Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach seiner Wahl zum Wehrbeauftragten hat Abgeordneter Willi Weiskirch ({0}) am 20. März 1985 auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet.
Abgeordneter Dieter Burgmann hat auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag zum 16. März 1985 verzichtet.
Als sein Nachfolger hat Herr Axel Vogel ({1}) am 16. März 1985 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ist er im Saal? - Ich begrüße Sie.
Abgeordneter Jürgen Reents hat zum 20. März 1985 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als sein Nachfolger hat Herr Christian Schmidt ({2}) am 22. März 1985 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. - Ich begrüße Sie herzlich und wünsche eine gute Zusammenarbeit.
Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 10/3067, 10/3073, 10/3076 Wir kommen zunächst zu den Dringlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Karwatzki zur Verfügung.
Ich rufe die Dringliche Frage 1 der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz auf:
Trifft es zu, daß der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit mit Wirkung vom 1. April 1985 die Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, eine der zwei einzigen weiblichen Behördenleiterinnen im Geschäftsbereich des Bundes, gegen ihren Willen von ihrem Amt entbinden und sie als Referatsleiterin in das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit versetzen will?
Frau Kollegin Glotz, ich beantworte Ihre Frage mit Ja. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
wird jedoch auch in Zukunft von einer Frau geleitet, einer Ärztin mit Amtsarztexamen und besonderen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der gesundheitlichen Aufklärung. Durch die Versetzung von Frau Dr. Canaris in das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit wird sich dort die Zahl der Frauen, die als Referatsleiterin tätig sind, auf zehn erhöhen. 1982 waren übrigens nur sechs Frauen als Referatsleiterin in unserem Ministerium tätig.
Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Frau Staatssekretärin, könnten Sie mir die Frage beantworten, ob denn irgendwelche sachlichen Einwände gegen die Arbeit der Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geltend gemacht wurden und welche Gründe es nach Ihrer Meinung erforderlich machen, hier zwingend eine Medizinerin für diesen Posten vorzusehen?
Gesundheit hat im weitesten Sinne auch immer etwas mit ärztlicher Tätigkeit zu tun. Ich bin der festen Überzeugung, daß es richtiger ist, daß an dieser Stelle von der Sachkompetenz her eine Ärztin tätig ist.
Weitere Zusatzfrage.
Meine erste Frage haben Sie nicht beantwortet. Ich hatte gefragt, ob es sachliche Kritik an der Arbeit der Leiterin gegeben hat. Ich bitte, mir das nicht als Sonderfrage anzurechnen, sondern es war ein Fragebestandteil.
Ich habe aus meiner Sicht die Frage dahin beantwortet, daß ich der Überzeugung bin, daß dort eine Ärztin für die Arbeit hingehört.
Zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Dann möchte ich Sie fragen, Frau Staatssekretärin, welche fachlichen Qualifikationen die promovierte Erziehungswissenschaftlerin mit Erfahrungen in der Kommunika9424
tionstechnik und in empirischer Sozialforschung, die Frau Dr. Canaris ist, denn dafür mitbringt, zukünftig das ausdrücklich für einen Mediziner ausgeschriebene Referat III 41 - Gesundheitshilfe auf dem Gebiet der somatischen Krankheiten und Sozialhygiene - mit der entsprechenden Fachaufsicht über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung auszuüben.
Das Referat wird zukünftig mit zwei Referatsleitern besetzt, mit einem Arzt und mit Frau Dr. Canaris.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Braun.
Frau Kollegin, können Sie mir, wenn jetzt neuerdings die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit einer Ärztin besetzt werden soll, vielleicht die Frage beantworten, welchen Werdegang, welche berufliche Ausbildung die bisherige Leiterin hatte?
Die Frau Kollegin Glotz hat ja eben schon etwas angeführt; aber ich habe mich natürlich auch auf so etwas vorbereitet. Laut tabellarischem Lebenslauf hat Frau Canaris studiert: Theaterwissenschaft, Philosophie, Altphilologie, Germanistik, Kunstgeschichte, Soziologie, Geschichte und Erziehungswissenschaft.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schmedt.
Frau Staatssekretärin, hat es in der letzten Zeit in Fragen der Personalplanung im höheren Dienst der BZGA unterschiedliche Auffassungen gegeben zwischen fachlichen Überlegungen der Leitung der BZGA und internen Überlegungen der zentralen Verwaltungsabteilung des BMJFG, und wie haben sich die Entscheidungen des BMJFG auf die Arbeit der BZGA ausgewirkt, z. B. Stellenabzug, Kündigung, Beförderungsfragen, Einstellungen?
Frau Kollegin, ich bedaure, ich habe das schon akustisch gar nicht verstanden. Daher kann ich darauf leider nicht antworten.
({0})
- Die Frau Präsidentin muß das genehmigen.
Ich möchte darum bitten, die Frage möglichst kurz zu stellen.
Hat es in der letzten Zeit in Fragen der Personalplanung im höheren Dienst der BZGA unterschiedliche Auffassungen gegeben zwischen fachlichen Überlegungen der Leitung der BZGA und internen Überlegungen der zentralen Verwaltungsabteilung des BMJFG, und wie haben sich die Entscheidungen des BMJFG auf die Arbeit der BZGA ausgewirkt, z. B. bei Stellenabzug, Kündigung, Beförderungsfragen, Einstellungen?
Soweit mir bekannt ist, gibt es in der BZGA weder Kündigungen noch Neuschaffung von Stellen. Auf Ihre Frage kann ich mit einem klaren Nein antworten: Es gibt so etwas nicht.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher.
Frau Staatssekretär, da Sie sicher wissen, daß ich mit Herrn Bundesminister Geißler in dieser Frage auch korrespondiert habe, möchte ich Sie fragen, ob die zurückberufene Dame, deren hohen Bildungs- und Studiengrad Sie gerade verlesen haben, die nun in einem Referat für überwiegend psychosomatische Gesundheitshilfe Verwendung finden soll, dort am richtigen Platz ist, selbst wenn auch ein Arzt dort tätig ist. Wie ist es zu begründen, sie von einer Stelle, auf der sie sich bewährt hat, abzuberufen und sie an eine neue Stelle zu setzen, die viel ausschließlicher gesundheitlicher Vorkenntnisse erfordert, als das bei der gesundheitlichen Aufklärung der Fall war?
({0})
Frau Kollegin Hamm-Brücher, dieser Meinung bin ich nicht. Die Fachaufsicht in unserem Hause hat auch etwas mit Öffentlichkeitsarbeit zu tun, so daß Frau Canaris diesen Teilbereich in jedem Fall dort mit hineinnehmen kann, und sie erhält auch die Aufgabe, die Fachaufsicht über die BZGA zu übernehmen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Blunck.
Frau Staatssekretärin, da ich davon ausgehe, daß Ihnen dieses Material, die Spiele und das, was ich hier in den Händen halte, bekannt ist, möchte ich Sie fragen - das ist alles Material von der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung -, warum die neue Leiterin, um so etwas an den Mann, an die Frau, an die Bevölkerung zu bringen und damit aufklärerisch zu wirken, unbedingt ein Amtsarztexamen haben muß.
Ich habe nicht darauf abgehoben, daß sie Amtsärztin ist, sondern darauf, daß sie Ärztin ist, und das halte ich in diesem Feld für außerordentlich wichtig.
({0})
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Weyel.
Frau Staatssekretärin, in der neuen Richtlinie für die Bundeszentrale heißt es:
Wichtig ist, daß gesundheitliche Aufklärung und Erziehung als Teil der allgemeinen Erziehung und Bildung verstanden und in diese integriert werden. Wissensvermittlung allein wird bei dieser Aufgabenstellung nicht ausreichen, Wissen muß in Verhalten umgesetzt, dieses eingeübt und stabilisiert werden.
Glauben Sie nicht, daß die Vorbildung von Frau Dr. Canaris diesen Anforderungen mindestens genausogut entspricht wie die einer Ärztin?
Frau Kollegin Weyel, ich bin anderer Meinung. Ich bin auf Grund der Überlegungen und auf Grund der Konzeption sehr wohl der Meinung, daß an die Spitze dieser Bundeszentrale eine Ärztin gehört.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schmidt ({0}).
Frau Staatssekretärin, hat es Beanstandungen der Arbeit von Frau Dr. Canaris gegeben, und wenn ja, welche?
Frau Kollegin Schmidt, diese Frage steht im Zusammenhang mit unserer Entscheidung nicht zur Debatte. Ich habe dargelegt, daß wir aus grundsätzlichen Erwägungen eine Ärztin an die Spitze dieses Amtes stellen möchten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jaunich.
Frau Staatssekretärin, welche Bedeutung mißt die Bundesregierung bei der Funktion der Führung einer Institution, die sich primär der gesundheitlichen Aufklärung zu widmen hat, pädagogischen Qualifikationen bei?
Ich gehe davon aus, daß die neue Ärztin diese Qualifikation ebenfalls mitbringt; das hat sie unter Beweis gestellt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Frau Staatssekretärin, wenn Sie die medizinische Ausbildung kennen, möchte ich Sie fragen, ob in dieser medizinischen Ausbildung wirklich auch das an pädagogisch-soziologischer Ausbildung erfolgt, was notwendig ist, um tatsächlich eine Aufklärung im Sinne der Gesundheitsvorsorge und -fürsorge zu leisten.
Die Dame, die wir einstellen, bringt einschlägige Erfahrungen gerade auf dem Felde der Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit und im gesundheitlichen Dienst mit, Herr Kollege Immer.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.
Frau Staatssekretärin, wie lange hat Frau Canaris das Amt ausgeübt, und an welchen Stellen und wie oft ist Ihnen negativ aufgefallen, daß sie keine Ärztin ist? Denn allein die Tatsache, daß sie nicht Ärztin ist, kann doch wohl nicht der Grund sein; es müssen ja an irgendeiner Stelle fachliche Gründe gegeben sein. Wenn aber nicht, welche Gründe waren es dann?
Uns wird aus der Öffentlichkeit, auch und insbesondere aus der
Ärzteschaft, nachdrücklich signalisiert und sehr deutlich gemacht, daß aus dem Hause, aus der Bundeszentrale, nicht das Aufklärungsmaterial kommt, das B. der Sicht der Ärzte erforderlich ist. Das ist das eine.
({0})
- Entschuldigung, auch der Patienten, aber die Ärzte haben mit den Patienten immer noch etwas zu tun, Herr Kollege Immer.
Zu Ihrer ersten Frage: Frau Canaris leitet dieses Amt seit dem 22. September 1982.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schwenk.
Frau Staatssekretärin, Sie haben eben gesagt, die neue Dienststellenleiterin habe ihre Fähigkeiten in bezug auf Öffentlichkeitsarbeit unter Beweis gestellt. Deshalb frage ich: Welche Öffentlichkeitsarbeit hat sie bisher geleistet, wodurch sind die entsprechenden Fähigkeiten ausgewiesen, wodurch sind die Fähigkeiten ausgewiesen, schwierige medizinische Sachverhalte in eine klare und verständliche Form zu bringen? Und weiterhin: Wodurch ist sichergestellt, daß hier nicht etwa ein Aufklärungsbedarf der Ärzte, sondern der Aufklärungsbedarf der breiten Schichten der Bevölkerung befriedigt wird?
({0})
Denn das Amt soll ja gerade diese Aufgabe erfüllen und nicht eine Aufklärungsstelle für Ärzte sein.
Herr Kollege, wenn es so ist, daß sich die Ärzte verpflichtet fühlen, Aufklärungsarbeiten auf dem Felde der Gesundheitsvorsorge - auch und insbesondere für Kinder - zu leisten, können Sie daran schon feststellen, daß es einen Mangel gibt, den man uns an Hand fachlicher und sachlicher Argumente deutlich dargelegt hat. Das ist das eine.
Das zweite: Wenn Sie im ersten Satz gefragt haben, wo sich die Ärztin, die zukünftige Leiterin des Amtes, ausgewiesen hat, dann kann ich Ihnen sagen, daß sie entsprechende Konzepte auf dem Felde der Frühförderung behinderter Kinder, im Bereich der Jugendzahnpflege und auf dem Gebiet der Schulgesundheitspflege, z. B. bei der Standardisierung von Maßnahmen bei Einschulungsuntersuchungen, erarbeitet und veröffentlicht hat. Ich könnte da jetzt noch eine lange Liste vorlesen. Ich denke schon, daß sie auch diese Qualifikation, öffentlichkeitswirksame Arbeit für uns zu leisten, mitbringt.
Die letzte Zusatzfrage dazu, Frau Simonis.
Frau Staatssekretärin, nachdem einem anderen Präsidenten aus dem Ihrem Hause nachgeordneten Bereich durch Ihre Person mit Verve, mit Engagement und sehr schnell Hilfe zuteil geworden ist - im übrigen handelt es sich
um einen Mann, den Sie als Frau damals so verteidigt haben -, frage ich Sie jetzt einmal, ob Sie uns nicht vielleicht als Frau eine Antwort darauf geben können, was folgende Maßnahmen, die die Zentrale durchgeführt hat, nämlich: Aktion „Reden ist Silber, Helfen ist Gold", flankierende Öffentlichkeitsmaßnahmen, Sexualpädagogik für Jugendliche, Freizeitangebote für Familien, Abbau von Vorurteilen gegenüber Behinderten usw., dazu hätten beitragen können, Ärzte schlauer zu machen, und ob nicht genau dies die Aufgaben gewesen sind, deren Erfüllung wir von der Zentrale erwartet haben und die hervorragend erfüllt worden sind.
Frau Kollegin Simonis, ich setze mich grundsätzlich immer für Mitarbeiter unseres eigenen Hauses wie auch nachgeordneter Behörden ein - das ist unsere Aufgabe -, es sei denn, sie haben ein Fehlverhalten an den Tag gelegt.
Zu den jetzt von Ihnen aufgeführten wenigen Informationsblättern, die herausgegeben worden sind, möchte ich anmerken, daß der gesamte ärztliche Teil von den Ärzten im Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit erstellt wurde. Daraus können Sie schon schließen, daß der gesundheitliche Bereich nicht in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, sondern im Ministerium bearbeitet wurde.
Ich rufe die Dringliche Frage 2 der Frau Abgeordneten Dr. Martiny-Glotz auf:
Welches sind die zwingenden Gründe, die nach Auffassung des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit die plötzliche und überstürzte Entfernung aus dem Amt der Behördenleiterin unumgänglich machen?
Von einer plötzlichen und überstürzten Versetzung kann nicht die Rede sein. Frau Dr. Canaris ist vielmehr bereits am 26. Februar 1985 zu der bevorstehenden Versetzung angehört worden.
Der Grund für die Versetzung liegt darin - das habe ich eben ausgeführt -, daß gesundheitliche Aufklärung mit ihrer zunehmenden Bedeutung für die Volksgesundheit wirkungsvoll nur mit ärztlichem Fachwissen sowie zusätzlichen Erfahrungen und Kenntnissen auf diesem Gebiet des Gesundheitswesens geleistet werden kann. Über beides verfügt die neue Leiterin der Bundeszentrale mit ihrer ärztlichen Vorbildung und mehrjähriger beruflicher Tätigkeit auf dem Gebiet der gesundheitlichen Aufklärung, dem sie sich daneben in einer Reihe von Organisationen auch ehrenamtlich gewidmet hat.
Frau Dr. Canaris soll die in der Bundeszentrale gesammelten Erfahrungen als Leiterin des Referats „Gesundheitshilfe und -vorsorge auf dem Gebiet der somatischen Krankheiten; Sozialhygiene" einbringen. Dieses bis zum Ausscheiden des letzten Stelleninhabers nur von einem Arzt geleitete Referat soll künftig von Frau Dr. Canaris und einem Arzt geleitet werden, so daß im Ministerium die von
Frau Canaris insbesondere auf Grund ihrer Erfahrungen erworbenen Kenntnisse und ärztliches Fachwissen einander wirksam ergänzen werden.
Eine Zusatzfrage, bitte, Frau Dr. Glotz.
Ich bitte um Verzeihung, Frau Staatssekretärin: Soweit mir bekannt ist, hat die Ankündigung einer Versetzung am 26. Februar 1985 stattgefunden. Frau Canaris hat dem widersprochen, und am vergangenen Freitag hat es ein Gespräch zwischen Herrn Minister Geißler und Frau Canaris gegeben. Die Versetzung soll am nächsten Montag, am 1. April, in Kraft treten. Entspricht es den Vorstellungen des Frauenförderungsministers und der staatlichen Fürsorgepflicht für weibliche Beschäftigte, daß man einer Mutter einer dreijährigen Tochter zumutet, im Laufe von noch nicht einmal zehn Tagen einen neuen Arbeitsplatz anzutreten, der mit täglich mehr als eineinhalbstündiger zusätzlicher Fahrzeit verbunden ist?
Frau Kollegin Glotz, die Anhörung hat am 26. Februar 1985 stattgefunden. Das ist das Datum, das die Grundlage bildet.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Martiny-Glotz.
Könnten Sie verneinen, daß es auch politische Differenzen sind, die den Herrn Minister veranlassen, Frau Dr. Canaris aus diesem Amt abzuberufen?
Ja, sonst hätte die Versetzung viel früher geschehen müssen.
({0})
Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Lepsius.
Frau Staatssekretärin, habe ich richtig verstanden, daß bei der Leiterin der Bundeszentrale kein Fehlverhalten vorliegt, und muß aus Ihren Ausführungen geschlossen werden, daß aber die Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei den Charakter des Fehlverhaltens hat und deswegen eine Absetzung erfolgt?
Sie haben von der Sozialdemokratischen Partei gesprochen, ich nicht.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Blunck.
Frau Staatssekretärin, Sie haben soeben ausgeführt, es seien keine politischen Gründe, es seien keine fachlichen Gründe. Aber sie ist entlassen worden. Warum?
Frau Kollegin Blunck, irgendwo haben wir, glaube ich, KomParl. Staatssekretär Frau Karwatzki munikationsschwierigkeiten. Sie ist nicht entlassen worden, damit das klar ist.
({0})
Sie ist auf eine adäquate Stelle in unserem Haus versetzt worden. Ich habe hier zum wiederholten Male erklärt, daß es aus unserer Sicht dringend erforderlich ist, daß an der Spitze der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung eine Ärztin steht.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jaunich.
Frau Staatssekretärin, soweit Sie sich nicht auf eigene Wertungen beziehen, darf ich Sie bitten, dem Hause mitzuteilen, welche namhaften Institutionen oder Einzelpersonen in der Vergangenheit mangelnde Fachlichkeit in der Leitung der BZGA vorgetragen haben?
Herr Jaunich, die kann ich Ihnen natürlich jetzt aus dem Stegreif nicht nennen. Ich kann Ihnen aber durchaus sagen, daß es bei uns entsprechende Briefe gibt, die dies deutlich machen. Unabhängig von der Tatsache, ob es das gibt oder nicht, möchte ich noch einmal sehr klar erklären: Aus unserer Verantwortung heraus sind wir der Meinung, daß es dringend erforderlich ist, daß eine Ärztin an die Spitze kommt.
({0})
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher.
Frau Staatssekretär, Sie haben gesagt, fachliche Beanstandungen hätten gegen Frau Dr. Canaris nicht vorgelegen. Ist es dann nicht völlig unlogisch, Frau Dr. Canaris in ein Referat zu versetzen, in dem, wie Sie gesagt haben, medizinische Fachkenntnisse benötigt werden,
({0})
und eine angeblich bewährte Leiterin in diesen Bereich zu versetzen? Wäre es nicht umgekehrt viel besser gewesen, Sie hätten Frau Dr. Canaris auf dem Posten, auf dem sie sich bewährt hat, gelassen und die Ärztin in das Referat, in dem medizinische Vorkenntnisse erforderlich sind, berufen?
({1})
Frau Kollegin Hamm-Brücher, Sie wollen, so glaube ich, auch nicht zuhören.
({0})
Ich habe auch deutlich gemacht, daß wir das Referat mit zwei Leuten besetzen werden, und zwar auch dort mit einer Ärztin und mit Frau Dr. Canaris. Dann kann sie dort all ihren Sach- und Fachverstand in bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit und im Sinne der Fachaufsicht einbringen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Weyel.
Frau Staatssekretärin, eine weibliche Behördenleiterin ist durch eine andere weibliche Behördenleiterin ersetzt worden. Hätte es den Beschlüssen des CDU-Parteitages nicht besser entsprochen, wenn man statt dessen eine dritte Behörde mit einer weiblichen Leiterin versehen hätte?
({0})
Frau Kollegin Weyel, ich habe ja eingangs ausgeführt: Als wir die Regierung übernahmen, gab es bei uns im. Hause sechs Referatsleiterinnen, in nur zwei Jahren vier weitere; zusammen also zehn. Seien Sie sicher: Ich werde dafür Sorge tragen, daß auch weiterhin die im Wettbewerb mit den Männern entsprechend qualifizierten Frauen auf diese Positionen kommen.
Zur Abwechslung Herr Abgeordneter Riedl.
Frau Präsidentin, vielen Dank. Vielleicht nicht zur Abwechslung, sondern zur Aufklärung: Frau Staatssekretärin, sind Sie willens und vielleicht in der Lage, den anwesenden früheren Staatsminister im Bundeskanzleramt, Herrn Huonker, zu fragen, wie viele tausende Versetzungen es innerhalb der Regierungszeit der sozialliberalen Koalition im Bereich der Bundesbehörden gegeben hat
({0})
und daß wir, wenn wir diese Versetzungen im Bundestag diskutiert hätten, einige Monate gebraucht hätten, um die alle einzeln zu besprechen?
({1})
Der Herr Kollege wird volles Verständnis dafür haben, daß ich diese Frage nicht zulassen kann.
({0})
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Simonis.
Frau Staatssekretärin, ist es möglich, daß bei der Bundeszentrale eine Medizinerin gebraucht wird, um Ärzte darüber aufzuklären, was der Präsident des Bundesgesundheitsamtes unter Umständen wegen Belastung an anderer Stelle nicht mehr schaffen kann?
({0})
Frau Kollegin Simonis, wir treten ja jetzt nicht in einen Wettstreit ein, wer vielleicht die besseren Formulierungen findet, um wem auch immer etwas anhaben zu wollen. Ich halte es zumindest nicht für fair, daß Sie die andere Sache, die j a morgen im Rechnungsprüfungsausschuß wieder ansteht, hier zum Mittelpunkt einer Erörterung machen. Hier werden nämlich Äpfel mit Birnen verwechselt. Von daher bin
ich nicht bereit, Ihnen darauf eine Antwort zu geben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Heistermann.
Frau Staatssekretärin, können Sie Auskunft darüber geben, ob bei der neuen Leiterin neben der persönlichen Qualifikation auch die Frage durch den Herrn Minister geprüft worden ist, welche Parteizugehörigkeit sie nun hat?
Soweit mir bekannt ist, gehört die neue Leiterin keiner Partei an.
({0})
- Herr Kollege Immer, ich würde da nicht so lachen, es ist so.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, wie viele Ärzte oder Ärztinnen in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beschäftigt sind, auf die also im Zweifel auch eine Nichtärztin hätte zurückgreifen können mit dem Ziel, das, was die Ärzte ihr zuarbeiten, all-gemeinverständlich unter die Leute zu bringen?
Frau Kollegin Matthäus-Maier, wir haben im letzten Jahr - gegen den Willen von Frau Canaris - eineinhalb Ärztinnen eingestellt.
({0})
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lambinus.
Frau Staatssekretärin, ich möchte an eine Frage der Kollegin Simonis anknüpfen. Ich habe hier einige Publikationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung - „Rauchzeichen - Signale für Eltern, damit ihre Kinder unabhängig bleiben" - in der Hand.
Welche Frage stellen Sie, bitte?
Ich möchte an Hand solcher Publikationen die Frage stellen, ob die Frau Staatssekretärin mir erklären kann, warum ein Arzt in der Lage sein soll, die Dinge, die hier im Interesse der Volksgesundheit klargemacht werden sollen, besser darzustellen, als es hier geschehen ist.
Ich habe es soeben schon einmal ausgeführt, ich will es gerne wiederholen: Das gesamte Material ist, soweit es den Gesundheitsaspekt direkt angeht und die Ärzte in die Verantwortung genommen wurden im Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit von den dort angestellten und beamteten Ärzten aufbereitet worden.
Danke schön, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe die Dringliche Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, der Auslieferung des Kurden Emin Ylmaz, der sich in Berlin in Auslieferungshaft befindet, an die Türkei zuzustimmen, obwohl er vom Verwaltungsgericht Hannover als politischer Flüchtling anerkannt worden ist?
Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Erhard zur Verfügung. Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Hirsch, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Das Bundesministerium der Justiz hat durch fernschriftliche Mitteilung der beteiligten Landesjustizverwaltungen am 18./19. März dieses Jahres erfahren, daß Mehmet Emin Ylmaz, den das Verwaltungsgericht Hannover am 18. März 1985 als Asylberechtigten anerkannt hat, am selben Tage auf Grund des Auslieferungshaftbefehls des Kammergerichts in Berlin vom 7. März 1985 im Hinblick auf das türkische Auslieferungsersuchen vom 29. Januar 1985 in Hannover in Auslieferungshaft genommen worden war.
Mit Fernschreiben vom 19. März 1985 hat der Bundesminister der Justiz der Landesjustizverwaltung Berlin mitgeteilt, daß die Bundesregierung nicht vor Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils über die Bewilligung des türkischen Ersuchens entscheiden werde. Er gehe aber angesichts der bisher vorliegenden Erkenntnisse und Überlegungen davon aus, daß nach Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover mit der Bewilligung der Auslieferung durch die Bundesregierung nicht zu rechnen sein werde. Die Landesjustizverwaltung Berlin hat daraufhin am 26. März 1985 mitgeteilt, daß das Kammergericht den gegen den Verfolgten erlassenen Auslieferungshaftbefehl wegen Wegfalls des Haftgrundes aufgehoben hat; der Betroffene wurde auf freien Fuß gesetzt.
Die zuständige Staatsanwaltschaft hat die Akten des verwaltungsgerichtlichen Asylverfahrens angefordert. Sobald sie vorliegen, werden die abschließenden Entscheidungen des Gerichts über die Zulässigkeit und der Bundesregierung über die Bewilligung der Auslieferung getroffen werden.
An der gegenüber der Landesjustizverwaltung Berlin geäußerten vorläufigen Prognose für die im Fall der Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu erwartende Entscheidung halte ich fest. Das heißt: Eine Auslieferung ist nicht zu erwarten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, das ist, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, eine sehr befriedigende Antwort. Darf ich fragen, wann Sie mit der abschließenden Entscheidung der beiden beteiligten Bundesminister rechnen.
Die Voraussetzung ist, daß das Gericht entscheidet. Sobald das gescheParl. Staatssekretär Erhard
hen ist, wird hier entschieden. Und ich wiederhole: Da gibt's keine Auflieferung.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Sie bestätigen mir also, daß es der traditionellen Politik der Bundesregierung entspricht, anerkannte politische Flüchtlinge nicht an den Verfolgerstaat auszuliefern?
Ich habe im Moment keine Veranlassung, irgend etwas von einer abweichenden Haltung der Bundesregierung im Verhältnis zu früheren Entscheidungen zu sagen.
Danke sehr, Herr Staatssekretär. Wir können gleich mit Ihrem Ressort fortfahren. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf, und zwar die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}):
Wann ist - entsprechend der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 4. Mai 1983, Abschnitt II - mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Erleichterung des Adoptionsrechts im Sinne eines wirksamen Schutzes des ungeborenen Lebens zu rechnen?
Herr Kollege Jäger, der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat unter Beteiligung von Fachleuten aus der Adoptionsvermittlungspraxis einen umfassenden Bericht über die Adoptionspraxis im Bundesgebiet von 1977 bis Mitte 1984 ausgearbeitet und diesen dem Bundeskabinett vorgelegt. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, daß sich das am 1. Januar 1977 in Kraft getretene neue Adoptions- und Adoptionsvermittlungsrecht in der Praxis bewährt hat. Der Bericht kommt weiter zu dem Ergebnis, daß Hemmnisse gegen die Adoptionsfreigabe sich weniger durch Änderungen der gesetzlichen Regelungen für die Adoption als vielmehr durch Verbesserungen im psychosozialen Bereich sowie durch Verbesserungen der flankierenden Maßnahmen bei der Adoptionsfreigabe abbauen lassen.
Änderungen des Adoptionsrechts sind bei dieser Sachlage zur Zeit nicht beabsichtigt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, teilt denn die Bundesregierung die Auffassung dieses Gutachtens, daß sich angesichts einer Zahl von über 20 000, wie mir die Bundesregierung selbst vor etwa einem halben Jahr mitgeteilt hat, Adoptionswilligen, die kein Adoptionskind bekommen können, eine Regelung bewährt habe, die es zu einem solchen Mißstand - ich setze dagegen: über 200 000 Abtreibungen im Jahr - hat kommen lassen?
Herr Kollege Jäger, die Adoption richtet sich immer auf ein lebendes Kind. Wenn kein Kind da ist, aber große Wünsche zur Adoption vorhanden sind, kann man die Wünsche nicht befriedigen. Daß durch die Adoptionsmöglichtkeit in nennenswertem Umfang mehr Kinder geboren würden, ist eine Hoffnung. Es gibt aber keine nennenswerten Gründe, die diese Hoffnung als berechtigt erscheinen lassen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 die Reform des Adoptionsrechts nicht etwa vom Vorliegen irgendeines Gutachtens oder einer Untersuchung abhängig gemacht hat, sondern ohne jede Bedingung als ein Ziel der Politik der Bundesregierung angekündigt hat, ist der Bundeskanzler damals von einer falschen Voraussetzung ausgegangen, oder haben ihn die beteiligten Ressorts vor Abgabe dieser Regierungserklärung nicht richtig informiert?
Hochverehrter Herr Kollege Jäger, wie soll ich die Frage beantworten, was in dem Herrn Bundeskanzler vorgegangen ist? Jedenfalls ist von der Bundesregierung dieses Gutachten in Auftrag gegeben worden, und zwar vom Familienminister Geißler. Daß dieses Gutachten, diese konkrete Aufarbeitung der bekannten Fälle zu den von mir eben geschilderten Ergebnissen gekommen ist, ist eine Tatsache, die auch eine Bundesregierung zur Kenntnis nehmen muß.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schwenk.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß das Adoptionsrecht vorrangig dem Interesse adoptionsfreigegebener Kinder und nicht dem Interesse adoptionswilliger Eltern dienen soll, und können Sie mir versichern, daß die Bundesregierung nicht daran denkt, eine pränatale Adoption einzuführen, wie sie möglicherweise hinter der Fragestellung steht, die hier ausgedruckt ist?
Herr Kollege Dr. Schwenk, das waren zwei Fragen. Lassen Sie mich zunächst versuchen, die erste zu beantworten.
Was mache ich nun? Ich darf nur eine zulassen. Können wir das trotzdem kombinieren?
Ich binde sie beide zusammen, ich kann sie nur nicht in einem einzigen Satz oder einem einzigen Gedanken beantworten, Frau Präsidentin. Ich will es versuchen.
Die erste Frage: Natürlich ist das Adoptionsrecht dazu da, Kinder, die Eltern brauchen, den Eltern, die ein Kind suchen, auch zuzuführen. Das Kind ist dann wie ein eheliches zu betrachten. So haben wir gemeinsam das Adoptionsrecht gestaltet.
Die zweite Frage möchte ich nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Wenn wir das Adoptionsrecht so erweitern und wirksamer machen könnten, daß ungeborene Kinder, die sonst getötet würden, nicht getötet werden, wäre das ein außerordentlicher Segen.
({0})
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Lepsius.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir nach Ihren Ausführungen im Hinblick auf die pränatalen Wirkungen einer Adoptionsgesetzgebung hinsichtlich der Schwangerschaftsabbrüche zustimmen, daß die Verfolgung dieses Gedankens dazu führen würde, ein neues System von Leihmüttern einzuführen, das dann in der Tat über das große Adoptionsgesetz laufen würde?
Die Bundesregierung denkt nicht daran, das System der Leihmütter oder irgendwelche ähnliche Formen, die durch neuere medizinische Möglichkeiten vielleicht vorhanden sind, zu begünstigen. Wir möchten ganz im Gegenteil die Mutterschaft nicht verfälschen lassen und auch nicht dazu beitragen, daß mit der Schwangerschaft Geschäfte gemacht werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Heistermann.
Herr Staatssekretär, schließen Sie also aus, daß in der Bundesregierung dahin gehend Überlegungen angestellt werden, daß im Bereich der Leihmütter - so nenne ich das - Initiativen ergriffen werden?
Initiativen, die das Leihmüttertum erleichtern oder verstärken sollten, sind mit Sicherheit nicht zu erwarten. Es wird aber überlegt und daran gearbeitet, ob nicht gegebenenfalls sogar Strafbestimmungen gegen solche Praktiken notwendig sind.
Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Jäger ({0}) auf:
In welchen Fällen wird nach den Erkenntnissen der Bundesregierung nach § 1912 des Bürgerlichen Gesetzbuches ein Pfleger für ein von der Abtreibung bedrohtes ungeborenes Kind bestellt, und wie viele derartige Fälle sind in der Praxis der Bundesrepublik Deutschland im vergangenen Jahr vorgekommen?
Herr Kollege Jäger, die Antwort ist kurz: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, wonach für von der Abtreibung bedrohte ungeborene Kinder ein Pfleger nach § 1912 BGB bestellt worden wäre. Das gilt auch für das ganze Jahr 1984, wonach Sie konkret gefragt haben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, weshalb von dieser Bestimmung des Bürgerlichen Gesetzbuches bisher kein Gebrauch gemacht wird, obwohl doch niemand daran zweifeln kann, daß die künftigen Interessen eines noch ungeborenen Kindes zu allererst sein Interesse umfassen werden, überhaupt geboren zu werden und damit das wichtigste Menschenrecht, nämlich das Recht auf Leben, zu erlangen?
Herr Kollege Jäger, es liegen darüber keine Erkenntnisse vor. Aber ich glaube, sie liegen so auf der Hand, daß ich keine amtlichen Erkenntnisse brauche, um Ihnen zu sagen: Von wem sollte das Kind, das in den ersten drei Monaten abgetrieben werden soll, einen Pfleger kriegen? Welcher Richter oder welche sonstige Person außer den unmittelbar an diesem Geschehen Beteiligten sollte davon überhaupt etwas erfahren? Da es niemand erfahren kann, kann selbstverständlich auch kein Richter einen Pfleger bestellen. Wenn die Mutter einen Pfleger haben will, wird sie sicher einen bekommen.
({0})
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.
Herr Staatssekretär, ergibt Ihre Antwort auf meine hier gestellte Frage nicht gleichzeitig, daß die Bundesregierung Überlegungen anstellen müßte, wie in solchen Fällen das praktische Unterbleiben des Gebrauchmachens von diesem § 1912 durch entsprechende Änderungen unterbunden werden kann, Änderungen, die insbesondere gewisse Mitteilungs- und Aufklärungspflichten umfassen könnten, die dazu führen, daß hier im Interesse eines Menschenlebens gehandelt werden kann?
Herr Kollege Jäger, die Bundesregierung versucht über ihre verschiedenen Möglichkeiten, die Aufklärung zu verstärken, damit das Wissen über das werdende Leben möglichst breit in unserem Volke sein möge, wenn es nicht vorhanden ist.
Aber wir sehen im übrigen mit allen zur Verfügung stehenden Elementen unseres Verstandes und unserer Erkenntnisfähigkeiten keinen Weg, wie wir in die Positionen des werdenden Lebens durch rechtliche oder ähnliche Formen zusätzliche Drittwirkungen einbauen könnten. Wenn darüber in den Reihen der Abgeordneten und bei Ihnen konkretere Erkenntnisse wachsen sollten, wäre ich persönlich und die Bundesregierung außerordentlich dankbar, davon etwas zu erfahren.
Herr Dr. Schwenk, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, liege ich mit der Auffassung richtig, daß jede werdende Mutter eine selbstverantwortliche Person unter dem Schutz des Grundgesetzes ist und keinen Quasi-Polizisten beigestellt bekommen kann?
Sie sind mit mir derselben Auffassung. Ich habe den Eindruck: Dieselbe Auffassung vertritt auch der Kollege Jäger.
({0})
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich sind damit beantwortet.
Vizepräsident Frau Renger
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Jahn steht zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Lattmann auf:
Ist der Bundesregierung das von dem Handwerksmeister Richard Vetter aus Peine entwickelte Heizsystem „Veritherm" bekannt, mit dem nur die Hälfte der Heizenergie konventioneller Anlagen benötigt und etwa 92 v. H. des im Brennstoff enthaltenen Schwefels zurückgehalten wird, und wie beurteilt sie dieses System insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Energieeinsparung und des Umweltschutzes?
Herr Kollege Lattmann, der Bundesregierung ist das System „Veritherm" über die Zusammenarbeit mit den für das Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesen zuständigen Ministerien der Länder, denen die bauaufsichtliche Zulassung solcher Entwicklungen obliegt, bekanntgeworden. Es handelt sich danach um einen Wärmeerzeuger, der zu den sogenannten Brennwertgeräten zählt. Diese nutzen die im Brennstoff enthaltene Wärme praktisch vollständig aus. Geräte dieser Art werden heute insbesondere für den Einsatz von Gas von namhaften Herstellern von Wärmerzeugern angeboten. Mit Brennwertgeräten lassen sich erhebliche Energieeinsparungen erzielen, die in Einzelfällen auch den Wert von 50 % erreichen können.
Eine weitergehende Beurteilung eines speziellen Systems sieht die Bundesregierung nicht als ihre Aufgabe an.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, wenn ein vergleichbares System von namhaften Herstellern angeboten wird, können Sie dann erklären, warum es im Genehmigungsverfahren für dieses System eine umfassende Auseinandersetzung, die sich bereits über mehrere Jahre hinzieht, gegeben hat und warum in der gesamten Presse unwidersprochen dieses System als Novum dargestellt worden ist?
Herr Kollege Lattmann, die Bundesregierung ist für derartige Genehmigungen nicht zuständig. Hier handelt es sich um Bauartzulassungen, die auf der Grundlage eines Gutachtens des TÜV von den einzelnen Ländern ausgesprochen werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lattmann.
Herr Staatssekretär, findet es die Bundesregierung in Ordnung, daß auf der einen Seite Milliarden für Technologieparks ausgegeben werden, aber bei dem Genehmigungsverfahren für ein solches System, das von der IHK und vielen anderen geprüft wurde und unterstützt wird, mehrere Jahre ins Land gehen, ohne daß ein entsprechendes Ergebnis zustande kommt?
Herr Kollege Lattmann, die Bundesregierung sieht es nicht als ihre Aufgabe an, ein einzelnes Genehmigungsverfahren im Deutschen Bundestag zu erörtern. Der Hintergrund Ihrer Frage, nämlich der Gedanke, positive Aspekte für die Energieeinsparung zu bringen, wird von uns voll geteilt.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Reetz.
Herr Staatssekretär, wie stehen Sie dazu, daß das Gutachten des TÜV von dem Erfinder als falsch bezeichnet wurde und es dem TÜV in einer Fernsehsendung auch nicht möglich war, den Gegenbeweis zu führen?
Frau Kollegin Reetz, das Gutachten des TÜV ist mir nicht bekannt. Soweit mir bekannt ist, ist jedoch eine förmliche Zulassung gerade dieses Verfahrens bisher nicht beantragt worden.
({0})
- Das Gutachten ist noch kein formeller Antrag.
Zusatzfrage, Herr Huonker.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, sich Kenntnis von diesem Gutachten zu verschaffen und damit ihrer Aufgabe nachzukommen, alles zu tun, was sinnvollerweise getan werden kann, um zu helfen, Energieeinsparungen zu realisieren?
Herr Kollege Huonker, Sie wissen so gut wie ich, daß die Bundesregierung auf dem Gebiet der Energieeinsparung vielfältige Initiativen entwickelt hat. Sie wird das auch weiterhin tun, ohne Wettbewerbsverzerrungen Vorschub zu leisten.
Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Lattmann auf:
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, eine technologisch und umweltpolitisch wegweisende Erfindung, bei deren umfassender Durchsetzung einem einzelnen Handwerksmeister Grenzen gesetzt sind, sowohl bei der weiteren Erprobung als auch bei der Markteinführung zu unterstützen?
Herr Kollege Lattmann, die Bundesregierung sieht im „Veritherm"Wärmeerzeuger eine Ausformung seit längerem bekannter Prinzipien, deren Anwendung bei Ölfeuerungen nach wie vor problembehaftet ist. Im übrigen wurde die Entwicklung von Brennwertgeräten im Rahmen des Energieforschungsprogramms des Bundesministers für Forschung und Technologie gefördert. Sie sehen, daß die Bundesregierung auch auf diesem Gebiet tätig geworden ist.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lattmann.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß diese Entwicklung, wenn die angegebenen und in dem Gutachten bestätigten Grenzwerte hinsichtlich der Energieeinsparung und hinsichtlich der Verminderung der Schadstoffbelastung richtig sind, ein bedeutender Beitrag zum Umweltschutz ist, und sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, zumindest das Verfahren zu beschleunigen oder feststellen zu lassen, ob diese Dinge so sind, wie es behauptet wird, und deshalb den von mir soeben beschriebenen Beitrag darstellen könnten?
Herr Kollege Lattmann, wir haben selbstverständlich die Zuständigkeitsregelungen einzuhalten. Ich werde aber Ihre Frage zum Anlaß nehmen, mit der zuständigen Landesregierung über die angesprochene Frage zu sprechen. Wichtig ist, daß eine solche Erfindung auch hinterfragt werden muß in bezug auf die Dauer der Lebenszeit der Geräte und den mit ihr verbundenen Umwelteffekt. Diese Fragen sind einer abschließenden Klärung noch nicht zugänglich.
Zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege Lattmann.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Bundesregierung bereit ist, die hier noch offenstehenden Fragen einer Prüfung zu unterziehen, so daß das, was jetzt kontrovers diskutiert wird, möglicherweise einer Klärung zugeführt werden kann?
Ich werde Ihre Frage zum Anlaß nehmen, die zuständige Landesregierung um eine Stellungnahme zu bitten, und Ihnen diese zuleiten.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Zunächst die Frage 6 des Herrn Abgeordneten Bamberg. - Der Fragesteller ist leider nicht im Saal. Die Frage wird nicht beantwortet. Das gleiche gilt für die Frage 7 des Abgeordneten Bamberg.
Ich rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Baum auf:
Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlaßt, das Wissenschaftliche Direktorium des Ostkollegs, das 27 Jahre lang entscheidend zur wissenschaftlichen und politischen Unabhängigkeit des Ostkollegs beigetragen hat, aufzulösen?
Der Bundesminister des Innern hat nach sorgfältiger Prüfung einem Vorschlag der Mehrheit des Direktoriums der Bundeszentrale für politische Bildung zur Änderung der Organisationsstruktur des Ostkollegs der Bundeszentrale zugestimmt, und zwar aus folgenden Gründen:
Der Vorschlag zielt allein auf eine Verbesserung der Arbeitsorganisation des Ostkollegs ab, dessen seit Jahrzehnten bewährte und von mir voll anerkannte Sacharbeit kontinuierlich weiter fortgeführt werden soll. Insbesondere sollen durch diese Maßnahme Kompetenz- und Loyalitätskonflikte beseitigt werden, die sich in der Vergangenheit durch die Existenz von zwei Entscheidungsgremien, dem Direktorium der Bundeszentrale und dem Wissenschaftlichen Direktorium des Ostkollegs, ergeben haben und sich nachteilig auf die Arbeit des Ostkollegs ausgewirkt haben.
Für eine Strukturänderung wurde bewußt der jetzige Zeitpunkt gewählt, da die Amtszeit der Mehrzahl der Mitglieder des Wissenschaftlichen Direktoriums des Ostkollegs ohne Verlängerungsmöglichkeit abgelaufen ist ({0}).
Und schließlich: Den besonderen Belangen des Ostkollegs kann und wird durch die Berufung von Ostwissenschaftlern in den zu erweiternden Beirat der Bundeszentrale Rechnung getragen werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baum.
Herr Kollege Spranger, sehen Sie nicht die Gefahr, daß durch die Änderung der Organisationsstruktur die Möglichkeiten des Zugriffs auf die Tätigkeit des Ostkollegs, insbesondere auch auf Tagungsinhalte, verstärkt wird? War es wirklich notwendig, gegen das Votum des Wissenschaftlichen Direktoriums eine solche Änderung vorzunehmen?
Herr Kollege Baum, diese Gefahr sehe ich nicht.
Zweite Zusatzfrage, Herr Baum.
Wie bewerten Sie dann die Tatsache, daß das Wissenschaftliche Direktorium geschlossen zurückgetreten ist?
Ich kann Reaktionen anderer auf diese richtige organisatorische Maßnahme nicht ausschließen.
({0})
Zusatzfrage, Herr Dr. Schierholz.
Warum, Herr Staatssekretär, hält es das Bundesinnenministerium nicht für geboten, die für morgen früh angesetzte Beratung des Kuratoriums der Bundeszentrale für politische Bildung, das bekanntlich ausschließlich aus Mitgliedern dieses Deutschen Bundestages besteht, abzuwarten, und sind Pressemeldungen richtig, wonach das Bundesinnenministerium in jedem Fall bei seiner Entscheidung bleibt, egal was das Kuratorium beschließt?
Ich darf daran erinnern, daß das Innenministerium bereits in der
Sitzung vom 28. Februar das Kuratorium informiert hat.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort die merkwürdige Formel gebraucht, daß Loyalitätskonflikte beseitigt werden sollten, die in der Vergangenheit bestanden hätten. Wären Sie so liebenswürdig, uns zu sagen, wer wem gegenüber in welcher Sache die Loyalität in der Vergangenheit verletzt hat, und mit welchen Folgen das geschehen ist?
({0})
Herr Kollege Hirsch, ich bin gerne bereit, die Bundeszentrale für politische Bildung zu bitten, den Brief, den sie an den Vorsitzenden des Kuratoriums der Bundeszentrale am 18. März 1985 zur näheren Begründung übermittelt hat, Ihnen zugänglich zu machen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher.
Herr Staatssekretär, auch ich wollte fragen, um welche Loyalitätskonflikte es sich genau handelt. Dazu haben Sie jetzt auf eine schriftliche Antwort verwiesen. Deshalb möchte ich eine andere Frage stellen: Weshalb hat man nicht eine solche öffentliche Auseinandersetzung vermieden und erst einmal die Kuratoriumssitzung abgewartet?
Frau Kollegin Dr. Hamm-Brücher, die öffentliche Auseinandersetzung ist nicht vom BMI, sondern von anderen geführt worden. Auch wir bedauern das.
({0})
Zusatzfrage, Abgeordneter Wolfram.
Herr Staatssekretär, wollen Sie bitte zugeben, daß Ihnen der Kurs und die Unabhängigkeit nicht gepaßt haben, und finden Sie es nicht kaltschnäuzig, den Rücktritt bewährter Persönlichkeiten so zu kommentieren, wie Sie es getan haben?
Ich darf noch einmal daran erinnern, daß der Zeitpunkt identisch war mit dem, an dem von neun Mitgliedern praktisch nur noch zwei im Amt geblieben wären, so daß von einer Maßnahme, die das ganze Kuratorium zum Rücktritt gezwungen hätte, nicht gesprochen werden kann.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Reetz.
Herr Staatssekretär, ist es denn Ihre Überzegung, daß eine öffentliche Auseinandersetzung von einem Ministerium und nicht von der Öffentlichkeit geführt werden muß?
({0})
Die öffentliche Auseinandersetzung ist hier kritisiert worden. Ich habe nur zum Ausdruck gebracht, daß das BMI diese öffentliche Auseinandersetzung nicht begonnen hat.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Heistermann.
Herr Staatssekretär, sind Sie denn bereit, dem gesamten Hause die Gründe bekanntzugeben, da es j a hier nicht um ein Privatinstitut geht, sondern um eines unter Beteiligung von namhaften Vertretern verschiedener Parteien? Wären Sie bereit, den Schriftverkehr dem gesamten Hause bekanntzugeben?
Ich darf darauf hinweisen, daß das BMI bereits in der Sitzung vom 28. Februar dem Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung eine ausführliche Stellungnahme und Begründung zu diesen Maßnahmen übermittelt hat. Ich bin gerne bereit, die Informationen hier auf Wunsch weiterzugeben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Huonker.
Ich komme zurück auf Ihre drittletzte Antwort und frage Sie, ob dies so zu verstehen sei, daß von denen, die hier - in Ihrer Formulierung - nicht zurückgetreten sind, keiner bereit gewesen wäre, das Vertragsverhältnis zu verlängern. Oder wie ist denn sonst Ihre Auskunft zu ver- stehen?
Ich habe darauf hingewiesen, daß die Amtszeit der größeren Zahl der Mitglieder des Kuratoriums sowieso abgelaufen war.
Vielleicht sollte ich noch ergänzend darauf hinweisen, daß auch beabsichtigt ist, die Einwirkungen des Ostkollegs durch Übernahme in den Beirat der Bundeszentrale weiterhin kontinuierlich fortzusetzen, so daß Befürchtungen, das Ostkolleg würde nicht in angemessener Weise bei der weiteren Arbeit der Bundeszentrale berücksichtigt werden, völlig unbegründet sind.
Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Baum auf:
Welche Stellung bezieht die Bundesregierung zur Erklärung der ehemaligen Mitglieder des Wissenschaftlichen Direktoriums des Ostkollegs vom 14. März 1985 und den darin geäußerten Bedenken in bezug auf die künftige Arbeit des Ostkollegs?
Der Befürchtung der ehemaligen Mitglieder des Wissenschaftlichen Direktoriums, daß bei Änderung der Organisationsstruktur eine parteipolitische Einflußnahme auf die
Arbeit des Ostkollegs drohe, vermag ich nicht zu folgen. Auch bei einer unmittelbaren Verantwortung des Direktoriums der Bundeszentrale für das Ostkolleg sind einseitige parteipolitische Eingriffe ausgeschlossen, da die Bundeszentrale gemäß § 6 des sie betreffenden Erlasses zur politischen Ausgewogenheit in ihrer Bildungsarbeit verpflichtet ist und darin von einem aus 22 Mitgliedern des Deutschen Bundestages bestehenden Kuratorium kontrolliert wird. Das Direktorium der Bundeszentrale ist zu regelmäßiger Berichterstattung ' vor diesem Kuratorium verpflichtet, in dem alle Fraktionen des Deutschen Bundestages vertreten sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baum.
Sind Sie nicht der Meinung, Herr Kollege Spranger, daß Sie eine besondere Pflicht zur Begründung haben, wenn Sie eine 27jährige Praxis nun aufheben, angesichts des Protestes der jetzt im Amt befindlichen Beiratsmitglieder und der Befürchtung, daß das Ostkolleg in eine zu starke Abhängigkeit vom Innenministerium, d. h. von politischen Entscheidungen, kommen könnte? Haben Sie nicht eine besondere Darlegungspflicht diesem Haus gegenüber, wenn Sie so entscheiden?
({0})
Herr Kollege Baum, der Darlegungspflicht habe ich entsprochen durch die Antwort, die ich auf Ihre erste Frage gegeben habe, durch die Bereitschaft, auch das um-
) fassende Protokoll der Sitzung vom 28. Februar den Interessenten auf Wunsch zugänglich zu machen, und auch durch den Hinweis auf das Schreiben der Mehrheit des Direktoriums der Bundeszentrale für politische Bildung an das Kuratorium vom 18. März 1985; die Absender waren Herr Dahlhaus und Herr Dr. Langguth.
Die zweite Zusatzfrage.
Herr Kollege Spranger, können Sie uns bitte noch einmal deutlich darlegen, in welcher Weise den besonderen Belangen des Ostkollegs künftig Rechnung getragen werden soll? Erwarten Sie eine größere Loyalität? Vom wem? Von den unabhängigen Beiratsmitgliedern? Oder wen haben Sie da gemeint?
Ich darf auf meine Antwort auf die erste Frage Bezug nehmen, wo ausdrücklich als Ziel dieser Maßnahme dargelegt wurde, daß eine Verbesserung der Arbeitsorganisation des Ostkollegs erreicht werden soll. Durch die Beiziehung des Ostkollegs in den Beirat ist auch dem Einfluß und der Mitwirkung des Ostkollegs bei der weiteren Tätigkeit der Bundeszentrale Rechnung getragen.
Zusatzfrage, Abgeordneter Dr. Hirsch.
Herr Staatssekretär, könnten Sie uns und der Öffentlichkeit anstelle des Hinweises auf Schriftwechsel und andere Unterlagen einfach einmal in drei Sätzen sagen, was Ihnen oder dem Innenminister politisch an der Arbeit des Ostkollegs nicht gepaßt hat?
(Beifall bei der SPD und Beifall der Abg.
Frau Reetz ({0})
Ich habe hier, glaube ich, deutlich gemacht, daß zu trennen ist zwischen der Arbeit des Ostkollegs und der Organisation der Arbeit des Ostkollegs. Die Organisation hat eine Veränderung erfahren. Ich habe ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, daß wir die Arbeit des Ostkollegs als bewährt ansehen und daß wir sie voll anerkennen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).
Herr Staatssekretär, hat es denn gegen die Ausgewogenheit der Bildungsarbeit der Bundeszentrale, die künftig zuständig sein wird, von irgendwelchen ernsthaften politischen Seiten Bedenken gegeben, die die Bedenken rechtfertigen, die hier gegen die Übernahme in die Bundeszentrale vorgetragen worden sind?
Solche Bedenken habe ich nicht gehört. Das würde mich auch wundern bei der Zusammensetzung des Dreierdirektoriums, das die Arbeit der Bundeszentrale bestimmt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schierholz.
Herr Staatssekretär, da hier offensichtlich Argumente und Erklärungen bei Ihnen und Ihren Überlegungen keine Rolle mehr spielen und da ich die Frage, die ich vorhin gestellt habe, nicht ausreichend beantwortet finde, möchte ich nachfragen, ob das Kuratorium, das morgen auf seiner Sitzung diesen Punkt auf der Tagesordnung hat, da überhaupt noch etwas zu entscheiden hat oder ob es nur noch „for show" tagt.
Ich habe keinen Anlaß, Ihren unterstellenden Eingangsbewertungen zuzustimmen. Ich habe auch nicht die Absicht, die Arbeit des Kuratoriums morgen oder auch künftig in irgendeiner Weise zu bewerten, vor allem nicht vorab.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher.
Herr Staatssekretär, können Sie liebenswürdigerweise noch mal erklären, weshalb man, wenn man mit der Arbeit eines Instituts zufrieden ist, Anlaß hat, organisatorisch daran etwas zu ändern?
({0})
Es würde die Dimension dieser Fragestunde überschreiten,
({0})
wenn ich diesen langen Brief der Bundeszentrale für politische Bildung an den Vorsitzenden des Kuratoriums hier verlesen würde. Es hat keinen Sinn, einzelne Punkte herauszugreifen. Ich bin gerne bereit, Ihnen das von den Herren Dahlhaus und Dr. Langguth abgesetzte Schreiben zugänglich zu machen, aus denen auch die Gründe im einzelnen ersichtlich sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lambinus.
Herr Staatssekretär, hat die Tagung des Kuratoriums morgen überhaupt noch eine Chance, an den offensichtlich bereits getroffenen Entscheidungen etwas zu ändern?
Sie überfordern mich hier völlig, weil Sie mir die Frage stellen, welchen Sinn, welchen Wert und welchen Inhalt die Tagung des Kuratoriums haben wird.
({0})
Ich rufe die Frage 10 der Abgeordneten Frau Blunck auf:
Welche Malinahmen hat die Bundesregierung angesichts der jetzt festgestellten Fluorbelastungen im Kreis Pinneberg ergriffen, um die schädlichen Emissionen nach dem bestmöglichen Standard zu reduzieren?
Frau Kollegin Blunck, wenn Sie gestatten, beantworte ich wegen des inhaltlichen Zusammenhangs Ihre beiden Fragen gemeinsam.
Ich rufe auch die Frage 11 der Abgeordneten Frau Blunck auf:
Ist die Bundesregierung bereit, zur Vermeidung von gesundheitlichen Schäden bei der Bevölkerung und zur Verringerung von Gefährdungen bei der landwirtschaftlichen Produktion in diesem Gebiet zusammen mit dem Land Schleswig-Holstein nach entsprechender Erfassung sämtlicher Belastungswerte einen Luftreinhalteplan aufzustellen?
Der Bundesregierung ist aus Eingaben u. a. der Bundestagsabgeordneten Frau Roitzsch bekannt, daß erhöhte Fluorbelastungen im Kreis Pinneberg vorliegen sollen. Es ist bisher noch nicht eindeutig geklärt, welche Anlagen die Emissionen hauptsächlich verursachen. Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft enthält die erforderlichen Regelungen über Emissionen und Immissionen und Luftverunreinigungen, die von genehmigungsbedürftigen Anlagen verursacht werden. Damit sind die für die Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes allein zuständigen Länder in der Lage, die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Dies gilt auch für die Aufstellung von Luftreinhalteplänen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Blunck.
Ich möchte dann von Ihnen gern wissen, Herr Staatssekretär, ob ich davon ausgehen kann, daß die Kommunikation zwischen der Landesregierung Schleswig-Holstein und dem Innenminister der Bundesregierung so schlecht ist, daß er nicht weiß, daß die Landesregierung sehr wohl in der Lage ist, das Werk, das diesen Schadstoffausstoß hat, zu benennen?
Nein, die Kommunikation ist hervorragend; nur, die Verantwortlichkeiten sind aufgeteilt. Wie ich Ihnen sagte, ist hier vorangig die entsprechende Landesregierung zur Entscheidung zuständig.
Zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Hat die Bundesregierung auf das im Bundesbesitz befindliche und nach Meinung der Landesregierung von Schleswig-Holstein für die Fluoremissionen im Kreise Pinneberg verantwortliche Aluminiumwerk in Stade Einfluß genommen, um zu einer deutlichen Reduzierung der festgestellten und von der Bevölkerung zu Recht beanstandeten schädlichen Fluoremission zu gelangen?
Es sind hier verschiedene Werke als mögliche Emittenten in Betracht zu ziehen. Hier laufen die Ermittlungen noch. Es hat also keinen Sinn, im jetzigen Stadium ein Unternehmen allein in irgendeine Verbindung mit der Verursachung der Emissionen zu bringen.
Weitere Zusatzfrage. Sie haben vier im ganzen.
Herr Staatssekretär, wären Sie vielleicht bereit, nach Stade zu kommen? Denn es gibt nach meinem Wissensstand nur ein Werk, das Fluor emittiert. Deswegen verstehe ich die Antwort nicht, die Sie mir da gegeben haben. Es muß doch bekannt sein.
Ich freue mich an sich sehr, daß Sie mir sehr viel zutrauen, nämlich herauszubekommen, wer nun tatsächlich emittiert. Aber ich würde es doch lieber den Sachverständigen vor allem vor Ort und dem Bereich des Landes überlassen, als daß hier die Bundesregierung anreist.
Vierte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es dürfte Ihnen aber bekannt sein, daß ein im Bundesbesitz befindliches Aluminiumwerk in Stade Fluor emittiert. Ist die Bundesregierung in der Lage, auf dieses Werk einzuwirken, daß dort die Fluoremission heruntergefahren wird, und wann wird sie dies tun?
Sicherlich ist in der Diskussion von einem Unternehmen im Bundesbesitz die Rede; aber ich sagte vorhin schon, daß es auch andere Unternehmen gibt und die Ursäch9436
lichkeit noch nicht geklärt ist. Die entsprechende Stelle ist dabei, dies abzuklären.
({0})
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Fellner auf. - Er ist nicht im Saal. Die Fragen 12 und 13 werden also nicht beantwortet.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Voss steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Die Fragen 14 und 15 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 16 und 17 des Herrn Abgeordneten Dr. Weng ({1}) und die Fragen 18 und 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Spöri werden entsprechend den Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Huonker auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7. Dezember 1984 die Rechtslage hinsichtlich des sogenannten Essensfreibetrags, und wird sie, sollte sie eine gesetzliche Grundlage für erforderlich halten, eine entsprechende Gesetzgebungsinitiative ergreifen?
Herr Kollege Huonker, der Bundesfinanzhof hat in dem von Ihnen erwähnten Urteil entschieden, daß eine Erhöhung des sogenannten Essensfreibetrages von 1,50 DM arbeitstäglich mangels einer Rechtsgrundlage nicht in Betracht kommt. Da die Bundesregierung eine Erhöhung des Essensfreibetrages nicht beabsichtigt, entfallen insoweit gesetzgeberische Initiativen. Allerdings hat der Bundesfinanzhof in der Urteilsbegründung anklingen lassen, daß auch der geltende Essensfreibetrag rechtlich nicht hinreichend abgesichert sei. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß der Essensfreibetrag nur ein Teilproblem innerhalb des großen Bereiches der steuerfreien Annehmlichkeiten und Gelegenheitsgeschenke darstellt. Dieser Gesamtkomplex bedarf einer grundlegenden Überarbeitung, die sich aber wegen der Vielschichtigkeit des Problems und der zu beachtenden rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekte nicht kurzfristig realisieren läßt.
Eine isolierte gesetzliche Regelung nur für den Essensfreibetrag hält die Bundesregierung nicht für sachgerecht. Sie hält es mit den obersten Finanzbehörden der Länder für vertretbar, die bisherigen Bestimmungen bis zu einer späteren umfassenden Regelung unverändert weiter anzuwenden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Huonker.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Bundesregierung jedenfalls nicht beabsichtigt, eine Regelung in Angriff zu nehmen, die eine Verschlechterung der heute gültigen Praxis darstellen würde?
Herr Kollege Huonker, ich habe soeben dargelegt, daß der Essensfreibetrag in einem größeren Zusammenhang irgendwann neu geregelt werden wird.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Huonker auf:
Wie hoch müssen die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten im Sinne des Einkommensteuerrechts für ein Wohneigentum jeweils sein, damit die Aussage des Bundesministers der Finanzen zur künftigen steuerlichen Förderung selbstgenutzten Wohneigentums in der DFS-Tagesschau am 19. März 1985 zutrifft, „Das Sonderprogramm war ... von vornherein befristet ... aber für Bauwillige mit mehreren Kindern ist das neue Recht in der Regel - auch bei diesem Vergleich - besser", - aufgeschlüsselt nach Steuerpflichtigen in der unteren Proportionalzone, Facharbeitern mit Durchschnittseinkommen und Steuerpflichtigen mit Spitzensteuersatz sowie nach dem Nominalwert und dem abgezinsten Barwert für den geförderten Zeitraum von acht Jahren?
Der Steuervorteil nach neuem Recht, Herr Kollege Huonker, ist für Steuerpflichtige mit Kindern günstiger als die Förderung nach geltendem Recht, einschließlich des befristeten Schuldzinsenabzugs, wenn die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nach der Neuregelung über folgenden Beträgen liegen - bei nominaler Betrachtung -: bei einem Steuersatz von 22 v. H. über ca. 220 450 DM, bei einem Steuersatz von 30 v. H. über ca. 235 000 DM, bei einem Steuersatz von 56 v. H. über ca. 253 570 DM. Bei der Barwert-Betrachtung, die Sie auch erwünscht haben, sind es unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 7,5 v. H.: bei einem Steuersatz von 22 v. H. über ca. 234 250 DM, bei einem Steuersatz von 30 v. H. über ca. 248 790 DM und bei einem Steuersatz von 56 v. H. über ca. 267 370 DM.
Bei der Beurteilung der Neuregelung der Wohnungsbauförderung kann der von vornherein nur befristete Schuldzinsenabzug sinnvoll jedoch nicht einbezogen werden; der Vergleich muß vielmehr auf den Rechtszustand vor dem 1. Oktober 1982 abstellen. Hiernach tritt für alle Steuerpflichtigen eine erhebliche Verbesserung ein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Huonker.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich mit meiner Frage auf eine Äußerung des Bundesfinanzministers Bezug genommen habe, der einen Vergleich des heute geltenden Rechts mit dem Sofortprogramm und der künftigen Neuregelung zum Gegenstand hatte, und können Sie mir bestätigen, daß in der Tendenz - jedenfalls bei einer Nominalwertrechnung - der Bezieher eines Spitzeneinkommens mit Spitzensteuersatz weniger Herstellungs- und Anschaffungskosten aufwenden muß, um eine gleiche Förderung zu haben wie heute, als ein FachHuonker
arbeiter mit einer Grenzsteuerbelastung von 47 %, mit der Folge, daß der, der mit geringerem Einkommen ein Bauwerk zu finanzieren hat, mehr investie- Schlechterstellung ren muß, um keine zu erfahren, als der Bezieher eines Spitzeneinkommens?
Herr Kollege Huonker, ich habe hier die Fälle genannt, die Sie in Ihrer Frage angesprochen haben, und ich kann Ihnen nicht bestätigen, daß die Differenz zwischen demjenigen mit einem Steuersatz von 22 % und demjenigen mit dem Spitzensteuersatz von 56 %, die Sie eben genannt haben, bei nominaler Betrachtung und absoluten Zahlen zutreffend ist.
Eine zweite Zusatzfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen im Zusammenhang mit den von Ihnen genannten Investitionsbeträgen die Stellungnahme des Bundesverbandes der Deutschen Hypothekenbanken zu Ihrem Referentenentwurf bekannt, in der darauf hingewiesen wird, daß in aller Regel - ohne Grundstücksanteil, der ja in dem Gesetzentwurf nicht berücksichtigt werden kann - die Höchstbeträge nicht ausgeschöpft werden können, weil die durchschnittlichen Kosten für die Objekte darunter liegen, und ist Ihnen bekannt, daß dieser Bundesverband in seiner Stellungnahme auch darauf hinweist, daß insbesondere Bezieher kleinerer Einkommen, die nur kleinere Objekte finanzieren können, von dieser Regelung nichts haben und daß deswegen - so der Bundesverband der Deutschen Hypothekenbanken - die Intention des Gesetzentwurfes verfehlt werde?
Herr Kollege Huonker, die Darlegungen des Bundesverbandes sind mir bekannt. Sie werden aber von der Bundesregierung und von mir nicht geteilt, weil nach wie vor feststeht, daß dann, wenn die Voraussetzungen, die ich eben in Beantwortung Ihrer Frage genannt habe, vorliegen, die Förderung besser ist, als sie nach altem Recht war, allerdings nur dann, Herr Kollege Huonker, wenn man die von vornherein befristete Besserstellung außer acht läßt, und das muß man tun, wenn man zu einer gediegenen, objektiven Beurteilung kommen will.
Ich rufe Frage 22 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen des § 15a EStG auf mittelständische Kommanditgesellschaften, deren wenige Kommanditisten sich häufig wegen Liquidationsschwierigkeiten in der Anlaufphase von dieser Gesellschaftsform abwenden?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Dr. Enders, die Vorschrift des § 15a des Einkommensteuergesetzes ist im Jahre 1980 einvernehmlich von allen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien beschlossen worden. Sie schränkt die Möglichkeit, Verluste insbesondere aus Beteiligungen an Kommanditgesellschaften mit anderen positiven Einkünften auszugleichen, regelmäßig auf den Betrag der geleisteten Einlage ein. Dadurch sind insbesondere die Betätigungsmöglichkeiten der Abschreibungsgesellschaften entscheidend eingeschränkt worden.
Anhaltspunkte dafür, daß sich die Regelung im mittelständischen Bereich nachteilig auf die Wahl der Rechtsform der Kommanditgesellschaft auswirkt, liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Bundesregierung geht davon aus, daß nach wie vor insbesondere auch bei der Rechtsform der Kommanditgesellschaft ausreichender Spielraum für den Ausgleich von Verlusten in der Anlaufphase besteht, insbesondere auch deshalb, weil durch Haftungsübernahme der Betrag des ausgleichsfähigen Verlustes über den Betrag der geleisteten Einlage hinaus erhöht werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, plant die Bundesregierung eine Änderung dieses Zustandes?
Nein, Herr Kollege, die Bundesregierung plant keine Änderung dieses Zustandes, weil sie dafür keine Veranlassung sieht.
Weitere Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
Sind der Bundesregierung die Klagen wegen der langen Bearbeitung von Schadenfällen bei den Kraftfahrzeug-Versicherungen bekannt, und hält sie Maßnahmen für eine beschleunigte Abwicklung für notwendig, damit ungebührliche Verzögerungen zum Nachteil von Versicherten vermieden werden?
Herr Kollege Dr. Enders, die Bundesregierung kann in dieser Allgemeinheit Klagen wegen ungebührlich langer Schadenbearbeitung in der Kraftfahrtversicherung nicht bestätigen. Nach den Erkenntnissen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen werden Schäden in der Kraftfahrtversicherung grundsätzlich zügig reguliert. Dies wird z. B. daran deutlich, daß nach den für die Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung vorliegenden statistischen Unterlagen im Durchschnitt der letzten fünf Jahre mehr als 70 % aller in einem Geschäftsjahr gemeldeten Schäden bis zum Ende des Geschäftsjahres abgewickelt waren. Für Maßnahmen der Bundesregierung besteht darum kein Anlaß.
Die insgesamt zügige Schadenabwicklung schließt jedoch nicht aus, daß in Einzelfällen Verzögerungen in der Schadenbearbeitung vorkommen können. Sollten Ihnen derartige Fälle bekannt geworden sein, stelle ich Ihnen anheim, mir diese mitzuteilen, damit vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen eine Überprüfung vorgenommen werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Enders.
Herr Staatssekretär, Sie gehen zutreffend davon aus, daß mir konkrete Fälle vorliegen. Ich nehme gern Ihr Angebot an und teile Ihnen einen Fall mit.
Sind Sie der Ansicht, daß, um Nachteile für die Versicherten zu vermeiden, zumindest Abschlagszahlungen oder andere Überbrückungshilfen geleistet werden müßten?
Ich bin dieser Ansicht, Herr Kollege. Mir ist auch bekannt, daß von seiten der Versicherungsgesellschaften Abschlagszahlungen erfolgen, soweit Teile des Versicherungsfalles geklärt sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß beispielsweise, wenn ein Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz durchgeführt und gegen die Entscheidung Widerspruch eingelegt wird, die Zeit bis zur endgültigen Entscheidung von den Versicherungen zum Anlaß genommen wird, so lange mit den Zahlungen auszusetzen?
Herr Kollege, es ist Aufgabe der Versicherungen, die Versicherungsleistungen so zu gestalten, daß sie rechtlich unanfechtbar sind. Das liegt im Interesse der Versichertengemeinschaft, auf die die Versicherung Rücksicht zu nehmen hat. Daher ist es im Normalfall nicht zu beanstanden, wenn die Versicherung derartige rechtliche Auseinandersetzungen abwartet, bevor sie die endgültige Zahlung leistet.
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Conradi auf. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird nicht beantwortet.
Die Fragen 25 und 26 des Abgeordneten Hedrich werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Fragen 27 der Abgeordneten Frau Dr. Bard sowie 28 und 29 des Abgeordneten Austermann werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 30 der Frau Abgeordneten Schmidt ({0}) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die künftige Entwicklung des mittelfränkischen Arbeitsmarktes angesichts der Tatsache, daß in den zurückliegenden zehn Jahren allein im Bereich der Metallindustrie Nürnbergs bereits 28 000 Arbeitsplätze abgebaut wurden und nach Schätzungen bis 1990 weitere 25 000 bis 30 000 Arbeitsplätze dort verlorenzugehen drohen?
Frau Kollegin, zur Beurteilung der Entwicklung regionaler Arbeitsmärkte wie auch des Arbeitsmarkts insgesamt ist nicht die Entwicklung in einem bestimmten Wirtschaftszweig allein entscheidend. Vielmehr muß die Entwicklung über alle Wirtschaftsbereiche hinweg betrachtet werden.
Es ist richtig, daß in der Region Mittelfranken im Zuge des Strukturwandels Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe und damit auch in der Metallindustrie verlorengegangen sind. Neue Arbeitsplätze sind jedoch an anderer Stelle, vor allem im Dienstleistungsbereich, entstanden. Für die Region Mittelfranken ergibt sich für den Zeitraum 1970 bis 1980 - nur für diesen Zeitraum liegen Zahlen vor - insgesamt eine Zunahme der Erwerbstätigenzahl um 22 800.
Die Bundesregierung hält Schätzungen über mögliche künftige Arbeitsplatzentwicklungen für problematisch; denn es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die auf die Beschäftigungsentwicklung einwirken und die sich nicht ohne weiteres für die Zukunft prognostizieren lassen. Deshalb beruhen solche Schätzungen auf unsicheren Annahmen. Oft kennzeichnen sie lediglich mögliche Entwicklungen in einzelnen Wirtschaftszweigen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schmidt.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeit in der Industrieregion Mittelfranken grundsätzlich die Notwendigkeit, z. B. in Zusammenarbeit mit der bayerischen Staatsregierung andere Kriterien der Definition und der Förderung benachteiligter Regionen anzulegen als bisher?
Diese Notwendigkeit sieht die Bundesregierung. Sie arbeitet zusammen mit der bayerischen Staatsregierung und allen anderen Landesregierungen im Rahmen der „Gemeinschaftsaufgabe Regionale Strukturpolitik" auch daran, Kriterien zu entwicklen - allerdings in Übereinstimmung mit den Ländern -, die den heute gegebenen Schwierigkeiten besser Rechnung tragen, als das bisher der Fall war. Das Ergebnis dieser Überprüfung der „Gemeinschaftsaufgabe Regionale Strukturpolitik" liegt allerdings noch nicht vor. Es ist auch Gegenstand eingehender Beratungen im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestags gewesen.
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schmidt.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß es für die Zukunft einer Industrieregion von erheblicher Bedeutung ist, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen zu erhalten, und wird sie angesichts der Absichtserklärung des Philips-Konzerns, Forschung und Entwicklung von Philips und Grundig zu verschmelzen - wahrscheinlich dann in Holland -, tätig werden?
Frau Kollegin, die entscheidende Voraussetzung, um die Aktivitäten der Bundesregierung im Bereich von Forschung und Entwicklung zu nutzen, sind Unternehmer und Ingenieure, die von diesen Forschungsmöglichkeiten auch tatsächlich Gebrauch machen können und die zur Verfügung stehenden Mittel in Konkurrenz mit anderen Unternehmen in Anspruch nehmen. Das ist die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg einer Forschungspolitik und regionalen Strukturpolitik in ihrem Verbund auch in einer solchen Region, wobei wir davon ausgehen, daß ein solch attraktives Angebot seine Wirkung unter der Voraussetzung nicht verfehlen wird, daß die personellen Kapazitäten vorhanden sind, davon Gebrauch zu machen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vahlberg.
Herr Staatssekretär, hat es Initiativen der Bundesregierung gegeben, die im mittelfränkischen Raum ansässige Unterhaltungselektronikindustrie vor dem Hintergrund des Rückgangs der Produktion und des Absatzes auf internationalen Märkten anzuregen, sich mit der Informations- und Kommunikationstechnologie auseinanderzusetzen?
Es hat zahlreiche Gespräche und viele öffentliche Auseinandersetzungen in dieser Frage - auch im Deutschen Bundestag - gegeben. Es hat vor allem Initiativen der Unterhaltungselektronikindustrie - auch des Grundig-Konzerns - in der Frage gegeben, wie der Rückstand, der in der Unterhaltungselektronikindustrie seit Jahren bekannt ist, aufgeholt werden kann.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller ({0}).
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß der fränkische Raum in der bayerischen Industrieansiedlungspolitik benachteiligt wird?
Herr Kollege, darüber steht mir kein Urteil zu, weil die regionale Strukturpolitik ausschließlich Ländersache ist. Ich bin auch nicht in der Lage, auf Grund der mir vorliegenden Daten darüber ein Urteil abzugeben.
Ich rufe die Frage 31 der Frau Abgeordneten Schmidt ({0}) auf:
Rechnet die Bundesregierung mit einer Veränderung der Marktanteile der einzelnen Unterhaltungsindustrie- und Elektronikkonzerne und mit Umsatzeinbußen des holländischen Philips-Konzerns auf dem bundesdeutschen Markt auf Grund Verbraucherreaktionen angesichts der von der Philips-Konzernleitung für die Philips-Tochter Grundig AG angekündigten Massenentlassungen?
Die Bundesregierung rechnet nicht mit Veränderungen in dem in Ihrer Frage angedeuteten Sinne und würde eine derartige Reaktion auf notwendige Umstrukturierungsmaßnahmen auch nicht für angemessen ansehen. Sie geht davon aus, daß das Verbraucherverhalten weiterhin maßgeblich vom Preis-LeistungsVerhältnis der Produkte bestimmt wird.
Zusatzfrage, Frau Schmidt.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß auch andere Konzerne für Vertriebsgesellschaften, die sie gründen, renommierte deutsche Markennamen gekauft haben und daß sie dann die Produktion unter anderem Namen liquidieren, und wie steht die Bundesregierung dazu?
Frau Kollegin, die Übernahme von Unternehmen und Markennamen ist im allgemeinen dann geschehen, wenn solche Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren. Im allgemeinen hat diese Übernahme zu einer Stabilisierung der verbleibenden Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland geführt. Im allgemeinen werden diese Namen auch mit Erfolg zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der entstandenen Unternehmen eingesetzt und damit auch für die verbliebenen Arbeitsplätze in der Bundesrepublik Deutschland genutzt.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können Sie zu dem was Sie jetzt gerade ausgeführt haben, irgendwelche Beispiele dafür, daß das schon einmal funktioniert hat, nennen?
Ja, Frau Kollegin, das kann ich gerne. Ich würde es aber lieber schriftlich tun, um niemanden auszulassen und um das ganz korrekt zu machen. Ich bitte um Nachsicht, daß ich jetzt nicht aus der Hand das eine oder andere Unternehmen nennen will, weil ich damit Gefahr liefe, andere dabei nicht zu erwähnen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung nach der Ankündigung von Massenentlassungen bei Grundig mit dem Unternehmen Fühlung aufgenommen, um zusammen mit der bayerischen Staatsregierung eine Lösung anzustreben, die auch regional verträglich ist?
Herr Kollege, wir sind ja, wie alle im Deutschen Bundestag, seit Jahren mit den Problemen der Unterhaltungselektronikindustrie und auch mit den Problemen bei der Firma Grundig vertraut, die sich in den Fusionsverhandlungen, den Gesprächen über Zusammenschlüsse, niedergeschlagen haben. Wir sind tief betroffen von den Entlassungsankündigungen der Firma Grundig, und zwar deshalb, weil wir mit allen hofften, daß der Zusammenschluß mit Philips dazu führen würde, daß die dort noch vorhandenen Arbeitsplätze gehalten werden könnten. Aber es
muß dabei bleiben, daß das Unternehmen für die Umstrukturierung, für die Unternehmensführung und für die Initiativen, die für die Erhaltung der Arbeitsplätze notwendig sind, in allererster Linie selbst verantwortlich ist und daß nicht die Bundesregierung an diese Stelle treten kann. Das Instrumentarium, das der Bundesregierung für flankierende Maßnahmen zur Verfügung steht, ist ja bekannt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Herr Staatssekretär, Sie haben sich gerade geweigert, auf eine Frage meiner Kollegin Schmidt Beispiele dafür zu nennen, daß die Namensübernahme, die Übernahme eines Betriebes funktioniert hat, und zwar mit dem Hinweis darauf, daß Sie niemanden auslassen wollten. Stimmen Sie mit mir überein, daß es gerade das Wesen eines Beispiels ist, daß man nur einen Vorgang aus vielen herausgreift, und würden Sie sich unter diesem Gesichtspunkt nicht bereitfinden können, jetzt ohne lange Überlegung wenigstens ein Beispiel zu nennen, bei dem dies funktioniert haben könnte?
Herr Kollege, ich habe mich nicht geweigert, sondern ich habe der Frau Kollegin erklärt, daß ich das gern schriftlich und präzise machen würde, und zwar aus der Überzeugung heraus, daß ein Beispiel weniger überzeugend ist als viele Beispiele. Ich werde Ihnen diese
vielen Beispiele ebenfalls gern zuleiten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pfeffermann.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht denkbar, daß Sie bei dem gewünschten Beispiel beim gleichen Konzern bleiben und das Augenmerk der Kollegin Schmidt auf den Raum Nürnberg lenken, wo es eine ganz bedeutende Firma der Kommunikationstechnik gibt, die inzwischen zum Philips-Konzern gehört und auf die mit Sicherheit all das zutrifft, was vorhin abgefragt worden ist, um ein Beispiel aus dem gleichen Konzern und sogar noch aus der gleichen Region zu nennen?
Ich bin Ihnen für den Hinweis sehr dankbar. Mein Beispielkatalog ist damit schon erweitert; ich hatte nicht daran gedacht.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vahlberg.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie denn die Tatsache, daß die Bundesrepublik im Bereich der Grundlagenforschung, bezogen auf die Unterhaltungselektronik, zwar eine führende Rolle gespielt hat und auch heute noch spielt und daß sich in der Bundesrepublik eine Reihe von Patenten befindet, daß aber die Auswertung dieser Patente nicht durch deutsche Industrie vorgenommen wurde, etwa durch die Firma Grundig, sondern daß z. B. die Japaner die in Deutschland realisierte Grundlagenforschung verwertet haben?
Diesen Tatbestand bedauern wir außerordentlich, ohne daß ich damit eine Bewertung im konkreten verbinde. Denn die Tatsache, daß die deutsche Unterhaltungselektronikindustrie einmal führend war, zeigt, welche großen Kapazitäten geistiger Art in dieser Industrie tätig sind. Es ist ohne Zweifel sehr bedauerlich, daß dieser Standard gegenüber der internationalen Konkurrenz - das hat viele Ursachen, die nicht allein in der Technik begründet liegen - im Ergebnis nicht gehalten werden konnte. Alle unsere Untersuchungen zeigen, daß die Fähigkeit der deutschen Industrie, technische Neuerungen in Anwendung umzusetzen, im internationalen Vergleich mit den Hauptwettbewerbern, den Vereinigten Staaten von Amerika und Japan, nicht in dem Maße gegeben ist, wie das mit Blick auf die Arbeitsplätze in unserem Lande erwünscht wäre.
Danke.
Die Fragen 32 und 33 werden auf Wunsch des Fragestellers, des Abgeordneten Lutz, schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Haase ({0}) auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, der Grundig AG im Rahmen des Kartellrechts bei der Ausweitung von Produktion und Vertrieb im Bereich der Bürotechnik entgegenzukommen?
Herr Kollege Haase, die von Ihnen gestellte Frage betrifft die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes und kann deshalb nicht abstrakt behandelt werden. Die dem Bundeskartellamt vertraglich gegebenen Zusagen beruhen auf der Situation zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundeskartellamts. Diese Zusagen wurden bereits damals so gefaßt, daß sie möglichst wenig einschneidend sind und daß sie möglichst keine Auswirkungen auf Arbeitsplätze haben. Sollten sich die Marktverhältnisse entscheidend ändern, würde das Bundeskartellamt erneut in eine Prüfung eintreten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß es generell darauf ankommt, die deutsche Industrie gegenüber der japanischen Konkurrenz gerade in diesem Bereich zu schützen und zu stärken? Daß dies oft nur in Kooperation geschehen kann, ist doch wohl eine Tatsache. Mein Frage ist daher: Beachtet das Bundeskartellamt diesen Gedanken gerade in diesem Bereich hinreichend?
Ich meine, daß man diese Frage bejahen kann, Herr Kollege Haase.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haase? - Keine weitere Zusatzfrage. - Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, würde die Bundesregierung notfalls im Wege der Ministererlaubnis der Grundig AG die Beibehaltung z. B. der Stenoretten-Produktion in Bayreuth und auch des Stenoretten-Betriebs erlauben, wenn es dadurch gelänge, Arbeitsplätze in diesem Raum zu halten?
Herr Kollege, es ist nicht möglich, zu einer mutmaßlichen Entscheidung in einem Kartellverfahren von dieser Stelle aus eine Aussage zu machen. Zunächst müßte das Unternehmen beim Bundeskartellamt seine Absichten vortragen, und dann wäre in erster Linie das Kartellamt gefordert.
Ich rufe Frage 35 des Abgeordneten Dr. Haack auf. - Entschuldigung, Graf Lambsdorff, ich habe Sie übersehen. Tut mir leid.
({0})
- Das müßte ich wohl zulassen. Bitte sehr.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Herr Staatssekretär, können Sie mir zustimmen, daß es recht sinnlos wäre, über eine Ministererlaubnis öffentlich zu spekulieren und damit dem Kartellamt jede Möglichkeit zu nehmen, eine davon unabhängige sachbezogene Entscheidung zu treffen, bevor eben dort die Entscheidung gefallen ist?
Herr Kollege, ich versuchte, das in meiner Antwort weniger klar und weniger direkt zum Ausdruck zu bringen.
({0})
Frage 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Haack:
In welchen Bereichen und mit welchem Auftragsvolumen war der Bund bislang Kunde der Grundig AG?
Das Produktspektrum der Firma Grundig ist fast ausschließlich auf den privaten Konsumenten ausgerichtet. Aufträge des Bundes dürften von marginaler Bedeutung sein. Details lassen sich in der Kürze der Zeit leider nicht ermitteln.
Zusatzfrage, Herr Dr. Haack? - Dann kann ich noch Ihre zweite Frage, die Frage 36, aufrufen:
In welchen Bereichen war und ist der Philips-Konzern Vertragspartner des Bundes bzw. bundeseigener Unternehmen, um welches Auftragsvolumen handelte bzw. handelt es sich dabei?
Aufträge des Bundes dürften wohl primär den Zuständigkeitsbereich des Bundespost- und des Bundesverteidigungsministers betreffen. Gemessen am Gesamtvolumen des Umsatzes der Deutschen Philips dürften die Bundesaufträge aber nicht sehr stark ins Gewicht fallen. Genauere Aussagen könnten erst nach zeitaufwendigen Recherchen gemacht werden.
Zusatzfragen kann ich jetzt nicht mehr zulassen, da die Fragestunde abgelaufen ist. Tut mir leid.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
({0})
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Privatisierungspolitik der Bundesregierung
Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde beantragt, und zwar zum Thema „Privatisierungspolitik der Bundesregierung".
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weng.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Eine Wirtschaftsordnung ist um so erfolgreicher, je mehr sich der Staat zurückhält und dem einzelnen seine Freiheit läßt." Diese Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 konnten nur so verstanden werden, daß die Bundesregierung entsprechend der Regierungserklärung von 1982 eine Erneuerung der Marktwirtschaft in Angriff nehmen würde.
({0})
Das bedeutet, daß der Bereich öffentlicher Beteiligungen und Dienstleistungen privatisiert werden sollte, für den es keinen Handlungsbedarf des Staates aus hoheitlichen Gründen gibt.
({1})
Meine Fraktion befindet sich in vollster Übereinstimmung mit der Gruppe der CSU, daß ein geschlossenes und zügiges Gesamtkonzept der Privatisierung wünschenswert ist und bleibt.
({2})
Nichtsdestotrotz aber wollen wir mit der Privatisierung beginnen und fortfahren, auch ehe ein solches Gesamtkonzept vorliegt. Denn, meine Damen und Herren, die Erstellung eines solchen Konzepts dauert uns zu lange.
Heute, zur Hälfte der Wahlperiode, begrüßen wir einen zweiten konkreten Schritt bei der Privatisierung. Nach einer Teilveräußerung von VEBA-Aktien hat das Kabinett in seiner gestrigen Sitzung ein weiteres Teilkonzept verabschiedet. Es ist zu begrüßen, daß, vielleicht unter dem Eindruck unserer mündlichen Anfrage von heute, das Kabinett die Vorlage des Finanzministers endlich behandelt hat. Ich will aber keinen Zweifel daran lassen, daß die Bewertung des Ergebnisses das ausdrückt, was ich
Dr. Weng ({3})
selbst vor einiger Zeit gegenüber dem Deutschen Fernsehen in dieser Frage geäußert habe. Ich erklärte: Ich hoffe nicht, daß der Berg kreiße und ein Mäuslein gebäre. Nun hat er - ich übernehme eine Bewertung aus der Presse, nämlich der „Stuttgarter Zeitung" von heute - eine Schnecke geboren.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion kann in dieser Entscheidung des Kabinetts aus ordnungspolitischen Gründen nur einen Startschuß für wesentlich weitergehende Bemühungen sehen, wenn der politische Wille des Bundeskanzlers aus der Regierungserklärung umgesetzt werden soll.
({4})
Es wird sich hierbei nicht nur um die Veräußerung einiger Anteile von Bundesbeteiligungen handeln können, sondern es müssen selbstverständlich alle im Bundesbesitz befindlichen Beteiligungen auf den Prüfstand. Dazu gehören auch Beteiligungen und Dienstleistungen im Bereich der Sondervermögen von Bahn und Post.
Meine Damen und Herren, ich will auch nicht verhehlen, daß in der Frage der Privatisierung mein persönlicher Glaube an die Durchsetzungsfähigkeit des Herrn Bundesfinanzministers ein ganz klein wenig ins Wanken gekommen ist.
({5})
Meine Fraktion wird in Sachen Privatisierung nicht ruhen. Wenn es hier nur in kleinen Schritten vorangeht, so werden wir viele kleine Schritte fordern.
({6})
Niemand soll denken, daß die Liberalen im Deutschen Bundestag in diesem Politikbereich mit wenig zufriedenzustellen sein werden.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Wieczorek.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Daß ausgerechnet die FDP als einer der Koalitionspartner eine Aktuelle Stunde durchsetzt, um eine gerade getroffene Regierungsentscheidung zu diskutieren, Herr Dr. Weng, finde ich schon bemerkenswert.
({0})
Es macht nämlich so richtig das Hin und Her in Ihrer Koalition deutlich. Das Nennen neuer Privatisierungsnamen, die hier immer wieder nachgeschoben werden, zeigt uns sehr klar, was bei Ihnen eigentlich los ist. Sie wissen nämlich überhaupt nicht, was Sie wollen. Sie haben mit dem Stichwort Privatisierung reinen Etikettenschwindel betrieben. Denn Sie privatisieren gar nichts; Sie verkaufen Bundesanteile an einem privatwirtschaftlich geführten Unternehmen. Das können Sie doch nicht Privatisierung nennen.
({1})
Wir haben uns gefragt, warum der Bundesfinanzminister ausgerechnet jetzt dazu kommt, eine Zwischenentscheidung zu treffen. Wir können es uns nur so erklären, daß er wieder einmal ein Loch in der Kasse hat und dieses Loch stopfen will. Es gibt im Augenblick überhaupt keine andere Begründung dafür, als daß die Einnahmeseite wieder einmal nicht stimmt. Der Bundesfinanzminister hat ja große Probleme, wenn es darum geht, seinen Haushalt nach der neuen Steuerschätzung in Ordnung zu bekommen.
Die Bundesregierung hat immer ordnungspolitische Gründe in den Mittelpunkt gestellt. Herr Kollege Wissmann hat in einer Presseerklärung gesagt, mit der Teilprivatisierung werde mehr persönliche Freiheit erreicht. Ich möchte doch gerne sehen, inwiefern die Betroffenen in dem Unternehmen mehr persönliche Freiheit haben, wenn sie der Kontrolle der Banken unterliegen und nicht mehr der Kontrolle der öffentlichen Hand. Aber das ist Ihr Problem.
({2})
Meine Damen und Herren, ob die Anhänger einer Entstaatlichungspolitik mit dem Regierungsbeschluß, der ja nur wenige Teilprivatsierungen vorsieht, zufrieden sind, müssen wir gerade nach dem Vortrag von Herrn Weng bezweifeln. Aber entscheiden Sie selbst.
Für meine Fraktion gilt grundsätzlich: Wo es keine gezielte Verstaatlichung gegeben hat, kann es auch keine ordnungspolitisch begründete Privatisierungsaktion geben.
Der überwiegende Teil des Beteiligungsbesitzes des Bundes ist von Rechtsvorgängern ererbt. Wir sollten ihn an unsere Kinder weitergeben. Daneben hat es zahlreiche Neugründungen gegeben. Diese sind seinerzeit bewußt in einer solchen Form gemacht worden. Herr Dr. Weng, sicherlich hat auch Ihr Nachbar, Graf Lambsdorff, an diesen Gründungen sogar mitgewirkt. Aber wahrscheinlich will er seine Politik hier verändern.
Daß man mit staatlichen Beteiligungen eine gezielte Industriepolitik machen kann, zeigt ja im übrigen auch das bayerische Beispiel. Für mich hebt sich die pragmatische Haltung von Herrn Strauß wohltuend von den ideologischen Diskussionen der übrigen Koalitionspartner ab.
({3})
Die SPD hat keine ideologischen Vorbehalte gegen die privat geführten Unternehmen. Die SPD-Fraktion - das betonen wir noch einmal - bejaht ausdrücklich die Marktwirtschaft, Herr Graf Lambsdorff, die den Besitz am Unternehmen durchaus auch dem Staat zubilligt.
({4})
Ich glaube, daß wir diese Unternehmen nicht als Spielwiese für Lösungen betrachten dürfen.
Wieczorek ({5})
Der Kollege Weng - das muß ich immer wieder in den Vordergrund stellen - hat in der letzten Haushaltsdebatte hier gesagt, daß er eine „größere Beute" haben möchte. Er ist auf „Beute" aus. Meine Damen und Herren, was bedeutet es eigentlich, wenn jemand „Beute" machen will? Dann möchte er sich doch etwas aneignen, was ihm normalerweise nicht zusteht. Herr Dr. Weng, Sie fordern den Bundesfinanzminister auf, Beute zu machen, indem er Volksvermögen verschleudert. Dafür können Sie die Zustimmung der SPD-Fraktion nicht erhalten.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friedmann.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dankt dem Bundesfinanzminister und der Bundesregierung dafür, daß sie mit der Privatisierung voranmachen. Ich bin dem Bundesfinanzminister auch dankbar dafür, daß er diese Arbeit umsichtig und besonnen, nicht überhetzt angeht.
({0})
Verehrter Herr Wieczorek, es geht nicht darum, aus ideologischen Gründen ein Stück Privatisierung zu betreiben. Ich bin schon der Meinung, wir sollten das Ganze aus praktischen Überlegungen heraus angehen. Vielleicht sind wir uns sogar darin einig, daß sich der Staat dort, wo er nichts zu suchen hat, zurückziehen sollte, damit er sich um so mehr seinen eigentlichen Aufgaben widmen kann.
({1})
Ich darf Ihnen versichern: Es geht nicht darum, zusätzliche Einnahmen im Bundeshaushalt zu erzielen. Es geht dabei ohnehin um minimale Einnahmen, die auf Jahre verteilt sind. Da es uns ein Anliegen ist, auch die kranken Bundesunternehmen zu sanieren, bevor sie privatisiert werden können, wird man die meisten Einnahmen ohnehin dazu benötigen, kranke Unternehmen zu sanieren, bevor sie privatisiert werden können.
({2})
Wenn Sie sagen, hier stimme etwas nicht, im Bundeshaushalt klaffe ein Loch: Wie kann man denn, da wir die Neuverschuldung auf maximal 25 Milliarden DM in diesem Jahr heruntergedrückt haben, von einem unvorhergesehenen Loch sprechen? Sie wissen selber, lieber Herr Wieczorek, daß das nicht zutrifft.
({3})
Meine Damen und meine Herren, es sind mehrere Gründe, die wir haben. Es sind zum einen ordnungspolitische Gründe: Der Staat soll sich dort nicht betätigen, wo es Private besser können. Es gibt auch haushaltspolitische Gründe. Ich erlebe immer wieder, wie plötzlich Anforderungen aus dem Bereich der Bundesunternehmen auf den Haushalt zukommen, mit denen kein Mensch gerechnet hat. Solche unvorhergesehenen haushaltspolitischen Mehrbelastungen sollten wir uns vom Halse halten.
Wir legen auch Wert darauf, daß durch die Privatisierung des Bundes den Ländern und Gemeinden ein Beispiel gegeben wird. Sie sollen nachfolgen.
Vor allen Dingen liegt mir sehr daran, daß der Bund durch die Privatisierung nicht mit Diskussionen belastet wird, mit denen er eigentlich nichts zu tun haben sollte. Wenn - wie geschehen - ein Bundesunternehmen Schlagstöcke herstellt und dem persischen Schah zur Unterdrückung seiner innenpolitischen Gegner liefert und der Bund deshalb diese unliebsame Diskussion am Halse hat, dann ist das ein typisches Beispiel dafür, womit sich der Bund nicht herumschlagen sollte.
({4})
Ich möchte auch großen Wert darauf legen, daß wir bei allen diesen Überlegungen ganz konkret und gezielt von Fall zu Fall vorgehen. Ich beobachte mit Sorge, wie zur Zeit eine Diskussion über Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse entsteht. Man erweckt den Eindruck, erste Klasse sei der, der bei einem Bundesunternehmen arbeitet; zweite Klasse jener, der bei einem privaten Unternehmen arbeitet. Das ist eine völlig falsche Gewichtsverlagerung. Jede Arbeit ist gleichwertig, egal, ob hier oder dort.
Ich möchte Sie auch bitten, das Ganze losgelöst von jeder Polemik zu betrachten.
({5})
- Herr Weng, wenn Sie Eile anmahnen, so habe ich Verständnis für Ihre Ungeduld. Aber lieber etwas besonnener und umsichtiger vorgehen als in falscher Hektik Bewegungen auslösen, die uns hinterher unnötig zu schaffen machen!
({6})
Insoweit betrachten wir das, was das Kabinett gestern beschlossen hat, als einen ersten, aber mit Sicherheit richtigen Schritt in die richtige Richtung.
Es hängen mit der Privatisierung so viele Überlegungen zusammen, daß man das alles gar nicht von heute auf morgen so Hals über Kopf übers Knie brechen kann. Das wollen wir nicht. Insoweit begrüßen wir es, daß die Dinge besonnen vorangebracht werden. Aber das wird eine Daueraufgabe über mehrere Wahlperioden hinweg sein.
({7})
Es ist auch nicht unsere Überlegung zum jetzigen Zeitpunkt, Bahn oder Post als Ganzes zu privatisieren, wohl aber liegt uns daran, daß sich neu hinzuwachsende Märkte auf diesem Gebiet möglicherweise der Konkurrenz zu stellen haben.
({8})
Und ein letztes: Auch wenn es gelingt, privatrechtliche Rechtsformen für staatliche Tätigkeiten zu finden, so ist dies schon ein Schritt in Richtung Privatisierung, der nicht unterschätzt werden sollte.
Dr. Friedmann Schönen Dank.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel ({0}).
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Absolut unverständlich ist uns, wie der Bundeshaushalt ausgerechnet durch den Verkauf der gewinnträchtigsten Betriebe konsolidiert werden soll. So hat der Bund im Jahre 1984 von seinen Beteiligungen rund 22,3 Millionen DM mehr an Gewinnausschüttungen einkassieren können als 1983. Dabei standen die bevorzugten Privatisierungskandidaten an der Spitze: Knapp 47 Millionen DM von der Lufthansa. Der VIAG-Konzern hat seinen Jahresüberschuß um 93 Millionen DM auf 109 Millionen DM gesteigert. Die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank konnte ihren Jahresüberschuß verdoppeln. Warum man auf diese Gewinne verzichten soll, mit denen man die defizitären und unverkäuflichen Betriebe wie die Salzgitter AG über Wasser halten kann, ist nicht einzusehen.
({0})
Wir GRÜNEN halten nicht die Privatisierung, sondern den politisch verantwortlichen Umgang mit den Bundesunternehmen für das Gebot der Stunde. Das Elend dieser ganzen Diskussion besteht doch darin, daß die Bundesregierung die Bundesbetriebe allein unter dem Gesichtspunkt des unternehmerischen Erfolgs oder Mißerfolgs betrachtet und die Möglichkeit, diese Betriebe als politische Steuerungsmittel einzusetzen, völlig außer acht läßt.
Ein Beispiel für den Dilettantismus in diesem Bereich wurde uns heute in der Fragestunde von Staatssekretär Spranger vorgeführt, als es um die Fluorbelastungen durch ein bundeseigenes Aluminiumwerk ging.
({1})
Statt daß der Staatssekretär deutlich machen würde, daß der Bund hier vorbildlich vorangeht, zieht er sich wie jedes x-beliebige Unternehmen darauf zurück, daß die Ursächlichkeit noch nicht absolut geklärt sei, daß man abwarten müsse usw. usw.
Das Eigentum des Bundes an Flughäfen, Lufthansa, Bundesbahn usw. könnte die Grundlage für die Entwicklung eines ökologischen Verkehrskonzeptes bilden. Statt dessen machen sich Lufthansa und Bundesbahn gegenseitig Konkurrenz.
Der Bund hätte mit seinem Einfluß auf den Energiekonzern VEBA den Vorreiter machen können für die Entwicklung eines planvollen energiesparenden und umweltschonenden Aufeinanderwirkens von Energiegewinnung und -verarbeitung. Statt dessen wurde diese Chance für die einmalige Einnahme von 770 Millionen DM verschenkt - ein Betrag, der allein beim Verzicht auf den Hochtemperaturreaktor und den Schnellen Brüter 1984 hätte eingespart werden können.
({2})
Der Einfluß auf das Volkswagenwerk könnte zur beschleunigten Einführung von weniger umweltschädlichen Autos genutzt werden. Der Einfluß der Gemeinden und Kreise auf die Sparkassen könnte zur Verbilligung von Krediten für Handwerker und Kleinbetriebe geltend gemacht werden. In allen diesen Bereichen könnte der öffentliche Einfluß durch den Verzicht auf die Profitmaximierung im Zielkatalog der Unternehmen auch beschäftigungspolitisch nutzbringend eingesetzt werden.
Gott sei Dank aber - das ist ja auch in dem Beitrag des Kollegen Weng angeklungen - wird der von Stoltenberg beschworene Beitrag zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft wohl doch nicht so radikal betrieben werden, wie bei dem Wortgeklingel zu befürchten war. Sie findet mindestens dort ihre Grenzen, wo Eigeninteressen eingeschränkt werden sollen. Von 1970 bis 1984 sind 125 Beamte in die Geschäftsleitung der Unternehmen mit Bundesbeteiligung übergewechselt. Waldemar Schreckenberger findet man im Aufsichtsrat der VEBA-Tochter STINNES wieder, CSU-Politiker Althammer als Vorstandsmitglied der Lastenausgleichsbank, Ex-CDU-Haushaltsexperte Schröder als Geschäftsführer der Deutschen Entwicklungsgesellschaft, DEG. Da findet sich manch liebgewordenes Pöstchen und lukrativer Nebenjob, auf den man 13 Jahre hat warten müssen und auf den zu verzichten sicherlich nicht leichtfallen würde. Insofern besteht für uns Anlaß zur Hoffnung, daß es die Bundesregierung erst einmal bei dieser Privatisierungswelle bewenden läßt.
Ich möchte zum Schluß darauf hinweisen, daß eine Privatisierungsdebatte, nur auf die öffentlichen Unternehmen bezogen, viel zu kurz greift. So haben wir z. B. schon seit Jahren eine schleichende Privatisierung der inneren Sicherheit. Die Existenz der schönfärberisch als Sicherheitsdienste bezeichneten Privatarmeen vom Schlage der schwarzen Sheriffs des Münchener ZSG stellt eine weitaus größere Bedrohung für das staatliche Gewaltmonopol dar als jede nur denkbare Kasernenblockade.
Vielen Dank.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Riedl ({0}).
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf in dieser Aktuellen Stunde zu vier Punkten kurz Stellung nehmen.
Erstens. Meine Fraktion und insbesondere die Mitglieder der Haushaltsgruppe - also die dem Haushaltsausschuß angehörenden Abgeordneten - haben diese Bundesregierung von Anfang an wiederholt gebeten, den Weg der Privatisierung zu beschreiten. Wir haben dabei immer die grundsätzliDr. Riedl ({0})
che Erwartung ausgesprochen, daß der Beteiligungsbesitz des Bundes in angemessener Frist auf solche Beteiligungen reduziert wird, bei denen ein wichtiges Interesse des Bundes vorliegt und bei denen sich der vom Bund angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen läßt. Wenn dies von der SPD bezweifelt wird, muß sie sich darüber im klaren sein, daß unsere Position in vollem Einklang mit dem Gesetz, und zwar mit § 65 der Bundeshaushaltsordnung, steht. Wir begrüßen deshalb den gestrigen Beschluß des Bundeskabinetts in zweifacher Hinsicht: bestimmte Bundesbeteiligungen zu verringern und ein Gesamtkonzept für die Privatisierungs- und Beteiligungspolitik des Bundes vorzulegen.
Zweitens. Ich möchte um die Frage, wohin die Erlöse aus der Veräußerung von Bundesbeteiligungen fließen und welche Qualität dies hat, gar nicht herumreden. Diese Erlöse werden als Einnahmen in den Bundeshaushalt eingestellt und dienen, weil dies rein rechnerisch auch gar nicht anders sein kann, dem weiteren Abbau der Nettokreditaufnahme; denn - davon gehen wir in unserer Politik aus - in dem Maße, wie die Nettokreditaufnahme abgebaut wird, steigt der private Spielraum, sinken die Zinsen und steigt die wirtschaftliche Belebung.
({1})
Diese Erlöse sind für uns kein Selbstzweck. Sie schaffen vielmehr Freiraum für private Wirtschaft.
({2})
- Herr Kollege Roth, ich weiß j a, daß ein sozialistischer Wirtschaftsexperte wie Sie dafür kein Verständnis hat,
({3})
aber mit Sinken der Nettokreditaufahme werden wir uns auch wieder in die Lage versetzen, das zu tun, was Sie leider Gottes nicht mehr erreicht haben: den investiven Anteil des Bundeshaushalts wesentlich zu vergrößern und damit zur wirtschaftlichen Belebung beizutragen.
({4})
Drittens. Meine Damen und Herren - auch daran gibt es nicht viel herumzudeuteln -, wie die lange Vorbereitungszeit für diese ersten Vorschläge der Bundesregierung und die Nochzurückstellung bereits öffentlich diskutierter Privatisierungsvorhaben beweisen, steckt der Teufel im Detail: Was ist ein wichtiges Interesse des Bundes? Was das ist, läßt sich nicht mit einer Schablone feststellen. Man wird und kann es eigentlich immer nur im Einzelfall ermitteln. Kann der Bund beispielsweise die Stahlwerke Salzgitter aufgeben? Kann sich die öffentliche Hand ganz aus Arbed-Saarstahl zurückziehen?
Geben Sie einmal Ihrem Kollegen Hajo Hoffmann, dem jetzigen Wirtschaftsminister im Saarland, einen Rat, was er machen soll, der arme Kerl. Sozialisten tun sich ja schwer. Früher waren sie große Verstaatlichungskünstler. Aber heute bringen sie beides nicht mehr fertig: weder mehr verstaatlichen noch privatisieren. Das ist Ihr Dilemma, Herr Roth.
({5})
Der Rückzug des Bundes würde in all diesen Bereichen zur Schließung des Betriebes führen. Das ist politisch auch wieder nicht machbar. Also: Prüfung des wichtigen Interesses des Bundes immer im Einzelfall.
Besonders schwierig - das will ich hier auch ganz offen zugeben - ist diese Frage für die Deutsche Lufthansa zu beantworten, was sich auch daran zeigt, daß die Koalitionspartner hierzu recht unterschiedliche Auffassungen haben.
Für uns gilt bis heute das, was die Bundesregierung in einer Antwort am 16. August 1983 auf eine parlamentarische Anfrage erklärt hat, daß die Deutsche Lufthansa ein Unternehmen ist, „das mit dem Fluglinienverkehr Aufgaben staatlicher Daseinsvorsorge wahrnimmt". Wenn der Bundeseinfluß auf dieses Unternehmen gesichert sein soll, so müsse der Bund 75 % Anteile behalten.
({6})
Der Ausbau der Lufthansa muß unabhängig von spekulativen Interessen sichergestellt sein. Bei dieser Gelegenheit sagte die Bundesregierung, sie beabsichtige nicht, ihren Anteil an der Lufthansa herabzusetzen.
({7})
Viertens. Privatisierung heißt für uns, daß öffentliches Vermögen in private Hände gehört, wo es ohne Beeinträchtigung staatlicher Belange möglich ist und wo der Private öffentliche Dienstleistungen besser erfüllen kann.
Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen - auch darüber müssen wir reden -, daß man große Teile des Oberbaus der Deutschen Bundesbahn nicht in den hierarchischen Formen staatlicher Administration erledigt, sondern mehr Aufträge an kleine und mittelständische Bauunternehmen gibt.
Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, warum man in jedem Ministerium in Bonn eine eigene Kraftfahrzeugwerkstatt unterhält.
({8})
In den Kommunen gibt es unzählige Beispiele für Privatisierung, angefangen von den eigenen Drukkereien bis zu den eigenen Gebäudereinigungsdiensten.
Mein Schlußsatz ist ein Zitat, das ich der Handwerkskammer Trier verdanke:
Ein Staat, der Wäsche wäscht, Kinder hütet, Rinder schlachtet, Fußböden putzt und Blumen züchtet, muß zwangsläufig seine primären Aufgaben wie beispielsweise Sicherstellung der Energieversorgung und der öffentlichen Sicherheit vernachlässigen.
Herr Kollege Wieczorek, wie wir in Bayern sagen: Ein Verscherbeln von Bundesunternehmen kommt für uns nicht in Frage. Wir wollen eine sinnvolle
Dr. Riedl ({9})
Privatisierungspolitik im Interesse von mehr privatwirtschaftlicher Betätigung; nichts anderes.
Ich bedanke mich.
({10})
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind drei wichtige Aufgaben, die uns in Verbindung mit der Verantwortung des Bundes für Industriebesitz, Banken und andere Formen des gewerblichen Vermögens gestellt sind. Wir haben sie auch, Herr Kollege Weng, in einer ausführlichen Vorlage dargestellt: in dem Gesamtkonzept für die Privatisierungs- und Beteiligungspolitik des Bundes, das gestern einstimmig, also auch mit den Stimmen der Kollegen von der Freien Demokratischen Partei, vom Kabinett gebilligt worden ist.
({0})
- Ich stelle das nur fest: einstimmig gebilligt, damit hier nicht ein falscher Eindruck entsteht.
Und nun komme ich zu Ihnen, Herr Wieczorek. Seien Sie vorsichtig! Vor allem Herr Apel! Sie sind schon wieder so fröhlich.
Wir müssen die Bundesunternehmen aus der Krise herausführen. Das ist die erste der drei Aufgaben. Wir müssen erschreckende Verluste bei großen Bundesunternehmen, die wir zur Zeit des Regierungswechsels vorgefunden haben - Herr Kollege Apel, Sie gehören zu den Hauptverantwortlichen - zunächst einmal abbauen.
({1})
Damit Sie nicht so übermütig werden!
Herr Kollege Wieczorek, Sie haben davon gesprochen, wir würden Volksvermögen verscherbeln. Soll ich Ihnen mal eine Zahl in Erinnerung rufen?
({2})
Der Deutsche Bundestag mußte von 1970 bis 1982 4,2 Milliarden DM aus Steuermitteln oder auf Pump den Bundesunternehmen zuführen,
({3})
auf Grund einer Mißwirtschaft, mit der Sie sich noch einmal beschäftigen sollten, was Ihre eigene Verantwortung betrifft.
({4})
Wenn wir also vom Verscherbeln von Volksvermögen und von der Verschwendung von Steuergeldern reden wollen und wenn das Ihre Stichworte sind,
({5})
dann will ich Ihnen nur sagen: Eine in vielen Punkten mangelhafte Wahrnehmung der Unternehmerverantwortung durch die in jener Zeit politisch Zuständigen hat dazu geführt, daß der deutsche Steuerzahler in zwölf Jahren über 4 Milliarden DM hinzuführen mußte. Deswegen sollten Sie etwas vorsichtiger sein
({6})
mit überheblichen Bemerkungen und Vorwürfen.
({7})
Wir sind hier auf dem Weg, und das ist eine große Anstrengung.
({8})
- Nun seien Sie doch nicht so aufgeregt! - Der Vorstand des Salzgitter-Konzerns hat es vor wenigen Tagen veröffentlicht: in dem Jahr, in dem der Regierungswechsel stattfand und in dem ich die politische Verantwortung übernahm, hat allein das Unternehmen Salzgitter sage und schreibe 630 Millionen DM Verlust gemacht,
({9})
allein in jenem Jahr 630 Millionen DM Verlust. Da können Sie überhaupt keine Ablenkungsmanöver machen. Sie müssen sich mit dieser Zahl auseinandersetzen. Auf Grund der vom Alleineigentümer Bund im Vorstand und im Aufsichtsrat dann eingeleiteten Schritte wurde dieser Verlust im nächsten Jahr auf rund 430 Millionen DM zurückgeführt. Jetzt, im dritten Jahr, zeichnet sich nach Auskunft des Vorstandes ab, daß der Verlust höchstens 100 Millionen DM betragen wird und vielleicht - das Geschäftsjahr ist ja noch nicht zu Ende - gegen Null tendiert. Das ist eine gewaltige Anstrengung aller Beteiligten, aber auch des Bundesministeriums der Finanzen als Anteilseigner.
({10})
Ich sage das einmal allen, die meinen, wir seien auf diesem Gebiet nicht engagiert und verantwortungsbewußt tätig. Das gilt auch für andere Unternehmen. Das erwähnte Unternehmen ist nicht das einzige - es ist sicher durch besondere Strukturprobleme belastet -, bei denen dies am wichtigsten ist. Wir müssen aber auch den Unternehmen, die noch länger oder vielleicht dauerhaft im Eigentum des Bundes verbleiben, eine Zukunftsperspektive geben. Ich bin der Meinung - wir haben darüber mit dem Vorstand und dem Aufsichtsratsvorsitzenden vor kurzem gesprochen -, daß z. B. Salzgitter positive Zukunftsperspektiven hat, auch auf neuen Gebieten wie der Elektronik und der Umwelttechnologie. Ein Prozeß der Gesundung kann nicht nur in der Schrumpfung bestehen. Es müssen auch zukunftsweisende neue Gebiete aus der Kapazität des Unternehmens heraus erschlossen werden.
Die zweite Aufgabe ist, mittelbare Bundesbeteiligungen zu überprüfen. Die Bilanz der 70er Jahre, fortgeschrieben bis 1982, zeigt, daß zahlreiche Bundesunternehmen zu viele Gesellschaften aufgekauft haben. Das schöne Stichwort Diversifikation war
nicht immer erfolgreich. Sicher sind Zukäufe im Sinne einer Abrundung im Einzelfall sinnvoll gewesen; in vielen Fällen aber waren sie fragwürdig, wie die Entwicklung der Bilanzen zeigt.
({11})
Über 100 mittelbare Bundesbeteiligungen sind hinzugekommen. In den letzten zwei Jahren sind über 20 Beteiligungen veräußert worden. Dabei werden wir weiterhin, soweit der Bund mitwirkt, neben den Organen der Unternehmen natürlich im Einzelfall darauf achten, daß auch unter Beachtung der Belange der Arbeitsplätze der Mitarbeiter veräußert wird. Wir veräußern nicht um jeden Preis. Wir müssen sorgfältig darauf achten, daß Unternehmen, die nicht mehr zum Bundesbereich gehören, in gute Hände kommen.
Nun kommt der dritte Punkt, der Anlaß für die Aktuelle Stunde ist die Verringerung oder Veräußerung direkter Bundesbeteiligungen. Dafür - Herr Kollege Wieczorek, ich sage das noch einmal - sind ordnungspolitische Gründe maßgebend, doch nicht fiskalpolitische
({12})
- entschuldigen Sie, ordnungspolitische Gründe, die Sie als ideologische bezeichnen.
({13})
Nein, es geht um die Frage, was die wirklichen Aufgaben des Staates in der Konzentration auf das Wesentliche sind, natürlich auch im Bereich der Wirtschaft. Meine Vorredner haben das überzeugend klargemacht. Ich brauche das in den wenigen Minuten nicht zu vertiefen. Es geht um die Konzentration auf die wesentlichen Staatsaufgaben. Es geht auch darum, Möglichkeiten für Vermögensbildung zu eröffnen,
({14})
für eine breitere Streuung von Eigentum. Das Echo - vor allem bei den Belegschaften - ist, wie die letzte VEBA-Teilprivatisierung zeigt, sehr positiv.
Nun als letztes: Der Zeitplan widerlegt Unterstellungen, meine Kollegen der SPD. Wir haben ein Jahr intensiver Debatte mit den Beteiligten gebraucht, um ein Konzept vorzulegen. Das kann man nicht am Schreibtisch machen. Man muß mit den Betroffenen reden, ihren Sachverstand respektieren und beachten, Argumente austauschen, die Belange der Firmen und ihrer Mitarbeiter berücksichtigen. Vom Sommer 1983 bis 1984 haben wir das getan. Wir haben im Herbst 1984 eine erste Vorlage für die Ressortabstimmung zugeleitet und haben jetzt die Entscheidung des Kabinetts erreicht. Dies ist ein wichtiger Abschnitt; aber ich habe ausdrücklich vorgeschlagen, daß das Kabinett - und so ist es geschehen - mir und den anderen beteiligten Kollegen den Auftrag gibt, weiterzuarbeiten, zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt weitere Beteiligungen sinnvoll veräußert werden können oder aber ob dem ersten Schritt einer Teilprivatisierung bei einigen Unternehmen weitere folgen. Denn es ist nicht nötig, daß der Bund bei jedem Unternehmen, das auf der Liste steht, dauerhaft Anteilseigner bleibt.
({15})
So empfinde ich auch den Zuspruch und die Ermahnungen, Herr Kollege Weng, der Freien Demokraten durchaus als einen Ansporn. Ich habe um so mehr Verständnis dafür, weil die Freie Demokratische Partei jetzt Konzepte frei verfolgen kann, an deren Verwirklichung sie zwölf Jahre lang in der alten Koalition gehindert wurde.
({16})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Esters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesfinanzminister hat hier soeben Zahlen darüber genannt, wie bestimmte Unternehmen, die im Bundesbesitz sind oder an denen der Bund beteiligt ist, von 1970 bis 1982 unterstützt worden sind bzw. Finanzhilfen bekommen haben. Herr Minister, die Unternehmen, die Sie jetzt privatisieren oder teilprivatisieren, haben meines Wissens in dieser Zeit keinen Pfennig bekommen.
({0})
Jedes Jahr, Herr Minister, legt uns der Bundesrechnungshof mit seinen Prüfungsbemerkungen auch dar, der Bund möge sich von den Unternehmen trennen, die ihm und damit dem Steuerzahler über Jahre hinweg und auch für die Zukunft ablesbar Verluste einbringen. Wir nehmen diese Bemerkungen des Rechnungshofes hier immer zustimmend zur Kenntnis, d. h. wir unterstützen dies. Aber genau auf diesem Gebiet geht nichts; dort bewegt sich überhaupt nichts.
Die Erlöse aus der Privatisierung - darin sieht der Kollege Friedmann, der das hier soeben noch einmal ausgeführt hat, das Hauptmotiv der Privatisierung überhaupt - sollten dazu dienen, nicht Haushaltseinnahmen zu erzielen
({1})
- Moment, wenn Sie genau zugehört hätten, hätten Sie gehört, daß ich gesagt habe: nicht Haushaltseinnahmen zu erzielen -,
({2})
sondern es gehe darum, die durch den Erlös gewonnenen Mittel einsetzen zu können, um kranke Unternehmensteile, an denen der Bund beteiligt ist oder die im Bundesbesitz sind, gesund zu machen und dann zu privatisieren.
({3})
- Dies hat der Kollege Friedmann soeben gesagt, und der Bundesfinanzminister bestätigt dies im Grunde auch.
Allerdings dürfen die Veräußerungen nicht allein zur Sanierung des Bundeshaushalts herangezogen werden. Dies kann nicht sein. Die Mittel müßten dann im Bereich der industriellen Beteiligungen des Bundes wieder in Ansatz gebracht werden, um Unternehmensteile, die jahrelang, wie Sie richtig gesagt haben, vom Steuerzahler gelebt haben, gesund zu machen. Dazu wird nichts beigetragen. Hier wird in dem Teil, wo kranke Unternehmensbereiche dem Bund auch in Zukunft, Herr Minister, erhalten bleiben, nichts bewegt. Wo der Bund aber Einnahmen erzielt und keine Ausgaben tätigen muß, wird etwas veräußert. Dies ist dann auch eine Verschleuderung von Steuermitteln.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Lambsdorff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag ist doch immer noch für eine Überraschung gut. Der Abgeordnete Vogel ({0}) wurde aufgerufen; mal sehen, ob das Kontinuität, Wende oder Wechsel wird.
An die Adresse der GRÜNEN, meine Damen und Herren: Wollen Sie nun eigentlich alternative Kleinbetriebe, oder wollen Sie staatliche Tätigkeit im Wirtschaftsleben? Sie müssen sich entscheiden. Nach dem Motto „Wir wissen nicht, wohin wir wollen, aber das mit Entschlossenheit" können Sie diese Fragen nicht beantworten.
({1})
Herr Wieczorek, wenn Sozialdemokraten über Privatisierung reden, dann kommt einem das ein bißchen so vor, als wenn der Direktor einer Schnapsfabrik über den Kampf gegen Alkohol predigt.
({2})
Von jemandem, der eine so große Konferenz abhält, wie Sie das am vorigen Wochenende getan haben, und dort kein Wort gegen die Verstaatlichungspläne der Ihnen nahestehenden und befreundeten IG Metall sagt, kann man nicht erwarten, daß er für Privatisierung und die ordnungspolitische Komponente überhaupt Verständnis hat.
Herr Bundesfinanzminister, wir haben Ihren ersten Vorschlag, den Sie vor einer Reihe von Monaten gemacht haben, sehr gut gefunden; wir haben ihn sofort begrüßt. Nun, aus dem ansehnlichen Paket ist eher ein Päckchen geworden. Es steht vielleicht ein wenig die Überlegung dahinter: Mögen täte ich schon, trauen täte ich mich auch, aber dürfen darf ich nicht so ganz.
({3})
Den Kabinettsbeschlüssen von gestern, die völlig in
die richtige Richtung zielen - Herr Friedmann und
Herr Riedl haben absolut recht -, fehlt der
Schwung und der Zugriff, auf den wir uns verständigt hatten. Das ergibt sich aus dem Thema „Lufthansa", und zwar nicht, weil wir nicht gesagt hätten: Herr Bundesfinanzminister, wenn es da schwierig wird, stellen wir es zurück; da muß man sich einigen. - Es lassen sich übrigens Wege und ein Formular finden, die die Interessen beider Seiten berücksichtigen.
Allerdings machen mich die Gründe, die der Bundesinnenminister in einem Brief dafür angeführt hat, zweifeln, ob denn da eigentlich die richtige Grundauffassung vorliegt. Er vermißt ein „schlüssiges Gesamtkonzept". Haben Sie ihm das nicht vorgelegt? Er vermißt „industriepolitische Vorstellungen". Hat er die Antwort auf die Große Anfrage nicht gelesen? Er meint, ein national carrier müsse voll im Bundesbesitz sein. Gucke er sich einmal im Ausland um, wie Luftfahrtgesellschaften, die sich in Privatbesitz befinden, hervorragend arbeiten. Wir kennen sie alle.
({4})
- Meine Damen und Herren, man muß nicht nur an die „Iberia" denken, man kann auch einmal an die „Swissair" denken. - Der Bundesinnenminister meint, es könnte eine Forderung seitens der Aktionäre nach Anhebung der Dividende kommen. Das ist allerdings der Punkt: Daß ein Unternehmen, das sich im Wettbewerb bewegt, seinen Aktionären auch Dividende zahlen muß und daß ein öffentlicher Anteilseigner darauf verzichten kann, ist ja die Wettbewerbsverzerrung.
({5})
Meine Damen und Herren, dann schreibt er: Unabhängig von den grundsätzlichen Einwendungen gegen das gesamte Privatisierungskonzept ... Das heißt auf deutsch, wenn ich es so formulieren darf: Das Ganze ist nach seiner Auffassung ein Schmarren. So allerdings sehen wir es nicht. Wir sehen es auch haushaltspolitisch nicht als dringend an. Es ist hier mit Recht darauf hingewiesen worden, daß vielmehr die Ordnungspolitik der entscheidende Gesichtspunkt ist: Der Staat muß aus einer Tätigkeit heraus, in der Private tätig sein sollen, in der die private Wirtschaft die Aufgaben besser oder gleich gut erledigen kann. Das ist der Grund.
Der Bundeskanzler hat gestern abend in seiner bemerkenswerten Rede gesagt - ich greife das im Zusammenhang mit dem Thema „Ordnungspolitik" auf -, es gehe nicht nur darum, den Ludwig-Erhard-Preis zu gewinnen, sondern auch darum, die nächste Bundestagswahl zu gewinnen. Ich gebe uns allen und der Bundesregierung, auch dem Herrn Bundeskanzler, den Ratschlag: Versuchen wir doch einmal beides. Es geht! Sie werden es sehen.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Roth.
Meine Damen und Herren! Der frühere Herr Wirtschaftsminister hat seine Rede mit einer Attacke gegen die IG Metall begonnen, weil
diese eine Neuordnung der Stahlindustrie verlangt hat.
({0})
Wissen Sie, warum diese Verbitterung in der IG Metall herrscht und warum diese Entscheidung gefallen ist? Das hat sehr viel mit Ihrer Amtsführung zu tun,
({1})
mit der Verweigerung eines Stahlkonzepts in der Bundesrepublik Deutschland und mit der Situation, daß Zehntausende von Arbeitnehmern im Stahlbereich derzeit von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Wenn Sie von der FDP ordnungspolitischen Eifer haben, dann wünschte ich mir einmal einen soliden Diskussionsbeitrag zur Ordnungspolitik in der Landwirtschaft.
({2})
In der Landwirtschaft wurden im letzten Jahr mit Ihrer Zustimmung 3,5 Milliarden DM an einem Tage über den Tisch geschoben, und Sie bejammern hier 4 Milliarden in 12 Jahren. Das ist die Realität.
({3})
Meine Damen und Herren, betrachten wir jetzt für eine Sekunde die ordnungspolitische reine Lehre beim Thema „Privatisierung". Was geschieht denn? Die erfolgreichen Unternehmen werden privatisiert, und die Unternehmen, die aus strukturellen Gründen Verluste mache, bleiben beim Staat. Das ist die Wahrheit.
({4})
Was steckt denn dahinter? Sie wollen beweisen, daß der Staat ein schlechter Unternehmer ist. In Wahrheit ist es so, daß Sie es organisieren, daß eben nur das beim Staat bleibt,
({5})
was im privaten Sektor überhaupt keiner will. Auch das ist die Wahrheit.
({6})
An dieser Stelle will ich auch noch etwas zu Ihren ordnungspolitischen Wegen sagen. Nehmen wir einmal die Privatisierung der beiden Banken. Ich möchte doch einmal im Detail darstellen, was da passiert. Da werden zwei Banken privatisiert. Nein, sie werden nicht privatisiert, sie werden teilprivatisiert;
({7})
der Staat geht auf 51 % herunter. Das heißt, die Kontrolle des Staates bleibt. Aber was ist jetzt der Vorgang? Angenommen, diese Unternehmen, diese beiden Banken, machen in der Zukunft Verluste, oder nehmen wir den schlimmsten Fall an: Es findet sogar ein Bankrott statt, eine Pleite. Dann ist nach der Vorlage, die Sie beabsichtigen, die gesetzliche Situation die, daß der Staat voll das Risiko, den Verlust, die Pleite tragen muß, während 49 % aller Gewinne stets privatisiert werden. Das ist wahrhaftig eine ordnungspolitische Strategie, die ihrer Krönung nicht mehr bedarf. Es ist ein Witz, was Sie auf diesem Gebiet veranstalten.
({8})
Sie sagen doch, der Staat ist ein schlechter Unternehmer. Dann müßten Sie hergehen und gerade in den Sektoren privatisieren, wo es nicht klappt. Aber das machen Sie nicht, sondern Sie schaffen für reiche Leute ein Papier mit hohem Ertrag, bei dem sie ohne jedes Risiko mitmachen, weil der Staat das Risiko übernommen hat.
({9})
Meine Damen und Herren, Sie sollten bei diesem Thema mit ordnungspolitischen Überlegungen aufhören. Es hat wirklich keinen Sinn.
({10})
Es ist schlichte Selbstbeweihräucherung und formale Erfüllung Ihrer Regierungserklärung. Und dann kommt der aus Bayern und sagt: Aber bei der Lufthansa läuft nichts. So klein wie heute bei diesem Thema habe ich den Grafen auch lange nicht gesehen, aber es war schön, ihn auch einmal klein zu sehen.
Vielen Dank.
({11})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Unland.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst ein Wort zum verehrten Kollegen Graf Lambsdorff sagen, dessen Rede ich natürlich auf Grund der Überwindung eines dreizehnjährigen Frusts gut verstehen kann; aber ich möchte, Graf Lambsdorff, mit einem Zitat dessen replizieren, was Ihr Parteivorsitzender Bangemann auf dem CDU-Parteitag in Essen gesagt hat. Er sagte: Die Bundesregierung ist so gut, daß sie sich auch ungewöhnliche Sachen leisten kann. - Ich würde sagen: Die Koalition ist so gut, daß sie sich auch ungewöhnliche Reden leisten kann.
({0})
Meine Damen und Herren, wir begrüßen, daß das Kabinett gestern einstimmig das solide Konzept des Bundesfinanzministers verabschiedet hat. Ich lege Wert auf die Worte „einstimmig" und „solide".
({1})
Wenn immer wieder versucht wird, dabei eine künstliche Hektik zu erzeugen, so ist das, glaube ich, sowohl gegenüber den Belegschaften als auch gegenüber den Unternehmen nicht gerecht.
({2})
Der Bundesfinanzminister hat sehr sorgfältige Gespräche mit den Unternehmensleitungen und mit den Belegschaften geführt, und jeder, dem Mitbestimmung etwas bedeutet, sollte das einfach zur Kenntnis nehmen. Ich glaube, daß ist richtig.
Herr Kollege Roth, trotz aller Polemik: Wir gehen nicht davon ab, daß nach unserem Verständnis von Wirtschaftspolitik private Initiative und private unternehmerische Betätigung Vorrang vor staatlicher Politik haben. Das ist für uns gar keine Ideologie, sondern es geht einfach darauf zurück, daß ein Unternehmer, der ganz auf sich gestellt ist, der auf eigenes Risiko wirtschaften muß, besser und verantwortungsvoller wirtschaftet als einer, der Vater Staat im Rücken hat.
Meine verehrten Kollegen, Sie alle lesen so gut wie ich die Zeitung. Bei allem Respekt vor unserem französischen Nachbarn: Sehen Sie sich einmal an, wie es in der französischen Automobilindustrie aussieht. Ich glaube, jeder, der sich Informationen über die geistigen Hintergründe dieser Privatisierungspolitik verschaffen möchte, sollte sich einmal das Kapitel III in dem gestern beschlossenen Gesamtkonzept der Bundesregierung - „Grundsätze der Beteiligungspolitik" - ansehen.
Für uns ist die Privatisierung von Bundesunternehmen - das ist bisher noch nicht gesagt worden
- keine neumodische Angelegenheit. Schon in den 50er Jahren haben wir mit der Privatisierung von Preussag, VW und VEBA den ersten Schritt getan. Diese damaligen Privatisierungen sind für immer mit den Namen der beiden verantwortlichen Bundesminister Hermann Lindrath und Werner Dollinger verbunden. Die Anwesenheit von Werner Dollinger auf der Regierungsbank macht für mich symbolisch die Kontinuität dieser Politik deutlich,
({3})
die für uns keine fiskalische, sondern eine Grundsatzangelegenheit ist.
({4})
- Ja, darauf komme ich gleich.
Wir bedauern es außerordentlich, daß diese Privatisierungspolitik in den 70er Jahren nicht mehr weitergeführt worden ist. Im Gegenteil: Die Zahl der staatlichen Beteiligungen ist von 1970 bis 1982 um sage und schreibe 261 Unternehmen gestiegen. Zwar ist diese Zahl Ende 1983 wieder gesunken, weil der Bundesanteil an der VEBA auf 30 % gesunken war. Bei der Gelegenheit aber konnten Sie lernen, daß die VEBA Ende 1982 an nicht weniger als an 465 Unternehmen beteiligt war. Ich frage mich: In welchem Land leben wir eigentlich, daß man eine solche Konzernstruktur für etwas Normales hält,
({5})
und wie will eigentlich eine Unternehmensleitung ein solches Konglomerat einigermaßen wirtschaftlich bewegen? Ich sehe das nicht.
({6})
Auch wettbewerbspolitische Gründe sprechen dafür, daß wir die Privatisierung fortsetzen. Es ist einfach unzumutbar, daß der kleine mittelständische Unternehmer ganz auf sich gestellt ist, während der andere Vater Staat in Anspruch nehmen kann. Hier ist schon die imaginäre Zahl von 4,2 Milliarden DM Zuschuß des Bundes - das ist der saldierte Zuschuß - genannt worden. Unsere Steuerzahler haben Anspruch auf Rendite, und nicht darauf, noch etwas nachschießen zu müssen.
Der Kollege Riedl hat schon gesagt, daß wir uns bei unserer weiteren Privatisierungspolitik streng an § 65 der Bundeshaushaltsordnung halten werden. Ich sage ganz deutlich, daß derjenige die Beweislast für die gesamtwirtschaftliche Notwendigkeit staatlicher Unternehmertätigkeit trägt, der ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Beibehaltung glaubt behaupten zu können. Wir werden weiter nach dieser Maxime handeln. Dabei werden wir auch keine Tabus scheuen. Dabei werden wir auch kein Tabu Lufthansa scheuen.
({7})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden hier nicht über abstrakte Vorgänge. Ich will daran erinnern, daß vor ziemlich genau 26 Jahren
- fast auf den Tag genau - die Privatisierung von Bundesvermögen begann, damals durch eine sehr weitgehende Teilprivatisierung der Preussag. Vor 25 Jahren folgte die Entscheidung über eine Teilprivatisierung von VW, und vor 20 Jahren begann eine Teilprivatisierung von VEBA, und zwar dort, wo wir vor einem Jahr einen Schritt weiter gegangen sind. Ich rufe das in Erinnerung, Herr Kollege Jens, weil es ja, wenn man die Erfahrungen sieht, zum Teil wirklich unsinnige Unterstellungen sind, mit denen hier - zuletzt von Herrn Kollegen Roth - gearbeitet wird.
Das Interessante ist, daß Unternehmen, die sich zeitweise in sehr großen Schwierigkeiten befanden
- es gab eine Preussag-Krise -, auch durch die Verbreiterung der Grundlage bei den Aktionären, durch die nachhaltige Beteiligung privater Eigentümer und durch das stärkere Interesse der Mitarbeiter an Belegschaftsaktien große Erfolge zu verzeichnen hatten und heute zu leistungsstarken und gesunden Unternehmen geworden sind.
Privatisierung ist kein sicheres Rezept für Erfolg. Aber die Erfahrungen von 25 Jahren sprechen dafür, daß die Verbreiterung der Eigentümerbasis, der wohltuende Einfluß privaten Interesses und Engagements die Voraussetzungen und die Chancen für einen Erfolg vergrößern. Ich erinnere auch deshalb daran, Herr Kollege Roth, weil damit ja eigentlich widerlegt ist, was Sie an Vermutungen über Teilprivatisierung ausgesprochen haben. Weil es aufgrund der politischen Verhältnisse von 1969 bis 1982 nicht möglich war, in der Koalition von SPD und FDP auch nur einen Schritt in die richtige Richtung zu tun, und weil im Gegenteil mit Duldung der damaligen Bundesregierung die öffentliche Hand ihren
Beteiligungsbesitz mittelbar ständig vergrößert hat, haben sich natürlich auch bestimmte geistige Verhaltensweisen und Mentalitäten gebildet. Es ist in der Tat keine einfache Aufgabe gewesen, Vorstände und Aufsichtsräte einiger Unternehmen davon zu überzeugen, daß die von uns gewollte Politik richtig ist. Wir machen das auf dem Weg der Überzeugung und nicht der Anordnung. Dann braucht man zwar etwas mehr Zeit, aber ich bin gleichwohl für diesen Weg. Von einigen Äußerungen aus dem Vorstand der Lufthansa abgesehen, die ich öffentlich mißbilligt habe und noch mißbillige, weil es nicht Aufgabe von Vorständen ist, dem Eigentümer die Politik vorzuschreiben,
({0})
haben sich die in der Diskussion befindlichen Unternehmen insgesamt kooperativ und loyal verhalten. Im übrigen: Über die Lufthansa, Herr Kollege Riedl, reden wir in einem anderen Zusammenhang. Ich halte meinen Vorschlag, die Bundesbeteiligung auf 55 % zurückzuführen, voll aufrecht. Ich sage das, damit hier kein Zweifel besteht, nachdem das von anderer Seite angesprochen worden ist.
({1})
Meine Damen und Herren, es ist in diesem Zusammenhang auch abwegig, vor einer Begünstigung reicher Leute zu reden. Ja, sind denn die vielen Zehntausende, die Hunderttausende, die Aktien an Preussag, VW und VEBA erworben haben, wirklich reiche Leute?
({2})
Zuletzt sind es 20 000 Mitarbeiter der VEBA gewesen, die vor zwölf Monaten Belegschaftsaktien erworben haben. Über welches Land reden Sie eigentlich, Herr Roth, wenn Sie hier solche Sprüche klopfen?
({3})
Das Klassenkampf-Vokabularium ist heute zwar für jede aktuelle Auseinandersetzung gut, aber es wird immer weniger Menschen überzeugen.
Sehr geehrter Kollege Graf Lambsdorff, ich widerspreche der Auffassung, daß aus dem Paket ein Päckchen geworden ist. Wenn es hier um eine schwere Last, um ein schweres Paket geht, das ich zu tragen habe, dann ist das zunächst einmal die beschriebene Aufgabe, die tief in roten Zahlen befindlichen Unternehmen allmählich wieder auf feste Grundlagen zu stellen. Das, was jetzt nach intensiven Erörterungen für eine erhebliche Verringerung der Bundesbeteiligungen fest vorgesehen ist, ist schon - ich will das ausdrücklich sagen - ein stattliches Paket. Ich unterstreiche die Absicht, bei den anderen Beteiligungen, die im Kabinettsbeschluß genannt sind und bei denen noch Prüfungen erforderlich sind, in den nächsten zwei Jahren - jedenfalls bei einigen Unternehmen - auch zu Entscheidungen zu kommen. Wir reden über das, was in zwei Jahren geschehen soll. Wir werden die Vorarbeiten - ich sagte es schon - in der Bundesregierung in guter Partnerschaft weiterführen - auch mit den beteiligten Kollegen der FDP -, damit dann eine weitere sinnvolle Verringerung der Bundesbeteiligungen möglich ist.
Da hier ein altes, überholtes Schreiben des Kollegen Zimmermann zitiert worden ist, will ich unterstreichen, daß es in intensiven Gesprächen gelungen ist, Bedenken, die sich zum Teil auch in diesem Schreiben fanden, zu zerstreuen und im Gespräch Einvernehmen zu erzielen. Der Bundesinnenminister trägt den Kabinettsbeschluß genauso eindeutig mit wie jedes andere Kabinettsmitglied; ich begrüße das.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß diese Aktuelle Stunde hier einige Aspekte deutlich machen konnte. Daß es hier zwischen den Sozialdemokraten und natürlich auch den GRÜNEN auf der einen und uns auf der anderen Seite grundlegende Auffassungsunterschiede über das gibt,
({4})
was Aufgabe des Staates ist, z. B. hinsichtlich der Frage, ob der staatliche Einfluß, auch in der Form von Eigentum in der Wirtschaft, erweitert oder verringert werden soll, ist uns wohl bewußt. Wir werden dafür werben, daß der Gedanke privater Initiative und sozialer Verantwortung in unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung weiter an Boden gewinnt, weil wir uns davon mehr versprechen, als wenn der Staat immer neue Verantwortlichkeiten an sich zieht, die wir besser den mündigen Bürgern vertrauensvoll überlassen sollten.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Daubertshäuser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich will hier, Herr Finanzminister, nicht abstrakt bleiben. Ich finde es schon unglaublich, in welch einen ideologischen Strudel die Privatisierungspläne der Bundesregierung gerade deutsche Verkehrsunternehmen gezogen haben. Die Lufthansa, Schenker, die Reisebüros DER und ABR, alles, was gut und teuer ist - will heißen: was Gewinne erwirtschaftet -, soll verscherbelt werden, damit diese Regierung Kasse machen kann. Ohne Rücksicht auf Funktionen und auch ohne Rücksicht auf übergreifende Interessen scheint diese Bundesregierung von einer ClondikeStimmung erfaßt zu sein. Die Reisebüros DER und ABR erfüllen im Rahmen der Unternehmenspolitik der Deutschen Bundesbahn - das müßte der Verkehrsminister eigentlich wissen - bestimmte klar definierte Aufgaben für die Deutsche Bundesbahn. Sie sind nämlich Rückgrat des Betriebes der Bahn und zugleich Bindeglied zu mehr als 900 überwiegend mittelständischen Verkaufsagenturen. Dieses wichtige Betriebsnetz für die Deutsche Bundesbahn wird durch die Privatisierung zerschlagen, und, was ebenso schlimm ist, 900 mittelständische Existenzen werden gefährdet. Dies alles nur, damit eine fragwürdige Ideologie Triumphe feiern kann.
({0})
- Selbstverständlich, Herr Bundesfinanzminister. Fragen Sie doch einmal diese DER-Reisebüros, diese Agenturen.
Die Bundesregierung bleibt sich auch in dieser Frage treu. Sie ist absolut verläßlich, jedenfalls in ihrer unnachahmlichen Art, Fehler in Reihe zu produzieren.
Die Privatisierungsabsichten bei der Lufthansa sind dafür nur ein weiteres Beispiel. Noch im August 1983 hat mir die Bundesregierung auf meine Fragen erklärt: „Die Bundesregierung hält an einem Mindestanteil von 75% fest." Sie stehen hier vor wenigen Minuten und erklären: Nein, 55%. Sie sind unberechenbar, Sie sind unkalkulierbar.
({1})
Hier ist über die letzten Monate hinweg ein mittlerweile an wichtigen Entscheidungen eingeübtes Trauerspiel zu verfolgen: Der Finanzminister ist für etwas, der Kanzler weiß noch nicht, worum es geht, Franz Josef Strauß aus München ist - ganz uneigennützig?, muß man fragen - dagegen, der Bundeskanzler hat sich erzählen lassen, daß die Struktur der Lufthansa nicht verändert werden soll, aus Bayern hört man zwischenzeitlich „j a, vielleicht", dann doch wieder „nein", und dann wird wieder auf eine Absprache mit dem Bundeskanzler hingewiesen. Es ist eigentlich ein Vorgang, den man heiter finden könnte, wenn da nicht fast 32 000 verunsicherte Lufthanseaten wären, wenn da nicht eine international renommierte Fluggesellschaft wäre, deren Reputation jeden Tag und mit jeder neuen Äußerung aus den Reihen der Regierungskoalition ein bißchen mehr Schaden leidet.
({2})
Es ist nicht so, Graf Lambsdorff, daß die überwiegende Anzahl der Luftverkehrsgesellschaften in Privatbesitz wäre. Fast 70 Carrier sind im nationalen Besitz. Dann muß man doch fragen: Was handelt sich diese Bundesregierung eigentlich bei einer Privatisierung der Lufthansa ein? Niemand, der die Situation der Luftfahrtindustrie kennt, glaubt daran, daß die frei werdenden 20 oder 25% des Aktienkapitals in den Händen vieler kleiner Einzelanleger zur allgemeinen Vermögensbildung beitragen, wie Sie das eben dargestellt haben. Muß man noch fragen: sieht die Bundesregierung bei ihrer Absicht auch die Belange der Steuerzahler, die in den letzten Jahren 1,5 Milliarden DM in das Unternehmen Lufthansa investiert haben? Sie sind davon ausgegangen, daß nicht irgendwem aus vordergründigen Motiven einfallen sollte, gerade die Lufthansa an Interessengruppen zu verscherbeln.
Dazu kommt ein Weiteres. Die Bundesregierung hat sich bisher als Hauptaktionär bei der Gewinnentnahme weise zurückgehalten und damit der Lufthansa Räume für Reinvestitionen ermöglicht. Der international hervorragende Platz, den diese Luftverkehrsgesellschaft genießt, ist auch ein Zeichen dafür, daß sich diese Politik ausgezahlt hat. Bis heute ist übrigens, Herr Weng, von keinem Privatisierungsbefürworter überzeugend gesagt worden, welche Vorteile denn überhaupt mit der Privatisierung verbunden sind.
({3})
Es hätte von Ihnen klar erläutert werden müssen, wo diese Vorteile entstehen sollen. Soll etwa die Investitionskraft der Unternehmen gestärkt werden? Soll die Konkurrenz- oder Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden? Wollen Sie zusätzliche Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen, oder wollen Sie die Arbeitsbedingungen verbessern? Nichts dazu haben Sie gesagt.
({4})
Sie haben keine dieser Fragen plausibel beantwortet. Hier soll ohne Sinn und Vernunft ein gut geführtes, ein erfolgreiches Unternehmen zerschlagen und auf dem Altar einer fragwürdigen Privatisierungsideologie geopfert werden.
({5})
Ich sage Ihnen, auch die besten Unternehmen sind schnell kaputtgemacht. Die Frage ist, was Sie dafür eintauschen. Es ist bezeichnend für Ihre Prioritätensetzung, daß Sie in unzähligen Koalitionsgesprächen, Kabinettsitzungen und Telefonaten zwischen Bonn und München ungewohnte, für Sie ungewohnte Aktivitäten entwickeln. Ich sage Ihnen, die Arbeitnehmer in unserem Lande erwarten von Ihnen nicht Ideologie, sondern praktische Politik zur Sicherung der Beschäftigung.
({6})
Diese hat bei Ihnen jedoch keine Konjunktur. Ich sage Ihnen nur: Ändern Sie Ihren Kurs und bringen Sie endlich wieder Ruhe in die von Ihnen unnötig ins Gerede gebrachten Unternehmen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kronenberg.
({0})
Herr Roth, diesen Vorschlag müssen Sie woanders machen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es war eine gute Idee, diese Aktuelle Stunde zu verantstalten. Denn die fundamentalen Meinungsverschiedenheiten zwischen der Koalition und der Opposition wurden deutlich. Das ist für eine politische Willensbildung hilfreich. Sie haben gehört, daß meine Fraktion die neue Initiative der Bundesregierung begrüßt. Wir tun das aus mehreren Gründen. Einige der Gründe möchte ich nochmals nennen.
Erstens. Nach 13jährigem Stillstand in der Vermögens- und Eigentumspolitik haben Bundestag und Bundesregierung wieder Bewegung in diese Politik gebracht: durch die Privatisierung von Bundesbeteiligungen und durch die Verabschiedung des Vermögensbildungsgesetzes. Die sozialliberale Koalition war unfähig, auch nur einen Schritt auf diesem Feld zu tun. Seit die Union in der RegieDr. Kronenberg
rungsverantwortung ist, geht es vermögenspolitisch wieder vorwärts.
Zweitens. Wir begrüßen die Initiative auch, weil es neben dem vermögenspolitischen Stillstand eine sehr bedenkliche Entwicklung bei den mittelbaren und unmittelbaren Beteiligungen des Bundes gegeben hat. Von 1970 bis 1982 sind die Beteiligungen des Bundes um mehr als ein Drittel gestiegen. Wir haben damit Schluß gemacht. Das Produktivkapital kommt wieder stärker in die Hände der Bürger selbst. Das ist eine bessere Politik als die Politik der Staatsverschuldung in den 13 Jahren zuvor.
Drittens. Wir begrüßen diese Privatisierungsinitiative, weil sie vorsieht, daß die Möglichkeiten des Vermögensbildungsgesetzes und der steuerlichen Förderung für das Angebot von Belegschaftsaktien genutzt werden können. Das ist im Kabinettsbeschluß nachzulesen. Wir legen Wert auf diese Verklammerung von Vermögensbildung in breiten Schichten mit der Privatisierung von Bundesbeteiligungen, weil wir uns an dem Bild der Sozialen Marktwirtschaft orientieren. Sie Soziale Marktwirtschaft hat eine möglichst breite Streuung des Produktivkapitals zum unverzichtbaren politischen Ziel.
Viertens. Wir begrüßen die Initiative der Bundesregierung schließlich auch wegen der Möglichkeiten, die uns die Veräußerungserlöse, soweit sie beim Bund überhaupt anfallen, politisch eröffnen. Herr Esters, ich gehe nochmals auf diese Frage ein. Die Veräußerungserlöse können dazu beitragen, andere Bundesunternehmen zu sanieren, damit auch sie privatisierungsfähig werden. Sie können zur Förderung der Innovationskraft privater Unternehmen sowie zur Förderung von Programmen zur Existenzgründung eingesetzt werden. Sie tragen aber nicht zuletzt auch zur Verringerung der Neuverschuldung des Bundes bei. Das ist sichtbarer Ausdruck einer Wende in der Wirtschaftspolitik.
({0})
Der Vorwurf der SPD, wir würden mit der Privatisierung durch Finanzierungstricks nur Kasse machen, ist nichts als ein absurdes Theater.
({1})
Kasse gemacht haben die Matadore der Staatsverschuldung in der SPD. Wir aber ermöglichen eine Vermögensbildung für alle.
({2})
Damit verfolgen wir nicht nur ein altes politisches Ziel der Union, sondern da, Herr Roth, greifen wir tatsächlich auf Vorstellungen zurück, die in beiden Kirchen seit vielen Jahrzehnten vertreten worden sind. Es wäre gut, wenn sich die SPD-Fraktion gerade auch diesen gesellschaftspolitischen Überlegungen aus den beiden Kirchen mehr öffnen könnte. Georg Leber und Philipp Rosenthal haben das zu ihrer Zeit getan. Aber diese Männer der alten Sozialdemokratie haben offensichtlich in den Reihen der heutigen SPD-Fraktion keine Nachfolger gefunden.
({3})
Fünftens. Wir begrüßen diese Initiative auch aus verteilungspolitischer Sicht. Wir treten für eine langfristige Veränderung der Vermögensverteilung ein, damit sich auch das Einkommen aus Kapitalvermögen personell auf breitere Schichten verteilt. Eine breitere Vermögensverteilung verändert die Einkommensverteilung. Daher appellieren wir heute wiederum an die Tarifpartner, die Möglichkeiten des Vermögensbildungsgesetzes im Zusammenhang mit den geplanten Privatisierungen mehr und besser zu nutzen. Auch die IG Metall wäre gut beraten, sich in dieser Weise vermögenspolitisch zu engagieren, statt Vorschläge zur Vergesellschaftung der Stahlindustrie aus der Mottenkiste des 19. Jahrhunderts zu holen.
Sechstens. Nicht zuletzt begrüßen wir die Initiative der Bundesregierung auch deswegen, weil sie den Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion die Möglichkeit gab, diese Aktuelle Stunde zu beantragen. Das konnten diese Kollegen 13 Jahre lang nicht tun. Wir freuen uns mit ihnen, daß das heute möglich ist. So wandelt sich, Graf Lambsdorff, unser früheres Mitleid zu unserer heutigen Mitfreude.
Danke schön.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe leider das Gefühl, die Regierungskoalition inszeniert hier ein ganz großes Ablenkungsmanöver. Dies sind nicht die eigentlichen Probleme, die die Menschen draußen bedrücken. Das, worüber wir hier reden, ist nicht relevant, sondern es geht um die Verringerung der Arbeitslosigkeit. Davon wird bei Ihnen überhaupt nicht gesprochen.
({0})
Ich will ganz ehrlich sagen: Auch ich bin der Ansicht, daß es Unternehmen im öffentlichen Besitz geben kann, die nach sorgfältiger Prüfung wieder in private Hand überführt werden müssen.
({1})
Es ist gar keine Frage: Das ist notwendig, und das kann richtig sein.
Aber hier wird von Privatisierung gesprochen, und es wird nur abgelenkt. Es wird nämlich überhaupt nicht privatisiert, Herr Bundesfinanzminister, sondern es wird lediglich der Anteil der öffentlichen Hand ein bißchen verringert.
({2})
Sie behalten stets eine Schachtelbeteiligung oder eine Mehrheitsbeteiligung. Insofern ist das ein großes Affentheater, was hier inszeniert wird.
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Ich halte meinen Vorwurf aufrecht: Es wird lediglich Kasse gemacht.
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Das Geld, das hierdurch hereinkommt, wird dazu benutzt, um die Kreditaufnahme zu reduzieren.
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Es hätte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit benutzt werden müssen. Es hätte zur Ausweitung des Risikokapitals in der deutschen Wirtschaft benutzt werden können. Wir könnten auf diese Art und Weise mehr Existenzen schaffen.
Ich erwarte von dieser Regierung immer noch, daß endlich ein vernünftiges Modell zur überbetrieblichen Vermögensbeteiligung vorgelegt wird. Doch auch auf diesem Felde passiert Ihrerseits nichts.
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Meine Damen und Herren, reden Sie doch nicht immer von Ordnungspolitik. Es ist doch im Grunde in einer marktwirtschaftlichen Ordnung sekundär, ob ein Unternehmen im genossenschaftlichen Besitz ist, im staatlichen Besitz, im gemeindlichen Besitz oder im privaten Besitz. Ganz entscheidend ist es in dieser Ordnung, daß der Wettbewerb funktioniert, daß der Wettbewerb effektiv ist. Auf diesem Felde tun Sie leider ebenfalls nichts.
Wir Sozialdemokraten haben einen Antrag vorgelegt. Er enthält eine Verbesserung, eine Verschärfung der Fusionskontrolle. Eine Entflechtungsregelung muß her. Bitte, Sie haben die Gelegenheit: Tun Sie etwas für die marktwirtschaftliche Ordnung, stimmen Sie diesem Antrag der Sozialdemokraten zu. Das wäre in der Tat eine gute Leistung. Das wäre ein Beitrag zur marktwirtschaftlichen Ordnung.
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Hier wird immer von der VEBA gesprochen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die VEBA hat sich dadurch hervorgetan, daß sie kleine und mittlere Unternehmen massenweise aufgekauft hat. Wenn Sie wirklich etwas für die Marktwirtschaft tun wollten, dann müßten Sie als Eigentümer der VEBA dafür sorgen, daß diese kleinen und mittleren Unternehmen wieder in die Freiheit entlassen werden. Das wäre ein sinnvoller Beitrag zur Förderung dieser Ordnung, in der wir nun einmal leben.
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Wir geben Ihnen das Instrument an die Hand. Stimmen Sie unserem Antrag zu; dann hätten wir eine sinnvolle Entflechtungsregelung. Wenn ein Unternehmen dafür in Frage käme, dann wäre es aus meiner Sicht die VEBA. Wenn wir das täten, hätten wir mehr zur Verbesserung dieser Ordnung getan als durch Ihre lächerliche Privatisierungskampagne.
Schönen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Uldall.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Zunächst zu Herrn Daubertshäuser, der Schaden vermutete, wenn man über eine Privatisierung der Lufthansa spricht. Wie falsch diese These ist, Herr Daubertshäuser, sehen Sie an der British Airways. Dieses Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren aus einer tiefen Verlustzone zu einem profitablen Unternehmen hochgearbeitet - und das, obwohl dieses Unternehmen Privatisierungskandidat Nummer eins in Großbritannien ist.
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Halten Sie sich nicht an solchen Nebensächlichkeiten auf, sondern kommen Sie zu dem eigentlichen Punkt, in dem wir uns unterscheiden, Herr Kollege Wieczorek. Es geht doch nicht um die Frage, wie die Verkaufserlöse verwendet werden sollen, die Herr Esters so in den Mittelpunkt gestellt hat.
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Es geht doch nicht um die Frage, ob verlustbringende Unternehmen oder gewinnbringende Unternehmen verkauft werden sollen, die Herr Roth in den Mittelpunkt stellte. Es geht auch nicht um den Punkt, den Herr Jens angesprochen hat, wieviel Prozent von einem Unternehmen verkauft werden sollen.
Der Kernpunkt, bei dem wir uns unterscheiden, lautet: Sie wollen mehr Staat, und wir wollen weniger Staat. Das ist der Kernunterschied zwischen uns, und dazu sollten Sie sich bekennen.
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Wenn man aber den Nebel beiseite schiebt, der in dieser Debatte verbreitet worden ist, kann man nur die Feststellung treffen, daß dieses Privatisierungsprogramm, das gestern vorgelegt worden ist, ein bisher nicht erreichtes Ausmaß hat. Das gilt sowohl hinsichtlich des DM-Wertes der Privatisierungsmaßnahmen wie auch für die Anzahl der betroffenen Unternehmen. Eine grobe, überschlägige Rechnung zeigt, daß dieses Paket ein Volumen von etwa 2 Milliarden DM umfaßt. Wenn man das zu dem addiert, was bereits im Rahmen der VEBA-Privatisierung realisiert worden ist, ergibt sich insgesamt ein Wert von rund 3 Milliarden DM. Bei der Privatisierung in den 50er Jahren wurde jeweils immer nur ein einzelnes Unternehmen privatisiert. Hier sprechen wir gleich über ein ganzes Dutzend von Unternehmen, an dem parallel gearbeitet wird.
Das sind konkrete Schritte zur Entstaatlichung, die wir hiermit vorgenommen haben. Deswegen sage ich, Graf Lambsdorff und Herr Weng: Wer in den vergangenen 13 Jahren mit die Verantwortung dafür getragen hat, daß es in der Privatisierungspolitik nicht vorangegangen ist, der hat heute nicht
das Recht, von „Päckchen" oder von „Schnecken" zu sprechen.
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Ich gehe davon aus, daß die hinsichtlich der Privatisierung der Lufthansa zu klärenden Probleme alle gelöst werden können. Keines der genannten Argumente gegen die Privatisierung des weiteren Lufthansa-Anteils ist so gravierend, daß daran der Verkauf dieses Anteils scheitern dürfte. Die Gefahr einer Überfremdung dieser Gesellschaft kann ausgeschaltet werden durch die Zwischenschaltung einer Holding; das haben wir ja z. B. bei Mercedes erlebt.
Auch die Scheinargumente gegen die Privatisierung der übrigen Gesellschaften, die vorgebracht wurden, können von Ihrem Haus, Herr Minister, meine ich, ohne große Probleme widerlegt werden. Wir sagen Ihnen, Herr Minister Stoltenberg, bei der Durchsetzung dieser Konzeption die Unterstützung unserer Fraktion zu. Wir erwarten, daß Sie sich dem Druck gegen die Privatisierung einzelner Unternehmen nicht beugen, sondern daß diese Konzeption, wie von Ihnen vorgesehen, bis zum 31. März 1987 realisiert wird. Damit erfolgt eine weitere Verbesserung der Rahmendaten unserer Marktwirtschaft. Wir werden deswegen alles tun, um diesem Privatisierungskonzept zu einem Erfolg zu verhelfen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Graf Lambsdorff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Herr Kollege Uldall, wir werden natürlich kritisieren. Wir haben ja diese Regierung u. a. deshalb mit herbeigeführt, weil bestimmte Dinge in der alten Koalition nicht gingen. Wir wollen jetzt versuchen, sie durchzusetzen. Und nun wollen wir das mal zusammen tun.
Im übrigen nehme ich mit Interesse zur Kenntnis, Herr Bundesfinanzminister: Der Brief des Kollegen Zimmermann vom 25. Januar 1985 - alt? - ist überholt. Das ist wichtig. Danke schön.
Herr Daubertshäuser, wir sollten uns über Einzelheiten der Lufthansa erst unterhalten, wenn ein
Vorschlag auf dem Tisch liegt. Im Augenblick macht das wenig Sinn. Ich begrüße es, daß der Bundesfinanzminister gesagt hat, er strebt 55 % an.
Natürlich gibt es hier deutliche Unterschiede zwischen der Auffassung der Liberalen und der Sozialdemokraten. Die hat es auch früher gegeben. Manche Dinge konnten wir nicht gemeinsam machen.
Wenn hier jemand sagt, Ordnungspolitik sei Ideologie, dann sage ich mit Herrn Jens: Wettbewerb ist das Entscheidende, aber es ist eben nicht gleichgültig, wer Eigentümer eines Unternehmens ist. Der Mittelständler, der mit einem Staatsbetrieb zu konkurrieren hat, dessen Verlust immer vom Finanzminister ersetzt wird, wird diese Position nicht unterschreiben.
Wir sind für Wettbewerb. Wir sind für Marktwirtschaft. Über das Thema Fusionskontrolle muß man sich zu gegebener Zeit unterhalten. Nur, behandeln Sie bitte die Entflechtung nicht als ein Allheilmittel. In den VEBA-Fällen, die Sie genannt haben, wird sie niemals zum Zuge kommen. Ich bitte um genauere Überprüfung. Das kann nicht funktionieren. Aber wir meinen, daß hier über mehr Wettbewerb mehr Chancengleichheit gerade für die kleineren und mittleren Betriebe, die privaten Teilnehmer an unserem Wirtschaftsleben die Positionen geschaffen werden müssen, die wir brauchen, um zu mehr Beschäftigung zu kommen. Privatisierung, Abbau von Subventionen, diese Dinge haben Bedeutung für eine Wirtschaft, in der es auch wieder mehr Beschäftigung gibt. Deswegen reden wir nicht über die Nebensache, sondern durchaus über das Zentrum einer marktwirtschaftlichen Politik.
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Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 28. März, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.