Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/15/1985

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: Beratung des Agrarberichts 1985 der Bundesregierung - Drucksachen 10/2850, 10/2851 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) Haushaltsausschuß Hierzu liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 10/3007 und der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3008 vor. Meine Damen und Herren, nach Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache vier Stunden vorgesehen. Die Debatte wird durch Bundesminister Kiechle eröffnet. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Ignaz Kiechle (Minister:in)

Politiker ID: 11001091

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Agrarbericht 1985 zieht den agrarpolitischen Berichtsschluß unter das Wirtschaftsjahr 1983/84 und weist auch auf zukünftige Entwicklungen hin. Die im Agrarbericht veröffentlichte Bilanz zu interpretieren ist nicht einfach. Weiterhin drücken die schwerwiegenden Negativposten der jahrelangen marktpolitischen Fehlentwicklungen. Das Einkommensergebnis der deutschen Landwirtschaft im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 1983/84 ist in der Tat schlecht: durchschnittlich minus 18,2 %; so die amtlich ermittelte unerfreuliche Wirklichkeit. Die Ursachen hierfür können Sie im Agrarbericht im einzelnen nachvollziehen: eine geringere Ernte, rückläufige Erzeugerpreise, vor allem bei Schlachtschweinen, und leicht gestiegene Betriebsmittelpreise. Die Gegenwart, also das zur Zeit laufende Wirtschaftsjahr, verspricht mit einem Einkommensplus von 6 bis 10 % zwar wieder etwas günstiger zu werden. Allerdings: Allein zum Ausgleich des Einkommensrückgangs 1983/84 wäre ein Plus von mehr als 20 % notwendig. Diesen Zahlen braucht man nichts hinzuzufügen. Sie sprechen ihre eigene Sprache und sollen auch nicht beschönigt werden. Unsere Bauern und ihre Familien arbeiten hart von morgens bis abends auf ihren Betrieben. Sie haben die 35-Stunden-Woche schon am Mittwoch abgehakt. Trotz aller Mühen, trotz des aufopfernden Einsatzes ist der Lohn der Arbeit unserer Bauern im Durchschnitt unzureichend. Eine wichtige Ursache dafür ist, daß die Preise fast überall einfach nicht mehr stimmen. Nach dem wirtschaftlichen Einmaleins können sie auch gar nicht stimmen. Denn überall dort, wo Millionen Tonnen Oberschüsse auf den Markt drängen, wo wertvolle Agrarprodukte billigst abgegeben werden müssen, wo weiterhin Mengen produziert werden, die keiner mehr haben will, ist es unmöglich, die Preise angemessen anzuheben, um steigende Produktionskosten - wie in der Wirtschaft sonst selbstverständlich - über den Markt weiterzuwälzen. Ohne staatliche Stützung wäre das Einkommensergebnis noch wesentlich schlechter. Andererseits zeigen die nackten, ungeschminkten Haushaltszahlen die Unmöglichkeit, erforderliche Markterlöse zu ersetzen. Da helfen auch keine Beteuerungen der Opposition oder sonstwoher, man hätte alles ganz anders - vor allem viel besser - machen wollen. Nein, irgendwann, meine Damen und Herren, schlägt Adam Riese zurück, und das ist zur Zeit der Fall. Die deutschen Bauern durchschreiten jetzt - leider - das seit Jahren vorgezeichnete Einkommenstief. Ich möchte deswegen einen Absatz aus der letztjährigen Einbringungsrede zitieren: Nur gleichgewichtige Märkte und funktionsfähige Marktordnungen verbürgen kostengerechte Erzeugerpreise und auskömmliche Gewinne. Wir müssen deshalb die Märkte sanieren, wenn wir eine solide Basis für eine positive Entwicklung in der Landwirtschaft zurückgewinnen wollen. Und das muß schnell geschehen. Ich habe, soweit ich das konnte, auf rasche Lösungen gedrängt. Die umfangreichen Marktordnungsausgaben kamen und kommen immer weniger den Bauern zugute und wurden immer mehr für teure Lagerhäuser, unwirtschaftliche Kühlkosten sowie überflüssige Frachten verwendet. Vor einem Jahr habe ich das Garantiemengenmodell bei Milch angekündigt. Heute können wir eine erste Bilanz ziehen: Die Milchflut ist gebändigt, die Dämme haben standgehalten, die Produktion sinkt. Der drohende Zusammenbruch der Milchmarktordnung und der Erzeugermilchpreise und damit des gesamten EG-Agrarmarktes wurde gebannt. Um 7,7 % liegen wir in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Produktionsniveau des vorhergehenden Milchwirtschaftsjahres. Damit ist schon heute klar, daß es gelingen wird, die vom Agrarministerrat beschlossene Kürzungsauflage von 7,8% einzuhalten. Der Weg dahin war nicht einfach, aber er war richtig. Nicht alle Durchführungsmodalitäten der Garantiemengenregelung waren so, wie die Praxis es sich gewünscht hatte, und es hat unbestrittene Probleme bei der Vertrauensschutzregelung und den Pachtfällen gegeben. Zum größten Teil sind sie zurückzuführen auf den langsamen Prozeß der EG- Rechtsetzung, zum Teil auch auf den Zwang, sofort schnelle Entscheidungen zu treffen. Die Notbremsung kurz vor dem marktpolitischen Abgrund hat alle Betroffenen durcheinandergeschüttelt. Wenn es schon nicht ohne Schuldzuweisungen geht, dann sind sie an diejenigen zu richten, die seit 1978 in der EG das EG-Agrarsystem tatenlos auf den Abgrund der Nichtfinanzierbarkeit treiben ließen. Es ist unendlich schwerer, eine Fehlentwicklung zurückzudrehen, als sie rechtzeitig zu stoppen. ({0}) Die Garantiemengenregelung Milch beginnt deutlich zu greifen, die Milchmarktordnung ist funktionsfähig, der Milchauszahlungspreis hat sich im Durchschnitt sogar erhöht. Eine soziale Staffelung der Mengenreduzierung von 2 % bis 12,5 % wurde erreicht; für extreme Einzelfälle und -schicksale, die keine auch noch so detaillierte und differenzierte Härtefallregelung angemessen berücksichtigen kann, haben wir eine Existenzsicherungsklausel durchgesetzt. Wir haben infolge der unerwartet umfangreichen Bedienung der Vertrauensschutzfälle - übrigens eine rechtsstaatliche Konsequenz - mehr Garantiemengen ausgegeben, als es unserer nationalen Quote entspricht, aber wir haben am Brüsseler Verhandlungstisch erreicht, daß dieses Zuviel mit den Unterlieferungen saldiert werden kann. Wir haben die Milchrente für 1 Million t Garantiemengen gestartet und mit 1 Milliarde DM ausgestattet, damit die Bedienung der Vertrauensschutzfälle nicht zu Lasten der übrigen Milcherzeuger gehen muß. Es zeichnet sich jetzt ab, daß das Mengenziel der Milchrente weitgehend erreicht wird. Auch Zweifler sollten von der Wirklichkeit überzeugt werden: Die Überschußhalden schmelzen immerhin von Hoch- zu Mittelgebirgen. Bei Butter sind wir von einem Interventionsberg von 1,25 Millionen t schon auf 885 000 t heruntergekommen, und bei Magermilchpulver haben wir mit zur Zeit 500 000 t weniger als die Hälfte der noch vor wenigen Monaten 1,1 Millionen t auf Lager. Was aber noch viel entscheidender ist, weil es unser eigentliches Ziel war: Der Milchauszahlungspreis für unsere Bauern liegt seit Monaten rund 1 bis 2 Pf höher als im Vorjahr, und das trotz Verschärfung der Intervention, trotz Verlängerung der Zahlungsziele, trotz Änderung des Fett-Eiweiß-Verhältnisses. Selbst der 5 %-Grenzausgleichsabbau zum Jahreswechsel hat nicht dazu geführt, daß die Vorjahrespreise unterschritten werden - dank der Überbrückungshilfe der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen in Form des Mehrwertsteuerausgleichs von 5 %. Eine sogenannte Mitverantwortungsabgabe in der Größenordnung unter 10% hätte keinerlei mengensteuernde Wirkung gehabt. Schon heute fällt es übrigens den Bauern sehr schwer, die Notwendigkeit der vorhandenen Erzeugermitverantwortung einzusehen. Wäre die Produktionsausdehnung nicht gestoppt worden, hätten wir heute 108 Millionen t Milch unterzubringen statt 104 Millionen t, die wir im Jahre 1983 an die Molkereien EG-weit anlieferten. Immerhin sind wir jetzt bei knapp 100 Millionen t angekommen. Hat sich eigentlich die Opposition, die ständig für die Mitverantwortungsabgabe plädiert, einmal klargemacht, daß bei einer MVA-Lösung heute wahrscheinlich 2 Millionen t Butter und eineinhalb Millionen t Magermilchpulver in den Kühlhäusern und Lagerhallen unverkäuflich lägen? ({1}) Einige Milcherzeuger bekunden über die Garantiemengenreglung Unzufriedenheit. Ich betone ausdrücklich: Aus der Sicht des einzelnen ist es auch berechtigte Unzufriedenheit. Bei Junglandwirten sowie klein- und mittelbäuerlichen Familienbetrieben - soweit ihre Garantiemengen keine ausreichende betriebswirtschaftliche Basis bilden - ist dies auch verständlich. Für diese wie für andere soziale und familiäre Härtefälle brauchen wir unbedingt so bald wie möglich zusätzliche Manövriermasse, d. h. freie Garantiemengen. Meine Damen und Herren, neben Milch wurde Getreide zum entscheidenden Problemprodukt, weil die Erzeugung dem Verbrauch davonläuft. Ich habe die EG-Kommission schon vor der Formulierung der diesjährigen Agrarpreisvorschläge gebeten, die bäuerlichen Einkommen zur Richtschnur ihres Handelns zu machen. ({2}) Die EG-Kommission hat mich enttäuscht. Mit ihrem Rückgriff auf überholte Instrumente aus dem agrarpolitischen Gruselkabinett zeigt sie wenig Einfallsreichtum. ({3}) „Preise runter, und dann löst sich das ganze Problem von allein", diese Devise - auch in diesem Hause nicht neu - ist mir zu einfach, und vor allem vergißt sie eines: Die bäuerlichen Einkommen verBundesminister Kiechle tragen keinen weiteren Einkommensrückgang durch EG-Beschlüsse. ({4}) Ich wehre mich deshalb gegen eine Politik des Preisdrucks und gegen eine Politik des rabiaten Verdrängungswettbewerbs. Was die EG-Kommission im Preisbereich zum Teil vorschlägt, ist keine Konzeption, sondern eine Strafaktion. Die EG-Kommission begründet ihren Preisvorschlag bei Getreide mit dem Garantieschwellenprinzip, das 1981/82, also bevor die jetzige Regierung das Sagen hatte, in Brüssel einstimmig beschlossen wurde. Jetzt muß ich versuchen, dieses Prinzip in seinem Preissenkungsmechanismus wieder zu korrigieren. Wir hätten sonst wegen der 150 Millionen t Getreideernte von 1984 nicht nur in diesem Jahr, sondern auch nächstes Jahr und übernächstes Jahr 5 % Preissenkungsautomatik vorprogrammiert. ({5}) Die Preissenkungsautomatik ist aber weder schlüssig noch sachgerecht. Getreidepreissenkungen führen nämlich nicht etwa dazu, daß weniger produziert wird, es sei denn, man senkt sie so stark, daß ein Teil der Bauern ruiniert wird. ({6}) Getreidepreissenkungen führen auch nicht dazu, daß an Stelle der Substitute mehr Getreide verfüttert wird. Die Substitute werden immer billiger sein; denn sie sind nun einmal Nebenprodukte. Die berufsständische Fachwelt warnt seit einiger Zeit vor einem Getreidemarktfiasko und fordert rechtzeitige Korrekturen und Verbesserungen in der Getreidemarktordnung. Ich teile diese Sorgen angesichts ständig steigender Erträge, stagnierenden Verbrauchs und verstopfter Weltmärkte. Wir dürfen bei der Analyse dieses unbestrittenen riesigen Problems nicht stehenbleiben, sondern müssen eine Gegenstrategie entwickeln. Das bedarf einer engen Abstimmung mit Berufsstand und Vermarktern. Im Prinzip müssen wir auf Qualität setzen und diese Qualität preislich auch vernünftig absichern. Das wäre zumindest ein konzeptioneller Ansatz, bei dem die Anpassungslast nicht einseitig den Bauern aufgeladen würde. Aber ich bin natürlich auch Realist genug, um zu wissen, daß andere Mitgliedstaaten andere Ziele verfolgen. Engländer und zum Teil Franzosen setzen beispielsweise auf Masse, auf Export, auf Zuwachs, egal, ob dieses Ziel zu Lasten der EG-Kasse oder zu Lasten der Erzeugerpreise erreicht wird. Es wird also weiterhin eine schwierige Verhandlungsrunde in Brüssel geben. Ein weiterer konzeptioneller Schritt muß dahin führen, mehr eigenes Getreide in den Futtertrog zu lenken, anstatt es mit erheblichen staatlichen Mitteln und unter dem Protest zahlreicher Agrarexportländer auf den Weltmärkten verbilligt loszuschlagen. ({7}) Den ersten Schritt dahin haben wir mit der ab Mitte Oktober 1985 geltenden offenen Deklaration beschritten. Frau Vollmer hätte diesem Problem gar keine ganze Rede widmen müssen; da war es ja schon entschieden. Wieweit es möglich sein wird, etwa einen Mindestanteil Getreide in den Mischfuttermitteln vorzuschreiben, bedarf noch sorgfältiger Prüfungen hinsichtlich rechtlicher und politischer Probleme. Das Ganze müßte natürlich auf EG-Ebene durchgesetzt werden, um unsere Veredler im Wettbewerb nicht zu benachteiligen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen umgehend alle die Alternativen zur Entlastung des Getreidemarkts aufgreifen, die zur Zeit schon realisierbar sind. Dazu gehören auch der Anbau von Eiweißfuttermitteln wie z. B. Leguminosen, Soja, Ackerbohnen, Futtererbsen und die Produktion von Rohstoffen für die Industrie wie Flachs, Stärke oder Agraralkohol. ({8}) Damit erweitern wir die engen Fruchtfolgen, gewinnen Abstand von einseitigen Anbaumethoden, reduzieren den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln und verbessern die Bodenfruchtbarkeit durch tiefwurzelnde Pflanzen sowie Stickstoffsammler. Mein Haus fördert deshalb bereits solche Entwicklungen. Diese Förderung fängt bei der Züchtung an und sollte für eine ausreichende Übergangszeit auch EG-weit großzügigere Erzeugerbeihilfen umfassen. Solche Beihilfen wären - zumindest bei Hülsenfrüchten - zudem noch ein preiswerterer Ausweg im Vergleich zu vielen anderen Alternativen wie etwa die Flächenstillegung, obwohl auch sie kein Tabu sein darf. In der heutigen Situation kann es überhaupt keine Tabus mehr geben, meine Damen und Herren - allerdings mit einer Ausnahme: Die bäuerlichen Einkommen vertragen keinen weiteren Rückgang durch EG-Preisbeschlüsse. ({9}) Der agrartechnische Fortschritt wird weitergehen und auch genutzt werden. Reagenzglas und Computer werden noch ungeahnte Entwicklungen ermöglichen. Selbst wenn zur Zeit das Schwergewicht auf einer Aufwandsenkung je Ertragseinheit liegt, gibt es auch weiterhin Ertragssteigerungen. Wir müssen daher, um möglichst viele Arbeitsplätze in der Landschaft, im ländlichen Raum zu erhalten, neue Produktionsbereiche für die landwirtschaftlichen Betriebe finden. Dies wäre z. B. möglich, wenn seitens unserer gewerblichen Wirtschaft zunehmend Produkte auf der Basis heimischer Agrarrohstoffe entwickelt würden, um somit auch den Non-food-Bereich wieder auszubauen. Ich richte daher an unsere gewerbliche Wirtschaft die Bitte, bei ihrer Suche nach Innovationen auch zu prüfen, ob der Einsatz von Agrarrohstoffen, die ja vor der Tür wachsen und somit auch nach den Regeln der Unternehmen angebaut werden könnten, nicht stärker als bisher möglich ist. ({10}) Wir haben eine leistungsfähige Agrarwissenschaft, eine leistungsfähige Pflanzenzucht und leistungsfähige Bauern, die durchaus in der Lage sind, der gewerblichen Wirtschaft bei der Suche nach geeigneten Agrarrohstoffen und bei deren Anbau zu helfen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, um den Grenzausgleich rankte sich in früheren Jahren bei allen Preisverhandlungen ein langwieriges Hickhack. Er war sozusagen unsere Achillesferse. Hier waren wir verwundbar. Haben Sie in den letzten acht Jahren der SPD-Regierung auch nur ein einziges Mal erlebt, daß die deutschen Bauern dieselbe Preissteigerung für ihre Produkte verzeichnen konnten wie der EG-Durchschnitt? ({11}) Nein, Sie haben es nicht erlebt, und dafür konnte noch nicht einmal der Minister etwas; denn die Konstruktion war j a entsprechend angelegt. Sie mußten vielmehr mit ansehen, daß seit 1975 bei uns in D-Mark 15% weniger Preiserhöhung ankam, als in Brüssel in ECU beschlossen wurde. Wenn Sie wissen, daß ein Prozentpunkt Abbau des Grenzausgleichs die deutsche Landwirtschaft sage und schreibe 300 Millionen DM Einkommen kostet, dann verwundert das unerfreuliche Endresultat auch niemanden mehr. Die deutschen Bauern sind von 1975 bis 1983 - gerade noch vor Italien und Griechenland - einkommensmäßig aus dem vorderen Drittel ganz ans Ende der europäischen Einkommensskala zurückgefallen. Deshalb haben wir bei den letztjährigen Preisverhandlungen einen Systemwechsel durchgesetzt. Der damit verbundene Abbau des deutschen Grenzausgleichs um 8 % und die daraus resultierenden Preiseinbußen werden in vollem Umfang durch unser nationales 18-Milliarden-Überbrückungsprogramm ausgeglichen. Ein Restgrenzausgleich von 1,8 bis 2,9% ist noch vorhanden und laut Abmachung bis 1988 nach dem Gentlemen's Agreement abzubauen. Jetzt verlangt die EG-Kommission einen weiteren Teilabbau, der eine zusätzliche Preissenkung für die deutschen Bauern bedeuten würde. Meine Antwort kann nur „nein" heißen. ({12}) Beim Wein hat der Europäische Rat in Dublin den Durchbruch gebracht. Die endgültigen Einzelheiten sind gerade vor drei Wochen verabschiedet worden. Die Ergebnisse sind für den deutschen Winzer ein Erfolg. Für unsere Winzer, die sich durch Qualität am Markt behaupten und nicht für die Intervention produzieren, konnten wir durch energischen Widerstand folgende Pluspunkte erreichen: Erstens sind sie von der Wiederbepflanzungseinschränkung ausgenommen. Zweitens haben wir das geforderte Anreicherungsverbot des Weines mit Zucker erst einmal bis 1990 hinausschieben können. Drittens ist zwar eine obligatorische Destillation grundsätzlich auch für den deutschen Tafelwein beschlossen worden, allerdings werden unsere Erzeuger davon ausgenommen, wenn sie jährlich nicht mehr als 1 Million hl Tafelwein erzeugen. Bisher lag die durchschnittliche Produktion unter 0,5 Million hl mit Ausnahme der Rekordernten 1982 und 1983. Leider - bei diesem Punkt muß ich etwas Wasser in den Wein gießen, um im Bild zu bleiben - konnten wir trotz heftigen Protests nicht verhindern, daß die Kommission jetzt für 1984/85 eine obligatorische Destillation erlassen hat. Unsere Winzer, die eine kleine Ernte eingebracht haben und für ihre Tafelweine zur Zeit gute Preise erzielen, sind von der EG verpflichtet worden, sich an der obligatorischen Destillation zu beteiligen. Leider, muß ich sagen. Der Gartenbau ist eine der wenigen zur Landwirtschaft gehörenden Sparten, die sich trotz eines scharfen internationalen Wettbewerbs in der konjunkturpolitischen Sonne etwas wärmen können. Dieser Erfolg ist dem Gartenbau nicht in den Schoß gefallen. Vielmehr zeigt sich hier die große unternehmerische Leistung dieses Sektors. Wichtige Bereiche des Gartenbaus zählen glücklicherweise zu den Sparten, bei denen die Nachfrage noch steigt. Außerdem ist es gelungen, verstärkt auf Frische und Qualität zu setzen und Marktlücken aufzuspüren. So nimmt der Gartenbau z. B. bei der Stadtbegrünung, bei der Schaffung von Naherholungszonen, bei der Landschaftsplanung und im Bereich des Natur- und Umweltschutzes wesentliche Aufgaben wahr. Eine Leistung des Gartenbaus, die sich kurzfristig nur begrenzt in Mark und Pfennig auszahlt und die dennoch nicht hoch genug anerkannt werden kann, ist dessen hohe Ausbildungsleistung. Hierfür danke ich dem Gartenbau besonders herzlich. ({13}) Zu einer schwierigen Sparte hat sich die Fischerei, insbesondere die Hochseefischerei entwickelt. Die widrigen Winde sind nicht naturbedingt, sondern hauptsächlich das Ergebnis politischer Entwicklungen. Die Bundesregierung hat nach Einführung der 200-Seemeilen-Fischereizonen und anderen Beschränkungen in Brüssel hart um angemessene Quotenanteile an den geschrumpften Fangmöglichkeiten gerungen. Die erreichten Fangrechte erlauben die weitgehende Fortführung unserer Hochseefischerei und bieten für die Kutterfischerei noch Entwicklungsmöglichkeiten. Die Bundesregierung hat weiterhin sofortige und umfangreiche Hilfen zur schrittweisen Anpassung der Flotte an die veränderten Bedingungen gewährt. Der bestehende Quotenrahmen bildet zwangsläufig den Maßstab für die künftige Flottenkapazität und Flottenstruktur. Wir müssen von realistischen Prämissen ausgehen. Deshalb stehen alle Verantwortlichen in Wirtschaft, Politik und Verwaltung zur Zeit in intensiven Beratungen über den weiteren Weg unserer Fischwirtschaft. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe wird die Bundesregierung zu ihrer Verantwortung gegenüber der Fischwirtschaft stehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich heute auch hinsichtlich der Arbeit der letzten zwei Jahre Bilanz ziehen. Diese Regierung hatte ihr Ziel klar formuliert: Dem klein- und mittelbäuerlichen Betrieb gilt das Schwergewicht der agrarpolitischen Anstrengungen. Aus diesem Grund hatte Bundeskanzler Kohl auf dem Freiburger Bauerntag zugesagt, für die landwirtschaftliche Unfallversicherung zusätzliche Finanzmittel bereitzustellen. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung stets betont, daß in benachteiligten Gebieten zusätzlich zur Preispolitik etwas getan werden müsse. Sie wendet sich allerdings gegen flächendeckende, nivellierende Einkommensübertragungen als Alternative zur Markt- und Preispolitik. Wir können heute überzeugende Ergebnisse vorweisen. Wir haben nicht mit Schlagworten und nicht mit irrealen Maximalforderungen, für die dann niemand einsteht, wenn es ernst würde, sondern mit gezielten Maßnahmen reagiert. Wenn die SPD uns in dieser Situation vorwirft, wir hätten die größeren Betriebe einseitig begünstigt, dann verkennt sie jegliche Realität. ({14}) Wir haben mit der Politik Schluß gemacht, die unter Verantwortung der SPD 13 Jahre lang auf immer mehr, immer größer und auf einseitigen Verdrängungswettbewerb hinauslief. ({15}) Wir haben national und auf EG-Ebene eine Politik eingeleitet und umgesetzt, die klein- und mittelbäuerliche Betriebe besser berücksichtigt: Wir haben die Förderschwelle abgeschafft. ({16}) und das einzelbetriebliche Förderungsprogramm klein- und mittelbäuerlichen Betrieben geöffnet. Wir haben dem Verdrängungswettbewerb in der Milchproduktion zugunsten der besten und zu Lasten der weniger guten Standorte ein Ende gemacht. Wir haben den noch von der SPD-Regierung geplanten totalen Abbau der Zuschüsse zur Unfallversicherung nicht nur gestoppt und rückgängig gemacht; wir haben die Mittel sogar um 121 Millionen DM auf 400 Millionen DM aufgestockt, ({17}) früher als es überhaupt vorstellbar war. ({18}) Wir werden ab 1986 die Zuschüsse bei der Altershilfe aufstocken, aber nicht pauschal für alle Betriebe, sondern gezielt für Betriebe mit einem Wirtschaftswert bis zu 30 000 DM. Deren Einkommen wird durch die Beiträge zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung in besonders hohem Umfang belastet. Für sie gibt es ab 1986 zusätzlich 110 Millionen DM Zuschuß zur Altershilfe und nicht nur Umverteilung, wie das früher geplant war. Damit wird der Bundeszuschuß von 75 % auf 79 % erhöht, gesetzlich festgelegt, in Zukunft dynamisiert und langfristig abgesichert. Wir haben für die Betriebe in benachteiligten Gebieten nach 10jähriger Stagnation einen agrarpolitisch gewaltigen Sprung vollzogen. Daß Hilfe notwendig war, zeigen allein schon die Einkommensstatistiken. Die Förderbeträge wurden auf bis zu 240 DM je Hektar angehoben, die förderfähigen und -berechtigten Gebiete von eineinhalb Millionen auf 4 Millionen Hektar ausgedehnt und die Fördermittel des Bundes von 65 Millionen DM auf rund das Dreifache, also 190 Millionen DM aufgestockt. ({19}) Damit ist übrigens ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Bundesgebietes künftig preisunabhängig förderfähig und förderberechtigt. ({20}) All dies, meine Damen und Herren, sind Bausteine in einem breit angelegten Konzept. Sie ergeben einen in der agrarpolitischen Nachkriegsgeschichte einmaligen Kraftakt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, niemand wird bestreiten können, daß die ungünstige Einkommensentwicklung zum Teil auf den stark gebremsten Strukturwandel zurückzuführen ist. Das strukturwandelbedingte Einkommensplus ist heute sehr gering geworden. 1,5 % weniger Betriebe gab es im letzten Jahr, die geringste Abnahme seit den frühen 50ern. Von 1970 bis 1976 hörten jährlich 30 000 Betriebe in Deutschland auf. Von 1976 bis 1983 waren es jährlich 20 000 Betriebe, im Kalenderjahr 1984 schließlich 11 000. Aus grundsätzlichen Erwägungen, aber auch auf Grund der Arbeitslosigkeit, wäre es unverantwortlich, die Landwirte direkt oder indirekt von ihren Höfen verdrängen zu wollen. ({21}) Nein, wir müssen äußerst vorsichtig und behutsam mit den bäuerlichen Arbeitsplätzen umgehen, auch wenn sie nicht so gut bezahlt sind wie in der gewerblichen Wirtschaft. ({22}) Ich bin durchaus zuversichtlich, daß mittelfristig wieder eine realistische Wahlmöglichkeit für den Landwirt besteht: Soll er seinen Hof als Haupterwerbs- oder Nebenerwerbsbetrieb weiterführen? Bei einer Fortsetzung des allgemeinen Wirtschaftsaufschwungs wird sich die Entscheidungsfreiheit sicher schnell vergrößern, zum Vorteil für alle, zum Vorteil für denjenigen, der außerhalb der Landwirtschaft gutes zusätzliches Geld verdient, und auch zum Vorteil für denjenigen, der dadurch zumindest teilweise seine landwirtschaftliche Einkommensbasis erweitern kann. Das ist gesunde strukturelle Anpassung, wie wir sie verstehen. Und sie darf nur stattfinden auf Grund eigener interner Entscheidung der Bauern selbst, nicht durch Druck von außen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Probleme der Forstwirtschaft habe ich im letzten Jahr im Zusammenhang mit den Waldschäden dargestellt; denn die Probleme der Wälder sind zwangsläufig die Probleme der Forstwirtschaft. Schnelle und umfassende Hilfe auf nationaler und EG-Ebene ist erforderlich. Sie funktioniert freilich nicht von heute auf morgen. Die gesamte Bevölkerung zieht Nutzen aus dem Wald, Nutzen, der weit über die Versorgung mit Holzprodukten hinausgeht. Er besteht in den positiven Wirkungen des Waldes für Boden, Wasser, Luft, Klima und für den Naturhaushalt. Und deswegen sind Schutz und Hilfen für den Wald auch Angelegenheiten des gesamten Volkes. ({23}) - Halten Sie es halt selber ein. Dann ist schon was geregelt. ({24}) Die Landwirtschaft ist der Natur verpflichtet. Sorgsame und verantwortungsvolle Nutzung der Naturgüter ist für die selbstverständlich. ({25}) - Ach, wissen Sie, mit Ihrem Tempolimit: Wir haben 480 000 km Straßen. 6 000 sind tempolimitfrei. Dort wird im Durchschnitt 118 km/h gefahren. Wenn Sie ein Tempolimit auf diesen 6000 km offiziell als waldlebensrettend bezeichnen, dann müßten wir darüber ganz schnell nachdenken. Und was Europa anbetrifft, haben Sie überall Waldsterben, von der DDR, der ČSSR über Italien bis nach Frankreich, obwohl es überall ein Tempolimit gibt. Also kann es wohl nicht das Tempolimit sein. ({26}) Unsere Bauern übrigens wissen seit jeher: Mit Natur und Umwelt kann man nicht beliebig umspringen. Natur und Umwelt sind unverzichtbare Grundlagen für den einzelnen Landwirt und darüber hinaus die Lebens- und Ernährungsgrundlage für die gesamte Bevölkerung. Die jüngste nationale Notbremsung in Form eines totalen Kapazitätsausweitungsverbotes in der holländischen Schweineproduktion zeigt uns, daß eine unbegrenzte industriemäßige und damit weitgehend flächenunabhängige Massentierhaltung große Probleme aufwirft. Wir müssen deshalb alles tun, um die ökologischen Grundlagen zu sichern, zu stabilisieren und zu verbessern. Hier nützt allerdings kein blinder Eifer, sondern nur nüchternes Kalkül. Unsere Landwirtschaft muß eben auch im europäischen Wettbewerb bestehen können. Wenn sie aus Gründen des Gemeinwohls einschränkenden Auflagen unterworfen werden soll, läßt sich das nicht allein mit dem Hinweis auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums rechtfertigen. Nein, dann muß die Landwirtschaft dafür entschädigt werden, ({27}) nicht mit Dank, einem Händedruck und schönen Worten, wie das gegenwärtig so bequem ist, sondern mit Ausgleichszahlungen, um das einmal im Klartext zu sagen. Wir wollen den erstrebten Frieden mit der Natur nicht gegen den Unfrieden mit den Bauern eintauschen. ({28}) Am 6. Februar hat die Bundesregierung die Bodenschutzkonzeption verabschiedet. Niemand weiß besser als die Bauern, wie unersetzlich, wie lebenswichtig ein gesunder, funktionsfähiger Boden ist. Die Landwirtschaft ist der einzige Wirtschaftszweig überhaupt, der nicht nur Nutzungsansprüche an den Boden stellt, sondern einen wirklichen Beitrag zum Bodenschutz leistet. Die hohe Bodenfruchtbarkeit in unserem Land ist das Ergebnis jahrhundertelanger verantwortungsbewußter, pfleglicher Behandlung des Bodens durch die Landwirte. ({29}) Bodengesundheit und -fruchtbarkeit sind die Grundlagen ihres Wirtschaftens. Niemand sollte so töricht sein - leider sind es trotzdem viele, aber das kann man nicht ändern -, den Landwirten dieses elementare Wissen um die eigene Existenzgrundlage abzusprechen. Moderne und erfolgreiche Landwirtschaft ist sehr häufig intensive Landwirtschaft. Die Bodenschutzkonzeption macht deutlich, daß damit Gefahren für den Boden verbunden sein können. Sie nennt deshalb einen Katalog von Lösungsansätzen, die geeignet sind, diesen Problemen zu begegnen. Mein Haus wird die Konkretisierung dieser Lösungsansätze in Abstimmung mit den Bundesländern und Berufsverbänden intensiv vorantreiben und dabei darauf hinwirken, daß die Interessen der Betroffenen, also der Landwirte, gewahrt bleiben, denn Bodenschutz ist nur mit der Landwirtschaft möglich. Ein gesunder Boden ist die beste Voraussetzung für gesunde Nahrungsmittel. Deswegen steht unseren Verbrauchern heute ein Lebensmittelangebot zur Verfügung, das in seiner Fülle, Vielfalt und Preiswürdigkeit seinesgleichen sucht. ({30}) Dieses große Angebot wissen die Verbraucher auch ganz offensichtlich zu schätzen. Zu Recht! Wenn vereinzelt mit unseriösen Behauptungen Panikmache betrieben wird, unsere Lebensmittel seien stärker als früher und gar in einem bedenklichen Ausmaß mit Rückständen und Schadstoffen belastet, so ist das erwiesenermaßen falsch. ({31}) Gerade angsichts des gestiegenen Gesundheits- und Umweltbewußtseins freue ich mich, offiziell saBundesminister Kiechle gen zu können: Alle neueren Daten unabhängiger wissenschaftlicher Untersuchungen belegen, daß das Vertrauen der Verbraucher in unser heutiges Lebensmittelangebot voll berechtigt ist. ({32}) Für dieses Vertrauen bedanke ich mich. Wenn wir vom Dank sprechen, dann denke ich nicht nur an die Verbraucher und die Bauern, dann denke ich ebenfalls an die qualifizierten landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, die sehr wohl auch ihren Beitrag zur Produktions- und Qualitätsleistung unserer Landwirtschaft erbringen. Mit ihren Arbeitsplätzen muß in der schwierigen gegenwärtigen Lage ebenfalls behutsam umgegangen werden. Ich denke aber auch an unsere Bäuerinnen. Gäbe es nicht ihren unermüdlichen Einsatz für Familie, Haushalt und Betrieb, wäre die Existenz mancher Betriebe sicher gefährdet. ({33}) Unsere Bäuerinnen leisten für den ländlichen Raum und die Erhaltung unserer Dörfer Unschätzbares. Ihnen verdanken wir, daß der Leitsatz „Unser Dorf soll schöner werden" nicht nur aus bloßen Worten besteht. ({34}) Dafür verdienen die Bäuerinnen Respekt, Anerkennung und Dank, genauso wie auch die Jugend und insbesondere die jungen Frauen auf unseren Höfen Erhebliches mit dazu beitragen. Mein Dank gilt auch denjenigen, die mich bei meiner agrarpolitischen Konzeption unterstützt haben und die trotz des Sparwillens, den diese Bundesregierung haben muß, den Anpassungshilfen und Ausgleichszahlungen für die Landwirtschaft zugestimmt haben: dem Bundeskanzler, dem Bundesfinanzminister, ({35}) dem Parlament und dem Bundesrat. Mein Dank gilt auch den vielen tausend Landwirten, die für eine kleine Anerkennungsgebühr die arbeits- und zeitaufwendige Last auf sich genommen haben, sorgfältig die betrieblichen und finanziellen Daten ihrer Höfe zu sammeln und zu ordnen. Mein Lob gilt den Mitarbeitern meines Hauses, die mit großem Fleiß, Einsatz und Fachwissen diesen Agrarbericht erstellt haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegt auch in unseren Händen, welche Zukunft die Landwirtschaft hat. Ich werde für unsere Bauern Anwalt sein, damit sie und ihre Familien, soweit sie das selbst wollen, auf ihren Höfen bleiben können und damit vor allem die Jugend in der Landwirtschaft eine Perspektive hat und sieht. Ich werde alles daransetzen, daß der ländliche Raum nicht ausgezehrt wird und daß die landwirtschaftlichen Familien ein angemessenes Einkommen für ihre hohe Arbeitsleistung erhalten, ({36}) denn nicht nur sie brauchen uns, sondern wir alle brauchen auch sie! ({37}) Wir brauchen die Bauern als die wahren „Grünen", ({38}) weil sie in jahrhundertelanger Abhängigkeit vom Naturhaushalt den schonenden Umgang mit Boden, Tieren und Pflanzen gelernt haben. Wir brauchen sie, weil das mit ihrer Hände Arbeit geschaffene „Grün" Ruhe, Frieden und Hoffnung ausstrahlt; ihr „Grün" ist das Symbol für Natur und Leben. Wir brauchen sie, weil wir jeden Tag essen müssen; viele vergessen das ja. Das heißt auch, dem Bauern seinen gerechten Arbeitslohn zu gönnen. Wir alle haben erkannt, daß agrarpolitisches Nichtstun der teuerste und einkommensmäßig für die Landwirtschaft der schlechteste Ausweg sein kann. ({39}) Aus dieser Erkenntnis erwächst die Verpflichtung, rechtzeitig und richtig zu handeln: für die Bauern, für die Verbraucher, für die Natur, für uns alle. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({40})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel. ({0})

Dr. Hans Jochen Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002379, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem Punkt, Herr Kollege Kiechle, stimme ich mit Ihnen überein: Im Dank an die Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind. Auch für meine Fraktion danke ich denen, die unermüdlich in der Landwirtschaft arbeiten und für unsere Gemeinschaft eine wichtige Aufgabe erfüllen. ({0}) In sehr vielen anderen Punkten, Herr Kollege Kiechle, muß ich Ihnen widersprechen. Das beginnt schon bei Ihrer Aussage, es gebe einen allgemeinen Wirtschaftsaufschwung, den die Bundesregierung herbeigeführt habe und der sich weiter fortsetze. Das, Herr Kollege Kiechle, ist eine sehr eigenwillige und von der Realität weit abgehobene Interpretation der Halbzeitbilanz dieser Regierung. ({1}) Allgemeiner Wirtschaftsaufschwung? Lieber Kollege Kiechle, die Realität ist: höchste Arbeitslosigkeit in der 36jährigen Geschichte dieser Bundesrepublik, ({2}) die meisten Sozialhilfeempfänger seit 1949, die höchste Lohnsteuerbelastung, die es in der Geschichte der Bundesrepublik für die Arbeitnehmer je gegeben hat, ({3}) von Ihnen herbeigeführt! ({4}) - Meine Damen und Herren, ich freue mich über Ihre frühe Munterkeit, aber ich fürchte, darunter leidet Ihre Fähigkeit, zu rechnen und zu zählen. Als Sie die Regierung übernahmen, stand die Lohnsteuerbelastung bei knapp 18 %. Sie haben sie in zwei Jahren auf über 19 % gesteigert. ({5}) Das ist die Realität und die Wahrheit! ({6}) - Daß Sie nach dem letzten Sonntag so unruhig sind, meine Damen und Herren, dafür habe ich großes Verständnis. ({7}) - Sind Sie sich allmählich einig, was Sie eigentlich rufen wollen? ({8}) Sie haben immer mehr Schwierigkeiten mit der Koordinierung. Man merkt, daß Ihr vorhergehender Geschäftsführer Bundestagspräsident geworden ist. ({9}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden sich noch mehr Negativrekorde anhören müssen. Unter Ihrer Verantwortung werden von den Arbeitnehmern die höchsten Rentenversicherungsbeiträge verlangt, und Sie wollen sie zum 1. Juli noch einmal auf 19,2 % steigern. Unter Ihrer Verantwortung hat die Zahl der Firmenzusammenbrüche den höchsten Stand seit der Währungsreform erreicht. ({10}) Und dann gehen Sie hierher und sprechen von einem breiten Wirtschaftsaufschwung! Dies ist mit der Realität unvereinbar. ({11}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sie sich hier so im Sprechchor äußern: Sie haben die Kräfte unseres Volkes fehlgeleitet. ({12}) Sie haben den breiten Schichten genommen, Sie haben den Starken gegeben, und was Sie den Starken gegeben haben, ist nur zum geringen Teil in unserem Lande investiert, ist nur zum geringen Teil für neue Arbeitsplätze ausgegeben worden; es ist zu einem erheblichen Teil ins Ausland, insbesondere nach den USA geflossen. Darum ist die Behauptung, es herrsche ein allgemeiner Wirtschaftsaufschwung, nahe bei Hochstapelei. ({13}) Ihre agrarpolitische Bilanz ist um kein Haar besser. Im dritten Jahr der Wende - das wissen Sie selber ganz genau - herrscht in vielen Dörfern bitterer Streit. Das Einkommen der Bauern - Sie haben es gerade dankenswerterweise bestätigt - ist auf den Stand von 1974/75 gesunken. ({14}) Nicht wenige mittlere und kleine Familienbetriebe bangen um ihre Existenz. Viele junge Menschen auf den Bauernhöfen fühlen sich um ihre Zukunftschancen gebracht. Ganzen Regionen droht das Brachfallen von Flächen, die Abwanderung und Verödung zu Lasten der Umwelt und der Siedlungsstruktur. Sie können sagen, was Sie wollen, Herr Kollege Kiechle, und Sie können es in noch so sympathischer Form vortragen, Sie werden die Verantwortung für diese Situation nicht abschütteln können. ({15}) Ich sage noch einmal ganz deutlich: Unsere Kritik gilt nicht den Bauern, unsere Kritik gilt nicht denen, die für unsere Gemeinschaft, für unsere Umwelt, für unsere Ernährung einen unverzichtbaren Beitrag leisten, ({16}) die hart arbeiten, die kaum Urlaub haben und die vielfach zu wenig verdienen. Unsere Kritik gilt der Bundesregierung, und sie gilt Ihnen, Herr Kollege Kiechle. ({17}) Herr Kollege Kiechle, Sie haben sich in der Opposition - und daran muß ich Sie erinnern - jeder Reform der europäischen Agrarpolitik widersetzt. Sie haben im Pressedienst Ihrer Partei im November 1980 nach der Regierungserklärung von Helmut Schmidt geschrieben: In der Regierungserklärung wurden die Schwierigkeiten am EG-Agrarmarkt in unverantwortlicher Weise - man höre! mit der Bezeichnung „Überschüsse" apostrophiert. Eine solche Pauschalierung wird der Sache keineswegs gerecht. Derartige Meinungsäußerungen - also die Behauptung von Überschüssen - tragen lediglich zur Begriffsverwirrung bei. So Originalton Kiechle im Jahre 1980! ({18}) Ich glaube, Herr Kollege Kiechle, Sie schleppen da eine Erblast eigener Art mit sich herum; das ist mein Eindruck. ({19}) Aber, meine Damen und Herren, es kommt noch schöner und noch zeitnäher. Am 25. März 1982 - das ist noch gar nicht so lange her - hat der Herr Bundeslandwirtschaftsminister, damals noch Sprecher der Opposition, wörtlich gesagt: „Wir" - damit meinte er wohl die Schreihälse hier und die anderen, die ruhig zuhören - ({20}) - Na, hören Sie mal! ({21}) Sie beantworten doch die Frage, wer hier Schreihals ist, gerade selber. Ich bitte Sie. ({22}) Ich schlage Ihnen eine Abrede vor: Ich nenne das Stichwort „Schreihals", und dann schreien Sie. Das ist doch wunderbar. ({23}) - Lieber Herr Kollege Bötsch, Sie waren auch schon mal lustiger, gell?! ({24}) Aber gestern haben Sie eine solche Pleite erlebt; da verstehe ich, daß es Ihnen ein bißchen den Humor verschlagen hat. ({25}) - Meine Damen und Herren, ich verstehe ja die Taktik: Sie wollen das zweite Zitat nicht hören, deswegen diese Unterbrechungen. Also, im März 1982 hat Herr Kollege Kiechle, der jetzt so gegen die Überschüsse wettert, wörtlich folgendes gesagt: Wir - also die Union, nehme ich an, oder der Landwirtschaftsverband; ist auch möglich richten unseren Blick nicht engstirnig - engstirnig, Herr Kollege Kiechle! auf vielleicht gerade momentan vorhandene Lebensmittelüberschüsse und glauben nicht, dann sofort die ganze EG-Agrarpolitik reformieren zu müssen. Herr Kollege Kiechle, diesen Satz muß man sich in Erinnerung rufen. Man muß ihn sich auf der Zunge zergehen lassen, wenn man heute von dieser Stelle Ihre unberechtigten Vorwürfe gegen den Kollegen Ertl und die Zeit unserer Regierungsverantwortung mit anhören muß. ({26}) Im übrigen, das Kunststück, Herr Kollege Gallus, macht mir gelegentlich Schwierigkeiten, wie Sie mit derselben Treue dem angegriffenen Ertl und jetzt dem Angreifer Kiechle dienen. Das ist ein Kunststück, das man wirklich bewundern muß. ({27}) Diese Angriffe, Herr Kollege Kiechle, die Sie gegen Ihren Amtsvorgänger richten, sind durch Ihre eigenen Zitate widerlegt, sie sind unglaubwürdig. Dann haben Sie im März letzten Jahres in Brüssel eine sogenannte Agrarreform durchgesetzt, die Sie ja noch zwei Jahre vorher als überflüssig bezeichnet haben. Das Kernstück ist die Milchkontingentierung. Daß diese Quotenregelung die Wurzel vieler Übel, nein, fast aller Übel ist, das bestreiten ja inzwischen selbst Ihre Freunde nicht mehr. Sehen Sie, Herr Kollege Kiechle, Sie, der Sie sonst ständig das hohe Lied des freien Marktes mit Unterstützung Ihrer Chöre singen, Sie haben hier einer gigantischen Planungs- und Bewirtschaftungsbürokratie zugestimmt, nein, Sie haben sie mitgeschaffen. Sie haben dem Staat die direkte Entscheidung darüber eingeräumt, wer wieviel an Milch produzieren darf. Sie wissen doch selbst, Herr Kollege Kiechle, und bei anderer Gelegenheit - nicht hier - sagen Sie es ja auch, ich habe es selber von Ihnen schon gehört, daß auf diese Weise ein Keil getrieben wird zwischen diejenigen, die als Quotenbesitzer profitieren, und die, die bei der Quotenzuteilung auf der Strecke bleiben. Sie wissen doch selbst, wie diese Unterschiede, die Gegensätze zwischen den hohen und niedrigen Quoten das Klima zwischen Nachbarn und in ganzen Dörfern vergiften. ({28}) Zu Recht spricht die „Neue Zürcher Zeitung", die ja nun weiß Gott uns nicht zum Munde redet oder schreibt, in bezug auf Ihre Politik von einer Tragikkomödie. Und der Sachverständigenrat, auf den Sie sich doch sonst ständig berufen, spricht von einem mengenbegrenzenden Kartell. ({29}) Im übrigen können sich noch nicht einmal die Ämter und die Verwaltungsgerichte freuen. Sie wissen doch ganz genau, daß die Ämter und die Gerichte schon jetzt unter der Last der Entscheidungen stöhnen, die Sie ihnen zugemutet haben und durch immer wechselnde neue Vorschriften ständig neu zumuten. ({30}) Meine Damen und Herren, ich hätte es gern aus Ihrem Munde gehört, aber nachdem Sie es nicht erwähnt haben, muß ich es sagen: Über 20 000 Vorlagen bei den Verwaltungs- und den Finanzgerichten und über 20 Verfassungsbeschwerden oder Verfassungsklagen zeigen den ganzen Umfang des Planungs- und Bewirtschaftungswirrwarrs, den Sie hier angerichtet haben. ({31}) Die nationalen Ausgleichsmaßnahmen, die den Steuerzahler - ich hätte bei Ihrer Danksagung gern auch den Dank an den Steuerzahler gehört -, die Arbeitnehmer und alle, die Steuern zahlen, ({32}) in den nächsten sieben Jahren rund 24 Milliarden DM kosten ({33}) - in sieben Jahren alle Steuerzahler 24 Milliarden DM -, bedeuten entgegen Ihrer Behauptung, Herr Kollege Kiechle, für die kleinen und die mittleren Betriebe eben keine spürbare Verbesserung. ({34}) Sie kennen doch die Berechnungsbeispiele. Wir haben sie Ihnen doch x-mal vorgelegt. ({35}) Sie können sagen, was Sie wollen: Die Ausgleichsregelung, die Sie gefunden haben, die Sie in einem überfallartigen Verfahren innerhalb von 14 Tagen in der zweiten Tranche durchgesetzt haben, begünstigt die Umsatzstarken und läßt für die, um deren Existenz es geht, eben nur Brosamen und Kleinbeträge übrig. ({36}) Damit keine Legende entsteht: ({37}) Wir sind nicht gegen Ausgleichsmaßnahmen. Wir sind aber dagegen, daß Sie hier ebenso ungerecht zu Werke gehen wie auch sonst in Ihrer Politik. ({38}) Wir sind dagegen, daß Sie denen, denen es schon gutgeht, noch zusätzlich etwas geben und die Kleinen ihrem Schicksal überlassen, ({39}) vielleicht nach der erhellenden Devise, Leistung müsse sich wieder lohnen - gerade als ob die Kleinen nichts leisten würden. ({40}) - Lieber Herr Kollege, warum diese Aufregung? Warum denn Ihre Aufregung? ({41}) Wenn das der Präsident eines Bauernverbandes auf Landesebene sagt, nicken Sie und stimmen besorgt zu. ({42}) Wenn ich das sage, ist das Klassenkampf. Das können Sie doch Ihrer Großmutter erzählen, aber nicht mir. ({43}) Jetzt wettern ausgerechnet Sie, Herr Kollege Kiechle, gegen die Preisvorschläge der Kommission ({44}) und sagen den Bauern - ich habe das mit großem Interesse gehört - auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes hier in Bonn, Sie stünden auf der Seite der Bauern. Wörtlich haben Sie gesagt, Sie würden mit den Bauern gegen Brüssel protestieren. Welch ein Kunststück, Herr Kollege Kiechle! Da protestieren Sie nämlich gegen sich selber. ({45}) Auch die Bauern haben es j a verstanden, daß Sie mit Ihren Aussagen und mit diesen Protesten Ihre Zuhörer täuschen oder daß Sie die Täuschung zumindest in Kauf nehmen. Herr Kollege Kiechle und meine sehr verehrten Damen und Herren, die ruhigen und die weniger ruhigen aus der Oppo - -, aus der Koalition - ({46}) - Entschuldigung, liebe Freunde, Sie waren eine ganze Zeit in der Opposition, und ich sage Ihnen: Sie werden rascher wieder in der Opposition sein, als Sie das glauben. ({47}) - Jetzt war die Abteilung Schreihals scheinbar ohne Stichwort. Die Vorschläge der Kommission, die Sie bekämpfen, liegen doch in der Logik dessen, was Sie selbst beschlossen haben, Herr Kollege. Es war doch Ihr Bundeskanzler und es war Herr Stoltenberg, Ihr Finanzminister, die sich laut rühmten, in der EG endlich Haushaltsdisziplin durchgesetzt zu haben. Sie wissen doch ganz genau - warum sagen Sie es hier nicht? -, daß der Europäischen Gemeinschaft in diesem Jahr schon bei der Verwirklichung der Kommissionsvorschläge 7 Milliarden DM fehlen. Wenn Ihre Vorschläge Wirklichkeit werden, müßte noch einmal rund 1 Milliarde DM draufgelegt werden. Sie kennen doch auch den Anteil der Bundesrepublik an diesen zusätzlichen Finanzierungen. Er beträgt etwa 22, 23 %. ({48}) - Noch schlimmer: 28 %! Sie sehen, wie höflich ich Sie behandle und wie vorsichtig ich mit meinen Zahlen bin. ({49}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen den Bauern auch gerne zu einem höheren Einkommen verhelfen. ({50}) Wir sind einverstanden, wenn Sie versuchen, aus der Situation, die Sie und die Bundesregierung selbst herbeigeführt haben, das Beste zu machen. Aber wir sind dagegen, wenn Sie den Landwirten und der Öffentlichkeit von dieser Stelle aus etwas vorgaukeln, wenn Sie ungedeckte Schecks ausstellen und die Kommission für Dinge verantwortlich machen, die Sie selbst zu vertreten und mitbeschlossen haben. ({51}) Die Haushaltsdisziplin, an der Sie sich jetzt reiben und stoßen, hat Ihr Bundeskanzler herbeigeführt und sich als besonderen Erfolg auf seine Fahnen geschrieben. Im übrigen: Sie haben ja selber gehört, was Herr Andriessen Ihnen auf der Grünen Woche in Berlin wegen der Widersprüchlichkeit Ihres eigenen Verhaltens öffentlich ins Stammbuch geschrieben hat. Er hat gesagt - Sie sollten es hier widerlegen, hier! -, die Bundesregierung könne nicht ständig auf Sparsamkeit und Haushaltsdisziplin zur Eindämmung der Agrarkosten drängen, wenn sie andererseits alle Bemühungen der Kommission, dies bei den Preisverhandlungen durchzusetzen, blockiere. Protestieren gegen die Vorschläge ist leicht - ich bin sehr geneigt, mich den Protesten anzuschließen -, aber zu sagen, wie das realisiert und finanziert werden kann, unterlassen Sie weislich, weil Sie es nicht können, Herr Kollege. ({52}) - Meine Damen und Herren, ich habe noch einmal die herzliche Bitte, daß Sie Ihre Zwischenrufe ein bißchen koordinieren. Dieses Gebrüll, Entschuldigung, kann wirklich niemand verstehen, rein akustisch nicht. Ob man's inhaltlich verstehen kann, ({53}) ist eine weitere Frage. Sie brüllen so unkoordiniert, daß man es wirklich nicht verstehen kann. ({54}) - Das ist ein guter Vorschlag. Ich bin einverstanden, ja. ({55})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Dr. Vogel, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Bundesregierung einen Kabinettsbeschluß gefaßt und auch einen Beschluß in Fontainebleau herbeigeführt hat, daß die EG ab 1. Januar 1986 zusätzlich insgesamt etwa 17 bis 18 Milliarden DM und etwa weitere 10 Milliarden DM ab 1. Januar 1988 erhält? Unter diesen Umständen kann man j a wohl nicht sagen, daß die deutsche Bundesregierung die Finanzierung der EG blockiert.

Dr. Hans Jochen Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002379, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen bekannt, Herr Fragesteller, daß dies die Beträge sind - ({0}) - Ich bitte doch, das mir zu überlassen, Herr Oberlehrer. Weswegen diese Zensuren? Ich rede ihn hier als Fragesteller an. Das ist doch nicht beleidigend! ({1}) - Na, warten Sie doch erst einmal ab. - Herr Fragesteller, ich erwidere Ihre Frage mit Gegenfragen: Ist Ihnen eigentlich bekannt, daß es sich dabei um die Beträge handelt, die bei der Erhöhung der Eigenmittel auf 1,4 % bzw. 1,6% zu zahlen sind? Ist Ihnen bekannt, daß dies an den Beitritt von Spanien und Portugal gekoppelt ist? Ist Ihnen bekannt, welche Mehrkosten dadurch entstehen? Und ist Ihnen bekannt, daß diese Eigenmittel schon jetzt, obwohl die Beschlüsse noch gar nicht gefaßt sind, bereits zu mehr als 1,3 % - nach anderen Rechnungen schon zu 1,4 % - beansprucht sind, so daß für weitere Leistungen überhaupt kein Betrag mehr frei ist? Ist Ihnen das bekannt? ({2}) Wenn es Ihnen nicht bekannt ist, empfehle ich Ihnen eine Reise nach Brüssel und eine Unterhaltung mit den für die Finanzen zuständigen Kommissaren und Generaldirektoren der Europäischen Gemeinschaft. Die werden Ihnen das dann bestätigen. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Blunck, Herr Abgeordneter?

Dr. Hans Jochen Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002379, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber gerne.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Abgeordnete, bitte.

Lieselott Blunck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000207, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Vogel, ist Ihnen bekannt, daß der Herr Bauernpräsident von Schleswig-Holstein, unser Kollege Karl Eigen, -auf einer Protestversammlung Anfang März in Kiel gefordert hat, daß Herr Kiechle doch den Hut nehmen solle, wenn er jetzt ähnliche Ergebnisse wie nach den Verhandlungen über Milchregelungen nach Hause bringen würde? ({0}) Dr. Vogel ({1}): Frau Kollegin, ({2}) dies ist mir mit diesem Wortlaut nicht bekannt. Aber daß die Herren Bauernpräsidenten, soweit sie dem Bundestag angehören, draußen ganz anders reden, als sie hier stimmen, ist mir wohl bekannt. ({3})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Eigen?

Dr. Hans Jochen Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002379, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne, Herr Bauernpräsident. Ist die Anrede jetzt besser, Herr Bauernpräsident?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich, Herr Dr. Vogel, daß Sie diese Verleumdung der Kollegin Blunck ({0}) zurückgewiesen haben. Das ist eine glatte Falschaussage. ({1}) Darf ich fragen, Herr Kollege Dr. Vogel, ob wir im zweiten Teil Ihrer Rede noch eine Alternative der SPD-Fraktion zu dieser schwierigen Agrarpolitik hören werden.

Dr. Hans Jochen Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002379, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich weise die juristische Qualifizierung meiner Antwort an die Frau Kollegin Blunck, die Sie vorgenommen haben, entschieden zurück. Ich habe gesagt: Ich weiß nicht, was Sie gesagt haben; vielleicht haben Sie gesagt, er soll seine Aktenmappe nehmen oder er soll seinen Schreibtisch räumen; ich weiß ja nicht, was Sie gesagt haben. ({0}) Im übrigen werden Sie das Vergnügen haben, die Alternativen von mir zu hören. Allerdings, je weniger Sie schreien, um so rascher erreichen Sie den Zeitpunkt, wo Sie diese Aufklärung erhalten. So. ({1}) - Weitere Fragen? Oder lieber Gebrüll? ({2}) Bei der Entscheidung zwischen Fragen und Gebrüll entscheidet sich hier leider nur eine Minderheit für Fragen, die Mehrheit für Gebrüll. In der französischen Zeitung „Le Monde" ({3}) vom 2. März 1985 wird von einer „schizophrenen Haltung" der Bundesregierung gesprochen. Die französiche Botschaft hier in Bonn hat den Text ausgerechnet dieses Artikels dankenswerterweise übersetzt - das Landwirtschaftsministerium hat auf diese Hilfeleistung aus begreiflichen Gründen verzichtet - und für breite Verteilung gesorgt. Das deutet darauf hin, daß die französische Regierung diese Auffassung teilt. Es ist ein Novum - das ist Herrn Kollegen Ertl nie passiert -, daß wir uns von unserem französischen Partner folgendes vorhalten lassen müssen - wörtlich: Die Deutschen dagegen - da müßten Sie namentlich genannt werden, Herr Kollege Kiechle haben die entscheidende Rolle vergessen, die sie bei der Einleitung der derzeitigen Reform gespielt haben; sie sind die einzigen, die nicht mitspielen, die nicht ihren Teil dazu beitragen wollen. So weit „Le Monde". Und ein Blick nach Brüssel zeigt, daß Sie, Herr Kollege Kiechle, leider - ich bedauere das - im Ministerrat isoliert sind. Der Bundeskanzler sagt immer, er will die politische Union. Er und der Herr Kollege Genscher sprechen sich unentwegt unter Ihrem Beifall für den Übergang und die Rückkehr zu den Mehrheitsbeschlüssen aus. Sie sagen, das Veto sei der Tod der Union. Und Sie haben recht. Wir stimmen Ihnen zu. Gleichzeitig redet der Landwirtschaftsminister dieser Regierung davon, er werde selbstverständlich ein Veto einlegen. Meine Damen und Herren, in Ihrer Politik paßt nichts zusammen. ({4}) Das ist eine Tragikomödie, wie sie die „Neue Zürcher Zeitung" beschreibt. ({5}) Aber wir kritisieren nicht nur. Wir setzen Ihrer verfehlten Politik - nun kommt der Abschnitt, auf den Sie warten, Herr Kollege - unseren konkreten Alternativen entgegen. Unsere Sprecher werden dies im einzelnen erläutern. ({6}) Ich beschränke mich auf die drei zentralen Elemente. Diese sind: Erstens. Wir fordern die Abschaffung bürokratischer Reglementierungen, die Sie mit der Kontingentierung der Milch eingeleitet haben und die Sie, wenn ich Sie heute richtig verstanden habe, auf andere Produktionsfelder übertragen wollten. Wir wollen statt dessen eine marktorientierte Agrarpolitik, um einen besseren Interessenausgleich in der Gemeinschaft und im eigenen Land zu ermöglichen. Zweitens. Die freiwerdenden Mittel aus Einsparungen in der EG-Agrarpolitik und den Teil der nationalen Mittel, der fehlgeleitet wird, besonders die zweite Tranche der Mehrwertsteuerpauschale, wollen wir für direkte Einkommensübertragungen verwenden. ({7}) Wir wollen keine umsatzbezogenen Subventionen, sondern wir wollen die Hilfen für die Bauern stärker an die Fläche binden. Das ist sozial gerechter, und das dient dem Natur- und Umweltschutz. ({8}) Es ist schlichter Unsinn, daß mit solchen Einkommensübertragungen Landwirte zu Sozialhilfeempfängern abgestempelt werden. Hier sehe ich übrigens nach Ihrer Rede sogar eine gewisse Berührung zwischen Ihrer und unserer Auffassung. Wenn Sie hier beklagen, daß Bauern für ihre landschaftspflegerische und umweltschützende Tätigkeit mit Worten und einem Händedruck abgespeist werden, dann ist doch das völlig logisch, was wir vorschlagen: daß diese Leistung abgegolten werden soll. ({9}) Wir wollen keine Geschenke verteilen. Wir wollen Landwirte gerade für Ihre Leistungen für die Erhaltung von Natur und Landschaft entschädigen. Wir wissen, daß niemand diese Aufgabe leisten könnte, wenn die Landwirte und die Bauern sie nicht leisten. Der Gedanke, dies etwa mit Behörden oder mit Angestellten leisten zu wollen, ist verfehlt. Deswegen unser konstruktiver Vorschlag, unsere Mittel in diese Richtung zu lenken. ({10}) Drittens. Wir wollen eine umweltverträgliche Landwirtschaftspolitik, die dann auch möglich und begründbar wird, Herr von Heereman, wenn die Gegenleistung und der finanzielle Aufwand dem entsprechen. Das ist für uns eine Einheit und ein Verbund. Wir wollen eine Landwirtschaftspolitik, die dem Boden-, Gewässer- und Naturschutz sowie auch der artgerechten Nutztierhaltung einen höheren Stellenwert einräumt. Dazu bedarf es weiterer Kurskorrekturen, richtiger Kurskorrekturen in der EG-Agrarpolitik und in der nationalen Politik. ({11}) Wir wollen diese Kurskorrektur mit den drei von mir soeben dargelegten Elementen, weil sie nach unserer Überzeugung dem Wohle der in der Landwirtschaft beschäftigten Menschen dient, zum Vorteil von Natur und Umwelt ist, die europäische Zusammenarbeit fördert und uns aus der gefährlichen Rolle des europäischen Störenfriedes, in die wir mehr und mehr hineinrutschen, heraushilft. ({12}) Das ist ein realistisches Konzept, ({13}) ein Konzept, das unseren Bauern wieder eine Perspektive gibt. ({14}) Es ist eine Agrarpolitik der Vernunft und der Gerechtigkeit. Meine Damen und Herren, Sie werden sich dieser Linie annähern müssen, oder Sie werden auch von den Bauern - das hat ja bei den bayerischen Kommunalwahlen bereits begonnen - die verdiente Quittung für Ihre Politik bekommen, die Ihnen die Wähler an der Saar und in Hessen am vergangenen Sonntag bereits gegeben haben. ({15})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Abgeordnete Susset.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Herrn Minister Kiechle und den Mitarbeitern seines Hauses namens der CDU/CSU-Fraktion recht herzlich für die fristgerechte Vorlage des Agrarberichts danken ({0}) und ihm gleichzeitig für seinen unermüdlichen Einsatz sowohl hier in der Bundesrepublik als auch in Brüssel zur Verbesserung der Lage in der Landwirtschaft herzlich danken. ({1}) Der Herr Fraktionsvorsitzende Dr. Vogel hat von ungedeckten Schecks gesprochen. Da würde ich Ihnen empfehlen, daß Sie sich hier vielleicht an den durch den Berliner Wähler wieder zum Wohnsitz Hamburg zurückbeorderten ehemaligen Finanzminister Apel wenden. ({2}) Und ich möchte Sie, Herr Dr. Vogel, doch einmal fragen: Was haben Sie, bevor Sie Ihren Kurzausflug nach Berlin machten, der auch durch den Wähler in Berlin gestoppt wurde, ({3}) als Justizminister getan in der Zeit, wo Finanzminister Apel gegen viele der Maßnahmen war, die der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Ertl für die deutsche Landwirtschaft durchsetzen wollte? Was haben Sie da getan? ({4}) Wären Sie damals schon so munter agrarpolitisch eingestiegen wie heute, ({5}) dann hätte es garantiert Ihr Kollege und unser Landwirtschaftsminister Ertl leichter gehabt, vieles von dem einzuleiten, was wir jetzt tun. ({6}) Meine Damen und Herren, der Agrarbericht ist sicherlich ein Beleg dafür, wie notwendig es war, endlich einige Weichen anders zu stellen. Der Agrarbericht weist aber auch - durch Zahlen belegt - das zurück, was Sie, Herr Dr. Vogel, heute wie schon einmal in der letzten Aktuellen Stunde taten, nämlich das Schüren von Neidkomplexen zwischen klein und groß. ({7}) Der Einkommensvergleich nach Betriebsgrößen, gemessen in Standardbetriebseinkommen, belegt, daß sich die ungünstigen Voraussetzungen für das Wirtschaftsjahr 1983/84 in allen Betriebsgrößen bemerkbar machen. Ich glaube, das ist doch der Beweis dafür, daß dieses Schüren von Neidkomplexen einfach nicht in die schwierige Landschaft paßt, in der sich zur Zeit die Agrarpolitik befindet. Sie haben sicherlich auch nicht daran gedacht, daß die SPD, soweit sie dem Europäischen Parlament angehört, beispielsweise gestern dort ganz anders entschieden hat, als Sie es hier im Deutschen Bundestag zum Ausdruck bringen. ({8}) Dort erklärte die SPD-Abgeordnete Mechthild Rothe: Wir sind für die Nullrunde. ({9}) Das ist sicherlich kein Einsatz für die deutsche Landwirtschaft. Die vielen Ausgleichsmaßnahmen, die von Ihnen, Herr Dr. Vogel, heute hier wieder angesprochen wurden, sind ja in den Zeiten abgebaut worden, als Sozialdemokraten Finanzminister in dieser Bundesrepublik Deutschland waren. ({10}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, sicherlich konnte keiner erwarten, daß die notwendigen Entscheidungen in Brüssel ohne Wirkung auf die Einkommen der Landwirtschaft bleiben. Aber mit den gegen den erbitterten Widerstand der SPD durchgesetzten nationalen Maßnahmen ist es doch gelungen, zumindest einen gewissen Ausgleich zu schaffen. Es wird auch in zähen Verhandlungen weiter gelingen, den drohenden Zusammenbruch anderer Marktordnungen zu verhindern. Die Garantiemengenregelung bei der Milch, die in Brüssel beschlossen und bei uns in der Bundesrepublik auch durchgesetzt wurde, hat sicherlich nicht nur Freude bereitet. Aber ich habe noch von keiner Seite, auch von keinem SPD-Agrarpolitiker, ein Konzept gehört, das die notwendige Wirkung, nämlich eine Begrenzung der Mengen, auf eine andere Art hätte herbeiführen können, als dies durch diese Garantiemengenregelung erreicht wurde. ({11}) Ein weiteres Hinausschieben notwendiger Anpassungsmaßnahmen hätte zu einer drastischen Verschärfung der Überschußsituation geführt. Heute gibt es doch schon Wissenschaftler, die erklären, daß wir sonst etwa 1990 bei ca. 120 Millionen t Milchproduktion in der Europäischen Gemeinschaft gelegen hätten. Deshalb stelle ich Ihnen die Frage: Was hätten wir dann gemacht, meine Damen und Herren? ({12}) Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist der Auffassung, daß nach der notwendigen Vollbremsung bei der Milchproduktion nun erst einmal die Wogen geglättet werden müssen. Wir haben daher in unserem Entschließungsantrag zur heutigen Debatte die Bundesregierung aufgefordert, bei den diesjährigen Preisverhandlungen gegen eine weitere Kürzung der Milchgarantiemenge einzutreten. Ich glaube, das ist angesichts der Mengenentwicklung auch vertretbar. Längerfristig muß das System der Garantiemengenregelung in einen flexibleren Zustand überführt werden, d. h. die Quoten müßten mit der Zeit auch etwas großräumiger festgelegt werden können, damit die Über- und die Unterlieferung ausgeglichen werden kann; etwa so, wie es nun ja auch in Brüssel beschlossen worden ist. Ich bin fest davon überzeugt, daß es der Bundesregierung gelingen wird, in Brüssel in weiteren Verhandlungen hierfür auch die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, damit von der Bundesrepublik Deutschland nur für so viel Kilogramm Milch eine Zwangsabgabe gezahlt wird, wie wir die Garantiemenge tatsächlich überschreiten. Ich möchte aber auch unmißverständlich feststellen, daß eine einzelbetriebliche Überschreitung der Garantiemengen ebenfalls zu Abzügen führen muß; denn wenn spekulative Quotenüberschreitungen im nachhinein belohnt würden, täte das der ganzen Aktion sicherlich nicht gut. Wir werden - wir sind da schon von einigen Bundesländern angesprochen worden - in nächster Zeit die Diskussion darüber eröffnen, inwieweit Bundesländer künftig die Maßnahmen des Bundes, die als Milchrentenaktion auslaufen, weiterführen können. Wir wollen hier in absehbarer Zeit tätig werden. ({13}) Der von SPD-Finanzministern vollzogene Abbau der Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung wurde durch diese Bundesregierung gestoppt. Das ist ein Beitrag dazu, die Einkommenslage der Landwirtschaft durch Beitragsentlastung zu verbessern. Wir haben für das Jahr 1985 die 400 Millionen DM Bundeszuschüsse wieder verfügbar. SPD-Finanzminister hatten hingegen Pläne auf dem Tisch, nach denen diese Zuschüsse auf Null gesenkt werden sollten. ({14}) Es wäre vielleicht gut gewesen, wenn der damalige Justizminister Vogel im Kabinett dagegen gestimmt hätte. Wir haben die Bundesregierung auch aufgefordert, die Bundeszuschüsse zur Altershilfe der Landwirte von 75 auf 79 % anzuheben. Das Kabinett hat einen Beschluß hierzu herbeigeführt. Wir werden als Parlament bald eine Vorlage haben, in der das Problem der gerechten Beitragsentlastung gelöst wird. Wir haben mit der Einführung einer absoluten Obergrenze beim Einkommensausgleich über die Mehrwertsteuer das erste mal einen Schritt zur Verhinderung unerwünschter Konzentration in der Veredelungswirtschaft getan. Zu diesem Problem wird in der SPD immer davon geredet, aber bisher gab es von Ihnen noch keinen einzigen Vorschlag in dieser Richtung. Wir, die wir beschimpft werden, daß wir die Großen unterstützen, haben diesen Vorschlag eingebracht und im Parlament gegen die SPD durchgesetzt. ({15}) Die zukünftige Agrarpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird darauf ausgerichtet sein, auf dem Wege der Marktstabilisierung fortzufahren und dem bäuerlichen Familienbetrieb die knappen Marktkapazitäten zu sichern, die Einkommenssituation der Landwirtschaft und die Voraussetzungen für die Vermögenserhaltung zu verbessern, die soziale Sicherung der Landwirte weiter auszubauen und weiterhin eine gezielte Kostenentlastung zugunsten einkommensschwacher Betriebe anzustreben. Wir werden auch - es liegen schon einige Vorschläge auf dem Tisch - das Gleichgewicht zwischen Landwirtschaft und Umwelt durch gesetzliche Maßnahmen erhalten. Zur Erreichung dieser Ziele haben wir in unserem Entschließungsantrag ein ganzes Bündel aufeinander abgestimmter und sich ergänzender Maßnahmen vorgeschlagen. Die Bundesregierung muß in den kommenden Wochen - ich weiß, daß unser Bundeslandwirtschaftsminister dies tut - alles daran setzen, um in Brüssel einen tragbaren Preisabschluß für das nächste Wirtschaftsjahr durchzusetzen. ({16}) Bei diesen Preisverhandlungen gilt es die Einkommenssituation der deutschen Landwirtschaft zu berücksichtigen und vor allen Dingen mit Nachdruck dem weiteren Abbau des deutschen Währungsausgleichs und - ich sage es noch einmal - einer weiteren Kürzung der Milchgarantiemenge entgegenzutreten. ({17}) Im Gegensatz zu unseren Kollegen von der sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament halten wir von den Vorschlägen der Kommission nichts. - Die eingeleitete Marktstabilisierung darf nicht dadurch unterlaufen werden, daß künstliche Milchprodukte mühsam errungene Marktmöglichkeiten wieder auffüllen. Wie haben daher in unserem Entschließungsantrag die Bundesregierung aufgefordert, für ein Herstellungs- und Vermarktungsverbot von Imitationsprodukten einzutreten. Die Erfahrungen auf dem Milchmarkt haben gezeigt, wie schwer es ist, unter hohem Zeitdruck zu handeln. In anderen Bereichen, beispielsweise auf dem Veredlungssektor, zeichnen sich nämlich, wenn nichts geschieht, ähnliche Entwicklungen ab. Ich nenne nur das Beispiel der Schweineproduktion, und hier muß auch schon im Vorfeld durch eine restriktive Förderpolitik alles getan werden, damit hier nicht auch Überschußkapazitäten aufgebaut werden, ({18}) die nachher an den Märkten nicht mehr zu verkraften sind. In der europäischen Agrarstrukturpolitik muß die nationale Kompetenz wieder ausgeweitet werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen doch, daß eine einheitliche Strukturpolitik von Dänemark bis Kreta unmöglich ist. Den Ländern muß auch hier künftig ein größerer Gestaltungsspielraum zur Berücksichtigung regionaler Interessen eingeräumt werden. ({19}) Angesichts voller Märkte und leerer Kassen ist es völlig unverständlich, wenn die EG-Kommission vorschlägt, bestimmte Hormone als Masthilfsmittel zuzulassen. Die gesundheitliche Unbedenklichkeit dieser Stoffe ist noch nicht restlos geklärt, und deshalb treten wir dafür ein, ein EG-weites Verbot von künstlichen und natürlichen Hormonen zu erlassen. Es wird auch ohne Hormone schon zuviel produziert. ({20}) Genauso unverständlich, meine Damen und Herren, ist die von der EG-Kommission kürzlich angeordnete Zwangsdestillation deutscher Tafelweine, obwohl diese - der Minister hat das ausgedrückt - bei uns am Markt zu vernünftigen Preisen zu verkaufen wären. Hier muß auch für die Zukunft sichergestellt werden, daß die Überschüsse dort aus dem Markt genommen werden, wo sie produziert werden, wie wir es auch bei der Milch machen. Italien produziert zuwenig Milch, es braucht auch keine Produktion zurückzunehmen. In der Bundesrepublik Deutschland haben wir die gleiche Situa9374 tion auf dem Weinmarkt. Deshalb sollte das, was bei der Milch gilt, hier auch beim Wein gelten. ({21}) Ich bin dem Bundeskanzler sehr dankbar, daß er in Dublin in hartem Ringen die Weichen für die künftige Weinbaupolitik anders gestellt hat; denn hätten wir schon die Voraussetzungen, die ab 1985/86 bis 1990 gelten, dann hätten wir diesen Ärger nicht. Ich bedanke mich bei unserem Kollegen Ignaz Kiechle, daß es ihm gelungen ist, das, was in Dublin im groben vorbereitet wurde, in Brüssel entsprechend wasserdicht zu machen, so daß die Weinwirtschaft weiß, wie es die nächsten Jahre weitergeht. ({22}) Die immer umfangreichere Bewirtschaftungseinschränkung - und es gibt schon viele Einschränkungen - entwickelt sich zunehmend zu einem ernstzunehmenden Faktor. Die Landwirtschaft ist selbstverständlich bereit, ihren Beitrag zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen zu leisten. Aber es muß klar sein: Landwirtschaftliche Betriebe mit umweltschutzbedingten Bewirtschaftungsbeschränkungen dürfen nicht schlechter gestellt werden als landwirtschaftliche Betriebe, die diese Beschränkungen nicht haben. ({23}) In der Richtung, meine Damen und Herren, müssen wir weiter Politik machen. Der Getreidemarkt - darauf wurde schon eingegangen - ist ein problematischer Markt geworden. Darauf werden nachher - ich sehe: Ich bin zeitlich in Verzug - andere Kollegen eingehen. Ich meine, daß in Anbetracht des Problemdrucks auf dem Getreidemarkt und auf anderen Märkten auch Flächenstillegungen in gewissen Bereichen auf Dauer kein Tabu sein dürfen. Bei einer entsprechenden Prämie ist eine längerfristige Herausnahme von Flächen denkbar. Zur Agrarsozialpolitik möchte ich noch ansprechen, daß auch der Landwirtschaft eine Vorruhestandsregelung, wie wir sie für Arbeitnehmer gesetzlich ermöglicht haben und wie sie durch Tarifverträge in vielen Bereichen nun durchgesetzt wird, auf die Dauer nicht vorenthalten werden darf. Wir haben in unserem Entschließungsantrag noch einige steuerliche Fragen angesprochen, die wir in die Beratung des Steueränderungsgesetzes 1985 einbringen werden. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat die Agrarpolitik in dem Industrieland Bundesrepublik Deutschland einen bedeutsamen und wichtigen Stellenwert im Rahmen der gesamten Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Wir werden uns den Problemen nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten stellen. Danke schön. ({24})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Vollmer. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn Sie sagen: „Taschentücher raus", dann können Sie das ja machen, um mir zu winken, weil dies heute wahrscheinlich meine letzte Rede hier ist. ({0}) Deswegen sage ich auch: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders lieber Otto Schily! ({1}) Mit einem ganz einfachen Beispiel möchte ich anfangen, die Situation der Landwirtschaft im Jahre 1985 zu erläutern. Bitte stellen Sie sich einmal die gesamte Volkswirtschaft in Form eines Kuchens, sozusagen eines Volkswirtschaftskuchens, vor, der wie ein Pfannkuchen oder wie eine Torte aussieht. Das kennen Sie ja. ({2}) Wenn Sie nun auf der Fläche dieses Kuchens den Anteil der Bruttowertschöpfung ermessen sollen, den der gesamte Bereich der Landwirtschaft, der Baumschulen, des Gartenbaus, der Forstwirtschaft, der Fischerei und des Weinbaus erzeugt, welchen Anteil würden Sie erwarten? Schließlich handelt es sich bei den Werten, die in diesen Bereichen geschaffen werden, um die gesamte Grundlage nicht nur unserer Ernährung, sondern darüber hinaus um die Grundlage unserer Existenz überhaupt und um die Grundlage der uns umgebenden sinnlich erfahrbaren Welt. Dieser Anteil - ich will es Ihnen sagen - beträgt heute, für alle Bereiche zusammengenommen, noch etwa 2 %. Bei dem Pfannkuchen oder der Torte, wir nehmen einmal die Torte, ({3}) teilt eine kniepige Hausfrau so ein Viertel in vier Stücke, und der dritte Teil eines solchen kleinen Stückes, also beinahe so ein Faden, das ist der Anteil, den diese gesamten Bereiche - also noch einmal: Landwirtschaft, Baumschulen, Gartenbau, Forstwirtschaft, Fischerei und Weinbau - an der Bruttowertschöpfung überhaupt noch haben. ({4}) Nun kann das j a nicht daran liegen, daß da wenig oder schlecht oder faul produziert wird, sondern offensichtlich liegt es doch daran, daß das, was in der Landwirtschaft an Werten geschaffen wird, in dieser Gesellschaft einfach unterbewertet wird, daß es nicht richtig verbucht wird. ({5}) Ein zweites Beispiel. Im Jahr 1983/1984 wurden die Diäten der Bundestagsabgeordneten um 320 DM monatlich erhöht. Davon könnte ein Bundestagsabgeordneter, gemessen an den Ab-Hof-Preisen, also an den Erzeugerpreisen der Landwirte. sich täglich 54 Eier mehr leisten oder täglich 50 Pfund Weizen ({6}) oder täglich - wenn man den Wasseranteil mitnimmt - 57 Laib Brot. ({7}) Würde ich versuchen, das Äquivalent dieser täglichen Zu-Einnahme des Abgeordneten, dargestellt in Agrarprodukten, hier auf den Tisch des Hauses zu legen, würde ich mich daran verheben. Diese beiden Beispiele verdeutlichen, glaube ich, eines sehr drastisch: Die Bewertung der von der Landwirtschaft erzeugten volkswirtschaftlichen Werte in diesem Land stimmt nicht mehr. Die Erzeugerpreise der Bauern sind in ein geradezu absurdes Verhältnis zu den Einkommen wenigstens mancher anderen Bevölkerungsschichten geraten. ({8}) Beide Beispiele kommen nur deshalb zustande, weil die landwirtschaftlichen Produkte so niedrig bewertet werden, einen so geringen Preis erhalten, daß sie auch in ihrer Summe im Vergleich zu den anderen Preisen in der Volkswirtschaft, vornehmlich zu den Preisen in der Industrie, zu leicht befunden werden, zu gering bemessen werden. ({9}) Es ist kein Wunder, daß bei so niedrigen Preisen und dem daraus folgenden niedrigen Anteil an der volkswirtschaftlichen Bruttowertschöpfung und dann auch am Bruttosozialprodukt auch die politische Bedeutung der Landwirtschaft und des agrarischen Sektors in diesem Land naturgemäß sehr gering eingeschätzt wird und ständig sinkt. ({10}) - Nicht naturgemäß, richtig, sondern genau wirtschaftsbedingt. Wenn die Erzeugerpreise so niedrig sind, blieb und bleibt den Landwirten nur der Weg in die rationellere Massenproduktion, die es an sich hat, daß sie die Erstehungskosten pro Stück landwirtschaftliches Produkt reduziert. ({11})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Abgeordnete, des Abgeordneten Carstensen ({0})?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Carstensen, da ich die Intelligenz Ihrer Zwischenfragen kenne, Sie mich z. B. immer fragen, ob ich schon meine Hand unter den Huf eines Pferdes gelegt hätte, möchte ich in diesem Fall aus Niveaugründen ablehnen. ({0}) Die Entwicklung zur größeren und rationelleren Produktionsform, kann sich, da Fläche und Markt beschränkt sind, nur entwickeln, wenn Bauern ausscheiden. Hier haben wir dann den logischen Schluß: Der sinkende Anteil der Bauern an der Gesamtbevölkerung - heute haben wir mit Voll- und Nebenerwerbsbetrieben noch knapp 6 % - spiegelt dieselbe Tatsache wider, die wir beim Anteil an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und bei der Preisbildung bei bäuerlichen Produkten gesehen haben. Mit so wenig Bauern schwindet dann auch der politische Einfluß, den diese verbleibenden knapp 6% ausüben können. Das spiegelt genau den politischen Standort der Landwirtschaft wider. Wie der Einfluß, den die Bauernverbandsvertreter in diesem Parlament haben, bewertet werden muß. ob er sich wirklich zugunsten der Bauern auswirkt, darüber besteht draußen, glaube ich, nicht mehr viel Zweifel. ({1}) Entsprechend dieser insgesamt politisch schlechten Situation und entsprechend der schlechten Situation der Preise für Agrarprodukte im Vergleich zu Industrieprodukten, entsprechend schlecht werden die Bauern auch behandelt.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gallus?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, bitte.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin, wenn die Ideologie, die Sie hier erzählen, stimmt, können Sie sich dann eine Vorstellung dahin gehend machen, daß in den Ländern, in denen wir 40 % bäuerliche Bevölkerung haben, der Lebensstandard der Bauern höher ist als bei uns? ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte auch sagen, daß dies eine ideologische Bewertung ist. Wenn Sie auf diese Länder achten, werden Sie genau sehen, daß in diesen Ländern der Anteil, den der einzelne Verbraucher für Nahrungsmittel ausgeben muß, erheblich höher ist als bei uns. ({0})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, ich beantworte gerade die Frage. - Der Lebensstandard in diesen Ländern ist nicht wegen der Einstellung der Bauern so gering, sondern er ist wegen der Einflüsse der internationalen Konzerne ({0}) und auch der internationalen Politik auf die Lebensbedingungen dieser Länder ({1}) so gering. Auf den Flächen dieser Länder wird nämlich ein Gutteil der Futtermittel produziert, die hier bei uns zu Überschüssen führen ({2}) und die in diesen Ländern dazu führen, daß sie nicht einmal ihre eigenen Grundnahrungsmittel erzeugen können. ({3}) Jetzt komme ich aber zum Agrarbericht zurück: Im letzten Jahr ist die groß angekündigte Wende in der Agrarpolitik voll zur Wirkung gekommen. Die Politik der CDU/CSU hatte zu einem „ganz großen Sprung nach vorn" angesetzt und endete mit einem „Kopsebolter" im tiefsten Einkommenseinbruch seit Verkündung des Landwirtschaftsgesetzes von 1955. ({4}) Mit minus 18,2 % erreichte die Abnahmerate einen neuen Höchstwert. Fast 11 300 Höfe mit über 1 ha mußten in diesem Jahr den Betrieb aufgeben. Das sagt sich einfach daher, zumal Jahr für Jahr Zahlen in diesem Ausmaß zu verzeichnen sind. Wo aber vor allem diese bäuerlichen Arbeitsplätze weggefressen werden, läßt sich besonders gut an einer Region wie Vechta, dem Zentrum der Massentierhaltung, ablesen. Dort gibt es Gemeinden mit einer Arbeitslosigkeit von 40%. Bei einer solchen Situation muß es einen dann auch nicht wundern, wenn in diesen Gemeinden die Konzernchefs der Agrarfabriken für Schweine oder Hühner völligen Einfluß auch auf die kommunale Verwaltung haben und wenn gegenüber deren Umweltsünden ständig die Augen zugedrückt werden. ({5}) Schuld an den schlechten Ergebnissen dieses Jahres ist nicht der Herrgott, sondern - so die Verlautbarungen, aber damit ist doch wieder der Herrgott - das schlechte Wetter. Hoffnungsvoll bekundet das Landwirtschaftsministerium deshalb auch, im nächsten Jahr würden die Einkommen und die Preise wieder kräftig klettern. Fragt sich nur, ob das Wetter da nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht. Aber im Ernst: Selbst dann, wenn das einträfe, was Minister Kiechle prophezeit hat, daß nämlich die Einkommen im nächsten Jahr um 6 bis 10 % steigen werden, läge das Ergebnis des nächsten Jahres nach dem rasanten Absturz dieses Jahres immer noch um 1 000 DM unterhalb der Durchschnittsrate der drei Wirtschaftsjahre von 1977/78 bis 1979/80. ({6}) Aber nicht einmal diese Verbesserung wird eintreten. Leider sieht - man muß es den Bauern deutlich sagen, auch wenn's wehtut - die Wahrscheinlichkeit ganz anders aus. Ich zitiere die DLG- Mitteilungen. Dort heißt es: Auf die drastischen Einkommenseinbußen in diesem Jahr hatten die erst im laufenden Wirtschaftsjahr wirksamen EG-Beschlüsse von März 1984, die gelegentlich irrtümlich für diesen Einkommensrückgang verantwortlich gemacht werden, praktisch keinen Einfluß. Das heißt, die ganze Wucht der katastrophalen Milchkontingentierung wird sich erst in diesem Jahr voll auf die Einkommen der Bauern auswirken, ({7}) und zwar in voller Höhe, zumindest für die kleineren Betriebe, die nicht von dieser größten Umverteilung von Milchmengen zugunsten der Wachstumsbetriebe profitieren konnten. Herr Minister Kiechle, an dieser Stelle möchte ich einmal Zweifel daran äußern, ({8}) daß Sie Ihre angekündigte Reduzierung der Quotenmenge um 7,4 % halten können, wenn erst einmal alle Härtefälle ausgeschöpft sind. Hinzu kommen die von Brüssel eindeutig angekündigten Preissenkungen, hinzu kommt die Unmöglichkeit der Bauern, aus der Milchproduktion in andere Bereiche auszuweichen. Hinzu kommt, daß trotz weiterer Rationalisierung der Aufwandstruktur, insbesondere bei Dünger und Agrargiften, wie auch bei Investitionen, die Arbeitsproduktivität der landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe schon im Berichtsjahr um 7,5% zurückgegangen ist. Auf einen Zweig der Landwirtschaft, die Nebenerwerbsbetriebe, wirkte sich die Talfahrt des letzten Jahres am allerdrastischsten aus. Sie hatten mit über 25% die schlimmsten Einbußen hinnehmen müssen, und das bei einem wachsend zunehmenden hohen Risiko von drohender Arbeitslosigkeit in den schwachstrukturierten ländlichen Räumen. Dabei verfolgt gerade diese Berufsgruppe immer die öffentliche Meinung, für sie wäre doch das Einkommen nicht so wichtig, und sie brauchten auch nicht einen entsprechenden Preis, weil sie ein sicheres Einkommen aus der anderen Arbeit hätten; das wäre sozusagen ihr Hobby oder Freizeitbeschäftigung. Ich will das mal ganz deutlich Erstens. mal ganz deutlich sagen: Erstens. Es wird auch in diesen Berufszweigen - und meistens von den Frauen - äußerst hart gearbeitet, und es ist überhaupt nicht einzusehen, daß die dafür weniger Einkommen haben als andere; denn es sind zusätzliche Stunden. ({9}) Zweitens. Gerade in diesen Bereichen ist durch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Arbeitslosigkeit die Gefahr dermaßen groß, daß man gerade für diese Betriebe die Möglichkeit des Wiedereinstiegs suchen müßte und sie nicht von vornherein abschreiben sollte. ({10}) Meine Damen und Herren, der Agrarbericht in der vorliegenden Form ist, so kraß seine Ergebnisse im einzelnen sind, äußerst unvollständig. Klassisch hat er sich als Bericht um die Lage der Agrarwirtschaft immer nur als Bilanz der Entwicklung der Einkommen, der Strukturen und der Betriebe verstanden. Zu einem wirklichen Bericht über die Lage der Agrarwirtschaft müßte aber zuallererst einmal ein Bericht über die Grundlage aller Agrarwirtschaft gehören, nämlich über den Zustand der Böden. Und ich bin froh, Herr Minister, daß Sie wenigstens in Ihrer Rede darauf eingegangen sind. Im Dezember 1981 kam eine Studie des Bundesgesundheitsministeriums über den Zustand der Belastung oder Verseuchung der landwirtschaftlichen Flächen heraus. Das Ergebnis war katastrophal. Danach waren damals um die 7 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche - also eine Million Hektar, davon 600 000 Hektar Acker- und 400 000 Hektar Grünland - für die landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr ganz geeignet, schwerer und leichter belastet. Das heißt aber, daß eine Erzeugung von wirklich rückstandsfreien Nahrungsmitteln auf dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik theoretisch und praktisch nicht mehr möglich ist, weil wir auf der gesamten Fläche der Bundesrepublik solche Belastungen haben. Die Verursacher sind hauptsächlich die Industrie und der Autoverkehr. ({11}) Das heißt, daß es noch nicht mal für ökologische Betriebe möglich ist, absolut rückstandsfreie Nahrungsmittel zu erzeugen. Herr Minister Kiechle hat mir dann gesagt, diese Zahlen wären überholungsbedürftig. Um so besser! Wie steht es denn damit heute? Ich schlage vor, der Bericht über den Zustand der Böden muß in Zukunft immer in den Agrarbericht hinein. ({12}) Was wird gegen die laufende Schadstoffverseuchung des landwirtschaftlichen Produktionsmittels, des Bodens, durch die Industrie eigentlich unternommen? Die Bauern brauchen doch eine Zahlengrundlage, um gegen die Verursacher zu prozessieren, und dies möchte ich einmal genau sehen; denn damit ist eine Schädigung des Eigentums der Bauern verbunden, das auf Zukunft katastrophale Auswirkungen hat. ({13}) Wenn ich aber das Bodenprogramm des Innenministeriums sehe, dann habe ich eine Befürchtung. Da ist zwar eine ganz gute Bilanz vorgesehen. Wenn man aber fragt, wer haftbar gemacht werden soll, dann kriegt man am ehesten wieder die Bauern zu packen. Die große Auseinandersetzung mit der Industrie traut man sich nicht zu, und man will sie auch gar nicht.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gallus?

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, jetzt habe ich keine Zeit mehr. Meine Damen und Herren, wir haben uns daran gewöhnt, Betriebswirtschaft als die oberste Lehrmeisterin der Landwirtschaft zu sehen. Sie, Herr Minister Kiechle - da habe ich keinen Zweifel -, sind sicher ein ganz hervorragender Betriebswirtschaftler, der Bauernpräsident auch. Vielleicht wäre es aber in Anbetracht der heutigen Erfordernisse für einen Politiker, vor allem für einen Agrarpolitiker, die erste Bürgerpflicht, Volkswirtschaftler zu sein und volkswirtschaftlich zu denken und damit die volkswirtschaftlichen Folgekosten und die Folgen unserer heutigen Produktionsform für die nächste Generation mit zu bedenken. Aus dieser Überlegung und aus dem Vorrang des volkswirtschaftlichen Denkens und der volkswirtschaftlichen Berechnung müßte sich eine wirkliche Agrarpolitik der Zukunft entwickeln, die gesamtwirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich kostengünstig bei einem besseren Arbeitseinkommen der Bauern wirtschaften könnte. Unter diesem Gesichtspunkt vermisse ich auch die Aufstellung der Kosten, die volkswirtschaftlich gesehen durch die Verseuchung des Grundwassers entstehen. Hieran nun ist zu einem guten Teil die agrarindustrielle Praxis der Massentierhaltung mit ihren Gülle-Lagunen und auch der intensive Weinbau auf flurbereinigten Großflächen und vieles mehr schuld. Diese Kosten müßten zumindest andeutungsweise in einem Agrarbericht enthalten sein, der gleichzeitig ein Bericht über den Zustand unserer Natur ist. ({0}) Erst unter dem Gesichtspunkt der volkswirtschaftlichen und auch in der Zukunft zu erwartenden Kosten könnte man demgegenüber die Ergebnisse der ökologisch wirtschaftenden Höfe erst richtig bewerten, nicht so, wie es in diesem Bericht geschieht, mit ganzen 27 Vollerwerbsbetrieben. Da wird also nur betriebswirtschaftlich aufgezählt, ohne daß der volkswirtschaftliche Nutzen dieser Art der Produktion gerade auch für die Zukunft überhaupt irgendwie zu Buche schlägt. ({1}) Für eine umfassende agrarpolitische Neuorientierung müßten unseres Erachtens in Zukunft alle drei Probleme gleichgewichtig nebeneinander stehen: erstens die niedrigen Agrarpreise, zweitens die schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme für die zum Ausscheiden gezwungenen Bauern, denen keine Arbeitsplatzalternative bleibt, und drittens die ökologischen Auswirkungen einer falschen Agrarpolitik, die durch die ersten beiden Bedingungen verursacht ist. Die entscheidende Weichenstellung nämlich für jene Entwicklung, an deren Ende die landwirtschaftlichen Produkte so gering bewertet werden und die Bedeutung der Landwirtschaft in dieser Gesellschaft so niedrig eingeschätzt wird, war die Übertragung des industriellen Denkens und Handelns auf die Landwirtschaft selbst. Die Landwirtschaft aber geht mit lebenden Organismen, mit dem Boden, Tieren und Pflanzen um und wird sich nie den Natureinflüssen entziehen können und soll es auch nicht. Ackerfrüchte oder Schweine kann man nicht wie Schrauben oder Motoren produzieren und wie diese auf Lager legen oder kreuz und quer durch ganz Europa kutschieren, zumindest nicht ohne entscheidende Eingriffe in die Produkte und auch in die Existenzbedingungen der Bauern. Wir sind in der Agrarpolitik wie fast in keinem anderen Bereich in einer Sackgasse. Aber gerade weil die Absurdität dieser Entwicklung jedermann offen vor Augen liegt, gerade weil jeder Einsichtige weiß, daß der europäische Agrarmarkt so nicht zu halten ist und daß er nur noch ganz wenige Jahre bis zu seinem absoluten Exitus hat, gerade deswegen muß man doch gucken, ob es nicht gerade in dieser Situation auch Chancen für eine völlig neue Orientierung gibt. Dieser krisenhaften Zuspitzung der Situation stehen nämlich auch außerordentlich positive Faktoren gegenüber, und die möchte ich nennen. Das ist zum einen das gewachsene Interesse von Verbrauchern an gesunden, naturnah produzierten Lebensmitteln ({2}) und zum anderen das wachsende Verständnis von Naturschützern für den Zusammenhang zwischen landwirtschaftlicher Produktion und Zustandsbeschreibung unserer Umwelt. Das dritte ist die zunehmende Bereitschaft der Bauern selbst, ökologischer zu produzieren und zurückzukehren zu einer Landwirtschaftsform, vor der die Natur nicht beschützt werden muß und die volkswirtschaftlich vertretbar ist. Der dringend notwendige ökologische Landbau kann aber nicht per Gebrauchsanweisung von heute auf morgen praktiziert werden. Er erfordert viel Information und vor allen Dingen gründliches Umdenken. ({3}) Deshalb darf der Landwirtschaft die objektive Information über die ökologische Arbeitsweise auch nicht länger vorenthalten werden. Für die Landwirtschaft schädliche Studien, die noch dazu von der chemischen Industrie finanziert werden - wie die VDLUFA-Studie - müssen endgültig der Vergangenheit angehören. ({4}) Meine Damen und Herren, es war eines der verheerendsten Ergebnisse der betriebswirtschaftlichagrarindustriellen Landbewirtschaftung - daran war die Interessenvertretung der Bauern nicht unbeteiligt -, daß sie die Bauern in Gegensatz zu den Verbrauchern mit ihren törichten Produktanforderungen und in Gegensatz zu den Naturschützern mit ihrem sogenannten romantischen und unwissenschaftlichen Umweltverständnis gebracht hat. Übrigens trifft das auch für die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher zu. Sie hat an dieser unsinnigen Konfrontation ebenfalls mitgewirkt. Heute treffen ökonomische und ökologische Forderungen dermaßen zusammen, daß wir darin eine ganz große Chance sehen: indem wir uns auf Bauern stützen, die um ihre Existenz kämpfen, indem wir uns auf Verbraucher stützen, die bereit sind, den Bauern für gesunde Nahrungsmittel einen höheren Erzeugerpreis zukommen zu lassen - und zwar auf Kosten der industriellen Verarbeitung; sie wird dann nicht mehr soviel Rahm abschöpfen können - und indem wir uns auf Naturschützer stützen, die sehen, daß man für eine gesunde Umwelt und eine existenzfähige bäuerliche Landwirtschaft kämpfen, sich dafür einsetzen muß; deshalb sind ihnen die Bedingungen, unter denen die Bauern arbeiten, nicht mehr egal. Als letztes dies: Es ist, wie ich glaube, für die Bauern in dieser Situation auch gut, daß es außer den „wahren Grünen", wie der Herr Minister die Bauern genannt hat, auch die GRÜNEN gibt. Damit haben die Bauern eine Möglichkeit, Druck in Richtung auf eine andere Agrarpolitik über eine Partei auszuüben, die sich eindeutig den Interessen der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe, der Verbraucher und der Umwelt verpflichtet weiß und die an diesem historisch notwendigen Bündnis mit aller Kraft zu arbeiten versucht. Ich danke Ihnen. ({5})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000342

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paintner.

Johann Paintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001672, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter dem Eindruck der Demonstrationsveranstaltungen unserer Bauern, die sehr diszipliniert auf ihre berechtigten Sorgen hingewiesen haben, diskutieren wir heute diesen Agrarbericht für das Wirtschaftsjahr 1983/84. Es hat sich bei mir eingeprägt, wie z. B. in Niederbayern über 3 000 Bäuerinnen und Bauern mit vergrimmten, eisernen, eiskalten Gesichtern zwei Stunden lang den Ausführungen des Präsidenten Toni Beck gelauscht haben. Auf bayerisch gesagt: Nicht einmal das Bier hat ihnen mehr geschmeckt. Ich meine, daß man sagen kann, daß diese Leute berechtigt auf ihre Sorgen um ihre Zukunft hingewiesen haben. ({0}) Es waren keine Demonstrationen von Krawallmachern, sondern solche von Frauen und Männern, die den Eindruck vermittelten, daß sie die Dinge so nicht mehr verstehen können. Es wird auch die Aufgabe von uns Politikern sein, die Agrarpolitik für alle Bevölkerungsschichten verständlicher zu machen, und zwar auch in dieser Stunde. Der Agrarbericht für das Wirtschaftsjahr 1983/84 ist im Ergebnis ein schlechter Bericht. Dieses Ergebnis haben wir bereits im vorigen Jahr vorausgesehen, und wir haben darauf aufmerksam gemacht. Er ist aber erneut ein Beweis, wie richtig die Entscheidung dieses Parlaments war, im Landwirtschaftsgesetz diesen jährlichen Agrarbericht zu verlangen. Gerade nach einem Wirtschaftsjahr wie 1983/84 ist ein solcher Bericht besonders geeignet, aufzuzeigen, wie es aussieht und wie man sich dann - nach unseren Bekenntnissen zum bäuerlichen Familienbetrieb - zu verhalten hat. Es war ein schlechtes Jahr, das wegen geringer Ernten, rückläufiger Erzeugerpreise - hauptsächlich bei Schlachtschweinen - und leicht gestiegenen Betriebsmittelpreisen die Einkommen der landwirtschaftlichen Familienbetriebe von 26 282 DM je Familienarbeitskraft. im Wirtschaftsjahr 1982/83 auf 21 508 DM sinken ließ. Dies ist eine Abnahme um 18,2 %. Wenn man den Veröffentlichungen des Deutschen Bauernverbandes Glauben schenken darf - warum sollte man dies nicht, Herr Präsident Heereman -, ist ein Gewinn je Familienarbeitskraft erreicht worden, der real 39% unter dem des Wirtschaftsjahres 1975/76 lag. ({1}) Von Interesse ist auch, daß der landwirtschaftliche Gewinn je Familienarbeitskraft im Wirtschaftsjahr 1983/84 bei 63 % des gewerblichen Vergleichlohnes lag. Diese Ergebnisse haben sich nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch auf die der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereiche negativ ausgewirkt. So sank z. B. der Inlandsumsatz der deutschen Ackerschlepper- und Landmaschinenindustrie gegenüber 1983 um 9%. Dies sage ich deshalb, weil ich überzeugt bin, daß das Interesse der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung an der richtigen Gestaltung der Agrarpolitik größer wird, wenn möglichst viele in unserem Lande wissen, daß jeder sechste Arbeitsplatz direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängt und somit gerade der außerlandwirtschaftliche Arbeitsplatz im ländlichen Raum gefährdet ist. ({2}) Vor diesem Hintergrund ist es auch wichtig, unseren Bürgern zu sagen, welche volkswirtschaftliche Bedeutung unsere Landwirtschaft hat. So hat sich der Preisindex der Lebenshaltung in der Bundesrepublik Deutschland von 1970 bis 1982 um 83,3 % erhöht, der Preisanstieg für Nahrungsmittel aber nur um 70,7 %. Der Durchschnittshaushalt mußte vor mehr als 20 Jahren noch weit mehr als 30% seines Einkommens für Lebensmittel ausgeben, 1982 waren es nur noch 19%. Der Agrarexport belief sich 1969 auf 3,7 Milliarden DM. Bis 1982 arbeitete sich die Bundesrepublik Deutschland mit einem Anteil von 24 Milliarden DM auf die vierte Stelle der Agrarexporteure in der Welt vor. Die gewerbliche Ernährungswirtschaft - Industrie, Handwerk, Handel und Gastronomie - stellt ein preiswertes Angebot von anerkannter Qualität und nie dagewesener Vielfalt zur Verfügung. Ihre mehr als 380 000 Betriebe mit etwa 2,6 Millionen Beschäftigten erwirtschafteten einen Umsatz von annähernd 600 Milliarden DM und damit mehr als doppelt so viel wie 1970. 1972 bis 1982 wurden mehr als 500 000 Arbeitsplätze im ländlichen Raum geschaffen. Auf Grund der überragenden Bedeutung der Landwirtschaft für unsere gesamte Volkswirtschaft muß man sich fragen, welchen Stellenwert diese bäuerliche Landwirtschaft mit dem gesamten ländlichen Raum in dieser Gesellschaft in Zukunft einnehmen soll. Diese Frage muß beantwortet werden; hier brauchen wir ein klares Bekenntnis. ({3}) Agrarpolitik zum Null-Tarif gibt es in keinem Land auf der Erde. Viele Länder geben weit mehr aus als wir, so z. B. Japan, das entgegen landläufiger Meinung heute immer noch einen höheren landwirtschaftlichen Bevölkerungsanteil hat als wir mit sehr vielen Kleinbetrieben, die mit hohen Subventionen bewußt in der Landwirtschaft gehalten werden. Die Schweiz ist geradezu ein klassisches Land zur Erhaltung bäuerlicher Agrarstruktur geworden, vor allen Dingen ein Land, in dem sich die Bauern und die Agrarpolitiker von der öffentlichen Meinung nicht jeden Tag als Buhmänner abstempeln lassen müssen. Ohne Zweifel stehen wir vor einem grundlegenden Überdenken unserer agrarpolitischen Situation. Da ist nicht nur die EG-Agrarpolitik, sondern dazu gehören auch das Verhältnis von Landwirtschaft zu Naturschutz, Tierschutz usw., um nur einiges zu nennen. Unsere Bauern und wir als Agrarpolitiker können uns aber nicht mit dem Jahresgutachten 1984/ 85 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zufriedengeben. Da heißt es nämlich: „Agrarpolitik ohne Perspektive", also ohne Ausblick auf die Zukunft. Das, so meine ich, ist zuwenig. Nein, unsere Bäuerinnen und Bauern und unsere Jugend auf dem Lande haben geradezu ein Anrecht, von uns Politikern zu erfahren, wie wir die agrarpolitische Zukunft meistern wollen. Wir als FDP bekennen uns uneingeschränkt zum bäuerlichen Familienbetrieb, der ein gegenüber vergleichbaren Berufsgruppen befriedigendes Einkommen bieten soll, aber aus gesellschaftspolitischen Gründen auch zum bäuerlichen Nebenerwerbsbetrieb und Zuerwerbsbetrieb. Lassen sie mich ein Wort des Dankes auch denen sagen, die uns bei diesem Anliegen des bäuerlichen Familienbetriebs unterstützt haben. Hier meine ich unseren Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher ({4}) und unseren Wirtschaftsminister und neuen Parteivorsitzenden Martin Bangemann, ({5}) der schon vor vielen Jahren in diesem Parlament bewiesen hat, daß er ein Freund der Landwirtschaft ist. ({6}) - Keine Eifersucht! Wimmer Hermann, auch du bist dabei! ({7}) Er stimmte damals mit den Agrarpolitikern der FDP gegen die Begrenzung der 1 %-Mehrwertsteuer-Regelung zur Finanzierung der EG und bewies damit schon damals seinen Weitblick in der Agrarpolitik. Auch der Bundesregierung möchte ich von dieser Seite aus danken, daß sie im sozialen Bereich wie bei der Entschädigung für den Abbau des Grenzausgleichs die deutsche Landwirtschaft unterstützt hat. Dies wäre mit einem Koalitionspartner SPD nicht möglich gewesen. ({8}) Ich glaube, das muß hier besonders herausgestellt werden. Es wäre überhaupt gut, wenn die SPD als Oppositionspartei statt der hier vorgetragenen Kritik an der Regierung und an meinem Freund Schorsch Gallus ({9}) politischen Mut zeigen würde, wenn es um die finanzielle Unterstützung der deutschen Landwirtschaft geht. ({10}) Wissen Sie, es wäre gut für Herrn Dr. Vogel, zur Kenntnis zu nehmen, daß im Europäischen Parlament unlängst wieder die SPD-Abgeordnete Mechthild Rothe sagte: Die kleinen Landwirte haben niemals den Nutzen hoher Preise gehabt; deshalb unterstützen die Sozialisten eine Null-Runde. - Dies müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Und dies werden sicher auch unsere Bauern heute hören. ({11}) Sie werden zugleich feststellen, daß hier nicht ganz ein Einklang besteht. All jenen aber, die von einer generellen Erblast in der Agrarpolitik unseres ehemaligen Ministers Josef Ertl reden, widerspreche ich so lange, bis sie diesen Unsinn lassen. Es gibt keine Erblast von Josef Ertl! ({12}) Unser damaliger Minister Josef Ertl hat in seiner Amtszeit den Milchpreis ebenso wie das durchschnittliche Einkommen der Landwirtschaft verdoppelt. Er hat in seiner Amtszeit den Agrarexport von 3,7 Milliarden DM im Jahr 1969 auf 24 Milliarden DM im Jahr 1982 erhöht. Er hat dafür gesorgt, daß in der Agrarsozialpolitik die Haushaltsausgaben von 800 Millionen DM auf 3,7 Milliarden DM gesteigert wurden. Das war und ist Vergangenheit. Uns geht es nun um die Zukunft. Unserem jetzigen Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle wünschen wir eine gute und glückliche Hand zur Gestaltung der künftigen Agrarpolitik. Wir anerkennen seinen bisherigen Einsatz für die deutsche Landwirtschaft bei der Neuausrichtung der EG- Agrarpolitik. In einem Entschließungsantrag haben wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner formuliert, was uns künftig wichtig erscheint. Wie Sie wissen, haben wir Agrarpolitiker der FDP mit Nachdruck die EG-weite Abschaffung jeglicher Förderung von Stallkapazitäten für Schweine gefordert. Wir wissen, daß die Würfel in Brüssel in den letzten Tagen gefallen sind und wie sehr sich Bundesminister Kiechle um die Durchsetzung auch dieser Forderung bemüht hat. Herzlichen Dank! Die überzogenen Forderungen anderer Staaten konnten gemildert werden. Der Kompromiß sieht eine abgeschwächte Förderung vor. Wir können nur bedauern, daß in dieser Frage nicht mehr Einsicht in der EG gewaltet hat. Wir werden erleben, daß bei einem Überangebot an Getreide in Europa und ungebremstem Substitutenzufluß, besonders aus USA, viele größere Betriebe bei den oft leerstehenden Gebäuden, die sie haben, in die Schweinemast gehen werden. Und die EG finanziert zusätzlich mit neuen Produktionskapazitäten die Schweinepreise kaputt. ({13}) Ob wir ohne Höchstbestandsgrenzen auskommen werden, bezweifeln wir. Aber wir wissen, wie schwer es ist, Begrenzungen einzuführen, wie wir ja bei der Vorsteuerpauschale mit Nachdruck gefordert und erreicht haben, Betrieben über 330 Vieheinheiten die 5 % Vorsteuerpauschale ab 1. Juli nicht zu gewähren. Wir wissen, daß unsere Forderungen nicht dem Anspruch der reinen liberalen Lehre gerecht werden. Niemand kann aber leugnen, daß der bäuerliche Familienbetrieb ohne gewisse Rahmenbedingungen keine Zukunftschance hat. Zur Beschleunigung des altersbedingten Strukturwandels in der Landwirtschaft fordern wir eine Wiedereinführung der Landabgaberente oder eine ähnliche Maßnahme. ({14}) Da eines der Hauptprobleme in der Agrarproduktion zukünftig die Getreideproduktion sein wird, kommen wir daher nicht umhin, Flächen aus der Produktion zu nehmen. Wir können die Anforderungen des Naturschutzes an Land für Biotope voll befriedigen. Dies kann aber nur unter vollem finanziellem Ausgleich geschehen. Das gleiche gilt für Freizeiteinrichtungen. ({15}) Aber ganz besonders müßten wir Flächen für nachwachsende Rohstoffe berücksichtigen und aus der Produktion nehmen. Wir müssen begreifen lernen, daß mit der bisherigen Rohstoffpolitik Raubbau betrieben worden ist und daß die fossilen Rohstoffe irgendwann erschöpft sein werden. ({16}) Im Gegensatz zu den fossilen Rohstoffen, die aus der Erde gewonnen werden, ist die Produktion nachwachsender Rohstoffe auf der Erde durch die Sonnenenergie unbegrenzt. ({17}) Schon heute gibt es für die chemische Industrie viele Möglichkeiten, nachwachsende Rohstoffe zu verwenden. Mit Flachsanbau könnte man nach heutigen Erkenntnissen Tausende von Hektar Land verwerten; nur organisieren muß man es. Fangen wir doch endlich an! ({18}) Vergessen wir nicht, daß die Erdölpreisschocks Anfang und Ende der 70er Jahre unsere Volkswirtschaft mit einer Verzehnfachung der Erdölpreise stark erschüttert haben. Es muß daher alles getan werden, daß es möglich wird, möglichst bald Bioethanol als umweltfreundlichen Betriebsstoff unserem jetzigen Kraftstoff beizumischen. ({19}) Die Amerikaner sind uns in dieser Frage schon weit voraus. Es bleibt auch uns nichts anderes übrig, als das gleiche zu tun. Ich erhebe deshalb die Forderung, mehr Gelder zum Aufbau einer Ethanol-Produktion in der Bundesrepublik Deutschland einzusetzen. Nicht Resignation ist das Gebot der Stunde, nicht falschen Propheten der Angst dürfen wir das Feld überlassen, die Zukunft zu meistern. Die FDP wird nicht müde werden, mit dieser Regierung und ihren Ministern und Staatssekretären für die Belange einer bäuerlichen Landwirtschaft und eines funktionsfähigen ländlichen Raumes zu kämpfen. Unsere Sorge und auch der Dank gilt allen, den Fischern, den Gärtnern, der Forstwirtschaft, der gesamten Landwirtschaft, dem gesamten ländlichen Raum und - wegen der Ernährung - allen Verbrauchern. Im Namen der FDP-Fraktion möchte ich an dieser Stelle den Beamten Dank und Anerkennung sagen, die sich mit diesem Agrarbericht große Arbeit gemacht haben. ({20}) Ich meine, wir sollten von dieser Stunde aus weggehen, das Gespräch mit allen suchen und alle einladen, diese Agrarpolitik vernünftig zu gestalten. Dies ist eine große Stunde, und dies ist unsere Aufgabe. Herzlichen Dank. ({21})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mir die Reden vergegenwärtige, die heute von den Koalitionsfraktionen schon gehalten worden sind, frage ich mich: Was ist Wunschdenken, und was ist Realität? Ich habe den Eindruck, daß man von Realität nicht allzuviel hält; denn die sieht ganz anders aus. ({0}) Herr Minister Kiechle, wenn man Sie so reden hört - bei der heutigen Einbringungsrede, bei der Protestveranstaltung des Deutschen Bauernverbands oder anderswo -, dann hat man den Eindruck, daß Sie darauf bestehen, mit Ihrer Politik unbedingt recht zu haben, daß Sie aber nicht diese lausigen und lästigen Realitäten sehen. Sie loben Ihre Quoten landauf und landab ({1}) und beharren darauf, als wären sie der Wurf des Jahrhunderts. Die Wirklichkeit aber - ich habe es schon gesagt - sieht anders aus. Man sollte einmal hinausgehen und mit den Bauern wirklich reden. ({2}) Ich habe hier einen Brief aus dem westdeutschen Raum vom 9. März 1985. Die Überschrift lautet „Existenznotlage durch Milchgarantiemengenverordnung". Da heißt es: Die Milchgarantiemengenverordnung in der vorliegenden Form bedeutet für mich die Aufgabe eines landwirtschaftlichen Familienbetriebs, den meine Vorfahren aufgebaut haben. Ich habe hier das „Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt" vom 9. März. Da heißt es: Die Quote bringt uns um. Fast ein Jahr ist nun die Milchmengenregelung in Kraft, und noch immer haben sich die Gemüter nicht beruhigt. Gerade in kleinstrukturierten Gebieten, die keine Alternative zur Milchviehhaltung haben, stehen viele Betriebe am Rande des Ruins, wie Beispiele aus dem Landkreis Freyung/Grafenau zeigen. ({3}) So das „Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt". Die sehnen sich nach der Zeit zurück, als wir an der Regierung waren, Herr Kollege! ({4}) Ich will auch nicht zitieren, was der Kollege Eigen auf dem schleswig-holsteinischen Bauerntag Müller ({5}) am 4. März gesagt hat. Ich habe es selber am Fernsehen miterlebt. Aber gelobt hat er die Quoten nicht, ganz im Gegenteil. Herr Minister Kiechle, Ihre Ohren müssen Ihnen doch klingen, wenn Sie hören, was Ihre CDU/CSU- Freunde als Verbandsfunktionäre draußen in Bauernversammlungen alles verkünden. Ich gebe zu: Hier im Hohen Hause klingt alles etwas moderater. Hier ist Gefolgschaft gefragt. Man könnte auch sagen: Doppelstrategie, nämlich draußen schimpfen und hier zustimmen. Das Ergebnis Ihrer Politik, Herr Minister, ist, daß viele Landwirte vor dem Ruin stehen - und das ein Jahr nach Ihrer glorreichen Idee. Jetzt, Herr Minister, sagen Sie: Die Österreicher haben an die fünf Jahre gebraucht, um dieses System einigermaßen wirksam zu machen. Ich habe hier eine Veröffentlichung vom vwd vom 27. Februar. Da steht folgendes. ({6}) - Sie sollten hin und wieder lesen, was gesagt wird und wie die Wirklichkeit aussieht. ({7}) Da heißt es: Die Erfahrungen mit der Milchkontingentierung in Kanada und Österreich zeigen, daß eine Reduzierung der Milchmengen mittelfristig nicht gelungen ist und man nach neuen Maßnahmen sucht, um die Strukturentwicklung und Milchpreisgestaltung besser absichern zu können. ({8}) Ich meine, Herr Minister, Sie sollten auch nach neuen Maßnahmen suchen, denn die alten führen nicht weiter. Wir haben in unserem Entschließungsantrag ausgeführt, welche Maßnahmen wir für erforderlich halten, um unsere bäuerliche Landwirtschaft auch in Zukunft zu erhalten. ({9}) Herr Minister, wischen Sie unsere Vorschläge nicht einfach mit einer Handbewegung vom Tisch. ({10}) Korrigieren Sie Ihren bürokratischen Kurs, denn er geht in die falsche Richtung. ({11}) Viele Landwirte, auch Mitglieder Ihrer Partei, würden es Ihnen danken. Zur Zeit verkünden Sie mannhaft, keine Getreidepreissenkung hinnehmen zu wollen. Ich habe wieder ein Zitat für die „Lesestunde", und zwar aus dem „Ernährungsdienst" vom 19. Januar 1985. Da heißt es: Wenn jetzt Bundesernährungsminister Kiechle Standfestigkeit demonstriert, wenn über Preissenkung gesprochen wird, so kann dies nur eine optische Täuschung der Öffentlichkeit darüber sein, was als Ergebnis im Grunde heute voraussehbar ist. Es gibt keine Chance für das Festhalten am Getreidepreisniveau der Vergangenheit. Weder der Markt gibt dies her noch die Brüsseler Kasse. Alle Argumente sprechen für eine Getreidepreissenkung, so schmerzhaft diese Feststellung für die Erzeuger sein muß. Es ist gefährlich, durch reines Politikergerede Hoffnungen zu nähren, die sich nicht erfüllen lassen. So „Der Ernährungsdienst". Darüber, daß Ihr Qualitätsmodell, Herr Minister, die Getreidepreise in den Keller führt, sind wir uns doch wohl einig. Oder? Warum sagen Sie das dann nicht? ({12}) Auch Ihr Ministerium schweigt. Zahlen über die Konsequenzen Ihres Vorschlages sind doch sicher vorhanden. Warum geben Sie die nicht heraus? Oder darf zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt werden, daß Preissenkungen dann auch durch die Hintertür die Folge sind? ({13}) Die Getreideprobleme lassen sich unserer Auffassung nach - ich verweise auf unseren Entschließungsantrag - nur durch ein Bündel von Maßnahmen in den Griff kriegen. Dazu gehören auch Flächenstillegungen. Sie haben das erwähnt; ich komme darauf noch zurück. Aber in Ihrer Eröffnungsrede, Herr Minister Kiechle, konnte natürlich der Hinweis auf die Erblast, die Sie übernommen haben, nicht fehlen. Herr Paintner und die FDP, Sie sind doch auch ein Geschädigter dieser Erblast. Deswegen freue ich mich, daß Sie das zurückgewiesen haben. ({14}) Sie haben damals doch die Politik Ertls mit uns unterstützt. Ich meine, die Landwirte wären jetzt sehr froh, wenn sie so eine Politik hätten. Ich habe Ihre Rede vorliegen, Herr Minister. Da heißt es wörtlich: Wenn es schon nicht ohne Schuldzuweisungen geht, dann sind sie an diejenigen zu richten, die seit 1978 das EG-Agrarsystem tatenlos auf den Abgrund der Nichtfinanzierung treiben ließen. ({15}) Es ist unendlich schwerer, eine Fehlentwicklung zurückzudrehen, als sie rechtzeitig zu stoppen. ({16}) Soweit Ihre Rede. Ich kann nur sagen: Sie Armer; denn Sie müssen büßen für das, was andere verursacht haben. Deswegen, Herr Minister, will ich noch einmal Ihre damalige Meinung über „tatenlos", „NichtfiMüller ({17}) nanzierbarkeit", „Überschüsse" ins Gedächtnis rufen. Auch der Kollege Susset ist ja heute darauf eingegangen. Es wäre ganz gut, wenn er auch seine Zitate aus der damaligen Zeit noch einmal nachläse. ({18}) Ich meine, jeder Bürger kann dann urteilen, wie die CDU/CSU, wie Herr Kiechle damals zu einer Reform der Agrarpolitik standen. Ich habe hier eine Pressemeldung aus der „Augsburger Allgemeinen" vom 24. Februar 1981. Da heißt es: ({19}) Im Interview mit unserer Zeitung lehnt CDU/ CSU-MdB Kiechle u. a. scharf eine Änderung des Systems von Preis- und Abnahmegarantien ab und rügt das Herumkritisieren an der Überschußproduktion. ({20}) Oder eine vom 11. November 1982 - da war die CDU/CSU schon an der Regierung, er war aber noch nicht Minister -, in der es heißt: Für eine aktivere Preispolitik im Agrarbereich, also für eine stärkere Anhebung der Marktordnungspreise hat sich der neue stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ignaz Kiechle ausgesprochen. Er kritisiert die frühere Bundesregierung, die sich zum Vorreiter einer vorsichtigen Preispolitik gemacht hätte. Jetzt haben Sie doch gar keine vorsichtige Preispolitik. Sie haben doch nur noch Preissenkungen, Herr Kollege Susset. Das ist doch die Tatsache. ({21}) In Ihrer Einbringungsrede heute hört sich das so an - ich zitiere -: ({22}) Denn überall dort, wo Millionen Tonnen Überschüsse auf den Markt drängen, wo wertvolle Agrarprodukte billigst abgegeben werden müssen, wo weiterhin Mengen produziert werden, die keiner mehr haben will, ist es unmöglich, die Preise angemessen anzuheben, um steigende Produktionskosten - wie in der Wirtschaft sonst selbstverständlich - über den Markt weiterzuwälzen. ({23}) So das Zitat, aber vorhin ganz anders. Herr Susset, ich sage nochmals: Das ist gar keine Nullrunde, das ist eine Minus-Minus-Runde. ({24}) Deswegen haben wir direkte Einkommensübertragungen vorgeschlagen. Die FDP ist da ja gar nicht mehr so weit von uns entfernt. ({25}) Ich habe ein Zitat des Herrn Staatssekretärs Gallus aus der „Molkereizeitung" da. Da heißt es: „So kommt er zu dem Schluß," - Herr Gallus - „daß die Zeit reif sei, über direkte Einkommenshilfen, die es auch schon gibt, als Alternative zur einseitigen Preispolitik nachzudenken." Herr Kiechle, denken Sie doch auch einmal nach! ({26}) Jetzt ist also nichts mehr mit aktiver Preispolitik! Plötzlich sind Überschüsse wieder Überschüsse, und es ist nicht mehr unverantwortlich, davon zu reden. Aus einem Saulus, Herr Kiechle, wurde ein Paulus. Wen wundert es, wenn viele Landwirte diese Wende nicht mehr begreifen?! ({27}) Herr Kiechle, lassen Sie deshalb das mit der Erblast; ich verspreche Ihnen dann auch, Sie mit Ihren eigenen Zitaten nicht mehr zu behelligen. ({28}) Meine Damen und Herren, wir alle haben den Entschließungsantrag vorliegen. Uns geht es darin auch um eine umweltverträgliche Landwirtschaft. Wir alle kennen die Probleme: Boden-, Grundwasserbelastung durch Schwermetalle, Nitrate, Rückgang des Artenreichtums, Erosion, Bodenverdichtung usw. Gerade deshalb fordern wir auch direkte produktionsunabhängige Einkommensübertragungen. ({29}) Denn diese Einkommensübertragungen ersparen es den Landwirten und der Umwelt, unter höchstem technischen Einsatz mit erheblichem Energieaufwand Produkte zu erzeugen, für die kein Bedarf vorhanden ist. Warum soll nicht ein gewisser Prozentsatz des Bodens gegen eine angemessene Vergütung aus der intensiven Produktion herausgenommen und durch extensive Pflege zu einer ökologischen Nische gemacht werden, in die sich die mittlerweile schon seltenen Tiere und Pflanzen zurückziehen können? Natürlich kostet so etwas Geld; aber zum Null-Tarif ist Natur-, Arten- und Pflanzenschutz nicht mehr zu haben. Selbst 1 000 DM pro Hektar als Entgelt für Nichtproduzieren sind billiger als das, was derzeit an Subventionen zur Bewältigung der Überschüsse bereitgestellt werden muß. ({30}) Wegen der kritischen Lage der Landwirtschaft müssen alle Möglichkeiten, die Produktionsalternativen bieten, genutzt werden. Nachwachsende Müller ({31}) Rohstoffe können hier einen Weg öffnen. Deswegen sind wir für eine Intensivierung der Forschung. Wir dürfen aber vor den neu entstehenden Problemen nicht die Augen verschließen: z. B. Monokulturen, gefördert durch Vertragsanbau, Vertragsabhängigkeit - eventuell zu den Mineralölkonzernen -, Bodenbelastung, verursacht durch intensive Massenproduktion, Vernachlässigung der Fruchtfolge usw. Diese Fragen müssen vorher geklärt werden, um neuen Belastungen vorzubeugen. Denn wir wissen, die Landwirte haben genügend Probleme, es sollen nicht neue hinzukommen. Durch Ihre Schuld, meine sehr verehrten Damen und Herren und Herr Minister, sind viele in Existenznot geraten. ({32}) Wir bieten Ihnen unsere Hilfe für eine bessere Agrarpolitik an, und wir bieten den Landwirten unsere Hilfe auch an, um ihre Lage zu verbessern. Herzlichen Dank. ({33})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brunner.

Josef Adalbert Brunner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000282, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich in meinen Ausführungen an diesem Tage zum Bericht des Ministeriums und des Ministers den Dank an den Herrn Minister für seinen hervorragenden Einsatz, den er gerade auch in diesen Tagen wieder zu leisten hat, aussprechen. Lassen Sie mich aber gleichzeitig den Dank an sein Ministerium hiermit übermitteln. Wir wissen, welch schwierige Aufgaben es im Verlauf des letzten Jahres zu bewältigen gab. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit den Entscheidungen des Ministerrats in Brüssel vom 31. März 1984 ist eine neue Ara der europäischen und nationalen Agrarpolitik eingeleitet worden. Eine Doppeloperation wurde notwendig, um den Patienten Agrarpolitik auf den Weg der Genesung zu bringen. Die Milchquotierung soll und wird diesen überschäumenden Markt, wenn auch für einen Teil unserer Betriebe, bedingt durch das ständige Hinausschieben der Entscheidungen, nicht ganz schmerzlos, in Ordnung bringen. Hierzu ist es künftig u. a. noch erforderlich, durch einen weiteren Aufkauf von Boden zusätzliche Erleichterungen für Betriebe bis zu 60 000 kg Jahresanlieferung zu schaffen. Der Abbau des positiven Grenzausgleichs in den Hartwährungsländern und der beabsichtigte Wegfall des negativen Grenzausgleichs in den Weichwährungsländern im Rahmen der Preisverhandlungen wird nach einer zeitlich begrenzten Übergangsphase die gegenseitige Verrechnung im innereuropäischen Handelsverkehr vereinfachen. Wir in der Bundesrepublik Deutschland werden bei künftigen Preisverhandlungen nicht gleichzeitig Grenzausgleichspunkte abbauen müssen und damit immer weiter ins negative Preisgefüge abrutschen. Der Ministerrat ist nach diesen verfügten gravierenden Änderungsbeschlüssen inzwischen wieder zu Preisverhandlungen zusammengetreten. Das Angebot der Kommission ist völlig unbefriedigend und daher abzulehnen. Es ist zu wenig, wenn die Brüsseler EG-Behörden nur über Preissenkungen sprechen, ohne klare Alternativen auf den Tisch zu legen. Es ist nachgerade eine Aufforderung an jene, denen ein gemeinsames Europa noch nie etwas bedeutet hat, über Renationalisierung laut nachzudenken. Ich halte nichts davon, weil der Integrationsprozeß, wenn auch noch vorwiegend von der Landwirtschaft getragen, bereits zum europäischen Alltag gehört und andernfalls die wirtschaftliche Existenz Europas in Frage gestellt und unsere äußere Sicherheit nicht mehr gewährleistet wäre. Wir müssen mit der Tatsache übervoller Märkte durch geeignete Maßnahmen fertig werden. Direkte und indirekte Beeinflussung der Verwendung agrarischer Rohstoffe in Verwertungsbereichen außerhalb des Nahrungsmittelsektors und eine gezielte Einfuhrpolitik insbesondere bei Getreidesubstituten sind ein Teil eines Maßnahmenbündels, das überlegt und umgehend angewandt werden muß. Dazu gehören auch Einkommensausgleichsmaßnahmen als Ergänzung zur Preispolitik. Gewiß wird sich der deutlich verlangsamte Strukturwandel nicht gänzlich abstoppen lassen. Die Bundesregierung hat reagiert und ein erstes Maßnahmenbündel zum Ausgleich von Einkommensausfällen beschlossen. Im einzelnen brauche ich darauf nicht einzugehen. Es bleibt mir, zu danken für diese sofortige Reaktion und für diese dringend notwendige Hilfe. Die Landesregierungen müssen flankierend im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe beisteuern. Dessenungeachtet müssen künftig die Weichen der Agrarpolitik so gestellt werden, daß das Einkommen unserer Landwirte zum allergrößten Teil wieder über den Preis erreicht wird. Es wäre aber auch eine Illusion, die Landwirtschaft in ihrer Entwicklung wieder auf den Stand vergangener Jahrzehnte zurückdrehen zu wollen. Als Landwirt habe ich die Forderung und sage mit voller Überzeugung zur Frage des Naturschutzes, daß Naturschutz und Landwirtschaft kein Gegensatz sind und es auch in der Zukunft nicht sein dürfen. Wir Landwirte fühlen uns auch im Industriezeitalter verpflichtet, durch unsere Landbewirtschaftung einen wesentlichen Beitrag zum Naturschutz zu leisten. Es stellt sich die Frage, ob sich die Landwirtschaft ausschließlich auf die Nahrungsmittelproduktion konzentrieren darf. Diese Frage ist nicht neu. Fossilien sind nicht unerschöpflich vorhanden. Angesichts überlaufender Agrarmärkte und völlig unzureichender Preisanhebungen muß schnell und nachhaltig gehandelt werden. Dies kann nur dadurch geschehen, daß wir einen bestimmten Teil der Produktion gezielt in den Rohstoffkreislauf der Industrie umleiten. Die notwendigen politischen Entscheidungen dulden keinen Aufschub. Sowohl die Zahl der Rohstoffe und Rohstoffkomponenten als auch deren Verwendungsmöglichkeiten sind äußerst vielfältig. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Anbetracht der Kürze der Zeit, die mir zur Verfügung steht, muß ich meinen Beitrag abkürzen. Ich möchte aber abschließend noch folgendes zum Ausdruck bringen: Die Landwirtschaft hat einen vielfältigen Aufgabenbereich zu erfüllen. Unsere Bäuerinnen, Bauern und unsere Landjugend kommen diesem Auftrag gerne nach. Das hat aber auch seinen Preis, der nicht nur den Bauern allein aufgeladen werden darf. Die Landwirtschaft ist ein integrierter Bestandteil unserer Volkswirtschaft und trägt wesentlich zum Erfolg der Wirtschaft insgesamt bei. Daher sind alle verantwortungsvollen Kräfte in Staat und Gesellschaft aufgerufen, diese durch die Regierung Kohl/Genscher eingeleitete Neuordnung der deutschen und europäischen Agrarpolitik voll mitzutragen, damit auch morgen und übermorgen eine ausreichende und gesunde Ernährung gesichert bleibt, die endlichen Rohstoffe nicht vergeudet werden und unsere Kultur- und Erholungslandschaft auch in Zukunft erhalten bleibt. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Wimmer.

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ({0}) Wenn man sich die Mühe macht und die Reden der CDU/CSU-Politiker der letzten - beinahe - Jahrzehnte durchliest, als die Sozialdemokraten mit der FDP die Regierung stellten, dann wird man feststellen, ({1}) - ein Oberbayer sicher! -, daß die Ausführungen von damals gegenüber heute sich wesentlich unterscheiden, sowohl bei dem Herrn Kiechle als auch insbesonders bei Herrn Susset. Ich meine, daß wir Sozialdemokraten in der Vergangenheit mit dem Minister Ertl sicher nicht in allen Fällen übereingestimmt haben, aber eines möchte ich vorweg feststellen, und zwar, daß der damalige Minister Ertl in der Vertretung der Interessen der deutschen Bauern in der Europäischen Gemeinschaft mehr durchgesetzt hat als der jetzige Minister Kiechle. ({2}) Die Agrarpolitik der Bundesregierung kommt mir eigentlich vor wie die Echternacher Springprozession: zwei Schritte vor und einen wieder zurück. ({3}) - Von einer Prozession werde ich etwas verstehen, nachdem ich aus Neuötting komme. - Mit dieser Beurteilung aber, meine ich, bin ich noch viel zu freundlich. In Wirklichkeit, Herr Minister Kiechle, treten Sie in vielen Bereichen auf der Stelle oder marschieren konsequent nach rückwärts. Im März 1984 sind Sie mit den Brüsseler Sparbeschlüssen weit nach vorne gesprungen - zu weit, wie wir meinen, besonders, wenn man die Folgen für die deutsche Landwirtschaft bedenkt -, aber schon wenige Wochen nach diesen März-Beschlüssen haben Sie wieder zum Rückmarsch geblasen. Höhepunkt dieses Rückmarsches waren die 5 %ige Mehrwertsteuerpauschale und die pauschale Ablehnung der Preisvorschläge der EG-Kommission. Das Urteil des Sachverständigenrates zu dieser Politik war - kurz und bündig -: keine Perspektive. Mein Urteil hierzu: wenig Durchblick, aber dafür kein Ausblick. Auf bayerisch: eine Wurschtelei. Herr Kiechle, ein Wort an Sie, an den bayerischen Landsmann. Muß Ihnen nicht unwohl in Ihrer Haut sein, wenn Sie die Ergebnisse der zweijährigen Amtszeit betrachten? Fast alles, was Sie getan haben, ist gegen die süddeutschen Länder gerichtet, insbesondere gegen Bayern, benachteiligt die schlechter strukturierten Regionen in der Bundesrepublik. ({4}) - Sie können ruhig schreien: „Das gibt es nicht!" Lesen Sie einmal nach, was der Bauernpräsident Sühler hierzu gesagt hat, was der bayerische Landwirtschaftsminister Eisenmann hierzu sagt und was der Staatssekretär Nüssel dazu ausgeführt hat. Dann haben Sie mehr Sachkenntnisse über die bayerischen Verhältnisse, als Sie durch Ihren Zwischenruf bezeugen. Der Löwenanteil der Milliardensubvention fließt in die gut strukturierten norddeutschen Gebiete. Die Ausgleichsmaßnahmen kommen mit Sicherheit einem Herrn von Heereman oder auch einem Herrn Eigen mehr zugute als Ihren bayerischen Berufskollegen. ({5}) Wenn man die Auswirkungen Ihrer Politik überschlägig berechnet und alle Ausgleichsmaßnahmen addiert, dann landen in den Großbetrieben mit über 50 000 DM Standardbetriebseinkommen im Schnitt rund 15 000 DM staatliche Subventionen je Betrieb pro Jahr. Die Betriebe in den unteren Größenklassen bekommen lediglich 3 000 bis 4 000 DM. Für uns ist das keine Politik sozialer Gerechtigkeit, sondern es ist Umverteilungspolitik von unten nach oben, und da fügen Sie sich in die Gesamtpolitik nahtlos ein. ({6}) Wimmer ({7}) Deshalb tue ich mich auch schwer, die von Ihnen herausgestellten Maßnahmen für Klein- und Mittelbetriebe lobend zu erwähnen. Die Mittel, die über die Ausgleichszulage bereitgestellt werden, reichen nicht aus, um das Bild zu korrigieren. Bis heute haben Sie es nicht geschafft, den Gesetzentwurf über eine sozial gerechte Verteilung der Bundesmittel in der Altershilfe für Landwirte vorzulegen. ({8})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Carstensen?

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte schön.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Wimmer, Sie haben gerade eben von der sozialen Gerechtigkeit gesprochen. Halten Sie den Abbau der Zuschüsse zur Altersversorgung an die Berufsgenossenschaft für eine soziale Sache, der unter Ihrer Regierungsverantwortung stattgefunden hat? Wenn Sie die Verteilung im Bundesgebiet des von uns wieder aufgestockten Betrags für die Berufsgenossenschaft sehen und auch sehen, daß ein Großteil davon in die südlichen Länder fließt und nicht, wie Sie sagen, in die strukturstarken nördlichen Länder, meinen Sie dann nicht, daß das ein wirklich ausgezeichneter Ausgleich und eine bessere soziale Politik für die Landwirtschaft ist, als das, was Sie gemacht haben?

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, das glaube ich nicht. Ich werde bei der Unfallversicherung noch gezielt darauf zu sprechen kommen. Es ist nach meiner Auffassung auch ein Skandal, daß der Auftrag des Parlaments vom Dezember 1982, ein Gesetz zum Bereich der Altershilfe vorzulegen, bisher nicht erfüllt worden ist. ({0}) Was seit einigen Tagen auf dem Tisch liegt, ist nur ein Referentenentwurf, mehr noch nicht. Sie haben mit dieser Verzögerungstaktik das Parlament an der Nase herumgeführt, aber Sie haben auch - und das ist schlimmer - die einkommen-schwachen Bauern um die notwendige Entlastung in den zurückliegenden Monaten gebracht. Ihnen paßt die gesamte Grundeinstellung, was die Sozialpolitik betrifft, nicht. Als wir das erste Mal den Ansatz verfolgt hatten, die Altershilfezuschüsse gerechter zu verteilen, und als wir dazu auch einen Mehrheitsbeschluß des Deutschen Bundestages gefaßt hatten, wurde das von Ihnen im Bundesrat zu Fall gebracht. Bei der Debatte darüber wurde dann diese gerechtere Verteilung als „sozialistisches Machwerk" bezeichnet. ({1}) Ich meine, Ihre Glaubwürdigkeit ist mit diesem Verhalten nicht größer geworden. Mit der Aufstockung der Mittel um 110 Millionen DM sollen jetzt die kleinen Betriebe um 900 bzw. 600 DM pro Jahr entlastet werden. Das ist etwa mit der Entlastung deckungsgleich, die wir am 14. November 1984 vorgeschlagen haben. Allerdings gibt es einen gravierenden und wesentlichen Unterschied: Sie wollen die größeren Betriebe, die lediglich 3% ihres Gewinns für die Beiträge zur Altershilfe aufbringen müssen, nicht belasten. Wir halten das für nicht gerechtfertigt. Wer pro Jahr durch umsatzbezogene Hilfen, wie ich ausführte, 15 000 DM oder mehr aus der Staatskasse erhält, benötigt keine Entlastung von Sozialausgaben. Betriebe mit einem Gewinn von 50 000 DM und mehr können es verkraften, wenn die Beiträge etwas stärker an der Leistungsfähigkeit des Betriebes ausgerichtet werden. Man könnte als Agrarpolitiker angesichts des Kahlschlages der übrigen agrarpolitischen Beschlüsse diese Aufstockung noch mitmachen. Ich könnte mir aber auch vorstellen, daß Sie, Herr Minister, im Kabinett und in den Koalitionsfraktionen auch einmal bereit wären, einen Kraftakt im sozialpolitischen Bereich für andere Teile der Bevölkerung mit zu unterstützen. Ich würde mir wünschen, Sie wären auch einmal bereit, einen Kraftakt für Schwerbehinderte, für Studenten, Schüler, Rentner und Sozialhilfeempfänger zu unterstützen. Das ist in den letzten Monaten nicht geschehen. Hier in der Agrarsozialpolitik gibt es einen leisen Versuch; aber setzen Sie Ihre Kraft auch einmal für andere Bereiche der Bevölkerung ein. Denn aus gesamtpolitischer Sicht - im Blick auf die 2,6 Millionen Arbeitslosen und auf die angesprochenen drastischen Kürzungen in anderen Sozialbereichen - habe ich im Zusammenhang mit der Aufstockung im Bereich der Altershilfe der Landwirte schwere Bedenken. Daß Sie zur Zeit überhaupt bereit sind, diesen Schritt zu gehen, betrachte ich als ein Trostpflaster der Sozialpolitik für die verfehlte Agrarpolitik, die Sie betreiben. ({2}) Wir als Sozialdemokraten sind stolz auf die Leistungen, die wir im Bereich der Agrarsozialpolitik erbracht haben. ({3}) - Wenn Sie es hören wollen, zähle ich sie Ihnen auf: ({4}) 1969 - noch in der Großen Koalition - Einführung der Landabgaberente, 1971 Zuschußgewährung für Nachentrichtung von Beiträgen, 1972 Krankenversicherung der Landwirte, 1974 Staffelung des Altersgeldes, 1974 Zusatzversorgung für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft, 1975 jährliche Anpassung des Altersgeldes, 1975 Einführung Wimmer ({5}) des Waisengeldes und 1980 das zweite agrarsoziale Ergänzungsgesetz. ({6}) eine stolze Bilanz, die wir vorzeigen können! ({7}) Das alles haben wir in der damaligen Zeit Ihnen abringen müssen. ({8}) Auch in der Unfallversicherung haben Sie kein Recht, hier einen Popanz aufzubauen. Wir waren es - damit komme ich zur Beantwortung der Frage -, die ein Gutachten zur Altlast gefordert haben, weil wir immer bereit gewesen sind - und das auch immer klargestellt haben -, im Bereich der Unfallversicherung die Altlast zu tragen. ({9}) Dieses Gutachten ist von uns angestrebt worden. ({10}) Und wissen Sie, wer für Monate, beinahe für Jahre auf diesem Gutachten gesessen ist? Das Ministerium! Das Gutachten liegt bis jetzt noch nicht vor, obwohl es seit Jahren angefordert wird. ({11}) - Das ist doch Quatsch! Dieses Gutachten, das im Ministerium liegt, war sicherlich auch die einzige Hilfe, um eine Aufstokkung zu erreichen. Wir sind vorher dazu gestanden, die Altlast zu übernehmen, so auch jetzt. Tun Sie nicht so, als wenn wir es nie getan hätten. Ich fordere Sie auf, zur Aussage des Gutachtens des Ifo-Instituts einmal Stellung zu beziehen, daß die Betriebe in den norddeutschen Berufsgenossenschaften, was die Unfallversicherung betrifft, am günstigsten dabei wegkommen. Es wäre auch für die süddeutschen interessant, wie sich die Aufstockung der Mittel auf die jeweilige Berufsgenossenschaft auswirkt. Ich gehe davon aus, daß auch hier ein Nord-Süd-Gefälle besteht und daß auch hier wieder die Süddeutschen benachteiligt sind. ({12}) Sie haben in Ihrer Zeit die Landabgaberente abgeschafft und dafür die Milchrente eingeführt. Wir waren lange Zeit im Ausschuß gemeinsam der Meinung, daß wir die Landabgaberente aufrechterhalten sollten. Damals wurde gesagt, diese würde im gesamten EG-Bereich abgeschafft werden. Nein, die Franzosen haben sie ausgebaut. Ich meine, daß es richtig gewesen wäre - und viele aus Ihrem Berufsstand fordern das nach wie vor -, daß die Landabgaberente parallel zur Milchrente hätte geführt werden sollen. ({13})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmitz ({0})?

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, jetzt nicht, wir haben nur zehn Minuten zur Verfügung.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Die rechnen wir Ihnen ab. ({0})

Hans Peter Schmitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Wimmer, würden Sie mir freundlicherweise recht geben, daß der Abbau der Landabgaberente in der Zeit gefordert worden ist, in der Sie die Regierung stellten? Sind Sie bereit zuzugeben, daß der Abbau der Zuschüsse zu Berufsgenossenschaften in Ihrer Regierungzeit nicht nur gefordert, sondern auch verwirklicht worden ist, und sind Sie dann bereit zuzugeben, daß die süddeutschen Länder unter Ihrer Regierung nichts mehr bekommen hätten? ({0})

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein! - Ich beginne beim letzten. Es ist richtig, daß mit der Fortschreibung der Finanzmittel ein Abbau der Bundeszuschüsse vorgesehen gewesen ist. Wir haben aber zu jeder Zeit gesagt, wenn das Gutachten zur Altlast vorliegt, sind wir bereit, das in der Höhe wieder einzustellen. ({0}) - Dann lesen Sie es nach. Was die Landabgaberente betrifft, war über einen gewissen Zeitraum, von allen Fraktion getragen, die Meinung vorherrschend, daß die Landabgaberente, sowohl was den Strukturwandel, aber auch was den Mißbrauch dann und wann betrifft, unter Umständen auslaufen könnte. In der letzten Phase - wahrscheinlich haben Sie hierbei nicht die Kenntnisse aus den Ausschußberatungen - war allerdings im Ausschuß gemeinsame Meinung, wir sollten bei der Landabgaberente bleiben, und das wurde von allen Fraktionen getragen. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Kollege, jetzt muß ich aber doch bitten, daß Sie einen schönen Schlußsatz finden, weil Sie trotz der Zeit, die wir Ihnen zugegeben haben, ans Ende Ihrer Redezeit gekommen sind.

Hermann Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002522, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich stelle abschließend fest, ({0}) wenn die Kollegen Kiechle und Susset noch in der Opposition wären, dann würden sie zu dieser Agrarpolitik sagen: Erstens. Keine Perspektive. Zweitens. Die Agrarpolitik ist in weiten Bereichen als gescheitert zu betrachten. Wenn Sie das als Opposi9388 Wimmer ({1}) tionsredner so betrachteten, könnte ich Ihnen voll und ganz beipflichten. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Bredehorn.

Günther Bredehorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000256, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Stimmung unter den Landwirten ist zur Zeit - wer wollte das bezweifeln! - äußerst schlecht. Bei meinen Gesprächen und Veranstaltungen im Lande merke ich immer wieder die Unruhe, Unsicherheit und Unzufriedenheit bei den Landwirten über die jetzige Agrarpolitik. Ich kann das sehr gut verstehen; denn ich weiß, daß es in vielen Betrieben jetzt wirklich um die Existenz geht. Der hier vorgelegte Agrarbericht bestätigt dieses Stimmungsbild und trägt wenig dazu bei, daß wir hoffnungsvoller in die Zukunft schauen: ein 18%iger Einkommensrückgang im abgelaufenen Wirtschaftsjahr - wobei die Veredelungsbetriebe mehr abrutschten als die Marktfruchtbetriebe -, Verkaufserlöse und Vorleistungen, die auseinanderklaffen, und eine Verschuldung, die tief in die leeren Taschen der Landwirte blicken läßt. Als Agrarpolitiker der Regierungskoalition will ich die miserable Situation in den landwirtschaftlichen Betrieben hier nicht beschönigen. Doch auch die Opposition sollte sich davor hüten, hier nur mit billiger Polemik und Schuldzuweisungen zu arbeiten, wie das hier heute morgen teilweise geschehen ist. Und, Herr Kollege Wimmer, was soll denn wieder die Diskussion um Groß und Klein, um Neid zu erwecken? Sie müssen doch auch mal zur Kenntnis nehmen, daß z. B. nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaft die innerlandwirtschaftlichen Einkommensunterschiede sehr viel geringer sind als die Einkommensunterschiede in anderen Berufsgruppen. Das muß man hier doch auch einmal sagen. Ich bin mit Ihnen j a einig über die Landabgaberente. Wir müssen sie wieder einführen. Aber wenn Sie hier von der Milchrente sprechen, kann ich nur feststellen, daß die SPD es war, die diese Milchrente hier im Parlament abgelehnt hat. ({0}) Je kritischer die Einkommensentwicklung in den landwirtschaftlichen Betrieben verläuft, desto mehr Aufmerksamkeit sollte man der Kapitalentwicklung als wichtigem Indikator schenken. Heute kann nur jeder zweite Betrieb eine positive Eigenkapitalentwicklung vorweisen, deren Höhe nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben immer noch ungenügend ist, um die zukünftige Existenz des Hofes zu sichern. Also wird fremdfinanziert, was nur so lange gut geht, wie der Kreditgeber die Kreditwürdigkeit des Landwirtes anerkennt und diesem die Schuldzinsen nicht über den Kopf wachsen. Das Vermögen an Grund und Boden, das die Landwirte angeblich j a so reich macht, ist da nur ein schwaches Trostpflaster. Schließlich ist es das wertvollste Betriebskapital eines bäuerlichen Familienbetriebes, auf das er nicht verzichten kann, schon gar nicht, um durch Veräußerung seine Schulden zu tilgen. Dieser Schritt ist meist tödlich und hat als solides Sanierungskonzept zur langfristigen Betriebserhaltung keinen Bestand. Auf Grund der miserablen Einkommenssituation können die Landwirte immer weniger investieren. Das hat nicht nur verheerende Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Betriebe selbst, sondern auch auf ihr gesamtes Umfeld im ländlichen Raum. So sind die Nettoinvestitionen von 600 DM je Hektar auf 300 DM je Hektar gesunken. Die Auswirkungen der Milchkontingentierung führten z. B. in meiner Heimatmolkerei in den ersten neun Monaten, in denen das gewirkt hat, zu einer Milchgeldminderauszahlung an die Landwirte von 3 Millionen DM im Vergleich zum Vorjahr. Und Herr Kollege Karl Eigen hat als negative Auswirkung der Milchkontingentierung eine Mindereinnahme der schleswig-holsteinischen Milchviehhalter von 141 Millionen DM für das laufende Wirtschaftsjahr angegeben. Das hat er laut Agrar-Europe bei der Pressekonferenz gesagt. Nicht daß ich hier etwas Falsches sage! ({1}) - Schönen Dank. Das zeigt die wirklich sehr negativen Auswirkungen dieser Maßnahme. Es ist eben nicht so, daß diese Milchkontingentierung jetzt schon positiv wirkt. Das muß man an Hand solcher Zahlen hier doch einmal ganz deutlich feststellen. Dieses Geld - ob es nun 140 Millionen DM, 141 Millionen DM oder mehr sind; das will ich hier gar nicht werten - fehlt den Landwirten, die ihr Geld in der Regel j a nicht in den USA oder in der Schweiz anlegen, sondern für Investitionen nutzen, die der Bauwirtschaft, dem Landmaschinenhandel und Futtermittelhandel im ländlichen Raum zugute kommen. Wir können daher die Agrarpolitik nicht losgelöst von der Gesamtwirtschaft des landwirtschaftlichen Raumes sehen. Politisches Anliegen der FDP ist es daher, dem Instrument der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" wieder mehr Gewicht zu geben. Zu diesem Thema gab es j a vor kurzem gerade eine Sachverständigenanhörung im Wirtschaftsausschuß. Arbeitsplatzalternativen müssen im ländlichen Raum neu geschaffen werden, um die dortigen Wirtschaftsstrukturen nicht verkrusten zu lassen. Wir müssen durch Investitionsförderung und steuerliche Anreize neue Investoren mobilisieren, Existenzgründungen ermöglichen, neues Gewerbe ansiedeln und eine echte Mittelstandspolitik betreiben, die auch Landwirten die Möglichkeit eröffnet, nicht nur vom Hof allein, sondern eventuell auch von einem außerlandwirtschaftlichen Einkommen zu leben. Dabei will die FDP keinen Landwirt vom Hof verdrängen, sondern ihm sein Eigentum, seine Zukunft in seiner Heimat auf Dauer sichern. ({2}) Durch eine gezielte Wirtschaftsförderung im ländlichen Raum wird die Diskussion um Wachsen oder Weichen nicht wieder heraufbeschworen. Im Gegenteil! Die Palette der Erwerbsmöglichkeiten und der Berufschancen erweitert sich. Der landBredehorn wirtschaftliche Strukturwandel darf nach unserer Ansicht weder forciert noch gestoppt werden. Das erste wäre angesichts des außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplatzmangels unsozial, das zweite wäre gleichbedeutend mit einem Auf-die-lange-BankSchieben dringend zu lösender wirtschaftlicher Probleme. Bundesminister Kiechle hat uns als Ausgleich für Kontingentierung und Mengenbeschränkung eine aktive Preispolitik versprochen. Angesichts überfüllter Märkte ist es sicherlich eine Illusion, daran zu glauben, daß sich in allernächster Zukunft das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf den Märkten wieder einpendeln werde. Somit sind der an und für sich notwendigen aktiven Preispolitik enge Grenzen gesetzt, und Bundesminister Kiechle hat bei den Brüsseler Preisverhandlungen einen sehr schweren Stand. Wir können ihm bei seinem schwierigen Geschäft nur Erfolg und Standhaftigkeit wünschen. ({3}) Die Agrarpreise sind durch ihre Doppelfunktion, nämlich das Einkommen zu sichern und die soziale Abpufferung zu gewährleisten, völlig überfrachtet. Jetzt brechen uns die Märkte unter den dadurch provozierten und produzierten Mengen zusammen. Durch Garantiepreise haben wir der Agrarproduktion jahrelang die Sporen gegeben. Die jetzt notwendig werdenden Reglementierungen und Mengenbeschränkungen heben die Agrarwirtschaft gänzlich aus dem marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen heraus und können für uns Liberale kein zukunftsweisender Weg sein. Wir müssen eine sanfte Methode finden, den Agrarbereich wieder mehr in unser Wirtschaftssystem einzubinden. Mit Hauruckaktionen schaffen wir das nicht. Sie schaden mehr, als daß sie nützen. Die Milchkontingentierung mit ihrer Härtefallregelung ist von ihrem Grundansatz her nach wie vor falsch, ungeschickt gehandhabt worden und überdies ein planwirtschaftliches Fremdelement. Mit der von uns geforderten differenzierten Mitverantwortungsabgabe wäre den Milchbauern wahrlich viel erspart geblieben. Der Getreidemarkt ist unser nächstes Sorgenkind. Die von der EG-Kommission vorgeschlagene Preisabsenkung um 3,6% wird von uns abgelehnt, weil sie das falsche Instrument ist, um die Überschußproduktion zurückzuführen. Jetzt allerdings müssen wir politisch entscheiden, wobei ich Lösungsmöglichkeiten über eine Mitverantwortungsabgabe für Getreide und auch über ein Flächenstillegungsprogramm - das wurde teilweise hier angesprochen - sehe. Die notwendige verstärkte Förderung des Anbaus nachwachsender Rohstoffe und des Anbaus von Leguminosen wird langfristig sicher auch zu einer Entlastung des Getreidemarktes beitragen können. Meine Damen und Herren, unsere Bauern sind in großer Sorge und Unsicherheit über die Auswirkungen der aktuellen Agrarpolitik. Verantwortliche Agrarpolitiker sprechen heute davon, die Politik des Wachsens oder Weichens sei jetzt beendet. Jetzt werde eine Politik für den kleineren und mittleren Vollerwerbsbetrieb gemacht. Die Auswirkungen dieser Politik - ich verweise z. B. auf die Milchkontingentierung und andere agrarpolitische Entscheidungen - bedingen in der Praxis und in den Betrieben allerdings eher das Gegenteil. Viele Betriebe fürchten augenblicklich um ihre Existenz. Deshalb ist es jetzt unsere Pflicht, unseren Landwirten mit einer verantwortungsbewußten Agrarpolitik wieder Perspektiven aufzuzeigen. Für die FDP-Agrarpolitik wird es darum gehen, das Eigentum unserer Landwirte zu sichern, die Überschüsse abzubauen und damit wieder mehr Marktgleichgewicht herzustellen, die ökologischen Leistungen einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft auch finanziell anzuerkennen, die Agrarproduktion umweltverträglicher zu gestalten, die freie unternehmerische Entscheidung zu fördern und den leistungsfähigen bäuerlichen Familienbetrieb zu sichern. Der bäuerliche Familienbetrieb ist zu Leistungen bereit. Diese Leistungsbereitschaft will die FDP aus ökonomischen, aus ökologischen und aus gesellschaftspolitischen Gründen auf vielfältige Weise fördern: durch Einstellung aller produktionssteigernden Förderungsmaßnahmen zum Bau von Kuh- und Schweinemastställen; durch Förderung des Obergangs zur nebenberuflichen Landwirtschaft; durch differenzierte Zuschüsse zu den Beiträgen für die landwirtschaftliche Alterskasse; durch die Wiedereinführung einer Landabgaberente; durch die Ausweitung der Förderungsmöglichkeiten für benachteiligte Gebiete unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelbetriebes; durch ein Flächenstillegungsprogramm zur Reduzierung der Überschußproduktion; durch die Weiterentwicklung von Bestandsobergrenzen, wie wir es bei der Mehrwertsteuer als ersten Schritt zur Verhinderung unerwünschter Konzentration in der Tierproduktion getan haben; durch finanziellen Ausgleich für landschaftspflegerische Leistungen; durch Entschädigungsregelungen für umweltbedingte Bewirtschaftungsauflagen oder Flächenstillegungen zum Zwecke des Naturschutzes und des Wasserschutzes - hier war es allein die FDP-Fraktion, die bei den Beratungen des Bundeshaushaltes 1985 den Antrag eingebracht hat, 100 Millionen DM aus den Mitteln für die Gemeinschaftsaufgabe bereitzustellen; wenn jetzt seitens der Länder noch Widerstand kommt, wenn sie also nicht mitziehen, kann ich Sie nur bitten, uns hier mit zu unterstützen; wir müssen in diesem Bereich mehr tun, die Länder allein werden das nicht schaffen -; ({4}) durch Förderung der Aufforstung landwirtschaftlich genutzter Flächen; durch Förderung der Entwicklung von Agrarerzeugnissen mit neuen Marktchancen - hier denke ich an nachwachsende Rohstoffe für industrielle Nutzung, Eiweißpflanzen und an die Förderung von alternativem Landbau - und durch steuerliche Entlastung zugunsten der kleineren und mittleren bäuerlichen Betriebe. Meine Damen und Herren, das agrarpolitische Ziel der FDP ist und bleibt die Erhaltung einer Vielzahl von leistungsfähigen bäuerlichen Familienbe9390 trieben, die als Voll-, Zu- und Nebenerwerbsbetriebe bewirtschaftet werden. Jetzt müssen die politischen Entscheidungen fallen, die diesen Betrieben eine Zukunftschance belassen und das Vordringen der von uns nicht gewünschten Agrarfabriken bremsen. Bäuerliche Familien - damit will ich enden - müssen in ihrer vielschichtigen Leistungsbereitschaft auch in Zukunft von einer intelligenten und ehrlichen Agrar- und Wirtschaftspolitik unterstützt werden. Schönen Dank. ({5})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Kißlinger. ({0})

Karl Kisslinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001104, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, als ich mir heute hier Ihre Stellungnahme zur Forst- und Holzwirtschaft anhörte, war ich - ebenso wie beim Lesen des Agrarberichtes - erstaunt darüber, wie wenig Sie als Regierung zur Problematik des Waldes zu sagen haben. Gewiß kann der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht über alles reden. Aber daß er so viel über Landwirtschaft und so wenig über die Forstwirtschaft und ihre Probleme geredet hat, finde ich nicht gut. ({0}) Inzwischen ist viel Wasser den Rhein hinuntergeflossen, aber auch viel saurer Regen auf die Wälder gefallen. Immerhin hatten wir 1983 473 800 Betriebe mit Wald; 97 % davon befinden sich in privater Hand. Forstwirte und Arbeitnehmer fragen sich, was werden soll. Damit dieses Kapitel des Agrarberichts in Zukunft nicht zur Sterbestatistik wird, scheint es uns notwendig zu sein, Sie wieder einmal mit der Situation unseres Waldes zu konfrontieren. ({1}) Denn ich gehe davon aus, daß sich niemand in diesem Hause zum Totengräber unserer Wälder qualifizieren will. ({2}) Das Waldsterben gefährdet die Existenz vieler Waldbauern und nimmt ihnen ihre letzte Sparbüchse. Die Holzwirtschaft hat eine Abnahme der Zahl der Betriebe und der Beschäftigten zu verzeichnen. Sie gehen zwar von einer zukünftig leicht verbesserten Ertragslage aus, ich hege jedoch große Zweifel daran. Denn das Waldsterben geht weiter, und damit verschärfen sich auch die Probleme auf dem Holzmarkt. Schon jetzt steht er unter großem Druck. Die Berufsverbände drängen darauf, daß im Forstschädenausgleichsgesetz Regelungen zur Unterstützung der Waldbauern getroffen werden. Denn allein bei einer 10 %igen Schädigung des Waldes haben wir einen Vermögensverlust von 15 bis 20 Milliarden DM, und die umweltbedingten Mehrbelastungen belaufen sich jährlich bereits auf 1,7 Milliarden DM. Wie stellen Sie sich bei einer Verschärfung der Situation Lösungen vor, die diesen Problemen halbwegs gerecht werden? ({3}) Aber hier geht es nicht nur um den wirtschaftlichen Schaden, meine Damen und Herren, hier geht es auch darum, daß die Natur und damit unser ganzer Lebensraum bedroht sind. Die Funktion des Waldes, das Gleichgewicht des Naturhaushaltes zu erhalten, ist erschreckend beeinträchtigt. Die Funktion des Waldes, Schutz vor Lawinen, Hochwasser, Überflutungen in den Alpen und Mittelgebirgen zu bieten, ist bedroht. In unserer Großen Anfrage zur ökologischen und ökonomischen Situation im deutschen Alpenraum haben wir bereits damals unserer Sorge Ausdruck verliehen. ({4}) Die Funktion des Fremdenverkehrs als eines wesentlichen Wirtschaftsfaktors in den Waldgebieten wird erheblich beeinträchtigt, und das wird auch die Steuerkraft der Kommunen deutlich schwächen. Nun, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, alle diese für die Menschen unseres Landes existentiellen Probleme werden von Ihnen nicht ernst genug genommen. ({5}) Der Schock, den der Waldschadensbericht 1984 auch bei Ihnen ausgelöst hat, scheint sich wohl schon gelegt zu haben, obwohl die Schäden zunehmen. Sie strahlen wie fast überall fröhlichen Optimismus aus. Aber ich höre von unseren Bauern und Forstbeamten, daß das Waldsterben auch zur Stunde dramatisch fortschreitet. Das Aussehen der Nadelgehölze Fichten und Tannen deutet nach Aussagen von Fachleuten darauf hin, daß uns die nächste Waldschadenserhebung noch härter treffen wird. Ihr zögerndes Handeln, Ihre wechselnden Kniefälle vor der Auto- und Kraftwerkslobby, Ihr ständiges Ankündigen und Doch-nichts-Tun, Ihr Reden von Alleingängen und das Fehlen des Muts zum Wagnis, das Gebären nicht greifender Katalysatorenregelungen, das alles reicht einfach nicht aus, um das Überleben unserer Wälder zu garantieren. ({6}) Wenn Sie schon mit der Katalysatorenproblematik nicht rechtzeitig zu Rande kommen, müssen Sie sich halt auf das Tempolimit werfen, das bei Ihnen ja nicht beliebt ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Carstensen?

Karl Kisslinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001104, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Kollege Kißlinger, können Sie vielleicht mir und Carstensen ({0}) auch Ihrer lieben Frau Genossin Simonis die Frage beantworten, warum Sie in Ihrer Regierungszeit nicht auf die Idee gekommen sind, etwas gegen den Ausstoß schädlicher Substanzen aus Autos und aus Kraftwerken zu unternehmen?

Karl Kisslinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001104, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Carstensen, Sie wissen wie ich, daß in der Tat die Dramatik der Situation leider Gottes auf von den Fachleuten zu spät erkannt worden ist. Wenn man einen Dieb fangen soll, den man noch gar nicht kennt, hat man dabei erhebliche Schwierigkeiten. ({0}) Es ist gut, daß sich eine Reihe von Forschungsaufträgen mit den verschiedensten Aspekten des Waldsterbens beschäftigt. Aber wenn wir die Hauptursachen kennen, kommt es darauf an, sofort Entscheidendes zu tun. Sie sind im Wettlauf mit der Zeit, und diesen Wettlauf werden Sie bei weiterem Zögern verlieren. ({1}) Der bei anderen Dringen so glasharte Innenminister hätte gut daran getan, nicht auf den Gesundheitsvorbehalt nach Art. 36 des EG-Vertrags zur Durchsetzung einer obligatorischen Einführung abgasarmer Neufahrzeuge zu verzichten. Jetzt hat der Minister, wie wir vor einigen Tagen gesehen haben, keine Chance mehr, in Brüssel durchzukommen. Die Kritik, die wir äußern, kommt j a auch aus Ihrem Lager. Vielleicht haben Sie heute früh die Nachrichten gehört. Danach gibt es einen Kritiker, dem wir nur zustimmen können. Als eine einzige Blamage bezeichnete Graf Lambsdorff die Politik der Bundesregierung auf dem Gebiet der Abgasentgiftung. ({2}) Dem stimmen wir zu. ({3}) Graf Lambsdorff sagt weiter, einige Äußerungen Zimmermanns erweckten in ihm den Eindruck totaler Unkenntnis im Hinblick auf Markt, Produzenten und Käufer. Er hat recht. ({4}) Lambsdorff fürchtet, daß die Bundesregierung hier bereits einige Dinge verschlafen und übersehen hat. Er hat recht. Wir sind mit ihm hier ganz einer Meinung. ({5}) Wenn Sie heute Freude haben, weil vor ein paar Tagen das Gericht entschied, daß Buschhaus in Betrieb gehen kann, das nach wie vor die größte Dreckschleuder unseres Landes ist, ({6}) mit 0,4 % Stromproduktion und 6 % Schwefeldioxidausstoß, dann zeigen Sie wieder, daß Sie keinen Willen haben, die Situation zu ändern. ({7}) Dieses Schmierentheater um Buschhaus ist den Menschen in unserem Land noch genug in Erinnerung. ({8}) Ihnen fehlt hier der Wille. Und Ihnen fehlt noch etwas: ein Gesamtkonzept zur Luftreinhaltung und zur Energieversorgung, das wirksam greift. ({9}) Und kommen Sie uns dann nicht mit Ihrer ernsthaften Sorge um Arbeitsplätze! Aktive Umweltpolitik vernichtet diese nicht, sie schafft sie im Gegenteil neu, wie wir es in unserem Programm „Arbeit und Umwelt" vorgeschlagen haben. ({10}) - Die Genossen in Nordrhein-Westfalen wissen das. Die gehen da ein Stück voraus. ({11}) Meine Herren, Sie sollten von Umweltschutz nicht nur reden. Sie sollten auf diesem Felde endlich das Notwendige tun. ({12}) - Davon spürt zur Stunde in diesem Lande niemand etwas. Wenn Sie sich immer als die großen Hüter der Wirtschaft geben, dann lesen Sie doch nach, was Sie durch die Untätigkeit in der Automobilindustrie an Schrecken hervorgerufen haben. Auch hier könnte man wieder den Grafen Lambsdorff zitieren. Wie viel weniger Umweltschäden auftreten und wie viel mehr wirtschaftliche Erfolge zu verzeichnen sind durch umweltfreundliche Technologien und durch Produktionen umweltfreundlicher Art, das machen uns die Konkurrenten in Japan vor. Hier hätten Sie die Alarmglocken schon längst schrillen hören sollen. ({13})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, ich muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen.

Karl Kisslinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001104, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben unsere konkreten Vorschläge vorgebracht. Ihre Resonanz darauf konnten wir nicht finden. Es wird Ihnen deshalb niemand die Last von Ihren Schultern nehmen, auch nicht die Verantwortung für die sterbenden Wälder. Aus dieser Verantwortung entlassen Sie Millionen von Bürgern in diesem Lande mit uns gemeinsam nicht. Wir stehen ihnen bei in ihrem Kampf, sich ihre liebenswerte Heimat zu erhalten und den Kindern eine lebenswerte Zukunft. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Bayha. Herr Kollege Bayha, Sie haben zwar keinen runden Geburtstag, aber wenn Sie heute zu uns reden, möchten wir Ihnen alle herzlich zu Ihrem Geburtstag gratulieren. ({0})

Richard Bayha (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000120, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich für diese herzlichen Glückwünsche bei Ihnen bedanken. Kollege Dr. Vogel hat vorhin in einer Aneinanderreihung von volkswirtschaftlichen Daten Schuldzuweisungen für Schwierigkeiten in der Agrarpolitik vorgenommen. Ich meine, das hätte er lieber nicht tun sollen. Wenn er den Grünen Bericht gelesen hätte, insbesondere die Übersicht 31, dann hätte er das wohl auch nicht getan; dort ist an Hand einiger für die Landwirtschaft wichtigen Rahmendaten festgehalten, wie in den letzten sieben Jahren SPD- Regierung die Unkosten für die Landwirtschaft dreimal so stark gestiegen ist wie die Einnahmenseite. Dies ist einmalig in der Europäischen Gemeinschaft; denn alle anderen Länder haben in etwa ein Verhältnis von 1 : 1. ({0}) Das ist auch die außerordentlich große Schwierigkeit: diese auseinanderklaffende Schere, mit der die Landwirte seit Jahren zu tun haben. Es gibt sicher noch eine ganze Menge anderer Ursachen. Lassen Sie mich einmal kurz zurückblikken. In diesem Jahrhundert sind unsere Landwirte jahrzehntelang erzogen worden, gegen den Hunger oder in einen offenen Markt zu produzieren. Die Parole in den 30er, 40er und 50er Jahren war: Schlagt Erzeugungsschlachten! Als dann die Römischen Verträge abgeschlossen wurden und die EG kam, waren die Ziele nicht anders. In Art. 39 steht: „Die Produktivität der Landwirtschaft ist durch Förderung des technischen Fortschritts ... zu steigern. Die Produktitvität der Arbeitskraft ist zu erhöhen". Die neue Parole war: Versorgung sicherstellen zu einem angemessenen Preis. Auch auf der Konferenz von Stresa im Jahre 1958, wo der Familienbetrieb zum Leitbild erkoren wurde, hieß es im großen und ganzen: Erzeugt! Und auch in der jüngsten Zeit, im Jahre 1978 - um noch ein anderes Beispiel zu bringen -, hat die FAO, die Welternährungsorganisation, in Rom ein Gutachten erstellen lassen. Darin werden die Industrieländer aufgefordert, mehr in die Landwirtschaft zu investieren, weil nur sie, die Landwirtschaft, in der Lage sei, den Hunger in der Welt zu bannen. Neue oder alte Parole: Brot für die Welt. All das haben Sie von der Opposition, die Sie vorhin diesen Minister und diese Regierung kritisiert haben, gar nicht bedacht, insbesondere nicht die volkswirtschaftlichen Rahmendaten, die auf Sie zurückzuführen sind, an denen Sie mit Ihrer Regierung gescheitert sind und die diese Regierung Gott sei Dank geändert hat. Davon wird auch die Landwirtschaft etwas profitieren. ({1}) All diese Aufgaben, die ich eben ganz kurz skizziert habe, haben die deutsche Landwirtschaft und auch die Landwirte der übrigen EG-Länder mit einer grandiosen Leistungsbereitschaft gelöst. In den Hungerjahren ist die Bevölkerung ernährt worden. In den Jahren des Wirtschaftswachstums sind in der Bundesrepublik 3 Millionen Menschen für die übrige Wirtschaft freigesetzt worden. Wir haben j a nur noch 815 000 Vollarbeitskräfte in der Landwirtschaft. Die deutsche Landwirtschaft versorgt die Bevölkerung mit besten, qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln zum niedrigsten Preis. ({2}) Dazu möchte ich Ihnen hier ein paar Zahlen nennen. Die Ausgaben für die Ernährung machten 1950 - das habe ich mir dieser Tage vom Statistischen Bundesamt extra errechnen lassen, weil es diese Statistik nicht gibt - 42,5 % des gesamten privaten Verbrauchs aus. Heute sind es nur noch 19,2 %. Diese Leistung, die die deutsche Landwirtschaft für ihre Bevölkerung erbringt, ist Weltspitze. Das muß man doch auch einmal anerkennen! ({3}) Das muß man insbesondere dann anerkennen, wenn man - wie vorhin - vom Oppositionsführer sehr vorwurfsvoll hören muß, daß diese Regierung für die nächsten sieben Jahre der Landwirtschaft 24 Milliarden DM zusätzlich geben will. Diese Leistung, die die Landwirtschaft vollbracht hat, kann sich sehenlassen. Sie muß auch honoriert werden. Die Probleme, die wir heute haben, sind leider umgekehrter Natur: Die Bevölkerungsentwicklung ist rückläufig, die Produktionssteigerungen in der Landwirtschaft sind rasant, der Weltmarkt wird immer enger, die Agrarpreise stagnieren und die Unkosten steigen weiter. Hierzu zwei kurze Beispiele: Der Weizenpreis betrug 1950 33 DM pro Doppelzentner. 1985 lag er bei 48 DM. Das ist eine Steigerung von 1,1 % jährlich über einen Zeitraum von 35 Jahren. Die Unkostenseite will ich am Werklohn einer LandmaschinenReparaturwerkstatt verdeutlichen. Eine solche Stunde kostete 1950 3,51 DM, heute 43,20 DM. Das ist eine Steigerung von insgesamt 1 130% oder 7,5% pro Jahr. Das sind die Probleme, mit denen wir uns herumschlagen müssen. Meine Damen und Herren, hinzu kommt, daß wir es in den letzten Jahren beim Getreide mit exorbitanten Ertragssteigerungen zu tun hatten und in Zukunft noch mehr zu tun haben werden. Wir haben 1950, also vor 35 Jahren, 27 Doppelzentner Weizen geerntet. Wir ernten heute - letzter Durchschnitt - 57 Doppelzentner. Wir werden, wenn das so weitergeht - und daran zweifelt niemand -, in zehn Jahren 70 Doppelzentner ernten. ({4}) Diese Mengen sind nicht mehr verkraftbar und nicht mehr absetzbar. Wir hatten in diesem Jahr in der EG einen Verbrauch von 117 Millionen t und eine Ernte von 150 Millionen t. Wir gehen mit einem Überschuß von wahrscheinlich 30 Millionen t Getreide in das neue Erntejahr hinein. Zur Verdeutlichung: Wir könnten die ganze Sahelzone mit 8 bis 10 Millionen t Getreide zufriedenstellen, wenn es nur an den Mann gebracht werden könnte. Diese Ertragssteigerungen beim Weizen werden uns noch große Schwierigkeiten bereiten. Ich glaube, wir sollten hier auch einige unkonventionelle Dinge ins Auge fassen. Ich möchte einige kurze Denkanstöße geben. Erstens. Die Welthungerhilfe muß deutlich verstärkt werden. Ich meine, es ist ein Skandal, daß auf unserem Nachbarkontinent 30 Millionen hungern, während wir mit 30 Millionen t Überschuß in die neue Ernte gehen. ({5}) Zweitens. Ich meine, daß alle Agrarexportchancen mehr noch als in der Vergangenheit zu nutzen sind, insbesondere bei Spezialitäten. Drittens. Die Agrarproduktion für industrielle Rohstoffe muß in Forschung und Praxis beschleunigt werden. Wir wissen nicht, wann die nächste Ölkrise kommt und wir diese Produktion brauchen. ({6}) Viertens. Benachteiligte Gebiete sollten in Zukunft stärker flächenbezogen und weniger produktionsbezogen gefördert werden, d. h. man sollte von der Großvieheinheit als Bemessungsgrundlage Abkehr nehmen. Fünftens. Bei weiter ansteigenden Getreideüberschüssen in der EG sollte auch erwogen werden, ob bisher landwirtschaftlich genutzte Flächen nicht auf freiwilliger Basis vorübergehend stillgelegt werden. Stillgelegte landwirtschaftliche Nutzflächen sollten auch für Naturschutzzwecke, Freizeit, Erholung, zur Regeneration des Bodens und als Reserveland zur Verfügung gehalten werden. Solchermaßen stillgelegte Flächen sind meiner Meinung nach so zu pflegen, daß sie jederzeit bei Bedarf wieder in den landwirtschaftlichen Produktionsprozeß einbezogen werden können. Selbstverständlich sollten die Landwirte dafür einen angemessenen Ausgleich erhalten. Ich halte das aus folgenden Gründen für notwendig. Ich habe vorhin eine Rechnung aufgemacht, die in absoluten Zahlen so aussieht, daß wir bei steigenden Getreideerträgen in zehn Jahren zirka 80 Millionen t Getreide in der EG zuviel haben werden. Das ist eine Größenordnung, die nirgends absetzbar ist; denn die internationalen Märkte gehen zurück. Indien ist Selbstversorger. Die Volksrepublik China ist oder wird Selbstversorger. Die Sowjetunion macht alle Anstrengungen, Selbstversorger zu werden, d. h. die Aufnahmemöglichkeit des Weltmarktes wird in Zukunft noch wesentlich geringer. Da können wir einfach nicht mehr mit solchen außergewöhnlich großen Mengen an Getreideüberschüssen operieren. Hier müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen, ansonsten werden alle Dämme unterspült. Ich meine, auch im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft ist die Einberufung einer zweiten Konferenz von Stresa, auf der ein Grundkonzept für eine Neuorientierung der Agrarpolitik der EG entwickelt werden soll, ein Gebot der Stunde; eigentlich längst überfällig. ({7}) Die Überschußprobleme der Europäischen Gemeinschaft haben so dramatische Ausmaße angenommen und werden sich durch den Beitritt stark agrarstrukturierter Staaten wie Spanien und Portugal noch so verschärfen, daß eine neue agrarpolitische Strategie dringend geboten ist. Mit den national-egoistischen Verteilungskämpfen der Vergangenheit jedenfalls sind die Herausforderungen in Europa in der Zukunft nicht zu bewältigen. ({8}) Die erste Agrarkonferenz von Stresa im Jahr 1958 hat die agrarpolitischen Ziele für eine Sechsergemeinschaft konzipiert. Nach 27 Jahren ist es an der Zeit, über die Zielvorstellungen der EG allein schon deshalb nachzudenken, weil die Finanzierungsprobleme in Zukunft unlösbar erscheinen. Die Bundesregierung sollte bei der Europäischen Kommission, meine ich jedenfalls, auf die Einberufung einer solchen zweiten Konferenz von Stresa drängen. Das ist schon deshalb notwendig, weil ich von der EG-Kommission selber jedenfalls keine Initiative erwarte. ({9}) Ziel einer solchen Konferenz muß eine mittelfristige Agrarkonzeption sein, die sich mit den Fragen der Strukturanpassung, der Überschußproduktion und der Harmonisierung des Rechts befaßt. Meine Damen und Herren, lieber Minister Kiechle, ich habe einige Denkanstöße für eine mittelfristige Agrarpolitik, für mittelfristige Zielvorstellungen gegeben. Ich wünsche Ihnen in Ihrem Amt und für die schwierigen Verhandlungen der nächsten Tage großen Erfolg. ({10})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Oostergetelo. ({0})

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bayha, ich möchte Ihnen im doppelten Sinn gratulieren: erstens zum Geburtstag und zweitens, weil Sie über den Tag hinaus gedacht haben. Alles das, was Sie mittelfristig über Stresa und über die Begrenztheit des Weltmarktes gesagt haben, kann ich nur teilen. Aber ich muß Ihnen auch sagen: Sie haben fürsorglich das umschifft, was heute ansteht. Der alte Bodelschwingh hat einmal im Reichstag gesagt: Sie sterben darüber. Sie haben kein Wort zu den Verhältnissen heute gesagt, dazu, was heute in den Versammlungen bei den Bauern los ist. Das ist natürlich möglich. Ich kenne auch Ihre Einstellung, daß Sie jede staatliche Reglementierung mehr ablehnen als ich. Aber kein Wort Ihrerseits zur Reglementierung bei der Quote! Dies würde zur Redlichkeit dazugehören, nicht nur über morgen zu reden, sondern auch über heute, denn heute muß ich noch weiterleben. ({0}) Wenn ich mir die Reden anschaue: Lieber Kollege Paintner, ich kenne diesen Salto mortale aus allen Jahren. Erst gibt es über zwei Drittel der Rede Kritik, und dann folgt das Zurückfinden. Herr Bredehorn, ich bin mit Ihrem Vortrag mehr einverstanden. Nur muß ich Sie daran erinnern: Der Beschluß, die Quote einzuführen, ist auch von den Kabinettsmitgliedern der FDP gefaßt worden. ({1}) Dies vergißt man immer zu sagen. Mir wäre es lieber gewesen, Sie hätten sich vorher durchgesetzt. Ihre Meinung in diesem Punkt kenne ich, und ich akzeptiere sie auch. Der Agrarbericht 1983 enthält reichliches Zahlenmaterial von 11 000 Testbetrieben. Dafür Dankeschön. Der verantwortliche Minister hätte den diesjährigen Agrarbericht eigentlich mit einem Trauerflor versehen müssen; denn die aufgezeigten Ergebnisse sind mehr als deprimierend: der höchste Einkommensrückgang, den wir je hatten, der höchste Anteil von Betrieben mit Eigenkapitalverlusten - dies sind Fakten, meine Damen und Herren, ungefähr die Hälfte aller Betriebe lebt von der Substanz -, die bisher höchste Verschuldung, ein Tiefstand bei den Nettoinvestitionen, kurz ein negatives Buch der Rekorde. Das unterste Viertel, also die am schlechtesten verdienenden Betriebe, erwirtschaften, statistisch gesehen, überhaupt keinen Gewinn. Da reden viele bei Ihnen von Neid, wo es um das nackte Überleben geht! Sagen Sie doch auch mal draußen in den Versammlungen, daß das so gewollt sein muß! ({2}) Die Familienarbeitskraft im untersten Viertel muß sich pro Tag - bei 60 Stunden oder mehr in der Woche -, 365 Tage im Jahr plagen und noch 1,55 DM mitbringen. Das ist ein blamables Ergebnis für eine Regierung, die mit der Parole über das Land zieht: Leistung muß sich wieder lohnen. Wo wird denn da entlohnt? Zurück zum Agrarbericht: Wir hatten 1983 52 000 Auszubildende. Das ist der bisher höchste Stand, das ist erfreulich. Aber welch ein Gegensatz: Eine Vielzahl junger Menschen ist in Agrarberufen gut ausgebildet, aber ohne Chancen. Deshalb breitet sich gerade bei den Jugendlichen auf dem Lande Enttäuschung, Resignation aus. Auf der Anklagebank befindet sich nicht nur für die Jugendlichen die Milchquotierung, die Sie dann Garantiemengenregelung genannt haben. Statt einer differenzierten Mitverantwortungsabgabe das Wort zu reden, sie auszubauen und mit der Milchrente Produktion aus dem Markt herauszunehmen, haben Sie die Quotenregelung forciert. ({3}) Welch ein Aberwitz: 1 Milliarde DM wird ausgegeben, damit andere weiterproduzieren. Das ist doch das Ergebnis, meine Freunde: Hoch spezialisierte, hoch qualifizierte Lehrer in allen Bereichen haben den Minister gewarnt, Sie überhörten es. Fachkundige Beamte Ihres Hauses warnten, sie wurden von Ihnen ignoriert, Herr Minister. Die europäischen Partner sperrten sich, und das wurde die Ursache für die beweinenswerte Verhandlung, die wir dann als Ergebnis vor uns haben. Die Partner konnten den politischen Preis hochschrauben; denn die Bundesregierung klebte ja an ihrer Idee der Quote, wie sonst nur angeschlagene Minister der Regierung Kohl an ihren Sesseln kleben. ({4}) Die Partner ließen sich bitten, von Stuttgart über Athen - Sie wissen das auch - bis Fontainebleau, und dann hatte man die deutsche Regierung da, wo man sie haben wollte. Der Grenzausgleich war fällig. ({5}) Im übrigen sollten Sie hier Redlichkeit aufbringen: Es gab Konsens in diesem Hause bei allen Parteien und dem Bauernverband, daß der Grenzausgleich das nationale Interesse darstellt. ({6}) Der Minister hat noch in Berlin auf der vorvorigen Grünen Woche gesagt: Mit mir gibt es keinen Abbau des Grenzausgleichs und keine Nullpreisrunde. ({7}) Dies ist Wortbruch. Was denn sonst? ({8}) Herr Minister, Sie haben wie ein Löwe um die Durchsetzung der Milchquoten gekämpft und haben dafür den Radikalabbau des deutschen Grenzausgleichs zahlen müssen. Herr Brunner; daß Sie dies hier noch positiv auslegen, beruht nur auf Ihrer Findigkeit. Nein, meine Damen und Herren, auch der Minister selber war dieser Meinung. Am 2. Februar 1983 noch hat er gesagt: Die von der EG-Kommission vorgelegten Preisvorschläge sind für die deutschen Bauern unzumutbar. Dies gilt insbesondere für den Abbau des Grenzausgleichs. Sühler hat dasselbe gesagt. Sie können sich dies nicht noch einmal leisten. Aber ich denke, Sie kennen die Formulierung. Die Fehlleistungen des Kanzlers und des Landwirtschaftsministers führen große Teile der deutschen Landwirtschaft in eine schlimme Lage. Franz Josef Strauß spricht von 30 000 Betrieben. Zum Ausgleich des selbst angerichteten Schadens schuf die Koalition dann die Vorsteuerpauschale, ein Mittel, das jedoch als Produktionsanreiz wirkt. Ich weiß auch: Nicht alle im Bauernverband waren der Meinung, das so zu machen, wie man es gemacht hat. Aber wenn man dann von Ausgleich für alle redet, muß ich fragen: Für wie dumm halten Sie eigentlich die deutschen Bauern? Bei einer Hilfe über den Umsatz haben doch eindeutig die Klein- und Mittelbetriebe mit wenig Umsatz das Nachsehen. ({9}) Durch die Quotierung nimmt man ihnen erst den Umsatz und verspricht ihnen dann Hilfe über den Umsatz.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Carstensen?

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Natürlich.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Bitte schön.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Kollege Jan Oostergetelo, wenn Sie genauso wie der Kollege Vogel die 5%ige Erhöhung der Mehrwertsteuer beklagen und meinen, sie würde den kleinen Betrieben schaden und nur den großen Betrieben zugute kommen: Kann ich davon ausgehen, daß Sie bei Ihrem Umsatz in Ihrem Betrieb die erhaltenen 5 % zurückgegeben oder einer caritativen Einrichtung zur Verfügung gestellt haben? ({0})

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Also, Herr Kollege, diese Frage ist viel zu ernst, als daß ich dies so hinnehmen könnte. ({0}) Jetzt zwingen Sie mich, zu sagen: Erstens. Es ist auch dann meine Pflicht, wenn ich zu den Gesegneten gehöre, mich für den einzusetzen, der im Graben liegt. ({1}) Zweitens. Habe ich etwa meinen Vorredner nach seiner Quote oder meinen Nachredner nach seinen Höfen gefragt? Drittens. Es waren genau die Holsteiner, die die Schere noch öffnen wollten. Sie wollten 1,5 und 2,5 beim Geflügel. Sie wollten Industriebetriebe bei einem Umsatz von 1,6 Millionen DM mit 5 % fördern. Wenn es die Sozialdemokraten nicht gegeben hätte, hätten Sie zugestimmt. Wie können Sie das hier sagen? ({2}) Die Quotierung wurde am 6. Juni - das ist die Wahrheit, das bitte ich im Protokoll nachzulesen - von der Koalition, vertreten von Herrn Susset, eingebracht. „Regierungsentwurf" stand über diesem Schwindel, als es darum ging, nach oben zu öffnen. ({3}) Freunde, laßt mich noch zur Quotierung sagen: Die Quotierung nützt zwar Holland und England, aber im Hinblick auf Deutschland mit durchschnittlich 15,8 Kühen muß man fragen: Herr Minister, von wem haben Sie eigentlich „Schaden abgewendet" und wessen „Nutzen gemehrt"? Mit der Festlegung auf die einzelbetriebliche Quote und mit der Härtefallregelung haben Sie das schlechteste aller möglichen Modelle gewählt. Inzwischen wissen alle Bauern, daß sie als einzige in der EG Strafabgaben entrichten müssen, auch dann, wenn national die Quote nicht überschritten wird. Dieser PyrrhusSieg von Brüssel aus dem letzten Jahr kann für den deutschen Landwirtschaftsminister noch zum Waterloo werden. Auch in anderer Hinsicht ist der Minister noch nicht über den Berg: bei der Milchkontingentierung. Inzwischen gibt es 20 Verfassungsklagen, 20 000 Klagen bei den Verwaltungsgerichten. Es wird höchste Zeit, daß die Rechtsunsicherheit aufhört. Diese ist unerträglich. Wenn wir als Ökonomen hier miteinander diskutieren, sollte es doch keinen Zweifel unter uns geben. Es muß Schluß sein mit dem Fallbeil der Quotierung über der Existenz vieler Familien. Es ist bezeichnend, daß die CDU als Härtefälle nur solche anerkennt, in denen es um die Absicherung investierten Geldes geht. ({4}) Im Basisjahr gibt es für Betriebe, wenn die Betriebsleiter gestorben sind und keine Milch hatten, keine Anerkennung als Härtefall. Wenn der jetzige Betriebsleiter damals in Ausbildung war, ist das ebenfalls kein Härtefall. Auch bei schwerer Krankheit gibt es nicht die Anerkennung als Härtefall. Ich könnte jetzt eine ganze Palette existenzieller Notlagen aufführen. Es geht auch um solche, die in Feuchtwiesen zum verkehrten Zeitpunkt investiert haben und die Sie jetzt kaputtmachen, trotz der Investitionen. Meine Damen und Herren, es wird höchste Zeit. Seien Sie bereit, Herr Minister, über die bessere Idee, die Mitverantwortungsabgabe, nachzudenken! Entleihen Sie dies bei uns ruhig, wir würden Ihnen den Ideenklau gern nachsehen. Es war immer unser gemeinsames Anliegen, Herr Minister, daß die bäuerliche Struktur der Landwirtschaft erhalten bleibt. ({5}) Ich unterstelle Ihnen nicht, daß eine Politik der Existenzvernichtung in Ihrer Absicht lag, aber lassen Sie sich sagen: Faktisch, Herr Minister, wird sie derzeit betrieben. Danke schön. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete von Heereman.

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, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Ausführungen, die hier heute morgen klargemacht haben, wie verhängnisvoll sich die Einkommensentwicklung innerhalb der Landwirtschaft in der Bundesrepublik darstellt - das geht auch aus dem Agrarbericht hervor -, komme ich nicht umhin, doch Überlegungen anzustellen, ob es nicht sinnvoll ist, mit mehr sachlicher Auseinandersetzung und Diskussion an Dinge zugunsten der Bauern heranzugehen, als hier Gefechte zu führen, die uns überhaupt nicht weiterbringen, die auch zu Verdrehungen führen. ({0}) Ich habe mich eigentlich sehr gewundert, verehrter Herr Kollege Dr. Vogel, daß Sie zunächst so bei den allgemeinen wirtschaftlichen Dingen eingestiegen sind. Fest steht doch, daß wir wesentliche Verbesserungen haben. Das Zurückführen der Inflationsrate bringt pro Punkt 8 Milliarden DM mehr Kaufkraft, die u. a. auch der Landwirtschaft zugute kommen. Da müssen Sie doch bitte einmal sehen, daß wir 1980 5,5 %, 1981 6,1 % hatten und jetzt 2,6 % haben. Ich bin auch der Meinung, daß man dann nicht so in einem Rundumschlag einem sich sehr bemühenden Landwirtschaftsminister unterstellen sollte, er mache eine falsche Politik und faktisch auch eine Politik gegen die Bauern.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller ({0})?

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, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich diesen Satz und diesen Gedanken noch zu Ende führen. Ich möchte Ihnen dann vor Augen halten, was Ihr Fraktionskollege, der frühere Bundeskanzler, auf einer Vortragstagung vor wenigen Tagen gesagt hat. Ich darf nur einen kurzen Satz zitieren aus der „Frankfurter Allgemeinen", die die Situation beschreibt: Ein Zucken geht über die Gesichter einiger Zuhörer, als der Redner - gemeint ist der ehemalige Bundeskanzler Schmidt darauf hinweist, daß Stoltenberg an der hohen Arbeitslosigkeit ebensowenig schuld sei wie zuvor die von ihm geführte Regierung. Dies sei das Ergebnis einer Weltkrise. Hier sehen wir doch, daß wir vielleicht ehrlicher diskutieren sollten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, Sie gestatten eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller ({0})?

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, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege von Heereman, könnten Sie mir bitte sagen, wo bei einer Inflationsrate von über 2% und einer negativen Einkommensentwicklung das Plus für die Landwirtschaft ist?

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, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das Plus ist immer da, Herr Kollege Müller. Wenn Sie eine Inflationsrate von 6% oder 6,5% haben und sie auf 21)/0 absenken - Sie kennen meine Aussagen von früher -, dann haben Sie eine wesentliche Verbesserung. ({0}) Daß die Einkommenssituation allgemein schlecht ist, wird überhaupt nicht bestritten. Nur daß Sie auch so etwas als negativ hinstellen, ist doch eine Verdrehung der Tatsachen, die ich hier dargestellt habe. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, es gibt noch jemanden, der eine Zwischenfrage stellen möchte. Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Oostergetelo?

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, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön, Herr Kollege.

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Heereman, sind Sie es den Bauern nicht schuldig, bei der Situation, in der sie stehen, hier jetzt nicht Bagatellreden zu halten, die das verschleiern sollen, was die Bauern in ihren Verbänden draußen mitbekommen, ({0}) und sind Sie nicht bereit, sich endlich zu entscheiden, ob Sie diese Politik der CDU im Agrarbereich mitvertreten oder der Präsident des Verbandes sein wollen?

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, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Oostergetelo, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß ich hier als Mitglied dieses Hohen Hauses auf das eingehe, was vorgetragen und zum Teil vorgelesen wird, und daß ich hier aus meiner Sachkenntnis heraus Diskussionsbeiträge leiste. Aber da ich bei Ihnen gerade bin: Was Sie hier wieder an Verdrehungen vorgetragen haben, ({0}) bis hin zu der Frage mit den 330 Vieheinheiten, das gibt mir Anlaß zu der Frage: Wer hat das denn geändert? Das haben doch die Koalitionsfraktionen geändert! ({1}) Wer hat denn überhaupt erstmalig eine Begrenzung eingeführt, damit wir - und ich weiß, worüber ich spreche - überhaupt einmal Grenzen haben? ({2}) Wer hat das denn gemacht? Sie können doch hier die Dinge nicht verdrehen! Wenn Sie von Ihrer gestaffelten Mitverantwortungsabgabe reden, sagen Sie doch bitte einmal, was Sie wollen! In Ihre Entschließung schreiben Sie hinein, daß die Milchkontingentierung abgeschafft werden soll, und dann setzen Sie sich für eine EG- einheitliche Anwendung der Regelungen auf dem Milchmarkt ein. Was heißt das denn? Sagen Sie doch bitte auch dazu, was Sie im Wochenblatt Baden-Württemberg geschrieben haben, daß Sie für die ersten 20 Kühe einen 5 %igen Abzug wollen. Diese Belastung ist wesentlich höher als das, ({3}) was jetzt durch die Garantiemengenordnung geschieht. ({4}) Wenn Sie glauben, daß hier nicht sachlich diskutiert wird, Sie aber etwas verdrehen wollen, müssen Sie auch - dieser Meinung bin ich schon - diese Antwort bekommen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Oostergetelo?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, danke. Ich glaube, das erübrigt sich, da der verehrte Herr Kollege überhaupt nicht willens und bereit ist, sachlich und fundiert zu diskutieren. ({0}) Meine Damen und Herren, die Ursachen der aufgezeigten Entwicklung liegen - das ist klar genug gesagt worden - in den verschlechterten Rahmenbedingungen und in der zunehmend restriktiveren Agrarpreispolitik. Auch hier weiß ich ja, worüber ich spreche. Wie schwer war es doch in den früheren Jahren, überhaupt Preisverbesserungen durchzusetzen! Ich weiß doch, wie schwer es der Ernährungsminister Ertl seinerzeit gehabt hat, etwas durchzusetzen. Ich habe doch diese Verhandlungen miterlebt, und ich weiß, wie der Grenzausgleich abgezogen werden mußte und nicht ausgeglichen wurde, was u. a. zu dieser Einkommenssituation geführt hat. Sie haben also die Rahmenbedingungen sich ständig verschlechtern lassen. Hinzu kommt die allgemeine Entwicklung, daß auch keine alternativen Arbeitsplätze da waren. Der wachsende Produktionsdruck, der entstand, war doch die Folge einer unzulänglichen Preisanhebung und führte zu niedrigen Realeinkommen und zu einer wachsenden Zahl von existenzgefährdeten Betrieben. Da ist doch nicht scheinheilige Auseinandersetzung gefordert, sondern da ist doch gefordert - der Kollege Bayha hat darauf hingewiesen -, daß wir uns endlich mit kurzfristigen und mit mittel- und langfristigen Programmen auseinandersetzen, wozu wir doch Reformen brauchen. Ich muß noch einmal Sie, Herr Kollege Vogel, ansprechen. Wir widersetzen uns ja Reformen überhaupt nicht. Ihre Alternativvorschläge besagen, Sie wollten weniger Planung und weniger Administration, aber wenn Sie dann auch wieder zur gestaffelten Mitverantwortungsabgabe kommen, bedeutet das auch Administration. Wenn keine Lösung gefunden worden wäre, wäre ja überhaupt kein Einstieg vorgenommen worden. Ich bin schon der Meinung, daß es notwendig ist, daß wir mehr Konsens herstellen, ({1}) und das dürfte doch wohl möglich sein. ({2}) - Ich brauche mir nicht zu überlegen, was ich sage; ich weiß, was ich sage. ({3}) Sie haben, wie einige Redner, kritisiert, daß manche hier anders reden als draußen. Ich sage das gleiche. Preiserhöhungen in Brüssel sind dringend notwendig. Dazu hätten Ihre verehrten Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament auch mal ein mutiges Wort sagen und mitstimmen sollen. ({4}) - Dazu komme ich. Selbstverständlich muß auch die Finanzierung - da ist die Bundesregierung gefordert - für dieses Haushaltsjahr schnellstens sichergestellt werden. ({5}) Das ist dringend notwendig und wird auch finanziert. - Ich glaube, Herr Kollege Roth, wir können und brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, wer mit Geld fertigwerden kann und wer nicht. ({6}) Das hat doch wohl diese Bundesregierung bewiesen, daß sie das kann. ({7}) - Ich weiß, daß Ihnen das unangenehm ist. Aber Einschnitte sind notwendig gewesen, genauso wie in der Agrarpolitik. Ich will hier keine Schuldzuweisungen vornehmen; es bringt uns nicht weiter. Nur eins muß ich hier doch sagen: Wenn wir Programme entwickeln, sollten wir das sinnvoller tun. Wenn wir über Umweltschutz sprechen, haben Sie uns j a mit dabei. Unsere Entschließung sagt Ihnen ja, was die Koalitionsfraktionen tun wollen, weil es dringend notwendig ist, daß Änderungen erfolgen. Ich bin der Meinung, daß die Agrarpolitik kurz und mittelfristig zweierlei tun muß: Der Einkommensdruck muß weg. Die Hoffnungslosigkeit muß aus den Betrieben heraus. Dazu muß kurzfristig preispolitisch etwas gemacht werden, und da unterstützen wir den Bundesminister voll bei seinen Verhandlungen. ({8}) Auf der anderen Seite müssen wir uns darüber im klaren sein, daß für benachteiligte Gebiete und Regionen Ausgleichszahlungen kommen müssen. Das, was unter anderem der Berufsstand seit vielen Jahren gefordert hat, die Ausgleichszulage zu erhöhen und zu erweitern, ist ja bereits geschehen. Das ist ein Beschluß und ein Einstieg in eine Politik, der dringend notwendig war. Nicht über Einkommensausgleich reden, sondern Einkommensausgleich zahlen ist für mich handfeste und greifbare Politik. ({9}) Sicherlich können wir uns über mögliche Entlastung unterhalten. Die Flächenextensivierung vor allem in Landschaftsschutzgebieten ist angesprochen worden. Hier haben wir schon eine Menge vorliegen. Aber solche Maßnahmen sind nur gegen ausreichende Entschädigungen möglich und durchzuführen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Roth?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ich habe eine kleine Frage, die sich auf die Anwesenheit der Bundesregierung bezieht. Wir sind uns einig, daß Ihr Weg über die Preispolitik oder unser Weg über die direkten Einkommensübertragungen jedenfalls erhebliche finanzielle Folgen hätte, egal, welchen Weg man wählt. Halten Sie es für angemessen, daß der Bundesminister der Finanzen und seine vier Staatssekretäre - alle fünf also - in dieser finanz- und haushaltspolitisch so dramatischen Debatte durch Abwesenheit glänzen?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Roth, das kann ich nicht beurteilen. Für mich deckt, was die Kompetenz und den Sach- und Fachverstand angeht, der zuständige Ressortminister das alles mit ab. ({0}) Im übrigen sollten wir nicht versuchen, mit solchen Sachen die Dinge interessanter zu gestalten. Das bringt uns nicht weiter. Eine Agrarpolitik, die bäuerliche Struktur erhalten will, muß alle Möglichkeiten nutzen, um Familieneinkommen zu verbessern. - Nicht nur Preispolitik, verehrter Herr Kollege Roth, sondern dort, wo es möglich ist, auch direkte Einkommensübertragung. Und bitte, nehmen Sie doch zur Kenntnis: Hier ist etwas geschehen. Hier ist schon etwas gemacht worden. Nur, jetzt müssen die Änderungen auch geradlinig durchgezogen werden. Ich hätte schon die Bitte, daß wir uns etwas mehr, als es auch heute morgen hier geschehen ist, auf diese Gemeinsamkeit besinnen. Denn es geht hier um die Bauern. Es geht um die Bauern, die es endlich leid sind, daß man nur über sie redet - und das überall. Sie brauchen Hilfe. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP haben das über den Entschließungsantrag und über die Erklärung kundgetan. Der Bundesminister hat die Erklärung abgegeben, was jetzt geschehen muß. Ich bin der Meinung, daß wir dann mehr Gemeinsamkeiten haben werden, als man hier überhaupt - den Eindruck habe ich - zur Kenntnis nehmen will. Man sollte das mehr zur Kenntnis nehmen. Wir sind nicht in einer Sackgasse. Wir sind auch nicht so verwegen, zu glauben, daß wir, womöglich mit der Rückkehr zu Hammer und Sichel in ein vorindustrielles Zeitalter, nur auf einmal eine neue Landwirtschaft entwickeln können. Wir müssen schon eine moderne, umweltbewußte Landwirtschaft haben, aber bitte keine Hysterie! Ich war sehr froh, daß heute morgen auch die Kollegin Vollmer die Dinge hier nicht so hysterisch dargestellt hat, obwohl Ihr Einstieg, sehr verehrte Frau Kollegin, sicherlich einige Anmerkungen notwendig machen würde. Nur, Sie haben gesagt, daß Sie wahrscheinlich heute das letztemal hier gesprochen haben, und ich möchte Ihnen die Rückkehr aus der Arbeit hier nicht erschweren. ({1}) Meine Damen und Herren, also mehr Verständnis und endlich Hilfe für die Bauern! Das wird uns weiterbringen, und dazu sind heute gute Vorschläge gemacht worden - bis hin, wie ich nochmals sagen muß, zum Abbau von Emissionen und Umweltschädigungen. Die Fragen des Waldes sind hier angesprochen worden. Die Gutachten lagen übrigens schon vor zehn Jahren vor. Das muß ich Ihnen, Herr Kollege Kißlinger, sagen. ({2}) Die Gutachten lagen schon vor zehn Jahren vor; Sie hätten nur Ihre schwedischen Kollegen zu fragen brauchen. Die hätten Ihnen schon damals ein Gutachten über acid rain und über Versauerung vorleFreiherr Heereman von Zuydtwyck gen können. Nur, das ist nicht ernst genug genommen worden, und was 1972 und 1976 in den Vereinigten Staaten und in Japan möglich war, haben wir nicht gemacht. Nur - ich wiederhole mich bitte keine weiteren Schuldzuweisungen! Lassen Sie uns gemeinsam sehen, das Los der Bauern zu verbessern! Herzlichen Dank. ({3})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Immer.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht im einzelnen auf die Vorrede eingehen. Dazu ist nämlich im vorhinein schon einiges gesagt worden. Mir geht es darum, daß wir auf die Dinge zu sprechen kommen, die nicht erwähnt worden sind. So bedaure ich es, daß in der Rede des Ministers kaum ein Satz über Strukturpolitik vorkam und in den ganzen Diskussionen und Beiträgen auch kein Satz zu des Ministers liebstem Kind, dem Agrarkredit. Und das wird doch seinen Grund haben. Denn mit dem bisherigen Ergebnis ist kein Blumentopf zu gewinnen. Nur 60 % der Mittel wurden ausgeschöpft, nur 30 % der Anträge kommen aus benachteiligten Gebieten, und es kann sich bei ihnen nur um Betriebe handeln, die, möglicherweise über eine Härteregelung, gesundgefördert worden sind. Das ist ja auch klar. Die, denen geholfen werden müßte, sind gar nicht in der Lage, solche Kredite aufzunehmen. Wenn einem das Wasser bis zum Hals oder gar bis zum Munde steht, kann man nicht noch mehr Kredite aufnehmen, auch wenn sie verbilligt sind. Denn jeder Kredit mehr wird die Katastrophe vergrößern. Es ist ja auch bezeichnend, daß die Betriebsgrößen, auch wenn sie nicht unbedingt für den Betriebserfolg maßgebend sind, bei den geförderten Betrieben durchschnittlich höher sind als beim einzelbetrieblichen Förderungsprogramm. Sie übersteigt sie um 6 %. Das ist doch sehr bezeichnend. Außerdem wird behauptet, man hätte auf eine Förderschwelle verzichtet. Lesen Sie sich die Richtlinien doch einmal durch. Ich habe mir sie von der Kammer Kreuznach und der Kammer Rheinland geben lassen. Darin ist ganz eindeutig von einer Bonitätsprüfung, einem Betriebsentwicklungsplan die Rede. Darin steht eindeutig, daß die Betriebe nicht überlastet werden dürfen, daß also dann, wenn ihr Einkommen nicht ausreicht, eine bestimmte Schwelle nicht erreicht, der Kredit zu versagen ist. Was ist das anderes als eine Förderschwelle? Die Förderschwelle besteht also weiter. ({0}) Was wird übrigens aus einem Programm für Junglandwirte in dieser Beziehung? Hier müßte, wie ich glaube, einiges getan werden. Darüber werden wir nachdenken müssen. ({1}) Ich komme zu einem anderen Punkt, der im Rahmen der Beratung über einen Agrarbericht auch anzusprechen ist, nämlich zum ländlichen Raum. Herr Kiechle hat gesagt, auf Grund der Arbeitslosigkeit wäre es unverantwortlich, die Landwirte direkt oder indirekt von ihren Höfen zu verdrängen. Einverstanden! Herr Susset sagte 1981: „Man kann auch nicht fordern, daß diejenigen, die in der Landwirtschaft heute nicht das entsprechende Einkommen erzielen, einfach heraus sollen. Die Arbeitsplätze sind nicht da." - Ähnlich sagt es Herr Sauter: „Wir verwahren uns gegen eine passive Sanierung dieser Gebiete. Im Mittelpunkt unserer Strukturpolitik steht der Mensch, der in dieser Region lebt und arbeitet." Das sind wunderbare Sätze. Was aber sind die Fakten? Diese sehen so aus: Rückzug von Bundesbehörden aus der Fläche, 2,6 Millionen Arbeitslose. Herr Paintner, es sind doch nicht 500 000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden. Sie haben doch noch gar nicht bilanziert. Die Zahl der Arbeitsplätze, die verlorengingen, übersteigt die Zahl derjenigen Arbeitsplätze, die dann wieder ersetzt wurden, bei weitem. Sonst hätten wir im ländlichen Raum doch nicht die hohe Arbeitslosigkeit. ({2}) - Nein! Entschuldigen Sie vielmals - die Strekkenstillegungen grassieren, der Bund zieht sich im Bereich von Bundespost und Bundesbahn aus der Fläche zurück. Das haben wir hier immer beklagt. Auch Sie haben uns das damals vorgeworfen. Heute aber wird es durchgeführt. Wo bleibt denn der Protest? ({3}) Bei der Bundesbahn zahlen die Länder und die Gemeinden die Zeche. Die Fahrpreise für den Schienenersatzverkehr sind höher als die für die Bundesbahn, obwohl die Kosten für die Strecken nicht mehr dem Betreiber angelastet werden. Die Gemeinden müssen zahlen. Es müssen neue Straßen gebaut, Straßen erweitert und Haltebuchten eingerichtet werden. ({4}) - Seien Sie ganz still. - Das ist eine Sanierung auf Kosten der Schwachen. Was bedeutet das? Der Individualverkehr weitet sich aus. Der öffentliche Personennahverkehr in der Fläche geht kaputt. Was die Situation der Milcherzeuger in Problemgebieten betrifft, so kann man nur von einer kalten Enteignung sprechen. Das muß ganz klar gesagt werden. Diese Leute haben auf ihrer Fläche keine Immer ({5}) Chance mehr, weil sie weder Schweine produzieren noch in die Ackerproduktion einsteigen können und die Milch eben nicht mehr erzeugen dürfen. Sie können ihre Fläche also nicht mehr eigentumsgemäß nutzen. Was ist das anderes als Enteignung? Ich fasse zusammen, und zwar mit einem Zitat von dem jetzigen Staatssekretär im Ministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Er sagte - allerdings 1976 -: Die Raumordnungspolitik der Bundesregierung tritt auf der Stelle. Sie gleicht dem Versuch einer Schildkröte, sich im Stabhochsprung zu üben. Wie wahr, wie wahr, aber nicht 1976, sondern heute. Es wurden hehre Grundsätze der Raumordnungspolitik vom Kabinett beschlossen, aber es wird nichts getan. Die Abstimmung findet nicht statt. Erstens. Der Entlastungsangriff der Koalition zur Beschwichtigung der Bauern ist gescheitert. Die Schüsse gingen ins Leere; einige Rohrkrepierer, um nicht zu sagen: Eigentore waren dabei, Herr Eigen, so z. B. das Agrarkreditprogramm, das denen nicht hilft, die bis zum Hals in Schulden stecken. Wie wäre es, einmal darüber nachzudenken, ob es nicht in begrenztem Maße in Härtefällen Umschuldungsdarlehen geben könnte? Das ist ein ernsthafter Vorschlag, den ich zu bedenken bitte. Zweitens. Eine Neukonzeption der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ist dringend erforderlich. Drittens. Beide Gemeinschaftsaufgaben müssen angesichts der zum Teil hoffnungslosen Situation in den ländlichen bzw. peripheren Problemgebieten und insbesondere auch in Teilen des Zonenrandgebietes stärker aufeinander abgestimmt werden. Viertens. Der öffentliche Personennahverkehr in der Fläche muß, wie ein Antrag der SPD-Bundestagsfraktion es fordert, endlich in ein Gesamtkonzept eingebunden werden, das auf die einzelne Region bezogen ist. Das Suppenkasperprinzip, nämlich Stillegung durch Auszehrung - am siebten Tage war sie tot, die Strecke -, wird auch von der Post praktiziert. Dem muß gegengesteuert werden. Fünftens. Die von der Bundesregierung geförderte, zumindest geduldete Passivsanierung muß gestoppt werden. Sechstens. Die längst überfällige Abstimmung der Bundesressorts über die Kompetenzen in Fragen der raumbedeutsamen Wirtschafts-, Verkehrs-und Umweltpolitik muß schnell zu Ende gebracht werden und endlich zu Taten führen. Denn in zwei Jahren ist bei Ihnen alles vorbei. Ich hoffe, daß Sie bis dahin noch einiges tun; es wird allmählich Zeit. Siebtens. Ohne ein wirksames Beschäftigungsprogramm wie das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt", das die SPD vorgeschlagen hat, hat der ländliche Raum nach meiner Meinung - dies zeigen auch die Statistiken - keine Chance, zu überleben, haben die Menschen keine Chance, in ihrer Heimat zu bleiben. Wir möchten nicht gerne, daß es eine neue Art von Heimatvertriebenen gibt, die den ländlichen Raum aus wirtschaftlichen Gründen allenthalben verlassen müssen. Wir wollen, daß diese Menschen dort wohnen bleiben können, wo zu wohnen sie ein Recht haben. Darum brauchen sie eben nicht mobil zu werden. Vielmehr müssen wir alles tun, damit sie dort arbeiten, zur Schule gehen, ihre Bildung erfahren und ihre Landwirtschaft betreiben können. ({6}) Dazu sollten Sie beitragen. ({7}) - „Späte Erkenntnis"? Dann lesen Sie die Reden nach, die ich in diesem Hohen Hause gehalten habe. Da werden Sie die Widersprüche nicht finden, die wir bei Herrn Kiechle, Herrn Sauter, Herrn Susset und anderen finden. Ich danke Ihnen sehr herzlich. ({8})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Ignaz Kiechle (Minister:in)

Politiker ID: 11001091

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Höflichkeit gebietet es, daß ich mich für alle Diskussionsbeiträge, die in dieser Debatte geleistet worden sind, bedanke. Wenn ich allerdings an die Diskussionsbeiträge der Opposition denke, fällt mir ein Wort von Matthias Claudius ein, das er vor rund 200 Jahren gesagt hat. Er meinte damals schon: Früher wußten die Menschen mehr, als sie schrieben. Heute schreiben sie mehr, als sie wissen. Ich kann nur hinzufügen: Das, was hier geredet wurde, ohne daß etwas gesagt wurde, deutet darauf hin, daß nicht einmal mehr das Wissen über das Nichtssagen vorhanden ist. ({0}) Es ist ein wahrer Jammer was hier in einer solchen Debatte geboten worden ist - und das immerhin in einer ernsten Zeit. Ich will Ihnen gleich ein paar Beispiele nennen. Denn es war starker Tobak, was hier heute gesagt wurde. Auch das steht für die künftigen Jahre im Protokoll, meine Damen und Herren. Erstens. Der Vorsitzende der Fraktion der SPD hat sich bemüht, selbst hierherzukommen - was ich sehr begrüße -, um an der Agrardebatte teilzunehmen, um in ihr zu reden. Nur, das, was Sie, sehr verehrter Herr Vogel, gesagt haben, hat Ihnen kein Fachmann aufgeschrieben. Das möchte ich Ihnen schon sagen. ({1}) Sie haben hier von den Überschüssen gesprochen und darauf hingewiesen, daß ich einmal gesagt hätBundesminister Kiechle te, wegen der Überschüsse sollte man nicht soviel Wind machen. Damals hatten wir in ganz Europa 330 000 Tonnen Butter und 170 000 Tonnen Magermilchpulver auf Lager. Ich habe mich jetzt mit anderen Mengen herumzuschlagen. Zweitens. Sie haben lang und breit darauf hingewiesen, daß den Bauern jetzt hohe Subventionen gezahlt werden müßten, daß es bessere Wege gebe usw. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Auch die Verbraucher haben, wenn auch in diesem Fall zu Lasten der Bauern, profitiert. ({2}) Sie haben jetzt nämlich im Jahr, bezogen auf die derzeit geltenden Preise, die selbstverständlich auch unter dem Druck der Mengen zustande gekommen sind, eine Entlastung von rund 2 Milliarden DM. Das müßte man dann der Überbrückungshilfe gegenrechnen, wenn man hier seriös argumentieren will. ({3}) Drittens. Sie haben gesagt, ich machte in Brüssel Preisvorschläge, die finanziell in keiner Weise gedeckt seien, weil unser Finanzminister hier den Bremser spiele, und das sei ein Widerspruch in sich. Ich bin mir schon darüber im klaren, daß seriöse Politik machen auch über Geld reden heißt. Ich weise Sie allerdings - das konnten Sie vielleicht nicht wissen - darauf hin - vielleicht nehmen Sie es dann jetzt zur Kenntnis -, daß die Europäische Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, für 1985 einen Haushaltsvoranschlag vorgelegt hat, in dem sie die ECU so bewertet, als ob sie, umgerechnet in D-Mark, im Verhältnis zum Dollar 2,80 DM wert sei. In Wirklichkeit haben wir eine echte Relation von 1$ : 3,40 DM. Damit hat sie sich eine stille Reserve von rd. 1 Milliarde ECU in diesem Haushalt geschaffen. Mit dieser Milliarde ECU läßt sich wohl noch eine Preisanhebung in der Größenordnung für das laufende Jahr - ({4}) - Na; ich weiß auf jeden Fall, daß er im Jahr 1985 nicht auf 2,80 DM zurückgehen wird. Das läßt sich jedenfalls mit größerer Sicherheit annehmen als Ihre Unterstellung, daß kein Geld da sei. ({5}) Jedenfalls ist mit dieser stillen Reserve eine gewisse Preisanhebung zu vertreten. Was wir hier überhaupt insgesamt gehört haben, ist natürlich der alte Streit. Wir können ihn offensichtlich nicht austragen. Sie kleiden ihn heute in viele Gemälde und Bilder. Der eine sagt: Zu Lasten der Agrarproduktion muß ein Marktgleichgewicht über Preise hergestellt werden. Das versteckt sich auch in dem Antrag, den Sie hier stellen: Mehr Markt usw. Die Sprüche kenne ich alle. Das klingt prima. Da klatschen die meisten. Keiner weiß, was gemeint ist. Ich weiß es. ({6}) Von den Vertretern dieser Richtung wird gesagt: Wir müssen die Preise senken, dürfen sie auf alle Fälle nicht erhöhen, müssen sie eher senken; dann ergibt sich am Markt von selbst ein Gleichgewicht. Schön. Dieses Konzept kann man vertreten. Vertreten Sie es bitte im Klartext! Ich vertrete ein anderes Konzept, und die Bundesregierung mit mir. Deswegen braucht der Finanzminister nicht da zu sein, weil wir j a nicht mit zwei Zungen reden. Ich kann für ihn in diesem Fall mitreden. ({7}) Ich vertrete das Konzept, wir müssen unseren Bauern, vor allem den kleinen und mittleren und denen in schlechten Regionen, weil sie dort unter ungünstigen Voraussetzungen produzieren, die Preise sichern und erhalten und eher möglich machen, daß sie steigen, und müssen dafür das ständige Wachstum der Mengen bremsen. Dies ist allerdings in einem Zeitpunkt, in dem man so hohe Überschüsse vorfindet, wie wir sie jetzt haben, ein schwieriges Geschäft. Das bestreite ich nicht. Sie stoßen jetzt in die Wunden, die da vorhanden sind. ({8}) - Ich nehme keine Zwischenfrage an. - Sie stoßen jetzt in diese Wunden, die da auf Grund der Durchführungsmodalitäten usw. vorhanden sind, und tun so, als ob davon die ganze Agrarpolitik abhinge. So ist es bei Gott nicht. Wir haben ja schon die beiden Wege geöffnet: Sozialpolitik einerseits, Förderung benachteiligter Gebiete andererseits, um zusätzlich zur Preispolitik etwas zu tun. Dann wird hier einfach gesagt, die Quote ist die Quelle allen Übels. Na schön: Die Quote hat ihre Übel. Es war das kleinste aller noch möglichen Übel. Das bestreitet keiner. Nur, ich muß etwas hinzufügen. Wenn wir weiterhin jeden hätten produzieren lassen, wie es ihn freut und wie er kann - das ist j a die Konzeption, die der Herr Oostergetelo in Form einer Pfarreipredigt vorträgt -, dann hätten wir noch mehr Menge; und bei dieser noch größeren Menge sinkt der Preis dann, weil wir ihn nicht mehr über die Marktordnungen halten können. Wer die Marktordnungen kaputtmachen will, muß die Mengen ständig steigen lassen. Das kann der einzelne Landwirt nicht verstehen. Aber das ist an sich das einfachste Konzept, um die Preise kaputtzumachen. Aber dann haben Sie lauter Härtefallgeschädigte, wenn der Milchpreis um 15 Pfennig heruntergeht. Dann brauchen Sie sich nicht mehr über soundso viele Tausende Härtefallgeschädigte zu unterhalten, sondern dann sind es sämtliche Bauern, die Milch produzieren, auch die mit großen Betrieben und möglicherweise, weil sie investiert haben, vielen Schulden. Das wollte ich Ihnen zu dieser Auseinandersetzung sagen. Die kann keiner ändern. Die muß einfach durchgetragen werden. Am Schluß werden unsere Bauern schon merken, ({9}) wer ihnen da etwas vormachen will und wer ihnen nichts vormachen will. Übrigens, das Gutachten, das der Herr Wimmer nicht finden kann, ist im Jahr 1984 auch dem Ausschuß übersandt worden. Es ist nicht geheim. Es ist in den grün-weißen Heften veröffentlicht. Ich gebe Ihnen die Nummer. Da können Sie es nachlesen. Aber wenn hinter Ihren Ausführungen noch nicht einmal steht, daß Sie wissen, daß es das Gutachten längst gibt und daß es veröffentlicht ist, dann brauche ich mich über die übrigen Punkte auch nicht zu wundern. ({10}) - Das ist genau richtig veröffentlicht. ({11}) - Sie können es beim Hiltrup-Verlag bestellen, wenn Ihnen die paar Mark nicht zu schade sind. Es ist übergeben worden. Also, kommen Sie! Machen Sie hier nicht noch einmal Aussagen, die nicht wahr sind! Im übrigen möchte ich Ihnen, Herr Dr. Vogel, zu den Ausführungen Ihres großen Spezialisten und Sachverständigen Oostergetelo etwas sagen, nicht zu dem, was er hier gesagt hat - das war es nicht wert -, aber hier ist ein Interview vom 9. März. Ich lese nur ein paar Sätze vor. Erstens hat er gesagt: Die deutschen Interessen - in den Brüsseler Verhandlungen, um die geht es sind völlig verspielt. Es gibt keine Möglichkeiten, beim Grenzausgleich nachzupokern. In der EG lagern Überschüsse im Wert von 18 Milliarden DM, und wir haben überhaupt keine Chance, mit einer Nullrunde aus den Preisverhandlungen herauszukommen. Bei der nächsten Frage sagt er: Wenn ich Landwirtschaftsminister wäre, ({12}) dann würde ich auf jeden Fall versuchen, bei den Produkten, die am Markt einen Preisspielraum bieten, Erhöhungen herauszuhandeln. Möglichkeiten zu einer Preiserhöhung sehe ich vor allem im Milchbereich. Also genau in dem Bereich, wo wir die Quotenregelung festgelegt haben, sieht er plötzlich noch Möglichkeiten zur Erhöhung der Preise. Bei der nächsten Frage sagt er: Sie haben recht. Der Spielraum bei den Preisverhandlungen ist minimal. Er muß trotzdem voll ausgeschöpft werden. Da haben Sie also drei Aussagen in einem Interview. Dann wissen Sie auch, was seine übrigen Bemerkungen hier letztlich wert waren. Dann möchte ich - ich habe noch eine Minute - eine Bemerkung zu diesem System von Mengen und Preisen machen. Da gibt es ein ganz einfaches Zitat. Vielleicht kann man sich das merken. Das Zitat stammt nicht von mir, aber ich zitiere es hier: Zur Überschußbekämpfung senke man die Preise und erhöhe so die Produktion und damit die Überschüsse, da die Bauern den Verlust auszugleichen versuchen. Darauf reagiere man mit weiterem Preisdruck und zwinge die Landwirte, langsam aber sicher entweder zu Tier- und Agrarfabrikanten zu werden oder als Bauer aufzuhören. Eine solche Politik zerstört sowohl die bäuerliche Landwirtschaft als auch Natur und Umwelt. Ich kann dem nur zustimmen. Nur bin ich nicht bereit, das über die Preise zu machen, wie das ja längst das Evangelium in vielen Debatten ist und wie das auch von Ihnen, Herr Müller, noch vor eineinhalb Jahren beschworen und als Programm vorgesehen wurde. Ich brauche nur nachzulesen, was Ihr Sprecher Arndt bei der Debatte im Europäischen Parlament vorgestern wieder gesagt hat: Herunter mit den Preisen, auf jeden Fall eine Nullrunde, alles andere könne er nicht vertreten. Das ist der Unterschied zwischen den Worten und den Taten. Ich muß ehrlich sagen, ich bin gerne bereit, mich über jede sachliche Aussage, über jeden Vorschlag und natürlich auch über jede Kritik, wenn sie auf Fakten, Daten und Tatsachen beruht, wirklich echt auseinanderzusetzen. Aber über bloßes Geschwätz und bloße Polemik kann man nicht mehr eine Diskussion führen. ({13})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt vor, den Agrarbericht 1985 der Bundesregierung auf den Drucksachen 10/2850 und 10/2851 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß. Für die Entschließungsanträge auf den Drucksachen 10/3007 und 10/3008 ist Ausschußüberweisung an dieselben Ausschüsse beantragt worden. Erhebt sich gegen die Überweisungen ein Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 27. März 1985, 13 Uhr ein. Ich wünsche Ihnen ein gutes Wochenende. Die Sitzung ist geschlossen.