Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
- Drucksache 10/2987 Der Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit wird zuerst aufgerufen. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Chory zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Müller ({0}) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Verwendung von Lösungsmitteln wie Tri- und Perchlorethylen als Extraktionsmittel in der lebensmittelverarbeitenden Industrie, obwohl diese giftig sind, oft gefährliche Verunreinigungen enthalten und Rückstände in Nahrungsmitteln wie Speiseöl, entkoffeiniertem Kaffee, Kakaobutter und Aromastoffen hinterlassen, und welche umweltfreundlicheren und rückstandsfreien Verfahren zur Extraktion sollten verbindlich vorgeschrieben werden?
Herr Abgeordneter, gegen die Verwendung von Trichlorethylen bestehen gesundheitliche Bedenken, weil dieser Stoff in Verdacht steht, karzinogene Wirkungen zu haben.
Trichlorethylen wird als Extraktionsmittel bei der Herstellung von Speiseöl, entkoffeiniertem Kaffee, Kakaobutter und Aromen in der Bundesrepublik nach Kenntnis der Bundesregierung nicht verwendet. Seine Verwendung ist nach den Bestimmungen des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes wegen des bestehenden, bisher nicht ausgeräumten Verdachtes der Karzinogenität auch nicht zulässig.
Zusatzstoffe dürfen zur Extraktion von Lebensmitteln nur verwendet werden, wenn sichergestellt ist, daß sie oder ihre Umwandlungsprodukte in dem Erzeugnis höchstens noch in technisch unvermeidbaren und gesundheitlich unbedenklichen Anteilen vorhanden sind.
In dem Vorschlag der EG-Kommission für eine „Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Extraktionslösungsmittel, die bei der Herstellung von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten verwendet werden" ist allerdings eine beschränkte Verwendung von Trichlorethylen als Extraktionsmittel für die Herstellung der genannten Lebensmittel vorgesehen. Die Bundesregierung wird sich bei den Beratungen des Richtlinienvorschlags für ein Verbot von Trichlorethylen einsetzen.
Perchlorethylen wird in der Bundesrepublik Deutschland für die Extraktion von Lebensmitteln ebenfalls nicht verwendet. Auch der vorgenannte Richtlinienvorschlag sieht die Verwendung dieses Stoffes nicht vor.
Im Rahmen der Beratungen über den Richtlinienvorschlag wird auch zu klären sein, ob und gegebenenfalls welche gesundheitlich unbedenklichen Verfahren zur Extraktion - z. B. die Verwendung von Alkoholen - gemeinschaftsrechtlich festgelegt werden sollten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller.
Herr Staatssekretär, ich habe noch eine Frage: Ist es richtig, daß die Formulierung im Gesetz - sie besagt: wenn es technisch möglich ist, die Lösungsmittel völlig zu entfernen - deshalb irrelevant ist, weil es faktisch keine Technologie gibt, die die Lösungsmittel vollständig entfernt?
Herr Abgeordneter, es gibt meiner Kenntnis nach auch unter den Lösungsmitteln Fälle - ich kann sie Ihnen allerdings jetzt nicht benennen -, in denen die Lösungsmittel tatsächlich vollkommen verschwinden. Das hängt aber eben von der Art des Stoffes ab.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller.
Wie bewerten Sie die Kritik der Verbraucherverbände, daß insbesondere bei Lebensmittelimporten die Nahrungsmittel mit solchen Zusatzstoffen zugenommen haben und daß insbesondere ausländische Studien nachweisen, daß daraufhin entsprechende Nervenschäden bzw. Leber- und Nierenschäden zu verzeichnen sind?
Herr Abgeordneter, Lebensmittel, die gesundheitlich bedenklich sind, dürfen in der Bundesrepublik auch nicht eingeführt werden. Wir wollen aber, gerade um auch bei Einfuhren aus der EG zu vermeiden, daß überhaupt Lebensmittel hier eingeführt werden, die bei ihrer Gewinnung solchen Extraktionsmitteln ausgesetzt worden sind, bei den Beratungen über den Richtlinienvorschlag der Kommission erreichen, daß nur solche Extraktionsmittel verwendet werden dürfen, die technologisch notwendig und gesundheitlich unbedenklich sind.
Die Frage 2 ist von dem Herrn Abgeordneten Egert eingebracht, der uns aber nicht mit seiner Anwesenheit beehrt. Insofern wird diese Frage entsprechend der Geschäftsordnung behandelt.
Wir stehen damit am Ende des Geschäftsbereiches des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit und danken dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung.
Beim Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau hat Herr Abgeordneter Müntefering, der die Fragen 3 und 4 eingebracht hat, um schriftliche Beantwortung gebeten, so daß wir diesen Geschäftsbereich nicht aufzurufen brauchen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Köhler steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 der Abgeordneten Frau Luuk auf:
Trifft es zu, daß für Bolivien im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit bereits zugesagte Mittel in Höhe von 120 Millionen DM nicht ausbezahlt werden können, weil das Land mit Zinszahlungen in Höhe von 5 Millionen DM im Verzug ist?
Bitte schön, Herr Staatssekretär:
Frau Kollegin Luuk, Bolivien hat aus Kapitalhilfedarlehen derzeit Zahlungsrückstände - Tilgung und Zinsen zusammengerechnet - in Höhe von rund 8 Millionen DM. Dabei handelt es sich um 3,5 Millionen DM Rückstände bis zum 30. Juni 1984 und rund 4,5 Millionen DM Rückstände per 31. Dezember 1984. Die rückständigen Zinsen belaufen sich hierbei auf insgesamt rund 3,6 Millionen DM.
Nach den Umschuldungsgrundsätzen vom 2. August 1968 werden bei ungeregelten Verzugsfällen Darlehensverträge grundsätzlich nicht abgeschlossen. Von der vorstehenden Regelung des Nichtabschlusses von Darlehensverträgen sind im Fall Bolivien drei Verträge im Gesamtumfang von rund 27,2 Millionen DM betroffen. Soweit Darlehensverträge abgeschlossen sind, werden die Abrufe grundsätzlich bedient.
Eine Zusatzfrage, Frau Luuk.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Überzeugung, daß das ärmste Land in dieser Region, Bolivien, sicherlich als erstes von dieser Möglichkeit profitieren müßte, Zinsen zu erlassen, und sind Sie nicht zum Überdenken dieser Haltung eingedenk der besonderen Schwierigkeiten bereit, die zur Zeit hinsichtlich der sozialen und wirtschaftlichen Lage in diesem Land bestehen und ja auch Ihnen bekannt sind?
Verzeihung, Herr Präsident, Frau Luuk hat nach der Möglichkeit des Zinserlasses gefragt. Das betrifft die Frage 6. Ich bin gerne bereit, die Antwort auf diese Frage schon jetzt zu geben.
Dann rufe ich auch die Frage 6 der Abgeordneten Frau Luuk auf:
Denkt die Bundesregierung daran, gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 27. November 1984 zum Einzelplan 23 des Bundeshaushalts Bolivien die Zahlung der Zinsen zu erlassen, um so die Möglichkeit zu schaffen, daß die bereits zugesagten Mittel freigegeben werden können?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Die Bundesregierung, Frau Luuk, ist bereit, Bolivien bei einer multilateralen Umschuldung aktiv und konstruktiv zu unterstützen. Sie hat das der bolivianischen Regierung bereits am 24. Januar 1984 mit einer Verbalnote des Auswärtigen Amtes mitgeteilt. Damit werden auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß Darlehensverträge wieder abgeschlossen werden können. An einen Erlaß der Zinsen ist allerdings nicht gedacht.
Eine Zusatzfrage, Frau Luuk.
Herr Staatssekretär, ich kann Ihnen in dem Zusammenhang auch dann nicht folgen, wenn Sie die beiden Fragen sozusagen zusammenziehen. Man kann ja die eine nicht beantworten, ohne die andere, die Frage 6, mit in Rechnung zu stellen.
Sie müssen fragen, Frau Abgeordnete.
Ich frage Sie nach der politischen Absicht, die Sie haben, um auf die gegebenen Möglichkeiten einzugehen und in diesem Rahmen den Notwendigkeiten in Bolivien hinsichtlich der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit Rechnung tragen zu können.
Frau Kollegin, ich habe eben bereits gesagt, daß wir zur Umschuldungsverhandlung mit Bolivien und damit auch zur Lösung des entstandenen Problems bereit sind. Nur können sich nach aller Regel, die seit Ende der 60er Jahre weltweit angewandt worden ist, Erlasse nur auf künftige Fälligkeiten beziehen. Zahlungsrückstände werden grundsätzlich nicht erlassen. Das gilt sogar für die Least Developed Countries, zu denen Bolivien formal nicht gehört, auch wenn wir die besondere Notlage des Landes absolut anerkennen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Frau Schmedt ({0}) hat um schriftliche Beantwortung der Frage 7 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär, Herr Gallus, zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 9 der Abgeordneten Frau Simonis auf:
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die Kriterien für den Wettbewerb „schönes Dorf" so zu ändern, daß nicht Sauberkeit und dergleichen am höchsten benotet werden, sondern vielmehr umweltfreundliche Verbesserungen zur Beurteilung herangezogen werden?
Frau Kollegin, diese Frage wird von mir sehr begrüßt, da sie mir die Möglichkeit gibt, grundsätzlich darauf hinzuweisen, daß die Kriterien für die Bewertung der Dörfer im Rahmen des Wettbewerbs „Unser Dorf soll schöner werden" auf Bundesebene im Laufe der Jahre den geänderten Verhältnissen in den ländlichen Räumen angepaßt worden sind. Das bedeutet, daß die reine Ortsverschönerung deutlich in den Hintergrund getreten ist.
Den fälschlich auch heute noch gelegentlich zitierten Blumenkastenwettbewerb gibt es nicht mehr. Entsprechend der geänderten Zielrichtung des Wettbewerbs müßte man heute besser sagen: „Unser Dorf soll lebenswerter werden". Trotzdem werde ich an dem Begriff „Unser Dorf soll schöner werden" festhalten, da er schon lange zu einem festen Markenbegriff für diese Bemühungen in den ländlichen Räumen geworden ist.
Passagen im Ausschreibungstext des Bundeswettbewerbes wie „Durchgrünung des Ortes mit standortgerechten Bäumen und Sträuchern", „Gestaltung des Ortsrandes und landschaftliche Eingliederung; Schutzpflanzungen, Feldgehölze und Bäume in der Gemarkung, an Wegen und Bauten im Außenbereich; naturnahe Gestaltung und Pflege der Gewässer und Erholungsanlagen, Beseitigung von Landschaftsschäden, Entwicklung der Landschaft im Außenbereich", aber auch „Erhaltung und Pflege historischer Bausubstanz", „Erhaltung und Pflege der für den Ortscharakter bedeutsamen Bausubstanz; ortsgerechte Umsetzung heutiger Bauformen und -materialien bei Um- und Neubauten" sind ein deutlicher Beweis für die realistische Bewertung zeitgerechter Bedürfnisse in den Dörfern. Die Richtlinien des Bundeswettbewerbs haben nur Empfehlungscharakter für die Länder und können diese nicht binden. Die entsprechenden Landesrichtlinien zeigen aber deutlich, daß hier gleiche oder ähnliche Maßstäbe angelegt werden.
Zusatzfrage, Frau Simonis.
Herr Staatssekretär, können Sie mit Sicherheit annehmen, daß die Kommissionen, die die Beurteilung in diesem Wettbewerb übernehmen, diese Richtlinien kennen? Wie ist es sonst zu erklären, daß einzelne Dörfer nicht mehr an diesem Wettbewerb teilnehmen, weil offensichtlich das Fegen von blankgeputzten Schwarzdecken und das häufige Verwenden von Sichtbeton bei Blenden und ähnliches doch noch höher bewertet werden als das, was Sie gerade lobenswerterweise erwähnt haben?
Frau Kollegin, die Kommission, die die endgültige Auslese vornimmt, kennt diese unsere Richtlinien. Aber Sie müssen davon ausgehen, daß am Bundeswettbewerb nur Dörfer teilnehmen, die auf Landesebene bereits eine Goldmedaille errungen haben. Wir haben den Ländern natürlich unsere Vorstellungen mitgeteilt. Im einzelnen sind wir nicht dafür verantwortlich, wenn die Länder eine gewisse Bandbreite bei der Bewertung zulassen.
Weitere Zusatzfrage, Frau Simonis.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir zusagen, daß Sie noch einmal mit Ihren Kollegen sprechen, damit stärker Wert auf die Kriterien gelegt wird, die Sie gerade genannt haben, also beispielsweise auch die Erhaltung und das Anlegen von Biotopen, damit wir nicht über die Gemeinschaftsaufgaben bei der Dorferneuerung und der Dorfsanierung das bezahlen, was von übereifrigen Dorfverschönerern ein Jahr vorher mit einem gewissen Körperteil umgerannt worden ist?
Frau Kollegin, ich werde Ihre Anregung an die Länder weitergeben.
Danke schön. Die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Eylmann sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Dr. Ehmke ({0}) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bereits mehrfach Beamte der Zollfahndung im Urlaub und auf private Kosten den Versuch unternommen haben, bundesdeutsche Horsträuber an Greifvogelnestern in Süditalien zu beobachten, um sie beim Grenzübertritt in die Bundesrepublik Deutschland auf frischer Tat überführen zu können, und welche Anstrengungen finanzieller und außenpolitischer Art wird die Bundesregierung unternehmen, um solche Unzulänglichkeiten im Vollzug des Artenschutzes zu beseitigen?
Herr Kollege, der Bundesregierung ist bekannt, daß Angehörige der Zollverwaltung in ihrer privaten Eigenschaft als Mitglieder von Naturschutzverbänden an Aktionen zum Schutz von Greifvogelhorsten, z. B. in Süditalien, teilnehmen und teilgenommen haben. Aus diesen anzuerkennenden Tätigkeiten kann jedoch
nicht auf ein Defizit im Vollzug der artenschutzrechtlichen Vorschriften geschlossen werden. Wie auch aus zahlreichen Presseveröffentlichungen über entsprechende Aufgriffe ersichtlich ist, haben die mit der Überwachung des grenzüberschreitenden Verkehrs betrauten Zolldienststellen u. a. durch geeignete Fahndungsmaßnahmen den Schmuggel mit Greifvögeln bzw. deren Gelegen erfolgreich bekämpft.
Die Bundesregierung muß andererseits darauf hinweisen, daß der umfangreiche Reiseverkehr über die internationalen Grenzen zwangsläufig nur stichprobenweise kontrolliert werden kann. Etwaige verbotswidrige Einfuhren artengeschützter Tiere und Pflanzen können daher auch bei Ausnutzung aller Möglichkeiten nicht völlig unterbunden werden.
Derart illegal der Natur entnommene und in die Bundesrepublik Deutschland eingeführte Exemplare sind und bleiben jedoch nach den Rechtsvorschriften illegal und können jederzeit bei Feststellung beschlagnahmt und eingezogen werden.
Zusatzfrage, Herr Dr. Ehmke.
Herr Staatssekretär, wie ich Ihrer Antwort entnehme, kommt der Ausbildung und der Überwachung durch die Zollbehörden an den Grenzen in diesem Zusammenhang eine ganz wesentliche Bedeutung zu. Ist denn die Bundesregierung bereit, diesen offensichtlichen Mangel dadurch abzustellen, daß vermehrt Zollbeamte oder Biologen bei den Zollbehörden eingestellt werden, die vor allem eine internationale Artenschutzkenntnis haben? Es nützt uns ja gar nichts, wenn sie die deutschen Arten beherrschen. Es muß ja auch eine Kenntnis über die international vorkommenden Pflanzen- und Tierarten vorliegen.
Ich kann Ihnen, Herr Kollege, hier nicht versprechen, daß wir die von Ihnen vorgeschlagenen weiteren Stellen zur Verfügung stellen können. Aber wir haben mit dem Zoll zusammen die entsprechenden Vorbereitungen getroffen, daß die Leute in der Lage sind, zu erkennen, um welche Arten es sich dreht.
Weitere Zusatzfrage? - Bitte schön, Frau Dr. Bard.
Herr Staatssekretär, Sie sagten vorhin, es könnten nur Stichproben gemacht werden. Das ist sicher richtig. Ich denke, das sind im Rahmen des EG-Handels so um die 5 %, die überprüft werden können. Gibt es nicht eine Möglichkeit für die Bundesregierung, diese illegalen Einfuhren dadurch zu verhindern, daß der Handel hier verboten wird? Ich denke an eine Änderung des § 20 des Bundesnaturschutzgesetzes.
Frau Kollegin, die Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz wird demnächst eingebracht und in den Ausschüssen beraten werden. Es bleibt Ihnen als Abgeordnete dieses
Hohen Hauses unbenommen, dafür zu sorgen, daß das geschieht.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Ehmke auf:
Ist die Bundesregierung insbesondere dazu bereit, den vorgesehenen Straftatbestand beim Artenschutz auch auf Straftaten durch Deutsche im Ausland auszudehnen, damit endlich den weltweiten illegalen Naturentnahmen von Tieren und Pflanzen der bedrohten Arten Einhalt geboten werden kann?
Herr Kollege, der Referentenentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes sieht für schwerwiegende Verstöße gegen artenschutzrechtliche Verbote Strafvorschriften vor. Es ist aber nicht beabsichtigt, diese Strafvorschriften generell auf Auslandstaten Deutscher auszudehnen. Entsprechend § 7 Abs. 2 des Strafgesetzbuches gilt grundsätzlich das deutsche Strafrecht, wenn Deutsche im Ausland Straftaten begehen, die am Tatort nach dortigem Recht ebenfalls mit Strafe bedroht sind oder wo der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.
Zusatzfrage, Dr. Ehmke.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß Ihnen bekannt ist, daß das Durchführungsgesetz für die EG-Verordnung über die Durchführung des Washingtoner Artenschutzabkommens am 31. Dezember 1985 ausläuft. Wäre es nicht eine gute Möglichkeit, im Rahmen der Vorlegung eines Gesetzentwurfes zur Fortführung dieses Washingtoner Artenschutzabkommens einen entsprechenden Regelungsbestand aufzunehmen?
Herr Kollege, deshalb wird doch das Naturschutzgesetz novelliert. Es geht darum, das abzufangen und ab Ende 1985 eine gesetzliche Grundlage zu haben. Die Frage ist nur, ob wir den Tatbestand regeln können, und zwar deshalb, weil in § 6 des Strafgesetzbuches ein Katalog der Taten enthalten ist - z. B. Angriff auf den Luftverkehr und Menschenhandel -, die nach dem Rechtsprinzip dem Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland ohne Rücksicht auf Tat, Recht des Tatorts und Staatsangehörigkeit des Täters unterliegen. Die Bundesregierung beabsichtigt aber nicht, diesen Katalog zu erweitern um Straftaten gegen Artenschutzbestimmungen, da sie die Strafverfolgungsmöglichkeiten nach § 7 Abs. 2 des Strafgesetzbuches für ausreichend hält.
Weitere Zusatzfrage, Dr. Ehmke.
Herr Staatssekretär, eine wesentliche Ursache für den illegalen Handel insbesondere mit Greifvögeln ist ja die Falknerei. Trifft es zu, daß die Bundesregierung auch bei der Novellierung des Artenschutzrechtes weiterhin nichts gegen diese Mißstände in der Falknerei unternehmen will?
Herr Kollege, ich bin überfragt, wie im Augenblick der Stand ist, wie es mit der Rückkopplung mit den Ländern aussieht usw. Ich bin aber, wenn Sie mir das schriftlich einreichen, gerne bereit, Ihnen das mitzuteilen.
Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Bard.
Herr Staatssekretär, könnten Sie wenigstens die Meinung der Bundesregierung zur Novellierung des diesbezüglichen Paragraphen im Bundesnaturschutzgesetz bekanntgeben? Was die Länder und was die Abgeordneten meinen, ist noch einmal eine andere Frage.
Frau Kollegin, auch zu dieser Frage bezüglich § 20 bin ich gerne bereit, schriftlich zu antworten.
Die Fragen 14 und 15 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz ({0}) sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Eigen ({1}) ist zurückgezogen worden.
Wir sind damit am Ende der Fragen aus diesem Geschäftsbereich. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Da ich gemerkt habe, daß er genauso erkältet ist wie ich und andere Abgeordnete, wünsche ich ihm gute Besserung.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hennig zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 17 der Frau Abgeordneten Terborg auf:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich des deutsch-deutschen Jugendaustausches aus den Gesprächen des ersten Sekretärs der FDJ, Eberhard Aurich, mit Vertretern westdeutscher Jugendverbände im Dezember 1984 vor, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin Terborg, der Erste Sekretär des Zentralrates der FDJ hielt sich mit einer siebenköpfigen Delegation der FDJ vom 15. Dezember bis zum 19. Dezember 1984 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Über die mit verschiedenen demokratischen Jugendverbänden geführten Gespräche liegen der Bundesregierung folgende Informationen vor:
Herr Aurich und andere Delegationsmitglieder haben die Einstellung der Reisen von Jugendlichen aus der DDR zusammengefaßt damit begründet, daß die Rechts- und Aufenthaltssicherheit der DDR-Jugendlichen in der Bundesrepublik Deutschland nicht gewährleistet sei. Ihr Aufenthalt sei rechtlich und politisch zu sehr belastet worden. Dafür wurden allerdings von der FDJ-Seite mehrere sehr unterschiedliche Beispiele angeführt. Die Bundesregierung hat diese Begründungen für die Einstellung der Ost-West-Reisen bereits in der Beantwortung früherer parlamentarischer Anfragen im Jahre 1984 widerlegt.
Auch der Deutsche Bundesjugendring hat zuletzt im Gespräch am 17. Dezember 1984 der FDJ-Leitung gegenüber die für die einseitige Einstellung des Jugendtourismus angeführten Gründe als nicht zutreffend bezeichnet und in diesem Zusammenhang auf das fortdauernde Bemühen der Bundesregierung und der Regierungen von Bundesländern, in der Praxis keine Belastungen entstehen zu lassen, verwiesen.
Die Gespräche mit dem Ersten Sekretär der FDJ im Dezember 1984 haben die Annahme bestätigt, daß es offenbar für die einseitige Einstellung des Jugendtourismus politische übergeordnete Gründe gegeben haben mag, die sich unserer Einsicht entziehen. Soweit zu Ihrer ersten Frage.
Zusatzfrage, Frau Terborg.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung positive Möglichkeiten, um die Wiederaufnahme des deutsch-deutschen Jugendaustausches in Gang zu bringen? Was machen Sie da?
Frau Kollegin, das ist zwar ziemlich genau die Antwort auf Ihre zweite Frage, wenn ich das jetzt ausführlich beantworten wollte. Ich will es daher zusammengefaßt dahin beantworten, daß ich Ihnen sage: Wir sehen durchaus solche Möglichkeiten, und zwar aus der Tatsache resultierend, daß die DDR selbst im Rahmen des KSZE-Komplexes mit uns zusammen verbindliche Absichtserklärungen abgegeben hat, die Begegnungen von jungen Menschen in Europa zu unterstützen und zu fördern, „über die Grenzen hinaus", wie es dort heißt. Dies hat sie in der Folge wiederholt auch bilateral bekräftigt, unter anderem mit der Erklärung des umfassenden politischen Willens, auch auf diesem Wege den Frieden in Europa sicherer zu machen. Wenn junge Menschen sich persönlich begegnen, ihre Nachbarstaaten kennenlernen, Gespräche über Dinge, die sie gemeinsam interessieren, führen, dann scheint mir das eine Grundvoraussetzung für den Abbau von Spannungen im Interesse der Friedenssicherung trotz aller systembedingten Gegensätze zu sein.
In diesem Sinne sollte sich die DDR beim Worte nehmen lassen. Wir tun dies, indem wir uns selbst zuerst beim Wort nehmen.
Frau Terborg, weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, einer der Gründe, die die DDR dafür angeführt hat, daß sie den Jugendaustausch unterbrochen hat, war ja die Passage im Verfassungsschutzbericht 1983. Ist damit zu rechnen, daß eine Korrektur im Bericht 1984 erfolgt?
Frau Kollegin Terborg, ich kann Ihnen diese Frage insofern nicht endgültig verbindlich beantworten, als wir für die9208
sen Verfassungsschutzbericht nicht zuständig sind. Aber ich bin ganz sicher, daß der zuständige Mitarbeiter im Bundesministerium des Innern diese Fragestunde aufmerksam verfolgt und dabei auch im Ohr hat, daß der Bundeskanzler im Bericht über die Lage der Nation nachdrücklich die besondere Bedeutung des Jugendaustausches - Austausch heißt in beide Richtungen - unterstrichen hat, und dies bei der Abfassung dieses Berichtes berücksichtigen wird.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dreßler.
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Namen der Jugendverbände nennen, mit denen diese Gespräche stattgefunden haben?
Das kann ich, Herr Kollege Dreßler. Ich habe eine entsprechende Aufstellung dabei. Es handelt sich unter anderem um den SDAJ, den MSB-Spartakus, den SHB, aber auch demokratische Verbände wie den Deutschen Bundesjugendring, die Junge Union, die Jungsozialisten, die AEJ, also die Evangelische Jugend, die Jungdemokraten, die Falken, den Bund deutscher Pfadfinder, die Naturfreundejugend und die JEF, also die Jungen Europäischen Föderalisten.
Zusatzfrage des Abgeordneten Klein ({0}).
Herr Staatssekretär, kann ich nach Ihrer Antwort davon ausgehen, daß dieser hochsensible Verfassungsschutzbericht allein im Zuständigkeitsbereich des Innenministers liegt und daß dieser spezielle Sektor, den wir angesprochen haben, nicht mit Ihnen abgestimmt wird?
Er liegt natürlich allein im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums des Innern. Aber er ist in der Phase des Mituns-abgestimmt-Werdens. Ich gehe davon aus, daß angesichts der besonderen Bedeutung sicher auch noch das Bundeskanzleramt mit dieser Sache befaßt wird.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Buschfort.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob Sie die Frage von Frau Terborg vorhin als Abgeordneter oder als Staatssekretär beantwortet haben, oder haben Sie die Frage im Auftrage der Regierung beantwortet, weil ja die Frage an die Regierung gestellt war?
Letzteres, Herr Kollege.
Wir kommen zu Frage 18 der Abgeordneten Frau Terborg:
Was plant die Bundesregierung für 1985, um den beiderseitigen deutsch-deutschen Jugendaustausch wieder zu beleben, nachdem ihre bisherigen Bemühungen, wie sie in der Beantwortung früherer Anfragen dargelegt wurden, offenbar nicht den gewünschten Erfolg hatten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin Terborg, zunächst ist als Voraussetzung jeglichen Planens und Handelns in dieser Sache festzuhalten, daß eine Beeinträchtigung des touristischen Jugendaustausches zuerst die Seite zu verantworten hat, die Absagen von vertraglich fest vereinbarten Gruppenreisen vorgenommen hat. Alle Anstrengungen der Bundesregierung, auf die DDR einzuwirken, den Jugendaustausch ihrerseites wieder aufzunehmen, hängen in ihrem möglichen Erfolg auch vom Interesse und Willen der anderen Seite ab.
Dessenungeachtet ist die Bundesregierung auch . 1985 darum bemüht, möglichst günstige politische Rahmenbedingungen für den beiderseitigen Jugendaustausch in gegenwärtigen und künftigen Gesprächen mit der DDR zu schaffen, insbesondere um möglichen Vorwänden der anderen Seite den Boden zu entziehen. Nicht zuletzt gehört dazu auch die verbindliche Zusicherung der Bundesregierung, den von ihr als besonders wichtig angesehenen beiderseitigen Jugendaustausch weiterhin angemessen finanziell zu unterstützen.
Eine Zusatzfrage, Frau Terborg.
Herr Staatssekretär, gedenkt die Bundesregierung die weitere Entwicklung des Jugendaustausches auch rechtlich abzusichern, etwa in der Form eines Regierungsabkommens oder sogar in der Form eines denkbaren deutschdeutschen Jugendwerkes?
Dies halten wir durchaus für möglich, Frau Kollegin Terborg, und ungeachtet der zunächst einmal den Jugendverbänden überlassenen ersten Initiative sieht die Bundesregierung eine Vereinbarung auf Regierungsebene durchaus als eine kodifizierte Berufungsmöglichkeit an. Wir würden es deswegen begrüßen, wenn so etwas zusätzlich möglich wäre.
Keine weitere Zusatzfrage.
Wir kommen zu Frage 19 des Abgeordneten Sielaff:
Hat die Bundesregierung den Länderregierungen Anlaß gegeben, sich darüber zu beklagen, daß die Bereitstellung der Mittel des Bundes für Studienfahrten für Schüler-, Jugend- und Studentengruppen in die DDR und nach Berlin zu spät erfolgt, so daß eine notwendige frühzeitige Planung kaum möglich ist?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Sielaff, die Förderung innerdeutscher Informations- und Begegnungsfahrten von Schülern, Jugendlichen und Studenten in die DDR und nach Berlin ({0}), nach Berlin ({1}) und an die Grenze zur DDR - das sind die drei Typen von Fahrten, die es da gibt - wird - anders als bei den Fahrten Erwachsener - von den Bundesländern abgewikkelt, denen das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen dafür jährlich die notwendigen Haushaltsmittel zuweist. Für die Förderung dieser Fahrten stehen neben den Bundesmitteln auch erhebliche Mittel der Länder zur Verfügung.
Das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen hatte den Ländern bereits mit Schreiben vom 3. Januar zur Fortführung der Förderung im Jahre 1985 30 % der 1984 je Land verausgabten IstBeträge in Aussicht gestellt und sie ermächtigt, in entsprechender Höhe Verpflichtungen für den Bund einzugehen. Schon damals war damit gewährleistet, daß die Förderung solcher Fahrten über den Jahreswechsel hinaus kontinuierlich fortgeführt werden konnte.
Die Gesamthöhe der 1985 für innerdeutsche Informations- und Begegnungsfahrten von Jugendgruppen zur Verfügung stehenden Mittel ist den Ländern bei einer gemeinsamen Tagung vom 21. bis 23. Januar 1985 mitgeteilt worden. Formell wurden die Mittel den Ländern anschließend mit Schreiben des Ministeriums vom 12. Februar 1985 bewilligt.
Die Bundesländer haben dieses Verfahren ausdrücklich begrüßt und dem Bund für die zügige Bereitstellung seiner Haushaltsmittel gedankt. Die Länder haben darüber hinaus mit großer Befriedigung davon Kenntnis genommen, daß die Ansätze der für innerdeutsche Informations- und Begegnungsfahrten 1985 insgesamt - d. h. für Jugendliche und für Erwachsene - zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel gegenüber 1984 erheblich, und zwar um rund 5,2 Millionen DM, erhöht werden konnten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Sielaff.
Herr Staatssekretär, gibt es denn Klagen von Landesregierungen, daß die Mittel zu spät bewilligt werden?
Herr Kollege Sielaff, ich kann nur wiederholen, daß all die dafür zuständigen Beamten bereits im Januar auf einer Tagung zusammen waren und daß wir von dieser Versammlung der zuständigen Mitarbeiter der Länder ausdrücklich für das gewählte Verfahren und für die Terminierung dieses Verfahrens gelobt worden sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Sielaff.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie denn die folgende Aussage der Landesregierung von Rheinland-Pfalz auf eine Kleine Anfrage vom 25. Januar dieses Jahres? Dort stellt die Landesregierung von Rheinland-Pfalz fest - ich zitiere -:
Problematisch ist bis heute die relativ späte Bewilligung der Mittel für Berlin-Reisen durch den Bund.
Und weiter:
Angeregt wird eine wesentlich frühzeitigere
Bereitstellung eines Planungskontingents.
Dies widerspricht ja den Ausführungen, die Sie eben gemacht haben.
Es sieht in der Tat so aus, als wenn es da einen gewissen Widerspruch gäbe, Herr Kollege. Ich würde in der Tat der
Meinung sein, daß man mehr nicht tun kann, als am 3. Januar den Bundesländern ein solches Kontingent von 30 % zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, daß sich das durch den Ablauf dieser Tagung inzwischen erledigt hat bzw. anders darstellt.
Wir kommen zur Frage 20 des Abgeordneten Sielaff:
Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, damit den Ländern die Verpflichtungsermächtigungen für die rund 80 v. H. Bundesmittel für Studienfahrten für Schüler-, Jugend- und Studentengruppen in die DDR und nach Berlin wesentlich früher als bisher erteilt werden, damit den Antragstellern auch zu einem vertretbaren Zeitpunkt vor der Reise eine Zusage von seiten der Länder gegeben werden kann?
Herr Kollege Sielaff, mit meiner Antwort zu Frage 35 hatte ich versucht, Sie möglichst kurz, aber doch umfassend über die voraussichtliche Förderung aller Typen innerdeutscher Informations- und Begegnungsfahrten im Jahre 1985 zu unterrichten. Da Sie aber in Ihrer Frage 36 ganz speziell Begegnungs- oder Studienfahrten von Jugendgruppen ansprechen, die in die DDR oder nach Berlin ({0}) führen, möchte ich in meiner Antwort nun insbesondere auf diesen Bereich eingehen.
Das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen hat den Ländern bereits mit Schreiben vom 18. Juni 1984 Verpflichtungsermächtigungen in einer Gesamthöhe von 1 Million DM zu Lasten des Jahres 1985 zugewiesen, um Begegnungsfahrten von Schülern, Jugendlichen und Studenten in die DDR und nach Berlin ({1}) auch über den Jahreswechsel 1984/85 hinaus kontinuierlich weiter fördern zu können. Diese Verpflichtungsermächtigungen sind von den Bundesländern nur in einer ganz geringen Höhe in Anspruch genommen worden, da die Haushaltsmittel des Bundes und der Länder des Jahres 1984 ausreichten, alle begründeten Förderungsanträge zu befriedigen.
Bei der schon erwähnten Bund-Länder-Tagung vom 21. bis 23. Januar 1985 ist den Ländern mitgeteilt worden, daß auch im Jahre 1985 Verpflichtungsermächtigungen zu Lasten des Jahres 1986 für Begegnungsfahrten in die DDR und nach Berlin ({2}) in Anspruch genommen werden können. Die Länder sind darum wiederum in die Lage versetzt, jederzeit zu einem vertretbaren Zeitpunkt Jugendgruppen Förderungszusagen vor Beginn der Fahrten zu geben. Sie sehen also: bereits jetzt für das Jahr 1986.
Zusatzfrage des Abgeordneten Sielaff.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie denn die folgende Aussage wiederum der Landesregierung von Rheinland-Pfalz - ich zitiere -:
Die Landesregierung setzt sich auch in diesem Jahr mit Nachdruck dafür ein, daß der Bund den Ländern wesentlich früher als bisher Verpflichtungsermächtigungen zuweist, um den Antragstellern zu einem vertretbaren Zeit9210
punkt vor der Reise eine Zusage geben zu können.
Herr Kollege Sielaff, ich werde Gelegenheit nehmen, den beiden Zitaten, die Sie hier aus der Richtung RheinlandPfalz gegeben haben, nachzugehen. Ich kann meinerseits nur noch einmal unterstreichen, daß man mehr ja wohl nicht tun kann, als bereits jetzt für 1986 diese Verpflichtungsermächtigungen zu erteilen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Sielaff.
Herr Staatssekretär, wären Sie auch bereit, mir die Ergebnisse mitzuteilen, die Sie dann im Gespräch mit der Landesregierung von Rheinland-Pfalz haben? Ich habe die Fragen der Drucksache 10/1223 des Landtages entnommen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir dann auch das Ergebnis mitteilen könnten.
Das will ich gern tun, Herr Kollege Sielaff.
Ein Glück, daß es nicht aus der vorigen Legislaturperiode war.
({0})
Jetzt haben wir noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Sperling.
Herr Staatssekretär, gehört es vielleicht zu den Traditionen der rheinland-pfälzischen Landesregierung, sich um Dinge zu bemühen, deren Erfolg vor Beginn dieses Bemühens feststand?
({0})
Das kann ich so generell nicht beantworten, Herr Kollege Sperling, da es nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fällt.
({0})
Die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Schulze ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Vogt steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich rufe zuerst die Frage 23 der Abgeordneten Frau Huber auf:
Wie viele Arbeitnehmer haben bisher von der gesetzlichen Vorruhestandsregelung Gebrauch gemacht, und wie viele Arbeitslose wurden an deren Stelle eingestellt?
Frau Kollegin, eine Aussage über die Zahl der Arbeitnehmer, die Vorruhestandsgeld beziehen, kann derzeit nicht getroffen werden. Angaben über die Zahl der Arbeitslosen, die für die vorzeitig ausgeschiedenen älteren Arbeitnehmer eingestellt wurden, liegen nur für die Fälle vor, in denen der Arbeitgeber bereits einen Antrag auf den staatlichen Zuschuß beim Arbeitsamt gestellt hat. Nach der letzten statistischen Meldung lagen den Arbeitsämtern Ende Februar 1985 4 633 Zuschußanträge vor. Die über 200 Vorruhestandstarifverträge, die bisher abgeschlossen worden sind, wirken sich größtenteils erst in diesem Jahr aus. Es ist damit zu rechnen, daß die Zahl der von der Vorruhestandsregelung begünstigten Arbeitnehmer und Arbeitslosen im Laufe des Jahres erheblich ansteigen wird.
Zusatzfrage, Frau Huber.
Bis wann denken Sie einen Überblick, ein paar Zahlen zu haben, und welches Echo hören Sie aus den größeren Firmen?
Frau Kollegin, die Bundesanstalt für Arbeit hat für ihren Haushalt 1985 angenommen, daß im Jahresdurchschnitt ca. 80 000 Zuschüsse zu Vorruhestandsleistungen gewährt werden müssen.
Ich rufe die Frage 24 der Abgeordneten Frau Huber auf:
Hält die Bundesregierung die jetzige Vorruhestandsregelung für die unteren Lohngruppen für akzeptabel und auch für Unternehmen tragbar, denen es wirtschaftlich nicht gut geht'?
Die Vorruhestandsregelung ist auch für die unteren Lohngruppen akzeptabel. Der Nettobetrag des Vorruhestandsgeldes ist höher als das Arbeitslosengeld oder das Altersruhegeld, das ein durchschnittlich verdienender Arbeitnehmer nach 40 Versicherungsjahren aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält. Der Großteil der Vorruhestandsverträge sieht ein Vorruhestandsgeld von 75% des Bruttolohns ohne Sonderzahlungen vor. Dies sind unter Berücksichtigung der niedrigeren Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern etwa 80 % des entsprechenden Nettolohnes.
Ihre weitere Frage, ob die Vorruhestandsregelung auch für Unternehmen tragbar ist, denen es wirtschaftlich nicht gut geht, ist grundsätzlich zu bejahen. Soweit es sich um Betriebe mit normaler Altersstruktur der Belegschaft handelt, erscheinen die durch die Vorruhestandsregelung entstehenden Kosten auch bei einer nicht besonders guten Ertragslage verkraftbar.
Zusatzfrage, Frau Huber.
Zunächst möchte ich Sie fragen, ob Sie das abgesenkte Niveau der ArbeitsloFrau Huber
senversorgung für den angemessenen Maßstab halten, unter dem eine solche Regelung stehen kann.
({0})
Frau Kollegin, ich darf Sie darauf hinweisen, daß im Rahmen des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes, dem Sie zugestimmt haben, die Berechnungsgrundlage für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe abgesenkt worden ist
({0})
und daß - ich antworte auf Ihre Frage - die Absenkung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitlosenhilfe nur für Leistungsempfänger ohne Kinder vorgenommen worden ist.
Weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Huber.
Ich meine, zwischen Arbeitslosenversorgung und Vorruhestand besteht ein Unterschied. Ich möchte Sie deshalb fragen, ob Sie, wenn Leute in den unteren Lohngruppen ungefähr 30 % ihres Einkommens verlieren, überhaupt nicht an eine Differenzierung oder eventuell an höhere Zuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit gedacht haben, zumal die jetzt Überschüsse erwirtschaftet. Ich höre aus den Firmen, daß die jetzige Regelung nicht attraktiv ist, weder für die unteren Lohngruppen noch für die Firmen, die zwar nicht rote Zahlen schreiben, aber in Schwierigkeiten sind.
Frau Kollegin, ich muß eine Aussage in Ihrer Frage korrigieren. Im Normalfall sind Vorruhestandstarifverträge abgeschlossen worden, die vorsehen, daß das Vorruhestandsgeld 75% des Bruttoentgelts ausmacht. Da von diesem Bruttoentgelt weniger Abzüge abgeführt werden, macht das 80% des früheren Nettolohns aus. Im übrigen liegt hier ein Angebot vor, das Tarifpartner und Staat miteinander verbindet. Die Tatsache, daß so viele Tarifverträge abgeschlossen worden sind, zeigt, daß die Tarifpartner dies als einen gangbaren Weg ansehen, Arbeitsmarktprobleme zu lösen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Urbaniak.
Herr Staatssekretär, nach Ihrer Vorruhestandsregelung ist es so, daß die Arbeitnehmer, wenn sie nach dem Vorruhestand das Altersruhegeld beantragen, erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. Können Sie mir sagen, wie hoch diese in einem Normalfall größenordnungsmäßig zu beziffern sind?
Herr Kollege, ich kann Ihnen dies jetzt in dieser Fragestunde nicht konkret beantworten. Ich bin bereit, Ihnen das schriftlich zu beantworten. Ich weise nur darauf hin, daß sich, da ja das Vorruhestandsgeld sozialversicherungspflichtig ist, auch Zeiten des Bezugs von Vorruhestandsgeld rentensteigernd auswirken.
Ich rufe die Frage 25 der Abgeordneten Frau Weyel auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Überstunden in den Arbeitsämtern in den Monaten November 1984 bis Februar 1985 geleistet wurden, und bezieht die Bundesregierung auch die Arbeitsverwaltung in ihre Beschlüsse bezüglich Überstunden ein?
Frau Kollegin, in den Arbeitsämtern wurden bei einem Personalstand von über 63 000 Beschäftigten im Zeitraum von November 1984 bis Januar 1985 knapp 26 000 Überstunden geleistet. Die Zahl der geleisteten Überstunden für Februar 1985 ist noch nicht ermittelt.
Die Zahl der geleisteten Überstunden weist eine deutlich rückläufige Tendenz auf. So wurden im Januar 1982 77 365 Überstunden geleistet, im Januar 1983 35 406, im Januar 1984 25 866 und im Januar 1985 14 149. Dieser Abbau von Überstunden in einem hohen Umfang ist auch auf die in den vergangenen Jahren vorgenommenen Personalvermehrungen bei der Bundesanstalt für Arbeit zurückzuführen.
Zusatzfrage, Frau Weyel.
Ein Teil der Arbeitskräfte, die zur Zeit bei den Arbeitsämtern eingestellt sind, sind Arbeitskräfte mit befristeten Arbeitsverträgen, die zum größten Teil in diesem Jahr auslaufen. Besteht die Absicht, für diese Arbeitnehmer beizeiten eine Regelung zu treffen, damit sie nicht als Bedienstete des Arbeitsamtes selber in der Situation stehen, daß sie wissen, in einigen Wochen oder Monaten gekündigt zu sein?
Frau Weyel, für 1985 ist mit der Genehmigung des Haushalts die Entscheidung über den Personalstand der Bundesanstalt für Arbeit getroffen worden. Sie wissen, daß für 1985 eine Stellenvermehrung von 954 Stellen stattgefunden hat. Das Problem, das Sie ansprechen, kann nur im Zusammenhang mit dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit für 1986 beantwortet werden.
Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich hatte in meiner Frage auch die Beschlüsse der Bundesregierung und ihren Appell an die Arbeitgeber angesprochen, doch bitte für den Abbau von Überstunden zu sorgen. Halten Sie es nicht für sinnvoll, damit auch bei der Arbeitsverwaltung anzufangen? Wenn z. B. ein Amt wie das meines Wahlkreises allein vom 1. Januar bis 20. Februar dieses Jahres über 2000 Überstunden gemacht hat, wäre es dann nicht sinnvoll, auch kurzfristig Aushilfskräfte einzustellen?
Frau Kollegin, ich darf zuerst noch einmal darauf hinweisen, daß die Zahl der Überstunden j a drastisch gesenkt worden ist. Ich will die beiden Vergleichsmonate, Januar 1982 und Januar 1985, noch einmal nennen. Im Januar 1982 wurden 77 365 Überstunden geleistet, im Ja9212
nuar 1985 14 149 Überstunden. Dieses Zurückführen von Überstunden war nur dadurch möglich, daß die Bundesanstalt in den letzten Jahren mit mehr Personal ausgestattet worden ist. Ich darf darauf hinweisen, daß trotz der angespannten Haushaltslage im Jahre 1983 2 500 zusätzliche Stellen geschaffen wurden, im Jahre 1984 weitere 444 Stellen. 1983 konnten dann weitere 1000 Zusatzkräfte der Bundesanstalt zur Verfügung gestellt werden. Ich hatte schon gesagt, 1984 wurde eine Stellenvermehrung von 954 Stellen vorgenommen. Das heißt, wir haben angemessen auf diese Situation bei der Bundesanstalt für Arbeit reagiert und haben, glaube ich, damit auch ein Vorbild gegeben, an dem sich andere messen können.
({0})
Wir kommen zur Frage 26 des Abgeordneten Dr. Lammert:
Liegen der Bundesregierung konkrete Angaben über die stark angestiegene Zahl der langfristigen sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisse in Klein- und Mittelbetrieben der deutschen Wirtschaft vor, die einerseits eine Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen in den betroffenen Branchen bewirken und zum anderen zur besorgniserregenden Konkurrenz für versicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse geworden sind, und welche Absichten hat die Bundesregierung, diese Mißstände zu beseitigen?
Herr Kollege, neuere Ergebnisse über die Zahl der sozialversicherungsfrei Beschäftigten liegen der Bundesregierung nicht vor. Wichtigste Quelle für die Erhebung der Beschäftigten nach den Merkmalen Arbeitszeit und Einkommen ist der Mikrozensus. Diese Stichprobe wird jedoch nach dem Verfassungsgerichtsurteil zur Volkszählung 1983 nicht mehr durchgeführt. Erst im Rahmen des Mikrozensus 1985 - der Gesetzentwurf wird derzeit in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages beraten - ist mit aktuellen Zahlen über sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse zu rechnen.
Die Bundesregierung beobachtet die von Ihnen angesprochenen Probleme mit Sorge. Die Interessenlage in diesem Bereich ist - das haben heftige Auseinandersetzungen in der Vergangenheit gezeigt - sehr vielschichtig. Es bedarf daher nicht nur einer Aktualisierung der Zahlen, sondern auch einer sorgfältigen Prüfung der gesamtwirtschaftlichen, beschäftigungspolitischen und sozialpolitischen Zusammenhänge, um die sich zeigenden Probleme richtig einzuordnen und sachgerechte Entscheidungen zu treffen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Lamme rt.
Welche Absichten hat die Bundesregierung neben der sorgenvollen Beobachtung dieser Probleme, die Mißstände abzustellen, die sich insbesondere darin bemerkbar machen, daß - die konkreten Zahlen, die wir hoffentlich in baldiger Zukunft haben werden, einmal außen vor gelassen - in zunehmenden Maße in einzelnen Branchen an die Stelle regulärer Arbeitsverhältnisse die Addition von jeweils sozialversicherungsfreien Teilzeitverhältnissen tritt und auch umgekehrt durch einzelne Arbeitnehmer an die Stelle regulärer Arbeitsverhältnisse die Addition von jeweils sozialversicherungsfreien Teilzeitverhältnissen tritt, fraglos etwas außerhalb der Legalität?
Herr Kollege, um Ihre Frage beantworten zu können - ich bin sicher, wir stimmen darin überein -, bedürfen wir zuerst einmal wirklich verläßlicher Erkenntnisse in diesem Bereich.
({0})
Im Augenblick stochern wir, weil wir den Mikrozensus nicht erheben können - ich hoffe, alle Fraktionen dieses Hauses schaffen die gesetzlichen Voraussetzungen dafür, daß der Mikrozensus 1985 erhoben werden kann -, etwas im Nebel herum.
({1})
- Wir haben die Zahlen nicht, und ich bitte, auch einmal zu überlegen, wer mit dazu beigetragen hat, daß wir kein gesichertes Zahlenmaterial vorliegen haben.
Aber darüber hinaus, Herr Kollege Lammert, habe ich Minister Blüm den Vorschlag gemacht - er hat ihn in der Zwischenzeit auch realisiert -, eine spezielle Arbeitsgruppe einzurichten, die für die Fälle Vorschläge erarbeitet, in denen vor allem auf Erwerb gerichtete Unternehmen mit Arbeitskräften arbeiten, die unter 15 Stunden in der Woche beschäftigt werden und deren Einkommen 400 DM nicht übersteigt. Ich hoffe, daß wir in einer nahen Zukunft einen konkreten Vorschlag auf den Tisch legen können, wie das von Ihnen und auch von uns kritisierte Phänomen zukünftig verhindert werden kann.
Herr Dr. Lammert, Zusatzfrage bitte.
Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag des einschlägig betroffenen Gebäudereinigerhandwerks, die Pflicht zur Meldung aller versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisse wieder einzuführen und auch eine angemessene Beitragsleistung der Arbeitnehmer in eine solche Neuregelung einzubeziehen?
Wir begrüßen, daß solche konstruktiven Vorschläge aus den betroffenen Gewerbebereichen gemacht werden; sie werden in der von mir skizzierten organisatorischen Form behandelt. Aber ich kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht das Ergebnis der Prüfung vorlegen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Heyenn.
Da die hier behandelten Arbeitnehmer zwar sozialversicherungsfrei, aber steuerpflichtig sind, frage ich, Herr Staatssekretär, ob es nicht möglich wäre, über die Steuerverwaltung an die Zahlen heranzukommen, für die Sie meinen auf die nächste Mikrozensuserhebung warten zu müssen, und wäre es nicht besser, statt hier UntersuHeyenn
chungskommissionen einzusetzen, den dafür in Frage kommenden Personenkreis versicherungspflichtig zu machen und zwar dergestalt, daß der Arbeitgeber den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmeranteil zusammen trägt?
Zum ersten Teil Ihres Vorschlags, den Sie in Ihrer Frage vorgelegt haben, muß ich darauf verweisen, daß dieser Weg nicht offensteht; denn hier dürften datenschutzrechtliche Bestimmungen und auch der Schutz des Steuergeheimnisses im Wege stehen, dies so zu realisieren. Ich bin aber durchaus bereit, dieser Frage nachzugehen, und sollte ich mit meiner Vermutung falsch liegen, bin ich gern bereit, mich Ihnen gegenüber schriftlich zu korrigieren. Ich habe hier erhebliche Bedenken, wenn ich mich an die engen Grenzen erinnere, die uns z. B. für den Datenaustausch zwischen Behörden gesetzt worden sind.
Hinsichtlich des zweiten Teils Ihrer Frage, Herr Kollege Heyenn, müssen wir natürlich prüfen - auch Sie haben dies zu Beginn dieses Jahrzehnts leidvoll erfahren -, ob es nicht auch Beschäftigungsverhältnisse unter 15 Stunden und unter 400 DM gibt, die wir nicht in dieser Weise in die Sozialversicherungspflicht einbeziehen können. Ich denke etwa an die Übungsleiter bei Sportvereinen, um nur ein Beispiel zu nennen, oder an bestimmte Mitarbeiter von Wohlfahrtsverbänden. Diese Gruppen müssen wir sicherlich sorgfältig von den Fällen unterscheiden, wo ein auf Erwerb gerichtetes Unternehmen ein Geschäft vor allem mit solchen Arbeitskräften betreibt. Diesen Unternehmen sollten wir auch im Interesse der Beschäftigten in diesem Lande gemeinsam das Handwerk legen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dreßler.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie gerade die konstruktiven Vorschläge des Gebäudereinigerhandwerks begrüßt haben, darf ich Sie fragen, warum Sie die gleichen Vorschläge dieses Handwerks im Jahre 1982, die zu einem entsprechenden Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und der FDP in diesem Hause geführt haben, damals als Abgeordneter der Opposition zusammen mit Ihren Kollegen abgelehnt haben?
Herr Kollege Dreßler, Sie erinnern sich noch genau daran, daß der Gesetzentwurf der von SPD und FDP getragenen Regierung nicht diese Unterscheidung vorsah, von der ich gerade gesprochen habe, und gerade aus diesem Grund ist damals das Gesetzgebungsvorhaben gescheitert.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Reetz.
Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Zahlen vor - oder können Sie diese nachreichen - über längerfristige und kurzfristige sozialversicherungsfreie Beschäftigungen bei Bundesunternehmen, z. B. der Deutschen Bundespost?
Ich bin gern bereit, meinen Kollegen beim Bundespostministerium zu bitten, Ihnen diese Frage zu beantworten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lennartz.
Herr Staatssekretär, eine Frage: Ist der Bundesregierung nicht bekannt, daß es ein Versicherungsnachweisheft gibt, daß in diesem Versicherungsnachweisheft nach Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit gegliedert ist und daß in der Spalte „Versicherungsfreiheit" von der entsprechenden Krankenkasse der Vermerk gemacht wird, daß alle diese Kopien der Bundesanstalt für Arbeit zugestellt werden, so daß Sie keinen Mikrozensus benötigen, um festzustellen, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versicherungsfrei sind?
Herr Kollege, was Sie hier erfragen, ist der Bundesregierung selbstverständlich bekannt. Nur kommen Sie auf diesem Weg nicht an diese Beschäftigungsverhältnisse heran, von denen der Kollege Lammert in seiner Frage ausgegangen ist. Ihre Frage zielt an dem Problem vorbei, das der Kollege Lammert hier aufgeworfen hat.
Die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Müller ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 29 des Abgeordneten Schöfberger auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, daß die Witwe des ehemaligen NS-Volksgerichtshofspräsidenten Roland Freisler eine Hinterbliebenenrente erhält, und sind die Bundesregierung oder ihr nachgeordnete Stellen am Zustandekommen dieser Rente irgendwie beteiligt gewesen?
Herr Kollege Schöfberger, in der Fragestunde am 1. März 1985 hat mein Kollege Stefan Höpfinger zwei Fragen des Kollegen Dr. Emmerlich zur Hinterbliebenenversorgung der Witwe Freislers ausführlich beantwortet. Wie er möchte ich für die Bundesregierung folgendes feststellen:
Die Bundesregierung hat wiederholt, insbesondere in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 25. Januar 1985 durch den Bundesminister der Justiz, ihre Abscheu vor der nationalsozialistischen Willkürherrschaft bekundet und deren Terrormethoden verurteilt. Sie unterstreicht die in der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 25. Januar 1985, Drucksache 10/2368, zum Ausdruck kommende Auffassung, daß es sich beim Volksgerichtshof unter Freisler um ein Terrorinstrument zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Willkürherrschaft gehandelt hat. Die an Unrechtsurteilen des Volksgerichtshofs Beteiligten verdienen keinen Anspruch auf Versorgung aus dieser Tätigkeit.
Was den Fall Freisler betrifft, so wiederhole ich kurz die Antwort des Kollegen Stefan Höpfinger. Die Witwe Freislers erhält eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung so9214
wie eine Hinterbliebenenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Die Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beruht auf einer fiktiven Nachversicherung nach Maßgabe des § 72 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen, kurz G 131 genannt.
Die Hinterbliebenenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz beruht darauf, daß Freisler bei einem Bombenangriff 1945, also durch unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes, ums Leben gekommen ist.
Das G 131 ist vom 11. Mai 1951, das Bundesversorgungsgesetz vom 20. Dezember 1950.
An der Bewilligung dieser Renten sind weder die Bundesregierung noch ihr nachgeordnete Stellen beteiligt gewesen, da das G 131 und das Bundesversorgungsgesetz von den Ländern in eigener Zuständigkeit durchgeführt werden. Die Voraussetzungen der fiktiven Nachversicherung werden durch eine Bescheinigung der zuständigen Pensionsfeststellungsbehörde bestätigt, die von den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich zu beachten ist.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schöfberger.
Herr Staatssekretär, ich möchte meine Frage wiederholen: Wie beurteilt die Bundesregierung diesen Gesamtvorgang? Ich bitte, dazu eine Wertung der Bundesregierung abzugeben.
Herr Kollege, wenn ich jetzt die rechtlichen Verhältnisse darstelle, bitte ich, immer zu beachten, was ich vorhin gesagt habe: daß wir im Volksgerichtshof ein Terrorinstrument sehen und daß diejenigen, die an diesem Volksgerichtshof mitgearbeitet haben, gegen Grundsätze der Menschlichkeit und der Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben.
Der Ausschluß von Personen, die am Volksgerichtshof mitgearbeitet haben, von der Nachversicherung nach § 72 des G 131 ist bei der Beratung des Dritten Änderungsgesetzes zum G 131 im Jahre 1961 diskutiert worden.
({0})
Das Land Niedersachsen hatte eine Prüfung dieser Frage empfohlen. Der Innenausschuß des Deutschen Bundestages hatte damals die Empfehlung des Landes Niedersachsen insbesondere deswegen nicht aufgegriffen, weil das System der Nachversicherung wie das Gesamtsystem der Sozialversicherung wertfrei ausgestaltet ist.
Was die Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz betrifft, so ist die Frage des Ausschlusses der in Rede stehenden Personen bei der Schaffung des Bundesversorgungsgesetzes ausführlich erörtert worden. Die bis zum Inkrafttreten des Bundesversorgungsgesetzes geltenden Vorschriften für die britische und amerikanische Zone enthielten solche Ausschlüsse. Hinterbliebene von politisch belasteten Personen waren jedoch nur ausgeschlossen, wenn sie sich selbst in vorwerfbarer Weise betätigt haben.
Der Deutsche Bundestag hat auf einstimmige Empfehlung des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen einen im Regierungsentwurf des Bundesversorgungsgesetzes vorgesehenen Ausschluß mit der Begründung gestrichen, ein Sozialgesetz müsse auf lange Sicht etwas Konstantes sein und solle keine politischen Bestimmungen enthalten. Personen, die eine schwere politische Belastung aufzuweisen haben, seien auf andere Weise zu bestrafen. Insoweit verweise ich auf das Protokoll der 30. Sitzung des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen vom 30. September 1950. Da die Regelung, die ich gerade dargestellt habe, auf eine Beschlußfassung dieses Hohen Hauses zurückzuführen ist, steht es mir nicht zu, heute eine Bewertung vorzunehmen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schöfberger.
Herr Staatssekretär, müßte nicht auf Grund der von Ihnen geschilderten Rechtslage auch Eva Braun, wenn sie noch leben würde, eine Rente bekommen, weil sie immerhin die Ehefrau eines ehemaligen Reichskanzlers war, und haben Sie Verständnis für die Empörung in der Bevölkerung angesichts der Tatsache, daß viele unter den Naziverbrechern am Leibe Geschädigte - z. B. die Zwangssterilisierten - noch heute, 40 Jahre später, auf eine billige Entschädigung warten?
({0})
Herr Kollege, ich habe sehr viel Verständnis für die Kritik, die öffentlich geäußert worden ist. Ich muß aber auf die rechtlichen Bestimmungen hinweisen, die die staatlichen Behörden in diesem Fall binden. Ich verweise noch einmal darauf: Die rechtlichen Bestimmungen, die die staatlichen Behörden hier binden, gehen auf ein Votum dieses Hauses zurück, das von allen Fraktionen getragen wurde, die damals in diesem Haus vertreten gewesen sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß bei der Zuerkennung der Rente für Frau Freisler auch davon ausgegangen wurde, daß über eine Fortsetzung der Karriere des Herrn Freisler in der Zeit der Bundesrepublik Erwägungen angestellt wurden, und daß dies deswegen auch gar nicht so völlig abwegig war, weil ja auch ein Herr Globke Staatssekretär einer Bundesregierung werden konnte, hohe Richter aus dem Dritten Reich ungehindert Justizkarriere - z. B. in Schleswig-Holstein - machten und es einen Ministerpräsidenten Filbinger gab, so daß die Fortsetzung einer Karriere Freislers für einen Richter, der nicht sonDr. Sperling
derlich politisch gebildet ist, durchaus im Bereich der Möglichkeiten gelegen hätte?
Herr Kollege Sperling, ich muß mit allem Nachdruck zurückweisen, daß Sie hier verdiente Demokraten, die sich für den Aufbau dieses Landes mehr Verdienste erworben haben, als wir beide wahrscheinlich erwerben können,
({0})
mit dem Richter am Volksgerichtshof in einen Topf werfen.
({1})
Nein, meine Damen und Herren, wir haben noch eine ganze Reihe Fragen von Kolleginnen und Kollegen vor uns. Ich muß aufpassen, daß wir nicht vom Thema abkommen.
Die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Amling und die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Stiegler sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe nun die Frage 32 der Abgeordneten Frau Fuchs ({0}) auf:
Welche politischen Schlußfolgerungen sind nach Auffassung der Bundesregierung aus der letzten Strukturuntersuchung der Bundesanstalt für Arbeit zu ziehen, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die operativen Maßnahmen im Bereich der Arbeitsförderung zu stärken?
Die Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit hat mit dem Haushalt 1985 bereits vielfältige Schlußfolgerungen gezogen, die die Bundesregierung mit der Genehmigung dieses Haushalts unterstrichen hat. Hiernach werden die Mittel etwa für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen um 32 % auf 2,28 Milliarden DM, für berufliche Bildung um 18% auf 4,35 Milliarden DM deutlich erhöht. Die operativen Maßnahmen, Frau Kollegin, nach denen Sie fragen, auf dem Gebiet der aktiven Arbeitspolitik sind damit hinsichtlich ihres Umfangs 1985 erneut deutlich erweitert worden.
Die Leistungen für Eingliederungsbeihilfen steigen um 72 % auf 350 Millionen DM. Rechnet man noch die geplanten Ausgaben für produktive Winterbauförderung, für die berufliche Rehabilitation und Leistungen für den Vorruhestand hinzu, werden für operative arbeitsmarktpolitische Maßnahmen 1985 allein 11 Milliarden DM gezielt eingesetzt. Das ist gegenüber 1982 eine Steigerung um 40% und damit zugleich der höchste Betrag für aktive Arbeitsmarktpolitik, der seit Bestehen des Arbeitsförderungsgesetzes zur Verfügung gestanden hat.
Ebenso wurden noch nie so viele Arbeitnehmer gefördert wie 1984. Die Zahl wird sich 1985 weiter erhöhen; es werden rund 400 000 Arbeitsplätze geschaffen bzw. erhalten.
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, daß die Bezugszeit des Arbeitslosengeldes für ältere und längerfristig Arbeitslose auf bis zu eineinhalb Jahre verlängert worden ist. Darüber hinaus sollen für Eltern - ich gehe davon aus, daß das Beschäftigungsförderungsgesetz in wenigen Monaten in Kraft treten kann -, die wegen Erziehung und Betreuung von Kindern zeitweilig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, die Voraussetzungen des Bezuges von Unterhaltsgeld bei Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen erleichtert werden. Die Frist von drei Jahren, innerhalb derer eine zweijährige beitragspflichtige Beschäftigungszeit erforderlich ist, wird für jedes betreute Kind um fünf Jahre verlängert. Bislang konnten nur Betreuungszeiten bis zum vierten Lebensjahr des Kindes und bei mehreren Kindern bis zum vierten Lebensjahr des jüngsten Kindes berücksichtigt werden.
Wie gesagt, ein entsprechender Antrag liegt dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages vor. Ich gehe davon aus, daß dieser Antrag die große Zustimmung des Hauses finden wird.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Fuchs.
Wenn der Umfang Ihrer operativen Maßnahmen so unglaublich erhöht worden ist, Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann, daß wir trotzdem einen dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf mehr als 2,6 Millionen Menschen haben, und sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß es an der Zeit ist, die von Ihnen genannten Maßnahmen durch eine beschäftigungswirksame Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik zu ergänzen, damit Sie mit Ihren wenigen Maßnahmen nicht dauernd herhalten müssen und ansonsten die Arbeitslosigkeit steigt?
({0})
Frau Kollegin, ich bin Ihnen für diese Frage sehr dankbar, weil ich Sie nämlich auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes in den letzten Jahren hinweisen kann. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Zwischen 1981 und 1982 ist die Zahl der Arbeitslosen um 44,2 % gestiegen, von 1982 auf 1983 um 23%, von 1983 auf 1984 um 0,3 %.
({1})
Das heißt, durch die von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen ist der rasante Anstieg der Arbeitslosigkeit, den Sie uns hinterlassen haben, abgestoppt worden. Wir erreichen den Wendepunkt auch bei der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt.
Wenn es so weitergegangen wäre wie im Oktober 1982, hätten sich Ihre Prophezeiungen, Ihre Schwarzmalerei erfüllt. Aber Gott sei Dank ist auf Grund der Entscheidungen dieser Bundesregierung die Trendwende auch auf diesem Gebiet eingeleitet.
({2})
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Fuchs.
Ich entnehme Ihren Worten, daß Sie also einen Anstieg der Arbeitslosigkeit von zu unseren Zeiten 1,8 auf jetzt 2,6 Millionen für einen Stopp, eine Trendwende halten. Wie erklären Sie sich, daß die Prognose Ihres Ministers Dr. Blüm vom Juni 1983, im Jahre 1985 hätten wir nur noch 1 Million Arbeitslose, nicht eingetreten ist?
Frau Kollegin, wenn wir Entwicklungen in der Wirtschaft beobachten - das gilt für die Preise, das gilt für die Zinsen, das gilt für das wirtschaftliche Wachstum -, dann erkennen wir, daß sich Veränderungen nicht schlagartig ergeben. Die Wende ist manchmal leider eine Kurve, manchmal eine langgezogene Kurve, insbesondere dann, wenn es zuerst einmal drastisch nach unten gegangen ist. Was Sie uns hinterlassen haben, das war ein Arbeitsmarkt, der immer tiefer in den Keller gesackt ist.
Wir haben die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt erreicht, auch mit Hilfe der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, von denen ich vorhin gesprochen habe. Sie können diese Entwicklung einfach nicht leugnen.
Dabei, Frau Kollegin, sollte es außer Diskussion sein - ich nehme an, daß Sie das mit Ihrer Frage auch nicht gemeint haben -, daß jeder Arbeitslose einer zuviel ist. Ich glaube, für uns ist die Arbeitslosigkeit mehr als eine wirtschaftliche Herausforderung.
Aber bitte tun Sie dann auch das Ihre, daß das Mehr an Beschäftigung, das wir heute in diesem Lande feststellen, zu mehr Beschäftigten und nicht einfach nur zu mehr Überstunden führt. Tun Sie bitte das Ihre, daß Arbeitslose in Zukunft leichter in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden können.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Lutz.
Herr Staatssekretär, wollten Sie mit Ihrer Antwort die Arbeitslosen verhöhnen, oder können Sie nicht anders antworten? Welchen Schluß ziehen Sie aus der Tatsache, daß mit jedem Jahr Ihrer Regierung die Dauer der Arbeitslosigkeit für jeden Arbeitslosen durchschnittlich um einen Monat steigt?
({0})
Herr Kollege Lutz, ich erspare mir eine Bewertung Ihrer moralischen Kategorien. Wer so im Glaskasten gesessen hat, sollte mit den Steinen nicht so wild um sich werfen, wie Sie das gerade getan haben.
Ich bedaure mit Ihnen, daß es nicht kurzfristig möglich ist, den hohen Sockel an Arbeitslosigkeit so abzubauen, daß wir von Vollbeschäftigung sprechen können. Ich bedaure mit Ihnen, daß die Dauer der Arbeitslosigkeit anhält.
Das sind Spätfolgen einer Entwicklung, die Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre eingesetzt hat.
({0})
Wir reagieren aber auf diese Spätfolgen, die wir heute auf dem Arbeitsmarkt sehen, mit den Instrumenten, die uns zur Verfügung stehen. Ich habe einige dieser Instrumente genannt. Sicherlich sind wir hier noch nicht soweit, daß wir alles, was wir tun müssen, ausgeschöpft haben.
Zusatzfrage des Abgeordneten Kirschner.
Herr Staatssekretär, Sie haben darauf hingewiesen, daß Sie aus der Strukturuntersuchung der Bundesanstalt für Arbeit positive Erkenntnisse ziehen und dementsprechende Entschlüsse fassen. Sie haben in diesem Zusammenhang erwähnt, daß der Bezug von Arbeitslosengeld für die über 49jährigen auf 18 Monate ausgedehnt wird. Können Sie mir sagen, wie viele dieser Arbeitslosen in Zukunft Arbeitslosengeld zusätzlich erhalten werden? Können Sie mir sagen, wie viele der Arbeitslosen trotz alledem überhaupt keine Arbeitslosenunterstützung erhalten? Welche Schlußfolgerungen ziehen Sie denn für diese Arbeitslosen?
Herr Kollege Kirschner, ich kann Ihnen mit Blick auf den ersten Teil Ihrer Frage jetzt nur antworten, daß die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für die von Ihnen genannten Personen die Bundesanstalt in einer Größenordnung von etwa 1,6 Milliarden DM belasten wird. In diesem Umfang steigen die Aufwendungen für das Arbeitslosengeld.
Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, welche Verschiebung sich zwischen den Empfängern von Arbeitslosengeld und den Empfängern von Arbeitslosenhilfe ergeben wird. Aber eindeutig wird die Tendenz so sein, daß sich die Relation wieder zugunsten der Bezieher von Arbeitslosengeld verbessert. Es war ja ein Sinn dieser Maßnahme, den Charakter der Arbeitslosenversicherung wieder stärker zur Geltung zu bringen.
Zum dritten Teil Ihrer Frage darf ich Ihnen antworten, daß wir beim prozentualen Anteil der Leistungsempfänger an den registrierten Arbeitslosen keine dramatische Verschiebung haben. Die Entwicklung dieser Relation bewegt sich zwischen 64 und 66% in den Jahren seit 1980. Es ist nicht so, daß der Anteil 1980 hoch gewesen und dann gleichmäßig heruntergegangen wäre. Es gibt vielmehr ein Pendeln in den einzelnen Jahren.
Es gibt eine Verschiebung in dem Verhältnis zwischen Beziehern von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Dazu muß ich darauf hinweisen, daß wir nicht nur eine Maßnahme ergriffen haben, die diese Entwicklung korrigiert, sondern daß im Rahmen des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes die Antwartschaftszeit für den Erwerb des Anspruchs auf Arbeitslosengeld 1981 von Ihnen von sechs auf zwölf Monate verlängert worden ist. Von daher dürfen Sie sich nicht wundern, daß mancher ArbeitsParl. Staatssekretär Vogt
lose noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.
Letzte Bemerkung - Sie haben halt so umfangreich gefragt -: Wir haben natürlich einen Teil registrierter Arbeitsloser, die nicht Leistungsempfänger sind; richtig. Berufsanfänger und Berufswiederanfänger, die keinen Anspruch erworben haben, können keine Lohnersatzleistung bekommen. Und derjenige, der nicht bedürftig ist, wo also ein ausreichendes Familieneinkommen zur Verfügung steht, bekommt eben, wenn das Arbeitslosengeld ausgelaufen ist, die Anspruchsdauer erschöpft ist, keine Arbeitslosenhilfe.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dreßler.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie uns soeben die Zahlen, in Prozenten ausgedrückt, zur Kenntnis gegeben haben, frage ich Sie jetzt noch einmal, wie Sie nach den Äußerungen der Minister Geißler und Blüm aus dem Jahre 1983, daß wir im Jahre 1985 nur noch 1 Million Arbeitslose hätten, zu einer solchen Beantwortung der Fragen der Kollegin Fuchs und des Kollegen Lutz kommen können, wo jetzt schon die Zahl der Arbeitslosen um über 800 000 über der am 1. Oktober 1982 liegt. Stimmen Sie mir nicht zu - um es vorsichtig zu formulieren -, daß die Minister Geißler und Blüm ihre damalige Ankündigung schleunigst zurücknehmen müßten?
({0})
Herr Kollege Dreßler, es ist natürlich so, daß in den Monaten Januar und Februar, vor allem im Januar,
({0})
der Arbeitsmarkt zusätzlich belastet worden ist.
({1})
Der Januar war ein Ausreißer-Monat. Daran gibt es gar nichts herumzudiskutieren. Aber die wirtschaftlichen Rahmendaten, die für die Beurteilung der zukünftigen Entwicklung entscheidend sind, lassen uns nicht nur vermuten, sondern sicher sein, daß wir in diesem Jahr einen deutlichen Abbau von Arbeitslosigkeit haben werden; denn die wirtschaftlichen Rahmendaten, die bisher schon die Konjunktur getragen haben, die dazu geführt haben, daß wir die Wirtschaft aus einer Schrumpfungsphase wieder auf den Wachstumspfad gebracht haben - den Schrumpfungspfad hatten Sie uns hinterlassen -, stimmen heute noch genauso wie im Dezember 1984 oder im August 1984.
Wenn Sie sich im übrigen den Arbeitsmarkt genau ansehen und sich fragen, wie sich die Zahl der offenen Stellen entwickelt, wie sich die Zahlen bei der Arbeitsvermittlung entwickeln, wie sich die Zahlen bei der Vermittlung jüngerer Arbeitskräfte entwickeln, werden Sie sehen, daß diese positiven Tendenzen auch auf dem Arbeitsmarkt sichtbar sind. Und Sie können diese positiven Tendenzen mit Ihren Fragen hier nicht einfach vom Tisch schieben. Das wird Ihnen nicht gelingen.
({2})
Zusatzfrage des Abgeordneten Kolb.
Herr Staatssekretär, hat Ihr Haus einmal eine Untersuchung darüber angestellt, welche Verantwortung die Tarifpartner für die strukturelle Arbeitslosigkeit haben, die in der Regel strukturelle Unterschiede in der Bundesrepublik bei den Tarifverhandlungen nicht berücksichtigt haben?
Herr Kollege Kolb, auf die Entwicklung am Arbeitsmarkt wirken verschiedene Faktoren ein. Ein Faktor ist natürlich auch die Entwicklung der Arbeitskosten; das ist absolut richtig.
({0})
Eine Arbeitsteilung, nach der die einen für die Arbeitskosten, die anderen für den Stand der Beschäftigten verantwortlich sind, funktioniert ja schon deshalb nicht, weil sich auch bei den Tarifvertragsparteien in den letzten Jahren durchaus das Bewußtsein wieder verschärft hat, daß sie mit ihren Entscheidungen über die Höhe des Beschäftigungsstandes mitbestimmen. Ich muß den Tarifvertragsparteien in dieser Fragestunde aus Anlaß Ihrer Frage ausdrücklich Anerkenntnis zollen, daß sie in den letzten Jahren Abschlüsse getätigt haben, durch die der Reallohn nicht gesichert werden konnte. Sie haben Tarifabschlüsse mit Reallohneinbußen getätigt. Ich nehme das auch als Ausdruck der Verantwortung der Tarifpartner für den Stand der Beschäftigten in diesem Lande. Daß diese Erkenntnis nicht überall gleichmäßig Platz gegriffen hat, bedaure ich so wie Sie.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß man eine Wende auf dem Arbeitsmarkt schon deswegen nicht leugnen kann, weil sie gar nicht stattgefunden hat, sondern daß eine Wende bei den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen bevorsteht, die „paradoxerweise" dann sinken, wenn die Arbeitslosigkeit steigt?
Herr Kollege Sperling, ich möchte es mir versagen, noch einmal auf die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hinzuweisen, die seit 1981 stattgefunden hat. Wenn Sie sich auch als Oppositionspolitiker die Fähigkeit bewahrt haben, Statistiken zu lesen, auch solche, die in Graphiken übertragen worden sind,
({0})
werden Sie feststellen, daß wir eben doch am Wendepunkt am Arbeitsmarkt angelangt sind.
(Wolfram ({1})
Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.
Herr Staatssekretär, da Sie eben das Verhalten der Tarifparteien gelobt haben, frage ich Sie, worin Sie denn die entscheidenden Ursachen dafür sehen, daß der Bundesarbeitsminister und der sogenannte Bundesfamilienminister 1983 für 1985 eine Million Arbeitslose prognostiziert haben und damit entsetzlich hinter die eigentliche Entwicklung zurückgefallen sind, und welche Garantien die Bundesregierung sieht, daß die beiden eben genannten Minister in Zukunft nicht ähnlich katastrophale Fehlmeldungen in die Welt setzen?
Herr Kollege, wir werden ja in der nachfolgenden Aktuellen Stunde noch Gelegenheit haben, darauf, wenn Sie das so haben wollen, einzugehen. Ich darf Sie nur noch einmal darauf verweisen, daß wir auf dem Arbeitsmarkt die Trendwende erreicht haben.
Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Kirschner auf:
Wie hoch waren nach Berechnungen der Bundesregierung die gesamtfiskalischen Kosten der Massenarbeitslosigkeit im Jahr 1984, und von welcher Kostenbelastung geht die Bundesregierung für das Jahr 1985 aus?
Herr Kollege, die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit sind eine fiktive Größe, die die Kosten der Arbeitslosigkeit als Ausgabenbelastung - Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe - und die Mindereinnahmen öffentlicher Haushalte durch entgangene Steuern und Sozialbeiträge widerspiegelt. Die Abschätzung der Kosten setzt eine differenzierte Kostenrechnung voraus, die vor allem zwischen Leistungsempfängern und Nichtleistungsempfängern unterscheidet.
Nach aktualisierten Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ergeben sich für Arbeitslosengeldempfänger im Durchschnitt des Jahres 1984 Mehrausgaben und Mindereinnahmen in Höhe von 29 660 DM. Entsprechend entstehen an Kosten für Arbeitslosenhilfeempfänger rund 27 460 DM und für Arbeitslose ohne Leistungen rund 15 590 DM.
Für die Arbeitslosen insgesamt betrugen die durchschnittlichen gesamtfiskalischen Kosten im Jahre 1984 rund 23 900 DM pro Person. Bei 2,27 Millionen Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 1984 ergeben sich rechnerisch für die Bundesanstalt, den Bund, die Länder und die Gemeinden sowie die Renten- und Krankenversicherungsträger Mehrausgaben und Mindereinnahmen in Höhe von 54,1 Milliarden DM. Dabei entfällt über die Hälfte auf Mindereinnahmen und weniger als die Hälfte auf Mehrausgaben. Der Anteil der reinen Transfereinkommen - Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe und Wohngeld - liegt lediglich bei rund 30 %.
Für das Jahr 1985 - auch danach haben Sie gefragt - liegen derzeit keine gesicherten Erkenntnisse vor. Die Kostenentwicklung hängt von einer Reihe unterschiedlicher Faktoren ab, die erhöhten Schätzrisiken unterliegen. So sind weder die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenzahl noch ihre Zusammensetzung aus Arbeitslosengeldempfängern, Arbeitslosenhilfeempfängern und Nichtleistungsempfängern exakt vorauszusehen. Dies gilt auch für die Einkommensentwicklung, die vor allem durch eine Reihe bevorstehender Tarifabschlüsse bestimmt wird.
Insgesamt darf ich aber noch einmal darauf hinweisen, daß diese gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit eine fiktive Größe sind.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kirschner.
Herr Staatssekretär, sind in der von Ihnen genannten Zahl von rund 54 Milliarden DM für das Jahr 1984 auch die Zahlen der Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, der Mindereinnahmen der Krankenversicherungen, der Mehrausgaben der Sozialhilfe und natürlich auch der geringeren Lohnsteuerleistungen - denn solche Leistungen kann der Arbeitslose ja nicht erbringen - enthalten?
Vogt, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, daß die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit zum einen aus den Transferleistungen berechnet werden, die 30 % dieser gesamtfiskalischen Kosten ausmachen, und daß das andere Berechnungen von Mehreinnahmen sind, die als Steuermehreinnahmen oder als Beitragsmehreinnahmen da wären, wenn niemand arbeitslos wäre. In den Zahlen steckt also genau das drin, wonach Sie in der Zusatzfrage gefragt haben, und ich hatte das vorgetragen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dreßler.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß in den nächsten Monaten in der Automobilindustrie kurzgearbeitet wird, und wenn ja, haben Sie in Ihren fiskalischen Überlegungen für 1985 die entsprechenden Summen bereits berücksichtigt?
Herr Kollege Dreßler, im Augenblick deutet nichts darauf hin, daß es in der Automobilindustrie zu einem drastischen Nachfragerückgang käme.
({0})
Wir haben möglicherweise eine unterschiedliche Entwicklung im Inlands- und im Auslandsabsatz; das ist sicherlich zu erwarten. Aber wenn es einen Rückgang im Inlandsabsatz gibt, gibt es eben auch
gute Anzeichen dafür, daß er durch den Auslandsabsatz ausgeglichen werden kann.
({1})
Wir kommen zu Frage 34 des Abgeordneten Lutz:
Mit welcher durchschnittlichen Zahl der gemeldeten Arbeitslosen rechnet die Bundesregierung für 1985, und ist nach den Arbeitsmarktdaten für Januar und Februar 1985 eine Korrektur der Jahresdurchschnittszahl erforderlich?
Herr Kollege, die Bundesregierung rechnet an Hand der Projektion des Jahreswirtschaftsberichts mit ca. 2,2 Millionen Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 1985. Sie hält auch nach den vorliegenden witterungsbedingten Ergebnissen für die Monate Januar und Februar eine Korrektur der Jahresdurchschnittszahl nicht für erforderlich.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lutz.
Herr Staatssekretär, wollen Sie damit alle Experten des Arbeitsmarktes Lügen strafen, die sagen, daß sich ein solcher Januar und ein solcher Februar durchs ganze Jahr schleppen und die Statistik verdüstern?
Herr Kollege, selbstverständlich belasten die Zahlen des Januar und des Februar die statistischen Durchschnittswerte des Jahres 1985. Die im Vergleich zum Januar 1984 80 000 Arbeitslosen mehr im Januar und die im Februar 75 000 Arbeitslosen mehr als im Februar 1984 belasten den Arbeitsmarkt, aber wir haben auch eine Reihe von günstigen Arbeitsmarktindikatoren. Der Zugang an offenen Stellen lag 19 % über dem Vormonat und 7 % über dem Vorjahresmonat. Die anderen Indikatoren: eine Steigerung bei der Arbeitsvermittlung gegenüber dem Vormonat um 15 %, gegenüber dem Vorjahresmonat um 9 %, eine Verringerung der Kurzarbeiterzahl gegenüber dem Vormonat um 7 %, gegenüber dem Vorjahresmonat um 33 %; dazu die Aktiva, der Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, von denen ich vorhin gesprochen habe, diese operativen Maßnahmen. Alles dies zusammengenommen bringt uns ganz seriös zu der Auffassung, daß die Projektion des Jahreswirtschaftsberichts in der tatsächlichen Entwicklung dieses Jahres auch erreichbar ist.
Letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lutz.
Herr Staatssekretär, wenn sich nun die Arbeitsmarktzahlen im März nicht nach Ihrer Prognose richten, wie war dann dieser März? War es dann ein kalter, ein nasser oder ein besonders märziger März, damit es wieder stimmt?
({0})
Herr Kollege Lutz, ich nehme an, daß die Mehrheit der deutschen Bevölkerung in den letzten zwei Monaten nicht nur in klimatisierten Räumen gelebt hat. Ich gehe davon aus, daß auch Sie erfahren haben, wie das Wetter im Januar und im Februar nun tatsächlich gewesen ist.
Ich will nur den zusätzlichen Hinweis geben, Herr Kollege, daß wir wahrscheinlich im Jahr 1985 ein Wachstum des Bruttosozialprodukts um bis zu 3 % haben werden, daß die Arbeitnehmer in bezug auf ihr Realeinkommen in diesem Jahr besser dastehen werden als im zurückliegenden Jahr, daß der Außenbeitrag unserer Volkswirtschaft sich verbessern wird. Alles dies bringt uns zu der Überzeugung - die guten Indikatoren geben uns diese Zuversicht -, daß das, was im Jahreswirtschaftsbericht als Projektion festgehalten ist, im Jahre 1985 auch Wirklichkeit werden wird.
Na, dann wollen wir mal zum Abschluß der Fragestunde noch gutes Wetter wünschen. Wir sagen Ihnen danke schön für die Beantwortung der Fragen.
Aus Zeitgründen ist die Fragestunde beendet.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär Vogt hat
({0})
in einer Antwort auf eine Frage auf die Aktuelle Stunde hingewiesen und damit schon angedeutet, daß wir mit seinen Antworten auf die Fragen unzufrieden sind. Das ist so, Herr Präsident.
({1})
- Ja, wir haben das erwartet.
({2})
Herr Präsident, wir beantragen deswegen nach Nr. 1 Buchstabe b der Richtlinien für die Aktuelle Stunde eine Aktuelle Stunde. Ich bitte, Frau Anke Fuchs als erster Rednerin das Wort zu geben.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD hat auf Grund der Nr. 1 b der Richtlinien eine Aktuelle Stunde beantragt, und zwar zu den Antworten der Bundesregierung auf die vorhin in der Fragestunde zuletzt behandelten Fragen. Die Aussprache muß nach Nr. 2 a der Richtlinien unmittelbar nach Schluß der Fragestunde durchgeführt werden. Das ist genau jetzt.
Ich rufe daher die
Aktuelle Stunde
auf. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Fuchs ({0}).
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, wir haben es geahnt, daß
Frau Fuchs ({0})
der Herr Staatssekretär wohl nicht in der Lage sein werde, unsere Fragen zu beantworten. Das liegt nicht an seiner Person, sondern das liegt an der Politik dieser Bundesregierung.
({1})
Es hat sich gezeigt: Diese Bundesregierung nimmt Massenarbeitslosigkeit in Kauf. Es konnte nicht erläutert werden, wieso der Bundesarbeitsminister im Jahre 1983 eigentlich behaupten konnte, 1985 würden wir nur noch eine Million Arbeitslose haben.
({2})
Diese Bundesregierung nimmt Arbeitslosigkeit in Kauf. Und mit Ihrem Beschäftigungsförderungsgesetz, das ein Entlassungsförderungsgesetz ist, werden Sie auch nicht dazu beitragen, daß Arbeitslosigkeit abgebaut wird, sondern es werden weitere Stammarbeitsplätze gestrichen.
({3})
Ihre These vom beschäftigungspolitischen Fortschritt durch sozialpolitischen Rückschritt hat noch nie gestimmt.
({4})
Deswegen fordern wir, meine Damen und Herren, daß es in diesem Lande endlich eine beschäftigungswirksame Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik gibt.
({5})
Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit hat j a heute morgen - ich glaube, das war für Sie auch interessant - gesagt: Mit dem erneuten „Verschiebebahnhof", der Verschiebung von der Arbeitslosenversicherung zur Rentenversicherung, werden wiederum die Rücklagen der Bundesanstalt für Arbeit geschröpft.
({6})
Das Ergebnis ist: Zuerst hat der Bundesarbeitsminister die Rentenversicherung pleite gemacht, und jetzt ist auch noch die Bundesanstalt für Arbeit pleite und hat kein Geld mehr für aktive Beschäftigungspolitik.
({7})
Das Ergebnis für die Betroffenen wird immer dramatischer. Zunehmend rutschen Menschen aus der Arbeitslosenhilfe heraus, zunehmend sind sie auf Sozialhilfe angewiesen. Und Sie tun überhaupt nichts.
Deswegen sagen wir noch einmal: Es ist Zeit, daß auch Sie aufwachen und begreifen: Bei einer Arbeitslosigkeit von 2,6 Millionen brauchen wir eine Umkehr der Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik.
({8})
Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will sofort antworten, und zwar auf die Kollegin Anke Fuchs. Verehrte Frau Kollegin, wie kommen Sie vor diesem Hohen Hause zu dem Satz: Erst haben Sie die Rentenversicherung pleite gemacht und jetzt auch noch die Bundesanstalt für Arbeit?
({0})
Sie haben eine Bundesanstalt für Arbeit mit 13 Milliarden DM Defizit hinterlassen.
({1})
Wir haben eine Bundesanstalt, die im letzten Jahr 3 Milliarden DM Überschuß hatte.
({2})
Wir haben der Rentenversicherung 60 Milliarden DM beschafft. Wenn Sie am Ruder geblieben wären, wäre sie 1983 pleite gewesen.
({3})
Ich wundere mich in der Tat, Frau Kollegin Fuchs, wie Sie mit der Wahrheit auf dem Kriegsfuß stehen. Ich will das gleich zu Anfang - wiederum vor diesem Hohen Hause - ausbreiten. Sie verbreiten: Der Bundesarbeitsminister will die Arbeitnehmer zur Samstagsarbeit verpflichten. Wie kommen Sie eigentlich dazu?
({4})
Wie kommen Sie zu dieser Aussage? Ich habe ausdrücklich gesagt: Wenn die Arbeitszeiten kürzer werden, wird man sie anders mischen müssen. Das ist eine uralte Erfahrung.
({5})
Dann werden Betriebszeiten und Arbeitszeiten nicht die gleichen sein.
({6})
„Ich habe lieber, samstags gehört Vati dem Betrieb als von Montag bis Freitag Herrn Stingl."
({7})
Wissen Sie, wer das gesagt hat? Keine Entrüstung! Das hat Franz Steinkühler, stellvertretender Vorsitzender der IG Metall, gesagt.
({8})
- Ganz vorsichtig, verehrte Frau Kollegin. Sie verbreiten im hessischen Wahlkampf Flugblätter, wir wollten die Wochenarbeitszeit verlängern.
({9})
Die Unwahrheit ist das. Machen Sie doch keine Politik mit der Unwahrheit.
({10})
Wenn Sie hier schon eine Aktuelle Stunde machen, dann frage ich Sie: Wie kommen Sie eigentlich dazu, uns Versagen auf dem Arbeitsmarkt vorzuwerfen?
({11})
Wir haben die Mittel für berufliche Bildung um 18,3 % erhöht,
({12})
für Umschulung um 11,8%, Mittel für Einarbeitungszuschüsse um 119 %, für Unterhaltsgeld um 18 %. Hören Sie sich die Wahrheit an.
({13})
Wir haben die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen verdreifacht.
({14})
Wie kann dann einer, der nur ein Drittel von dem gemacht hat, was wir gemacht haben, sagen, wir würden nichts tun?
({15})
Mathematik muß in diesem Hohen Hause schon noch eine Rolle spielen. Wir haben den Vorruhestand eingeführt. Sie haben jahrelang darüber geredet. Von Reden haben die Arbeitslosen nichts.
Sie haben den Karren Arbeitsmarkt in eine rasende Steilfahrt nach unten gebracht. Wissen Sie, wie hoch die Neigung war? Von 1969 bis 1982 stieg die Arbeitslosenzahl um 1 700 %.
({16})
Sie sind doch Weltmeister im Steigern der Arbeitslosenzahl.
Ich fürchte, meine Damen und Herren, die Arbeitslosen haben nichts von dieser Art von Diskussion.
({17})
- Sie haben sie doch angefangen.
Wie kommen wir heraus?
({18})
Wir kommen nur durch eine gemeinsame Anstrengung von Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Gewerkschaften und Regierung heraus, und wir brauchen eine Modernisierung. Die muß vor allen Dingen in Ihrem Kopf beginnen.
({19})
Wir brauchen eine Modernisierung unserer Wirtschaft. Die Arbeitsplätze sind doch nicht dort weggefallen, wo modernisiert wurde, wo der technologische Fortschritt seine Bahn brach. Die Arbeitsplätze sind dort weggefallen, wo die alten Klamotten waren. Amerika hat in derselben Zeit, in der wir über 1 Million Arbeitsplätze verloren haben,
({20})
21 Millionen Arbeitsplätze geschaffen; und Amerika ist ein Land des technologischen Fortschritts, meine Damen und Herren.
({21})
Wir brauchen berufliche Bildung. Es wurden noch nie so viele Lehrplätze geschaffen wie zu unserer Zeit. Wir haben sie geschaffen.
({22})
Die Aktuelle Stunde ist doch peinlich für Sie, meine Damen und Herren.
({23})
Wir brauchen berufliche Weiterbildung, und zwar in den Betrieben.
({24})
- Ich beruhige mich nicht. Darüber kann man sich nur aufregen, wie man so unverfroren hier auftreten und so tun kann,
({25})
als wären Sie 20 Jahre in Alaska gewesen, kämen jetzt zurück und würden sagen: Wie ist die Bundesrepublik doch in einem schlechten Zustand!
Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Wir brauchen Modernisierung, berufliche Bildung und auch ein Arbeitsrecht - dazu bekenne ich mich, das werden wir hier diskutieren -, das nicht nur Schutzrecht ist, sondern das auch ermöglicht, daß die, die draußen sind, wieder hereinkommen.
({26})
Wir müssen einer Festungsmentalität entgegentreten, bei der diejenigen, die Arbeit haben, sich zurückziehen und die Beute unter sich verteilen.
({27})
Wir werden einen Beitrag leisten müssen - dazu sind Sie herzlich eingeladen -,
({28})
um die Lohnnebenkosten, die durch die Krankenversicherung entstehen, zu senken.
({29})
Wir brauchen eine Arbeitsmarktpolitik, die nicht einfach Arbeitslosigkeit verwaltet.
({30})
Deshalb liegt das Geheimnis in wirtschaftlichem Aufschwung. Sie haben sich mit Minuswachstum verabschiedet. Wir haben wieder Wachstum.
({31})
- Natürlich, ein Karren, der so herunterfährt, kann
nicht sozusagen vor einen Zementklotz fahren und
bremsen. Der braucht eine Kurve, er braucht eine Bremsspur.
Ich bin aber sicher: Auch wir werden das schaffen. Was andere geschafft haben, was die Nachkriegsgeneration geschafft hat. Es wäre gelacht, wenn wir das nicht auch zustande bringen würden.
({32})
Ich wundere mich, daß ausgerechnet die roten Sozialdemokraten die schwärzesten Schwarzseher geworden sind, die in dieser Republik zu Hause sind.
({33})
Ihr bevorzugter Beruf ist doch der des Profipessimisten. Sie sind doch Frustrationspfleger und Bedenkenträger. Etwas anderes bekommen Sie doch nicht mehr hin, meine Damen und Herren.
({34})
Mit Reden in einer Aktuellen Stunde schaffen wir das nicht, sondern nur mit Machen. In der Tat haben wir in Sachen Arbeitsmarktpolitik mehr gemacht als die Regierung, die von der SPD geführt wurde.
({35})
Das Wort hat der Abgeordnete Hoss.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin etwas verzweifelt über die Debatten, die hier immer stattfinden, über die Lautstärke, darüber, wie sie ablaufen und daß sie am wesentlichen Inhalt vorbeigehen.
({0})
Wenn hier das Thema Massenarbeitslosigkeit und hoher Sockel aufgerufen ist und wir dazu Stellung nehmen, kann ich zwar sagen, daß ich mit Ihnen gerne darüber diskutiere, wie wir hier 10 000 Arbeitsplätze schaffen, indem wir die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erhöhen, indem wir dort 20 000 oder 30 000 Arbeitsplätze - wie das in diesem Jahr der Fall ist - durch den Vorruhestand schaffen;
({1})
aber damit bekommen wir den hohen Sockel der Arbeitslosigkeit, die Massenarbeitslosigkeit nicht weg. Das ist das Problem.
({2})
Ich denke, meine Herren von der CDU oder von der SPD, ohne daß ich Ihnen das jetzt zum Vorwurf machen will, wir kommen um die Feststellung der Tatsache nicht herum, daß wir - Kollegin Fuchs hat es schon gesagt - 1,8 Millionen Arbeitslose hatten, als die SPD die Regierung verlassen hat, und daß wir jetzt nach den Jahren, in denen Sie regieren, 2,6 Millionen Arbeitslose haben ohne die verdeckte Arbeitslosigkeit.
({3})
Jetzt wollen wir einmal, ohne hier zu schreien und ohne uns gegenseitig Vorwürfe zu machen, wieder auf den Teppich herunterkommen und uns darüber unterhalten, welche Maßnahmen denn wohl nötig wären, um von dem Sockel an Massenarbeitslosigkeit herunterzukommen,
({4})
um zu einer Situation zu kommen, die uns wirklich an die Innereien unserer Wirtschaftspolitik heranführt, der wir uns stellen müssen. Der Punkt ist doch, daß uns das alte Wachstum nicht weiterbringt.
({5})
- Kollege George, Sie sagen, das alte Wachstum gibt es schon lange nicht mehr.
({6})
Das ist auch richtig. Wir sind jetzt bei Wachstumsraten von 2 % bis 3 %. In dieser Gegend bewegt sich das.
({7})
Damit stellen wir aber fest, wenn wir wissen, daß über 6 % Wachstum notwendig sind, um Massenarbeitslosigkeit abzubauen, daß 3 % nicht ausreichen und andere Möglichkeiten notwendig sind. Qualitatives Wachstum alleine, unqualifiziert genommen, nützt auch nichts. Es nützt nichts, wenn wir Wachstum in bestimmten Bereichen schaffen, wenn wir sozusagen eine Umweltindustrie ankurbeln, die zwar dazu führt, daß wir Arbeitsplätze haben, die aber zusammen mit den anderen hochtechnologischen Bereichen arbeitsplatzvernichtend wirkt und keine zusätzlichen Arbeitsplätze schafft. Wir müssen uns vielmehr darüber Gedanken machen, welche Maßnahmen wir ergreifen, um durch eine strukturelle, ökologische Wirtschaftspolitik, und zwar gründlich und vorsichtig und ohne Hektik, Änderungen in unserer Gesamtwirtschaft zu schaffen und Produktionsausweitungen in bestimmten Bereichen und Produktionsrücknahmen in anderen Bereichen zu erreichen, in denen sie ökologisch nicht verträglich sind. Dieser Wahrheit müssen wir uns stellen.
({8})
Das gilt z. B. für den Bereich der Bauindustrie. Die Bauindustrie steht zur Zeit nicht sehr gut da. Das wissen Sie genausogut wie ich. Wir haben da die Möglichkeiten, das Programm des Ausbaus von Autobahnsystemen, Straßenverkehrssystemen zu
fahren und der Bauindustrie Arbeit und Arbeitsplätze zu geben. Wir wissen aber alle
({9})
- ich sage es ja gerade -, daß das kein Weg ist, der ökologisch verträglich ist. Wir müssen vielmehr, um der Bauindustrie zu helfen und Arbeitsplätze zu sichern, eine ökologische Wirtschaftspolitik machen, indem wir sagen: Wir orientieren durch gesetzgeberische - steuerliche und finanzmäßige - Maßnahmen die Wirtschaft dahin, daß die Bauindustrie z. B. auf den Bereich der Wärmedämmung ausgerichtet wird.
({10})
Wir müssen in Kombination mit einer neuen Energiepolitik aussteigen aus der arbeitsplatzvernichtenden, hochtechnologischen Atomindustrie.
({11})
Meine Damen und Herren, während Sie weiter Milliardensummen in den Ausbau dieser Industrie stecken, die zugleich Arbeitsplätze vernichtet, stellen wir dem die Möglichkeit einer basisnahen, kommunalnahen Energiepolitik entgegen, die dazu führt, daß eine Vielzahl von Arbeitsplätzen geschaffen wird,
({12})
die dazu führt, daß wir eine Stärkung des Mittelstandes, des Handwerks z. B. im Baubereich durch Altbausanierung und durch die Annahme der Erzeugung von alternativen Energien haben.
({13})
- Das bezahlen wir z. B. dadurch, daß wir die Milliarden, die Sie in die Atomenergieprogramme stekken, umleiten. Wenn wir eine ökologische Wirtschaftspolitik machen und wenn wir die derzeit 250 Milliarden DM Kosten im Gesundheitsbereich um 100 Milliarden DM verringern könnten, dann könnten wir solche Summen für ein ökologisches Arbeiten einsetzen. Das sind Änderungen, die wir angehen müssen.
Ich denke, über diese Fragen sollten wir uns in Ruhe unterhalten,
({14})
ohne uns, wie ich das gerade vom Herrn Minister erlebt habe, der aber sicher angeregt worden ist durch die Seite von der SPD -
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Ich weiß, meine Zeit ist abgelaufen.
({0})
Danke schön.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wissmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, jenseits aller Polemik kann hier im Hause niemand bestreiten, daß die Arbeitslosigkeit die ernsthafteste wirtschaftspolitische Herausforderung ist, mit der wir es zu tun haben. Natürlich gibt es niemand aus dem Lager der Regierungsfraktionen, der behauptet hätte, wir hätten dieses Problem schon bewältigt. Aber ich glaube, eine nüchterne Betrachtung muß uns auch veranlassen, zu sehen, daß der schlimme Trend, der zu einer Verdoppelung der Arbeitslosigkeit in den letzten vier Jahren Ihrer Regierungszeit geführt hat, weitgehend gestoppt worden ist
({0})
und daß selbst der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sagt, daß wir die Chance haben, im Jahre 1985 etwa 200 000 Menschen zusätzlich in den Erwerbsprozeß einzugliedern und die Arbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt gegenüber dem Jahre 1984 um etwa 100 000 abzubauen.
Daß das nicht genügt, daß wir weitergehen müssen, daß wir ein Stück von dem amerikanischen Beispiel lernen können - 7 Millionen Arbeitsplätze, geschaffen in vier, fünf Jahren -, das gehört mit zu dem Bild.
({1})
- Herr Urbaniak, Sie als Sozialdemokraten gehen doch wenn Sie gelassen mit sich selbst umgehen, genau den falschen Weg. Sie sagen hier immer wieder: zusätzliche Investitionen. Vor Ort - in Hamburg bei der A26, in Jülich, in Euskirchen, in Ostwestfalen -, bei konkreten Maßnahmen, sind dann Sozialdemokraten für die genau gegenteilige Politik.
({2})
Oder Herr Hoss: Auf der einen Seite ein Plädoyer für den Abbau von Arbeitslosigkeit, auf der anderen Seite GRÜNE Politik in Berlin für eine autofreie Stadt und GRÜN-alternative Politik in Köln für die Umwandlung von Ford in eine Fahrradfabrik. Das schafft nicht neue Arbeitsplätze, sondern Millionen zusätzliche Arbeitslose.
({3})
Meine Damen und Herren, den Weg, den wir gehen wollen, haben wir mit der Regierungserklärung deutlich eingeschlagen und Schritt für Schritt zu verwirklichen begonnen: Wachstum nicht als die einzige Bedingung, aber als eine wichtige Bedingung zum Abbau von Arbeitslosigkeit, Vorruhestandsregelung, gegen heftige andere Akzentuierungen durchgesetzt und inzwischen lebhafter angenommen, als wir alle erwartet haben, die Durchsetzung, Herr Lutz, des Beschäftigungsförderungsgesetzes.
({4})
Helfen Sie uns doch beim Beschäftigungsförderungsgesetz. Ich finde, es ist besser, Menschen haben befristet Arbeit, als daß sie unbefristet arbeitslos sind.
({5})
Seien Sie auch in solchen Fragen undogmatischer, und helfen Sie uns mit bei der Politik der Existenzgründungshilfen, jungen Leuten Mut zu machen, selbständig zu werden! Jeder erfolgreich neu Selbständige schafft im Schnitt fünf neue Arbeitsplätze.
({6})
Seien Sie weniger ideologisch, seien Sie pragmatischer und helfen Sie damit mit, daß wir auf solchen Punkten vorankommen.
({7})
Ein Letztes, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir sollten uns als Politiker auch nicht in der Möglichkeit der politischen Einflußnahme überschätzen. Der entscheidende Beitrag zum Abbau von Arbeitslosigkeit neben all dem, was wir tun können, kommt von den Tarifpartnern, kommt von einer verantwortlichen Haltung der Gewerkschaften und der Arbeitgeber. Deswegen kann ich nur sagen: Wir sollten die Gelegenheit nutzen, um uns gemeinsam zu besseren Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Betriebe durchzuringen. Von dieser Basis aus sollten wir den Appell äußern: Nutzt im Rahmen des Möglichen die neuen Möglichkeiten des Beschäftigungsförderungsgesetzes für befristete Arbeitsverträge,
({8})
schafft Überstunden, wo immer ökonomisch möglich, gemeinsam ab
({9})
und sorgt dafür, daß im Rahmen des betriebswirtschaftlich Möglichen Menschen neu eingestellt werden! Wir können als Politiker Rahmenbedingungen schaffen und müssen noch viel tun, aber wir sollten gleichzeitig auch klarmachen, daß die Herausforderung ohne eine gemeinsame Kraftanstrengung der Tarifpartner, ohne eine gemeinsame volkswirtschaftliche Anstrengung nicht bewältigt werden kann.
({10})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Urbaniak.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben sich sehr, sehr aufgeregt.
({0})
Wir fürchteten schon, es wäre notwendig, ärztliche Hilfe herbeizuschaffen.
({1})
- Da hat er in der nächsten Zeit noch einiges zu erfahren. Mit solch einer Aufgeregtheit kann man die Probleme der Arbeitslosigkeit, die Sie entscheidend mit verursacht haben, überhaupt nicht lösen.
({2})
Ich sage Ihnen: Sozialdemokraten sind schon immer Profioptimisten gewesen.
({3})
Wir werden uns trotz Ihres Gelächters - das ist der konstruktive Beitrag gegen die Arbeitslosigkeit, Kollege Lammert, den Sie zustande bringen - überhaupt nicht von dem Optimismus, den wir hinsichtlich der Beseitigung der Arbeitslosigkeit haben, abbringen lassen - wir können das beurteilen, Kollege Kolb -, nämlich , daß die Demokratie diese Probleme entschärfen und beseitigen kann. Unsere Vorschläge sind dazu geeignet, auch mit dem Problem der Arbeitslosigkeit fertigzuwerden, und da bitten wir um Ihre Zustimmung.
({4})
Der Kollege Hoss möchte das auf die moderate Art bringen. Ich habe nichts dagegen; das kann eine Frage des Temperaments oder was auch immer sein.
({5})
Das sind Thesen vom Kollegen Eppler, die bei uns schon lange diskutiert werden, und das ist kein Eigenerzeugnis.
({6})
Eigene Erzeugnisse bringen Sie weder als Partei noch als Fraktion, und Sie haben in einem Bundesland auch eine Quittung erhalten.
({7})
- Sie werden noch mehr Quittungen bekommen. Schauen Sie doch mal nach Saarbrücken, und trösten Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen!
({8})
Meine Damen und Herren, es geht um das schwierige Problem der Arbeitslosigkeit.
({9})
Kollege Blüm, sehen Sie einmal, was da in den Großstädten passiert - ich nenne Bochum, Essen, Duisburg, Köln, Dortmund, wo Sie selber kandidiert haben und keinen Erfolg hatten -:
({10})
Die Zahl der arbeitslosen Sozialhilfeempfänger ist um 32 % angestiegen,
({11})
und 35% der Sozialhilfeempfänger waren allein in Dortmund im letzten Jahr arbeitslos. Es gibt auf diesem Gebiet also eine ganz dramatische Entwicklung.
({12})
Wenn Sie sagen, die Gemeinden sollten jetzt investieren, dann ist darauf hinzuweisen, daß von diesen große Mittel aufgewendet werden müssen, um diese Menschen in ihrer Lebenslage mit dem Notwendigen zu versorgen. Die Städte haben das zu tragen. Investitionsmittel müssen für diese Ausgaben abgezweigt werden.
Der sozialpolitische Kahlschlag geht bei Ihnen weiter. 174 Milliarden DM haben Sie den Leistungsempfängern weggenommen und 24 Milliarden DM den Unternehmern dazugegeben.
({13})
Zum Schluß noch zwei Punkte. Herr Franke, ehemaliger Kollege von uns, hat vor dem Haushaltsausschuß gesagt: Wir haben vorläufig mit einem hohen Arbeitslosensockel von 2 Millionen für dieses Jahrzehnt zu rechnen. Die Bauindustrie hat Ihnen gesagt: Wenn Sie sagen, daß der Winter schuld war, dann stimmt das nicht; vielmehr gibt es keine Aufträge. Wenn Sie kein Beschäftigungsprogramm machen, dann wird diese Schlüsselindustrie in diesem Jahr zusammenbrechen, und Sie treiben die Arbeitslosigkeit noch höher.
({14})
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. - Das Wort hat Graf Lambsdorff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Dem Kollegen Urbaniak muß eigentlich aufgefallen sein, daß er bei seiner Aufzählung von Städten nur nordrhein-westfälische Städte genannt hat. Man weiß ja wohl, wer dort regiert.
({0})
Mit Recht hat natürlich Herr Wissmann darauf hingewiesen, daß auch die beste Politik einer Bundesregierung ohne einen Beitrag der Tarifpartner die Arbeitslosigkeit nicht erfolgreich bekämpfen kann. Auch wenn es unpopulär ist, sage ich - ich habe es an dieser Stelle schon mehrfach gesagt -: Arbeit ist in der Bundesrepublik Deutschland zu teuer geworden. Wer es nicht glauben will, sehe sich die Schwarzarbeit an. Dort gibt es Arbeit, aber nicht zu den offiziell vereinbarten Preisen.
({1})
Daran sind nicht nur die Tarifpartner schuld, sondern auch wir, die wir die Lohnnebenkosten heraufsetzen und die Abgaben weiter erhöhen. Die Menschen entziehen sich dem Abgaben- und Steuerdruck. Das hat natürlich negative Auswirkungen auf die Beschäftigungspolitik.
Im übrigen ist es unrichtig - das wissen Sie auch, meine Damen und Herren -, der Bundesregierung zu attestieren, ihre Beschäftigungspolitik sei erfolglos gewesen.
({2})
Das rasante Ansteigen der Arbeitslosigkeit um 1 Million Menschen in den Jahren 1981/82 ist seit 1983 zum Stillstand gebracht worden.
({3})
- Auch 1984! Aber das ist überhaupt nicht ausreichend; das muß ich sagen, damit wir uns hier nicht mißverstehen. 2 Millionen Arbeitslose sind zuviel.
({4})
- Ja, ich war Wirtschaftsminister. Und wenn Helmut Schmidts, Matthöfers und meine Vorschläge von Ihnen befolgt worden wären, wäre ich heute vielleicht noch in Ihrer Regierung.
({5})
Meine Damen und Herren, diese Ergebnisse sind, wie wir wissen, nicht genug. Was wir brauchen, ist mehr marktwirtschaftliche Politik auch in unseren Arbeitsmärkten. Wenn irgendwo das Wort gilt, daß Europa von der Eurosklerose befallen sei, dann gilt es für das Arbeitsvertragsrecht in der Bundesrepublik Deutschland. Deswegen brauchen wir ein Beschäftigungsförderungsgesetz.
({6})
Deswegen müssen wir uns über die Frage von Steuern und Abgaben und der Grenzbelastung der Steuersätze unterhalten. Deswegen müssen wir uns über den Abbau wettbewerbsverzerrender Subventionen verständigen, und deswegen müssen wir uns überhaupt an den Abbau vieler bürokratischer Einschränkungen und Regulierungen heranmachen.
({7})
Geben Sie mehr Luft für diejenigen, die in der Wirtschaft tätig sind. Geben wir Unternehmern und Arbeitnehmern mehr Bewegungsspielraum. Unterstützen Sie diese Politik, die in der Regierungserklärung zum Ausdruck gekommen ist und die Herr Wissmann richtig angesprochen hat! Nur, Herr Kollege Wissmann, wir müssen diese Politik auch konsequent befolgen, noch konsequenter als bisher. Sie
werden sehen, daß auch die Arbeitslosigkeit nicht innerhalb von zwei Jahren zu beseitigen ist.
({8})
Wenn Sie mir vorwerfen, die Beseitigung der Arbeitslosigkeit sei kapitalistisch, dann überlegen Sie sich den Zwischenruf vielleicht noch einmal!
({9})
Nun, meine Damen und Herren, wir werden diese Politik konzentriert - ich sage: konzentrierter - fortsetzen.
({10})
An die Adresse der Sozialdemokraten sage ich folgendes. Ihnen hat der Wähler am 6. März 1983 die wirtschaftspolitische Inkompetenz bescheinigt.
({11})
Sie haben seither nicht ein einziges Kapitel dazugelernt. Es gibt bei Ihnen keine wirtschaftspolitische Diskussion, es gibt bei Ihnen Leerlauf in Sachen Wirtschaftspolitik. Machen Sie Ihre Schularbeiten! Denken Sie darüber nach, ob Sie uns wirklich Vorschläge machen können, die in dieselbe Sackgasse führen, in die Sie uns bereits hineingebracht haben.
({12})
Was die GRÜNEN anlangt, schließlich dies. Diese Politik hat im Saarland die richtige Quittung bekommen. Das war auch eine Wahl - das sage ich an die Adresse der Koalition - zum Thema Arbeitslosigkeit. Die Politik der GRÜNEN hat die richtige Quittung bekommen. Was Sie wollen, Herr Hoss - wir sind uns einig: Wachstum allein kann es nicht schaffen; ohne Wachstum geht es aber auch nicht -, ist die Abschaffung der Industriegesellschaft bei vollem Lohnausgleich. Das aber geht nicht.
({13})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Günther.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist und bleibt eine Tatsache: Je länger die SPD irgendwo regiert, um so schlechter ist die Situation.
({0})
Ich will Ihnen dieses sagen: 13 Jahre im Bund - permanent bergab.
({1})
- Zu Ihnen komme ich auch noch, Frau Fuchs. Keine Sorge! - 13 Jahre im Bund - permanent bergab. 18 Jahre in Nordrhein-Westfalen - permanent bergab. Dort, wo Ihre Oberbürgermeister im Ruhrgebiet schon seit über 30 Jahren herrschen, ist die Situation besonders schlecht. In den letzten fünf Jahren, in denen die SPD in Nordrhein-Westfalen allein regierte, ist es noch tiefer in den Keller gegangen.
Was sind denn die Antworten der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, Frau Fuchs? Ich verstehe gar nicht, wie Sie sich eigentlich hier hinstellen und uns mit dem Brustton der Überzeugung anklagen können. Auf den Gebieten, auf denen Sie als Minister und Staatssekretär führend tätig waren, war die Hinterlassenschaft am miserabelsten in dem gesamten Bereich, den Sie uns hinterlassen haben; eine Ausnahme bildet lediglich das Gebiet der Finanzen.
({2})
Wie kommen Sie eigentlich dazu, uns hier Vorwürfe zu machen und jetzt Programme anzubieten, von denen Sie wissen, daß Sie sie nicht umzusetzen brauchen?
({3})
Wo waren denn Ihre Maßnahmen in den Jahren 1981 bis 1982, als über eine Million Arbeitslose dazukamen?
({4})
Was haben Sie denn dagegen getan? Gar nichts haben Sie getan. Die Regierung Rau hat in diesen Jahren 11 000 Arbeitsplätze vernichtet. Das sind 3,2 % aller Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Wissen Sie, warum sie das getan hat? Das will ich Ihnen auch sagen. Sie hat es deshalb getan, weil sie sich mit den Beschäftigten nicht so auseinandersetzen wollte, wie wir das mit Strukturmaßnahmen im öffentlichen Dienst auf Bundesebene getan haben. Dann lieber 11 000 Arbeitsplätze weniger - das ist die Antwort von SPD-geführter Politik in Nordrhein-Westfalen.
Kollege Urbaniak, Sie nannten mit Blick auf Duisburg einen Anstieg der Sozialhilfe von 32 %. Erkundigen Sie sich einmal ein bißchen besser. Diese Zahl stimmt nicht. Sie können hier nicht einfach Fakten in die Welt setzen, die vorne und hinten nicht stimmen. Wie war denn Ihre Antwort auf die Problematik im Stahlbereich? Helmut Schmidt hat doch versagt. Er hat doch über Jahre die Subventionen im EG-Bereich zugelassen. Herr Kollege Urbaniak, auf Ihre Frage demnächst, was den Stahl angeht, bin ich gespannt. Wenn Herr Lafontaine kommt und Geld von der Bundesregierung fordert, werde ich ihm sagen, daß Sie vor kurzem im Ausschuß erklärt haben: Es ist schon viel zuviel Geld dorthin geflossen; das Geld muß jetzt an die Ruhr. - Daran werde ich Sie erinnern.
({5})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein letztes sagen. Was schlägt denn die Sozialdemokratische Partei eigentlich zur Lösung des Überstundenproblems vor? Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben doch die Betriebsräte im Griff. Warum reden Sie denn nicht einmal mit ihnen und wirken darauf hin, daß sie die Überstunden nicht genehmigen.
({6})
- Wir brauchen u. a. möglicherweise ein Gesetz. Meine Damen und Herren, ich bin aber für die Aufrechterhaltung aller Rechte in der Betriebsverfassung. Wenn man die Mittel allerdings nicht einsetzt, gefährden nicht diejenigen sie, die sie anderweitig bearbeiten, sondern diejenigen, die sie nicht in Anspruch nehmen.
({7})
Dieses ist das Thema, das Sie in vorderster Linie, weil Sie j a die Betriebsräte beherrschen, nun einmal anpacken müssen.
Herzliche Einladung an Sie: Sorgen Sie bitte dafür, daß die Überstunden nicht mehr in dem Ausmaß wie bisher genehmigt werden. Ein Beitrag von Ihnen in dieser Richtung wäre sicherlich möglich.
({8})
Meine Damen und Herren, aus diesen wenigen Punkten - leider habe ich nicht mehr Zeit - ersehen Sie schon: Überall, wo die Sozialdemokraten das Sagen haben, wird kläglich versagt. Unsere Politik bringt Erfolge. Dies werden auch Sie spätestens in einigen Jahren sehen.
({9})
Lassen Sie uns erst einmal 13 Jahre Zeit. Dann bringen wir die Sache wieder in Ordnung. Soviel Zeit müssen Sie uns zubilligen, wie Sie hatten. 1,9 Millionen Arbeitslose, 300 Milliarden DM Schulden: Es geht doch überhaupt nichts mehr in Sachen finanzieller Innovation. Diese Hinterlassenschaft werden wir mit einer besseren Politik aufrechnen.
({10})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Roth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir klingt noch der Satz im Ohr nach, überall dort, wo Sozialdemokraten regierten, herrsche Massenarbeitslosigkeit. Nun weiß ich nicht, ob Herr Zeyer
({0})
- das war der aus dem Saarland -, der vom Wählervotum hinweggefegt wurde, weil jeder siebte Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Wahl im Saarland arbeitslos gewesen ist, ein sozialdemokratischer Ministerpräsident ist.
({1})
- In Nordrhein-Westfalen ist nicht jeder siebte arbeitslos. Das hat Herr Günther vergessen.
Aber lassen Sie mich noch ein Wort in Richtung auf Graf Lambsdorff sagen. Ich mag von einem Politiker keine Demut verlangen, zumal von Ihnen nicht. Aber ein bißchen Selbstbescheidenheit wäre doch am Platze.
({2})
Als Sie antraten, als Wirtschaftsminister Nachfolger Ihres Parteifreundes Friderichs zu werden, hatten wir in diesem Lande unter 1 Million arbeitslose
Menschen. Graf Lambsdorff war der Wirtschaftsminister. Als er sein Amt verließ, waren 2,2 Millionen Menschen arbeitslos.
Nun sage ich nicht - da nehme ich etwas von Herrn Hoss auf; ich halte die Aussage für ganz wichtig -,
({3})
er habe die 2,2 Millionen Arbeitslose produziert. Ich bin ja nicht so primitiv wie mein Herr Vorredner.
({4})
Vielmehr sage ich: Bei allen Politikern wäre ein Stück mehr Selbstbescheidenheit und Selbsterkenntnis notwendig,
({5})
statt auf diese primitive Weise auf die anderen zu zeigen.
({6})
Jetzt doch ein Wort zur aktuellen Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarktsituation. Wenn wir uns vor einem Jahr über die Frage unterhalten hätten, ob die Exportkonjunktur so läuft, wie sie läuft, hätten wir gesagt: Nein, das schaffen wir so nicht. Wir wären ein Stück skeptischer gewesen. Wir haben im zweiten Halbjahr 1984 10,2% Exportwachstum und die höchste Arbeitslosigkeit im Januar 1985, die wir seit 1948 je gehabt haben.
({7})
Statt jetzt zu überlegen, wo es Ansatzpunkte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gibt, läßt man in der Diskussion jede Perspektive vermissen.
Es gibt doch Chancen. „Arbeit und Umwelt": Wir haben eine gewaltige Umweltnachfrage in der Bevölkerung. Wir haben Vorschläge, die zeigen, wie man die Luftverschmutzung, die Wasserverschmutzung, die Lärmbelästigung in diesem Lande bekämpfen kann. Damit können 400 000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir haben doch eine Chance. Packen Sie das doch gemeinsam mit uns an.
({8})
Oder eine andere Sache: Da gehen Milliarden und Abermilliarden an Sparkapital und Gewinnen aus Unternehmen nach Amerika, d. h. sie werden bei uns nicht investiv angelegt.
({9})
Warum geschieht nichts auf dem Gebiet der Unternehmensbesteuerung, so daß derjenige, der investiert, begünstigt wird, und derjenige, der nur Geldvermögen schafft und sein Geld aus der Bundesrepublik bringt, endlich als Steuerzahler voll herangezogen wird?
({10})
Es gibt Alternativen. Das Bedauerliche an dieser Situation ist - leider hat der Herr Bundesminister
für Soziales so angefangen -, daß man nicht versucht, Gedanken einzubringen, die der wirklichen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gewidmet sind. Vielmehr führt man Gespensterschlachten. Sie als Regierung sagen inzwischen nur noch, vor den 90er Jahren würden wir es nicht schaffen. Wenn Sie es vor den 90er Jahren nicht schaffen, dann treten Sie schon Mitte der 80er Jahre zurück.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Kraus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von Frau Fuchs wurde vorhin gefordert, daß irgend etwas getan werden müsse. Sie hat leider versäumt, konkret zu sagen, was denn getan werden kann.
Herr Roth hat jetzt einige Dinge vorgeschlagen. Die Dinge, die er vorschlägt, haben nach unserer festen Überzeugung bloß leider den Nachteil, daß sie eben keinen Fortschritt bringen würden.
Da ist zunächst einmal der Vorschlag mit der schlichten Arbeitszeitverkürzung. Was bedeutet das nach wie vor? Das bedeutet ganz einfach: Diese Arbeitszeitverkürzung wird dazu führen, daß die Arbeit noch teurer wird. Nachdem wir es nicht damit zu tun haben, daß in diesem Lande keine Arbeit vorhanden ist, sondern damit, daß die Arbeit, die nachgefragt würde, zu teuer ist, kann dieses Rezept nicht verfangen.
Zu Ihrem Programm „Arbeit und Umwelt", diesem scheinbar vernünftigen Beschäftigungsprogramm, möchte ich folgendes sagen.
({0})
Natürlich ist es die Aufgabe der Wirtschaftspolitik, den vorhandenen Bedarf - wenn es auch dieser Umweltschutzbedarf ist, der von der Bevölkerung gewünscht wird und der vernünftig ist - mit der Kapazität, die z. B. im Bauwesen vorhanden ist, zusammenzubringen. Was sonst sollte die Aufgabe z. B. auch der Wirtschaftspolitik sein?
({1})
Bloß, die Frage ist: Wie soll das finanziert werden? Es kann sicher nicht so sein, daß man den Leuten zunächst einmal das Geld wegnimmt, um es dann in den entsprechenden Gebieten zu investieren. Diese Dinge müßten von sich aus gestaltet werden, und zwar durch eine Umgestaltung der öffentlichen Haushalte. Daran fehlt es ja. Seit 1970 ist die Investitionsquote auf die Hälfte zurückgegangen. Trotzdem glaube ich, daß es sinnvoll wäre, wenn man versuchen würde, im Bereich gerade der Haushalte alles das, was auf dem umweltpolitischen Sektor ansteht, jetzt in Angriff zu nehmen.
Das wäre aus verschiedenen Gründen sinnvoll. Das wäre nicht nur sinnvoll, weil es zur Zeit relativ billig ist zu bauen, sondern es wäre auch sinnvoll, weil unsere Beschäftigungspolitik dies erfordert.
Noch ein Wort zu einem mir sehr wichtig erscheinenden anderen Gebiet. Es wird immer davon gesprochen, daß es eine ungeheure Dunkelziffer an Arbeitslosen gibt, die nicht ausgewiesen werden kann. Es mag durchaus so sein, daß es eine Reihe von Leuten gibt - ({2})
- Ich weiß nicht, woher Sie die Zahl so genau wissen, Herr Lutz. Man kann auch etwas anderes behaupten.
({3})
Ich möchte nicht bezweifeln, daß es diese Gruppe gibt. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, daß es auf der anderen Seite eine Dunkelziffer von offenen Stellen gibt. Wenn Sie einigermaßen aufmerksam durch die Gegend gehen, werden Sie feststellen, daß es eine Menge von Betrieben gibt - allerdings hauptsächlich in den Ballungsgebieten -, die laufend Facharbeiter suchen, die laufend Leute einstellen wollen, die ihren Arbeitskräftebedarf in keiner Weise befriedigen können.
Warum ist das so?
({4})
- Um Gottes willen; das ist mit Sicherheit nicht der Grund.
Liegt es - lassen Sie mich das bitte noch sagen
- vielleicht nicht auch daran, daß wir uns insgesamt nicht getrauen, zu sagen, daß der Arbeitnehmer auch als Arbeitsloser etwas flexibler werden müßte? Das gilt für eine ganze Reihe von Leuten.
({5})
Ich will das in aller Offenheit ansprechen. Jeder, der gegenteiliger Meinung ist, ist doch weltfremd. Natürlich gibt es auch die Fälle, in denen jemand nicht flexibel genug ist. Diese Flexibilität müßte gefordert werden.
({6})
Ich halte es für eine Lebenslüge, wenn man sich hier hinstellt und sagt „Jeder hat das Recht auf Arbeit" und dieses Recht auf Arbeit so interpretiert, daß man sagt: Es ist ein Recht auf eine ganz bestimmte Arbeit an einem ganz bestimmten Ort zu einer ganz bestimmten Bezahlung.
({7}) Das kann niemand garantieren.
({8})
Was wir garantieren können, das ist das Recht auf Arbeit schlechthin, allerdings mit der Bedingung, sich den Notwendigkeiten anzupassen.
({9})
Auch das darf ich hier in aller Offenheit einmal gesagt haben.
Ich bedanke mich.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Klose.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte bestätigt, was wir leider schon wissen: Diese Koalition sieht in Wahrheit trotz wachsender Arbeitslosigkeit überhaupt keinen Handlungsbedarf, nicht einmal im Baubereich, wo die Beschäftigungslage besonders schwierig ist.
({0})
Statt zu handeln, ergeht sich diese Regierung in Selbstlob,
({1})
empfiehlt uns den amerikanischen MacDonaldismus und appelliert an die Gemeinden, mehr zu investieren.
({2})
Dazu möchte ich gerne eine Bemerkung machen. Es mag ja sein, daß sich die Haushaltslage in einigen Gemeinden stabilisiert hat.
({3})
Aber warum ist das so? - Weil die Gemeinden ihre Investitionen in den letzten Jahren um 25% zurückgefahren, weil sie bei den Personal- und Sachausgaben gespart und die Leistungen für die Bürger reduziert haben. Das ist der Grund, warum es ihnen heute in einigen Fällen besser geht.
Nach dieser erzwungenen Schrumpfung sagen Sie nun, die Gemeinden sollten mehr investieren. Aber die Gemeinden tun es nicht, weil sie es in Wahrheit immer noch nicht können, denn die Gemeinden sind es doch, die die Kosten der Dauerarbeitslosigkeit zu finanzieren haben.
({4})
Die Gemeinden werden im übrigen auch mit dem Problem der älteren Menschen, die der Pflege bedürfen, alleingelassen. Und die Gemeinden sind es doch, die die Kosten der Altlasten tragen, die in früheren Jahrzehnten entstanden sind und die Umwelt heute vergiften.
({5})
Hier wäre der Bund gefordert. Hier wäre finanzielle Hilfe nötig und möglich, und zwar beschäftigungswirksame. Nichts von alledem bei dieser Bundesregierung.
({6})
Die Bundesregierung redet statt dessen unentwegt davon, daß die Gewinnsituation der Unternehmen verbessert werden müsse.
({7})
Mehr Gewinne, mehr Investitionen gleich mehr Beschäftigung, so lautet die Formel.
({8}) - Sie brauchen sich nicht aufzuregen.
In einigen Fällen mag das j a so sein. Aber Sie wissen doch auch, daß etwa 60 % aller Investitionen Rationalisierungsinvestitionen sind,
({9})
die das Beschäftigungsproblem nicht lösen, sondern langfristig noch verschärfen.
Außerdem: Es ist doch nicht so, daß hohe Erträge automatisch investiert würden, wie Sie immer wieder behaupten, sondern sie gehen, wie Beispiele zeigen, oft genug in die Geldanlage, wahrscheinlich in den USA. Geld produziert Geld. Dies zu ändern, meine Damen und Herren, Kapital durch steuerliche Maßnahmen in die Produktion zu lenken, wäre die Aufgabe dieser Regierung.
({10})
Betrieben wird statt dessen eine Steuerpolitik, die vor allem jene begünstigt, die schon viel haben.
Meine Damen und Herren, dem Finanzminister, der nicht anwesend ist, kann man nur raten, statt sich den Kopf über den Spitzensteuersatz zu zerbrechen, zu versuchen, Kapital so zu lenken, daß es beschäftigungswirksam eingesetzt wird.
({11})
Statt die gut und sehr gut verdienende Minderheit zu begünstigen, sollte er durch gerechte Verteilung der Kaufkraft die Kaufkraft der Mehrheit stärken. Das wäre beschäftigungswirksame Steuer- und Finanzpolitik.
({12})
Was die Bundesregierung betreibt, ist in Wahrheit bestenfalls Haushaltspolitik. Politisch ist es die Fortsetzung der alten Linie: Die Reichen reicher machen und gleichzeitig den Sozialstaat zum Sozialhilfestaat degradieren. Das ist die Wahrheit.
({13})
Und diese Wahrheit, sehr geehrter Herr Minister Blüm, kann man weder mit hochrotem Kopf hinwegschreien noch, Herr Kollege Lambsdorff, mit spitzer Zunge und großer Selbstgefälligkeit hinweg-ideologisieren.
Vielen Dank.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lammert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mich bedrückt ein bißchen, daß die Leidenschaft unserer Auseinandersetzung zu diesem Thema eher in umgekehrtem Verhältnis zu den vergleichsweise bescheidenen Erfolgen steht, die wir gemeinsam bei dem Bemühen um die Lö9230
sung dieser Probleme gehabt haben. Da wir doch alle, jeder an seiner Stelle, Mitverantwortung für diese Situation haben, sollten wir eigentlich in der Lage sein, mit einem Mindestmaß an Polemik darüber zu reden, unter welchen Voraussetzungen eine Verbesserung dieser Situation möglich sein könnte.
({0})
Ich denke, die Bewältigung dieser zentralen Herausforderung ist nur möglich, wenn wir bereit sind, die Lektionen der Vergangenheit zu lernen.
Die erste Lektion, denke ich, die wir in diesem Zusammenhang lernen müssen, ist die, daß eine staatliche Beschäftigungsgarantie und die Erhaltung der Tarifautonomie gleichzeitig nicht zu haben sind.
({1})
Die Zerrüttung des Arbeitsmarktes in den 70er Jahren hat mit der Vollbeschäftigungsgarantie Willy Brandts begonnen. Damals hatten wir 180 000 Arbeitslose bei 700 000 offenen Stellen. Statistisch konnte damals jeder Arbeitslose unter vier offenen Stellen eine aussuchen, um wieder aus Arbeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Und als die Sozialdemokraten mit ihrer Regierungskunst und Regierungszeit am Ende waren, hatte sich die Zahl der Arbeitslosen verzehnfacht, und um jede offene Stelle konkurrierten jetzt ungefähr 20 Arbeitslose.
({2})
Wir müssen nüchtern zur Kenntnis nehmen - zweite Lektion -, daß ganz eindeutig in einem System, in dem weder Sie noch wir die Tarifautonomie abschaffen wollen, die erste Verantwortung für die Situation auf dem Arbeitsmarkt bei den Tarifpartnern liegt.
({3})
Solange der Staat die Arbeitszeiten und die Arbeitsentgelte weder regeln kann noch regeln will,
({4})
entscheiden die Tarifpartner durch die Art ihrer Abschlüsse über die Zahl der Arbeitsverhältnisse, die unter den vereinbarten Regelungen zustande kommen können.
({5})
Ich sage das - um jedes Mißverständnis zu vermeiden - in Richtung auf beide Seiten, die Arbeitgeber wie die Gewerkschaften. - Ich bin übrigens überhaupt nicht der Meinung, daß dies nur eine Frage der Lohnhöhe sei. Es ist sehr viel eher, wie ich meine, eine Frage der Lohnstruktur;
({6})
denn wenn ich mir die Zahlen ansehe, muß ich zur Kenntnis nehmen, daß die bereinigte Lohnquote 1982 wieder auf dem Stand angekommen ist, den sie Mitte der 60er Jahre hatte. Das ist nicht das primäre Thema, sondern das Thema ist: Was ist uns eigentlich an Veränderungen eingefallen, welche
Phantasie haben wir entwickelt, um einen nicht mehr haltbaren, schematisch organisierten Zustand in Bewegung zu bringen, um die Situation auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern?
({7})
Dritte Lektion. Die Arbeitsmarktlücke der 80er Jahre ist die Folge der Investitionslücke der 70er Jahre.
({8})
Wir haben jetzt die Folgen eines massiven Rückganges der Investitionen zu registrieren, die sowohl bei den öffentlichen wie bei den privaten Händen stattgefunden haben. In diesem Zusammenhang handelt es sich nicht nur um ein quantitatives, sondern nicht zuletzt auch um ein qualitatives Problem. Wir haben einen massiven Modernisierungsbedarf in unserer Volkswirtschaft.
({9})
Wer sich sorgfältig nationale und internationale Untersuchungen ansieht, wird feststellen, lieber Wolfgang Roth, daß der Kapitalstock der deutschen Volkswirtschaft veraltet ist. Wir haben auch im Vergleich zu anderen Jahrzehnten heute in einem erschreckend hohen Maße Ausrüstungsgegenstände, die zehn und mehr Jahre alt sind, so daß es hier einen massiven Modernisierungsbedarf gibt, der durch Maschinenstürmerei und Kassandra-Rufe gegen die Risiken moderner Technologien nicht zu bewältigen ist.
({10})
Laßt uns doch zur Kenntnis nehmen - das gehört auch zu den Lektionen, die wir berücksichtigen müssen -, daß in den Branchen und Regionen, in denen der technologische Fortschritt stattgefunden hat, die Arbeitsmarktsituation wesentlich besser ist als in den Regionen und Branchen, in denen er blockiert, verhindert oder verschlafen worden ist.
({11})
Vierte Bemerkung schließlich. Wir brauchen nicht nur Innovationen bei Produkten und Verfahren, wir brauchen nicht zuletzt auch Innovationen am Arbeitsmarkt. Wir müssen - auch wenn es uns schwer fällt - allesamt, jeder in dem Teil, auf den er Einfluß hat, erstarrte Verhältnisse wieder in Bewegung bringen. Da der Staat durch die Art seiner Arbeitsgesetzgebung, seiner Steuergesetzgebung und seiner Sozialgesetzgebung natürlich auch Einfluß auf die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen nimmt, müssen wir unseren Teil leisten, was wir in Gestalt des Beschäftigungsförderungsgesetzes zu tun versuchen. Wer mit rattenhafter Wut den Status quo verteidigt, kann diese Verhältnisse nicht in Bewegung setzen.
({12})
Wenn aber die Verhältnisse so miserabel sind, wie
das auf dem Arbeitsmarkt leider noch immer der
Fall ist, dann ist nichts weniger zu rechtfertigen als
die leichtfertige oder mutwillige Hinnahme dieses Status quo.
({13})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Adam-Schwaetzer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Redner der Koalition haben in dieser Aktuellen Stunde sehr deutlich gemacht, wo sie in unserer Volkswirtschaft Handlungsbedarf sehen, um langfristig Arbeitslosigkeit abzubauen. Das unterscheidet sich ganz erheblich von dem, was die Opposition bisher zu dem Thema heute geboten hat.
({0})
- Gar nichts. Ich kann diesen Zwischenruf nur unterstützen.
Was ich mir von der SPD einmal wünschen würde, wäre, daß sie überhaupt erkennt, daß es unterschiedliche Konzeptionen und unterschiedliche Lösungsansätze gibt. Was ich mir weiter wünschen würde, wäre, daß die Sozialdemokraten erkennen, daß mit den Konzepten, von denen ja einige in den 70er Jahren ausprobiert worden sind - durchaus auch in Übereinstimmung mit uns - eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt nicht erreicht werden konnte.
({1})
Deshalb ist es wichtig und richtig, daß diese Politik geändert wurde.
({2})
Die Zahlen von 1984 zeigen j a - das ist in der Aktuellen Stunde schon mehrfach gesagt worden -, daß der Trend zumindest zum Stillstand gekommen ist. Die Arbeitsmarktsituation ist nach wie vor unbefriedigend. Da gibt es überhaupt keine Frage.
({3})
Wir sind uns sicherlich auch darüber einig, daß andere, zusätzliche Antworten gegeben werden müssen, die über die Wirtschafts-, Steuer- und Haushaltspolitik hinausgehen. Das ist ja der Grund, weshalb wir den Arbeitsmarkt mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz flexibler machen wollen. Wir befinden uns im übrigen in Übereinstimmung mit allen seriösen Wirtschaftsforschungsinstituten. Was wir brauchen - auch das ist eben schon ausgeführt worden -, ist mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, vor allen Dingen wegen denen, die heute draußen stehen, und das sind vorwiegend Frauen.
Wir wollen mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz befristete Arbeitsverträge für einen längeren Zeitraum erleichternd zulassen, denn für uns gilt nach wie vor - das kann man überhaupt nicht oft genug sagen -: lieber befristet in Arbeit, als unbefristet arbeitslos.
({4})
Wir wollen darüber hinaus die Teilzeitarbeit fördern. Auch das ist ein Ansatz, der vor allen Dingen Frauen interessiert. Wir wollen darüber hinaus durch eine Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes den Wiedereinstieg von Frauen ins Arbeitsleben erleichtern.
Meine Damen und Herren, das sind Konzepte, die auch wirklich im Interesse der derzeit Betroffenen liegen. Deshalb rufe ich die Sozialdemokraten auf, endlich ihre Blockadepolitik gegen dieses Gesetz aufzugeben, ihre Blockadepolitik gegen ein Gesetz, das zusätzliche Beschäftigung ermöglichen soll, das nicht die einzige Antwort sein kann, aber eine ganz wichtige Antwort in unserem Kampf gegen Arbeitslosigkeit ist.
({5})
Meine Damen und Herren, wer so redet wie die Sozialdemokraten hier, setzt sich dem Vorwurf aus, daß er nur an diejenigen denkt, die heute schon Arbeit haben, und die im Regen stehenläßt, die heute keine Arbeit haben.
({6})
Sie befinden sich da offensichtlich auch durchaus in Übereinstimmung mit dem Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
({7})
Ich habe gestern im Westdeutschen Rundfunk ein Interview mit einem Vorstandsmitglied des DGB gehört, das auf eine Frage ganz offen zugegeben hat: Natürlich fällt es dem DGB schwer, bei seinen eigenen Mitgliedern durchzusetzen, daß auch die Interessen der Arbeitslosen in Form von Solidaritätsaktionen und Solidaritätshaltungen mit berücksichtigt werden,
({8})
und natürlich stehe der Deutsche Gewerkschaftsbund denen näher, die heute in Arbeit sind.
Genau das spiegelt sich in den Reden der Sozialdemokraten hier wider. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich fordere Sie auf:
({9})
Lösen Sie mit uns den Teil der Aufgaben, der lösbar ist, und behindern Sie zumindest nicht die Konzepte,
({10})
die in Übereinstimmung mit den Wirtschaftsforschungsinstituten jetzt gefordert sind, nämlich die Konzepte, die eine Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt durchsetzen.
Vielen Dank.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Buschfort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist j a durch die mangelhafte Beantwortung von Fragen zur besonderen Dramatik der Arbeitslosigkeit ausgelöst worden, und ich muß wohl annehmen - was ich persönlich sehr bedaure -, daß dieses Thema nichts mit den Fragen von Familie und Jugend zu tun hat, denn sonst wäre bei diesen Fragen ja wohl ein Vertreter dieses Ministeriums anwesend.
({0})
Meine Damen und Herren, die derzeitige Bundesregierung tut zuwenig zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit.
({1})
Die Arbeitslosen und ihre Familien werden in ihrer Not alleingelassen. Arbeitslosigkeit, vor allem Dauerarbeitslosigkeit, hat für die betroffenen Arbeitnehmer und ihre Familien verheerende Folgen.
({2})
Sie bewirkt außer wirtschaftlicher Verarmung vielfältige psychische Schädigungen.
({3})
Sie führt zum Verlust der sozialen Beziehungen zur Arbeitswelt und führt damit zur Isolierung, oft sogar zur Vereinsamung.
({4})
Sie führt zu Hoffnungslosigkeit und Zukunftsangst und dadurch oft zu Abhängigkeit vom Alkohol. Arbeitslosigkeit fördert den Alkoholismus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Arbeitslosigkeit ist eine verhängnisvolle Freizeit. Kriminalisierungstendenzen insbesondere bei Jugendlichen und auch die Zunahme von Drogenabhängigkeit sind bekannt. Die Verschlimmerung vieler psychischer Störungen wird beobachtet.
Arbeitslosigkeit, insbesondere Dauerarbeitslosigkeit, heißt auch in vielen Fällen Wohnungsnot. Immer mehr Familien haben Schwierigkeiten, ihr Häuschen zu halten oder die Mieten zu bezahlen. Die tragische Kette heißt: Arbeitslosigkeit, vermindertes Einkommen, Zahlungsschwierigkeiten, Zahlungsverzug, Räumungsklage, Zwangsräumung, Obdachlosigkeit.
({5})
Arbeitslosigkeit hat aber auch eine gesellschaftliche und politische Dimension. Sie hat demoralisierende Wirkungen. Die nichtbetroffenen Menschen werden abgestumpft gegenüber den Problemen der sozial Benachteiligten und verlieren die Fähigkeit und Kraft zur Solidarität. Arbeitslosigkeit zerstört den Zusammenhalt vieler Familien und gefährdet damit die soziale Stabilität der Gesellschaft. Arbeitslosigkeit kann für viele Millionen Menschen zum Verlust des Vertrauens in unseren Staat führen und gefährdet damit unsere demokratische Grundordnung.
({6})
Meine Damen und Herren, die Überwindung der Massenarbeitslosigkeit ist deshalb nicht nur eine moralische Verpflichtung gegenüber den betroffenen Menschen, sondern eine Grundvoraussetzung für das politische Überleben unserer demokratischen Republik. Leider hat die derzeitige Bundesregierung die gesellschaftlichen und politischen Gefahren noch nicht begriffen. Denn sonst würde sie gegen die Massenarbeitslosigkeit wesentlich entschiedener ankämpfen.
({7}) Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({8})
Das Wort hat der Minister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, vier Grundprobleme in den großen Linien zu behandeln, die nach meiner Meinung für die Behandlung des Problems der Arbeitslosigkeit wichtig sind.
Zunächst die Frage: Welcher Zusammenhang besteht heute noch zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung der Arbeitslosigkeit? Ich habe hier Zahlen, die diesen Zusammenhang in etwa beschreiben können. Ich beginne mit den Zahlen aus dem Jahre 1981, weil ich nicht glaube, daß es sehr viel Sinn macht, wenn wir uns 10, 12, 13, 15 Jahre zurückbegeben. Damals waren die Bedingungen wirklich ganz anders, als sie es heute sind. Wenn man also ein Problem heute lösen will, sollte man sich nicht allzuweit in die Vergangenheit zurückbegeben.
Wie also sehen die Zahlen aus? Wir hatten 1981 ein Wachstum des Bruttosozialprodukts von minus 0,2 % und eine Arbeitslosenzahl von absolut 1,2 Millionen. Gegenüber dem Vorjahr war das ein Anstieg um 43 %. Das war 1981. Wir hatten 1982 ein Wachstum des Bruttosozialprodukts von minus 1,1 %. Gleichzeitig hatten wir eine Zunahme der Arbeitslosigkeit um 44 % auf absolut 1,8 Millionen. Ich will nicht sagen, daß das eine das andere zur Folge hatte, aber wir hatten eben diese Zahlen parallel zueinander zu verzeichnen.
({0})
- Das sind alles Prozentzahlen, Herr Roth,
({1})
die Sie leicht nachlesen können. Herr Roth, es ist einfach, sich hier hinzusetzen und zu sagen: die Zahl ist falsch, genauso wie der Kollege, der vor mir gesprochen hat, ganz einfach sagen kann: die Antworten des Staatssekretärs waren unbefriedigend,
und jetzt verlese ich meine wohlvorbereitete Rede von gestern.
({2})
Wenn Sie eine vernünftige und ernsthafte Debatte haben wollen, dann bitte ich sehr, diese Zahlen nachzuprüfen und mir nachzuweisen, daß sie falsch sind. Sie sind nicht falsch.
Wir hatten 1983 erstmalig wieder einen Anstieg des Bruttosozialprodukts um plus 1,3 % und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um 23 %. Das war ein Anstieg, aber dieser Anstieg hatte sich verlangsamt. Wir haben 1984 einen Anstieg des Bruttosozialprodukts um 2,6 % und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um 0,3 %. Ich sage „Anstieg", weil 0,3 % mehr ist als Null. Aber wenn Sie erlauben, würde ich sagen, wir haben den Anstieg der Arbeitslosigkeit zum Stillstand gebracht.
Nach der Prognose des Jahreswirtschaftsberichts für den Verlauf des Jahres 1985 werden wir einen Anstieg des Bruttosozialprodukts im Jahr 1985 um rund 2,5 % haben und zum erstenmal eine Abnahme der Arbeitslosigkeit. Dabei kann ich jetzt - wie Sie alle auch - nicht sagen: sind das 100 000, wie wir alle annehmen, sind es 80 000 oder 120 000 weniger.
Was ergibt sich daraus? Ich meine, das ist die Frage, mit der wir uns hier gemeinsam beschäftigen müssen. Es gibt immer noch einen Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit. Aber er ist weniger direkt geworden. Es ist nicht mehr so wie in der Vergangenheit. Deswegen wehre ich mich gegen die Vergleiche mit der Zeit vor 13 oder 15 Jahren.
({3})
- Wenn Sie mir da zustimmen, sind wir schon einen Schritt weiter. - Man kann heute nicht mehr sagen: Wirtschaftswachstum führt direkt zu mehr Arbeitsplätzen. Schaffung von Arbeitsplätzen ist eine zeitlich verlangsamte Reaktion auf Wirtschaftswachstum. Aber die Reaktion ist nicht verschwunden. Deswegen, glaube ich, ist die Bundesregierung nicht falsch beraten, wenn sie davon ausgeht, daß Wirtschaftswachstum die Basis auch für die Lösung von Arbeitsmarktproblemen ist, selbst wenn diese Lösung zeitlich verzögert einsetzt.
Im Zusammenhang damit muß man sich fragen: Warum setzt das zeitlich verzögert ein? Warum gibt es diesen unmittelbaren Zusammenhang nicht mehr? Das ist eine Frage, die man sehr einfach beantworten kann. Im vergangenen Jahr hatten wir eine Kapazitätsauslastung, die weit unter der normalen Kapazitätsauslastung lag. Damals ist jedes Wirtschaftswachstum zunächst von den vorhandenen Arbeitsplätzen, von der vorhandenen Produktionsstruktur aufgefangen worden. Ende des vergangenen Jahres waren aber die Kapazitäten zu 83 % ausgelastet. Mit anderen Worten: Wir werden in diesem Jahr bei einer Zunahme der Investitionen zwischen 5 % und 7 % damit rechnen können, daß sich das auch auf dem Arbeitsmarkt entlastend bemerkbar macht.
Wir werden auch den technologischen Effekt - wir sind uns mit den Gewerkschaften einig, daß wir die Technologie nutzen müssen - mit einer zeitlichen Verzögerung in einer Vergrößerung unserer Wettbewerbsfähigkeit bemerken, auch auf dem Arbeitsmarkt. Nur eines können wir nicht: Wenn wir unsere Industrieproduktion zu über 50 % exportieren, wenn wir ein Land sind, das für Freihandel eintritt, nicht für Beschränkungen oder für Schutzvorschriften zu unseren Gunsten, dann können wir uns der Konkurrenz mit anderen Ländern nicht entziehen. Wenn in Korea ein Massentransporter oder ein Öltanker zu zwei Dritteln unserer Kosten erstellt werden kann, ist das ein Gebiet, auf dem wir uns als nicht mehr konkurrenzfähig erweisen. Deswegen müssen wir die Höhe unserer Löhne hier mit zur Debatte stellen können. Wer eine Auswirkung der Höhe der Löhne auf die arbeitsmarktpolitischen Möglichkeiten bestreitet, geht an allen Fakten vorüber, unter denen wir gemeinsam arbeiten müssen.
({4})
Damit bin ich beim zweiten Punkt, bei der Qualifikation. Weil wir auf einem höheren technologischen Niveau arbeiten müssen, weil wir uns z. B. im Spezialschiffbau inzwischen von den normalen Anforderungen im Schiffbau weit entfernt haben, brauchen wir eine höher qualifizierte Arbeitnehmerschaft. Wir brauchen Leute, die die Anforderungen erfüllen können, für die man mit den Produkten auf dem Weltmarkt noch hohe Preise erzielen kann.
({5})
- Das kann ich Ihnen sagen: weil wir mit den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im wesentlichen denjenigen Hilfe zukommen lassen, die eben nicht auf diesem hohen Qualifizierungsniveau arbeiten können. Gehen Sie doch einmal nach Baden-Württemberg oder in andere Gegenden, wo die Arbeitslosigkeit geringer ist. Dort werden Facharbeiter gesucht. Da besteht ein Facharbeitermangel. An diesen Fakten kann man nicht vorübergehen.
({6})
- Im Gegensatz zu vielen, die hier gesprochen haben, beschäftige ich mich mit dem Problem auch dadurch, daß ich z. B. einmal einen kleinen oder mittleren Betrieb besuche und mit den Leuten rede. Ich habe z. B. einen kleinen Betrieb in Baden-Württemberg besucht, der für Daimler-Benz Werkzeuge herstellt. Daimler-Benz ist sicherlich kein Unternehmen, das im Moment unter Auftragsmangel leidet. Dieser Betrieb sucht Arbeitskräfte.
Drittens. Wir müssen sicherlich die steuerlichen Bedingungen verbessern. Aber dann möchte ich bitte von Ihrer Seite keine Klagen hören, wenn wir dann die Belastung des unternehmerisch investierten Kapitals herabsetzen.
({7})
Vierter Punkt. Auch die tarifpolitischen Bedingungen - lassen Sie mich das zum Schluß noch sagen - sind ein Grund für Arbeitslosigkeit.
({8})
Wer immer wieder die Lohngruppen der unterdurchschnittlich Qualifizierten, die einem größeren Risiko ausgesetzt sind, über Sockelbeträge hochzont,
({9})
der darf sich nicht wundern, wenn gerade diese Menschen arbeitslos sind.
({10})
An diesen Wahrheiten geht auch kein Weg vorbei.
Es hat keinen Sinn, daß Sie sich hier hinstellen und so tun, als ob Sie die besseren Rezepte hätten, und die Regierung anklagen. Sie weigern sich ja, der Wahrheit ins Auge zu schauen. Das ist der eigentliche Grund, warum wir hier nicht zu einer vernünftigen Diskussion kommen können.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Dreßler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte, als der Bundeswirtschaftsminister begann, zunächst die Hoffnung, daß es sachlicher, daß es ruhiger würde und daß man sich mehr
mit der gesellschaftlichen Dimension beschäftigt.
({0})
- Zum Schluß, Frau Adam-Schwaetzer, wurde es dann wieder hektisch.
({1})
Frau Adam-Schwaetzer, wenn wir das registrieren, was sich in diesen Monaten abspielt: Ist es denn wirklich mit einem guten Gewissen verbunden - von wem auch immer hier -, Tarifvertragsparteien plötzlich als die Hauptverantwortlichen, als die Hauptverursacher zum Besseren zu definieren?
({2})
Ist es plötzlich so, wie der Bundeswirtschaftsminister sagt, daß dann wirklich die Reduzierung von Belastungen der Unternehmungen der Schlüssel des Erfolgs wäre?
({3})
Warum sagt denn der Bundeswirtschaftsminister nicht - und warum nehmen Sie nicht zur Kenntnis, Herr Kolb -, daß seit zwei Jahren der Export deutschen Geldes in die USA einen Überhang hat?
({4})
Das heißt doch, Herr Kolb, daß Geld da ist. Warum
eröffnen Sie denn nicht eine Diskussion mit uns,
wie wir dieses vorhandene Geld investiv in der Bundesrepublik bewegen können?
({5})
- Zum Beispiel dadurch, daß Sie mit uns vielleicht in die Überlegung eintreten, investiertes Geld steuerlich zu begünstigen; nicht dadurch willkürlich Steuern zu senken und eine Debatte in der Bundesrepublik zu eröffnen, Herr George, wie man jenen, die hochverdienen, Hunderttausende von Mark, statt 56 % Steuern 46% oder 36% Steuern in einer solchen Situation abverlangen kann.
Das zweite ist: Können wir nicht einmal dazu kommen, gemeinsam aus diesem Parlament heraus das Problem den Menschen bewußter zu machen, anstatt sie glauben zu machen, durch Ankündigungen kurzfristiger Art würde sich irgend etwas zum Besseren wenden? Wäre es denn nicht, Herr Blüm, bei dieser Arbeitslosenzahl von 2,6 Millionen, eine Geste, wenn der deutsche Arbeitsminister hier hinträte und schlicht sagte: Ich, Norbert Blüm, habe mich vor zwei Jahren geirrt - mehr nicht -, als ich sagte, Leute, wir werden 1985 nur noch 1 Million haben. - Warum bringt er das nicht in einer solchen Situation? Warum verkauft man weiter diese Hurra-Zeilen, von denen jeder von Ihnen weiß, daß sie im Jahre 1985 nicht eintreffen werden?
({6})
Frau Adam-Schwaetzer, dann sagen Sie hier, weil wir gravierende verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein Beschäftigungsförderungsgesetz haben,
({7})
dies würde eine Behinderung in bezug auf zusätzliche Beschäftigung darstellen. Frau Adam-Schwaetzer, ist es denn wirklich nicht auch für Sie überlegenswert, wenn es Ihnen ernst ist mit mehr Beschäftigung, die vorhandene Leiharbeit zu analysieren und daraus - schon heute auf dem Papier belegbar - zu erkennen, daß die Chance für einen Unternehmer, 18 Monate befristet - unabhängig von der verfassungsrechtlichen Seite - einstellen zu können, nicht zusätzliche Beschäftigung, sondern Rotation von Leuten, die keine Arbeit haben, bedeutet?
({8})
Es gibt überhaupt nicht mehr; Sie werden nur die, die drin sind, dann, wenn sie raus sind, mit befristeten Chancen beglücken, aber dadurch nicht mehr Beschäftigung schaffen.
({9})
Ich glaube also, daß man sich - wenn man es ernst nähme, Herr Blüm und Herr Bangemann - vielleicht zunächst einmal darauf verständigen könnte, statt Hurra-Zeilen den ernsthaften Versuch
zu machen, die Bevölkerung dazu zu sensibilisieren,
({10})
und nicht laufend alles wegzureden und nicht so zu tun, als ob ein solcher Gesetzentwurf wirklich in der Lage wäre, diesem Phänomen beizukommen.
({11})
Wenn diese Aktuelle Stunde nur dafür eine Chance eröffnete, daß Sie sich dazu einmal verstehen könnten, hätte sie vielleicht einen Sinn gehabt. Wir haben damit nicht bezwecken wollen, hier Dinge im Sinne von Lösungsvorschlägen für den nächsten Gründonnerstag zu offerieren, sondern wir haben bezwecken wollen, mit Ihnen gemeinsam eine nüchterne Bestandsanalyse zu machen, die uns die Chance eröffnet, konstruktiv dieses Problem anzugehen.
({12})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Faltlhauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Urbaniak hat gesagt: „Wir von der SPD sind Profioptimisten." Optimisten, Herr Urbaniak, schauen in die Zukunft, haben Mut zu Neuem, sind aufnahmebereit für Vorschläge, haben Phantasie, um ein Problem zu lösen.
Ich habe in dieser Debatte nichts von diesem Mut zu Neuem von Ihnen gehört, keine Phantasie gespürt, welche Dinge man machen kann. Sie schauen nur immer - gar nicht wie Optimisten - 'zurück, streng nach den alten SPD-Vorschlägen: Schulden herauf, Arbeitszeit pauschal herunter und Beamte herein. Aber die Vorschläge, die gemacht werden, hat die Bundesregierung zumindest zu einem wesentlichen Teil schon realisiert. Ich denke z. B. an die Rückkehrhilfe mit immerhin 140 000 Arbeitsplätzen
({0})
und an den Vorruhestand mit 80 000 Arbeitsplätzen, an die vermehrten AB-Maßnahmen oder an das, was die Berliner da so machen. In anderen Großstädten wird das ja auch schon gemacht. Da ist Phantasie; da ist eine Innovationskraft, die Politik gestaltet. Von Ihnen habe ich nichts davon gehört.
Das Beschäftigungsförderungsgesetz ist doch auch ein phantasievoller Versuch. Sie lehnen so etwas glatt ab und verweisen auf Ihre bewiesenermaßen nicht greifenden Mittel. Wir müssen mit vielen Einzelmaßnahmen die Zugangsbrücken zum Arbeitsmarkt schaffen. Wir beginnen zumindest, sie zu schaffen. Wir können beweisen: es funktioniert auch!
Herr Urbaniak, die „Profioptimisten" waren Sie in den vergangenen Jahren. Da haben Sie immer den „Optimismus" im Sinne der SPD verbreitet, daß wir, die Union und die FDP, schon im Jahre 1983 bereits mehr als 3 Millionen Arbeitslose haben würden. Diese Zahlen sind eben durch diese erfolgreiche Wirtschaftspolitik und durch die aktive Arbeitsmarktpolitik dieser Bundesregierung nicht eingetreten.
({1})
Da müssen nun Reservezahlen zur Stützung dieses seltsamen Oppositionsoptimismus herhalten, Zahlen mit einer sogenannten stillen Reserve am Arbeitsmarkt. Die stille Reserve von 1,6 Millionen habe ich da von Ihnen gehört und gelesen. Daß da viele drin sind, die keinen Leistungsanspruch haben, weil sie nie eine versicherungsrelevante Leistung erbracht haben, etwa weil sie von der Hochschule kommen, muß man doch sehen. Die Sozialversicherung kann doch diejenigen nicht schützen, die noch keine Leistungen in diese Sozialversicherung eingebracht haben.
Herr Hoss hat das hier auch gebracht. Herr Hoss, in dieser stillen Reserve, die Sie jetzt immer, gewissermaßen Ihre Zahlen abstützend, anführen,
({2})
sind ja Leute - Hausfrauen, Gymnasiasten, Rentner und Pensionäre, Studenten -, die in einer Hochkonjunktur vielleicht bereit wären, zusätzlich aber als Zweit- oder Drittverdiener etwas zu verdienen.
Frau Fuchs, die jetzt leider nicht mehr hier sitzt, hat 1981 schon einmal gesagt: „Es ist davon auszugehen, daß jene Nichterwerbstätigen, die an einer Arbeitsaufnahme ernsthaft interessiert sind, sich beim Arbeitsamt melden. Ich wiederhole, daß ich nicht der Auffassung bin, daß die stille Reserve für uns für die Arbeitsmarktpolitik von Bedeutung ist. Bitte belassen wir es doch dabei und wischen wir diese Reserveargumentation hier in diesem Raume einmal fort."
({3})
Herr Buschfort, zu Ihnen muß ich sagen: Wenn Sie das schwere Los der Arbeitslosigkeit beklagen, darf man bei der Klage nicht stehenbleiben. Politik hat die Verantwortung, zu handeln. Diese Bundesregierung hat z. B. für die älteren Arbeitslosen eben die Leistungsdauer für Arbeitslosengeld von einem Jahr auf 18 Monate verlängert. Sie haben das nicht gemacht. Im Gegenteil, Sie haben 1981 durch Ihr Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz die Anwartschaftszeit von sechs Monaten auf ein Jahr heraufgesetzt. Sie haben das Los der Arbeitslosigkeit erschwert, Sie haben nichts getan, Sie haben Leistungen verschlechtert.
Ich will auch noch eines sagen: Herr Urbaniak, die Zahl, die Sie hier genannt haben, daß 35 % der Sozialhilfeempfänger bereits Arbeitslose sind, ist mit Sicherheit falsch. Die tatsächliche Zahl ist 7 %.
({4})
Zum Schluß: Ich habe von der SPD keine Vorschläge zur Lösung dieses gemeinsamen schwierigen Problems gehört.
({5})
Ich glaube, daß es gut wäre, wenn auch solche Aktuellen Stunden nicht ein Ort der Polemik, sondern ein Markt der Ideen und der Meinungen wären.
({6})
Da ist auch die Opposition besonders aufgefordert, Ideen und neue Vorschläge einzubringen. Wir sind gern bereit, gute Vorschläge aufzugreifen und zu realisieren.
({7})
Meine Damen und Herren, am Ende dieser Aktuellen Stunde hat der Abgeordnete Urbaniak den Wunsch zur Abgabe einer Erklärung nach § 30 unserer Geschäftsordnung. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erkläre, weder im Wirtschaftsausschuß noch in anderen Ausschüssen des Deutschen Bundestages Ausführungen gemacht zu haben, Ar-bed Saarstahl habe schon jetzt zuviel Geld erhalten, dieses müsse an die Stahlindustrie des Ruhrgebiets umgelenkt werden. Als Abgeordneter habe ich in Ausschüssen des Bundestages am Zustandekommen von Arbed Saarstahl mitgearbeitet, nachdem die deutschen Eigentümer die saarländische Stahlindustrie im Stich gelassen haben. Ich bin immer dafür eingetreten, ein Stahlprogramm zu schaffen,
({0})
das alle Unternehmungen gleich behandelt, was nach dem verabschiedeten Stahlprogramm auch geschieht.
Die Behauptung des CDU-Abgeordneten Günther aus Duisburg ist falsch; ich weise sie zurück. Herr Abgeordneter, Sie sollten Ihre Behauptung zurücknehmen.
Das, was Sie, Herr Wirtschaftsminister, zu den Löhnen gesagt haben, wird noch ein Nachspiel haben.
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 14. März 1985, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.