Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes
- Drucksache 10/2883 -
b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Büchner ({0}), Kastning, Kuhlwein, Frau Odendahl, Frau Schmidt ({1}), Dr. Schmude, Toetemeyer, Vogelsang, Weisskirchen ({2}), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Hochschulpolitik
- Drucksachen 10/1753, 10/2543 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ({3}) Innenausschuß
Haushaltsausschuß
Ausschuß für Forschung und Technologie
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b und eine Aussprache von zwei Stunden vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache und erteile das Wort der Frau Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zur 3. Novelle des Hochschulrahmengesetzes, der hier heute in erster Lesung beraten wird, ist Bestandteil einer hochschulpolitischen Gesamtkonzeption der Bundesregierung. Sie ist auch in der Antwort auf die Große Anfrage zur Hochschulpolitik im einzelnen ausführlich dargestellt. Insoweit begrüße ich diese verbundene Debatte außerordentlich.
Die Sicherung und die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Hochschulen in Forschung und Lehre sind eine zentrale gesamtpolitische Aufgabe. Denn die Bundesrepublik Deutschland ist in ihrer Existenz und in ihrer Zukunftssicherung von den Ergebnissen aus Wissenschaft und Forschung abhängig. Das Interesse der jungen Generation ist damit direkt angesprochen. Die Hochschulen bilden immer noch das zentrale und wichtigste Potential für Forschung und wissenschaftliche Ausbildung. Deshalb müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um den Hochschulen ein Höchstmaß an wissenschaftlicher Entfaltung zu bieten. Die Bundesregierung sieht dies als eine besondere Herausforderung an und will dafür optimale Rahmenbedingungen schaffen.
Nach der quantitativen Expansion des Hochschulwesens in den letzten zwei Jahrzehnten muß nun die Qualität in Forschung und Lehre weiter gesteigert werden. Wir können in der Forschung weltweit nur Schritt halten, wenn unsere Hochschulen wieder an der Spitze wissenschaftlichen Engagements und wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit stehen.
({0})
Wir können den Anforderungen der modernen Berufswelt nur gerecht werden, wenn nicht nur viele junge Menschen entsprechend ihrer Eignung eine Gelegenheit zum Studium erhalten, sondern wenn sie auch die Sicherheit haben, eine wirklich fundierte wissenschaftliche Ausbildung zu bekommen.
({1})
Besonders begabte junge Menschen müssen die Chance zur wissenschaftlichen Hochleistung erhalten können.
({2})
Wir müssen bedenken, daß unsere Hochschulen auch im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung vor zusätzlichen Aufgaben stehen.
Die großen Veränderungen, die unser aller Leben durch die modernen Technologien erfährt, müssen vom Hochschulsystem aufgegriffen und in den Studieninhalten berücksichtigt werden, und zwar - lassen Sie mich das ganz deutlich sagen - nicht
nur in den technischen Disziplinen, sondern auch in den geisteswissenschaftlich-kulturellen Disziplinen. Der Transfer neuer Erkenntnisse und Technologien aus der Hochschule in die Arbeitswelt hinein und die Nutzung des großen Forschungspotentials der Hochschulen müssen gesteigert werden.
Die Aufgabe des Gesetzgebers ist es daher, die Rahmenbedingungen für die Hochschulen so zu gestalten, daß Forschung und Lehre die Chance haben, sich zu höchster Leistung zu entfalten. Dabei müssen auch die zum Teil wenig positiven Erfahrungen mit dem bestehenden rechtlichen Rahmen berücksichtigt werden.
Nach Auffassung der Bundesregierung ist mit der Verankerung der Ordnungsprinzipien der Differenzierung, der Profilierung und des Wettbewerbs diese Zielrichtung am besten zu erreichen. Die Hochschulen müssen Freiheitsräume zur eigenen Profilierung und zur Schwerpunktbildung in Forschung und Lehre erhalten. Es ist für die Zukunft nicht mehr vorstellbar, daß jede Hochschule in jedem Fachgebiet voll vertreten ist und dort auch Spitzenergebnisse erzielt.
({3}) Schwerpunkte sind notwendig.
Die Novelle zum Hochschulrahmengesetz will im Rahmen der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern den rechtlichen Rahmen entsprechend diesen Ordnungsprinzipien festlegen. Die vorgeschlagenen Änderungen beruhen vor allem auf folgenden fünf Grundentscheidungen und Eckpunkten.
Erstens. Differenzierung der Hochschullandschaft: Der Gesetzentwurf geht von einem differenzierten Hochschulsystem aus, in dem die verschiedenen Hochschularten einen eigenständigen Auftrag haben. Dieser Konzeption liegt die Überzeugung zugrunde, daß ein differenziertes Hochschulsystem die unterschiedlichen Aufgaben in Forschung und Lehre besser, weil flexibler und damit effizienter, vornehmen kann als ein Hochschulsystem, das sich im wesentlichen an einem einzigen Leitbild, nämlich der Gesamthochschule, orientiert. Deshalb wird das Leitmodell der Gesamthochschule aufgehoben. Bestehende Gesamthochschulen haben sich wie alle anderen Hochschularten dem Wettbewerb zu stellen.
Zweitens. Die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Hochschulen: Die Bundesregierung will die Verantwortung der Hochschulen vor allem im Bereich der Lehre stärken. Die inhaltliche Gestaltung der Studienordnungen und der Studieninhalte soll nach dem Gesetzentwurf mehr als in der Vergangenheit eine Aufgabe der Hochschule selbst sein. Die Studienordnungen sollten künftig ohne staatliche Zustimmung erlassen werden können; anders als die Prüfungsordnungen, die selbstverständlich in staatlicher Hand liegen.
Drittens. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Hochschulforschung: Der Gesetzentwurf will die Forschung mit Mitteln Dritter aufwerten und sie erleichtern. Damit werden Initiative und Bereitschaft von Hochschulen und Hochschullehrern gestärkt, Drittmittel anzuwerben. Drittmittelforschung ist nach Auffassung der Bundesregierung ein wichtiges Instrument, um die Leistung der Hochschulforschung zu verbessern. Einer rahmenrechtlichen Vorschrift, wie sie die Bundesregierung vorgeschlagen hat und wie sie auch von der Westdeutschen Rektorenkonferenz ausdrücklich begrüßt worden ist, kommt deshalb erhebliche Bedeutung zu.
Viertens. Die Verbesserung der Personalstruktur der Hochschulen: Zur Verbesserung der Personalstruktur der Hochschulen soll ein aufeinander abgestimmtes Angebot von Ämtern für den wissenschaftlichen Nachwuchs geschaffen werden. Vorgesehen werden die Ämter des wissenschaftlichen Assistenten, des Oberassistenten und des Hochschuldozenten. Es soll auch erreicht werden, daß jüngere Wissenschaftler nach der Habilitation zeitlich begrenzt in der Hochschule verbleiben können. Damit wären die Qualifizierungs- und Berufschancen des jungen wissenschaftlichen Nachwuchses erheblich verbessert.
Fünftens. Die Stärkung der Entscheidungsstrukturen der Hochschulen: Hochschulen, die in größerer Eigenverantwortung den Wettbewerb aufnehmen und ihr eigenes Profil bilden sollen, bedürfen funktionsgerechter Entscheidungsstrukturen. Neben das Prinzip der Gruppenvertretung soll deshalb nach dem Gesetzentwurf das Prinzip der Fachvertretung, d. h. der Repräsentanz der Fakultäten und Fachbereiche in den zentralen Gremien der Hochschule, treten.
Darüber hinaus setzt eine Hochschule mit weitreichender Eigenverantwortung, wie sie der Gesetzgeber vorsieht, eine handlungsfähige Leitung voraus. Deshalb ist nach Auffassung der Bundesregierung eine Neuregelung des Wahlverfahrens der Hochschulleitung notwendig, das der besonderen Verantwortung der Professoren für die Qualität und das Profil der Hochschulen Rechnung trägt.
({4})
Meine Damen und Herren, im Bereich von Lehre und Studium stehen die Hochschulen heute und morgen vor der doppelten Aufgabe, wissenschaftliche Breitenausbildung für eine große Zahl junger Menschen mit der Förderung hochqualifizierter Nachwuchswissenschaftler zu verbinden. In der hochschulpolitischen Entwicklung der jüngsten Vergangenheit hat die wissenschaftliche Breitenausbildung im Vordergund gestanden. Dieser Prozeß ist zu begrüßen und unter dem Stichwort der Offenhaltungspolitik fortzuführen. Er ist aber nur dann in der notwendigen Qualität zu sichern, wenn er durch die gezielte Förderung von wissenschaftlichen Begabungen ergänzt wird. Wir brauchen Qualität auf allen Ebenen. Von der Heranbildung wissenschaftlicher Spitzenkräfte profitieren auch Lehre und Forschung.
({5})
Die polemische Floskel von einem „Zweiklassensystem" bei einem differenzierten Studienangebot
kann ich deshalb nur als reine Agitation betrachten, die vom Thema ablenken soll.
({6})
- Natürlich gefällt Ihnen das nicht, und deshalb, meine Kollegen von den GRÜNEN, möchte ich es besonders betonen: Auch in Deutschland müssen wir wieder Zentren der Hochbegabtenförderung und der Spitzenforschung an den Hochschulen haben. Diese können aber nicht staatlich verordnet werden, sondern müssen sich unter Wettbewerbsbedingungen aus der Hochschule heraus entwickeln können.
Meine Damen und Herren, man hat der Bundesregierung den Vorwurf gemacht, sie zerstöre mit ihrer Novelle die hochschulpolitische Ruhe und Harmonie. Wer dies behauptet, verkennt - bewußt oder unbewußt, gutgläubig oder weniger gutgläubig -, daß es eine umfängliche hochschulpolitische Diskussion bereits seit der Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes im Jahre 1976 gegeben hat.
({7})
Ich habe diese Diskussion nicht erfunden, sondern bei der Amtsübernahme vorgefunden. Die Bundesregierung hat durch die Einsetzung einer unabhängigen Expertenkommission 1983 versucht, die vorhandene Diskussion zu kanalisieren und damit auch zu beruhigen.
Die Notwendigkeit einer Novellierung des vorhandenen Gesetzes ist im übrigen auch von den Wissenschaftsorganisationen immer wieder anerkannt worden. Auch die Westdeutsche Rektorenkonferenz stimmt in wesentlichen Punkten den Änderungsvorschlägen der Bundesregierung zu und hat dies mehrfach öffentlich verdeutlicht.
({8})
Die Bundesregierung weiß sich in der Zielsetzung und in den Grundlinien der Novelle auch mit der Mehrheit des Bundesrates einig. Die Notwendigkeit von Korrekturen ist dort unbestritten. Die Diskussionen im Bundesrat haben gezeigt, daß in wesentlichen Fragen eine Übereinstimmung mit der Mehrheit besteht. Über einige strittige Punkte kann - davon bin ich überzeugt - im Verlaufe des parlamentarischen Verfahrens Verständigung erreicht werden, ohne die Zielsetzung der Novellierung aus den Augen zu verlieren und ohne die verfassungsrechtlichen Kompetenzgrenzen von Bund und Ländern zu verletzen.
Leider betreibt nur die Sozialdemokratie aus politisch-strategischen Überlegungen offensichtlich eine Fundamentalopposition. Aber lassen wir uns da nicht täuschen, meine verehrten Kollegen: Einige der geplanten Änderungen werden auch in SPD-geführten Bundesländern bereits geplant oder als wünschenswert angesehen, oder mir wird vorgeworfen, daß ich nicht schnell genug handele, etwa was das Thema der Drittmittelforschung angeht.
Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß die Novellierung im besonderen Interesse der Studenten liegt.
({9})
Zum einen hilft die Novelle, die Überlast für die Hochschulen erträglicher zu gestalten, und zwar insbesondere durch die vorgesehene neue Personalstruktur, die auch die Lehrleistung der Hochschulen erhöhen wird. Zum anderen werden durch die angestrebte Vielfalt der Studienangebote den Studenten mehr Alternativen zwischen unterschiedlichen Ausbildungen angeboten.
Im übrigen haben, so denke ich - und ich hoffe, daß wir darin wenigstens einig sind -, vor allem die Studenten ein Interesse an einer hohen Qualität der Ausbildung, weil dies ihre Berufschancen innerhalb und außerhalb der Hochschule verbessert.
Eine in den letzten Wochen vielfach geäußerte Kritik behauptet, die Novellierung würde nur von den aktuellen, durch die Überlast bedingten Schwierigkeiten der Hochschulen ablenken. Diese Behauptung ist nun wirklich kurzsichtig und nicht sachgerecht. Eine in sich schlüssige hochschulpolitische Konzeption muß nämlich sowohl die aktuellen Probleme als auch die Zukunftsorientierung des Hochschulwesens umfassen. Wer ausschließlich die aktuellen Probleme sieht und die mittelfristige Entwicklung aus dem Auge verliert, wird nie eine optimale Leistungsfähigkeit der Hochschulen in Gegenwart und Zukunft erreichen können.
Die Bundesregierung leistet im Rahmen ihrer Kompetenz zahlreiche Beiträge zur Bewältigung der aktuellen Hochschulprobleme. Dies geht im einzelnen aus der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage hervor. Ich verweise auf diesen Text. Ich nenne hier nur einige wenige Beispiele: die Bereitstellung großer finanzieller Mittel für Grundlagenforschung und angewandte Forschung, die gezielte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, vielfältige Stipendienprogramme, die Förderung des Hochschulbaus mit derzeit 1,15 Milliarden DM pro Jahr, eine Reihe anderer gesetzlicher Initiativen, wie das eingebrachte Zeitvertragsgesetz für wissenschaftliches Personal. Diese und andere Maßnahmen, meine Damen und Herren, tragen erheblich zur Entlastung der Hochschulen in der gegenwärtigen angespannten Situation bei.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Die hochschulpolitische Konzeption der Bundesregierung, die dieser Gesetzesnovelle zugrunde liegt, läßt sich auf die Formel bringen: mehr Qualität in Forschung und Lehre durch mehr Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsfähigkeit der Hochschulen. Hier stehen Bund und Länder in gleicher Weise in großer Verantwortung. Die Bundesregierung möchte dem durch die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes gerecht werden, und ich bin auch sicher, daß Sie in den kommenden Beratungen zu einem für Forschung und Lehre, für unsere Hochschulen und insbesondere für unsere Jugend guten Ergebnis kommen werden.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Kuhlwein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Jahre 1803 schrieb ein Autor im Deutschen Reich ein Buch über „Das dringende Zeitbedürfnis in unserem Vaterland, die Anzahl der Studierenden zu vermindern und ihre Zurückweisung ins bürgerliche Leben durch angemessene Mittel zu erleichtern." Wie sich doch die Argumente gleichen. Helmut Kohl, manchermanns Enkel, hat just in diesen Monaten vor Repräsentanten von Wirtschaft, Wissenschaft und Kirchen in Düsseldorf die Überzeugung geäußert, daß die frühere Bundesregierung des Guten zuviel getan habe, indem sie die Akademisierung der Berufswelt vorangetrieben habe. Helmut Kohl wörtlich - und Sie bestätigen, daß Sie bei 1803 stehengeblieben sind -: „Hier ist eine Sprengbombe der Deutschen Gesellschaft."
Es ist zugegebenermaßen erfrischend, wenn einer dort, wo andere, wie Frau Wilms hier, ideologischen Nebel werfen, in aller Naivität sagt, was sein soll: Die Wende-Regierung will das Rad der Geschichte auch im Bildungsbereich zurückdrehen. Bildung soll wieder ein Privileg werden, damit sich die von Konkurrenz bedrohten Eliten wieder aus sich selbst heraus ergänzen können.
Ich halte dem ein Wort von Gustav Fehrenbach entgegen, den einige von Ihnen mit mir und einigen von uns gemeinsam vor einer Woche zu seinem 60. Geburtstag geehrt haben. Gustav Fehrenbach hat im Dezember in Göttingen auf dem Hochschulkongreß der GEW gesagt:
Es gibt keine stichhaltigen Argumente dafür, einem Menschen, der eine wissenschaftliche Ausbildung anstrebt, diese zu verweigern, außer, das Bildungsniveau der Bevölkerung soll politisch gewollt niedrig gehalten werden. Denn eine Obergrenze für die Qualifikation von Arbeitskräften läßt sich weder bildungspolitisch noch arbeitsmarktpolitisch begründen.
Die Bundesregierung hat diese Wende-Politik mit dem BAföG-Kahlschlag eingeleitet und damals völlig ungeniert „ordnungspolitisch" begründet. Das kann doch nur heißen, daß die alte Ordnung von „unten" und „oben" wiederhergestellt werden soll, die durch zuviel Chancengleichheit in sozialliberalen Zeiten gefährdet erschien. Jetzt darf man wieder unmißverständlich sagen: Schuster, bleib' bei deinem Leisten.
Mit der HRG-Novelle folgt nun der zweite Akt. Die alte Ordnung, soweit sie an den Hochschulen durch Mitbestimmung, Transparenz und gesellschaftliche Verantwortung von Wissenschaft beeinträchtigt wurde, soll wieder Geltung bekommen. Es soll wieder klar werden, wer Herr im Haus ist.
({0})
Gleichzeitig sollen die Türen weit aufgemacht werden, um Hochschulen zu außengesteuerten Forschungslabors der Industrie werden zu lassen.
({1})
Wie weit eigentlich muß Wissenschaftsfreiheit verkommen sein, wenn sie solche Paragraphen als Befreiung empfindet?
Die Bundesregierung hat mit dieser Novelle zum HRG ein Unternehmen gestartet, das ungeteilten Beifall nur bei ganz unverbesserlichen Ordinarienherrlichkeiten findet. Die unionsregierten Länder, die bei einem zustimmungsbedürftigen Gesetz letzendlich den Ausschlag geben, haben der Bildungsministerin gezeigt, daß sie in der Politik noch längst nicht reif für die Gesellenprüfung ist. Auch nach der letzten Verbeugung vor dem Bundesrat bleibt noch so viel Zündstoff, daß wir noch manches Satyrspiel erleben werden. Das gilt insbesondere für die vom Bundesrat für die neue Personalstruktur verlangte Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes.
Eins scheint mir heute schon sicher zu sein: Der Bund wird am Ende des Gesetzgebungsverfahrens mit erheblich weniger hochschulpolitischen Kompetenzen dastehen als heute. Noch einige solche HRG-Novellen und von der einstmals aus gesamtstaatlicher Verantwortung konzipierten Rahmenkompetenz des Bundes für das Hochschulwesen wird nichts mehr übrig sein.
Es gibt viele gute Gründe, Frau Wilms, zu Ihrer HRG-Novelle nein zu sagen. Dazu gehören etwa die geplanten Sonderstudiengänge, die nicht nur an Reformhochschulen schlichtweg für Quatsch gehalten werden. Dazu gehört die pauschale Einführung obligatorischer Zwischenprüfungen. Dazu gehört die Einrichtung gesonderter Forschungsprofessuren, die das Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre in Frage stellen. Dazu gehört die neue Personalstruktur mit neuen Abhängigkeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses, die gleichzeitig die Verwirrung bei Kanzler und Hochschulverwaltung komplett machen wird. Dazu gehört vor allem die zusätzliche Privilegierung der Lebenszeitprofessoren bei allen wichtigen Entscheidungen in den Gremien. Dazu gehört die Neuregelung der Drittmittelverwaltung, die von der Fiktion ausgeht, Forschung sei auch im ausgehenden 20. Jahrhundert noch immer die ganz persönliche Angelegenheit einzelner Forscher. Als würden die Einsteins beliebig nachwachsen, wenn man sie nur schalten, walten und mit der Wirtschaft verhandeln ließe.
Schließlich, Frau Wilms, gehören dazu die Streichung der Gesamthochschule, die Abkoppelung der Fachhochschulen von den übrigen Hochschulen, der Abbau des Instrumentariums der Studienreform, ohne an seine Stelle ein überzeugendes neues Konzept zu setzen.
Es gibt aber auch eine Reihe von praktischen Gründen, die geplante Novellierung des HRG abzulehnen. Der wichtigste dieser Gründe wird Organisationsruhe genannt. Das sagt nichts anderes, als daß die Hochschulen angesichts von fast 1,3 Millionen Studenten auf knapp 800 000 Studienplätzen
weiß Gott anderes zu tun haben, als erneut jahrelang über Gesetzesparagraphen und Satzungen zu streiten. Das sieht ja auch die Westdeutsche Rektorenkonferenz so, wenn sie fordert - wörtlich -, „daß der bisher noch vorhandene Grundkonsens in der Hochschulpolitik nicht ohne Not in Frage gestellt werden und daß die drängenden realen Hochschulprobleme nicht durch eine breit angelegte und lang andauernde Novellierungsdebatte aus dem Blick geraten" darf.
Nun ist die WRK daran allerdings nicht ganz unschuldig, wenn genau das in den nächsten Monaten und in den nächsten Jahren geschehen wird; denn lange genug hat sie selbst um Korrekturen im HRG geworben. Man kann eben nicht beides gleichzeitig haben: Organisationsruhe und eine politische Wende rückwärts.
Die WRK hat aber gleichzeitig den wichtigsten Grund genannt, warum die HRG-Novelle abgelehnt werden muß. Die Novelle lenkt von den wirklichen Problemen der Hochschulen in den ausgehenden 80er Jahren ab. Sie produziert aktionistische Scheinlösungen, liefert das Alibi für Untätigkeit hinsichtlich der Finanz- und Personalprobleme der Hochschulen und verschärft damit die Probleme, die mit ihr angeblich gelöst werden sollen.
Die wirklichen Probleme der Hochschulen haben wir in unserer heute ebenfalls auf der Tagesordnung stehenden Großen Anfrage genannt. Die Antworten der Bundesregierung machen deutlich, daß diese Probleme mit dem HRG nichts zu tun haben, daß sie mit der Novelle und auch mit einer anderen Novelle nicht lösbar sind und daß die Bundesregierung bei den wirklichen Problemen eigentlich nicht weiter weiß. So sagen Sie uns in Ihrer Antwort nicht, wie Sie die Hochschulen für die starken Jahrgänge offenhalten wollen, ja Sie sagen noch nicht einmal deutlich genug, ob Sie das überhaupt wollen. Sie machen in Zweckoptimismus, wenn Sie den Beschluß der Ministerpräsidenten vom Oktober 1984 als grundsätzliche Bestätigung dafür interpretieren - ich zitiere -, „daß auch die Länder im Interesse der Ausbildungschancen der geburtenstarken Jahrgänge an der Politik des Offenhaltens der Hochschulen festhalten". Sie sagen nichts dazu, welchen politischen Beitrag die Bundesregierung leisten will, um ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung für die Zukunftschancen der jungen Generation nachzukommen.
Sie sagen in Ihrer Antwort nichts dazu, welche zusätzlichen Hürden Sie durch den BAföG-Kahlschlag für junge Menschen aus sozial schwachen Schichten vor dem Studium aufgerichtet haben. Sie konstatieren - ich zitiere - „mit Aufmerksamkeit", daß der Anteil der Studentinnen an der Gesamtzahl der Studienanfänger seit 1981/82 zurückgeht. „Mit Aufmerksamkeit", als ob das hier ausreichen würde. Sie bleiben die Antwort schuldig, wie man diesen Trend wieder umkehren könnte, und Sie haben auch keine Vorschläge, wie Sie die überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit bei Akademikerinnen bewältigen wollen. Sie stellen bedauernd fest, daß die Studiendauer immer länger wird, und verweigern die Antwort, wie denn Studienreform künftig wirklich effektiver umgesetzt werden
soll. Sie nennen Beispiele für die aktive Öffnung von Hochschulen in die Gesellschaft und reduzieren gleichzeitig die Aufgabe des Wissenstransfers auf die Unterstützung der Wirtschaft im weltweit verschärften Wettbewerb, wie Frau Wilms es heute morgen auch wieder sagte.
Sie loben zu Recht die von uns noch eingerichteten Kooperationsstellen mit den Gewerkschaften, aber Sie wollen die Hochschulen stärker als bisher von privaten Drittmittelgebern aus der Industrie abhängig machen, die eben gerade nicht die Probleme der Humanisierung der Arbeitswelt, der sozialen Steuerung technologischer Veränderungen oder der Umweltverträglichkeit im Auge haben, und das sind die Probleme, die die Arbeitnehmer vor allem interessieren und die den Arbeitnehmern vor allem auf den Nägeln brennen. Sie bedauern zu Recht, daß Nachwuchswissenschaftler heute an den Hochschulen kaum eine Chance haben. Aber wenn es darum geht, politische Stellung zu beziehen, verschanzen Sie sich hinter der Zuständigkeit der Länder für die Stellenpläne.
Die SPD-Fraktion erwartet von der Bundesregierung mehr als ideologische Spiele mit dem Hochschulrahmengesetz. Sie erwartet von ihr eine hochschulpolitische Offensive, und diese Offensive müßte folgende Punkte umfassen.
Erstens. Die Wiederherstellung der alten Rechtsgrundlagen beim BAföG. Wir brauchen wieder Chancengleichheit für Kinder aus Arbeiterfamilien, vor allem aber auch für junge Frauen.
Zweitens. Die Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel für die Hochschulen, damit sie mit der durch die geburtenstarken Jahrgänge bedingten Überlast fertig werden können. Wir fordern Bundeskanzler Kohl auf, ähnlich wie 1977 sein sozialdemokratischer Vorgänger Helmut Schmidt mit den Ministerpräsidenten der Länder eine Vereinbarung zu treffen, die das Offenhalten der Hochschulen zum Ziel hat und ermöglicht.
({2})
Drittens. Die Schaffung zusätzlicher Planstellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs, die zum Teil in den 90er Jahren wieder gestrichen werden könnten. Vorschläge dafür gibt es viele; ich verweise nur auf den nach Professor Fiebiger genannten Plan. Auf jeden Fall muß sichergestellt werden, daß nicht eine ganze Generation von Nachwuchswissenschaftlern ohne Chance an den Hochschulen bleibt.
Viertens. Eine zeitlich befristete höhere Lehrverpflichtung der Professoren, die teilweise bei entsprechendem Gehaltsverzicht reduziert werden kann, wobei die Mittel in den Hochschulen zur Neuschaffung von Stellen verwandt werden. Dies würde einen Solidarbeitrag der Hochschullehrer als Antwort auf verstärkte Anstrengungen des Staates zur Bewältigung der Oberlast bedeuten.
Fünftens. Ein erhöhter Beitrag des öffentlichen Dienstes, um Hochschulabsolventen eine Beschäftigungschance zu geben. Der öffentliche Dienst darf
auch im Interesse der Qualität seiner Dienstleistungen nicht einfach den Laden für den akademisch ausgebildeten Nachwuchs zumachen. Gleichzeitig muß die private Wirtschaft ihr Einstellungsverhalten auch im Interesse unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit verändern und wissenschaftliche ausgebildeten Bewerbern mehr Arbeitsplätze bieten, und das muß auch Geistes- und Sozialwissenschaftler mit einbeziehen. Die Bundesrepublik hat noch längst nicht die Akademikerquote anderer entwickelter Industrieländer erreicht, wo Sie dann immer behaupten, daß diese Länder für uns die große Herausforderung darstellten, weil sie uns auf vielen Sektoren davongelaufen seien, wenn ich an Diskussionen über die USA oder über Japan denke.
Übrigens haben die Intelligenteren unter den Unternehmern längst erkannt, daß für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben anders ausgebildete Menschen erforderlich sind, als sie heute in aller Regel zur Verfügung stehen. Ich möchte Herrn Sparberg, den Chef von IBM Deutschland, zitieren, der kürzlich erklärt hat:
In Zukunft ist mehr allgemeine Denk- und Lernschulung erforderlich. Wichtig ist eine umfassende Persönlichkeitsbildung, kommunikatives und gemeinschaftsbezogenes Verhalten einüben, aus eigenem Antrieb Fragen stellen, Ideen finden, Probleme analysieren, bei der Suche nach Lösungen neue Wege gehen, flexibel reagieren, sich in Teams integrieren und sich in diesen Teams konsensfähig verhalten.
Und weiter:
Das stellt hohe Ansprüche an die Kommunikationsfähigkeit, an die Bereitschaft über den eigenen Zaun zu blicken, setzt Zuhören voraus und die Übernahme der besseren Sachargumente. Die frühzeitige Einübung eines solchen Verhaltens erscheint besonders angebracht in einer Zeit, die ohnehin dazu neigt, schulisches Konkurrenzverhalten überzubetonen und junge Menschen zu Einzelkämpfern heranzubilden, die sich gern von der Gemeinschaft abgrenzen.
Frau Wilms, dieses Konzept ist genau das Gegenteil von dem, was Sie mit Ihren Eliteüberlegungen vertreten.
({3})
Ich kann mir vorstellen, daß diesen Lernzielen, die Herr Sparberg hier vorträgt, ziemlich genau viele der Bildungsgänge entsprechen, in denen heute an unseren Hochschulen ausgebildet wird, daß man aber diese Lernziele mit Sicherheit nicht mit der traditionellen Friseurinnenausbildung darstellen kann.
({4})
Sechstens. Fortsetzung des Hochschulbaus und der Ausstattung der Hochschulen mit modernen Geräten und Laboratorien.
Siebtens. Festhalten an der Verbindung von Forschung und Lehre gegen den Trend, immer mehr Spitzenforschung aus den Hochschulen auszulagern.
Achtens. Öffnung von Forschung und Lehre gegenüber aktuellen gesellschaftspolitischen Fragestellungen, z. B. durch die Einrichtung von Kooperationsstellen mit den Gewerkschaften an allen Hochschulen, durch die Einrichtung von Wissenschaftsläden und durch verstärkte Zusammenarbeit mit den kommunalen Gebietskörperschaften, mit Bürgerinitiativen und anderen gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen.
Neuntens. Förderung nicht nur der technischen, sondern auch der geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Fächer, weil zum einen eine Reihe von Fragen nur fachübergreifend geklärt werden kann, wie etwa Technologiefolgenbewertung, soziale Steuerung der technischen Entwicklung, Umweltverträglichkeit usw., zum anderen aber auch, weil der Mensch auch in Zukunft, hoffentlich, nicht von Hochtechnologie alleine leben wird. Und bitte, Frau Wilms, nicht nur technische Inhalte auch in die Geistes- und Sozialwissenschaften aufnehmen, sondern auch umgekehrt Technologie dadurch beherrschen lernen, daß man sich auch mit Geistes- und Sozialwissenschaften beschäftigen muß, wenn man Naturwissenschaftler oder Ingenieur wird.
({5})
- Ja, ich höre Ihren Protest und weiß, daß Sie sich aus der Humboldtschen Bildungstradition abgemeldet haben.
({6})
Zehntens. Stärkere Förderung der künstlerischen und ästhetischen Studiengänge in einer Gesellschaft, die sich immer mehr technisch orientiert und in der immer mehr Bürger in ihrer wachsenden Freizeit neue Formen der Selbstverwirklichung suchen.
Elftens. Öffnung der Hochschulen für Weiterbildung und Studium neben dem Beruf einschließlich der Förderung entsprechender Modellversuche.
Zwölftens. Weiterführung der Studienreform durch Umsetzung der bisherigen Erkenntnisse und Verbesserung des Instrumentariums unter verstärkter Einbeziehung der Vertreter der Berufspraxis.
Dies, meine Damen und Herren, ist sicher noch kein vollständiger Katalog notwendiger Schritte in der Hochschulpolitik. Aber wir setzen damit dem Elitekonzept der Bundesregierung mit den Schlagworten Differenzierung und Wettbewerb das Konzept einer demokratischen Hochschule entgegen, die Teil der Gesellschaft ist, in der sie arbeitet und von der sie mit immerhin 21 Milliarden DM im Jahr nicht schlecht bezahlt wird.
Wir haben, sieht man von einigen Reformhochschulen und Reformfachbereichen ab, diese Hochschule auch mit dem geltenden Hochschulrahmengesetz noch lange nicht erreicht. Aber wir werden mit allen politischen Mitteln verhindern, daß der mühsam angelaufene Prozeß heute oder in den nächsten Monaten oder in den nächsten Jahren einer hochschulpolitischen Wende zum Opfer fällt. Wir wissen uns darin mit vielen einig, die an den
deutschen Hochschulen lehren, lernen und arbeiten.
Da Sie, Frau Wilms, den laufenden Diskussionen an den Hochschulen - ebenso wie Herr Pfeifer - aus dem Wege gehen, habe ich es übernommen, 1 175 unterschriebene Petitionen von Studenten der Technischen Universität München gegen das Hochschulrahmengesetz an Sie zu überreichen. Ich werde das jetzt gleich im Anschluß an meine Rede tun. Vielleicht gibt Ihnen das einen Eindruck von der Stimmung der Betroffenen. und vielleicht fangen Sie daraufhin an, doch noch einmal über das HRG und seine Konsequenzen nachzudenken.
Herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Daweke.
Herr Präsident! Herr Kollege Kuhlwein und ich haben in den letzten Wochen gelegentlich an Hochschulen debattiert. Ich glaube, die Zahl der Unterschriften, die er jetzt hier vorführt, ist ganz symptomatisch für die Erfahrung, die wir an diesen Hochschulen gemacht haben. Wir haben uns im Grunde genommen zwar intensiv über die anstehenden Probleme mit uns selbst unterhalten, aber das, was hier angedroht wird, nämlich eine Lawine von Protesten, ist an den Hochschulen in der Tat nicht festzustellen.
Ich fand interessant, daß sich Herr Kuhlwein eben eigentlich am längsten - ich finde das auch gar nicht falsch - mit der Frage beschäftigt hat, wie es denn an den Hochschulen heute tatsächlich aussieht. Ich höre, daß gleich auch Herr Wissenschaftsminister Krumsiek zu uns sprechen wird. Ich bin sicher, Herr Krumsiek, daß Sie zu den hier inhaltlich angesprochenen Fragen, etwa zu der Frage der Stellenvermehrung an den Hochschulen, zu den Fragen von neuen Studienangeboten, zu den Fragen des Technologietransfers, richtungweisende Ausführungen machen und darstellen werden, welche Antworten Sie in Nordrhein-Westfalen, dem hochschulreichsten Land, auf diese Fragen - denn es sind Länderfragen - geben werden.
Ich fand es allerdings auch interessant, daß Herr Kuhlwein bei den Problemkreisen, die den Bund im Hinblick auf aktuelle hochschulpolitische Diskussionen angehen, im Grunde genommen so getan hat, als wäre er in den letzten zehn Jahren auf irgendeinem anderen Stern und nicht etwa als Parlamentarischer Staatssekretär im Bildungsministerium gewesen. Ich nehme als Beispiel einmal die Hochschulbaumittel. Herr Kuhlwein, Sie wissen genau, 1978 stellte der Bund noch 1 Milliarde DM für den Hochschulbau zur Verfügung. 1979 - bald darauf wurden Sie Staatssekretär - waren es nur noch 812 Millionen DM, 1980 822 Millionen DM, 1981 797 Millionen DM. Dann gab es die Wende: 1982 waren es 900 Millionen DM, 1983 1,23 Milliarden DM usw. Wir haben diese Mittel erhöht, um die Hochschulen in die Lage zu versetzen, mit zusätzlichen Kapazitäten, mit der Erneuerung ihrer Substanz fertig zu werden.
Sie haben sich aus dem Studentenwohnraumbau zurückgezogen. Das war eine große ..Leistung" der sozialliberalen Koalition. Wir mußten den Finanzminister zugegebenermaßen mit großer Mühe überreden, den Studentenwohnraumbau auf andere Weise wieder zu finanzieren.
Wissenschaftsminister Krumsiek hat angemahnt, wir sollten mit Erleichterungen im Bereich der Drittmittelforschung bitte schnell machen. Er sagte, wir kämen mit unserem Reformgesetz nicht schnell genug über. Ich verstehe die Diskussion gar nicht. Wer hat sich denn in den letzten Jahren überhaupt nicht um dieses Thema gekümmert? Sie haben beklagt, daß es keine neuen Akzente in der Forschung gibt. Wer hat denn seit 1982 die Mittel für die Deutsche Forschungsgemeinschaft erhöht? Sie haben sich darüber beklagt, daß der wissenschaftliche Nachwuchs nicht genug gefördert werde. Sie sind 1980 aus der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ausgestiegen.
({0})
Wir mußten 1982 mit großer Mühe wieder etwas für die Postdoktorandenstipendien tun. Ich gebe zu, daß das mühsam ist. Ich gebe auch zu, daß es angesichts von geplünderten Kassen, die Sie uns hinterlassen haben, sehr schwer ist, dem Finanzminister Geld für die Hochschulen abzuringen. Sie können sich aber, was diese Dinge angeht, die den Bund betreffen, überhaupt nicht beschweren.
Nun werden wir, wie gesagt, von den Ländern - durch Herrn Krumsiek - heute morgen gleich hören, wie sie auf diese Herausforderung reagieren. Auch sie sind bei den Finanzen in einer schwierigen Situation.
Meine Damen und Herren, ich glaube, nichts macht deutlicher als der alte § 5 des HRG, welcher hochschulpolitische Ansatz 1976 gewollt wurde. Er war zugegebenermaßen ein Kompromiß, aber das Hochschulrahmengesetz ist immerhin von Ihnen, der SPD, gestaltet worden. Ich will gar nicht sagen, daß Sie nicht das Recht gehabt hätten, damals sozusagen auch eine tiefe ideologische Furche zu ziehen. Aber ich lese Ihnen einmal den Text vor, der das Leitbild der Universitäten beschreibt:
Hochschulen sind als Gesamthochschulen auszubauen oder zusammenzuschließen ({1}) oder unter Aufrechterhaltung ihrer rechtlichen Selbständigkeit durch gemeinsame Gremien zu Gesamthochschulen zu verbinden ({2}). In den Fällen, in denen Gesamthochschulen nicht oder noch nicht gebildet werden können, ist ein Zusammenwirken der Hochschulen sicherzustellen.
Das ist das Leitbild des alten Hochschulrahmengesetzes. Es ist eine Landschaft, mit dem Rasenmäher bearbeitet. Alle sind gleich. In diesen gleichen Hochschulen lehren die gleichen Professoren; alle gleich. In ihnen studieren alle sozusagen das gleiche mit den gleichen Einstellungen. Das ist das Bild, das Sie im Hochschulrahmengesetz geprägt haben. Ich glaube, es ist ganz deutlich, daß man mit diesem Bild in den 80er Jahren keine Hochschule
mehr beschreiben kann. Es ist auch nicht das Bild, das wir wollen.
({3})
- Entschuldigen Sie: Wenn wir die Gelegenheit bekommen haben, mit einem Mandat vom Wähler und mit einer Mehrheit im Bundesrat Politik zu machen, müßten wir doch Tinte gesoffen haben, wenn wir nicht versuchen würden, eine Hochschullandschaft zu machen, die nach unserem Bild gestaltet ist. Und dieses Bild ist eine Wiese mit vielen bunten Blumen. Nicht alle Hochschulen sind gleich. Fachhochschulen haben ihren eigenen Auftrag. Auch Gesamthochschulen haben ihren Auftrag. Die wissenschaftlichen Hochschulen und die künstlerischen Hochschulen sollen sich nach ihrem Bild entwickeln können. Sie sollen sich ein eigenes Gesicht geben können. Sie sollen mit Hilfe von Drittmitteln, Mitteln vom Staat und von Privaten einwerben können. Sie sollen besondere Forschungsschwerpunkte und besondere Lehrschwerpunkte bilden. Die Studenten sollen die Möglichkeit erhalten, nicht alle im gleichen Rhythmus zu studieren, sondern nach ihren persönlichen Fähigkeiten Angebote an den Hochschulen zu bekommen. Wissenschaftlicher Nachwuchs soll nicht gleichgemacht werden. Er soll in die Verantwortung gegenüber dem Professor genommen werden, dieser aber auch gegenüber den Assistenten.
({4})
Das ist ein anderes Bild. Sie können sagen, daß Sie dieses Bild nicht wollen. Aber das ist nicht Ihr Argument. Sie setzen sich ja nicht inhaltlich mit uns auseinander. Ich finde es in der Tat interessant, was vielmehr Ihr Argument ist. Man kann das am besten bei den Äußerungen von Herrn Krumsiek im Bundesrat nachlesen. Ich nehme an, Sie werden die gleiche Rede hier noch einmal halten. Darum kann ich jetzt schon darauf eingehen. Sie sagen:
Allein das Land Nordrhein-Westfalen
- ist auch mein Bundesland, Herr Krumsiek; es ist ein wunderschönes Bundesland hat gegenwärtig 34 staatliche Hochschulen mit jeweils einer Vielzahl von Satzungen und Ordnungen. Sie werden durch diese Novelle in ihrem Wissenschaftsbetrieb tangiert.
- Natürlich! Die Hochschulselbstverwaltung ist ein demokratischer, zugleich aber auch ein äußerst sensibler und anspruchsvoller Prozeß. Allein zur Verabschiedung einer Grundordnung sind viele Gremiensitzungen erforderlich.
Es ist ja geradezu lachhaft. Das Argument gegen die Novelle lautet: Wir kriegen viel zu tun. Entschuldigung: Dafür haben wir diese Gremien doch gebildet, daß sie Leistungsentscheidungen treffen. Und Sie sagen: Ruhe ist angesichts einer sich total verändernden Umwelt der Hochschulen jetzt die erste Bürgerpflicht.
({5}) Ganz merkwürdig!
Die Gesamthochschulen, die der Leitgedanke waren, sind selbst in NW in der Form nicht gebildet worden. Sie haben selber angemahnt, wir sollten einmal mit Drittmitteln Bewegung in die Sache bringen. Sie beklagen die immer größer werdenden Schwierigkeiten beim Übergang vom Bildungssystem ins Beschäftigungssystem. Das heißt, jeder, der sich zur Zeit mit Hochschulpolitik befaßt, beschreibt die Veränderungen, die stattgefunden haben und auf die wir, denke ich, doch Antworten geben müssen.
Studienreform findet nach meiner Beobachtung in der Bundesrepublik heute so statt, daß die Zeit, die man braucht, um ein Studium zu absolvieren, das inhaltlich im Grunde genommen immer mehr ausgedehnt worden ist, immer länger geworden ist - übrigens meist zu Lasten der Studenten, die überhaupt keine Möglichkeit haben, sich dagegen zu wehren. Das durchschnittliche Studium in der Bundesrepublik dauert fünfeinhalb Jahre. Das muß man sich einmal vorstellen. Da können Sie doch nicht so tun, als gäbe es nicht die Notwendigkeit, über die Frage nachzudenken, wie man denn Studienreform wirklich in Gang setzen kann. Sie sagen: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht; bloß nicht jetzt darüber diskutieren; sonst kriegen wir die Hochschulen noch durcheinander, und die müssen Gremiensitzungen einberufen, weil man über diese Probleme in den Hochschulen diskutieren muß.
Ich finde, das macht die SPD zu einer im schlechten Sinn konservativen Partei. Das ist eigentlich reaktionär, wenn Sie als Antwort auf Veränderungen - -({6})
- Entschuldigung! Das ist ja das Erlebnis, das wir seit zwei Jahren in unserem Ausschuß feststellen: daß Sie, wenn jemand eine Veränderung will, sofort rufen: Das ist jetzt nicht nötig! Gesetzentwurf zurückziehen! Bitte nichts verändern! - Es könnte auch sein, daß es so ist, daß Sie sagen: Veränderungen machen wir nur, wenn wir die Veränderungen gestalten können. Fortschritt ist definiert als sozialdemokratischer Fortschritt. - Nein, nein, es gibt auch christdemokratischen und freidemokratischen Fortschritt
({7})
in den 80er Jahren, in denen wir das Tempo bestimmen, in denen wir nach vorne gehen.
({8})
Frei nach Friedrich Werner Graf von der Schulenburg Kemberg könnte man sagen: „Der König hat eine Bataille verloren. Jetzt ist Ruhe die erste Bürgerpflicht. Ich fordere die Einwohner Berlins dazu auf."
Wer so handelt, der muß sich in der Tat vorwerfen lassen, daß er aus dem letzten Jahrhundert ist. Werden Sie modern! Helfen Sie uns, die Hochschulen zu modernisieren!
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jannsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht ganz klar, worüber der Deutsche Bundestag heute und in den nächsten Wochen beraten wird, wenn er über Hochschulpolitik berät. Die Auseinandersetzungen im Bundesrat haben sehr deutlich gemacht, daß etwas mehr als die Hälfte der Novellierungsvorhaben der Bundesregierung im Bundesrat als diskussionsnotwendig dargestellt und dort auch behandelt worden sind. Uns liegt bis heute keine klare Darstellung der Bundesregierung dazu vor, was diese Änderungen für die Gesetzesnovelle bedeuten.
Wenn Sie, Herr Daweke, eine Wiese mit bunten Blumen wollen, so kann ich Ihnen das gerne abnehmen. Aber Sie beantworten dabei nicht die Frage: Wer erntet auf dieser Wiese? Sie tun immer so, als wäre schon die Wiese das Ziel, das anzustreben wäre, und schmücken sich dabei mit bunten Blumen. In Wirklichkeit ist aber das Problem, wer an dieser Hochschule Gewinn macht.
({0})
Damit sind wir bei der Frage, die wir stellen müssen, wenn wir heute über Hochschulpolitik diskutieren: Warum eigentlich diese Novelle? Ein schlimmes Gesetz von 1976, das Hochschulrahmengesetz, zu verschlimmern kann nun wirklich nicht ein bildungspolitisches Ziel für die 90er Jahre sein. Es ist deswegen eine Verschlimmerung, weil Regelungen eingeführt werden, die weder den Problemen der augenblicklichen Zeit der Überlast noch den Problemen des Mangels an Stellenbesetzung durch Frauen, des Mangels an Arbeit für Frauen an Hochschulen, noch dem Problem der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an irgendeiner Stelle zugute kommen.
Wem zugute kommt, was hier geschieht oder geschehen soll, läßt sich sehr klar sagen: der Wirtschaft und den Professoren. Die Wirtschaft profitiert an der Stelle, wo es um das beliebte Spiel der Regierung geht, Teilprivatisierung dort durchzusetzen, wo es sich lohnt. Teilprivatisierung im Hochschulbereich nenne ich die Regelung über Drittmittelforschung. Drittmittelforschung kann zur geheimhaltungsfähigen Angelegenheit von Professoren und Industriebetrieben werden. Auch wenn heute der größte Teil der Drittmittel öffentliche Gelder sind, so wird bei Ihnen, bei der Regierung, der CDU/CSU und FDP, argumentiert, daß die freie Wirtschaft so wenig in die Drittmittelforschung investiert, weil sie dort zu öffentlich behandelt wird. Das bedeutet, daß die Privatisierung von Forschungsmitteln, auch von öffentlichen Forschungsmitteln, voranschreiten wird.
Der zweite Bereich, in dem privatisiert wird, ist die Lehre. Ihre Exklusivstudiengänge oder Eliteuniversitäten sind Privatstudiengänge bzw. Privatuniversitäten, die durchgeführt werden, damit die Studenten in ihrem Lernen direkt den Professoren zugeordnet sind, die über die Forschung direkt den Wirtschaftsunternehmen zugeordnet sind.
({1})
Was an öffentlichen Aufgaben der Hochschule übrigbleibt, sind die nicht lukrative Grundlagenforschung und die Massenausbildung. Das muß man sich immerhin klarmachen. In der Konsequenz ist das eine Subventionierung wirtschaftlicher Forschungsaufgaben, die die Wirtschaft sowieso zu übernehmen hat, und eine Subventionierung weltmarktorientierter Technologieproduktion.
({2})
Darüber hinaus drückt sich in diesem ganzen Paket die Fixierung der ideologischen Formel von „Leistung muß sich wieder lohnen" aus, als hätten wir in den vergangenen 20 Jahren in der Bundesrepublik überhaupt irgend etwas anderes als die Verwirklichung der Formel „Leistung muß sich wieder lohnen" erlebt.
({3})
- Herr Daweke, Sie nicht! ({4})
„Leistung muß sich wieder lohnen" wird abgesichert vom Eingang in die Sekundarstufe II bis zur Professorenweihe, das muß man sich, bitte schön, klarmachen. Das BAföG ist gestrichen worden, die Hochschulrahmengesetznovelle soll festlegen, daß sich alle diejenigen, die anfangen zu studieren und irgendwann Professor werden, vom ersten Tag ihres Studiums an unter Sonderaufsicht der Professoren zu profilieren haben, damit sie eines Tages, nach etwa 20 Jahren, dazu kommen können, das Ritual der Habilitation, das Ritual danach noch des Professorwerdens auf Lebenszeit zu erreichen.
({5})
Wir wissen ja, daß die eigentlichen Wissenschaftler, die die Freiheit der Wissenschaft, wie im Grundgesetz verbürgt, erhalten, die Lebenszeitbeamten sind. Das ist Gegenstand dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1975, die in das HRG eingegangen ist, und nicht die Freiheit von Wissenschaft für jeden in dieser Bundesrepublik. Das sollte man sich auch klarmachen.
Wir allerdings meinen, daß eine solche Politik der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, wie sie hier veranstaltet werden soll, zu Lasten der jungen und älteren Wissenschaftler gehen wird, die keine Chancen haben werden, von befristeten Stellen in Dauerstellen überzuwechseln. Ich plädiere nicht dafür, alle Wissenschaftler zu Beamten zu machen, aber ich halte Wissenschaft für eine Dauertätigkeit. Sie kann nicht anderen Kündigungsbedingungen unterliegen als andere Tätigkeiten auch. Ob man jung oder alt ist, spielt in einem solchen Arbeitszusammenhang keine Rolle, kann keine Rolle spielen.
Ich will noch ein paar kurze Anmerkungen zu dem Problem machen, was denn dagegenzuhalten wäre.
Wenn ich davon gesprochen habe, daß die Wissenschaft zunehmend privatisiert wird, dann setze ich dagegen, daß die Wissenschaft veröffentlicht
wird, und zwar nicht das wissenschaftliche Produkt in irgendeiner, in der Regel nur einem engen Leserkreis zugänglichen wissenschaftlichen Zeitschrift, sondern der wissenschaftliche Arbeitsprozeß, der Forschungs- und Lernprozeß, hat offen zu sein für jedermann. Da reicht es nicht, den Zugang zu Hochschulen den Studierenden offenzuhalten, sondern es ist notwendig, den Zugang zu der Produktion in der Hochschule, zum wissenschaftlichen Erkenntnisprozeß für alle offenzuhalten, auch für diejenigen, die heute nur mit großer Mühe und unter großen Schwierigkeiten Zugang dazu erhalten wie etwa schon die Kommunen, die Gemeinden in der Bundesrepublik, gar nicht zu reden von denjenigen, die das besonders brauchen, den Bürgerinitiativen, sozialen Bewegungen und anderen. Diese müssen Zugang zu den Möglichkeiten der Hochschulen haben.
({6})
Zu dem Problem der beamteten Wissenschaftler habe ich bereits etwas gesagt. Ich möchte nur hinzufügen, daß ich es für notwendig halte, daß Wissenschaftler Dienstpflichten an der Öffentlichkeit haben, an der Öffentlichkeit, wie ich sie jetzt beschrieben habe.
Wir setzen weiterhin zur üblichen Finanzierung und Förderung der Grundlagen der Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen die Notwendigkeit einer kurzfristigen, nicht an langfristiger Haushaltsberatung gebundenen Forschungs- und Arbeitsförderung hinzu. Das erfordert eine haushaltstechnische Fondsbildung, die relativ raschen Zugriff für einzelne beantragte wissenschaftliche Arbeitsvorhaben ermöglicht. Diese Fondsbildung wäre von Bund und Ländern zu gestalten. Zugang hätten die Hochschulen im Auftrage oder wenn sie öffentliche Aufgaben übernehmen, wenn sie in den drängenden Problemen der Zeit, der regionalen, kommunalen Versorgung, der Umweltforschung, der Reinigung von Umweltschäden schon arbeiten werden.
Zum letzten Punkt. Wir setzen gegen die Elitebildung die Allgemeinbildung, d. h. die Bildung der Allgemeinheit. Die Hochschulen müssen viel mehr als bisher in den Bereich der Erwachsenenbildung einbezogen werden. Sie müssen diejenigen Gemeindevertreter - damit könnte man j a beginnen -, die die Notwendigkeit sehen, wissenschaftliche Arbeitsprozesse in bezug auf ihre Gemeinde in Gang zu setzen, in diesen Arbeitsprozeß einbeziehen, um auf diese Art und Weise, durch Teilnahme an wissenschaftlicher Arbeit zu lernen und zu begreifen, was denn Wissenschaft für sie und für viele Bürger mehr in der Bundesrepublik sein kann, als sie es zur Zeit ist.
Die Wissenschaft kann nicht Instrument allein des zentralen Staates und der Wirtschaft bleiben; sie hat öffentliche, gesellschaftliche Aufgaben zu übernehmen. Das tut sie zur Zeit viel zuwenig. Daher halten wir es für notwendig, daß eine hochschulpolitische Diskussion heute eine wissenschaftspolitische Diskussion ist, die weit über das hinausgeht, was in dieser Novelle zum Hochschulrahmengesetz über die Wissenschafts- und die Hochschulpolitik geregelt werden soll.
Ich danke Ihnen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frau Ministerin hat hier den Entwurf einer Novelle zum Hochschulrahmengesetz eingebracht. Gleichzeitig haben wir auch über die Beantwortung der Großen Anfrage der SPD-Fraktion zu diskutieren. Ich möchte mich hier zu der Novelle des Hochschulrahmengesetzes äußern und mich dabei darauf beschränken, die grundsätzliche Position der FDP zu verdeutlichen, ohne auf Details einzugehen.
Wir sind der Auffassung, daß das Hochschulrahmengesetz grundsätzlich erhalten werden sollte. Es gibt auch Stimmen von rechts und links, die dafür sind, es überhaupt außer Kraft zu setzen. Herr Jannsen hat j a das Hochschulrahmengesetz in seiner jetzigen Substanz schon grundsätzlich kritisiert.
({0})
Wir sind aber der Auffassung, daß wir einen bundesweiten gemeinsamen Rahmen für die Entwicklung der Hochschulen in unserem Lande brauchen.
({1})
Nur, aus der Erfahrung mit dem seit 1976 gültigen Gesetz haben wir den Eindruck gewonnen - das kommt nicht allein aus dem Bereich der Hochschulen, aus dem Bereich der Wissenschaft, sondern auch aus dem Studenten- und dem Mittelbaubereich heraus; Herr Kollege Kuhlwein, Sie müssen mal mit den richtigen Leuten reden und nicht nur mit 0,04 % der Studenten an der Technischen Universität München -, daß einige Änderungen unverzichtbar sind,
({2})
um die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen in Forschung und Lehre zu verbessern, zu verstärken, und zwar aller Hochschulen, auch der Fachhochschulen, die in unserer differenzierten Hochschullandschaft einen besonderen und bedeutenden Platz haben. Wir sind für eine differenzierte Hochschullandschaft; denn nur so kann es zur vollen Entfaltung des wissenschaftlichen und des Entwicklungspotentials kommen. Und im Wettbewerb der Wissenschaften untereinander wird sich das Innovationspotential zur Fortentwicklung von Staat und Gesellschaft voll entfalten können.
Herr Jannsen und Herr Kuhlwein, hier ist überhaupt nicht die Rede davon, daß sich das nur auf die Technik und auf die Wirtschaft bezieht, sondern für uns ist klar, Herr Kollege Kuhlwein: Wir haben uns von Humboldt nicht verabschiedet. Im Gegenteil!
({3})
- Ich rede hier für die FDP; nehmen Sie das zur Kenntnis.
({4})
Wir haben uns vom Humboldt nicht verabschiedet, sondern immer wieder betont,
({5})
daß gerade im Zeitalter der hochtechnischen Entwicklung insbesondere die Geisteswissenschaften ihren Platz und ihre Bedeutung in unserer Wissenschaftslandschaft haben und haben müssen. Anders werden wir in der Tat - Herr Kuhlwein, da stimme ich mit Ihnen überein - die Probleme nicht bewältigen können. Das ist uns klar. Danach handeln wir, und danach verfahren wir.
Was wir wollen? Wir wollen mehr Freiheit für die Hochschulen: Freiheit von den Kultusbehörden und von überbordendem Bürokratismus.
Herr Abgeordneter Laermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Jannsen?
Nein, Herr Präsident, ich habe nur eine begrenzte Redezeit.
Uns geht es - das ist der Grundansatz, warum wir für eine Novellierung des Hochschulrahmengesetzes sind - in erster Linie um die Stärkung der Autonomie der Hochschulen, wir wollen die Eigenverantwortlichkeit stärken. Wer will denn das nicht? Das wollen doch alle Gruppen, die am Hochschulprozeß beteiligt sind.
({0})
Wir haben in der Vergangenheit doch erleben müssen, daß gerade durch derartige Regelungen, die wir jetzt novellieren wollen, im Grunde genommen zuviel Bürokratismus, zuviel bürokratische Gängelei in die Hochschulen hineingetragen worden ist. Das hat ihre freie Entfaltung, die ja auch Sie wollen, Herr Jannsen, doch behindert. Lassen Sie uns doch dieses Ziel gemeinsam verfolgen! Auch wenn Sie andere Vorstellungen haben, so denke ich doch, daß wir uns in der Sache einigen könnten.
({1})
Der Stärkung der Autonomie dient es z. B., um nur ein Detail zu nennen, wenn die Hochschulen die Studienordnung staatlicherseits nicht mehr genehmigen lassen müssen. Das heißt auch, daß wir den Einfluß der Hochschulen, einschließlich der Bedarfsträger, einschließlich derjenigen, die aus der Wirtschaft kommen, auf die inhaltliche Studienreform stärken müssen. Wir sind uns allerdings darüber im klaren, Frau Minister - das haben die Diskussionen der letzten Zeit auch ergeben -, daß wir uns auch um fachspezifische bundeseinheitliche Rahmenrichtlinien und deren dynamische Fortschreibung kümmern müssen, daß wir dies sicherstellen müssen.
Meine Damen und Herren, die freie Entfaltung der Persönlichkeit des einzelnen Menschen muß durch Vielfalt in der Bildung und gerechte Chancen zur Entwicklung individueller Neigungen und Begabungen unterstützt werden. Deshalb treten wir u. a. auch nachdrücklich für das Offenhalten der Hochschulen ein. Herr Kollege Kuhlwein, wir denken überhaupt nicht daran, die Hochschulen etwa dicht zu machen und denen, die mit einer Hochschulberechtigung kommen, den freien Zugang zu ihnen zu verwehren. Aber der Herr Kollege Jannsen will die Hochschulen für alle öffnen. Allerdings erwarte ich noch ein Rezept von ihm, wie die Hochschulen - ohnedies schon überlastet - dann auch damit noch fertig werden sollen.
Für uns sind Breitenförderung und - aus dieser heraus - auch die Förderung der Hochbegabten unverzichtbar.
({2})
Das sage ich mit allem Nachdruck. Diese haben - unabhängig von ihrer sozialen Herkunft - einen Anspruch auf eine ihren Begabungsreserven gemäße Unterstützung und Förderung. Unser Staat, die Gesellschaft kann auf die Motivation, die Leistungsbereitschaft der Begabten nicht verzichten. Wie anders sollen die grollen Aufgaben der Zukunft bewältigt werden? Mit Sicherheit nicht durch Verharren und Erstarrung in geistiger Mittelmäßigkeit. Warum haben Sie eine solche Sorge, eine solche Furcht davor, daß wir den Begabten, den Hochbegabten im Interesse unserer Gesellschaft die ihnen gemäße Förderung angedeihen lassen? Ich verstehe das nicht.
({3})
Das kann nur aus Ihrer eigenen Mittelmäßigkeit heraus zu verstehen sein. Wir sehen darin jedenfalls keinen Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit.
({4})
Um das deutlich zu machen: Chancengleichheit heißt für uns nach liberalem Verständnis Sicherstellung gleicher Startchancen, heißt aber nicht Garantie der Gleichheit des Erfolgs. Dies wollen wir einmal in aller Deutlichkeit feststellen.
({5})
- Rufen Sie doch nicht immer dazwischen. Das gilt jetzt natürlich ganz allgemein. Ich habe nicht für Männer und Frauen getrennt gesprochen.
({6})
Sollten Sie das irgendwo herausgehört haben, dann ist Ihr Eindruck falsch.
Die in der Novelle des Hochschulrahmengesetzes vorgesehenen diesbezüglichen Regelungen entsprechen diesem Grundsatz.
({7})
- Ja, das sind Saarbrücken-Beschlüsse, wenn ich Ihnen das sagen darf. Lesen Sie sie einmal nach.
({8})
- Nein, nein, wir befinden uns nur in einer dynamischen Zeit. Daher müssen wir den Entwicklungen dieser Zeit in der Gesellschaft, in der Welt auch Rechnung tragen, auch in unseren politisch-programmatischen Aussagen.
({9})
Diese Regelungen können und dürfen aber nach unserer Auffassung nicht dazu führen, daß die Förderung der Begabten - nun hören Sie gut zu, Herr Kuhlwein - zu Lasten der Breitenförderung geht. Es wird kein Zweiklassensystem für Studenten geben. Wer das behauptet, betreibt Polemik.
Zur Förderung der Besten gehört auch, die Chancen des wissenschaftlichen Nachwuchses zu verbessern. Die vorgeschlagenen Änderungen in der Personalstruktur dienen diesem Ziel. Das heißt nicht, den akademischen Mittelbau wieder der Abhängigkeit der Professoren zu unterwerfen; auch das ist Polemik. Der Nachwuchs braucht doch Orientierungshilfe, braucht Anleitung und Rat in Partnerschaft. Ich erfahre und erlebe das, Herr Kuhlwein, nicht von außen, sondern von innen her, aus der Hochschule heraus, aus der Arbeit und der Zusammenarbeit mit meinen Mitarbeitern heraus. Das ist eine der vornehmsten Aufgaben der Lehrenden; das habe ich Ihnen schon einmal gesagt, und ich wiederhole es hier.
Ich weiß auch, daß es auch unter den Professoren schwarze Schafe gibt. Die Professoren sind auch nicht alle der liebe Gott; der Himmel bewahre uns davor.
({10})
Aber das kann doch nicht dazu führen, wie MaierLeibnitz es einmal treffend formuliert hat, daß man alle bürokratisch einsperrt, damit keiner stiehlt. Das lähmt und beschädigt letzten Endes die Entwicklung des Nachwuchses.
Es gehört auch zur Autonomie der Hochschulen, solche schwarzen Schafe zu stellen, denn sonst verkommt die Autonomie zum bloßen Anspruch. Auch hier muß man natürlich die Hochschulen und die in ihnen Tätigen zur Verantwortung aufrufen.
Nun wurde davon gesprochen, die Drittmittel seien eine ganz gefährliche Sache. Damit bringe man die Hochschulen in eine Abhängigkeit von der Wirtschaft. Dies ist mitnichten der Fall. Es geht nicht nur um öffentliche Mittel, sondern auch um Mittel aus dem privaten Bereich. Man kann sie als einen Gradmesser für die Effizienz der wissenschaftlichen Leistungskraft einer Einrichtung der Hochschule oder der Hochschule selbst betrachten. Ich denke auch, daß Studenten, Diplomanden und Doktoranden von diesen Möglichkeiten profitieren.
Es gibt keine leichtere außerhalb des Haushalts liegende Förderungsmöglichkeit, um die Lernenden an die Aufgaben auch der Praxis heranzuführen. Das bezieht sich, Herr Jannsen, nicht nur auf die Technik. Es ist auch deshalb so wichtig, weil wir für die anderen ebenfalls etwas erwirtschaften wollen.
({11})
- Deshalb müssen wir die Möglichkeiten eines verbesserten Wettbewerbs auch der Hochschulen untereinander eröffnen. Ich wiederhole: Auch das ist ein Gradmesser für die Leistung, daß wir die Möglichkeit eröffnen, durch Erwerb eigener Mittel die freien Möglichkeiten in den Hochschulen zu verbessern. Das ist vor allen Dingen auch ein Beitrag zum Wissenstransfer, ein Beitrag zur strukturellen Entwicklung und zur Innovation.
({12})
Wir wollen privates Kapitel in die Hochschulen holen. Ohne die haushaltsrechtlichen Restriktionen wollen wir frei verfügbare Haushaltsmittel haben für Forschung und Lehre. Wir sind auch dafür, daß man Stiftungslehrstühle und Stiftungsinstitute einrichtet, allerdings - das sage ich ganz deutlich - unter einer Prämisse: Es darf keine neuen Abhängigkeiten geben, und zwar weder eine Abhängigkeit von der Bürokratie noch eine Abhängigkeit von einem Geldgeber von außen. Es darf keine Vernachlässigung des Lehrauftrags geben.
Ich schließe nicht aus, daß das durchaus an der einen oder anderen Stelle möglich sein könnte. Aber auch hier sind die in der Hochschule Beschäftigten und an ihr Beteiligten aufgerufen, unter dem Blickwinkel der Autonomie Konfliktsfälle selbst zu lösen und dies nicht der Bürokratie aufzuladen.
Meine Damen und Herren, leider ist meine Redezeit aufgelaufen. Ich möchte einen letzten Satz sagen. Wir treten auch ein für die Erhaltung des Prinzips der Gruppenuniversität. Allerdings ist dieses Prinzip zu ergänzen durch funktionale Elemente, d. h. durch das Prinzip der Fachvertretung. Dies ist für eine positive innere Entwicklung der Hochschulen unerläßlich.
Es ist nicht zu vertreten, daß bei der bestehenden Überbelastung der Hochschulen Energie und Kapazitäten in einem so hohen Maße, wie das zugegebenermaßen nicht überall zu beobachten ist, in ausufernder Gremienarbeit gebunden werden. Wenn wir von der Überlastquote reden, müssen wir uns einmal überlegen, ob es vertretbar ist, daß 70 % der verfügbaren Zeit in Sitzungen der Gremien vertan werden müssen, die am Ende zu nichts führen.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({13})
Ich erteile das Wort dem Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Herrn Dr. Krumsiek.
Minister Dr. Krumsiek ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich könnte man der Bundesregierung für die Vorlage ihrer Novelle zum Hochschulrahmengesetz dankbar sein;
({1})
denn selten, Herr Daweke, gab es zwischen den Ländern ein so probates Beispiel für ein so weitreichendes Nein zu einer Gesetzesvorlage wie in diesem Fall.
({2})
In deutlicher Sprache haben sogar die Ministerpräsidenten der Länder Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein im Bundesrat Form und Inhalt des Gesetzentwurfs in Kernbestandteilen zurückgewiesen.
({3})
25mal, meine Damen und Herren, hat der Bundesrat weitgehende Änderungen am Gesetz vorgeschlagen. Insgesamt läßt sich festhalten: Die Länder lehnen den überwiegenden Inhalt des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ab. Sie halten ihn für überflüssig und überzogen.
Auch die Hochschulen argumentieren im Kern nicht anders. Die Novellierung stößt bei Rektoren und Studenten auf entschiedene und grundsätzliche Kritik in wesentlichen Punkten. Gemeinsame Grundüberzeugung ist es, daß ein weiteres Ausufern von Bundesrecht ohne rahmengesetzliche Notwendigkeit verhindert werden muß. Die Debatte über diese Novelle, über die elf Landesgesetze, die zur Umsetzung des geänderten Bundesrechts erforderlich sind, und über die vielen Satzungen und Ordnungen, die schließlich verabschiedet werden müssen, wird viel Zeit und Kraft verschlingen, Zeit und Kraft, die man für die Bewältigung unserer wirklichen Probleme braucht.
Herr Abgeordneter Dr. Daweke,
({4})
Sie haben mich hier so häufig zitiert und aufgefordert, Ihnen meine Wissenschaftspolitik zu erläutern. Dazu bräuchte ich längere Zeit, als mir hier eingeräumt wird, aber lassen Sie mich Ihnen drei Dinge sagen: Ich habe in den letzten Monaten 20 neue Studiengänge genehmigt, die sich vorwiegend mit neuen Technologien beschäftigen, ich habe an allen Hochschulen Technologiezentren, die funktionieren, eingerichtet, und ich habe nicht, wie BadenWürttemberg es getan hat, Stellen gekürzt und den Hochschulen anschließend wiedergegeben, sondern habe im Gegenteil die Stellen ausgeweitet.
({5})
In meinem Land wird die Sozialverträglichkeit von neuen Technologien untersucht; wir machen das in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund.
({6})
Was wir wollen, ist eine Bewältigung der Überlast. Ich habe Sie eben eigentlich nur so verstanden, daß Sie ein Beschäftigungsprogramm für Professoren suchen, damit die erneut und abermals in Sitzungen müssen.
Wir müssen uns um die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation kümmern. Ein Problem ist die zunehmende Akademikerarbeitslosigkeit. Auch wir haben keine probaten Mittel, um sie sehr schnell zu beheben; das sage ich Ihnen sehr offen. Kümmern müssen wir uns um die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, um die Stärkung der Leistungsfähigkeit der Hochschulen im Bereich der Forschung und um den Wissenschafts-
und Technologietransfer. Nur, wir sollten nicht alles reglementieren wollen, denn mehr Gesetze sichern noch nicht mehr Qualität.
Seit 1976 hat die Union hier im Bundestag und draußen bei den jungen Menschen den Eindruck erweckt, wenn sie nur regierte, wären die Zukunftschancen der jungen Generation sicher. Ich kann Ihnen, Frau Kollegin Wilms, aus den Hochschulen meines Landes nur berichten, daß die Jugend nunmehr zutiefst von der Bundesregierung enttäuscht ist. Sie tragen mit daran, wenn sich die Jugend zunehmend kritisch gegen unseren Staat einstellt.
Die Bundesregierung findet mit ihrer Novelle, die sie in selbstgewählter Hektik vorangetrieben hat, wirklich die falschen Antworten auf selbstgestellte Fragen, und dies außerdem zu einem unglücklichen Zeitpunkt. Seit in den 60er Jahren die Verrechtlichung des Hochschulbereichs für notwendig befunden wurde, ist die Diskussion um den jeweiligen Einfluß der Gruppen an den Hochschulen nicht abgeebbt. Der Weg dieser Erörterung führte durch zahlreiche Entscheidungen, auch des Bundesverfassungsgerichts, und es war ein sehr dornenreicher Weg.
Der Kompromiß des Hochschulrahmengesetzes von 1976 hat sich als tragfähig erwiesen. Das war sicherlich auch deshalb so, weil das Hochschulrahmengesetz von 1976 den Ländern in der inneren Organisationsstruktur der Hochschulen Raum für eigene Regelungen ließ. Nunmehr werden durch die Aufkündigung dieses Kompromisses durch die Bundesregierung die alten Gräben wieder aufgerissen, und das ist nicht gut. So können wir die anstehenden Fragen und Belastungen des Hochschulbereichs bis zum Ende dieses Jahrhunderts sicherlich nicht bewältigen.
Lassen Sie mich auf drei Punkte eingehen, die die Natur der vor Ihnen liegenden Novelle deutlich machen. Da wird der sogenannte Dekanesenat durch Bundesrecht verpflichtend vorgeschrieben. Die Dekane müssen im Senat zukünftig stimmberechtigt vertreten sein. Daß die fachliche Repräsentanz der Dekane im Senat sinnvoll ist, wird von niemandem bezweifelt. Deswegen haben die Länder je nach Größe und Zahl der in der Hochschule vorhandenen Fachbereiche unterschiedliche individuelle Regelungen gefunden. In Nordrhein-Westfalen nehmen die Dekane an den Sitzungen des Senates beratend teil. Es verwundert deshalb nicht, wenn gerade die renommierten Hochschulen Aachen und Münster schon jetzt signalisiert haben, daß sie den Dekanesenat nach dem Gesetzentwurf nachdrücklich ab9074
Minister Dr. Krumsiek ({7})
lehnen, weil sie der Überzeugung sind, daß nur ein Senat mit höchstens 34 Mitgliedern bei Repräsentanz aller Gruppen noch effektive Arbeit leisten kann. Das neue Recht würde die Zahl der Mitglieder des Senates auf etwa 55 erweitern. Ein solcher Senat ist schwerfällig, wenn nicht handlungsunfähig. So kann man die Autonomie der Hochschulen nicht fördern.
Die Bach- und situationsbezogene Regelungsvielfalt in den Ländern wird nun durch eine bindende rahmenrechtliche Vorschrift ausgelöscht. Zugleich gibt der Entwurf aber keine Antwort darauf, ob und unter welchen Bedingungen die Dekane auf die Gruppe der Professorenvertreter angerechnet werden dürfen. Ich bin dem Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz dankbar, daß er im Bundesrat darauf aufmerksam gemacht hat, welche Rechts- und Streitfragen hierdurch entstehen. Es geht dabei um Fragen der sogenannten integrierten Wahl und um diffizile hochschulverfassungsrechtliche Abwägungen. Ein unseliger Streit, der den Ländern vor die Tür gekarrt und in die Hochschulen hineingetragen wird, wenn die Novelle in dieser Form Gesetz werden sollte. Ich hoffe, Herr Abgeordneter, Sie haben nicht nur mich im Bundesrat nachgelesen,
({8})
sondern auch das, was die Ministerpräsidenten Vogel und Barschel zu diesem Punkt gesagt haben.
({9})
Als zweites ein Wort zur neuen Personalstruktur. Die Bundesregierung verfolgt das angebliche Ziel, dem wissenschaftlichen Nachwuchs bessere Chancen als bisher eröffnen zu wollen. Hier werden, meine Damen und Herren, lediglich neue Ämter geschaffen, deren Durchlaufen in den einzelnen Beamtenverhältnissen auf Zeit nacheinander eine Spanne von über 30 Jahren einnehmen kann. Auch so kann man als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Rente gehen, sage ich Ihnen. Wie durch noch längeres Verweilen im Mittelbau der Hochschulen eine Verbesserung der Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs erreicht werden soll, wie hierdurch die Leistungsfähigkeit der Hochschulen gefördert werden soll, das bleibt das Geheimnis der Bundesregierung. Jedem auch nur einigermaßen mit den Problemen im Hochschulbereich Vertrauten wird sofort einleuchten, daß, wenn die neuen Ämter mit dem entsprechenden Personal besetzt sind, überhaupt keine Chancen für den qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs bestehen, weil die jeweiligen Vorgänger noch länger in den Hochschulen verbleiben. Unter bestimmten Voraussetzungen soll das Hochschuldozentenamt sogar in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit einmünden.
Sie, Frau Kollegin Wilms, haben sich nachhaltig für eine Steigerung der Qualität und für eine Stärkung der Fachhochschulen in der Bundesrepublik ausgesprochen. Es gibt vernünftige Gründe dafür, bei der Berufung von Professoren wissenschaftliche Hochschulen und Fachhochschulen gleich zu behandeln. Praxisnähe und Mobilität des Hochschullehrers werden durch diese Regelung des Bundes in Frage gestellt. Wie immer man zu dieser Frage steht, eine Regelungsnotwendigkeit durch das Rahmenrecht besteht nicht. Die Rektoren der Fachhochschulen sind jedenfalls an mich mit der eindringlichen Bitte herangetreten, aus Gründen der Erhaltung des Leistungsstandards der Fachhochschulen das Hausberufungsverbot aufrechtzuerhalten.
({10})
- Ja, aufrechtzuerhalten. - Ich glaube, daß wir gerade über diesen Punkt im Rahmen der Beratungen im Bundestag und Bundesrat sehr sorgfältig abwägen müssen, ob die vorgeschlagene Regelung nicht den Fachhochschulen eher schadet als nützt.
Noch ein Wort in eigener Sache zu den nordrhein-westfälischen Gesamthochschulen. Wir sind nicht von missionarischem Eifer beseelt, das gut arbeitende Hochschulmodell „Gesamthochschule" allen anderen Ländern aufzwingen zu wollen. Wer die guten Erfahrungen mit diesem Hochschultyp kennt, wird eines Tages von selbst auf ihn zurückkommen.
Untersuchungen des RCDS zum Thema „Prüf' den Prof." haben jüngst ergeben, daß viele Studenten die Praxisferne ihrer Ausbildung und ihrer Ausbilder bemängeln. Gerade die praxisbezogene Ausbildung ist ein Ziel der Gesamthochschule, das dort auch erfolgreich verwirklicht wird. Die Bundesregierung hat erklärt, daß sie die integrierte nordrhein-westfälische Gesamthochschule nicht in Frage stellen wolle. Doch der Gesetzentwurf zeigt, daß genau das Gegenteil erreicht wird. So regelt eine kleinliche Vorschrift, daß in Zukunft in den Senaten und Fachbereichsräten die Professoren nicht nur die Mehrheit der Stimmen, sondern auch die Mehrheit der Sitze haben müssen.
({11})
- Ich komme sofort zu Ende. - Das ist im Prinzip in Nordrhein-Westfalen eine Selbstverständlichkeit. Die nordrhein-westfälische Sonderregelung für wenige Fachhochschulprofessoren in den Gesamthochschulen, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform unbeanstandet geblieben ist, soll nun auch noch unmöglich gemacht werden, damit aus der Gesamthochschule ein kooperatives Modell wird.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Die Bundesregierung hat zu den insgesamt 25 Änderungsvorschlägen des Bundesrates nur in sieben Fällen Einwendungen erhoben. Das zeigt, daß sie sich auf dem hochschulpolitischen Rückzug befindet.
Ich bitte Sie, bei Ihren Beratungen in den Ausschüssen darauf zu achten, daß der Freiraum der Hochschulen und Länderparlamente nicht noch enger wird, daß die weite Jacke des Rahmenrechtes nicht zu einer Zwangsjacke wird. Ich rate Ihnen: Lassen Sie bitte die heiße Nadel, mit der diese Novelle gestrickt worden ist, abkühlen, um für die Hochschulen der Länder ein sinnvolles und tragbaMinister Dr. Krumsiek ({12})
res Ergebnis zu erreichen, das dem Ziel der Differenzierung und dem Ziel des Wettbewerbs wirklich einen Dienst erweist. Streichungen im Regierungsentwurf sind hierzu ein rechter Schritt. Das beste wäre es, den Entwurf insgesamt zu den Akten zu legen.
Ich danke Ihnen.
({13})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Männle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Krumsiek, vieles von dem, was Sie gerade gesagt haben, stimmt einfach nicht. Ich werde im Verlauf meiner Ausführungen darauf eingehen. Aber vor allen Dingen stimmt eines nicht: daß sich sämtliche Kultusminister in der Ablehnung dieser Novellierung völlig einig seien. Sie sind sich in einem Punkt einig - und da verstehe ich sie -, nämlich dort, wo es um die Autonomie der Hochschule geht. Bürokraten, Kultusbürokraten müssen j a dagegen sein, daß die Hochschule mehr Autonomie bekommt. Insoweit unterstütze ich das Bestreben der Bundesregierung ganz nachdrücklich, daß wir hier deutlich gegensteuern. Diese Einigkeit ist eine schlechte Einigkeit.
({0})
Entscheidendes Ziel dieser Novellierung des Hochschulrahmengesetzes ist die Differenzierung im Hochschulsystem. In dieser Novellierung werden die einzelnen Hochschularten wieder mit ihren jeweiligen spezifischen Aufgaben herausgestellt, mit ihrer Zielsetzung, in ihrer Eigenständigkeit, also mit ihrem jeweiligen Profil. Die Hochschulen sollen sich eben nicht auf eine Leitidee hinentwikkeln, nämlich auf die Leitidee der Gesamthochschule, die als Gesamthochschule nicht abgeschafft wird, aber als Leitidee.
Wenn ich mir „Die Zeit" der letzten Woche ansehe, sehe ich, daß darin ganz deutlich steht, daß eigentlich nur das vollzogen wird, was in der Realität schon längst erfolgt ist. Es heißt in der „Zeit" wörtlich:
Die Gesamthochschule war schon 1976 nicht mehr die Leitidee der deutschen Hochschulentwicklung.
Selbst in der Zeit, Herr Kuhlwein, als Sie Parlamentarischer Staatssekretär waren, war sie es nicht mehr.
Und es heißt weiter:
Mit der jetzt parlamentarisch eingeleiteten Änderung des HRG wird das Ableben einer großen Reformidee nur noch posthum notariell beglaubigt.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Was sollen die Tränen, die hier einem Modell nachgeweint werden, das sich in der Praxis überhaupt nicht bewährt hat?
In dem Novellierungsentwurf wird verdeutlicht, daß wir die unterschiedlichen Hochschularten unterstützen, daß wir die Hochschularten, die durch je eigenständige Aufgabenstellungen geprägt sind, weiter fördern wollen. Die Vielfalt liegt im Hochschulsystem, nicht in der inneren Differenzierung in einer einzigen Hochschulart. Wir brauchen unterschiedliche Hochschulformen. Das heißt nicht eine Wertigkeitshierarchie, wie das auch in den Ausführungen des Bundesrates deutlich wurde. Das heißt nicht, Herr Kuhlwein, ein Zwei-Klassen-System. Übrigens ist mir bei Ihnen vorhin aufgefallen, daß Sie einiges ganz schön abgewertet haben. Denken Sie an den Schuhmacher. Sie haben Schuster gesagt, wir sagen in Bayern Schuhmacher. Denken Sie an die Friseuse. Es hat mir schon sehr weh getan, wie Sie über einige Berufe geurteilt haben.
({1})
Frau Abgeordnete Männle gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuhlwein?
Nein.
({0})
Gerade die Differenzierung, die wir in den Mittelpunkt stellen, ist eine wichtige Voraussetzung für den qualitativen Wettbewerb der Hochschulen. Ich meine, gerade die Fachhochschulen, von denen vorhin die Rede war, haben sich seit ihrer Errichtung 1970 zu einem unumstrittenen Bestandteil des Hochschulsystems entwickelt. Nicht deshalb, weil sie eine Miniuniversität sein wollen, sondern weil sie ganz gezielte, praxisorientierte Ausbildungen in den Mittelpunkt stellen, anwendungsorientiert arbeiten, mit der Umsetzung wissenschaftlicher Ergebnisse arbeiten. Sie sind eine gesuchte Ausbildungsstätte mit guten Chancen für die Absolventen im Berufsleben geworden. Ich meine, gerade in der gezielteren Ausprägung des eigenständigen Profils liegt auch die Zukunft der Fachhochschule. Damit ist die Fachhochschule gleichwertig im Hochschulsystem.
Ganz klar hat dies vor einiger Zeit Ministerin Wilms ausgedrückt. Ich darf Sie hier zitieren: „Die Weiterentwicklung unseres Hochschulsystems erfordert die Anerkennung der eigenständigen Aufgaben und der eigenständigen Leistungen der Fachhochschulen in einer Weise, die sie nicht als Minus, sondern als Aliud gegenüber dem Auftrag der wissenschaftlichen Hochschulen ausweist." Es geht also nicht um eine Minderbewertung, sondern es geht um eine andere Bewertung.
({1})
Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD macht dies deutlich: Stärkung der Stellung gerade dieser Hochschulart durch eine praxisnahe Lehre, durch praxisorientierte Ausbildung, durch Ausbau neuer Studiengänge, auch durch Beteiligung an der anwendungsorientierten Forschung, auch durch Aufnahme der Entwicklungsforschung. Die Forschungsfragestellungen werden andere sein, aber ganz klar ist, daß an den Fachhochschulen ganz selbstverständlich For9076
schung stattfindet, praxisnahe, entwicklungsorientierte Forschung. Ich meine, gerade im Bereich der Drittmittelforschung muß auch hier die Fachhochschule noch stärker mit einbezogen werden. In der Antwort der Bundesregierung wird das deutlich, wo auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft einbezogen wird, die gerade in diesem Bereich stärker fördern soll.
Die Eigenständigkeit und die Gleichwertigkeit drücken sich auch bei den Mitarbeitern aus. Wissenschaftliche Mitarbeiter sind hier in der Novellierung angesprochen; sie sollten auch an den Fachhochschulen, in den Labors und in den anderen Einrichtungen zu finden sein. Auch die Berufungsvoraussetzungen für die Professoren zeigen die Andersartigkeit und dennoch die Gleichwertigkeit. Es ist doch idiotisch, von einem Fachhochschullehrer dort eine Habilitation zu fordern, wo Praxisorientierung an der Tagesordnung ist.
({2})
Herr Krumsiek, in einem liegen Sie völlig falsch. Sie haben vorhin gesagt: Hausberufung ist etwas, was von den Fachhochschullehrern abgelehnt wird. Haben Sie jemals die Veröffentlichungen des Hochschullehrerbundes gelesen? Kennen Sie die Zeitschrift „Die neue Hochschule"? Dort können Sie ständig lesen, daß es unsinnig ist, an der Fachhochschule nicht von C 2 nach C 3 kommen zu können, und die Leute von außen holen zu müssen. Ich meine, hier ist der Entwurf den richtigen Weg gegangen.
({3})
Aus den Gesprächen mit den Fachhochschullehrern, die ich führe - ich bin selbst aus dieser Berufsgruppe -, weiß ich, daß dies ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt ist, der bei diesem Entwurf positiv gewertet wird.
({4})
Machen wir uns nichts vor, meine Damen und Herren! Sicherlich sind nicht alle Fragen, die vor allen Dingen die Fachhochschulen betreffen, durch das Hochschulrahmengesetz zu lösen. Bei den Besoldungsdifferenzierungen, die wir hier haben - ich habe das gerade angesprochen -, auch bei den Besoldungsdifferenzierungen bei den Absolventen ist noch einiges anders zu regeln, und zwar nicht durch das Hochschulrahmengesetz. Allerdings stellt das Hochschulrahmengesetz die entsprechenden Weichen.
Ich möchte noch ein Problem deutlich machen. Von den Fachhochschulen wird in der Novelle der Bereich der Hochschulgrade, der Diplome als Minus angesehen. Ich weiß, einige sehen den Zusatz „FH" als Auszeichnung, als Markenzeichen an. Ich kenne das aus unserem süddeutschen Bereich, wo das ganz selbstverständlich ist und wo das niemand als Abwertung empfindet. Es kann damit aber auch eine Abwertung gemeint sein, und viele empfinden die Beschlüsse des Bundesrates hier in dieser Art und Weise.
Ich habe ein sehr interessantes Zitat von Immanuel Kant gefunden, das noch älter als das Zitat ist, das Sie gebracht haben, Herr Kuhlwein; denn es stammt aus dem Jahre 1798. In seiner „Anthropologie der pragmatischen Absicht" hat er etwas Interessantes über die Deutschen gesagt. Er sagt:
Seine unvorteilhafte Seite
- also der Deutschen ist eine gewisse Methodensucht, sich mit den übrigen Staatsbürgern nicht etwa nach einem Prinzip der Annäherung zur Gleichheit, sondern nach Stufen des Vorzugs und einer Rangordnung peinlich klassifizieren zu lassen und in diesem Schema des Ranges, in Erfindung von Titeln
- er bringt da eine ganze Reihe unerschöpflich und so aus bloßer Pedanterei knechtisch zu sein; zwischen dem, der herrschen, bis zu dem, der gehorchen soll, eine Leiter anzulegen, woran jede Sprosse mit dem Grade des Ansehens bezeichnet wird, der ihr gebührt, und der, welcher kein Gewerbe, dabei aber auch keinen Titel hat, wie es heißt, nichts ist.
Ich habe mir die Mühe gemacht, einmal zu sehen, wie es bei uns aussieht. Verhalten wir uns noch genauso? Dies stimmt.
({5})
- Ja, Herr Kuhlwein, ich habe mir die Professoren aller Fraktionen angeschaut, und ich habe festgestellt, daß der Titel Professor, der für sich allein genügt, in siebenfacher Ausprägung im Bundestagshandbuch enthalten ist,
({6})
und zwar wirklich quer durch alle Fraktionen. Da haben wir recht schöne Differenzierungen drin. Also, wir sollten uns da an die eigene Nase fassen. Von daher verstehe ich natürlich auch Bedenken, die gerade die Fachhochschulen und die Fachhochschulabsolventen haben, wenn an die Titel so ein „({7})" oder bei den anderen so ein „sc." angehängt werden. Ich verstehe, daß dies als Absetzen und, vielleicht, negativ bewertet wird. Wir müssen uns fragen: Wo ist eine Unterscheidung denn überhaupt notwendig? Eine Unterscheidung ist notwendig, wo es um die Ausübung des Berufes geht, wo ich wissen muß: Welche Stelle wird mit welchem Mann, mit welcher Frau besetzt? Da muß ich wissen: Was bringt der und die mit, welche Ausbildung haben sie? Eine Unterscheidung ist nicht notwendig für die Visitenkarte, für die Hochzeitsanzeige, für die Sterbeurkunde oder sonst irgend etwas. Da brauchen wir es wirklich nicht.
({8})
Wir brauchen es dort, wo es um den Beruf geht, und ich denke, wir werden schon noch einen geeigneten Weg finden. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat sich hier in der letzten Äußerung sehr salomonisch ausgedrückt. Ich meine, wir sollten uns daranmachen, hier die richtigen Titel zu finden. Dann wären die Fachhochschulen auch in dieser Hinsicht gleichwertig.
Ich wollte noch ein bißchen mehr zur Differenzierung sagen. Inzwischen bin ich aber mit meiner Zeit am Ende, und denke, daß es damit ausreicht.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Neuhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also, ich finde das gut: Letztes Mal ging die Sitzungswoche mit einer bildungspolitischen Debatte zu Ende, dieser heutige Tag beginnt mit einer bildungspolitischen Debatte. Wenn das so weitergeht, Herr Kuhlwein, können wir darauf hoffen, daß Bildungspolitik mal wieder etwas mehr in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses tritt. Das brauchen wir ja alle.
({0})
- Also, wenn es um das Alter der Zitate geht: Demokrit hat gesagt:
({1})
Bildung ist dem Glücklichen Schmuck, dem Unglücklichen Zuflucht.
Ein weises Wort, über das man lange nachdenken kann.
Meine Damen und Herren, die beiden Vorlagen, die heute hier zu debattieren sind, auch vor dem Hintergrund des Berichts der Bundesregierung über die Zukunftschancen der Jugend aus dem Juli vergangenen Jahres, bieten - das hat die beginnende Diskussion gezeigt - eine gute Grundlage für eine neue bildungspolitische Diskussion; denn es kommt Bestandsaufnahme darin vor, es werden Perspektiven, wie auch immer man sie beurteilen mag, darin aufgezeigt, und es kommen erste Überlegungen konkreter Verbesserungen zur Sprache.
Meine Damen und Herren, die Bestandsaufnahme - auf sie möchte ich heute mein Schwergewicht legen - steht natürlich auch heute und für die nächste Zukunft unter dem Vorzeichen des quantitativen Drucks. Man scheut sich j a, die Worte „Überlast", „quantitativer Druck" so formelhaft auszusprechen; denn es sind ja viele, viele junge Menschen, die hier mit ihren Hoffnungen, Wünschen und auch berechtigten Ansprüchen gemeint sind.
Da möchte ich doch auch gerade vor dem Hintergrund dessen, was aus Ländersicht gegenüber dem Bund immer gesagt wird, mal darauf hinweisen, daß es aus bundesbildungspolitischer Sicht schon bedrückend ist, sich der Tatsache stellen zu müssen, daß dieser Druck auf eine finanzpolitische Situation trifft, aus der heraus sich neuerdings Länder und Hochschulen gegenseitig auf ihre Verantwortung hin anmahnen. Auch in der Antwort der Bundesregierung steht j a:
Die wichtigsten Instrumente zur Kapazitätserweiterung und Verbesserung der Kapazitätsnutzung in den Hochschulen liegen im Zuständigkeitsbereich der Länder.
Oder, im Hinblick auf den zitierten Fiebiger-Plan:
Die Realisierung dieser Vorschläge fällt allerdings, wie alle Entscheidungen über Stellenpläne und Anstellungen in die alleinige Zuständigkeit der Länder.
Meine Damen und Herren, auch das sollte im Hintergrund stehen, wenn man von Länderseite etwas vom hohen Roß herunter die Dinge betrachtet, die wir hier auf bundespolitischer Ebene versuchen; denn man hat angesichts der Überlastzahlen Verständnis dafür, daß es z. B. dem Präsidenten der Technischen Universität München, Wolfgang Wild, in einem Artikel „fast wie ein Hohn" erscheint, „wenn" - ich zitiere - „die Konferenz der Länderfinanzminister glaubt, daß die deutschen Hochschulen in der Lage wären, durch ,Verbesserung ihrer Effizienz' zusätzliche 200 000 bis 300 000 Studenten kostenneutral zu bewältigen". In einem ernsten Scherz - es war vor Weihnachten - vergleicht Wild in einer vorweihnachtlichen Ansprache die Konferenz der Länderfinanzminister mit dem Knecht Ruprecht, der als Rute diese Idee der „kostenneutralen Bewältigung des Studentenberges" schwinge. Meine Damen und Herren, bei aller realistischen Einschätzung der vorhandenen finanzpolitischen Situation hat die Westdeutsche Rektorenkonferenz natürlich recht, wenn sie sagt, daß man zum Nulltarif oder gar bei weiteren Einsparungen nicht mehr Studenten besser ausbilden könne.
({2})
Da erscheint es manchmal fast schon euphorisch als eine Perspektive - ({3})
- Nun stören Sie mich doch nicht, Herr Krizsan. Ich habe eine so schöne Rede vorbereitet. Ich finde es nicht so schön, wenn Sie mich stören.
({4})
- Das sage ich natürlich, Herr Jannsen. Ich verrate Ihnen das, weil Sie heute das letzte Mal hier sind. Ich wollte Sie in den ungestörten Genuß meiner Ausführungen bringen, damit Sie auf Ihrem weiteren Lebenswege eine schöne Erinnerung haben.
({5})
Meine Damen und Herren, ich sprach von der Perspektive des Offenhaltens der Bildungswege, auch der Hochschulen. Zu Recht - ich wiederhole das hier; man kann das nicht oft genug wiederholen
- bestätigt die Bundesregierung in ihrer Antwort noch einmal die Feststellung aus dem Zukunftschancenbericht, daß das Offenhalten aller Bildungswege nicht nur der qualifizierten Ausbildung aller Jugendlichen diene, sondern gleichzeitig die Freiheit des einzelnen wahre, über seinen Bildungsweg zu entscheiden. „Eine zeitlich befristete Überlast"
- ich zitiere die Bundesregierung; dies muß man nun neben die von den Hochschulen erhobene Kritik an den Länderfinanzministern stellen - „ist der Einführung von Zulassungsbeschränkungen grundsätzlich vorzuziehen." Es wäre ja auch paradox - darauf macht Wild aufmerksam -, wenn ein neuer harter Numerus clausus etwa in der Informatik, in der Elektrotechnik, im Maschinenwesen eingeführt
würde, der den Bedürfnissen auch des Arbeitsmarktes widerspräche.
Meine Damen und Herren, das Prinzip des Offenhaltens setzt aber auch eine realistische Einstellung der Studienbewerber zu ihren späteren Berufschancen und -risiken voraus. Es geht nicht darum - ein solcher Verdacht wurde auch heute wieder ausgesprochen -, den Strom der jungen Leute umzulenken. Mit Recht hat Turner in seinem Buch „Massenuniversität und Ausbildungsnotstand" darauf hingewiesen, daß bloße Warnungen vor schlechten Chancen nach einem Hochschulabschluß ohnehin nicht einen solchen Effekt mit sich bringen würden. Nein, meine Damen und Herren, es ist die andere Seite unserer Entscheidung, die Freiheit des Bildungsweges für alle offenzuhalten. Wenn wir unsere Bildungspolitik auf diese freie Entscheidung des einzelnen ausrichten, muß dieser einzelne auch die Risiken seiner Entscheidung akzeptieren.
Allerdings wäre es natürlich auch weiterhin eine Unterstützung, wenn sich das zunehmende Bewußtsein - ich will das nur formelhaft anführen - von der Gleichwertigkeit der akademischen und der beruflichen Bildung noch weiter verstärken würde. Manches von dem, Herr Kuhlwein, was Sie heute morgen gesagt haben, war vor diesem Hintergrund ein bißchen problematisch. Ich lese es noch einmal nach, damit ich hier keine vorschnellen Urteile abgebe. Ich will mich in dieser Hinsicht von anderen etwas abheben.
Meine Damen und Herren, ich habe jetzt eine Reihe von Spannungen und Schwierigkeiten aufgezeigt. Ich finde, man muß das einfach tun, wenn man die weiteren Perspektiven ins Auge faßt. Diese weiteren Perspektiven sind hier von meinem Kollegen Laermann schon sehr ausführlich dargestellt worden. Ich will das nicht wiederholen. Eines will ich aber doch noch einmal sagen - man kann es j a nicht oft genug sagen -: Wer aus diesen Zielen eine Vernachlässigung von Breitenförderung und Chancengleichheit herleiten will, verkennt dieses Bild ebenso wie der, der es als nicht realisierbar ansieht. Es wäre in der deutschen Hochschullandschaft viel realisierbar, wenn die Kultusbürokratien der Länder, und zwar unabhängig von ihrer politischen Färbung, der Bevormundung den Abschied gäben, die sich - ich trete Herrn Minister Krumsiek, glaube ich, persönlich nicht zu nahe, wenn ich dies sage - auch in dem spiegelt, was in die Rede von Herrn Minister Krumsiek offenbar hineingeschrieben worden ist. Auch dort spiegelt sich, was aufhören muß, wenn die deutsche Hochschullandschaft wirklich das differenzierte Bild von einer schönen Wiese - ich will dieses Bild zum Schluß gern noch einmal aufgreifen - bieten soll. Herr Jannsen, wer erntet denn schon die schönen Blumen auf einer Wiese? Wir alle! Wir alle erfreuen uns an ihr. Ich meine das in allem Ernst.
Klaus Daweke hat schon auf jenen immobilen Konservatismus hingewiesen, der sich mehr und mehr einstellt und an dem auch Ihr großartiger Katalog, Herr Kuhlwein, der diesen Immobilismus ja nur etwas verdecken soll, nichts ändert. Wenn man bei jedem Schritt hin zu mehr Freiheit und Autonomie sogleich das schwere Geschütz des Verdachts, daß die finstersten Mächte Einfluß auf die politische Landschaft nehmen, auffährt, so ist das nichts anderes als eine Politik des prinzipiellen Neinsagens.
({6})
Das würde uns niemals dem grundsätzlichen Ziel einen Schritt näher bringen, daß wir trotz aller hier geschilderter Schwierigkeiten und Probleme haben müssen. Es ist zutiefst inhuman und auch illiberal, wenn Berufschancen und Studierchancen durch Computer zugeteilt werden müssen.
({7})
Um diesen Zustand zu beenden, sind alle Überlegungen notwendig. Da muß man sich auch auf das Risiko einer offenen, von ideologischen Scheuklappen freien Diskussion einlassen. Denn wenn wir dieses Ziel nicht anstreben, werden alle Kataloge Makulatur bleiben. Dann ist das Bildungswesen nämlich nicht wirklich offen. Und das deutsche Bildungswesen sollte offen sein.
Ich bedanke mich.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kastning.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Novelle zum Hochschulrahmengesetz ist j a wohl eine eindeutige Abkehr von der Gruppenuniversität. Ich darf daran erinnern, daß mit der Gruppenuniversität versucht worden ist, alle Gruppen von Hochschulmitgliedern im Rahmen der Gesetzgebung, aber auch im Rahmen der Verfassungsrechtsprechung an den Entscheidungen zu beteiligen, nachdem die Ordinarienuniversität ihre Unfähigkeit ja doch wohl hinlänglich erwiesen hatte, mit den neuen Aufgaben, Problemen und Fragestellungen fertigzuwerden. Herr Laermann, Sie haben das damals wohl mitverfolgt.
Die Gruppe der Studenten, über die hier heute sehr wenig gesagt worden ist, ist von der Novelle besonders betroffen. Ich muß sagen, Frau Wilms: Trotz einer 22-Fragen-Broschüre, die Ihr Haus herausgegeben hat, und der darin aufgestellten Behauptungen schafft die Novelle durch die Differenzierung der Studiengänge, durch sogenannte Steilkurse und durch den Aufbau von Sonderstudiengängen und durch die Einführung besonderer Zulassungskriterien eben doch so etwas wie zwei Klassen von Studenten.
({0})
Das macht die Mehrzahl der Studenten zu dem, was Ihr verehrter Herr Regierungskollege Genscher einmal die Brotstudenten genannt hat. Diese Tat der Bundesregierung fällt, so meine ich, sogar hinter die Ordinarienuniversität alter Prägung zurück. Mir scheint, sie ist ein einmaliger Vorgang in der deutschen Universitätsgeschichte.
Herr Laermann, nichts gegen die Förderung Begabter; nur etwas dagegen, daß bestimmte Leute
auf Grund ihrer Stellung zur falschen Zeit darüber zu bestimmen haben, wer begabt ist und wer begabt zu sein hat.
({1})
Die Förderung begabter Studenten bedarf keiner neuen Organisationsform. Ich sage das auch als Fazit aus Gesprächen an den Universitäten, die wir im letzten Jahr geführt haben, und zwar nicht in den Semesterferien, sondern im Semester unter Beteiligung aller Gruppenvertreter.
({2})
Bei der Wahl der Hochschulleitung, bei Personalentscheidungen und -vorschlägen wird nun das Mitspracherecht der Studenten durch eine krasse Relativierung ihrer zahlenmäßigen Vertretung faktisch beseitigt. Für ein gedeihliches und fruchtbares Zusammenarbeiten bedarf es aber doch wohl einer möglichst breiten Zustimmung aller Gruppen für die gewählte Hochschulleitung. Studenten haben ein spezifisches und vor allem legitimes Interesse an der Mitsprache bei der Besetzung von Stellen. Ausgerechnet im Jahr der Jugend will die Bundsregierung Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte junger Menschen, die überwiegend später wichtige Aufgaben in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft wahrnehmen wollen und sollen, abbauen.
Herr Abgeordneter Kastning, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Daweke?
Nein, Herr Präsident. Ich gestatte keine.
({0})
- Ach, das machen Sie doch auch alle. Wollen Sie ausgerechnet denen, die noch ziemlich neu im Haus sind, immer abverlangen, daß sie Zwischenfragen zulassen; und die alten Hasen machen das nicht? Was soll denn das?
({1})
Ich kann hier nur sagen, Frau Minister: Welch ein grundlegendes Mißtrauen gegenüber einem Teil der jungen Generation!
({2})
Ein weiterer Punkt ist der Abbau des Instrumentariums der Studienreform, das wir bisher gekannt haben. Dieser Abbau verschärft die Probleme des Studiums. Ich denke, wir müßten im Gegenteil dieses Instrumentarium sogar besser ausbauen, um die Vertreter der Berufspraxis mehr einzubeziehen. Wie will denn die Bundesregierung die in der Antwort auf unsere Große Anfrage angesprochene Sicherstellung der „Kooperation der Hochschulen mit der Arbeitswelt bei der Studienreform und die Mitarbeit von Vertretern der Berufspraxis in anderer Weise" in Zukunft einigermaßen flächendeckend sicherstellen?
Zum anderen muß ich auch noch sagen: Die pauschale Einführung obligatorischer Zwischenprüfungen in allen vierjährigen Studiengängen wird zu einer weiteren Verschulung des Studiums führen und mindert die notwendige Selbstentscheidung der Studenden über ihr Studium. Ich glaube, das steht in einem Gegensatz zu einem Stück bewährter deutscher Hochschultradition.
Meine Damen und Herren, bei einer großen Novelle zum Hochschulrahmengesetz, wie dies eine sein soll, kann der Punkt „verfaßte -Studentschaft" nicht ausgeklammert werden, schon gar nicht nur deswegen, weil die Bundesregierung wegen des Widerstandes einiger rückständiger Hochschullehrer und ihrer politischen Lobby nicht den Mut hat, die verfaßte Studentenschaft gesetzlich zu verankern. Wenn schon novelliert wird, wäre es auch dringend geboten, die politische Bildung als Aufgabe der verfaßten Studentenschaft in das Gesetz aufzunehmen,
({3})
damit endlich die Durchsuchung von AStA-Büros und Anklagen gegen engagiert arbeitende Studentenvertreter aufhören, bei denen mitunter sogar der RCDS die Vorarbeiten für die Staatsanwaltschaft übernimmt.
({4})
Wir werden hier noch darüber sprechen, auch in den Ausschüssen, meine Damen und Herren.
({5})
- Mißbrauch können Sie immer bekämpfen; das ist doch gar keine Frage. Wir werden genau diesen Punkt im Verlauf der Beratungen aufgreifen, auf unsere Initiative aus der letzten Legislaturperiode zurückkommen und einen entsprechenden Antrag stellen.
Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich noch eine Bemerkung über den Bereich der studentischen Fragen hinaus machen. Ich denke, auf die wirklichen Probleme an unseren Hochschulen gibt die Bundesregierung durch ihre Novelle keine Antwort. Wir wissen doch alle miteinander - Herr Neuhausen, Sie haben es eben noch einmal gesagt -: Weder reichen die finanziellen Mittel der Hochschulen noch das Personal, noch die Studienplätze. Die Studienzeiten wachsen wegen der unzulänglichen Situation an. Gleichzeitig findet wegen des BAföG-Kahlschlags und der Umstellung des Studenten-BAföGs auf Volldarlehen eine immer rigoroser werdende soziale Auslese statt. Ich denke, daß die Zahlen des Deutschen Studentenwerkes über den Rückgang der Gefördertenquote das deutlich genug dokumentieren. Darüber kann auch nicht das hinwegtäuschen, was an Zahlenaufstellungen in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Regierungsfraktionen ausgeführt wird.
Frau Minister, ich glaube, Sie wären besser beraten gewesen, die viele Zeit, die Kraft, den Einfallsreichtum und die besonders ausgeprägte Art von Hartnäckigkeit, die Sie zugegebenermaßen an den Tag gelegt haben, für die Lösung dieser Fragen zu verwenden, die ich zuletzt genannt habe, statt damit einen Gesetzesentwurf einbringungsreif zu ma9080
chen, den außer dem Bund Freiheit der Wissenschaft und der Bundesregierung selbst offenbar niemand so recht haben will.
({6})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Wisniewski.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einbringung eines für die Hochschulen besonders wichtigen Gesetzes fordert zur Nachdenklichkeit heraus. Denn es sind viele Erinnerungen, auch viele bittere Erinnerungen, an die Vorgänge, die sich an das Inkrafttreten des Hochschulrahmengesetzes von 1976 knüpfen.
Manche sagen - wir hörten es ja eben wieder -, diese Novellierung sei nicht notwendig, andere hoffen, man kann wohl sagen: geradezu verzweifelt auf sie. Das sind nicht in erster Linie irgendwelche „reaktionären Professoren" - denn die sind nicht wesentlich berührt -, sondern das sind in erster Linie unsere Nachwuchswissenschaftler, weil sie von einer verfehlten Personalstruktur betroffen sind. Aber auch die Professoren, soweit sie fest etabliert sind, erwarten sinnvolle Reformen, um endlich wieder effektiver wirken zu können.
Letzteres ergibt eine Umfrage des Allensbacher Instituts. Sie ist übrigens zugleich eine Antwort auf die Frage, ob denn die Novellierung notwendig sei. Es hat sich gezeigt, daß sich an den Universitäten seit den Strukturveränderungen durch das Hochschulrahmengesetz von 1976 eine Klimaverschlechterung ergeben hat, und zwar längst vor dem hier oft bemühten unheilvollen Zusammentreffen der Überflutung der Hochschulen durch hohe Studentenzahlen mit Sparmaßnahmen und Stellenstreichungen. Diese Klimaverschlechterung ist strukturell bedingt, und sie muß daher durch strukturelle Maßnahmen beseitigt werden. Hier ist so etwas wie Humanisierung des Arbeitslebens in den Hochschulen gefragt.
({0})
- Für diejenigen, die an der Universität arbeiten; übrigens auch für die Studenten.
({1})
Die Professoren.
({2})
Dazu komme ich gleich. - Das eben Gesagte läßt sich an folgenden Zahlen festmachen.
Erstens. Die Freude der Professoren an ihrem Beruf hat sich erheblich vermindert. Sie könnten dies übrigens genauso für den Mittelbau und auch für die Studenten beantworten. Für 1967 wählten 50 % der Professoren die oberste Skalenstufe, sie hatten ganz besonders viel Freude an Forschung und Lehre. 1984 sind das nur noch 36 %.
Zweitens. Das Verhältnis zu den Studierenden wurde für die Zeit vor dem Hochschulrahmengesetz 1976 von 37 % der Professoren als „optimal" beschrieben. Ich behaupte, es wäre umgekehrt, von den Studenten in bezug auf die Professoren also, genauso zu beschreiben. Für 1984 sagten das nur noch 22 %.
Drittens. Das Verhältnis zu anderen Wissenschaftlern an der eigenen Universität bezeichneten für die Zeit vor dem Hochschulrahmengesetz von 1976 22 % der Professoren als „optimal", 1984 waren das noch ganze 11 %.
Wie man weiß, sind nun aber psychische Faktoren wie Freude an der Arbeit, Freiheit, Selbständigkeit und Kollegialität bei allen Berufen, vom leitenden Angestellten bis hin zum ungelernten Arbeiter, äußerst wichtig für die Leistungsfähigkeit und für die Effektivität. Das heißt, die von der Professorenschaft genannten Zahlen sind alarmierend, alarmierend in bezug auf die Leistungsfähigkeit der deutschen Hochschulen. Würde man die wissenschaftlichen Nachwuchskräfte befragen, und zwar vor allem im Hinblick auf ihre beruflichen Perspektiven, würde die Zahl noch weit alarmierender aussehen.
Ursachen der Klimaverschlechterung sind vor allem eine verfehlte Personalstruktur sowie nichtwissenschaftsadäquate Entscheidungsstrukturen, bedingt durch das Prinzip der Gruppenvertretung. Gewollt war 1976 von der damaligen Parlamentsmehrheit die Herstellung von mehr Gleichheit durch mehr Mitbestimmungsrechte für die Lernenden und die Mitarbeiter. Verwischen und Abbau von funktionsbedingten Unterschieden, das Vermeiden persönlicher Bindung durch Zuordnung der Mitarbeiter zu einzelnen Professoren waren Ziel. Man glaubte, dadurch Freiheit für angeblich Unterdrückte zu schaffen. Man schuf aber nur Abhängigkeit von anonymen Gremien, so etwas wie einen Kafka-Effekt, Isolierung, zunehmende Entlastung von gegenseitiger Verantwortung.
Wir dürfen nicht vergessen: Hochschulen sind nicht nur Häuser und Maschinen und Technologien, sondern Hochschulen sind Zusammenwirken von Wissenschaftlern, die an verschiedenen Forschungsgegenständen arbeiten, sind ebenso Zusammenwirken von Wissenschaftlern und Studierenden und Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden.
Hier war so viel von Wissenschaftlern die Rede, und zwar in negativer Hinsicht. Wissenschaftler sind Menschen, die ungemein sachbezogen arbeiten, die eine Achtzigstundenwoche nicht scheuen, sie im Gegenteil als selbstverständlich hinnehmen. Sie sind gezwungen, ein besonderes sachliches Interesse einzusetzen, kreative Denkfähigkeit, Einfallsreichtum, unermüdliche Arbeitsbereitschaft, Verzicht auf Ablenkungen. Nur dann entstehen wissenschaftliche Leistungen, und die nun wieder sind für uns alle wichtig.
Wissenschaft entsteht durch Zusammenwirken von Menschen. Daher steht im Mittelpunkt der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes die dringend notwendige Veränderung der Personalstruktur und der Entscheidungsstrukturen.
Für den wissenschaftlichen Nachwuchs ist durch die Einführung des Amtes des wissenschaftlichen Assistenten in der Zuordnung zu einem Professor eine Fehlentwicklung beseitigt worden, die aus dem Irrglauben entstanden ist, daß der NachwuchswisFrau Dr. Wisniewski
senschaftler vom Joch der Dienstleistung für einen Professor befreit werden müsse. Man meinte, er könne sich allein zur Hürde der Habilitation und zur Würde der Professur heranbilden. Dies hat sich natürlich als falsch erwiesen. Denn wie überall im beruflichen Leben, so ist auch in der Wissenschaft die ständige Zusammenarbeit mit einem Vertreter des Berufs, den der junge Mensch anstrebt, für die fachliche Aus- und Weiterbildung unerläßlich.
Durch die Einführung der Ämter des Oberassistenten, des Oberingenieurs, vor allem des Hochschuldozenten, der - und das ist ungemein wichtig - in Ausnahmefällen auch auf Lebenszeit verbeamtet werden kann, wird dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine etwas größere Chance eröffnet, den angestrebten Beruf des Hochschullehrers auch tatsächlich ausüben zu können. Denn bei der heutigen Altersstruktur ist eben dieses - das wissen wir alle - nicht gewährleistet. Gerade in diesem Punkt sind daher weitere Initiativen, etwa durch Verwirklichung des Fiebiger-Plans, dringend erforderlich.
Für die wissenschaftlichen Nachwuchskräfte selbst wie für das gesamte Betriebsklima an den Hochschulen sind die starren Fristenregelungen teilweise ungemein schädlich. Sie sind im Hochschulrahmengesetzentwurf nicht verändert worden, sie sind aber durch flexiblere Möglichkeiten, die im Zeitvertragsgesetz geschaffen werden, in etwa kompensierbar.
Für die Professoren markiert die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit durch Verfügungsmöglichkeiten über Ausstattung, selbst eingeworbene Drittmittel sowie durch Zuordnung wissenschaftlichen Personals eine positive hochschulpolitische Entwicklung. Das Vertrauen in die verantwortungsvolle Urteilsfähigkeit der wissenschaftlichen Einzelpersönlichkeit kommt auch in dem allerdings sehr vorsichtigen Abbau des reinen Repräsentationsprinzips zugunsten der Amtsmitgliedschaft und des Fachvertretungsprinzips zum Ausdruck. Der Glaube, daß gewählte Gremien in den Hochschulen mehr Objektivität, Gerechtigkeit, Sachverstand walten lassen als Professoren, die für die einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen zuständig sind, hat sich als Irrglaube erwiesen und muß revidiert werden.
Insgesamt - lassen Sie mich das zum Schluß sagen - läßt der Gesetzentwurf erkennen, daß die Hochschulpolitik der jetzigen Bundesregierung wieder stärker von hochschuladäquaten Prinzipien ausgeht. Die Unterschiedenheit, gleichzeitig aber die Gemeinsamkeit der in der Sache verbundenen Wissenschaftler und Studenten, der Lehrenden und der Lernenden, muß Grundlage jeder Hochschulpolitik sein und es überall in der Bundesrepublik wieder werden. Daß dies eine gesamtstaatliche Aufgabe ist, an der Bund und Länder im Interesse unserer Gesellschaft zusammenwirken müssen, wird niemand bestreiten wollen. Daß die Bundesregierung mit diesem Gesetzentwurf ein Signal zu wissenschaftspolitischer Besinnung auf die Notwendigkeit effizienter und nicht ideologisch verklemmter Strukturgebung setzt, ist ihr Recht und ihre Pflicht. Das verdient hohe Anerkennung. In intensiven parlamentarischen Beratungen werden - hoffentlich in allgemeinem oder weitgehendem Konsens - Einzelheiten verbessert und ergänzt werden können.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({3})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Tagesordnungspunkt 3 a auf Drucksache 10/2883 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und zur Mitberatung an den Innenausschuß, den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Forschung und Technologie zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b auf:
a) Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes
- Drucksache 10/1794 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0})
Innenausschuß
Rechtsausschuß
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Blunck, Antretter, Bachmaier, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Daubertshäuser, Duve, Dr. Emmerlich, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Hauchler, Dr. Hauff, Immer ({1}), Jansen, Kiehm, Kißlinger, Dr. Klejdzinski, Dr. Kübler, Lennartz, Müller ({2}), Müller ({3}), Müntefering, Oostergetelo, Schäfer ({4}), Frau Schmidt ({5}), Dr. Schmude, Stahl ({6}), Stiegler, Frau Weyel, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes
- Drucksache 10/2653 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({7})
Innenausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b und ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Blunck.
({8})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Umweltpolitik dieser Bundesregierung ist durch Konzeptionslosigkeit, mangelndes Durchsetzungsvermögen und Unverbindlichkeit gekennzeichnet.
({0})
Mit einer Fülle von publikums- und medienträchtigen Aktionismen, Ankündigungen und Versprechungen wird der Bevölkerung Kompetenz und Engagement vorgegaukelt. Auf einen Nenner gebracht: Viele Worte, aber leider nur wenig Taten.
({1})
Das Hickhack um die Einführung schadstoffarmer Autos ist hier ein schlagender Beweis.
Was für die gesamte Umweltpolitik charakteristisch ist, gilt erst recht für den Teilbereich Naturschutz. Der Aufforderung von Bundestag und Bundesrat, bis zum 30. September 1984 eine Novellierung des Naturschutzgesetzes vorzulegen, ist die Bundesregierung bislang immer noch nicht nachgekommen.
({2})
Zwar hat der Bundeslandwirtschaftsminister im Sommer vergangenen Jahres der Öffentlichkeit einen Gesetzentwurf zur Änderung des Artenschutzes im Bundesnaturschutzgesetz vorgestellt, mit dem der Artenschutz gestrafft, leichter anwendbar und auch inhaltlich verbessert werden sollte, nur, dieser Entwurf wurde der erklärten politischen Zielsetzung leider nicht gerecht. Er stellte sogar eine Verschlechterung gegenüber der gegenwärtigen Rechtslage dar. Die öffentliche Reaktion war dann auch einhellig negativ. Die Regierung hat daher gut daran getan, diese „Artentodnovelle", wie sie von den Umweltschutzverbänden treffend bezeichnet wurde, in der Versenkung verschwinden zu lassen.
Die Bundesregierung ignoriert einfach die Tatsache, daß mit der wachsenden Zerstörung der Natur durch Besiedlung, Industrie, Verkehrsanlagen und Praktiken in der Landwirtschaft nicht nur die Lebensräume für immer mehr Tiere und Pflanzen vernichtet, sondern auch die Lebensgrundlagen für uns selbst und die kommenden Generationen zunehmend gefährdet werden.
({3})
Es hat sich gezeigt, daß das nahezu zehn Jahre alte Bundesnaturschutzrecht nicht ausreichend ist, den Raubbau an der Natur und die immer schneller werdende Ausrottung von vielen Tier- und Pflanzenarten zu verhindern. Mit unserem Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes wollen wir diese unheilvolle Entwicklung aufhalten.
({4})
Mit der Einführung der Verbandsklage für anerkannte Naturschutzverbände tragen wir einer alten Forderung dieser Organisationen Rechnung. Die Verbandsklage war ja im übrigen schon von der alten sozialliberalen Regierung in der Regierungserklärung vom 24. November 1980 angekündigt worden, konnte dann aber wegen der „Wende" nicht mehr verwirklicht werden.
({5})
Die Verbandsklage soll den Naturschutzverbänden, die nach geltendem Recht lediglich im beschränkten Maße Mitwirkungs- und Anhörungsrechte im Verwaltungsverfahren haben, die Möglichkeit geben, gegen Verwaltungsentscheide endlich selbst zu klagen, wenn sie der Meinung sind, daß durch den Verwaltungsakt gegen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes verstoßen wurde. Da die zahlreichen Bestimmungen, die dem Naturschutz und der Landschaftspflege dienen, ausschließlich allgemein öffentliche Interessen schützen, fehlt es bei Entscheidungen gegen die Interessen des Naturschutzes und der Landschaftspflege oft an einer Person, die in ihren Rechten verletzt sein könnte und somit nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung klagebefugt wäre. Die Klagebefugnis für anerkannte, also entsprechend qualifizierte Naturschutzverbände gibt diesen das Recht, im öffentlichen Interesse eine Überprüfung bestimmter Verwaltungsentscheide durch die Gerichte zu erwirken.
Durch die Einführung der Verbandsklage wird die Durchsetzung der Interessen der Allgemeinheit gegenüber individuellen Vermögensinteressen verbessert. Angesichts des offenkundigen Defizits bei der Beachtung der Belange des Naturschutzes erscheint mir die stärkere Beachtung der allgemeinen Belange nicht nur sinnvoll, sondern geradezu unerläßlich.
Die Verbandsklage ist die konsequente Ergänzung der schon bestehenden Mitwirkungsrechte der Verbände im Naturschutzbereich. Da diese jedermann zugänglich sein müssen, werden durch die Verbandsklage zugleich auch mittelbar die Beteiligungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger verbessert, was ein Mehr an Demokratie bedeutet.
({6})
Da die gerichtliche Kontrolle lediglich zu einer Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht hin führt, greift sie nicht in die politische Verantwortung der beiden anderen Gewalten ein und führt daher auch nicht zu einer Verschiebung des Gleichgewichts zwischen diesen Staatsgewalten. Die insoweit immer vorgebrachten Bedenken haben sich auch durch die Erfahrungen, die in den Ländern gemacht wurden, die bereits eine Verbandsklage haben, als nichtig erwiesen.
Nach unserem Entwurf kann ein anerkannter Verband nur dann Klage erheben, wenn er sich zuvor am Verwaltungsverfahren beteiligt hat und schon dort seine Einwände vorgetragen hat. Versäumt er dies schuldhaft, hat er kein Klagerecht. Wir halten diese Regelung aus zwei Gründen für notwendig. Die Verwaltung soll in die Lage versetzt werden, sich schon vor Erlaß der streitigen Maßnahme mit allen möglichen Einwänden auseinanderzusetzen und diese nach Möglichkeit auszuräuFrau Blunck
men. Dadurch werden unnötige Gerichtsverfahren vermieden.
({7})
Eine vorherige Mitwirkung des Naturschutzverbands im Verwaltungsverfahren ist aber auch notwendig, um dem Bürger, der eine Genehmigung beantragt hat, eine faire Chance zu geben, sich bereits vorher mit diesen Einwänden auseinanderzusetzen, und ihm gegebenenfalls die Möglichkeit einzuräumen, seinen Genehmigungsantrag entsprechend abzuändern.
Der Gesetzentwurf der GRÜNEN trägt diesen Gesichtspunkten in keiner Weise Rechnung. Er sieht vor, daß ein anerkannter Verband selbst dann gegen jede Maßnahme, die einen Eingriff in die Natur darstellen könnte, klagen kann, wenn er sich zuvor schuldhaft nicht am Verwaltungsverfahren beteiligt hat. Da solche Klagen aufschiebende Wirkung haben, wird Verbänden die Möglichkeit eröffnet, Bedenken zurückzuhalten und diese erst im Verwaltungsgerichtsverfahren vorzutragen, mit dem Ziel, dadurch eine weitere Verzögerung des Vorhabens zu erreichen.
({8})
Dies lehnen wir ab. Es muß vielmehr alles getan werden, damit ein Interessenausgleich zwischen den Belangen der Natur und den Interessen des Antragstellers - soweit möglich - schon vorher durchgeführt wird.
({9})
Der Fraktionsvorsitzende der FDP hat im Jahre 1980 die Einstellung zur Verbandsklage als „Prüfstein für die Glaubwürdigkeit in Sachen Naturschutz" bezeichnet. Dem kann man nur voll zustimmen. Aber die FDP wird sich daran messen lassen müssen, ob sie diesem Anspruch auch heute noch gerecht wird. Wenn ich mir nämlich die abenteuerlichen Klimmzüge vergegenwärtige, die diese Partei kürzlich im Saarland gemacht hat, wo sie gegen die Einführung der Verbandsklage gestimmt hat, obgleich sie diese ausdrücklich in ihrem Wahlprogramm fordert, kommen mir doch erhebliche Zweifel an der politischen Seriosität der FDP und natürlich auch an ihrer Einstellung zum Naturschutz.
({10})
Denn - jetzt zitiere ich Herrn Mischnick wörtlich: „Es genügt eben nicht, in Reden große Worte für den Umweltschutz zu führen, um dann im Parlament zu passen." - Eben!
({11})
Lassen Sie mich abschließend noch auf einen anderen wichtigen Punkt unseres Entwurfs zu sprechen kommen, nämlich auf die Veränderung der sogenannten Landwirtschaftsklausel. Der Entwurf der GRÜNEN sagt hierzu gar nichts. Ich gehe deshalb davon aus, daß sie es bei dem bisherigen Zustand belassen wollen.
({12})
Das kann weder im Interesse des Naturschutzes sein, noch ist es im Interesse der Landwirtschaft. Insofern eröffnet auch unsere Verbandsklage den Naturschutzverbänden mehr Mitwirkungsmöglichkeiten.
Die Land- und die Forstwirtschaft unterscheiden sich von anderen Wirtschaftszweigen dadurch, daß sie in einem besonders engen wechselseitigen Wirkungsverhältnis zu Natur und Landschaft stehen und ein besonderes Eigeninteresse an der Bewahrung der natürlichen Umwelt haben.
({13})
Nun können wir aber nicht darüber hinwegsehen, daß in der Landwirtschaft, bedingt durch die ökonomischen Zwänge, fortschreitend industrieähnliche Produktionsverfahren angewandt werden - ich nenne nur schlaglichtartig Massentierhaltung sowie übermäßigen Einsatz von Düngemitteln und von Pflanzenbehandlungsmitteln -, die zu Umweltbelastungen und zu Störungen im Naturhaushalt führen. Viele wertvolle Biotope wurden vernichtet bzw. sind gefährdet. Die Artenvielfalt wurde gemindert. Der Boden und das Grundwasser wurden und werden beeinträchtigt.
Es geht hier nicht darum, die Landwirte auf die ökologische Anklagebank zu bringen.
({14})
Wir müssen vielmehr versuchen, die Landwirte von dem Zwang zu umweltbelastenden Produktionsmethoden, die letztlich ihre eigene Existenzgrundlage vernichten, zu befreien.
({15})
Da ist dieser Gesetzentwurf eine Chance.
({16})
Die Landwirtschaftsklausel trägt der zwischenzeitlich erfolgten Entwicklung der Produktionsmethoden in der Landwirtschaft nicht mehr Rechnung; sie muß deshalb verändert werden.
Lassen Sie mich nun aus tiefer Betroffenheit noch einen Satz anfügen: Ich gehöre zu einer Generation, deren Eltern am liebsten keine politische Vergangenheit haben wollten. Ich möchte nicht gerne zu einer Generation gehören, die ihren Kindern keine Zukunft mehr gibt. Ich möchte Sie deshalb bitten, hier in einem kleinen Schritt mit dafür zu sorgen, daß die Umwelt erhalten bleibt.
({17})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sauter ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegin Blunck, ich würde Ihnen gerne eine Hausarbeit mitgeben, aber das darf ich nicht. Deswegen möchte ich eine Bitte an Sie richten. Vielleicht haben Sie einmal die Möglichkeit, zu überprüfen, was in der Zeit Ihrer Regierungstätigkeit für den Umweltschutz geschehen ist, und dann den Vergleich mit den letzten zweieinhalb Jahren zu ziehen; dann
Sauter ({0})
werden Sie zu einer etwas anderen Beurteilung kommen.
({1})
Ich glaube ohne Übertreibung sagen zu können, daß es in Europa kein Land gibt, das in den letzten zweieinhalb Jahren mehr für den Umweltschutz getan hat als die Bundesrepublik Deutschland.
({2})
- Herr Kollege Müller, auch Sie als Lehrer sollten gelegentlich diese Hausarbeit machen, zu überprüfen, wer da mehr getan hat. Ich füge hinzu: Heute ist der Bundeskanzler in Paris, um gerade über diese Fragen mit der französischen Regierung zu sprechen, und Sie alle wissen, daß ohne Konsens in Europa Umweltpolitik nicht zu machen ist.
Ich will zu den beiden Gesetzentwürfen, die hier vorliegen, ein Wort sagen. Die SPD hat lange Ankündigungen gemacht, aber erst als die GRÜNEN vorausmarschierten, ist die SPD dann mit ihren Entwürfen nachgekommen. Die behäbige Tante SPD ist wieder einmal im Schlepptau der GRÜNEN.
({3})
Meine Damen und Herren, für meine Fraktion möchte ich gegen beide Entwürfe Bedenken anmelden.
({4})
- Das Naturschutzgesetz 1976 wurde, Kollege Müller, nach langjähriger Beratung einvernehmlich von allen Fraktionen verabschiedet. Es hatte lange und schwierige Diskussionen gegeben, und wir haben damals geglaubt, daß dieser Kompromiß für lange Zeit hält. Es war wirklich der Versuch, eine einvernehmliche Regelung zu finden und die Interessen der Landwirtschaft mit denen des Natur- und Umweltschutzes zu verbinden.
Dennoch, wir haben heute eine andere Situation.
({5})
Die Probleme des Naturschutzes werden leidenschaftlicher und intensiver diskutiert. Wir müssen durchaus die kritische Frage stellen, ob das vorhandene gesetzliche Instrumentarium noch ausreicht, den neuen Herausforderungen gerecht zu werden.
Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen uns auch die Frage stellen, ob alles gesetzlich reglementiert werden soll oder ob wir dadurch nicht zuviel Bürokratie bekommen. Wir sind der Auffassung, daß ohne die Mitwirkung, die Mitarbeit und die Unterstützung der Bürger die Herausforderungen des Umweltschutzes nicht zu bewältigen sind.
({6})
- Herr Kollege Müller, manches, was wir früher einmal an Regelungen zu benötigen meinten, hat sich inzwischen als fragwürdig erwiesen. Ich brauche das jetzt nicht im einzelnen nachzuweisen. Ich nenne nur die Stichworte Rekultivierung und Betretungsrecht; ich will darauf im einzelnen nicht eingehen. Das geltende Recht versuchte, die gegenläufigen Interessen abzuwägen.
Ich meine, daß die Verbandsklage, die jetzt vorgesehen ist, und auch die Änderung der Landwirtschaftsklausel zusätzliche Konflikte heraufbeschwören können, ja, heraufbeschwören müssen. Die Kollegin Blunck hat darauf hingewiesen, daß in einigen Bundesländern das Gesetz bereits auf Länderebene gehandhabt wird. Dies ist mir noch kein hinreichender Beweis. Wir haben darüber noch keinen ausreichenden Überblick. Ich möchte hinzufügen, es ist durchaus die Frage zu stellen, ob hier nicht die Gewaltenteilung tangiert wird, ob hier nicht ein Eingriff in die Hoheitsrechte der Parlamente und der Administrationen erfolgt. Ich glaube, daß die jetzige gesetzliche Regelung schon vielfältige Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung und der Mitwirkung der anerkannten Verbände gibt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen Verbänden, die in jahrzehntelanger mühsamer Arbeit sich für den Naturschutz eingesetzt haben, in diesem Zusammenhang ein Wort des Dankes und der Anerkennung zu sagen.
Ich füge hinzu, meine Damen und Herren, das Klagerecht kann auch mißbraucht werden. Wer beispielsweise dieses Klagerecht benutzt, um eine notwendige Umgehungsstraße zu verhindern, wer nur verhindert, nur verzögert, nur blockiert und sich nicht um die Menschen kümmert, die in den Autoabgasen leben müssen, der handelt unsozial und leistet keinen Beitrag für den Umwelt- und Naturschutz.
Ich will ein kurzes Wort zum Thema Landwirtschaftsklausel sagen. In der Begründung der SPD hießt es zunächst einmal, daß die Landwirte einen positiven Beitrag für die Erhaltung unserer Kultur- und Erholungslandschaft leisten. Dann wird gesagt, die Landwirte können Umweltbelastungen bewirken. Wer sollte eigentlich bestreiten, daß dies möglich ist? Aber hier, meine Damen und Herren, entsteht doch der Eindruck, als ob die Landwirtschaft bei ordnungsgemäßer Betriebsführung schon generell eine Gefährdung der Natur und der Umwelt bedeutete. In Ihrem Gesetzentwurf heißt es dann: „Die Landwirtschaft hat der Stabilität des Naturhaushalts und der Pflege der Landschaft zu dienen." Dies bedeutet doch, meine verehrten Damen und Herren, daß die Landbewirtschaftung dem Naturschutzgesetz untergeordnet werden muß.
({7})
- Untergeordnet werden muß. Ich sage Ihnen, meine Kollegen, voraus, damit wird der Konflikt zwischen Landwirtschaft und Naturschutz institutionalisiert. Sie erreichen damit das Gegenteil von dem, was Sie wollen. An Stelle von Partnerschaft zwischen Landwirtschaft und Naturschutz entsteht Konfrontation. Ich will nicht bestreiten, daß es Landwirte gibt, die wenig Verständnis für diese Probleme des Umweltschutzes haben. Aber das ist eine verschwindende Minderheit. Ich meine, verehrte Kollegen, wir diskutieren hier ja im wesentliSauter ({8})
chen über die bäuerliche Landwirtschaft und nicht über Farmen und über Agrarfabriken. Die überwiegende Mehrheit, die ordnungsgemäß ihr Land bewirtschaftet, will doch die Natur und die Umwelt schützen, schonen, pflegen und erhalten. Wenn jemand schon immer in Generationen und für kommende Generationen gedacht und gehandelt hat, waren das unsere Landwirte.
({9})
Wir sollten sie nicht diskriminieren. „Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen." Das ist ein gutes Wort, das wir uns zur Richtlinie nehmen sollten.
({10})
Es stammt nicht von den GRÜNEN, verehrter Herr Kollege, das wissen Sie wohl. Es ist von einem Häuptling vor 100 Jahren gesprochen - wenn Sie diesen Nachhilfeunterricht noch unbedingt brauchen.
Meine verehrten Damen und Herren, ich bin der Auffassung, daß die von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, das Bodenschutzkonzept, das Wasserhaushaltsgesetz, die Verbesserung des Artenschutzes wesentlich mehr zum Naturschutz beitragen als überzogene gesetzliche Regelungen. Mancher, der diesen Gesetzentwurf trägt und unterstützt, denkt wohl eher an ausgeräumte Landschaften, an kilometerlange Mais- oder Weizenfelder, an Großbetriebe in der Viehhaltung, an maximalen Düngerverbrauch und starken Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
({11})
Der bäuerliche Familienbetrieb als Voll-, Zu- und Nebenerwerbslandwirtschaft, zu der wir uneingeschränkt ja sagen, ist auch unter dem Gesichtspunkt des Natur- und Umweltschutzes die bestmögliche Form der Landbewirtschaftung. Wer diesen Betrieben, diesen Menschen Auflagen erteilt, die ihr Einkommen weiter beschneiden, muß auch Möglichkeiten aufzeigen, wie das ausgeglichen werden kann.
Das Prinzip der CDU/CSU angesichts der umweltpolitischen Herausforderungen lautet: Mit dem Bürger, mit der Landwirtschaft die Probleme anpacken und lösen. Partnerschaft dient dem Umweltschutz mehr als Konfrontation.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({12})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Bard.
Lieber Herr Sauter, die Tatsache, daß die sozialliberale Regierung 13 Jahre lang im Umwelt- und Naturschutz nichts gemacht hat, darf für Sie doch jetzt kein Grund sein, weiterhin auch nichts zu tun.
({0})
Diese Retourkutschen, die es immer wieder gibt, kann man inzwischen nicht mehr hören.
Die beiden vorgelegten Entwürfe zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes - sowohl der der SPD als auch unserer, der der GRÜNEN - können nicht mehr sein als ein Einstieg in die Novellierung des gesamten Naturschutzrechtes. Wir wollen diesen Gesamtnovellierungsvorschlag auch noch machen. Darin wird auch zur Landwirtschaftsklausel einiges gesagt werden. Wir wollen es bei weitem nicht so lassen, wie es ist.
Mit dem Inkrafttreten dieses Naturschutzgesetzes hat eben nicht das verhindert werden können, woran gedacht war. Das Aussterben, der Zerstörungsprozeß sind weitergegangen; sie sind nicht einmal gebremst worden. Dieser Tatsache müssen wir uns hier und heute stellen. Der Landschaftsverbrauch zuungunsten wichtiger Biotope geht immer weiter.
Wesentlich daran beteiligt sind Raumordnungs-, Planfeststellungsverfahren und andere Verwaltungsmaßnahmen, die klar aufzeigen, daß es bereits in dem jetzt geltenden Naturschutzrecht ein Vollzugsdefizit gibt. Um diese Lücke zu schließen, genau darum geht es hier. Die Mitwirkung der Verbände nach § 29 des Naturschutzgesetzes hat daran leider nichts ändern können. Wir glauben auch nicht. daß eine bessere Qualifizierung der zuständigen Behörden ausreichen würde.
Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten, Vollzugsdefizite auszugleichen: entweder strengere Reglementierung, Kontrolle - sprich: mehr Bürokratie - oder aber wir wählen den anderen Weg, die Öffentlichkeit an den Verfahren zu beteiligen, sprich: unser Vorschlag der Verbandsklage. Wir halten das für den sehr viel unbürokratischeren Weg im Gegensatz zu dem, was Sie vorhin dargestellt haben.
Die SPD hat sich inzwischen, wie ihr Entwurf wohl zeigt, unserer Meinung angeschlossen, daß die Verbandsklage notwendigerweise in das Naturschutzrecht eingebaut werden soll. Wir halten das auch nur für einen Nachholbedarf hinsichtlich der Gleichrangigkeit des Naturschutzes mit anderen - z. B. wirtschaftlichen - Belangen. Das führt keineswegs zu einem Übergewicht des Naturschutzes. Solange die Gleichrangigkeit des Naturschutzes mit anderen Zielen nur auf dem Papier steht, nicht einklagbar ist - das ist eine traurige Wahrheit -, solange ist sie nicht mehr Wert als das Papier, auf dem sie gedruckt ist.
({1})
Verstöße gegen das Naturschutzgesetz können nach der jetzigen Rechtsprechung nur eingeklagt werden, wenn es eine individuelle Rechtsverletzung gibt. Der Naturschutz ist - das liegt in der Natur der Sache - in der Regel kein individuelles, sondern ein Allgemeininteresse. Eine Klagemöglichkeit für Verbände, deren satzungsgemäße Aufgaben tangiert werden, ist daher nicht mehr als recht und billig, wenn die Behörden einseitige Entscheidungen treffen, die den Naturschutz mißachten.
Wenn jetzt argumentiert wird, das liefe unserem Rechtssystem zuwider, das Verwaltungsrecht
kenne nur die Individualklage, so können wir das nicht so sehen. Die Verbandsklage stellt für uns eine notwendige Erweiterung dar. Betroffen ist das Allgemeininteresse. Wenn das heißen sollte, eine heilige Kuh zu schlachten, so sollten wir das tun, damit die Kuh überlebt.
({2})
- Das geht.
Ich bitte, mit den Bemerkungen sehr vorsichtig zu sein; die Dame ist von Beruf Tierärztin.
({0})
Zum SPD-Entwurf möchte ich noch ein paar Anmerkungen machen. Frau Blunck, was Sie hier als positiv und notwendig hingestellt haben, halten wir eigentlich nicht für richtig, und das kritisieren wir an Ihrem Entwurf.
Einmal komme ich ganz kurz zur Änderung der Landwirtschaftsklausel. Ich habe mir das noch mal genau angeguckt. Es wird sich, wenn Ihr Entwurf in die Praxis umgesetzt würde, nicht viel ändern. Die Problematik der Abwägung in § 1 Abs. 2 wird verschoben, und der Wegfall des § 8 Abs. 7, den Sie vorschlagen, hat nur einen Sinn, wenn Sie gleichzeitig die Eingriffsdefinitionen mit ändern. Ich glaube, darüber müßten wir noch einmal beraten und zu besseren Lösungen kommen. Ich glaube, daß Ihr Entwurf an der Praxis nicht viel ändern würde.
({0})
Die Hauptkritik an Ihrem Verbandsklagerecht sehen wir genau in dem, was Sie als positiv herausgestellt haben. Wir halten es für falsch, das Klagerecht an die Beteiligung im Vorverfahren zu koppeln, weil es für kleine Verbände zu einer Überlastung führen wird, die sich immer beteiligen müssen, damit sie nachher überhaupt noch klagen können. Das ist für kleinere Verbände oft sehr kompliziert.
({1})
Aus dem Mitwirkungsrecht wird dann eine Mitwirkungspflicht, d. h. eine automatische Einbindung von Bürgeraktionen in die staatlichen Verfahren. Ich glaube, wenn es ein Klagerecht gibt, werden die Behörden von sich aus den Dialog bereits in den Vorverfahren suchen. Wir halten dieses Verfahren für besser. Wir haben das Vertrauen in die Bürger, daß nicht nur die ganz großen, sondern auch die kleineren Verbände ein Klagerecht zugestanden bekommen sollten. Wir haben so viel Vertrauen in die Verantwortlichkeit, und das scheint uns in den Gegensatz zur SPD und auch zur CDU zu bringen, die meinen, daß damit gleich Mißbrauch betrieben würde.
({2})
Unser zweiter Einwand bezieht sich auf die Übergangsregelung, die Sie hinten anhängen. Das würde bedeuten, daß in den jetzt geplanten oder laufenden Verfahren nicht mehr geklagt werden könnte, und wir halten es angesichts der Tatsache, daß es so viele und unzählige Verfahren gibt, wo das notwendig wäre, eigentlich für eine Zeitverschiebung, die wir uns nicht mehr leisten können.
({3})
- In Hessen und Bremen ist es möglich.
Wir sind uns mit der SPD darin einig, daß die Verbandsklage richtig und notwendig ist. Ich glaube, wir können uns da auch einigen. Eine weitere Fraktion in diesem Hause, die zustimmen müßte, ist die FDP, wobei ich zu ihren Gunsten annehme, daß sie zu ihren Aussagen steht. Die FDP hat im Juli 1984 in Baden-Württemberg einen Gesetzentwurf eingebracht, demzufolge den Verbänden ein Klagerecht eingeräumt werden soll, und sie hat es auch mit den positiven Beispielen aus Hessen und Bremen begründet. Ich wollte Ihnen das nur noch einmal sagen, falls Sie vergessen haben sollten, was Ihre Kollegen in Baden-Württemberg gemacht haben.
Meine Damen und Herren, den hier vorliegenden Antrag verstehen wir als einen Schritt, Naturschutzbelange besser durchsetzen zu können. Die Verbandsklage ist eine wichtige Forderung der Naturschutzverbände und der engagierten Bürger. Alle Politiker werden sich daran messen lassen müssen, wie ernst sie es mit dem Naturschutz meinen, wie sie zu dieser Verbandsklage stehen. Unser Vorschlag ist wirklich moderat. Wenn Naturschutz nur in Sonntags- und Wahlreden vorkommen sollte, aber in der Praxis nichts geschehen wird, wird sich das an diesen Beratungen über unseren und über den Antrag der SPD auch noch einmal zeigen, und Sie werden sehen, daß Sie damit in der Öffentlichkeit sehr großen Protest auslösen werden.
Danke.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bredehorn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Sicherheit werden uns Fragen des Naturschutzes in nächster Zukunft vermehrt hier im Parlament beschäftigen, und zwar nicht nur im Ernährungsausschuß. Die Rechte und Pflichten des einzelnen sowie der Anspruch der Allgemeinheit auf die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt lassen sich nicht mehr auf Konfliktfragen zwischen Landwirtschaft und Ökologie einengen. So werden sich nach dieser ersten Lesung neben dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführendem Ausschuß folgerichtig auch der Innenausschuß, der Rechtsausschuß und der Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau mit diesem Thema befassen müssen.
Die Industrialisierung, die hohe Bevölkerungsdichte, das stark ausgedehnte Verkehrsnetz, die Zubetonierung der Landschaft und nicht zuletzt eine bis in die letzte Intensitätsstufe betriebene LandBredehorn
wirtschaft stellen Ansprüche und bilden eine Belastung für die Natur.
({0})
Erfreulicherweise aber wird den Menschen die Notwendigkeit der Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen immer mehr bewußt.
Die Anträge, die wir hier heute debattieren, sind Ausdruck dieser zunehmenden Sensibilisierung der Bürger für Umwelt- und Naturschutzfragen. Wir Politiker sind aufgefordert, Entscheidungen für die Natur zu treffen und den Naturschutz nicht zum Spielball von Emotionen zu machen.
({1})
Wir Freien Demokraten haben uns mit den hier heute zu beratenden Änderungswünschen zum Bundesnaturschutzgesetz schon sehr frühzeitig auseinandergesetzt.
({2})
Wir haben als erste Partei die Verankerung des Umweltschutzes im Grundgesetz gefordert.
({3})
Wir haben auf unserem Bremer Parteitag 1979 die Einführung der Verbandsklage gefordert. Wir setzen uns ein für eine richtige Wertung der Landwirtschaft im Bundesnaturschutzgesetz, d. h. wir wollen eine Änderung der Landwirtschaftsklausel, wohlgemerkt: Änderung, keine Streichung der Landwirtschaftsklausel.
Ich mache keinen Hehl daraus, daß die Verankerung des Umweltschutzes im Grundgesetz, die Einführung der Verbandsklage und die Änderung der Landwirtschaftsklausel für einen effizienten Naturschutz allein nicht genügen. Diese gesetzlichen Schritte sind aber eine gute Grundlage für eine aktive, überzeugende und glaubwürdige Umweltpolitik. Auf keinen Fall dürfen sie als Beruhigungspillen für unsere Bürger verstanden werden. Zukünftig geht es darum, mit Augenmaß die Interessenkonflikte zwischen Ökonomie und Ökologie, zwischen Pflichten und Rechten des einzelnen und des Staates abzuwägen.
Wir Liberalen wollen eine Änderung der Landwirtschaftsklausel, damit der sachgerechten Abwägung der Interessen zwischen Naturschutz und Landwirtschaft Ausdruck verliehen wird. Dabei müssen die besonderen Aufgaben von Land- und Forstwirtschaft vorrangig beachtet werden. Unser Vorschlag lautet daher, daß neben dem Erfordernis der nachhaltigen Leistungsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft auch die zentrale Bedeutung für die Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft berücksichtigt wird. Die SPD will in ihrem Entwurf eine Sonderstellung der agrarischen Nutzung gegenüber anderen Wirtschaftszweigen nicht aufrechterhalten. Die FDP aber will die Sonderstellung der Landwirtschaft erhalten; denn die Land- und Forstwirtschaft unterscheidet sich gerade durch ihr besonders enges wechselseitiges Wirkungsverhältnis zu Natur und Landschaft von anderen Wirtschaftszweigen.
({4})
- Richtig.
Was wären Land- und Forstwirtschaft sowie der Naturschutz ohne die Bewahrung der natürlichen und nachhaltigen Bodenfruchtbarkeit?
Die Landwirtschaftsklausel in § 1 des Bundesnaturschutzgesetzes besagt ja, daß die ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft in der Regel den Zielen dieses Gesetzes dient. Dies führte in der Vergangenheit oft zu Mißverständnissen zwischen Landwirten und Naturschützern. Niemand kann heute aber leugnen, daß auch von der intensiven Landwirtschaft - denken wir an die industrielle Geflügel- und Schweineproduktion, denken wir an die Flurbereinigung und an wasserbauliche sowie kulturbautechnische Maßnahmen - Gefahren für Natur und Umwelt ausgehen. Deshalb wollen wir diese Klauseln durch ein Abwägungsgebot ändern. Diese Änderung führt zu einer Klarstellung und berücksichtigt die Interessen der Naturschützer sowie der Land- und Forstwirtschaft gleichermaßen. Die Erfordernisse beider Seiten sollen angemessen berücksichtigt und miteinander abgewogen werden, damit die dringend erforderliche Zusammenarbeit zwischen Land- und Forstwirtschaft und dem Naturschutz noch besser wird.
({5})
Die Verbandsklage für anerkannte Verbände im Naturschutzrecht ist ein altes Anliegen der FDP. Befürworter und Gegner haben in den anstehenden Ausschußberatungen die Möglichkeit, ihre Argumente auszutauschen und Pro und Contra der Klagebefugnis von Verbänden neu zu überprüfen.
Ich gehöre mit den Agrar- und Umweltpolitikern meiner Fraktion zu denjenigen, die die Verbandsklage befürworten.
({6})
- Ich komme dazu.
Zwei Argumente möchte ich Ihnen nennen.
Erstens. Die Einführung der Verbandsklage im Naturschutz stellt die Chancengleichheit von Allgemeininteressen und Individualinteressen her und ist im modernen Sozialstaat eine notwendige Ergänzung zum individuellen Rechtsschutz.
({7})
Zweitens. Erst die Verbandsklage ermöglicht in vielen Fällen eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle von Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde dahin gehend, ob sie dem Naturschutzrecht entsprechen.
Ob die Verbandsklage ein verfassungs-, rechts- und verwaltungspolitisch fragwürdiges Instrument ist, hat vor allem der Rechtsausschuß sorgfältig zu überprüfen. Die Einführung der Verbandsklage in Hessen und Bremen drängt auf eine bundeseinheit9088
liche Regelung hin. Es kann doch nicht angehen, daß die Rechtsprechung in einem Bundesland völlig anders als in einem anderen gestaltet wird.
({8})
In einigen Ländern wie z. B. in der Schweiz und in den Vereinigten Staaten, in denen es die Verbandsklage gibt, hat man gute Erfahrungen gemacht. Auch die von vielen befürchtete Prozeßlawine ist dort ausgeblieben.
In den Koalitionsgesprächen zwischen CDU/CSU und FDP hat man sich entschieden, in dieser Legislaturperiode das heiße Eisen der Verbandsklage nicht mehr anzupacken. In einer Koalition - das gehört auch zum Thema der Glaubwürdigkeit -, müssen bei unterschiedlichen Meinungen Kompromisse geschlossen werden, und zu dieser Entscheidung stehen wir. Ich persönlich habe seit 1980 versucht, mit Kollegen von der SPD - ich nenne Frau Blunck und Herrn Duve -, die für die Verbandsklage waren, diese Verbandsklage einzubringen. Das ist uns nicht gelungen, weil u. a. der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt diese Verbandsklage nicht wollte, der damals noch die Mehrheit in Ihrer Fraktion hatte.
({9})
Der jetzige SPD-Oppositionsantrag wird ja auch nicht von allen Ihren Kollegen unterstützt. Ich habe mit Interesse gelesen, daß der verehrte Kollege Schmidt ({10}), der Vorsitzende unseres Ausschusses, sich ganz klar gegen die Verbandsklage ausgesprochen hat. Dieses müssen Sie - dies füge ich hinzu, weil Sie vorhin die Glaubwürdigkeit ansprachen - auch ganz deutlich sagen. Das trägt eben auch zur Glaubwürdigkeit der Politiker - hier sind wir alle gefordert - gerade gegenüber jungen Menschen bei.
Da es im Naturschutz aber keinen Stillstand geben darf, sollten wir uns alle bemühen, bei naturschutzrelevanten Entscheidungen die betroffenen Verbände stärker zu beteiligen. Die einzelnen Bürger sollten bei solchen Entscheidungen, bei Verhandlungen und Gesprächen beteiligt werden. Das erspart oft nachträgliche Klageführung.
Meine Damen und Herren, Landwirtschaft und Naturschutz stehen heute im Spannungsfeld von Ökonomie und Ökologie. Eine bessere Abstimmung dieser Politikbereiche ist dringend notwendig. Es ist auf Dauer nicht mehr hinnehmbar, daß täglich über 140 ha Land und damit Landschaft verlorengehen. Auch der noch immer anhaltende Verlust von wildlebenden Pflanzen und Tierarten und ihrer Lebensstätten ist ein Warnsignal. Jede aussterbende Pflanzen- und Tierart ist einmalig in ihrer Art und kann wahrscheinlich nie wieder geschaffen werden. Deshalb müssen wir den Biotopschutz nachhaltig verbessern.
Auch der allgemeine Umwelt- und Naturschutz, insbesondere der Schutz des Trinkwassers, muß wesentlich verbessert und in ein vernetztes Schutzgebietsystem mit einbezogen werden. Wir brauchen also für den Naturschutz mehr Flächen, die bisher in der Regel noch intensiv landwirtschaftlich für eine nicht mehr vertretbare Überschußproduktion im Agrarsektor genutzt werden. Ich bin davon überzeugt, daß die Landwirte durchaus bereit sind, Flächen für ökologische Belange stillzulegen oder extensiv zu bewirtschaften, wenn der Einkommensverlust angemessen entschädigt wird.
({11})
Die für solche Maßnahmen notwendigen Mittel würden den Bundeshaushalt langfristig sehr viel weniger belasten als die Kosten für die nicht mehr vertretbare Überschußproduktion.
Deshalb habe ich schon im letzten Sommer für die FDP-Fraktion gefordert,
({12})
durch Umschichtung von Mitteln im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" bis zu 100 Millionen DM für die Extensivierung, Stillegung und Aufforstung von landwirtschaftlichen Flächen bereitzustellen. Leider sind wir hier bisher noch nicht weitergekommen. Ich möchte Sie alle bitten, hier Ihren Widerstand aufzugeben und uns auf diesem Weg zu unterstützen. Diese Maßnahme dient nämlich sowohl der Agrarstrukturverbesserung als aber auch und insbesondere den Belangen des Naturschutzes. Wir alle haben die Pflicht, die nachhaltige Nutzung des Grund und Bodens und unserer Naturgüter auch für die kommenden Generationen zu erhalten. Deshalb hoffe ich auf eine engagierte Diskussion bei den kommenden Ausschußberatungen.
Schönen Dank.
({13})
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. von Geldern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Blunck, die Bundesregierung läßt sich in ihrer Sorge für Natur und Umwelt von niemandem übertreffen.
({0})
Ich darf Ihnen aber folgendes sagen: Wir bleiben - das ist der Unterschied dieser Bundesregierung zu der von Ihnen geführten Bundesregierung - nicht in der Emotion stehen, die Sie heute wieder demonstriert haben, sondern wir handeln konkret und tun dies in aller Nüchternheit und Sachlichkeit.
Ich möchte deshalb nüchtern und in aller Kürze zu den Gesetzentwürfen, die Sie hier eingebracht haben, Stellung nehmen. Diese Gesetzentwürfe unterstellen, daß die Verbandsklage ein wirksames Mittel zur Beseitigung des Vollzugsdefizits naturschutzrechtlicher Vorschriften und Abwägungsgebote darstellt.
Diese Unterstellung ist in keiner Weise empirisch abgesichert. Die Erfahrungen der vier Bundesländer Hamburg, Bremen, Berlin und Hessen, die die Verbandsklage eingeführt haben, sind nicht ausgewertet. Eine Umfrage des Bundesministers der Justiz bei den Ländern zeigt, daß die bisherige Geltungsdauer der landesgesetzlichen Bestimmungen viel zu kurz ist, um die Auswirkungen des neuen Rechtsinstituts beurteilen zu können. Die Entwicklung der Praxis in den Ländern, die die Verbandsklage eingeführt haben, ist deshalb erst zu prüfen und auf der Grundlage empirisch gesicherter Erkenntnisse rechtspolitisch zu würdigen.
({1})
Im Hinblick auf diese Unsicherheiten fallen die prinzipiellen Gegengründe um so stärker ins Gewicht. Die Folgen einer Abweichung vom bewährten Prinzip, daß nur der klagen kann, der in eigenen Rechten verletzt ist, sind nämlich schwer abzusehen. Es besteht durchaus die Gefahr einer, wie ich meine, gefährlichen Präjudizwirkung und einer zunehmenden Belastung der Gerichte, die niemand von uns wünschen kann.
Zweifel an der Legitimation der Verbände,
({2})
zur Durchsetzung öffentlicher Interessen klagen zu können, sind wegen der privatrechtlichen Natur der Verbände nicht auszuschließen. Die Gefahr zusätzlicher Verzögerungen von Investitionsentscheidungen und damit einhergehender Kostensteigerungen liegt nahe. Dieser Rechtsstaat darf nicht zum Rechtsmittelstaat, zum Instanzenstaat verkommen.
Ich frage Sie, Frau Kollegin Blunck: Warum hat eigentlich die SPD in Nordrhein-Westfalen die Verbandsklage nicht eingeführt? Fragen Sie mal die Oberbürgermeister, die von der SPD gestellt werden, was sie zu dieser drohenden Gefahr für Investitionsentscheidungen durch die Verbandsklage eigentlich klagen.
({3})
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wie viele Verfahren in den vier von Ihnen genannten Bundesländern anstehen?
Frau Kollegin, ich habe Ihnen gerade erklärt, daß wir noch keine Bilanz haben. Der Bundesjustizminister hat in diesen Ländern nachgefragt, und es stellte sich heraus, daß die empirischen Erfahrungen in den vier Ländern, die die
Verbandsklage eingeführt haben, überhaupt nicht für eine Beurteilung ausreichen. Ich sage Ihnen noch einmal: Nordrhein-Westfalen wird seine Gründe gehabt haben, diese Entscheidung nicht zu treffen.
Die Bundesregierung jedenfalls sieht effektivere Mittel zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Ich will hier nur einige Stichworte nennen: die jetzt vorgelegte Bodenschutzkonzeption - so etwas haben Sie ja nicht zustande gebracht -, der Entwurf für ein neues Pflanzenschutzgesetz, der Arten- und Biotopschutz. Ich könnte noch eine ganze Menge nennen, so auch - Herr Kollege Bredehorn hat das erwähnt - die Bereitstellung von mehr Haushaltsmitteln für den Naturschutz.
Die Bundesregierung gibt jedenfalls der Ausschöpfung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Verbände bei den in § 29 des Naturschutzgesetzes aufgeführten Verwaltungsverfahren, z. B. bei den Planfeststellungen, Vorrang vor der Klageberechtigung. Denn wir halten es für sinnvoller, den Sachverstand der Verbände vor dem Ergehen der Entscheidung zur Geltung zu bringen, als im nachhinein zu prozessieren. Auch hier gilt, daß Vorbeugen besser ist als Heilen.
Erforderlichenfalls sind die Mitwirkungsmöglichkeiten nach § 29 Bundesnaturschutzgesetz zu erweitern. Darüber können wir ja miteinander reden. Ob und wieweit eine Notwendigkeit besteht, die Mitwirkungsmöglichkeiten zu erweitern, wird zur Zeit geprüft.
Diese Frage ist wie alle Fragen, mit denen wir es in diesem Zusammenhang zu tun haben, unter praktischen und nicht unter ideologischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Dabei ist auch zu bedenken, ob es den Verbänden überhaupt nützt, wenn sie mit einer Unzahl von Mitwirkungsfällen über ihre Leistungsfähigkeit hinaus gleichsam durch vorwiegend bürokratische Prozesse in Anspruch genommen und dadurch von ihren eigentlichen Aufgaben abgehalten werden.
Worauf es ankommen wird, ist, jene Bereiche zu bestimmen, in denen eine Mitwirkung der Verbände sinnvoll ist. Eine zusätzliche Verwaltungsaufblähung mit Zeit- und Kostenaufwand zu schaffen, sollte auch nicht das Ziel der SPD sein - zu den GRÜNEN enthalte ich mich da jeden Kommentars.
Der Gesetzentwurf der SPD fordert zweitens eine Revision der Landwirtschaftsklauseln. Die SPD will einschneidende Änderungen eines Gesetzes, das von der von ihr geführten Bundesregierung eingebracht und erst 1976 im Deutschen Bundestag - nach langer Diskussion und einvernehmlich, wie Herr Kollege Sauter erklärt hat - verabschiedet worden ist. Der § 1 Abs. 3 des Bundesnaturschutzgesetzes wurde 1976 auf Antrag der SPD in wörtlicher Anlehnung an das Landschaftsgesetz NordrheinWestfalen formuliert.
Mit Ihrem heutigen Gesetzentwurf demonstriert die SPD ein offenbar ganz neues Verständnis vom Zweck der Land- und Forstwirtschaft. Ohne jede
Einschränkung soll plötzlich vorgeschrieben werden, daß sie der Stabilität des Naturhaushalts und der Pflege der Landschaft zu dienen habe.
({0})
Die Existenz der Bauern wird vorsichtshalber gar nicht erst erwähnt. So einfach kann man sich die Lösung des Spannungsverhältnisses zwischen Ökonomie und Ökologie also auch machen. Ich meine, das ist kein Ruhmesblatt für den Realitätssinn der Autoren der Gesetzentwürfe.
Lassen Sie mich eines ganz plastisch sagen. Wer vom grünen Tisch aus vorschreiben will, daß auch kein alter oder morscher Baum mehr gefällt werden darf, wird damit nur erreichen, daß auch kein neuer gepflanzt wird. Wir müssen auf dem Teppich bleiben.
({1})
Zur Sache ist hier noch anzumerken, daß es höchst fragwürdig ist, ob die bestehenden Landwirtschaftsklauseln überhaupt den Hemmschuh für einen wirksamen Naturschutz darstellen. Durch die Landwirtschaftsklauseln soll nämlich sichergestellt werden, daß sich ein Land- oder Forstwirt oder auch ein Fischer, der seinem Beruf unter Beachtung der dafür bestehenden Rechtsnormen nachgeht, nicht dem Risiko verbotswidrigen Handelns aussetzt. Wir müssen die materiellen Probleme sehen, die Probleme des Bodenschutzes, des Pflanzenschutzes, des Wasserhaushalts. In all diesen Bereichen ist diese Bundesregierung aktiv geworden.
Ich sage in jeder landwirtschaftlichen Versammlung einen Satz, den ich auch hier wiederholen möchte: Die Landwirtschaft muß heute bereit sein, auf letzte Intensitäten in ihrer Wirtschaftsweise zu verzichten. Für die Gesellschaft gilt aber auch: Landwirtschaft in dieser Industriegesellschaft ist nicht zum Nulltarif zu haben. Beides gehört zusammen.
Die Bundesregierung tritt in diesem Sinne mit Nachdruck dafür ein, daß die Landwirtschaftsklauseln rechtlich und ökologisch richtig angewandt werden. Vor Gesetzesänderungen der vorgeschlagenen Art möchte ich warnen.
({2})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Gesetzentwürfe zu den Punkten 4 a und 4 b der Tagesordnung auf den Drucksachen 10/1794 und 10/2653 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Gibt es weitere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen wie vorgesehen beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
eine Volks-, Berufs-, Gebäude-, Wohnungsund Arbeitsstättenzählung ({0})
- Drucksache 10/2814 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Innenausschuß ({1})
Rechtsausschuß
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt für die Aussprache je einen Beitrag von zehn Minuten für jede Fraktion vor. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist damit so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Die Bundesregierung wünscht das Wort zur Begründung.
Das Wort hat Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Waffenschmidt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf des Volkszählungsgesetzes 1986 trägt die Bundesregierung in vollem Umfang dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsgesetz 1983, den grundsätzlichen Aussagen des Gerichts zur Bedeutung statistischer Unterlagen für eine dem Sozialstaatsprinzip verpflichtete Politik Rechnung. Ich will hier deutlich sagen: Der Gesetzentwurf erfüllt Punkt für Punkt alle Auflagen des Urteils.
Sowohl die materiellen Verbesserungen des neuen Volkszählungsgesetzes als auch insbesondere die zahlreichen zusätzlichen verfahrenssichernden Vorschriften wurden von der Bundesregierung in ständigem Kontakt zu den zuständigen obersten Landesbehörden erarbeitet. Auf diese Feststellung möchte ich ganz besonders Wert legen, meine Damen und Herren. Auf diesen Kontakt mit den Landesbehörden kommt es deshalb an, weil die Bundesregierung die Volkszählung in entscheidenden Bereichen als Dienst für Länder und Gemeinden und deren Aufgabe für die Daseinsvorsorge betreibt. Das sollte nie außer acht bleiben.
In dem soeben erschienenen Siebten Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, den wir heute dankenswerterweise hier bei uns begrüßen können, wird der Gesetzentwurf im Hinblick auf den Datenschutz bei der Volkszählung insgesamt positiv gewürdigt. Das - ich will es ausdrücklich hervorheben - sollten alle diejenigen zur Kenntnis nehmen, die bisweilen schnell geneigt sind, irgendwo Ängste und Sorgen zu schüren. Wir haben hier ein positives Urteil des Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Ich glaube, das ist wichtig festzustellen.
Weder bei der ressortmäßigen Vorbereitung des Volkszählungsgesetzes 1986 noch bei der im Dezember 1984 erfolgten Beratung im Bundesrat haben sich aus Ländersicht irgendwie ins Gewicht fallende Änderungsnotwendigkeiten des vorliegenden Gesetzentwurfs ergeben. Der Bundesrat hat dann
am 20. Dezember 1984 im ersten Durchgang zwar eine Reihe von Änderungsvorschlägen gemacht, die aber alle organisatorischer und verfahrensmäßiger oder redaktioneller Art sind. Änderungen des materiellen Erhebungsumfangs, etwa zusätzliche Fragen oder Verzicht auf vorgesehene Fragen, wurden in keinem Fall vorgesehen.
Die Bundesregierung hat mit dem von ihr vorgeschlagenen Gesetzentwurf, so meinen wir, die Voraussetzungen für eine breite parlamentarische Mehrheit zur Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes geschaffen. Ich sage dazu ganz deutlich: Wenn sich in den weiteren parlamentarischen Beratungen Gesichtspunkte ergeben sollten, wie man bürgerfreundlicher, einfacher oder kostengünstiger die notwendigen statistischen Angaben erheben kann, wird die Bundesregierung diesen Erkenntnissen jederzeit aufgeschlossen gegenüberstehen.
({0})
Die für die Durchführung der Zählung wichtigsten Änderungen, mit denen den Auflagen aus dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts unmittelbar Rechnung getragen wird, sind die Regelungen - ich nenne einige Beispiele - über die Einrichtung besonderer Erhebungsstellen, über die Auswahl und die Aufgaben der Zähler, die Formen der Auskunfterteilung, der Verzicht auf die Korrektur der Einwohnermelderegister. Wir erinnern uns daran, hier beim Melderegisterabgleich lag damals ein wesentliches Monitum des Gerichtes an dem, was der Bund - damals alle Fraktionen - zugunsten der Städte und Gemeinden machen wollte. Schließlich ist noch der Verzicht auf die Übermittlung von Einzelangaben an Dritte zu erwähnen.
Auf den ehrenamtlichen Mitarbeiter wird bei der Durchführung der Zählung grundsätzlich nicht verzichtet. Der Gesetzentwurf räumt jedoch ausdrücklich - darauf will ich hinweisen - die Möglichkeit ein, daß jeder Auskunftspflichtige den von ihm auszufüllenden Fragebogen auch unmittelbar der Erhebungsstelle in einem verschlossenen Umschlag zuleitet.
({1})
Von grundsätzlicher Bedeutung ist ferner, daß nicht mehr, wie 1983 vorgesehen, eine Haushaltsliste als das hauptsächliche Erhebungspapier verwandt wird, sondern ein Personenbogen, der von jedem für sich alleine ohne Kenntnis anderer im Haushalt und in der Wohnung lebender Personen ausgefüllt werden kann. Hinzu kommt, daß Familienname und Vorname als die unmittelbar identifizierenden Angaben nicht mehr auf dem Personenbogen selbst anzugeben sind, sondern nur in dem getrennt davon anzulegenden Haushaltsmantelbogen. Für alle Erhebungsbogen und auch für die Hilfsmerkmale ist schließlich vorgeschrieben, meine Damen und Herren, daß sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt vernichtet werden müssen.
Ich will hier noch einmal deutlich unterstreichen: All diese wichtigen Fakten, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollen zur Kenntnis genommen werden, und wir sollten auch breit darauf hinweisen, damit nicht wieder unbegründet irgendwo Ängste geschürt werden, die wirklich unbegründet sind.
({2})
Nun noch zu einigen Erklärungen in der aktuellen Diskussion zu diesem Fragenkomplex. Da ist z. B. der Vorschlag: Verzicht auf die Frage nach dem Schulabschluß oder die Feststellung über Verkehrsmittel und Zeitaufwand für den Weg zur Arbeitsoder Ausbildungsstätte. Dazu ist folgendes festzustellen: Zu den wichtigsten Verwendungszwecken der Ergebnisse über Ausbildungsabschlüsse gehört die Untersuchung regionaler Arbeitsmarktprobleme und die Entwicklung von Lösungsbeiträgen für eines der - ich denke, da sind wir alle einer Meinung - gravierendsten gegenwärtigen arbeitsmarktpolitischen Probleme. Die aktuelle Nachweisung des täglichen Pendlerverkehrs zwischen Wohnung und Arbeitsstätte oder dem Ausbildungsort, die dabei benutzten Verkehrsmittel und die Fahrzeiten zählen zu den dringlichen Forderungen aller Verkehrspolitiker und Planer auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene.
Das Argument, die Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes sei eine unverzichtbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Volkszählung, vermag in der gegenwärtigen Diskussion ebenfalls nicht zu überzeugen. Es ist nämlich eine Tatsache, daß die statistische Geheimhaltung nicht nur bei den bisher durchgeführten Volkszählungen, sondern auch in allen anderen amtlichen Statistiken in vollem Umfang gewährleistet war und ist.
Schließlich ist in Erklärungen auch die Rede von der Möglichkeit, statt einer Totalzählung Stichproben durchzuführen. Leider wird dieser Vorschlag nicht näher ausgeführt. Die Frage der stichprobenartigen Durchführung ist bereits bei der parlamentarischen Beratung des Volkszählungsgesetzes 1983 sorgfältig geprüft und auch in verschiedenen Modellvarianten eingehend untersucht worden. Das Ergebnis dieser Untersuchungen wurde im Innenausschuß des Bundestages vorgetragen. Danach ergab sich ganz eindeutig, daß die Idee der Kombination von Stichproben und Totalerhebungen als unbefriedigend anzusehen ist. Die Bundesregierung ist im Interesse der Bereitstellung wirklich aussagefähiger Regionalergebnisse für Bund, Länder und Gemeinden nach wie vor der Auffassung, daß der Weg der umfassenden Totalerhebung nach Abwägung aller Gesichtspunkte der Forderung nach der Wahl verhältnismäßiger Mittel am besten entspricht.
Ich will hier auch die Einschätzung des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts wiedergeben. Das Bundesverfassungsgericht stellte aus Anlaß seines Urteils zum Volkszählungsgesetz 1983 fest, daß derzeit nicht zu beanstanden ist, wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, daß Erhebungen auf Grund von Stichproben oder auch eine Kombination von Voll- und Stichprobenerhebungen die Volkszählung als Totalerhebung nicht zu ersetzen vermögen. So das Bundesverfassungsgericht.
Zusammengenommen tragen alle der besonderen Sicherung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dienenden Maßnahmen zu einem Höchstmaß an Datenschutz bei. Es ist allerdings auch nicht zu übersehen, daß für die ausführenden Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie für die Gemeinden und die von ihnen einzurichtenden Erhebungsstellen die vom Gesetz geforderten Sicherheitsvorkehrungen sicherlich eine ganze Reihe zusätzlicher Aufgaben für das Zählungsverfahren mit sich bringen. Aber angesichts der Bedeutung, die den Volkszählungsergebnissen zukommt, müssen alle Bemühungen von Bund, Ländern und Gemeinden darauf konzentriert werden, durch wirksame Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit die Einsicht in die Notwendigkeit der Volkszählung zu fördern, die Information über das, was tatsächlich erfragt werden soll, zu verbreiten, die Wirksamkeit der Datenschutzmaßnahmen nachzuweisen.
Meine Damen und Herren, ich will das zusammengefaßt noch einmal so ausdrücken: Die Volkszählung ist ja nun wirklich nicht ein Hobby der Bundesregierung, sondern sie dient wichtiger Daseinsvorsorge für die Bürger und für die Zukunftsplanung.
({3})
Früher als bei der Volkszählung 1983 werden deshalb vielfältige Informationsmaßnahmen auf allen Ebenen einzuleiten sein, die diesen Zielsetzungen wirklich dienen können. Nach Auffassung der Bundesregierung dürfte es sich jedoch empfehlen, das Gesetzgebungsverfahren, das ja jetzt intensiv vor uns steht, abzuwarten und in Kenntnis des tatsächlichen Gesetzesbeschlusses von Bundestag und Bundesrat dann intensiv mit den notwendigen Aufklärungsmaßnahmen zu beginnen. Dies erscheint auch deshalb geboten und zweckmäßig, weil der Innenausschuß des Deutschen Bundestages am 17. April 1985 eine Expertenanhörung durchführen möchte. In deren Verlauf können ja unter Umständen auch Vorschläge und Anregungen für den Gesetzgeber zur Modifikation des vorliegenden Regierungsentwurfs kommen.
Nach Einschätzung vieler Experten müßte es möglich sein, die Mitwirkungsbereitschaft der Bevölkerung wieder auf die Höhe früherer Volkszählungen zu bringen. Ich möchte von dieser Stelle aus alle Bürger in unserem Lande bitten, bei der Volkszählung und ihrer Vorbereitung mitzumachen; denn es geht um eine Initiative, die letztlich allen Bürgern in unserem Lande zugute kommen wird.
Vielen Dank.
({4})
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wernitz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es bei der Volkszählung um die Grundgesamtheit derer ginge, die jetzt im Plenum sitzen, wäre das ein relativ einfaches Problem.
({0})
- Es könnte auch schwieriger werden, unter Datenschutzgesichtspunkten; das ist richtig. Aber so ist es nicht. Dies aber nur am Rande.
Meine Damen und Herren, es war notwendig und sinnvoll, nach der Aussetzung der Volkszählung 1983 und dem Vorliegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 dieses Gesetz entsprechend den Maßstäben des Karlsruher Spruches umfassend zu überprüfen. Das Ergebnis dieser Überprüfung liegt nunmehr in Gestalt des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vor. Jetzt ist der Bundestag in erster Lesung am Zuge.
Die Volkszählung soll eine aktuelle, umfassende und zuverlässige Datenbasis für gesellschafts- und wirtschaftspolitische Planungen und Entscheidungen des Bundes, der Länder und Gemeinden und überdies die gesicherte Datenbasis für weitere statistische Untersuchungen, z. B. den Mikrozensus und weit darüber hinaus, liefern.
({1})
Auf den Stellenwert der Statistik für die Planmäßigkeit staatlichen Handelns, orientiert am Sozialstaatsprinzip, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil mehrfach und nachdrücklich hingewiesen. Das Karlsruher Urteil hat aber den Stellenwert der Statistik nicht nur allgemein unterstrichen, sondern dies auch in bezug auf die Volkszählung grundsätzlich und konkret getan, so z. B. mit dem Leitsatz, daß das vorgesehene Erhebungsprogramm des Volkszählungsgesetzes 1983 nicht zu einer mit der Würde des Menschen unvereinbaren Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit führt und daß es auch den Geboten der Normenklarheit und der Verhältnismäßigkeit genügt. Wer nach dem Volkszählungsurteil immer noch mit der Parole von der „Volksaushorchung" herumhantiert, muß sich den Vorwurf der versuchten Volksverdummung gefallen lassen. Ich sage dies in aller Klarheit und Eindeutigkeit.
({2})
Eine pauschale, undifferenzierte Ablehnung einer Volkszählung war zu keinem Zeitpunkt die politische Position der SPD. Die Sozialdemokraten haben sich vielmehr von jeher für eine planende und vorausschauende Politik eingesetzt. Eine solche Politik ist jedoch davon abhängig, daß die hierfür erforderlichen Daten zur Verfügung stehen. Datenerhebungen sind deshalb unerläßlich. Die Volkszählung ist bis heute ein prinzipiell weltweit anerkanntes und angewandtes Instrument, um die erforderlichen aktuellen, zuverlässigen Planungsdaten zu gewinnen.
Meine Damen und Herren, die schon in der Mikrozensus-Anhörung diese Woche andiskutierte Frage, ob und inwieweit Totalerhebungen mit Auskunftspflicht erforderlich sind, wird uns im Rahmen der öffentlichen Anhörung zum Volkszählungsgesetz am 17. April dieses Jahres noch einmal
I beschäftigen. Dabei wird es nicht nur um die Effektivität und Gleichwertigkeit alternativer Methoden der Informationsbeschaffung für den Sozialstaat gehen. Man muß auch die Probleme, Risiken und Schranken zur Kenntnis nehmen, die sich für die Wahrung der Persönlichkeitsrechte aus anderen Befragungsverfahren, z. B. Telefonabfrage, Abrufe von Daten aus verschiedenen Registern, ergeben können.
Im Mittelpunkt der geplanten Anhörung des Innenausschusses zum Volkszählungsgesetz dürften aber zwei andere Forderungen an den Gesetzentwurf stehen:
Erstens. Die Volkszählung muß unter konsequenter Beachtung des Datenschutzes - entsprechend den verfassungsrechtlichen Maßstäben und konkreten Vorgaben des Verfassungsgerichtsurteils - durchgeführt werden.
Zweitens. Die Volkszählung ist strikt auf den fachlich notwendigen Umfang zu beschränken.
({3})
Es ist unverkennbar, daß sich die Verfasser des vorliegenden Gesetzentwurfs zur Volkszählung 1986 ernsthaft bemüht haben, die Vorgaben des Karlsruher Urteils umzusetzen, wonach an die Datenerhebung und -verarbeitung für statistische Zwecke im Zusammenhang mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung besondere Anforderungen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts der auskunftspflichtigen Bürger zu stellen sind.
({4})
Diese Beachtung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe ist aber nicht nur ein wohl selbstverständliches Gebot verfassungskonformen Handelns, sondern zugleich auch ein Gebot der praktischen politischen Vernunft, wenn man das als notwendig und zweckmäßig eingeschätzte Instrument Volkszählung mit hinreichender Akzeptanz beim Bürger durchsetzen will.
Was die Wahrung der Datenschutzbelange angeht, kommt der Bewertung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz sicher erhebliches Gewicht zu. Dieser hat kürzlich darauf verwiesen, daß das Gesetz - bis auf ganz wenige Punkte von geringerer Bedeutung - einen geeigneten Rahmen schaffe, um den Datenschutz bei der Volkszählung zu gewährleisten.
In der weiteren parlamentarischen Detailberatung unter Einschluß der öffentlichen Anhörung werden wir den Gesetzentwurf noch einmal gründlich auf Herz und Nieren, d. h. auf seine volle Übereinstimmung mit den Anforderungen des Volkszählungsurteils prüfen und gegebenenfalls die erforderlichen weiteren Konsequenzen für den Gesetzentwurf zu ziehen haben. Ich habe mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß Herr Waffenschmidt für die Bundesregierung in diesem Punkt klar und eindeutig das erklärt hat, was im Grunde selbstverständlich ist, nämlich daß man offen ist für weitere Schlußfolgerungen und Konsequenzen, etwa jene, die sich aus der Anhörung ergeben. Aber
es ist atmosphärisch gut, wenn dies für die Verfahrensfrage von vornherein klar ist.
Ein besonderes Augenmerk wird bei der Anhörung auf die Frage zu richten sein, ob das Erhebungsprogramm mit allen seinen Einzeldaten im überwiegenden Allgemeininteresse wirklich unverzichtbar ist. Jedes einzelne Datum kommt auf den kritischen Prüfstand und muß hinsichtlich seiner Erforderlichkeit zwingend begründet sein. Das gilt auch für die Frage: Pflicht oder freiwillige Auskunft.
Wir hoffen, daß es mit diesem Verfahren gelingt, die Volkszählung auf den fachlich wirklich notwendigen Mindestumfang zu beschränken. Erst nach der Anhörung wird zu entscheiden sein, ob und inwieweit noch Reduzierungen am Datenkranz möglich und geboten sind. Auch mit dieser Verfahrensweise kann und muß aus sozialdemokratischer Sicht ein konstruktiver Beitrag zur Sicherung der Akzeptanz einer Volkszählung 1986 beim Bürger geleistet werden.
Wir Sozialdemokraten haben vor kurzem aus gegebenem Anlaß und mit guten Gründen vor einer Volkszählung mit heißer Nadel gewarnt. Solidität, Sorgfalt und Sensibilität müssen hier Vorfahrt vor Schnelligkeit haben.
Mit dieser Maßgabe werden wir Sozialdemokraten konstruktiv und zügig an die Beratung des Entwurfs gehen, wohlwissend, daß nichts in der Sache gewonnen ist, wenn die Einsicht der Bevölkerung in hinreichendem Umfang fehlt.
In diesem Sinne werte ich auch die Einlassung von Bundesinnenminister Zimmermann, daß er eine Volkszählung 1986 nur für machbar halte, wenn sie auch von der SPD in Bund und Ländern praktisch mitgetragen werde. Die Frage der Akzeptanz einer Volkszählung sollte aber nicht zwischen den demokratischen Parteien taktisch hin- und hergeschoben werden. Wie Meinungsumfragen zeigen, ist dies eine Frage und Aufgabe, die sich allen Parteien mehr oder weniger intensiv stellt. Deshalb ist ein entsprechender Umgang mit dem Thema, wie er eben dargestellt wurde, geboten.
Für eine bessere Akzeptanz der Volkszählung könnten Bundesregierung und Koalition eine Menge tun, wenn sie endlich ihre Novelle zum Bundesdatenschutzgesetz vorlegen würden.
({5})
Meine Damen und Herren, im Zuge der anstehenden parlamentarischen Beratungen in puncto Kostenteilung zwischen Bund und Ländern sollte es zu einer Klärung kommen. Sie ist noch nicht da, aber es wäre wünschenswert, daß dies noch im Rahmen der parlamentarischen Beratungen geschieht. Das Vermittlungsverfahren beim Volkszählungsgesetz 1983 hatte bekanntlich auch inhaltliche Regelungen gebracht, die datenschutzrechtlich problematisch waren. Ein vergleichbares Vorgehen darf es diesmal nicht geben. Ich sage dies schon präventiv und vorsorglich.
Ich komme zum Schluß. Wir Sozialdemokraten stimmen in der heutigen ersten Lesung dem Über9094
weisungsvorschlag zu und werden kritisch-konstruktiv an die Beratung des Entwurfs gehen. Unsere Zustimmung am Ende der parlamentarischen Beratungen kann und wird nur ein Gesetzentwurf finden, der in der Tat allen Anforderungen des Volkszählungsurteils und des Datenschutzes entspricht und gerecht wird.
Herzlichen Dank.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Broll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schnelligkeit ist nun bestimmt nicht das, was wir bei der Behandlung des Volkszählungsgesetzes im Bundestag der jeweiligen Regierung - damals Sie, jetzt wir - vorwerfen können. Ich kenne kein einziges Gesetz, das, seit ich dem Hause angehöre, so lange und immer wieder beraten worden ist wie dieses Volkszählungsgesetz.
({0})
Seit 1981 beschäftigen wir uns mit diesem Vorhaben. Das, was sich im Parlament und außerhalb des Parlaments im Zusammenhang mit der Volkszählung ereignet hat, hat manchen Gedanken aufkommen lassen. In einem Land von so großem Wohlstand wie unserem reduziert sich j a manchmal die Sorge um das tägliche Brot auf die Frage, ob man Kartoffeln mit dem Messer oder mit der Gabel zerkleinert. So hat sich, scheint mir, bei manchen der urmenschliche Trieb nach Freiheit in unserem liberalen und sozialen Rechtsstaat mit seinem außerordentlich großen Maß individueller Freiheit auf die Frage reduziert, ob sie wohl in 30 oder 40 Minuten den Fragebogen ausfüllen müßten oder nicht. Nun, wir können geradezu glücklich darüber sein, daß offensichtlich die existentiellen Probleme der meisten Menschen so sind, daß man sich mit diesen Dingen beschäftigen kann. Es gibt sicher in der Welt viele Länder und viele Millionen Menschen, die sehr viel ernstere, bedrängendere Sorgen sowohl hinsichtlich der Freiheit als auch hinsichtlich ihres Wohlstandes haben.
Meine Damen und Herren, das Verfassungsgericht hat die Volkszählung und die Statistik überhaupt mit einigen bemerkenswerten Sätzen gestützt. Es hat den damaligen Gesetzentwurf in drei Absätzen des § 9 für verfassungswidrig erklärt. Das waren die Absätze, die sich mit der Weitergabe von Einzelangaben an andere Stellen beschäftigt haben. Es hat darüber hinaus weitreichende Äußerungen zum Thema der Rechte des einzelnen und zum Thema des Datenschutzes gemacht, die uns im Bundestag noch jahrelang beschäftigen werden und die die Änderung vieler Gesetze, die sich mit Daten befassen, zur Folge haben werden. Daran arbeiten wir gerade.
Ich muß der Regierung bescheinigen, daß der jetzt vorliegende Entwurf zwar für das Vorhaben 1986 recht spät kommt, aber außerordentlich gründlich bearbeitet worden ist und nun so vorgelegt worden ist, daß ich ihn für eine sehr vernünftige Basis der Gesetzgebung halte. Ich erkläre hier im Namen der CDU/CSU-Fraktion, daß wir die Volkszählung durchführen wollen und alles tun werden, um die Volkszählung 1986 auch in die Tat umzusetzen.
Wir tun das erstens deswegen, weil wir damit einer Rechtsvorschrift der Europöäischen Gemeinschaft folgen, die bereits 1981 eine solche Volkszählung für uns wie auch in den anderen Ländern der Gemeinschaft verlangt hat. Wir tun es, weil wir wissen, daß die Volkszählung eine ganz wichtige Grundlage für jedwede politische Tätigkeit in unserem Lande ist, und weil wir wissen, daß die Volkszählung auch eine wichtige Basis all jener Statistiken ist, von denen wir wissen, daß sie die Menschen weniger belasten als die Totalerhebung der Volks-, Arbeitsstätten- und Wohnungszählung. Denn ohne eine gründliche Volkszählung - eine Totalerhebung, eine totale Kenntnis der Basis - ist eine Stichprobenerhebung oder auch eine freiwillige Erhebung mit spezielleren Fragestellungen wissenschaftlich nicht durchzuführen.
Darum also wollen wir die Volkszählung durchführen. Nach den Worten des Kollegen Wernitz habe ich die - sicher begründete - Hoffnung, daß auch die SPD-Fraktion bei diesem Vorhaben mitziehen wird, wenn auch aus der SPD sehr unterschiedliche Töne kommen. Der Oberbürgermeister von München, Kronawitter, schreibt uns Briefe und verlangt sehr genaue Angaben aus der Volkszählung; die Landesinnenminister der SPD haben von „Abspecken" und von viel zu vielen Fragen im jetzigen Entwurf gesprochen. Das ist ein Widerspruch,
({1})
den die SPD bei sich selbst klären wird. Aber sie wird ihn klären.
({2})
- Herr Dr. Vogel, Sie werden Ihr Teil dazu beitragen; es ist immer gut, wenn sich ein Vorsitzender in seinem Bereich durchsetzen kann.
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Meine Damen und Herren, wir brauchen die Volkszählung, die Kenntnis der Bevölkerung, der Arbeitsstätten und der Wohnungsverhältnisse, weil in einem modernen Staat unendlich viel vom Staat getan und geregelt wird. Es gibt kaum einen Bürger, der nicht an den Staat Abgaben leisten muß, etwa auf Grund der Kenntnisse, die wir von seinen Einkommensverhältnissen und von anderen Umständen haben, und der nicht andererseits Empfänger staatlicher Leistungen wäre, seien es direkte Subventionen, sei es Kindergeld, seien es Beihilfen jedweder Art, Steuerfreibeträge usw. All dies und auch direkte Investitionstätigkeit des Staates - etwa im Bereich der Bauwirtschaft - wäre sonst blanke Willkür, und wir müssen zugeben, es ist heute zum Teil Willkür, weil aus der Volkszählung 1970 letztlich nur Daten zur Verfügung stehen, von denen jeder weiß, daß sie die Realität von heute,
Broll
von 1985/86, absolut nicht mehr richtig widerspiegeln.
Deswegen ist manchmal die Frage zu stellen, ob diejenigen, die sich so kritisch gegen die Volkszählung als solche gewendet haben - ich unterscheide diese von denjenigen, die sich aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten mit der Art dessen, was wir wollten, auseinandergesetzt haben -, ob also diejenigen, die grundsätzlich gegen Zählungen sind, auch grundsätzlich dagegen sind, daß sie staatliche Leistungen bekommen. Ich kenne sehr viele, die sehr wohl fordern, aber nicht bereit sind, ihrerseits dem Staat Leistungen zu erbringen, und sei es nur die Unbequemlichkeit, einen Fragebogen ausfüllen zu müssen.
In Schweden, meine Damen und Herren, gibt es eine andere Art der Volkszählung oder der statistischen Erhebungen. Da gibt es 250 hauptamtliche Befrager, die ständig unterwegs sind. Es gibt zweitens in Schweden für die statistischen Ämter die Möglichkeit, aus allen vorhandenen Datenbeständen im Lande, bei den Finanzämtern, den Gesundheitsämtern, den Krankenhäusern, den Sozialverwaltungen, den Bildungsverwaltungen, den Schulen usw. jedweden Datensatz abzurufen, der dort vorhanden ist, sicher mit Kautelen, wie wir wissen, aber doch in einer Art von Zusammenführung, zumal dort Personenkennzeichen existieren, die wir bei uns nicht kennen, mit einer Möglichkeit der Zusammenführung von Daten, die wir alle hier im Hause, glaube ich, zu Recht nicht wünschen.
Um so mehr möchten wir und dürfen wir von den Bürgern erwarten, daß jene Akzeptanz, d. h. jene innere Bereitschaft besteht oder wächst, dem Staat das zu geben, was er braucht, um auf Grund genauer Kenntnis der Tatsachen, guter Kenntnis der Wirklichkeit vernünftige Politik machen zu können. Die Erfahrungen, die wir mit der Arbeitsplatzerhebung im Jahre 1984 gemacht haben, die ohne Schwierigkeit bei immerhin 0,4 % der Bevölkerung auf Grund einer EG-Verordnung durchgeführt worden ist, lehren uns, daß die Kampagne um die Volkszählung bei weitem nicht jene verheerenden Wirkungen gehabt hat, die von den Initiatoren gewünscht worden waren.
So hoffe ich, daß auch bei der kommenden Volkszählung die Bereitschaft der Bürger vorhanden ist, gemäß einem Gesetz, das, so streng wie möglich nach den Maßstäben des Verfassungsgerichts entworfen worden ist und über das wir ja noch weiter beraten werden, wahrheitsgetreu Angaben über Dinge zu machen, die nun wirklich nicht den Intimbereich des Menschen berühren, sondern nur Tatsachen sind, die zu den sozialen Umständen - so möchte ich einmal sagen - des Lebens des Menschen in unserer Gesellschaft gehören und die die Basis für die Kenntnis alles Weiteren sind.
Das Verfassungsgericht hat sich in diesem - in wörtlichem Sinne - sehr merkwürdigen Spruch vom 15. Dezember 1983 insbesondere mit der Weitergabe von Einzelinformationen beschäftigt und hat gesagt, an die Wissenschaft könne man Einzelangaben sehr wohl ohne bedeutende Kautelen vorsehen. Denn in der Wissenschaft sei Mißbrauch nicht möglich, da sei man ohnehin an dem einzelnen nicht so sehr interessiert. Bei den Gemeinden hingegen, wo wir in dem ersten Entwurf eine Weitergabe für möglich erklärt hatten, müsse man sehr vorsichtig sein. Dort bindet das Verfassungsgericht die Weitergabe von Daten an sehr strenge Bestimmungen. Man merkt daran, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Herren Richter in Karlsruhe sind weitgehend Professoren und nicht Gemeindebeamte.
Ich selbst bin weder das eine noch das andere. Darum neige ich und neigt meine Fraktion dazu, bei der Weitergabe grundsätzlich sehr vorsichtig zu sein. Da folgen wir, Herr Staatssekretär, Ihrem Vorschlag. Ich denke, daß wir, die Fraktionen dieses Hauses, mit der Regierung, dem Datenschutzbeauftragten, dem Präsidenten des Statistischen Bundesamtes und seinen Mitarbeitern vernünftig zusammenarbeiten werden, um ohne Hektik, aber doch mit dem vorgesehenen vernünftigen Tempo dieses Gesetz zu verabschieden, so daß die Volkszählung dann im nächsten Jahr stattfinden kann.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Reetz.
Liebe „Erhebungseinheiten und Auskunftspflichtige"! So werden wir alle vom Gesetz einschließlich des Herrn Präsidenten angesprochen. Die Bundesregierung hat mehr als ein Jahr gebraucht, um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 zu verdauen, das damals die Volkszählung stoppte. Heute beginnt aufs neue der Dialog zwischen dem nimmersatten Wolf, der seine Pfoten mit weißer Kreide bemalt, um nicht erkannt zu werden, und den Geißlein, die ihm die Tür öffnen sollen, damit er sie alle fressen kann.
({0})
„Verdatet, verdrahtet, verkauft" fühlt sich der Bürger, „Erfaßt, registriert, entmündigt" - das verstärkt seinen Widerstand. „Der Weg in den Überwachungsstaat" - ich nannte Ihnen drei Titel von Broschüren -, so sehen viele Bundesbürger diese neuerliche Ausfragung auf drei unterschiedlichen Bögen mit insgesamt mehr als zehn Blättern, dicht gedrängt und vollgepackt mit Fragen, die sie alle beantworten sollen. Die Obrigkeit, die diese mehrseitige Information haben will, sieht die Bürger als „Erhebungseinheiten und Auskunftspflichtige" an. Das ist das Politikverständnis der Regierungsverantwortlichen. So gehen Sie an grundsätzliche Fragen und gesellschaftliche Problembereiche, letztendlich an den Menschen heran.
Für die Bürger steht außer Zweifel, daß die technische Perfektion, die in Form des Computers diese Volkszählung bestimmt, alle zu gläsernen Menschen machen wird. Wovon leben Sie, wird gefragt. Überwiegend von Erwerbs- und Berufstätigkeit oder von Arbeitslosengeld, von eigenem Vermögen oder von Vermietungen und Verpachtungen? Damit sind die Einkommensverhältnisse durchleuchtet.
Hat ihre Wohnung eine Küche, eine Kochnische, Bad, Dusche, WC innerhalb der Wohnung? Ist die
Wohnung eine Freizeitwohnung? Denn für Wochenend- und Ferienwohnungen sind die Fragen natürlich ebenfalls zu beantworten. Das heißt, die Qualität der Behausung ist durchleuchtet.
Es geht weiter: Der Arbeitsstättenbogen ist eine wahre Orgie der Ausfragung; denn neben allgemeinen Angaben über die Arbeitsstätte will die amtliche Statistik auch sehr genau wissen, ob die hergestellten, erzeugten oder gewonnenen Güter oder Waren reparierte Waren, im Einzel- oder Großhandel gehandelte Waren, ob sie vermittelte Waren oder auch Dienstleistungen sind. Die Niederlassungsart und die Anzahl der in einer Firma tätigen Inhaber und Personen werden ebenso erfragt wie die Löhne und Gehälter, die Handwerkseigenschaften oder die Rechtsform der Unternehmen.
({1})
Arbeitsstätten im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sowie der Binnenfischerei werden bei der Arbeitsstättenzählung nur erfaßt, wenn für sie Gewerbe-, Umsatz- und Einkommensteuer relevant sind. Ich finde, das ist ein interessanter Querverweis auf die Verwendung der erhobenen Daten.
Ich denke mir, daß die Leute spätestens dann, wenn sie die umfangreichen verschiedenen Zählbögen in der Hand haben, von starkem Mißtrauen befallen werden, ob das alles wirklich noch als Volkszählung zu bezeichnen ist oder aber als Ausfragung; noch dazu dann, wenn der Gesetzgeber selbst unter den Hinweisen zu Zweck, Art und Umfang der Erhebung seine Eigenverantwortlichkeit mit folgender Erklärung zu leugnen sucht: „Eine Volkszählung wird entsprechend den internationalen Gepflogenheiten weltweit etwa alle zehn Jahre durchgeführt." Diese Art Volkszählung - entsprechend den internationalen Gepflogenheiten - kostet den Steuerzahler immerhin mehr als 1/2 Milliarde DM.
In Rühmanns legendärem Pennälerfilm „Die Feuerzangenbowle" beginnt der Physiklehrer seinen Unterricht mit der Frage: „Wat is en Dampfmaschin? Da stelle mer uns janz dumm." Und genauso dumm, finde ich, stellt sich offensichtlich die Bundesregierung bei ihrer Totalerhebung. Sie tut so, als ob soziale Mißstände wie Arbeitslosigkeit, knapper oder überteuerter Wohnraum, Studien- und Ausbildungsplatzmangel völlig unbekannt wären, obwohl sie doch auf Grund der ständigen Kürzungen im Sozialbereich bei gleichzeitiger Verschwendung von Steuergeldern für wirtschaftliche Prestigeobjekte oder Risikoinvestitionen, die vor allem Rationalisierungen bewirken, oder im Rüstungshaushalt oder für verdeckte Exportfinanzierung auf der Hand liegen.
Brauchen wir eine derart groß angelegte empirische Untersuchung, um die Zahl der leerstehenden Wohnungen zu ermitteln, während sich die Gemeinden diese Zahlen schon lange zusammengetragen haben, ehe sie nämlich ihre Bebauungspläne festlegten?
({2})
- Ich war in Offenburg im Gemeinderat und weiß das daher. - Würde man etwa die Zahl der Spekulanten vermindern, wenn man genau wüßte, wie viele Wohnungen in jeder Stadt leer stehen, ohne daß man bereit wäre, die notwendigen politischen Konsequenzen im Bereich des Boden- und Wohneigentumsrechtes zu ziehen? Mit den angeblich wertfreien Zahlen werden von den statistischen Ämtern kostenlos oder zu geringem Preis sehr schnell handfeste wirtschaftliche Interessen befriedigt, wie auch in der Anhörung zum Mikrozensus festzustellen war.
Das Volkszählungsgesetz dient vor allem dem Verwaltungsapparat. Dort glaubt man, die Wirklichkeit zu erfassen, indem man eine Unmenge von Informationen sammelt. Die Obrigkeit muß möglichst viele Daten über das Volk haben; dann kann über dessen weiteres Schicksal beraten und entschieden werden. Die repräsentative Demokratie tut sich schwer, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern politische Entscheidungen zu fällen, die auf vorheriger ausführlicher Informationshergabe durch die Verwaltung beruhen.
({3})
Volkszählung bedeutet auch Fremdbestimmung jedes einzelnen Mitglieds der Gesellschaft.
({4})
Ist denn nur ein einziger Fall bekannt, daß Volkszählung oder ähnliche Erhebungen in irgendeinem Land zu entscheidenden gesellschaftlichen Verbesserungen beigetragen hätten? Ansätze zur Verbesserung der Situation könnten dort entstehen, wo die Rechte der Bürger erweitert werden, z. B. die Einbeziehung der Bürger in Planungen und Entscheidungen, die Verbandsklage und, wie das Beispiel der USA zeigt, ein allgemeines Fragerecht an die Exekutive für jeden Bürger. Der amerikanische Freedom of Information Act beinhaltet die Pflicht, jedem Bürger Akten der Verwaltung, mit datenschutzrechtlich bestimmten Ausnahmen, jederzeit zur Einsicht vorzulegen. Ein solches Informationsgesetz für die Bundesrepublik würde den Bürgern und Bürgerinnen Daten liefern, die es ihnen ermöglichten, ihre demokratischen Rechte mit Sachkenntnis wahrzunehmen.
({5})
Der Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung in der öffentlichen Verwaltung führt dazu, daß die Notwendigkeit der Datenhergabe und die Verwendung der Informationen für den einzelnen immer undurchschaubarer werden. Wenn er jedoch resigniert und sein Widerstand erlahmt, dringt der Staat in immer noch mehr Bereiche ein, um ihn zu entmündigen.
({6})
Schon 1978 stellte der Kasseler Professor Jürgen Reese im Rahmen einer dreibändigen Bestandsaufnahme der Wirkungsforschung im Bereich Informationstechnologie fest:
Bisherige Beobachtungen und Analysen lassen vermuten, daß die im staatlichen Bereich eingesetzten neuen Techniken zu einer ernsthaften Gefährdung der Demokratie führen. Insbesondere ist zu befürchten, daß der Staat verstärkt zu Formen der Aufgabenerledigung übergeht, die eine steigende politische Entfremdung und soziale Kontrolle erwarten lassen.
Eine solchermaßen problematische Form der politischen Aufgabenerledigung ist in unseren Augen durch die geplante Volkszählung und ähnliche umfassende statistische Datenerhebungen gegeben. Daher lehnen wir ein die Bürger entmündigendes und bevormundendes Instrument wie die Volkszählung ab und fordern statt dessen verstärkte Informations- und Mitwirkungsmöglichkeiten für Bürger und Bürgerinnen bei staatlichen Planungs und Entscheidungsprozessen.
({7})
Die Volkszählung ist unnötig; nicht der Staat muß alles von den Bürgern wissen, sondern die Bürger müssen alles vom Staat wissen.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe sowohl meine Probleme mit dem, was Frau Reetz gesagt hat, als auch mit Teilen der Bemerkungen meines verehrten Kollegen Broll.
Frau Reetz, ich komme mit Ihnen nicht zurecht. Aus Ihren Anmerkungen bei der Anhörung zum Mikrozensusgesetz mußte ich entnehmen, daß Sie das Frageprogramm gern erweitern möchten, daß Ihnen die Fragen nicht ausreichten, und hier wollen Sie etwas eindämmen, etwas verringern. Wenn ich Ihre Andeutungen dort richtig verstanden habe, haben Sie dort lebhaft beklagt, daß soundsoviele Daten über die Lebenssituation der Bürger nicht erfaßt würden. Ich kann auch nicht verstehen, daß Sie auf der einen Seite hier Fragen nach den Wohnungsstrukturen beklagen und auf der anderen Seite die staatliche Wohnungsbaupolitik als unzureichend bemängeln. Ich habe in dem größten Bundesland fünf Jahre lang die Wohnungsbaupolitik verantwortet. Ich sage Ihnen, daß es in höchstem Maße problematisch war, vernünftige Wohnungsbauprogramme aufzustellen und die Finanzierung dafür, die Konditionen in Ordnung zu bringen, wenn man nicht exakt weiß - wir wußten es nicht -, wie die Wohnungssituation der Bürger tatsächlich ist.
({0})
Zu Ihrer Bemerkung, daß das die Gemeinden bei der Bauplanung wüßten, muß ich sagen: Sie sind offenbar nie in dem Rat einer Gemeinde gewesen. Das ist pure Unkenntnis. Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen.
Herr Kollege Broll, nun komme ich zu Ihnen. Sie haben zweifellos recht mit der Bemerkung, daß in vielen Ländern dieser Erde die Freiheit der Menschen in gravierendem Maße und in einer Weise beeinträchtigt wird, die in keinem Verhältnis zu unserem Problem bei der Volkszählung steht. Das ist ein Punkt, über den wir bei der fairen Behandlung des Asylrechtes miteinander streiten müssen.
Aber ich bin nicht bereit, den Wunsch der Bürger nach der Bewahrung ihrer Privatsphäre als eine - ich sage einmal - liebenswürdige Arabeske unserer Gesellschaft zu betrachten. Das Volkszählungsurteil sagt mit Recht - es wirft eine Reihe von Punkten auf, über die wir relativ leicht hinweggegangen sind -, daß es eben nicht die Verpflichtung des Bürgers sein kann, jede staatliche Neugier zu befriedigen, sondern daß es dazu eines vernünftigen Gesetzes bedarf, daß die Fragen angemessen und sinnvoll sein müssen und daß der Bürger darauf vertrauen können muß, daß seine Anonymität bei der Antwort gewahrt bleibt. Das ist nicht nur eine Frage unserer Verfassung, sondern übrigens auch - beglückenderweise, möchte ich sagen - der angewandten Vernunft, weil richtige statistische Ergebnisse mit den Mitteln des Zwanges nie erhoben werden können, weil, wenn sich Menschen in großem Umfang verweigern oder einfach falsche Antworten geben, weil ihnen das Unternehmen nicht paßt, natürlich jeder staatliche Zwang versagt. Wir müssen mehr auf die Zusammenarbeit mit dem Bürger bauen.
Ich finde das Volkszählungsurteil in der Tat nicht nur sehr lesenswert, nicht nur sehr beachtenswert, sondern es ist die kontinuierliche Fortentwicklung einer langen Rechtsprechung zum Persönlichkeitsrecht in unserer Verfassung, also nicht, wie manche glauben oder darstellen, ein Ausrutscher einiger weltfremder Professoren. Es ist die Fortsetzung einer langjährigen, sich an vielen Einzelfällen entwickelnden Rechtsprechung mit dem Ziel, dem Bürger eine unantastbare Privatsphäre zu sichern. Das ist vernünftig, richtig und sollte von uns auch ernstgenommen werden.
Nun haben wir bei diesem Gesetzentwurf wirklich alles getan, was uns das Verfassungsgericht aufgegeben hat. Alle wesentlichen Punkte in der Technik sind, denke ich, in Ordnung. Es sind auch Folgerungen gezogen worden, die über dieses einzelne Gesetz hinausgehen. Ich denke, daß zum Beispiel mit der äußersten Beschränkung der Auskunftspflicht gegenüber dem Zähler oder dem Interviewer, die es dem Bürger ermöglicht, seine Antworten auch schriftlich zu geben, also nicht demjenigen antworten zu müssen, der ihm an der Haustür gegenübersteht, ein Grundsatz normiert wird, den man bei anderen statistischen Erhebungen genauso wird beachten müssen. Oder ich denke an die Trennung der statistischen Hilfsmerkmale, die der Durchführung einer Befragung dienen, und der Erhebungskriterien, der Merkmale, die man erfragen will. Diese Trennung ist für die Sicherung der Anonymität ganz wichtig. Die Trennung, die getrennte Aufbewahrung, das Vorschreiben fester Löschungsfristen, - alles das sind Grundsätze, die über das Volkszählungsgesetz hinausgehen und bei anderen
statistischen Gesetzen berücksichtigt werden müssen. Also, das ist machbar.
Bei der politischen Problematik stoßen wir nach meinem Eindruck auf zwei ernstere Probleme. Das eine ist die weit verbreitete Skepsis gegen Statistiken überhaupt und der Eindruck, daß es davon zu viele gibt. Das steht dann unter dem Motto: Ich glaube nur der Statistik, die ich selber gefälscht habe. In der Tat halte ich die Statistikgläubigkeit für nicht unproblematisch. Ich teile den Eindruck, daß es zu viele Statistiken gibt. Ich denke, daß wir größere Anstrengungen unternehmen müssen, den Wildwuchs an Befragungen zu begrenzen, auch den Fragenkatalog auf wirkliche Notwendigkeit zu durchforsten.
({1})
Das zweite Problem ist die Lust mancher Bürger, ihr Unbehagen an der Kompliziertheit, an der Undurchschaubarkeit der staatlichen Verwaltung, auch ihre Kritik an der Unfreundlichkeit, mit der ihnen die staatliche Verwaltung gelegentlich gegenübertritt, bei Gelegenheit der Volkszählung durch Verweigerung oder durch falsche Antworten abzureagieren, wohl wissend, daß die staatlichen Zwangsmittel dann, wenn viele so reagieren, nur einen begrenzten Nutzen haben.
Darum muß man ganz klar sagen, daß wir bei solchen Erhebungen entschieden den Weg in die Freiwilligkeit gehen wollen, soweit das irgend möglich ist. Bei dem Mikrozensusgesetz machen wir j a einen bemerkenswerten Einstieg in diese Richtung. Ich denke, daß das notwendig ist, weil wir den Bürger überzeugen müssen, daß die Fragen, die er beantworten muß, sinnvoll und vernünftig sind. Unsere Hemmungen, die Freiwilligkeit sofort einzuführen, signalisieren ja gleichzeitig den Zweifel daran, ob es uns gelungen ist, beim Bürger die Überzeugung zu erwecken, daß wir nicht aus purer Lust, aus Beherrschungsgier, aus Profitdenken, aus Verglasungsinteressen - oder welche finsteren Mächte beschworen werden mögen -, also nicht aus purer Lust und Tollerei Fragen stellen, sondern um die Chance der Rationalität politischer Entscheidungen zu erhalten. Jeder, der an einer rationalen Politik interessiert ist, muß die Durchführung der Volkszählung wollen.
Wir werden diesen Weg in die Freiwilligkeit nicht mit einem Schlage vollziehen können. Es wird sich vielmehr um einen Prozeß handeln, der Zeit in Anspruch nehmen wird. Wir werden diesen Weg aber gehen müssen, und wir wollen ihn gehen. Unsere Bitte an den Bundesrat, also an die Länder und Gemeinden, bei der weiteren Beratung ist, nicht durch zusätzliche Forderungen die Akzeptanz zu erschweren. Unsere Vorstellung auch im Rahmen dieses Hauses, unser Appell an den Innenminister geht natürlich dahin, sich nicht nur der technischen Seite der Durchführung zu widmen, sondern das Äußerste zu tun, um die Überzeugung von der Notwendigkeit der Volkszählung zu verbreiten. Es sollte also nicht mit dem Schwert der Ordnungswidrigkeit gedroht, sondern die Mitarbeit der Bürger gewonnen und die Überzeugung verbreitet werden, daß wir ihre Hilfe brauchen, nicht um des Staates willen, sondern um unserer Gemeinschaft willen, weil wir in unserer Gesellschaft nicht als eine Horde von Robinsons leben, bei denen keine Vergesellschaftung ihrer Interessen stattfindet. Diese Vergesellschaftung ist gegeben. Wir leben zusammen, und wir brauchen die Zusammenarbeit der Bürger, um nicht nur emotionale Entscheidungen zu treffen, sondern wenigstens die Chance zu haben, rational richtige politische Entscheidungen zu treffen.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 10/2814 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß, zur Mitberatung an den Rechtsausschuß, den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie zur Mitberatung und zur Beratung gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Gibt es weitere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates angenommen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Dreißigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes
- Drucksache 10/1015 Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({0})
- Drucksache 10/2846 Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Nöbel
({1})
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 5 sowie Einleitung und Überschrift mit der vom Ausschuß empfohlenen Änderung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Vizepräsident Stücklen
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
- Drucksache 10/955 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit ({2})
- Drucksache 10/2836 Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Schoppe
({3})
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift des Gesetzes auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe die Punkte 7 und 8 der Tagesordnung auf:
7. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({4})
Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages
- Drucksache 10/2870 Berichterstatter: Abgeordneter Louven
8. Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({5})
Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages
- Drucksache 10/2871 Berichterstatter: Abgeordneter Louven
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse über die Beschlußempfehlungen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf den Drucksachen 10/2870 und 10/2871 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe die Punkte 9 bis 11 der Tagesordnung auf:
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Sprengstoffgesetzes
- Drucksache 10/2621 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({6})
Ausschuß für Wirtschaft
10. a) Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Bundes- Seuchengesetzes
Drucksache 10/2254 -
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des BundesSeuchengesetzes ({7})
- Drucksache 10/2709 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
11. Erste Beratung des von dem Abgeordneten Dr. Jannsen und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes
- Drucksache 10/2776 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({8}) Innenausschuß
Rechtsausschuß
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 10/2621, 10/2254, 10/2709 und 10/2776 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor. Gibt es weitere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Es wird so verfahren, wie die Vorschläge auf der Tagesordnung ausgedruckt sind.
Ich rufe den Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses ({9}) zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung zum Koalitionsrecht der Angehörigen der Streitkräfte
- Drucksachen 10/1371, 10/2756 Berichterstatter:
Abgeordnete Jungmann Frau Krone-Appuhn
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Vizepräsident Stücklen
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Verteidigungsausschusses auf Drucksache 10/2756 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist die Beschlußempfehlung mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe den Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({10}) zu der Verordnung der Bundesregierung
Aufhebbare Vierundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - Drucksachen 10/2362, 10/2812 Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Graf Lambsdorff
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 10/2812 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen ist die Beschlußempfehlung angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Abgeordneten Drabiniok und der Fraktion DIE GRÜNEN
Transport von dioxinhaltigen Abfällen aus der Pentachlorphenol-Produktion der Firma Dynamit-Nobel, Rheinfelden
- Drucksache 10/2920 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuß ({11})
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Verkehr
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Antrag auf Drucksache 10/2920 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit und den Ausschuß für Verkehr zu überweisen. Gibt es weitere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Es ist damit so beschlossen wie interfraktionell vorgeschlagen.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 14 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt.
Ich unterbreche die Sitzung.
({12})
Meine Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung.
Wir kommen zum Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
- Drucksache 10/2914 Zuerst steht an der Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Probst zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Schreiner auf:
Welches sind die Gründe dafür, daß von den ca. 2 Milliarden DM Unterstützungsleistungen des Bundesministeriums für Forschung und Technolgie für Großforschungszentren keinerlei Mittel in das Saarland fließen und gleiches für die Fördermittel der vom Saarland mit ca. 6 Millionen DM mitfinanzierten Max-Planck-Gesellschaft gilt, deren Haushalt ca. ein Milliarde DM beträgt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident, die Frage 1 des Herrn Kollegen Schreiner beantworte ich wie folgt:
Im Saarland befinden sich keine Großforschungseinrichtungen und auch kein Institut der MaxPlanck-Gesellschaft. Aus diesem Grunde können keine Haushaltsmittel des Bundes für die genannten Einrichtungen in das Saarland fließen. Das Saarland ist jedoch Sitz eines renommierten Fraunhofer-Institutes, das zu 90 % vom Bund finanziert wird. Das entspricht 1985 11,5 Millionen DM Betriebsmitteln und 2,3 Millionen DM Investitionsmitteln.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß das Saarland, bezogen auf die Zuweisung von Bundesforschungsmitteln, auf Rang 10 der Bundesländer steht, und würden Sie meine Einschätzung bestätigen können, wonach es vor dem außerordentlich prekären arbeitsmarktpolitischen Hintergrund im Saarland geradezu widersinnig ist, zukunftsorientierte Forschungsmittel in diesem Maße nach hinten zu verweisen?
Es ist außerordentlich schwer, bei den Forschungsmitteln eine globale Beurteilung vorzunehmen; eine derartige hat in unserem Hause nie stattgefunden. Es gibt ja Projektmittel, und es gibt institutionelle Mittel. Wir könnten diese Prüfung vornehmen. Ich habe die Zahlen nicht hier. Insofern kann ich Ihnen nicht bestätigen, was Sie behaupten.
Als zweite Frage schnitten sie an, ob man nicht Forschungsmittel gerade in den Bereich wirtschaftlich schwieriger Regionen bringen muß. Im Augenblick werden Forschungsmittel in strukturschwachen Bereichen, wo der Innovationsprozeß nicht stattgefunden hat, nicht helfen können. Das ist ja ein mittel- bis langfristiger Prozeß. Ich bestätige Ihnen ausdrücklich, daß ein hoher Stand der technologischen Entwicklung natürlich am ehesten Aussichten bietet, wirtschaftlich etwas abzuwerfen.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie ausgeführt,
daß der mangelhafte Zufluß von Bundesforschungsmitteln insbesondere auch dadurch zu erklären ist, daß es im Saarland kein Großforschungsprojekt gibt. Meine Zusatzfrage: Könnten Sie mir erläutern, nach welchen Kriterien die Standortauswahl im allgemeinen für Großforschungsinstitute und Großforschungsprojekte vonstatten geht, und könnten Sie mir im besonderen erklären, warum das Saarland bei dieser Standortfindung bislang draußenvor geblieben ist?
Vorab ist zu sagen, daß Forschungspolitik kein Mittel der Regionalpolitik sein kann. Beim finanziellen Engagement des Bundes zählt lediglich das Kriterium der Qualität, nicht das der Regionalität, soweit es sich eben um Forschungsqualität handelt. Dies schließt jedoch nicht aus, daß bei gleicher Qualität auch regionalpolitische Erwägungen einmal den Ausschlag geben können. Die institutionelle Beteiligung des Bundes an bestehenden Forschungseinrichtungen oder auch die Neugründung von Forschungseinrichtungen zusammen mit einem Land wird nur dort geschehen, wo ein entsprechend wissenschaftlicher Grundstoff und das dazugehörende Umfeld vorhanden sind.
Daneben ist die überregionale Bedeutung der Forschungseinrichtungen ein weiteres Kriterium, denn Forschungseinrichtungen wirken ja nicht nur auf einen engen Kreis, sondern immer auf einen weiten. Standorte von neuen Instituten der MaxPlanck-Gesellschaft oder auch der Fraunhofer-Gesellschaft
({0})
werden von deren Gremien im Rahmen ihres Entscheidungsspielraums autonom festgesetzt. Dabei werden neben wissenschaftlichen Gesichtspunkten auch regionale Aspekte einbezogen.
({1})
Zusatzfrage des Abgeordneten Brück.
Herr Staatssekretär, ist es ein Ergebnis der von Ihnen unterstützten Forschung, daß Sie in der Lage sind, auf eine Zusatzfrage eines Kollegen hier aus dem Plenum eine Antwort bereits vorzulesen, also eine Antwort, die vorher aufgeschrieben war?
({0})
War das eine Frage, Herr Kollege?
({0})
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Fischer ({0}).
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, daß an der Saar sehr wohl das forschungspolitische Umfeld vorhanden ist durch die saarländische Universität? Und dann hätte ich von Ihnen gern gewußt, welche Anträge die saarländische Landesregierung an das BMFT gestellt hat, damit sich Bundesforschungsinstitute an der Saar ansiedeln können.
Zunächst einmal ist in letzter Zeit kein neues Großforschungsinstitut des Bundes gegründet worden. Also ist es nicht möglich, das an der Saar anzusiedeln. Ich habe ausgeführt, daß die Max-Planck-Gesellschaft autonom ist. Ein Fraunhofer-Institut befindet sich ohnehin im Saarland. Die Frage stellt sich nur für solche Großforschungseinrichtungen, die neu gegründet werden. Da derzeit ein solches nicht neu gegründet wird, gibt es allenfalls im kleineren Bereich Möglichkeiten der Forschungsförderung, und hier werden konkrete Vorstellungen der Landesregierung derzeit in unserem Haus geprüft.
Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir in der Annahme überein, daß es durchaus ein politisch begründbares Nord-Süd-Gefälle in der Vergabe von Forschungsmitteln gibt?
Ich stimme mit Ihnen nicht überein, daß es ein politisch motiviertes Gefälle gibt.
Wir kommen jetzt zu der Frage 2 des Herrn Abgeordneten Schreiner:
In welchem Umfang - auch im Vergleich mit anderen Großunternehmen - und mit welcher Zweckvorgabe erhält „Arbed-Saarstahl" unterstützende Mittel durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie, und welches sind die Hauptkriterien des Ministeriums bei der Vergabe beantragter Forschungsunterstützung mit dem Ziel der Weiterentwicklung industrieller Produktion?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Die Arbed-Saarstahl GmbH erhielt vom Bundesministerium für Forschung und Technologie bisher für 17 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben Zuwendungen in Höhe von insgesamt 20,7 Millionen DM. Voraussetzung für die Bewilligung dieser Zuwendungen war in jedem Einzelfall eine positive Begutachtung der Forschungs- und Entwicklungsvorhaben durch Sachverständige. Die Zuwendungen wurden aus Mitteln des Sonderprogramms Eisen- und Stahlforschung gewählt. Ziel der Vorhaben sind bzw. waren die Modernisierung von Anlagen und neue Verfahren der Stahlherstellung, die Verbesserung der Qualität von Stahlwerkstoffen und -produkten, die Verringerung der Herstellungskosten und die Steigerung der Produktivität, optimale Nutzung von Rohstoffen und Energie sowie Verwertung von Rest- und Abfallstoffen.
Unter Beachtung des EG-Subventionskodexes enden alle Vorhaben spätestens am 31. Dezember 1985. Eine Verlängerung ist ebenso ausgeschlossen wie die Bewilligung neuer Vorhaben aus diesem Sonderprogramm.
Ein Vergleich zu anderen Großunternehmen ergibt sich aus dem veröffentlichten BMFT-Förderungskatalog.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiner.
Herr Staatssekretär, Gegenstand meiner Frage war ausdrücklich die Bitte, mir Auskunft zu geben, in welcher Rangfolge im Vergleich zu anderen Großunternehmen die Forschungsmittel des Bundesforschungsministeriums an ArbedSaarstahl geflossen sind. Meine nachträgliche Bitte ist, mir dies doch nun mitzuteilen. Würden Sie im übrigen - dies als ergänzende Frage - meine Einschätzung teilen können, daß die Form der Antwort, die Sie soeben bei einer meiner Zusatzfragen gefunden hatten, an Zauberei grenzt, da ich Ihnen meine Zusatzfrage vorher nachweislich nicht mitgeteilt hatte?
Erstens. Eine Rangliste können wir Ihnen aus Gründen des Datenschutzes nicht aufstellen, aber es gibt einen veröffentlichten Förderkatalog, in dem die Zahlen enthalten sind.
({0})
Zweitens. Sie müssen es mir überlassen, wie ich die Fragen beantworte. Da es bei dieser Frage selbstverständlich um Auswahlkriterien geht, wie Forschungseinrichtungen gegründet werden, haben wir diese Kriterien ganz korrekt formuliert, noch einmal überprüft und zusammengestellt. Das habe ich Ihnen vorgelesen, damit Ihre Frage ganz präzis beantwortet ist.
({1})
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner.
Ich hatte darum gebeten, mir mitzuteilen, ob mein Eindruck richtig sei, daß Ihre Fähigkeit, auf meine mündlich vorgetragenen Zusatzfragen hier schriftlich präparierte Antworten zu verlesen, offenkundig an Zauberei grenze. Denn wie anders ist es zu erklären, daß Sie in der Lage sind, auf mündliche Zusatzfragen von mir, ohne daß ich vorher diesbezüglich auch nur einen Satz schriftlich formuliert hätte, solche schriftlichen Antworten zu verlesen? Offenkundig ist die Regierung im Besitz eines Zaubermittels, das sie in die Lage versetzt, das Gehirn eines Abgeordneten auszuforschen.
Herr Kollege, es ist jetzt keine Debatte, auch keine magische Stunde, sondern eine Fragestunde.
Herr Kollege, ich verfüge nicht über Kräfte der Zauberei. Es sind ganz logische Überlegungen, die zu einer Vorformulierung führen.
({0})
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Brück. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bitte erklären, wieso es gegen den Datenschutz verstößt, eine Rangfolge der Höhe der Forschungsmittel aufzustellen, wieso es aber nicht gegen den Datenschutz verstößt, die Höhe der Forschungsmittel selbst zu veröffentlichen, so daß sich jeder, der sich das durchsieht, diese Rangfolge selbst aufstellen kann, oder ist das nur Bequemlichkeit von Ihnen?
Es ist nicht Bequemlichkeit,
({0})
sondern es sind die Ergebnisse einer juristischen Prüfung in unserem Hause. Es wäre für uns ja kein Problem, diese Aufstellung zu machen, wenn es rechtlich ginge.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Fischer.
Herr Staatssekretär, können Sie einmal die Höhe der Forschungsförderung für Arbed-Saarstahl 1985 angeben, und zwar im Vergleich mit der in den zurückliegenden Jahren?
Herr Kollege, das kann ich nicht. Ich habe Ihnen die Gesamtsumme genannt. Aber ich bin gerne bereit, Ihnen diese Zahl nachzureichen; ich habe sie nur nicht hier.
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Probst für die Beantwortung der Fragen.
Ich komme nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht uns die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Karwatzki zur Verfügung.
Die Fragen 3 und 4 werden auf Wunsch des Fragestellers, des Abgeordneten Kuhlwein, schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Dann kommen wir zur Frage 5 des Abgeordneten Fiebig:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Präsident des Bundesgesundheitsamtes, Herr Professor Dr. Überla, seit 1976 ununterbrochen bis heute „aktives" Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft ist und für diese Kommission gegen Honorar gutachtlich solche Präparate beurteilt, die bei dem Bundesgesundheitsamt zugelassen sind; wenn ja, sieht die Bundesregierung hierin keine Interessenkollision bzw. einen Verstoß gegen die Schweigepflicht eines Beamten?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Fiebig, der Bundesregierung ist bekannt, daß Professor Überla Mitglied der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft - Fachausschuß der Bundesärztekammer - ist. Seine Funktion im Vorstand hat er vor Übernahme des Amtes
des Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes niedergelegt.
Gegen die Mitgliedschaft des Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes in wissenschaftlichen Gesellschaften sind Einwendungen nicht zu erheben. Dies habe ich auch in der Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages am 6. Februar 1984 zum Ausdruck gebracht.
Es trifft nicht zu, daß Professor Überla gutachterlich gegen Honorar für die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft Präparate beurteilt, die beim Bundesgesundheitsamt zugelassen sind. Vor seinem Amtsantritt hat er mehrmals, erstmals 1974, Gutachten in der Angelegenheit Legalon abgegeben. Das Ergebnis war für das Präparat negativ.
Bei einer erneuten Stellungnahme Mitte 1984 handelte es sich um eine Aufarbeitung dieses alten Gutachtens. Professor Überla hat für diese Stellungnahme kein Honorar erhalten. Dieses Präparat wurde 1969/70 registriert; es ist nicht zugelassen. Die Bundesregierung sieht in diesem Vorgang weder eine Interessenkollision noch eine mögliche Verletzung der Schweigepflicht eines Beamten. Es waren keine Zulassungsunterlagen zum genannten Präparat vorhanden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Fiebig.
Frau Staatssekretär, Sie erinnern sich sicherlich noch an unsere letzte freundliche Auseinandersetzung über die Nebentätigkeiten des Herr Präsidenten Überla, wie sie sich an Hand des Vorlesungsverzeichnisses der Universität München nachweisen lassen. Frau Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Herr Präsident Überla im Bundesgesundheitsamt den Spottnamen „DiMiDo"-Präsident hat?
({0})
Zu Ihrer Übersetzung: Dienstag-Mittwoch-Donnerstag-Präsident.
({1})
Also, Herr Kollege, wir können das hier natürlich noch 85mal miteinander erörtern; vielleicht erheitern wir damit auch einige der Kollegen. Nur, „DiMiDo" ist nichts Neues; das konnten wir j a in allen veröffentlichten Meinungen nachlesen.
Es trifft aber nicht zu, daß der Präsident nur dienstags, mittwochs und donnerstags in Berlin ist.
({0})
- Liebe Kollegen, ich habe das - im Protokoll des Rechnungsprüfungsausschusses nachzulesen - ganz differenziert dargelegt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Krizsan.
Frau Karwatzki, sehen Sie nicht eine Interessenkollision darin, daß jemand. der vorher aktives Mitglied der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft war, jetzt Präsident des Bundesgesundheitsamts ist? Meinen Sie nicht, daß man für einen solchen Posten jemanden hätte benennen können, der etwas weniger vorbelastet ist?
Herr Kollege, zu der ersten Teilfrage sage ich ein klares Nein. Zu der zweiten Frage muß ich sagen: Sie müßten eigentlich unsere Vorgänger befragen, denn die haben Professor Überla eingestellt.
Herr Abgeordneter Fiebig zu einer zweiten Zusatzfrage.
Wir haben eben von Herrn Staatssekretär Probst Ausführungen über den Datenschutz gehört. Wie vereinbaren sich denn die Nebentätigkeiten des Herrn Präsidenten Überla mit dem Thema Datenschutz, Frau Staatssekretär?
Soweit er Nebentätigkeiten hat, die nach dem Beamtenrecht anmeldepflichtig sind, ist das erfolgt. Alle übrigen ehrenamtlichen Tätigkeiten, die der Präsident ausübt, sind nicht genehmigungspflichtig und haben von daher mit dem Datenschutz nichts zu tun.
Wir kommen zur Frage 6 des Abgeordneten Fiebig:
Trifft es zu, daß der Geschäftsführer der Firma Staticon in 8032 Gräfelfing, Herr Dr. med. Heinz Letzel, 1983 und 1984 je einen Betrag von 62 000 DM und 98 000 DM durch Entscheidung des Präsidenten des Bundesgesundheitsamtes erhalten hat, wenn ja, für welche Forschungsvorhaben?
Bitte schön, Frau Staatssekretär.
Herr Kollege Fiebig, die Firma Staticon hat 1983/84 einen Betrag von 62 577 DM für das Vorhaben „Entwicklung eines Systems zur Datenvalidisierung und zum Datentransfer im Rahmen des Drug Monitoring" sowie 98 411 DM für ein Vorhaben „Erstellung eines Studienprotokolls für die Untersuchung unerwünschter Wirkungen bestimmter Cephalosporine" erhalten.
Die Mittelvergabe wurde dem generellen Vorgehen entsprechend durch das für die Bewirtschaftung zuständige Institut vorbereitet und dem Präsidenten vorgelegt.
Das Haushaltsreferat war zur Kontrolle eingeschaltet; der Präsident hat die Vergabe gebilligt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Fiebig.
Ist die Bundesregierung bereit, die Vergabepraxis des Bundesgesundheitsamts in bezug auf Forschungsmittel insgesamt unter dem Gesichtspunkt zu überprüfen, daß Herr Präsident Überla doch wohl recht eigenmächtig vorgeht?
Herr Kollege Fiebig, nach unserem und insbesondere auch meinem Erkenntnisstand, den ich mir zur Vorbereitung
der Diskussion im Rechnungsprüfungsausschuß
angeeignet habe, gibt es dafür keine Veranlassung.
Wir sind damit am Ende des Fragenbereichs des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit. Ich danke der Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte zur Verfügung. Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Bindig auf:
Kann die Bundesregierung angeben, wie viele Ultraleichtflugzeuge mit und ohne Kennzeichen in der Bundesrepublik Deutschland in Betrieb sind, und wie schätzt die Bundesregierung die weitere Bestandsentwicklung für Ultraleichtflugzeuge ein?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, zur Zeit sind etwa 680 Ultraleichtflugzeuge in das Verzeichnis eingetragen, das von anerkannten Verbänden geführt wird. Die Anzahl der Ultraleichtflugzeuge ohne Kennzeichen, der sogenannten Schwarzflieger also, ist unbekannt.
Eine erhebliche Zunahme ist angesichts der Erfahrungen mit der vergleichbaren Zuwachsrate bei Motorseglern nicht zu erwarten.
Zusatzfrage des Abgeordneten Bindig.
Da es Hinweise auf erhebliche Dunkelziffern gibt: Wie bemüht sich denn die Bundesregierung, zu erheben, wie viele ohne Kennzeichen herumfliegen?
Herr Kollege, wir arbeiten in dieser Frage mit dem Deutschen Aero Club und dem Deutschen Ultraleichtflug-Verband zusammen. Wir gehen eigentlich davon aus, daß diese anerkannten Verbände eine Übersicht über das haben, was in der Luft passiert.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Bindig.
Herr Staatssekretär, sollte nicht auch in diesem Bereich der Grundsatz gelten „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" und deshalb der Versuch unternommen werden, nicht nur von den beteiligten Verbänden, sondern auch von anderen zu erheben, wieviel solcher Ultraleichtflugzeuge existieren?
Herr Kollege, ich nehme diese Fragestunde gern zum Anlaß, mit den genannten Verbänden Kontakt aufzunehmen. Wie Sie wissen, gibt es aber auch eine Kennzeichnungspflicht, um zu ermöglichen, daß die Schwarzfliegerei ausscheidet. Vielleicht können wir deshalb auch mit den Flughäfen zu einer zusätzlichen Erkenntnis kommen. Ich will mich darum bemühen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Krizsan.
Herr Schulte, hält die Bundesregierung die Zulassung dieser Ultraleichtflugzeuge angesichts des schon sehr dichtbevölkerten Luftraums überhaupt für nötig?
Herr Kollege, wir gehen davon aus, daß diese Flugzeuge weitgehend als Ersatz für andere Flugzeuge geflogen werden. Dies war auch die Meinung der vorhergehenden Bundesregierung, die noch in ihrer Zeit diese Flugzeuge zugelassen hat.
({0})
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Carstensen.
Herr Staatssekretär, kann man sagen, daß diese Ultraleichtflugzeuge ein Sicherheitsrisiko im Flugverkehr darstellen?
Nein.
({0})
Ich rufe Frage 8 des Abgeordneten Bindig auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Ultraleichtflugzeuge als neue Quelle der Umweltverschmutzung durch Abgase und Lärm, insbesondere im Hinblick auf Störungen von Menschen und Tieren in den Erholungsgebieten und noch verbliebenen natürlichen Ruhezonen, und ist die Bundesregierung der Auffassung, daß unser dichtbesiedeltes Land sich derartige Freizeitmoden auf Kosten ruhesuchender Bürger und der Natur überhaupt noch leisten kann?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, die Bundesregierung beurteilt die Ultraleichtflugzeuge als neue Art von Luftsportgeräten, die überwiegend durch Inhaber von Luftfahrerscheinen für Flugzeuge und Motorsegler wegen ihrer geringen Betriebs- und Unterhaltungskosten betrieben werden, und dies ersatzweise. Die Belange des Naturschutzes und der Erholungsvorsorge wurden von Anfang an durch sehr restriktive Regelungen berücksichtigt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß auf Grund der bestehenden Vorschriften weder ruhesuchende Bürger noch die Natur in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Bindig.
Herr Staatssekretär, wenn die praktischen Erfahrungen aber zeigen, daß in Erholungsgebieten Menschen durch Ultraleichtflugzeuge gestört werden, sollte das dann nicht dazu führen, daß auch wirklich sichergestellt wird, daß solche Fluggeräte nicht in Ruhezonen, in abgelegene Täler oder Naturschutzgebiete, wo sie eben doch störend wirken, einfliegen?
Herr Kollege, es ist festgelegt, daß in Naturschutz- und Erholungsgebiete - diese beiden haben Sie genannt - solche Flugzeuge nicht einfliegen dürfen. Wir gehen bisher
davon aus, daß die anerkannten Verbände, von denen ich vorher gesprochen habe, für die Einhaltung dieser Bestimmung sorgen. Die Zusage, die ich Ihnen auf Ihre erste Zusatzfrage hin gegeben habe, möchte ich gerne auf den Komplex ausdehnen, den Sie gerade angesprochen haben.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Bindig.
Herr Staatssekretär, sind Sie dann bereit, in diese Kontaktgespräche auch den Umstand mit einzubeziehen, daß es eben offensichtlich doch zu einer ganzen Reihe von Außenlandungen kommt, weil das ja kaum kontrolliert werden kann, und daß, obwohl dies nach den Vorschriften nicht erlaubt ist, solche Störungen in Ruhezonen stattfinden?
Herr Kollege, das, was Sie gerade als Außenlandung bezeichnen, ist denkbar. Uns liegen aber darüber keine Daten vor. Wir werden dieses Thema ebenfalls mit ansprechen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Krizsan.
Herr Schulte, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es angesichts des Lärms, den wir durch andere Flugzeuge, vor allem durch militärische, schon zu erleiden haben, das beste wäre, diese Fliegerei zu verbieten?
Nein.
Der Abgeordnete Hedrich hat um schriftliche Beantwortung der Frage 9 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 10 des Abgeordneten Amling auf:
Welche Konsequenzen ergeben sich nach Auffassung der Bundesregierung für ihren Verantwortungsbereich aus dem tragischen Unfall, der sich am 11. Februar 1985 auf der Autobahn Nürnberg-München ereignet hat?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, die Bundesregierung wird auf der Basis des zu erwartenden Gutachtens über den verunglückten Kraftomnibus gemeinsam mit den Bundesländern prüfen, ob und gegebenenfalls welche Bauvorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung zu ändern sind. Zusätzlich wird sie die Ergebnisse eines in Auftrag gegebenen Forschungsprojektes über Notausstiege in Kraftomnibussen nach Vorlage durch den Forschungsnehmer etwa im Mai dieses Jahres auswerten und eventuell erforderliche Maßnahmen daraus ableiten.
Das verunglückte Tankfahrzeug wurde auf Anordnung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern durch Sachverständige des TÜV Bayern untersucht. Die Untersuchung ergab, daß der Tank den Vorschriften der Gefahrgutverordnung Straße 1976 entsprach. Die weitere Auswertung des Unfalls erfolgt im Ausschuß Tank/Technik des Gefahrgutverkehrsbeirats.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 11 des Abgeordneten Amling auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es allein aus Gründen der Verkehrssicherheit geboten ist, den Transport von leichtentzündlichen, hochexplosiven Stoffen so weit wie möglich auf die Schiene zu verlagern, und wenn ja, welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für notwendig, um eine tatsächliche Verlagerung des Transports dieser Materialien von der Straße auf die Schiene sicherzustellen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, nach Vorliegen der Beratungsergebnisse des Ausschusses Tank/Technik des Gefahrgutverkehrsbeirats wird geprüft werden, ob und welche Konsequenzen für die Fortentwicklung der Vorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter zu ziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß das im verunglückten Tankfahrzeug beförderte Benzin überwiegend im flächendeckenden Verteilerverkehr befördert wird, das heißt zur Belieferung von Tankstellen und Flughäfen, und deshalb nicht auf die Eisenbahn verlagert werden könnte. Auf die Beratungsergebnisse im Verkehrsausschuß vom gestrigen Tag - Sie waren j a anwesend - weise ich hin. Anders verhält es sich für eine Anzahl von Gütern, die nach Meinung von Sachverständigen extrem gefährlich sind und die nur dann auf der Straße befördert werden dürfen, wenn die Be- und Entladung in einem Gleis- oder Hafenanschluß nicht möglich ist.
Keine Zusatzfrage von Herrn Amling, aber eine solche von Herrn Hoffie.
Herr Staatssekretär, wird die Überprüfung der Bundesregierung auch einbeziehen eine schärfere Kontrolle des technischen Zustandes ausländischer Lastzüge und Verbesserungen bei optischen Warnanlage für Nebel und Glatteis?
Für das erstere, Herr Kollege Hoffie, sind die Bundesländer zuständig. Da es Hinweise dafür gibt, daß bei Unfällen in der jüngsten Zeit nichtverkehrssichere ausländische Lkws beteiligt waren, werden wir die Bundesländer darauf hinweisen.
Zu Ihrem zweiten Aspekt kann ich nur ja sagen.
Wir kommen zur Frage 12 des Abgeordneten Weng ({0}):
Ist die Bundesregierung bereit, unter Berücksichtigung der Unfallsituation des ablaufenden Winters und insbesondere der schweren Massenunfälle, das damalige Verbot von Spikesreifen erneut zu überdenken?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, auf Grund der bisherigen Erkenntnisse wird eine erneute Zulassung von Spikesreifen nicht erwogen. Die schweren Massenunfälle in Bayern - und darauf bezieht sich Ihre Frage - fanden auf schnee- und eisfreien Straßen statt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Weng?
({0}) - Keine.
Vizepräsident Westphal
Dann kommen wir zur Frage 13 des Abgeordneten Dr. Weng:
Sind der Bundesregierung neue Technologien beim Straßenbau und/oder der Anfertigung von Spikesreifen bekannt, die zu einer deutlichen Verringerung der Straßenschäden für den Fall führen würden, daß Spikesreifen erneut zugelassen werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, die technischen Möglichkeiten, Straßendecken widerstandsfähiger gegen die Verschleißwirkung von Spikesreifen zu machen, sind hinreichend bekannt. Sie sind jedoch begrenzt, weil die Straßendecken noch andere Anforderungen erfüllen müssen. Wenn Spikesreifen erneut zugelassen würden, wäre mit einem noch höheren Verschleiß als Anfang der 70er Jahre zu rechnen, weil die nach dem Spikesreifenverbot hergestellten Straßendecken mit dem Ziel der Verbesserung von Griffigkeit und Standfestigkeit offenporiger strukturiert sind und damit den Spikes eine größere Angriffsfläche bieten.
Im übrigen beobachtet die Bundesregierung ständig die Entwicklung von Spikesreifen. Es sind jedoch keine neuen Technologien bekannt, die zu einer deutlichen Verringerung der Straßenschäden führen würden. Ich will noch darauf verweisen, daß wir im letzten Jahr, in dem Spikesreifen zugelassen waren, mit Straßenschäden in Höhe von 450 Millionen DM rechnen mußten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Weng.
Herr Staatssekretär, könnte sich eine Änderung der Auffassung der Bundesregierung dann ergeben, wenn ersichtlich wird, daß durch das im vergangenen Winter erstmals nicht in gleichem Umfang wie früher durchgeführte Streuen mit Salz sich eine grundlegend neue Beurteilung der Situation insgesamt ergeben muß?
Wir müssen sicherlich die Entwicklung der Unfälle exakt beobachten. Hinweise für den Verdacht, der in Ihrer Frage zum Ausdruck kommt, gibt es bis heute nicht. Aber wir werden dies weiter kontrollieren. Wir müssen allerdings auch auf ein Untersuchungsergebnis eines österreichischen Instituts rekurrieren, in dem festgestellt wurde, daß die Inhaber von Spikesreifen schneller gefahren sind, als sie ohne Spikesausrüstung gefahren wären, und daß durch das schnellere Fahren der Sicherheitseffekt mehr als kompensiert wurde. Wir haben auch seit dem Verbot der Spikesreifen in der Bundesrepublik Deutschland keinen Hinweis darauf, daß sich die Unfallzahlen im Winter erhöht hätten. Wir müssen umgekehrt davon ausgehen, daß Straßen, die durch Spikes beschädigt sind und zum Teil Aquaplaning verursachen, auch eine Gefahrenquelle im Sommer oder bei Witterungsverhältnissen, die nicht um den Gefrierpunkt herum sind, darstellen.
Keine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Weng, aber eine solche des Abgeordneten Immer.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es auf die Fahrweise der Pkw-Benutzer im Winter ankommt und daß es bei sorgfältigem Fahren und Abschätzen der Straßenflächen nicht notwendig ist, andere Maßnahmen zu ergreifen? Aber würden Sie mir auch zustimmen, daß im letzten Winter durch ein falsches Streuen von Salz auf Schnee Glättebildung erfolgt ist, die nicht erfolgt wäre, wenn man die Schneedecke geschlossen gelassen hätte, so daß dann durchaus ein Fahren mit Winterreifen möglich gewesen wäre?
Herr Kollege Immer, sosehr das etwas mit Fahren zu tun hat, aber Salz und Spikes passen nicht zusammen.
Den ersten Teil der Frage darf ich bitten zu beantworten.
Herr Präsident, es gibt einen Satz von Straßenbauern, der heißt: Spikes und Salz, Gott erhalt's. Von daher besteht schon ein Zusammenhang.
({0})
Man lernt hier oben nie aus.
Ich stimme dem Kollegen Immer zu, wenn er sagt, daß es in allererster Linie auf die Fahrweise ankommt. Herr Kollege, das gilt auch für die bedauerlichen Nebelunfälle der letzten Zeit.
Was das Ausmaß des Salzens angeht, so haben wir in den letzten Jahren aus vielerlei Gründen gelernt. Wir versuchen, die Fehler auszumerzen. Sie haben einen davon genannt.
Wir kommen zur Frage 14 des Abgeordneten Klein ({0}).
Wie bewertet die Bundesregierung die Bereitschaft des Landes Hessen, 95 v. H. statt 35 v. H. der Kosten für den Ausbau der S-Bahn-Strecken von Offenbach nach Ober-Roden und von Offenbach nach Dietzenbach zu übernehmen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, gemäß § 10 Abs. 3 des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes kann ein Land bis zu 15 % der Bundesmittel, die jährlich pauschal für jedes Land zur Förderung von Vorhaben des kommunalen Straßenbaus vorgesehen sind, zur zusätzlichen Finanzierung von ÖPNV-Vorhaben umschichten. Der gezielte Einsatz dieser Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz-Mittel - ein grausames Wort; ich bitte um Nachsicht - liegt in alleiniger Landeszuständigkeit.
Von dieser Möglichkeit wird von einer Reihe von Ländern ständig Gebrauch gemacht. Insoweit handelt es sich bei dem Angebot des Landes Hessen um eine Förderpraxis aus Bundesmitteln.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klein.
Können Sie mir sagen, Herr Staatssekretär, welche Bundesländer sich - und in welcher Höhe - bisher in dem Rahmen, den Sie gerade beschrieben haben, an investiven Kosten für S-Bahn-Vorhaben beteiligt haben?
Herr Kollege, ich will in zwei Teile aufteilen. Das erste: Es gibt vier Länder, die von der Umschichtungsmöglichkeit bisher Gebrauch gemacht haben. Das sind NordrheinWestfalen, Berlin, Hessen und Niedersachsen. Das ist der eine Block.
Beim anderen Block müssen wir folgendes berücksichtigen. 60 % der Investitionsmaßnahme zahlt der Bund. 40 % der Investitionsmaßnahme zahlt normalerweise das Land. Das macht also 100 % aus. 60 plus 40 gibt 100.
Darüber hinaus muß aber in aller Regel das Land noch sieben weitere Punkte für Planungskosten und Bauüberwachung tragen - das erstere betraf die Investitionskosten -, d. h. ein Land trägt normalerweise 47 Punkte von 107, der Bund 60 Prozentpunkte.
Was jetzt den Vorschlag des Landes Hessen angeht, kann ich auf dieser Grundlage folgende Rechnung aufmachen. 60 % zahlt nach wie vor der Bund. Statt 40 % Landesmittel für Investitionen und 7 % Mittel für Planung und Bauüberwachung sieht der Vorschlag des Landes vor, daß der Bund nach wie vor 60 % zahlt, daß 34,5 % umgeschichtete Bundesmittel dazukommen - d. h. daß wir bei 94,5 % Bundesmitteln landen - und daß die Gemeinden 12,5 % Gemeindemittel dazutun, bis wir bei diesen 107 % sind. Das ist also eine Rechnung, bei der Bundesmittel stärker zum Einsatz kommen, bei der die Gemeinden mit 12,5 % zur Kasse gebeten werden und bei der für mich nicht ersichtlich ist, wo eine Steuermark des Landes verwendet wird.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Klein.
Kann ich Ihre komplizierte Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung weiterhin bei ihrer ablehnenden Haltung bleibt?
Herr Kollege, für die von Ihnen angesprochene Strecke ist noch nicht einmal eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorhanden. Das ist immer der Einstieg in seriöse Verhandlungen.
Ich habe den Eindruck, daß das, was vom Land verkündet wurde, eigentlich nicht im Interesse der Gemeinden ist und auch vom Land her gesehen keine Sonderleistung darstellt. Deswegen bin ich mir nicht sicher, ob Sie diese Frage im Vorfeld der hessischen Kommunalwahl gestellt hätten, wenn Sie die Daten und Fakten gekannt hätten.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hoffie.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß auch die frühere Bundesregierung unter Verkehrsminister Hauff immer von dem Grundsatz ausgegangen ist, daß bei derartigen Vorhaben zunächst einmal eine Wirtschaftlichkeitsrechnurig vorliegen muß - die bisher nicht vorliegt -, und trifft es weiterhin zu, daß das Land Hessen selbst aus eigenen Mitteln - um es einfacher zu fragen - nicht mehr Mittel für den Ausbau des S-Bahn-Verkehrs in den Rodgau bereitstellt als in allen übrigen Fällen bisher?
Herr Kollege, eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung war üblich, ist üblich, und wir haben auch vor, diese Praxis beizubehalten. Sie ist sinnvoll, sie hat sich bewährt.
Ich habe gerade die Rechnung aufgemacht, wer da alles bezahlt. In dieser großartigen Rechnung sind die Gemeinden mit 12,5 % enthalten, und das, was über den Bundesanteil von 60 % hinausgeht, sind in Wirklichkeit, wie ich dargestellt habe, auch Bundesgelder. So kommt man auf die 107 Punkte. Ich sehe da nicht den eigentlichen Beitrag des Landes Hessen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Reuter.
Herr Staatssekretär, sehen Sie es eigentlich als sittenwidrig an, daß die 34,5 % Bundesmittel auch für diese Maßnahme Verwendung finden, da Sie vorhin dargelegt haben, daß es im Ermessen des Landes liegt, wie das Land mit diesen Mitteln zu Rande kommt? Dann hätte ich gern gewußt,
({0})
wie Sie eigentlich Ihre Hoffnung begründen, daß das Land Hessen aus der Solidarität der Länder ausbricht und erstmals Bereitschaft signalisieren soll, Folgekosten zu übernehmen, die seither im Grunde genommen von dem Bund und von der Bundesbahn zu finanzieren sind.
Herr Kollege, das war eine umfangreiche Frage, aber ich bin gern bereit, darauf einzugehen, weil dies die hessische Situation noch deutlicher dargestellt. Die Frage ist nur, zu wessen Gunsten und zu wessen Nachteil diese Darstellung gereicht. Es geht hier um das Ausfüllen eines gesetzlichen Ermessensspielraums, und es ist die Frage, wer dabei bessergestellt ist.
Zu der Finanzierung sollen die Gemeinden sogar - nur so kommt man zu den 107 Punkten - 12,5 % beitragen. Das ist der eine Block, der erste Teil Ihrer Frage.
Der andere Teil Ihrer Frage betraf die Folgekosten. Wir haben erst in diesen Tagen mit dem Land Nordrhein-Westfalen einen Vertrag abgeschlossen, der ebenfalls die Folgekosten beinhaltet. Wir werden ähnliche Verträge in allen neuen Räumen abschließen, die eine S-Bahn bekommen, und das Land Hessen oder die hier angesprochenen Regionen werden dabei in keiner Weise benachteiligt, sondern wir werden überall gleich verfahren.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lippold.
Herr Staatssekretär, kann man also sagen, daß entgegen den Darstellungen in der Regionalpresse, in der der Eindruck erweckt wurde, als ob das Land jetzt zu einer nahezu vollständigen Kostenübernahme bereit sei, das Land effektiv weniger Mittel für den S-Bahn-Bau in den Rodgau bereitstellen will, als dies unter üblichen Finanzierungsverfahren der Fall gewesen wäre, und daß diese Haltung des Landes auch kein Entgegenkommen gegenüber dem Landkreis und den Gemeinden bedeutet, sondern gegenüber dem üblichen Finanzierungsverfahren hier eine Schlechterstellung von Landkreis und Gemeinden zu gewärtigen ist?
Herr Kollege, es ist entscheidend, daß die 34,5 % nicht Landesmittel, sondern Bundesmittel sind und daß die Gemeinden mit 12,5 % zur Kasse gebeten werden sollen. Ich sehe da in keiner Weise die Beteiligung des Landes und vor allem keinen Anlaß für Ruhm.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schmitt ({0}).
Herr Staatssekretär, müssen Sie nicht einräumen, daß die betroffene Bevölkerung und die interessierten Gemeinden erst in zweiter Linie diese komplizierten Finanzrechnungen überlegen und daß sie in erster Linie daran interessiert sind, daß in absehbarer Zeit ein verkehrsmäßig guter Nahverkehrsanschluß für diesen Raum erfolgt, und müssen Sie nicht bei Ihrer komplizierten Berechnung auch einräumen, daß der Landesanteil, der aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz hier für eine S-Bahn-Strecke eingesetzt wird, natürlich andererseits wieder vorn Lande in anderer Weise zu finanzieren ist, so daß deshalb hier eine klare Leistung des Landes Hessen festzustellen ist?
({0})
Also, Herr Kollege, hier geht es um eine Mengenlehre besonderer Art. Ich bin gerne bereit, Ihnen die nachher einmal auseinanderzusetzen. Vielleicht hat irgend jemand noch ein paar Kugeln, einen Rechenschieber brauchen wir da nicht.
Es geht hier um Mittel, die im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes umgeschichtet werden. Dieses Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz kommt vom Bund, wird aus der Mineralölsteuer mit 5,4 Pf je verkauftem Liter gespeist. Wenn das Land im Rahmen dieser Bundesmittel irgendwo Schwerpunkte setzt, ist ihm das unbenommen. Dies ist ja gesetzlich erlaubt. Aber diese Gelder bleiben so oder so und vor wie nach Bundesmittel. Wir können noch eine Stunde darüber diskutieren, deswegen wird daraus kein Geld des Landes.
Zweitens. Ich gehe davon aus, daß die betroffene Bevölkerung eine Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs wünscht.
Ich muß drittens aber auch davon ausgehen, daß diejenigen, die zahlen sollen, rechtzeitig rechnen, bevor sie sich bei Finanzmassen zwischen 200 und 400 Millionen DM auf eine Beteiligung von 12,5 % einlassen. Deswegen waren auch schon Kommunalpolitiker aus der Region hier oder haben Kollegen angeschrieben, die dann ihrerseits im Verkehrsministerium vorgesprochen haben, oder haben uns Briefe geschrieben. Also, dort wird schon gerechnet.
Zusatzfrage des Abgeordneten Becker ({0}).
Nachdem das nun wirklich so kompliziert war, Herr Staatssekretär, eine ganz einfache Frage: Wird sich nun das Land Hessen in irgendeiner Weise an der Finanzierung beteiligen müssen, j a oder nein?
Herr Kollege, wir sprachen gerade im Zusammenhang mit dieser komplizierten Rechnung, die beim Nachlesen sicherlich einfacher wird, über die Aufteilung der Investitionsmittel, und ich habe Ihnen gesagt, daß wir zu 94,5 Punkten Bundesmittel haben und zu 12,5 Punkten Gemeindemittel. Deswegen vermag ich nicht zu ersehen, wo ich Ihrer Frage im Hinblick auf Landesmittel noch irgendwo nachgeben könnte.
Meine Mengenlehre besagt, daß jetzt die nächste Frage dran ist. Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Klein ({0}) auf:
Wird die Bundesregierung angesichts dieses großzügigen Angebots des Landes Hessen auf die Forderung verzichten, Hessen müsse auch das laufende Betriebsdefizit tragen, und wird der Bundesminister für Verkehr jetzt bereit sein, die seit Sommer 1984 vorliegenden S-Bahn-Verträge zu unterzeichnen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, wie Sie der Antwort auf die vorangegangene Frage entnehmen können, handelt es sich bei dem Vorschlag des Landes Hessen lediglich um eine Umschichtung von Finanzierungsmitteln. Die möglichen Folgekosten der S-Bahn in den Rodgau sowie deren Risiken werden durch diese Maßnahme nicht beeinflußt. Der hessische Vorschlag hat auch keine Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, auf die ich vorhin schon hingewiesen habe. Die Gemeinden sollen sich tatsächlich mit 12,5 Punkten beteiligen. Die Bundesregierung sieht daher keinen Anlaß, ihre bisher eingenommene Haltung zum Ausbau der S-Bahn in den Rodgau zu ändern.
Zusatzfrage des Abgeordneten Klein.
Kann ich Ihre Antwort so verstehen, daß in absehbarer Zeit mit einer Vertragsunterzeichnung offenbar nicht zu rechnen ist, und darf ich weiterhin fragen, welche Flächenstaaten sich bisher an Folgekosten für S-Bahn-Betriebe beteiligt haben?
Herr Kollege, ich stelle Ihnen, was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht, gerne den Text des Vertrages mit dem Lande Nordrhein-Westfalen über den Bau der S-Bahn Köln zur Verfügung. Dies wird auch ein Muster für andere Länder sein.
Der Fortgang bis hin zur Baureife bei der von Ihnen angesprochenen Maßnahme hängt zunächst einmal davon ab, daß eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung gemacht wird. Diese Wirtschaftlichkeitsuntersuchung bringt nicht der Bund bei. Dann müssen wir allerdings auch sehen, daß es davor noch andere Streckenabschnitte gibt, die in ihrer Realisierung wahrscheinlich noch einige Zeit brauchen werden, so daß wir in der Tat im Hinblick auf einen vernünftigen Bauablauf auch überlegen müssen, was zuerst gebaut werden soll. Es hat sicherlich keinen Sinn, irgendwo weiter vom Ballungszentrum entfernt eine Maßnahme zu realisieren, wenn dazwischen ein offener Stumpf ist. Ich glaube, bereits im Bau befindliche oder zugesagte Maßnahmen hängen auch mit dieser Maßnahme zusammen. Ich will das nur der Klarheit wegen sagen, nicht, um zu verzögern. Tatsache ist, daß die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung jetzt der nächste Schritt ist, und den hat nicht der Bundesminister für Verkehr zu unternehmen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Klein.
Herr Staatssekretär, trotz dieser rabulistischen Antworten wage ich noch eine weitere Frage: Halten Sie es eigentlich für einen guten Stil, daß vor einigen Wochen Verkehrsministerium, Stadt Frankfurt, Stadt Offenbach und Kreis Offenbach sich zusammengesetzt haben und damals entschieden oder beschlossen haben, daß die Folgekosten für den Betrieb der S-Bahn im Bereich Offenbach vom Land Hessen, das nicht eingeladen war und auch nicht anwesend war, getragen werden sollen?
Herr Kollege, ich habe nicht die Absicht, Kommunalpolitiker zu zensieren. Ich habe allerdings die Pflicht, wenn ich danach gefragt werde, ob ein Landesvorschlag vom Bund gutgeheißen wird oder nicht, darauf zu antworten.
Zusatzfrage des Abgeordneten Hoffie.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Leitlinien der Bundesregierung zur Gesundung der Deutschen Bundesbahn grundsätzlich und in allen Fällen vorsehen, daß künftig die Folgekosten aus dem Betrieb des S-Bahn-Verkehrs nicht vom Bund, sondern von anderen, nämlich den Betreibern, zu übernehmen sind, und ist damit richtig, daß im Falle des Rodgaus keine Schlechterbehandlung stattfindet?
Herr Kollege Hoffie, in den Leitlinien zur Deutschen Bundesbahn heißt es, daß der Bundesbahn keine zusätzlichen Folgekosten entstehen dürfen. Hier wird also der Jetzt-Zustand mit dem späteren Zustand verglichen. Es kann durchaus sein, daß sich das Wirtschaftsergebnis z. B. durch eine entstehende Netzwirkung sogar verbessert.
Tatsache ist, daß diese Leitlinien für alle neuen Maßnahmen gelten. Ich habe vorhin darauf verwiesen, daß wir erst in allerjüngster Zeit mit dem Lande Nordrhein-Westfalen einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen haben. Wir werden hier keine Region anders behandeln als die anderen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Lippold.
Herr Staatssekretär, trifft es mithin zu, daß eine zeitgleiche Realisierung beider Streckenabschnitte - sowohl der S-Bahn nach Offenbach wie auch der Rodgaustrecke - nach wie vor realisiert werden kann und dies durch die technischen Maßnahmen nicht ausgeschlossen ist, und würden Sie es für eine begrüßenswerte Initiative halten, wenn sich Kommunalpolitiker darum bemühen, zu einem schnelleren Ergebnis zu kommen?
Ich halte es für naheliegend, daß Kommunalpolitiker, wenn sie Gutes tun wollen, auch auf eine schnelle Realisierung drängen.
Was die Frage der zeitgleichen Fertigstellung angeht, so ist der Abschnitt weiter vorne in Richtung Ballungszentrum weiter gediehen. Beim letzten Teil haben wir noch nicht einmal eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung. Wir rechnen allerdings beim vorderen Teil mit einer Bauzeit von zehn Jahren und beim hinteren Bauteil mit einer Bauzeit von fünf Jahren, so daß man weiter hinten noch etwas Luft hätte. Ob das ausreichen wird, vermag ich heute nicht zu beurteilen, da wir da noch ganz am Anfang sind. Aber immerhin hat man da fünf Jahre mehr Zeit.
Da wir noch fünf oder zehn Jahre Zeit haben, schlage ich vor, wir hören nach diesen beiden Zusatzfragen wenigstens für heute damit auf. Herr Carstensen ist der nächste Fragesteller.
Herr Staatssekretär, kann ich aus der Diskussion und der Beantwortung dieser beiden Fragen vielleicht schließen, daß dieses angeblich großzügige Angebot eher ein schlitzohriges Angebot des Landes Hessen ist?
Ich habe mich bemüht, dem Sinne nach dies bereits in meinen vorherigen Antworten nahezulegen.
Herr Abgeordneter Reuter hat die nächste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Flächenländer außer Nordrhein-Westfalen zahlen denn bisher Folgekosten, und wie ist es mit der Gleichbehandlung der Räume zu vereinbaren, daß jetzt für die Bahn im Rodgau das Land Hessen die Folgeko9110
sten zahlen soll, während für den Raum Vordertaunus bei dem Bau der S-Bahn und dem dortigen Betrieb keine Folgekosten verlangt werden?
Herr Kollege, es geht darum, ob S-Bahnen im Sinne der Leitlinien der Bundsregierung zur Deutschen Bundesbahn als neue S-Bahnen anzusehen sind oder als alte. Die von Ihnen angesprochene S-Bahn kann nicht als alte angesprochen werden. Es wurde zwar schon früher darüber diskutiert, sie ist aber in keinem Vertrag enthalten.
Wir kommen zur Frage 16 des Abgeordneten Carstensen ({0}):
Ist die Bundesregierung bereit, die Möglichkeit zu prüfen, unfallträchtige Straßen in der Nähe von Kraftwerken dadurch eisfrei zu halten, daß die Abwärme der Kraftwerke zur Erwärmung dieser Straßen benutzt wird, und wie wäre bei Einrechnung der Mehrkosten im Straßenbau der volkswirtschaftliche Nutzen zu bewerten, wenn es dadurch zu weniger glatteisbedingten Unfällen käme?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, die von Ihnen aufgezeigte Möglichkeit war bereits vor Jahren in Erwägung gezogen, jedoch grundsätzlich verworfen worden, weil der zusätzliche volkswirtschaftliche Nutzen, der den Investitions- und Folgekosten gegenüberstände, relativ gering wäre.
Zusatzfrage des Abgeordneten Carstensen.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, wann diese Untersuchungen gemacht worden sind?
Das müßte ich nachsehen und Ihnen nachliefern.
Sie haben eine zweite Zusatzfrage.
Können Sie mir Auskunft darüber geben, ob die Ergebnisse des abgeschlossenen Forschungsvorhabens Agrotherm in diese Untersuchungen eingeflossen sind?
Ich werde das in meine zusätzliche Antwort einbeziehen. Ich will aber - Herr Präsident, wenn Sie das gestatten - hinzufügen, daß meine Aussage nicht ausschließt, daß man in einzelnen Fällen zu einem anderen Ergebnis kommen kann.
Zusatzfrage des Abgeordneten Krizsan.
Herr Staatssekretär, können Sie sich andere Formen der Nutzung der Abwärme von Kraftwerken als gerade die vorstellen, dem Herrn Carstensen freie Fahrt bei Glatteis zu verschaffen?
Ja.
Wir kommen zur Frage 17 der Abgeordneten Frau Steinhauer:
Wie beurteilt die Bundesregierung die bekanntgewordenen Pläne der Deutschen Bundesbahn, im Rahmen der Neuordnung der regionalen Leitungsebene die Betriebsämter aufzulösen und dafür Regionaldezernate einzurichten, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Siegen als Standort eines Regionaldezernates festzulegen?
Frau Kollegin, die Bundesregierung begrüßt die Pläne zur Straffung der Organisation der Deutschen Bundesbahn.
Die Auflösung der Betriebsämter und die Schaffung einer neuen Organisationsstruktur für die regionale Leitungsebene der Deutschen Bundesbahn wird in der Bundesbahndirektion Köln in einem Modellversuch erprobt, der voraussichtlich Ende dieses Jahres abgeschlossen sein wird.
Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn wird im Laufe des Jahres die Bundesbahndirektionen beauftragen, Vorschläge über die künftige Regionalstruktur - Zahl und Ort der Regionaldezernate - zu erarbeiten und dabei auch struktur- und raumordnungspolitische Gesichtspunkte einfließen zu lassen. Nach Abschluß des Modellversuchs in Köln wird der Vorstand der DB über die Verwirklichung der Vorschläge entscheiden.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Steinhauer.
Herr Staatssekretär, welchen Sinn soll so ein Pilotprojekt, das in Köln durchgeführt wird und dessen Erkenntnisse ja doch irgendwie berücksichtigt werden sollen, noch haben, wenn jetzt schon vorbereitende Beschlüsse gefaßt werden, wie das in dem von mir angeführten Fall schon im Gange ist?
Frau Kollegin, Sie müßten mir diese vorbereiteten Beschlüsse zukommen lassen, damit ich sie prüfen kann. Sollte es solche Beschlüsse geben, stünden sie j a im Gegensatz zu der Antwort, die ich im Zusammenwirken mit der Deutschen Bundesbahn erarbeitet habe.
Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Steinhauer.
Herr Staatssekretär, nimmt die Bundesregierung im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für Raumordnung und Strukturpolitik auch auf die Entscheidungen der Bundesbahn Einfluß, damit z. B. Schwerpunkte berücksichtigt werden? Siegen gehört zu einem der 24 Verdichtungsräume. Wenn dort kein Betriebsamt mehr wäre, hätte die Bundesbahn zwischen zwei anderen Schwerpunkten überhaupt keine Dienststelle mehr.
Frau Kollegin, diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Es gibt Gesetze über die Raumordnung und über regionale Wirtschaftspolitik. Es müßte im Einzelfall geprüft werden, inwiefern sie die hier anstehende Frage tangieren. Wir haben ein ähnliches Problem ständig in bezug auf das Zonenrandförderungsgesetz. Hier sind bestimmte Verfahren entwickelt worden. Ich
muß allerdings davon ausgehen, daß das Zonenrandförderungsgesetz gerade bei solchen Entscheidungen einen größeren Wirkungsgrad hat.
Wir kommen zur Frage 18 der Abgeordneten Frau Steinhauer:
Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, daß die Deutsche Bundesbahn ({0}) den Erfordernissen des Zentrums Siegen und seiner Nachbargebiete als politisch und wirtschaftlich weitgehend selbständiger Einheit organisatorisch nicht gerecht wird, falls die DB das für die Region zuständige Regionaldezernat nicht in Siegen, sondern in einer anderen Region einrichtet?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin, die funktionellen Aufgaben der künftigen Regionaldezernate erfordern weder zwingend den Standort in einem Wirtschaftszentrum, noch kann in jedem Zentrum ein solches Dezernat eingerichtet werden. Auch unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte der Raumordnung ist daher gegenwärtig eine verbindliche Aussage zugunsten von Siegen als Standort für ein Regionaldezernat nicht möglich.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Steinhauer.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß Ihnen die räumliche Ausdehnung des Bundesbahndirektionsbezirkes Essen bekannt ist. Sind Sie aber nicht der Auffassung, auch in bezug auf die Antwort, die Sie vorhin gegeben haben, daß es im Interesse einer gesamten Strukturpolitik doch darauf ankommen muß, eine ausgewogene Verteilung der Dezernate vorzunehmen?
Ich gehe davon aus, daß es im Interesse der Deutschen Bundesbahn ist, eine ausgewogene Struktur herbeizuführen. Ich kann aber nicht ausschließen, Frau Kollegin, daß dies trotzdem zu einer Konkurrenzsituation zwischen zwei Zentren führen kann. Dann muß entschieden werden. Dies wird allerdings bei der Deutschen Bundesbahn geschehen.
Zusatzfrage von Frau Steinhauer.
Herr Staatssekretär, können Sie sich nicht vorstellen, daß dadurch möglicherweise Regionen zu Fördergebieten werden, weil die Bundesbahn als Schneeball praktisch Nachwirkungen verursacht, weil sich dann auch andere Dienststellen mit dem Gedanken einer Verlegung tragen? Insbesondere denke ich, daß dadurch die drei Punkte - Sie haben sie eben schon erwähnt - Eisenbahn, politische Struktur und wirtschaftliche Struktur noch verschlechtert werden.
Frau Kollegin, die Regionaldezernate sollen in der Zukunft einen Personalbesatz von zwanzig bis dreißig Mitarbeitern haben. Ich weiß nicht, ob da bereits das von Ihnen angesprochene Problem einrastet.
Der Fragesteller der Frage 19, der Abgeordnete Stutzer, hat um schriftliche
Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 20 des Abgeordneten Dr. Enders:
Sind der Bundesregierung die Erdeinbrüche beim Bau der Tunnel für die Schnellbahnstrecke Kassel-Würzburg der Deutschen Bundesbahn bekannt, und führt sie die Unglücksfälle auf geologische oder auf arbeitstechnische Ursachen zurück?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, dem Bundesminister für Verkehr sind die bei der Neubaustrecke Hannover-Würzburg eingetretenen Tunnelverbrüche bekannt. In allen Schadensfällen waren die Tunnel noch im Bau. Die den Endzustand sichernde Stahlbetoninnenschale war noch nicht eingebaut.
Die Neubaustrecke verläuft durch schwierige Gebirgsformationen. Vor Beginn der Bauarbeiten wurden daher umfangreiche geologische Erkundungen durchgeführt. Die bisherige Auswertung der Schadensereignisse zeigt, daß die angetroffenen geologischen Gebirgsverhältnisse nicht in jedem Fall vorhersehbar sind. Dies, möglicherweise in Verbindung mit Mängeln bei der Bauausführung, kann maßgebliche Versagensursache sein.
Eine endgültige Aussage über die jeweilige Schadensursache ist erst nach Abschluß der Untersuchungen möglich.
Zusatzfrage, Herr Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, ist bekannt, wie hoch die Kosten sind, die durch die bisherigen Einbrüche entstanden sind, und wer trägt sie?
Ich kann Ihnen das jetzt nicht sagen. Sollte ich in absehbarer Zeit zu solchen Daten kommen, werde ich sie Ihnen gern übermitteln. Aber es ist ganz natürlich, daß, wenn es z. B. ein schuldhaftes Versagen einer Baufirma gegeben hat und dieses Versagen nachweisbar ist, die Baufirma vom Auftraggeber zur Rechenschaft gezogen wird. Das kann ich heute aber noch nicht feststellen.
Weitere Zusatzfrage? - Dazu nicht.
Dann kommen wir zur Frage 21 des Abgeordneten Dr. Enders:
Welche Sicherheitsmaßnahmen hält die Bundesregierung für notwendig, um weitere gefährliche Situationen für die Tunnelbauer zu verhindern?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Die Tunnel der Neubaustrecken, Herr Kollege, werden nach der sogenannten Neuen Österreichischen Tunnelbauweise aufgefahren. Zu dieser Bauweise gehört die kontinuierliche Messung von Gebirgsbewegungen, um kritische Bauzustände frühzeitig zu erkennen und Sicherungsmaßnahmen rechtzeitig ergreifen zu können.
Dem Bericht der DB zufolge haben sich die aufgetretenen Verbrüche Stunden bzw. Tage vorher durch Geräusche und Risse angekündigt. Somit konnten in jedem Fall alle Personen und die Baumaschinen ohne Gefahr von der Verbruchstelle zurückgezogen werden.
Es bleibt stetes Bemühen der DB, durch Verdichtung der geologischen Erkundungen und Messungen sowie sorgfältige Bauüberwachung Gefährdungen bei den Tunnelarbeiten weitgehend auszuschließen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, wird bei diesen Vorsorgemaßnahmen auch beachtet, daß teilweise der Grundwasserspiegel angeschnitten wird und dadurch Gefahren für den Abfluß des Grundwassers oder Einwirkungen auf Brunnen erfolgen können?
Herr Kollege, trotz sorgfältiger Vorbereitung auf diese Fragestunde bin ich auf das Grundwasser nicht gestoßen. Ich muß Ihnen auch das nachliefern.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 22 der Abgeordneten Frau Reetz auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Vertrag der Deutschen Bundesbahn mit dem Land Baden-Württemberg, der Investitionen von 3,5 Millionen DM für die Modernisierung und Rationalisierung der Schwarzwaldquerbahn HausachFreudenstadt-Hochdorf vorsieht, die vom Land und den Kreisen Ortenau, Freudenstadt und Rottweil getragen werden sollen und die vom Landrat des Ortenaukreises auf die Frage, ob da nicht ein Präzedenzfall geschaffen werde, damit begründet wurden, die Strecke müsse schon allein aus militärischen Gründen in Betrieb bleiben?
Frau Kollegin, derartige gemeinsame Bemühungen von Gebietskörperschaften und der Deutschen Bundesbahn mit dem Ziel einer sinnvollen Gesamtkonzeption - wie z. B. hier bei der Strecke Hausach-Freudenstadt-Hochdorf - stehen im Einklang mit den Vorgaben der Bundesregierung in ihren „Leitlinien zur Konsolidierung der Deutschen Bundesbahn" vom 23. November 1983.
Zusatzfrage, Frau Reetz.
Herr Staatssekretär, ich hatte ja auch gefragt, wie Sie dazu stehen, daß diese Strecke Priorität aus militärischen Gründen hat. Nun möchte ich noch einmal fragen: Ist es richtig, daß diese Priorität durch militärische Gründe bedingt ist, und kann man dann auch sagen, daß militärische Gründe vor zivilen Priorität haben, obwohl doch eine militärische Belegung nicht regelmäßig erfolgt, was bei ziviler Belegung zu Streckenstillegungen führt?
Frau Kollegin, ein militärisches Interesse kann in bezug auf den Güterverkehr bestehen. Die von Ihnen angesprochenen Kosten betreffen die Verbesserungen im Personenreiseverkehr.
Weitere Zusatzfrage, Frau Reetz.
Meine zweite Frage. Wir haben vorhin von dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gesprochen. Nun ist ja ein Vertrag der Deutschen Bundesbahn mit dem Land Baden-Württemberg etwas anderes. Könnten Sie mir Unterlagen über diesen Vertrag geben?
Ich vermag dies jetzt nicht abschließend zu beurteilen. Da aber sicherlich eine Reihe von Kreisen und Gemeinden mit ihren Gemeinderäten diesen Vertrag mit unterzeichnen mußten, gehe ich davon aus, daß darin nichts Geheimes enthalten ist und daß ich diesen Vertrag erhalten werde.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Verkehr. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rawe zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 23 auf, die auch von der Abgeordneten Frau Reetz kommt:
Wie ist die Beteiligung der Bundesregierung an dem „Büro für Publizistik-Verlag", Weinbergweg 1, 6951 Neckarzimmern, das viermal jährlich die Zeitschrift „Südwestdeutsche Illustrierte, das Magazin für die Bundesrepublik Deutschland" herausgibt, und trifft es zu, daß die Deutsche Bundespost 10 000 Exemplare des letzten Heftes ({0}) gekauft hat, um sie auf Grund des Titels „Post verbindet" zur Offentlichkeitsarbeit einzusetzen?
Frau Kollegin Reetz, die Bundesregierung ist an dem „Büro für Publizistik", Weinbergweg 1, 6951 Neckarzimmern, nicht beteiligt. Es trifft zu, daß die Deutsche Bundespost Hefte der „Südwestdeutschen Illustrierten" gekauft hat, um sie zur Öffentlichkeitsarbeit einzusetzen. Der Preis für die Deutsche Bundespost betrug 84 Pfennig pro Heft.
Zusatzfrage, Frau Reetz.
Meine Frage ist, Herr Staatssekretär: Wurde der Schwerpunktartikel in diesem Heft der Zeitschrift von der Bundespost zur Verfügung gestellt?
Frau Kollegin, soweit mir bekannt ist, ist der Auftrag von einer PR-Organisation ausgegangen, so daß ich im einzelnen nicht - jedenfalls jetzt nicht - beurteilen kann, wie der Aufsatz zustande gekommen ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Vizepräsident Westphal
Die Frage 24 des Abgeordneten Dr. Hornhues ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Wir kommen zu Frage 25 des Abgeordneten Dr. Soell, der aber nicht im Saal ist.
Die Fragen 26 und 27 des Herrn Abgeordneten Nelle werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Herr Rawe kann uns daher schon gleich wieder verlassen. Danke schön.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Jahn steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Fragen 28 und 29 des Abgeordneten Dr. Sperling werden auf seine Bitte hin schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Carstensen ({0}) auf:
Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wieviel Geld bei den Bausparkassen angespart ist und somit für Investitionen im Baubereich zur Verfügung stehen könnte, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, dafür zu sorgen, daß diese angesparten Summen auch möglichst bald im Baubereich investiert werden können?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Carstensen, nach den Angaben der Deutschen Bundesbank in ihrem Monatsbericht vom Januar 1985 belaufen sich die Bauspareinlagen bei allen Bausparkassen per November 1984 auf insgesamt 119,3 Milliarden DM. Diese Bauspareinlagen sind weitgehend als zinsgünstige Bauspardarlehen an andere Bausparer gegeben worden. Die noch ansparenden Bausparer können ihre jeweiligen Bausparguthaben daher erst dann für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen verwenden, wenn ihre entsprechenden Bausparverträge zugeteilt werden. Der Zuteilungszeitpunkt hängt dabei maßgeblich von dem Volumen der Spar- und Tilgungsleistungen anderer Bausparer ab.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstensen.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bitte sagen, wie die Bundesregierung in den letzten Jahren das Bausparen gefördert hat?
Dr. Jahn, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege Carstensen, im Steuerbereinigungsgesetz 1985 ist die Frist für die prämienunschädliche Verwendung der Bausparmittel von zehn Jahren wieder auf sieben Jahre zurückgeführt worden. Die Bundesregierung geht davon aus, daß dies auch auf die Zuteilungsraten und den Zeitpunkt der Zuteilungen Auswirkungen hat.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Carstensen.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung - ich habe das auch in der Frage schon angesprochen -, zusätzlich dafür zu sorgen, daß angesparte Bausummen in den Baubereich abfließen und daß diejenigen, die im Baubereich investieren möchten, dort schneller im Baubereich investieren?
Herr Kollege Carstensen, auf das Bausparen und auf die schnellere Zuteilung der Bausparmittel hat die Bundesregierung unmittelbar keinen Einfluß. Die Bundesregierung hat aber eine Menge getan, um private und auch öffentliche Investitionen zu initiieren. Sie hat erstens durch die Konsolidierungspolitik dazu beigetragen, daß der Finanzspielraum der Kommunen größer geworden ist. Zweitens hat die Bundesregierung die Mittel für die Städtebauförderung von 220 Millionen DM auf 330 Millionen DM angehoben. Dies bedeutet in der Praxis einen investiven Effekt in bis zu zehnfacher Höhe. Drittens sind wir dabei, für das private Eigentum ein neues Gesetz zu schaffen, durch das das auf Dauer selbstgenutzte private Eigentum besser gefördert wird. Auch dies hat Auswirkungen auf die Bauinvestitionen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten von Schmude.
von Schmude ({0}): Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung das Vorgehen einer Bausparkasse, Teildarlehen im Vorabwege zu gewähren bzw. andererseits angesparte Guthaben kurzfristig, sozusagen interimsmäßig zur Verfügung zu stellen?
Herr Kollege, es steht uns nicht an, hier die Geschäftspraxis irgendeiner Bausparkasse zu werten, solange nicht das zuständige Bundesaufsichtsamt dazu seine Feststellungen getroffen hat. Wie ich höre, hat sich das Bundesaufsichtsamt damit befaßt, ist aber nicht eingeschritten.
Bleiben Sie gleich stehen, Herr Kollege von Schmude; denn Ihre Frage 31 ist die nächste, die der Herr Staatssekretär bitte beantworten möchte:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob und in welchem Umfang die Kommunen bisher entsprechende Bebauungspläne seit Verabschiedung des Bundeskleingartengesetzes aufgestellt haben, die Dauerkleingärten ausweisen, damit diese den Schutzbestimmungen des Bundeskleingartengesetzes unterliegen?
Herr Kollege von Schmude, der Bundesregierung ist bekannt, daß in vielen Gemeinden Bebauungspläne aufgestellt werden, um Kleingärten im städtischen Nutzungsgefüge auf Dauer abzusichern. Mangels entsprechender Statistiken läßt sich aber nicht genau feststellen, in welchem Umfang Kommunen entsprechende Bebauungspläne aufgestellt haben, insbesondere nach Verabschiedung des Bundeskleingartengesetzes.
Ich darf aber darauf hinweisen, daß der Anteil der von Privateigentümern zur kleingärtnerischen
Nutzung verpachteten Flächen allenfalls rund 10 aller Kleingartengrundstücke umfaßt. Ein großer Teil dieser Kleingartenflächen ist bereits in Bebauungsplänen als Dauerkleingärten ausgewiesen. In Schleswig-Holstein z. B. ist etwa die Hälfte aller auf Privatgelände angelegten Kleingärten planungsrechtlich abgesichert.
Kleingärten auf Grundstücke, die der Gemeinde gehören, sind ohnehin wie Dauerkleingärten zu behandeln.
Zusatzfrage? - Keine.
Dann haben Sie noch eine Frage, die Frage 32 des Abgeordneten von Schmude:
Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, die Interimsfrist über den 31. März 1987 hinaus zu verlängern, um zu verhindern, daß bei sich verzögernden Bebauungsplänen Kleingärtner von den Verpächtern entschädigungslos gekündigt werden können?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege von Schmude, die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, die in § 16 Abs. 3 Bundeskleingartengesetz geregelte Übergangsfrist für das Auslaufen von bestimmten Verträgen über den 31. März 1987 hinaus zu verlängern. Die Übergangsfristen sind damals im zuständigen Ausschuß eingehend beraten worden. Der zuständige Ausschuß war der Auffassung, daß eine vierjährige Übergangsfrist angemessen ist.
Ich habe aber Ihre Anfrage zum Anlaß genommen, noch einmal, also wiederholt, sowohl über die kommunalen Spitzenverbände als auch über die Kleingartenvereine auf die Problematik hinzuweisen, die mit dem Ablauf der Frist am 31. März 1987 verbunden ist.
Keine Zusatzfrage? - Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Jahn für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Herr Staatsminister Dr. Mertes steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher ist nicht im Saal; ihre Fragen 33 und 34 werden nach der Geschäftsordnung behandelt.
Die Fragen 35 und 36 sollen auf Wunsch des Fragestellers, des Abgeordneten Dr. Rose, schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 37 des Abgeordneten Jäger ({0}):
Wann und in welcher Weise wird die Bundesregierung das Verhalten der äthiopischen Regierung, die der Bekämpfung der eritreischen Unabhängigkeitsbewegung Vorrang vor der Versorgung der vom Hungertod bedrohten Bevölkerung mit Lebensmitteln einräumt, vor dem Weltforum der Vereinten Nationen zur Sprache bringen und auf eine Verurteilung dieser äthiopischen Regierungspraktiken hinwirken?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Herr Kollege Jäger, der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, nach denen die äthiopische Regierung der Bekämpfung der eritreischen Unabhängigkeitsbewegung Vorrang vor der Versorgung der vom Hungertod bedrohten Bevölkerung einräumt. Bundesminister Warnke hat bei seinem Besuch in Addis Abeba und im Versorgungslager Korem im Dezember 1984 u. a. auch dieses Thema mit äthiopischen Regierungsvertretern, aber auch mit deutschen Experten eingehend besprochen. Dabei wurde nichts bekannt, was die in Ihrer Frage implizierten Vorwürfe rechtfertigen könnte.
Die Bundesregierung hat gute Gründe, anzunehmen, daß die nationale äthiopische Hilfsorganisation, die Relief and Rehabilitation Commission ({0}), das in ihrer Kraft Stehende unternimmt, um die Versorgung aller Landesteile Äthiopiens sicherzustellen, die von der Hungerkatastrophe betroffen sind. Wir haben keinen Grund, am Willen der äthiopischen Regierung zu zweifeln, die Lebensmittelversorgung aller Bevölkerungsteile trotz erheblicher Transport- und sonstiger Verteilungsprobleme auch in Eritrea sicherzustellen. Diese Einschätzung teilen auch unsere europäischen Partner, die wir in dieser Frage regelmäßig konsultieren.
Dem Leiter der genannten äthiopischen Hilfsorganisation, Commissioner Dawit, ist bei seinem Besuch in Bonn am 7. Februar 1985 von Bundesminister Warnke und von mir selbst erneut dargelegt worden, wie sehr es ein entscheidendes humanitäres Anliegen der Bundesregierung ist, daß die Verteilung der Hilfslieferungen nur an Kriterien der menschlichen Not orientiert sein darf.
Die Bundesregierung wird daher auf eine Verurteilung der äthiopischen Regierung durch die Vereinten Nationen nicht hinwirken. Die Bundesregierung beobachtet jedoch die Entwicklung in Äthiopien mit größter Aufmerksamkeit; dessen können Sie gewiß sein.
Auch sehen wir z. B. eine Reihe von sachlichen Gründen, die gegen das Umsiedlungsprogramm sprechen, durch das Bewohner der Hungergebiete des Nordens in weit entfernte, fruchtbarere Gebiete des Landes umgesiedelt werden. Es liegen uns allerdings keine Beweise dafür vor, daß die äthiopische Regierung dieses Umsiedlungsprogramm vornehmlich aus politischen Gründen durchführt. Unsererseits hegen wir große Zweifel an den Erfolgsaussichten des Umsiedlungsprogramms und geben Maßnahmen zur Förderung der Rekultivierbarkeit der Hungergebiete ohne Umsiedlung der dort ansässigen Bevölkerung den Vorzug. Die Bundesregierung hat daher jegliche Beteiligung am Umsiedlungsprogramm abgelehnt. Commissioner Dawit hat bei seinem Besuch in Bonn bekräftigt, daß seine Regierung unsere Haltung respektiert und von uns gelieferte Hilfsgüter, z. B. Transportmittel oder Saatgut, auch nicht mittelbar zur Förderung des Umsiedlungsprogramms einsetzen wird.
Zusatzfrage, Herr Jäger ({0}).
Herr Staatsminister, wie läßt sich Ihre Aussage, daß der BundesregieJäger ({0})
rung keine Erkenntnisse im Sinne meiner Frage
vorlägen damit vereinbaren, daß Flugzeuge mit
Hilfsgütern in der im Rebellengebiet gelegenen Stadt Lalibela seit dem 10. Februar nicht mehr landen dürfen und daß sich die äthiopische Regierung ausdrücklich geweigert hat, die Aktion „Getreide aus der Luft" in den Provinzen Eritrea und Tigre durchführen zu lassen, in denen eben die Rebellen leben und bekämpft werden? Wie ist das miteinander vereinbar?
Herr Kollege, ich kann den Wahrheitsgehalt der Ihnen zugegangenen Mitteilung in diesem Augenblick nicht bewerten, nehme aber gern Ihren Hinweis als wertvolle Information an.
Aber ich möchte Ihnen, da Sie auch die Provinz Eritrea angesprochen haben, noch folgendes sagen: Eritrea ist integraler Bestandteil Äthiopiens. Die Bundesregierung respektiert die territoriale Integrität Äthiopiens. Das hat zuletzt Bundeskanzler Kohl in seinem Schreiben vom 15. Oktober 1984 an den äthiopischen Staatschef Mengistu bekräftigt. Mit dieser Haltung befinden wir uns im Einklang mit der internationalen - insbesondere auch der afrikanischen - Staatengemeinschaft wie mit unseren westlichen Partnern.
Die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der Hilfsorganisation der eritreischen Befreiungsbewegung würde eine Abkehr von dieser Haltung bedeuten und uns in dieser Frage international völlig isolieren.
In diesem Zusammenhang wird j a auch auf amerikanische Äußerungen hingewiesen. Dazu möchte ich Ihnen auch eine Information geben, weil ich Ihr Interesse an der Fragestellung begrüße. Ich kann hier natürlich nur die Haltung der Bundesregierung darlegen, die sich allerdings auch auf multilaterale Konsultationen unter Einschluß der USA stützt. Noch vor wenigen Tagen haben wieder derartige Konsultationen stattgefunden. Dabei haben auch die Vertreter der USA keine Informationen bekanntgegeben, die von denen der übrigen Partner und unseren eigenen Erkenntnissen abweichen.
Die Bundesregierung tritt, wie ich schon sagte, nachdrücklich dafür ein, daß die Versorgung der vom Hungertod bedrohten Bevölkerung in Äthiopien und auch in Eritrea sich nur an humanitären Kriterien orientiert. Sie wird auch künftig allen Hinweisen und damit auch den Ihrigen, Herr Kollege, sorgfältig nachgehen, die darauf hindeuten können, daß dies nicht der Fall ist.
Ich werde Ihre Frage zum Anlaß nehmen, mich zu erkundigen, um Ihnen so konkret wie möglich schriftlich antworten zu können.
Weitere Zusatzfrage, Herr Jäger ({0}).
Herr Staatsminister, indem ich mich für die Zusage, sich danach zu erkundigen und mir darüber Nachricht zu geben, ausdrücklich bedanke, möchte ich doch die Frage anschließen, ob die Bundesregierung hier positive
Erkenntnisse bestätigen kann, wonach es in diesen beiden von mir genannten Provinzen schon Landungen bzw. die Abwürfe von Getreide in der neuerdings praktizierten Form gegeben hat.
Falls Sie das nicht bestätigen können, möchte ich fragen, ob die Bundesregierung darauf drängen wird, falls dies bisher nicht der Fall ist, daß das in Zukunft geschehen kann.
Herr Kollege, ich kann das im Augenblick nicht bestätigen, was nicht heißt, daß es unwahrscheinlich oder wahrscheinlich ist. In Fragen dieser Art muß ich auf eine korrekte Beantwortung den größten Wert legen.
Sie können aber gewiß sein, und dafür gibt es ja genügend Beweise, daß die Bundesregierung - zusammen mit ihren europäischen Partnern - in diesem Bereich wirklich das Äußerste tut, um den vom Hungertod bedrohten Menschen wirklich zu helfen. Ich nehme Ihre Frage als willkommene Anregung.
Im übrigen möchte ich hervorheben, daß aus breiten Kreisen unserer Bevölkerung auf diesem Gebiet immer wieder Anregungen kommen, die von der Bundesregierung im Rahmen des Möglichen auch aufgegriffen werden. So habe ich gerade in diesen Tagen von engagierten jungen Christen im Saarland eine Rückfrage und einen Hinweis bekommen zum Thema „Hungersnot in Afrika". Auch das haben wir dankbar aufgegriffen.
({0})
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers des Auswärtigen. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister, für die Beantwortung der Frage.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 38 des Abgeordneten Schreiber auf:
Sind der Bundesregierung die Werte der Immissionen, insbesondere der Schadstoffausstoß pro Tag und die daraus resultierende Gesamtbelastung der Luft in dem an Deutschland angrenzenden französischen Industriebereich Carlin-gen, Creutzwald, Marienau bekannt, und welche Folgerungen zieht sie daraus in Anbetracht der Tatsache, daß sich diese Immissionen auch in der Bundesrepublik Deutschland schädlich auswirken?
Herr Präsident, wenn der Herr Kollege Schreiber einverstanden ist, möchte ich wegen des sachlichen Zusammenhangs die Fragen 38 und 39 gemeinsam beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Schreiber auf:
Hat die Bundesregierung davon Kenntnis, ob Filteranlagen in den immittierenden Werken in Carlingen, Creutzwald, Marienau vorhanden, im Bau befindlich oder geplant sind, und was wird die Bundesregierung gegebenenfalls gemein9116
Vizepräsident Westphal
sam mit der Regierung Frankreichs in dieser Angelegenheit unternehmen, um Immissionsschwächen im grenznahen deutschen Raum zu verhindern oder zu vermindern?
In den Orten Carlingen, Creutzwald und Marienau unmittelbar an der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland befinden sich mehrere Industrieanlagen, darunter eine Kokerei und ein Steinkohlenkraftwerk. Während die Kokerei nach im Saarland vorliegenden Informationen im Laufe des Jahres 1986 stillgelegt werden soll, ist das Kraftwerk im Jahre 1982 durch den Bau eines neuen Blocks bei gleichzeitiger Stillegung alter kleinerer Blöcke erweitert worden.
Emissionswerte sind der Bundesregierung nicht bekannt. Immissionsmeßstellen der Landesregierung des Saarlandes in Grenznähe zeigen, daß beim Schwefeldioxid die mittleren Immissionswerte niedriger als in Saarbrücken und Völklingen liegen. Beim Staub liegen die mittleren Immissionswerte in derselben Größenordnung wie in den saarländischen Belastungsgebieten.
Die Bundesrepublik Deutschland bemüht sich in Brüssel, in einem von der EG-Kommission vorgelegten Richtlinienentwurf zur Begrenzung der Schadstoffemissionen aus Großfeuerungsanlagen eine Grenzwertregelung für neue und bereits in Betrieb befindliche Anlagen vorzusehen. Der Richtlinienentwurf wird zur Zeit in der EG-Ratsgruppe für Umweltfragen beraten.
In der saarländisch-lothringisch-luxemburgischen Regionalkommission wird zur Zeit ein Informationsverfahren vorbereitet, nach welchem sich die betreffenden Nachbarländer über beabsichtigte genehmigungsbedürftige Bauvorhaben gegenseitig informieren.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schreiber.
Herr Staatssekretär, nachdem bekanntlich Schadstoffe vor der Grenze nicht halt machen, möchte ich nachfragen: Gibt es Kontakte der Bundesregierung mit Frankreich, bevor solche Kraftwerke auf französischer Seite eingerichtet werden? Man hat ja manchmal den Eindruck - das gilt nicht nur für Frankreich -, daß Kraftwerke an der Grenze gebaut werden, damit der Nachbar möglichst viel von dem Schmutz mitbekommt.
Herr Kollege, ich darf das bestätigen, was Sie zum Ausdruck bringen: Auch nach Auffassung der Bundesregierung ist Umweltschutz eine internationale Aufgabe. Wir unterhalten zu den französischen Stellen intensive Verbindungen, auch über die Beziehungen innerhalb der EG hinaus. Heute ist ja der Innenminister wieder in Paris, um mit der französischen Regierung auch das Thema Umweltschutz zu besprechen. Es findet also ein Informationsaustausch statt, aber die Bundesregierung ist der Auffassung, daß noch Verbesserungen möglich sind, und wir sind bemüht, solche Verbesserungen zu erreichen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Schreiber.
Sie haben angesprochen, daß derzeit Verhandlungen auf europäischer Ebene stattfinden. Mich würde interessieren, wie Sie die Chancen, hier zu Ergebnissen zu kommen, einschätzen, denn es fällt ja oft auf, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland strengere Vorschriften anwenden, während von seiten anderer Nationen, hier Frankreichs, diese Werte bei weitem nicht erreicht werden, und zwar gerade an der Grenze, was ja die Grenzräume belastet.
Herr Kollege Schreiber, Sie wissen, daß die Bundesregierung auf nationaler Ebene vor geraumer Zeit die Großfeuerungsanlagen-Verordnung verabschiedet hat. Wir bemühen uns, entsprechende Regelungen auch innerhalb der EG durchzusetzen; deswegen auch diese Richtlinie, die hier in der Diskussion ist. Aber ich wiederhole: Es ist außerordentlich schwierig, zehn Staaten mit unterschiedlichen Voraussetzungen an die national strengen Werte anzupassen und hier Vereinbarungen zu erzielen, die den Vorschriften entsprechen, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehen. Es gibt gerade bei der Beratung dieser Richtlinie nicht unbeträchtlichen Widerstand. Wir sind aber bemüht, diesen Widerstand auszuräumen, und ich bin davon überzeugt, daß wir auch international, innerhalb der EG, Erfolg haben werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Müller ({0}).
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, in welchem Zeithorizont eine Harmonisierung dieser Normen angesichts der bekannten Schwierigkeiten, die jetzt hinsichtlich der Einführung des Katalysators in Europa auftauchen, herbeigeführt werden könnte?
Herr Kollege, das macht exakt deutlich, wie schwierig es ist, wenn es um Investitionen geht, die im nationalen Bereich ja nun allein bei den Großfeuerungsanlagen viele Milliarden ausmachen. Dieses Projekt auf Europa umzusetzen ist natürlich außerordentlich schwierig. Wir sind am 6. und 7. März wiederum im EG-Umweltrat zusammen, um auch über dieses Thema zu beraten. Die Bundesregierung wird - ich wiederhole es - alle Anstrengungen unternehmen, um unsere nationalen Beschlüsse nach Möglichkeit auch innerhalb der EG umzusetzen.
Herr Müller, Sie dürfen noch eine Zusatzfrage stellen.
Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob eventuell die Gangart bei der Nachrüstung den französischen Industrieanlagen angesichts der Tatsache, daß das Problem „Waldsterben" in der französischen Öffentlichkeit ja doch bei weitem nicht so intensiv wie in der Bundesrepublik
Müller ({0})
Deutschland diskutiert wird, etwas langsamer ist als bei uns?
Es ist äußerst schwierig, hier bei sehr unterschiedlichen sonstigen strukturellen und technischen Voraussetzungen strenge Zeitmaßstäbe anzulegen. Es hat sich jedenfalls gezeigt, daß wir nicht im Geist der Konfrontation, sondern nur mit einer vertrauensvollen Kooperation mit unseren französischen Partnern Fortschritte erzielen können.
Wir kommen zu Frage 40 des Abgeordneten Krey:
Wie wird die Bundesregierung auf das Erscheinen des Magazins „Geheim" reagieren, dessen Null-Nummer in diesen Tagen vertrieben wird und das sich zur Aufgabe machen will, möglichst viele Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden und des Bundesnachrichtendienstes öffentlich bloßzustellen sowie die Zusammenarbeit der deutschen Sicherheitsbehörden mit befreundeten Sicherheitsbehörden zu hintertreiben, und zieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Einführung einer Strafvorschrift gegen das öffentliche Enttarnen geheimer Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden nach dem Vorbild der USA in Erwägung?
Herr Kollege Krey, der Bundesregierung ist das Magazin „Geheim", das kürzlich in einer Null-Nummer erschienen ist, bekannt. Zielrichtung des Magazins ist u. a. die systematisch betriebene öffentliche Enttarnung von Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden, um deren rechtmäßige Aufgabenerfüllung zu beeinträchtigen.
Die Bundesregierung wird im Interesse der Sicherheit unseres Landes die weiteren Ausgaben dieses Magazins mit großer Aufmerksamkeit beobachten. Sollte es sich erweisen, daß die bestehenden Strafvorschriften nicht dazu ausreichen, die Enttarnung von Mitarbeitern unserer Sicherheitsbehörden zu unterbinden, wird die Bundesregierung nicht zögern, das notwendige gesetzliche Instrumentarium zu schaffen.
Keine Zusatzfrage? - Dann rufe ich Frage 41 des Abgeordneten Krey auf:
Legen Inhalt, Autoren und Herausgeber des neuen Magazins „Geheim" die Befürchtung nahe, daß dieses Presseerzeugnis nur der Behinderung unserer Sicherheitsbehörden dienen und die Desinformationskampagnen östlicher Nachrichtendienste fördern soll?
Die verantwortlichen Redakteure des Magazins sind bereits in der Vergangenheit als Mitarbeiter kommunistisch orientierter Publikationen bekanntgeworden. Es sind dies der ehemalige Redakteur der „roten blätter", des Organs des „Marxistischen Studentenbundes Spartakus", und der ehemalige Chefredakteur von „frontal", des Organs des „Sozialistischen Hochschulbundes". Sie sind auch schon mehrfach durch sogenannte Enthüllungsliteratur, z. B. als Herausgeber der Bücher „CIA in Iran" und „CIA in Westeuropa" in Erscheinung getreten. Auf Grund Ihrer bisherigen Publikationen kann durchaus erwartet werden, daß das neue Magazin auch gezielte Falschinformationen betreiben wird. Dies würde das Lenin-Zitat, wonach die politischen Enthüllungen das wirksamste Mittel zur Zersetzung der feindlichen Reihen seien, erneut bestätigen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Krey.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Öffentlichkeit auf diese Zusammenhänge über die Beantwortung dieser meiner Frage hinaus aufzuklären?
Ich würde sagen, der Herr Abgeordnete Krey hat durch seine Fragestellung im Deutschen Bundestag die Möglichkeit geschaffen, daß die Bundesregierung beispielsweise in dieser Form Stellung bezieht. Und ich gehe davon aus, daß die Öffentlichkeit dies registriert und daß auch daraus resultierende Zusatzfragen, die die Bundesregierung zu beantworten bereit ist, zu einer weiteren Information der Öffentlichkeit beitragen können.
Hoffen wir, daß die Journalisten wenigsten an ihrem Fernsehgerät sitzen.
({0})
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann kommen wir zu der Frage 42 des Abgeordneten Sielaff:
Wie viele finanzielle Mittel hat die Bundesrepublik Deutschland bisher insgesamt für die Integration der Vertriebenen, Um- und Aussiedler aufgebracht?
Herr Kollege Sielaff, Ihre sehr umfassend gestellte Frage läßt sich innerhalb der für die Fragestunde zur Verfügung stehenden Frist nicht beantworten. Die Beiträge sind nur in Teilbereichen und überwiegend auch nur für kürzere Zeiträume gesondert ausgewiesen. Die Ermittlung der Gesamtaufwendungen erfordert bei Bund, Ländern und Gemeinden umfangreiche und zeitraubende Arbeiten, die trotz des großen Aufwands kaum zu absolut verläßlichen Ergebnissen führen dürften. Ein wesentlicher Faktor ist dabei der inzwischen eingetretene Zeitablauf. Hinzu kommt, daß ein Teil der Leistungen ohne vollständige gesonderte Erfassung im Zusammenhang mit Leistungen an andere Personengruppen erbracht wurde. Hier sind brauchbare Schätzungen nur sehr schwer durchzuführen. Sofern Sie das wünschen, bin ich bereit, Sie schriftlich über die erbrachten Leistungen zu unterrichten, soweit sie beim Bund für Teilbereiche und begrenzte Zeiträume festgestellt werden können und ich von den Ländern entsprechende Angaben erhalte.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Sielaff.
Herr Staatssekretär, unabhängig davon, daß Sie mir damit zugesagt haben, die Einzelheiten noch schriftlich nachzutragen, meine Fra9118
ge: Teilt die Bundesregierung meine Einschätzung, daß die Integration der Vertriebenen, und zwar auch gerade durch die großzügige Gewährung von finanziellen Hilfen, gelungen ist, daß die Menschen sich in der Bundesrepublik wohlfühlen und größtenteils in ihre frühere Heimat zur Zeit und unter den gegenwärtigen Gegebenheiten nicht zurückwollen?
Herr Kollege Sielaff, Sie stellen verschiedene Fragen über bestimmte Auswirkungen der Hilfe für die Vertriebenen. Was die Integration anbelangt, so wird sich sicherlich bestätigen lassen, daß die vielen Leistungen, die beispielsweise im Rahmen des Lastenausgleichs gewährt wurden, hier entscheidende Hilfen vermittelt haben. Deswegen können wir heute auch noch nicht sagen, daß damit beispielsweise die Frage des Lastenausgleichs schon endgültig gelöst wäre.
Keine weitere Zusatzfrage.
Wir kommen zur Frage 43 des Abgeordneten Broll:
Liegen der Bundesregierung über den am 15. und 16. Dezember 1984 von der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend ({0}), der Jugendorganisation der DKP, in Bottrop abgehaltenen 8. Bundeskongreß und über die extremistische Ausrichtung dieser Jugendorganisation Erkenntnisse vor?
Herr Abgeordneter Broll, die SDAJ bekannte sich auf dem genannten Kongreß erneut zum Marxismus-Leninismus als Anleitung zum revolutionären Handeln. Sie bezeichnete die Deutsche Kommunistische Partei als die revolutionäre Partei der Arbeiterklasse und Kampfgefährten für eine sozialistische Bundesrepublik und betonte den Vorbildcharakter des realen Sozialismus, wie er in der DDR und in der UdSSR bestehe. Die etwa 15 000 SDAJ-Mitglieder hatten rund 760 Delegierte zu dem Kongreß entsandt. Etwa 36 % der Delegierten hatten nach Angaben der SDAJ betriebliche und gewerkschaftliche Funktionen inne. Etwa 15 % gehörten nach diesen Angaben Schülervertretungen oder ähnlichen Gremien an. Im Rückblick auf die bisherige Arbeit stellte der SDAJ-Bundesvorstand fest: „Wir haben an Ausstrahlungskraft gewonnen." Die Zusammenarbeit zwischen Jungsozialisten, Falken, Naturfreundejugend und SDAJ und anderen sei in vielen Fragen auf allen Ebenen selbstverständlicher geworden. Die SDAJ sei in den großen demokratischen Bewegungen fest verankert und könne weder übersehen noch übergangen werden.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Broll.
Herr Staatssekretär, haben die Bemühungen der SDAJ um Beeinflussung der Schülervertretungen, die j a auch zu ihrem Ziel erklärt worden ist, Erfolg gehabt?
Wir müssen feststellen, daß SDAJ-Mitglieder nach wie vor auch in Landesschülervertretungen mitarbeiten. Ein Vertreter der Konferenz der Landesschülervertretungen war Gast des 8. SDAJ-Bundeskongresses.
Es gibt eine Reihe weiterer Fakten. Ich bin gerne bereit, sie Ihnen auch noch ergänzend schriftlich zu übermitteln.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Vosen.
Herr Staatssekretär, Sie erwähnten im Zusammenhang mit Ihrer Frage Kontakte zu der Jugendorganisation der SPD, den Jungsozialisten. Danach war eigentlich nicht gefragt worden. Da Sie das aber erwähnt haben: Liegen denn ähnliche Erkenntnisse vor im Bereich der Jungen Union hinsichtlich rechtsextremistischer Organisationen?
Ich sehe keinen Zusammenhang zu der eingebrachten Frage.
({0})
Der Abgeordnete Stockhausen hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 44 und 45 gebeten. Dasselbe gilt für die Frage 46 des Abgeordneten Dr. Laufs sowie für die Frage 47 des Abgeordneten Kalisch. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ansonsten haben wir unsere Zeit, die für die Fragestunde zur Verfügung steht, hinter uns. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Damit sind wir am Schluß der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 1. März 1985, 8 Uhr ein. Ich bitte, das zu beachten.
Die Sitzung ist geschlossen.