Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich eröffne die 131. Sitzung des Deutschen Bundestages.
In den letzten Wochen sind eine Reihe von Kollegen durch Verzicht aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden. Es handelt sich im einzelnen um folgende Kollegen: Dr. Ehmke ({0}), Fischer ({1}), Frau Nickels, Verheyen ({2}), Schneider ({3}), Frau Dr. Bard, Drabiniok, Frau Gottwald, Stratmann, Frau Schoppe, Frau Dr. Vollmer, Hoss, Frau Potthast, Sauermilch, Frau Reetz, Schwenninger, Frau Beck- Oberdorf, Hoffmann ({4}) und Dr. Althammer.
Die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag haben folgende Damen und Herren erworben: Herr Stommel, Herr Pöppl, Herr Ranker, Herr Tischer, Herr Suhr, Frau Borgmann, Herr Mann, Herr Ströbele, Herr Bueb, Herr Volmer, Herr Senfft, Frau Zeitler, Herr Werner ({5}), Frau Wagner, Frau Hönes, Herr Schulte ({6}), Herr Werner ({7}) und Frau Eid.
Ich begrüße die neuen Kolleginnen und Kollegen, soweit sie anwesend sind,
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und wünsche auch denjenigen, die nicht anwesend sind - wenn ich das richtig beurteilen kann, ist das die größere Anzahl -, gute Zusammenarbeit.
Ich rufe nunmehr Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
- Drucksache 10/3175 Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Jahn zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Weng ({9}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den vorgesehenen Umbau des Gästehauses „Petersberg" ohne den vorgesehenen Rundbau ({10}) durchzuführen, und welche Kosteneinsparung wäre damit verbunden?
Herr Kollege Dr. Weng, der geplante Rundbau mit dem Empfangsraum ist integraler Bestandteil der planerischen Gesamtkonzeption und als funktionales Bindeglied zwischen dem Hauptgebäude, dem eigentlichen Gästehaus und dem Rheinterrassengebäude mit dem Speisesaal erforderlich. Der Empfangsraum wird für große Empfänge sowie zum Versammeln der geladenen Gäste benötigt. Darüber hinaus soll dieser Raum für größere multilaterale Konferenzen, z. B. EG-Bereich, NATO-Bereich, und für besondere Veranstaltungen, z. B. Neujahrsempfang des Herrn Bundespräsidenten, genutzt werden.
Von den bisher veranschlagten Gesamtkosten in Höhe von rund 103 Millionen DM entfallen auf den Rundbau 8 Millionen DM. Dieser Betrag könnte bei einem Verzicht auf den Rundbau nicht in voller Höhe eingespart werden, weil dann eine anderweitige Verbindung zwischen dem Hauptgebäude und dem Rheinterrassengebäude auf dem Petersberg geschaffen werden müßte. Dies würde zudem eine zeit- und kostenaufwendige grundlegende Umplanung voraussetzen und eine Änderung der Gesamtkonzeption bedingen.
Herr Abgeordneter, Sie wünschen eine Zusatzfrage? - Bitte schön.
Eine Zusatzfrage: Herr Staatssekretär, befürchtet die Bundesregierung nicht bei derart konsequentem Festhalten am seitherigen Konzept durch eine Nichtfreigabe der Mittel einen weiteren Verzug des Ausbaus des Petersbergs zu riskieren?
Die Bundesregierung geht auf der Basis der heutigen Sachlage nicht davon aus, daß ihr die Mittel nicht bewilligt werden. Ich darf darauf hinweisen, daß 1979 von der Bundesregierung eine Gutachterkommission eingesetzt worden ist, fünf Architektengruppen beauftragt worden sind und 1979 die Arbeit der Architekten-und Professorengruppe Linde, Kramer, Lutz, Frau Witzemann ausgewählt worden ist. Es ist damals einstimmig empfohlen worden, diese Architektengruppe mit der weiteren Planung zu beauftragen.
Sie wünschen eine weitere Zusatzfrage? - Nein. Dann ist diese Frage erledigt.
Weitere Fragen zu diesem Geschäftsbereich liegen nicht vor. Herr Staatssekretär, wir bedanken uns.
Die Frage 3 des Abgeordneten Catenhusen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Köhler zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Dolata auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung das Verbleiben einer Vielzahl in der Bundesrepublik Deutschland aus- oder weitergebildeter Ärzte aus Afrika und anderen Ländern, die im Rahmen der Entwicklungshilfe hier ihr Studium absolvierten, jedoch an eine Rückkehr in ihr Heimatland nicht mehr denken, womit der Steuerzahler damit nicht nur Konkurrenz für die Mediziner deutscher Herkunft finanziert, sondern - was schlimmer ist - auch den Export der Intelligenz der entsprechenden Entwicklungsländer?
Herr Kollege Dolata, die Bundesregierung teilt die Ihrer Frage zugrundeliegende Annahme nicht. Gegenwärtig ist nur eine geringe Anzahl von Ärzten aus Entwicklungsländern in der Bundesrepublik Deutschland tätig, deren Aus- und Weiterbildung aus Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gefördert worden ist. In der Regel kehren die Teilnehmer staatlicher Förderungsprogramme nach Abschluß ihrer Aus- und Weiterbildung wieder in ihre Heimatländer zurück.
Soweit Ärzte aus Entwicklungsländern ihre Aus-oder Weiterbildung in der Bundesrepublik Deutschland selbst finanziert haben und im Anschluß daran nicht unmittelbar zurückgekehrt sind, besteht für die Bundesregierung auf Grund der tatsächlichen Entwicklung kein größerer Anlaß zur Besorgnis. Dieser Personenkreis umfaßt zur Zeit insgesamt rund 5 000 Ärzte, die ihre Tätigkeit überwiegend auf Grund einer vorläufigen Berufserlaubnis ausüben. Das sind 2,7 % aller in der Bundesrepublik Deutschland erfaßten Ärzte, und diese Zahl ist rückläufig. Die Rückkehr dieser Ärztegruppe wird durch ein spezielles Reintegrationsprogramm der Bundesregierung gefördert. Seit 1975 sind insgesamt mehr als 1 000 Ärzte in ihre Heimatländer zurückgekehrt.
Bitte, eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, Sie sprechen von gegenwärtigen Zahlen und von der Einschätzung, daß die Entwicklung nicht beängstigend sei. Können Sie bestätigen, daß die Zahlen im vergangenen und im vorvergangenen Jahr dramatischer waren? Mir sind - Sie haben sicher aktuellere, neuere Zahlen - z. B. Zahlen aus Ghana bekannt. Danach sollen 138 Ärzte im Rahmen der Entwicklungshilfe hier aus- oder weitergebildet worden und nur sechs wieder in ihr Heimatland zurückgegangen sein.
Verehrter Herr Kollege Dolata, wir haben in der Vergangenheit in der Tat wesentlich dramatischere Zahlen gehabt. Wir können uns ja beide noch an die Zeit erinnern, in der in vielen Krankenhäusern bei uns, vor allem auf dem flachen Lande, nach solchen Ärzten geradezu gerufen wurde. Aber diese Entwicklung hat sich in der Zwischenzeit tatsächlich sehr stark umgekehrt.
Auch die entsprechenden Förderungsmaßnahmen sind dementsprechend angepaßt worden. So hat z. B. der Deutsche Akademische AustauschDienst seit fünf Jahren schon keine Förderung des Medizinergrundstudiums mehr vorgenommen. Mediziner sind nur noch nach Abschluß des Grundstudiums im Rahmen der Weiterbildung gefördert worden.
Eine weitere Zusatzfrage? - Nein.
Dann kommen wir zur Beantwortung der Frage 5 des Abgeordneten Dolata:
Wäre Abhilfe dann möglich, wenn zukünftig deutsche Wissenschaftlerteams in den in Frage stehenden Ländern der Dritten Welt selbst Studienhilfen durchführten, zu deren Wohle und unserer Entlastung?
Herr Dolata, es ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, die Ausbildung von Fachkräften vorrangig durch den Auf-und Ausbau von Bildungseinrichtungen in den Entwicklungsländern selbst zu fördern. Deshalb ist die Ausbildung von einheimischen Ärzten und von paramedizinischem Personal integraler Bestandteil aller deutschen Gesundheitsprojekte. Dafür hat die Bundesregierung in den letzten zehn Jahren rund 350 Millionen DM aufgewendet. Die Bundesregierung unterstützt die Ausbildung von Ärzten in Entwicklungsländern außerdem durch die Vermittlung von integrierten Fachkräften, die dort in den entsprechenden Einrichtungen als Dozenten tätig sind.
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Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 6 des Abgeordneten Brück auf:
Sind für die im Zusammenhang mit den Sonderhilfen für Afrika durchgeführten Maßnahmen, wie sie in der Antwort der Bundesregierung auf die Frage 118 in der Drucksache 10/2988 erwähnt worden sind, hinaus weitere Sonderaktionen zur Ausschöpfung der im Einzelplan 23 für das Jahr 1984 eingestellten Barmittel durchgeführt worden, die im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit unter dem Stichwort „Barmittelaktion" liefen?
Herr Staatssekretär.
Wenn Sie gestatten und der Kollege Brück einverstanden ist, würde ich die beiden Fragen gern im Zusammenhang beantworten, Herr Präsident.
Wir können so verfahren. Ich rufe dann auch die Frage 7 des Abgeordneten Brück auf:
Wenn ja, in welcher Höhe?
Wie ich in meiner Antwort vom 11. April 1985 auf Ihre schriftliche Frage 28 ausgeführt habe, wurden 1984 beim Einzelplan 2302 Titel 896 03 - Bilaterale Technische Zusammenarbeit - aus Barmitteln 83 Millionen DM für Anfinanzierungen und Neuvorhaben sowie 56,8 Millionen DM für Finanzierungen in laufenden Projekten finanziert, insgesamt also 139,8 Millionen DM.
Von diesem Betrag entfallen 42,5 Millionen DM auf schon ursprünglich geplante Anfinanzierungen, auf Kleinstmaßnahmen des Auswärtigen Amtes und Mehrkosten inzwischen abgeschlossener Projekte. 97,3 Millionen DM entfallen auf zusätzliche Leistungen sowohl für laufende als auch für eigenständige Baransatzprojekte, wobei 61,2 Millionen DM, also rund zwei Drittel, auf Maßnahmen in Afrika entfallen.
Über die einzelnen Maßnahmen werden der Haushaltsausschuß und der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit des Deutschen Bundestages im Rahmen des jährlich zu erstellenden Soll-Ist-Vergleichs unterrichtet. In den anderen Bereichen des Einzelplans 23 wurden neben den Sonderhilfen für Afrika keine Sonderaktionen aus den im Einzelplan 23 für das Jahr 1984 veranschlagten Barmitteln durchgeführt.
Die Information des Deutschen Bundestages über die im Zuge der Haushaltsführung erforderlich gewordenen unabweisbaren überplanmäßigen Ausgaben erfolgte durch die übliche vierteljährliche Unterrichtung durch die Bundesregierung.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bitte sagen, warum im Jahre 1984 mehr Barmittel ausgegeben worden sind, ohne Verpflichtungsermächtigungen in Anspruch zu nehmen, als in den vergleichbaren Vorjahren?
Wie ich in der Antwort am 11. April auf Ihre Frage dargelegt habe, entfällt ein Betrag von 56,8 Millionen DM auf Leistungen aus laufenden Projekten, die für 1984 zum erstenmal so erfaßt wurden und für die daher ein Vergleich zu den Vorjahren fehlt. Der Betrag von 83 Millionen DM für sonstige Barausgaben liegt bezogen auf die Gesamtausgaben aus dem Titel 896 03 niedriger als z. B. im Jahre 1980. Im übrigen sind Finanzierungen aus dem Baransatz ein völlig normaler Vorgang.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es also richtig, daß es im Jahre 1984 keinerlei Mangel an Barmitteln gegeben hat, also keine Haushaltsmisere für den Einzelplan 23?
Es ist durch rechtzeitige Steuerungsmaßnahmen und eine vom Anfang des Jahres herrührende Bemühung gelungen, genau die sogenannte Punktlandung hinzubekommen.
Bitte schön.
Herr Staatssekretär, erinnern Sie sich noch an eine Pressemitteilung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, in der der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit davon gesprochen hat, daß es künftig eine Haushaltsmisere geben werde, und daß er auch so etwas wie eine Erblast prophezeit hat?
Herr Kollege Brück, ich kann mich daran sehr gut erinnern, zumal wir uns in den Oktoberwochen des Jahres 1982 hier in der Fragestunde sehr ausführlich darüber unterhalten haben und Ihnen die damals aufgetretenen Finanzierungsdefizite in aller Ausführlichkeit erklärt haben.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir noch einmal bestätigen, daß es 1984 keine Haushaltsmisere gegeben hat?
Ich weiß nicht, was Sie genau mit dem Begriff „Haushaltsmisere" meinen, Herr Kollege.
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Wir haben mit den begrenzten Mitteln so gewirtschaftet, daß wir mit ihnen ausgekommen sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß, wenn der Minister dies als Haushaltsmisere bezeichnet, auch Sie das als Haushaltsmisere bezeichnen könnten?
Ich glaube, Herr Kollege, man muß doch zur Kenntnis nehmen, daß in der Entwicklungshilfe immer wieder die Notwendigkeit auftritt, bei gewissen Anlässen und Notsituationen auch kurzfristig zu helfen. 1982 hatten wir diese Möglichkeiten eben nicht mehr, da durch vorherige Zusagen alle Dispositionsmöglichkeiten ausgeschöpft waren. Durch die Reduzierung des Zusagevolumens haben wir dann erst die Möglichkeit geschaffen, auch Sofortmaßnahmen durchzuführen, wie sie z. B. in den Dürregebieten Afrikas heute lebensnotwendig sind.
Die Fragen 8 und 9 des Abgeordneten Duve werden auf Grund Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Vizepräsident Cronenberg
Wir kommen zur Frage 10 des Abgeordneten Schanz:
Stimmt die Bundesregierung der Feststellung zu, daß die Förderung der Eigenversorgung unterentwickelter Länder mit Medikamenten zu den vom Deutschen Bundestag einstimmig beschlossenen Grundlinien gehört und daß daher z. B. der Aufbau einer Medikamentenproduktion in Bangladesh einen höheren Stellenwert hat als die Versorgung der Hauptstadt Dakka mit einem digitalen Telefonsystem?
Herr Staatssekretär, bitte sehr.
Herr Kollege Schanz, die Bundesregierung stimmt der Feststellung zu, daß die Förderung der Eigenversorgung von Entwicklungsländern mit Medikamenten zu den vom Bundestag beschlossenen Grundlinien gehört. Allerdings muß jedes Entwicklungsland für sich selbst entscheiden, welche Förderungsmaßnahmen es als vordringlich ansieht und für die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung beantragen möchte. Die Regierung von Bangladesch hat die Bundesregierung bisher nicht gebeten, sie beim Aufbau einer pharmazeutischen Industrie zu unterstützen. Es ist die Meinung der Bundesregierung, daß der Aufbau einer Pharmaindustrie der privaten Initiative und Finanzierung überlassen werden sollte. Die Regierung von Bangladesch selbst will vermehrt private Eigeninitiative und Finanzierungen über bestehende Kreditinstitute fördern.
Ein interministerieller Ausschuß unter Vorsitz von Staatspräsident Ershad hat im Juni 1984 entschieden, daß ein deutsches digitales Fernsprechsystem im Ortsnetzbereich in Bangladesch eingeführt werden soll. Die Bundesregierung hat hierfür bisher 55 Millionen DM zugesagt. Sie ist der Auffassung, daß den Entwicklungsländern fortgeschrittene Technologie nicht vorenthalten werden kann. Der Ausbau des Telefonsystems in Bangladesch mit einem „veralteten" System ist technisch und wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß dennoch die sehr langsame Bearbeitung des Antrags eines privaten Trägers der deutschen Entwicklungshilfe, nämlich der EZE, nicht in die Rahmenbedingungen einer Politik gehört, die davon ausgeht, daß Entwicklungspolitik vorrangig im Interesse der benachteiligten Länder durchgeführt wird, und sind Sie darüber hinaus in der Lage, heute mitzuteilen, ob alsbald über den Antrag des Antragstellers entschieden wird, nachdem ein Mitarbeiter Ihres Hauses jetzt aus Bangladesch zurückgekehrt ist?
Herr Präsident, im Grunde genommen würde diese Frage durch die Antwort auf die Frage 11 des Kollegen Schanz mitbeantwortet. Können wir versuchen, in dieser Form vorzugehen?
Die Zustimmung des Abgeordneten Schanz liegt vor.
Zu einer Zusatzfrage hat das Wort Herr Abgeordneter Brück. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, hat es Hinweise aus der Bundesregierung oder aber aus privaten Kreisen der Bundesrepublik an die Regierung von Bangladesch gegeben, daß ein Antrag, ein digitales Telefonnetz zu finanzieren, von der Bundesregierung wohlwollend aufgenommen werden würde?
Herr Kollege Brück, im Gegenteil! Die Bundesregierung und vor allem Herr Bundesminister Warnke persönlich haben gegen diese Bemühungen in vielfältiger Form Bedenken erhoben und außerordentlich lange versucht, Bangladesch die Frage nahezubringen, ob die Priorität wirklich richtig gesetzt sei und ob der Übergang auf das digitale System wirklich zwingend notwendig sei; aber die Entscheidung der Regierung von Bangladesch war völlig eindeutig.
Im übrigen darf ich Sie darauf verweisen, daß im Moment dieses Projekt von der Kreditanstalt für Wiederaufbau noch geprüft wird. Der Prüfbericht liegt noch nicht vor. Erst nach seiner Vorlage wird unter Berücksichtigung seines Votums über die Durchführung entschieden werden.
Jetzt haben Sie, Herr Schanz, eine Zusatzfrage zu Ihrer Frage 10. Die Beantwortung Ihrer Zusatzfrage von eben erfolgt ja im Rahmen der Beantwortung der Frage 11.
So ist es, Herr Präsident.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit erst nach einer Reise bzw. Zusage des Postministers Schwarz-Schilling gezwungen gesehen hat, einer solchen Ausstattung Daccas mit einem digitalen Fernsprechsystem zuzustimmen bzw. wohlwollend zu prüfen?
Herr Kollege Schanz, dies trifft nicht zu. Es hat bei unseren Überlegungen zur Sache allerdings eine Rolle gespielt, daß die von uns dringend gewünschten Projekte zur Armutbekämpfung in Bangladesch nicht vorlagen. Wir haben in der Zwischenzeit durch gezielten Einsatz technischer Zusammenarbeit Fortschritte in der Entwicklung geeigneter Projekte auf diesem Gebiet erreicht, aber zu dem Zeitpunkt, als diese Frage auftauchte, waren wir in der Situation, daß wir für den Bereich Armutbekämpfung in Bangladesch unser Geld sozusagen nicht los wurden. Die immer wieder unterstellte Annahme, wir hätten hier an Stelle dringend notwendiger Armutbekämpfung versucht, ein aus Liefergründen interessantes Projekt vorzuziehen, trifft nicht zu.
Bitte sehr, Frau Abgeordnete Schmedt.
Herr Staatsekretär, kann die Bundesregierung einen Hinweis darauf geben, warum sich die Vorlage eines Gesetzentwurfes zu einer besseren Medikamentenversorgung in der Dritten Welt verzögert, der ja bis zum März 1985 vorliegen sollte?
Frau Kollegin, über das hinaus, was wir im Ausschuß dazu gesagt haben, kann ich im Moment keine weitere Auskunft geben, zumal es sich um eine Angelegenheit handelt, in der ein anderes Ressort federführend ist.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Schanz auf:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß sie den Partnern von Nicht-Regierungsorganisationen vorschreiben darf, welche Finanzierungsinstitutionen sie benutzen sollen, und ist ihr bekannt, daß die Firma GPL ({0}) bei der Philpa-Bank Bangladesh einen Kredit in Höhe von 1,5 Millionen DM aufgenommen hat, um mit eigener Kraft zur Produktionsausweitung beizutragen und zudem einen weiteren Kredit in Höhe von 6,5 Millionen DM beantragt hat?
Herr Kollege Schanz, Ihre Frage enthält zwei Teile, und ich möchte dementsprechend Stellung nehmen.
Zum ersten. Anträge der kirchlichen Zentralstellen auf Förderung entwicklungswichtiger Vorhaben der Kirchen in Entwicklungsländern können entsprechend den geltenden Förderrichtlinien nur dann positiv beschieden werden, wenn - neben anderen Voraussetzungen rechtlicher und politischer Natur - nach einer Prüfung durch die Bundesregierung die entwicklungspolitischen Voraussetzungen für eine Förderung aus Bundesmitteln als gegeben angesehen werden. Es liegt daher nahe und ist unter haushaltsmäßigen Gesichtspunkten der Sparsamkeit sogar geboten, zunächst die Möglichkeit der Nutzung bereits vorhandener Hilfsmöglichkeiten zu prüfen, wenn die Bundesregierung im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit in einem Entwicklungsland bereits ein geeignetes Finanzierungsinstrument wie z. B. eine Entwicklungsbank fördert.
Zum zweiten. Die Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe hat das BMZ Ende März von der Förderung der Firma GPL in Bangladesch durch die genannte Entwicklungsbank informiert. Ende März! Allerdings soll es sich dabei um Kredite für Investitionen und nicht wie bei dem der Frage zugrundeliegenden Förderantrag der kirchlichen Zentralstelle um einen Betriebsmittelkredit handeln.
Danke schön. Ich rufe Frage 12 des Abgeordneten Hedrich auf:
Auf welchem Stand sind die Vorbereitungen der Bundesregierung für das Ende April geplante erste Expertengespräch in Paris zur Ausgestaltung eines deutsch-französischen Freiwilligendienstes?
Ich bitte, meinen Seufzer zu entschuldigen, aber das ist eine Frage, Herr Präsident, die man sehr schlecht mit zwei Sätzen beantworten kann.
({0})
Herr Kollege Hedrich, seit den deutsch-französischen Konsultationen am 28. Februar 1985 und den Gesprächen zwischen Bundesminister Warnke und Minister Nucci über einen deutsch-französischen Entwicklungsdienst ist das Vorhaben auf deutscher Seite mit den am Verwaltungsrat des Deutschen Entwicklungsdienstes beteiligten Ressorts, dem
DED selbst, dem privaten Gesellschafter des DED und der GTZ ausführlich beraten worden. Ebenso wurde das Deutsch-Französische Jugendwerk konsultiert. Eine erste Unterrichtung des Parlaments erfolgte am 13. März 1985 in der Sitzung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit, wie Sie sich erinnern werden.
Die Beratungen hatten das einvernehmliche Ergebnis, der französischen Seite bei dem ersten Expertengespräch am 24. April in Paris, also genau in einer Woche, ein Kooperationsmodell vorzustellen, das den in der Bundesrepublik bestehenden Strukturen sowie den gesetzlichen und rechtlichen Voraussetzungen für einen Entwicklungsdienst Rechnung trägt.
Als deutscher Träger des Entwicklungsdienstes ist dabei der DED vorgesehen. Dieser Vorschlag gewährleistet für die künftigen Helfer im sozialen Bereich den Schutz nach dem Entwicklungshelfer-Gesetz. Außerdem ist er der einzige anerkannte Dienst, in dessen Organen Staat und private Träger institutionell zusammenarbeiten. Als Träger der Projekte ist die GTZ vorgesehen. Sie hat in der im deutsch-französischen Kommuniqué als Projektregion bezeichneten Sahelzone bestehende, aufnahmefähige Projektstrukturen. Die Wahl der GTZ richtet sich zunächst auf die Pilotphase des Programms; sie schließt Projekte der Kirchen und anderer privater Träger nicht aus.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, bitte schön.
Herr Staatssekretär, würden Sie es nach Ihren Ausführungen mit dem Hinweis auf die Sahelzone für möglich und wünschenswert halten, daß gegebenenfalls andere Länder in diesen freiwilligen Dienst einbezogen werden?
Ich würde das nicht ausschließen, halte es aber im Moment noch für zu früh, um in dieser Frage verbindliche Aussagen zu machen.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie vielleicht noch ein paar Hinweise auf die Projektauswahl geben und sagen, wo gegebenenfalls der Schwerpunkt liegen dürfte?
Die Identifizierung sowohl der Länder wie auch der Projekte wird mit der französischen Seite noch gemeinsam zu beraten sein und erst nach Abstimmung mit den in Frage kommenden Partnerländern festgelegt werden können. Wir legen Wert darauf, daß das neue Programm für eine europäische Erweiterung z. B. auf andere AKP-Staaten offenbleibt. Der Minister spricht von Afrika und hebt natürlich als Schwerpunkt den Kampf gegen das weitere Vordringen der Wüste im Sahel hervor. Von französischer Seite ist uns bisher aber nur ein Vorschlag für Senegal gemacht worden. Es handelt sich immer um Wiederaufforstungsvorhaben. Wir haben Vorhaben in Ni9684
ger, Mali, Benin, Togo und der Zentralafrikanischen Republik ins Auge gefaßt. Als mögliches englischsprachiges Land wird Gambia noch in Frage kommen - wie gesagt, immer mit dem Projektschwerpunkt der Bekämpfung der Desertifikation.
Herr Abgeordneter Repnik, eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, gibt es schon konkrete Vorstellungen über die personelle Größenordnung dieses Programms, und können Sie mögliche Bedenken gegen dieses Programm zerstreuen im Hinblick auf den Rückgang von Entwicklungshelferzahlen und eine Konkurrenzsituation, die sich hieraus ergeben könnte?
Herr Kollege Repnik, französische Presseverlautbarungen haben in den ersten Wochen nach Bekanntwerden des Vorhabens von 3 000 Freiwilligen gesprochen. Diese Zahl ist offenbar eine politische Zahl für die französische Öffentlichkeit und ist aus französischen Diskussionszusammenhängen heraus erklärlich. Eine Abstimmung mit der deutschen Seite hat noch nicht stattgefunden. Nach unserer Auffassung ist diese Zahl mindestens für die Anfangsphase unrealistisch, aber ich glaube, sie ist auch für die weitere Zukunft noch reichlich hoch gegriffen.
In der Pilotphase wird man von bereits bestehenden Projekten mit begrenzter Aufnahmekapazität ausgehen müssen. Genauere Prognosen sollte man wirklich erst nach den vertiefenden Gesprächen in Paris stellen.
Allerdings ist dieser Ansatz von französischer Seite so gewählt worden, daß dafür Helfer in Frage kommen, die nicht dem normalen Anforderungsprofil des DED-Helfers entsprechen, so daß ich aus dem Rückgang der Bewerberzahlen beim DED und bei den anderen freiwilligen Diensten nicht automatisch schlußfolgern kann, daß für die hier angesprochene Art von Helfern kein ausreichendes Reservoir vorhanden ist. Im Gegenteil, die Vermutung spricht dagegen, weil eine weniger spezialisierte Qualifikation gefordert werden wird.
Danke schön. Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück.
Um die Frage des Kollegen Repnik noch zu konkretisieren: Wird das bedeuten, daß es mehr deutsche Freiwillige in der Entwicklungshilfe als bisher gibt, oder wird das sozusagen zu Lasten des Deutschen Entwicklungsdienstes gehen?
Herr Kollege Brück, die Leitung des BMZ hat die eindeutige Absicht, dies so zu behandeln, daß es zu mehr deutschen Entwicklungshelfern kommt. Wir wollen damit dem DED, dessen Konsolidierung beginnt - und ich hoffe, daß diese Konsolidierung ihn bald in eine Lage bringt, mit der wir alle sehr zufrieden sein können -, eine zusätzliche Möglichkeit geben, bei der wir glauben, daß sich aus dem Personenkreis, der hierfür in Frage kommt, auch ein weiteres Reservoir für den typischen DED-Helfer entwickeln kann, daß sich also auf der Basis dieses Spezialdienstes, der dem DED praktisch zugeordnet ist, auch die Bewerbersituation beim DED auf längere Frist günstig entwickelt.
Danke schön.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich bedanke mich, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Verfügung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Sprung.
Frage 13 des Abgeordneten Dr.-Ing. Kansy ist vom Fragesteller zurückgezogen worden. Somit rufe ich Frage 14 des Abgeordneten Menzel auf:
Hält es die Bundesregierung für mit Sinn und Inhalt der für die Handwerkskammern geltenden Wahlrechtsvorschriften vereinbar, wenn die Arbeitgeberseite die von der Arbeitnehmerseite für Vorstandsfunktionen vorgeschlagenen Kandidaten blockiert und mit ihrer Mehrheit ihr genehme Kandidaten vorschlägt und durchsetzt, und gedenkt die Bundesregierung - für den Fall, daß die Wahlvorschriften eine solche Praxis zulassen - sie so zu ändern, daß der Arbeitnehmerseite zustehende Funktionen nicht gegen den Willen der Mehrheit der Arbeitnehmerseite besetzt und abberufen werden können?
Herr Kollege Menzel, die Bundesregierung ist mit Ihnen der Auffassung, daß die Mitwirkung der Gesellen in den Handwerkskammern gewahrt bleiben muß. Die Handwerksordnung bestimmt klar und eindeutig, daß ein Drittel der Vorstandsmitglieder und einer der Vizepräsidenten der Kammer Gesellen sein müssen.
Die Wahl der Gesellenvertreter erfolgt ebenso wie die Wahl der Vertreter der selbständigen Handwerker durch die Vollversammlung. Im Interesse der Einheitlichkeit der Vollversammlung hat der Gesetzgeber eine Wahl getrennt nach Gruppen nicht vorgesehen.
Die vom Bundesminister für Wirtschaft 1965 nach eingehenden Erörterungen mit dem DGB und dem Deutschen Handwerkstag sowie den Wirtschaftsressorts der Länder erlassene Mustersatzung für Handwerkskammern sieht vor, daß die Gesellenvertreter nicht gegen die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Gesellenvertreter gewählt werden dürfen. Dieser Minderheitenschutz entspricht Sinn und Zweck der gesetzlich verankerten Gesellenmitwirkung. In den seit Erlaß der Handwerksordnung vergangenen 30 Jahren hat sich diese Regelung durchaus bewährt. Die Bundesregierung sieht daher keinen Anlaß für eine Änderung der Wahlrechtsvorschriften nur deswegen, weil es jetzt in wenigen Einzelfällen zu Kontroversen bei der Wahl eines Gesellenvertreters gekommen ist.
Die Aufsichtsbehörden der Länder haben, falls erforderlich, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, daß die Kammervorstände Gesetz und Satzung entsprechen.
Eine Zusatzfrage? - Bitte schön.
Heißt das, daß die Länder in der Lage wären, die Ansicht der Bundesregierung durchzusetzen, daß die Arbeitnehmervertreter in den Gremien nicht gegen die Mehrheit der Arbeitnehmer gewählt werden können?
Dies heißt es! Die Mustersatzung sieht dies vor; ich habe davon gesprochen. Die Länder als Aufsichtsbehörde werden danach verfahren, soweit die Mustersatzung auch tatsächlich Anwendung findet.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, warum ist die Bundesregierung dann, wenn dies ihre Ansicht ist, nicht bereit, dieses Recht in Gesetzesform zu kleiden und hier einen entsprechenden Entwurf vorzulegen?
Herr Kollege, ich habe bereits darauf hingewiesen, daß sich die Handwerksordnung und die darin enthaltenen Wahlrechtsvorschriften bewährt haben, sowie darauf, daß diese Einzelfälle kein Anlaß sein können, eine Änderung ins Auge zu fassen.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gewünscht.
Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Michels auf:
Welche Maßnahmen gedenkt die' Bundesregierung gegen die Dumpinglieferungen bei Möbeln aus der DDR, Rumänien und anderen Ostblockstaaten angesichts eines Anstieges der DDR-Bezüge im Jahr 1984 um 13,8 v. H. und der Rumänien-Importe um 30,2 v. H. zu unternehmen, und ist die Bundesregierung auch bereit, notfalls eine Kontingentierung vorzunehmen?
Herr Kollege Michels, die Bundesregierung beabsichtigt, gegenüber der DDR zusätzlich zu der für Polstermöbel bereits bestehenden Einzelgenehmigungspflicht für weitere Möbelarten, die quantitativ besonders ins Gewicht fallen, die Einzelgenehmigungspflicht einzuführen, um die Bezugsentwicklung im einzelnen beobachten zu können und ein Signai gegenüber der DDR zu setzen.
Im übrigen strebt die Bundesregierung eine im Verhandlungsweg zu erreichende Lösung an, in deren Rahmen die DDR-Lieferungen 1985 unterhalb des 1984 erreichten Niveaus bleiben.
Sobald konkretere Angaben über Niedrigpreiseinfuhren aus Rumänien vorliegen, sollen Gespräche mit Rumänien geführt werden mit dem Ziel, erhebliche Marktstörungen zu vermeiden. Dabei wird allerdings nicht unberücksichtigt bleiben können, daß die deutsche Möbelindustrie zum Teil in beträchtlichem Umfang mit der rumänischen Möbelindustrie zusammenarbeitet. So waren 1984 von den für 248 Millionen DM aus Rumänien eingeführten Möbeln zirka 30 % Einfuhren nach passiver Lohnveredelung, so daß ein Teil des Einfuhrwertes aus deutscher Produktion stammte. Bei Polstermöbeln betrug dieser Anteil sogar zirka 40 %.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Michels, bitte schön.
Herr Staatssekretär, sind Preisprüfungs- oder Antidumpingverfahren bekannt und bei Konsumgütern wie Möbeln überhaupt durchführbar, wenn ja, mit welchem Erfolg?
Herr Kollege Michels, bei Preisprüfungsverfahren kommt es auf das Vorliegen und den Nachweis von Dumping nicht an. Ein berechtigtes Schutzbedürfnis ist zu bejahen, wenn Waren in derart erhöhten Mengen und unter solchen Bedingungen eingeführt werden, daß ein erheblicher Schaden für die Erzeugung gleichartiger oder zum gleichen Zweck verwendbarer Waren im Wirtschaftsgebiet eintritt oder einzutreten droht, und wenn dieser Schaden im Interesse der Allgemeinheit abgewendet werden muß.
Beim Antidumpingverfahren - für das im übrigen die EG-Kommission zuständig ist - wird den Besonderheiten des östlichen Währungs- und Wirtschaftssystems dadurch Rechnung getragen, daß zur Ermittlung des Normalwerts nicht auf die östlichen Binnenpreise, sondern auf diejenigen eines marktwirtschaftlich organisierten Vergleichslandes abgestellt wird.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Pohlmeier.
Herr Staatssekretär, gibt es derzeit weitere Preisprüfungsverfahren oder weitere Antidumpingverfahren, die beantragt sind?
Herr Kollege Pohlmeier, für Bezüge von Polstermöbeln aus der DDR ist 1982 ein von Amts wegen eingeleitetes Preisprüfungsverfahren durchgeführt worden. Das Ergebnis war, daß ungefähr der Hälfte der oberfränkischen Hersteller von Polstermöbeln eine erhebliche Schädigung durch die Bezüge drohte bzw. bereits entstanden war, für die die steigenden Bezugsmengen und Niedrigpreise der DDR-Möbel mit ursächlich waren. Von einer Kontingentierung wurde abgesehen, da die DDR in der Folgezeit ihre Lieferungen in das Bundesgebiet moderierte.
Preisprüfungsverfahren oder Antidumpingverfahren gegenüber anderen Staatshandelsländern wurden in der Vergangenheit nicht beantragt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Daweke.
Herr Kollege Sprung, können Sie sagen, ob die Preise, die diese Staatshandelsländer fordern, nach unserer Auffassung kostenorientierte Preise sind?
Herr Kollege Daweke, wir sind der Meinung, daß es nicht möglich ist, eine solche Prüfung vorzunehmen und eine entsprechende Feststellung zu treffen.
Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Michels auf:
Vizepräsident Cronenberg
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Möbelindustrie, daß es sich bei den Möbelimporten aus Ostblockländern weitgehend um Dumping-Preise handelt, die aus devisenpolitischen Gründen unter den Entstehungskosten zum Teil unter den Materialpreisen der Bundesrepublik Deutschland liegen?
Herr Kollege Michels, der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, inwieweit die Export- bzw. Lieferpreise für Möbel aus Ostblockländern unter den dortigen Selbstkosten liegen. Ein solcher Preisver- gleich scheitert u. a. am Fehlen von Marktpreisen sowie von realistischen Wechselkursen zur Umrechnung der dortigen inländischen Kosten in konvertible Währungen. Inwieweit die östlichen Export- oder Lieferpreise unter den Materialpreisen in der Bundesrepublik Deutschland liegen, läßt sich bei heterogenen Märkten wie Möbeln nicht allgemein sagen. Hierfür ist eine Überprüfung konkreter Warengruppen erforderlich, die im Rahmen von Preisprüfungs- oder Antidumpingverfahren vorgenommen werden kann.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, hat es in der Vergangenheit solche Preisprüfungs- und Antidumpingverfahren gegeben, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Ich habe bereits auf die Frage von Herrn Pohlmeier darauf hingewiesen, daß wir solche Preisprüfungsverfahren gehabt haben bei Polstermöbeln aus der DDR, daß Preisprüfungs- oder Antidumpingverfahren gegenüber anderen Staatshandelsländern, was die Vergangenheit anlangt, nicht beantragt worden sind. Was die aktuelle Situation betrifft, so hat der Hauptverband der Deutschen Holzindustrie Anfang April für Wohnzimmerschränke und Schrankwände aus der DDR Preisprüfungsverfahren beantragt. Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, das die Verfahren durchführt, ist vom Bundesminister für Wirtschaft um eine zügige Abwicklung des Verfahrens gebeten worden. Außerdem hat der Verband der Europäischen Möbelindustrie für bestimmte Möbelarten aus Rumänien bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaft die Durchführung eines Antidumpingverfahrens ebenfalls Anfang April 1985 beantragt.
Keine weitere Zusatzfrage? - Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Göhner.
Herr Staatssekretär, da Sie vorhin davon gesprochen haben, daß Sie im Wege von Verhandlungen mit der DDR erreichen wollen, daß die Möbellieferungen in diesem Jahr 1985 - wenn ich Sie richtig verstanden habe - gegenüber dem Vorjahr zurückgehen sollen: Wird die Bundesregierung auch dann, wenn dieser Verhandlungsweg nicht erfolgreich sein würde, in der Tat durch die von Ihnen zitierte Einzelgenehmigungspflicht oder durch die Vorgabe von Orientierungsmengen sicherstellen können, daß die Möbellieferungen aus der DDR im Gesamtvolumen in diesem Jahr 1985 geringer sein werden als im Vorjahr?
Herr Göhner, darauf möchte ich mit Ja antworten. Die Bundesregierung wird sicherstellen, daß die Lieferungen aus der DDR im Jahre 1985 unter den Lieferungen des Jahres 1984 liegen werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Daweke.
Herr Staatssekretär, ich wollte eine ähnliche Frage stellen: Können Sie angesichts der dramatischen Entwicklung auf dem Wettbewerbsfeld und dem Arbeitsmarkt in der Möbelindustrie, insbesondere z. B. in Ostwestfalen, sagen, in welchen Größenordnungen sich vermutlich der Handel mit Möbeln aus Staatshandelsländern in diesem Jahr und im nächsten Jahr entwickeln wird?
Ich kann Ihnen sagen, in welcher Größenordnung Lieferungen im letzten Jahr erfolgt sind. Ich sagte schon, was die DDR anlangt, so wird in diesem Jahr der Wert niedriger sein. Ich kann Ihnen auch die Importe aus Rumänien nennen. Aber das sind die beiden einzigen Länder, für die ich hier Zahlen zur Verfügung habe. Es waren im letzten Jahr Importe aus Rumänien in der Größenordnung von 248,2 Millionen DM und Bezüge aus der DDR in Höhe von 291 Millionen Verrechnungseinheiten.
({0})
Herr Abgeordneter, Sie haben keine zweite Zusatzfrage. Ich muß darauf aufmerksam machen.
Ich erahne, was Sie fragen wollen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die Zahl für die DDR niedriger liegen wird als im vergangenen Jahr. Was die Einfuhren aus Rumänien betrifft, so kann ich solch eine Aussage nicht treffen.
Herr Abgeordneter Broll, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, handelt es sich bei dem auf Grund von recht niedrigen Preisen stark angestiegenen Möbelimporten um ein Einzelphänomen im Handel mit der DDR, oder ist es eine allgemeine Erscheinung im Osthandel, daß in vielen Sachbereichen zu Unterpreisen angeboten wird.
Die Frage nach der Entwicklung des Handels ganz allgemein kann dahin gehend beantwortet werden, daß wir eine jährliche normale Steigerung haben, an der wir auch interessiert sind.
Soweit es sich um einzelne Produkte handelt, ist die Entwicklung unterschiedlich. Wir haben auf der einen Seite stark steigende Einfuhren für gewisse
Produkte - auch im Bereich der Möbelherstellung -, auf der anderen Seite stark rückläufige Entwicklungen. Das hängt von den jeweiligen Umständen ab.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir bitte erklären, was Unterpreise aus Sicht der Verbraucher sind?
Ich habe zu dem Begriff, der in der Frage steckte, deshalb nicht Stellung genommen, weil es nicht möglich ist, eine Erklärung für die Frage zu geben, ob Unterpreislieferungen stattfinden. Ob wir tatsächlich von der Kostenseite her diese besondere Situation vorliegen haben, wird ja durch die Preisprüfungsverfahren festgestellt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Michels.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Einfuhr solcher Produkte, die aus Staatshandelsländern bezogen werden - meist zu politischen Preisen - unsere Arbeitsplätze nicht nur gefährden, sondern auch vernichten?
Daß von einer starken Zunahme von Einfuhren die Produktion vergleichbarer Güter in der Bundesrepublik berührt wird, steht außer Zweifel. Wenn die Zunahme der Einfuhr besonders hoch ist, kann das auch dazu führen, daß die inländische Produktion eine Beschränkung erfahren muß.
Danke schön. Weitere Zusatzfragen werden nicht gewünscht.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Lowack auf:
Ist die Bundesregierung bereit, sich dafür einzusetzen, daß in Zukunft Betriebe des Zonenrandgebietes auch bei Modernisierungsinvestitionen gefördert werden, die der Erhaltung qualifizierter Arbeitsplätze dienen?
Herr Staatssekretär, bitte schön.
Herr Kollege Lowack, die Förderung des Zonenrandgebietes ist eine deutschlandpolitische Aufgabe. Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" erhält daher das Zonenrandgebiet nach der Förderung Berlins die höchsten Förderpräferenzen. Im Bereich der Modernisierungsinvestitionen ist der Grundsatz des Vorranges der Zonenrandförderung dadurch verwirklicht, daß allein Betrieben im Zonenrandgebiet bei Umstellungen oder grundsätzlichen Rationalisierungen, die der Sicherung gefährdeter Arbeitsplätze dienen, die Investitionszulage in Höhe von 10 % der geförderten Investitionskosten gewährt wird. Auf die Gewährung dieser Zulage besteht ein Rechtsanspruch.
Die Bundesregierung wird die Praxis der bevorzugten Förderung des Zonenrandgebietes und der Erhaltung des Präferenzvorsprunges beibehalten.
Zu Ihrer weiteren Information möchte ich Ihnen außerdem mitteilen, daß seit Bestehen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" im Jahre 1972 rund 4 500 Investoren zur Sicherung von über 600 000 gefährdeten Arbeitsplätzen im Zonenrandgebiet die Investitionszulage für Rationalisierungs- und Umstellungsinvestitionen erhalten haben.
Eine Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, sind Sie bereit, die Erkenntnis des Fragestellers entgegenzunehmen, daß es statt „auch" tatsächlich heißen müßte, eine stärkere Förderung als bisher zu akzeptieren bzw. zu unterstützen, etwa in dem Sinne, in dem heute der Unterausschuß für Zonenrandförderung beschlossen hat, diese 10 % auf bis zu 15 % anzuheben?
Herr Kollege Lowack, diese Forderung mehrerer Bundesländer wird im Augenblick mit den Ländern diskutiert. Die Meinungsbildung mit ihnen ist noch nicht abgeschlossen. Dabei sind, wie Sie wissen, die Beschäftigungswirkungen von Rationalisierungsinvestitionen abzuwägen gegen die Beschäftigungswirkungen anderer Maßnahmen im Rahmen der Hilfegewährung für das Zonenrandgebiet, insbesondere auch im Hinblick auf das Ziel, Beschäftigungswirkungen der regionalen Wirtschaftsförderung ganz allgemein zu steigern. Zum anderen sind die finanziellen Auswirkungen einer solchen Anhebung des Satzes im Zusammenhang der gesamten zur Verfügung stehenden Mittel zu sehen. Schließlich gibt es auch einen EG-Aspekt. Sie wissen, daß bereits in der Vergangenheit von seiten der EG-Kommission erhebliche Bedenken gegen die Regionalförderung von Rationalisierungsinvestitionen erhoben worden sind.
Wünschen Sie eine weitere Zusatzfrage? - Bitte schön.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß die Bundesregierung wie bisher in den Verhandlungen mit der Europäischen Gemeinschaft darauf hinweist, daß die Zonenrandförderung eigentlich nicht diskutabel ist und daß das Anheben auf 15 % oder bis zu 15 % bei derartigen Unterstützungsmaßnahmen der früheren Rechtssituation entspräche?
Herr Kollege Lowack, davon können Sie ausgehen. Das ist die Meinung, die Position der Bundesregierung.
Herr Abgeordneter Reimann, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie in diesem Zusammenhang vielleicht mal etwas dazu sagen, was das für qualifizierte Arbeitsplätze
sind, von denen da gesprochen wird, und ob es sich in diesem Zusammenhang nicht nur um Verlagerungen von Arbeitsplätzen aus der einen Region der Bundesrepublik in die andere handelt?
Sie wissen ja, Herr Kollege, daß die Beantragung von Hilfe eine sehr gründliche Prüfung des Projektes zur Folge hat. Insoweit wird auch festgestellt, ob solche Konsequenzen, solche Wirkungen aus den Maßnahmen zu erwarten sind. Wenn das der Fall ist, so hat das Rückwirkungen auf die Hilfe, die gewährt wird.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Stiegler.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung denn nun die Anhebung der Fördersätze für Rationalisierungsinvestitionen in bestehenden, nicht in zu verlagernden Betrieben vorschlagen, wie es heute der Unterausschuß empfohlen hat, oder wollen Sie sich noch eine längere Prüfungsphase vorbehalten?
Herr Kollege Stiegler, Sie wissen, daß so etwas im Einvernehmen mit den Ländern zu geschehen hat. Wir müssen mit den Ländern zu einer Übereinkunft kommen. Wir hatten heute morgen eine Diskussion über einen anderen Förderungsgesichtspunkt. Auch dort ging es darum, mit den Ländern zu einer Übereinkunft zu gelangen. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Meinungsbildung mit den Ländern darüber noch nicht abgeschlossen ist. So lange müssen wir schon warten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, ich stimme Ihrer Auffassung zu, daß das Zonenrandgebiet besonders zu fördern ist. Aber ist es nicht langsam an der Zeit, einmal darüber nachzudenken, ob andere Regionen in dieser Bundesrepublik auf Grund ihrer Arbeitslosenquoten nicht in ähnliche gute Positionen, was die Förderung anbetrifft, gesetzt werden müßten? Ich denke da an Teile des Westmünsterlandes oder auch an Niedersachsen, wo örtlich Arbeitslosenquoten in der Größenordnung von 30 bis 40 % auftreten?
Herr Kollege Klejdzinski, der Wirtschaftsausschuß des Bundestages hat ein Hearing veranstaltet, in dem neuere Überlegungen zur Umstellung, zur Änderung der regionalen Wirtschaftsförderung diskutiert worden sind. Natürlich ist in diesem Zusammenhang auch über die Zonenrandförderung gesprochen worden. Aber es hat so gut wie keinen Sachverständigen gegeben, der der Meinung war, daß an der Zonenrandförderung etwas geändert werden sollte.
Danke schön. Weitere Wortmeldungen hierzu liegen mir nicht vor.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Dr. Müller auf:
Ist die Bundesregierung angesichts des Jahresabschlusses 83/84 der Klöckner AG weiterhin bereit, eine Stahlfusion zwischen Klöckner und Krupp zu subventionieren, und, wenn ja, in welcher Höhe?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat wiederholt mitgeteilt, daß sie über Folgerungen aus der Fusion erst entscheiden kann, wenn verbindliche Beschlüsse der Unternehmungsorgane vorliegen und das Fusionskonzept von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Treuarbeit geprüft ist. Bisher haben die Unternehmen ihre Fusionsverhandlungen noch nicht abgeschlossen und auch der Treuarbeit noch keine prüffähigen Unterlagen vorgelegt. Bei der Prüfung durch den Wirtschaftsprüfer wird auch der Jahresabschluß 1983/84 der Klöckner-Werke zu berücksichtigen sein.
Eine Zusatzfrage, bitte schön, Herr Dr. Müller.
Gesetzt den Fall, es würde sich ergeben, daß der Jahresabschluß 1983/84 nicht geeignet ist, der Fusion zwischen Klöckner und Krupp als Grundlage zu dienen, gibt es für diesen Eventualfall irgendwelche Pläne der Bundesregierung, andere Fusionen in diesem Bereich zu fördern bzw. anzustreben?
Herr Kollege, das ist eine hypothetische Frage, die Sie stellen. Ich kann darauf keine Antwort geben.
Gibt es eine weitere Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Dr. Müller ({0}) auf:
Bestehen bei der Bundesregierung Pläne, einen möglichen Konkurs der Klöckner-Werke AG abzuwenden oder im Konkursfall die betroffenen strukturschwachen Regionen Bremen und Osnabrück finanziell zu unterstützen?
Die Bundesregierung, Herr Kollege, hat keinerlei Anhaltspunkte, die auf einen möglichen Konkurs der KlöcknerWerke AG hindeuten. Insofern stellt sich die Frage nach einer finanziellen Unterstützung nicht.
Eine Zusatzfrage, bitte schön, Herr Dr. Müller.
Wie hoch sind zur Zeit die veranschlagten Mittel bezüglich der Unterstützung irgendwelcher Fusionen, um die Stahlkrise in der Bundesrepublik zu bereinigen bzw. in irgendeiner Art und Weise zu erleichtern?
Es sind dafür keine Mittel vorgesehen. Es stehen dafür keine Mittel zur Verfügung.
Danke schön.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Urbaniak auf:
Vizepräsident Cronenberg
Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung, daß die Beschlüsse zur europäischen Stahlpolitik, die der Ministerrat der EG in Brüssel gefaßt hat und die vom Bundesminister für Wirtschaft begrüßt wurden, keine Nachteile für die deutsche Stahlindustrie mit sich bringen?
Herr Kollege Urbaniak, die Bundesregierung begründet ihre Auffassung, daß die EG-Ratsbeschlüsse vom 27. März 1985 keine Nachteile für die deutsche Stahlindustrie verursachen, wie folgt:
Vier Mitgliedstaaten der EG waren im Begriff, ihre Stahlbeihilfen über das bereits genehmigte Volumen hinaus kräftig aufzustocken. Es drohte auch eine Zahlung von Hilfen über das Ende des Jahres 1985 hinaus. Drei Mitgliedstaaten lehnten es gleichzeitig ab, als Gegenleistung für die zusätzlichen Beihilfen Kapazitäten stillzulegen. Die Stillegung weiterer Stahlkapazitäten in der Europäischen Gemeinschaft ist aber angesichts der beträchtlichen Überkapazitäten dringend geboten.
Demgegenüber hat der Stahlrat insbesondere bestätigt, daß nach 1985 Hilfen an Stahlunternehmen nicht mehr gezahlt werden dürfen. Die Genehmigung zusätzlicher Beihilfen im Jahre 1985 wird an Art. 2 des geltenden Subventionskodex geknüpft, der die Genehmigung von Beihilfen an einen Kapazitätsabbau bindet. Damit wird der für die Bundesregierung unverzichtbare Grundsatz „Beihilfen nur bei Kapazitätsabbau" auch für alle zusätzlichen Beihilfen festgeschrieben.
Mit den Beschlüssen sind wesentliche deutsche Positionen unter Berücksichtigung des Interesses an der Aufrechterhaltung des gemeinsamen Stahlmarkts durchgesetzt worden. Sie sind ein erheblicher Beitrag dazu, daß der europäische Stahlmarkt 1986 wieder zu Wettbewerbsbedingungen ohne Subventionen zurückkehren kann. Sie liegen deshalb auch im Interesse der deutschen Stahlindustrie.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Urbaniak.
Herr Staatssekretär, wie hoch sind denn nun tatsächlich für das Jahr 1985 die von der EG gebilligten Stahlhilfen für Frankreich und Italien? In einem ernstzunehmenden Publikationsorgan wird von 33,3 Milliarden gesprochen. Können Sie mir dazu eine Auskunft geben?
Herr Kollege, dies kann ich nicht. Ich habe die Zahlen hier nicht verfügbar. Ich werde Ihnen aber diese Zahlen sehr gern liefern.
Weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Muß man nicht, was die Beschlüsse des EG-Ministerrats angeht, davon ausgehen, daß sich nach 1985 tatsächlich für die deutsche Stahlindustrie erhebliche neue Wettbewerbsverzerrungen ergeben, da wir insbesondere vermuten, daß die Plazierung von erheblichen Mitteln unbegrenzt über dieses Jahrzehnt hinaus erfolgt und die deutsche Stahlindustrie darunter zu leiden hat?
Herr Kollege Urbaniak, ich habe auf die Situation hingewiesen, wie sie sich vor dem Stahlrat darstellte. Ich habe die Gefahren genannt, die für den gemeinsamen europäischen Stahlmarkt bestanden. Ich habe dargelegt, was erreicht worden ist. Wir meinen, daß das, was erreicht worden ist, sehr hoch veranschlagt werden muß.
Herr Abgeordneter Klejdzinski, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie ist denn dieser EG-Beschluß zu verstehen? Der Beschluß schränkt außerdem die zulässigen Beihilfearten gegenüber dem Subventionskodex ein. Bedeutet die Zustimmung des Ministers zu diesem Beschluß nicht den wahren Knockout der Stahlindustrie?
Den letzten Satz habe ich nicht verstanden. Würden Sie ihn wiederholen?
Der Beschluß schränkt außerdem die zulässigen Beihilfearten gegenüber dem Subventionskodex ein. Bedeutet das nicht letzten Endes, wenn man dieses sehr abzuwägen versucht, den wahren Knockout für unsere deutsche Stahlindustrie?
Nein. Die Formulierung, die Sie vorgetragen haben, haben Sie aus einer bestimmten Veröffentlichung. Dieser Meinung sind wir nicht. Im Gegenteil, die Beihilfen sind eingeschränkt worden. Vorher war die Möglichkeit, Beihilfen zu gewähren, größer, und die Zahl der Beihilfen war zahlreicher.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lohmann ({0}).
Herr Staatssekretär, Sie haben den Kapazitätsabbau angesprochen. Wir möchten von Ihnen gern wissen, welche konkreten Auflagen die Kommission an die Gewährung der zusätzlichen Hilfen in bezug auf den Kapazitätsabbau geknüpft hat.
Dazu gibt es bisher nichts zu vermelden, denn es gibt zunächst den Beschluß. Die zusätzlichen Beihilfen, die angefordert werden, die Aufstockungen, die vorgenommen werden, sind der Kommission zu melden. Dann wird die Kommission mit entsprechenden Forderungen in Richtung auf einen Kapazitätsabbau reagieren. Erst dann könnte ich Ihnen etwas darüber berichten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jens.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß Herr Bundeswirtschaftsminister Bangemann in der Öffentlichkeit zunächst lautstark davon gesprochen hat, daß der Subventionskodex, so wie er vereinbart war, eingehalten werden muß, und daß die neue Regelung dazu führt,
daß jetzt in der EG ein Jahr länger Subventionen gezahlt werden können, was zweifellos zu Lasten der deutschen Stahlindustrie geht?
Herr Kollege Jens, ich kann Ihnen dies nicht bestätigen. Es werden nicht ein Jahr länger Subventionen gezahlt, sondern die Subventionszahlung muß Ende 1985 auslaufen, sie läuft aus. Dies ist noch einmal sehr deutlich festgestellt worden. Wohl können die schon beantragten oder gewährten Subventionen aufgestockt werden - dies ist richtig -, aber eine Verlängerung ist nicht ins Auge gefaßt. Dies ist für uns von zentraler Bedeutung gewesen. Das Festhalten am Endzeitpunkt nach dem Subventionskodex, nämlich Ende 1985, stellt ein wichtiges, ein ganz entscheidendes Element der Vereinbarung dar.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Fischer ({0}).
Herr Staatssekretär, wie hoch sind denn die Beträge der zusätzlichen Betriebsbeihilfen, die ja durch die Verlängerung über den 31. Dezember 1985 hinaus gewährt werden können, und in welchen Ländern werden sie gewährt?
Herr Kollege, auch darauf kann ich Ihnen keine Antwort geben, weil das davon abhängt, welche Anträge gestellt werden. Diese Anträge sind möglicherweise schon gestellt worden, sie können auch noch gestellt werden. Dafür ist noch einige Zeit vorhanden.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Urbaniak auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung im Zusammenhang mit diesen Beschlüssen, der deutschen Stahlindustrie weitere Hilfen zukommen zu lassen?
Herr Kollege Urbaniak, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, der deutschen Stahlindustrie im Zusammenhang mit den Brüsseler Beschlüssen weitere Hilfen zukommen zu lassen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, da Sie sagen, alles, was man dort gemacht habe, sei in Ordnung und decke sich voll mit der Politik der Bundesregierung, frage ich Sie, wie der Umstand zu erklären ist, daß die deutsche Stahlindustrie gerade gegen diese Beschlüsse nicht nur protestiert, sondern auch ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof angestrengt hat.
Herr Kollege, die Sicht der deutschen Stahlindustrie ist zwangsläufig eine etwas andere als die der Bundesregierung. Ich habe Ihnen vorgetragen, wie die Bundesregierung das Ergebnis einschätzt. Wir meinen, daß dies eine ausgewogene Sicht ist. Ich habe auf die Lage aufmerksam gemacht, wie sie sich vor der Entscheidung ergab. Es bestand zweifellos die Gefahr des Ausscherens der Stahlindustrien einiger Länder aus der gemeinsamen Stahlpolitik und damit die
Gefahr einer Renationalisierung der Stahlpolitik. Diese Gefahr ist von der Bundesregierung gesehen worden, sie mußte sie sehen. Das Ergebnis trägt dieser Gefahr Rechnung.
Ich habe in meiner Antwort auf die erste der von Ihnen eingereichten beiden Fragen die Situation geschildert; ich habe vorgetragen, wie das Verhalten einiger Länder aussah, wozu einige Länder entschlossen waren. Durch die Verhandlungen, die geführt worden sind, ist dies alles verhindert worden. Wir meinen, mit diesem Ergebnis unter den Umständen, die vorlagen, ein optimales Ergebnis erreicht zu haben.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Urbaniak.
Herr Staatssekretär, bisher ist die Bundesregierung immer, wenn eine Klage der Wirtschaftsvereinigung Stahl beim Europäischen Gerichtshof anhängig war, diesem Verfahren beigetreten. Ist damit zu rechnen, daß sie das auch in diesem Falle tut?
Herr Kollege Urbaniak, ich wußte bisher nur von einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, von der Klage aus dem September 1983. Ich weiß nicht, wann diese neue Klage eingereicht worden ist, wahrscheinlich jetzt erst, gestern oder heute. Wir werden dies prüfen; wir werden die Situation prüfen und dann entsprechend verfahren.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Müller ({0}).
Herr Staatssekretär, Sie haben eben in Ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Urbaniak gesagt, daß diese Beschlüsse aus Brüssel keine Hilfen der Bundesregierung nach sich zögen: Welche Beurteilung hätte die Bundesregierung gegenüber einer eventuellen Absicht einer Landesregierung, angesichts der jetzt aufgetretenen Situation weitere Hilfen für die entsprechenden Stahlindustrien in den Ländern zu gewähren?
Herr Kollege Müller, Sie wissen, daß auch solche Hilfen in Brüssel notifiziert werden müssen, daß Brüssel dazu Stellung nehmen muß. Wenn eine Landesregierung dies tut, so wird sich die Bundesregierung mit dieser Landesregierung ins Benehmen setzen, und man wird gemeinsam überlegen, wie man weiter vorgehen soll.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jens.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß auch Ihr Haus einmal von der Notwendigkeit einer Neuordnung der deutschen Stahlindustrie gesprochen hat, daß diese Neuordnung zur Zeit wirklich in weiter, weiter Ferne liegt, und beabsichtigen Sie nicht möglicherweise so etwas wie einen Stahl-Ausschuß zu schaffen, eine stahlpolitische Konzeption insgesamt für unser Land vorzulegen?
Herr Kollege Jens, was das letzte betrifft, so haben wir dazu einige Male Stellung genommen und darauf hingewiesen, daß wir nicht der Meinung sind, daß dies ein guter Weg wäre. Im übrigen muß über eine Umstrukturierung, darüber, wie sie vor sich gehen soll, ob man allein geht, ob man so etwas gemeinsam macht - die Diskussion haben wir sehr, sehr intensiv geführt -, von den Unternehmen entschieden werden. Sie haben das letzte Wort.
Keine weiteren Wortmeldungen hierzu.
Dann rufe ich die Frage 22 des Abgeordneten Stiegler auf:
Welche Baukapazität ist nach Auffassung der Bundesregierung in den nächsten zehn Jahren zur reibungslosen Erfüllung der Normalbauaufgaben und der nach den Bauschadenberichten des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und des Bundesministers für Verkehr erforderlichen Bauleistungen notwendig, und was wird die Bundesregierung tun, um zu verhindern, daß die Baukapazität unter dieses notwendige Volumen sinkt?
Herr Kollege Stiegler, für die Entwicklung der Baukapazitäten ist eine Reihe von Faktoren bestimmend. Hierzu gehört insbesondere die künftige Entwicklung der Nachfrage, die sich nicht - schon gar nicht für die nächsten zehn Jahre - quantifizieren läßt. Es gibt keine von vornherein festliegende Größenordnung für die Erfüllung von „Normalbauaufgaben", wie Sie in Ihrer Frage offenbar unterstellen. Deshalb ist es weder möglich, eine bestimmte aufrechtzuerhaltende Mindestbaukapazität zu nennen, noch wäre eine derartige staatliche Vorgabe mit den Grundsätzen einer marktwirtschaftlich bestimmten Industriepolitik zu vereinbaren.
Auch aus den beiden Bauschadenberichten lassen sich keine Folgerungen für eine bestimmte Größenordnung vorzuhaltender Baukapazitäten ableiten. Die Bundesregierung geht davon aus, daß Maßnahmen zur Bestandspflege, d. h. Unterhaltung, Instandsetzung und Modernisierung, in Zukunft ein wachsendes Gewicht im Verhältnis zu Neubauaktivitäten erlangen werden.
In der Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sieht die Bundesregierung den entscheidenden Beitrag, den Anpassungsprozeß, in dem sich die Bauwirtschaft zur Zeit befindet, abzufedern.
Eine Zusatzfrage? - Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, wie schätzen Sie denn die Entwicklung der Arbeitsproduktivität in der Bauwirtschaft ein, und wieweit sollte nach Ihrer Aufassung der Anpassungsprozeß gehen?
Herr Kollege Stiegler, was die Produktivität im Baubereich anlangt, so betrug der Zuwachs in den Jahren 1979 bis 1983 im Durchschnitt 0,6 % pro Jahr. Was im übrigen die Entwicklung der Baukapazität betrifft, insbesondere Ihre Frage, wieweit denn dieser Abbau meiner Meinung nach gehen solle, kann ich nur antworten, daß nicht ich darüber zu entscheiden habe, sondern der Markt darüber entscheiden wird. Es ist der Markt, der die Grenzen setzt.
Weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß gerade wegen der Abhängigkeit der Bauwirtschaft von öffentlichen Vergaben der Markt in Wirklichkeit kein Markt im üblichen Sinne ist, sondern eben ein öffentlich sehr stark beeinflußter Markt, und stimmen Sie mir nicht zu, daß man später teuer bezahlen würde, wenn man die Baukapazitäten heute sinken ließe, wissend, daß man sie als öffentlicher Nachfrager hinterher wieder braucht?
Herr Kollege Stiegler, nicht nur für die Bauwirtschaft spielt die öffentliche Nachfrage eine Rolle, sondern auch für andere Wirtschaftszweige. Aber es ist zuzugeben, daß für gewisse Baugewerbebereiche die öffentliche Nachfrage von besonderer Bedeutung ist. Deshalb kennen wir die Forderungen aus dem Baugewerbe, die darauf hinauslaufen, daß doch die öffentliche Nachfrage verstetigt werden sollte, stärkere Schwankungen, soweit es die öffentliche Nachfrage anlangt, doch nach Möglichkeit zeitlich ausgeglichen werden sollten. Wir bemühen uns seit vielen Jahren darum. Sehr viel weiter sind wir damit noch nicht gekommen.
Die Frage 23 des Abgeordneten Grünbeck wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Herr Staatssekretär, damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs. Ich bedanke mich.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Vogt zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Eylmann auf:
Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über den Umfang der Schwarzarbeit im Bauhaupt- und Baunebengewerbe vor, und welche Auswirkung hat die Schwarzarbeit auf die Arbeitslosigkeit in diesem Wirtschaftszweig?
Herr Präsident, mit Zustimmung des Fragestellers, des Kollegen Eylmann, würde ich die Fragen 24 und 25 gern gemeinsam beantworten.
Sie sind einverstanden?
({0})
Dann rufe ich auch die Frage 25 des Abgeordneten Eylmann auf:
Hält die Bundesregierung durchgreifende Maßnahmen gegen die Schwarzarbeit für notwendig, und hält sie insbesondere in diesem Zusammenhang die Einführung eines Sozialversicherungsnachweises für sinnvoll?
Herr Kollege, es liegt im Wesen von Schwarzarbeit, daß sie heimlich vorgenommen wird; ihr Umfang entzieht sich daher einer genauen Erfassung. Es läßt sich aber feststellen, daß im Bereich des Bauhaupt- und Baunebengewerbes ein Schwerpunkt der Schwarzarbeit liegt. Da Schwarzarbeit legale Arbeit verdrängt, wirkt sie sich auf die Arbeitslosenzahl im Baugewerbe negativ aus.
Ich habe gesagt, daß sich der Umfang der Schwarzarbeit einer genauen Erfassung entziehe. Bekannt ist nur die Zahl der wegen aufgedeckter Schwarzarbeit verhängten Geldbußen. In den vergangenen Jahren haben die Länder zunehmend mehr Bußgelder wegen Schwarzarbeit verhängt. So hat sich die Zahl der Geldbußen 1983 gegenüber der 1982 mehr als verdoppelt.
Das Einschreiten gegen Schwarzarbeit ist, wie kurz erwähnt, nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit Aufgabe der Landesbehörden. Die Bundesregierung hält eine Verstärkung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit für notwendig. Erforderlich sind vor allem häufigere Kontrollen auf Baustellen. Die Bundesregierung prüft, ob die Bekämpfung der Schwarzarbeit im Baugewerbe durch die Einführung eines Sozialversicherungsnachweises erleichtert werden kann.
Eine Zusatzfrage? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Eylmann.
Läßt sich, Herr Staatssekretär, schon ungefähr absehen, wann diese Prüfung der Bundesregierung beendet sein wird?
Dies läßt sich jetzt nicht sagen. Denn gegen Vorhaben, die wir entwikkelt hatten, gab es Einwände, gab es Bedenken, die der Bundesbeauftragte für den Datenschutz in seinem 7. Tätigkeitsbericht vom Januar 1985 dargelegt hat. Auch die Unabhängige Kommission für Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung beim Bundesminister des Innern hat gegen die ursprünglich vorgesehene Ausweiskarte für Bauarbeiter Bedenken vorgebracht. Wir versuchen, einen anderen Weg zu finden. Aber ich kann hier nicht sagen, wann die Prüfung abgeschlossen sein wird.
Weitere Zusatzfrage.
Wenn man davon ausgeht, daß ein Schwerpunkt der Schwarzarbeit im Baubereich liegt, und wenn man ferner berücksichtigt, daß die Arbeitslosigkeit im Baubereich zur Zeit besonders hoch ist: Teilt die Bundesregierung dann die Auffassung, daß durchgreifende Maßnahmen gegen die Schwarzarbeit, eventuell die Einführung eines Ausweises oder andere Maßnahmen, besonders dringlich sind?
Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. Deshalb haben wir ja im Entwurf eines Beschäftigungsförderungsgesetzes den Vorschlag gemacht, eine Ausweiskarte einzuführen. Aber gegen diesen Vorschlag sind die vorhin von mir schon genannten Bedenken erhoben worden. Auch die Tarifpartner haben zu diesem Vorschlag unterschiedlich votiert. Aber wir sind daran interessiert, einen Weg zu finden, um Schwarzarbeit gerade im Baubereich zu bekämpfen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Reimann.
Herr Staatssekretär, ich habe jetzt von Ihnen gehört, daß die Bundesregierung gravierende Erkenntnisse darüber hat, daß die Schwarzarbeit in der Bauindustrie zu erheblicher Arbeitslosigkeit beiträgt. Frage an Sie: Haben Sie auch Erkenntnisse darüber, ob denn bei einem Verhindern dieser Schwarzarbeit Baumaßnahmen von Bürgern erst gar nicht vorgenommen würden und ob aus diesem Nichtvornehmen von Baumaßnahmen eine eventuell viel höhere Arbeitslosigkeit resultieren könnte?
Herr Kollege, wir müssen uns jetzt erst einmal darüber unterhalten, was wir in diesem Frage- und Antwort-Spiel unter Schwarzarbeit verstehen wollen. Ich verstehe Schwarzarbeit im Sinne des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit. Danach leistet Schwarzarbeit, wer wirtschaftliche Vorteile in erheblichem Umfange durch die Ausführung von Dienstleistungen oder Werkleistungen erzielt und - erstens - als Empfänger von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe dem Arbeitsamt seine Erwerbstätigkeit nicht mitteilt oder - zweitens - die nach dem Gewerberecht erforderliche Anzeige versäumt hat oder - drittens - ein Handwerk selbständig betreibt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein. Schwarzarbeit in diesem Sinne, erheblich getätigt, führt natürlich dazu, daß legale Beschäftigung nicht zustande kommt.
({0})
- Herr Kollege, wenn an die Stelle von Schwarzarbeit ein normales Arbeitsverhältnis tritt - ({1})
- Wenn Schwarzarbeit vorhanden ist, wird eine wirtschaftliche Tätigkeit erbracht. Wenn diese wirtschaftliche Tätigkeit durch ein normales Arbeitsverhältnis erbracht würde, würde dadurch eine Entlastung auf dem Arbeitsmarkt erzielt.
Der Abgeordnete Dr. Schwenk kann nunmehr eine Zusatzfrage stellen.
Herr Staatssekretär, würde es die Bundesregierung nicht für besser halten, statt zur Jagd auf arbeitslose Schwarzarbeiter zu blasen, mehr für die Konjunktur am Bau zu tun, damit mehr bislang Arbeitslose im Baubereich zu wirklichen Arbeitsverhältnissen finden könnten?
Herr Kollege, wir veranstalten keine Jagd auf schwarzarbeitende Arbeitslose, sondern wir sind daran interessiert - ich hoffe, daß das übereinstimmende Meinung in diesem Hause ist und bleibt -, daß wir möglichst viele normale Dauerarbeitsplätze bekommen. Wenn die
Verhinderung von Schwarzarbeit dazu ein Weg ist, dann müssen wir gemeinsam diesen Weg gehen.
Im übrigen darf ich Sie darauf hinweisen, daß nicht der Bund, sondern vor allem die Gemeinden und die Länder Nachfrager von Bauleistungen sind. Die Finanzsituation zumindest der Gemeinden hat sich inzwischen so weit konsolidiert, daß wir davon ausgehen können - ({0})
- Sie brauchen sich nur einmal die Unterlagen etwa der Deutschen Bundesbank anzusehen, um zu erkennen, daß die Gemeinden kein Finanzierungsdefizit mehr aufzuweisen haben, daß sich ihre Finanzsituation konsolidiert hat und daß sie deshalb heute leichter in der Lage sind, Bauleistungen nachzufragen, als das noch vor zwei Jahren der Fall gewesen ist.
Ich wäre den Damen und Herren Abgeordneten dankbar, wenn der Sachzusammenhang zwischen der ursprünglichen Frage und den Zusatzfragen offensichtlicher wäre, als das bei der letzten Zusatzfrage der Fall gewesen ist.
Herr Abgeordneter Keller, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, in der öffentlichen Diskussion wird die illegale Leiharbeit auch als Schwarzarbeit bezeichnet. Reicht in diesem Zusammenhang das rechtliche Instrumentarium aus, um mehr Erfolge als bisher zu erzielen?
Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das rechtliche Instrumentarium im Grundsatz ausreicht, illegale Beschäftigung zu verfolgen. Wir sind derzeit dabei, das Instrumentarium noch etwas zu verbessern. Im Rahmen des Beschäftigungsförderungsgesetzes wird die illegale Ausländerbeschäftigung unter stärkere Strafandrohung gestellt. Aber das Instrumentarium reicht im Prinzip aus. Die Bundesanstalt ist in der Lage, auf Grund des Gesetzes gegen illegale Arbeitnehmerüberlassung und illegale Ausländerbeschäftigung Stützpunktarbeitsämter einzurichten, die sich besonders der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung widmen. Wir haben derzeit 29 Stützpunktarbeitsämter. Sie haben bis 1984 259 Planstellen zur Verfügung gehabt. Die Zahl der Planstellen ist im Jahre 1985 um 59 weitere Planstellen erhöht worden. Ich gestehe aber zu, daß die Arbeitsverwaltung für die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung noch mehr Mitarbeiter wünscht, damit das Instrumentarium, das vorhanden ist, noch wirksamer eingesetzt werden könnte.
Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß Schwarzarbeit mittlerweile ein Wirtschaftsfaktor geworden ist, der in der Auswirkung, soweit er also jetzt als Nachfrage in Baumärkten, im Baustoffhandel festzustellen ist, in diesen Bereichen mittlerweile einen ganz beachtlichen Umfang auch an Arbeitsplätzen nach sich gezogen hat?
Herr Kollege, darüber gibt es gar keine Meinungsverschiedenheit. Natürlich hat die Schwarzarbeit einen erheblichen Umfang erreicht. Nur, wenn wir diese Schwarzarbeit in eine legale Beschäftigung überführen, dann werden genau die gleichen wirtschaftlichen Effekte erzielt, von denen Sie in Ihrer Frage gerade gesprochen haben.
Danke schön. - Im Interesse der fragenden Kollegen bitte ich, sich sowohl bei den Zusatzfragen als auch bei den Antworten kurz zu fassen.
Die Frage 26 des Abgeordneten Kirschner braucht nicht beantwortet zu werden, weil schriftliche Beantwortung beantragt worden ist. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich bedanke mich, Herr Staatssekretär Vogt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung.
Die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Pauli brauchen hier nicht beantwortet zu werden, weil schriftliche Beantwortung beantragt worden ist. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 29 und 30 des Abgeordneten Becker ({0}) und die Frage 31 des Abgeordneten Catenhusen werden auf Antrag der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 32 des Abgeordneten Kolbow auf:
Welche nuklearen Mittelstreckensysteme kürzerer Reichweite ({1}) und nuklearen Kurzstreckensysteme werden von der Bundesregierung für eine Sprengkopfmodernisierung in Betracht gezogen, die der NATO-Oberbefehlshaber in Europa gemäß dem Beschluß der NPG-Ministerkonferenz vom 26./27. März 1985 als Empfehlung zu erarbeiten hat?
Herr Präsident! Herr Kollege Kolbow, angesichts der anhaltenden erheblichen Aufrüstungsmaßnahmen der Sowjetunion auf allen Ebenen und in Verfolgen dennoch unserer einseitigen, einschneidenden, eine Vorrüstung darstellenden Reduzierung des Nuklearwaffenpotentials der NATO wird über einen längeren Zeitraum hinweg die Modernisierung der dann verbleibenden Waffen natürlich notwendig. Dies ist übrigens seit 1977 - diese Jahreszahl möchte ich wiederholen: seit 1977 - von allen Bundesregierungen bei den entsprechenden Sitzungen in den NATO-Gremien mitgetragen, bestätigt und auch formell mehrfach mitbeschlossen worden.
Diese Maßnahmen beziehen sich auf einen längeren Zeitraum und auf alle derzeit vorhandenen Systeme mit Ausnahme natürlich der ADM - darüber haben wir hier mehrfach geredet -, bei denen eine nicht unerhebliche Reduzierung eingeleitet ist und dies bis zur vollständigen Reduzierung - dies ist das Ziel der Bundesregierung - geführt werden
soll. Ausgeschlossen ist auch das atomar bestückte Luftabwehrsystem Nike, das - wie Ihnen bekannt - durch Roland/Patriot ersetzt werden soll.
Eine Zusatzfrage. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, können Sie nicht konkretisieren, welche Trägersysteme und Gefechtsköpfe Kandidaten für eine mögliche Modernisierung des amerikanischen Kernwaffenpotentials in Europa sind? Das war die Frage.
Herr Kollege, konkreter, als ich es sagte, kann ich es nicht tun. Sie werden beim Nachlesen des Protokolls feststellen, daß dies sehr konkret war.
Weitere Zusatzfrage.
Da war der Herr Bundesverteidigungsminister heute im Verteidigungsausschuß wesentlich konkreter.
Das ist eine Feststellung, aber keine Frage.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, wenn Sie von Modernisierung sprechen, dann meinen Sie doch Reichweitensteigerung, dann meinen Sie doch Zielgenauigkeit, dann meinen Sie doch Treffgenauigkeit, dann meinen Sie doch andere Zündsysteme. Ist das richtig?
Ein Teil dieser Dinge ist darunter zu verstehen.
Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Kolbow auf:
Trifft es zu, daß der Bundesminister der Verteidigung mit dem US-Verteidigungsminister eine Vereinbarung über die Einführung des amerikanischen IFF-Systems Mark-15 in der bundesdeutschen Luftwaffe getroffen hat, und welche Gründe waren gegebenenfalls dafür maßgebend?
Herr Kollege Kolbow, der Bundesminister der Verteidigung hat mit dem amerikanischen Verteidigungsminister keine Vereinbarung über die Einführung eines amerikanischen Freund/Feind-Erkennungssystems Mark-15 getroffen. Wie ich weiß, haben Sie an der Sitzung des Verteidigungsausschusses heute teilgenommen, wo der Minister dazu auch vorgetragen und in der Diskussion Rede und Antwort gestanden hat.
Er hat weder zugesagt, das amerikanische Systemkonzept Mark-15 noch zugesagt, die damit verbundene amerikanische Technik unverändert zu übernehmen. Es wird darüber hinaus keinem System von uns zugestimmt werden, das auch nur die Gefahr in sich birgt, die Flugsicherheit zu gefährden. Unser Verteidigungsminister hat dem amerikanischen Kollegen lediglich die grundsätzliche Zusage erklärt, bei einem bündniseinheitlichen System, einen Kompromiß suchen wollend, mitzuwirken. Hierzu sind die entsprechenden Verhandlungen einzuleiten. Zielsetzung: Mitwirkung unter voller deutscher Beteiligung.
Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß der US-Verteidigungsminister dem Bundesminister der Verteidigung schriftlich Kompensation in diesem Zusammenhang zugesagt hat, und wie sieht nach Auffassung der Bundesregierung eine ausreichende Kompensation in diesem mißlichen Fall aus?
Herr Kollege, Sie haben heute vormittag im Ausschuß - auch auf Ihre Nachfragen hin - gehört, daß wir in der ersten Anfangsphase der Suche nach einem Kompromiß sind. In eine Verhandlung geht man immer mit einer Zielsetzung und nicht mit einem Ergebnis hinein. Zielsetzung ist nicht nur Kompensation, sondern viel mehr: Mitwirkung in diesem Bereich der hohen Technologie zu erreichen neben Kompensation, die j a erforderlich ist wegen eines immer noch bestehenden Ungleichgewichts in der nicht ausgeprägten Zweibahnstraße auf anderen Feldern.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Kolbow.
Herr Staatssekretär, diese Angelegenheit hat zu einem großen Echo in der Offentlichkeit geführt. Sind Sie mit mir der Meinung, daß die Debatte über NIS und Mark-15, also ein deutsches und ein amerikanisches System, auf eine unzureichende Informationspolitik des Bundesministers der Verteidigung zurückzuführen ist?
Ich bin der Meinung, daß eine Menge Abgeordnete dieses Hauses und, Herr Kollege, auch Ihrer Fraktion bei aufkommender Diskussion in der Öffentlichkeit zu Beginn des Anfangs des Versuches, nachdem dieses Thema seit 15 Jahren in der NATO bekannt war, es aber keiner angepackt hat, erheblich dazu hätten beitragen können, daß die sachlichen Eckdaten und nicht irgendwelche unsachlichen Behauptungen den Ton angeben. Ich freue mich, daß heute morgen die Sitzung - nach den Erkenntissen, die ich nach Berichten habe, quer durch alle Fraktionen - dazu beigetragen hat, dieses Thema endlich zu versachlichen und unsere Position gegenüber den Bündnispartnern und gegenüber dem Amerikaner sachlich zu untermauern.
Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, wenn man ein Dokument anfordert, das diesen Komplex behandelt, und man dieses dann nicht bekommt, dann kann man sich nicht informieren, und deswegen können Sie das sehr gut begrüßen.
Aber meine Frage in dem Zusammenhang ist die: Sie sagten, der Bundesminister der Verteidigung hätte einen Kompromiß gesucht. Ist nicht durch
seine Entscheidung, aus dem E- und F-Band herauszugehen, wo die Siemens-Entwicklung als neue technologische Entwicklung arbeitet, und wieder in das D-Band zurückzukehren, wo Mark-10, Mark-12 und Mark-15 und andere Systeme entwickelt wurden, bereits eine Vorentscheidung getroffen, die in keiner Weise mehr als Kompromiß zu verstehen ist?
Herr Kollege, ich habe nicht gesagt, der Minister habe einen Kompromiß gesucht, sondern ich habe gesagt, er sucht einen Kompromiß und hat dazu den NATOPartnern die Bereitschaft erklärt. Diese Verhandlungen werden nun, ich hoffe, mit voller Unterstützung nicht nur des Ministeriums - das ist logisch -, sondern aller im Verteidigungsausschuß damit befaßter Kollegen mit Nachdruck geführt, und alle Kollegen werden, weil jeder auf seine Art und Weise dieses bei Besuchen bei befreundeten Nationen unterstützen kann, die nötigen Informationen ohne Einschränkung erhalten.
Herr Staatssekretär, ich bedanke mich. Es liegen für Sie keine weiteren Fragen vor.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht uns die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Karwatzki zur Verfügung.
Ich rufe Frage 34 des Abgeordneten Fiebig auf:
Wann gedenkt die Bundesregierung eine Berufungskommission zur Wahl des neuen Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes einzusetzen?
Frau Staatssekretärin, bitte schön.
Herr Kollege Fiebig, ein Berufungsbeirat, zu dessen Einsetzung keine Verpflichtung besteht, tritt nur dann zusammen, wenn eine Stellenausschreibung erfolgt ist, wozu ebenfalls eine gesetzliche Verpflichtung nicht besteht. Hierüber ist aber im Grunde noch keine Entscheidung getroffen worden.
Das Bundesgesundheitsamt wird ab 15. April 1985 kommissarisch von dem Leiter des Instituts für Veterinärmedizin des Bundesgesundheitsamtes, Herrn Professor Dr. Großklaus, geleitet. Ihm waren die kommissarische Leitung und die Vertretung des Präsidenten im wissenschaftlichen Bereich schon früher einmal übertragen worden.
Eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretär, wann wird die Stelle des Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes ausgeschrieben?
Ich sagte gerade, Herr Kollege Fiebig: Es gibt keine gesetzliche Vorschrift, die uns zwingend vorschreiben würde, diese Stelle auszuschreiben.
Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Fiebig.
Warum weichen Sie denn von der bisher üblichen Praxis, die Stelle auszuschreiben, ab? Meines Wissens ist bisher bei allen Wahlen des Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes öffentlich ausgeschrieben worden.
Herr Kollege, in § 8 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes heißt es ganz deutlich:
Die Pflicht zur Stellenausschreibung gilt nicht für die Stellen der Staatssekretäre, Abteilungsleiter in den Bundesministerien und Leiter der den Bundesministerien unmittelbar nachgeordneten Behörden ...
Danke schön.
Ist damit auch schon Frage 35 beantwortet, Frau Staatssekretär, oder kommen Sie dazu noch? - Dann rufe ich Frage 35 des Abgeordneten Fiebig auf:
Wann ist mit der Berufung des neuen Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes zu rechnen?
Herr Kollege Fiebig, ein Termin für die Bestellung eines neuen Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes kann noch nicht genannt werden.
Eine Zusatzfrage? - Bitte schön.
Frau Staatssekretär, sind Sie nach dem spektakulären Abgang des Professor Überla nicht doch bereit, eine Methode zu finden, die der Gewichtung dieses Amtes gerecht wird, eine öffentliche Ausschreibung vorzunehmen, eine Berufungskommission einzusetzen und eventuell die im Bundestag vertretenen Parteien in dieser Berufungskommission mitwirken zu lassen, damit uns ein solches Debakel wie mit Herrn Professor Überla in Zukunft erspart bleibt?
Herr Kollege, wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, haben Sie damit ausgesagt, daß die frühere Regierung, die eine Berufungskommission eingesetzt hatte, am Ende dieses Debakel erlebt hat.
Wir gehen davon aus, daß erst einmal intern geprüft wird, ob nicht im Bundesgesundheitsamt oder vielleicht in unserem Hause jemand so fachkompetent ist, daß er direkt dieses Amt übernehmen könnte. Dann werden wir entscheiden, ob wir gegebenenfalls ausschreiben oder nicht ausschreiben.
Bitte schön, Herr Kollege Fiebig.
Frau Staatssekretär, Sie kennen ja den Vorgang zur Wahl des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, bei der es auch Bestrebungen gibt, die im Bundestag vertretenen Parteien zu beteiligen. Könnten Sie sich das auch bei der Wahl des Präsidenten des BGA vorstellen?
Vorstellen, Herr Kollege, kann ich mir alles.
Danke schön.
Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen, denn der Abgeordnete Müller ({0}) hat um schriftliche Beantwortung der Frage 36 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frau Staatssekretär, ich bedanke mich bei Ihnen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung steht uns Herr Staatssekretär Bayer zur Verfügung.
Ich rufe Frage 37 und Frage 38 des Abgeordneten Hansen ({1}) auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal.
Ich rufe Frage 39 des Abgeordneten Reimann auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Sicherheit des Transportes chemischer Güter im Inland vor, beispielsweise über Zahl und Häufigkeit staatlicher Kontrollen bzw. über die Unfälle in der Vergangenheit bis heute von ihren Ursachen und Auswirkungen her?
Herr Abgeordneter, ungeachtet einiger schwerer Unfälle in den letzten Monaten ist in der Bundesrepublik Deutschland, was den Sicherheitsstandard der Gefahrgutvorschriften und der Gefahrguttransporte angeht, ein hohes Niveau erreicht; insbesondere ist auch ein internationaler Vergleich nicht zu scheuen.
Fahrzeuge mit gefährlichen Gütern werden von Überwachungsorganen der Bundesländer - Polizei und Gewerbeaufsicht - kontrolliert; die Bundesländer führen ständig Sonderkontrollen mit speziell ausgebildeten Polizeitrupps durch. Es ist Sache der Länder, das zu tun.
({0})
Wie eine Sondererhebung für den Bereich der Unfälle mit Tankfahrzeugen ergeben hat, sind die Hauptursachen mit 40 % nicht angepaßte Geschwindigkeit und/oder ungenügender Sicherheitsabstand sowie mit 42 % sonstige Fahrfehler. Bei insgesamt 159 Unfällen mit Tankfahrzeugen in den Jahren 1982 und 1983 wurden drei Personen durch das Gefahrgut selbst getötet, drei Personen schwer sowie drei Personen leicht verletzt. Der Primärschaden lag bei diesen Unfällen im Durchschnitt zwischen 150 000 und 200 000 DM.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wer führt eigentlich am Unfallort die Kontrollen und die Messungen über die Schadstoffe durch? In welchem Zeitraum geschieht dies? Inwieweit werden die Meßergebnisse im Hinblick auf Kurz- und Langzeitwirkungen sowie im Hinblick auf eventuelle Schadensersatzansprüche festgehalten? Und wer hat die Zugriffsmöglichkeiten dazu?
Direkt am Unfallort sind nur die Polizeiorgane der Länder tätig. Es gibt Spezialtrupps, die bei schwierigen Unfällen zusätzlich eingeschaltet werden können, aber nicht sofort am
Ort, weil sie im gesamten Land nicht überall zur Verfügung stehen.
Letzte Zusatzfrage.
Heißt das, daß die Polizei in der Lage ist, all das durchzuführen, was bei einem Unfall mit Chemikalien notwendig wird an Feststellungen von Verbindungen mit Schadstoffen für Menschen und Natur? Ist die Polizei so ausgerüstet?
Die Polizei ist meines Erachtens nicht in allen Fällen so ausgerüstet, weil es eine sehr große Liste von ganz verschiedenen Gefahrentransporten gibt. Die Unfallauswertung kann immer erst im nachhinein geschehen. Wenn es sich um gefährliche Unfallursachen und gefährliche Güter handelt, dann werden die Unfallstellen abgeriegelt und Spezialtrupps angefordert.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Fragestunde. - Es tut mir leid, Herr Abgeordneter, aber die Fragestunde beträgt nach unseren Abmachungen nur 90 Minuten.
Ich rufe Zusatztagesordnungspunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Entwicklungsarbeit ({0})
und Menschenrechtsverletzungen in Guatemala
Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD hat gemäß Nr. 1 Buchst. c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem genannten Thema verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Duve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bis heute, 40 Jahre nach Kriegsende, sucht der Deutsche Suchdienst nach Vermißten und Verschwundenen des Jahres 1945. Er sucht nicht aus behördlicher Automatik, sondern weil Menschen wissen wollen, was aus ihren Söhnen, Töchtern, Männern und Frauen geworden ist. Diese Sehnsucht, zu wissen, wo und wie ihre Angehörigen umgekommen sind, geben sie nicht auf, wie sie sie in den 40 Jahren nicht aufgegeben haben.
In Guatemala sind in den vergangenen Jahren Tausende von Menschen verschwunden. In der Regel heißt das, sie sind vor Zeugen auf offener Straße oder in ihrem Haus von der Geheimpolizei abgeholt worden. Aber wohl noch nie in der Geschichte menschlicher Barbarei sind die Familien, die nach ihrem verschwundenen Vater suchen, eben wegen dieser Suche von Staats wegen umgebracht worden.
Am Ostermontag sind in Guatemala die geschundenen Körper von drei Menschen gefunden worden, 19 km außerhalb der Hauptstadt auf der Straße nach Atitlan. Einmal ist es die 24jährige Maria del Rosario Godoy, dann sind es ihr zweijähriger Sohn und ihr 18jähriger Bruder.
Frau Godoy war eine der Sprecherinnen der Gruppe für gegenseitige Hilfe, der Grupo Apoyo Mutuo von Guatemala. Wenige Tage vor ihrem Tod haben mein Kollege Ernst Waltemathe und ich mit Frau Godoy und ihren Leidensgefährten in Guatemala intensiv darüber beraten, wie ihnen angesichts der Drohungen, die ihnen durch anonyme Anrufe, durch öffentliche Erklärungn des Innenministers und durch Nachforschungen der Sicherheitsdienste zugekommen waren, geholfen werden kann.
Vor bald einem Jahr war der Mann von Frau Godoy auf offener Straße von Zivilisten in drei Fahrzeugen geraubt worden. Zwei der Fahrzeuge trugen die Nummernschilder der Geheimpolizei.
Vor genau einem Monat, meine Damen und Herren, hat der Staatschef von Guatemala, Mejía Víctores, selber in der Mililtärgarnison des Departements Jutiapa erklärt - ich zitiere -:
Wer die Verschwundenen lebend zurückfordert, begeht einen subversiven Akt. Wir werden Mittel finden, dem zu begegnen.
Die Mörder haben nicht lange gewartet. Das Wort „subversiv" ist heute in Guatemala das Signal, Menschen zu Freiwild werden zu lassen. Auch der Staatschef hatte diese Frauen selbst wenige Monate zuvor bei sich empfangen.
Meine Damen und Herren, aus sehr aktuellem Anlaß haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt. In drei Tagen wird Minister Warnke in Guatemala zu einem sorgfältig vorbereiteten Besuch eintreffen. Die Regierung Guatemalas erhofft sich Hilfe von diesem Besuch beim Ausbau ihrer sogenannten Entwicklungsdörfer, die wir gewiß Wehrdörfer nennen sollten. Der Erzbischof Penados del Barrio von Guatemala, den wir gebeten hatten, sich öffentlich schützend vor die Frauen zu stellen, hat uns ebenso wie der Päpstliche Nuntius auf die dramatisch zunehmenden Menschenrechtsverletzungen und die Morde hingewiesen und hat uns vor allem die Bedeutung der Bundesrepublik Deutschland für dieses Land ans Herz gelegt.
Es darf keine Hilfe für Mörder an unschuldigen Frauen und Kindern geben.
({0})
Jeder Kontakt mit der Regierung von Guatemala muß so verlaufen wie der Kontakt mit Geiselnehmern: Garantien für die Bedrohten, Garantien für die, in deren Händen die Angehörigen faktisch sind.
Meine Damen und Herren, zur Gruppe Apoyo Mutuo, die sich jeden Freitag um 15 Uhr vor dem Innenministerium trifft und nach ihren Verschwundenen ruft, gehören in erster Linie die Indiofrauen aus allen Departements. Über die Lage der Indios wird eine Kollegin gleich noch etwas sagen.
Wir verlangen von Minister Warnke, daß er seinen Besuch von all den gesellschaftlichen Veranstaltungen befreit und sich als wirklicher Christ und Demokrat dort nach der Situation der Menschen und ihrer Rechte erkundigt.
({1})
Wir verlangen von ihm, daß er auf ein Treffen mit den Frauen von Apoyo Mutuo drängt. Wir verlangen von ihm, daß er sich schützend vor die Frauen stellt, so, wie wir gestern gemeinsam mit Heinrich Böll, Graham Greene, Günter Grass und Willy Brandt den Papst aufgefordert haben, sich schützend vor diese Frauen zu stellen. Wir verlangen, daß jede Form entwicklungspolitischer Zusammenarbeit mit der Menschenrechtsfrage verknüpft wird. Wir wollen auch von unserer Botschaft verlangen, daß sie sich ähnlich wie andere diplomatische Vertretungen aus dem Schatten außenpolitischer Zurückhaltung löst.
({2})
Ein letztes Wort, Herr Präsident. Wir haben großen Respekt vor all jenen, die in Guatemala den demokratischen Prozeß mittragen und damit persönliches Risiko eingehen. Wir haben aber eine ebenso große Sorge, daß viele diesen demokratischen Prozeß dazu mißbrauchen, die akuten Mordtaten, die akuten Gefahren für Leib und Leben Unschuldiger zu relativieren oder gar zu verschweigen.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Prof. Dr. Pinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion will nicht nur protestieren und anklagen. Wir wollen uns für eine bessere Zukunft Guatemalas aktiv mit entwicklungspolitischen Mitteln einsetzen. Dazu gehört natürlich auch die Menschenrechtssituation.
Diese Menschenrechtssituation ist allerdings in Guatemala nach wie vor gravierend. Die Menschenrechtsverletzungen sind nach wie vor grausam und unerträglich. Der terroristischen Konfrontation von links und rechts wollen wir aber nicht tatenlos zusehen, sondern wir wollen die positiven Entwicklungen, die da sind, unterstützen: positive Entwicklungen in Richtung Demokratisierung und, damit zusammenhängend - wie wir hoffen -, auch Verbesserung der Menschenrechtssituation.
Trotz aller Skepsis haben die Militärs in Guatemala ihren Fahrplan für Präsidentschaftswahlen bisher eingehalten. Die Verfassungsgebende Versammlung wurde bereits am 1. Juli des vergangenen Jahres gewählt. Die Verfassung und das Wahlgesetz sollen von der Versammlung bis zum 31. Mai dieses Jahres fertiggestellt sein. Die Wahlen sind für den 27. Oktober dieses Jahres festgesetzt. Am 15. Dezember wird das neue Parlament zusammentreten, am 5. Januar 1986 wird die Übergabe der Regierungsgeschäfte an den dann gewählten Präsidenten erfolgen.
Eine Wahl wie etwa in Nicaragua, bei der der Sieger Ortega wegen politischer Unterdrückung der Opposition im voraus feststand, ist in Wirklichkeit keine Wahl, sondern eine Farce. In Guatemala steht der Sieger der Wahl im Oktober unter vier Präsidentschaftskandidaten noch nicht fest. An der Wahl darf im übrigen kein Vertreter des Militärs teilnehmen.
In Guatemala läuft der Demokratisierungsprozeß, und wir müssen diesen Prozeß unterstützen. Es kristallisieren sich Kräfte heraus, die Träger einer besseren Entwicklung sein können. Diese Kräfte sind die politischen Parteien, aber auch Personen aus der noch amtierenden Militärregierung. Ich denke z. B. an den amtierenden Außenminister Fernando Andrale. Diese Kräfte brauchen nun dringend unsere Ermunterung und Unterstützung und nicht unsere Abstinenz und schon gar nicht einen totalen entwicklungspolitischen Boykott.
In diesem Sinne beurteilen wir den Besuch von Minister Warnke in Guatemala als Unterstützung und Ermutigung der Demokraten für den schwierigen Weg zur Demokratie und als Beitrag zur Verbesserung der Menschenrechtssituation.
Die Entwicklungshilfe der USA wurde 1977 unterbrochen. Die Bundesregierung führte die Entwicklungszusammenarbeit weiter. Von 1977 bis 1981 wurden zirka 15 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Ich kreide dies der damaligen SPD-Bundesregierung nicht an, denn sie hatte gute Gründe dafür und wichtige entwicklungspolitische Ziele. Aber es wäre geradezu widersinnig, die Entwicklungspolitik in der derzeitigen Situation, in der wir Hoffnung haben können, einzuschränken oder gar ganz einzustellen. Unsere Entwicklungshilfe für Guatemala besteht in erster Linie in Berufsausbildungsprojekten und in einer Handwerksförderung, nicht also in der Unterstützung der Errichtung von Wehrdörfern. In beiden Fällen handelt es sich um Projekte für die ärmeren Bevölkerungsschichten, ganz im Sinne der gemeinsamen Entschließung aller Bundestagsfraktionen vom 5. März 1982. In dieser Entschließung ist j a ausdrücklich auf die Verbindung von Menschenrechtssituation und entwicklungspolitischer Zusammenarbeit Bezug genommen worden.
Was allerdings in Guatemala noch stärker beachtet werden muß, ist, daß es sich dort um zwei Kulturen handelt. Insbesondere geht es darum, die Indianer mehr zu unterstützen. Wir glauben, daß nun Kräfte gefördert werden können, die eintreten für Rechtsstaat, Gerechtigkeit und mehr Menschenrechte. Wir sind sicher, daß sich Minister Warnke in diesem Sinne einsetzen wird, und wir unterstützen ihn dabei.
Danke sehr.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ströbele.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Kollegen! Ich bin zum erstenmal in diesem Saal und kann mir nicht verkneifen, zu sagen, daß ich die Atmosphäre gespenstisch finde. Aber vielleicht liegt es daran, daß es ja auch nur um Menschenrechtsverletzungen in der westlichen Hemisphäre geht, um Guatemala.
Guatemala ist das Land der Mayas, indianischer Völker, die der Verfolgung der Azteken, der Spanier und ihrer Nachfolger jahrhundertelang widerstanden haben. Jetzt droht diesen Völkern Vertreibung und Ausmerzung. 35 000 Morde wurden in den letzten Jahren gezählt, so die katholische Kirche Guatemalas, 60 indianische Dörfer wurden im Hochland allein 1981/82 niedergebrannt, 1 Million Menschen von einer Gesamtbevölkerung von 7,3 Millionen befinden sich im Hochland des eigenen Landes auf der Flucht, zig Tausende darüber hinaus in Mexiko, auf der Flucht vor Armee, auf der Flucht vor der Hazienda-Polizei und den Killerkommandos der Todesschwadron. Diese rekrutieren sich aus Polizei und Armee; das weiß jeder in Guatemala, kann jeder dort hören.
Der Militärdiktator, der für dieses Grauen dort verantwortlich ist, heißt Mejía Víctores. Er wurde in der Militärschule der USA in Panama zum Offizier ausgebildet. Im August 1983 haben ihn die USA an die Macht geputscht. Zwei Tage vor dem Putsch war er auf dem US-Flugzeugträger „Rangers" vor der Küste Honduras, um dort mit dem kommandierenden US-General Wörner alles zu besprechen. Und der US-Militärattaché William Mercado war dabei, als die Putschisten den Präsidentenpalast 1983 stürmten. Das Regierungsprogramm wurde mit US-Botschafter Chapen abgesprochen. So sieht der Kampf Ronald Reagans gegen oder - das sollte man besser sagen - für den Terrorismus in Mittelamerika aus. Die Militärhilfe für Mittelamerika, für Guatemala, wurde 1983 wieder aufgenommen, nachdem Carter diese wegen der Menschenrechtsverletzungen eingestellt hatte.
Die Bundesregierung gewährt nach wie vor Unterstützung. Deutsche Firmen, allen voran die Firma Hoch-Tief, baut im Norden Guatemalas eine Transstraße durch den Urwald. Die Indianer werden dort umgesiedelt, aus ihrer Heimat vertrieben, um den Generalen Land für ihre großen Fincas zu besorgen.
({0})
- Darüber können wir gleich diskutieren. Vielleicht haben Sie eine Frage dazu, die ich Ihnen dann gern beantworte.
Sie berufen sich nun auf die Wahlen. Aber was sind Wahlen, in denen nur rechtsradikale Parteien zugelassen worden sind? Ich hätte hier ein Wort der CDU dazu erwartet,
({1})
daß der Vorsitzende der christdemokratischen Partei Guatemalas kürzlich ermordet worden ist. Dazu hätten Sie etwas sagen können.
({2})
- Soll ich Ihnen die Unterlagen zur Verfügung stellen?
Was sind Wahlen in einem Land, in dem das Militär sämtliche Verwaltungsstrukturen übernommen hat, übrigens auch die Organisation INTECAP, über die die Bundesregierung ihre Wirtschaftshilfe abliefert? Was sind Wahlen in einem Land, wo sämtliche
Strukturen systematisch militarisiert worden sind, in dem es lebensgefährlich ist, sich auch nur mit sozialen Problemen zu beschäftigen?!
Ich war vor einigen Jahren in Guatemala
({3})
und habe dort in San Carlos, der Universität in der Hauptstadt, erfahren, daß dort sämtliche Professoren der juristischen und soziologischen Fakultät nur deshalb nacheinander auf der Straße bestialisch ermordet worden sind, weil sie sich mit sozialen Problemen innerhalb der Universität beschäftigt haben.
Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluß!
Noch zwei Sätze: Danach kann die Schlußfolgerung nur heißen: Die Bundesregierung muß dieser menschenverletzenden terroristischen Politik, für die auch die USA verantwortlich sind, öffentlich und in den Menschenrechtsorganisationen, in der UNO entgegentreten und jede Wirtschaftshilfe, jede Entwicklungshilfe für diese militärischen Strukturen dort zurückhalten und ab sofort streichen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Rumpf.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde bereits ausgeführt, daß die demokratische Entwicklung in Guatemala in Gang gekommen ist. Es ist nicht eine demokratische Entwicklung, die wir vielleicht als ein Ideal empfinden würden, aber immerhin hat die Militärregierung zum Ende dieses Jahres in die Wege geleitet, daß die Verfassunggebende Versammlung zu freien Wahlen übergeht. Es haben sich mindestens vier Präsidentschaftskandidaten aus verschiedenen politischen Spektren beworben. Vielleicht werden es sogar fünf oder sechs; das ist noch gar nicht klar. Vielleicht werden es mehr Kandidaten.
Es ist unsere Aufgabe, jetzt diese beginnende demokratische Entwicklung zu unterstützen. Die FDP will diesen Prozeß fördern und positiv beeinflussen.
Außenpolitisch verhält sich Guatemala bemerkenswert zurückhaltend, auch gegenüber Nicaragua. Präsident Mej ía Víctores zu Staatsminister Möllemann: „Wir halten den Versuch, ein System nach marxistisch-leninistischem Muster aufzubauen, für einen Fehler, für einen Irrtum. Aber Nicaragua als souveräner Staat muß das Recht haben, Irrtümer in bezug auf die eigene Richtung zu begehen."
({0})
Das klingt doch sehr liberal. Die USA könnten sich meines Erachtens ein Beispiel daran nehmen. Eigentlich könnten sich auch die Bundesrepublik und Entwicklungsminister Warnke ein Beispiel daran nehmen. Dies war ein Hinweis auf ausgewogene Reisen.
Guatemala unterstützt auch nachdrücklich die Contadora-Initiative für eine friedliche Lösung in Mittelamerika.
Im Lande gibt es leider zahlreiche Menschenrechtsverletzungen. Die Bundesregierung hat sich stets - das sage ich dem Kollegen von den GRÜNEN; ich habe den Namen leider nicht verstanden
- um eine objektive Bewertung dieser Menschenrechtsverletzungen bemüht und eine entsprechende Zuordnung der Verantwortlichkeit gefordert. In den Vereinten Nationen - das sage ich entgegen der Behauptung, die Sie aufgestellt haben - hat die Bundesregierung immer die entsprechenden Resolutionen mitgetragen.
({1})
- Ich bitte Sie, sich besser zu informieren.
In Guatemala und in vielen anderen mittel- und südamerikanischen Staaten, meine Damen und Herren, wurden in der Geschichte die Menschenrechte leider häufig verletzt. Wir fürchten, das wird sich auch nicht ohne weiteres durch die Änderung einer Regierungsform ändern. Grundsätzlich kann es höchstens zu einer Milderung oder zu einer Einschränkung solcher Menschenrechtsverletzungen kommen. Aber diesen Prozeß müssen wir auch unterstützen. Es ist in dieser Region beinahe schon so etwas wie eine Frage der menschlichen Natur und der Psychologie, daß die Pistole oder das Messer sehr locker sitzen.
({2})
Die Morde der Todesschwadrone und der Guerilla haben in letzter Zeit wieder zugenommen. Wir Freien Demokraten sind daher der Meinung, daß es sich zur Zeit nicht empfiehlt, schon jetzt neue entwicklungspolitische Zusagen zu machen, etwa auf eine ungewisse demokratische Entwicklung hin.
({3})
Aber ich glaube, das steht auch gar nicht in Frage. Es steht in Frage, ob die bisherigen Beziehungen abgebrochen werden sollen, ob die entwicklungspolitische Linie aufgegeben werden soll, die ja, Herr Duve, während der sozialliberalen Koalition begonnen hat, und zwar zu einer Zeit, als Garcia gewählter Präsident war und die Menschenrechtsverletzungen einen Höhepunkt erreicht hatten. Trotzdem haben wir uns auf Grund der Armut der Bevölkerung damals dazu entschlossen, hier zu helfen.
Wir Freien Demokraten sind eben gegen die Einäugigkeit, daß man immer glaubt, Menschenrechtsverletzungen fänden nur auf der einen und nicht auch auf der anderen Seite statt.
Ein typisches Beispiel haben Sie wieder gebracht - es wurde durch einen Zwischenruf schon fast geklärt -: In Nicaragua sind die Indios, nämlich die Misquito-Indianer, genauso verfolgt wie in Guatemala. Es gibt keinen Unterschied, ob es eine demo9700
kratische oder eine marxistische Regierung oder eine Regierung der Militärs ist: Alle verfolgen die Indianer. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Wir wollen versuchen, daß dies in eine demokratische Entwicklung übergeführt wird.
Uns Liberalen ist jedenfalls jede Einäugigkeit sehr unangenehm.
({4})
Deswegen sehen wir dem Besuch von Minister Warnke in Guatemala mit Hoffnung und Optimismus entgegen. Minister Warnke wird dort sicher ein deutliches Wort reden. Wir haben auch die Hoffnung, daß er nach Nicaragua reist und dort ebenso deutlich spricht.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Köhler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs sagen, Herr Kollege Duve: In den letzten Tagen sind mir die Berichte vorgelegt worden, die die - Sie erwähnten vorhin hier einen Fall - Schreckenstaten schildern. Ich bitte Sie zu akzeptieren, daß ich Ihre tiefe Betroffenheit über diese Nachrichten nicht nur verstehe, sondern in vollem Umfang teile.
({0})
Um so mehr, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, bedaure ich, daß diese Aktuelle Stunde zu spät kommt. Wir haben am 6. März in der üblichen Weise die Besuchsabsicht des Ministers der Offentlichkeit mitgeteilt. Es wäre gut gewesen, wenn es in der Zeit seit dem 6. März zwischen der Opposition und dem BMZ, vor allem dem Minister, zum Gespräch über die zu verfolgenden politischen Ziele gekommen wäre. Dies ist leider nicht geschehen. Die Nachricht von der Aktuellen Stunde traf ein, als der Minister bereits eine Stunde im Flugzeug war. Er flog zum Development Committee in Washington, das heute tagt. Aus diesem Grunde kann er leider nicht an dieser Aktuellen Stunde teilnehmen. Ich hätte es begrüßt, wenn Sie den Gesprächskontakt gesucht hätten. Wir hätten uns dem ganz bestimmt nicht versagt.
Wir haben es hier ja mit einer Materie zu tun, die auf den langen Beratungen und auf dem Beschluß des Bundestages zur Zentralamerikapolitik, wie er hier am 17. Januar 1985 gefaßt worden ist, fußt. In diesem Beschluß ist der Bundesregierung aufgegeben worden, eine zusammenhängende Konzeption zu entwickeln, wie Frieden, wie Demokratie in diesem Raum gestärkt werden können und was deutscherseits zur Überwindung der Ursachen der Spannungen in diesem Raum beigetragen werden kann. Die dort existierenden Spannungen sind einhellig als Spannungen definiert worden, die zutiefst aus sozialen Disparitäten, aus ungerechten gesellschaftlichen Strukturen und dergleichen herrühren.
Wir meinen, daß Guatemala mit mehr als 7,3 Millionen Einwohnern j a nicht nur der volkreichste Staat dieses Gebietes ist, das man - wie gefordert ist - aus der Gesamtbetrachtung nicht ausklammern kann, sondern das Land ist auch wirtschaftlich einer der stärksten Partner, und es hat eine beachtliche politische Bedeutung bei den Bemühungen um einen Friedensprozeß in dieser Region. Guatemala hat in seiner auswärtigen Politik in den Auseinandersetzungen in Mittelamerika bisher eher eine vermittelnde Rolle eingenommen. Jedenfalls ist es keines der Länder, das die Spannungen anheizt oder gar durch die Unterstützung von Revolutionsgruppen zur Destabilisierung beiträgt. Wir meinen deswegen, daß die Bundesregierung dieses Land bei ihren Friedensbemühungen nicht beiseite lassen kann. Sie muß sich auch hier um einen aktiven politischen Gedankenaustausch bemühen und versuchen, ihre konstruktive Rolle zum Tragen zu bringen.
Das Menschenrechtsthema ist einer der großen Brocken, die in diesem Wege liegen. Das ist leider nicht erst seit heute so. Zur Menschenrechtslage liegen sehr unterschiedliche Berichte vor. Auch kritische Berichte haben seit den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung vom 1. Juli 1984 zunächst eine fühlbare Verbesserung der Menschenrechtssituation festgestellt, aber - das ist Tatsache - jüngere Berichte sprechen nun wieder von einer Zunahme, was vielleicht mit den bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zusammenhängen könnte.
Meine Damen und Herren, eine Auseinandersetzung darüber, ob etwas mehr oder etwas weniger Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen geschehen, erscheint mir vollkommen müßig. Menschenrechtsverletzungen sind in jedem Fall verabscheuungswürdig und werden hoffentlich von uns allen mit gleicher Klarheit und mit gleichem Nachdruck abgelehnt. Ich wäre sehr froh, wenn wir in diesem Hause darüber einig sind.
({1})
Es ist eine bare Selbstverständlichkeit, daß Minister Warnke in Guatemala auch das Gespräch mit dem Erzbischof führen wird. Ich bin in der Lage, Ihnen zu sagen, daß seine Haltung zur Menschenrechtsfrage in Guatemala in voller und größter Klarheit zum Ausdruck kommen wird. Dies ist eine bare Selbstverständlichkeit.
Die Frage der Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen im einzelnen sollte uns vor diesem Hintergrund vielleicht nicht zu sehr beschäftigen. Die Täter und Hintermänner von Gewaltanwendungen und Menschenrechtsverletzungen sind im Einzelfall gerade in Guatemala oft schwer festzustellen. Aber wir müssen davon ausgehen, daß die Verletzungen teilweise auch durch staatliche und militärische Stellen zustande kommen; es sind andererseits auch mit Sicherheit linke oder rechte Extremisten des Untergrundes daran beteiligt. In dem
Bericht des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen über die Menschenrechtssituation in Guatemala vom 13. November 1984 wird darauf in aller Deutlichkeit hingewiesen.
Nur: Das Beklagen und Kritisieren dieses Zustandes alleine löst das Problem j a gewiß noch nicht. Die entscheidende Frage ist doch, wie von deutscher Seite aus konkret zu einer Milderung und zu einer Beseitigung dieser Mißstände beigetragen werden kann. Ich warne davor, gerade in dieser Region von einem Denkansatz auszugehen, der da heißt: Wir können erst dann etwas zur Lösung der Probleme beitragen, wenn eine der schrecklichsten Ausdrucksformen der Problemlage, nämlich die Menschenrechtssituation, kein Problem mehr darstellt.
Wir haben diese Diskussion auch am Beispiel von Salvador geführt. Es hat Kollegen gegeben, die aus Motiven, die ich gerne verstehen will, hier gesagt haben: Man darf in Salvador erst etwas tun, wenn die Menschenrechtslage sozusagen voll und ganz in Ordnung ist. Hätten wir uns auf diesen Standpunkt gestellt, meine Kolleginnen und Kollegen, wäre die einzige Chance der demokratischen Mitte in Salvador, die sich mit dem Namen von Napoleon Duarte verknüpft, verspielt worden, und die Kräfte der extremen Seiten, die jetzt durch den Wähler in die Schranken gewiesen worden sind, hätten triumphiert. Das Übel wäre durch dieses Zuwarten vermehrt worden.
({2})
Doch gebe ich zu, daß wir hier auf einem Grat wandern, der schwierig ist. Aber eben dann ist es nötig, sich die Dinge präzise und genau anzuschauen. Der Besuch von Minister Warnke in Guatemala dient genau diesem Zweck. Er wird sich nicht nur vor Ort informieren, er wird die Situation der Menschenrechte in aller Klarheit ansprechen, und er beabsichtigt gerade die Kräfte zu ermutigen und zu stärken, die sich für die Gewährleistung der Menschenrechte und der demokratischen Entwicklung einsetzen.
({3})
- Das ist vollkommen klar, Herr Duve. Die Frage der Menschenrechte entscheidet sich am Schicksal des einzelnen Menschen. Da sind wir völlig einer Meinung.
Zur demokratischen Entwicklung, meine ich, kann man sagen, daß die Chancen in diesem Land für eine demokratische Entwicklung heute so gut sind, wie sie bisher noch nicht gewesen sind. Die Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung haben am 1. Juli 1984 stattgefunden, und die gemäßigten Kräfte haben beachtliche Erfolge erzielt. Die Eingruppierung der Christdemokraten, wie sie hier eben durch den Sprecher der GRÜNEN vorgenommen worden ist, ist falsch. Sie stehen eher in der linken Mitte.
({4})
Ich glaube, daß das hier eben schlicht und einfach eine denunziatorische Behauptung war.
Der Staatschef, Meija Víctores, hat im Einvernehmen mit der Verfassunggebenden Versammlung Parlaments-, Kommunal- und Präsidentschaftswahlen für den 27. Oktober festgelegt. Eine mögliche Stichwahl für das Amt des Präsidenten ist für den 24. November 1985 und der Amtsantritt des gewählten Präsidenten für den 14. Januar 1986 angekündigt. Es ist also ein klarer Fahrplan hier vorhanden.
Ich verweise noch einmal darauf, daß der Deutsche Bundestag die Bundesregierung in der Gemeinsamen Entschließung am 17. Januar 1985 aufgefordert hat, demokratische Entwicklungen aktiv zu unterstützen. Genau das ist der Sinn der Reise von Minister Warnke, dessen Besuchsprogramm auch Gespräche mit den vier Präsidentschaftskandidaten vorsieht.
Diesem Prozeß der Demokratisierung in Guatemala kommt im Hinblick auf die Menschenrechtsverletzungen besondere Bedeutung bei; denn nur die Demokratisierung kann die Plattform dafür bieten, Interessengegensätze mit Argumenten statt mit Gewalt auszutragen.
Natürlich ist auch das Thema der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit in diesen Gesprächen an der Reihe. Es ist zu fragen, wie eine solche Zusammenarbeit die positive Entwicklung bezüglich der Menschenrechte, der Demokratisierung oder der armen Bevölkerung fördern, initiieren, unterstützen kann.
Wir haben z. B. einen Wunsch nach der Unterstützung einer größeren Kaffeegenossenschaft von Kleinbauern vorliegen, ein Projekt, dem bei der starken Stellung der reichen Großgrundbesitzer eine besondere soziale und gesellschaftliche Bedeutung zukommt. Sollen wir schon die Prüfung dieses Vorhabens ablehnen? Ich glaube, daß eine kategorische Ablehnung der staatlichen Zusammenarbeit sowohl unseren Interessen als auch denen der armen Bevölkerung Guatemalas zuwiderläuft.
Ich danke Ihnen.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Holtz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da man weiß, daß die Bundesregierung nicht in allen gebotenen Fällen bei Regierungsverhandlungen über die entwicklungspolitische Zusammenarbeit die Menschenrechtsfragen angeschnitten hat, meine ich, ist es doch geboten, nochmals von der Bundesregierung deutlich zu erwarten, daß sie gegenüber den dort Herrschenden eine klare, offene Sprache spricht. Von allen Ländern Lateinamerikas hält Guatemala nämlich einen
traurigen Rekord, den Rekord in Menschenrechtsverletzungen. Deshalb erwarten wir eine ganz klare Sprache.
({0})
Nur eine ganz kurze Bemerkung zu Guatemala und Nicaragua. In Guatemala kämpfen Menschen für demokratische und sozial gerechte Verhältnisse. Sie werden von Vertretern der US-Regierung als internationale Terroristen diffamiert. In Nicaragua bekämpfen vom CIA unterstützte Contras mit Mord und Terror ein Regime, das sich um den Aufbau demokratischer und sozial gerechter Strukturen bemüht. Was ist das für eine doppelte Moral, diese dann Freiheitskämpfer zu nennen?
({1})
Es gibt viele Unterschiede. So hat die Regierung Nicaraguas z. B. eingesehen - weil Sie eben auch Misquitoindianer dazwischengerufen haben -, daß die Rechte der Indianer respektiert und gefördert werden müssen. Eine solche Einsicht erwarte ich immer noch von Guatemala.
({2})
Guatemala kann sozial nur befriedet werden - so heißt es zu Recht in einem Vermerk der Bundesregierung an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 2. November 1983 -, wenn es allen seinen Einwohnern ermöglicht wird, mit begründeter Aussicht auf Erfolg ein menschenwürdiges Leben zu führen. Ohne einschneidende Reformen wird dies nicht möglich sein. Es dürfen also nicht Waffen in diese Region geliefert werden, sondern man muß sich für einschneidende Reformen einsetzen.
({3})
Einige sprechen von positiven Entwicklungen, von einer demokratischen Öffnung in Guatemala. Aber wie kann man von Demokratisierung sprechen, wenn die demokratischen Basisstrukturen zerstört und Neuanfänge mit Repressalien und Gewalt erstickt werden? Wie kann - so fragt zu Recht die Informationsstelle Guatemala in Bonn - von einer Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen in Guatemala die Rede sein angesichts anhaltender Repression durch die staatlichen Organe, angesichts von über 200 000 Auslandsflüchtlingen, angesichts von Zwangsumsiedlungen und -konzentrationen meist indianischer Gemeinschaften in sogenannten strategischen Dörfern bzw. Entwicklungszonen - die militärischen Kontrollgebieten entsprechen -, angesichts der großen Zahl von Entführungen, Verschwundenen und Morden an unschuldigen Menschen?
Nein, wir Sozialdemokraten fordern die Bundesregierung mit allem Nachdruck auf, sich für eine Aufklärung des Schicksals der Verschwundenen und der jüngsten Morde einzusetzen,
({4})
in Vertretung durch den Herrn Minister Warnke deutlich zu machen: Solange diese Verhältnisse dort andauern, kann es keine neuen Entwicklungshilfezusagen an Guatemala geben.
({5})
Ich möchte einige Klarstellungen zur Entwicklungszusammenarbeit machen. Auf Grund der schlimmen innenpolitischen Verhältnisse in Guatemala hatte die sozialliberale Bundesregierung in den letzten Jahren jegliche finanzielle Zusammenarbeit, was Neuzusagen angeht, eingestellt. In der technischen Zusammenarbeit hat man die Hilfe heruntergefahren, von 2,5 Millionen DM im Jahre 1980 auf nur noch 30 000 DM im Jahre 1982. Sie sind dann 1983 wieder auf 60 000 DM hochgegangen und im letzten Jahr sogar auf 1,5 Millionen DM. Dafür haben wir kein Verständnis.
({6})
Wir fordern die Bundesregierung auf, diese technische Hilfe herunterzufahren und möglichst einzustellen, auf jeden Fall dafür zu sorgen, daß sie nicht für Zwangsumsiedlungen oder Maßnahmen in den Wehrdörfern eingesetzt wird.
Am 5. März 1982 haben wir in dem Beschluß gesagt: Gegenüber Diktaturen muß man mit der Entwicklungspolitik sehr zurückhaltend sein. Falls es Projekte gibt, dann dürfen es allenfalls solche sein, die direkt der notleidenden Bevölkerung zugute kommen. Solange in Guatemala die Menschenrechte, die demokratischen und gewerkschaftlichen Freiheiten so massiv verletzt werden, darf die Bundesregierung keine neuen Hilfszusagen machen. Das wäre eine Aufwertung gerade für dieses Guatemala. Großzügige Unterstützung sollte in Aussicht gestellt werden, wenn sich wirklich bessere Kräfte - wie Sie das formulierten - oder Entwicklungen herauskristallisieren. An. Chile zeigt sich, daß auch diese Bundesregierung ja keine neuen Entwicklungshilfezusagen macht. Argumentieren Sie dann bitte im Fall Guatemalas nicht anders.
Danke schön.
({7})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Geiger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bevölkerung von Guatemala will endlich in Ruhe und Frieden leben können. Sie möchte nach langen Jahren des Schrekkens ein Ende der Ausschreitungen und des Mor-dens sehen.
Die Bundesregierung war allerdings nie untätig. Sie steht bis heute im ständigen Kontakt zur guatemaltekischen Regierung, um auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinzuwirken. Jede Art der Menschenrechtsverletzung wird von uns verurteilt. Wir fühlen mit den Angehörigen der Ermordeten und der Verschwundenen. Wir wollen dazu beitragen, daß in Guatemala die Menschenrechte geachFrau Geiger
tet werden und daß das Land zur Demokratie findet.
({0})
Bei den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung im Juli 1984 haben die Christdemokraten 17 % der Stimmen gewonnen und sind stärkste Partei in diesem Gremium geworden. Die Militärs sind jetzt auch bereit, einen zivilen Präsidenten wählen zu lassen. Nun kommt es darauf an, den eingeschlagenen Weg einer solchen Demokratisierung zu stärken. Einen leichten Weg hat das Land dabei nicht zu gehen. Denn die Hauptursache für die großen Spannungen liegt in den großen Unterschieden - so in dem großen Unterschied zwischen den vielen, die arm sind, und den ganz wenigen, die sehr reich sind. Ungefähr zwei Drittel der nutzbaren Anbaufläche befinden sich in Händen der Großgrundbesitzer. Die indianische Bevölkerung ist unsäglich arm. 65% bis 70 % der Bevölkerung sind Analphabeten. Es gibt hohe Arbeitslosenzahlen und eine schlechte gesundheitliche Versorgung. Auf einem solchen Nährboden haben es Demokraten schwer, sich gegen Extremisten durchzusetzen.
({1})
Trotzdem stehen nach Meinung vieler Fachleute die Chancen für eine demokratische Entwicklung in Guatemala gerade jetzt gut. Eine ganze Reihe von Ländern hat in den letzten Jahren den friedlichen Übergang von Militärregierungen zu demokratischen Regierungsformen gefunden. Ich denke dabei vor allem an Argentinien.
({2})
Bei Militärregimen kommt es immerhin dann und wann vor, daß sie demokratische Wahlen zulassen; bei marxistisch-leninistischen Systemen ist mir dies noch nie bekanntgeworden.
({3})
Es wäre wünschenswert, daß alle Mitglieder dieses Hohen Hauses wenigstens darin übereinstimmen, daß in Guatemala die demokratischen Kräfte der Mitte gegenüber gewalttätigen Extremisten von links und rechts unterstützt werden müssen. Guatemala liegt im Umkreis des geopolitisch so empfindlichen amerikanischen Mittelmeeres. Guatemala ist ein immens wichtiges Land für den Friedensprozeß in Mittelamerika. Unser Anliegen muß es sein, Guatemala bei dem Demokratisierungsprozeß zu helfen. Dazu sind keine Bürgerkriege notwendig, sondern Reformen.
({4})
Über diese Reformen wird Minister Warnke bei seinem Besuch in Guatemala mit den Verantwortlichen sprechen. Ich finde, gerade die Entwicklungsprojekte der Bundesrepublik sind geeignet, die Reformbestrebungen zu unterstützen.
({5})
Man denke nur an das Berufsbildungsprojekt für junge Leute in Guatemala. Eine Einstellung der Maßnahmen hilft den einzelnen Menschen in Guatemala überhaupt nicht.
Minister Warnke wird bei seinem Besuch auch über die Förderung der armen Bevölkerung sprechen und natürlich - ich habe es gesagt - über die Demokratisierung. Er wird dort deutliche Worte zur Menschenrechtslage finden. Wir nehmen ernst, was besonders auch die Kirchen zu den Menschenrechtsverletzungen in diesem Land sagen. Jeder Verstoß gegen die Menschenrechte ist schlimm, und jeder Verstoß ist einer zuviel. Wir werden das unmißverständlich klarmachen. Denn unser Ziel ist es, alle Bemühungen zu unterstützen, die dazu beitragen können, die Lebensbedingungen für jeden einzelnen Menschen in Guatemala zu verbessern.
({6})
Das Wort hat Frau Dr. Hamm-Brücher.
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich gleich vom Platz sprechen kann?
Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! In dieser zweiten Runde einer wichtigen und sicher auch notwendigen Aussprache zur Lage in Guatemala und den Möglichkeiten, die wir haben, um zu helfen und dazu beizutragen, Menschenrechtsverletzungen nach Möglichkeit aufzuklären und zu verhindern, möchte ich nur noch zwei Bemerkungen anschließen, Herr Präsident.
Zunächst möchte ich Herrn Staatssekretär Köhler dafür danken, daß er hier klar und unmißverständlich dargelegt hat, welches die Vorstellungen sind, die mit der Reise von Bundesminister Warnke verbunden sind. Herr Kollege Holtz, ich hatte eigentlich das Gefühl, daß seine Sprache klar und unmißverständlich war. Das sollte man im Zuge einer solchen Debatte doch einmal unterstreichen.
({0})
Ich meine auch, daß die besondere Anregung Ihrerseits aufgegriffen werden sollte - vielleicht wird Herrn Minister Warnke dieser Wunsch noch übermittelt -, daß gerade die Probleme des Schutzes der Familien von Angehörigen grausam Ermordeter ein Schwerpunkt in den Gesprächen sein müßten, die geführt werden sollen.
({1})
Das halte ich für wichtig, denn ich habe mich auch wiederholt mit dem schweren Schicksal von Frau Godoy beschäftigt und war wie Sie alle hier tief erschüttert über den grausamen Mord an ihr und ihrem Kind.
Im Grunde war doch die Debatte aber so, sehr geehrte Kollegen, daß die Verurteilungen der Menschenrechtsverletzungen hier so einmütig waren,
daß wir uns nicht auseinanderdividieren lassen sollten. Ich unterstreiche das, was von Ihnen, von seiten der Opposition und von Herrn Staatssekretär Köhler gesagt wurde, daß nämlich entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit großer Aufmerksamkeit an den Menschenrechtsproblemen orientiert werden muß und daß - das möchte ich auch noch einmal für die FDP sagen, Herr Staatssekretär Köhler - keinesfalls neue Zusagen gemacht werden dürfen, bevor nicht wirklich klar ist, daß der Demokratisierungsprozeß erfolgreich weitergeht. Dazu gehören ungehinderte Wahlen, die Auswahl unter mehreren Kandidaten. Das sieht ja bis jetzt positiv aus. Ich habe gehört, auch die früher verbotenen Sozialdemokraten sollen zu diesen Wahlen wieder zugelassen werden. Erst dann - das haben wohl auch Besucher aus Guatemala bei einer Besprechung in der Konrad-Adenauer-Stiftung besonders unterstrichen - soll über neue und weiterführende Zusammenarbeit verhandelt werden. Es darf also nicht der Eindruck entstehen, Herr Staatssekretär Köhler, daß der Besuch die jetzige Militärregierung in irgendeiner Weise aufwerten soll. Das wollte ich hier noch einmal klarmachen.
({2})
Zu begrüßen und auch gutzuheißen sind die außenpolitischen Bemühungen von Guatemala. Das ist bei offiziellen Besuchen unsererseits auch geschehen. Der Fahrplan zur Demokratisierung ist ebenfalls zu begrüßen. Aber es muß uns doch bedenklich stimmen, daß der Fahrplan von einer Eskalation des Terrors und der Gewalttaten begleitet wird. Deshalb, Frau Kollegin, müssen wir natürlich ernsthaft prüfen, ob dieser Prozeß nun auch hier Wandel schafft. Das habe ich auch bei Ihnen so verstanden.
Die Reise von Herrn Minister Warnke hat auch niemand von Ihnen abblasen wollen. Niemand - ich habe das jedenfalls so nicht gehört - will jetzt abrupt die laufende entwicklungspolitische Zusammenarbeit abbrechen. Insoweit sind wir also auch einer Meinung. Wir haben die Gelegenheit, den Minister nach seiner Rückkehr noch ausführlich über die Ergebnisse zu befragen.
Wichtig ist allerdings, daß wir nach außen hin gemeinsam vertreten, daß für uns die Menschenrechte im Vordergrund stehen und die erste Priorität bei aller Verbesserung der entwicklungspolitischen und der außenpolitischen Beziehungen haben.
Vielen Dank.
({3})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Luuk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe doch davon aus, daß diese Aktuelle Stunde nicht zu spät kommt, weil es Mittel und Wege geben wird, den Minister über das Ergebnis und auch über die hier insgesamt vorgetragene
Tendenz zu informieren, bevor er seine ersten Gespräche in Guatemala führen wird.
({0})
Allein in den ersten beiden Aprilwochen sind mir aus Guatemala über 100 Verhaftungen und Folterungen sowie 22 Morde durch Armee und Sicherheitskräfte bekanntgeworden. Immer mehr Menschen flüchten vor diesen Greueltaten. Die Glücklicheren unter ihnen erreichen die Sicherheit - in Mexiko. Die Zahl jener, die im Lande selbst herumirren und sich verstecken müssen, muß mit über 100 000 angegeben werden. Andere werden mit vielen anderen Menschen in neue Dörfer gepfercht, wo sie unter militärischer Aufsicht arbeiten müssen und kontrolliert werden. Ich möchte besonders die Zahl der über 100 000 Waisenkinder erwähnen, die unzureichend betreut sind und die von den indianischen Gemeinschaften nicht herausgegeben werden, weil die Angst dieser Gemeinschaften, was mit diesen Kindern passiert, zu groß ist. Auch darauf muß hingewiesen werden.
Das Elend der guatemaltekischen Menschen strahlt auch über die Grenze. Nach Mexiko haben sich nach Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars 46 000 Menschen geflüchtet, andere Organisationen sprechen von über 130 000 Menschen, von denen viele nicht in Lagern erfaßt sind, sondern bei Freunden und Verwandten Unterschlupf gefunden haben, wobei diesen dann nicht der schützende Status des politischen Flüchtlings zuerkannt wird.
20 000 dieser Menschen sind mit Hilfe des UNFlüchtlingskommissars in grenzferne Gebiete in Mexiko umgesiedelt worden. Teilweise ist dies auch geschehen wegen der unverhüllten Drohungen der gualtemaltekischen Machthaber gegen die mexikanische Regierung, aber auch zum Schutz dieser Menschen vor Übergriffen der Soldateska, die in den Lagern selbst noch für Morde jenseits der Grenze gesorgt hat.
Von der Angst dieser Menschen, die vor dem Terror geflüchtet sind, habe ich mir selbst ein Bild machen können. Ich weiß, daß es viele Jahre dauern wird, bis sie wieder Vertrauen, Zutrauen in eine Zukunft werden aufbauen können.
Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der Regierung von Guatemala haben die Gewaltanwendung, die Zerstörung von Wohnungen, Dörfern, die Verschleppung und die Folter zugenommen. Dieses ist keine persönliche Auffassung, die hier vorgetragen wird, sondern das bestätigte der Unterausschuß zur Verhütung von Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten der Vereinten Nationen im August letzten Jahres. Die zunehmende Repression in Guatemala ist vor allen Dingen - und deswegen erwähne ich diese Einrichtung hier - durch die Patrouillen zur zivilen Selbstverteidigung gekennzeichnet, in die die Indios und Bauern gezwungen werden. Diese Zivilpatrouillen sind ein riesiger Kontrollapparat, der das Heer bei der Unterdrükkung von sozialen Unruhen im Inland unterstützen soll. Im Frühjahr 1981 wurden die ersten Bauern angeworben, inzwischen sind es über 800 000 Personen, die in der PAC organisiert werden. Durch TerFrau Luuk
ror und durch Druck werden sie dazu gezwungen. Wer sich weigert, gilt als verdächtig und als Sympathisant der Aufstandsbewegung. Das Heer berät die PAC, und alle müssen daran teilnehmen, vor allen Dingen aber die Indios in den ländlichen Gebieten, Kinder ab neun Jahren und selbst Frauen. Teile der PAC sind bewaffnet. Ein Klima der Gewalt wird gefördert und bewußt aufrechterhalten. Die Zivilpatrouillen müssen Kontrollgänge machen, vor allem nachts. Sie werden auch zu schwerer Zwangsarbeit herangezogen und müssen über weite Wege schwere Steine auf den Schultern schleppen, in fremden Dörfern Wege reparieren und die Berge nach Aufständischen durchkämmen. Ich erwähne das deswegen, weil den Bauern so nur wenig Zeit bleibt, ihre eigenen Felder zu bestellen und sich und ihre Familien zu ernähren. Sogenannte Modelldörfer, die von meinen Kollegen schon erwähnt worden sind, wurden an strategischen Punkten geschaffen, um flüchtige und von ihrem Land vertriebene Bauern um die Kasernen herum wieder anzusiedeln, um sie umzuerziehen und unter Kontrolle zu behalten. Wir glauben, daß die Einrichtung dieser PAC eine Institutionalisierung der Menschenrechtsverletzungen in Guatemala bedeutet.
({1})
Ich möchte noch dies sagen: Seinen ererbten Grund und Boden verlassen zu müssen bedeutet für einen Indio nicht nur den Verlust seiner Ernährungsgrundlage, sondern ist weit schlimmer für ihn, es bedeutet den Verlust seiner Identität. Die Militarisierung der Indios ({2}) hat ihre traditionellen Werte entscheidend verändert.
Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist um.
Ein letztes Wort möchte ich noch sagen. Wo sind die Partner, die freien Partner, mit denen die Bundesregierung Entwicklungszusammenarbeit treiben will? Ich sehe sie nicht. Guatemala ist unter militärischer Kontrolle.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lamers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst eine Vorbemerkung an Sie richten, Herr Kollege Holtz. Ich weiß nicht, wen Sie mit denjenigen gemeint haben, die in Guatemala für Menschenrechte, Demokratie und soziale Gerechtigkeit kämpfen,
({0})
wahrscheinlich die Guerilla. Wenn Sie die Guerilla gemeint haben sollten, muß ich Ihnen sagen: Das spricht von einer derart fatalen Verkennung der Situation, daß ich mich frage, wie Sie den Schneid haben können, hier eine solche Behauptung aufzustellen. Die Guerilla in Guatemala ist eine ähnlich dubiose Erscheinung wie die Guerilla in Peru.
({1})
- Gut, dann bin ich für diese Klarstellung sehr dankbar.
({2})
- Es mußte sich aber so anhören.
Was das lichtvolle Gegenbild der Sandinisten in Nicaragua angeht, so war das, was Sie in diesem Zusammenhang ausgeführt haben, wiederum ein Ausfluß jenes opportunistischen Profilierungsbedürfnisses auf Kosten unseres Hauptverbündeten, das ich nicht nur für völlig unverantwortlich, sondern auch - bei aller differenzierten Betrachtung, von der Sie sehr gut wissen, daß ich ihrer fähig bin -({3})
für der Situation vollkommen unangemessen halte.
({4})
Ich meine, so ist dem schwierigen Problem der Lösung der Konflikte in Zentralamerika wirklich nicht beizukommen. Das ist in der Tat nichts anderes als innenpolitische oder innerparteiliche Profilierung auf Kosten der Sache.
({5})
Eine zweite Bemerkung möchte ich vorwegschikken: Die Reduzierung der Entwicklungszusammenarbeit mit Guatemala ist, Herr Kollege Holtz, seinerzeit erstmalig von mir angemahnt worden. Der Herr Kollege Brück, der leider nicht hier ist,
({6})
- j a, da ist er - hat mir seinerzeit gesagt, daß meine öffentlichen Äußerungen damals das BMZ nachdenklich gestimmt und Wirkungen gezeigt haben. Ich bin also auf diesem Auge nicht blind, Herr Kollege Holtz. Deswegen ist es, so denke ich, auch besonders glaubwürdig, wenn ich hier sage: Ich begrüße die Reise von Minister Warnke nach Guatemala, weil ich in ihr wirklich eine gute Gelegenheit sehe, den ungewöhnlich schwierigen Prozeß der Demokratisierung gerade in diesem Lande zu fördern.
Lange Zeit mußten j a ganz erhebliche Zweifel an der Möglichkeit einer demokratischen Perspektive für Guatemala überwiegen, aber inzwischen paart sich bei mir mit aller Skepsis doch - trotz der unbestreitbaren Zunahme von Menschenrechtsverletzungen gerade wieder in der letzten Zeit - ein vorsichtiger Optimismus. Ich glaube, daß der Fahrplan der Demokratisierung eingehalten werden wird. Allerdings möchte ich schon heute an dieser Stelle ganz klar sagen: Damit werden die Menschenrechtsverletzungen nicht aufhören, denn Gewalt und Brutalität sind in der guatemaltekischen Gesellschaft tief verwurzelt, und sie hängen mit der geschichtlichen Entwicklung und mit der Isolierung
des indianischen Volksteils zusammen, der immer wieder das Opfer von Übergriffen des mestizischeuropäischen Teils der Bevölkerung, also der Minderheit, geworden ist.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ströbele?
Ja, bitte.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß in Guatemala alle drei bis vier Jahre Wahlen stattfinden und daß bisher jedesmal nach den Wahlen der General, der unterlegen war, anschließend geputscht hat und dann an der Macht gewesen ist?
Herr Kollege, das ist mir sehr gut bekannt, gerade deswegen war auch meine Skepsis sehr groß, und deswegen bin ich auch heute nicht uneingeschränkt optimistisch. Aber in voller Kenntnis der bisherigen Geschichte Guatemalas sage ich: Jawohl, ich habe den vorsichtigen Optimismus, daß diese Wahlen eine wirkliche Demokratisierung bedeuten werden. Ich füge gleich hinzu - Sie haben es ja gehört -, daß ich nicht glaube, daß damit alle Probleme gelöst wären. Selbstverständlich nicht! Deswegen glaube ich auch, daß wir hier in der Tat wieder vor der Frage stehen, die Staatssekretär Köhler eben aufgeworfen hat: Sollen wir warten, bis die Menschenrechte total verwirklicht sind, oder sollen wir den Kräften - den schwachen Kräften - der Demokratie in diesem Lande mit unserer Entwicklungsarbeit Auftrieb zu geben versuchen? Nur das letztere kann doch unsere Position sein, und es ist, Herr Kollege Holtz, unsere gemeinsame Position. Weswegen also eigentlich im Augenblick dieser Streit?
Ich bin ganz sicher, daß Bundesminister Warnke bei seinem Besuch die Menschenrechtssituation in Guatemala konkret und allgemein zur Sprache bringen wird und daß er bei den Gesprächen mit den Kirchen und den demokratischen Kräften unsere Unterstützung für ihre Politik zum Ausdruck bringen wird.
Ich finde, wir sollten in der Tat auch klar anerkennen, Herr Kollege Holtz, daß sich die Außenpolitik Guatemalas bemüht, sich an Blockfreiheit zu orientieren, daß sie sich bemüht, sich nicht mehr als unvermeidlich in die zentralamerikanische Krise hineinziehen zu lassen. Auch das verdient unsere Unterstützung. Ich meine, es handelt sich hier eigentlich um einen unnötigen Kraftakt mit innenpolitischen Profilierungsversuchen, der der Sache nicht angemessen ist.
Danke schön.
({0})
Das Wort hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Köhler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zwei besondere Gründe, noch einmal das Wort zu ergreifen. Einmal hat Frau Kollegin Hamm-Brücher eine Bitte in die Worte gekleidet: Dieser Besuch darf nicht zu einer Aufwertung der gegenwärtigen dortigen Regierung führen. Frau Hamm-Brücher, die Intention dieses Besuchs ist, eine Aufwertung des demokratischen Prozesses für alle Augen sichtbar zu machen. Das ist das Ziel des Besuchs von Minister Warnke.
({0})
Es ist eine bare Selbstverständlichkeit, meine Kolleginnen und Kollegen, daß der Minister umgehend über den Inhalt dieser Aussprache informiert wird und daß er sich selbstverständlich den von mir schon voll akzeptierten Wunsch, sich für den Schutz der Familien der Ermordeten einzusetzen, zu eigen machen wird; daran habe ich gar keinen Zweifel.
Hier ist die Forderung aufgestellt worden, daß wir uns um die Aufklärung von Schicksalen kümmern. Auch dies ist in meinen Augen selbstverständlich. Ohne mich hier, wer weiß wie, rühmen zu wollen, lassen Sie mich erwähnen, daß uns während der Reise des Kanzlers nach Mexiko im letzten Jahr Nachrichten aus dem kirchlichen Raum über das Los der guatemaltekischen Flüchtlinge in den Grenzlagern auf mexikanischer Seite und ihre Zwangsumsiedlung in das Innere erreichten. Dies habe ich sofort zum Gegenstand ausführlicher Interventionen und Gespräche mit dem mexikanischen Außenministerium gemacht. Es ist also eine Selbstverständlichkeit, daß wir uns um diese Dinge jederzeit bemühen.
Nun ist hier der Eindruck erzeugt oder gefördert worden, als wäre diese Regierung wild darauf aus, die Hilfe für Guatemala auszubauen und sofort zu verstärken. Lassen Sie mich dem einfach einmal die Tatsachen entgegenhalten. Die deutsche Hilfe für Guatemala betrug in dem, was dem Land zufloß, von 1980 bis 1983 jährlich etwa die gleiche Summe, nämlich zwischen 13 und 14 Millionen DM. Dabei waren die Kredite mit fallender Tendenz zum Schluß fast unbeachtlich; sie lagen nämlich nur noch bei knapp 300 000 DM, weil in der finanziellen Zusammenarbeit seit 1977 keine Zusagen mehr gemacht worden sind. Daher handelte es sich bei dem von mir genannten Zufluß nach Guatemala in Höhe von jährlich 13 bis 14 Millionen DM im wesentlichen um Projekte der technischen Zusammenarbeit, bei denen wir kontrollieren können, daß die aufgewandten Gelder tatsächlich in dem Sinne eingesetzt werden, den wir beabsichtigen, nämlich für Zwecke der Berufsausbildung und zur Förderung der Chancen gerade der armen Bevölkerungsschichten. Außerdem handelte es sich um einen durchaus beachtlichen Teil kirchlicher Projekte mit vorwiegend humanitärem Charakter. Wenn man die Zahlen beurteilen will, muß man das sehen.
Die Situation bei den Zusagen und den ausgewiesenen Mitteln und Bewilligungen, auf die Sie abgehoben haben, Herr Holtz, sieht folgendermaßen aus. Erstens sind noch 20 Millionen DM restliche finanzielle Zusammenarbeit aus dem Jahr 1977 vorhanden, die von dieser Regierung weder im vergangenen Jahr, noch im Jahr davor, noch in diesem Jahr
eingesetzt worden sind. Zweitens ist die Rahmenplanung, die 1984 bei der technischen Zusammenarbeit 3 Millionen DM auswies, nur zu 1,4 Millionen DM in Anspruch genommen worden. Die Rahmenplanung für 1985 ist noch nicht verhandelt. Sie ist geplant für die Weiterführung der Berufsausbildung und eventuell für ein Handwerksprojekt.
Die noch vorhandenen Reste aus der finanziellen Zusammenarbeit sowie die Vorbereitung von Projekten der technischen Zusammenarbeit, die in Wahrheit gerade den einfacheren Menschen dort dienen, geben das typische Bild ab, das nach meiner Ansicht dem politischen Willen der meisten hier entsprechen müßte, nämlich daß wir die Hilfezusagen bereithalten, um im gegebenen Augenblick den demokratischen Prozeß zu unterstützen und ihm damit auch sichtbare Glaubwürdigkeit zu geben.
({1}) So ist dies ausgelegt und nicht anders.
Deswegen ist in diesem Augenblick in Guatemala auch keine neue konkrete Vereinbarung zu treffen. Vielmehr sind die Angelegenheiten im Vorbereitungsstadium für den Moment, wo man dies richtigerweise machen sollte und machen kann.
({2})
- Entschuldigen Sie, Sie haben doch die Rahmenplanung selbst mit beraten. Ihnen ist das bekannt.
({3})
Ich habe Ihnen eben gesagt, daß diese Summen im Rahmenplan stehen, aber noch nicht belegt und noch nicht zugesagt sind.
({4})
- 1,4 Millionen sind zugesagt, aber noch nicht ausgegeben.
({5})
- Da müssen wir uns einmal verständigen. Unter „bewilligt" habe ich verstanden, daß wir den Etat bewilligt haben. Die völkerrechtlichen Zusagen sind für den überwiegenden Teil noch nicht erfolgt.
Zusammenfassend: Ich würde es außerordentlich vernünftig finden, wenn wir in bezug auf Mittelamerika für die Zusammenarbeit mit Kräften, von denen wir eine demokratische mittlere Linie erwarten, die gleichen Maximen verwendeten wie für die Zusammenarbeit mit marxistischen Regimen. Im letzten Falle wird hier meistens von der linken Seite des Hauses viel unbedenklicher Zusammenarbeit gefordert und für richtig gehalten. So ist es ja heute auch zu einem Vergleich mit Nicaragua gekommen. Wenn sich Nicaragua wieder verstärkt zur Demokratie und zum Pluralismus hin entwickelt, wirklich freie Wahlen dort anstehen und wenn die Destabilisierung der Nachbarn aufhört, wird über Nicaragua auch anders zu reden sein als heute.
({6})
Aber kritisieren Sie doch bitte nicht immer die Zusammenarbeit mit Kräften des Ausgleichs. Sie wissen doch genausogut wie ich, daß die Unterstützung z. B. der salvadorianischen Guerilla mit ihren gravierenden Menschenrechtsverletzungen nicht weiterhilft. Wenn man Menschenrechtsverletzungen hier kritisiert, dann muß man das genauso in Nicaragua tun, genauso bei der Guerilla in El Salvador und genauso beim Sendero Luminoso in Peru.
({7})
Unsere Zielsetzung ist, die Kräfte der friedlichen Konfliktlösung und Demokratie zu stützen. Und dies bringen wir durch die Tat glaubwürdig zum Ausdruck.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Klose.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Menschenrechtsfrage ist kein innenpolitisches Kampfthema. Sie sollte es nach meiner Überzeugung jedenfalls nicht sein. Deshalb lassen Sie mich noch einmal in wenigen Worten zusammenfassen, worum es uns in dieser Aktuellen Stunde geht. Wir möchten jetzt und immer wieder, solange das nötig ist, die Öffentlichkeit auf die schrecklichen Menschenrechtsverletzungen in Guatemala hinweisen, auf die staatlich angeordneten oder geduldeten Morde in diesem unglücklichen Land.
({0})
Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil zwei Abgeordnete unserer Fraktion sich vor Ort über die Menschenrechtslage unterrichtet haben - sie sind erst am 1. April zurückgekehrt - und weil nach ihrem Besuch Angehörige von Opfern, mit denen die beiden Abgeordneten gesprochen haben und auf deren Gefährdung sie die Machthaber ausdrücklich hingewiesen haben, ermordet worden sind und weil der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dr. Warnke, am 20. April nach Guatemala reisen wird, um dort über Fragen und Projekte der Entwicklungszusammenarbeit nicht nur, aber im wesentlichen auch mit den dortigen Machthabern zu reden. Deshalb diese Aktuelle Stunde.
({1})
Meine Damen und Herren, der Bundesregierung sind, wie wir wissen, die schlimmen Menschenrechtsverletzungen in Guatemala bekannt. Herr Staatssekretär Köhler hat das hier erklärt, und Herr Staatsminister Möllemann hat in einem Schreiben an mich, für das ich danke, darauf hingewiesen. Daß dabei nicht immer und in jedem Einzelfall Klarheit zu erzielen ist, wer verantwortlich ist, wer gemordet hat und auf wessen Anweisung das geschah, das wissen wir alle. Daß aber die Sicherheitskräfte des Landes - zumal die Armee - stark beteiligt sind, wissen wir auch. Das weiß auch diese Bundesregierung.
Weil das so ist und weil es - wie ich hoffe - keine Meinungsverschiedenheiten in der Bewertung von Mord und Folter zwischen demokratischer Regierung und demokratischer Opposition
gibt, bitten und drängen wir die Regierung, ein Zeichen zu setzen, indem sie erstens alle offiziellen Kontakte zur Regierung in Guatemala nutzt, um Mord und Folter zu stoppen und um Aufklärung über Mord und Folter und über das Schicksal von Verschleppten zu verlangen, indem sie zweitens die Demokraten in Guatemala unterstützt und indem sie drittens gerade jetzt - wegen der aktuellen Situation in Guatemala - davon absieht, entwicklungspolitische Vereinbarungen mit den Machthabern in Guatemala zu unterzeichnen.
Kontakte mit Regierungen, die morden oder Mord dulden, sind, wie die Erfahrung leider zeigt, nicht zu vermeiden. Zusammenarbeit muß dagegen vermieden werden, um deutlich zu machen, daß es eine Grenze gibt, die zu überschreiten demokratische Politiker nicht bereit sind.
({2})
Herr Bundesminister Dr. Warnke soll nach Guatemala reisen - keiner spricht dagegen -, aber er soll den Machthabern dort unsere gemeinsame Bewertung von Mord und Folter schildern und ihnen klarmachen, daß wir Regierungen, die Menschenrechtsverletzungen begehen oder dulden und sich nicht scheuen, Angehörige von Opfern zu morden, nicht unterstützen können.
({3})
Um Unterstützung bitten wir für die in und außerhalb Guatemalas arbeitenden Menschenrechtsorganisationen; um Unterstützung bitten wir für die aktuell bedrohten Angehörigen der Opfer, die nichts anderes tun, als Auskunft über das Schicksal ihrer Söhne und Männer zu erbitten.
Herr Staatssekretär Köhler, ich bitte Sie sehr herzlich und sehr persönlich, Ihren reisenden Minister auf dieses besondere Anliegen des Deutschen Bundestages hinzuweisen.
Vielen Dank.
({4})
Das Wort hat der Herr Staatsminister Mertes.
Herr Präsident! Meine verehrten Kollegen! Ich möchte noch auf einen weiteren Gesichtspunkt hinweisen, nachdem ich gerade den konstruktiven Beitrag des Kollegen Klose gehört habe. Ich meine damit folgendes: Wir dürfen keine selektive Behandlung des Menschenrechtsthemas betreiben. Selbstverständlich ist es das Recht und - das möchte ich ausdrücklich sagen - auch die Pflicht der Opposition, die Regierung auf bestimmte Aspekte, deren Bedeutung dieser durchaus bekannt sind, noch einmal stärker und im Falle Guatemalas für Herrn Bundesminister Warnke sogar rückenstärkend hinzuweisen. Das ist nützlich, wenn es in der Form geschieht, wie es soeben gesagt wurde. Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, als ob wir gegenüber irgendeinem Lande verschiedene moralische Maßstäbe in Fragen der Menschenrechte und der Folter hätten.
({0})
Man darf aber auch nicht übersehen, daß ein Land wie Guatemala schließlich doch beeinflußbar ist. Ich war kürzlich in El Salvador und habe dort die Menschenrechtsverletzungen der Extremisten angesprochen; ich war vorher in Nicaragua und habe dort die Menschenrechtsverletzungen des herrschenden Regimes angesprochen; auch deshalb, weil mich eine Menschenrechtsgruppe in Managua selbst dringend darum gebeten hatte. Ich habe das selbstverständlich gern und aus Überzeugung getan. Ebenso selbstverständlich ist es aber doch, daß das der Kollege Warnke gegenüber den Machthabern in Guatemala tun wird. Wenn wir Rückenstärkung bekommen - ich bekäme sie übrigens gerne auch von Ihnen in Sachen Nicaragua, ich bitte sogar sehr um oppositionelle Rückenstärkung gegenüber den Sandinisten -, so ist das doch nur gut.
Dann noch eines: Das Ganze ist doch im Gesamtzusammenhang der Krise in Zentralamerika zu sehen. Diese Krise hat verschiedene Gründe. Wir kennen sie. Wir kennen auch die geschichtlichen Gründe, bei denen die Vereinigten Staaten in früheren Jahren und Jahrzehnten eine negative Rolle gespielt haben.
({1})
Wir brauchen uns doch gegenseitig nicht zu sagen, was die Geschichte und was das Problem ist. Wir dürfen aber auch nicht übersehen, daß bei der Meisterung der Krise in jenem Raum die ContadoraInitiative und die Prozedur, der Rahmen, den sie anbietet, eine große positive Rolle spielt. Hier spielt Nicaragua eine sehr positive und ausgleichende Rolle.
({2})
- Guatemala. Ich bitte sehr um Entschuldigung. Ich meinte natürlich Guatemala.
({3})
- Sie haben doch wohl Sinn für einen lapsus linguae.
Deshalb müssen wir Guatemala auch unter diesem Gesichtspunkt sehen. So sehen es auch die Mexikaner, die sich mir gegenüber sehr positiv über die konstruktive Rolle Guatemalas im ContadoraProzeß geäußert haben.
Verehrte Kollegen, es ist gut, wenn Sie in vernünftiger Form die Position der Bundesregierung unterstützen. In diesem Sinne wollen wir Ihr Drängen auch gern aufgreifen. Zwar wußte das alles der Kollege Warnke schon - das hat Ihnen ja Herr Köhler mit seinen so zutreffenden und angemessenen Aussagen bewiesen -, aber wenn die Opposition ihm hier ausdrücklich sagt: „Wie recht haben Sie, Herr Minister Warnke, daß Sie nach Guatemala reisen!", dann können wir das als Regierung nur begrüßen.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jäger ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Thema der Menschenrechte noch ein Wort für unsere Fraktion sagen.
Wir begrüßen es, daß sowohl der Kollege Mertes, der das übrigens schon schriftlich im März ganz deutlich und ausdrücklich getan hatte, als auch der Kollege Staatssekretär Köhler in der heutigen Aussprache ganz klar, ganz deutlich, ganz eindeutig die schweren und anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Guatemala kritisiert und verurteilt haben. Ich schließe mich den Kollegen an, die das hier auch namens unserer Fraktion getan haben, um damit klar und deutlich zu bekunden: Für uns gibt es in dieser Frage keine Doppelzüngigkeit und keine Doppelbödigkeit. Wir prangern Menschenrechtsverletzungen in jedem Teil der Welt an, wo auch immer sie geschehen, auch in Guatemala, meine Damen und Herren.
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Allerdings füge ich hinzu: Wer den Bericht gelesen hat, den der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen Lord Colville über seine Untersuchungen in Guatemala angestellt hat, muß zugeben, daß es falsch wäre, die Mordtaten, die Verschleppungen, die übrigen Menschenrechtsverletzungen ausschließlich und allein den Todesschwadronen, der Armee oder anderen von der Regierung gesteuerten Kräften zuzuschreiben, sondern daß sich auch Guerilleros linksextremistischer wie rechtsextremistischer Herkunft an diesen Taten beteiligt haben. Ich hätte erwartet, daß auch deren Schuld mit gleicher Deutlichkeit und mit gleicher Klarheit von den Sprechern der Opposition hier verurteilt worden wäre.
Meine Damen und Herren, uns scheint überhaupt, daß hier ein Defizit vorhanden ist. Ich habe noch nie gehört, daß Sie mit dem Eifer, und mit dem gleichen Nachdruck mit denen Sie jetzt dem Kollegen Warnke bei seiner Reise nach Guatemala gute Ratschläge zur klaren Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen mitgeben, Ministern oder Regierungsmitgliedern ähnliche Ratschläge mitgegeben hätten, die etwa in die Sowjetunion oder nach Polen gereist sind. Wir, Herr Kollege Klose, hätten es z. B. begrüßt, wenn Ihr Fraktionsvorsitzender bei seinem Besuch in Polen ein genauso deutliches Bekenntnis zu den Kräften der dortigen Opposition gegeben hätte, wenn er das Grab des Märtyrers Popieluszko besucht hätte, wenn er mit den Vertretern der Solidarnosc gesprochen hätte. Das hätte Ihre Ausführungen viel glaubwürdiger gemacht, mit denen Sie hier uns und der Bundesregierung Aufforderungen auf diesem Gebiet mit auf den Weg geben.
Meine Damen und Herren, ich teile die Auffassung, daß der Besuch des Bundesministers Warnke keine Aufwertung eines Militärregimes, sondern die Aufwertung eines demokratischen Prozesses, j a die Förderung und die Unterstützung eines demokratischen Prozesses ist, der nach allem, was die Fachleute sagen, allein in der Lage ist, die schrecklichen Untaten und Menschenrechtsverletzungen zu stoppen, die in diesem Land begangen werden.
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Meine Damen und Herren, auf die Scheuklappenargumente der Herren Vertreter der GRÜNEN brauche ich hier nicht einzugehen; sie sind von ideologischer Blindheit und nicht von objektiver Betrachtung der Situation gekennzeichnet. Ich setze mich mit dem auseinander, was die Opposition hier sagt, und wir sind uns darin einig, daß wir gemeinsam Menschenrechtsverletzungen verhindern müssen, wo wir das können, daß wir sie anprangern müssen, wo sie geschehen sind, und daß wir mit großer Deutlichkeit sagen müssen, wo die Grenzen unserer Zusammenarbeit liegen.
Aber dazu, Herr Kollege Klose, ein letzes Wort: Sie haben ein außerordentlich kühnes Wort gesprochen, als Sie sagten: Kontakte werden sich ja wohl nicht vermeiden lassen, aber Zusammenarbeit mit politischen Regierungen, die solche Taten hinnehmen, dulden oder gar aktiv fördern - nein. Ich bitte Sie, einmal darüber nachzudenken hinsichtlich, welcher Staaten auf der Welt ein solcher Satz, wenn er zur reinen Lehre erhoben würde, unsere Politik massiv beschränken würde. Die Hälfte der ganzen Ostpolitik könnten wir einstellen, wenn nach dieser von Ihnen liier postulierten Maxime verfahren würde. Ich kann nur sagen: Gott sei Dank verfährt die Bundesregierung nicht nach dieser Maxime, sondern nach der Maxime: überall mit Kontakten und mit Zusammenarbeit, gegen Verletzung der Menschenrechte, für Freiheit, für positive Entwicklung, für Demokratie kämpfen. Meine Damen und Herren, mit dieser Methode wird diese Regierung auch in Guatemala Erfolge erzielen, und wir wünschen sie ihr.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Niegel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, als Mitglied der CSU-Landesgruppe heute sagen zu dürfen und sagen zu müssen, daß einer der ersten, der unter den Menschenrechtsverletzungen gelitten hat und zu Tode gekommen ist, unser ehemaliges Mitglied und deutscher Botschafter in Guatemala Karl Graf von Spreti gewesen ist, der am 12. April 1970 dort von den Linken umgebracht worden ist.
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- Herr Duve, was Sie vorhin gesagt haben, kann man genauso ummünzen.
Ich unterstütze das, was mein Kollege Jäger ({1}) sagte: Menschenrechtsverletzungen muß man anprangern, ob sie von rechts oder links geschehen. Manchmal glaubt man, daß Sie über ein
anderes Land gesprochen haben, das gar nicht Guatemala, sondern Nicaragua heißt, oder daß Sie hier ein Land des Ostblocks herausgestellt haben.
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Ich möchte genauso den Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission, Herrn Colville, zitieren, der ohne Behinderungen Untersuchungen im Lande angestellt hat. Er hat ein Gutachten angefertigt. Er hat gesagt, daß Menschenrechtsverletzungen in Guatemala nicht einer Seite allein, vor allem nicht der staatlichen Seite allein, anzulasten sind.
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Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß sich ausgerechnet die Regierung, die bereit ist, demokratische Wahlen durchzuführen, einen schlechten Abgang im Zusammenhang mit den Vorgängen um Mitglieder der Frauenbewegung und der Mütterorganisation verschafft hat, so bedauerlich die Situation auch gewesen ist.
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Was nützen letztlich Ihre Anklagen der beginnenden Demokratisierung? Guatemala will den Pluralismus herbeiführen. Man kann, wie es jetzt ist, unter vier Parteien, unter vier Präsidentschaftskandidaten auswählen. Es werden wahrscheinlich auch die Sozialdemokraten hinzukommen. Es wird eine Blockfreiheit praktiziert, es wird eine marktwirtschaftliche Ordnung versucht. Es wird kein Export von Gewalt, keine Destabilisierung in anderen Ländern durchgeführt.
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Das alles betreiben gerade die Freunde, die Sie heute herausgestellt haben, nämlich die Sandinisten in Nicaragua.
Man muß eines sehen: Die Guerilla, die dort im Lande arbeitet, will nicht, daß Wahlen durchgeführt werden. Sie will destabilisieren. Sehr viele Morde gehen auch zu Lasten der Guerilla. Wenn nämlich Unruhe herrscht, dann werden keine Wahlen veranstaltet werden können. Dann werden sie diese Wahlen verhindern.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Duve?
Wenn es nicht angerechnet wird.
Sie bekommen die Zeit nicht gutgeschrieben; das geht auf Ihr Konto. - Trotzdem.
Herr Kollege, Sie haben in Ihrer bemerkenswerten Rede eben den Bericht des Sonderbeauftragten der UNO erwähnt. Ist Ihnen bekannt, daß der beauftragende Ausschuß der UNO in Genf diesen Bericht auch mit der Stimme der Bundesregierung und der Stimme der Vereinigten Staaten von Nordamerika zurückgewiesen hat und den Sonderbeauftragten anwies, anders und auf andere Weise im Land zu recherchieren, als er es in seinem ersten vorgelegten Bericht getan hat? Teilen Sie meine Meinung, daß in dieser Zurückweisung eine erhebliche Kritik an dem Verfahren der Findung des Sonderkommissars liegt?
Der Vertreter der UNO, Lord Colville, war im Lande und hat sich ungeniert im Lande aufhalten können. Er hat den Bericht mit seinem Namen abgegeben. Ich zweifele nicht an der Rechtmäßigkeit seines Berichts.
Im übrigen kenne ich ebenfalls das Land durch mehrere Besuche; nicht so wie Sie nur durch einen Blitzbesuch.
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Jedenfalls ist dort der Wille zur Demokratisierung vorhanden. Am 31. Mai wird die Verfassung vorgelegt werden. Es wird ein Wahlgesetz ausgearbeitet. Es wird auch zu dem alten Recht des Habeas corpus zurückgeführt werden.
Ich glaube, wir helfen der Demokratisierung im Lande nicht, wenn wir jetzt Kritik üben und wenn wir keine Kontakte zu der jetzigen Regierung halten. Meine Damen und Herren, wir sollten dankbar sein für den Besuch von Minister Warnke, der der Demokratisierung Auftrieb geben wird. Wir werden das unterstützen.
Ich kann eines sagen: Wenn wir vor zwei oder drei Jahren Ihren Vorschlägen gefolgt wären, wäre es nicht möglich gewesen, daß Duarte 1982 die Wahlen in El Salvador durchführte. Heute ist es so: Das Volk hat seine Haltung bestätigt. Er hat auch die Militärs so im Griff, daß sie einer demokratischen Regierung Achtung zubilligen. Dort ist die Zahl der Menschenrechtsverletzungen zurückgegangen.
Ich darf abschließend noch an Sie appellieren. Hätten Sie doch Nicaragua besucht und die dortigen Menschenrechtsverletzungen aufgeklärt. 3 000 bis 4 000 politische Gefangene sind in Gefängnissen. Demnächst wird eine Ausstellung in Bonn zum Thema „Nicaragua libre" stattfinden. Dort werden die Menschenrechtsverletzungen gezeigt werden. Ich hoffe, daß die Vertreter der Opposition anwesend sind.
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Wir sind am Ende der Aktuellen Stunde und damit auch am Ende unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 18. April 1985, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.