Verwendung von Sprache, die Sie hier vorführen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, sie müssen fragen.

Josef Vosen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich frage sofort. - Sie haben die Aufrüstung im Weltraum als ein Stück Sozialpolitik bezeichnet. ({0}) Das haben Sie eben hier gesagt. Ich möchte Sie fragen: Können Sie verstehen, daß Menschen in der Bundesrepublik Deutschland auch deswegen gegen die Aufrüstung im Weltraum sind, weil sie befürchten, daß dann keine Mittel mehr für eine echte Sozialpolitik vorhanden sind?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, Sie haben über Sprache geredet. Vielleicht darf ich Sie - Parteigrenzen hin und her - ermuntern, wirklich zu überlegen, welche Begriffe wir in welchem Zusammenhang wählen. ({0}) Kein Mensch hier im Bundestag und keiner in Amerika im Kongreß oder im Senat ist für eine Aufrüstung im Weltall. ({1}) Ich hoffe, wir alle sind dafür, das Riesenmaß an Waffen, das zu große Ausmaß an Waffen, das es gibt, hier wie da, zu reduzieren und dabei weiter die Absicht und das Ziel zu verfolgen, einklagbar für unsere Bürger zu bewerkstelligen, auch unter der sozialen Überschrift, Frieden und Freiheit zu gewährleisten und jeden Krieg zu verhindern. Das sollte uns verbinden und nicht trennen. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Roth.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich habe die Frage: Bezweifeln Sie wirklich, nachdem Sie den Begriff des Abgeordneten Vosen so kritisiert haben, daß es sich um Waffensysteme im Weltall handelt und daß das insofern eine Aufrüstung im Weltall darstellt?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege Roth, ich gehe davon aus, daß Sie die Rede des amerikanischen Präsidenten gelesen haben. Sie werden keine einzige Passage finden, aus der das hervorgeht. All die, die nach ihm das gefüllt haben, als Techniker, als Strategen, als Politiker, geben ebensowenig wie er Anlaß für diese unterstellende Behauptung, die auch durch Ihre Frage deutlich wird. ({0}) Noch kein Mensch weiß, wie diese Systeme möglicherweise, wenn sie gefunden sind, funktionieren. Stehen sie auf der Erde, nicht im Weltall, und gehen sie dann auf ein bestimmtes Signal hin einer Flugbahn einer gestarteten Angriffsrakete entgegen, oder sind die oben, oder was passiert mit denen? All dies ist auch annähernd noch nicht greifbar, sondern das soll abgetastet, unvoreingenommen mit dem Ziel geprüft werden, möglicherweise, wenn man es schafft, defensive Verteidigungssysteme zu installieren, die Angriffsraketen unschädlich, sprich stumpf zu machen, sie zu reduzieren oder gar zu vernichten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Berger.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß vieles dafür spricht, daß diejenigen, die im Zusammenhang mit SDI vom Krieg der Sterne oder von Aufrüstung im Weltall sprechen, die Rede des amerikanischen Präsidenten ebensowenig zur Kenntnis genommen haben wie etwa die wahren Inhalte jenes Forschungsprogramms, über das sie dann sprechen? ({0})

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Bei vielen, Herr Kollege, muß man diesen Eindruck, aus welchen Gründen auch immer, leider haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zu dieser Frage habe ich noch zwei Zusatzfragen der Abgeordneten Immer und von Bülow. Dann gehen wir zur nächsten Frage über. Zunächst der Abgeordnete Immer.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nachdem Sie zwei- oder dreimal das Wort „unvoreingenommen" in den Mund genommen haben, frage ich Sie nach den Divergenzen, die es in den Äußerungen von Regierungsmitgliedern, mindestens von Koalitionsmitgliedern, gibt, einmal dafür, einmal Bedenken, einmal dagegen, wo eigentlich die Prämisse ist. Oder meinen Sie, daß es eine unvoreingenommene wissenschaftliche Prüfung überhaupt gibt, die wir wenigstens in der wissenschaftlichen Forschung nicht kennen?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, die Prämisse - da Sie so konkret danach fragen - darf ich im Stenogrammstil, der Länge willen, noch einmal in Erinnerung rufen. Sie könnten sie nach der Regierungserklärung im Kopf haben. Erstens. Weil die Sowjetunion in ähnlicher Richtung tätig und eine ganze Ecke weiter ist ({0}) - wer will, kennt die Einzelheiten -, ist diese Forschung politisch notwendig, sicherheitspolitisch gerechtfertigt. Die zweite Prämisse ist, daß wir eine gemeinsame Haltung der Europäer anstreben, ein Thema, das uns gestern hier auch beschäftigt hat. Die dritte Prämisse ist, daß wir mit den Amerikanern - Stichwort Zweibahnstraße - eine Kooperation, d. h. hin und her, in fairer Form anstreben. Die vierte Prämisse ist, daß die Sicherheit Europas und hier besonders der Bundesrepublik nicht abgekoppelt wird und ein neues Feld möglicher Bedrohung dann allein für uns entsteht. Das fünfte ist der rüstungskontrollpolitische Aspekt, wo wir ein Höchstmaß an Stabilität auf einem möglichst niedrigen Niveau an Waffen haben wollen. Das sind die Prämissen für die ganze Bundesregierung, und niemand hat je irgendwo etwas anderes gesagt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Letzte Zusatzfrage zu dieser Frage, Herr von Bülow.

Dr. Andreas Bülow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000299, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hängt es vielleicht auch damit zusammen, daß der Generalinspekteur, aber auch der Bundesaußenminister die Rede des Präsidenten vielleicht nicht sorgfältig genug gelesen haben und daß sie dadurch zu deutlich kritischen Stellungnahmen zu SDI verführt worden sind?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, erstens stimmt Ihre Folgerung im zweiten Teil der Frage nicht, wie ich gerade dargelegt habe, und auch den Eingang kann ich nicht bestätigen. Ich wünschte, alle Ihre Kollegen und noch viele mehr ({0}) hätten die Rede ähnlich gründlich gelesen wie die beiden von Ihnen soeben Erfragten. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich bitte die Kollegen um Verständnis: Wir haben acht Zusatzfragen zu einer Frage. Es stehen noch viele Fragen an, wobei auch Ihre Namen als Fragesteller vorkommen. Sie werden noch viele Möglichkeiten haben, Zusatzfragen zu stellen. Ich rufe jetzt die Frage 53 des Abgeordneten von Bülow auf: Wird sich die Bundesregierung, wie vom französischen Außenminister vorgeschlagen, an einer europäischen Technologieagentur beteiligen, die vergleichbare europäische zivile Forschungen und Entwicklungen auf den für SDI maßgebenden technologischen Gebieten koordinieren soll?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege von Bülow, die Bundesregierung steht in intensiven Konsultationen mit interessierten europäischen Partnern über die Frage einer gemeinsamen europäischen Stellungnahme einschließlich einer möglichen europäischen Beteiligung am SDI-Programm. Die Bundesregierung steht der Schaffung einer europäischen Technologiegemeinschaft grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, um Europas eigene technologische Kapazität gegenüber den Vereinigten Staaten und der Welt zu stärken. In diesem Zusammenhang ist auch der kürzlich von der französischen Regierung unterbreitete Vorschlag einer European Research Coordination Agency - gängiger Begriff: Eureka - zu sehen. Der gegenwärtige Stand der deutsch-französischen Gespräche über Eureka läßt es bislang nicht zu, die Zielsetzung und Organisation einer solchen Zusammenarbeit abschließend zu bewerten. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr von Bülow.

Dr. Andreas Bülow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000299, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie stellen Sie sich, Herr Staatssekretär, nach Ablauf von vier, fünf, sechs, sieben Jahren Beteiligung sowohl an SDI als auch an Eureka die Finanzierung beider Projekte vor? Könnte es sein, daß der französische Staatspräsident über die Bonner Haltung deshalb so ungehalten ist, weil er sich jetzt schon genau ausrechnen kann, daß beides nicht miteinander finanziert werden kann, und die Bundesregierung nicht in der Lage ist, klare Entscheidungen zu treffen?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Die Bundesregierung kann über diese Einzelheiten - Sie fragten hier nach der Einzelheit der Finanzen - noch keine abschließende Vorstellung, geschweige denn konkrete Dinge, die in Verträge einfließen könnten, angeben, weil auch bei diesem Programm wie beim SDI-Programm all die Rahmenbedingungen überhaupt noch nicht klar zu sehen sind, aus denen sich dann erst die Prüfung zusammenhängender Details ergeben kann, Herr Kollege von Bülow.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine weitere Zusatzfrage von Herrn von Bülow. Herr Horn kommt als nächster.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nach Ihrer grundsätzlichen Zusage für eine deutsch-französische Zusammenarbeit auf dem Gebiet frage ich Sie: Schließen Sie für den Bereich der Zusammenarbeit mit Frankreich auf diesem Gebiet einen ähnlichen unmotivierten Sinneswandel aus, wie ihn Verteidigungsminister Wörner vom SDI-Kritiker in Cesme zum SDI-Befürworter in jüngster Zeit unter Beweis gestellt hat?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, ich weise nur der Sachlichkeit willen auf die fünf Punkte hin, die ich soeben unter Hinweis auf die Regierungserklärung des Kanzlers, die eine klare Sprache für alle Mitglieder der Bundesregierung und die Bundesregierung gesprochen hat, genannt habe. Daher erübrigt sich ein Eingehen auf eine mögliche Vermutung, wie Sie sie einleitend in Ihrer Frage geäußert haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Sie diese Frage beantworten und nicht der zuständige Staatssekretär im Forschungsministerium und da ich dabei dem anderen keine Inkompetenz in dieser Frage unterstellen will, frage ich: Darf ich davon ausgehen, daß Sie, weil Sie die Frage beantworten, an sich bestrebt sind, die Kompetenzen des Verteidigungsministeriums auszuweiten? Und wenn Sie sich zuständig glauben: Glauben Sie, daß Sie das alles mit 14 20 erledigen können?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, auf die Haushaltsfragen habe ich auf die Frage Ihres Kollegen Würtz geantwortet. Ich beabsichtige nicht, das noch mal aufzunehmen. Ich darf einen kleinen Hinweis - es steht mir nicht zu - zur Geschäftsordnung machen. Jeder hier antwortende Staatssekretär antwortet für die Bundesregierung, Herr Kollege.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt kommt eine Zusatzfrage des Abgeordneten Vosen.

Josef Vosen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wir haben nun mehrmals von Ihnen gehört, daß Sie keine konkreten Vorstellungen über Kosten und Inhalte von Programmen - sowohl von SDI wie von Eureka - haben. Andererseits liegt ja seit über einem Jahr von der französischen Regierung ein Memorandum für eine neue Stufe Europas und einen gemeinsamen Raum für Industrie und Forschung vor. Dieser Vorschlag, der seit einem Jahr auch der Regierung vorliegt, beinhaltet im wesentlichen Teile des geplanten Programms Eureka. Daher hatten Sie ein Jahr Gelegenheit und Zeit, sich über Inhalte und finanzielle Beteiligung Gedanken zu machen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, bitte fragen Sie!

Josef Vosen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich frage Sie: Knüpfen Sie denn nicht irgendwann in Ihren Überlegungen an die Vorschläge des französischen Staatspräsidenten an?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Wir knüpfen an eine Menge Überlegungen an. Aber der französische Staatspräsident kann uns bei diesem Programm wie der amerikanische Präsident bei dem anderen Programm noch nicht die Daten geben, die uns in die Lage setzen, hier ein klares Programm für die Einzelheiten dem Bundestag, der Öffentlichkeit vorzulegen. Sorgfalt, Herr Kollege, ist auch etwas, was Sie von uns sicher zu Recht verlangen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, welche Gründe haben denn die Bundesregierung dazu bewogen, Sie als Staatssekretär aus dem Bundesverteidigungsministerium auf diese Frage antworten zu lassen? Kann man dieser Entscheidung entnehmen, daß die Bundesregierung ein militärisches Interesse der Bundesrepublik an dem Eureka-Programm heute noch nicht ausschließen kann?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, alle Fragen, die aus der Mitte des Plenums kommen, werden auf die Ressorts aufgeteilt. Sie wissen, daß einige der Arbeitsgruppen, die gebildet worden sind - ich habe gestern erwähnt, wie sie sich im einzelnen zusammensetzen -, bei uns aufgehängt sind, andere im Außenministerium. Wie ich aus den Unterlagen weiß, wird mein Kollege aus dem Forschungsministerium auch gleich einige Fragen zu diesem Vorgang zu beantworten haben, so daß Ihre Folgerung, die Sie daraus ziehen, daß ich heute für die Bundesregierung antworte, nicht richtig ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Darf ich noch einmal auf die Frage von Herrn Klejdzinski zurückkommen und Sie fragen, ob innerhalb des Bundeskabinetts noch mehr Damen und Herren die Auffassung von Herrn Forschungsminister Riesenhuber teilen, der sich ja bekanntlich sehr skeptisch über eine Vereinbarkeit der Durchführung von SDI und Eureka zugleich geäußert hat?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Für die Bundesregierung spricht der Bundeskanzler. ({0}) Er hat vor Ihnen im Plenum am 18. April 1985 gesprochen. Ich glaube, die Punkte sind sehr deutlich formuliert und für jeden, der will, klar verständlich. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Roth.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Um diese Frage noch einmal zu verdeutlichen: Beide betroffenen Partnerregierungen, die französische genauso wie die US-Regierung, haben ja die Dimension der Programme in Reden und Stellungnahmen dargestellt. Das sind Milliarden und Abermilliarden. Glauben Sie auf Grund der Informationen beider Partnerregierungen, daß wir an derartigen expansiven forschungs- und technologiepolitischen Programmen in den nächsten Jahren aus Haushaltsgründen - Konsolidierung ist ja vor allem Ihr Stichwort - teilnehmen können?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Ich hoffe, daß Konsolidierung auch ein Stichwort von Ihnen sein könnte oder, wenn es das im Augenblick nicht ist, wieder wird, Herr Kollege Roth. Sie selbst sprachen über die Dimension, die beide Präsidenten aufgezeigt hätten. Da stimme ich IhPari. Staatssekretär Würzbach nen zu. Die Dimension, die Linie, die Idee, das Ziel sind beschrieben. Alles auf dem Weg dahin ist überhaupt noch nicht so klar, daß wir damit etwas konkret anfangen könnten. Das gilt es abzutasten. Wenn sich im Rahmen der Dimension Details als für uns politisch, strategisch, sicherheitspolitisch, technologisch wünschenswert ergeben, wenn sich herausstellt, daß wir uns beteiligen sollten und die damit zusammenhängende Finanzsumme für uns, die Bundesrepublik, zu groß sein sollte - dieser Riesenbrocken, der möglicherweise an Finanzen erforderlich ist -, dann steht doch der Weg frei, mit Partnern in Europa eventuell einen Teil dieses großen Projektes zu übernehmen. Aber all die Dinge sind heute noch nicht zu greifen. Deshalb sage ich noch einmal: sorgfältiges Prüfen, Abwägen, Untersuchen und dann konkrete Vorschläge. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich mache Sie wieder auf die Geschäftslage aufmerksam: Wir haben jetzt noch vier Zusatzfragen und eine, die dem Fragesteller zusteht. Dann gehe ich zur nächsten Frage über. Zuerst Abgeordneter Berger.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können wir uns darauf verständigen, das im Grunde einvernehmlich festgehalten werden müßte, erstens findet SDI statt und zweitens betrifft uns SDI, daß wir deshalb darauf bedacht sein sollten, auf die Ergebnisse so viel Einfluß zu nehmen, wie es unserer sicherheitspolitischen Lage entspricht, daß wir schließlich auch gemeinsam daran interessiert sein müßten, daß deutsche Forschungskapazitäten nicht aus diesem Lande abfließen, sondern hier genutzt werden können, und daß dafür Eureka eine geeignete Möglichkeit wäre?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, die Amerikaner werden SDI vorantreiben und mit Partnern auch außerhalb der Vereinigten Staaten einiges erforschen, ({0}) um dem Ziel näher zu kommen. Ich gehe davon aus, daß das gleiche für den französischen Präsidenten gilt, bezogen auf das andere Projekt. Nun gilt es zu untersuchen: Kann man beide möglicherweise - auch diese Frage ist überhaupt noch nicht zu beantworten; Kollege von Bülow fragte gestern etwas Ähnliches - miteinander verbinden? Wo sind die Schnittstellen? Wo ergänzt das eine das andere? Wo ist möglicherweise eine Investition, die die Deutschen in diesem Projekt tätigen, auch etwas für das andere? Ich verweise, ohne sie noch einmal aufzuzählen, auf die Leitlinien aus der Regierungserklärung. ({1}) Klar ist, daß wir bei beiden Projekten, sollten wir nein sagen - Sie zählen ja zu denen, die das im Augenblick schon tun, die auf keinen Fall mitmachen, die nicht mit nachdenken, sondern die anderen machen lassen -, auf keinen Fall durch den Rost fallen dürfen und dabei unsere Sicherheit, unsere Interessen - auch die, nach denen Sie soeben speziell gefragt haben - gefährden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Stahl.

Erwin Stahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002212, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wir nehmen sehr gerne zur Kenntnis, daß Sie hier für die gesamte Bundesregierung sprechen, also auch für den Bundesforschungsminister. Deshalb ist auch die Frage nach Zahlen und nach Zielsetzungen erlaubt. Ich frage Sie also: Wie groß sind die Volumina - in Millionen oder in Milliarden DM - für Forschungsvorhaben, die die Bundesregierung für das Programm Eureka auszugeben bereit ist, und wie sieht das etwa im Verhältnis zum SDI-Programm aus, bei dem die entsprechenden Zahlen in Milliardenhöhe ja schon in der Diskussion und schon ziemlich festgelegt sind?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, die Summen, die im Augenblick im Haushalt veranschlagt sind, können Sie den einzelnen Haushaltsplänen entnehmen. ({0}) - Ich habe nicht über SDI oder Eureka geredet. Nehmen Sie die Antwort so, wie ich sie soeben gegeben habe. - Das können Sie dann auf die mittelfristige Finanzplanung hochrechnen. Für Eureka und für SDI kann darin noch überhaupt nichts sein, weil wir in der frühesten Vorphase der Prüfung sind, ob etwas möglich ist, ob nichts möglich ist bzw. was möglich ist. Ich weiß nicht, wer in diesem Stadium der Untersuchung bereits einen Niederschlag im Haushalt haben will. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Als nächster hat der Abgeordnete Fischer ({0}) eine Zusatzfrage.

Lothar Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000554, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort vorhin erklärt, daß das System SDI nicht einen Beitrag zur Aufrüstung, sondern zur Abrüstung leiste. Sie haben einen Punkt der Regierungserklärung erwähnt und erläutert, warum eine deutsche Beteiligung an der Forschungsphase möglich sei: weil die UdSSR in diesem Bereich schon einen Vorsprung habe. Sind Sie denn der Ansicht, daß die UdSSR dieses System eingerichtet, installiert hat, um einen Beitrag zur Abrüstung zu leisten?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Hinsichtlich der Sowjetunion bin ich dieser Meinung nicht, weil sie neben dieser Installation eines Antiraketensystems - ich freue mich, daß Sie es kennen und ansprechen - laufend neue Waffen, vornehmlich auch auf Europa, auf uns, auf Sie, auf uns alle gerichtete atomare Angriffswaffen, installiert hat. Aber wir sind dabei, zu prüfen: Welchen Einfluß kann SDI auf die Abrüstung in Ost und West, auf den Produktions10590 stopp, auf das Reduzieren, auf das Verschrotten von atomaren Angriffsraketen überall in der Welt - bei uns wie in der Sowjetunion - haben? Das ist eine Komponente, von der ich hoffe, daß wir sie gemeinsam unvoreingenommen, Herr Kollege, untersuchen und sie unterstützen, sollte sie zu diesem Ziel führen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten von Bülow.

Dr. Andreas Bülow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000299, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann es sein, daß Ihre Antwort heute dadurch beeinträchtigt wird, daß die Frage über das Bermuda-Dreieck des Herrn Schreckenberger gezogen worden ist? Denn anders kann man sich kaum vorstellen, daß der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Waigel, in der Fraktionssitzung vorgestern erklärt hat, das, was Außenminister Hans-Dietrich Genscher in Sachen amerikanischer Weltraumverteidigung zum besten gebe, sei schließlich alles andere als eine Unterstützung des Regierungschefs. Insofern scheint es mir doch problematisch zu sein, wenn Sie hier sagen, Sie sprächen für die gesamte Regierung. ({0})

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, Sie fragen, ob dies so sein kann. Ich sage: So kann es nicht sein. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Letzte Zusatzfrage zu dieser Frage vom Abgeordneten Immer.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Sie in Beantwortung der Frage des Kollegen von Bülow noch einmal betont haben, daß Sie für die ganze Regierung sprechen - okay -, im entscheidenden Fall aber der Kanzler für die ganze Regierung spricht: Müssen Sie nicht zugeben, daß in letzter Zeit deutlich geworden ist, daß zwar der Kanzler für die ganze Regierung spricht, daß aber jeder einzelne Minister für sich spricht und - in Divergenz zu dem, was der Kanzler will; siehe Zimmermann usw. - hier sehr viel Verschiedenartiges gesagt wird?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, Ihre Partei ist ja auch einige Jahre - manche meinen: einige zu lange - in der Regierung gewesen. Ich gehe davon aus, daß Sie alle die Geschäftsordnung kennen. Für die Bundesregierung spricht der Bundeskanzler. Aber der hier antwortende Staatssekretär - das war mein Hinweis auf die Geschäftsordnung - spricht nicht für sich als Person, auch nicht allein für sein Ressort, sondern antwortet im Namen der Bundesregierung. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Dann haben wir die Fragen nicht nur von der Sache, sondern auch von der Geschäftsordnung her völlig geklärt und können weitergehen. Nachdem schon gestern festgestellt worden ist, daß die Fragen 54 und 55 des Abgeordneten Dr. Feldmann auf Grund des Wunsches des Fragestellers schriftlich beantwortet werden sollen, teile ich mit, daß dies auch auf die Frage 56 des Abgeordneten Lowack und auf die Fragen 57 und 58 des Abgeordneten Pauli zutrifft. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen nun zur Frage 59 des Abgeordneten Antretter: In welchem Umfang und auf Grund welcher bundesdeutschen Kontrolle erfährt die Bundesregierung die Standorte der ständig in Gefechtsbereitschaft befindlichen, atomar bestückten Pershing-II-Raketen?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege Antretter, die Bundesregierung ist über Anzahl, Art und Standort aller Nuklearwaffen bei uns in der Bundesrepublik umfassend informiert. Dies gilt auch für ständig einsatzbereite Pershing II. Einzelheiten der Verfahren, nach denen sich die Bundesregierung auf dem sensitiven Gebiet dieser Waffen unterrichtet, werden - wie bei der Regierung vorher und den Regierungen noch davor - nicht öffentlich dargestellt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Antretter.

Robert Antretter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000042, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist es Ihnen wenigstens möglich, mir darüber Auskunft zu geben, in welcher Weise die Bundesregierung örtliche Kontrollen an den kriegsbereiten Abschußplätzen der Pershing-Il-Raketen durchführt?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Ich teile, Herr Kollege, hier Einzelheiten nicht mit. Aber Sie dürfen davon ausgehen, daß die Regularien und auch die Instrumente, wie dies durchgeführt wurde und wird, sich seit Oktober 1982 - ich meine damit den Regierungswechsel - nicht geändert haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Antretter.

Robert Antretter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000042, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sehen Sie sich auch außerstande, mir die Frage zu beantworten, welche Vorbildung bzw. welche fachliche Qualifikation das bundesdeutsche Personal hat, das diese örtlichen Kontrollen durchführt?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Eine dafür gut geeignete und den Anforderungen gerecht werdende Qualifikation.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter Klejdzinski zu einer Zusatzfrage.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn Sie schon an dem Grundsatz festhalten, nie bekanntzugeben, wo was stationiert ist, darf ich Sie dann fragen, ob Sie darüber informiert sind, wenn Bomber des strategischen Verbandes mit atomar bestückten Gefechtsköpfen bzw. Bomben das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland überfliegen.

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, wir sind im Grundsatz über die Stationierung wie über regelmäßige Bewegungen informiert. Dies ist ebenso wie bei den Ministern und den Bundeskanzlern aus Ihrer Partei, die hierfür Verantwortung trugen, mit den militärischen und politischen Gremien abgesprochen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte nachfragen, Herr Staatssekretär, weshalb die Bundesregierung im Falle der Cruise-Missiles-Stellung in Wüschheim im Hunsrück eine Ausnahme von dem gemacht hat, was Sie hier gerade - aus meiner Sicht: fälschlicherweise - gesagt haben.

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, in den zuständigen Gremien ist dargestellt worden, aus welchem Grund und wie häufig die Bundesregierung aus wohlabgewogenen Gründen eine Ausnahme im Einzelfall von diesem Grundsatz gemacht hat. Wir sind nicht gewillt, diese auszudehnen und von der Grundsatzhaltung aller Regierungen generell abzuweichen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir kommen zur Frage 60 des Abgeordneten Antretter: Kann die Bundesregierung die Feststellung der Ärztevereinigung IPPNW bestätigen oder widerlegen, daß beim Brand einer der ständig in Gefechtsbereitschaft befindlichen Pershing-II-Raketen „Plutonium freigesetzt wird" und „ein Gebiet von der Ausdehnung einer Großstadt radioaktiv verseucht werden könnte", so daß es „auf unbestimmte Zeit nicht mehr bewohnbar wäre"?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Es gibt kein realistisches Szenario, das die Behauptung der Ausbreitung einer radioaktiven Verstrahlung auch nur im entferntesten rechtfertigte.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Antretter.

Robert Antretter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000042, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, liegen denn dann der Bundesregierung Untersuchungsergebnisse darüber vor, welche Folgen der Plutoniumverseuchung durch einen Brandunfall mit einer kriegsbereiten Pershing-II-Rakete entstehen können?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Darüber hinaus gibt es Untersuchungen. Es gibt, Herr Kollege, praktische Erkenntnisse aus dem einen oder anderen Unfall, z. B. in Palomares in Spanien und in Thule in Grönland. Glücklicherweise lautet die Konsequenz, daß sowohl durch Feuer mit hoher Temperatur als auch durch einen Absturz aus großer und größter Höhe - wie beispielsweise 10 000 Fuß bei dem Unfall 1966 in Spanien - diese Schäden nicht entstehen können.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Antretter.

Robert Antretter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000042, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Ihre Antwort auf meine letzte Frage so verstehen, Herr Staatssekretär, daß auch dem Bundestag eine Risiko- bzw. Sicherheitsanalyse für Stellungen kriegsbereiter Pershing-IIRaketen zugänglich sein sollte, wie sie für zivile atomare Gefahrenpotentiale erforderlich ist?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Nicht bezogen auf einzelne Stellungen. Dies wäre ein Heranschleichen von der anderen Seite an das Ziel der Veröffentlichung: Wo sind welche und wo sind keine? Sollte dies nicht Ihr Begehren sein, ist dies keine neue Forderung. Der Bundesminister der Verteidigung wie kürzlich aus einem nicht schönen Anlaß der amerikanische stellvertretende Heeresminister - nicht nur Politiker, sondern auch Professor der Physik - haben hierüber detailliert informiert.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Fuchs ({0}).

Katrin Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn eine kriegsbereite, atomar bestückte Pershing II in Brand geriete, was nicht auszuschließen ist: Sagen Ihre Untersuchungen etwas darüber aus, bei welchem Grenzwert der Plutoniumbodenkonzentration eine Evakuierung der Betroffenen aus den Gebieten angezeigt wäre?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Es wird keine Evakuierung erforderlich sein, weil, wie ich auf die Frage des Kollegen vorhin geantwortet habe, eine weitreichende Verstrahlung nicht eintreten wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Berger.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir bestätigen, daß anläßlich dieses schlimmen Unfalls der Verteidigungsausschuß - aber auch schon vorher - sich sehr wohl über das mögliche Gefahrenpotential für die Bevölkerung hat informieren lassen, daß dies seiner Aufgabe entspricht und daß wir z. B. gestern bei einer offiziellen Sitzung des Verteidigungsausschusses in Heidelberg beim amerikanischen Kommando die gleichen Fragen noch einmal geprüft und erfahren haben, daß im Falle einer mechanischen Beschädigung einer Pershingrakete oder auch ihres Brandes das atomare Potential immer unterkritisch bleibt, d. h. also eine Reaktion ausgeschlossen ist? ({0})

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, ich bestätige nicht nur dies, sondern weise darüber hinaus darauf hin, daß die Bundesregierung, der Verteidigungsminister, nicht erst der jetzige, Manfred Wörner, zusammen mit den Amerikanern daraus die nötigen Konsequenzen bezüglich Sicherheitsbereichen und anderem gezogen haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe nun die Frage 61 der Frau Abgeordneten Fuchs ({0}) auf: Kann die Bundesregierung bestätigen, oder widerlegen, daß die atomaren Sprengköpfe der ständig gefechtsbereiten Pershing-II-Raketen mit Hubschraubern zu den Bereitschaftsstellungen der Raketen transportiert werden?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Frau Kollegin Fuchs, wie die Bundesregierung schon vielfach festgestellt hat, werden nukleare Gefechtsköpfe in der Bundesrepublik Deutschland im Frieden nicht im öffentlichen Straßenverkehr transportiert. Der Lufttransport dieser Waffen beschränkt sich auf das erforderliche Mindestmaß. Details werden auch hier auf Grund der verbindlichen Geheimhaltung nicht mitgeteilt. Deutsche Stellen sind informiert, an den Sicherheitsvorkehrungen beteiligt. Und die Sicherheitsauflagen werden streng eingehalten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Frau Fuchs.

Katrin Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß es angesichts der existenziellen Betroffenheit der Bevölkerung, speziell nach dem Unfall in Heilbronn, nicht mehr vertretbar ist, daß der Bevölkerung a) nicht gesagt wird, auf welchem Wege die Atomsprengköpfe transportiert werden, und b) auch nicht detaillierte Kontrollmöglichkeiten der Bundesrepublik und die Weise, in der die Kontrollrechte ausgeübt werden, dargelegt werden?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Die Bundesregierung, die Bundesrepublik, und damit die gewählten Repräsentanten aller Bürger, Frau Kollegin, sind in der Form beteiligt, die soeben auf Ihre Frage und auf die Fragen vorher dargestellt worden ist. Ich sehe keine Notwendigkeit und auch keinen aktuellen zwingenden Anlaß, von der geübten, bewährten, von allen Regierungen praktizierten Art abzuweichen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zweite Zusatzfrage, Frau Fuchs.

Katrin Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Kann es sein, Herr Staatssekretär, daß Ihre und meine Auffassung hinsichtlich der gebotenen Transparenz in einer Demokratie sehr unterschiedlich sind?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Ja.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe die Frage 62 der Frau Abgeordneten Fuchs ({0}) auf: Kann die Bundesregierung bestätigen oder widerlegen, daß beim Absturz und Brand eines Hubschraubers, der atomare Sprengköpfe für Pershing-II-Raketen transportiert, eine Freisetzung von Plutonium erfolgen kann?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Auf Grund vieler und gründlicher experimenteller und theoretischer Untersuchungen hält die Bundesregierung diese Annahme für widerlegt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Frau Fuchs.

Katrin Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie will die Bundesregierung der Bevölkerung eigentlich überzeugend glaubhaft machen, daß sie - die Bevölkerung in der Gegend von Heilbronn - bei dem Unfall überhaupt nicht in Gefahr war?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Ich gehe davon aus, daß all die Informationen, die der Bundesverteidigungsminister - auch sehr persönlich und vor Ort - sowie, von ihm ausgehend, die Medien und schließlich der amerikanische - von uns extra herübergebetene - stellvertretende Heeresminister in diesem Zusammenhang der Bevölkerung in Bonn und auch vor Ort gegeben haben, Gewähr dafür bieten, daß derjenige, der diese Dinge wirklich unvoreingenommen und objektiv hat zur Kenntnis nehmen wollen, inzwischen zu der Überzeugung gekommen ist, daß trotz dieses unschönen, dieses schlechten - wie ich hoffe, in Zukunft nicht wieder auftretenden - Unfalls keine Gefährdung für die Bevölkerung in der Umgebung bestand.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Fuchs!

Katrin Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß auch in den Reihen der Bevölkerung um Heilbronn herum immer noch große Skepsis und Unsicherheit besteht und daß nach den Informationen im Verteidigungsausschuß und in Heilbronn - nach Informationen von, wie Sie sagen, kompetenter Stelle - sehr bekannte und fähige Wissenschaftler zu einer ganz anderen Auffassung gekommen sind, nämlich zu der, daß sehr wohl Gefahren im Verzug waren;

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Ich weiß dies und möchte Sie und uns alle bitten, daß wir in diesen Fragen zur Versachlichung - nicht zur Verschleierung, aber zur Versachlichung - unseren Teil beitragen. ({0}) Was diese Versachlichung und was den kritischen Dialog mit Wissenschaftlern, die zu anderen Ergebnissen gekommen sind, angeht, werden wir Ende dieses oder Ende nächsten Monats in den Vereinigten Staaten auch unter Beteiligung deutscher Wissenschaftler, die eine andere Auffassung haben, zu einem Gespräch - oder nennen wir es, wie es üblich ist, Symposium - zusammenkommen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Horn.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung - abgesehen von den eben erwähnten seriösen Stellungnahmen von Wissenschaftlern, die zu gegenteiligen Ergebnissen kommen - auch bekannt, daß es gerade in diesem Bereich immer wieder neue Erkenntnisse gibt, die die Bundesregierung dazu verpflichten müssen, zum Schutz der Bevölkerung immer wieder gegenüber neuen Ergebnissen offen zu sein und immer wieder intensiv dazu aufzufordern, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu vertiefen?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, jede Behauptung einigermaßen seriöser Art wird daraufhin untersucht, ob sie in der Tat eine Erkenntnis neuer Art ist und ob sie uns also zum Umdenken zu bringen hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Stahl.

Erwin Stahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002212, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie sprachen davon, daß drüben in den Staaten ein Symposium zu diesem Thema stattfinden wird. Darf ich Sie fragen, wie hoch die Teilnehmerzahl sein wird und wie viele der von Ihnen angesprochenen „kritischen Wissenschaftler" daran teilnehmen werden?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, wenn Sie mir diese Frage auf dem üblichen Wege zuleiten, werden Sie ordnungsgemäß die entsprechende Antwort bekommen. Meine Aussage eben war nicht auf die Grundsatzfrage bezogen, sondern war ein Ausblick auf den Tatbestand, ohne daß ich jetzt Einzelheiten präsent hätte.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Antretter.

Robert Antretter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000042, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Frage meiner Kollegin Fuchs hinsichtlich der Gefährdung gesagt, Sie würden demnächst mit amerikanischen Wissenschaftlern ein Symposium veranstalten. Ich wollte Sie fragen, ob Sie bereit sind, auch mit deutschen Wissenschaftlern, die ähnliche Befürchtungen wie die von Frau Fuchs erwähnten internationalen Wissenschaftlern äußern, ein Symposium zu führen?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, obwohl wir uns hier kilometerweit von der Eingangsfrage entfernt haben, habe ich erwähnt, daß deutsche Wissenschaftler dort beteiligt werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Auch mir ist deutlich geworden, daß wir weit von der Frage entfernt sind, aber, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, in diesem Falle ging das von Ihrer Antwort aus.

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Ich weiß das, Herr Präsident.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Klejdzinski.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nachdem Ihre Feststellung, daß wir uns kilometerweit von der Grundfrage entfernt haben, sicherlich nicht zutrifft, darf ich zumindest davon ausgehen, daß das Grundphänomen, nämlich ein elektrostatisches Problem, zwar bisher als Ursache angenommen worden ist, daß Ihnen aber bekannt ist, daß es namhafte Wissenschaftler gibt, die meinen, daß genau diese Theorie, nach der allein die Elektrostatik Ursache dieses Unfalles war, nicht zutrifft.

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, natürlich haben wir uns damit gründlich auseinandergesetzt und bleiben nicht nur bei der Behauptung, sondern befinden uns in der ganz zweifelsfrei gesicherten Erkenntnis, daß es genau diese elektrostatischen Vorgänge und nichts anderes gewesen sind, die zu dem Unfall geführt haben. Dies wird in dem Zusammenkommen erläutert, dargestellt und wissenschaftlich klarer und näher ins Detail gehend behandelt werden. Das ist logisch, weil man dort eine andere Sprache spricht, einen anderen Erfahrungshorizont und andere Kenntnisse hat, als es in der Öffentlichkeit der Fall ist, vor der die Zusammenhänge nur grob dargestellt werden können. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Verteidigung. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Der Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts braucht nicht aufgerufen zu werden, weil um schriftliche Beantwortung der entsprechenden Fragen gebeten worden ist. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht uns die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Karwatzki zur Verfügung. Die Fragen 63 und 64 des Abgeordneten Müller ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 65 des Abgeordneten Catenhusen auf: Wie viele „überzählige" befruchtete menschliche Eizellen von Frauen, die durch künstliche Befruchtung schon schwanger geworden sind, werden z. Z. in den klinischen Zentren der Bundesrepublik Deutschland, in denen künstliche Befruchtungen vorgenommen werden, aufbewahrt? Bitte schön, Frau Staatssekretär.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Catenhusen, die genaue Zahl „überzähliger" befruchteter menschlicher Eizellen in den 12 bis 14 Universitätsfrauenkliniken, die sich mit der künstlichen Befruchtung menschlicher Eizellen außerhalb des Körpers befassen, ist nur durch eine schriftliche Umfrage über die zuständigen obersten Landesbehörden zu erfahren. Eine solche Befragung würde allerdings einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Eine Auskunft aus einer auf diesem Gebiet führenden deutschen Universitätsfrauenklinik ergab, daß gegenwärtig nur so viele weibliche Eizellen entnommen und extrakorporal befruchtet werden, wie für eine Sterilitätsbehandlung erforderlich sind. Es wurde darauf hingewiesen, daß das Aufbewahren befruchteter Eizellen in tiefgefrorenem Zustand wegen der ungeklärten Rechtslage mehr und mehr unterlassen wird. Sogenannte Embryodepots werden abgebaut, die Anzahl der operativ entnommenen Eier der erforderlichen Zahl für die Einpflanzung angepaßt und die Aufbewahrung nur auf ausdrücklichen Wunsch des Ehepaares für den Fall des Versagens - oder der Wiederholung der Sterilitätsbehandlung nach Jahren - vorgenommen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zu einer Zusatzfrage Herr Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gehe ich richtig in der Annahme, daß diese Antwort - die ich nicht für repräsentativ halte - von der Universitätsfrauenklinik in Kiel kommt?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Nein, Sie gehen nicht richtig.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zweite Zusatzfrage.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretär, halten Sie es in Anbetracht der öffentlichen Bedeutung möglicher Experimente an befruchteten menschlichen Eizellen für sinnvoll, die von Ihnen für möglich gehaltene schriftliche Anfrage bei den deutschen Zentren, die diese Behandlung durchführen, zu unternehmen, um auch hier mehr Klarheit in der Öffentlichkeit herzustellen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Catenhusen, muß ich das so verstehen, daß Sie die Universitätsfrauenkliniken meinen? ({0}) Ich sagte eben schon: Das dauert eine Zeit. Aber wenn Sie die Informationen dringend erwünschen, sage ich Ihnen zu, Entsprechendes zu veranlassen, bitte allerdings um Verständnis, daß es etwas länger dauern wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Vogel ({0}).

Axel Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002376, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, in Anbetracht der möglichen Experimente mit künstlich befruchteten menschlichen Eizellen frage ich: Existieren in Ihrem Hause Überlegungen, dafür eine verbindliche Nachweispflicht einzuführen? Nach dem, was Sie jetzt gesagt haben, schaut es ja so aus, daß diese nicht gegeben sind. Also konkret: Bestehen in dieser Richtung Überlegungen?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

In unserem Haus gibt es in diesem Bereich keine Überlegungen. Ich darf aber darauf verweisen, daß der Kollege Catenhusen, der in diesem Hause eine ganz wichtige, entscheidende Kommission leitet, dort sicherlich solche Überlegungen anstellen wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Die Fragen 68 und 69 des Abgeordneten Broll werden entsprechend der Geschäftsordnung behandelt, da der Fragesteller nicht im Saal ist. Ich rufe die Frage 70 des Abgeordneten Dr. Weng ({0}) auf: Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, auf die Programme des Deutschen Fernsehens dahin gehend hinzuwirken, daß diese bei gezeigten Filmen ({1}) zur Unterrichtung der Eltern das Alter angeben, von dem an diese Filme für Kinder bzw. Jugendliche zulässig sind? Bitte schön, Frau Staatssekretär.

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Herr Kollege Weng, die Bundesregierung hat wiederholt ausdrücklich erklärt - zuletzt in der Antwort vom 24. Mai dieses Jahres auf eine Frage des Kollegen Lowack -, daß sie einen wirksamen Jugendschutz auch in Rundfunk und Fernsehen für unerläßlich hält. Die Bundesregierung unterstützt daher jede Maßnahme, die geeignet erscheint, diesen Schutz zu verbessern. Zu Altersangaben bei Spielfilmen im Fernsehen hat die Konferenz der Jugendminister und -senatoren der Länder mit Beschluß vom 1. Juni 1984 die zuständigen Organe und Gremien der Fernsehanstalten gebeten, darauf hinzuwirken, daß in der Programmvorschau, in den Programmhinweisen und Programmansagen die Fernsehteilnehmer bei Spielfilmen auf die Altersfreigabeentscheidungen der Freiwilligen Filmselbstkontrolle hingewiesen und bei eigenen Fernsehprodukten auf die Eignung oder Nichteignung der Sendungen für Kinder und Jugendliche aufmerksam gemacht werden. Die Diskussion über die Frage, welche Konsequenzen aus diesem Beschluß zu ziehen sind, ist zwischen den Fernsehanstalten und den obersten Landesjugendbehörden noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung hält es jedoch für bemerkenswert, daß jedenfalls grundsätzliche Übereinstimmung darüber besteht, daß Sendungen, die für Kinder und Jugendliche nicht geeignet sind, zu Zeiten ausgestrahlt werden, in denen Kinder und Jugendliche üblicherweise nicht fernsehen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Herrn Dr. Weng.

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstehe, kommt das Fernsehen dieser Empfehlung bisher nicht nach. Würden Sie mir dann recht geben in der Auffassung, daß das Fernsehen in dieser Beziehung in allen seinen Programmen nicht sehr verantwortungsvoll handelt?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Nein, das kann man eigentlich nicht sagen, weil gerade bei der Fernsehproduktion noch strengere Maßstäbe in bezug auf Sendungen als z. B. in der Freiwilligen Selbstkontrolle angesetzt werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Weng.

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretär, die Bundesregierung ist sich ja sicherlich darüber im klaren, daß die Sendezeit alleine heute keine genügende Grundlage dafür ist, anzunehmen, daß Kinder diese Sendungen nicht sehen. Sehen Sie keinen Grund, hier weitergehende Bemühungen zu starten?

Irmgard Karwatzki (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001068

Nein, Herr Kollege Weng, ich glaube, eine wie auch immer verantwortete Bundesregierung kann nicht alles regeln. Hier muß viel stärker an die Verantwortung der Eltern appelliert werden, dafür zu sorgen, daß Kinder im Alter unter 14 Jahren nach 21 Uhr nicht fernsehen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Da die Fragen 71 und 72 des Abgeordneten Kirschner auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden sollen Vizepräsident Westphal die Antworten werden als Anlagen abgedruckt -, sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Frau Karwatzki, für die Beantwortung dieser Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Probst zur Verfügung. Die Frage 73 von Herrn Peter und die Fragen 74 und 75 von Herrn Carstensen ({0}) sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen also zur Frage 76 des Abgeordneten Roth: Welche Überlegungen werden in der Bundesregierung darüber angestellt, wie es durch zivile Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen gelingen kann, die aus dem Forschungsprogramm zur Strategischen Verteidigungsinitiative der Vereinigten Staaten von Amerika erwarteten zivilen Spin-offs ohne Umweg über die militärische Forschung im direkten Wege anzugehen, und welche Themenfelder eignen sich nach Ansicht der Bundesregierung hierzu besonders? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Die Frage 76 des Kollegen Roth beantworte ich wie folgt. Die Bundesregierung erwartet, daß das Forschungsprogramm der USA zur SDI Auswirkungen auf den künftigen Wettbewerb auf dem kommerziellen, zivilen Markt haben wird. Ob bestehende Förderkapazitäten der Bundesregierung ausreichen oder ergänzt werden müssen, kann erst geklärt werden, wenn sich eine Gruppe von Experten in den USA genauer informiert hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Roth.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, der Sinn meiner Frage war - er ist offenbar nicht aufgenommen worden -, ob die Bundesregierung in Eureka eine Alternative sieht, um vergleichbare Forschungsanstrengungen ohne den Umweg über die Militärforschung zu betreiben.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Eureka und SDI sind keine Alternativen. Die Schwierigkeit des sogenannten Spin-off, der hier eine große Rolle spielt, ist, daß man den Spin-off vorher nicht definieren kann. Es gibt eine Reihe von Beispielen, die zeigen, daß sich erst im nachhinein herausstellt, wo entsprechende Anwendungsgebiete liegen. Ich erinnere nur an die großen Weltraumprogramme der Vereinigten Staaten von Amerika, die vielfältigsten Spin-off im Bereich der Datentechnik, der Informations- und Kommunikationstechnologien ergeben haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage, Herr Roth.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich will meine Frage noch einmal wiederholen: Sehen Sie in der Diskussion über Eureka Themenfelder, bei denen Sie ohne den Umweg über die Militärforschung direkte Chancen für die private und soziale Entwicklung der Wirtschaft insbesondere in der Bundesrepublik und in Europa haben?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Diese Frage wird insofern geprüft, als es sich um die Prüfung konkreter, anwendungsbezogener Projekte handelt; denn die Lösung einer spezifischen Aufgabe bringt eine spezifische technologische Lösung. Erst, wenn das bekannt ist, weiß man, ob das parallel zu SDI verläuft. Das steht heute nicht fest.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Darf man als Präsident auch einmal eine Frage äußern? Ist es nicht möglich, wenigstens einmal für unsere Zuhörer den Begriff Spin-off zu erklären? Dann haben sie ihn alle begriffen, und dann können wir wieder zum Spinoff zurückkehren. Herr Schierholz ist der nächste.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Soll ich das jetzt erklären, oder soll ich fragen?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das ist nicht Ihre Aufgabe. Ich hatte nur die Hoffnung, daß es einmal einer tut. ({0})

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich wollte etwas ganz anderes fragen. In der Annahme, daß wir uns bei der Frage 76 des Abgeordneten Roth und nicht bei der Frage 77 des Abgeordneten Roth befinden, möchte ich Sie fragen, ob Sie mit der Antwort, die Sie gerade auf die Ausgangsfrage von Herrn Roth gegeben haben - Herr Staatssekretär, einmal Hand aufs Herz - sagen: Es gibt keine Überlegungen innerhalb der Bundesregierung.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Ich möchte die Antwort nicht so verstanden wissen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Spin-off-Effekt ja bedeutet, bekannte Forschungsergebnisse auf ein anderes Forschungsgebiet zu übertragen, beispielsweise aus dem militärischen Bereich in den zivilen Bereich, frage ich Sie, wie hoch Sie, wenn Sie die Erfahrungswerte, die aus der Vergangenheit gegenwärtig vorliegen, zugrunde legen, den Prozentsatz ansetzen, den Sie erwarten, speziell bezogen auf die einzelnen Grundlagenbereiche, die in diesem Forschungsprogramm im Grundlagenbereich von SDI angesprochen sind?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Solche Prozentsätze zu errechnen ist nicht möglich, weil es sich bei wichtigen Anwendungsfeldern eher um Ausnahmeerscheinungen handelt. ({0}) Ich darf ein Beispiel noch einmal in Erinnerung bringen. Wir haben heute in der Medizin eine außerordentlich wirksame Maschine, den Nierensteinzertrümmerungsapparat. Das ist das Abfallprodukt einer Prüfung bei Flugzeugen in bezug auf Regenerosion bei hohen Geschwindigkeiten; es geht um den Stoßwelleneffekt. Niemand hätte voraussehen können, daß daraus einmal ein Nierensteinzertrümmerungsapparat abgeleitet wird, aber es ist so. Propheten können wir natürlich nicht sein.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich bedanke mich ausdrücklich für die Bildungshilfe. - Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung des Finanzministers Stoltenberg, die er als Bundesforschungsminister in den 60er Jahren geäußert hat, daß nämlich der Versuch, Technologieförderung durch Militärforschung voranzutreiben, einen Umweg darstelle, und zwar einen sehr kostenaufwendigen?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Mit Sicherheit wird militärische Forschung nicht um des technologischen Fortschritts im zivilen Bereich willen betrieben. Aber es gibt einen Abfall, der natürlich erheblich ist. Wenn Sie sehr viel Geld in einen Bereich hineingeben - nehmen Sie einen nichtmilitärischen, nehmen Sie die amerikanische Weltraumfahrt, in die viele Milliarden Dollar gegangen sind -, dann haben Sie natürlich einen erheblichen technologischen Abfall, den Sie auch im zivilen Bereich nutzen können. Mit solchen Innovationsschüben müssen Sie natürlich bei großen öffentlichen Förderprogrammen rechnen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt kommen wir zur Frage 77 des Abgeordneten Roth: Welche zivilen Forschungs- und Entwicklungsprojekte erwägt die Bundesregierung in Angriff zu nehmen, um zusammen mit Frankreich den Kern für ein „Europa der Technologie" auf den Weg zu bringen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Die Überlegungen der Bundesregierung, welche zivilen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Zusammenhang mit der von Frankreich vorgeschlagenen Eureka-Initiative durchgeführt werden können, sind einfach noch nicht abgeschlossen, Herr Roth.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Roth.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würden Sie in diesem Stadium dem Deutschen Bundestag verweigern, Beispiele von Forschungsschwerpunkten zu nennen?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Forschungsschwerpunkte sind die Bereiche, die industriepolitisch von großer Bedeutung sind. Das ist nach wie vor der Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. Hier gibt es ja ein europäisches Programm, das sogenannte ESPRIT-Programm. Mit Sicherheit ist die Materialforschung von großer Bedeutung, die heute weltweit als ein solches zentrales Anliegen angesehen wird. Es gibt in anderen Bereichen - ich nenne die Forschungen auf dem Gebiet der Biogenetik - mit Sicherheit eine Reihe von Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Fokussierung der Kräfte in Europa.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Roth.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zu welchem Zeitpunkt dieses Jahres ist die Bundesregierung bereit, dem Bundestag oder den entsprechenden Ausschüssen konkrete Projektideen, die sich in Auseinandersetzung mit dem französischen Partner ergeben haben, bekanntzugeben?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Die Bundesregierung hat den bekannten Brief erst am 15. April über den Außenminister erhalten. Es ist nicht zu erwarten, daß die Prüfungen in zwei Monaten abgeschlossen sein werden. Die Bundesregierung legt sich auch nicht auf einen Zeitpunkt fest. Es ist wichtig, daß bei diesen Programmen sehr sorgfältig abgewogen wird und daß hinterher klare, gemeinsam getragene Entscheidungen bestehen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Probst, darf ich das so verstehen, daß die von Herrn Riesenhuber in seiner Presseerklärung am 31. Mai sehr detailliert genannten Bereiche entweder unverbindlich oder Makulatur sind oder aber daß er nur seine persönliche Auffassung wiedergegeben hat?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Solange Programme haushaltsrechtlich nicht abgesichert sind, existieren sie nicht. In einer Diskussion über so eine Frage, die sehr viele Elemente enthält, gibt es naturgemäß eine Fülle von Auffassungen, Meinungen und Diskussionsbeiträgen, ({0}) die mehr oder minder starkes Gewicht für die künftigen Entscheidungen haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Fischer ({0}).

Lothar Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000554, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben soeben gesagt, Sie beabsichtigten, im Rahmen der deutsch-französischen und europäischen Zusammenarbeit den Schwerpunkt auf solche Forschungsmaßnahmen zu legen, die industriepolitisch von Bedeutung sind. Glauben Sie nicht auch, daß es sehr sinnvoll wäre, gerade im Bereich der Grundlagenforschung und nicht nur im Bereich der Industriepolitik auf europäischer Ebene eng zusammenzuarbeiten?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege, ich habe das deshalb nicht erwähnt, weil das ja in vollem Umfange geschieht. Ich bin ganz und gar Ihrer Meinung. Vor allem dann, wenn es sehr teuer ist, so daß eine Nation allein überfordert wäre, ist Kooperation in der Grundlagenforschung selbstverständlich geboten. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Vosen.

Josef Vosen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich möchte Ihnen die Frage stellen, die Herr Staatssekretär Würzbach nicht beantworten konnte oder wollte. - Die französische Regierung hat vor gut einem Jahr mit ihrem EG-Memorandum „Eine Stufe Europas - ein gemeinsamer Raum für Industrie und Forschung" wertvolle und konkrete Anregungen geliefert. Wie sind diese Anregungen Ihrer Meinung nach mit dem in Frage 77 angesprochenen „Europa der Technologie" in Zusammenhang zu bringen?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Die letzte Anregung Frankreichs ist in dem Brief vom 15. April enthalten. Das ist für uns verbindlich. Mit dieser Frage befassen wir uns derzeit. In diese Prüfungen werden selbstverständlich mögliche Felder der Zusammenarbeit - auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika - einbezogen. Das braucht sich nicht nur auf SDI zu beziehen. Da immer nur begrenzt Mittel zur Verfügung stehen, muß sehr sorgfältig abgewogen werden, wo sich Felder für eine Zusammenarbeit ergeben, wo Geld eingespart werden kann, wie effizienter gearbeitet werden kann. Dieser Abwägungsprozeß ist derzeit in vollem Gange.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe Frage 78 des Abgeordneten Dr. Jens auf: Wieviel optische Sensoren die zivil, und wieviel optische Sensoren, die militärisch entwickelt wurden, werden derzeit nach der Kenntnis der Bundesregierung in der diesbezüglichen physikalischen Forschung und in der industriellen Anwendung, insbesondere bei der Fertigung mittels Handhabungsautomaten, eingesetzt? Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Dr. Jens, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Bundesregierung liegen keine Zahlen vor, wie viele optische Sensoren zivil und wie viele optische Sensoren, die militärisch entwickelt wurden, derzeit in der physikalischen Forschung und in der industriellen Anwendung eingesetzt werden. Die Typenvielfalt reicht hier von der einfachen Lichtschranke bis zum kompletten Mustererkennungssystem. Die Anwendungsfelder reichen von dem Sondermaschinenbau, den fertigungstechnischen Anlagen bis zu speziellen Anwendungen in der Medizin.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie vielleicht bereit, einmal eine derartige Erhebung durchzuführen, damit man weiß, wieviel optische Sensoren zivil und wieviel optische Sensoren militärisch entwickelt worden sind?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Eine solche Untersuchung ist meines Erachtens überhaupt nicht möglich, weil Sie Sensoren selbstverständlich so oder so verwenden können. Das gilt fast für jede Hochtechnologie. Ihre Frage läuft einfach darauf hinaus, einen Zwiespalt zwischen dem, was militärisch aufgewandt wird, und dem, was zivil aufgewandt wird, zu finden. Leider ist das nicht so einfach. Ich bin der Meinung, daß die besten Technologien für Verteidigung bei uns angewandt werden müssen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Können Sie mir vielleicht einige Institute in der Bundesrepublik Deutschland benennen, die sich mit diesem Thema befassen und möglicherweise auf meine Frage zumindest eine abgeschätzte Antwort geben können?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege, es ist so, daß wir heute in besonderer Weise auf dem Gebiet der Mustererkennung und Bildverarbeitung bei optischen Sensoren und auch die Technologie der integrierten Optik für Sensoren und der faseroptischen Sensoren fördern, ein Bereich, der in der Mikroperipherik, in diesem Spezialgebiet der Elektronik, eine besondere Rolle spielt. Diese ist universell einsetzbar, selbstverständlich auch militärisch.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, um Ihnen die Antwort auf diese Frage etwas zu erleichtern: Wie viele Institute forschen im Bereich der optischen Sensoren mit Unterstützung des BMFT oder anderer Ministerien, und wie viele davon arbeiten auch für das Bundesverteidigungsministerium?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege, ich habe die Zahl dieser Institute nicht vorliegen. Ich kann Ihnen heute keine endgültige Antwort geben. Ich kann Ihnen nur zusagen, daß wir versuchen können, diese Zahlen für Sie zu ermitteln. Die Antwort können Sie nachgereicht bekommen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir kommen zur Frage 79 des Abgeordneten Catenhusen: Welche auf der Grundlage von innerstaatlichen Gesetzen oder international bindenden Verträgen bestehenden Beschränkungen müssen von der Bundesregierung auf die Beachtung geprüft werden, falls sich deutsche Firmen an den Forschungsarbeiten zur Strategischen Verteidigungsinitiative der Vereinigten Staaten von Amerika beteiligen wollen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege Catenhusen, die Bundesregierung hat die gleichen internationalen Verträge zu beachten wie auch die Vereinigten Staaten von Amerika. Zweifellos spielt der ABM-Vertrag für die SDI eine dominante Rolle. Die Forschung ist vom ABM-Vertrag jedoch nicht erfaßt. Deshalb besteht für eine Beteiligung der deutschen Firmen am Forschungsprogramm ein weitgehender Gestaltungsspielraum.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, brauchen deutsche Firmen, die sich am SDI-Programm beteiligen wollen, irgendwelche Genehmigungen deutscher Behörden?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Sofern es sich um Forschungsprogramme handelt, sind Genehmigungen meines Wissens nicht erforderlich.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Brauchen öffentliche Forschungseinrichtungen wie Universitäten, MaxPlanck-Institute oder Institute der Fraunhofer-Gesellschaft irgendwelche Genehmigungen deutscher Behörden, wenn sie sich an Forschungsprojekten im Rahmen des SDI-Programms beteiligen wollen?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Derartige Institute brauchen bei Forschungsprogrammen aller Art keine spezielle Genehmigung von deutscher Seite.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie beurteilen Sie, Herr Staatssekretär, den Tatbestand, daß die bereits jetzt im amerikanischen Haushalt des DoD, also des Verteidigungsministeriums, ausgewiesenen Mittel für das SDI-Forschungsprogramm ausdrücklich als Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Test ausgewiesen sind? Sehen Sie hierin mit mir erhebliche Kollissionen mit dem ABM-Vertrag?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Die einzelnen Zielpunkte der Absichten der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika sind mir nicht bekannt. ({0}) Ich möchte sie namens der Bundesregierung hier im Deutschen Bundestag auch nicht bewerten. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Frau Fuchs ({0}).

Katrin Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Sie gerade den ABM-Vertrag erwähnten: Sind Sie der Auffassung, daß der Zusatz zu § 9 des ABM-Vertrags, der besagt, daß auch blueprints, Blaupausen, nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen - der Vertrag wurde zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion geschlossen -, eine Mitarbeit deutscher Firmen am Forschungsprogramm von SDI ausschließt?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Ich gehe davon aus, daß sämtliche Maßnahmen, die die Bundesregierung ergreift, in diesem oder in einem anderen Fall rechtsstaatlicher Natur sein werden. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Die Fragen 80 und 81 des Abgeordneten Vahlberg sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 82 des Abgeordneten Zander auf: Welche Mittel sind zur Zeit im Einzelplan 30 für die im Zusammenhang mit der französischen Eureka-Initiative diskutierten zivilen Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung ausgewiesen, bzw. welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, hierfür Beträge vorzusehen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege Zander, im Zusammenhang mit der französischen Eureka-Initiative werden zahlreiche mögliche Forschungs- und Entwicklungsprojekte diskutiert. Bisher sind noch keine Entscheidungen getroffen, welche Projekte gemeinsam durchgeführt werden. Daher kann derzeit auch noch nichts zur finanziellen Seite gesagt werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Zander.

Karl Fred Zander (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002581, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nachdem der Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung schon durch das Projekt Columbus für die nächsten Jahre überschritten ist, frage ich Sie: Woher wollen Sie künftig auch nur eine müde Mark für dieses Projekt nehmen?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege, selbstverständlich aus dem Bundeshaushalt. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Zander.

Karl Fred Zander (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002581, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sind Sie in der Lage zu quantifizieren, wo und in welcher Größenordnung Sie den Bundeshaushalt belasten wollen, wonach hier schon stundenlang gefragt wird?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Diese Frage ist genausowenig durch mich zu beantworten, wie das durch den Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung möglich war, weil wir keine Propheten sind, Herr Kollege.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Vosen.

Josef Vosen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie waren gerade sehr mutig in der Aussage, daß die Mittel für Eureka aus dem Bundeshaushalt zu nehmen wären. Andererseits sagen Sie aber: Im Moment bin ich nicht in der Lage zu beantworten, woher diese Mittel kommen sollen. Ich frage Sie: Wollen Sie die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland auf solch vage Andeutungen hin gestalten?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich gestaltet sich an Hand ganz konkreter Beispiele und Projekte der Zusammenarbeit, Herr Kollege. Bei Eureka ist es so, daß das Geld, wenn es sich um Bundesabsichten und -vorhaben dreht - es kann nicht nur eine Zusammenarbeit im Bereich der Technologie, sondern auch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit sein -, wenn es sich also um staatliche Initiativen handelt, aus dem Bundeshaushalt kommen wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Berger.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, würden Sie bitte noch einmal bestätigen, daß dieses SDI-Programm ein langfristiges Programm ist, das erst in Jahren überhaupt Ergebnisse zeitigen wird und wahrscheinlich über mehr als 10, 15, ja 20 Jahre laufen wird, und daß es deswegen illusorisch ist, heute die Frage zu beantworten, wo in den nächsten 5, 6 oder 8 Jahren die Mittel dafür hergenommen werden und wie und in welchem Umfang sie in den Haushalt eingestellt werden?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Ich möchte Ihnen das bestätigen und kann eigentlich nicht verstehen, daß man heute Einzelheiten in so ausgedehnter Form hier dingfest machen möchte. Wir können nur sagen, was wir wissen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, auch wenn man davon ausgehen muß, daß das Eureka-Programm bisher mehr aus Überschriften als aus ausformulierten Kapiteln besteht: ({0}) Können Sie dennoch die Frage beantworten, ob die Bundesregierung es für möglich hält, daß Mittel für die Eureka-Initiative aus dem Einzelplan 30 gezahlt werden können, ohne daß die in der mittelfristigen Finanzplanung für die Forschung vorgesehenen Gesamtmittel aufgestockt werden?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Die Bundesregierung kann sich auch das vorstellen, wenn sie es auch nicht für wahrscheinlich hält.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir kommen zur Frage 83 des Abgeordneten Zander: Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung über die Kosten von zivilen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen, die darauf abzielen, die aus dem Forschungsprogramm zur Strategischen Verteidigungsinitiative der Vereinigten Staaten von Amerika erwarteten Spin-offs ohne Umweg über die militärische Forschung anzugehen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege Zander, es ist eher die Ausnahme, daß durch Forschungsvorhaben, die auf ganz bestimmte Ziele gerichtet waren, Problemlösungen für andere Anwendungsgebiete anfallen, auf die dort schon jedermann gewartet hat. Meist haben diejenigen, die eine interessante technische Lösung anzubieten haben, sich im begreiflichen Bemühen um die Rentabilität ihrer Forschungsaufwendungen nach anderen Anwendungsmöglichkeiten umgesehen. Oft stellte sich erst hier ein Bedarf nach neuen Gegenständen und Verfahren heraus. Dieser dynamische Prozeß läßt sich an zahlreichen Beispielen wieder des sogenannten Spin-offs, Herr Präsident, als Foschungsvorhaben belegen, vor allem in technologisch anspruchsvollen Gebieten, z. B. der Weltraumfahrt. Forschungsanstrengungen zur bloßen Gewinnung von sogenannten Spin-offs sind wirkungslos, weil nur konkrete Fragestellungen mit hohen technologischen Anforderungen erfolgversprechende Ergebnisse liefern können.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Zander.

Karl Fred Zander (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002581, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir widersprechen, wenn ich feststelle, daß die Bundesregierung bei Vorhaben von enormer technologischer Bedeutung und unübersehbaren, in die Milliarden gehenden Folgen mit der Stange im Nebel herumstochert?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Das würde ich Ihnen nicht bestätigen können. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Fuchs, bitte schön.

Katrin Fuchs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000614, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der militärische Spin-off ziviler Forschung größer ist als der zivile Spin-off militärischer Forschung?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

In einzelenen Bereichen: selbstverständlich.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da ja nun zwei sehr markante Zahlen durch die Öffentlichkeit geistern, nämlich die von Herrn Späth, der von 50% Spin-off bei militärischer Forschung im Zusammenhang mit dem SDI-Forschungsprogramm gesprochen hat, und die von anderen Experten, wenn ich es richtig sehe: auch vom Bundesforschungsminister, die von 10% gesprochen haben, frage ich Sie, welche Position denn die Bundesregierung hat.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege, ich kann zwar verstehen, daß Sie sehr genaue Auskunft über diesen sich j a erst in der Zukunft vielleicht abspielenden Bereich haben möchten. Aber Sie können das aus mir einfach nicht herausholen. Es handelt sich auch um Spekulationen, um reine Schätzungen, die in diesem oder jenem Bereich liegen. Ich muß mich präzisieren: Es handelt sich um Aussagen, die einen sehr, sehr starken Schätzcharakter haben, und ich möchte nicht eine weitere Schätzung hinzufügen. ({0}) - Das habe ich nicht gesagt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir kommen zur Frage 84 des Abgeordneten Dr. Kübler. - Er ist nicht im Saal, so daß die Frage der Geschäftsordnung gemäß behandelt wird. Nun kommt die Frage 85 des Abgeordneten Vosen: In welchen Großforschungseinrichtungen, Instituten der Max-Planck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft werden mit grundfinanzierten Mitteln aus dem Bundesministerium für Forschung und Technologie und der jeweils korrespondierenden Länder-Förderung Themenbereiche bearbeitet, die für die Themenfelder des Forschungsprogramms zur Strategischen Verteidigungsinitiative der Vereinigten Staaten von Amerika von besonderem Interesse sind? Bitte schön, Herr Parl. Staatssekretär:

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege Vosen, der Bundesminister für Forschung und Technologie finanziert gegenwärtig keine Arbeiten in den Großforschungseinrichtungen, der MaxPlanck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft, die im Zusammenhang mit SDI stehen. Die geförderten Arbeiten zielen ausschließlich auf den zivilen Bedarf und zivile Anwendungen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vosen. Bitte.

Josef Vosen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Parl. Staatssekretär, ich hatte Sie nicht danach gefragt, ob der Bundesminister für Forschung und Technologie in diesen Einrichtungen Projekte finanziert, die mit SDI in Verbindung stehen, sondern ich hatte Sie gefragt - das können Sie aus meiner Fragestellung ersehen - ob es Themenfelder gibt, die für das Projekt SDI interessant sein könnten, z. B. Laser-Forschung oder anderes mehr. Das war meine Frage.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Diese Frage zu erkunden - damit sind Experten derzeit befaßt. Sie wissen, eine vorbereitende Delegation befindet sich in dieser Woche in den Vereinigten Staaten von Amerika. Es wird in Zukunft - im Herbst, etwa im September - eine Expertendelegation in der Größenordnung von vielleicht 15 Personen in die Vereinigten Staaten von Amerika reisen, um die Felder zu definieren. Es sind einzelne Bereiche offensichtlich - der gesamte Bereich der Mikroelektronik ist hier sehr einbezogen -, wo wir uns damit befassen: Ist das relevant? Es wird mit Sicherheit Materialforschung involviert sein. Verlangen Sie von mir heute aber nicht ein vollständiges Konzept über das, was an einzelnen Möglichkeiten, die es auch in Deutschland gibt, hier relevant ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Vosen.

Josef Vosen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Parl. Staatssekretär, wenn Sie zur Zeit ermitteln, welches die interessanten Themenfelder sind, könnten Sie dann mit ermitteln lassen, ob die Forscher, die ja jetzt freie Forscher sind, in den Großforschungseinrichtungen, in den einzelnen Instituten überhaupt bereit sind, ihre Forschungsergebnisse, über die sie jetzt noch publizieren dürfen, in ein von Geheimhaltung überlagertes Projekt SDI einzubringen? Zwingen wir denn nicht unsere Forscher, in ein solches Projekt ihre Freiheit der Wissenschaft einzubringen und auf dem Altar dieser Militärforschung zu opfern?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege, ich weiß nicht, an welchen konkreten Fall Sie denken. Aber unsere Verfassungslage ist doch klar: Gewissensfreiheit und auch die Freiheit der Forschung und Lehre gehen hier doch vor staatlichen Zwängen, die es vielleicht gibt. Wenn jemand irgendeine Arbeit nicht tun mag, kann doch in unserem Land keiner dazu gezwungen werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Zander.

Karl Fred Zander (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002581, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben eine Delegation erwähnt, die sich zur Aufklärung offener Fragen in den USA aufhält. Würden Sie bitte sagen, welche Ressorts daran beteiligt sind und wer die Federführung hat?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Die Federführung hat das Bundeskanzleramt. Wenn ich recht informiert bin, sind das Auswärtige Amt, der Bundesminister für Verteidigung, der Bundesminister für Wirtschaft, der Bundesminister für Foschung und Technologie beteiligt. ({0}) - Vielleicht auch der Bundesminister der Finanzen. Darüber bin ich aber nicht im Bilde. Das ist etwa das Spektrum.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schierholz.

Dr. Henning Schierholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001964, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus und möchte Sie fragen, Herr Staatssekretär, ob es richtig ist, daß bei dem Gespräch im Kanzleramt am 13. Mai 1985 auch Vertreter von Großforschungseinrichtungen - etwa der Fraunhofer-Gesellschaft, der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt, der Kernforschungsanlage Jülich - zugegen waren, ob Sie diese dann gegenwärtig nicht mehr zu den grundfinanzierten Einrichtungen zählen, die aus dem BMFT-Haushalt - Einzelplan 30 - finanziert werden, und welche weiteren Großforschungseinrichtungen bei diesem Gespräch im Kanzleramt vertreten waren.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Mir ist bekannt, daß Vertreter der Deutschen Forschungs- und VerParl. Staatssekretär Dr. Probst suchsanstalt für Luft- und Raumfahrt dabei waren. Das ist das, was mir bekannt ist. Aber das halte ich für eine ganz natürliche Angelegenheit, weil es sich um besondere Fachleute handelt. ({0}) - Das ist mir nicht bekannt, weil ich die Einladungsliste nicht dabeihabe. Aber es ist doch selbstverständlich, daß zu so einem Expertengespräch erstrangige Fachleute hinzugezogen werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Catenhusen.

Wolf Michael Catenhusen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000326, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Ihnen sicherlich bekannt ist, daß in den Satzungen einiger Großforschungseinrichtungen wie etwa der GMD, der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, und der Kernforschungsanlage Jülich ausdrücklich Forschung für friedliche Zwecke vorgesehen ist, frage ich Sie: Können Sie sich vorstellen, daß sich solche Großforschungseinrichtungen auch in Kenntnis dieser Präambeln ihrer Satzungen an Forschungen im Bereich SDI beteiligen?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Es handelt sich hier nicht um ein militärisches Unternehmen, eine militärische Planung oder die Installierung eines Waffensystems, sondern um ein Forschungsprogramm zur Erkundung einer Möglichkeit. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hansen.

Uwe Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000806, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie uns eine Auskunft darüber geben, an welchen Forschungseinrichtungen, an welchen Forschungsbereichen die USA anläßlich der Vorbesprechungen ein besonderes Interesse gezeigt haben?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Soweit mir das bekannt ist, habe ich das wie Sie in den Zeitungen gelesen. Entscheidend ist für uns, welche konkreten Ansätze wir in den Vereinigten Staaten von Amerika finden werden. Das ist in Arbeit. Es ist ganz sinnlos, jetzt in Hektik zu machen und zu glauben, alles in der jetzigen Phase schon klären zu können. Ich bitte Sie um ein wenig Geduld. Vielleicht wissen wir im Herbst dieses Jahres erheblich mehr.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir kommen jetzt zur Frage 86 des Abgeordneten Vosen. Welches sind die technologiepolitischen Bedingungen und Kriterien, unter denen die Bundesregierung die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an dem Forschungsprogramm zur Strategischen Verteidigungsinitiative der Vereinigten Staaten von Amerika vorsehen wird, und ist insbesondere beabsichtigt, über den freien Transfer von für zivile Zwecke geeigneten Technologien eine formelle Regierungsvereinbarung zwischen den zuständigen Forschungsministern zu treffen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege Vosen, das Forschungsprogramm zur SDI der USA ist ein rüstungstechnisches Programm. Dem freien Transfer von Technologien, die für Zwecke der Verteidigung entwickelt werden, in den zivilen Bereich sind aus Gründen der Geheimhaltung prinzipielle Grenzen gesetzt. Die Frage nach geeigneten Verträgen stellt sich aber erst, wenn wir über eine Beteiligung und deren Art und Umfang entschieden haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Herr Vosen.

Josef Vosen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Hier schließe ich wieder meine Frage an, die auch hierhin paßt. Wie bringen Sie Ihre Feststellung, es handele sich um ein militärisches Programm bei der SDI-Forschung, und die Möglichkeit in Einklang, daß Wissenschaftler, die ihrem Gewissen - wie Sie eben sagten - verantwortlich sind, nicht mitforschen wollen? Denn die Forschungsergebnisse, die bisher frei gefunden wurden, sollen ja in dieses militärische Programm einfließen. Wie sieht es dann mit der Freiheit der Wissenschaftler aus, die auf dem Gebiet schon geforscht haben?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege, wenn man Ihren Gedanken zu Ende denken würde, dann dürften wir keine Technik, die sich aus einem zivilen Bereich ergeben hat, militärisch, d. h. zur Verteidigung, nutzen. Das aber wäre im Sinne einer vernünftigen Sicherheitspolitik ein totaler Nonsense.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Vosen.

Josef Vosen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn wir diese zivilen Forschungsergebnisse in die militärische Planung einbringen wollen und die Forscher nicht zwingen, dort mitzumachen, weil sie das ihrem Gewissen gegenüber nicht verantworten können: Müssen die zivilen Forscher dann ausscheiden, und werden die weiteren Forschungen auf diesem Gebiet von Militärforschern durchgeführt?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Herr Kollege Vosen, Ihre Frage befindet sich so weit von der Realität, daß man auf sie derzeit gar nicht eingehen kann. Solche Fälle gibt es nicht, die gibt's auch in der Zukunft nicht. Wir haben in der Bundesrepublik, in Europa, in den Vereinigten Staaten von Amerika ein großes geistiges Potential, das sehr wohl einsieht, daß wir für unsere Sicherheit nach bestem Gewissen arbeiten müssen. Und da gibt es selbstverständlich Menschen, die ihren Geist zur Verfügung stellen, um unseren freiheitlichen Rechtsstaat zu sichern. ({0}) Das ist doch eine Selbstverständlichkeit.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Letzte Zusatzfrage, Frau Dr. Timm.

Dr. Helga Timm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002328, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, habe ich Ihre Antwort auf die erste Frage des Kollegen Vosen vorhin richtig verstanden, daß es sich bei SDI um ein rüstungstechnisches Programm handelt, und wie verträgt sich das - es ist in der Fragestunde heute ja immer wieder gesagt worden, die Bundesregierung spreche mit einer Zunge - mit der Antwort des Herrn Würzbach, daß es sich bei SDI nicht um ein Aufrüstungsprogramm im Weltraum handelt?

Dr. Albert Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001752

Ich möchte mich mit der Frage Aufrüstungsprogramm nicht mehr auseinandersetzen. Hier hat der Herr Kollege Würzbach eingehend Auskunft gegeben. ({0}) Es ist überhaupt keine Frage, daß es sich bei SDI um die Perfektionierung eines Abwehrsystems handelt, das logischerweise dazu führen kann - aber das soll ja alles erst geprüft werden -, daß die Potentiale verringert werden können.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Fragestunde*. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Wir kommen nun zu unserer übrigen Tagesordnung zurück. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses ({0}) zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung zum Ergebnis der NATO-Konferenz am 9./10. Juni 1983 - Drucksachen 10/151, 10/3074 Berichterstatter: Abgeordnete Francke ({1}), Dr. Scheer Beschlußfassung Hierzu liegen Änderungsanträge der Abgeordneten Dr. Scheer, Horn, Frau Fuchs ({2}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3108 sowie des Abgeordneten Vogt ({3}) und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3474 vor. Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. - Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat zuerst der Herr Abgeordnete Francke ({4}). I Die nicht behandelten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden im Plenarprotokoll 10/144 als Anlagen abgedruckt.

Klaus Francke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000569, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß in unserem Land über Fragen der Strategie und der außenpolitischen Konzepte frei, offen und kontrovers debattiert werden kann, ist ein Privileg, das wir nicht mit allzuvielen Ländern teilen. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte mit der Zäsur von 1945 eine Entwicklung, mit der damals niemand rechnen konnte. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich diesen Freiraum der Diskussion erarbeitet, indem sie den Weg der Westintegration eingeschlagen und als Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft stets eine berechenbare, bündnisloyale Politik betrieben hat. An dieser Grundorientierung, die von der großen Mehrheit unserer Bevölkerung bejaht wird, wird es auch künftig keine Änderung geben. Strategiedebatten waren in der Vergangenheit in aller Regel auf Expertenkreise beschränkt. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch eine breitere Öffentlichkeit in die Diskussion eingeschaltet. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt diesen Wandel, auch wenn dadurch einer Emotionalisierung der Themen neue Chancen eröffnet werden. Was wir fördern wollen und sollen, ist eine informierte Diskussion, die nicht der Versuchung erliegt, Fakten durch Meinungen oder gar Glaubensbekenntnisse zu ersetzen. Der Verteidigungsausschuß hat seine öffentliche Anhörung zu alternativen Verteidigungsstrategien zu einer Zeit durchgeführt, als die Auseinandersetzung um den NATO-Doppelbeschluß sich auf waffentechnische Probleme zu reduzieren begann. Daher möchte ich am Anfang positiv vermerken, daß die Anhörung ein wertvoller Anstoß zur Repolitisierung der Debatte war. In folgendem Punkt dürfte es zwischen den Fraktionen in diesem Hause Übereinstimmung geben: Strategie ist nicht mehr wie im vornuklearen Zeitalter die Wissenschaft vom Krieg, sondern die Kunst der Kriegsverhinderung. ({0}) Unter den Bedingungen des Atomzeitalters ist die Frage, ob und wie ein Krieg geführt werden kann, obsolet geworden. Nur: Alles spricht dagegen, daß die Menschheit sich jemals wieder von der Atomwaffe befreien wird. Das einmal Gedachte kann nicht zurückgenommen werden, wie Herr von Weizsäcker gesagt hat. Wenn heute sämtliche Atomwaffen verschrottet würden, würde irgendein machthungriger Herrscher morgen neue bauen lassen können. Alle Appelle also, eine atomwaffenfreie Zukunft anzustreben, sind idealistisch und ehrenwert, aber leider illusionär. Unsere Aufgabe lautet demnach, den Krieg - den atomaren und den konventionellen - zu vermeiden und die Freiheit unserer Eigenentwicklung zu schützen. Europa lebt seit 40 Jahren im Frieden. Obwohl gerade in der Mitte Europas, in der Mitte Deutschlands die Gegensätze der Wertvorstellungen, Interessen und Mächte am ausgeprägtesten sind, ist Francke ({1}) Krieg hier am allerunwahrscheinlichsten. Obwohl der Ost-West-Konflikt geographsich nirgendwo so überschaubar ist wie in Mitteleuropa, ist er gerade hier erfolgreich beherrscht worden. Für diese scheinbaren Paradoxien gibt es eine Erklärung, nämlich die Rolle der Kernwaffen in der internationalen Politik. Die Existenz von Kernwaffen zwingt die potentiellen Gegner, ihre Gegensätze anders als militärisch auszutragen. Von Kernwaffen geht ein Zwang zur politischen Mäßigung aus. Ein weiterer Aspekt gehört in diesen Zusammenhang. Frieden, Freiheit und Stabilität in Europa nach 1945 hätte es nicht gegeben ohne das dauernde Engagement der Vereinigten Staaten. Amerika hat 1945 die Lehren aus 1918 gezogen und ist nicht der Versuchung erlegen, sich in die Burg des Isolationismus zurückzuziehen. Amerika spielt seit 1945 eine befriedende Rolle in und für Europa. Ohne diese amerikanische Nachkriegspolitik hätte es der freie Teil Deutschlands zweifellos schwerer gehabt, sich in die westeuropäische Staatengemeinschaft zu integrieren. Nun zur Kehrseite der Medaille. Die Europäer, insbesondere wir Deutschen, dürfen die Abkehr Amerikas vom Isolationismus jetzt nicht mit einer Politik des Neutralismus beantworten. Es gibt für uns keine Flucht in eine Art europäischen Isolationismus, der uns die Lasten des Ost-West-Gegensatzes abnehmen würde. ({2}) Es gibt insbesondere für uns Deutsche nicht die bequeme Zuschauerbank, von der aus man den Ost-West-Konflikt lässig distanziert verfolgen könnte. Diese Form des politischen Eskapismus verbieten Geschichte, Interessen und geographische Lage der Bundesrepublik Deutschland. Über diese Zusammenhänge intensiver nachzudenken, weil sie entscheidende Bedeutung für unsere Außen- und Sicherheitspolitik haben, ist im übrigen ganz besonders denjenigen zu empfehlen, die in der amerikanischen Präsenz in Europa den Grund allen Übels erblicken. Für die CDU/CSU-Fraktion bilden diese Zusammenhänge auch in Zukunft die Basis für eine berechenbare Politik, die zwei Ziele verfolgt: Kriegsverhütung und Freiheit der Eigenentwicklung. Die große Mehrheit der im Verteidigungsausschuß angehörten Sachverständigen hat die Überzeugung bestätigt, daß das Erreichen dieser Ziele ohne das NATO-Bündnis nicht möglich ist. Die Allianz und mit ihr die Bundesrepublik sieht sich seit Jahrzehnten einem Bedrohungspotential gegenüber, das eine Politik manifestiert, die Sicherheit als Produkt eigener Überlegenheit versteht. Die Sowjetunion ist die stärkste Landmacht in Europa. Sie betrachtet die osteuropäischen Länder als strategisches Vorfeld. Sie hat dieses Vorfeld mit konventionellen und nuklearen Waffen aufgerüstet und in den vergangenen Jahren gleichzeitig ihre maritimen Einheiten zur weltweiten Präsenzfähigkeit ausgebaut. Dennoch, auch die Sowjetunion will keinen Krieg. Sie weiß, daß sie einen Krieg nicht ohne ein existenzielles Risiko für sich selbst beginnen könnte. Aber sie will die Fähigkeit behalten, einen Krieg führen zu können. Für sie sind nämlich Verhinderung und Führung eines Krieges kein Gegensatz, sondern komplementäre Inhalte ihrer Strategie. In dem Maße, in dem unter den Bedingungen des nuklearen Zeitalters die Anwendung militärischer Macht zu kriegerischen Zwecken den Selbstmord unausweichlich macht, steigt aber die Bedeutung militärischer Macht als politisches Druckmittel. Wir haben dies im übrigen in unserem Lande exemplarisch erfahren, als die Sowjetunion begonnen hatte, die politische Hegemonialwaffe, die SS-20, zu stationieren. Denken wir in dem Zusammenhang auch an die gewaltige Öffentlichkeitskampagne der Sowjetunion. Solange, meine Damen und Herren, die CDU/CSU in diesem Hause die Opposition stellte, hat sie die Bundesregierung in allen wichtigen Fragen der Sicherheits- und Rüstungskontrollpolitik unterstützt. ({3}) Wir hatten sicherheitspolitischen Konsens über die Parteigrenzen hinweg. ({4}) Dieser Konsens ist nach meiner Feststellung in der Auflösung begriffen, weil sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands von wichtigen Elementen gemeinsamer Sicherheitspolitik verabschiedet hat. Die neue Zauberformel sozialdemokratischer Sicherheitspolitik heißt Sicherheitspartnerschaft. Dieser Begriff - das gebe ich zu - bietet den Vorteil, daß niemand genau weiß, was er bedeuten soll. Unter seinem Dach finden folglich alle Platz: Befürworter und Gegner der Nachrüstung, Befürworter und Gegner des Gleichgewichtsprinzips, Befürworter und Gegner der nuklearen Abschreckung. ({5}) Mich stört an diesem Begriff schon die Verwendung des kostbaren Wortes Partnerschaft für die Charakterisierung unseres Verhältnisses zu einer totalitären Macht. Meine Damen und Herren, mit Schlüsselwörtern der Politik muß man sorgfältig umgehen. ({6}) Kann es - frage ich Sie - eine Sicherheitspartnerschaft mit der Sowjetunion geben? Sicherheitspartnerschaft würde doch bedeuten, daß beide Seiten die Ursachen ihres Konfliktes zugunsten eines gemeinsamen, übergeordneten Interesses beiseite-schöben. Will die Sowjetunion das, wo sie doch nicht die Intervention westlicher Panzer, sondern westlicher Freiheitsideen zu befürchten hat? ({7}) Darf der Westen es wollen, wenn er allen Anlaß hat, seinen sogenannten Sicherheitspartner gleichzeitig als militärische Gefahrenquelle zu betrachten? Francke ({8}) Ich möchte hier keine Mißverständnisse aufkommen lassen: Meine Fraktion ist entschieden für Verhandlungen und Verträge zur Abrüstung, auch zur vorbeugenden Rüstungskontrolle. Sie ist in diesem Sinne für eine rüstungskontrollpolitische Vertragspartnerschaft mit der Sowjetunion, also für Zusammenarbeit in den Gebieten, in denen Kompromißmöglichkeiten bestehen. Aber eine abstrakte Sicherheitspartnerschaft kann es nach unserer Auffassung schon deshalb nicht geben, weil die Sowjetunion mit einem völlig anderen Sicherheitsbegriff operiert. Und es kommt etwas anderes hinzu: Für die Sowjetunion und die Warschauer-Pakt-Staaten gibt es keine Aufspaltung des Begriffes Sicherheit in innere und äußere Sicherheit. Das Legitimationsproblem der kommunistischen Diktatur zwingt beide Komponenten zu einer Synthese. Die Truppen der Sowjetunion stehen im osteuropäischen Vorfeld nicht nur zur Bedrohung des Westens, sondern auch zur Stabilisierung der Vorherrschaft über dieses Vorfeld. - Und deswegen lehnen wir diesen Ansatz der Sozialdemokraten ab. ({9}) Die große Mehrheit der im Verteidigungsausschuß angehörten Sachverständigen hat die Grundlagen und Ziele der gültigen Strategie des NATOBündnisses unterstützt. Für die CDU kann ich feststellen: Erstens. Die Strategie der flexiblen Erwiderung muß so lange in Kraft bleiben, bis eine andere, erfolgversprechende, den Krieg verhindernde und die Freiheit der eigenen Entwicklung garantierende Alternative an ihre Stelle treten kann. Eine Alternative, die diesen Anforderungen gerecht wird, ist nicht in Sicht. ({10}) Zweitens. Ein Ausstieg aus dem Prinzip der Abschreckung wäre verhängnisvoll. Abschreckung, die keineswegs erst die Erfindung des Nuklearzeitalters ist, bewahrt das NATO-Bündnis vor einer Situation, in der es nur noch zwischen militärischer Konfrontation und politischer Unterwerfung wählen kann. Drittens. Nuklearwaffen bleiben im Abschrekkungspotential des Bündnisses unverzichtbar. Das Bemühen, den politischen Charakter dieser Waffen stärker ins Bewußtsein zu heben, muß der Tendenz zur Dämonisierung dieser Waffen entgegenwirken. Viertens. Der Harmel-Bericht bleibt Richtlinie für die Gestaltung der Ost-West-Beziehungen. Nur auf der Basis äußerer Sicherheit ist das Bündnis in der Lage, konstruktive Schritte zur Vertragspartnerschaft mit der Sowjetunion und den übrigen Staaten des Warschauer Paktes zu unternehmen. Rüstungskontrolle und Abrüstung mit dem Ziel der Bewahrung eines ungefähren Gleichgewichts sind dabei kein Selbstzweck, sondern als Teil eines umfassenden Prozesses zur Verbesserung der politischen Beziehungen zwischen Ost und West anzusehen. ({11}) Es gibt eine Frage, die uns in Zukunft verstärkt beschäftigen wird, nämlich das Verhältnis von nuklearen und konventionellen Waffen, die Gewichtung dieser Waffen im Abschreckungskonzept der NATO. Die CDU/CSU unterstützt nachhaltig das Bestreben der Bundesregierung, solche Atomwaffen, deren Funktion auch von konventionellen Waffen übernommen werden kann, durch diese zu ersetzen. Sie begrüßt daher den Beschluß von Montebello. Die stärkere Konventionalisierung der Strategie der flexiblen Erwiderung dient in erster Linie der Glaubwürdigkeit dieser Strategie. Sie wirft aber auch erneut und verschärft die Frage nach einer gerechteren Lastenverteilung innerhalb des Bündnisses auf. Der Beitrag der Bundesrepublik zur konventionellen Verteidigung des Westens läßt sich selbstbewußt präsentieren. Es gilt jedoch, zu vermeiden, daß diese Lastenverteilungsdiskussion zu einem exklusiven Streitthema zwischen Bonn und Washington wird. Die NATO ist keine deutsch-amerikanische Veranstaltung. Alle Bündnispartner müssen ihren Beitrag leisten, wenn das Bündnis auch weiterhin allen Partnern Sicherheit bieten soll. Konventionalsierung bedeutet nicht völlige Denuklearisierung; vor allem darf sie nach Auffassung meiner Fraktion nicht den Verzicht auf die nukleare Ersteinsatzoption enthalten. Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Grundgesetz, in zahlreichen bilateralen und multilateralen Abkommen und in ihrer praktischen Politik eindeutig und un-umkehrbar dem Friedensgebot unterworfen. Ihre Außen- und Sicherheitspolitik im Rahmen des westlichen Bündnisses findet in der Bevölkerung eine überzeugende Mehrheit. Ich vermag nicht einzusehen, warum die Frage nach der Akzeptanz einer bestimmten Strategie immer nur in eine Richtung gestellt wird. Ich stelle die Gegenfrage: Wie steht es denn um die Akzeptanz solcher Ideen, die einseitige Abrüstung, sogenannte soziale Verteidigung o. ä. betreffen? Derartige Ansätze finden - davon bin ich überzeugt - in unserem Land keine Mehrheit. Sie würden auch von keinem unserer Bündnispartner akzeptiert, auf deren Solidarität wir angewiesen sind. Weder die Bewahrung des Status quo in Nachkriegseuropa noch seine Veränderung sind ohne oder gar gegen unsere Nachbarn, schon gar nicht ohne oder gar gegen die Weltmächte möglich. Wer etwas anderes sagt oder denkt, ist ein Provinzialist, der aus der deutschen Geschichte nichts gelernt hat. ({12}) Die Strategie des Bündnisses, die Strategie der Bundesrepublik ist in dem Anhörverfahren eindeutig bestätigt worden. ({13})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Scheer.

Dr. Hermann Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Fazit der Regierungsfraktionen aus der Anhörung des Verteidigungsausschusses über alternative Strategien lautet, zur offiziellen NATO-Strategie der „flexible response" hätten sich keine Alternativen ergeben. ({0}) Dieses Fazit entspricht jedoch nicht dem eigentlichen Inhalt der Anhörung. Offenbar haben sich die Regierungsfraktionen bei der Ausarbeitung ihres Antrags von dem Motto leiten lassen: Die Hunde bellen, und die Karawane zieht weiter. Aber in welchem Zustand befindet sich diese Karawane? ({1}) Tatsächlich haben wir es statt mit einer flexiblen Strategie allenfalls mit einem flexiblen Begriff zu tun, hinter dem sich eine schwammig gewordene Strategie verbirgt. Sie erlaubt sich den kostspieligen und gefährlichen Luxus, dafür nahezu alle verfügbaren militärischen Optionen und Waffen zu beanspruchen. Sie setzt keine durchdachten Schwerpunkte in der Streitkräfte- und Bewaffnungsstruktur. Sie gibt sich den Anschein innerer Stimmigkeit, während ihre Widersprüche zunehmen, Widersprüche, die teilweise von Anfang an vorhanden waren. Indem ich dies so sage, mache ich auch deutlich, daß die Erörterung dieser Strategieproblematik bei allen Parteien selbstkritisch und ohne vordergründige Polemik erfolgen soll. Jede Alternative zu einer Doktrin der massiven atomaren Vergeltung muß flexibel sein. Dieser Anforderung entsprechen auch die Alternativüberlegungen zur gegenwärtig gültigen NATO-Doktrin, aber die offizielle „flexible response" der Gegenwart ist die Abschreckungstriade. Dazu gehört zum einen die Ausgestaltung der konventionellen Stufe und der Stufen der sogenannten taktischen Atomwaffen sowie der strategischen Atomwaffen. Zum anderen stützt sie sich dennoch auf den Vorbehalt, auf konventionelle Angriffe des Warschauer Pakts notfalls mit einem atomaren Ersteinsatz auf unserem Territorium zu reagieren. Dies wurde von der Mehrheit unserer Bürger, wie uns Meinungsumfragen immer zeigten, zu keinem Zeitpunkt gebilligt, also nicht erst seit der Entfaltung der Friedensbewegung zu Beginn der 80er Jahre. Dies ist Ausdruck eines gesunden Menschenverstandes, dem die militärische Strategie in diesem Punkt bisher nicht gerecht wurde. Ihr fehlt insofern die Glaubwürdigkeit. Die Vereinigten Staaten konnten und können kein Interesse daran haben, von europäischem Boden aus in eine atomare Eskalation hineinzuschlittern. Zwar bemüht sich NATO-Oberbefehlshaber Rogers, die europäischen NATO-Verbände von einem atomaren Ersteinsatz unabhängiger zu machen, aber die von der NATO-Tagung in Montebello ausgehenden Beschlüsse bewirken trotz eines gewissen zahlenmäßigen Abbaus eine militärische Leistungssteigerung der taktischen Atomwaffen. Gleichzeitig findet inzwischen eine Massenproduktion von Neutronensprengköpfen für einen potentiellen Gebrauch in Europa statt. Durch einen sich eher verstärkenden Trend zu Waffenträgern, die - für den Warschauer Pakt ununterscheidbar - wahlweise mit konventionellen oder atomaren Sprengköpfen bestückt werden, wird die Schwelle zu einem Atomwaffeneinsatz eingeebnet statt wirklich angehoben. Nicht zuletzt durch neue atomare Mittelstreckenwaffen in Westeuropa und Air/LandBattle-Konzepte des amerikanischen Heeres werden die Übergänge zwischen den Stufen der NATOTriade fließender. Eine konventionelle Aufrüstung wäre in diesem Zusammenhang ein untauglicher Versuch, die noch offiziell geltende NATO-Doktrin zu untermauern. Denn es sind die Widersprüche auf und zwischen den einzelnen Stufen der Abschreckung, die eine grundlegende Überprüfung des Gesamtkonzepts erforderlich machen. Dieses Erfordernis ist um so aktueller, als die Begründungen der amerikanischen Regierung für SDI die „flexible response" mittlerweile programmatisch beerdigt haben, allerdings in einer vielfach hoch riskanten Richtung. Eine konventionelle Aufrüstung der NATO ist darüber hinaus nicht mit dem Argument eines konventionellen Gleichgewichts begründbar. Es sind ja Untersuchungen der US-Army durch das Budgetamt des amerikanischen Kongresses veröffentlicht worden, die bei einem qualitativen Kräfteausgleich in Friedenszeiten ein konventionelles Kräfteverhältnis lediglich von 1 : 1,2 zwischen NATO und Warschauer Pakt in Europa errechnen. Der Sachverständige Unterseher hat dies bei den Anhörungen herausgearbeitet, und das blieb unwidersprochen. Überdies ist es gesicherte Erkenntnis, daß das sowjetische Mobilmachungssystem schlechter funktioniert als das der relevanten NATO-Staaten. ({2}) So überprüfungsbedürftig die NATO-Doktrin ist, so wenig können wir auch bei der Bundeswehr selbst alles beim alten lassen. Die Bundeswehr ist auf Verteidung ausgerichtet. Aber sie verfügt teilweise über eine Mehrzweckstruktur, die eine Uminterpretation zu einer Angriffskonzeption theoretisch erlaubt. Eine Fortschreibung des Bewaffnungskonzepts wird die finanziellen Spielräume für alle anderen Politikfelder in unverantwortlicher Weise einengen und zur Selbststrangulierung unseres sozialstaatlichen Gemeinwesens führen. Schließlich ist die weitere immense Konzentration von Truppen und Waffen sicherheitspolitisch bedenklich, z. B. die kostspieligen Tornados auf grundsätzlich nicht hinreichend schützbaren Basen; denn dies schafft Scheunentore der Verwundbarkeit. Die „flexible response" befindet sich also in Auflösungserscheinungen. Immer offenkundiger wird für uns das Erfordernis, nicht den weiteren Ausbau zu betreiben, sondern einen Umbau der Doktrin und der Streitkräftestrukturen vorzunehmen, einen Umbau, der die Widersprüche besser überwindet und die weitere Zerfaserung verhindert, die im Bündnis allmählich zu Lasten aller Beteiligten geht und zugleich die entspannungspolitischen Grundlagen zersetzt. Es ist vor allem die Alternativdiskussion, die sich mit diesem Umbau beschäftigt. Alternative Vorschläge sind mittlerweile so präzise durchgearbeitet, daß es möglich ist, die Spreu vom Weizen zu trennen. Manche sind präziser durchgearbeitet als der Bundeswehrplan, weshalb durchaus der Vorwurf zu erheben ist, daß sie vom Verteidigungsminister verworfen werden, ohne daß man das Gefühl hat, daß man sich ernstlich damit beschäftigt hat. Es gibt im wesentlichen vier Vorwürfe, die diesen Alternativen entgegengehalten werden. Der erste Vorwurf lautet, sie seien im Bündnis nicht vermittlungsfähig. Das trifft bei einigen Alternativvorschlägen zu, manche sind aber sogar besser geeignet, Integration zu ermöglichen. Der zweite Vorwurf besagt, die Alternativkonzepte gewährleisteten keine Vorneverteidigung und würden Raumverluste freigeben. Auch dies trifft nur bei einem Teil zu. Andere Konzepte weisen jedoch nach, daß die Vorneverteidigung zu geringeren Kosten durchgeführt und besser organisiert werden könnte. Der dritte Vorwurf ist: Die alternativen Überlegungen behandeln lediglich den Ausschnitt der Landstreitkräfte. Auch dies stimmt nur teilweise. Der vierte Vorwurf lautet, die Alternativvorschläge seien Kriegsführungskonzepte, wo es doch um Abschreckung zur Kriegsverhinderung geht. Dem ist entgegenzuhalten, daß wir es gerade bei Air/Land-Battle- und FOFA-Überlegungen mit einem Trend zu Kriegsführungskonzepten zu tun haben, ({3}) während sich Alternativüberlegungen mit Durchführungskonzepten zu einer tatsächlich glaubwürdigen Abschreckung beschäftigen. ({4}) Ich sehe im Bereich der aktuellen Überlegungen zur konventionellen Verteidigung den wesentlichen Unterschied zwischen den Überlegungen der NATO einerseits und Alternativüberlegungen andererseits darin, daß die NATO die Elemente der Vorneverteidigung mit Elementen einer Vorwärtsverteidigung und mit neuen Elementen zu kombinieren versucht, die zwangsläufig, selbst wenn es ungewollt ist, auch den Charakter von Angriffswaffen haben. Demgegenüber versuchen alternative Strategien, die Vorneverteidigung mit Elementen einer Raumverteidigung zu verknüpfen, so daß der Verteidigungszweck eindeutiger wird und geeignete Prioritäten gesetzt werden können. Ein Umbau der Doktrin und der Streitkräftestruktur kann dabei allerdings nicht als ein totaler Umbruch verstanden und versucht werden. Vielmehr muß eine alternative Strategie bei jedem Weg, den man einschlägt, auf eine reformerische Veränderung der bestehenden Strukturen hinwirken. Alles andere wird nicht realisierbar sein. Wir appellieren deshalb an alle Fraktionen, die Anhörungen des Verteidigungsausschusses als Beginn und nicht als Abschluß einer Debatte zu betrachten. Im Tätigkeitsbericht der CDU/CSU für den CDUBundesparteitag im März dieses Jahres heißt es - ich zitiere-: Auf Initiative der Fraktion wurde die Anhörung von Sachverständigen zu alternativen Strategien ({5}) entgegen den Absichten der SPD ({6}) mit gebotener Sorgfalt und Ausführlichkeit durchgeführt. ({7}) Ich will hier nicht das Geburtsrecht der SPD in Anspruch nehmen, dieses Hearing beantragt zu haben. Das ist nicht wesentlich. Aber wenn die gebotene Sorgfalt und Ausführlichkeit bei der CDU beachtet wird, wenn das kein Kalauer sein soll, dann muß mindest erwartet werden, daß die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen zur Kenntnis nehmen, was alle Sachverständigen, auch die von der Union benannten, empfohlen haben: die Beseitigung der chemischen Waffenpotentiale in der Bundesrepublik auch unabhängig vom Ergebnis einer weltweiten Achtung chemischer Waffen. Sie haben auch die Entfernung atomarer Gefechtsfeldwaffen, zumindest aus dem Bereich der Vorneverteidigung, ({8}) und die klare Trennung und Unterscheidung von konventionellen und atomaren Waffenträgern empfohlen, was für die Rüstungskontrolle und die Selbstsicherheit von erheblicher Bedeutung ist. Noch ist es nicht so, daß eine Partei über ein geschlossenes neues Konzept verfügt. Die SPD arbeitet daran, und es wird auch noch eine Weile dauern, bis man sich zu einem konsistenten Konzept vorgearbeitet hat. Wir fordern auch die Union auf, sich einer solchen Debatte zu stellen und sie nicht nur Kollegen wie Biedenkopf, der - leider - nicht im Bundestag ist, allein zu überlassen. ({9}) Ich möchte zum Schluß einige Eckpunkte einer neuen Strategie hervorheben, die sich für mich aus den Anhörungen ergeben. Erster Punkt. Atomwaffen müssen aus dem Bereich potentieller konventioneller Kampfhandlungen abgezogen werden, um die Selbstgefährdung und die Unglaubwürdigkeit der noch geltenden Doktrin zu überwinden. ({10}) Allein damit ist der politische Abschreckungscharakter der Atomwaffen sicherzustellen und kann dem Trend zu atomaren Kriegsführungswaffen entgegengewirkt werden. Solange es atomare Abschreckung gibt - worüber wir nicht befinden können -, müssen Atomwaffen so gesichert und zurückgehalten werden, daß sie grundsätzlich nicht mit konventionellen Truppen vermischt sind und auch nicht durch Truppen des Warschauer Paktes überlaufen werden können. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet dies eine Verlagerung - die sicherlich nicht in einem Schritt erfolgen kann - atomarer Abschreckungswaffen in Westeuropa auf das Meer. Die Ankoppelung Westeuropas an die atomare Abschreckung müßte dann so gewährleistet werden, daß diese Aufgabe für die westeuropäische Verteidigung von den beiden westeuropäischen Atommächten mit übernommen wird. So schwierig dies ist, so notwendig ist eine solche Perspektive, wenn wir ernsthaft von einer gemeinsamen westeuropäischen Verteidigung sprechen wollen. Zweitens. Die Vorneverteidigung sollte durch eine tiefengestaffelte Raumverteilung ergänzt werden. Gleichzeitig sollten die Mehrzweckverbände im Bereich der Vorneverteidigung umgebaut und auf die Aufgabe konzentriert werden, die Vorneverteidigung haltefähig gegenüber einem konventionellen Angriff zu machen. Es geht um konventionelle Umrüstung statt Runderneuerung oder konventioneller Aufrüstung. Die verbesserte Vorneverteidigung bedarf geradezu defensiv spezialisierter Verbände mit tiefer Staffelung, weil sie gefährdet ist, wenn hinter ihr ein Vakuum besteht. Drittens. Die Bundeswehr, die künftig zwangsläufig mit verringerter Präsenzstärke ausgestattet sein wird, muß sich deshalb verstärkt um eine praxisnähere Reservistenrekrutierung bemühen. Die unumgängliche Kaderung eines Teils der Verbände sollte dabei nicht im Bereich der Vorneverteidigung, sondern bei den Raumverteidigungsverbänden erfolgen. Viertens. Die Bundesmarine muß sich auf ihre Aufgabe in der Ostseeverteidigung konzentrieren und sollte die Verteidigung in den Nordmeeren der Arbeitsteilung im Bündnis überlassen. Die radikalsten und dringlichsten Reformschritte sind jedoch bei der Luftwaffe erforderlich. Hier liegen die größten Entwicklungsrisiken, längsten Planungszeiten, die größten Kostenexplosionen, höchsten Folgekosten, zeitkritischsten Eskalationsrisiken und nicht zuletzt die größten Gefahren für eine Mißtrauensbildung gegenüber dem Warschauer Pakt. Gerade in der Luftverteidigung ist eine verstärkte westeuropäische Arbeitsteilung erforderlich. Fünftens. Allein die Entwicklung einer alternativen Verteidigungsperspektive mit solchen Grobstrukturen kann das Bündnis stabilisieren. Die Engpässe und Sackgassen einer Fortschreibung der vorhandenen Streitkräftestrukturen gibt es nicht nur bei uns, sondern bei allen NATO-Partnern. Jeder setzt gegenwärtig seine eigenen, nicht koordinierten Prioritäten. ({11}) Großbritannien steht vor der Gretchenfrage, ob die Weiterführung seines maritimen Verteidigungsbeitrages und des Trident-Programm die ungeschmälerte Aufrechterhaltung der Rheinarmee erlaubt. Frankreich verstärkt den Ausbau der Force de frappe zu Lasten der konventionellen Streitkräfte. Belgien und die Niederlande tendieren zu einer Reduzierung, zumindest einer Rückverlegung ihrer konventionellen Verbände in der Bundesrepublik. In Amerika ist damit zu rechnen, daß Mehrkosten für SDI durch Einsparungen bei konventionellen Truppen in Europa ausgeglichen werden. Kein westeuropäisches Land kann sich eine Vollinstrumentierung seiner Teilstreitkräfte leisten. Zur vertrauensvollen Zusammenarbeit im Bündnis gehört die arbeitsteilige Spezialisierung der Mitgliedsländer für ein gemeinsames Verteidigungskonzept. ({12}) Eine Vollausstattung aller Teilstreitkräfte der Bundeswehr ist nicht nur falsch und unbezahlbar, sondern ist auch Ausdruck mangelnden Vertrauens in die Möglichkeit einer besseren Arbeitsteilung im Bündnis. Die Ziele einer Verteidigungspolitik liegen in der Kriegsverhütung und dabei in der Verringerung konventioneller und atomarer Kriegsgefahr, in der Gewährleistung von Krisenstabilität und in der Fähigkeit zur Eindämmung von Eskalation. Sie sind deshalb untrennbar mit einer Politik der Entspannung und der Rüstungskontrolle verknüpft. Dazu brauchen wir haltefähige konventionelle Streitkräfte - wobei Atomwaffen als Nothelfer für konventionelle Verbände unnötig sind -, die der Gegenseite möglichst keine empfindlichen Schwerpunktziele für atomare und konventionelle Waffen bieten und die unter veränderten politischen Zielsetzungen nicht zu einem Angriffskonzept umfunktioniert werden können. Parallel dazu brauchen wir westeuropäische Rüstungskontrollinitiativen, die sich auf Europa insgesamt beziehen. Dazu sind Reformen nötig, die nicht allein von Rüstungskontrollverhandlungen abhängig gemacht werden dürfen. Es gibt eine notwendige Rüstungskontrolle zwischen Ost und West. Sie wird aber zunehmend durch die innere Rüstungsdynamik in Ost und West erschwert. Rüstungskontrolle muß zunächst einmal bei uns selbst funktionieren und ist zuallererst eine Frage, die wir in eigener Verantwortung mit selbständigen Maßnahmen unserer Seite beantworten müssen, damit nicht immer erneut eine Eskalation auf dem Gebiet der Rüstung betrieben wird, die immer mehr der politischen Kontrolle entgleitet und die immer mühsamer nur durch internationale Rüstungskontrolle eingefangen werden kann. Dazu, aber auch zur Einsparung von Kosten haben alternative Strategievorschläge einen wesentlichen Beitrag geleistet. Prüfen wir sie, setzen wir das Sinnvolle um! Wir sind es uns selbst, der Bundeswehr, dem Bündnis und der Sicherung des Friedens schuldig. Vielen Dank. ({13})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger.

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte zwei Vorbemerkungen für notwendig. Erstens. Wir sprechen nicht nur über das Hearing zu alternativen Strategien. Ich glaube vielmehr, wir müssen etwas mehr Aktualität - auch jüngste Entwicklungen - einbeziehen. Dies gilt um so mehr, als der Kollege Dr. Scheer soeben ein Bild der NATO gezeichnet hat, das mit der tatsächlichen Situation überhaupt nicht in Einklang steht. ({0}) Anscheinend hat der Kollege Scheer die Ergebnisse der Konferenz von Lissabon nicht zur Kenntnis genommen. Zweitens. Ich glaube, daß es neben der notwendigen Erörterung alternativer Strategien darauf ankommen wird, die Fragen, die damit aufgeworfen sind, nicht nur militärtechnologisch, sondern im Grundsatz auch politisch zu behandeln. Insofern ist es meiner Meinung nach nur konsequent, wenn sich die FDP dafür eingesetzt hat, daß in die Entschließung, die heute debattiert wird, der Satz aufgenommen wurde: Militärische Anstrengungen alleine vermögen den Frieden aber nicht zu sichern. Bemühungen um Entspannung und Rüstungskontrolle müssen als gleichwertiges Element hinzutreten. ({1}) - Okay, um so besser. Hoffentlich sagen Sie das an allen Stellen meiner Ausführungen genauso, Herr Kollege Horn. ({2}) Dieses Prinzip und Fragen der Bündnisstrategie haben tatsächlich die Lissaboner Konferenz vom 6. /7. Juni 1985 beherrscht. Diese Konferenz bildet daher auch den Hintergrund für meine Darlegungen zur Frage alternativer Strategien. Diese Konferenz, Herr Kollege Dr. Scheer, hat noch einmal die Grundsätze der letztjährigen Washingtoner Erklärung bestätigt und bekräftigt und hat damit den wesentlichen Inhalt des Harmel-Berichts vom Dezember 1967 aufgenommen, der Grundlage unserer Bündnispolitik und -strategie ist und bleibt. Diese Grundsätze sind, politische Solidarität und die für die Verteidigung notwendige militärische Stärke aufrechtzuerhalten und auf dieser Grundlage auf allen Gebieten nach echter Entspannung durch konstruktiven Dialog und breit angelegte Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und jedem osteuropäischen Staat zu streben. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich gestatte.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Ronneburger. - Nachdem Sie Lissabon mehrere Male beschworen haben: Können Sie mir erklären, weshalb ausgerechnet in Lissabon genau über SDI keine Aussage kam? Sicherlich wohl deswegen, weil man hier keine Einigung erreichen konnte.

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, Herr Kollege Horn, das hat einen völlig anderen Grund: weil die bisherigen Erkenntisse und Informationen über SDI für die europäischen Partner überhaupt noch keine Grundlage für eine aktuelle Entscheidung bieten. Ich werde darauf im Laufe meiner Ausführungen noch zurückkommen. ({0}) Wir werden darüber weiter reden und weiter fragen müssen. Nur, Herr Kollege Horn, ich sage Ihnen eines. Es gibt im Augenblick wahrscheinlich zwei falsche Entscheidungen. Das eine ist das absolute und unabdingbare Nein zu all dem, was die Vereinigten Staaten tun. Das andere wäre nach meiner Überzeugung das vorbehaltlose Ja zu den Plänen, die in den Vereinigten Staaten Gegenstand dieses Forschungsprojektes sein werden. Das Kommuniqué von Lissabon stellt fest, daß es uns nicht um militärische Überlegenheit geht. Es wiederholt damit die Bonner Erklärung der Staats-und Regierungschefs vom 9./10. Juni 1982 mit der Feststellung - die immer wiederholt und von uns immer wieder ausgesprochen werden muß -, daß keine unserer Waffen je eingesetzt werden wird, es sei denn, als Antwort auf einen Angriff. Deswegen halte ich es auch für wichtig, die Erklärung von Lissabon hervorzuheben: „Unsere Abschreckungsstrategie hat sich bei der Wahrung des Friedens bewährt. Sie bleibt uneingeschränkt gültig. Sie dient dem Zweck, Krieg zu verhindern und uns zu befähigen, Einschüchterungsversuchen zu widerstehen." Wir haben in dem Entwurf des Verteidigungsausschusses für die heutige Debatte und Entscheidung im Grunde genommen das mit klaren Sätzen bereits vorweggenommen. Es heißt dort: Die Politik der Abschreckung verfolgt zwei Ziele: Die Kriegsverhütung und die Freiheit der Eigenentwicklung. Jetzt kommt ein außerordentlich wichtiger Satz, der den politischen Hintergrund dieser ganzen Entscheidungen deutlich macht: Sie bewahrt das NATO-Bündnis vor einer Situation, in der es nur noch zwischen militärischer Konfrontation und politischer Unterwerfung wählen kann. Dies begründet auch ihre ethisch-moralische Legitimation. Ich meine, dies darf bei allem, worüber wir uns heute unterhalten, nicht aus den Augen verloren werden. Ich meine daher, daß es Aufgabe der Sicherheitspolitik europäischer Staaten sein muß, jeden Krieg, gleich welcher Art, auf unserem KontiRonneburger nent zu verhindern. Unter den gegebenen Umständen der Teilung Europas und der hegemonialen Politik der beherrschenden Landmacht im Osten können wir unsere Sicherheit nicht auf uns allein gestellt gewährleisten. ({1}) Diese Erkenntnis hat die Bundesrepublik Deutschland vor dreißig Jahren in das Verteidigungsbündnis freier demokratischer Staaten Europas und Nordamerikas geführt. Frieden und Freiheit, meine Damen und Herren, finden wir nicht außerhalb der Nordatlantischen Allianz. Ich glaube, daß das die Menschen in unserem Lande auch sehr wohl wissen. In ihrer großen Mehrheit schätzen sie den für unsere Sicherheit unersetzlichen Wert der NATO und die enge Verbundenheit mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Unser Platz liegt nicht in einer imaginären Äquidistanz zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. ({2}) Zwischen zwei Stühlen gibt es keinen Halt. - Ich bin dankbar für jede Art von Zustimmung, Herr Kollege Horn. - Sicherheit ist ohne Zuverlässigkeit nicht zu haben. Wir dürfen nicht den leisesten Zweifel daran aufkommen lassen, daß wir uns der gemeinsamen, im Bündnis entwickelten Verteidigungsstrategie verpflichtet fühlen. Sie ist dem Ziel unserer Sicherheitspolitik, der Kriegsverhütung, zugeordnet. Sie hat in ihren verschiedenen, den politischen und militärischen Gegebenheiten angepaßten Ausgestaltungen einen wesentlichen Beitrag zur Friedenserhaltung in Europa seit über 35 Jahren geleistet. Eine Strategie, die die Aufgabe der Kriegsverhinderung erfolgreich erfüllt, ist weder überholt noch unmoralisch. Alle Vorschläge zur Veränderung dieser Strategie müssen daran gemessen werden, ob sie der Verhinderung jedes Krieges in Europa besser dienen. Daran zu erinnern, meine Damen und Herren, ist heute besonders wichtig, wo eben zahlreiche Alternativen zur Bündnisstrategie angeboten werden. Bei Überprüfung dieser Strategien - der Verteidigungsausschuß hat dies intensiv getan - müssen Überlegungen zur europäischen Sicherheit an erster Stelle stehen. Reden zum 8. Mai 1985 haben uns noch einmal mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt: Europa darf nie wieder Ausgangspunkt oder Austragungsort eines Krieges sein. Daher gilt es - ich sage es noch einmal -, in Europa jeden Krieg zu vermeiden. Dieses ist Hauptkriterium jeder politischen Überlegung, die in der Bundesrepublik Deutschland angestellt werden kann und muß. Unter diesen Gesichtspunkten muß zu den bei der Anhörung diskutierten Alternativen festgestellt werden: Sie wollen - dies ist hoch ehrenwert - die nukleare Zerstörung verhindern, durch rein defensive Struktur und Bewaffnung abrüstungs- und entspannungsfördernd wirken und durch beides die Akzeptanz und psychologische Unterstützung der Landesverteidigung durch die Bevölkerung stärken. Vor dem Hintergrund dieser so wichtigen und einleuchtenden Ziele fällt es nicht leicht, dennoch die Bilanz zu ziehen, daß die bisher vorgestellten alternativen Strategiemodelle unsere Sicherheit eher mindern als erhöhen, ({3}) weil sie im Bestreben, die nukleare Eskalation zu vermeiden, Kriegsverhütung vernachlässigen und damit nicht berücksichtigen, daß auch ein rein konventionell geführter Krieg zur völligen Zerstörung unseres Landes führen kann, weil sie durch Raumverteidigung - auch, Herr Kollege Scheer, wenn diese gelegentlich mit Elementen der Vorneverteidigung kombiniert ist - diese Gefahr noch verstärken, weil sie die personellen und finanziellen Möglichkeiten des Bündnisses überschätzen, weil sie unser Land in Zonen verschiedener Sicherheit aufteilen und weil sie nach meiner Überzeugung deshalb von der Bevölkerung noch weniger akzeptiert werden dürften. Hierüber gibt es eine sehr interessante Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts, herausgegeben von Carl Friedrich von Weizsäcker, um auch hier jeden Zweifel auszuräumen. ({4}) Aus allen genannten Gründen und nicht zuletzt auch deshalb, weil sie nicht in der Lage sind, Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit auf allen Ebenen zu gewährleisten, sondern Risiken für einen möglichen Angreifer mindern, statt die Abschreckung zu erhöhen, ist diese Einschätzung angebracht. Ich sage dies übrigens auch in völliger Übereinstimmung mit dem Grafen Baudissin. Mittelstreckenwaffen in Westeuropa und Neutronenwaffen, Herr Kollege Scheer, haben Sie hier genannt. Wenn Sie schon von Mittelstreckenwaffen sprechen, warum sprechen Sie nicht auch von SS 20? Wenn Sie von Neutronenwaffen sprechen, warum sprechen Sie nicht davon, daß im Bündnis der NATO keine Waffe je in Europa eingesetzt werden wird ohne die Zustimmung der Europäer zu einer solchen Waffe? Derjenige, der im Pentagon Gespräche über solche Fragen geführt hat, wird mir hier nur zugeben können, daß die Amerikaner nicht die Absicht haben, unter gar keinen Umständen die Absicht haben, hier Waffen einzusetzen, die von uns abgelehnt werden. ({5}) Dennoch halte ich es für notwendig, über Strategien weiter nachzudenken. Man darf selbstverständlich alternative Strategien nicht tabuisieren. Die Suche nach anderen Lösungen, die verbesserte Möglichkeiten der Schadensbegrenzung und höhere Akzeptanz durch die Bevölkerung bei gleicher Fähigkeit zur Kriegsverhütung wie die geltende Strategie bieten, muß selbstverständlich fortgesetzt werden Zur Zeit aber ist es meine Überzeugung, daß nur die geltende NATO-Strategie, auch durch Androhung der nuklearen Eskalation, Ausbruch oder gar Fortführung kriegerischer Handlungen verhindern kann, daß nur diese NATO-Strategie auch einem begrenzten Angriff den Erfolg verwehren, grenznahe Verteidigung und damit Schadensbegrenzung gewährleisten und so im Frieden Einschüchterung, Erpressung und eine Gefährdung unserer freien Selbstbestimmung verhindern kann. Es geht also - ich sage dies noch einmal mit allem Nachdruck - in erster Linie um politische Ziele, nicht um militärische. Es geht nicht darum, einen Krieg erfolgreich zu führen, sondern es geht darum, den Ausbruch eines jeden Krieges zu verhindern. ({6}) Daß die Bündnisstrategie diese Fähigkeiten aufweist, wissen wir aus den Erfahrungen der letzten 35 Jahre. Ich will das hier im einzelnen nicht noch einmal ausführen. Diese Erkenntnis und die Tatsache, daß auf absehbare Zeit keine Destabilisierung und damit keine Friedensgefährdung aus diesem System zu erwarten sind - Herr Kollege Francke hat zu Recht darauf hingewiesen: Auch die Sowjetunion will keinen Krieg und kann keinen Krieg wollen -, müssen wir gemeinsam mit der Darstellung der politischen und militärischen Bedrohung durch die Sowjetunion und des defensiven Charakters unseres Bündnisses ins Zentrum einer weiter zu intensivierenden sicherheitspolitischen Öffentlichkeitsarbeit stellen. Das gilt auch - dies zu den jüngsten aktuellen Entwicklungen gesagt - für die Prüfung von SDI, die man bei den heutigen Erwägungen ja wohl nicht außer acht lassen kann. Der Bundessicherheitsrat hat dazu einen sehr klaren und eindeutigen Beschluß gefaßt, dessen entscheidende Sätze ich hier zitiere: Das oberste Ziel der Strategie des Bündnisses ist und bleibt die Kriegsverhinderung, und zwar sowohl die Verhinderung eines atomaren wie eines konventionellen Krieges. Es darf nichts geschehen, was dieses hohe moralische Ziel gefährden könnte. Es ist Sinn der Politik des Bündnisses, daß Kriege in Europa nicht wieder führbar werden. Deshalb muß die Bündnisstrategie der flexiblen Reaktion unangetastet bleiben, solange das Ziel der Kriegsverhinderung nicht auf andere Weise wirksamer erreicht werden kann. Ich halte es für notwendig, dies angesichts einer öffentlichen Diskussion festzuhalten, in der sich die Verfechter alternativer Strategien in unserem Lande auf das zu berufen beginnen, was jenseits des Atlantiks als Vision einer fernen Zukunft auf dem Gebiet strategischer Verteidigung dargeboten wird. Die Bedrohung durch die konventionelle Überlegenheit der Sowjetunion in Europa und durch die nuklearen Kurz- und Mittelstreckenwaffen, die auf uns gerichtet sind, das Modell einer Sicherheitspolitik, die auf stabile Beziehungen zwischen West und Ost in Europa abzielt, das sind die Fragen, auf die der Bürger in unserem Land eine Antwort fordern kann. Es gilt, die öffentliche Diskussion in diesem Punkt zu versachlichen und wieder auf unsere eigentliche Interessenlage zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund aber gibt es zahlreiche Fragen an SDI. Ich nenne hier nur einige wenige. Wie kann das fortdauernde konventionelle Übergewicht der Sowjetunion ausgeglichen werden? Welches relative und absolute Gewicht hat die Bedrohung durch nukleare Waffen unterhalb der SDI-Ebene, z. B. nukleare Waffen kurzer und mittlerer Reichweite, aber auch Cruise Missiles? ({7}) Wird es etwa im Zuge der Entwicklung von SDI Zonen, Regionen unterschiedlicher Sicherheit im Bündnis geben? ({8}) Werden SDI-Kosten nicht Verbesserungen konventioneller Verteidigungsfähigkeit unmöglich machen? ({9}) Ein Großteil dieser Fragen kann jetzt nicht beantwortet werden, Herr Kollege Horn. ({10}) Wir müssen uns ihnen aber stellen, sowohl auf nationaler Ebene als auch in den Bündniskonsultationen. Auch hierzu hat in Lissabon eine intensive Aussprache mit dem Ergebnis weitgehender Obereinstimmung zwischen den Bündnispartnern stattgefunden. Ich halte es für besonders wichtig, daß der Außenminister der Vereinigten Staaten klargestellt hat, die Vereinigten Staaten sähen eine Beteiligung am SDI-Forschungsprojekt als Gegenstand nationaler Entscheidung der angesprochenen Staaten und nicht als Bündnisfrage an. ({11}) Er führte weiter aus, daß Entscheidungen auf Grund des Forschungsprogramms jetzt und in absehbarer Zeit noch nicht anstünden. Sollten die Forschungen die Möglichkeit der Entwicklung eines Raketenabwehrsystems ergeben, so seien diese Entscheidungen durch Konsultationen im Bündnis vorzubereiten. Er stellte fest, daß die USA in diesem und in jedem anderen Falle eine kooperative Lösung anstrebten. Von besonderer Bedeutung gerade auch im Zusammenhang mit SDI: Unsere Verteidigung ist auf Solidarität aller Partner angewiesen. Verteidigungslasten und -risiken im konventionellen wie im nuklearen Bereich müssen gemeinsam getragen werden. Strategiefragen müssen im Blick auf das Sicherheitsinteresse des ganzen Bündnisses miteinander ausdiskutiert werden; sonst nimmt das ganze Bündnis Schaden. Auch darüber herrschte in Lissabon Einigkeit. Weder Europäer noch Nordamerikaner können sich von dieser Pflicht zur Solidarität ausschließen, sollen nicht das Bündnis und damit letztlich die Sicherheit aller Schaden nehmen. Weder Westeuropa noch Nordamerika können aus dem nuklearen Kräfteverhältnis aussteigen. Auch darüber bestand in Lissabon Übereinstimmung. Im Kommuniqué ist festgestellt, daß die Sicherheit der nordamerikanischen und der europäischen Bündnispartner unteilbar ist und das der Zusammenhalt des Bündnisses durch fortlaufende Konsultationen über die Fragen gemeinsamen Interesses und gemeinsamer Sicherheit gewährleistet wird. Das heißt nach allem, was ich bisher versucht habe auszuführen: Die gültige Strategie der NATO ist bis jetzt ohne Alternative. Aber ständige Fortentwicklung und Verbesserung ihrer Implementierungsmöglichkeiten sind dringend erforderlich. Wir haben ja in der NATO in der Vergangenheit bewiesen, daß solche Fortentwicklungen möglich sind. Ich erinnere an den Übergang von der massiven Vergeltung zur Friedensbewahrung durch die Strategie der flexiblen Erwiderung; Nordatlantikrat vom 14. Dezember 1967. Aber eine nüchterne Analyse ergibt: Der Übergang, der damals eingeleitet wurde, ist sicherlich noch nicht vollkommen vollzogen. Flexibilität der Antwort ist wohl auch heute noch nicht ausreichend. Hier liegt die Hauptaufgabe bei der Verbesserung der derzeitigen Strategie. Vor allem für die Minderung der nuklearen Abhängigkeit ist es dringend erforderlich, über Fragen der konventionellen Verteidigung und ihres Ausbaus nachzudenken und entweder bei Haushaltsberatungen oder bei Personalentscheidungen der Bundeswehr jene Mittel an die Hand zu geben, die sie braucht, um wirklich konventionelle Verteidigung in einem Maße sicherzustellen, das ihrer Aufgabe entspricht. Darauf hat die Bundeswehr auch einen Anspruch, wenn wir den Soldaten in der Bundeswehr gerecht werden wollen. ({12}) Sicherlich gibt es neue Möglichkeiten für einen wirksameren konventionellen Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik Deutschland. Dafür haben wir in diesem Hause schon seit langem Vorschläge vorgelegt. Ich will die Einzelheiten nicht wiederholen, aber noch einmal auf die große Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit in allen anstehenden Strategie- und Rüstungsfragen hinweisen. Von großer Bedeutung scheint mir dabei die Wiederbelebung der WEU zu sein. Es ist erfreulich, daß die Westeuropäische Union ein erfolgreiches Jahr hinter sich hat. Bisherige Tagungen brachten positive Ergebnisse, u. a. als äußeres Zeichen für ihre Wieder- oder Neubelebung die Schaffung von drei Agenturen für Sicherheitsfragen, die ihre Aufgabe hoffentlich positiv erfüllen werden - das auch vor dem Hintergrund reicher Erfahrungen - überwiegend guter Erfahrungen - der Westeuropäer, aber auch von Punkten, die Bedenken dagegen aufkommen lassen, ob eigentlich die europäische Technologiegemeinschaft wirklich schon in Sicht ist. Meine Damen und Herren, Lissabon fand in einer Zeit notwendiger Fortschritte im Bereich der Entspannungspolitik statt. Der KSZE-Prozeß hat sich bewährt, aber er muß verstärkt werden. Ich meine, die Entspannungspolitik muß fortgesetzt werden mit neuen Impulsen, mit neuen Ideen auf der Grundlage neuer Felder gemeinsamen Interesses. Eine neue Entspannungspolitik braucht es nicht zu geben; denn die alte hat sich nicht nur bewährt, sie ist auch fortgeführt worden. Es ist gut, daß auch hierüber die Minister bei der Lissaboner Tagung Einigkeit hergestellt haben. Hier sind die westlichen Demokratien, die die Hoffnung für viele Menschen in der Welt symbolisieren, aufgerufen, gemeinsam ein Konzept der Zukunftsgestaltung zu entwerfen. Das West-Ost-Verhältnis ist nicht Angelegenheit der Weltmächte allein. Präsident Reagan hat die wichtige europäische Rolle in seiner Straßburger Rede vom 8. Mai 1985 gewürdigt. Auch Generalsekretär Gorbatschow hat die Rolle der kleinen und mittleren Staaten und die Notwendigkeit einer breiten Entwicklung des West-Ost-Verhältnisses anerkannt. Die Europäer haben in den zurückliegenden zwei Jahren weitgehender Sprachlosigkeit zwischen den Großmächten dafür gesorgt, daß das Gespräch zwischen West und Ost nicht abgerissen ist. Damit hat die KSZE in den letzten Jahren ihre Bewährungsprobe als solider Rahmen, ja als Sicherheitsnetz für die multilateralen West-Ost-Begegnungen, aber auch als Berufungsgrundlage für die Pflege bilateraler Beziehungen in einer spannungsreichen Zeit bestanden. Wir haben alle Veranlassung, auf dieser Basis weiterzuarbeiten und uns nüchtern und sachlich über Möglichkeiten, Risiken und Chancen einer gemeinsamen Politik mit unseren Partnern zu verständigen, und dies vor dem Hintergrund einer Zusammenarbeit auch mit dem Osten auf der Suche danach, Entspannung herbeizuführen, Eskalation von Spannungen zu verhindern und damit insgesamt den Frieden sicherer zu machen. ({13})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Vogt ({0}).

Roland Vogt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002383, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits zehn Minuten nach Eröffnung des Bundestagshearings „Alternative Verteidigungsstrategien" war aus dem Mund des Verteidigungsministers ein Satz zu hören, der geeignet war, jede Hoffnung auf einen offenen Diskurs im Keim zu ersticken - ich zitiere -: Zur Abschreckung - behauptete Manfred Wörner gibt es derzeit und in absehbarer Zeit keine Alternative. ({0}) Das war am 24. Oktober 1983, einen Monat vor der Abstimmung im Deutschen Bundestag über die Vogt ({1}) Stationierung der NATO-„Nachrüstungs"raketen. Die eigentliche Expertenanhörung begann am 28. November 1983, also nachdem sich durch das Abstimmungsverhalten von SPD und GRÜNEN offenbart hatte, daß der über Jahrzehnte gepflegte nationale Konsens in der Verteidigungsdebatte zerbrochen war. Der Kollege Francke hatte ja schon darauf hingewiesen. Zeitweise konnte man in der sich über vier Monate erstreckenden Expertenanhörung den Eindruck gewinnen, sie habe auch der Suche nach einem neuen nationalen Konsens in der Verteidigungsfrage oder zumindest dem parlamentarischen Einstieg in diese Suche gegolten. Der nun vorliegende Bericht des Verteidigungsausschusses sowie der Änderungsantrag der SPD zeigen, daß sich die defense community - also die hier versammelte Verteidigungsgemeinde - um die Wiederherstellung des Konsenses bemüht. Das Ergebnis ist aber alles andere als überzeugend. Das hängt im wesentlichen damit zusammen, daß die zwischen Friedensbewegung und Regierung einerseits sowie zwischen Bundesregierung und US-Administration andererseits strittigen Fragen nicht ausdiskutiert worden sind, daß Gegensätze geleugnet oder immer noch verkleistert werden. Die Bundesregierung und die Ausschußmehrheit der Koalition klammern sich an alte Formeln. Die SPD versucht, neuen Entwicklungen nur halbherzig gerecht zu werden, sie wagt noch nicht, einen neuen Standpunkt „jenseits von Abschreckung" einzunehmen. Der Friedensbewegung und den GRÜNEN ist es noch nicht gelungen, die notwendige Alternative zur Abschreckung so auszuformulieren, daß sie unter den gegenwärtigen Bedingungen politisch instrumentell handhabbar und übernehmbar wäre. Würde der Bundestag der Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses folgen, dann täte er das nach der Devise: Wer die Mehrheit hat, hat die Wahrheit. Das Parlament schlösse sich dann der schon in seinem Eingangsstatement angelegten ängstlichen Tabuisierungsstrategie des Verteidigungsministers an, verarbeitete aber nicht wirklich die Ergebnisse der Expertenanhörung. Dies gilt vor allem für die Ziffer 1 der Drucksache 10/3074, wo es heißt: Der Deutsche Bundestag stellt fest: Die Anhörung des Verteidigungsausschusses zu „Alternativen Strategien" hat eindeutig und überzeugend ergeben, daß es zur gültigen NATO-Strategie der flexiblen Antwort derzeit keine Alternative gibt. „Flexible response" ist bekanntlich die seit 1967 gültige Variante der auf atomare Abschreckung gestützten NATO-Strategie. Von mehreren der Experten ist diese Strategie in Frage gestellt worden, und einem - Horst Afheldt - ist es, so meine ich, sogar gelungen, sie argumentativ geradezu zu zertrümmern. Er hat auch zugleich den Nachweis erbracht, daß die Suche nach Alternativen wegen der Gefahren, die „flexible response" innewohnen, absolut notwendig ist. Die anschaulichste Beschreibung der Logik der Abschreckung, die ich finden konnte, stammt übrigens von Anatol Rapoport, der als in den USA lebender Konfliktforscher bei unserem ja sehr deutschen Hearing nicht zu Wort kommen konnte. Man stelle sich, so empfiehlt Rapoport, zwei Skorpione in einer Flasche vor. Nehmen wir an, daß keiner einen Vorteil daraus erzielt, den anderen zu stechen. Wenn aber der eine denkt, der andere könnte beabsichtigen, ihn zu stechen, dann bleibt ihm kein anderer Ausweg, als zuerst zu stechen. Das ist aber noch nicht alles. Selbst wenn Skorpion A nicht an die Absicht von Skorpion B, ihn zu stechen, glaubt, sondern annimmt, Skorpion B könne den Verdacht haben, daß er - A - zu stechen beabsichtige, dann wird A folgern, daß B folgert, er - B - müsse zuerst stechen, und deshalb muß Skorpion A den Skorpion B sozusagen in „Selbstverteidigung" stechen. ({2}) Da die Abschreckung an Atomwaffen gebunden ist, verheißt diese in sich folgerichtige Absurdität - oder man kann auch sagen Viecherei -, uns und die gesamte Schöpfung auszulöschen, Siechtum und nuklearen Winter. Wie Horst Afheldt während des Hearings aussagte, sieht er zwei Wege, die in den atomaren Auslöschungskrieg führen können. Der eine Weg ist der Eroberungskrieg nach dem Bild von 1939, nur umgekehrt. Der ist gemeint, wenn wir von der Abschreckung der Sowjetunion reden. Dieses Bedrohungs- und Abschreckungsszenario stand offensichtlich auch der Ziffer 4 der Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses Pate, über die wir heute abstimmen sollen. Nur, dieser Krieg, auf den sich nach der Vorstellung der Berichterstatter die ganze NATO-Abschreckungsstrategie zu konzentrieren scheint, ist nach Horst Afheldts Einschätzung und auch nach unserer Auffassung höchst unwahrscheinlich. Der zweite und wahrscheinlichere ist ganz im Sinne des Gleichnisses von den Skorpionen derjenige, der dadurch ausbricht, daß in einer Krise, aus welchem Grunde sie auch entstanden sein mag, plötzlich Abwarten lebensgefährlich wird. Die Assoziation zu 1914, die Helmut Schmidt noch im Bundestagswahlkampf 1980 erkannt, aber nicht beachtet hat, liegt nahe. Zur Debatte steht also die Gefahr der Abhängigkeit der NATO vom Ersteinsatz von Atomwaffen. Die Berichterstatter des Verteidigungsausschusses haben diese Gefahr zwar erkannt, wie Ziffer 3 der Beschlußempfehlung zeigt. Lediglich den Abzug von Atomwaffen kurzer Reichweite und die Verbesserung der konventionellen Kampfkraft zu fordern bringt aber keine Abhilfe. Bei Weiterbestehen der nuklearen Ersteinsatzoption sind die überdies teuren und komplizierten konventionellen Neuanschaffungen bestenfalls geeignet, den atomaren Holocaust ein paar Tage hinauszuzögern. Wie schwer es der Verteidigungsgemeinde im Deutschen Bundestag fällt, den Schritt von „no early first use" zu „no first use" zu machen, wird im Änderungsantrag der SPD-Kollegen zur BeschlußVogt ({3}) empfehlung des Verteidigungsausschusses sichtbar. Das Fehlen des Verzichts auf die Androhung des Ersteinsatzes ist einer der Gründe, weshalb ich meiner Fraktion nicht empfehlen kann, den Änderungsantrag der SPD mit zu tragen. Es ist zutiefst inkonsequent, zu fordern, der politische Charakter von Atomwaffen müsse deutlich hervorgehoben werden, aber den Verzicht auf Ersteinsatz zu verweigern. Die Kollegen hätten die Gründe hierfür wiederum bei Horst Afheldt nachlesen können, der sich während der Anhörung dazu geäußert hat. Ich gebe Ihnen gerne das Zitat. In der Friedensplattform 1987, die allen Bundestagsabgeordneten von Alfred Mechtersheimer zugeleitet worden ist, wird deutlich, daß dies eine Schlüsselforderung der Friedensbewegung ist. Der Hinweis auf die Mühsal des Grenzübergangs von „no early first use" zu „no first use" darf natürlich nicht dazu verleiten, den Druck zu übersehen, der von ganz anderer Seite auf die Bundesregierung und andere NATO-Länder ausgeübt wird. Nun komme ich zur Tabuisierung der Alternativen à la Reagan. Sie sind nicht diskutiert worden. Es ist ein schweres Versäumnis der Hearings „Alternative Verteidigungsstrategien", daß diese harten Alternativen nicht diskutiert worden sind. Diese Tabuisierung hängt sicher auch damit zusammen, daß sich die Regierungskoalition weigert, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Entwicklung atomarer, bzw. integrierter Kriegsführungsoptionen ein Versuch der US-Administration ist, auf ihre Weise innere Widersprüche der flexible response aufzulösen. Einige dieser Konzepte mögen manchem Beobachter militärisch folgerichtig erscheinen, politisch sind sie fatal. Verblüffung übrigens hat bei den meisten Experten unser Herr Verteidigungsminister durch seinen Hinweis hervorgerufen, die neuen US-Vorschriften, die den Offensivgedanken betonen, hätten für die in der Bundesrepublik stationierten US-Truppen keine Gültigkeit. Einer fragte: Ist der wirklich so blauäugig? Horst Eberhard Richter, der nicht Experte war, aber gelegentlich einmal konsultiert werden sollte, spricht bei Untersuchungen des psychischen Hintergrundes der Militarisierung von der Überforderung der Hauptverantwortlichen: Sie verdanken ihre Karriere nicht der Fähigkeit zu souveräner Übersicht, sondern vor allem der Gabe, sich Macht zu verschaffen und sich den Anschein unfehlbaren Könnens zu geben, an das sie am Ende auch selbst glauben. Ihrer gewohnten Machttechnik entspricht es, Zuversicht durch hartnäckige Unbeirrbarkeit zu verbreiten und alle fremden und eigenen Zweifel offensiv zu ersticken. In der Nacharbeit nach mehr als einem Jahr zu dem Hearing wird deutlich, daß viele der tonangebenden Politiker und Wissenschaftler, deren Metier Verteidigungspolitik ist, bei der Auseinandersetzung mit Atomwaffen von einer Art geistiger Lähmung erfaßt sind. In den USA hat übrigens Henry Kissinger eine geistige Ohnmacht festgestellt, die eine ernsthafte Darlegung von Alternativen zu einem allgemeinen Atomkrieg unmöglich macht. Lähmung oder Ohnmacht, beim Versuch, diesen Zustand zu überwinden, werden zwei Denkschulen aufeinandertreffen: die militärisch-technologische, an die Waffenentwicklung gebundene, und - wie ich sie nenne - die zivilistisch-soziale, die mehr auf gesellschaftliche Erneuerung, politisch-soziale Innovation setzt. Als Partei der Gewaltfreiheit haben sich die GRÜNEN von Gründung an dafür entschieden, das Konzept der Sozialen Verteidigung in ihr Programm aufzunehmen und für seine Einübung einzutreten. Die Auswahl, die die GRÜNEN für das Hearing im Verteidigungsausschuß getroffen haben, entspricht dem 1981 bei Verabschiedung des Friedensmanifestes festgestellen Konsens innerhalb der Partei: Priorität hat Soziale Verteidigung in der Art, wie Theodor Ebert sie vorträgt, jedoch kann sich für die Gestaltung der Übergangsphase eine qualifizierte Minderheit mit Mischformen zwischen defensiv-konventionellen, paramilitärischen und nichtmilitärischen Konzepten befreunden, wie sie zur Zeit Galtung vertritt. Im mündlichen Teil des Hearings haben beide von uns benannten Experten die Grundzüge der Sozialen Verteidigung nicht vorgetragen: Theodor Ebert, weil es ihm wichtiger erschien, vor einem parlamentarischen Gremium die politischen Umsetzungsschritte zu beschreiben, Galtung, von dem der Begriff Soziale Verteidigung und ein Teil des Gedankenguts ursprünglich stammt, weil er inzwischen eine zum militärstrategischen Denken vermittelnde Position einnimmt. Im folgenden wird deshalb der Versuch gewagt, das Versäumte nachzuholen, obwohl die Zeit natürlich dazu nicht reichen wird. Das Konzept der Sozialen Verteidigung hat zum Ausgangspunkt das Erschrecken über Hiroshima und Nagasaki und den Befund, daß die ersten Abwürfe von Atombomben über menschlichen Siedlungen keineswegs zu einer radikalen Umkehr, sondern zu einem „Sicherheitssystem" geführt haben, das auf der wechselseitigen atomaren Vernichtungsdrohung der Supermächte beruht. Die Pioniere der Sozialen Verteidigung haben nach dem Zweiten Weltkrieg erkannt, daß die atomare Abschreckung der untaugliche Versuch war, Kriegsverhinderung ohne Machtverzicht zu betreiben. Machtausübung - sei es im Namen der Freiheit, sei es im Namen der Gleichheit - wurde von den Architekten der atomaren Abschreckung höher veranschlagt als Kriegsverhinderung. Um dies zu verschleiern, haben die Machthaber die Frage, was denn geschehe, wenn Abschreckung versage, einfach verdrängt. Ein wachsender militärisch-publizistischer Komplex hatte Erfolg mit einer Art kollektiver Gehirnwäsche, die noch heute nachwirkt. Die meisten Zeitgenossen sind der magischen Formel erlegen, das Gleichgewicht des Schreckens verbürge den Frieden.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klejdzinski?

Roland Vogt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002383, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn es nicht angerechnet wird, Herr Präsident!

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Die Frage wird nicht angerechnet, der erste Satz der Antwort sicher auch nicht. Bitte.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Vogt, sind Sie wirklich davon überzeugt, daß die Soziale Verteidigung, wie Sie sie beschrieben haben, eine echte Alternative sein kann, um die Sicherheitsinteressen dieser Bundesrepublik und des deutschen Volkes zu gewährleisten?

Roland Vogt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002383, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Zunehmend ja, Herr Kollege Klejdzinski; ich hoffe, ich kann Sie davon durch die weiteren Ausführungen noch überzeugen. Technologische Neuerungen wie die Entwicklung von Raketenabwehrsystemen - ABM - in den 60er Jahren unterstrichen die Labilität des Systems, indem sie die Zweitschlagskapazität als fragwürdig erscheinen ließen. Diese Zweifel haben jedoch die Öffentlichkeit nicht mobilisiert. Erst die zynische Aufkündigung der Gleichgewichtsdoktrin durch die Reagan-Administration und das laute Nachdenken einiger Regierungsberater über Erstschlagsstrategien brachten die Öffentlichkeit in Bewegung. Die Unruhe steigt, und damit steigt die Konjunktur für alternative Sicherheitskonzepte. Merkwürdig genug aber: Wieder favorisieren die Politiker an der Macht die gewaltgebundenen, also die militärischen Alternativen. Mir ist dabei aufgefallen - auch im Laufe der letzten zwei Jahre im Verteidigungsausschuß, manchmal auch im Unterausschuß für Abrüstung oder in der Parlamentarischen Versammlung der Westeuropäischen Union -, daß viele Zeitgenossen, wenn sie militärische Vorgänge beurteilen, eine Art voratomares Bewußtsein haben, ({0}) daß sie nicht die Folgen sehen, die ein Versagen der Abschreckung hätte. Diese Folgen sind ja, wenn man nach Hiroshima oder Nagasaki fährt, noch zu besichtigen, aber diese Folgen sind, wie man bedauerlicherweise hinzufügen muß, noch eine Miniatur, gemessen an der Hölle auf Erden, die dann käme, wenn das ganze Arsenal entfesselt würde. Ich habe z. B. seinerzeit von Bundeskanzler Kohl, der bei seiner Reise in Kyoto haltgemacht hat, gehört, daß er, angesprochen auf Hiroshima und Nagasaki, gesagt hat, man bräuchte ihm ja nicht zu erzählen, was Krieg ist. Er hat also diese neue Dimension, die noch viel schrecklichere, kaum zu beschreibende Dimension, nicht mitberücksichtigt. Nun zur Definition der Sozialen Verteidigung: Das Konzept der Sozialen Verteidigung ist ein Versuch, sowohl die Gefahr der Selbstauslöschung der Menschheit als auch die Angst vor der Wehrlosigkeit im Falle militärischer Unterlegenheit zu überwinden. Soziale Verteidigung versucht eine Antwort nicht nur auf die Frage „Was tun, wenn die Russen kommen?", also auf die Frage des Kalten Krieges, zu geben, sondern auch auf die immer aktueller werdende Frage: Was tun, wenn die Amerikaner bleiben und gegen unseren Willen bestimmte Waffensysteme hier stationieren? ({1}) Grundgedanke des Konzepts der Sozialen Verteidigung ist, daß einerseits das Ertragen einer militärischen Besetzung besser ist als der Verlust zahlreicher Menschenleben durch militärische Verteidigung bzw. wechselseitige atomare Vernichtung, daß aber andererseits die militärische Besetzung eines Territoriums nicht zwangsläufig das Innehaben der Macht oder die Kontrolle über die Bewohner des Territoriums bedeutet. Im übrigen, Herr Kollege Klejdzinski, soll durch die Weiterentwicklung der Sozialen Verteidigung, und zwar dadurch, daß dem Gegner die Folgen signalisiert werden, nämlich sozusagen die Unverdaulichkeit und die Nichtanfälligkeit dieser Bevölkerung, auch eine Art Abhaltewirkung - ich vermeide das Wort „Abschreckungswirkung" - erzielt werden. ({2}) - Ich kann die Beispiele, die es in Spurenelementen gab, hier nicht im einzelnen beschreiben, Herr Kollege Wimmer, ({3}) aber ich kann darauf hinweisen, daß wir zu diesem Hearing über alternative Verteidigung noch schriftliche Äußerungen zusammenfassen werden. Jetzt möchte ich unmittelbar zu dem Änderungsantrag übergehen und dann zum Schluß kommen. Sie werden sich vielleicht gewundert haben, denn darin stehen - gemessen an dem, was ich hier vorgetragen habe - gewissermaßen kleine Brötchen. Aber es kommt uns vor allem darauf an, hier den Verzicht auf den Ersteinsatz zu verankern, weil im Zusammenhang mit dem Hearing - auch durch das, was mir sehr viele Experten gesagt haben - deutlich geworden ist, daß das Beharren auf der Ersteinsatzoption und das Festhalten an ihr im Grunde genommen das ist, was das NATO-Bündnis unbeweglich, aber auch so ungeheuer gefährlich macht, gefährlich natürlich auch für unsere Bevölkerung. Das zweite ist: Mehrere Experten haben darauf hingewiesen, daß der Rohstoff Zeit sehr knapp ist. Carl Friedrich von Weizsäcker hat gesagt: Es ist spät geworden; die Menschen haben die Zeit, die die Abschreckung vielleicht noch gewinnen geholfen hat, mit der Lösung des Problems verwechselt. Deshalb hat er gesagt: Es ist sehr spät geworden. Der Kollege Galtung sagte, er rechne damit, mit über 50% Wahrscheinlichkeit könne ein Atomkrieg in den 80er Jahren ausbrechen. Wenn das so ist, dann ist es höchste Zeit, und dann hätten wir uns auch Vogt ({4}) vielleicht im Verteidigungsausschuß mit der Vorlage der Ergebnisse beeilen müssen. Da kam noch die Kießling-Geschichte dazwischen, die sehr viele Menschen offensichtlich weit stärker in Anspruch genommen hat als die Suche nach Alternativen. Wenn das so ist, kann man jetzt nicht eine neue Enquetekommission des Bundestages einsetzen, sondern dann müßte unmittelbar dort, wo die Richtlinien der Politik bestimmt werden, nämlich im Kanzleramt, eine Kommission eingesetzt werden, die versucht, die Ergebnisse dieses Hearings daraufhin abzuklopfen, was an unmittelbar umsetzbaren politischen Momenten übernommen werden kann. Ich sehe Ihre Skepsis; aber vielleicht können Sie die hier vortragen. Ich danke Ihnen. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat Herr Abgeordneter Berger.

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, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Vogt, ich stimme Ihnen in einem zu, nämlich der Bemerkung, die Sie eingangs gemacht haben, daß der nationale Konsens in der Verteidigungs- bzw. Sicherheitspolitik zumindest partiell zerbrochen ist. ({0}) Sie haben das hier - das macht auch der Beifall deutlich - mit großer Genugtuung gesagt. Ich sage dies mit allergrößtem Bedauern. Wir leben innerhalb des westlichen Bündnisses in der exponiertesten Lage. ({1}) Wir leisten uns entgegen allen Bündnispartnern einen solchen Luxus, daß wir selbst in dieser zentralen Überlebensfrage nicht wenigstens einen Grundkonsens wahren können. ({2}) Herr Ehmke, wir machen, wie Sie bei sehr kritischer und nüchterner Betrachtung wahrscheinlich feststellen werden, in dieser Frage eine Politik der Kontinuität. Wir können nur hoffen, daß sich alle Teile Ihrer Partei dieser gemeinsamen Politik eines Tages wieder anschließen werden. Es ist eine Politik, die mit dem Signal von Reykjavik umschrieben ist. Es ist, wie Kollege Francke vorhin deutlich machte, eine Politik, die mit dem Harmel-Bericht umschrieben ist, in dem es heißt, Verteidigungsfähigkeit plus Überwindung der Spannungsursachen, dies sei unsere Sicherheitspolitik. Ich unterstreiche: Spannungsursachen; Überwindung der Spannung allein genügt nicht. Wenn uns das eines Tages gelänge, dann könnten wir in Europa und damit auch als Beitrag für die gesamte Welt ein bißchen mehr Frieden garantieren. Ich trete als Konservativer dafür ein, meine Damen und Herren, daß das Bessere des Guten Feind ist. Das heißt, daß ich Alternativen daraufhin überprüfe, ob sie das, was sie leisten sollen, tatsächlich besser leisten können als das, was man vorher hatte. In diesem Sinne haben wir, die Christlich Demokratische Union, die Christlich Soziale Union und die Koalition, dieses Anhörungsverfahren miteinander bestritten. Vorhin ist darüber geunkt worden, daß wir in einem Rechenschaftsbericht der Fraktion auf dieses Verfahren hingewiesen haben. Seitens der Sozialdemokraten kam der Antrag auf unseren Tisch, wir sollten im Verteidigungsausschuß über alternative Strategien reden. Wir haben die Sache wieder auf die Füße gestellt und unsererseits beantragt, daß wir über Strategie reden und in diesem Zusammenhang auch die alternativen Strategien, die es auf dem Markt gibt und zu geben scheint, auf ihren wirklichen Gehalt hin prüfen. Wir haben übrigens als einen unserer Sachverständigen Ihren ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt in dieser Anhörung als Zeugen benannt. ({3}) Auch das spricht übrigens dafür - Herr Kollege Klejdzinski, geben Sie bitte ein bißchen acht -, daß wir dabei an die Kontinuität der Sicherheitspolitik und an nichts anderes denken. ({4}) Meine Damen und Herren, der Kollege Voigt hat noch einmal die Situation vor 1939 angesprochen. Sie macht deutlich, was Sicherheitspolitik heute leisten muß. Ihre Fehler werden nämlich oft erst mit großer Verzögerung erkannt. Sicherheitspolitik muß beides leisten, muß uns die Freiheit wahren und den Zustand des Nichtkrieges, die Freiheit und den Frieden. Die westlichen Demokratien der 30er Jahre haben ihre Fehler in der Sicherheitspolitik der frühen 30er Jahre nicht mehr korrigieren können. Sie haben eben nicht dazu beigetragen, Hitler vom Krieg abzuhalten - ganz im Gegenteil. Aus diesem Grunde - da möchte ich das, was der Kollege Franke ausgeführt hat, noch einmal unterstreichen - betreiben wir eine Politik des Friedens in Freiheit, eine Strategie, die diesen Nichtkrieg zu garantieren vermag. Ich möchte in einer zweiten Bemerkung auf den Kollegen Scheer eingehen, der wie auch soeben Kollege Voigt noch einmal - ({5}) - Herr Lange, ich möchte meine Gedanken zunächst ausführen. Wenn Sie später die Gelegenheit wahrnehmen wollen, komme ich gern auf Ihren Wunsch zurück. Herr Kollege Scheer hat - wie auch der Kollege Voigt - noch einmal gefordert, daß wir, zumindest partiell, entweder eine Politik des „no first use" betreiben oder Atomwaffen aus den vorderen Zonen zurückziehen. Abgesehen davon, Herr Kollege Scheer, wissen Sie genauso wie ich, daß dies mit vielen Waffensystemen, die wir heute für diesen Zweck nicht mehr brauchen, tatsächlich geschieht. Das ist ja der Inhalt des Beschlusses von Montebello. Aber, Herr Kollege Scheer, was geschähe, wenn Sie etwa den sowjetischen Angriffsdivisionen, die - das sage ich auch in Anwesenheit des Kollegen von Bülow, der das einmal bestritten hat - in Mitteleuropa und an anderen Stellen Europas noch viel drastischer uns an Angriffsstärke und damit an konventioneller Kampfkraft um ein Mehrfaches überlegen sind, etwa die Drohung nähmen, daß wir uns, wenn wir es für nötig hielten, aus eigenem Entschluß heraus auch mit atomaren Waffen verteidigten? - Herr Kollege Scheer, ich beschäftige mich mit Ihrem Diskussionsbeitrag; ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir wenigstens eine Sekunde auch zuhören könnten. - Ich kann Ihnen sehr wohl sagen, was geschähe. Wenn Sie der sowjetischen Angriffsmaschinerie die atomare Gegendrohung nehmen, kann sie jeden beliebigen Schwerpunkt dort wählen, wo sie es für richtig hält. Muß ich Sie daran erinnern, daß etwa 50 km von der innerdeutschen Grenze entfernt - das ist innerhalb der ersten Tagesaufgabe, wie es in den Führungsvorschriften von sowjetischen Angriffsdivisionen heißt

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Scheer? Berger CDU/CSU: Augenblick, wenn ich den Gedanken zu Ende gebracht habe - ... daß innerhalb dieser ersten Tagesaufgabe sowjetischer Angriffsdivisionen bereits strategische Ziele für den Warschauer Pakt liegen, etwa die deutschen Küstenstädte? Ich nenne als Beispiel nur Hamburg. Aus diesem Grunde können wir, glaube ich, wenn wir für Frieden und Freiheit eine Politik und eine Strategie des Nichtkrieges betreiben wollen, auf keinen Fall eine Politik des „no first use" betreiben, j eden-falls nicht, soweit dies heute überschaubar ist. Und jetzt bitte Ihre Frage.

Dr. Hermann Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Berger, bestreiten Sie die Aussage von Experten, daß die NATO eine bessere Mobilisierungsfähigkeit hat? Und ist mit „mehrfacher Überlegenheit", wie Sie soeben gesagt haben, das Verhältnis von 1:1,2 gemeint, das - unbestritten - in amerikanischen Untersuchungen steht? Ist das Ihre Definition von „mehrfach"? Und eine damit unmittelbar zusammenhängende Frage: Gilt das, was Sie über die Ablehnung eines Ersteinsatzes sagen, selbst dann noch, wenn es z. B. über vertrauensbildende Maßnahmen - Vereinbarungen in Stockholm - zu Vorwarnzeiten von etwa zwei Wochen käme?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie eine kurze Frage stellten.

Dr. Hermann Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin schon fertig, Herr Präsident.

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, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde mir sehr wünschen, Herr Kollege Scheer, daß wir in Stockholm bei den Verhandlungen über vertrauensbildende Maßnahmen wirklich zu Ergebnissen kämen, zu überprüfbaren Ergebnissen, die einen Beitrag dazu leisten könnten, daß wir die tatsächlich vorhandene mehrfache Überlegenheit nicht in dem Maße als politische Bedrohung empfinden müßten, wie das heute leider der Fall ist. Im übrigen sprechen die Zahlen - das ist immer noch meine Antwort - eine deutliche Sprache: 58 angriffsbereiten Divisionen des Warschauer Paktes hat das westliche Bündnis ganze 27 Divisionen entgegenzusetzen, und die bedürfen erst der Mobilmachung, um überhaupt ihre volle Verteidigungsstärke zu erlangen. Insofern widerspreche ich den Experten, die da meinen, wir seien auf diesem Sektor dem Warschauer Pakt überlegen. ({0}) - „Bei der Mobilmachung" hat er gesagt, auch vorhin in seiner Rede. Meine Damen und Herren, der Verteidigungsausschuß hat sich doch tatsächlich die Mühe gemacht, in insgesamt mehr als, ich glaube, 100 Stunden alle möglichen Alternativen zu prüfen und durch die jeweiligen Experten, die diese vertreten, vortragen zu lassen, die zur Zeit auf dem Markt sind. Ich halte das für eine nützliche Arbeit und auch für eine wichtige Arbeit, aber nicht, wie es Kollege Scheer gemeint hat, als Einstieg in die jetzt offene Diskussion. Im Gegenteil hat diese hundertstündige Anhörung das ergeben, was der Verteidigungsminister - das wurde eben kritisch vermerkt - schon in seinem Eingangsvortrag vor dieser eigentlichen Anhörung als seine Überzeugung darstellte; sie wurde erhärtet. Es gibt zur Politik der Abschreckung, d. h. der Abhaltung von Krieg durch Verteidigungsfähigkeit und atomare Abschreckung, keine Alternative. Ich möchte dies an zwei Beispielen hier belegen. ({1}) - Herr Lange, ich komme auf die GRÜNEN; dann werden Sie vielleicht noch nachfragen wollen. Sonst komme ich einfach nicht zu meinen Ausführungen. Die GRÜNEN haben in diesem Anhörungsverfahren wie auch heute wieder für die Strategie der, wie sie es nennen, sozialen Verteidigung als ein Konzept der Gewaltlosigkeit geworben. Ich frage: Wäre es das wirklich? Sie, Herr Vogt, nannten als erfolgreiche Aktionen solcher sozialen Verteidigung im Verteidigungsausschuß den Ruhrkampf als Beispiel. ({2}) Sie haben, wie ich meine, dabei übersehen, daß parallel mit dem Ruhrkampf der kommunistische Aufstand in Sachsen, der Aufstand der Schwarzen Reichswehr in Küstrin und unmittelbar im Gefolge der Putsch an der Feldherrenhalle durch Hitler einhergingen. Sie haben zweitens übersehen, daß dieser, wie Sie meinen, erfolgreiche Kampf, diese erfolgreiche soziale Verteidigung - die übrigens gegen eine Macht geführt worden ist, die Recht und internationale Ordnung respektiert hat, was nicht in jedem Fall unterstellt werden darf - nach wenigen Wochen, und zwar sehr vernünftigerweise, durch Stresemann abgebrochen werden mußte, weil sie nicht zu leisten imstande war, was sie eigentlich leisten sollte. Als zweites Beispiel nannten Sie den Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968. Sie haben das breit begründet, ich glaube, auch schon einmal im Bundestag. Ich sage Ihnen: Der Spuk damals 1968 war nach drei Tagen zu Ende, aber noch heute herrscht dort Kirchhofsfriede. Wenn es überhaupt ein Beispiel dafür gibt, daß soziale Verteidigung gegenüber einer Macht, die nicht Recht und internationale Ordnung und Menschenwürde respektiert, als Verteidigung nicht möglich wäre, dann ist es just dieses Beispiel der Tschechoslowakei. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogt?

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, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter.

Roland Vogt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002383, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß in dem Fall Ruhrkampf nur ein Element sozusagen Auskunft über Soziale Verteidigung geben kann, nämlich eine Kosten-Nutzen-Analyse, d. h., was man in den neun Monaten der Besetzung aus diesem Gebiet an Kohle und Stahl weniger herausholen konnte als in normalen Monaten? Zweitens. Sie sind bereit, im Fall Tschechoslowakei zur Kenntnis zu nehmen, daß da niemals von einer erfolgreichen Sozialen Verteidigung die Rede war ({0}) - in Afghanistan besteht ja keine Soziale Verteidigung -, sondern daß davon die Rede war, daß dies eine spontane Widerstandsform ist, aus der man etwas für ein noch zu entwickelndes Konzept der Sozialen Verteidigung lernen kann? ({1})

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, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Vogt, ich kann dies so nicht bestätigen. Aber ich sehe eine Wortmeldung meiner Kollegin Frau Hürland, der Parlamentarischen Geschäftsführerin. Ich möchte ihr die Gelegenheit geben.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Hürland. -- Frau Abgeordnete, bitte schön.

Agnes Hürland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000976, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke sehr, Herr Präsident. Herr Kollege Berger, es ist hier so viel die Rede von der Sozialen Verteidigung. Gibt es denn eigentlich auch einen Sozialen Angriff?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, ich bitte, nun die beiden Fragen zu beantworten.

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, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das macht die Sache nicht leichter. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich wäre dem Hause dankbar, wenn es dem Abgeordneten die Gelegenheit gäbe, die beiden Fragen zu beantworten.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich beziehe mich noch einmal auf das Beispiel des Ruhrkampfes, weil Sie, Herr Vogt, sich in Ihrer Frage darauf bezogen haben. Ich glaube nicht, daß es nur die Kosten-Nutzen-Analyse war. Dies war vielleicht auch mit der Frage nach dem sozialen Ansatz gemeint: Ihr Konzept der Sozialen Verteidigung macht aus dem Volk, das sie führen sollte, entweder ein Volk von Märtyrern, oder es mündet in die Unterwerfung unter fremde Macht. Beides wollen wir für unser Volk nicht. Deswegen ist dieser Ansatz für Verteidigung, für Strategie völlig ungeeignet. ({0}) Meine Damen und Herren, ich möchte mich in wenigen Sätzen mit einem zweiten chrakteristischen Modell beschäftigen, das in unserem Ausschuß eine Rolle gespielt hat und das Herr Dr. Scheer in der heutigen Diskussion mit erwähnt hat. Ich meine das Modell der Raumverteidigung. Die Befürworter der Raumverteidigung bevorzugen dieses Konzept deshalb, weil es eine bessere Ausnutzung des Geländes ermögliche, weil es die Tiefe des Raums ausnutze und damit einen geringeren Personalbedarf habe. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe nie verstanden, woher derjenige, der zu geringe Kräfte zur Verteidigung zu haben glaubt, nachdem er den gegnerischen Angriff in der Tiefe des eigenen Raumes in einem Netz von Modulen und Raumverteidigungseinrichtungen vielleicht erst einmal gestoppt hat, die Kräfte für einen erfolgreichen Gegenangriff nehmen will. Abgesehen davon hat ein solches Konzept den fatalen Nachteil, daß es sich erst in der Verteidigung bewähren müßte. Es ist also strenggenommen ein Kriegsführungskonzept, ein Konzept, das für unsere Sicherheitspolitik, für eine Politik des Nichtkrieges, für eine Politik der Freiheit im Nichtkrieg, völlig untauglich ist. Daran ändert sich auch nichts, wenn man - Herr Dr. Scheer, das klang in Ihrer Rede soeben an - die Raumverteidigung mit der Vorneverteidigung koppeln will. Ich sage Ihnen: Auf der Halbinsel Westeuropa mit dem Rücken zum Atlantik haben wir weder die Raumtiefe für ein solches Konzept, noch hätten wir die geeigneten Kräfte. In der Zukunft haben wir schon gar nicht die Kräfte, um beides zu ermöglichen: Vorneverteidigung plus Raumverteidigung. Ich möchte Sie übrigens darauf hinweisen, daß wir in unserem gegenwärtigen Verteidigungskonzept hinter der Vorneverteidigung sehr wohl eine Verbindungszone haben, daß wir sehr wohl strategische Reserven haben. Wir unternehmen zur Zeit alles Mögliche, um diese - wenn auch geringen - strategischen Reserven früher als bisher von jenseits des Atlantiks zu uns herüberzuholen. Das heißt, es ist ein falsches Bild, anzunehmen, daß die Vorneverteidigung nur ein dünner Schleier vorne sei, der für eine nennenswerte Verteidigung nicht geeignet wäre. Herr Kollege Scheer, worauf es ankommt, ist etwas anderes. Wir müssen die Vorneverteidigung nicht nur gegen die erste strategische Staffel mit konventionellen Mitteln wirksam machen wie wir das bisher getan haben. Wir müssen uns heute Gedanken darüber machen - weil dies eine neue, stärkere Bedrohung ist und weil sich hier einfach die Situation geändert hat; ich erinnere etwa an Überlegungen, die bei uns mit dem Gebrauch von Atomwaffen einhergehen, nämlich wozu sie wirklich taugen, was sie wirklich zu leisten vermögen, etwa im Sinne der Wiederherstellung der Abschrekkung auch im Kriege -, wie wir der zweiten angreifenden strategischen Staffel des Warschauer Pakts aus unserer Vorneverteidigung heraus und über ihre bisherigen Aufgaben hinaus genügend Widerstand entgegensetzen können, damit diese nicht durch ihr Erscheinen auf dem Gefechtsfeld eine Verteidigung schon in kürzester Frist unmöglich machte; dies nicht etwa, weil wir einen Verteidigungskrieg gewinnen wollten, sondern weil wir mit unseren Vorkehrungen die andere Seite davon überzeugen müssen, daß für sie ein Krieg kein lohnendes Ziel sein kann. Wir müssen sie davon überzeugen, daß wir mit unseren Vorkehrungen ausreichend dazu beigetragen haben - natürlich innerhalb des Bündnisses, aber insbesondere für unser Land, und deswegen vorne -, den Krieg in Europa unmöglich zu machen, und unsere Politik dennoch frei und souverän gestalten können. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Klejdzinski.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen! Meine Herren! Ich habe bisher aufmerksam zugehört, weil ich gedacht habe, dieses würde der Tag sein, wo sich die CDU und auch die FDP einmal ein bißchen zur Sache äußern und nicht nur wiederholen, was immer gesagt worden ist. Ich bin davon ausgegangen, daß Sie aus diesem Hearing zumindest eines gelernt hätten: daß es wert ist, daß die gegenwärtige Strategie überdacht wird. Mein Kollege Dr. Scheer hat sich zum Grundsätzlichen geäußert und im wesentlichen unsere Position als Partei dargelegt. Es ist richtig - ich glaube, hier gibt es auch kaum Dissens zwischen uns -, sicherheitspolitische und strategische Aussagen beruhen häufig auf Prognosen über das Ergebnis poli-ti scher und militärischer Entscheidungsprozesse. Das gilt sowohl für die gültigen als auch für alternative Strategien. Herr Berger, ich meine, wenn Sie das in Ihrem Referat - das nach meiner Ansicht in der Abwägung der einzelnen Positionen schon ausgewogen war; dieses Kompliment muß ich Ihnen zugestehen ({0}) auch für die alternativen Möglichkeiten offengelassen hätten, dann wären wir sicherlich in der Lage gewesen, im Ausschuß noch mehr gemeinsame Positionen im einzelnen zu erarbeiten. Die Entwicklung und die Prüfung zukunftsorientierter konzeptioneller Vorstellungen ist nämlich eine ständige Aufgabe. Das gilt auch für die gegenwärtig gültige NATO-Strategie. Diese Aufgabe muß bestmöglich gelöst werden, wobei sich natürlich Planung, Mittel, Methoden und Methodik danach richten, wie die mögliche Bedrohung durch einen potentiellen Angreifer ist. Dabei gehört es auch zu den Aufgaben eines jeden Staates, den Bürgern des Landes die innere und äußere Sicherheit zu gewährleisten. Ich wende mich mit aller Entschiedenheit gegen Versuche heute, uns Sozialdemokraten, wenn man so will, insbesondere in der ersten Einlassung, als diejenigen darzustellen, die nicht für die Sicherheitsinteressen dieses Landes einstehen. Wir streiten uns über die Methode. Wir streiten uns auch über Inhalte. Aber uns zu unterstellen, daß wir nicht für die äußere Sicherheit dieser Bundesrepublik sorgen können, möchte ich mit aller Schärfe zurückweisen. Die für die NATO gültige Strategie der flexiblen Reaktion - das ist kein Geheimnis - ist seit Jahren Gegenstand öffentlicher Kritik. Dabei geht es sowohl um mögliche Verbesserungen in materiellen und auch in konzeptionellen Fragen als auch um die Ausgestaltung dieser Bündnisstrategie. In diesem Punkt - das ist sogar nachlesbar - stimmt sogar der Bundesminister der Verteidigung mit uns überein.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie gestatten eine Zwischenfrage des Abgeordneten Biehle?

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meinem Vorsitzenden im Ausschuß kann ich das ja nicht versagen, obwohl er mir das gelegentlich schon versagt.

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Klejdzinski, würden Sie mir nicht beipflichten, daß das Verhältnis Ihrer Partei zur Sicherheitspolitik differenzierter zu betrachten ist, als Sie dies gesagt haben, und daß dann, wenn einer den Austritt aus der NATO fordert, das sicherlich nicht mehr das Konzept ist, daß Sie gerade vertreten haben? ({0})

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ich stimme Ihnen in dem Punkt zu, daß wir Sicherheitspolitik sehr differenziert betrachten. Das unterscheidet uns von Ihren Überlegungen in dieser Frage. Darüber, daß Sie unterschiedliche Standpunkte in Ihrer Koalition haben, brauche ich Ihnen als CSU-Mann hier nicht in irgendeiner Form Aufklärung zu geben. ({0}) - Inwieweit Sie Standfestigkeit in der Frage zeigen, Zweifel in die Bundesregierung hineinzutragen, darüber werden wir heute an einem anderen Punkt noch zu reden haben. ({1}) Alternative Strategien müssen deshalb nachweisen können - das ist natürlich eine Forderung -, daß sie besser sind. Nur weil sie alternativ genannt werden, sind sie nicht schon die Strategie schlechthin. Wir dürfen aber nicht in den Fehler verfallen, grundsätzlich, weil etwas alternativ genannt wird und wir gegenwärtig meinen, es ist keine Lösung, gleichzeitig aufzugeben, diesbezüglich nach Lösungen zu suchen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Heistermann?

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mein Kollege Heistermann darf natürlich immer.

Dieter Heistermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000854, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Klejdzinski, würden Sie dem Abgeordneten Biehle, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses -

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Dreiecksfragen nicht zugelassen sind, und bitte Sie entsprechend zu formulieren.

Dieter Heistermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000854, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wollte fragen, wie Sie den Vorgang bewerten, daß zwei CSU-Abgeordnete, nämlich die ehemaligen Abgeordneten Handlos und Voigt, aus dem Verteidigungsausschuß ausgeschieden sind. Halten Sie das nicht für einen beachtlichen Vorgang angesichts der Frage, die Herr Biehle hier sehr differenziert gestellt hat?

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Welchen beachtlichen Verlust an CSU-Potential er in diesem Ausschuß erlitten hat, weiß er ja wohl selbst. ({0}) Man muß natürlich auch davon ausgehen - dies ist auch richtig, und dies beinhaltet auch die Suche nach neuen Strategien -, daß beispielsweise jedes Rüstungsprojekt eine neue Strategie möglich macht. Ich finde es in diesem Zusammenhang sehr bezeichnend, daß der Bundesminister der Verteidigung hier vorne sitzt, sich unterhält und möglicherweise denkt: Okay, was geht es eigentlich mich an, wenn man sich hier über Strategien unterhält oder äußert? Er wird anschließend nach mir reden, und dann wird er sein Konzept vortragen, möglicherweise ohne das in irgendeiner Weise zu reflektieren, was hier gesagt worden ist. Ich gehe nämlich davon aus, daß die Zielsetzung der alternativen Konzepte im Grunde genommen heißt: atomare Abrüstung ohne Sicherheitsrisiko, die Entwicklung und Einführung neuer Taktiken mit Defensivwaffen. Die Frage der Realisierbarkeit ist natürlich von verschiedenen Faktoren abhängig, in sbesondere von waffentechnischen Entwicklungen, die sich für eine militärische Defensivtaktik eignen. Denn immer wieder neue Waffenkonzeptionen und moderne Technologie erfordern ein Nachdenken über neue Strategien. Dies gilt schlechthin, und dieses sollten wir tun. Wir Sozialdemokraten haben bereits am 15. Juni 1983 die Bundesregierung aufgefordert, Möglichkeiten und Zielvorstellungen für eine Änderung der konventionellen Bewaffnung aufzuzeigen, zu erforschen und vorzulegen, d. h. auch Stand und Entwicklung der Waffensysteme für die Teilstreitkräfte, alternative Waffensysteme und Doktrinen sowie auch die politischen, finanziellen, personellen und auch die rüstungskontrollpolitischen Voraussetzungen in den zuständigen Ausschüssen darzulegen, weil wir bereits damals der Meinung waren, daß auf Grund der veränderten Rahmenbedingungen eine intensive Diskussion über alternative Sicherheitskonzepte in der Öffentlichkeit stattfindet. Sicherlich muß - dieses ist richtig - das oberste Gebot aller Überlegungen zu alternativen Strategien sein, daß die Strategie, die Struktur und die Bewaffnung des Bündnisses und damit auch der Bundeswehr eindeutig zur Kriegsverhinderung geeignet sind. Alternative Strategien müssen sich an folgenden Punkten messen lassen. Wir haben das versucht, und ich meine, mein Kollege Scheer hat es im einzelnen aufgezeigt, und mein Kollege Bülow wird im Anschluß daran noch im einzelnen auf Teilaspekte eingehen. - Sie müssen sich daran messen lassen, ob sie uns vor Krieg bewahren und den Frieden sichern. Sie müssen sich daran messen lassen, ob sie die Sicherheit dieser Bundesrepublik gewährleisten. Sie müssen sich daran messen lassen, ob sie ein Gleichgewicht der Kräfte dahin gehend aufrecht erhalten, daß man von einer realistischen Bedrohungsanalyse ausgehen kann. Sie müssen sich natürlich auch daran messen lassen, ob sie den geographischen Rahmenbedingungen genügen. Ich sage auch im Hinblick auf die vorhergehende Einlassung des Herrn Kollegen Biehle mit aller Deutlichkeit: Wir stehen zu diesem Atlantischen Bündnis. Nur werden wir uns immer wieder darüber streiten, ob die Strategie des Bündnisses unseren eigenen, den Sicherheitsinteressen dieser Bundesrepublik im einzelnen genügt, und diese Diskussion werden wir immer wieder fordern, und diese Diskussion werden wir mit Ihnen immer führen. Die Politik, die von Clausewitz mal als Primat formuliert worden ist, kann für uns nur noch bedeuten, daß Kriege mit allen Mitteln verhindert werden. Deshalb ist es die wichtigste Aufgabe der Strategie - darauf muß sie abgestellt sein -, den Frieden zu sichern und unsere Freiheit zu bewahren; dieses möchte ich unterstreichen. Aber auch folgendes ist richtig und scheint mir von besonderer Bedeutung zu sein. Die Chance, sich mit alternativen Strategien kritisch auseinanderzusetzen, ist von den Sprechern der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP hier heute bisher verspielt worden. Das ist nicht leeres Gerede, was ich hier im einzelnen sage, sondern es ist zu erkennen, wenn man im einzelnen durchgeht, was gesagt worden ist: Kein Beitrag zur nachdenklichen Reflexion zur gegenwärtigen NATO-Strategie, keine gedankliche Auseinandersetzung, ob die gegenwärtige Strategie noch die Antwort der freien Nationen auf eine mögliche Auseinandersetzung der 90er Jahre sein kann, ({1}) kein Fragen oder Suchen nach einer Kriegsverhinderungsstrategie, die nicht zentral von der Strategie der totalen Abschreckung oder Stufen der Abschreckung bestimmt ist. Sicher ist richtig, daß eine Strategie nicht von heute auf morgen in einem Bündnis freier Staaten veränderbar ist, besonders wenn wir SDI ansprechen. Diese Bedingungen sind natürlich auch von der Bedrohung abhängig. Wenn man eine Zusammenfassung dessen, was bisher gesagt worden ist, versucht, muß ich sagen: Ich halte es für der Sache nicht angemessen, daß man nicht argumentiert hat, sondern nur versucht hat, das Gegenwärtige zu rechtfertigen, und zwar mit Argumenten von gestern. Das finde ich schade. Denn heute hier das Forum zu nutzen, ({2}) Fragen zu stellen und nicht einfach zu sagen „Wir wissen die Wahrheit", das wäre die richtige Methode gewesen, wie wir in diesem Parlament miteinander hätten reden sollen. Herzlichen Dank. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung Dr. Wörner.

Dr. Manfred Wörner (Minister:in)

Politiker ID: 11002547

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich glaube, wir alle sind für diese Gelegenheit dankbar, hier noch einmal dieses Hearing des Verteidigungsausschusses Revue passieren zu lassen und daraus bestimmte Konsequenzen zu ziehen. Ich komme ganz kurz auf das zurück, was Sie eben sagten, Herr Klejdzinski. Sicher ist es richtig, daß man Strategien, da sie keinen Ewigkeitswert haben, immer wieder überprüfen und durchdenken muß. Allerdings gibt es auch ein anderes, was man zu bedenken hat. Die Sucht nach Neuerung darf eines nicht überdecken: daß die Sicherheit keine Experimente verträgt. ({0}) Ich sage Ihnen: Sie reden hier über die Strategie, mit der wir im Augenblick unseren Frieden sichern, als ob diese Strategie überholt wäre und keinen Wert hätte. Diese Strategie ist es, die uns in den letzten zwei Jahrzehnten den Frieden bewahrt und die Freiheit erhalten hat. ({1}) Deswegen kann ich nur sagen: Das ist ein Qualitätsbeweis, den Sie bei anderen Strategien erst einmal antreten müßten. Aber darüber reden wir jetzt. Sie werden sehen: Ich werde mich sehr wohl mit den alternativen Vorstellungen auseinandersetzen. Bevor ich das tue, lassen Sie mich allerdings zwei Gedanken an die Spitze dieser Debatte zur Strategie stellen. Der erste. Mit dem Anbruch des nuklearen Zeitalters vollzog sich ein radikaler Wandel strategischen Denkens, zumindest im Westen. War bis dahin Strategie die Kunst, Kriege zu führen und zu gewinnen, so ist heute das Ziel strategischen Denkens genau das Gegenteil, nämlich Kriege zu verhindern. Der Krieg als Mittel der Politik hat für uns ein für allemal jeden Sinn und jede Rechtfertigung verloren. ({2}) Auch im sowjetischen strategischen Denken hat sich unter dem Eindruck nuklearer Vernichtungskraft ein Wandel angebahnt. Zwar hält man dort Kriege nach wie vor für gerechtfertigt, ja in bestimmten Fällen sogar für notwendig, z. B. Befreiungskriege. Aber auch im sowjetischen Lager, bei der sowjetischen politischen Führung und bei der sowjetischen militärischen Führung weiß man sehr wohl um die selbstmörderischen Konsequenzen eines Nuklearkrieges zwischen den beiden Supermächten und sucht ihn daher zu verhindern. Die Scheu der Sowjets vor einem Nuklearkrieg hat Europa bis heute den Frieden erhalten. Das mögen all jene bedenken, die uns raten, auf Nuklearwaffen zu verzichten oder nuklearwaffenfreie Zonen einzurichten. Die Folge wäre: Der Krieg in Europa wäre für die Sowjetunion wieder kalkulierbar, das Risiko begrenzbar. Damit wäre der Krieg als Mittel politischer Auseinandersetzung wieder vorstellbar und führbar. Die Kriegsgefahr müßte wachsen. Das kann nicht im Interesse der Europäer, das kann nicht im Interesse der Deutschen, das kann nicht im Interesse unserer Bürger sein. ({3}) Wir wollen keinen Nuklearkrieg. Aber wir wollen genausowenig einen konventionellen Krieg. Der eine ist schrecklich, der andere ist auch schrecklich. Wir wollen den Menschen in unserem Land jede Art von Krieg ersparen. Daher muß jede Strategie beide Arten von Kriegsverhinderung im Auge haben. Das ist der eine Gedanke. Der zweite Gedanke: Unsere Zeit ist beherrscht von einem ganz großen strategisch-politischen Grundwiderspruch. Einerseits zwingt das nukleare Zeitalter die beiden Supermächte, die beiden Blöcke zur Koexistenz, gerade weil ein Konflikt sie beide in die Vernichtung ziehen würde. Andererseits bleiben die Polarität und die Machtrivalität zwischen den beiden Blöcken bestehen: ideologisch, politisch und militärisch. Professor Ritter hat in einem äußerst lesenswerten Artikel, den er jüngst veröffentlicht hat, darum zu Recht von einem Entwicklungsrückstand der internationalen Ordnung gesprochen. Das heißt, die große, politisch-strategische Aufgabe unserer Zeit ist es, diesen Rückstand aufzuholen und internationale Strukturen und Verhaltensmuster zu schaffen, die die friedliche Koexistenz auf Dauer gewährleisten. Hier wird zweierlei deutlich. Das erste: Die Gegner in der Welt befinden sich nicht in einem Konflikt, weil sie bewaffnet sind. Sie sind bewaffnet, weil sie sich in einem politischen Konflikt befinden. ({4}) Waffen und Soldaten sind nicht Ursachen, sondern Symptome des Unfriedens. ({5}) Nicht die Soldaten und nicht die Waffen sind die eigentlichen Ursachen der Friedensgefährdung, sondern es sind die machtpolitischen Rivalitäten. Oder lassen Sie es uns genauer sagen, weil man das draußen weniger und immer weniger anspricht: Es sind der ideologische Machtanspruch und der politische Expansionsdrang der sowjetischen Diktatur, verbunden mit einer militärischen Machtmaschine ohnegleichen, die die eigentliche Gefahr für den Frieden bilden, ({6}) und nicht irgendein anonymer Rüstungswettlauf, wie das manche draußen immer wieder behaupten. Deswegen: Vieles an der Friedensdiskussion berührt uns alle. Aber auch jetzt auf dem Evangelischen Kirchentag und anderswo tritt doch immer wieder in Erscheinung, daß man an den eigentlichen Ursachen der Friedensgefährdung schlichtweg vorbeiredet, nämlich an dem Unterschied zwischen Freiheit und Unfreiheit, zwischen denen, die auf den Krieg verzichtet haben, und denen, die den Krieg nach wie vor als Mittel der Politik für richtig halten. ({7})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Voigt ({0})?

Dr. Manfred Wörner (Minister:in)

Politiker ID: 11002547

Unter den Bedingungen, lieber Herr Präsident, die Sie vorher statuiert haben, bitte schön.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Selbstverständlich.

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Wörner, wenn Ihre Auffassung über die strenge Trennung von Ursache und Wirkung richtig wäre - ich halte sie für falsch, weil in der Politik auch die Folge eine Ursache sein kann; deshalb ist diese Trennung falsch -, wie erklären Sie sich dann, daß Ost und West miteinander über Fragen der Krisenstabilität sprechen und daß eine Hauptsorge auch der Amerikaner immer die Krisenstabilität und die Krisenstabilität von Waffen gewesen ist? Denn wenn Krisenstabilität ein wichtiges Element ist, ist es nicht logisch, zu sagen, daß der Wille einer Seite nur das Problem einer Krisenursache sein kann. Dann braucht man nämlich nicht krisenstabile Szenarien, Waffentechnologien und Rüstungskontrolle zu fördern.

Dr. Manfred Wörner (Minister:in)

Politiker ID: 11002547

Kollege Voigt, das ist eine durchaus richtige Überlegung. Im übrigen komme ich sowieso darauf. Natürlich würde keiner bestreiten, daß Waffen Spannungen verschärfen. Nur, wenn man den Frieden auf Dauer sichern will, muß man auch erkennen, wo die eigentliche Ursache liegt. Man muß erkennen, daß das, was sich an Spannungen aufgebaut hat, letztlich nur im politischen Bereich aufgelöst werden kann. ({0}) Selbstverständlich wird dabei deutlich, wo die Chancen und wo die Grenzen militärischer Macht und militärischer Sicherheit liegen. Auch ein anderes wird deutlich, Herr Voigt - und da hören Sie einmal gut zu -: Eine dauerhafte Friedensordnung läßt sich nur durch politische Anstrengungen, d. h. durch Eingrenzung oder Beseitigung politischer Spannungen, schaffen. Mit militärischen Mitteln allein kann der Friede auf Dauer nicht gesichert werden, und zwar gilt das für Rüstung wie für Rüstungskontrolle. Das ist ja eine der Auseinandersetzungen unserer Zeit: daß man die Rüstungskontrollmaßnahmen, die ja sinnvoll sind, die wir alle zustande zu bringen versuchen, so überfrachtet - das ist im Hearing bei Bertram, bei Nehrlich und bei anderen deutlich geworden -, daß sie ihren eigentlichen Zweck letztlich nicht mehr erfüllen können. Das heißt: Wir müssen versuchen, die Entspannung, wenn Sie so wollen, wieder im politischen Bereich anzusiedeln; das muß übergreifend in Genf geschehen. Der Konflikt muß dort überwunden werden, wo er entstanden ist: im politisch-gesellschaftlichen Bereich. Darum geht es! Die Einhegung, die Eingrenzung des Ost-West-Konflikts - ({1}) - Das ist nicht unmöglich. Das ist jedenfalls ein Versuch, der sich lohnt. ({2}) Und damit sind auch die Grenzen und die Möglichkeiten militärischer Macht vorgezeichnet; ich sage noch einmal: die Grenzen sowohl der Rüstung als auch der Rüstungskontrolle. Was kann militärische Sicherheit leisten, und was kann sie nicht? Sie kann und sie muß den Ausweg zur Lösung politischer Konflikte in den Gebrauch militärischer Macht versperren: in den direkten wie in den indirekten. Militärische Sicherheit muß verhindern, daß militärische Macht über die künftige Gestalt politischer Ordnung in Europa entscheidet. ({3}) Das ist es, was militärische Sicherheit leisten muß und im übrigen auch leisten kann. ({4}) Dabei resultieren aus militärischer Übermacht und Überlegenheit zwei Gefahren: Krieg und Unterwerfung, also Verlust der Freiheit. Wenn wir von Bedrohung reden, Bedrohung durch die überlegene sowjetische Militärmacht, dann meinen wir nicht nur das Risiko eines sowjetischen Angriffs, also eines Krieges. Dieses Risiko war gering und bleibt gering, solange wir abwehrbereit bleiben. Die viel akutere Form der Bedrohung ist ein sowjetisches militärisches Übergewicht, das Europa, Westeuropa in seinen Bann zwingt und seine Handlungsfreiheit beschränkt oder beseitigt. Wir müssen darum gegen jede Vereinfachung Front machen, die im Augenblick ja im Schwange ist, die über dem Risiko der Selbstvernichtung der Menschheit das Risiko der Selbstunterwerfung freier Völker übersieht. Deswegen sage ich - ich sage es sehr zugespitzt -: Wer die Erhaltung des Friedens als einziges und oberstes Ziel der Strategie vor Augen hat, riskiert Unterwerfung und damit Verlust der Freiheit. ({5}) Damit sind die Maßstäbe vorgezeichnet, an denen militärische Strategien zu messen sind: Erhöhen sie oder vermindern sie die Stabilität? Verbessern oder verschlechtern sie die Chancen der Kriegsverhinderung? Dabei müssen wir uns an den Grundgegebenheiten des militärischen Kräfteverhältnisses orientieren, d. h.: an den militärischen Machtmitteln, an den militärischen Optionen des Warschauer Pakts. Es hat keinen Sinn - das sage ich vor allen Dingen - aber nicht nur - an die Adresse der GRÜNEN -, Wünsche an die Stelle von Wirklichkeiten zu setzen. ({6}) Die Wirklichkeit im Bereich der. Kräfteverhältnisse sieht immer noch so aus - niemand bedauert das mehr als ich; im übrigen glaube ich, daß darüber kaum eine Meinungsverschiedenheit besteht -: ein ungefähres Gleichgewicht im strategischen Bereich, im Bereich strategischer Waffen, wobei man nicht übersehen darf, daß die Sowjetunion seit dem Abschluß des SALT I-Abkommens genau die strategische Erstschlagsfähigkeit gegen amerikanische landgestützte Interkontinentalwaffen erlangt hat, die zu verhindern das vorrangige Ziel amerikanischer Rüstungskontrollpolitik in den 70er Jahren war; ein wachsendes Übergewicht der Sowjetunion im Bereich taktischer Nuklearwaffen kurzer und mittlerer Reichweite - und das in einer Zeit, in der der Westen, in der wir einseitig noch einmal um 1 400 reduzieren; schließlich eine wachsende Überlegenheit des Warschauer Pakts auf konventionellem Gebiet. Auch hier müssen wir den Tatsachen ins Auge sehen. Auch das wird ja kaum mehr ausgesprochen, aber es sind Fakten. Die Sowjetunion hat seit dem Beginn der Rüstungskontrollverhandlung in Wien, bei denen es darum geht, die Streitkräftestärken nach unten zu fahren, in allen wesentlichen Waffenkategorien ihre konventionelle Überlegenheit in Europa erhöht, und zwar mit dem Resultat zusätzlicher und besonders beunruhigender militärischer Offensivoptionen. Dabei ist es besonders gravierend, daß der Zuwachs in den zehn hauptsächlichen Waffenkategorien innerhalb des MBFR-Gebiets, also des Gebiets der Verminderung, in den Jahren 1965 bis 1980 zu 46 % auf sowjetischen Machtzuwachs und zu 81 % auf die Streitkräfte des Warschauer Pakts entfällt. Das heißt, vier Fünftel dessen, was seit Beginn dieser Abrüstungsverhandlungen an konventioneller militärischer Macht zugewachsen ist, kommt vom Warschauer Pakt; nur ein Fünftel von der NATO. ({7}) Das sind die Realitäten. Solange diese Grundgegebenheiten weiter bestehen, bleibt die Verbindung konventioneller und nuklearer Elemente in der Strategie der flexiblen Antwort die bei weitem beste Lösung unseres Sicherheitsproblems. Hier, Herr Klejdzinski, haben Sie die Antwort: nicht weil wir zu faul, oder, wenn ich das so sagen darf, zu dumm zum Nachdenken sind, sondern weil sich diese strategischen Grundgegebenheiten eher verschärft und nicht verändert haben, führt kein Weg daran vorbei, daß es zur gültigen Strategie der flexiblen Antwort derzeit keine bessere Alternative gibt. ({8}) Hier stimmt die Bundesregierung mit den Feststellungen des Verteidigungsausschusses überein. Ich sage noch einmal: Diese Bündnisstrategie, die wir im Augenblick haben, hat eine Erfolgsbilanz ohnegleichen aufzuweisen. Manchmal meint man wirklich: Gerade weil sie so viele Erfolge gehabt hat, macht das einige übermütig, und sie hätten sie am liebsten über Bord geworfen. Aber so einfach geht das nicht. Diese Strategie setzt auf das Vernunftkalkül. Sie versucht, den Krieg zu verhindern, um politische Konflikte durch friedlichen Ausgleich zu lösen. So bleibt es unser vorrangiges, Ziel, die nuklearen und konventionellen Potentiale beider Seiten gleichwertig und kontrolliert zu vermindern und damit das Gleichgewicht mit sehr viel weniger Waffen zu stabilisieren. Kollege Scheer, ich habe aufmerksam zugehört. ({9}) - Ich denke, das ist eine Selbstverständlichkeit. Gelegentlich darf man aber auch Selbstverständlichkeiten sagen, lieber Herr Kollege. Sie sagten zunächst einmal, die NATO habe keine Schwerpunkte in dieser Strategie der flexiblen Antwort gesetzt. Das ist völlig falsch. Diese Schwerpunkte werde ich anschließend aufzeigen. Sie haben eine weitere Sache behauptet, die einfach nicht zutrifft. Sie haben gesagt: Es werden pausenlos Neutronenwaffen produziert. Das mag sein, aber dann in der Sowjetunion. Die amerikanische Regierung hat beim Kongreß bis jetzt noch nicht einmal die Mittel beantragt, um Neutronenwaffen zu produzieren, geschweige denn, daß sie diese etwa hier in Europa stationieren wollte. Ich habe mich dessen vergewissert, bevor ich Ihnen diese Antwort gab. ({10}) - Sie müssen es zur Kenntnis nehmen. Sie werden es zur Kenntnis nehmen, da ich annehme, daß Sie an den Realitäten nicht vorbeikönnen. Sie haben gesagt, SDI und die Diskussion um SDI habe die Strategie der flexiblen Antwort programmatisch beerdigt. Mit Verlaub gesagt: Das ist eine Behauptung, die jeglicher Grundlage entbehrt. Auch die glühendsten Verfechter von SDI behaupten nicht, daß die Forschungsanstrengungen vor 10, 15 Jahren zu einem Ergebnis führen könnten, so daß frühestens in 15 Jahren überhaupt die Frage auftaucht, ob man solche Systeme stationieren müsse oder könne. ({11}) Selbst die glühendsten Verfechter von SDI lassen keinen Zweifel daran - jedenfalls der amerikanische Präsident und der amerikanische Verteidigungsminister -, daß selbstverständlich die geltende Strategie der flexiblen Antwort in Kraft bleibt, solange keine bessere Strategie verfügbar ist. Das ist die Auffassung der Bundesregierung, und das ist die Auffassung der NATO, wie sie die Außenminister und vor wenigen Wochen die Verteidigungsminister noch einmal bekräftigt haben. ({12}) - Herr Kollege Scheer, ich komme jetzt in Zeitknappheit; es sei denn, der Präsident ist so entgegenkommend, mir ein weiteres Mal Gnade zuteil werden zu lassen.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Bundesminister, wenn die Frage kurz formuliert ist und die Antwort auch entsprechend kurz ist, dann will ich das tun. Ich muß das Haus aber darauf aufmerksam machen, daß eine gewisse Selbstbeschränkung erforderlich ist, wenn wir unseren Zeitplan einhalten wollen. Herr Abgeordneter.

Dr. Hermann Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich frage: Sind die von Ihnen früher geäußerten Bedenken wegen der strategischen Verwerfungen durch dieses SDI gegenstandslos geworden?

Dr. Manfred Wörner (Minister:in)

Politiker ID: 11002547

Kollege Scheer, mein Standpunkt zu SDI deckt sich mit dem der Regierung. Und die Regierung beschäftigt sich im Augenblick ({0}) mit den Forschungsanstrengungen. Der Bundeskanzler hat hier eindeutig klargestellt, ({1}) daß ein Urteil über Stationierung oder Nichtstationierung solcher Systeme und auch ein Urteil über strategische Vor- und Nachteile solcher Systeme erst möglich ist, wenn wir wissen, was aus diesen Forschungsanstrengungen herausgekommen ist. Deswegen - ich sage das etwas ironisch - bewundere ich die Sozialdemokratie, die, bevor sie weiß, was aus diesen Forschungsanstrengungen herausgekommen ist, bereits ein apodiktisches Nein gesagt hat. Wir sagen kein apodiktisches Nein. Wir sagen ja zu den Forschungsanstrengungen, aber wir behalten uns unser Urteil über die Stationierung solcher Systeme bis zu einem Zeitpunkt vor, wo wir strategisch wie politisch alle Konsequenzen durchschauen können. ({2}) Ich sage, die Strategie der flexiblen Antwort ist wie jede Strategie dynamischer Art. Und das heißt, sie muß weiterentwickelt werden. Genau das geschieht auf Betreiben der Bundesregierung, einmal durch eine Verstärkung unserer konventionellen Verteidigungsfähigkeit, mit der Absicht, uns vom Zwang zum frühzeitigen nuklearen Ersteinsatz zu befreien, und zum zweiten durch einseitige Reduzierung, Umstrukturierung und Modernisierung unseres taktischen Nuklearpotentials, das damit auf das zur Abschreckung wie Verteidigung notwendige Minimum reduziert wird. Dabei weist die Tendenz sehr klar auf die Reduzierung nuklearer Gefechtsfeldwaffen zugunsten weiterreichender Nuklearwaffen hin. Dies liegt eindeutig im Interesse der Bundesregierung und im Interesse der Kriegsverhinderung. Jetzt möchte ich auf etwas aufmerksam machen, was in der Diskussion draußen immer mehr übersehen wird und was auch Sie von der SPD offensichtlich nicht hinreichend bedenken: Die NATO leistet in Europa bereits jetzt einen entscheidenden Beitrag zur Vertrauensbildung. Ich sage, sie leistet, ohne Übertreibung, den entscheidendsten Vertrauensbeitrag als Vorleistung, den man überhaupt leisten kann. Unsere Streitkräfte in Europa sind bereits heute konventionell und nuklear so ausgerüstet, ausgebildet, zahlenmäßig begrenzt und ihre Logistik aufgebaut, daß sie zu einem Angriff außerstande sind, selbst wenn irgendein Verrückter das wollte. Keiner, jedenfalls in der Bundesrepublik Deutschland, will es. Ich sehe auch sonst im Westen niemanden, der das wollte. Aber selbst wenn es gewollt würde, es ginge nicht. Die Streitkräfte der NATO sind außerstande zum Angriff. ({3}) Und jetzt schauen wir auf den Warschauer Pakt. Sein Rüstungspotential, seine Streitkräfte sind so ausgelegt und ausgerüstet, daß sie, weit über die eigenen Sicherheitsbedürfnisse hinaus, zu einem Angriff auf die NATO befähigt sind. Jetzt kommt die Konsequenz - die sollte gelegentlich ausgesprochen und mitbedacht werden -: Würde der Warschauer Pakt genau das tun, was die NATO in Mitteleuropa bereits getan hat, d. h. seine Streitkräfte in Logistik, Ausbildung, Ausrüstung, Zahlenstärke so zuschneiden, daß sie zu einem Angriff außerstande wären, hätten wir jedes Risiko für den Frieden beseitigt; wir hätten die Vertrauensbildung schlechthin. ({4}) Herr Scheer, Sie haben heute den Begriff der strukturellen Nichtangriffsfähigkeit nicht wieder verwandt. Sie haben ähnliches gemeint. Sie haben es angedeutet. Die Streitkräfte der NATO sind strukturell nicht angriffsfähig. Ich wollte, die Streitkräfte des Warschauer Pakts wären das auch. Dann brauchten wir uns keine Gedanken mehr zu machen. Dann wäre der Frieden in Europa sicher. ({5}) Bei uns sind die Prioritäten bei der Verstärkung konventioneller Verteidigung klar. Erst die Abwehr der ersten Staffel, dann die Ergänzung durch gleichzeitige und angemessene Bekämpfung nachfolgender Kräfte des Warschauer Pakts. Das hat nichts mit Vorwärtsverteidigung zu tun. ({6}) - Wenn man sich nach Ihnen richten würde, lieber und verehrter Kollege von den GRÜNEN, dann wäre in der Tat nicht nur nichts zu verteidigen, sondern dann hätten wir längst unsere Freiheit eingebüßt und könnten uns so frei in diesem Hause nicht mehr unterhalten. ({7}) Was Sie vorschlagen, ist der freiwillige Marsch in die Unterwerfung. Wir haben unsere Freiheit kostbar genug errungen. Wir wollen sie nicht wieder preisgeben. Deswegen verteidigen wir uns. ({8}) Ich sage noch einmal: Wir wollen die nachfolgenden Staffeln bekämpfen, und zwar deswegen, damit ein Angreifer nicht davon ausgehen kann, daß sein eigenes Territorium Sanktuarium bleibt, damit er nicht davon ausgehen kann, daß er einen Angriff allein auf den Schultern des Angegriffenen und seiner Bevölkerung austragen kann. Aus diesem Grunde sind im übrigen auch alle Vorstellungen über Raumverteidigung, auch wenn man sie mischt mit anderen Vorstellungen, untauglich; denn Raumverteidigung heißt, man läßt den Gegner ins eigene Land kommen, verzichtet auf Kräfte, die ihn wieder herauswerfen könnten. Das heißt, man sagt ihm: Du darfst angreifen, das einzige Risiko ist, daß du eines Tages stehenbleiben mußt. Das heißt: Für mich ist es Untergang, Besetzung, Verlust der Freiheit, Verlust der Existenz, für dich ist es bloß die Frage nach Sieg oder Stehenbleiben. Was ist das für eine Strategie? - Das ist eine Kriegsführungsstrategie und keine Kriegsverhinderungsstrategie. Genau deswegen machen wir sie - jedenfalls von der Bundesregierung aus - nicht mit. Alle alternativen Vorstellungen, die auf eine Raum- bzw. raumdeckende Verteidigung und auf das Auskämpfen eines langdauernden Krieges auf unserem Territorium hinauslaufen, sind Schlichtweg mit deutschem Interesse nicht zu vereinbaren. Auf der nationalen Ebene stellt die Bundeswehrplanung diese Prioritäten sicher. Wir werden darüber im Laufe dieses Jahres ja noch diskutieren. Ich möchte noch auf einen Gedanken eingehen, den man gelegentlich als alternative Vorstellung bezeichnet hat. Der Kollege Scheer hat ihn heute wieder angedeutet. Ich schicke noch einmal voraus, wir dürfen nicht vergessen, daß glaubwürdige Abschreckung gegenüber dem auch nuklear hochgerüsteten Warschauer Pakt durch konventionelle Mittel alleine nicht sichergestellt werden kann. Erst die Verkoppelung von konventionellen und nuklearen Potentialen und Optionen hat den Krieg seiner geschichtlichen Funktion als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln beraubt. Deswegen, lieber Kollege Scheer, sind alle Überlegungen realitätsfern und nicht mit unserem deutschen Interesse vereinbar, die die NATO-Triade - strategisch-nuklear, taktisch-nuklear, konventionell - durch das Auflösen des mittleren Elements der nuklearen Kurz- und Mittelstreckenwaffen zu einer Dyade verkümmern lassen. Es ist gerade das mittlere Element dieser Triade, das die geostrategische und militärstrategische Einheit der Allianz verdeutlicht und zur politischen wie strategischen Ankoppelung - das eine ist so wichtig wie das andere - des amerikanischen Potentials entscheidend beiträgt. Stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn Sie dieses mittlere Element herauslösten. Sie müßten dann im Konfliktfall, scheiterten die konventionellen Mittel, sofort auf die nuklearstrategische Ebene ausweichen; und dies in einem Zeitalter strategischer Parität, die Sie und ich j a beibehalten wollen. Das hieße im Grunde genommen, daß Sie nach kurzer Zeit oder nach längerer Zeit - je mehr oder je weniger Sie sich konventionell verteidigen können - vor der Alternative Kapitulation oder Vernichtung stünden. Das ist keine Strategie. Das ist vor allen Dingen keine Strategie der Abschreckung und keine Strategie, die Ihnen Krisenstabilität gibt. Da wir alle denken - jedenfalls denke ich es -, daß wir den Krieg verhindern können, kommt es mir darauf an, eine Strategie so auszulegen, daß sie die Bundesrepublik Deutschland auch in einer Krise handlungsfähig hält und die Sicherheit unserer Menschen auch von der Wahrnehmung her gewährleistet. ({9}) Ich sage also: Das, was ich heute an Überlegungen von Ihnen gehört habe, hat mich nicht überzeugt - und ich denke, das hat sich auch begründen lassen -, daß es besser geeignet wäre als die gegenwärtige Strategie in der Weiterentwicklung, die wir beabsichtigen, unseren Frieden zu sichern und die Freiheit zu erhalten. Ganz abgesehen davon - und ich sage das unpolemisch, weil die ganze Debatte unpolemisch war, was ich sehr dankbar reBundesminister Dr. Wörner gistriere -, bin ich auch noch nicht sicher, daß das, was Sie hier gesagt haben, die Auffassung der SPD als solcher ist; denn ich höre sehr viele und sehr unterschiedliche Stimmen über die strategischen Vorstellungen der SPD. ({10}) Nun haben Sie vieles auch so allgemein gesagt, daß man sich auch gar nicht konkret damit auseinandersetzen kann. Wenn Sie etwa von einer Mischung der Raumelemente mit den Elementen der Vorneverteidigung reden, kann ich mich damit, solange ich nicht weiß, was das in Strukturelementen bedeutet, beim besten Willen nicht auseinandersetzen. Ein Letztes. Ich glaube, wir alle haben die Pflicht, gerade bei der Friedensdiskussion unserer Tage eines wieder stärker in Erinnerung zu rufen, das häufig genug überschlagen oder verdrängt wird. Sie hören es nicht zum erstenmal von mir, und ich werde das wieder und wieder in Debatten dieser Art sagen, weil es mich wieder zum Ausgangspunkt zurückführt, nämlich zur Frage: Wo entstehen letztlich Kriege? Das ist der unlösbare Zusammenhang zwischen Frieden und Freiheit. Die tiefste Ursache des Unfriedens liegt in der Unfreiheit und im Unrecht. ({11}) - Genau dort liegt sie eben nicht. Wenn Sie ein bißchen länger nachdenken würden, dann würden Sie das endlich auch kapieren. ({12}) Wo sich Menschen und Völker frei begegnen können, ist friedliche Verständigung leichter möglich. Das haben wir doch mit Frankreich gezeigt. ({13}) Mauer - auch wenn es Ihnen nicht paßt, ich werde nicht aufhören, das zu sagen -, Stacheldraht und Schießbefehl sind mit Frieden, Aussöhnung und Verständigung nicht vereinbar. ({14}) Wer den Frieden dauerhaft sichern will, der muß Grenzen durchlässiger machen, muß Menschen zueinanderführen und menschliche Freiheiten ausweiten. Das ist das Ziel und die Perspektive unserer Friedenspolitik. ({15}) Nur so hat Friedenspolitik überhaupt eine Chance. Militärische Macht muß eingegrenzt werden. Wir sind zu jeder Rüstungskontrollmaßnahme, zu jedem gleichgewichtigen Herabfahren der Potentiale nicht nur bereit, wir wollen das! ({16}) Aber, meine Damen und Herren, wir wollen den Frieden auch dauerhaft sichern, und das heißt, wir wollen, daß die Menschen in Ost und West sich frei begegnen, sich ihrer Freiheiten und der Menschenrechte erfreuen können. ({17}) Dann und nur dann wird es Frieden auf Dauer und eine Friedensordnung geben, die diesen Namen verdient. ({18})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horn.

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ronneburger, ich habe mit Interesse Ihren Ausführungen hier zugehört - selbstverständlich auch den Ausführungen der anderen Kollegen - und darf diese zum Anlaß nehmen, zu Beginn einige Bemerkungen zu machen, und zwar unpolemisch, denn die heutige Debatte ist so abgelaufen, wie sie der Minister in dieser Hinsicht auch beschrieben hat. Ich will zwar klar zur Sache sprechen und mich auch dieses Stiles befleißigen. Aber wir müssen hier auch Unterschiede sichtbar machen oder gegebenenfalls auch Lücken aufarbeiten, wenn sie vorliegen. Ich finde, Herr Kollege Ronneburger, erstens, daß Ihr eigentlicher Adressat - ohne Polemik gesprochen - mehr die Kollegen der Union gewesen sind als die Sozialdemokraten. Zum zweiten, Herr Kollege Ronneburger: Ihre eigentliche Lücke sehe ich darin, daß Sie zwar das beschworen haben, worin wir uns einig sind, aber das weggelassen haben, was innerhalb einer solchen Diskussion über alternative Strategien der Klärung bedarf. Ich habe - das muß ich Ihnen sagen - eine Aussage von Ihnen als dem Sprecher der Liberalen über die nuklearen Gefechtsfeldwaffen und ihre Rolle vermißt. Das muß in einem solchen Zusammenhang dargestellt werden. Ich habe bei Ihnen eine Darstellung über die Rolle der chemischen, und hier insbesondere der binären Waffen vermißt. Das hat ja eine große Rolle auch bei uns innerhalb des Hearings gespielt. Da haben ja konservative Leute wie beispielsweise General a. D. Domroese eine sehr deutliche und eine sehr klare Aussage gemacht. Ich habe bei Ihnen, Herr Kollege Ronneburger, eine Aussage über die integrierte Kampfführung, d. h. über einen Waffenmix, vermißt und - ich will nur das Stichwort geben - über die Frage Air/Land-Battle und über andere Punkte, wo wir herausgefordert sind zu entsprechenden Stellungnahmen.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ronneburger?

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber selbstverständlich: Wenn ich den Kollegen Ronneburger anspreche, muß er auch eine Chance haben, das entweder zu berichtigen oder eine Zwischenfrage zustellen.

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sind Sie bereit, Herr Kollege Horn, sich daran zu erinnern, daß die FDP-Fraktion und auch ich bereits mehrfach - auch in diesem Hause - den Abzug der nuklearen Gefechtsfeld10626 waffen und ebenso eine Beseitigung der chemischen Waffen als eine der Grundforderungen meiner Partei gefordert haben, so daß es unter Umständen auch nicht nötig war, dies heute noch einmal anzusprechen?

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Ronneburger. Da es genau nicht um Rechthaberei, sondern um Positionsbeschreibungen geht, nehme ich das ausgesprochen dankbar zur Kenntnis. Aber ich finde, gerade innerhalb einer solchen Diskussion gehört es einfach doch in die Darstellung hinein. Da hinein gehört auch, Herr Kollege Ronneburger, daß es in Lissabon nicht so harmonisch war, wie Sie das dargestellt haben. Mein Gott, es hat j a Belastungen im Bündnis gegeben, und es hat Belastungen zwischen den Europäern und den Amerikanern und noch einmal innerhalb der Europäer selber gegeben. Das wissen Sie doch. Sie wissen doch, daß unser Verhältnis zu Frankreich deprimierend geworden ist. Es ist doch ganz und gar keine Schwarzmalerei von Horn, wenn ich dies darstelle, denn Ihr Außenminister war es doch - von Ihrer Partei gestellt -, der draußen die Besorgnisse, die ich darstelle, am stärksten zum Ausdruck gebracht hat und die dann auch über die Presse gegangen sind. ({0}) Ich möchte noch einen Hinweis geben: Ich bedauere, daß man einfach so tut, als wäre gewissermaßen alles beim alten geblieben. Das gilt sowohl an die Adresse des Herrn Kollegen Ronneburger als auch an die Adresse des Verteidigungsministers. Mein Gott, haben wir denn eigentlich in den letzten Monaten alles mißverstanden, haben wir denn alles mißverstanden seit der Zeit der internationalen Wehrkundetagung in München? Da ist doch der Kern der Strategie der Abschreckung im Grundsatz geändert worden. Wenn - das ist doch nicht Erwin Horn - der amerikanische Präsident gesagt hat, MAD muß durch MAS ersetzt werden, nämlich „mutual assured destruction" durch „mutual assured survival" bedeutet dies ganz eindeutig, daß unsere Führungsmacht im Westen im Übergang zu einer neuen Strategie ist. Das muß man doch sehen. ({1}) - Darüber können wir natürlich sprechen. Herr Kollege Ronneburger, das ist gar keine Frage. Das ist ganz selbstverständlich. Ich werde darauf nachher noch einmal in einem anderen Zusammenhang zurückkommen. Aber nur eines: Wir können uns doch nicht aus dieser Debatte ausklinken, sondern müssen sehr sorgsam aufnehmen, was sich gerade seitens der Weltmächte vollzieht.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Berger?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Horn, habe ich Sie dann richtig verstanden, daß Ihnen MAD, „mutual assured destruction", wichtiger und lieber wäre?

Erwin Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000958, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich kann diese Frage - nehmen Sie mir das nicht übel - nur als entweder polemisch oder von Ihrer Seite intellektuell einfach nicht verstanden betrachten. Darauf will ich wirklich keine Ausführungen machen. Wir leben jedenfalls unter der Bedingung der „mutual assured destruction", das wissen Sie ganz genau. Sie wissen auch ganz genau, daß das die Theorie der Abschreckung ist. Sie wissen ganz genau, daß das, was der Präsident hier sagt, eben der Übergang ist. ({0}) Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, Nachdenken über diese Änderungen, die ich hier darstellte, und über mögliche alternative Verteidigungskonzepte bedeutet doch nicht ein Abweichen von der reinen Lehre oder gar eine Loslösung vom Bündnis. Es muß doch klar sein: Nicht die Bestandsaufnahme der Sozialdemokraten, sondern die Strategische Verteidigungsinitiative des amerikanischen Präsidenten stellt die Strategie der flexiblen Reaktion auf den Kopf und in Frage. Herr Dr. Wörner, Sie haben völlig zu Recht gesagt: Ein Herauslösen einer - und hier der mittleren - Komponente der Triade kann gefährlich sein und ist einfach in der jetzigen Situation nicht hinnehmbar. Aber ein Herauslösen der zentral-strategischen Nuklearwaffen der USA aus den möglichen militärischen Reaktionsarten der NATO macht nicht nur aus der Triade von Direktverteidigung, vorbedachter Eskalation und allgemeiner nuklearer Reaktion gegen das strategische Potential eines Angreifers eine auf Westeuropa zurückgeworfene Dyade - um Ihren Begriff aufzunehmen, Herr Dr. Wörner -, sondern nimmt dann auch der Bündnisstrategie ihr stärkstes Mittel, ihr eigentliches Rückgrat. Der amerikanische Präsident hatte seinen Vorschlag mit deutlicher Kritik an den Grundannahmen und Mitteln des bestehenden Sicherheitssystems verbunden. Auch wenn er für eine Übergangszeit die Notwendigkeit der Beibehaltung der derzeitigen Abschreckungsmittel betont, so hat er doch zugleich Atomraketen einen offensiven Charakter beigemessen und sie deshalb als gefährlich und destabilisierend bezeichnet. Der deutsche Verteidigungsminister hat zumindest die SDI-Interessen des amerikanischen Präsidenten und die Hartnäckigkeit seines Kollegen Weinberger stark unterschätzt. Herr Dr. Wörner wurde vom beachtlichen SDI-Kritiker von Cesme, dem wir alle Beifall gezollt haben, zu einem SDI-Befürworter hier in Bonn. Heute, Herr Dr. Wörner, sitzen Sie hinter Ihrem Regierungschef auf dem Weltraumrüstungszug, und Sie beginnen, über den Preis dieser Fahrkarte nachzudenken. Meine Damen und Herren, es ist eine Illusion, anzunehmen, die Westeuropäer könnten an der technologischen Forschung dieses Programms teilnehmen, ohne die militärische VerantHorn wortung, Konsequenzen und Lasten mittragen zu müssen. Herr Kollege Ronneburger, Sie sprachen über den Wandel der Strategien. Herr Minister, ich war ein bißchen betrübt, als Sie wieder exakt an diesem Punkt den Sozialdemokraten eine Unterstellung zuteil werden ließen, die einfach nicht zutrifft. Warum hatten wir denn eigentlich dieses Hearing? Weil die öffentliche Strategiediskussion uns gewissermaßen dazu gezwungen hat, weil die Akzeptanzdiskussion öffentlich schon lange vorhanden war. Einer, der gerade die Akzeptanzdiskussion sehr stark vorangebracht hat, war doch Ihr Parteifreund Professor Biedenkopf. Es ist genau nicht so, wie Sie es den Sozialdemokraten hier unterstellen. Es war Egon Bahr, der bei vielen sonst vorhandenen Übereinstimmungen mit Professor Biedenkopf ganz klar gesagt hat: Das Strategiedenken ist im Wandel; wir aber als Sozialdemokraten bestehen auf der Gültigkeit der bestehenden Strategie, solange wir keine bessere haben. Wie in den 60er Jahren, beim Übergang von der massiven Vergeltung zur „flexible response" wird am Ende des Weltraumrüstungsprozesses eine neue Ausformung der Strategie stehen. Herr Kollege Ronneburger, damals waren es fortschrittliche Amerikaner wie General Maxwell Taylor mit seinem Buch „The Uncertain Trumpet" und der deutsche Sozialdemokrat Helmut Schmidt mit seinem Buch „Verteidigung oder Vergeltung", die sich für eine neue, tragfähige Strategie des Bündnisses einsetzten. Inzwischen wollen die USA wieder aus ihrer existentiellen Garantiefunktion für Europa heraus. Sie wollen nicht New York, Chicago für London oder Paris, geschweige denn für Bonn riskieren. Genau dies sagte Henry Kissinger schon im September 1980 in Brüssel. Exakt dies ist doch das Rational für den Vorschlag einer neuen Strategie von Fred Iklé und für den Vorschlag einer Strukturänderung der NATO von Kissinger. Helmut Schmidt sagte lakonisch dazu: Kissinger trifft ins Schwarze. Aber Veränderungen gibt es ja nicht nur auf der obersten Stufe der strategischen Triade: Durch die neuen Pershing und Marschflugkörper der NATO ist es möglich, die Sowjetunion mit amerikanischen Waffen von Westeuropa aus zu erreichen. Dadurch wurde eine neue strategische Qualität geschaffen, die jedoch die Garantiefunktion der zentral-strategischen Nuklearwaffen der USA im Rahmen der allgemeinen nuklearen Reaktion der NATO nicht ersetzen kann. Der mit dem Beschluß von Montebello beschrittene Weg, nicht nur 1 400 amerikanische nukleare Gefechtsköpfe aus Europa zurückzuziehen, sondern die verbleibenden Gefechtsköpfe auch zu modernisieren und dafür mehr Einsatzmittel - moderne Rohrartillerie - bereitzustellen, ist - ich gebe das zu - verführerisch, geht aber in die falsche Richtung. Die nuklearfähige Rohrartillerie ist ja nicht nur Einsatzmittel, sondern bildet zugleich auch viele Ziele. So wird auf deutschem Boden einerseits das geschaffen, was die USA mit dem sogenannten „Shell Game" - dem Schaffen vieler Ziele, von denen nur wenige nuklear bestückt sind - für die MX-Rakete auf ihrem Territorium abgelehnt haben. Andererseits wird eine Fähigkeit zum massiven Einsatz von nuklearen Gefechtswaffen hergestellt, und der amerikanische Kongreß muß sich noch entscheiden, ob hierfür noch Neutronenwaffen produziert werden sollen. Die deutschen Sozialdemokraten warnen vor einem solchen Schritt. Wir werden uns dem entschieden widersetzen. Wir fordern eine drastische Reduzierung und Abschaffung der nuklearen Gefechtsfeldwaffen. Statt dessen treten wir für eine Stärkung der konventionellen Kräfte der Vorneverteidigung ein, ohne jedoch auf die Sicherheitsgarantien der nuklearen Mächte des Bündnisses zu verzichten. ({1}) - Herr Kollege, ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber die Zeit läuft mir jetzt davon. Ich habe bereits fünf Fragen zugelassen. Herr Vorsitzender, ich bitte um Verständnis. Beachtlich sind auch die Qualitäten der neuen Waffentechnologien. Darauf beruhende Konzepte wie „Air/Land-Battle 2000" mit dem Übergang zum offensiven wie defensiven Bewegungskrieg in Mitteleuropa wurden sowohl von den Experten des Hearings als auch von uns eindeutig zurückgewiesen. Es kann keine gesellschaftliche Akzeptanz für ein strategisches Konzept geben, das vom integrierten Einsatz nuklearer, chemischer und konventioneller Waffen ausgeht, das keine Zeit für bündnispolitische Konsultationen läßt und zugleich offensive Heeresoperationen von deutschem Boden aus vorsieht. Meine sehr verehrten Damen und Herren: Ich möchte jetzt die Frage stellen, was wir angesichts dieser Situation tun sollen. Erstens. Es ist alles zu unterlassen, was die USA darin bestärken kann, der Strategie der flexiblen Reaktion das Rückgrat zu nehmen. SDI kann deshalb keine Unterstützung finden. Die zentral-strategischen Systeme der USA müssen weiterhin für die Sicherheit Europas zur Verfügung stehen. Zweitens. Frankreich, dessen Regierung und Opposition sich gerade verstärkt ihrer europäischen Aufgabe bewußt werden, muß in seiner Mitverantwortung für die Sicherheit Europas bestärkt werden. Drittens und letztens. Wir müssen in der Verteidigungspolitik unser eigenes Haus in Ordnung bringen. Die Bundeswehrplanung halte ich nicht für ein Musterbeispiel. Meine sehr verehrten Damen und Herren, SDI ist eine Herausforderung für uns alle. Es ist allerdings auch eine Chance für Europa. Hoffentlich vertun wir sie nicht. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Wimmer ({0}).

Willy Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem der Kollege Horn gerade bemerkenswerte Sätze von sich gegeben hat, die ich in weiten Teilen unterstreichen kann - vor allen Dingen: weiterer Ausbau konventioneller Komponenten, SDI als eine Chance -, ({0}) muß ich hier natürlich feststellen, daß sich die Position, die er hier vorgetragen hat, diametral von der Position des Kollegen Klejdzinski und mit Sicherheit auch von der des Kollegen Scheer unterscheidet. Diese Divergenz sozialdemokratischer Auffassungen unterscheidet sich essentiell ({1}) von der klaren Linie unserer Verteidigungspolitik. ({2}) Die Verteidigungspolitik der Union ist klar in ihren Linien und zweifelsfrei. Sie bedarf keiner alternativen Strategien. Verteidigung ist für uns ein vorrangiges Element in der Gesamtkonzeption gesicherter Friedenspolitik. ({3}) Gesicherte Friedenspolitik ist dabei für uns die Gewährleistung einer eigenen Verteidigungsfähigkeit bei gleichzeitiger Dialog- und Verhandlungsfähigkeit mit dem Osten. ({4}) Das war auch weitgehend das Konzept der SPD als Regierungspartei. Leider setzt sie als Opposition - das haben ihre Beiträge heute deutlich gemacht - andere Schwerpunkte. Verteidigung erfährt bei ihr vor allem aus dem Streben nach Abrüstung ihre Rechtfertigung. Nachdem aber Abrüstung nicht mehr als ausreichend wirksames Vehikel zum einseitigen Abbau des Verteidigungspotentials durchsetzbar ist, wird die Prüfung alternativer Strategien leider zunehmend als eine Art Abrüstungsersatz benutzt, um gerade die für einen potentiellen Gegner wirksame Verteidigung zu diskriminieren. ({5}) Dem gilt es entgegenzuwirken. Das ist unsere Position. Angesichts solcher von der SPD vertretener extremer Positionen ist es dennoch zu begrüßen - das macht den ganzen Zwiespalt der SPD deutlich -, daß die Beschlußempfehlung und der Änderungsantrag der SPD-Fraktion zumindest für einige Elemente eine Grundlage für einen breiten politischen Konsens in der Verteidigungspolitik offenhalten. Allerdings hat die jüngste Moskaureise des SPD-Vorsitzenden den sicherheitspolitischen Unterschied zwischen Koalition und Opposition erneut offengelegt. ({6}) Danach bleibt die sozialdemokratische Verteidigungspolitik in das Konzept der Sicherheitspartnerschaft und entsprechender kooperativer Vereinbarungen mit der Sowjetunion eingebettet, einer Partnerschaft wohlgemerkt, die, wie Alois Mertes es in den USA demonstrierte, für Deutsche nur innerhalb der westlichen Gemeinschaft wünschenswert ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter Wimmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jungmann? - Bitte schön.

Horst Jungmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Wimmer, ich würde Sie gerne fragen, was Sie in diesem Zusammenhang von dem Satz des Bundespräsidenten auf dem Kirchentag halten, man solle nicht immer der einen Seite nur das böse und der anderen das gute Denken unterstellen. ({0})

Willy Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich unterstelle damit der sowjetischen Seite nichts. ({0}) Ich reagiere auf das, was Willy Brandt in Moskau gesagt hat. Das ist für uns der kritische Punkt. Sicherheitspartnerschaft mit der Sowjetunion bedeutet zwangsläufig Übernahme sowjetischer Sicherheitsforderungen in die deutsche Tagespolitik. ({1}) Beispiele dafür sind u. a. die im SPD-Antrag enthaltene Forderung - Herr Professor Ehmke - nach atomwaffenfreien Zonen in Europa oder auch die klare Ablehnung der Erforschung der Weltraumverteidigung, ({2}) obwohl die Sowjetunion auf beiden Gebieten vehemente Anstrengungen unternimmt. Seit etwa 16 bis 17 Jahren arbeitet die Sowjetunion an der ersten Generation eines Weltraumverteidigungssystems. Deshalb muß der politische Hintergrund falsch verstandener Sicherheitspartnerschaft in aller Klarheit offengelegt werden. Hier wird von der Sowjetunion keineswegs gleichwertige oder faire Partnerschaft geboten, sondern die Einordnung in eine sowjetische, gegen die USA und uns selbst gerichtete Antisicherheitsfront. Eine zweite allgemeine Erwägung steht dem möglichen Konsens zwischen Regierung und Opposition in strategischen Fragen im Wege. Ich meine den Mangel an jeglicher positiver Verteidigungsperspektive bei der SPD. ({3})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, jetzt nicht mehr. ({0}) Hierüber können in den Vordergrund geschobene theoretische Erörterungen über alternative StrukWimmer ({1}) turen und Gefechtsfeldoptionen nicht hinwegtäuschen. Die parlamentarische Opposition, Teile der SPD wie GRÜNE, teilen sich mit Anhängern verschiedener Bewegungen zunehmend die Skepsis gegenüber jeder nuklearen Abschreckung. ({2}) - Merkwürdigerweise, Herr Kollege Klejdzinski, sind es - genau wie Sie dieselben Leute, die vehement die weitere Gültigkeit des SALT-II-Abkommens fordern und damit logischerweise das nukleare Gleichgewicht des Schreckens, die nukleare Abschreckung fordern. Was wollen Sie - diese Frage stellen wir alle an Sie - denn eigentlich wirklich? ({3}) Bei Ihrer Position bleibt es unverständlich, daß bei der Opposition die bloße Untersuchung des Übergangs zu einer reinen defensiven Strategie ohne nukleare Waffen - ich meine die nach den Worten des Präsidentenberaters Keyworth sehr reale Möglichkeit der Raketenabwehr und Weltraumverteidigung - von vornherein ausgeschlossen wird. Diese Haltung kann nur als Spätfolge von Entspannungsillusionen und als Festhalten an vergangenen Verhandlungshoffnungen verstanden werden. Zu Fragen ist doch, mit welcher Berechtigung nach Jahrzehnten im wesentlichen ergebnisloser Abrüstungsverhandlungen heute ein Verhandlungserfolg erwartet werden kann, wenn der einzige Hebel zum Verhandlungserfolg aus der Hand gegeben wird. Welche Chancen würden sich nach einem neuen Verhandlungsjahrzehnt ergeben können, wenn die Sowjetunion zusätzlich zu der überlegenen Zahl an Raketen auch noch über eine einseitige Kapazität an Abwehrwaffen gegen nukleare Systeme verfügen würde? Was in den Verhandlungen mit der UdSSR zählt, ist das Prinzip des do ut des. Grundlage einer Gesamtstrategie muß deshalb das von den Sozialdemokraten leider aufgegebene Prinzip des Kräfte- gleichgewichts bleiben. Die gegenwärtige sozialdemokratische Kombination von Forderungen nach substantieller nuklearer Abrüstung bei gleichzeitiger Ablehnung des Übergangs zu nichtnuklearer strategischer Verteidigung ist der sichere Weg in eine strategische Sackgasse. ({4}) Die falsche sicherheitspolitische Gesamteinschätzung der Sozialdemokraten spiegelt sich in der Bewertung des Ergebnisses der Anhörung zu alternativen Strategien getreulich wider. Bedenken bestehen schon gegen eine allgemeine Prämisse, es sei eine Reform der Verteidigungsdoktrinen und der Verteidigungsstrukturen notwendig. Die Bundeswehr wird in ihrer gegenwärtigen Struktur der Bedrohung gerecht. Sie ist in die Bündnisstrategie der flexiblen Reaktion integriert und zwangsläufig in die Strukturen der verbündeten Streitkräfte eingebunden. Diese Strukturharmonie gilt für alle Teilstreitkräfte. ({5}) - Mit Sicherheit. Deswegen sind alternative Überlegungen für die Veränderung einer dreistufigen flexiblen Antwort nur dazu angetan, die politische Erpreßbarkeit durch einen Gegner zu erleichtern, der gerade dabei ist, die gesamte Breite des nuklearen Spektrums ({6}) global durch Probeschüsse der SS-18 aus Einsatzstellungen der Delta-U-Boote und durch Einführung weiterer nuklearer Waffen in der DDR auszubauen. Das gemeinsame Ziel der Anhebung der nuklearen Schwelle kann durch Infragestellen der gegenwärtigen Struktur keinesfalls gefördert werden. Als besondes bedenkliche Elemente falscher Alternativen, auf die die SPD in ihrem Antrag leider verweist, sind u. a. zu nennen: Erstens. Überlegungen zum Verzicht auf Atomwaffen in Westeuropa, die sich mit Sicherheit nicht nur in atomwaffenfreien Zonen äußern. Dadurch würde die konventionelle Überlegenheit des Ostens noch zusätzlich an Gewicht gewinnen. ({7}) Zweitens. Die Befürwortung der Raumverteidigung an Stelle weitreichender ballistischer Waffen. Hierdurch würde statt Einführung moderner konventioneller Waffentechnik das Risiko eines Gegners für sein eigenes Land und in seinem eigenen Land gemindert; ein Sanktuarium würde ihm signalisiert. Drittens. Vor allem sind Zweifel am Bedrohungspotential des Warschauer Paktes ohne Bezug zur Realität. Der Osten hat den Westen nicht nur im gesamten konventionellen Waffenspektrum an Zahlen weit überholt, sondern auch qualitativ weitgehend gleichgezogen. Viertens. Die genannten negativen Elemente sozialdemokratischer Bewertung alternativer Strategien wirken dem allgemeinen Anliegen der Stärkung der konventionellen Kampfkraft entgegen und tragen mit zu einer Perspektivlosigkeit der Verteidigung bei. Fünftens. Statt fragliche alternative Elemente in der Verteidigung aufzuspüren, ist deshalb eine Konzentration darauf geboten, wie die in drei Jahrzehnten auch mit Hilfe sozialdemokratischer Verteidigungsminister wie Helmut Schmidt und Georg Leber gewachsene Bundeswehr lebendig und effizient gehalten werden. ({8}) Wimmer ({9}) Die Aussichten und Rahmenbedingungen, Herr Kollege Horn, für eine solche Verteidigungspolitik sind nach wie vor gut. ({10}) Erstens. Die Planung der Bundeswehr ist erstmals durch Minister Dr. Wörner auf eine solide Basis gestellt, ({11}) die bis in die 90er Jahre reicht und eine kampfkräftige und hochmoderne Bundeswehr sichert. ({12}) Zweitens. Verstärkte Mittel für wehrtechnische Forschung gemäß dem Forschungs- und Technologiekonzept des Verteidigungsministers sichern wichtige Schlüsseltechnologien, die ein Einfrieren oder Veralten ({13}) der konventionellen Ausrüstung verhindern. Vor allem aber könnte die Beteiligung an dem amerikanischen Programm für Weltraumverteidigung einen wehrtechnischen Effekt entfalten. Dieses Projekt vermag Pionierleistungen zu mobilisieren. In den USA beteiligen sich bereits mehr als 800 Firmen an diesem zukunftsorientierten, technisch wie moralisch motivierten Verteidigungsprojekt. ({14}) Verteidigungsminister Hernu hat eine Art Generalstab für Weltraumverteidigung geschaffen. ({15}) Wenn wir uns immer auf unsere französischen Nachbarn beziehen, ist das mit Sicherheit für uns ein Indiz, daß der Übergang zu einer Verteidigungsstrategie ins dritte Jahrtausend auch von uns zumindest bedacht werden muß. ({16}) Dies ist der einzige und der eigentliche erkennbare qualitative Sprung in der Verteidigung. Ich fasse zusammen. Für uns Deutsche gilt es Schluß zu machen mit kleinlicher Kritik an der gegenwärtigen Verteidigungsstruktur, ({17}) mit mangelhafter Zuversicht oder krampfhafter Suche nach Alternativen.. ({18}) Stetiger Ausbau und kluge Anpassung unserer in 30 Jahren gewachsenen Verteidigungsstruktur an moderne Rahmenbedingungen muß die Leitidee sein. Jedes unruhige Streben nach alternativen Ansätzen diskreditiert im übrigen militärische Tradition. ({19}) Es untergräbt das Zutrauen in die eigene Führung, Kampfkraft, Bewaffnung und Verteidigungsmoral. Die Bundeswehr verfügt zumindest für das nächste Jahrzehnt über eine gesunde Struktur. ({20}) Eine so verstandene Verteidigungsperspektive entspricht auch echter, ethisch fundierter deutscher Soldatentradition. ({21}) Sie vermag dem Verteidigungsgedanken im Sinn der nationalen Selbstbehauptung neuen Auftrieb zu geben. ({22}) Ein solcher Übergang zur Verteidigung für das dritte Jahrtausend sollte auch uns Deutsche faszinieren. Sie stünde in vollem Einklang mit den historischen Leistungen deutscher Weltraumforscher. Gerade die Kombination technischer und moralischer Impulse ist darüber hinaus ein Zeichen deutscher Kulturtradition. Kultur, Tradition und Verteidigung müssen wieder als Einheit verstanden werden. ({23}) Nur so wird vermieden, daß Verteidigung als lästige Pflicht oder Hindernis auf dem Marsch in kollektive Wehrlosigkeit begriffen wird. ({24}) Sie muß - und das ist der Kern der Verteidigungspolitik der Union - die Säule der traditionellen und gesicherten Friedenspolitik bleiben, ({25}) die erst eine Verständigung mit der UdSSR und den Staaten des Warschauer Pakts ermöglicht. ({26})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Bülow.

Dr. Andreas Bülow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000299, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Union und der Verteidigungsminister führen der deutschen Offentlichkeit einmal mehr die nahezu makellose Qualität der westlichen Verteidigungsstrategie vor und versuchen jeden, der über Alternativen nachdenkt oder zu Alternativen hin drängt, als Sicherheitsbankrotteur, Landesverräter oder nützlichen Idioten Moskaus vorzuführen. ({0}) Nun hat sich der amerikanische Präsident unter die Kritiker der „flexible response" gesellt. Er hat die Abschreckung durch Massenvernichtungswaffen als moralisch verwerflich gegeißelt. So weit ist die deutsche Sozialdemokratie übrigens nie gegangen. Spätestens seit der amerikanische Präsident den Schleier vom Heiligtum der westlichen Strategie gezogen hat, wird doch auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der Union, das Nachdenken über die Fortentwicklung der Strategie des Bündnisses nicht nur erlaubt, sondern auch verlangt. ({1}) Also lassen Sie uns doch möglichst gemeinsam die Schwachpunkte erkennen und abstellen. Oder wollen Sie in Amerika denken lassen und dann SDI übernehmen? Man kann die Antworten zu SDI aus der reinen Logik und aus den Fakten, wie sie heute in der amerikanischen Diskussion auf dem Tisch liegen, herausfinden. Man muß nicht warten, bis Forschungsergebnisse bestätigen, daß das Ganze ein technologischer Wahn war. Wenn der Oberbefehlshaber der NATO, General Rogers, den Verbündeten und damit auch dem letzten Wehrpflichtigen der Bundeswehr erklärt, er sei im Fall eines konventionellen Angriffs der Warschauer-Pakt-Armeen nach spätestens vier Tagen gezwungen, als erster Nuklearwaffen einzusetzen, um der östlichen Übermacht Herr zu werden, dann kommt das schon in die Nähe einer Bankrotterklärung der westlichen Verteidigungsbemühungen. 70 % aller Amerikaner lehnen dabei nach Meinungsumfragen im Falle eines Krieges den Einsatz von Nuklearwaffen ab. Ähnliche Prozentsätze finden sich in Frankreich und auch in der Bundesrepublik. Selbst in der Bundeswehr sind weit über die Hälfte des Unteroffizierskorps und 35 % des Offizierskorps der Auffassung, daß der Einsatz von Atomwaffen im Kriegsfall nicht oder gar unter keinen Umständen zu rechtfertigen sei. Sie sehen also, daß die Vertrauenslücke der westlichen Strategie in der Bevölkerung und in den Streitkräften beachtlich ist. Es hat keinen Sinn, das unter den Tisch zu kehren. Vier Tage Widerstandsfähigkeit wären, wenn es denn stimmte - ich bin der Meinung, es stimmt nicht -, ein geradezu groteskes Ergebnis westlicher Verteidigungsbemühungen von mehreren Jahrzehnten. Dabei sind in der NATO alle wichtigen Industriestaaten des Westens militärisch verbündet. Dieses Bündnis hat nahezu die doppelte Bevölkerungszahl und die vier- bis siebenfache wirtschaftliche Leistungskraft im Rücken. Selbst an Soldaten ist die NATO dem Warschauer-Pakt überlegen oder nahezu gleich. Dennoch soll das Bündnis nicht in der Lage sein, dem für möglich erachteten Ansturm von Sowjets, unterstützt von Polen, Deutschen, Tschechen, Slowaken und Ungarn, nach Westeuropa länger als vier Tage konventionell standhalten zu können. Wir haben nun schon seit vier Jahrzehnten Frieden in Europa; eher zu beschreiben mit einer Art Waffenstillstand. Beide Seiten stehen sich hochgerüstet gegenüber. Es gibt keinen Erdteil in der Welt, in dem sich mitten in dichtest besiedeltem Land eine solche Ansammlung tödlicher Waffen befindet. ({2}) Wir tun auf beiden Seiten so, als müßten wir binnen Stunden in der Lage sein, uns mit konventionellen, atomaren oder chemischen Waffen überziehen zu können. Dabei sagen beide Seiten seit Jahrzehnten, daß sie einen Krieg in Europa nahezu um jeden Preis vermeiden wollen. Auch die östliche Seite will keinen Krieg. Selbst Herr Wörner hat das heute bestätigt. Niemand unterstellt der Sowjetunion für die vor uns liegende Zeit ernsthaft Angriffsabsichten. Warum dann aber um alles in der Welt ist es nicht möglich, den Frieden in Europa so zu organisieren, daß beide Seiten voreinander nicht mehr Angst haben müssen? Warum können denn nicht Teile der Massenheere auf beiden Seiten im Umfang zurückgeführt werden? Warum können wir nicht erhebliche Teile der Waffen, insbesondere der Nuklearwaffen auf ein Mindestmaß zurückführen? ({3}) - Sie sind erneut ein Beispiel für die selbstgerechte Verhaltensweise auf beiden Seiten. - Liegt es nicht auch in unserem Interesse, die Pulverfässer in Europa beiderseits der Blockgrenzen beiseite zu räumen, bevor Auseinandersetzungen in anderen Teilen der Welt auf Europa übergreifen und die Waffenlager in Bewegung oder in Brand setzen? Nun behaupten beide Seiten - die Debatte heute war wieder ein schlagender Beweis dafür - von sich in geradezu rührender Einfalt und mit sektenhafter Gläubigkeit, ({4}) ihre militärischen Anstrengungen dienten ausschließlich dem Frieden, und man sei sofort zur Abrüstung bereit, wenn nur der jeweils andere von seinem bösen Tun abließe. Kann es aber nicht doch sein - so müssen wir uns gemeinsam fragen -, daß es auch die Strategien beider Seiten sind, die für Friedlosigkeit, für Unruhe sorgen? ({5}) Bei der östlichen Seite ist das sicher das Fall. Wer sich wie die Sowjetunion auf Grund noch so berechtigter geschichtlicher Erfahrungen nicht wieder im eigenen Land verteidigen will, sondern nach einem Angriff in der Lage sein will, den Kampf sofort auf gegnerisches Gelände zu tragen, der ist geradezu gezwungen, unstabile, auch zum Angriff geeignete Strukturen zu schaffen. Der Westen seinerseits hat auf eine der sowjetischen vergleichbare Vorwärtsverteidigung verzichtet, wenn auch die Air/LandBattle-Pläne des amerikanischen Heeres eine andere Sprache sprechen. Die NATO beschränkt sich auf eine Verteidigung entlang der innerdeutschen Grenze. Schaut man allerdings auf die Strukturen, mit denen diese Verteidigung ins Werk gesetzt werden soll, dann kann man erkennen, daß auch hier Gefahren der Instabilität ruhen. Es ist kein Geheimnis, daß sich Soldaten wie auch Politiker auf die Erfahrungen der letzten Kriege berufen und sich auf künftige Auseinandersetzungen entsprechend vorbereiten. Der Westen wie der Osten hat zur Verteidigung der Blockgrenzen auf Strukturen zurückgegriffen, die sich im Zweiten Weltkrieg bewährt haben. Es sind dies im konventionellen Bereich mechanisierte, hochbewegliche, auf den Panzer als Hauptwaffensystem gestützte präsente Truppen. Daher die riesigen Panzerzahlen des Ostens. Aber auch die Bundeswehr mausert sich unter der Parole, die beste Waffe gegen Panzer sei wiederum der Panzer, zur drittgrößten Panzerarmee der Welt. ({6}) Nun sind diese panzerbetonten Strukturen ursprünglich, vor dem Zweiten Weltkrieg, j a nicht zu Verteidigungszwecken geschaffen worden. Vielmehr waren sie Kern der Angriffsverbände, mit denen die deutsche Wehrmacht Frankreich binnen weniger Tage - bei einem Gleichstand der Kräfte übrigens - überrannte und mit denen sie die Sowjetunion - trotz beachtlicher Unterlegenheit - in eine nahezu tödliche Situation bringen konnte. Umgekehrt waren es die Strukturen der Roten Armee, die heute auch noch vorherrschend sind, die den Erfolg beim Hinauswerfen der Eindringlinge brachten und den Vorstoß in das Herz Europas ermöglichten. Kann man eigentlich mit einer Verteidigung, die ihren Schwerpunkt auf derartige, für Angriff wie Verteidigung gleichermaßen gut geeignete Verbände legt, Sicherheitsgefühle auf beiden Seiten der Blockgrenzen erzeugen, wenn es guter Technik, hervorragender Führung und opferbereiten Mannschaften gelingen kann, den Gegner selbst bei einem Kräfteverhältnis von 1 : 1 erfolgreich zu überfallen, wenn man durch Ausnutzung von Überraschung, Schock und blitzartigem Operieren im Hinterland die Verteidigung lähmen und außer Kraft setzen kann? Ich persönlich bin fest davon überzeugt, daß der Frieden in Europa nicht dauerhaft organisiert werden kann, wenn wir nicht zu neuen Strukturen, zu neuen Vorstellungen aufbrechen. Insofern schulden wir Männern wie Afheldt, Löser, Füreder und anderen großen Dank, daß sie mit ungeheurer Beharrlichkeit nachgedacht und nach Lösungen gesucht haben. Man braucht ihre Konzepte nicht zu übernehmen, aber die Überlegungen, die Gedankenbahnen, in denen sie nach Lösungen suchen, könnten durchaus Pate stehen. ({7}) Ich glaube, wir sollten uns auch nicht zu vornehm sein, uns bei unseren Nachbarn, den Schweden und den Schweizern, umzusehen, die ihre Streitkräfte seit Jahrzehnten in Richtung auf eine optimale Verteidigungsfähigkeit beharrlich ausgebaut haben. ({8}) Diese Strukturen kennen den Panzer durchaus auch, weil nur er in der Lage ist, verlorengegangenes Territorium zurückzuerobern. Nur, der Schwerpunkt liegt dort - sehr viel mehr als bei der NATO und beim Warschauer Pakt - auf einer stationären, durchaus infanteristischen Abwehrfähigkeit und weniger auf hochbeweglichen, gepanzerten Verbänden. Und siehe da: Diese Strukturen erweisen sich bei „operations research"-Studien in computerisierten Gefechtsabläufen, wie sie in der Münchener Bundeswehrhochschule vorgenommen worden sind, als der heutigen Bundeswehrstruktur in der Verteidigung überlegen. Von daher liegt es nahe, die Bundeswehrstruktur nach Personal und Bewaffnung über die Jahrzehnte in diese Richtung weiterzuentwickeln. Dabei sollte es unser Ziel sein, einem angreifenden Gegner durch die starke Auflockerung der Verteidigung keine lohnenden atomaren Ziele zu bieten, aber auch den Einsatz der gegnerischen Luftwaffe soweit wie möglich gegenstandslos zu machen. Unser Prinzip sollte dabei sein, einem Gegner keinerlei Vorteile für einen Erstschlag einzuräumen. Wer angreift, muß Kraft verlieren. Wer angegriffen wird, sollte durch Schwächung des Angreifers im Verhältnis stärker werden. Wer sich allerdings zur Bekämpfung der sogenannten zweiten strategischen Staffel Waffen verschafft, die dem Gegner die Führungsfähigkeit in einem Schlag nehmen können, der verführt diesen Gegner geradezu zum zuvorkommenden Erstschlag. Wir brauchen eine Strategie und Strukturen, die in Krisenzeiten stabilisierend wirken können und nicht umgekehrt. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu stellen, ob es der Weisheit letzter Schluß ist, daß die NATO-Doktrin im Falle eines Angriffs anstrebt, im Gegenschlag sofort die gegnerischen Flugplätze zu vernichten. Die Fähigkeit hierzu haben ganz offensichtlich beide Seiten. Wer zuerst zuschlägt, „kassiert" die gegnerische Kampffähigkeit in der Luft. Also wieder die Prämie auf den Erstschlag! Könnten wir uns zu Strukturen entschließen, dié der gegnerischen Luftwaffe weniger lohnenswerte Ziele am Boden bieten, die es ermöglichen, die Luftabwehrfähigkeit nach schwedischem Vorbild auszubauen, wenn wir nach Techniken Ausschau hielten, die gegnerische Flugzeuge in größere Höhen zwingen, in denen moderne Abwehrraketen greifen, dann würde jedem Angreifer das Risiko äußerst hoher Abnutzungsraten aufgezwungen. Wer angreift, verliert in kürzester Zeit seine Einsatzmittel. Alle diese Überlegungen, die hier nur skizzenhaft vorgetragen werden können, haben zweierlei zum Ziel: Sie sollen einerseits die Sicherheit unseres Landes im Bündnis zu jeder Zeit absichern; sie sollen aber auch andererseits Wege der militärischen Entspannung in Europa trassieren helfen. Die jetzigen Strategien in Ost und West sind nicht abrüstungsfreundlich. Beide Seiten schielen - mit oder ohne Atomwaffen - auf 100 %ige, ja möglichst 120 %ige sicherheitsredundante Strukturen. Das Wettrüsten ist zwanghaft vorprogrammiert. Keiner kann aussteigen, obgleich alle es eigentlich wollen. Wenn es das gemeinsame Vermächtnis aller europäischen Völker in Ost und West ist, sich nicht mehr, und zwar unter gar keinen Umständen mehr, mit Gewalt zu überziehen, dann ist Sicherheit nur noch partnerschaftlich und blockübergreifend zu organisieren. ({9}) Im europäischen Interesse liegt es, auf beiden Seiten den größten Teil aller taktischen Nuklearwaffen zu beseitigen. Im Ernstfall werden sie entweder überrannt oder sofort eingesetzt. Sie sind ein destabilisierendes Element der westlichen und der östlichen Strategie. Im übrigen sind sie militärisch von äußerst zweifelhaftem Wert. ({10}) Wir sollten mit den Staaten des Warschauer Pakts ein umfassendes, vertraglich bindendes Gewaltverzichtsabkommen schließen, das sowohl für die Anwendung konventioneller als auch für die Anwendung nuklearer Gewalt gilt. Wenn auf beides verzichtet wird, dann kann in einem solchen Abkommen auch der ausdrückliche Verzicht auf den Ersteinsatz von Nuklearwaffen aufgenommen werden; denn der Verzicht auf den konventionellen Einsatz ist Geschäftsgrundlage dieses Verzichts. ({11}) Auch im konventionellen Bereich scheint mir der Ansatz der blockübergreifenden Sicherheitspartnerschaft Lösungsmöglichkeiten zu eröffnen, die sonst nicht ins Blickfeld gelangten. Wir müssen beiderseits und nach Möglichkeit in Abstimmung miteinander zu eindeutig defensiveren, d. h. zum wechselseitigen auch begrenzten Überfall nicht mehr geeigneten Strukturen kommen. „Non-provocative defense" nennen es die Angelsachsen, obgleich mir die Bezeichnung nicht korrekt erscheint. Weder der Osten hält seine Verteidigungsstrukturen für provokativ, noch halten wir die unsrigen für provokativ. Dennoch liegt hier der Schlüssel für eine Jahrzehnte währende Veränderung der europäischen Verhältnisse. Was wir erreichen müssen, ist, daß Westeuropa wie Osteuropa wieder ein Mehr an Souveränität über die eigenen Geschicke erhalten. Dies ist nur dann möglich, wenn sich beide Seiten aus der für den jeweils anderen als bedrohlich erscheinenden Speerspitzenposition herausbegeben. Das wiederum kann man nur, wenn man auf beiden Seiten umbaut. Der Trend muß hingehen zu statischeren, für den Bewegungskrieg nicht geeigneten Verteidigungsstrukturen. Dann kann man sich in Ost und West auch bei unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen sicherer fühlen als heute. Dann könnten Kräfte frei werden, die auf sinnvolle Veränderungen in Osteuropa gerichtet sind und die heute noch unter der allumfassenden Sicherheitsangst immer wieder unterdrückt werden. Insofern kann eine in diesem Sinne weiterentwickelte Strategie Chancen eröffnen, die über die Sicherheitspolitik im engeren Sinn weit hinausführen. Natürlich ist hiervon nur ein kleinerer Teil allein im bundesrepublikanischen Rahmen durchzusetzen. Unsere Bündnispartner müssen in dieser Richtung mitziehen. Aber auch auf die Osteuropäer wird es entscheidend ankommen. Sicherheits- und Entspannungspolitik bis hin zur Rüstungskontroll- und Außenpolitik könnten neuen Auftrieb erhalten. Auch aus diesen Gründen müssen wir im Interesse Europas eine zweite Runde der Ostpolitik ansteuern. Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({12})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zuerst über die Änderungsanträge. Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Scheer, Horn, Frau Fuchs ({0}) und weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3108 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke schön. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Änderungsantrag mit Mehrheit bei Enthaltung der Fraktion DIE GRÜNEN abgelehnt. Wer dem Änderungsantrag des Abgeordneten Vogt ({1}) und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3474 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Danke schön. Wer stimmt dagegen? - Danke schön. Enthaltungen? - Dann ist der Änderungsantrag mit Mehrheit bei einer größeren Zahl von Enthaltungen abgelehnt. Wir stimmen jetzt über die Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 10/3074 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen. Ich rufe nun Punkt 5 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Personalstruktur in den Streitkräften ({2}) - Drucksache 10/2887 - a) Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses ({3}) - Drucksache 10/3439 - Berichterstatter: Abgeordnete Wilz b) Bericht des Haushaltsausschusses ({4}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 10/3469 Berichterstatter: Abgeordnete Löher Dr. Weng ({5}) Frau Traupe Kleinert ({6}) ({7}) Hierzu liegt auf Drucksache 10/3461 ein Entschließungsantrag des Abgeordneten Suhr und der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. - Kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Vizepräsident Westphal Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Wilz.

Bernd Wilz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002521, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! CDU/CSU und FDP sind fest entschlossen, den uns als Erblast von der SPD hinterlassenen Verwendungsstau in der Bundeswehr zu lösen. Ich wiederhole noch einmal die entscheidenden Gründe, die uns zum Handeln zwingen. Personalkegel entfalten Wellenbewegungen. Wo Berge sind, da folgen Täler. Behalten wir den Verwendungsstau, so werden wir in den 90er Jahren ein Personalloch haben. Die dann wegen der geburtenschwachen Jahrgänge fehlenden, aber dringend benötigten Offiziere können jetzt nicht in den Dienst übernommen werden, weil die vorhandenen Planstellen blockiert sind. Schon deshalb muß der Verwendungsstau gelöst werden. Der zweite Grund ist bundeswehrspezifisch. Verwendungswechsel und Versetzungen sind ein besonderes Kennzeichen des Offiziersberufs. Ein Offizier, der nicht verschiedene Funktionen und Truppenteile kennt, ist wie ein Reiter ohne Pferd. Die Schlagkraft einer Armee steht und fällt mit der Beweglichkeit ihres Führerkorps und der Einheitlichkeit ihrer Führung. Für beides ist eine umfassende Verwendungsbreite erforderlich; denn nur bei regelmäßig wechselnden Verwendungen, bei ständig neuen Aufgaben und Anforderungen bleibt der einzelne beweglich. Und nur wo möglichst viele mit Führungsaufgaben betraute Offiziere möglichst viele Teile des Ganzen kennen, entsteht einheitliche Führung. Drittens: Der Verwendungsstau bringt es mit sich, daß Kompaniechefs und Kommandeure der Bundeswehr heute mit Abstand die ältesten in der NATO sind. Das ist deshalb so brisant, weil das Lebensalter in militärischen Verwendungen eine unvergleichlich viel größere Rolle spielt als in jedem anderen Beruf; denn, meine Damen und Herren, wie steht denn ein Kompaniechef da, der härteste Anforderungen an seine Soldaten bei der Ausbildung stellt, aber selbst nicht mehr in der Lage ist, diese zu erfüllen? ({0}) Der Einsatz im Gelände, auf See und in der Luft - hören Sie gut zu - fordert schnelles Reaktionsvermögen, energisches Handeln und höchste körperliche Verwendungsfähigkeit. ({1}) Dies gilt heute so wie früher. Meine Damen und Herren, bei allen Mißverständnissen, die das Beispiel hervorrufen mag: Hannibal war 28, als er als Feldherr die Alpen überquerte. ({2}) - Der Wilz ist 42. Heute sind sogar schon viele der Kompaniechefs über 40 Jahre alt. Daß das Problem des Verwendungsstaus dringend gelöst werden muß, ist also im Grunde genommen selbstverständlich. ({3}) Solange Sie, meine Damen und Herren von der SPD, in der Regierungsverantwortung standen, war das für Sie ebenfalls selbstverständlich. Es waren die von Ihnen gestellten Verteidigungsminister, die seit 1970 von Weißbuch zu Weißbuch jedesmal wieder klar und deutlich feststellten, daß der Verwendungsstau immer stärker auf die Bundeswehr zukommt und dringend gelöst werden muß. Daß Sie es bei dieser Feststellung bewenden ließen und im übrigen die Hände falteten, ist eigentlich gar nicht so überraschend; unangenehme Gesetzentwürfe haben Sie im Grunde immer gern auf die lange Bank geschoben. Daß Sie dann, kaum hatten wir die Regierungsverantwortung übernommen, eine rasche Lösung genau der Probleme forderten, ({4}) bei denen Sie selbst die Hände in den Schoß gelegt hatten, ({5}) mag man noch als legitimen politischen Opportunismus ansehen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klejdzinski?

Bernd Wilz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002521, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich möchte aus Zeitgründen meinen Vortrag fortsetzen. ({0}) Wenn Sie sich aber nun, da wir dabei sind, die Probleme zu lösen, zu Lasten und auf dem Rücken derjenigen verweigern, die auch Ihnen Frieden und Freiheit garantieren, ({1}) halte ich das nicht nur für unverantwortlich, sondern dann meine ich, meine Damen und Herren: Das degradiert Politik zum reinen Spektakel. ({2}) Sozialdemokratische Politik hat in zwölf Jahren Regierungsverantwortung viele Erklärungen und viele Solidaritätsbekundungen gebracht, aber was ist denn geschehen? Da war nicht mehr als die Weißbuch-Geschenkaktion. Der frühere Verteidigungsminister Schmidt hat mit ihr zwar Wünsche erfüllt und Hoffnungen geweckt; gelöst hat er jedoch nichts. Die Weißbuchaktion hat den Verwendungsstau nur verschärft; wohl deshalb gab man ihr den Namen „Aktion Sonnenschein". Unsere Regierung und die CDU/CSU wollen keine „Aktion Sonnenschein", keine Kosmetik. Wir wollen eine grundlegende Lösung des Problems. ({3}) Unser Kanzler hat sich des Problems deshalb frühzeitig selbst angenommen. ({4}) Schon ein Jahr nach seiner Erklärung von Travemünde löst er das den Kommandeuren gegebene Wort ein. Dafür schulden wir Helmut Kohl und dem Verteidigungsminister unseren besonderen Dank. ({5}) Wir, CDU/CSU und FDP, haben uns die Lösung nicht leichtgemacht. Der Kabinettsentwurf ist in den Ausschüssen und in der Öffentlichkeit ausführlich diskutiert worden. Wir haben uns bemüht, sämtliche vorgeschlagenen und möglichen Lösungen unter allen nur denkbaren Gesichtspunkten genauestens zu beleuchten und zu prüfen. Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile haben wir den neuen, verbesserten Gesetzentwurf vorgelegt. Die Reduzierung von 1 500 auf 1200 mögliche Zurruhesetzungen verringert die Kosten des Gesetzes um 92 auf 560 Millionen DM. Parallel zu dem Gesetz sollen 50 Offiziere die Möglichkeit erhalten, in die Verwaltung des Bundes übernommen zu werden. Außerdem ist vorgesehen, 250 zusätzliche, auf sechs Jahre befristete Planstellen in der Bundeswehr zu schaffen. Zusammengenommen erreichen wir mit diesen Maßnahmen dieselbe Zahl von 6 000 erforderlichen Verwendungswechseln, die auch der Regierungsentwurf anstrebte.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mann, oder gilt Ihre Ablehnung für die ganze Rede?

Bernd Wilz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002521, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich empfehle den GRÜNEN, den Lernprozeß fortzusetzen und zuzuhören. ({0}) Die Übernahme von Offizieren in die Verwaltung ist das billigste Mittel zum Abbau des Verwendungsstaus. Wenn sie nur für 50 Offiziere vorgesehen ist, so liegt das daran, daß nicht mehr Übernahmemöglichkeiten bestehen; denn die Übernahme setzt Laufbahnbefähigung und Freiwilligkeit voraus. Die 250 zusätzlichen Planstellen mit kw-Vermerk tragen der Tatsache Rechnung, daß der Bundeswehr ab 1987 zusätzliche Aufgaben im Bereich der Ausbildung und Betreuung von Reservisten zufallen. Gesetzentwurf und Begleitmaßnahmen stellen daher insgesamt die beste, angemessenste und kostengünstigste Lösung des Verwendungsstaus dar. Dennoch fiel das Wort vom Geschenk an das Offizierskorps. ({1}) Meine Damen und Herren, dies stellt die Tatsachen auf den Kopf. Mit einem Geschenk mache ich jemandem eine Freude. ({2}) Ich erwarte nichts von dem Beschenkten. Wir aber erwarten im Interesse der Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik, daß möglichst viele Offiziere von der vorgeschlagenen Lösung Gebrauch machen. Haben Sie eigentlich einmal überlegt, was das für viele der Betroffenen tatsächlich bedeutet? Haben Sie daran gedacht, daß ihre Kinder in der kostenintensivsten Phase der Ausbildung stehen, daß sie ihren erwählten Beruf aufgeben sollen, daß sie auf einen unkündbaren Arbeitsplatz verzichten, daß sie eine Einbuße von 30 % ihres Gehalts in Kauf nehmen und daß die geringere Pension einen Verzicht auf bis zu 240 000 DM bedeutet? Der Schritt, den wir erwarten, kostet Mut. Wer ihn wagt, dem schulden wir Respekt, der hat unseren Dank verdient und nicht unsere Mißgunst. ({3}) Meine Damen und Herren von der Opposition, kommen Sie mir bitte nicht mit dem Märchen von der Arbeitsmarktbelastung. ({4}) Festzustellen ist doch folgendes: Erstens. Es handelt sich lediglich um durchschnittlich 200 Offiziere im Jahr. Zweitens. Es ist nicht anzunehmen, daß sie Tätigkeiten übernehmen, in denen sie in Konkurrenz zu Arbeitslosen treten. Drittens. Für jeden Offizier, der vorzeitig in den Ruhestand tritt, wird ein junger Offiziersanwärter eingestellt. Der Arbeitsmarkt wird also nicht belastet, sondern in Wahrheit entlastet. ({5}) Die Laufbahngruppen der Offiziere des militärfachlichen Dienstes und der Berufsunteroffiziere sind nicht in das Personalstrukturgesetz einbezogen worden. Das liegt daran, daß es sich um ein andersartiges Problem handelt. ({6}) Die Stehzeiten der Feldwebel und der Offiziere MFD in den einzelnen Verwendungen sind grundsätzlich wesentlich länger. Außerdem würden sich vorzeitige Zurruhesetzungen hier strukturell eher nachteilig auswirken; denn die ungünstige Altersstruktur in diesen Laufbahngruppen wird bereits ab 1987 durch vermehrte natürliche Zurruhesetzungen abgebaut. Hier können nur eine Strukturumwandlung und zusätzliche Planstellen helfen. ({7}) Der Verwendungsstau bei den Fachoffizieren ist nämlich vor allem auf ein deutliches Mißverhältnis von Leutnant -- und Oberleutnant - zu Hauptmanndienstposten zurückzuführen. Durch Umwandlung schaffen wir 179 zusätzliche Planstellen für Hauptleute und 613 neue Stellen für Feldwebeldienstgrade. So wie ich es in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs erbeten habe, werden diese noch schneller als ursprünglich geplant zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wurden bereits in den Haushaltsjahren 1983 bis 1985 290 zusätzliche Stellen für Hauptleute und 300 für Feldwebeldienstgrade bewilligt. Mit diesen Maßnahmen bauen wir den Verwendungsstau in beiden Laufbahngruppen bereits zu einem Zeitpunkt ab, in dem die Lösung für die Truppenoffiziere noch in der Vorbereitungsphase steckt. Die Bundesregierung hat also bewiesen, daß sie alle erkannten Hindernisse zügig und tatkräftig beseitigt. ({8}) - Auch dem paßt das. Demgegenüber finde ich es bezeichnend, wie Sie meine Damen und Herren von der Opposition, sich einer positiven Mitarbeit im Verteidigungsausschuß entzogen haben. Die GRÜNEN blieben der Abstimmung fern. Sie haben sich total verweigert. Die SPD stimmte geschlossen mit Nein. Das, was Sie in letzter Minute mit heißer Nadel als angeblichen Alternativvorschlag gestrickt haben, ist allerdings bloße Augenwischerei. Sonst sind Sie es doch, die der Truppenreduzierung immer das Wort reden. Jetzt wollen Sie eine noch viel teurere Lösung. Wir wissen jedoch: In der SPD trägt man Tarnkappe auf Wählerfang. Die kann man wechseln. Bei den GRÜNEN trägt man Scheuklappen. Die verstellen hoffnungslos den Blick.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, ich muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen.

Bernd Wilz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002521, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluß. Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu; denn die Lösung des Verwendungsstaus ist für die Einsatzbereitschaft unserer Streitkräfte und damit für die Sicherheit unseres Landes zwingend notwendig. Aus unserer Verantwortung für Frieden in Freiheit plädiere ich deshalb für ein klares Ja zum Personalstrukturgesetz. Ich danke Ihnen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Jungmann.

Horst Jungmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wilz, nachdem in der Kritik der Debatte zur ersten Lesung in der Verbandszeitung der deutschen Bundeswehr zu Ihrer Rede zu lesen stand: „Nichts als Polemik", hatte ich gedacht, Sie hätten etwas dazugelernt und hätten uns heute hier etwas Besseres geboten als das, was Sie in der ersten Lesung geboten haben. Ihre Erblast-theorie ist ja hinlänglich bekannt; auf sie fällt niemand mehr herein. ({0}) Und Hannibal war ja wohl ein Beispiel, das die Problematik, die Sie ansprechen wollten, überhaupt nicht getroffen hat. ({1}) Das Problem des Verwendungs- und Beförderungsstaus ist dem Deutschen Bundestag, aber auch der deutschen Öffentlichkeit hinlänglich bekannt. Wir wissen, daß es nicht nur deshalb in der deutschen Öffentlichkeit bekanntgeworden ist, weil die Opposition zu der vorgesehenen Maßnahme nein sagt, sondern die Kontroversen innerhalb der Koalition, die Kritik aus der CSU und der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft bis zur Androhung der Klage beim Verfassungsgericht sowie die strikte Ablehnung durch die Bayerische Staatsregierung -- ich wiederhole: die bayerische, also keine SPD-Regierung - haben die öffentliche Aufmerksamkeit erweckt. Es geht hier letztlich einmal mehr um Anspruch und Wirklichkeit der Politik dieser Bundesregierung. ({2}) Dieser Gesetzentwurf ist erneut ein Testfall für Ihr Verständnis für soziale Gerechtigkeit. ({3}) Der bayerische Ministerpräsident hat das eher erkannt, als die Bundesregierung es wahrhaben will, und er hat es deutlich genug gesagt. Offenbar müssen aber erst Wahlniederlagen „errungen" werden, bevor soziale Akzeptanz als ein Maßstab für politische Entscheidungen die ser Regierung anerkannt wird. 1 500 war die magische Zahl, die der Verteidigungsminister dem Bundestag und dem Bundesrat als unverzichtbar für die Überwindung des Verwendungsstaus in der Bundeswehr genannt hat. Auf Druck aus den eigenen Reihen hat Herr Wörner, für den ja mit diesem Gesetz persönlich einiges auf dem Spiel steht, kurzerhand 300 Frühpensionierungen gestrichen. In der Presse wurde das häufig als Kompromiß dargestellt, aber ändert diese Zahlenkorrektur etwas an dem Grundgedanken des Wörner-Plans, der in den Kernpunkten nach wie vor auf Kritik stößt? Denn diese marginale Änderung kann die Auswirkungen dieses Gesetzes nicht verhindern, sollte es tatsächlich zur Verabschiedung im Bundestag und im Bundesrat kommen. Sie beantwortet auch nicht die drängenden Fragen, die Sie, Herr Wörner, sich weiterhin stellen lassen müssen, z. B. aus der Bundeswehr. Was sagen Sie, Herr Wörner, eigentlich den Offizieren des militärfachlichen Dienstes und den Berufsunteroffizieren? Mit der Antwort, die der Kollege Wilz hier gegeben hat, können Sie die hier nicht abspeisen. Denn 1987 ist das Problem nicht gelöst, sondern auch hier setzt sich die verschobene Altersstruktur bis in die Mitte der 90er Jahre fort. ({4}) Und ob Sie die Planstellen, die hier angekündigt worden sind, vom Innenminister und vom Finanzminister bewilligt bekommen, wissen wir ja noch nicht. Was sagen Sie eigentlich den jungen Wehrpflichtigen, Herr Wörner, die vor und nach ihrer Bundeswehrzeit arbeitslos sind und keine Perspektive für ihre berufliche Zukunft sehen? Die von Ihnen beschworene Einsatzfähigkeit der Bundeswehr, Herr Wörner, hat nicht nur mit dem körperlichen Alter der Offiziere, sondern sehr viel auch mit der inneren Motivation der Wehrpflichtigen und aller anderen Soldaten zu tun. ({5}) Wie wollen Sie, Herr Wörner, Ihren Plan den Zeitsoldaten verständlich machen, die nach ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr arbeitslos sind und keine Arbeitslosenversicherung bekommen? Das ist jährlich eine große Zahl von Zeitsoldaten, die in eine ungewisse Zukunft aus der Bundeswehr entlassen werden. Wie wollen Sie diesen Zeitsoldaten erklären, daß Sie gegenüber dem Finanzminister auf die Einführung des Entwicklungshelfermodells zur Überwindung der Probleme der Zeitsoldaten verzichtet haben, weil Ihnen diese Frühpensionierungspläne wichtiger waren? Für andere wichtige sozialpolitische Maßnahmen in der Bundeswehr ist nun kein Geld mehr da. Wie wollen Sie eigentlich in den nächsten Jahren die jährlich mehr als tausend zusätzlichen Versetzungen mit all den damit zusammenhängenden Problemen bewerkstelligen? Die Probleme der berufstätigen Ehefrau und die Probleme der schulpflichtigen Kinder sind Ihnen hinreichend bekannt. ({6}) Haben Sie, Herr Wörner, einmal über die Folgen nachgedacht, wenn Sie fast das ganze Offizierskorps unterhalb der Besoldungsgruppe A 14 in den nächsten Jahren versetzen wollen? Sie sagen, der Beförderungs- und Verwendungsstau sei das Problem Nr. 1 in der Bundeswehr. Aber es ist doch nicht das einzige Personalproblem. Ihr Lösungsmodell frißt die finanziellen Mittel zur Lösung anderer Probleme auf. Schon jetzt werden Sparmaßnahmen verfügt. Es darf keine Verpflichtung mehr vorgenommen werden für SaZ 2. Es werden keine Weiterverpflichtungen von SaZ 12 auf SaZ 15 vorgenommen. ({7}) Erstverpflichtungen sind erst nach dem 6. Monat des Grundwehrdienstes möglich. - Hat der Bundeswehrverband etwa polemisiert, Herr Wörner? Sie wissen genau, daß Sie unter diesen Prämissen Ihre Personalstruktur der 90er Jahre nicht durchsetzen können. Viel gravierender ist aber, daß Sie dem Parlament eine Bundeswehrkonzeption bis heute schuldig geblieben sind. Auch das Weißbuch 1985, das sich ja in erster Linie mit den sozialen Problemen und mit der sozialen Lage der Streitkräfte beschäftigen sollte, wird diesem Anspruch überhaupt nicht gerecht. Die SPD fordert nach wie vor, daß das Problem der Altersstruktur im Zusammenhang mit einer Gesamtkonzeption für die Personalstruktur der Streitkräfte in den 90er Jahren gelöst wird. Sie haben auf die Vorschläge der SPD nur mit dem Hinweis reagiert, daß dies alles zu teuer wäre. Sie haben auf die Vorschläge des SPD-regierten Landes Hamburg überhaupt nicht reagiert. Hier stehen noch eindeutige Aussagen aus. Sie können also nicht darauf verweisen, daß wir keine Vorschläge gemacht haben, Herr Kollege Wilz. Was Sie, Herr Minister, statt dessen machen, muß doch für viele wie ein Bonbon für eine privilegierte Gruppe aussehen. Es gibt keinerlei Hoffnung für die Lösung all der anderen Probleme der Menschen in diesem Lande. Sie müssen damit rechnen, daß Ihnen dieses Vorhaben noch große Schwierigkeiten bereiten wird. Es könnte gut sein, daß Sie mit der Frühpensionierung von 1 200 Offizieren genauso Schiffbruch erleiden wie bei der vorzeitigen Zurruhesetzung des Generals Dr. Kießling. ({8}) In der Bundeswehr hat der Plan inzwischen das Kürzel 1 500/01 bekommen. Entweder gehen 1 500 oder einer. Mit einem ist der Minister gemeint. ({9}) Sie haben auf die Fragen, die hier gestellt werden, bisher überhaupt keine befriedigenden Antworten gegeben. Statt dessen haben Sie die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr beschworen und differenzierte Vorschläge und Lösungsmodelle überhaupt nicht berücksichtigt, sondern versucht, Ihren Absolutheitsanspruch durchzusetzen. Es fehlt nur noch, daß Sie oder der dafür abgestellte Generalsekretär der CDU unsere Ablehnung dieses Gesetzes als „primitiven Antiamerikanismus" interpretieren, weil wir damit die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr angeblich schwächen und damit Moskau zuarbeiten. Das würde zwar gut zu den jüngsten Versuchen der CDU passen, durch einen außenpolitischen Buhmann SPD von den eigenen Pannen abzulenken; ob so etwas aber noch überzeugt, bezweifle ich. Für die Menschen in der Bundesrepublik zählt nicht nur die Darstellung der Politik, oder wie sie verkauft wird. Die Menschen drückt der Geldbeutel, der Abbau von Sozialleistungen, die Arbeitslosig10638 keit. Sie vergleichen sehr genau. Für das soziale Netz darf es nicht zweierlei Maß geben. ({10}) Was sagen Sie eigentlich, Herr Wörner, den Arbeitnehmern bei Arbed Saarstahl, ({11}) bei MAK, bei HDW in Kiel oder vielen anderen Firmen der Bundesrepublik Deutschland, die auf Teile des Weihnachtsgeldes und andere Einkommensteile verzichten müssen, um ihren Arbeitsplatz zu retten?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Biehle?

Horst Jungmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Selbstverständlich.

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Jungmann, nachdem Sie eine ganze Reihe von Fragen stellen, nun meine Frage: ist Ihnen denn nicht bekannt, daß während der sozialdemokratischen Regierung 8 000 Stellen für Soldaten auf Zeit abgebaut worden sind, in der Zwischenzeit aber - in diesen wenigen Jahren - unter Dr. Wörner bereits wieder auf 9 000 aufgestockt worden ist und jetzt zusätzlich weitere 6 000 Längerdienende eingestellt werden können? ({0})

Horst Jungmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ich verstehe nicht den Zusammenhang mit der Frühpensionierung von 1 200 Offizieren.

Alfred Biehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000176, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben doch die Frage gestellt: Was sagen Sie den Unteroffizieren? Ich wollte Ihnen nur die Antwort geben, damit Sie nicht fragen müssen, sondern antworten können. ({0})

Horst Jungmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich weiß gar nicht, warum Sie diesen Zusammenhang herstellen, Herr Kollege. ({0}) Ich habe vorhin deutlich gemacht, daß trotz der Bemühungen im personellen Bereich das Personalmodell des Herrn Wörner der 90er Jahre nicht tragen wird, weil es auf Sand gebaut ist, weil er die notwendigen personellen Maßnahmen überhaupt nicht finanzieren kann und ({1}) jetzt noch einmal 600 Millionen DM für die Frühpensionierung von 1 200 Offizieren ausgibt, ({2}) ohne dabei die anderen sozialen Probleme, die in der Bundesrepublik Deutschland primär zu beachten sind, zu berücksichtigen. Was sagen Sie eigentlich den Arbeitnehmern, die auf Einkommensteile verzichten, um ihre Arbeitsplätze zu retten, während 1 200 Berufsoffiziere eine Abfindung dafür bekommen, daß sie freiwillig ihren Abschied nehmen und sich mit 70 % Pension im Rücken zu Dumpingpreisen auf dem Arbeitsmarkt anbieten können? ({3}) Oder was sagen Sie einem Berufsfeuerwehrmann bei der Bundeswehr, der mit 50 Jahren eine Feuerwehrtauglichkeitsuntersuchung über sich ergehen lassen muß, der dann nicht mehr feuerwehrberufstätig sein darf und auf Einkommensteile von bis zu 1 000 DM verzichten muß? ({4}) Was sagen Sie eigentlich den Rentnern, die jetzt eine Erhöhung von 1,41 % bekommen bei einer Preissteigerungsrate von 2,5 % und die mit einer realen Einbuße von 1 % bei ihrem Einkommen im nächsten Jahr rechnen müssen? Das Ruhegehalt eines Frühpensionärs der Bundeswehr nach Ihrem Plan, Herr Wörner, kann ein Rentner in der Sozialversicherung nicht einmal nach 45 Beitragsjahren erreichen. ({5}) Was sagen Sie eigentlich den Frauen, die vor 1921 geboren sind und nach Ihren Plänen nicht das Babyjahr in Anspruch nehmen können, ({6}) die die Last des Wiederaufbaus der Bundesrepublik nach dem Krieg getragen haben? Hierfür haben Sie keinen Pfennig Geld, und auf dem anderen Gebiet geben Sie 600 Millionen DM aus, um angebliche Probleme zu lösen. ({7}) Und haben Sie, Herr Wörner, auch einmal an die Arbeitslosen gedacht, die auf Sozialhilfe angewiesen sind und sich jetzt über eine Erhöhung von 85 Pfennig pro Tag freuen sollen? ({8}) Sie setzen die Bundeswehr, aber insbesondere die Offiziere, einer öffentlichen Diskussion aus, die die Betroffenen in Begründungszwänge bringt, die der Bundeswehr mehr schadet, als ihr das Gesetz nützt. ({9})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Horst Jungmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, nicht mehr. Nicht umsonst hat der bayerische Ministerpräsident klar gesagt, dieser Gesetzentwurf sei sozial unvertretbar. Vor allem die Sozialpolitiker der CDU sollten genauestens prüfen, ob sie dieses Gesetz mit ihrem Gewissen vereinbaren können. ({0}) Jetzt dieses Gesetz gegen die Bedenken vieler Abgeordneter aus den Koalitionsparteien - z. B. auch des Innenausschusses und des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung - durchzupauken, wäre fatal. Es könnte sein, daß der Gesetzentwurf, sollte er in diesem Hause trotzdem durchkommen, vom Bundesrat abgelehnt wird. Wenn Bayern seine Kritik ernst gemeint hat und die marginalen Änderungen an dem ursprünglichen Entwurf nicht plötzlich als Kompromiß versteht, ist er im Bundesrat zum Scheitern verurteilt. Für Bayern und den bayerischen Ministerpräsidenten steht die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. ({1}) Aber selbst wenn Ihr Plan, Herr Wörner, den Bundesrat passieren sollte, ist Ihr Problem überhaupt noch nicht gelöst. Im Gegenteil, dann gehen die Schwierigkeiten erst los: Was machen Sie eigentlich, wenn sich weniger als 1 200 Offiziere melden? ({2}) Dann ist Ihr Ziel nicht erreicht. Und was machen Sie dagegen, wenn sich mehr als 1 200 Offiziere melden? Wie wollen Sie dann die Ungerechtigkeiten vermeiden? Die Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz wird Ihnen eine Reihe von Prozessen bescheren. Nach welchen Kriterien wollen Sie eigentlich entscheiden? Wie ein Damoklesschwert hängt über der Bundesregierung die Forderung anderer Berufsgruppen, die ebenfalls über die Gerichte klären lassen werden, ob Sie, Herr Wörner, zu Recht oder zu Unrecht für die Bundeswehr ein Privileg beanspruchen. Mit diesem Gesetz würde der Präzedenzfall für einen Aufschaukelungsprozeß im gesamten öffentlichen Dienst mit unübersehbaren finanziellen Folgen geschaffen. Denn wie soll ein Beamter im Polizeivollzugsdienst, beim Zoll, beim Bundesgrenzschutz, bei der Bundesbahn und bei der Bundespost oder in der Bundeswehrverwaltung überhaupt verstehen, daß seine eigene Lage nicht berücksichtigt wird? Diese Beamten sind vielfach zumindest ähnlichen Belastungen ausgesetzt, und auch hier gibt es Personalstaus. ({3}) - Herr Wimmer, von Ihnen als Gewerkschaftsfunktionär bezeichnet zu werden, ist für mich eine große Ehre. ({4}) Auch dort besteht das Problem der Überalterung in bestimmten Aufgabenfeldern, sind die körperlichen und psychischen Anforderungen an diese Beamten oft genauso groß und ist ihr Einsatz für die Gesellschaft genauso wichtig wie bei den betroffenen Berufsoffizieren. Ihr Plan, Herr Wörner, wirft die bisherigen Lösungsmuster für Strukturprobleme im öffentlichen Dienst und für Arbeitsplatzprobleme in der Privatwirtschaft völlig über den Haufen. Nach alledem, was wir Ihnen ausführlich zu bedenken gegeben haben, lehnen wir Sozialdemokraten diesen Gesetzentwurf entschieden ab. Er ist nicht geeignet, das Problem des Beförderungs- und Verwendungsstaus in der Bundeswehr auf eine Weise zu lösen, die innerhalb der Bundeswehr zufriedenstellen kann, und er ist für andere Gesellschafts- und Berufsgruppen, die damit vor den Kopf gestoßen werden, sozial unakzeptabel. Ich appelliere an alle Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsparteien, die sich bisher schon kritisch geäußert haben, und an den Bundesrat aus guten Gründen, Ihrem sozialen Gewissen zu folgen und diesem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen. Lassen Sie mich zum Schluß aus der Rede des Vertreters der bayerischen Staatsregierung vor dem Bundesrat zitieren, die er am 7. Februar gehalten hat. Die Äußerung der bayerischen Staatsregierung hat folgenden Wortlaut: Die überwiegende Mehrheit der Bürger unseres Landes hat kein Verständnis dafür, daß in einer Zeit, in der alle gesellschaftlichen Gruppen Opfer zur notwendigen Konsolidierung des Staatshaushaltes bringen, 45- bis 52jährige Berufsoffiziere zu finanziellen Sonderkonditionen nicht nur in Frühpension gehen können, sondern auch noch mit dieser gesicherten Versorgung im Rücken in einer Zeit anhaltend hoher Arbeitslosigkeit als Bewerber auf dem Arbeitsmarkt auftreten können. Diese Grundstimmung in der Bevölkerung läßt befürchten, daß ein Festhalten an den geplanten Maßnahmen die Bundeswehr in ein falsches Licht bringt. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und beantrage für meine Fraktion namentliche Abstimmung. ({5})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger.

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte des heutigen Tages hat uns immerhin ein seltenes Erlebnis beschert: Ein Mitglied der SPD-Fraktion beruft sich auf die CSU. Das geschieht nicht eben oft. ({0}) - Sie meinen, das könnte mehr werden. Gut, aber immerhin war es für heute neu. Nur, Herr Kollege Jungmann, gestatten Sie mir eine offene Bemerkung: Ich hatte eigentlich eben bei Ihrer Rede das Gefühl, wir seien in der ersten Lesung, wir hätten über dieses Problem überhaupt noch nicht gesprochen, das sei ein ganz neues Problem, von dem wir bis dahin überhaupt noch nichts gewußt hätten - wobei ich übrigens feststellen muß, daß Ihre Rede in der ersten Lesung nach meiner bescheidenen Beurteilung sehr viel besser war als die, die Sie heute gehalten haben. ({1}) Sie war nämlich sehr viel unpolemischer, und sie gestand zumindest zwei Dinge zu, nämlich erstens, daß es sich hier um ein Problem handelt, das dringend einer Lösung bedarf - das haben Sie in der ersten Lesung noch so festgestellt -, und zweitens haben Sie sich auch mit der Situation jener Offiziere, die für diese Lösung in Frage kommen, in völlig anderer Weise befaßt, als Sie es heute getan haben. Lesen Sie das bitte noch einmal nach! Ich habe das Protokoll auf meinem Tisch liegen. Sie haben da sehr großes Verständnis für die schwierige Situation derjenigen geäußert, ({2}) die von dieser Möglichkeit unter Umständen Gebrauch machen. ({3}) Damit wir völlige Klarheit darüber bekommen, wovon wir reden und worum es geht, möchte ich Karl-Wilhelm Berkhan, den ehemaligen Wehrbeauftragten, hier zitieren, der vor einem Vierteljahr, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, zu diesem Gesetz folgendes gesagt hat: In diesem Jahr wurde in den Streitkräften ein vom Bundesminister der Verteidigung erarbeiteter Regierungsentwurf zum Abbau des Verwendungsstaus diskutiert, wonach Offizieren des Truppendienstes bestimmter Jahrgänge die vorzeitige Zur-Ruhe-Setzung ermöglicht werden soll. Damit lange Diskussionen die vom Verwendungsstau betroffenen Soldaten nicht weiter verunsichern und enttäuschen, sollte das Parlament möglichst schnell mit diesem Thema befaßt werden. Er sagt dann weiter: So wichtig es ist, den Bürgern klarzumachen, daß es sich bei der Lösung des Verwendungsstaus nicht um eine soziale Wohltat handelt, sondern es allein um den Erhalt der Einsatzfähigkeit geht, so wichtig ist es, ebenso deutlich zu machen, daß der Beruf des Soldaten in dem sozialen Gefüge unserer Gesellschaft ein Beruf ohne Anspruch auf Privilegien, aber auch ohne Verpflichtung zur Zurückhaltung ist. Ich glaube, besser kann man das Problem eigentlich gar nicht schildern, als es Herr Berkhan in diesen Ausführungen getan hat. Aber damit auch noch etwas weiteres klar wird, erinnere ich einmal an das Weißbuch 1979. ({4}) - Offenbar haben Sie das nicht begriffen oder bei der ersten Lesung nicht zugehört, sonst brauchte ich dies nicht zu wiederholen. Es ist Ihnen vielleicht unangenehm, aber ich zitiere aus diesem Weißbuch, ({5}) um zu zeigen, daß der damalige Bundesminister der Verteidigung, Dr. Apel, die Probleme ebenso gesehen hat, wie es der heutige Verteidigungsminister tut. ({6}) Auch angesichts der Rede des Kollegen Jungmann muß dies noch einmal zitiert werden: ({7}) Damit überaltert das gesamte Offizierskorps in allen Verantwortungsstufen und Dienstgraden. 1978 waren 42 % aller Berufsoffiziere des Truppendienstes älter als 40 Jahre, 1985, falls nichts geändert wird, werden es 66 % sein und 1990 schließlich 75 %. Es heißt weiter: Zur Lösung des Verwendungsstaus sind verschiedene Möglichkeiten untersucht worden. Das Problem verlangt im Interesse unserer Streitkräfte und des Erhalts der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes eine Lösung. Die Zeithorizonte sind durch die beschriebenen Tatbestände vorgegeben. - Das sagt Herr Apel. Die notwendigen Vorarbeiten des Bundesministers der Verteidigung werden so abgeschlossen, daß Lösungen zeitgerecht möglich sind. Meine Damen und Herren, diese Lösungen sind nicht erfolgt, und Sie können doch dem heutigen Bundesminister der Verteidigung nicht einen Vorwurf daraus machen, daß er gezwungen ist, in dieser Situation und nun endlich ein Problem zu lösen, für das es noch eine ganze Reihe von Zitaten mehr gäbe. ({8})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klejdzinski?

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte schön, Herr Klejdzinski.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Ronneburger, stimmen Sie mit mir überein, daß das Problem eigentlich mit der Aufstellung der Bundeswehr begann, und stimmen Sie mit mir weiterhin darin überein, daß die Bestandsaufnahme, die Apel vorgenommen hat, zwar eine Problembeschreibung war, aber daß es doch ein Unterschied ist, wie man eine Problembeschreibung mit Lösungsansätzen angeht, und daß der Lösungsansatz, den Sie gewählt haben, nicht unsere Zustimmung finden kann? ({0})

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Verehrter Herr Kollege, eines werden Sie mir wohl zugestehen müssen, auch als einem, der in der sozialliberalen Koalition ein nicht unbeteiligtes Mitglied gewesen ist: daß Herr Apel das Problem zwar geschildert hat, daß er dargestellt hat, es bedarf einer zeitgerechten, also dringend einer Lösung, daß er aber eben keinen Vorschlag gemacht hat ({0}) und daß das auch für seine Vorgänger im Amt gilt. Und dies ist doch das, was uns heute bedrückt und was heute gelöst werden muß, ({1}) nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden kann. ({2}) Denn das Problem besteht ja nun einmal nicht in einem Beförderungsstau. ({3}) Es besteht in der Überalterung der Truppenführer und damit einer Gefährdung - ich könnte wiederum Apel zitieren - der Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr. Weil es sich um ein solches Problem handelt, hat meine Fraktion eine parlamentarische Initiative eingebracht und den Bundesminister der Verteidigung aufgefordert, noch in diesem Jahr ein Gesetz vorzulegen. Das Gesetz liegt vor. Wir haben es in erster Lesung behandelt und behandeln es heute in zweiter und dritter Lesung. Es kann nicht bestritten werden, daß wir bei allen kritischen Fragen an dieses Gesetz die Zeit zwischen der ersten Lesung und der zweiten und dritten Lesung für gründliche Diskussionen genutzt haben und daß es auch Änderungen gegeben hat, ({4}) daß Fragen beantwortet worden sind, daß kritische Bemerkungen widerlegt worden sind. Es hilft doch alles nichts und kann nicht bestritten werden: Erstens. Das Problem muß gelöst werden. ({5}) Das haben alle gesagt. Zweitens. Es gibt keinen Vorschlag, der billiger oder praktikabler wäre, um dieses Problem zu lösen, als den, der hier vorliegt. ({6}) - Ich habe Ihnen das Recht zugestanden, Herr Kollege Jungmann, Ihre Äußerungen hier zu machen. Gestehen Sie auch mir das Recht zu! ({7}) Sie haben eine ganze Reihe von Zusammenhängen hergestellt, die mit diesem Gesetz überhaupt nichts zu tun haben. ({8}) Sie haben gesagt, es gebe keine Verpflichtungen mehr für SaZ. Sie sind widerlegt worden. Sie haben gefragt, wo der Zusammenhang sei. Er kam von Ihnen; von niemand anderem. ({9}) Lassen Sie uns in Ruhe und Sachlichkeit über diese Probleme reden und lassen Sie uns das tun, was in einer solchen Situation notwendig ist. Denn das Problem ({10}) kann sicher nicht durch Schaffung von 1 500 zusatzlichen Dienstposten - zeitlich begrenzt; k. w.-Stellen mit einem sehr viel höheren Kostenaufwand - gelöst werden. Untauglich ist aus vielerlei rechtlichen Gründen auch ein Versuch, das Problem durch Übernahme von 1 500 oder jedenfalls einer größeren Zahl von Offizieren in andere Bereiche des öffentlichen Dienstes zu lösen. ({11}) Mit der nun gefundenen Lösung soll dieses Problem aus der Welt geschafft werden. Ich kann Ihnen nur sagen: Eines wäre das Teuerste und das Schlimmste, nämlich es noch einmal auf die lange Bank zu schieben und so zu tun, als werde sich ein Problem von allein lösen, während es tatsächlich eskaliert, je länger es nicht gelöst wird. ({12}) Deswegen meine ich, daß es auch bei Ihrem Hinweis auf die Studie, Herr Kollege Jungmann, wohl richtig gewesen wäre, darauf hinzuweisen, daß der Inhalt der Studie, soweit er sich auf dieses Gesetz und dieses Problem bezieht, inzwischen bekannt ist und daß diese Studie eine ganze Reihe von Feststellungen enthält, die mit diesem Problem überhaupt nichts zu tun haben. ({13}) Die FDP-Bundestagsfraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen. Sie tut es, um eine Gefahr für die Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr abzuwenden. ({14}) Allerdings geht die FDP-Bundestagsfraktion bei ihrer Entscheidung davon aus, daß bei der Anwendung des Gesetzes garantiert ist, daß nur solche Personalbewegungen vorgenommen werden, die in jedem einzelnen Fall dazu führen, daß ein jüngerer Truppenführer einem Kameraden nachfolgt, der vom Lebensalter her für diese Aufgabe nicht mehr geeignet ist. Wir gehen weiter davon aus, daß entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, um eine Wiederholung eines solchen Problems zu verhindern, und daß damit den Betroffenen der Bun10642 deswehr Gerechtigkeit in einem Problem geschieht, ({15}) das nicht diese Betroffenen verursacht haben, sondern das ihnen zur Last gelegt worden ist. Ich danke Ihnen. ({16})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Suhr.

Heinz Suhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002289, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Ronneburger, eigentlich sind Sie auch nicht mehr der Knackigste, wenn ich Sie so reden höre. Aber ich wollte mich jetzt doch zuerst mit dem Herrn Verteidigungsminister beschäftigen. Dieser nahezu unbeschreibliche Verteidigungsminister, Herr Wörner, der schon im Fall Kießling seine Tatkraft und Ausdauer hinreichend unter Beweis gestellt hat, ({0}) will uns klarmachen, daß die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr davon abhängt, ob 1200 Offiziere mit 45 Jahren in Pension geschickt werden. Herr Ronneburger, vielleicht hätten wir noch einige Male mehr über diesen Gesetzentwurf beraten sollen. Wir sind ja schon von 1 500 auf 1200 herunter. Vielleicht hätten wir es geschafft, auf Null zu kommen. ({1}) Einige hundert Offiziere sollen aufhören, durch das Gelände zu robben, weil sie nicht mehr knackig genug sind. Dieser Knackigkeitserlaß kostet den Steuerzahler zwischen einer halben oder einer ganzen Milliarde D-Mark. So genau nimmt es die Bundesregierung in diesem Fall nicht, wenn es darum geht, einen eigentlich unhaltbar gewordenen Minister doch noch zu halten, solange es eben geht. ({2}) 1 Milliarde DM - das wäre schon ein Viertel unseres ökologischen Nachtragshaushalts 1985, den wir eingebracht haben für den Bau von Gewässerreinigungsanlagen, für Entschwefelungsanlagen, für die dringlichen Investitionen gegen das Waldsterben. Das wären umgerechnet rund 30 000 bis 40 000 Arbeitsplätze statt 1200 Offiziere, die auf den Arbeitsmarkt drängen. Doch diese ausgemusterten Offiziere werden keine Kläranlagen bauen. Sie werden auch keine Ohrenschützer produzieren für die Zigtausenden von Bundesbürgern, die tatsächlich vom Fluglärm der Bundeswehr geschädigt werden. ({3}) Diese Offiziere werden anders als jeder andere Arbeitslose in diesem Staat in der Industrie unbegrenzt dazuverdienen können. Und welcher Rüstungskonzern wird es sich entgehen lassen, einige hochqualizifierte Handelsvertreter anzuwerben, die genaue Kenntnis vom technischen Stand der Bundeswehr haben? Diese Frühpensionierung - Sie brauchen nur einmal die Besucher auf der Zuschauertribüne, das Volk, die Bürgerinnen und Bürger zu fragen - ist ein unerträglicher Skandal. Das werden Sie in Ihrem Wahlkreis überall zu hören bekommen, landauf, landab. ({4}) Wie wollen Sie einem 45jährigen arbeitslosen Familienvater erklären, daß von diesen Offizieren jeder nahezu eine halbe Million DM nachgeworfen bekommt und dann noch unbegrenzt dazuverdienen kann, ({5}) während jeder „kleine" Schwarzarbeiter von dieser Bundesregierung als krimineller Steuerhinterzieher verfolgt wird? ({6}) Wie wollen Sie jemandem in diesem Land klarmachen, daß vorzeitig zur Ruhe gesetzte Offiziere horrende Abfindungen bekommen, um die Ausbildung ihrer Kinder zu finanzieren, um Immobilien abzubezahlen, wie es aus der Union zur Begründung zu hören war, ({7}) während der Normalsterbliche, der mit 45 Jahren für die Industrie nicht mehr knackig genug ist, den Gang zum Arbeitsamt antreten oder um Sozialhilfe betteln muß? Diese Bakschischregierung gehört in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. ({8}) Herr Wörner ist heute schon 51 Jahre alt. Nach seinen eigenen Maßstäben ist er schon seit sechs Jahren verwelkt. ({9}) Der Bundeskanzler ist auch schon 55 Jahre alt. Was wäre dieser Republik erspart geblieben, wenn wir ihn vor zehn Jahren in die Wüste geschickt hätten? ({10}) Aber solange wird er j a wohl die Tätigkeit des Regierungschefs nicht mehr aussitzen müssen, wenn man dem Bericht eines Hamburger Nachrichtenmagazins von dieser Woche Glauben schenken darf. ({11}) Ich zitiere einen nicht genannten hohen CDU-Politiker - hoffentlich mit Erlaubnis des Präsidenten -: „Am elegantesten wäre es, wenn Kohl gezwungen würde, aus gesundheitlichen Gründen zurückzutreten." Hier spricht der Verwendungsstau in den Unionsreihen. ({12}) Der Bundeskanzler, stelle ich fest, ist seinen eigenen Parteifreunden nicht mehr knackig genug. Er ist eher angeknackst, ein leise vor sich hin welkender Enkel Konrad Adenauers. ({13}) Übrigens wäre Adenauer nie Kanzler geworden, und auch auf Helmut Schmidt, Heinrich Lübke und andere hätten wir verzichten müssen, wenn diese Grenze von 45 Jahren für sie Geltung gehabt hätte. 45jährige Kompaniechefs seien den Strapazen der Truppe nicht mehr gewachsen, erklärte der Unionsabgeordnete Markus Berger am 17. Mai 1985 im Deutschland Union Dienst. Da muß ich Sie fragen: Sind Sie eigentlich noch den Strapazen des Bundestages gewachsen? ({14}) Setzen wir diese Altergrenze beim Berufspolitikertum an, dann müßten drei Viertel der Union, gut die Hälfte der Sozialdemokraten und der Liberalen in den Ruhestand gehen und noch heute ihre Koffer packen. ({15}) Nur wir GRÜNE wären hier noch einigermaßen gut vertreten. Auch das Kabinett - alle über 45 - könnte in toto in die Industrie abwandern. Wahrscheinlich wäre es dort auch besser aufgehoben als hier im Bundestag. Diese Bundesregierung ist zu allem fähig, aber zu nichts zu gebrauchen, und diese Frühpensionierung ist das beste Beispiel dafür. ({16}) Meine Fraktion hat einen Entschließungsantrag eingebracht, der die sogenannte Verbesserung der Personalstruktur in den Streitkräften ablehnt, damit den Steuerzahlern klar wird, wer hier wie mit den Steuergeldern umgeht. Ich danke Ihnen. ({17})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter Suhr, den Ausdruck „Bakschisch-Regierung" weise ich als unparlamentarisch zurück. Ich bitte, ihn hier nicht zu wiederholen. Das Wort hat der Herr Verteidigungsminister. ({0})

Dr. Manfred Wörner (Minister:in)

Politiker ID: 11002547

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, nach dieser kabarettistischen Einlage ist es Zeit, daß wir wieder zur Sache zurückkehren. ({0}) Mit dem vorliegenden Gesetz wird ein Problem gelöst, das die Bundeswehr zunehmend und in unerträglicher Weise belastet. Schon seit 15 Jahren hat man das Problem erkannt - nichts ist geschehen. Und ich muß mich schon wundern, daß der Kollege Jungmann - ausgerechnet der Kollege Jungmann - den Mut findet, hier herzukommen und so zu tun, als ob das das Problem des Verteidigungsministers Wörner wäre. Hätten Sie es in den letzten zwölf Jahren gelöst, dann müßten wir jetzt nicht zu diesen Maßnahmen greifen, meine Damen und Herren. ({1}) Sie haben das Problem vor sich hergeschoben. Sie haben es, wie Herr Klejdzinski in der Zwischenfrage gesagt hat, beschrieben, aber eben nicht gelöst. Ich kann nur sagen: Wer die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte aufrechterhalten will, muß die Personalstruktur in Ordnung bringen. Geschähe dies nicht, dann würde die Bundeswehr in den einsatzwichtigen Führungspositionen des Kompaniechefs und des Bataillonskommandeurs hoffnunglos überaltern. Im übrigen gehört schon kabarettistischer Mut dazu, ({2}) das Amt eines Bundeskanzlers und das eines Kompaniechefs zu vergleichen. Da muß man wahrscheinlich schon GRÜNER sein, um diese Logik noch aufzubringen. Überdies: Offiziersnachwuchs wäre nicht in ausreichendem Umfang zu gewinnen und einzustellen. Die Auswirkungen auf die Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland wären verheerend. Wer wollte es angesichts dieser Konsequenzen verantworten, die Lösung dieses Problems noch länger zu verschleppen? Bei der Bereinigung der Personalstruktur geht es nicht um Privilegien für Offiziere. Diese Offiziere haben Anspruch auf lebenslange Berufstätigkeit im Staatsdienst. Nicht sie sind es, die ihre Entlassung verlangen, der Staat ist es - ({3})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Minister, lassen Sie mich bitte einen Moment unterbrechen. Ich möchte Ihnen ein bißchen mehr Ruhe verschaffen. - Meine Damen und Herren, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß hier vorne geredet wird und das auch zum Zuhören gedacht ist. Ich wäre dankbar, wenn die Kollegen ihre Plätze einnehmen oder ihre Gespräche außerhalb des Saals führten. - Bitte schön. Herr Minister.

Dr. Manfred Wörner (Minister:in)

Politiker ID: 11002547

Ich wiederhole: Nicht sie sind es, die ihre Entlassung verlangen, der Staat ist es, der daran interessiert ist, daß sie ausscheiden. Und wer sagt das schon: Ein Oberstleutnant, der von dem Angebot Gebrauch macht, verliert beispielsweise zunächst einmal mehr als 200 000 DM. Er muß sich in seinem Lebenskreis verändern, muß seine Lebensplanung umstellen, häufig genug mit seiner Familie umziehen. Wer das bedenkt, wird die Bedingungen seines Ausscheidens nicht als unangemessen oder ungerecht empfinden. Hier geht es auch nicht um die Frühpensionierung von Offizieren schlechthin, sondern lediglich um die freiwillige Zurruhesetzung von 1 200 Offizieren von insgesamt 19 000 Offizieren des Truppendienstes und 33 000 Berufsoffizieren, also im Schnitt ganzen 200 Offizieren pro Jahr. Wer hier von einer Belastung des Arbeitsmarktes bei einer Gesamtzahl des Arbeitsmarktes von 21 Millionen Menschen spricht, kennt wohl die Proportionen nicht; ganz abgesehen davon, daß ich für jeden, der ausscheidet, einen jungen Mann einstellen kann, den ich sonst nicht einstellen könnte. ({0}) Natürlich, meine Damen und Herren, gibt es Bedenken gegen dieses Gesetz, bis in die Reihen der Koalition hinein. Natürlich verstehe auch ich - gerade ich als Verteidigungsminister - angesichts der Besonderheiten dieses Gesetzes diese Bedenken. Wir haben als Bundesregierung einem Teil dieser Bedenken Rechnung getragen. Wir haben im Laufe der Gesetzesberatung einen Kompromiß gefunden, den ich ausdrücklich begrüßen möchte. Der öffentliche Dienst wird einen Teil der Offiziere übernehmen, für einen anderen Teil werden zusätzliche kw-Stellen bewilligt. Einem anderen Teil der Bedenken konnte nicht Rechnung getragen werden. Weder wäre es möglich, alle Offiziere in den öffentlichen Dienst zu übernehmen, noch wäre es vertretbar, alle Offiziere auf Zusatzstellen unterzubringen. Die Gründe dafür haben wir ausführlich erörtert. Wenn viele Kollegen angesichts des erzielten Kompromisses ihre anfänglichen Bedenken aufgegeben oder zurückgestellt haben, dann deshalb, weil sie wissen, daß es keine vernünftige Alternative gibt. Bei dieser Maßnahme geht es - ich übertreibe nicht - um die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und um die Erfüllung ihrer Bündnisverpflichtungen. Wer diese Sicherheit erhalten und die Bundeswehr einsatzbereit halten will, der muß auch den Mut haben, unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen. ({1}) Wer die Popularität zum alleinigen oder vorrangigen Maßstab seines Handelns macht, wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Das gilt vor allem für diejenigen, die dieses Gesetz nutzen, um Neid und Emotionen zu schüren. Ein Musterbeispiel haben wir eben gehört in der geradezu unglaublichen Rede des Kollegen Jungmann. Sie fragen mich: Was sagen Sie eigentlich den Unteroffizieren? - Herr Jungmann, das will ich Ihnen sagen. Ich sage den Unteroffizieren: Zwölf Jahre lang hat die alte Regierung weder für die Offiziere noch für die Unteroffiziere und gegen den Verwendungsstau etwas getan. Jetzt kommen wir, und wir tun für beide Gruppen etwas. ({2}) Meine Damen und Herren, wer hier den Neid weckt und von mangelnder Sozialverträglichkeit redet, den frage ich: Wo ist eigentlich die Sozialverträglichkeit, wenn der Soldat im Unterschied zu anderen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes und der Wirtschaft keine geregelte Arbeitszeit hat? Wo ist die Sozialverträglichkeit, wenn ihm Arbeitszeiten von 50, 60 und 70 Stunden zugemutet werden? ({3}) Wo ist die Sozialverträglichkeit, wenn er bis zur 56. Überstunde nicht einen einzigen Pfennig bezahlt bekommt? ({4}) Wo ist die Sozialverträglichkeit, wenn er 12-, 13-, 15mal im Laufe seines Berufslebens mit seiner Familie umziehen muß, weil er versetzt wird? Wo ist die Sozialverträglichkeit, wenn er viele Wochenenden im Bereitschaftsdienst in der Kaserne verbringen muß? Wo ist die Sozialverträglichkeit, wenn er Wochen auf Übungen oder in Manövern zubringen muß, fern seiner Familie? Meine Damen und Herren, es geht nicht an, daß man sich immer dann auf die Besonderheiten des Soldaten beruft, wenn man ihm Pflichten auferlegen will, aber wenn es dann um die Gleichberechtigung geht, will man von all dem nichts mehr wissen. ({5}) Dies ist das Motto der Opposition in Reinkultur: Wecke den Neid, und gehe den Problemen aus dem Wege! ({6}) Ich kann nur sagen: Lippenbekenntnisse für die Bundeswehr geben Sie täglich im Dutzend ab. Wenn es darum geht, zu stehen und auch einmal Unpopuläres zu tun, dann warten wir auf Sie; dann verdrücken Sie sich in die Ecke, dann sieht man nichts mehr von Ihnen, meine Damen und Herren! ({7}) Sie schlagen heute eine Lösung vor - Herr Kollege Vogel, da lachen Sie -, zu der mein Amtsvorgänger Apel folgendes erklärt hat: ({8}) Eine Ausweitung der Zahl von Planstellen und Dienstposten ist weder militärisch noch finanziell tragbar und sinnvoll. Heute schlagen Sie genau das vor, was mein Amtsvorgänger abgelehnt und nicht umgesetzt hat, meine Damen und Herren. So steht es um die Redlichkeit dieser Opposition. ({9}) Noch einen anderen Punkt: Sie erklären, unsere Personalplanung für die 90er Jahre sei nicht solide. Wenn wir dann ein Gesetz vorlegen, um diese Personalplanung zu untermauern, lehnen Sie es ab. - Entscheiden Sie sich doch endlich, ob Sie jetzt das oder jenes wollen, und fahren Sie nicht fort auf dem Weg einer Opposition, die sich immer mehr in Unglaubwürdigkeit verrennt. ({10}) Auch Sie werden der Bundeswehr gegenüber aus der Verantwortung nicht entlassen. Und wir werden Sie daran festhalten, wenn Sie Ihre Feiertagsreden vor den Soldaten halten. ({11}) Deswegen sage ich: Wenn es um die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland geht, dann ist leider Gottes nur noch auf diese Regierungskoalition Verlaß. ({12}) Wir stehen zu unserem Wort, das wir gegeben haben. Wer es ernst meint mit der Bundeswehr und der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland, der muß diesem Gesetz zustimmen. Und darum bitte ich Sie herzlich. ({13})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die §§ 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. ({0}) - Ich möchte allerdings zunächst die Kollegen bitten, ihren Platz einzunehmen. ({1}) - Der Präsident hat darum gebeten, daß die Kollegen ihren Platz einnehmen. - Das gilt auch für den Kollegen Soell, der mir leider nicht zuhört, im übrigen auch auf der anderen Seite. - Es ist nicht sehr angenehm, so eingreifen zu müssen. Ich habe die §§ 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung aufgerufen. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann sind die aufgerufenen Vorschriften in der zweiten Lesung mit Mehrheit angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein. Dazu hat zunächst nach § 31 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung der Abgeordnete Lutz das Wort zu einer Erklärung erbeten.

Egon Lutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001399, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe um das Wort nach § 31 Abs. 2 der Geschäftsordnung gebeten, um zu begründen, warum ich an der folgenden namentlichen Abstimmung nicht teilnehmen kann. Die mit dem heute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf verbundene Art der Beratung läßt mir keine andere Wahl, als durch diese Nichtteilnahme und diese persönliche Erklärung meinen Protest auszudrücken. Ich kann an der Abstimmung nicht teilnehmen, weil die Bundesregierung dem Parlament wesentliche Entscheidungshilfen vorenthalten hat und vorenthält, ({0}) die ganz sicher dazu führen würden, daß die Gesetzesvorlage entweder gründlich überarbeitet oder zurückgezogen würde. Ich kann an der Abstimmung nicht teilnehmen, weil mit diesem Gesetzentwurf nicht etwa nur 650 Millionen DM, wie uns die Regierung glauben machen will, sondern 1 Milliarde DM zum Fenster hinausgeworfen werden, die zuvor den Arbeitslosen, den Rentnern, den Schwerbehinderten abgepreßt wurden. ({1}) Ich kann an der Abstimmung nicht teilnehmen, weil die Bundesregierung nichts tat, ({2}) um den Verdacht auszuräumen, daß nicht etwa nur 1 200, sondern letztlich an die 10 000 Berufsoffiziere auf der Matte stehen werden, ({3}) um in den Genuß einer hochdotierten und finanziell zusätzlich versüßten Vorruhestandsregelung zu gelangen. Ich kann an der Abstimmung nicht teilnehmen, weil die Bundesregierung nichts tat, um den Verdacht zu entkräften, ({4}) daß sich gerade die agilsten Offiziere in den Ruhestand abmelden werden, weil ihnen eine weitere berufliche Karriere in der Wirtschaft bei ungehindertem Genuß der Frühpension winkt. ({5}) Ich kann an der Abstimmung nicht teilnehmen, ({6}) weil keineswegs nur Offiziere aus der aktiven Truppe, sondern auch solche aus den Stäben Vorruhestandsgelüste haben und offensichtlich auch befriedigt bekommen sollen. Ich kann an der Abstimmung nicht teilnehmen, ({7}) weil die Berufsunteroffiziere im Truppenkader nicht diesen Sondervorzug erhalten ({8}) und weil mutwillig Präjudizien für die gesamte Beamtenschaft geschaffen werden. ({9}) - Und wenn Sie noch so schreien: Ich kann an der Abstimmung nicht teilnehmen, da ich von der festen Überzeugung ausgehe, ({10}) daß ein halbwegs vernünftig geführtes Unternehmen von 260 000 Mann 1 200 Vorgesetzte wird im Innendienst verwenden können. ({11})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Ich muß Sie unterbrechen. ({0}) - Vielen Dank für die Kritik! Herr Abgeordneter, § 31 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung gibt die Möglichkeit, vor der Abstimmung eine Erklärung abzugeben, wenn man an einer Abstimmung nicht teilnimmt. Es geht um eine Erklärung, die inhaltlich nicht ein Debattenbeitrag sein darf. Die Art und Weise, wie Sie Ihren Beitrag aufgebaut haben, wirft die Frage auf, ob das ein Mißbrauch ist. Ich muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen! ({1}) Dies wird sicher ein Nachspiel haben; das müssen Sie sehen. Ich bitte Sie, Ihren letzten Satz zu der Überlegung zu sprechen, daß Sie an der Abstimmung nicht teilnehmen können. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Egon Lutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001399, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich kann letztlich an der Abstimmung nicht teilnehmen, weil diesem Parlament wesentliche Informationen vorenthalten worden sind ({0}) und somit eine Fehlentscheidung des Parlaments bewußt herbeigeführt wird. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Die Fraktion der SPD verlangt gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Abstimmungskarte mit Ja, wer dagegen stimmen oder sich der Stimme enthalten will, den bitte ich, die entsprechende Abstimmungskarte in eine der vorn aufgestellten Urnen zu legen. Ich eröffne die namentliche Abstimmung und mache darauf aufmerksam, daß anschließend eine weitere namentliche Abstimmung stattfindet. Ich stelle fest, daß jetzt kein Abgeordneter mehr von seinem Stimmrecht Gebrauch zu machen wünscht. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich darf die Kollegen bitten, Platz zu nehmen. Wir können die zweite Abstimmung, die in diesem Zusammenhang noch ansteht, jetzt schon vornehmen. Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat den Antrag zurückgezogen, eine namentliche Abstimmung über ihren Entschließungsantrag vorzunehmen. Insofern sind wir in der Lage, die Abstimmung jetzt in der Auszählungspause durchzuführen. Wir stimmen also ab über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Suhr und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3461. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen den Antrag? - Gibt es Enthaltungen? - Dann stelle ich fest, daß dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden ist. Wir warten jetzt auf das Abstimmungsergebnis. Ich gebe das von den Schriftführern mitgeteilte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Personalstruktur in den Streitkräften auf Drucksache 10/2887 und 10/3439 bekannt. Von den voll stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 417 ihre Stimme abgegeben. Davon war keine Stimme ungültig. Mit Ja haben gestimmt 229, mit Nein haben gestimmt 177. Es hat 11 Enthaltungen gegeben. Von den Berliner Abgeordneten haben 16 ihre Stimme abgegeben. Davon war keine ungültig. Mit Ja haben 9 gestimmt, mit Nein 7. Es hat keine Enthaltung gegeben. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 416 und 16 Berliner Abgeordnete; davon ja: 229 und 9 Berliner Abgeordnete nein: 176 und 7 Berliner Abgeordnete enthalten: 11 Ja CDU/CSU Dr. Abelein Frau Augustin Dr. Barzel Bayha Dr. Becker ({0}) Berger Dr. Blank Dr. Blüm Böhm ({1}) Bohl Bohlsen Borchert Braun Breuer Broll Brunner Bühler ({2}) Dr. Bugl Vizepräsident Westphal Carstens ({3}) Carstensen ({4}) Clemens Conrad ({5}) Dr. Czaja Daweke Frau Dempwolf Deres Doss Dr. Dregger Echternach Eigen Engelsberger Erhard ({6}) Frau Fischer Fischer ({7}) Francke ({8}) Dr. Friedmann Ganz ({9}) Frau Geiger Dr. George Ge Gerlach ({10}) Gerstein Gerster ({11}) Glos Dr. Götz Günther von Hammerstein Hanz ({12}) Haungs Hauser ({13}) Hauser ({14}) Freiherr Heereman von Zuydtwyck Frau Dr. Hellwig Helmrich Herkenrath Hinrichs Höffkes Höpfinger Dr. Hoffacker Frau Hoffmann ({15}) Dr. Hornhues Hornung Dr. Hüsch Graf Huyn Jäger ({16}) Jagoda Dr. Jahn ({17}) Dr. Jobst Jung ({18}) Dr.-Ing. Kansy Keller Kiechle Klein ({19}) Dr. Köhler ({20}) Dr. Köhler ({21}) Dr. Kohl Kolb Kraus Dr. Kreile Krey Kroll-Schlüter Frau Krone-Appuhn Dr. Kronenberg Dr. Kunz ({22}) Lamers Landré Dr. Langner Lattmann Dr. Laufs Link ({23}) Link ({24}) Linsmeier Lintner Dr. Lippold Löher Lohmann ({25}) Louven Lowack Maaß Frau Männle Magin Marschewski Metz Dr. Meyer zu Bentrup Michels Dr. Miltner Dr. Möller Müller ({26}) Müller ({27}) Müller ({28}) Nelle Niegel Dr.-Ing. Oldenstädt Petersen Pfeffermann Pfeifer Dr. Finger Pöppl Pohlmann Dr. Pohlmeier Rawe Reddemann Repnik Dr. Riedl ({29}) Dr. Riesenhuber Rode ({30}) Frau Rönsch Frau Roitzsch ({31}) Dr. Rose Rossmanith Roth ({32}) Rühe Ruf Sauer ({33}) Sauer ({34}) Sauter ({35}) Dr. Schäuble Schartz ({36}) Schemken Scheu Schlottmann Schmidbauer Schneider ({37}) Freiherr von Schorlemer Schreiber Dr. Schroeder ({38}) Schulhoff Dr. Schulte ({39}) Schwarz Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer Seehofer Seesing Seiters Dr. Freiherr Spies von Büllesheim Spilker Spranger Dr. Sprung Dr. Stark ({40}) Dr. Stavenhagen Dr. Stercken Stockhausen Stommel Strube Stutzer Susset Tillmann Dr. Todenhöfer Uldall Dr. Unland Frau Verhülsdonk Vogel ({41}) Dr. Voigt ({42}) Dr. Voss Dr. Waffenschmidt Dr. Waigel Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke Dr. Warrikoff Dr. von Wartenberg Weiß Werner ({43}) Frau Dr. Wex Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms Wilz Wimmer ({44}) Windelen Frau Dr. Wisniewski Wissmann Dr. Wittmann Dr. Wörner Dr. Wulff Zierer Zink Berliner Abgeordnete Boroffka Buschbom Dolata Feilcke Kalisch Kittelmann Dr. h. c. Lorenz Straßmeir FDP Beckmann Bredehorn Cronenberg ({45}) Eimer ({46}) Ertl Dr. Feldmann Gallus Gattermann Genscher Frau Dr. Hamm-Brücher Kohn Dr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann Neuhausen Paintner Dr. Rumpf Schäfer ({47}) Frau Dr. Segall Frau Seiler-Albring Dr. Solms Dr. Weng ({48}) Wolfgramm ({49}) Berliner Abgeordneter Hoppe fraktionslos Voigt ({50}) Nein CDU/CSU Sauter ({51}) SPD Amling Antretter Bachmaier Bahr Becker ({52}) Frau Blunck Brandt Brück Buckpesch Büchler ({53}) Dr. von Bülow Buschfort Catenhusen Collet Curdt Delorme Dreßler Dr. Ehmke ({54}) Dr. Ehrenberg Dr. Emmerlich Esters Ewen Fiebig Fischer ({55}) Fischer ({56}) Frau Fuchs ({57}) Frau Fuchs ({58}) Gansel Gerstl ({59}) Gilges Glombig Grunenberg Haase ({60}) Haehser Hansen ({61}) Frau Dr. Hartenstein Dr. Hauchler Hauck Dr. Hauff Heistermann Herterich Hettling Heyenn Dr. Holtz Horn Huonker Immer ({62}) Jahn ({63}) Jansen Jung ({64}) Junghans Jungmann Kastning Kiehm Kirschner Kisslinger Klein ({65}) Klose Kolbow Kühbacher Lambinus Leonhart Frau Dr. Lepsius Liedtke Lohmann ({66}) Frau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier Matthöfer Meininghaus Menzel Müller ({67}) Müller ({68}) Dr. Müller-Emmert Müntefering Vizepräsident Westphal Nehm Neumann ({69}) Dr. Nöbel Oostergetelo Paterna Pauli Dr. Penner Peter ({70}) Pfuhl Porzner Purps Ranker Rappe ({71}) Reimann Reschke Reuter Rohde ({72}) Sander Schäfer ({73}) Schanz Dr. Scheer Schlaga Schlatter Schluckebier Frau Schmedt ({74}) Dr. Schmidt ({75}) Schmidt ({76}) Schmitt ({77}) Dr. Schmude Dr. Schöfberger Schreiner Schulte ({78}) Dr. Schwenk ({79}) Sieler Frau Simonis Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell Dr. Sperling Dr. Spöri Steiner Stiegler Stockleben Dr. Struck Tietjen Frau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe Urbaniak Verheugen Vogelsang Voigt ({80}) Waltemathe Walther Weinhofer Dr. Wernitz Westphal Frau Weyel Dr. Wieczorek Wiefel von der Wiesche Wimmer ({81}) Wischnewski Witek Dr. de With Wolfram ({82}) Damit ist das Gesetz in dritter Lesung angenommen. Mir liegt noch eine Wortmeldung nach § 31 unserer Geschäftsordnung von der Frau Abgeordneten Steinhauer vor. Ich bitte um Aufmerksamkeit.

Waltraud Steinhauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002238, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Zur Abstimmung und zu meinem Verhalten bei der Abstimmung über das sogenannte Personalstrukturgesetz Streitkräfte gebe ich folgende persönliche Erklärung ab. Aus folgenden Gründen habe ich gegen das Gesetz gestimmt. Das soeben verabschiedete Gesetz halte ich für sozialpolitisch absolut unvertretbar. ({0}) Es eröffnet für eine kleine Gruppe Privilegien, die auch in der Lösung der angeführten Strukturprobleme keine akzeptable Begründung haben können. Ich halte die Folgen der Privilegien für unabsehbar. ({1}) Ich kann dies den Bürgern draußen nicht erklären und erst recht nicht vertreten, ({2}) noch dazu, wenn der pensionierte Offizier in der Privatwirtschaft unbegrenzt dazuverdienen kann. ({3}) Übrigens gibt es auch in anderen Bereichen Probleme im Altersaufbau ähnlich der Bundeswehr. Welche Auskunft gebe ich dem Polizeibeamten oder Bundesgrenzschutzangehörigen über seine Beförderungsaussichten? Wie soll ich dem Vorarbeiter mit Industriemeisterprüfung erklären, daß er nicht aufsteigen kann, weil der Meister noch zu jung ist? Das gleiche gilt für den Bürobereich, auch wenn z. B. der Abteilungsleiter im Gegensatz zu seinem jüngeren Mitarbeitern mit der Datenverarbeitung nicht zurechtkommt. ({4}) Oder was sage ich dem jungen Lehrer, der keine Aussicht auf Einstellung, oder dem, der keine Aussicht auf Beförderung zum Schulleiter usw. hat? Was sage ich dem habilitierten Akademiker, der wegen der Altersstruktur der Professoren kein Hochschullehrer werden kann? ({5}) Was sage ich schließlich den älteren Rentnerinnen, den Müttern über 65 Jahren, die zukünftig keine Zuschläge für Kindererziehungszeiten zu ihrer Rente erhalten, ({6}) weil die Finanzen dazu nicht zur Verfügung gestellt werden? Für eine kleine Gruppe werden hier aber Hunderte von Millionen oder gar 1 Milliarde DM locker gemacht. ({7}) Zander Zeitler Berliner Abgeordnete Egert Löffler Frau Luuk Stobbe Dr. Vogel Wartenberg ({8}) DIE GRÜNEN Auhagen Frau Borgmann Bueb Frau Dann Frau Eid Frau Hönes Horacek Frau Kelly Kleinert ({9}) Lange Mann Dr. Müller ({10}) Schily Schmidt ({11}) Schulte ({12}) Senfft Suhr Tischer Vogel ({13}) Vogt ({14}) Volmer Frau Wagner Werner ({15}) Werner ({16}) Berliner Abgeordneter Ströbele Enthalten CDU/CSU Dr. Faltlhauser Fellner Götzer Dr. Müller Wittmann ({17}) FDP Frau Dr. AdamSchwaetzer Baum Dr. Haussmann Dr. Hirsch fraktionslos Bastian Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode - 143. Sitzung. Bonn. Donnerstag. den 13. Juni 1985 10649 1983 wurden bei den Schwerstbehinderten in den Werkstätten die Renten um 22,5 % gekürzt und dadurch 250 Millionen DM gespart. ({18}) Dies alles hat mit Gerechtigkeit nichts mehr zu tun. ({19}) Viele Bürger haben mir gegenüber ihren Unmut zum Ausdruck gebracht. Meine Damen und Herren, nicht Privilegien, sondern Chancengleichheit und Harmonisierung wären statt dessen angezeigt. Ich als Sozialpolitikerin kann eine hier wieder einmal zum Ausdruck gebrachte Rosinenpolitik und ein Auseinanderdividieren nicht mit meiner Auffassung vereinbaren. ({20})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe nunmehr Punkt 6 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes - Drucksache 10/1727 Beschlußempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses ({0}) - Drucksache 10/3088 Berichterstatter: Abgeordnete Hauser ({1}) Steiner ({2}) Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Hauser ({3}).

Otto Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000835, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion lehnt den Gesetzentwurf des Bundesrates ab. Der Bundesrat will mit diesem Gesetz sicherstellen, daß das hauptamtliche Einsatzpersonal der öffentlichen Feuerwehren vom Wehrdienst freigestellt wird. Den Wunsch des Bundesrates, im Spannungs- und Konfliktfall die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Feuerwehren zu garantieren, teilen auch wir. Unsere Wege trennen sich jedoch bei den Mitteln, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll. ({0}) Wir halten die bisherige Regelung, in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob eine Unabkömmlichstellung eines hauptamtlichen Feuerwehrmannes gerechtfertigt ist, für angemessen und wirkungsvoll. Von den 24 000 hauptamtlichen Feuerwehrleuten, die wir in der Bundesrepublik haben, unterliegen zur Zeit 2 645 der Wehrüberwachung; nur 236 sind jedoch mobilmachungsbeordert.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. - Ich möchte den - hoffentlich erfolgreichen - Versuch unternehmen, die Ruhe im Hause wiederherzustellen. Ich möchte die Kollegen bitten, doch in die Lobby zu gehen, wenn sie sich unterhalten wollen, oder aber Platz zu nehmen und zuzuhören. - Einen Moment noch, Herr Abgeordneter. Ich möchte noch einen Moment warten, bis die mir notwendig erscheinende Ruhe hergestellt ist. - Sie können fortfahren, Herr Abgeordneter.

Otto Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000835, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich, Herr Präsident. Ganze 27 hauptamtlich tätige Feuerwehrleute leisten Wehrdienst. Wir können also feststellen - hier herrscht ohne Zweifel Übereinstimmung mit dem Bundesrat -, daß die übergroße Mehrheit des betroffenen Personenkreises auch heute schon nicht für die Dienstleistung im Verteidigungsfall vorgesehen ist. Dies wird auch so bleiben, da die Bundeswehr über ein so großes Potential von Reservisten verfügt, daß man nicht auf die hauptamtlichen Feuerwehrkräfte zurückgreifen muß. Die Begründung des Bundesrates, in den kommenden Jahren werde wegen des Absinkens der Jahrgangsstärken wehrdienstfähiger junger Männer die Einberufungspraxis der Wehrersatzbehörden verschärft, und es bestehe die Gefahr, daß nach 1988 auch hauptberufliche Feuerwehrleute dienen müßten, ist ebenso nicht stichhaltig. Wir wissen doch, daß auch unter dem Eindruck sinkender Jahrgangszahlen keine Veränderung des Uk-Verfahrens zu erwarten ist. Der Modus der Uk-Stellung, wie er bisher geregelt war und wie er in Zukunft vorgesehen ist, hat im übrigen - entgegen der Behauptung in der Gesetzesbegründung durch den Bundesrat - einwandfrei funktioniert. ({0}) Es handelt sich nicht um willkürliche oder zu beanstandende Verfahrensweisen. Meine Damen und Herren, der Wunsch des Bundesrates, die hauptamtlichen Feuerwehrkräfte grundsätzlich vom Wehrdienst freizustellen, würde bedeuten, daß in den § 42 des Wehrpflichtgesetzes und in den § 15 des Zivildienstgesetzes eine zusätzliche Wehrdienstausnahme einzufügen wäre. Wir wenden uns sehr deutlich gegen jede weitere Ausnahme von der allgemeinen Norm. Eine solche Handlungsweise würde mehr Wehrungerechtigkeit schaffen. Wir sind jedoch 1983 auch mit der Absicht angetreten, mehr Wehrgerechtigkeit zu erreichen. Wir halten an dem Grundsatz fest, daß es Pflicht eines jeden wehrdienstfähigen Bürgers unseres Staates sein muß, den Wehrdienst oder im Falle der Anerkennung als Wehrdienstverweigerer den zivilen Ersatzdienst zu leisten. Ausnahmen von dieser Pflicht können nur wirkliche Härte- und Ausnahmefälle betreffen. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich in unserem Wehrpflichtgesetz eine stattliche Zahl von Wehrdienstausnahmen angesammelt, die sicherlich zu der Zeit, als sie beschlossen wurden, berechtigt waren. Einige dieser Wehrdienstausnahmen und Son10650 Hauser ({1}) derregelungen halte ich heute für nicht mehr richtig. ({2}) Wir bemühen uns daher zur Zeit um eine Überprüfung, inwieweit diese Regelungen überhaupt noch der Wirklichkeit entsprechen. ({3}) Es wäre daher nicht konsequent, während dieser Überprüfung eine neue Wehrdienstausnahme einzuführen. Meine Damen und Herren, Wehrgerechtigkeit bedeutet für mich, daß möglichst alle wehrdienstfähigen Bürger unseres Landes Wehr- oder Ersatzdienst leisten müssen. ({4}) Frieden in Freiheit wollen alle. Deshalb muß auch jeder dafür eintreten. Ich bedanke mich. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Steiner.

Heinz Alfred Steiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002235, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird diesem Gesetzentwurf des Bundesrates ihre Zustimmung geben. Mit den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzesänderungen soll den Aufgaben und besonderen personellen Bedürfnissen der öffentlichen Feuerwehren Rechnung getragen werden. Sie dienen insbesondere der Sicherstellung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft und Funktionsfähigkeit der öffentlichen Feuerwehren sowohl im Frieden als auch im Spannungs- und Verteidigungsfall. ({0}) Der Schwerpunkt der Einsätze der öffentlichen Feuerwehren liegt im Bereich der Abwehr von Gefahren bzw. der Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Wenn die öffentlichen Feuerwehren schon im täglichen Leben in Dauerpräsenz die Aufgabe haben, Gefahren für Leib und Leben, Hab und Gut abzuwenden und einzudämmen, die durch Brände, Explosionen, Überschwemmungen und andere Katastrophen und Unglücksfälle entstehen, so stellt sich ihnen dieser Auftrag insbesondere im Spannungs- oder im Verteidigungsf all. ({1}) Zur Erfüllung dieser Aufgabe bedarf es eines vollständigen qualifizierten Personalbestandes bei allen öffentlichen Feuerwehren. ({2}) Diese Auffassung wird übrigens auch vom Deutschen Städtetag voll geteilt. Obwohl die Bundesregierung vorgibt, die besondere Bedeutung der zivilen Verteidigung im Rahmen der Gesamtverteidigung anzuerkennen, ({3}) lehnt sie dennoch die von den Ländern zu Recht geforderte Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes ab. Die Bundesregierung bemüht für ihre Begründung mal wieder die Wehrgerechtigkeit - der Kollege Hauser hat das auch getan -, die neuerdings als Deckmantel für viele merkwürdige Personalentscheidungen herhalten muß ({4}) und die je nach Bedarf hin- und hergewendet wird. Die berechtigten Besorgnisse des Deutschen Feuerwehrverbandes, im Spannungs- und Verteidigungsfall würde auf Grund der derzeit gültigen Rechtslage das hauptamtliche Feuerwehrpersonal in nicht unerheblichem Maße zum Wehrdienst einberufen, weist die Bundesregierung als grundlos zurück. ({5}) Sie versucht die Befürchtung der öffentlichen Feuerwehren mit dem Hinweis zu entkräften, daß wegen des großen Potentials an ausgebildeten Reservisten auf die Mobilmachungsbeorderung der hauptamtlichen Kräfte der öffentlichen Feuerwehren weitgehend verzichtet werden könne. Ferner würde auch die Unabkömmlichkeitsstellung von Feuerwehrmännern bei der Heranziehung zum Grundwehrdienst weiterhin großzügig gehandhabt. Für die Annahme der Feuerwehren, ab 1988 würden etwa tausend hauptberufliche Einsatzkräfte ständig Grundwehrdienst leisten, besteht nach Meinung der Bundesregierung kein Anlaß. Wenn die Bundesregierung in diesem Fall wirklich mal das meint, was sie sagt, dann müßte sie eigentlich dem begründeten Anliegen der Länder ihre Zustimmung geben. ({6}) Denn 1984 waren von den rund 24 000 hauptberuflichen Feuerwehrmänner nur ganze 236 mobilmachungsbeordert, also knapp 1 %. Nur 27 leisteten Grundwehrdienst. Herr Kollege Hauser, wenn nun aber 27 Wehrpflichtige und 236 Reservisten jährlich der Bundeswehr nicht mehr zur Verfügung stünden - mehr könnten es gar nicht werden, weder nach den Aussagen der Bundesregierung noch nach Ihren Aussagen, wenn man ihnen Glauben schenken will -, ({7}) dann hätte dies keine spürbaren Auswirkungen, weder auf die Wehrgerechtigkeit noch auf die Einsatzbereitschaft der Truppe. Mit dem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes wäre aber die Einsatzbereitschaft Deutscher Bundestag -.10. Wahlperiode Steiner der öffentlichen Feuerwehren ohne Wenn und Aber in jeder Lage sichergestellt. ({8})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger. ({0})

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, das dritte Mal, meine sehr verehrten Damen und Herren. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist keineswegs ein Mangel an Respekt vor der Aufgabe und Leistung der Feuerwehren, wenn die FDP-Fraktion in diesem Falle den Gesetzesantrag des Bundesrates ablehnt, sondern es ist ein Ausfluß grundsätzlicher Überlegungen, ob es eigentlich vernünftig sein kann, zu einem Zeitpunkt, zu dem wir aus demographischen Entwicklungen und aus der Notwendigkeit heraus, einen bestimmten Friedensbestand der Bundeswehr zu halten, darangehen, Wehrdienstausnahmen einzuschränken; zwangsläufig werden wir dazu übergehen müssen. Es ist doch wohl eine Frage, ob es zu diesem Zeitpunkt eigentlich vernünftig und angebracht ist, den bisherigen Wehrdienstausnahmen eine weitere hinzuzufügen. Ich will den Zahlen, die der Abgeordnete Hauser genannt hat, nur einige wenige hinzufügen. Von 24 000 hauptberuflichen Feuerwehrleuten unterliegen zur Zeit der Wehrüberwachung 2 645; aber nur 236 von diesen 2 645 sind tatsächlich mobbeordert, und 27 leisten zur Zeit ihren Grundwehrdienst ab. Wenn es eines Beweises bedürfte, daß der gegenwärtige Rechtszustand durchaus in die Lage versetzt, den Aufgaben und Notwendigkeiten der Feuerwehr und des Katastrophenschutzes Rechnung zu tragen, ist er in diesen Zahlen einwandfrei erbracht. ({0}) Ich sage noch einmal, der Dienst der Feuerwehr ist zweifellos von großer Bedeutung für die Gemeinschaft, und ich bin gerne bereit, an dieser Stelle einmal ausdrücklich zu sagen, daß den Feuerwehrleuten für ihre oft auch lebensgefährliche Tätigkeit Dank geschuldet wird.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hansen?

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, ich gestatte sie.

Uwe Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000806, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Ronneburger, Sie kennen sich ja in Norddeutschland gut aus. Wissen Sie beispielsweise - weil Sie so gut die Zahlen kennen -, wie sich diese Sache konkret bei der Hamburger Berufsfeuerwehr auswirken würde?

Uwe Ronneburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001881, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe hier die Zahlen für das Bundesgebiet genannt. Ich bitte um Ihr Verständnis dafür, daß mir für einzelne Bundesländer, so auch für die Freie und Hansestadt Hamburg, diese Zahlen nicht im Detail vorliegen. Die Frage muß doch wohl erlaubt sein, meine Damen und Herren: Wo findet eine Ausweitung von Wehrdienstausnahmen ihre vernünftige Grenze? Bei Ärzten, bei Pflegepersonal, bei Rettungsdiensten? Hier, glaube ich, wird sehr schnell sichtbar, daß wir in jedem Einzelfall sehr sorgfältig überlegen müssen - dies wird offenbar auch getan -, ob der einzelne mobbeordert wird oder nicht; aber hier eine grundsätzliche zusätzliche Wehrdienstausnahme einzuführen scheint uns in der gegenwärtigen Situation nicht angebracht zu sein. Es geht hier auch um grundsätzliche Erwägungen der Wehrgerechtigkeit, die durchzuhalten und zu sichern in einer auf uns zukommenden schwierigen Zeit ohnehin eine nicht leicht zu lösende Aufgabe sein wird. Darüber hinaus sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: Nicht nur wegen der geringen Zahl der wehrdienstleistenden Feuerwehrleute, sondern auch weil im Mobilmachungsfalle genügend Reservisten zur Verfügung stünden, ist nicht zu befürchten, daß die Funktionsfähigkeit des Katastrophenschutzes im Verteidigungsfall leidet. Also nicht als Abwertung der Feuerwehr oder des Katastrophenschutzes, sondern aus grundsätzlichen Erwägungen lehnt meine Fraktion diesen Gesetzentwurf ab. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Lange.

Torsten Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001284, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der GRÜNEN stimmt dem Gesetzentwurf des Bundesrates zu. Dieser Entwurf sieht vor, daß eine Berufsgruppe, nämlich hauptamtliche Feuerwehrleute, den bislang im Wehrpflichtgesetz und Zivildienstgesetz den Polizeivollzugsbeamten zugestandenen Vorzug, nämlich uneingeschränkt vom Wehr- und Zivildienst freigestellt zu werden, ebenfalls erhält. Die Position der Bundesregierung und der sie tragenden Regierungsparteien läuft dagegen im wesentlichen darauf hinaus, daß dort Gefahr gewittert wird, Gefahr für die geplante personelle Aufblähung, Gefahr für die materielle Aufrüstung und Gefahr für die strategische Offensivausrichtung der Bundeswehr, Gefahr also, um dies einmal sehr sanft zu formulieren, für ein aggressives Kriegsvorbereitungsbündnis NATO, das eben Menschenmaterial braucht und von dieser Seite des Hauses als Wertegemeinschaft gefeiert und als unverzichtbares Verteidigungsinstrument mißverstanden wird. ({0}) - Herr Kollege, ich lebe in einer Welt, in der immer mehr Menschen Angst haben, Angst vor dieser Regierung und ihrer Rüstungspolitik. Ich darf aus der Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Entwurf zitieren: Angesichts der ... drängenden Personalprobleme können jedoch die Wehrdienstausnahmen nicht ausgeweitet werden, heißt es dort, und weiter: Hierdurch könnte auch ein Anreiz für Bemühungen um die Freistellung weiterer Personenkreise vom Wehrdienst geschaffen werden. Ich halte dies für einen interessanten Aspekt, auf den ich gleich noch einmal zurückkommen werde. Um diese Problemstellung geht es heute. Die Fraktion der GRÜNEN im Bundestag kommt insofern zwangsläufig zu folgenden Feststellungen. Erstens. Die Arbeit der Feuerwehren ist risikoreich, beschwerlich und für die Öffentlichkeit von großem Nutzen. Ihre Tätigkeit darf nicht länger erschwert werden, indem z. B. immer mehr Unabkömmlichkeitsanträge negativ beschieden werden. Im Gegenteil: Eine generelle Freistellung vom Wehr- und vom Zivildienst beseitigt bereits bestehende Mängel im Feuerwehrbereich und gibt diesen Beamten das Gefühl, nicht weiter verunsichert und in der Ausübung ihrer Arbeit behindert zu werden. ({1}) Man muß sich das einmal vorstellen. Herr Ronneburger, ich nenne Ihnen die Zahlen aus Hamburg: In Hamburg etwa sind 95 Feuerwehrbeamte nur befristet uk-gestellt und müssen mit einer Einberufung zum Wehrdienst rechnen. Die Kreiswehrersatzämter haben zu erkennen gegeben, daß mit einer weiteren Uk-Stellung nicht gerechnet werden kann. Das alles muß vor dem Hintergrund gesehen werden, daß die Löschzüge in Hamburg im Durchschnitt nur mit zwölf Feuerwehrbeamten besetzt sind anstatt mit 16, wie es die Sollstärke vorschreibt. ({2}) Klar ist, daß die Funktionsfähigkeit der Löschzüge reduziert und damit eben Menschenleben gefährdet werden. ({3}) Diese Prioritäten müssen wir eben einfach sehen. Wir sehen sie anders als Sie. ({4}) Zweitens. In den Einwänden der Bundesregierung und der Mehrheit des Verteidigungsausschusses dominiert engstirniges Rekrutierungsdenken aus einem militaristisch gefärbten Blickwinkel heraus. ({5}) Diese Einwände sind nicht sachgerecht, weil sie das öffentliche Interesse an einer leistungsfähigen Feuerwehr geringschätzen, das Interesse an Menschenmaterial für die Kriegsorganisation Bundeswehr dagegen nur allzu deutlich werden lassen. ({6}) - Ich weiß, meine Herren, das tut Ihnen weh. Aber Sie müssen sich auch einmal daran gewöhnen, daß die Bundeswehr insgesamt in Frage gestellt wird und wir als Parlament kein Bundeswehrunterstützungsorgan sind. ({7}) Drittens. Die Fraktion der GRÜNEN tritt dafür ein und fordert geradezu, daß viele weitere Berufsgruppen dem Anliegen der hauptamtlichen Feuerwehrleute folgen und die Herausnahme vom Wehrbzw. Zivildienst beantragen. ({8}) Das ist konkrete Abrüstungspolitik in kleinen Schritten und trägt dazu bei, daß so etwas wie ein Spannungs- und Verteidigungsfall gar nicht erst entsteht. Lassen wir die Ausnahmeregelung auch für die Feuerwehr zu und sorgen wir dafür, daß solche Ausnahmen zur Regel ohne Ausnahme werden! Danke schön. ({9})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich schließe die Aussprache, da mir weitere Wortmeldungen nicht vorliegen. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. *) Der Ausschuß empfiehlt, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer diesen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist das Gesetz abgelehnt. Wir kommen zum Zusatzpunkt 4 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Europaabgeordnetengesetzes - Drucksache 10/3453 Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({0}) Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO Interfraktionell ist eine Redezeit von fünf Minuten für jede Fraktion vorgesehen. - Widerspruch erhebt sich nicht. Ich möchte fragen, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird. - Auch das ist nicht der Fall. Dann hat der Abgeordnete Bötsch das Wort.

Dr. Wolfgang Bötsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000228, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Neufassung des Abgeordnetengesetzes durch das Gesetz vom 22. Dezember 1983 wurde ein Verfahren für die Anhebung und Anpassung der Abgeordnetenentschädigung gefun- *) Erklärung des Abg. Dr. Schierholz zur Abstimmung Anlage 2 den, das nicht nur den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entspricht, sondern darüber hinaus auf Grund einer Art von Automatismus, auf Grund eines Katalogs die Chance bietet, die Diskussion über dieses leidige Thema in der Öffentlichkeit zu versachlichen und auch den Niederungen des Parteiengezänks etwas zu entziehen. Gerade der jetzt zur Beratung und Beschlußfassung anstehende Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Europaabgeordnetengesetzes, der von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebracht wurde, scheint mir ein hoffnungsvolles Zeichen in dieser Richtung zu sein. Wie Sie wissen, hat der Präsident des Deutschen Bundestages jetzt jährlich bis zum 31. Mai über die Angemessenheit der Entschädigung Bericht zu erstatten und nicht mehr wie früher in einem ZweiJahres-Rhythmus. Er hat in Verbindung damit einen Vorschlag vorzulegen. Auch für den Umfang der Erhöhung ist durch eine Reihe von Maßgaben und Kriterien ein Rahmen gesetzt, der zur Objektivierung beiträgt. Die letzte Entscheidung liegt freilich beim Parlament, liegt bei uns. Wir müssen selbst entscheiden. Denn wer sollte es für uns sonst tun? Der Vorwurf, sich wie im Selbstbedienungsladen zu betätigen - wie er oft erhoben wird -, läßt sich durch einen schlichten Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen entkräften; denn der Bundestag hat unter Berücksichtigung des Vorschlags des Bundestagspräsidenten, also nach den genannten Maßstäben zu beraten und zu beschließen. Er muß das jährlich tun mit Wirkung vom 1. Juli des Jahres unabhängig davon, ob die Entscheidung jetzt gerade in die politische Landschaft paßt oder nicht - und wie diese Dinge alle genannt werden. ({0}) - Ihnen paßt sowieso nie etwas. Das ist völlig klar. Der Gesetzentwurf, der jetzt vorgelegt wird, sieht dem Vorschlag des Präsidenten gemäß eine Erhöhung der Entschädigung um 2,8 % und der Kostenpauschale um 2,4 % vor; das unter Berücksichtigung des Katalogs der Löhne, Gehälter, Renten, aller verfügbaren Einkommen, der Lebenshaltungskosten. Wir halten eine Erhöhung dieses Umfanges für angemessen und gerecht. Ich glaube, das Ansehen unseres freiheitlichen Rechtsstaates hängt auch von der Qualität dieses Hauses ab. Das setzt voraus, daß es für qualifizierte Angehörige aller Berufsgruppen zumutbar erscheinen muß, sich für ein Mandat als Abgeordneter des Deutschen Bundestages zur Verfügung zu stellen. Bei einer unvoreingenommenen und objektiven Abwägung aller Faktoren wird auch eine kritische und sensible Öffentlichkeit Verständnis für eine maßvolle Anhebung der Entschädigung der Abgeordneten und der Kostenpauschale aufbringen. Ich möchte hinzufügen, daß die Mitglieder des Deutschen Bundestages ihre Entschädigung anders etwa als bei Banken oder im öffentlichen Dienst nur zwölfmal im Jahr bekommen und eine Änderung auch nicht zur Diskussion steht. Wie gesagt, diese Initiative geht auf einen gemeinsamen Entwurf von CDU/CSU, SPD und FDP zurück. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, den Kollegen auch der anderen beteiligten Fraktionen für die sachliche Zusammenarbeit in den Vorgesprächen zu danken und sie zu bitten, in der gleichen sachlichen Art und Weise dieses Gesetz in den Ausschüssen zu beraten. Ich bedanke mich. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Becker.

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000127, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal in Erinnerung rufen, daß wir in diesem Parlament in den Fraktionen zwar sieben Jahre lang erörtert haben, welches Verfahren denn wohl sinnvoll sei, die Bezüge der Abgeordneten nicht von der allgemeinen Einkommensentwicklung auf viele Jahre abzukoppeln, daß wir aber erst vor drei Jahren ein Verfahren gefunden haben, von dem wir alle überzeugt waren, daß es einigermaßen gerecht und vertretbar ist. Sieben Jahre lang hat es keine Erhöhung der Bezüge gegeben, und dann haben wir uns auf ein Verfahren verabredet, daß der Kollege Bötsch soeben dargestellt hat, daß wir nämlich die allgemeine Einkommensentwicklung in diesem Lande bei unseren Beratungen und bei der Anpassung der Entschädigung ebenso wie bei der Anpassung der Kostenpauschale j ährlich berücksichtigen wollen. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen, was wir denn als Maßstäbe für die Anpassung dieser Entschädigung und Kostenpauschale festgelegt haben. Wir wollten berücksichtigen: die Veränderungen der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste der Arbeiter in der Industrie, der durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste der Angestellten in Industrie und Handel, der Dienst- und Versorgungsbezüge im öffentlichen Dienst, der Vergütungen der Angestellten und der Löhne der Arbeiter im öffentlichen Dienst, der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, die durchschnittliche Erhöhung von Arbeitslosengeld, Veränderungen der durchschnittlichen Arbeitslosenhilfe und der Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Dies waren die Daten, die wir bei der Erhöhung unserer Bezüge zugrunde gelegt haben wollten. Man kann sicherlich sagen, daß es dabei um eine Berechnung geht, die die Einkommensveränderungen in allen Bereichen der Bevölkerung berücksichtigt. Wir haben außerdem beschlossen, daß wir bei der Kostenpauschale nur diejenigen Anteile berücksichtigen wollen, bei denen es sich um von Abgeordneten zu bestreitende Anteile handelt. Nach diesen Kriterien sollen die Bezüge der Abgeordneten um 2,8 % angehoben, soll die Kostenpauschale nach der Becker ({0}) Entwicklung der Lebenshaltungskosten um 2,4 % erhöht werden. Dieser Vorschlag ist im vorliegenden Gesetzentwurf begründet und wird nun in den Ausschüssen beraten. Unter Berücksichtigung der Arbeitslast - ich will hier noch einmal in Erinnerung rufen, daß ich sehr wenig Kollegen kenne, die weniger als 70 Stunden in der Woche arbeiten müssen ({1}) und auch angesichts der bisher bekanntgewordenen Abschlüsse im Tarifbereich - Tarifverträge, die in verschiedenen Industriezweigen abgeschlossen worden sind - ist der Vorschlag des Präsidenten gerechtfertigt und die vorgesehene Anhebung der Entschädigung und der Kostenpauschale sehr maßvoll. Ein 13. Monatsgehalt - auch das will ich hier betonen - wird es nicht geben. In der Öffentlichkeit besteht häufig der Eindruck, als ob wir dieses 13. Monatsgehalt bereits seit Jahren kassieren. Es gibt kein 13. Monatsgehalt für Abgeordnete. ({2}) Die SPD-Fraktion wird der Überweisung an die Ausschüsse zustimmen. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Beckmann.

Klaus Beckmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir haben in dieser Wahlperiode schon verschiedentlich ausführlich über die Notwendigkeit diskutiert, die Abgeordnetenentschädigung an die Einkommensentwicklung anzupassen. Alle Argumente, ob es vertretbar ist, dies in einer Zeit zu tun, in der den Bürgern durch, wie ich meine, notwendige Entscheidungen Einsparungen und auch Opfer auferlegt worden sind und auch noch auferlegt werden, sind in den vergangenen Diskussionen schon ausgetauscht worden; sie können von jedermann nachgelesen werden. Ich möchte es mir daher ersparen, diese Argumente zu wiederholen. Der Herr Kollege Becker hat hierzu j a dankenswerterweise vergleichende Bemerkungen gemacht. Wir haben uns vor einigen Jahren, insbesondere zu Beginn dieser Legislaturperiode, darauf verständigt, dem Bundestagspräsidenten aufzugeben, jedes Jahr einen Bericht über die Angemessenheit der Entschädigung der Abgeordneten und zugleich einen Vorschlag über die Anpassung der Entschädigung vorzulegen. Das Parlament ist verpflichtet, sich über den Vorschlag des Bundestagspräsidenten eine Meinung zu bilden. Der Bundestagspräsident hat nun in dem diesjährigen Bericht festgestellt, daß die Abgeordnetenentschädigung nicht mehr angemessen ist, und hat eine Anhebung der Entschädigung und der Kostenpauschale vorgeschlagen. Meine Fraktion hat sich dem Votum von CDU/CSU und SPD angeschlossen und den Bericht des Bundestagspräsidenten zustimmend zur Kenntnis genommen. Zu Recht hat der Herr Bundestagspräsident in seinem Bericht darauf hingewiesen, daß trotz der bisher erfolgten Anhebung der Abgeordnetenentschädigung immer noch ein Rückgang der Abgeordnetenentschädigung gegenüber der Entwicklung der allgemeinen Einkommen von über 30 % verbleibt, da diese Entschädigung in den Jahren 1979 bis 1983 nicht angehoben worden ist. Dieses Absinken gegenüber den meisten übrigen Einkommen hat sich, worauf ich erneut besonders hinweisen möchte, ganz besonders zu Lasten der Hinterbliebenen ehemaliger Abgeordneter ausgewirkt. Wir haben Briefe von Witwen und Waisen unserer verstorbenen Kollegen vorliegen, die hierzu eine ganz deutliche Sprache sprechen. Ich möchte klarstellen, daß meine Fraktion etwaige über den Vorschlag des Bundestagspräsidenten hinausgehende Anhebungen, z. B. die Einführung eines 13. Monatsgehalts für Abgeordnete, nicht unterstützen wird. Die heute vorgeschlagene Lösung ist aus der Sicht der FDP-Fraktion angemessen, notwendig und dem Auftrag des Art. 38 des Grundgesetzes entsprechend. Vielen Dank. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller ({0}).

Dr. Joachim Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001553, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich lehnen wir GRÜNEN diese Diätenerhöhung ab, ({0}) insbesondere nach dem vorletzten Tagesordnungspunkt, ({1}) bei dem sich insbesondere die SPD über die Subventionierung - ich kann das nicht anders bezeichnen - des Ausstiegs von Offizieren aus der Bundeswehr ereifert hat. Was ich da alles gehört habe über die Witwen, die Waisen, die Armen, die Sozialhilfeempfänger - alles wurde zitiert. Und jetzt ist Ruhe, es ist keiner mehr da, ganz toll, jetzt wird kassiert. ({2}) Es ist noch keine zwei Tagesordnungspunkte her, da höre ich auf einmal, wie arm man ist. Neue Armut ist offensichtlich im Parlament ausgebrochen. ({3}) Dr. Müller ({4}) So liest sich die Begründung zu diesem Gesetzentwurf. ({5}) - Ich zitiere gern einiges, was Sie eben bei den Offizieren gebracht haben. ({6}) Nehmen wir beispielsweise - das geht jetzt an die Koalition - die Rentenerhöhung. Man billigte den Rentnern immerhin nur 1,2 % zu, scheute sich aber nicht, in diesen Gesetzentwurf mit hineinzuschreiben, daß für Europa- und Bundestagsabgeordnete das Doppelte, nämlich eine jährliche Inflationsrate von 2,4 %, zugrunde gelegt wird. ({7}) Ich bin ja froh, daß meine Vorgänger hier nicht hohlwangig gesprochen haben, in Lumpen gekleidet. Dann hätte man zumindest sagen können, es hätte eine Leistung hinter dem gestanden, was Sie vorgetragen haben. ({8}) Nun argumentieren insbesondere Sie von der Sozialdemokratie, daß Sie 1 500 DM an die Partei abzugeben haben. ({9}) - Sie geben mehr ab? Sehr interessant. Das heißt, diese Diätenerhöhung ist eine zusätzliche Parteienfinanzierung. ({10}) Wir haben einmal durchkalkuliert, ({11}) wieviel beispielsweise die Stiftungen in den letzten Jahren zusätzlich aus Steuergeldern kassiert haben. ({12}) Das sind für die Jahre 1984 und 1985 51,5 Millionen DM. ({13}) - Kann ich mal um Ruhe bitten? Ich verstehe ja, daß Sie sich aufregen.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, ich will versuchen, die auch Ihnen gebührende Ruhe herzustellen, und bitte die Kollegen, sich entsprechend zu verhalten.

Dr. Joachim Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001553, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Herr Präsident.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lambinus?

Dr. Joachim Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001553, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber gerne.

Uwe Lambinus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001271, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, können Sie mir bestätigen, daß die Partei der GRÜNEN die höchste prozentuale Staatsfinanzierung aller im Bundestag vertretenen Parteien hat? ({0})

Dr. Joachim Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001553, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie sollten wissen, daß hier Prozentrechnung unglaubwürdig und unredlich ist. ({0}) Ich nenne Ihnen aber gern die absoluten Zahlen, die hier eine Rolle spielen. Laut Drucksache 10/2172 erhielt die SPD 125,4 Millionen DM Steuergelder mehr im Vergleich von 1983 zu 1985, die CDU 124,9 Millionen, die CSU 36 Millionen, die FDP 17,4 Millionen und die GRÜNEN 13,7 Millionen DM. Meine Herren von der SPD, der Spitzenreiter im Abkassieren von Steuergeldern ist also immer noch die Sozialdemokratische Partei. ({1}) Offensichtlich ist hier dem Parteienproporz ein hart erkämpfter und lukrativer Sieg abgerungen worden; denn Sie sind immer noch Spitzenreiter. ({2}) - Ich bitte Sie. Das waren die Zahlen, die erhoben worden sind. Ich kann sie gerne nachprüfen lassen. Ich bin gerne bereit, darüber zu debattieren, wie viele Steuergelder für Stiftungen, für Parteien, für Sie, draufgegangen sind. ({3}) - Ich verstehe Ihre Aufregung nicht. Immerhin sind Sie der teuerste Parlamentarier in der ganzen Welt; jeder bundesdeutsche Parlamentarier kostet nämlich im Schnitt 30 000 DM. Kein Staat in der Welt läßt sich den Parlamentarismus bezüglich der persönlichen Diäten so teuer kommen. ({4}) - Nennen Sie mir ein Land, wo ein Parlamentarier billiger ist. ({5}) - Das sollten Sie nicht sagen. ({6}) Ich möchte zum Schluß bezüglich des Vorganges hier auch noch etwas Positives sagen. Vielleicht kann man sich dann auch etwas abregen. Was hier jetzt passiert, ist eigentlich ein prächtiges Beispiel Dr. Müller ({7}) für alle Lohnempfänger hier im Lande. Das wäre wahrlich ein Schritt in Richtung Demokratisierung unseres Wirtschaftssystems, wenn alle so über die Höhe ihrer Löhne abstimmen könnten, wie wir es hier gleich tun werden. ({8}) Das wäre ein Modell, dem wir gerne folgen würden. Das ist Selbstverwaltung, das ist verantwortliches Ausgeben von Geldern, was Sie hier vormachen. Das wäre ein Modell, das wir sogar ganz gerne exportieren würden.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen zusätzliche Zeit wegen der Frage gegeben.

Dr. Joachim Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001553, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. - Ich komme zum Schluß.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich bitte Sie, entsprechend zu verfahren.

Dr. Joachim Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001553, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Noch eine Bitte zum Schluß. Nehmen Sie das Geld, und gehen Sie in Frieden, doch verschonen Sie uns in Zukunft vor Sprüchen, die da heißen: Leistung solle sich wieder lohnen. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich schließe die Aussprache, da mir weitere Wortmeldungen nicht vorliegen. Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP auf Drucksache 10/3453 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung sowie zur Mitberatung und zur Beratung gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann kann ich die Überweisung als so beschlossen betrachten. Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes - Drucksache 10/1394 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) - Drucksache 10/3271 Berichterstatter: Abgeordneter Wimmer ({1}) ({2}). Hierzu liegt auf Drucksache 10/3458 ein Entschließungsantrag des Abgeordneten Werner ({3}) und der Fraktion DIE GRÜNEN vor. Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist auch für diese Aussprache ein Beitrag von je 5 Minuten pro Fraktion vereinbart worden. - Widerspruch ergibt sich hier nicht. Das ist so beschlossen. Zur Berichterstattung wird das Wort nicht gewünscht. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Schorlemer.

Reinhard Schorlemer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Novellierung des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes soll weitere Möglichkeiten zum Ausgleich von Forstschäden schaffen. Natürlich wird es bei Forstschäden niemals einen totalen und absoluten Ausgleich geben können, weil man in der Forstwirtschaft eben in Generationen denken und rechnen muß. Diese Gesetzesnovelle, aus dem Bundesrat kommend, von Bayern dort eingebracht, hat in den Beratungen der Bundestagsausschüsse weitere Hinzufügungen erfahren. Diese Novellierung ist zum einen deshalb notwendig, weil der Windwurf vom Herbst des vergangenen Jahres im Mittel- und Südteil der Bundesrepublik Verbesserungen des bisherigen Gesetzes erfordert, zum anderen aber - dies ist der zentrale Punkt - deshalb, weil natürlich die neuartigen Waldschäden zwingend Schadenausgleichszahlungen verlangen. Wir begrüßen nicht nur die Gesetzesnovellierung, sondern unterstützen auch die vom Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einmütig verabschiedete Entschließung. Durch diese Entschließung wird die Bundesregierung ersucht, im Rahmen der Beratungen über die Gemeinschaftsaufgabe verstärkte Mittel einzusetzen, um bei großräumig auftretenden Waldschäden die Waldstruktur zu verbessern. Meine Damen und Herren, Wald ist nicht nur ein emotioneller Bezugspunkt, er bietet nicht nur Erholungsmöglichkeiten, er filtert nicht nur Luft und Wasser, sondern ist auch Wirtschaftsfaktor. Dazu wenige Zahlen: 1983 betrug der Produktionswert der Forstwirtschaft 3,2 Milliarden DM. Bei der Schiffahrt waren es 2,7 Milliarden. Im Subventionsbericht werden bei der Schiffahrt 270 Millionen, bei der Forstwirtschaft 9,7 Millionen DM aufgeführt. 7,3 Millionen ha sind in der Bundesrepublik bewaldet, 45% in privater Hand, 25% Körperschafts-, 30 % Staatswald. Eine letzte Zahl möchte ich hinzufügen: Die durchschnittliche Forstbetriebsgröße liegt unter 5 ha. Wenn also Schäden durch Naturereignisse oder jetzt durch die neuartigen Waldschäden auftreten, bedeuten sie für den Waldbesitzer - egal welcher Besitzart - erhebliche finanzielle Einbußen. Dies hat gerade der vorliegende Gesetzentwurf aufzufangen versucht, indem er nicht nur die neuartigen Waldschäden mit in das Gesetz aufgenommen, sondern hierbei auch Hilfsinstrumente verbessert hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dem Überangebot von Holz wird nicht nur durch Einschlagsbeschränkungen begegnet, es wird nicht nur die Holzeinfuhr weiter ermöglicht, sondern es werden insbesondere auch bei den steuerlichen Möglichkeiten durch die heutige Verabschiedung des Gesetzes Entlastungen beschlossen. Das Instrument der steuerfreien Rücklagenbildung, die Einrichtung des Ausgleichsfonds und der verminderte Steuersatz helfen dem Waldbesitzer dabei, den geminderten Erlös durch Selbsteinschränkung aufzufangen, Maßnahmen des vorbeugenden und des akuten Forstschutzes zu ergreifen, Holz zu lagern und zu konservieren, Wiederaufforstung oder Nachbesserung von Schadensflächen und die nachfolgende Waldpflege zu ermöglichen und auch die Beseitigung von Schäden zu finanzieren, die durch höhere Gewalt entstanden sind. Die Verabschiedung dieser Gesetzesnovelle darf aber keine Alibifunktion haben, sondern es müssen nach wie vor sämtliche Anstrengungen unternommen werde, um die Schadstoffbelastung zu minimieren; denn der Forstwirt weiß natürlich auch, daß die Luftbelastungen nicht von heute auf morgen abgestellt werden können, er weiß, daß durch waldbauliche Maßnahmen nur sehr begrenzend schadensmildernd eingegriffen werden kann, aber er weiß auch, daß durch dieses Gesetz der Forstwirtschaft wirkungsvoll geholfen werden kann. Deshalb bitte ich für meine Fraktion den Bundestag darum, nicht nur der Änderung des Gesetzes, sondern auch der vom Ausschuß ebenfalls eingebrachten Entschließung zuzustimmen. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wimmer ({0}).

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das zur Debatte stehende Forstschäden-Ausgleichsgesetz, das das Gesetz von 1969 ändert, ist richtig und auch nach unserer Auffassung dringend erforderlich. Ich begrüße deshalb ausdrücklich die Gesetzesinitiative des Bundesrates. Bei den bisherigen großen Katastrophen - vor einigen Jahren in Schleswig-Holstein und in den letzten Jahren in Süddeutschland - hat sich das bisherige Gesetz als vernünftiges Instrument bewährt. Die in der heutigen Debatte behandelten Änderungen werden dazu beitragen, daß das Gesetz noch wirksamer wird, als es bisher gewesen ist. Wir haben uns bei der Beratung des Gesetzentwurfs davon leiten lassen, alle denkbaren katastrophenbedingten Schadholzanfälle einzubauen. Wir versuchten aber zu gleicher Zeit, zu vermeiden, daß dauernde und laufende steuernde Eingriffe in die Holzwirtschaft erfolgen, weil das nicht unser Ansinnen ist. Wir haben den Gesetzentwurf im Ausschuß so ausgestaltet, daß im Falle von Kalamitäten möglichst schnell und ohne großen Verwaltungsaufwand geholfen werden kann. Ich möchte aber ganz ausdrücklich betonen, daß dieses Gesetz ein Ausnahmegesetz darstellt. Es soll nicht fortwährend seine Gültigkeit haben, sondern nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 1 vorliegen. Es wäre nicht richtig, dieses Gesetz als Steuerungsgesetz oder als protektionistisches Gesetz im Bereich der Holzwirtschaft auszugestalten und zu betrachten. ({0}) Der bisherige Katalog von bekannten Katastrophen durch Schneebruch, Sturmwurf, Insektenfraß und vieles andere mehr mußte nach unserer Auffassung um neuartige Waldschäden ergänzt werden, die durch Immissionsschäden auftreten. Denn es besteht der berechtigte Eindruck, daß durch diese Waldschäden in Zukunft ein bedeutend größerer Schadholzanfall eintreten kann, als es bisher der Fall ist. Diesem Ansinnen wurde in der Neufassung des § 1 Rechnung getragen. Neben der Ausdehnung des Katalogs der Schadensereignisse ist es aber auch notwendig geworden, eine Absenkung der Schwellenwerte herbeizuführen. Dies wurde in dem Gesetzentwurf jetzt ebenfalls berücksichtigt. Wir sind mit den Schwellenwerten, ab denen das Gesetz greifen soll, nach unten gegangen. Wir konnten allerdings nicht dem Vorschlag des Bundesrats folgen, weil wir der Auffassung gewesen sind, daß durch eine noch weitere Absenkung und zugleich durch die Hereinnahme neuer Schadensformen das Gesetz unter Umständen eine Dauerwirkung bekommen könnte. Wir waren der Meinung, daß die vom Ausschuß jetzt vorgeschlagene Absenkung der Prozentsätze richtig ist. Vor allen Dingen betone ich, daß es auch richtig war, eine Länderkomponente einzuführen. Danach soll das Gesetz auch dann greifen, wenn in einem Land der Schadholzanfall bei allen Holzarten voraussichtlich mindestens 45 v. H. oder bei einer Holzartgruppe mindestens 75 v. H. beträgt. Wir haben damit Prozentzahlen gewählt, die nach unserer Auffassung den derzeitigen Gegebenheiten Rechnung tragen. Für den Fall, daß der Erfolg einer Einschlagsbeschränkung durch die Einfuhr von Holz erheblich gefährdet würde, ist in § 2 eine Einfuhrbeschränkung vorgesehen. Ich möchte herausstellen, daß von dieser Einfuhrbeschränkung nur Holzarten betroffen sind, bei denen es in der Bundesrepublik tatsächlich Schadensfälle gibt. Hier sind einige Bedenken von betroffenen Verbänden vorgebracht worden, die ich mit dieser Bemerkung sicherlich ausgeräumt habe. Mit dem Gesetzesvorschlag wird auch den Forderungen nach steuerlichen Erleichterungen Rechnung getragen. Einer Schwierigkeit, die bisher im Zusammenhang mit Waldschäden aufgetreten ist, haben wir mit dem Art.1 a, durch den der § 19 des Güterkraftverkehrsgesetzes geändert werden soll, Rechnung getragen. Von den Ländern wurde zu Recht bekrittelt, daß eine beschleunigte Abfuhr manchmal an Verwaltungsproblemen gescheitert ist. Mit der Formulierung, daß „derartige Nachteile insbesondere für die Dauer einer Einschlagsbeschränkung im Wimmer ({1}) Sinne des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes anzunehmen sind", haben wir, glaube ich, eine Erleichterung geschaffen, wodurch Engpässe im Rahmen des Transports von Kalamitätsholz beseitigt werden können. Wir empfehlen neben der Annahme des Änderungsgesetzentwurfs auch die Annahme des Entschließungsantrags. Wir sind der festen Überzeugung, daß außer dem Forstschäden-Ausgleichsgesetz in Zukunft sicher noch eine Reihe von Maßnahmen notwendig sein werden. Wir sind auch dafür, daß im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes in Zukunft noch mehr Mittel auch für die Probleme der Waldschäden und für die Verbesserung der Waldstruktur zur Verfügung gestellt werden. Wir stimmen auch für die Aufforderung an die Bundesregierung, im Bericht für die Gemeinschaftsaufgabe beim Rahmenplan 1986/89 auf diesen Aspekt einzugehen; denn wir halten das für dringend notwendig. Die vom Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten angeforderten schriftlichen Stellungnahmen der einzelnen Verbände haben wir zur Kenntnis genommen und konnten ihnen weitestgehend folgen. Wenn wir dies nicht in allen Positionen tun konnten, so lag das daran, daß die von den Verbänden vorgebrachten Anliegen teilweise einander entgegenstanden. Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt der Beschlußempfehlung zu und hofft, damit einen Beitrag zur wesentlichen Verbesserung des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes zu leisten. Sicher in Übereinstimmung auch mit den anderen Fraktionen wollen wir hoffen, daß die Anwendung dieses Gesetzes in Zukunft so selten wie nur möglich erfolgen muß. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Rumpf.

Prof. Dr. Wolfgang Rumpf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001904, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man dieses Wortmonstrum „Forstschäden-Ausgleichgesetz" liest, könnte man meinen, es handle sich da um etwas ganz Unwesentliches. Aber, meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen, daß dieses Gesetz von sehr großer Bedeutung für die Waldbesitzer ist. Ich möchte für die Freien Demokraten feststellen, daß dieses Gesetz für die Waldbesitzer zumindest die gleiche Bedeutung erlangen wird wie die Freigabe der Holzpreise nach der Währungsreform im Jahr 1950. Es ist - ich übertreibe nicht - eine großer Wurf geworden. Der Wald wird zwar nicht geschützt, aber die Auswirkungen seiner Schädigung durch Luftverunreinigung oder durch Wind- und Sturmwurfkatastrophen werden durch dieses Gesetz gemildert. Während der einjährigen Beratung der Novelle vor allem im Ernährungsausschuß, aber auch im Finanzausschuß und in anderen Ausschüssen hat sich ein Gesetz herausgeschält, das den Betroffenen wirklich helfen kann, Einbußen zu mildern und Verluste zu überbrücken. Ich möchte betonen, daß mir die Arbeit in der kleinen Gruppe von Fachleuten große Freude gemacht hat. Es hat sich wieder einmal bestätigt, daß es bei der Beratung komplizierter Gesetzesmaterien im Deutschen Bundestag und in den Ausschüssen keine Parteien gibt, sondern nur freie Abgeordnete, die ein gemeinsames Ziel vor Augen haben, in diesem Fall das Wohl des Waldes. Ich bedanke mich deshalb auch ausdrücklich bei den Kollegen von der SPD, der CDU und der CSU. Leider kann ich mich bei den Kollegen der GRÜNEN nicht bedanken, weil sie sich an der Ausarbeitung des Gesetzes nicht beteiligt haben. Diese Ausarbeitung hat sehr viel Arbeit gemacht, und diese Arbeit scheinen Sie zu scheuen. Es scheint Ihnen lieber zu sein, hier mit Aktuellen Stunden großen Wirbel zu machen. Dabei kommt aber wenig heraus. In den Ausschüssen wurde die Arbeit gemacht, und dort haben Sie sich von der Mitarbeit verabschiedet. Das ist zwar nicht Ihre persönliche Schuld - imzwischen haben Sie ja rotiert -, aber Sie können das ja Ihren Vorgängern von mir bestellen. ({0}) Ich bedanke mich auch bei den Verbänden und den einzelnen, die uns mit Rat und Tat aus der Holz- und Forstwirtschaft zur Seite gestanden haben. Es ist ja nur scheinbar so, daß alles, was der Forstwirtschaft nützt, der Holzwirtschaft oder den holzbearbeitenden Betrieben schadet. Stabile Holzpreise, nachhaltige Holzerträge und gut aufgearbeitete und gelagerte Rohstoffe sind für alle Marktpartner wichtig und helfen, langfristig Millionen von Arbeitsplätzen zu sichern. Wir haben - Herr Wimmer hat es angedeutet - zwei Gesichtspunkte herausgestellt: die Regionalisierung des Holzanfalls und die steuerliche Behandlung. Insbesondere die steuerliche Behandlung vorzeitiger und ungewollter Nutzungen im Wald ist für die Waldbesitzer sehr vorteilhaft ausgefallen. Schon das bisherige Gesetz hat ja für einen Marktausgleich gesorgt. Das neue Gesetz wird für den Marktausgleich auch in Fällen sorgen, die nicht so plötzlich eintreten wie etwa Sturmkatastrophen. Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß noch etwas zu den Schädigungen ganz allgemein sagen. Man spricht heute praktisch nur noch über Stickoxide aus Autoabgasen. Von den anderen Stickoxiden aus der Industrie, aus dem Gewerbe und aus Kraftwerken oder gar von Schwefeldioxid spricht überhaupt niemand mehr. Ich möchte doch betonen, daß dem Wald die Schwefeldioxide am meisten schaden. Man sollte daher wegkommen von der Betonung der Schädigungen aus den Abgasen der Automobile, also von dem, was Sie gestern zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde gemacht haben. ({1}) Vergessen Sie nicht die Schwefeldioxide! Ich glaube, wir alle sind aufgerufen, besonders auf diesem Gebiet etwas zu tun. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Werner ({0}).

Helmut Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002483, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als vor vier Jahren das Waldsterben offiziell und allgemein bekannt wurde, waren ich und eine Vielzahl der Menschen hier in diesem Lande der Meinung, jetzt würde sich alles und jedes daran ausrichten, wie ein weiteres Umsichgreifen dieser Schäden zu verhindern sei. Jeder, der nur ein wenig von den Zusammenhängen von Wald und Klima, von Wald und Wasserhaushalt und kahlen Bergen und Erosion ahnt, dem war und ist klar, daß hier ein Lebensnerv verletzt wird. Eine Vielzahl von Menschen war auch bereit, etwas mitzutragen, was diese drohende Katastrophe abwenden könnte. Aber diese Chance der allgemeinen Bereitschaft ist schon am Buschhaus-Getrickse von Herrn Albrecht und der Bundesregierung verlorengegangen. Spätestens beim Katalysator- und Tempo-100-Gerede staunte man nur noch über die Abwägung: Wald oder Autoindustrieprofite. ({0}) Was für einen armseligen Stellenwert hat doch der Wald gegenüber Industriexporten, einem Weltwirtschaftsgipfel oder gar SDI? Was kann man denn mit oder am Wald verdienen? Da war doch schon vor diesen neuartigen Schäden kein Geschäft drin. Nein, aus der Sicht der Rendite ist der Wald keine müde Mark wert. Hervorragend wäre es, wenn wir ein Gesetz verabschieden würden, welches dem Wald eine bessere Luft geben würde und welches verhindert, daß der Wald weiterhin im sauren Regen steht. Als gerecht wäre es zu bezeichnen, daß den Waldeigentümern, die auf den Wald als Erwerbsgrundlage angewiesen sind, eine Entschädigung für die Schäden gezahlt wird, die ihnen durch das Absterben ihrer Waldbestände entstehen. Diese Entschädigung hätte logischerweise der Verursacher zu tragen. Die Bundesregierung hat sich Anfang dieses Jahres zu dieser Frage wie folgt geäußert: Ein allgemeiner Schadensersatz oder Schadensausgleich für emissionsbedingte Waldschäden auf der Basis des jetzt gültigen Rechtes sei nicht möglich. Dieses Forstschäden-Ausgleichsgesetz ist auf regionale Waldschäden zugeschnitten. Wenn diese eintreten, soll in schadensfreien Gebieten der Holzeinschlag begrenzt werden, um durch diesen Ausgleich und durch Transportbegünstigungen den Holzmarkt möglichst stabil zu halten. Der eigentliche Zweck und Nutzen dieses Gesetzes wird aber bei einem Ansteigen des bundesweiten emissionsbedingten Waldsterbens nicht mehr gegeben sein. Falls dieses Gesetz nicht ausreicht - dies ist zu befürchten - und die Waldbesitzer in eine Lage geraten, in welcher sie ihre im Bundeswaldgesetz beschriebenen Verpflichtungen nicht mehr wahrnehmen können, „kann sich die Notwendigkeit weiterer gesetzgeberischer Maßnahmen ergeben" - so sagt der Deutsche Forstwirtschaftsrat -, „zumal bei der steigenden Tendenz der Waldschäden eine verordnete Einschlagsbeschränkung des ordentlichen Holzeinschlages unter Umständen sinnlos werden kann". Hier ist also zu fragen: Wird dieses Gesetz bei Fortschreiten des Waldsterbens in fünf Jahren noch seine Funktion erfüllen können? ({1}) In unserem Entschließungsantrag fordern wir die Bundesregierung auf, umgehend die gesetzlichen Grundlagen zur Einführung eines Kompensationsfonds für emissionsbedingte Waldschäden zu erarbeiten. Entsprechend dem Verursacherprinzip sind alle Schadstoffemittenden, wie Kraftwerke, Indu strie und Kraftfahrzeuge, für Zahlungen an diesen Fond heranzuziehen. Eine Verringerung der Höhe der jeweiligen Abgabe sollte durch die Einführung von Maßnahmen zur Emissionsverminderung möglich sein. Im Umweltrecht ist eine Umkehr der Beweislast einzuführen, die die Möglichkeit ergibt, Emittenten für Belastungen und Schäden zur Verantwortung zu ziehen und Schadensersatzansprüche zu stellen, wenn Indizien für einen Emittenten als Verursacher sprechen. Dieses Forstschäden-Ausgleichsgesetz ist notwendig und für viele Waldbauern, die sich ohnehin in einer katastrophalen wirtschaftlichen Situation befinden, auch enorm wichtig. Aber die Ursachen bleiben unberührt. Die Krankheit wird nicht bekämpft, der Patient wird nicht geheilt, aber wir regeln den Abtransport der Leiche. ({2}) Wir klagen die Regierung an, nicht den Willen aufzubringen, der zur Rettung des Waldes notwendig ist. Vom Katalysator bis Tempo 100, von der TA Luft bis Buschhaus ist das Handeln der Regierung durch Verzögerungen, Halbherzigkeiten und Ausnahmeregelungen gekennzeichnet. ({3}) Wir haben nur wenig Hoffnung, daß sich dies nach dem Besuch des Herrn Bundeskanzlers in einem stark betroffenen Gebiet des Schwarzwaldes ändern wird, wenn sich der Bundeskanzler aus Anlaß dieses Besuches so äußert: Er fordere, den Schutz der Natur als Herausforderung für Generationen zu begreifen. ({4}) Wir müssen fragen: Heißt das, daß konsequente Schritte zum Schutz der Natur auch erst in kommenden Generationen unternommen werden? ({5}) Hier und heute sind alle Kräfte zum Schutz der Natur zu motivieren. Andernfalls müssen wir befürchten, daß spätere Generationen nichts Schätzenswertes mehr vorfinden. Werner ({6}) Das Wäldersterben ist aber auch typisch für eine rücksichtslose Durchsetzung umweltbelastenden Verhaltens von Industrie und Chemie, aber auch des einzelnen gegenüber den elementarsten Grundbedürfnissen allen Lebens, wie sie Luft, Wasser, Boden und Nahrungsmittel darstellen. Ob wir nun Schwefelsäure oder Stickoxide, Schwermetalle oder Pflanzenbehandlungsmittel oder die anderen unzähligen lebensfeindlichen Substanzen, die wir heute herstellen, anwenden und wieder im Abfall lagern, seit es Contergan und Bhopal, seit es Waldsterben und Verunreinigungen des Grundwassers gibt, leben wir mit bekannten und unbekannten Risiken, die nicht mit gestelltem Zweckoptimismus aus der Welt zu schaffen sind. Diese Risiken früh zu erkennen, sie im allgemeinen Bewußtsein zu verankern und Wege aufzuzeigen, die zu einer den Stellenwert der Natur als Träger allen Lebens - auch des unseren - berücksichtigenden Politik führen, ist ein Kernstück grüner Politik. ({7}) Wir werden diesem Gesetz zustimmen, weil es mithelfen kann, Waldbauern, die ohne eigene Schuld in Not geraten sind, ein Trostpflaster zu geben. Schönen Dank. ({8})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Geldern.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß sich der Bundeskanzler im Schwarzwald umsieht, sich die Waldschäden ansieht, sollte eigentlich jeder Bürger - gleichgültig, wo er politisch steht - begrüßen können. ({0}) Die deutsche Forstwirtschaft erhält unseren Wald, und sie braucht dieses Gesetz. Sie sorgt dafür, daß unser Wald eine nie versiegende Rohstoffquelle bleibt und daß er seine Funktionen als grüne Lunge und als Lieferant reinen Wassers - um nur diese beiden seiner zahlreichen Wohlfahrtswirkungen zu nennen - stetig und ungeschmälert ausüben kann. Vielen unserer Mitbürger - besonders denen in strukturschwachen ländlichen Gebieten - gibt der Wald Arbeit und Einkommen. Forstwirtschaft ist zu einem guten Teil Risikobewältigung und Gefahrenabwehr gegen eine Vielzahl von Schäden wie Windwurf, Schneebruch und Insektenbefall. In bestimmtem Umfang gehören derartige Schäden zum Alltag der Forstbetriebe. Sie bedeuten wirtschaftliche Einbußen, gefährden aber nicht die Existenz dieser Betriebe. In unregelmäßigen Zeitabständen treten diese Schadensereignisse jedoch als Kalamitäten auf, gegen die kein Kraut gewachsen ist und die das wirtschaftliche 'Oberleben der betroffenen Forstbetriebe in Frage stellen. An dieser Stelle greift das Forstschäden-Ausgleichsgesetz ein, denn die Forstbetriebe können sich nicht gegen solche Kalamitäten versichern. Andererseits sind sie gesetzlich zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes verpflichtet. Das Forstschäden-Ausgleichsgesetz wird also dann angewendet, wenn der Holzmarkt durch eine Kalamität überregional erheblich gestört ist. Es ist kein dirigistisches Instrument, sondern es trägt dazu bei, einen freien Holzmarkt funktionsfähig zu erhalten. Das Gesetz orientiert sich an dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe. Es schafft im Kalamitätsfalle eine Solidargemeinschaft der von dieser Kalamität betroffenen und der nicht betroffenen Forstbetriebe, um das Holzangebot gemeinsam zu reduzieren. Diese Einschränkung der Unternehmensfreiheit wird mit steuerlichen Hilfen ausgeglichen. Die Erfahrungen mit dem inzwischen 16 Jahre alten Gesetz haben aber auch Schwachstellen aufgezeigt, die beseitigt werden müssen. Außerdem sind rechtliche Änderungen eingetreten, an die das Gesetz angepaßt werden soll. Schließlich hat durch die neuartigen Waldschäden das Kalamitätsrisiko in der Forstwirtschaft eine neue Dimension erhalten, der das Gesetz Rechnung zu tragen hat. Der vorliegende Änderungsvorschlag berücksichtigt alle diese Gesichtspunkte und macht das Gesetz zu einem zeitgemäßen, wirkungsvollen Instrument der Forstpolitik. Gestatten Sie mir abschließend ein Wort auch bei dieser Gelegenheit zu den neuartigen Waldschäden. Wir wissen, daß ihnen mit forstwirtschaftlichen, waldbaulichen Mitteln kaum begegnet werden kann. Die allseits begrüßten Maßnahmen zur Luftreinhaltung werden ihre Wirkungen erst stufenweise entfalten können. Die Forstwirtschaft muß daher noch eine geraume Zeit mit Luftbelastungen und entsprechend erhöhtem Kalamitätsrisiko leben. Damit sie überleben kann, muß sie in die Lage versetzt werden, auch unter diesen Bedingungen ihr Produktionskapital Wald zu erhalten. Ich denke, daß diese Novelle zum ForstschädenAusgleichsgesetz dazu einen wirkungsvollen Beitrag leisten kann. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Artikel 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Ich kann einstimmige Annahme feststellen. Vizepräsident Cronenberg Es ist noch über eine Beschlußempfehlung des Ausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/3271 unter Ziffer II die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Entschließung angenommen. Ich rufe nunmehr den Entschließungsantrag des Abgeordneten Werner ({0}) und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3458 zur Abstimmung auf. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt. Ich rufe nunmehr den Punkt 8 der Tagesordnung. auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes ({1}) - Drucksache 10/3072 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates Innenausschuß ({2}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Hierzu ist im Ältestenrat eine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vereinbart worden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Auch das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Waffenschmidt. Dr. Waffenschmidt: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bedeutung des Entwurfs eines Gesetzes über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes, den ich Ihnen heute im Namen der Bundesregierung vorlege, geht weit über den engeren Bereich des Archivwesens und der historischen Forschung hinaus. Erstmals in der deutschen Geschichte soll ein Recht des Bürgers auf Nutzung von Archivbeständen durch Gesetz begründet werden. Insgesamt ist dieser Entwurf in besonderer Weise geeignet, die Informations- und Wissenschaftsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland entscheidend zu fördern und für den Bereich des Archivwesens rechtsverbindlich zu umschreiben, wie dies eines modernen demokratischen Kulturstaates würdig ist. Im Jahre 1949 machten die Alliierten die Rückgabe deutschen Archivgutes von der Zusage der Bundesregierung abhängig, daß die aus alliiertem Gewahrsam zurückgeführten deutschen Archivalien jederzeit und uneingeschränkt von der in- und ausländischen Forschung genutzt werden können. Das öffentliche Interesse an der Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus führte dazu, daß die im internationalen Maßstab als vorbildlich geltende 30jährige Schutzfrist für die Benutzung von Archivalien amtlichen Ursprungs bis 1975 in der Bundesrepublik teilweise erheblich unterschritten wurde. Die Tatsache, daß vor allem das Bundesarchiv 30 Jahre lang die öffentliche Nutzung der Unterlagen aus der Zeit bis 1945 ohne jeden Rechtsstreit gewährleisten konnte, stellt dieser Fachbehörde ein gutes Zeugnis aus, und ich sage das gerade auch angesichts der Tatsache, daß die leitenden Herren des Bundesarchivs heute hier bei uns sind. ({3}) Meine Damen und Herren, Grundlage der Tätigkeit des Bundesarchivs ist bisher der Beschluß der Bundesregierung vom 24. März 1950 über die Errichtung des Bundesarchivs und die vom Bundesminister des Innern erlassene Benutzungsordnung für das Bundesarchiv vom 11. September 1969. ({4}) - Das war damals die Bundesregierung Konrad Adenauer,, die eine Menge gute Sachen zuwege gebracht hat. Die vielfältigen Persönlichkeitsschutz- und datenschutzrechtlichen Probleme, die im Zusammenhang mit der Aufbewahrung und Nutzung von amtlichen Unterlagen des Bundes entstehen, können nach heutiger Auffassung jedoch - da sind wir uns, wie ich denke, hier im Hause einig - nur auf gesetzlicher Grundlage gelöst werden. In der Begründung zu dem vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung wird im einzelnen dargelegt, aus welchen rechtlichen und auch archivfachlichen Gründen eine gesetzliche Verankerung des Archivwesens der Bundesrepublik Deutschland unabweisbar geworden ist. Diese Erkenntnis, meine Damen und Herren, ist seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 zum Volkszählungsgesetz unumstritten. Noch vor Ablauf der 30jährigen Sperrfrist für die ältesten Unterlagen von Bundesregierung und -verwaltung im Jahre 1979 war es offenkundig geworden, daß insbesondere nach Inkrafttreten des Bundesdatenschutzgesetzes ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Datenschutz und Datenöffnung im Bereich des Archivwesens auf gesetzlicher Grundlage geschaffen werden müsse. Die Grundrechte der Informations- und Wissenschaftsfreiheit verlangen nach unserer Überzeugung dieselbe konkrete gesetzliche Ausgestaltung wie für den Bereich des Datenschutzes. Wenn die Freiheit der Information und der Forschung nicht leiden soll, muß derjenige, der aus guten Gründen personenbezogene Daten gesetzlich sichert und schützt, ebenso auch durch Gesetz festlegen, wann und unter welchen Voraussetzungen das Recht des Bürgers auf Nutzung amtlicher Unterlagen Vorrang vor Datenschutzinteressen haben kann, darf oder muß. Diese Rechtsgüterabwägung vorzunehmen bedeutete in vielen Fällen das Betreten rechtlichen Neulands. Aber ich denke, wir sollten dazu entschlossen sein, dieses Neuland zu betreten, um mehreren wichtigen Zielen zu dienen. Trotz dieses komplexen Sachverhalts ist es gelungen, von allzu vielen einzelnen Regelungen abzusehen und den Gesetzentwurf - darauf lege ich Wert Dr. Waffenschmidt - knapp und übersichtlich zu halten. Er umfaßt nur 12 Paragraphen. Manche dieser Bestimmungen wirken sich auch auf die Archive der Länder aus. Der Entwurf ist daher auch mit den Fachverwaltungen der Länder intensiv abgestimmt worden. Dies gilt insbesondere für die §§ 8 und 10 des Entwurfs, die es unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen, künftig auch Unterlagen, die Geheimhaltungsvorschriften wie der Abgabenordnung oder dem Sozialgesetzbuch unterliegen, nicht nur an das Bundesarchiv, sondern auch an andere öffentliche Archive weiterzugeben. Gern möchte ich noch auf folgende zwei Bereiche hinweisen. Mit der Einbeziehung moderner, insbesondere maschinenlesbarer Informationsträger in den Begriff des Archivgutes ist der Entwurf sehr zukunftsorientiert gestaltet worden. Ferner unterstreiche ich besonders, daß durch die vorgesehene Möglichkeit der Anonymisierung in vielen Fällen nun auch eine vorzeitige Nutzung bisher unzugänglichen Materials eingeräumt werden kann. Die Änderungsanträge des Bundesrates zeigen, daß die Länder die Grundgedanken des Entwurfs der Bundesregierung unterstützen. Ich bin zuversichtlich, daß auch in den Fällen, in denen die Bundesregierung den Vorstellungen des Bundesrates nicht folgen konnte, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch eine Einigung erzielt werden kann. Die Bundesregierung geht davon aus, daß alle Fraktionen des Deutschen Bundestages in dem Ziel übereinstimmen, die Möglichkeiten der Benutzung von Archivalien amtlichen Ursprungs entscheidend zu verbessern. Ich meine, wir sollten etwas zum Wohle der Wissenschaft, der Forschung, der Information der Öffentlichkeit und jedes einzelnen Bürgers tun, der in Wahrnehmung berechtigter persönlicher Belange auf Informationen aus Archivalien angewiesen ist. Diesen Zielen will die Bundesregierung mit dem vorgelegten Gesetzentwurf dienen. Herzlichen Dank. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Duve.

Freimut Duve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000425, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein künftiger Historiker wird nicht feststellen können, wie viele Parlamentarier anwesend waren, als dieses Jahrhundertwerk hier eingebracht wurde. Darum sage ich für den, der nachher forscht, daß wir ganz wenige waren. Dann steht es ja im Protokoll. Ich muß das auch für meine eigene Fraktion sagen. Hier sollen die technischen und administrativen Regeln für die Speicherung des Gedächtnisses unseres Volkes organisiert werden. Das Archivgesetz ist das erste in der Geschichte unseres Staates. Es hat selbst schon eine eigene, gar nicht so kurze Geschichte. Wir Sozialdemokraten begrüßen im Grundsatz, daß die Überleitung der behördlichen Materialien in die archivarische Ordnung nunmehr gesetzlich festgelegt werden soll. Wir haben allerdings auch Verständnis für manche, die sagen - im Deutschen Städtetag ist eine solche Äußerung gefallen -: Eigentlich braucht man gar kein Gesetz; bisher ging es gut. Denen muß man aber entgegenhalten: Es gibt inzwischen durch die gigantische Speicherfähigkeit und die intensive Maschinisierung aller Bürotätigkeiten allein durch die Menge der Materialien ein neues quantitatives Problem für den Historiker, das sich zu einem qualitativen Problem in der Arbeit verwandelt hat. Bereits aus diesem Grund ist ein Gesetz notwendig. Ein zweiter Gesichtspunkt. Die Datenschutzgesetzgebung und andere Gesetzgebungsbereiche haben inzwischen dazu geführt, daß viele Materialien dem Archivar sozusagen gar nicht mehr zugänglich gemacht werden können, und zwar aus gesetzlicher Begründung. Hier nun - Herr Waffenschmidt hat darauf hingewiesen - müssen wir versuchen, dieses Neuland sozusagen abzugrenzen. Um überhaupt bestimmte dem Persönlichkeitsschutz unterliegende Bestände zu bekommen und frühzeitig zugänglich zu machen, hat der Entwurf den sehr vagen Begriff der Anonymisierung eingeführt, der zu Recht in der Öffentlichkeit kritisiert worden ist. Erlaubt er doch den Verwaltungen, Aktenbestände zu anonymisieren, bevor sie dem Bundesarchiv übergeben werden. An sich darf dabei noch keine böse Absicht unterstellt werden. Aber das hat zu einer heftigen Diskussion geführt. Wir haben als Sozialdemokraten darum etwas getan, was die Bundesregierung - möglicherweise auch die vorherige - versäumt hat, nämlich eine intensivere Debatte zu führen. Wir haben an einem Vormittag eine lange Anhörung von Experten durchgeführt. Wir müssen sagen: Ein Teil der Vorwürfe konnte entkräftet werden; ein Teil hat sich als Mißverständnis erwiesen; aber wir haben doch einen Restbestand von Bedenken. Wir werden das in der Ausschußberatung ja diskutieren. Ich kündige hier an, daß wir gerade hinsichtlich der technischen Anonymisierung einen Antrag einbringen werden, den Persönlichkeitsschutz anders als durch diese pauschale Anonymisierung zu gewährleisten. Vor allem werden wir fordern, daß Amtsträger aus jeglicher Anonymisierung herausgenommen werden, soweit es um Obliegenheiten von Amtsträgern geht. Daß der Hochhuth den Filbinger dann gar nicht findet, weil anonymisiert wurde, wird es also jedenfalls nach unserer Vorstellung nicht geben; denn er war damals Amtsträger. ({0}) - Filbinger gibt's nicht? Herr Kollege! ({1}) Wir werden außerdem verlangen, daß der Gesetzentwurf sehr viel klarere Begriffe und Erläuterungen bekommt. Politische Mißdeutungen und Mißverständnisse führen ja beim jetzigen Entwurf dazu, daß sehr unterschiedliche Auslegungen möglich sind. Wir hoffen auch zu erreichen, daß die im Entwurf vorgesehenen unterschiedlichen Abgabefristen für einzelne Ministerien noch einmal überprüft werden und daß wir diesbezüglich zu einer anderen Regelung kommen. Wir haben es bei der Anhörung erlebt - und ich kann den Hunderten interessierter Kollegen, die hier alle sitzen, nur empfehlen, die Niederschrift unserer Anhörung zu lesen -: Dieser Interessenkonflikt zwischen Datenschützer, Historiker und Archivar ist ein wirklich höchst interessanter Gegenstand, der nicht einfach sozusagen par ordre dú mùfti aufgelöst werden kann. Ich muß sagen, ich habe mit großem Interesse diesen grundsätzlichen Zielkonflikt, der sich aus unserer Verwaltungs- und Kulturgeschichte ergeben hat, verfolgt und mich ein bißchen eingearbeitet. Ich hoffe, daß auch die Kollegen, die nach mir sprechen, das getan haben. Ich danke fur die Aufmerksamkeit. ({2})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Abgerdnete Weiß.

Werner Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002463, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Duve, Sie haben recht, heute ist eine historische Stunde. Zwar sind nur wenige anwesend, aber historische Stunden kommen meistens leise und still. Mit der Einbringung dieses Gesetzes nehmen wir uns heute mit Sicherheit eine wirklich wichtige Sache vor. Wir haben uns heute mit einem Gesetzentwurf zu befassen, dessen Entstehungsgeschichte bis in das Jahr 1981 zurückreicht. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt diesen Gesetzentwurf; denn er ist - hier kann ich dem Herrn Staatssekretär beipflichten - mit insgesamt 12 Paragraphen von einer erfreulichen Kürze. Insofern ist die Bundesregierung der Aufforderung des Innenausschusses von 1981 in Berlin, die Gesetze zu straffen, nachgekommen. Weiterhin ist der Gesetzentwurf nach meiner Auffassung sehr klar und deutlich. Kürze und Klarheit sind beachtenswerte Merkmale dieses Entwurfs. Ein Lob an alle, die hier an diesem Entwurf mitgearbeitet haben. Das Gesetz dient der Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes. Er soll erstens vor allem sicherstellen, daß die bei den Verfassungsorganen und Dienststellen des Bundes anfallenden historisch bedeutsamen Unterlagen vor Zersplitterung und unkontrollierter Vernichtung bewahrt werden. Zweiten soll der Begriff des Archivgutes verbindlich definiert werden, drittens soll sichergestellt werden, daß die Benutzung unter Beachtung der persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Erfordernisse eindeutig und rechtsverbindlich geregelt wird. Über die Notwendigkeit dieses Gesetzes besteht kein Zweifel. Der Kabinettsbeschluß vom 24. März 1950 - er ist vorhin angesprochen worden - über die Errichtung des Bundesarchivs stellt heute keine geeignete Rechtsgrundlage mehr zur Regelung des Sachverhalts dar. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat in seinem Zweiten, Vierten und Fünften Tätigkeitsbericht ebenfalls ein Bundesarchivgesetz gefordert. Auch die Länder stehen vor der Notwendigkeit, Archivgesetze zu erlassen; sie arbeiten ebenfalls an entprechenden Entwürfen, die sich in der Zielrichtung an den Grundsätzen des Entwurfs eines Bundesarchivgesetzes orientieren. Dem vorliegenden Entwurf kommt deshalb in diesem Zusammenhang eine Pilotfunktion zu. Aber auch die wissenschaftliche Forschung erwartet, daß die Bedingungen, unter denen die amtlichen Unterlagen des Bundes und der Länder benutzt werben können, rechtsverbindlich umschrieben werden. Die vielfältigen Persönlichkeitsschutz- und datenschutzrechtlichen Probleme lassen nicht zu, daß das Archivwesen wie bisher lediglich durch Verwaltungsvorschriften gereget wird. Im Hinblick auf die bestehenden strengen Datenschutzvorschriften wird durch das Gesetz eine datenöffnende bereichsspezifische Regelung getroffen. die wissenschaftliche und archivfachliche Belange sowie das Nutzungsrecht des Bürgers angemessen berücksichtigt, ohne die schutzwürdigen Interessen des Bürgers und des Staates zu verletzen. Hierbei sind auch Probleme zu lösen, die sich aus dem Steuergeheimnis nach der Abgabenordnung, dem Sozialgeheimnis nach dem Sozialgesetzbuch, dem Bank- und Arztgeheimnis sowie anderen, den Persönlichkeitsschutz sichernden oder Vertrauensschutz gewährenden gesetzlichen oder gesetzlich verankerten Vorschriften ergeben. Eine gewisse Rolle - Herr Duve, da stimme ich Ihnen voll und ganz zu - wird in den Ausschußberatungen die Anonymisierung bestehender Unterlagen vor der Übergabe an das Bundesarchiv spielen. Hier stehen sich zwei Forderungen gegenüber: erstens der Anspruch der Wissenschaft und Forschung auf Zugang auch zu personenbezogenen Daten, zweitens das Recht der Betroffenen auf Persönlichkeitssschutz. Dieses Problem wird in den Ausschußberatungen diskutiert und vertieft werden müssen. Ich muß sagen, ich habe mit großem Interesse das Protokoll Ihrer Anhörung gelesen; es sind dort einige wertvolle Erkenntnisse mit auf den Tisch gebracht worden, die es wert sind, in der Ausschußarbeit vertieft zu werden. Wir werden der Überweisung an den Ausschuß zustimmen. Ich freue mich schon jetzt auf die Diskussion im Innenausschuß zu diesem Thema. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die hier noch ausharren! George Orwell hat in „1984" geschrieben: Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft. Geschichtsforschung ist nichts nur etwas für verschrobene Wissenschaftler, sondern sie ist für jeden notwendig, der mit Menschengeschichte zum Verstehen der Gegenwart und zum Lernen aus Fehlern der Vergangenheit beitragen kann. Wenn man in den Nachkriegsjahren versucht hat, sich mit deutscher Geschichte vor 1945 zu beschäftigen, scheiterte man häufig - jedenfalls als Einzelbürger und in der Regel - an den Behörden oder an den Nachfolgern von Behörden, die diese Unterlagen verwaltet haben. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen, daß man nicht am Bundesarchiv gescheitert ist. Das Bundesarchiv hat immer korrekt gehandelt. Es hat sich sicherlich große Verdienste erworben. Seltsamerweise auch das bayerische Landesarchiv war in dieser Hinsicht wesentlich besser als Archive anderer Bundesländer. ({0}) Das neue Gesetz, das wir jetzt beraten sollen, könnte ein Einstieg in eine Verbesserung dieser Situation sein. Aber dieses Archivgesetz bleibt auf halbem Wege stehen, zum einen deshalb, weil es nicht den Behörden unter Setzung einer Frist zwingend vorschreibt, wann sie ihre Unterlagen dem Bundesarchiv zur Verfügung zu stellen haben. Dieses Gesetz geht darüber hinaus einen Irrweg, weil es den Konflikt zwischen Wissenschaft und Forschungsfreiheit und den Konflikt mit dem Persönlichkeitsschutz in einer falschen Weise angeht und lösen will. Zum einen sind die Schutzfristen in diesem Bundesarchivgesetz von 30 bis 120 Jahren viel zu lang bemessen. Man sollte sich eher an den Schutzfristen des Berliner Entwurfes orientieren, die wesentlich kürzer sind. Darüber hinaus ist es ein Unding, wenn in einem Gesetz vorgesehen ist, einen Teil des Gedächtnisses - es ist ja nur ein Teil des Gedächtnisses des Volkes und nicht das ganze - zu anonymisieren. Anonymisierung heißt ja nicht nur, daß Namen gestrichen werden, sondern daß ganze Akten vernichtet werden, nämlich wenn sich aus den sonstigen Unterlagen Anhaltspunkte für die Person eines dort Verewigten finden könnten. ({1}) Anonymisierung von Archivmaterial wäre Geschichtsfälschung. Zu was das führt, kann man sehen, wenn man sich etwa aus einem sowjetischen Archiv ein Bild aus dem Jahre 1917 aushändigen läßt, auf dem man eine helle Stelle entdeckt. Wenn man nachfragt, war da früher Leo Trotzki. Auch da ist anonymisiert worden. In dem Gesetz sind drei Fälle der Anonymisierung vorgesehen, einmal bei Geheimakten, Steuerakten und Sozialakten und zweitens - das ist das größte Unding -, wenn ein Betroffener bestreitet, daß das, was in der Akte drinsteht, wahr sein soll. Ein solches Recht einem Betroffenem zuzugestehen heißt beispielsweise, daß Leute wie Globke oder Oberländer ihren Namen und ihre Identität aus den Akten hätten herausnehmen können. Strauß etwa, der ja in der Regel bestreitet, daß es so ist oder so gewesen ist, wie es in den Akten steht, würde überhaupt nur noch anonymisiert in den Akten vorkommen. ({2}) Oder wenn Sie das Protokoll von Mogadischu von 1977 einsehen wollten, könnten Sie nicht mehr erfahren, ob dort Herr Strauß, ob dort Herr Schmidt oder wer auch immer ein einzelnes Argument ausgeteilt hat. Wir fordern daher zum einen feste Fristen, in denen die Behörden gezwungen sind, dem Bundesarchiv die Akten zu übergeben. Wir fordern eine andere Lösung des Zielkonflikts, die durch Anonymisierung nicht erreicht werden darf. Eine Möglichkeit bestünde darin, den Persönlichkeitsschutz dadurch zu sichern, daß im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von dort festgestellten Daten eine Frist für ein Veröffentlichungsverbot eingestellt würde. Es wäre weiterhin möglich, einen Schutz durch flexible Fristen zur Einsichtnahme in diese Akten herbeizuführen. Letztlich müßten wir, wie der Kollege Duve das hier schon angesprochen hat, fordern, daß für Amtsträger in Ausübung ihres Amtes genauso wie für Persönlichkeiten der Zeitgeschichte oder Persönlichkeiten, die im öffentlichen Interesse stehen, eine solche Anonymisierung nicht möglich ist, sondern daß deren Daten in vollem Umfang zur Verfügung stehen, sobald sie im Bundesarchiv enthalten sind. Eine letzte Bemerkung. In diesem Gesetz ist natürlich nicht geregelt - aber es bedürfte dringend der Regelung -, daß auch das, was in Teilen der deutschen Gesellschaft, die wesentlichen Einfluß haben, geschieht, nämlich in den Großbetrieben, in den Großfirmen, in irgendeiner Weise den Archiven zugeführt und nutzbar gemacht wird. Das ist nämlich ein ganz wesentlicher Teil deutscher Geschichte. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das verspricht ja eine interessante Beratung im Ausschuß zu werden. ({0}) Wenn wir hier vor der schwierigen Frage stehen, wie wir den Persönlichkeitsschutz auf der einen Seite in eine vernünftige Abwägung zur historischen oder zeitgeschichtlichen Forschung auf der anderen Seite bringen, dann kann man diese Abwägung natürlich nicht danach differenzieren, in welche Richtung sich gerade die eigene politische Neugier in besonderer Weise entwickelt hat, sondern da muß man wohl Farbe bekennen, wie man es hier ebenso wie in anderen Bezügen mit dem Persönlichkeitsschutz hält. Ich bin mit Herrn Duve und Herrn Weiß der Meinung, daß dies in der Tat ein außerordentlich wichDr. Hirsch tiges Gesetz werden wird. Es ist ja nicht häufig, daß in der Begründung zu einem Gesetzentwurf Novalis zitiert und mit Recht darauf hingewiesen wird, daß die Archive Gedächtnisse des Staates sind, in denen sich nicht nur das vielfältige Verwaltungshandeln widerspiegelt, sondern die als zuverlässige Zeitzeugen unverzichtbare Quellen darstellen. ({1}) - Ich werde das nachlesen. Sie sind unverzichtbarerweise Quellen historischer Forschung und Grundlage natürlich auch zeitpolitischer Forschung. Man muß den Überlegungen des Gesetzentwurfs zustimmen, daß die gegenwärtige Rechtslage, also das Archivwesen auf den Beschluß von 1950 zu gründen, sowohl der Technik des Archivwesens als auch den Anforderungen des Volkszählungsurteils nicht mehr gerecht wird. Wir wollen eine Sicherung, daß die bei den Verfassungsorganen und Dienststellen des Bundes entstehenden historisch bedeutsamen Archivalien vor unkontrollierter Vernichtung und Zersplitterung bewahrt werden. Wir wollen das Recht des Bürgers auf Einsichtnahme in Archivalien amtlichen Ursprungs sichern. Wir wollen Stellung und Aufgaben der Archive als Teil der öffentlichen Verwaltung einwandfrei regeln, und wir wollen eine klare Regelung des Verhältnisses von Nutzungsrecht und Persönlichkeitsrecht. Ich verhehle nicht, daß wir mit manchen Formulierungen des Regierungsentwurfs unzufrieden sind. Die generelle Formel von der angemessenen Berücksichtigung schutzwürdiger Belange des Betroffenen taucht ja immer wieder in allen möglichen Datenschutzregelungen auf. Es ist in der Praxis sehr schwer, sich klarzumachen, was das im einzelnen und im konkreten Fall bedeutet. Wir denken also eher daran, das System der festen Fristen auszubauen, innerhalb deren eine Durchbrechung individueller Daten nur mit Zustimmung des Betroffenen möglich ist. Wir wollen diese Fristen relativ strikt ausgestalten. Wir wollen sie aber natürlich nach der Bedeutung des jeweiligen Tatbestands, um den es geht, differenzieren. Wir haben also schwierige Entscheidungen vor uns. Die Wirkungen werden irreparabel sein, wenn wir falsche Entscheidungen treffen. ({2}) - Ich muß gestehen, Herr Kollege Duve, ich habe das Protokoll der Anhörung Ihrer Fraktion nicht gelesen, das Ergebnis wohl, aber das Protokoll nicht. Wir haben uns unter den Obleuten im Innenausschuß verständigt, daß wir eine Anhörung des Ausschusses machen, in großer Breite und Offentlichkeit, um auf diese Weise die vielfältigen Gesichtspunkte, die in allseitigem Interesse beachtet werden müssen, noch einmal öffentlich klarzulegen und so zu gesicherten Entscheidungen zu kommen. Wir stehen also sicherlich am Anfang von Beratungen, die nicht nur viel Arbeit, sondern, wie vorauszusehen, auch viel Ärger mit sich bringen werden, die aber lohnend sind und die wir schaffen wollen. Vielen Dank. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Ich schließe die Aussprache, da mir weitere Wortmeldungen nicht vorliegen. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 10/3072 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß, zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu überweisen. Gibt es weitere Vorschläge? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe Punkt. 9 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwufs eines Saatgutverkehrsgesetzes - Drucksache 10/700 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) - Drucksache 10/3223 Berichterstatter: Abgeordneter Rode ({1}) ({2}) Außerdem liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Drucksache 10/3466 vor. Herr Abgeordneter Rode ({3}) hat das Wort zur Berichterstattung erbeten. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Helmut Rode (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001864, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Berichterstatter des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zum Inkrafttreten des Gesetzes, also zum § 65, eine Änderung vorzuschlagen. Das vom Ausschuß vorgesehene Datum 1. Juli 1985 läßt sich nicht halten, da der Bundesrat die Vorlage frühestens am 5. Juli 1985 behandeln kann. Ich schlage daher im Einvernehmen mit allen Fraktionen im Ausschuß folgende Änderung von § 65 „Inkrafttreten" vor: „Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft." Nr. 7 der Beschlußempfehlung des Ausschusses wird damit hinfällig.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Es ist vereinbart worden, keine Aussprache vorzunehmen. - Es meldet sich auch niemand zu Wort. Dann kommen wir zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die §§ 1 bis 64 mit den vom Ausschuß empfohlenen Änderungen auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen. Vizepräsident Cronenberg Ich rufe § 65 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/3466 ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. Wer dem § 65 mit der beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? -Damit ist die aufgerufene Vorschrift angenommen. Es bleibt noch, über Einleitung und Überschrift abzustimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit sind auch diese angenommen. Meine Damen und Herren, nach Annahme von Änderungsanträgen in zweiter Beratung darf sich nach § 84 Buchstabe b unserer Geschäftsordnung die dritte Beratung nur dann unmittelbar anschließen, wenn auf Antrag einer Fraktion oder von fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages zwei Drittel der anwesenden Mitglieder des Bundestages dies beschließen. Ein Antrag, die dritte Beratung jetzt unmittelbar anzuschließen, ist fristgerecht gestellt worden. Sind Sie damit einverstanden, daß wir sofort in die dritte Beratung eintreten? ({0}) - Sie sind nicht einverstanden. Dann lasse ich formell darüber abstimmen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Auch unter Berücksichtigung aller Stimmen der GRÜNEN ist die erforderliche Zweidrittelmehrheit gegeben. Wir treten damit in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke schön. Wer stimmt dagegen? - Danke sehr. Enthaltungen? - Keine. Damit ist das Gesetz angenommen. Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren sowie anderer wertpapierrechtlicher Vorschriften - Drucksache 10/1904 -Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({1}) - Drucksache 10/3443 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Schroeder ({2}) Stiegler ({3}) Das Wort zur Berichterstattung wird offensichtlich nicht gewünscht. Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 7, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Danke schön. Damit sind die aufgerufenen Vorschriften angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Danke schön. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen. Ich rufe die Punkte 11 bis 15 und den Zusatzpunkt 5 der Tagesordnung auf: 11. Erste Beratung des von den Abgeordneten Jaunich, Frau Fuchs ({4}), Frau Schmidt ({5}), Egert, Hauck, Delorme, Gilges, Müller ({6}), Sielaff, Witek, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf der Orthoptistin/des Orthoptisten - Drucksache 10/3163 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({7}) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft 12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fleischbeschaugesetzes - Drucksache 10/3279 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({8}) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 13. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes - Drucksache 10/3296 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß ({9}) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO 14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts - Drucksache 10/3440 Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuß ({10}) Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft 15. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung Vizepräsident Cronenberg des Bundesvertriebenengesetzes ({11}) - Drucksache 10/3407 Überweisungsvorschlag: Innenausschuß ({12}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO 5. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung einer Vergütung für die Aufgabe der Milcherzeugung für den Markt - Drucksache 10/3454 - Überweisungsvorschlag: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO Das Wort wird nicht gewünscht. Es wird Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 10/3163, 10/3279, 10/3296, 10/3440, 10/3407 und 10/3454 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Anderweitige Vorschläge werden nicht gemacht. Damit sind die Überweisungen beschlossen. Ich rufe die Punkte 16 und 17 der Tagesordnung auf: 16. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie ({13}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung ({14}) des Rates über ein Programm zur Unterstützung der Technologischen Entwicklung im Bereich der Kohlenwasserstoffe - Drucksachen 10/2751 Nr. 27, 10/3278 Berichterstatter: Abgeordnete Carstensen ({15}) Hansen ({16}) 17. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr ({17}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Ersten Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1962 über die Aufstellung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ({18}) Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung ({19}) Nr. 3568/83 hinsichtlich der Liberalisierung der Bildung der Entgelte für Beförderungen der auf dem Seewege ein- oder ausgeführten Güter von oder nach einem Seehafen der Gemeinschaft Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Ordnung der Markte für die Beförderung der auf dem Seewege ein- oder ausgeführten Güter von oder nach einem Seehafen der Gemeinschaft - Drucksachen 10/2952 Nr. 19, 10/3102 Berichterstatter: Abgeordneter Fischer ({20}) Das Wort hierzu wird nicht gewünscht. Die Beschlußempfehlungen sind in den Ausschüssen einvernehmlich verabschiedet worden. Ich lasse über die Vorlagen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen der genannten Ausschüsse auf den Drucksachen 10/3278 und 10/3102 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen. Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 14. Juni 1985, 8 Uhr ein. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend. Die Sitzung ist geschlossen.