Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/10/1983

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Die Sitzung ist eröffnet. ({0}) Meine Kolleginnen und Kollegen! Der Deutsche Bundestag trauert um sein ehemaliges Mitglied, den langjährigen parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Josef Rösing. Er starb in Bonn am 7. Juni 1983 unerwartet im Alter von 72 Jahren. Josef Rösing wurde am 31. Januar 1911 in Beuel geboren. Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Bonn absolvierte er neben einer Tätigkeit in der Industrie das Studium der Nationalökonomie in Köln und in Bonn. Nach dem Krieg aus der Gefangenschaft zurückgekehrt, gehörte Josef Rösing 1945 zu den Mitbegründern der Zentrumspartei, für die er 1948 im Parlamentarischen Rat und seit 1949 im 1. Deutschen Bundestag als parlamentarischer Geschäftsführer tätig war. Im Jahre 1954 trat er der CDU bei. Von 1954 bis 1961 und von 1965 bis 1972 war Josef Rösing als Abgeordneter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zugleich deren parlamentarischer Geschäftsführer. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag blieb Rösing in der Verwaltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und in der KonradAdenauer-Stiftung aktiv tätig. Josef Rösing gehörte zu den Politikern der ersten Stunde. Wegen seiner festen Grundhaltung und seines unermüdlichen Wirkens im Dienst der Sache genoß er über die Grenzen seiner Partei hinaus Anerkennung und Achtung als ein aufrechter, bescheidener und pflichtbewußter Kollege. Der Deutsche Bundestag wird Josef Rösing ein dankbares und ehrendes Gedenken bewahren. - Ich danke Ihnen. Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Die Stahlkrise - Vorstellungen der Bundesregierung und ihr Vorgehen in Brüssel" verlangt. Die Aktuelle Stunde ist fristgerecht entsprechend der Nr. 2 b der Richtlinien verlangt worden. Interfraktionell wurde vereinbart, die Aktuelle Stunde jetzt, frühmorgens um 8 Uhr, durchzuführen. Ich rufe auf: Aktuelle Stunde zu dem Thema „Die Stahlkrise - Vorstellungen der Bundesregierung und ihr Vorgehen in Brüssel" Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Burgmann von den GRÜNEN. Ich weise darauf hin, daß ich die fünf Minuten Redezeit jeweils ganz strikt einhalten werde.

Dieter Burgmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000311, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Guten Morgen, meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde! Nachdem sich die Wirtschaftsvereinigungen Eisen und Stahl, d. h. die Stahlunternehmen, geäußert und ihre Interessen bei der Bundesregierung angemeldet haben, weil diese nach unseren Informationen am kommenden Dienstag im Kabinett über das weitere Vorgehen im Stahlbereich entscheiden will, waren wir der Meinung, daß es an der Zeit wäre, daß sich auch dieses Parlament einmal mit diesem Punkt beschäftigt, auch wenn wir uns darüber im klaren sind, daß dieses Thema im Rahmen der Aktuellen Stunde nicht ausgeschöpft werden kann. Wir sind der Meinung, daß die Interessen der Betroffenen und der Gesellschaft insgesamt hier deutlich angesprochen und diskutiert werden müssen, bevor die Bundesregierung entscheidet. Vor allem sollte die Bundesregierung ihre Pläne, über die sie am Dienstag beschließen will, hier zur Diskussion stellen, ehe sie im Rahmen der EG Beschlüsse faßt und Fakten setzt, die dann unter Umständen nicht umkehrbar sind. Wir haben diese Aktuelle Stunde heute beantragt, da nach Informationen der Stahlindustrie mindestens 33 000 Arbeitsplätze in diesem Bereich abgebaut werden sollen, und wahrscheinlich werden es noch deutlich mehr sein. Das geschieht vor dem Hintergrund, daß bereits seit 1965 über 60 000 Arbeitsplätze in diesem Bereich vernichtet wurden. Dabei sind ganze Regionen bedroht, beispielsweise die Oberpfalz, der Bereich Peine/Salzgitter, das Saarland und das Siegerland. Die Stahlindustrie spielt nur eine Vorreiterrolle, und wir werden in Kürze ähnliche Entwicklungen in anderen Bereichen, z. B. in der Elektronikindustrie, erleben. Es wurden riesige Überkapazitäten aufgebaut, und nun sollen die kleinen Betriebe geopfert werden. Tausende von Menschen werden dadurch arbeitslos. Privatwirtschaftlich sieht es sogar so aus, daß die hohen Investitionen für die Rationalisierung natürlich immer stärkere Konzentration an einigen ganz wenigen Stahlorten erfordern. Aber andererseits wird es volkswirtschaftlich dann ein Unsinn, wenn die Entlassenen als Arbeitslose von der Gesellschaft weiter finanziert werden müssen, wenn die zusätzlichen Verkehrsaufkommen getragen werden müssen, wenn die Umweltschäden verkraftet werden müssen und dergleichen. Die Bundesregierung glaubt auch hier anscheinend an die Selbstheilungskräfte des Marktes und wartet, daß von der Stahlindustrie ein Konzept kommt. Dabei muß klar sein, daß, wenn die Stahlindustrie ein Konzept vorlegt, dabei natürlich die Interessen der Betroffenen zu kurz kommen, daß sie untergehen. Das versteht sich von selbst. Und so versteht sich auch, daß die drei Milliarden D-Mark, die die Bundesregierung zuschießen will, nicht für die Arbeit, sondern für die Rationalisierung eingesetzt werden, also zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führen. Wir haben deshalb einige ganz wichtige Fragen an die Bundesregierung, wo wir sie bitten, ihren Standpunkt noch heute und hier offenzulegen: 1. Das betrifft einmal die Stahlstandorte. Da ergibt sich die Frage, ob die Standorte Peine/Salzgitter erhalten werden, ob hier eine Entschuldung vorgesehen ist, ob die Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg erhalten werden soll und was hier die Koalitionsvereinbarungen im einzelnen vorsehen, wie die Arbeitsplätze der Kollegen in der Oberpfalz gesichert sind und was mit der Stahlindustrie im Saarland ansteht. 2. Wir möchten fragen: Wie steht die Regierung zur Verlängerung des Quotensystems und zu der Höhe? 3. Welches Konzept der Stahlkonzerne bevorzugt die Bundesregierung? Hier liegen j a eine Reihe Vorschläge auf dem Tisch, aus denen man sich einiges auswählen kann. 4. Welche Mittel werden dafür zur Verfügung gestellt? 5. Welche alternativen Arbeitsplätze gibt es? 6. Ist die Regierung bereit, die Betriebsräte an der Quotenfestlegung und am Quotentausch mitbestimmend zu beteiligen genauso wie an den vorgesehenen Rationalisierungsmaßnahmen? Das Jahresgutachten, das zur Debatte steht, spricht von einem geordneten Rückzug in der Stahlindustrie. An anderer Stelle heißt es - ich zitiere -: Auf Dauer kommen den Staat Subventionen an die Stahlindustrie teurer zu stehen als die Hinnahme von Arbeitslosigkeit. Das halten wir für einen unglaublichen Grundsatz. Auch sind dort keine Alternativen aufgezeigt. Der einzige Vorschlag besteht in einer Anpassung der Kapazitäten durch Verkauf von Quoten, durch einen Quotentausch; mit solchen Quoten kann man dann wahrscheinlich ähnlich wie Aktien an der Börse spekulieren. Das hätte natürlich die Konsequenz, daß sich auch da nur die Starken durchsetzen werden und die kleineren Betriebe zerstört werden.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Herr Kollege!

Dieter Burgmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000311, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluß.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Sie kommen nicht zum Schluß, die fünf Minuten sind um, Herr Kollege. ({0}) - Herr Kollege, ich bitte Sie, die Ordnung des Hauses zu wahren. Ich habe von Anfang an gesagt, fünf Minuten sind fünf Minuten. Zu sagen „Ich komme zum Schluß", und dann noch zehn Sätze zu sprechen geht nicht. Sie hätten sowieso etwas kürzer Zeit gehabt, wenn Sie die Höflichkeit gegenüber dem Präsidium erwiesen hätten. Das Wort hat der Kollege Lammert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der GRÜNEN hat eine Aktuelle Stunde beantragt, nicht zuletzt, um eine Reihe von Informationen einzusammeln, die man natürlich mühelos auch mit dem Instrument der Fragestunde hätte bekommen können. Ein Teil der nachgefragten Informationen ist bereits im Parlamentsprotokoll dieser Woche nachzulesen. ({0}) Denn auf meine Anfrage nach den Absichten der Regierung zur Ausgestaltung der Beihilferegelung in der Fragestunde dieser Woche hat die Bundesregierung bereits, wie ich meine, sehr präzise Auskünfte gegeben. Das zeigt, daß auch andere Verfahren zur Einsammlung von Informationen möglich sind, ohne daß zu so nachtschlafender Zeit ganze Scharen von Journalisten auf die Pressetribünen getrieben werden müssen. ({1}) Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt ausdrücklich, daß die Stahlprobleme erstmals Gegenstand eines europäischen Gipfels sein werden. Dies ist in der Tat eine Frage von vitalem politischen Interesse - nicht nur, aber auch für die deutsche Stahlindustrie. Sowohl den Arbeitnehmern wie den Steuerzahlern wäre möglicherweise vieles erspart geblieben, wenn sich frühere Bundesregierungen zu einem früheren Zeitpunkt entschlossen hätten, ({2}) dieses Problem auf dieser Ebene zum Gegenstand der Äußerungen und ihrer Politik zu machen. ({3}) - Nach meinen Informationen, Herr Wolfram, werden die Gipfeltreffen der Europäischen Gemeinschaft von den Regierungschefs bestritten, und über genau die rede ich im Augenblick. ({4}) Ich rede also von der Bereitschaft des im Amt befindlichen Bundeskanzlers, dies nun zum Gegenstand des nächsten europäischen Gipfels in der nächsten Woche zu machen. ({5}) - Herr Wolfram, Sie werden sicher gleich noch Gelegenheit zu einer eindrucksvollen Rechtfertigung der Versäumnisse Ihrer Regierung Gelegenheit haben; das müssen wir doch nicht jetzt in meiner Redezeit abwickeln. ({6}) Die Regierung setzt damit - wir begrüßen das ausdrücklich und unterstützen es - offensichtlich die Linie fort, der sie bei ihrer ersten europapolitischen Entscheidung überhaupt, der Entscheidung zur Beendigung des monatelangen europäisch-amerikanischen Stahlkrieges im Oktober vergangenen Jahres, gefolgt ist. Damals hat die Bundesregierung - für manche Kommentatoren überraschend - eine sehr harte und eindeutige Verhandlungsposition im europäischen Stahlpoker bezogen, sie hat nach den leidvollen Erfahrungen der letzten Jahre auf fairen und verbindlichen Abmachungen bestanden und für die deutschen Stahlunternehmen für die Zukunft angemessene Quoten am US-Markt durchgesetzt. Viele Zeitungen, gerade ausländische, haben damals mit einer gewissen Verblüffung registriert, daß die Vertretung der deutschen Interessen in Brüssel an Konsequenz und Härte gewonnen hat. Wir stellen fest, daß sich die Nachbarländer auch in Zukunft darauf einstellen können, daß sich die deutsche Regierung europäischen Lösungen nicht verweigern wird, aber künftig nicht mehr zu beliebigen Bedingungen und auch nicht unter unklaren und unverbindlichen Voraussetzungen. Dies wird in der Tat gerade bei den anstehenden Entscheidungen auf europäischer Ebene erforderlich sein. Das gilt sowohl für die Quotenregelung als auch für die Beihilferegelung. Zu beiden Themen hat sich der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages in einer Sondersitzung am 21. Februar dieses Jahres sehr ausführlich geäußert; deswegen will ich es an dieser Stelle mit diesem Verweis bewenden lassen. In diesen Verhandlungen wird die Bundesregierung ganz sicher Wert darauf legen - und legen müssen -, daß bei den unvermeidlichen Anpassungsmaßnahmen und beim Kapazitätsabbau der Zusammenhang zwischen der Höhe der Beihilfen auf der einen Seite und den Auflagen zum Kapazitätsabbau auf der anderen Seite aufrechterhalten wird. Das heißt, es muß nach dem Grundsatz verfahren werden: Wer viel an öffentlichen Beihilfen bekommt, der muß auch in hohem Maße Kapazitäten abbauen, und wer nur wenig an öffentlichen Beihilfen bekommt, der kann nicht in gleichem Maße durch Auflagen zu einem Kapazitätsabbau gezwungen werden, der auf Grund der Rentabilitätslage nicht in jedem Fall unbedingt erforderlich erscheint. Meine Damen und Herren, im Kabinett stehen in der nächsten Woche Entscheidungen über die Ausgestaltung der nationalen Beihilferegelungen an. Die Bundesregierung hat über ihre Absichten bereits in dieser Woche Auskunft gegeben. Wir bestätigen ihre Einschätzung, daß die konkrete Ausgestaltung der Umstrukturierungsmaßnahmen von den betroffenen Unternehmen durchgeführt werden muß. Dies ist im übrigen auch auf seiten der SPD-Fraktion zumindest so lange nicht bestritten gewesen, wie Helmut Schmidt Kanzler gewesen ist. Wir warten mit einem gewissen Interesse auf die Einlassungen in dieser Diskussion, was die künftigen Einschätzungen dieses Problems angeht. Wir halten daran fest, daß die Bundesregierung den Umstrukturierungsprozeß mit öffentlichen Unterstützungsmaßnahmen begleiten muß, daß diese aber in der Sache wie in der Höhe nur in dem Maße gerechtfertigt sind, wie mit ihrer Hilfe dauerhafte rentable Arbeitsplätze - ohne das Risiko von Dauersubventionen - entstehen. - Herzlichen Dank. ({7})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Kollege Grobecker.

Claus Grobecker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000730, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße durchaus, daß wir uns auch einmal um 8 Uhr morgens über eine so wichtige Frage unterhalten. ({0}) Das ist vielleicht ganz gut, vielleicht besser, als wenn es um 24 Uhr geschieht, was wir auch oft genug erlebt haben. ({1}) Meine Damen und Herren, was sich da in den letzten Wochen und Monaten als Stahlarie abgespielt hat, ist ja nur scheinbar ein absurdes Theater, denn der völlige Verzicht auf eine Meinung, der völlige Verzicht auf eine Konzeption, der völlige Verzicht auf eine Industriepolitik und das wochenlange Abwarten der Bundesregierung verraten nicht etwa deren Hilflosigkeit, sondern deren Befangenheit in einer Marktideologie. Dahinter steht nach unserer Einschätzung die Ansicht: Einer muß ausscheiden, und dann ist die Situation beim Stahl geregelt. „Einer muß ausscheiden", das steht hinter diesem Abwarten, hinter diesem Zuwarten; es steht die Auffassung dahinter, daß der Markt das schon regelt, wenn einer von denen, die auf der Matte stehen, ausscheidet. Gleichzeitig verrät das eine wirklich tiefsitzende Ignoranz gegenüber den Arbeitnehmern in den betroffenen Produktionsstandorten. ({2}) Herr Bundesminister, durch Ihr Abwarten verhalten Sie sich nicht neutral gegenüber den Stahlkonzernen. Sie ergreifen Partei. Sie ergreifen Partei für den Stärkeren; denn je länger Sie abwarten, je eher wird klar, daß einer ausscheiden muß. Ich bin hier nicht der Sprecher von Klöckner, sondern der Arbeitnehmer, die dort beschäftigt sind. ({3}) Die betroffenen Arbeiter können nichts dafür, daß sie bei Klöckner in Osnabrück oder in Bremen oder sonstwo arbeiten. Sie haben keine Chance, woanders ihr Geld zu verdienen. Äußern Sie sich deshalb in dieser Aktuellen Stunde zur Standortfrage. Das muß man erwarten können. Sie müssen sich dazu äußern, damit wir, d. h. diejenigen, die aus einer gebeutelten Region kommen - ich komme z. B. aus dem Unterwesergebiet - wissen, was los ist, damit die Stahlarbeiter, die Schiffbauer, die Fischer, die Hafenarbeiter und die Flugzeugbauer wissen, wo es langgeht. Sie wissen, wovon ich spreche, wenn ich von der Unterweserregion rede. Sagen Sie hier, ob Sie das modernste Stahlwerk am seeschifftiefen Wasser abgeschrieben haben. Sagen Sie hier, ob Sie die Auffassung, die Ihnen Ihre Beamten in einem Vermerk aufgeschrieben haben, daß Klöckner nicht mehr zu retten sei, teilen. Sagen Sie, ob Sie glauben, so handeln zu müssen. Jedenfalls denke ich, daß diese Aktuelle Stunde durchaus Anlaß ist, kurz vor wichtigen Entscheidungen hier von Ihnen Äußerungen über Ihre Absichten zu bekommen. - Danke schön. ({4})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Herr Kollege Beckmann.

Klaus Beckmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die FDP-Bundestagsfraktion ist dem Bundeswirtschaftsminister besonders dankbar, daß es ihm auf Grund seiner beharrlichen Bemühungen, seines ständigen Drängens gelungen ist, den EG-Ministerrat zu einem Grundsatzbeschluß über die Verlängerung des Produktionsquotensystems zu bewegen. Die Fraktion äußert die Hoffnung und die Erwartung, daß es während der nächsten Sitzung des EG-Ministerrats über das Thema „Stahl" in der kommenden Woche gelingen wird, das Quotensystem im Detail zu akzeptablen Bedingungen zu verlängern. „Akzeptabel" heißt, daß das System ohne Einbußen des deutschen Produktionsanteils in der EG verlängert wird. Gelingt dies nicht - das muß man klar sehen -, kommt es zu einem neuen Preiszusammenbruch, den unter Umständen einige deutsche Unternehmen aus eigener Kraft nicht mehr überstehen können. Ihr Zusammenbruch könnte dann nur durch hohe Ausgleichssubventionen, die sich schon aus Haushaltsgründen verbieten, oder durch Schutzmaßnahmen nach Art. 37 EGKS-Vertrag, abgewendet werden. Hier geht es um vitale innenpolitische deutsche Interessen, und es ist zu hoffen, daß auch die übrigen EG-Partner zu Kompromissen fähig sind. Sonst würde nämlich bei uns unvermeidlich das Nachdenken über bisher undenkbare Maßnahmen einsetzen, um die deutschen Stahlregionen vor Kahlschlägen zu schützen. Dies wäre nicht nur aus ordnungspolitischen Erwägungen, sondern auch für die wirtschaftliche Erholung in der EG eine verhängnisvolle Entwicklung. Dies, so meine ich jedenfalls, ist ein klares Konzept. Es beläßt die Verantwortung dort, wo sie hingehört: bei den Unternehmen im Hinblick auf die Erarbeitung von Umstrukturierungsplänen und bei der Bundesregierung sowie bei den Landesregierungen bezüglich Überlegungen zur Festlegung des Quotensystems und zur Bereitstellung finanzieller Hilfen. Daher ist auch der Vorwurf, den die SPD-Bundestagsfraktion im Anschluß an ihr Stahl-Hearing vor einigen Wochen erhoben hat, wonach der Bundeswirtschaftsminister seine Verantwortung in Richtung auf Brüssel und auf die Unternehmen abschieben wolle, unrichtig und irreführend. ({0}) Tatsache ist vielmehr, meine verehrten Kollegen, daß er seiner Verantwortung in Brüssel mehr als gerecht geworden ist. Auf die Verantwortung der Länder - insbesondere des Landes Nordrhein-Westfalen -, werde ich allerdings gleich noch zu sprechen kommen. ({1}) Aber der von der SPD vorgezeichnete Weg ist auch noch aus anderen Gründen verhängnisvoll: Er öffnet finanziellen Ansprüchen Tür und Tor. Dagegen sieht es die FDP-Bundestagsfraktion als verdienstvoll an, daß die Bundesregierung bereit ist, zusammen mit den Ländern 3 Milliarden DM für flankierende Hilfen zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang spielt allerdings die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen eine besonders traurige Rolle. ({2}) Nicht nur, daß Ministerpräsident Rau nach allen Seiten beschwichtigt und hofft, mit dieser Hängepartie über die Landtagswahlen 1985 zu kommen, nein, die Landesregierung weigert sich sogar - allerdings genauso wie die Regierungen von Bremen und Niedersachsen, das muß ich hinzufügen -, sich zu Hälfte an der Finanzierung der flankierenden Maßnahmen zu beteiligen. Wie es anders gehen soll, sagt die Landesregierung in Düsseldorf leider nicht. Diese Haltung der SPD-Regierung in Düsseldorf ist unverantwortlich, vor allen Dingen gegenüber den Stahlarbeitern und allen anderen Bürgern im Ruhrgebiet, die betroffen sind. Sie erwarten zu Recht, daß auch die SPD-LanBeckmann desregierung endlich handelt und wie die anderen Landesregierungen ihrer regional- und strukturpolitischen Verantwortung gerecht wird. ({3}) Demgegenüber steht das Konzept der Bundesregierung, das von der FDP-Bundestagsfraktion voll mitgetragen wird. Meine Damen und Herren, die Unternehmen haben ein Umstrukturierungskonzept vorzulegen, verantwortlich zu tragen und auch entschlossen zu realisieren. ({4}) Mit dem Konzept muß die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Stahlindustrie verbessert und Dauerarbeitsplätze müssen gesichert werden. Zu regionalen Kahlschlägen darf es nicht kommen. Die Bundesregierung und die betroffenen Landesregierungen müssen gemeinsam zur Hälfte die Umstrukturierung finanziell flankieren. Die Bundesregierung muß in Brüssel entschieden und entschlossen auf den Abbau der Stahlsubventionen in den übrigen Mitgliedstaaten drängen. Nur auf diesem Wege kann die europäische Stahlkrise mittelfristig überwunden werden. Auf Grund der vitalen Interessen der Bundesrepublik Deutschland an der Lösung der Stahlkrise bittet die FDP-Bundestagsfraktion die Bundesregierung, auf dem EG-Gipfel in der nächsten Woche in Stuttgart die europäische Lösung der Stahlkrise zu einem der zentralen Beratungs- und Entscheidungspunkte zu machen. Es kann in diesem Problembereich nicht darauf hinauslaufen, daß die Bundesrepublik mit dem Rücken an die Wand gestellt wird. Es kann nicht angehen, daß dasjenige Land, das am wenigsten subventioniert, beim Abbau der Beschäftigung und der Kapazitäten die meisten Opfer bringen soll. ({5}) Es kann auch nicht angehen, daß es auf Drängen einiger Mitgliedstaaten zu höheren Quoten kommt. - Ich bedanke mich. ({6})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Es tut mir leid, aber die Geschäftsordnung ist hier zwingend und erlaubt für niemanden eine Ausnahme. Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es in der Tat mit einer schwierigen Frage zu tun. Ich begrüße die Möglichkeit, in dieser Aktuellen Stunde, bei der ich ebenfalls versuchen will, mich an die fünf Minuten zu halten, auf einige Fragen Antwort geben zu können, und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem sowohl die Regierung entscheiden muß und in dem sich der Europäische Rat und der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft mit der Stahlproblematik zu befassen haben. Hier, Herr Burgmann und Herr Grobecker, liegt mein erster Ansatzpunkt. Wenn Sie die Stahlpolitik diskutieren wollen, ohne Europa zu erwähnen, dann können Sie Ihre Beiträge vergessen, dann hat die Sache überhaupt gar keinen Sinn. ({0}) Zweitens. Daß kleine Betriebe geopfert werden sollten, wie Herr Burgmann sagt, ist falsch. Daß die Bundesregierung an die Selbstheilungskräfte des Marktes glaubt, erzählen Sie zwar immer wieder, das tun wir schon in anderen Bereichen nicht - -({1}) - Nein, nie erzähle ich das. Sie haben es noch nicht ein einziges Mal von mir gehört, nur trägt Ihre Rederei dauernd dazu bei. Sie behaupten das. ({2}) In keinem einzigen Zusammenhang haben Sie diesen Ausdruck jemals von mir gehört, und Sie wissen das auch ganz genau. ({3}) Daß in diesem Falle nun schon von Markt überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann, weil der Stahl, solange er in Europa produziert wird, mit Preislisten und Rabatten und hinterlegten Preislisten in Luxemburg aus der Marktwirtschaft herausgenommen worden ist, ({4}) wissen Sie alle doch ganz genau, oder Sie haben es vergessen und wissen es nicht. Dann reden Sie nicht von unserer Ignoranz, sondern bescheinigen Sie sich Ihre eigene! ({5}) Meine Damen und Herren, es ist gesagt worden, die Bundesregierung wolle 3 Milliarden DM zuschießen. Das will sie nicht. Die öffentlichen Hände insgesamt sollen 3 Milliarden DM zur Verfügung stellen; die Bundesregierung trägt die Hälfte. Ohne die Beteiligung der Länder mit 50 % wird es aus der Kasse der Bundesregierung keine müde Mark geben. Ich bestätige das hier noch einmal. ({6}) Ob die Betriebsräte an Quotenfestlegung und Quotentausch beteiligt werden, entscheidet nicht die Bundesregierung, Herr Burgmann, sondern das entscheidet sich nach dem Mitbestimmungsgesetz. Das ist nicht unsere Sache. Wir sind nicht das Stahloberunternehmen oder der Stahloberaufsichtsrat oder -obervorstand der Bundesrepublik, meine Damen und Herren, und wir wollen es auch nicht werden. ({7}) Ein Punkt scheint mir ganz wesentlich zu sein. Ich will ihn hier in erster Linie erwähnen. In den nächsten Wochen - ich sagte das schon - wird in Europa über diese Frage diskutiert werden. Die Bundesregierung hat am 25. April 1983 im Ministerrat einen Grundsatzbeschluß erreicht, wonach bei der Verlängerung der Quotenregelung außer der bereits durchgeführten Umstrukturierung auch die gewährten Beihilfen berücksichtigt werden sollen. In diesem Punkt besteht übrigens volles Einvernehmen mit der deutschen Stahlindustrie. Realistisch erscheint eine Verlängerung des bestehenden Systems - so wie es steht und liegt - mit mehr Flexibilität bezüglich der genannten Kriterien und mit größerer Transparenz in der Umsetzung durch die europäische Kommission. Eine befriedigende Regelung dieser Frage ist für die deutsche Stahlindustrie und für die Bundesregierung von vitaler Bedeutung. Der Bundeskanzler wird deshalb die Stahlpolitik zu einem Thema des Europäischen Rates machen. Eine Lösung der Stahlfrage ist Voraussetzung dafür, daß die Bundesregierung eventuellen Beschlüssen über die zukünftige Finanzierung der EG zustimmen kann. Verschiebung der Marktanteile in Europa und subventionierte Preise, gegen die wir uns nicht schützen könnten, hätten schwerwiegende Folgen für die Beschäftigung und damit auch finanzielle Konsequenzen für den Haushalt. Ich halte es nicht für möglich, über die zukünftige Finanzierung der Gemeinschaft nachzudenken, wenn durch fehlende Einigung auf dem Stahlmarkt neue finanzielle Risiken geschaffen werden. - Danke sehr. ({8})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Kollege Roth.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Graf Lambsdorff, nach Ihrem Prinzip „Angriff ist die beste Verteidigung" haben Sie nun versucht, die SPD zu attackieren und nicht zu eigenen Problemen Stellung zu nehmen. ({0}) Erste Frage. Es ist wirklich - ich muß mich da zusammennehmen, um nicht schärfer zu argumentieren - ein starkes Stück, heute morgen hier an dieses Pult zu gehen und nicht darüber zu reden, welche Konsequenzen Sie daraus ziehen, daß Ihre eigene Monopolkommission gestern erklärt hat, die Zusammenfassung von Thyssen und Krupp sei wettbewerbswidrig und deshalb werde die Monopolkommission dagegen auftreten. Gestern ist das geschehen. Ihre ganzen stahlpolitischen Überlegungen sind von der Monopolkommission gestern in Frage gestellt worden. Heute früh geht der Graf Lambsdorff, geht der Wirtschaftsminister hierher und erwähnt das Gutachten der Monopolkommission nicht einmal. ({1}) Die zweite Frage, die sich ergibt. Jeder, der die Entwicklung der Stahlindustrie verfolgt, weiß, daß bei der derzeitigen Entwicklung - Thyssen und Krupp gehen zusammen, und die übrigen Unternehmen bleiben allein - und bei der finanziellen Lage des Landes Bremen der Klöckner-Konzern in kurzer Zeit aus dem Markt ausscheiden wird. Das bedeutet nicht nur für viele Arbeitnehmer an verschiedenen Standorten eine verhängnisvolle Entwicklung, sondern das bedeutet für den Standort Bremen nach meiner Überzeugung eine Wirtschaftskatastrophe, wie wir sie in der Bundesrepublik Deutschland in einer Region noch nicht gehabt haben. Zu diesem Sachverhalt, der in internen Papieren des Bundeswirtschaftsministeriums ganz offen dargestellt wird - das wird der Bundesminister auch gar nicht bestreiten können; er wird auch vorsichtig genug sein, das nicht zu bestreiten -, sagt der Wirtschaftsminister überhaupt nichts. ({2}) Er sagt nichts zu der Tatsache, daß im EG-Rahmen die Quoten noch keinesfalls gesichert sind. Er sagt nichts zu der Tatsache, daß er sich selber bei den Verhandlungen über Quoten weitgehend herausgehalten hat. Stimmt es eigentlich, Herr Wirtschaftsminister, daß Sie sich bei Abstimmungen über Quoten überhaupt nicht beteiligen, weil Sie Quotenregelungen aus dem Grundsatz heraus ablehnen? Jedenfalls wurde das mehrfach von befreundeten Kollegen in anderen Regierungen der westlichen Länder so gesagt. ({3}) Die Bundesregierung hat sich in den letzten Jahren - und hier gibt es in der Tat eine Kontinuität, die ich ständig kritisiert habe - unter der Führung des Wirtschaftsministers aus einem klaren Stahlkonzept herausgehalten. Die einzige Aktivität von Graf Lambsdorff in den letzten Jahren war es, andere Regierungen wegen Subventionen anzugreifen. So richtig diese Position war, andere wegen Subventionen anzugreifen, hätte man für Deutschland ein Strukturkonzept gebraucht. ({4}) Dieses Strukturkonzept könnte nicht anders aussehen, als daß mindestens zwei lebensfähige Konzerne hätten gebildet werden müssen. ({5}) Eben dies hat Graf Lambsdorff ständig sabotiert. Sprechen Sie einmal mit den Unternehmen! Sprechen Sie insbesondere mit den Arbeitnehmern in der Stahlindustrie! Sie sind sich bewußt, daß durch dauerndes Hinhalten hier eine Katastrophe vorbereitet worden ist. Diese Verantwortung trägt Graf Lambsdorff und niemand sonst. Wir als Sozialdemokraten werden in den nächsten Wochen, weil diese Bundesregierung nicht bereit ist, ein Stahlkonzept vorzulegen, ein eigenes Stahlkonzept hier in der Bundesrepublik Deutschland zur Debatte stellen. Vielen Dank. ({6})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Kollege Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001029, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Roth, wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Im übrigen sollten Sie sich besser informieren. Zweitens habe ich heute ein Konzept von Ihnen, von der SPD, vermißt. ({0}) Wir sind dem Bundeswirtschaftsminister sehr dankbar, daß er heute erneut bekräftigt hat, daß die Bundesregierung national und auf der EG-Ebene alles unternehmen wird, um die deutsche Stahlindustrie zu sichern. Die deutsche Stahlindustrie und die dort vorhandenen Arbeitsplätze sind in einer sehr ernsten und bedrohlichen Situation. Ich glaube, wir müssen heute bekräftigen, daß die deutsche Stahlindustrie nicht auf dem Altar Europa geopfert werden darf. Unsere Stahlindustrie hat bereits erhebliche Kapazitäts- und Beschäftigungsopfer gebracht. Sie braucht jetzt in diesem europäischen Subventionswettbewerb, in dem wir uns befinden, auch die politische Unterstützung. Wir wissen, daß die deutsche Stahlindustrie bei der Quotenregelung der EG erheblich benachteiligt worden ist und ein weiteres Sinken dieser Quoten nicht mehr hinnehmbar ist. Die neue Bundesregierung bemüht sich dankenswerterweise jetzt um eine Lösung der Probleme der Stahlindustrie. ({1}) Diese Probleme sind ernst und dringlich. Es geht um einen wichtigen Wirtschaftsbereich. Es geht um eine große Zahl von Arbeitsplätzen. Es geht auch um wichtige regionale Strukturprobleme. ({2}) Deshalb ist es wichtig, daß wir die Zusicherung haben, daß alles unternommen wird, um der deutschen Stahlindustrie zu helfen. ({3}) Ich stelle einige regionale Gesichtspunkte heraus. Der Stahlstandort Oberpfalz mit dem Unternehmen Maxhütte ist in dieser revierfernen Region von ganz großer Bedeutung. ({4}) Zu diesen über 6 000 Arbeitsplätzen in der mittleren Oberpfalz gibt es derzeit keine Alternative. Die mittlere Oberpfalz ist in den letzten Jahren erheblich gebeutelt worden. Sie hat viele Arbeitsplätze verloren, einen ganzen Betrieb der Braunkohleindustrie durch Auslaufen der Kohle, durch Umstrukturierung von Großbetrieben und durch Rückzug von Bundesunternehmen, insbesondere der Bundesbahn. Die Stillegung der Maxhütte würde für diese Region bedeuten, daß die Arbeitslosigkeit von derzeit 13,5 auf über 20 % steigen würde, und würde einen Einkommensverlust von jährlich 185 Millionen DM herbeiführen. Wir sind dankbar, daß in der Koalitionsvereinbarung festgelegt wurde, daß der Stahlstandort Oberpfalz mit dem Unternehmen Maxhütte gesichert werden muß. Dafür danke ich insbesondere dem Bundeskanzler. Das Unternehmen Maxhütte in dieser revierfernen Region hat eine Zukunft. Es ist das einzige integrierte Eisen- und Stahlwerk mit einer Erzbasis, mit dem süddeutschen Markt vor der Haustür. Die Maxhütte hat ein Zukunftskonzept entwickelt, nämlich ein Investitionsstrukturprogramm, das durchgeführt werden muß. Aber wichtig ist, daß die Produktionspalette nicht beschnitten wird. Es darf nicht der Vorschlag der Moderatoren verwirklicht werden. Denn dieser Vorschlag würde den Untergang des Unternehmens, den Tod auf Raten bedeuten. Die bayerische Staatsregierung steht hinter dem Konzept der Maxhütte. Ich bin dem Bundeswirtschaftsminister dankbar, daß er das MaxhüttenKonzept nach Brüssel weitergegeben hat. Die bayerische Staatsregierung ist zur Mitfinanzierung dieses Konzepts bereit unter der Voraussetzung, daß die anderen Länder mitmachen. Ich bitte Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister - und ich fordere die Bundesregierung auf -, alle Schritte zu unternehmen, um die Existenz der deutschen Stahlindustrie und auch die Existenz des Unternehmens Maxhütte zu sichern. ({5})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Kollege Zeitler.

Werner Zeitler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002587, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will dem Kollegen Lammert, der meint, die neue Bundesregierung sei doch gar nicht verantwortlich zu machen, sagen: Hier sitzt derselbe Wirtschaftsminister wie zu unserer Regierungszeit. Er verwaltet seinen Nachlaß. Daher werfen wir ihm zu Recht vor, was ihm vorgeworfen werden muß. ({0}) Herr Bundeswirtschaftsminister, eine deutsche Stahlpolitik ist nicht möglich, wenn es nicht gelingt, in der EG Preisdisziplin zu wahren, den Marktanteil durch bessere Quotenregelungen zu sichern - eben hat mein Vorredner selber eingestanden, daß es mit der Quotenregelung nicht in Ordnung ist - und endlich sämtliche EG-Partner auf die Einhaltung des Subventionskodex zu verpflichten. Ich sage Ihnen: Das ist nicht nur unsere Meinung, das ist mittlerweile die Meinung der Unternehmer der deutschen Eisen- und Stahlindustrie ebenso wie der Industriegewerkschaft Metall. Werden Sie dort also tätig. Sie sind seit 1977 durch Betriebsräte, durch Arbeitsdirektoren, die seitdem in Bonn gewesen sind, darauf hingewiesen worden, was sich in der Stahlindustrie entwickelt. Sie sind nicht tätig geworden. Im Gegenteil: Sie haben uns doch im Wirtschafts636 ausschuß, in Gesprächen immer wieder gesagt, Sie seien der Meinung, gerade die deutsche Bundesregierung habe den Wettbewerb zu verteidigen. Sie haben zugelassen, daß die deutsche Stahlindustrie durch einen verzerrten Wettbewerb in anderen Ländern in Unordnung gebracht worden ist. Die Stahlarbeiter an der Ruhr haben ein Recht darauf, von Ihnen zu verlangen, ihre Interessen anders zu vertreten. ({1}) Die Stahlarbeiter an der Ruhr und anderswo haben nach dem Krieg beim Wiederaufbau des Landes Unsägliches geleistet. Sie haben in zerstörten Städten, in zerstörten Wohnungen gelebt und unter schlimmsten Lebensbedingungen höchste Arbeitsleistungen erbracht. Deshalb haben sie heute das Recht, daß man sich um sie kümmert und ihre Angelegenheiten in Ordnung gebracht werden. ({2}) Bei Ihnen, Graf Lambsdorff, war immer eine Art Wettbewerbsfanatismus zu spüren, wenn es darum ging, in der EG dafür zu sorgen, daß endlich andere Verhältnisse eintreten. Ich meine, das hätten Sie in Ordnung zu bringen. Wenn uns in den letzten Tagen gesagt worden ist, daß die Regierungen in anderen Ländern - in Belgien, Frankreich, Italien, Großbritannien - allein seit 1980 mehr als 40 Milliarden DM an Subventionen ihren Stahlindustrien geleistet hätten, kann ich nur feststellen: Der von Ihnen verteidigte Subventionskodex ist längst nicht mehr in Ordnung, er funktioniert nicht. Ich meine, daß es dann gerecht ist, wenn Sie in der Bundesrepublik mit Hilfen rüberkommen. Wenn wir allerdings hören, daß Sie 3 Milliarden DM als eine Art Stillegungsprämie über das Land rieseln lassen wollen - möglicherweise sogar mit der Gießkanne -, muß ich sagen, daß Sie entweder früher verteidigte Konzepte aufgegeben haben oder nicht mehr wollen. Da gab es einmal die Überlegung, tragfähige unternehmensübergreifende Konzepte zu erarbeiten. Alles, was mit diesen Überlegungen im Zusammenhang stand, haben wir durchaus akzeptiert. Sie haben das dann aufgegeben. Unsere Vorstellungen liegen auf dem Tisch. Die Stahlstandorte sind zu erhalten. Stahlstandorte erhalten heißt, daß die Rohstoffbasis und in gleicher Weise die Weiterverarbeitung erhalten werden. Das gilt insbesondere für die Unternehmen des Ruhrgebiets. Am 30. Juni 1982 haben Sie in einen Kabinettsbeschluß geschrieben, daß Hoesch durch Kapazitätsstillegung und Freisetzung von Beschäftigten bereits erhebliche Vorleistungen zur Gesundung des Stahlmarktes erbracht habe. Wenn das so ist -das gilt mittlerweile ja auch für andere Unternehmungen, wie wir nachlesen können -, ist von Ihnen zu verlangen, daß Sie tätig werden. Die Stahlarbeiter an der Ruhr und anderswo haben ein Recht auf Klarheit. ({3}) Wenn Sie aus Ihrem Haus verlauten lassen, dem deutschen Steuerzahler könne nicht mehr zugemutet werden, wenn der Verband der Eisen- und Stahlindustrie sagt, vielleicht wären statt 3 Milliarden DM 4,5 Milliarden DM notwendig, dann darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß das Steuerzahler sind. Ich denke, Sie übersehen bei Ihrer Argumentation, daß der Steuerzahler später größere Schäden beheben muß, wenn Sie ganze Regionen ausbluten lassen, wenn Sie nicht dafür sorgen, daß endlich etwas passiert. ({4}) Ich habe gestern in der „Westfälischen Rundschau" über einem Kommentar gelesen: „Vor dem Gemetzel". In der deutschen Stahlindustrie wird es ein Gemetzel geben, wenn Sie nicht endlich anfangen, in der EG mannhaft Wettbewerb herzustellen, oder aber sagen - wenn Sie dazu nicht bereit sind -, als Ausgleich für den verfälschten Wettbewerb werde die Bundesregierung die Stahlindustrie schnell und zügig in Ordnung bringen, sie werde dafür sorgen, daß Regionen wie beispielsweise die von Dortmund bis Duisburg nicht kaputtgehen müßten. Denn wenn die bisherige Politik fortgeführt wird, muß der wichtigste Wirtschaftszweig Stahl kaputtgehen. ({5})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Kollege Breuer.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß das Thema „Stahlwirtschaft in der Bundesrepublik" kein Objekt für parteiliche Popularitätssteigerungen ist. ({0}) Bei der Debatte des heutigen Morgens geht es offenbar darum, den Schwarzen Peter der Bundesregierung zuzuschieben. ({1}) Wenn von der Bundesregierung ein Strukturkonzept verlangt wird, muß erwidert werden: Dieses Strukturkonzept hätte seit 1976 - da waren die Probleme nämlich auch schon vorhanden - auf dem Tisch liegen müssen. ({2}) Mittlerweile gewinnt die Beihilfe der Bundesregierung in Verbindung mit der Unterstützung durch die Bundesländer an Gewicht. Gerade die Diskussion darüber finde ich sehr interessant. Es ist schon interessant zu hören, daß die 3 Milliarden DM Beihilfen, die vom Bund und den Ländern an die Stahlunternehmen gegeben werden sollen, von der SPD - der Kollege Zeitler hat das hier eben wiederholt - als „Abwrackprämie" diffamiert werden. In der „Westfälischen Rundschau" vom 20. Mai wird der Kollege Peter Reuschenbach zitiert. Dort heißt es - ich zitiere -: „Einer solchen Zielsetzung, die eher als Sterbehilfe denn als Unterstützung beBreuer zeichnet werden müsse, könne nicht energisch genug widersprochen werden." ({3}) - Es ist sehr gut, daß Sie dazu Beifall klatschen. Ich kann Ihnen sagen, was die Betriebsräte davon halten. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Krupp Stahl AG, Herr Schröder, hat in einem Brief an Ihren Fraktionsvorsitzenden, an Herrn Dr. Hans-Jochen Vogel, ({4}) folgendes geschrieben: Wie wir einer Pressemitteilung in der „Westfälischen Rundschau" vom 20. Mai 1983 entnommen haben, sind einige Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion der Auffassung, daß die Sozialplankosten einen sogenannten „Abwrackcharakter" besitzen und deshalb nicht förderungswürdig seien. Wir, die Mehrheit des Gesamtbetriebsrats der Krupp Stahl AG, können diese Ansicht, falls die Pressemitteilung der Tatsache entsprechen sollte, nicht akzeptieren. ({5}) Weiter heißt es: Belegschaftsanpassungen wären bei Verzicht auf Sozialpläne kaum ohne harte wirtschaftliche Folgen für die Belegschaften möglich gewesen. ({6}) Meine Damen und Herren, wenn Sie undifferenziert die Beihilfen der Bundesregierung mit Unterstützung der Länder zu den Umstrukturierungsfolgekosten angreifen, dann muß Ihnen diese Meinung entgegenschlagen. ({7}) Ich rate Ihnen - das ist für die SPD ohnehin ratsam -: Unterhalten Sie sich etwas mehr mit den Betriebsräten, anstatt die Bundesregierung anzugreifen. ({8}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Autonomie der Unternehmensentscheidungen ist sicher auch ein Thema, das hier angesprochen werden muß. Wir sind der Meinung, daß, wenn wir die Autonomie der Unternehmen zulassen und fördern, die Unternehmen natürlich auch eine erhebliche Verantwortung für die Stahlregionen, die Stahlstandorte übernehmen. Ich spreche hier als gewählter Vertreter einer Stahlregion, nämlich des Siegerlandes. Ich meine, daß den Unternehmen die Pflicht zur Rechenschaft darüber aufgelastet werden muß, Entscheidungen zu treffen, die nicht zu einem Kapazitätsabbau zu Lasten einzelner Regionen führen. Das muß gleichgewichtig und gerecht erfolgen, so, daß nicht einige Regionen vom Kahlschlag betroffen sind. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Herr Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Minister Dr. Jochimsen ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen trägt seit 1974 innerhalb der Bundesrepublik die Hauptlast des strukturellen Anpassungsprozesses. ({1}) Wegen der unmittelbaren Auswirkungen auf die Kohle und die stahlnahen Industriezweige potenzieren sich hier die vom Rückgang des weltweiten Stahlverbrauchs ausgehenden Wirkungen. Von den rund 26 000 Stahlarbeitsplätzen, die allein in den Jahren 1980 bis 1982 verlorengegangen sind, sind 20 000 allein in Nordrhein-Westfalen abgebaut worden. ({2}) Von den jetzt geschätzten weiteren 28 000, die auf Grund des Strukturwandels nach den Unternehmensvorstellungen noch verlorengehen werden, trägt Nordrhein-Westfalen wiederum fast 21000. Damit entfallen fast 80% der in der Bundesrepublik einschließlich Saarland verlorenen Arbeitsplätze auf das Land Nordrhein-Westfalen. Meine Damen und Herren, die Vorschläge der Bundesregierung führen nicht zur durchgreifenden Modernisierung und nicht zur durchgreifenden Sicherung der Arbeitsplätze, ({3}) sondern lediglich zur Reduzierung der deutschen Stahlindustrie. Sie enthalten Elemente, nämlich Sozialplanhilfen und Teilwertabschreibungen, an denen sich das Land aus ordnungspolitischen Gründen nicht beteiligen kann. Abwrackprämien, Präjudizwirkungen für andere Bereiche und das, was Sie, Herr Kollege Breuer, soeben sagten, das alles trifft doch einfach nicht zu. Als ob es nicht schon längst aus Mitteln der Montanunion und der Bundesregierung Unterstützungen für die Sozialpläne gäbe! ({4}) Vernebeln wir doch nicht die Landschaft! Das Instrument Bürgschaft wird ausgeschlossen, wodurch sich die Gewichte mit ungleicher Wirkung auf die einzelnen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen noch stärker zuungunsten von Investitionen verschieben. Die von der Bundesregierung jetzt ins Auge gefaßte Entscheidung, Herr Bundesminister für Wirtschaft, bedeutet zugleich die Entkoppelung von Minister Dr. Jochimsen ({5}) Stahlhilfen und Stahlneuordnungen. Sie geben Ihr einziges Pfand voreilig aus der Hand. ({6}) - Darauf komme ich gleich noch, Herr Kollege Wissmann. ({7}) Sie bedeutet den endgültigen Verzicht auf jedes Strukturkonzept, und sie ist eine Absage an die Industriepolitik überhaupt. ({8}) Lassen Sie mich dazu einiges vortragen. Als erstes will ich festhalten, daß Nordrhein-Westfalen die Bundesregierung bei ihrer gegenüber Brüssel dargelegten Haltung, die deutsche Stahlindustrie müsse den bisherigen Produktionsanteil erhalten, voll unterstützt. ({9}) Auch wir halten dies für eine Frage von vitalem Interesse. Aber aus diesem Grunde, weil wir diesen Produktionsanteil erhalten wollen, besteht Nordrhein-Westfalen unverändert auf einer wirksamen Modernisierungsförderung, damit die Stahlarbeitsplätze wieder sicher werden. Wir fordern, daß öffentliche Hilfen - und dabei schließe ich unverändert auch die Zuführung von Eigenmitteln nicht aus - nur für Lösungen gewährt werden, die wettbewerbspolitisch chancengleich, die industriepolitisch, regionalpolitisch und beschäftigungspolitisch ausgewogen sind. ({10}) Vom Bund muß in dieser Situation verlangt werden, daß er das Zusammengehen von Thyssen und Krupp, auf das er sich an Hand des ModeratorenBerichts voreilig festgelegt hat - was ja nun die verdienten Zensuren durch die Monopolkommission erfahren hat -, jetzt tatsächlich zustande bringt, auch wenn er dies gegen das Land tut. ({11}) Konsequenterweise muß der Bund dann aber auch die anderen Unternehmen so fördern, daß sie die durch Thyssen-Krupp entstehende Wettbewerbsverzerrung auszuhalten vermögen. ({12}) Dies bedeutet konkret, daß der Bund seiner Verantwortung für die Erhaltung der Stahlbasis Dortmund einschließlich der darauf aufbauenden Standorte im östlichen Revier und im Siegerland entsprechend handeln muß. ({13}) - Ich habe meine Vorschläge längst auf den Tisch gelegt. Die Bundesregierung hat sie einfach beiseite geschoben. Nun tun Sie doch nicht so, als ob nicht längst, seit zwei Jahren, eine Vorstellung auf dem Tisch läge! ({14}) Das ist doch nur durch das Stahlmoderatoren-Konzept und durch diese neue Bundesregierung beiseite geschoben worden. Jetzt muß sie springen. ({15}) Kann der Bund dies nicht erreichen, Herr Kollege Wissmann, dann müssen sich der Bund und das Land - wozu wir bereit sind - erneut die Zusammenarbeit von Hoesch und Krupp auf der Basis der ursprünglichen Ruhrstahl-Idee, also einschließlich Edelstahl, vornehmen, und dann müssen wir dazu auch weitere Öffnungen untersuchen. Ich möchte zur Schlüsselfrage eine Bemerkung machen: Unsere Bereitschaft zur Übernahme eines Stahl-Drittels - das ist ein Angebot, das weit über die verfassungsrechtlichen Erfordernisse hinausgeht, selbst wenn ich anerkenne, daß hier sektorale und regionale Fragen zusammenwirken - hat sich immer nur auf die Investitionszuschüsse bezogen, die über die Investitionszulagen hinausgehen. An diesen Investitionszulagen ist das Land schon beim 10%-Satz über die Ausfälle bei den Steuern ohnehin zu 50 % beteilig. Dies alles gilt um so mehr, als der Bund durch die Akzentverlagerung von Investitionsförderung in Richtung Desinvestition das Land in eine Finanzierungsbeteiligung gerade bei den Instrumenten bringen will, die wir am allerwenigsten wollen. Das Land wird - ich bedaure hier außerordentlich die knallharte Festlegung, die der Bundesminister für Wirtschaft hinsichtlich der Schlüsselfrage hier soeben in die Debatte gebracht hat - ebenfalls ganz knallhart bleiben müssen. Der Bundesminister für Wirtschaft hat damit in die Sitzung der Bund-Länder-Konferenz am nächsten Montag bereits jetzt eine unnötige Schärfe gebracht, die mir unverständlich ist. ({16}) Ich erkläre für Nordrhein-Westfalen mit der gleichen glasklaren Härte, daß wir uns auch in der Schlüsselfrage nicht erpressen lassen werden. ({17}) Meine Damen und Herren, weder bei den Instrumenten noch bei deren Finanzierung können Sie auf die freiwillige Zustimmung der Länder verzichten. Das können Sie nämlich nicht mit Gesetzgebung wie bei den Stahlinvestitionszulagen durchsetzen. Seien Sie sich einmal über die verfassungsrechtliche Lage klar! Ich warne die Bundesregierung, die Länder hier ständig einseitig zu präjudizieren. ({18})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft. ({0})

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe lediglich die Absicht - dreieinhalb Minuten habe ich bisher erst „verkonsumiert" -, kurz zu antworten, aber in dem Zeitrahmen, den wir uns gesetzt haben und der mit Verlesen von Konzepten von anderen gesprengt werden mag, nicht von mir. Nun, meine Damen und Herren, Herr Kollege Jochimsen, bisher ist aus dem Land Nordrhein-Westfalen - wenn Sie diese Debatte hier so aufnehmen, dann wollen wir sie hier so führen; ich gebe aber zu bedenken, ob es nützlich und sinnvoll ist, dies in aller Öffentlichkeit zu tun - nicht sehr viel gekommen. ({0}) Erstens. Sie stellen sich hierher und erklären wörtlich: Mein Konzept, die Ruhrstahl-Idee. Das ist nicht Ihr Konzept, das ist nicht einmal das der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Ihr Finanzminister ist dagegen, und Ihr Ministerpräsident äußert sich dazu nicht, wie er sich zu allen Fragen nicht äußert und sich nicht festlegt. ({1}) Zweitens. Herr Jochimsen, Sie sagen - ich weise dies für die Bundesregierung mit aller Entschiedenheit zurück -, daß hier der Versuch unternommen werde, Sie zu erpressen. Aber wenn sich das Saarland an den Stahlmaßnahmen mit 50 % aus seiner eigenen Kasse beteiligt und beteiligen muß, ({2}) dann wird man das gleiche von den anderen Ländern erwarten müssen. ({3}) Dies ist zu Zeiten einer anderen Bundesregierung verlangt und begründet und in einem Briefwechsel zwischen dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Ihrem Ministerpräsidenten festgehalten worden. Tun Sie nicht so, als sei das die neue Bundesregierung gewesen; diese 50-%-Forderung ist alt. ({4}) Drittens. Sie sagen, in Sachen Thyssen und Krupp solle gegen das Land entschieden werden. Sie wissen ganz genau - auch Herr Roth weiß das -: Dies ist nicht die Konzeption der Bundesregierung, sondern es ist das Konzept der Moderatoren. Dagegen hat sich die Monopolkommission gewandt. Das ist übrigens nicht meine eigene Monopolkommission ({5}) - gucken Sie ins Gesetz, Herr Roth, das würde Ihnen einige unpassende Bemerkungen ersparen -, sondern es ist eine unabhängige Monopolkommission, die das Gesetz vorsieht. Wir werden, meine Damen und Herren, selbstverständlich dafür sorgen, daß die Stahlstandorte bewahrt und erhalten werden - das gilt für Bremen, das gilt auch für die Maxhütte -, und alles tun, um dieses Ziel zu erreichen. ({6}) Wir werden, meine Damen und Herren, nicht mehr als 3 Milliarden DM in die Hand nehmen, um uns von Ihnen am nächsten Tage, in der nächsten Haushaltsberatung sagen zu lassen: Baut doch gefälligst die Subventionen ab! Es war doch wohl gestern noch so, Herr Roth, daß ich hier gehört habe, die Subventionen sollen abgebaut werden. ({7}) Wir sagen der Stahlindustrie und den Unternehmen, daß man mit den vorgesehenen 3 Milliarden DM der öffentlichen Hand auskommen muß. ({8}) - Herr Hoffmann, seien Sie doch völlig still! Die Saar ist gar nicht eingeschlossen. Das viele Geld, das die Saar schon bekommen hat, ist ja nun weiß Gott, meine Damen und Herren, erheblich mehr, als allen anderen bisher gegeben worden ist. ({9})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Herr Kollege Roth, das war die Antwort auf einen Zuruf, den ich beinahe gerügt hätte. ({0})

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Ich entschuldige mich ausdrücklich für die Bemerkung: Seien Sie still! Herr Kollege Hoffmann, ich weise Sie aber noch einmal darauf hin: Sie haben den wenigsten Anlaß, sich zu beschweren. Gerade aus dem Saarland haben Sie keinen Anlaß, sich zu beschweren, denn unter der alten Bundesregierung ist einem einzigen Unternehmen im Saarland bis heute mit über 1 Milliarde DM geholfen worden. Das ist schon eine ganze Menge Geld. ({0}) Wir werden dies fortsetzen, und wir haben ausdrücklich gesagt: Die Maßnahmen für die Saar sind in der Hilfe der öffentlichen Hände in Höhe von 3 Milliarden DM nicht enthalten. Meine Damen und Herren, dies alles geht nur in Zusammenarbeit und Übereinstimmung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen. Ich erwarte aber, daß die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen nicht nur Gesänge über das Leid und das Los der Stahlarbeiter anstimmt, sondern auch ihrer Verantwortung gegenüber den Stahlarbeitern gerecht wird. ({1})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stratmann.

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Liebe Bürgerinnen und Bürger, von denen leider nur wenige hier sind! Die Arroganz, mit der der Wirtschaftsminister gestern und heute auf besorgte Anfragen von Parlamentariern reagiert - das ist Methode bei ihm -, geht mir allmählich auf die Nerven. ({0}) Ich möchte mich zu Beginn auf die Verlautbarungen der Wirtschaftsvereinigung Eisen und Stahl beziehen, in denen nach dem, was gestern in der Presse veröffentlicht wurde, angekündigt wird, daß die Stahlunternehmen von 1983 bis 1985 im Rahmen ihrer Strukturkonzepte weitere 33 000 Arbeitsplätze vernichten werden. Das bedeutet für die bedrohten regionalen Standorte erhebliche Verluste, für Arbed-Saarstahl einen Verlust von 3 500 und mehr Arbeitsplätzen, für Hoesch eine weitere Halbierung von 13 000 Arbeitsplätzen heute um 7 000 Arbeitsplätze. Die Zahl der Arbeitsplätze bei Klöckner und sonstigen Unternehmen soll ebenfalls um 6 000 reduziert werden. Ich frage mich, wie Herr Lambsdorff es bewerkstelligen will, die regionalen Standorte Maxhütte, Klöckner/Bremen, Saarland und östliches Ruhrgebiet zu garantieren, wenn hier solche Unternehmenskonzepte auf dem Tisch liegen. Wenn diese Umstrukturierungskonzepte bzw. diese Arbeitsplatzvernichtungskonzepte der Unternehmen noch mit über 3 Milliarden DM öffentlicher Mittel subventioniert werden - dies sind Arbeitsplatzvernichtungssubventionen -, ist von vornherein klar, daß dies weitere Subventionsfolgelasten nach sich zieht. Die Arbeitslosigkeit wird steigen. Die Bundesanstalt für Arbeit wird sich weiter verschulden müssen. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres steht sie mit 3,6 Milliarden DM im Defizit. Der Bund wird seine Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit erhöhen müssen. Eine solche auflagenlose Subventionierung lehnen wir ab. Wir fordern, daß, bevor eine müde Mark aus öffentlichen Geldern für Umstrukturierungshilfe gezahlt wird, erstens konkret geklärt ist, wie die regionalen Stahlstandorte gesichert werden. Solche allgemeinen Sprüche, Herr Lambsdorff, wie wir sie von Ihnen kennen, nutzen den bedrohten Stahlarbeitern dort überhaupt nichts. ({1}) Die Subventionen müssen also an konkrete Vorstellungen zur Sicherung der regionalen Stahlstandorte gebunden werden. Zweitens fordern wir: keine Subventionierung ohne Garantie der Arbeitsplätze. Wie das geschehen kann, habe ich gestern schon verdeutlicht: indem man gerade in der Stahlbranche die Arbeitszeit verkürzt. ({2}) Die Stahlarbeiter können in dieser Hinsicht zusammen mit der IG Metall vorangehen. Es ist viel sinnvoller, daß die gestiegenen Lohnkosten infolge von Arbeitszeitverkürzungen in der Stahlbranche subventioniert werden, als daß staatliche Subventionen an die Bundesanstalt für Arbeit zur Finanzierung von Arbeitslosen gehen. ({3}) Die Stahlkrise - Aufbau von Überkapazitäten bis 1975 - hat gezeigt, daß die Marktwirtschaft auch in dieser Branche versagt hat, allen Marktwirtschaftsaposteln à la Lambsdorff zum Trotz. Wir unterstützen die Bestrebungen in den Stahlarbeiterbelegschaften nach Vergesellschaftung. Ich erinnere an die Stahlarbeiterkonferenz in Dortmund, wo unter den Stahlarbeitervertrauensleuten und -betriebsräten der Ruf nach Vergesellschaftung der Stahlindustrie laut wurde. Wir unterstützen diese Forderungen. Wir sind seit letzter Woche im Gespräch mit Betriebsräten aus den verschiedenen Stahlunternehmen, wie ein Vergesellschaftungsmodell, das etwas ganz anderes ist als ein traditionelles Verstaatlichungsmodell, konkret konzipiert werden kann. Wir werden am kommenden Wochenende das Gespräch mit Betriebsräten und Vertrauensleuten aus der ganzen Bundesrepublik weiterhin pflegen, um diese Forderungen - Vergesellschaftung der Stahlindustrie, Sicherung der regionalen Stahlstandorte, Arbeitszeitverkürzung und 35-StundenWoche, wobei die Stahlbranche den Vorreiter spielen sollte - in der Öffentlichkeit weiterhin bekanntzumachen und so weit wie möglich durchzusetzen.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Herr Kollege Müller ({0}).

Hans Werner Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Subventionen oder Ausgleichsabgabe, so wurde vor etwa sieben Monaten unsere letzte Stahldebatte kommentiert. Es ist die Frage, ob das immer noch die Alternative ist, vor der die Bundesregierung steht, und Kollege Beckmann hat soeben schon darauf hingewiesen. Ich möchte zu diesen Problemen zwei ganz kurze Bemerkungen aus der Sicht des Saarlandes machen. Zum einen möchte ich in Erinnerung rufen, was an der Saar, insbesondere von der Stahlindustrie, bisher an erheblichen Beiträgen geleistet wurde, um sich an die veränderten Marktdaten anzupassen, und zum zweiten möchte ich etwas zu dem Beitrag sagen, den das kleine Bundesland Saar bisher dazu geleistet hat. Als der europäische Stahlmarkt im vergangenen Jahr zusammenbrach, war die saarländische Stahlindustrie schon im fünften Jahr ihrer Neuordnung. Moderne, leistungsfähige Anlagen wurden erstellt und sind inzwischen in Betrieb. Kapazitätsabbau und Arbeitsplatzverluste gingen einher. Ein damals von den Fachleuten als Modell bezeichnetes Konzept von Bund, Land, Unternehmen, Gewerkschaften, Belegschaften getragen, war in Gang gesetzt worden. 1981 wurde dieses Konzept noch einmal nach unten korrigiert. Es hat bis jetzt zu einem Verlust von 8 500 Arbeitsplätzen geführt. Müller ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es stimmt, was unlängst im Europäischen Parlament gesagt wurde - ich zweifle nicht daran, daß es stimmt -, daß ein Arbeitsplatz in der Stahlindustrie indirekt den Verlust von drei weiteren Arbeitsplätzen nach sich zieht, so weiß jeder, was dies für die Wirtschaftsregion Saar bei derzeit insgesamt etwa 150 000 Industriearbeitsplätzen bedeutet. Die Krise des vergangenen Jahres hat dann zu weiteren Anstrengungen, insbesondere der Belegschaft, geführt. Noch einmal sind Personalkürzungen ins Auge gefaßt: 3 500 bis 1985, und dazu kommen 5 500 Beschäftigte die sich in der sogenannten rollierenden Kurzarbeit befinden. Ich stelle dies hier einfach so dar, um die bisher von den Menschen an der Saar erbrachten Opfer in Erinnerung zu rufen. Angesichts dieser Opfer bitte ich die Bundesregierung, bei den anstehenden Quotenverhandlungen unter Berücksichtigung des Verhaltens der übrigen EG-Länder die in der Stahlindustrie des Saarlandes noch vorhandenen arbeitenden Menschen nicht zu vergessen. Ein Zusammenbruch der saarländischen Stahlindustrie - und das als Ergebnis europäischer Unzulänglichkeiten - ist dieser Wirtschaftsregion nicht zuzumuten. Eine zweite Bemerkung. Die Bundesregierung hat inzwischen entschieden, die Umstrukturierung der deutschen Stahlindustrie finanziell zu begleiten. Die Größenordnungen sind hier schon angesprochen worden. In die saarländische Stahlindustrie sind inzwischen 2,2 Milliarden DM an Zuschüssen und Bürgschaften geflossen, und zwar weitestgehend im Verhältnis 50 : 50. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat hier soeben dankenswerterweise darauf hingewiesen. Dies geht bis an den Rand der finanziellen Möglichkeiten eines kleinen Bundeslandes. Wenn man dann noch weiß, daß das Saarland in den letzten 20 Jahren rund 650 Millionen DM für die Kohle aufgewendet hat, und zwar als Preis für eine größere Unabhängigkeit von uns allen in der Energiewirtschaft, wovon hier gestern viel gesprochen worden ist, wird jedem klar, was dies für unser Bundesland bedeutet. Diese Gedanken sollten bei der Formulierung der Verhandlungsposition der Bundesregierung aufgenommen werden. Bei der Stahlkrise kann es Gewinner oder Verlierer geben, hat der saarländische Ministerpräsident Werner Zeyer formuliert. Gewinner oder Verlierer sind in jedem Fall die Arbeitnehmer. Ich schließe mich der Meinung meines Ministerpräsidenten an: Wir wollen, daß die Arbeitnehmer gewinnen. - Vielen Dank. ({1})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft. ({0}) - Meine Damen und Herren, das Grundgesetz - ({1}) Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Jederzeit kurz, Herr Kollege Matthöfer. Ich will versuchen, noch einmal in ein paar ganz kurzen und, wie ich hoffe, ruhigen Bemerkungen klarzumachen, vor welchen objektiven Schwierigkeiten deutsche Politik und jede Bundesregierung - die frühere wie die jetzige - bei der Bewältigung dieses Problems steht. In der Europäischen Gemeinschaft ist subventioniert worden, und es besteht die starke Tendenz, weiter zu subventionieren, wenn wir dies nicht verhindern, und wenn wir es nicht bei der Kommission durchsetzen, daß der Subventionsneigung der anderen Mitgliedstaaten Widerstand entgegengesetzt wird. Dies ist nach allen Erfahrungen der früheren und der jetzigen Bundesregierung außergewöhnlich schwierig. ({0}) In der deutschen Stahlindustrie sind die Zustände so weit gediehen, daß sich die Firmen gegenseitig aus der Wirtschaftsvereinigung hinauswerfen und daß ein offener Streit innerhalb der deutschen Stahlindustrie ausgebrochen war. Das ist jetzt mühsam beigelegt worden. Aber nichts hat das deutlicher gemacht als der Aufruf des Verbandes, eine seiner früheren Mitgliedsfirmen mit der Vollstrekkung der Bußgeldbescheide zu überziehen. Wir bestehen auf der Quoteneinhaltung in Europa. Ein deutsches Unternehmen ist an der Spitze derjenigen, die die Quoten nicht einhalten, sondern über die Quoten hinaus produzieren. Ich sage Ihnen hier, meine Damen und Herren - fragen Sie mich bitte nicht nach dem Namen -: Seit einer Woche weiß ich, daß es ein zweites deutsches Stahlunternehmen gibt, das die Quoten ebenfalls vorsätzlich überzieht. Wie soll man sich da in Europa für die Quoteneinhaltung in anderen Ländern erfolgreich einsetzen? Wir haben Aufsichtsräte und Betriebsräte - die, wie Sie wissen, mitbestimmt sind -, die einander völlig widersprechende Entscheidungen getroffen haben. Herr Jochimsen weiß sehr genau - jetzt ist er schon wieder weg -, daß das insbesondere zum Thema Ruhrstahl - ({1}) - Herr Urbaniak, wenn er hierher kommt, muß er bitte das Ende der Debatte mitmachen. ({2}) Wir wissen sehr genau, daß Aufsichtsräte und Betriebsräte, mitbestimmte Aufsichtsräte, in der Sache Ruhrstahl bei Krupp und bei Hoesch völlig gegensätzlich abgestimmt haben. Nun sage ich ein letztes Wort an Herrn Stratmann. Wir sind durchaus der Meinung, daß hier die Arbeitnehmerinteressen berücksichtigt werden sollen und müssen. Ich wiederhole von dieser Stelle, was ich früher gesagt habe: Der einzige wirklich zuverlässige und standhafte Gesprächspartner in diesen ganzen Jahren - ich will nicht sagen: der einzige; aber der zuverlässigste und standhafteste - ist und war die IG Metall mit ihrem stellvertretenden Vorsitzenden Rolf Judith. ({3}) Wenn Herr Stratmann sagt, seit letzter Woche sei er im Gespräch mit den Betriebsräten, dann kann ich allerdings nur lachen. 1981 war ich bei Hoesch in der Westfalenhalle. Wenn Sie jetzt anfangen, Gespräche mit den Betriebsräten zu führen, sind Sie ein bißchen spät aufgewacht für das Problem. ({4})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Kollege Stockleben.

Adolf Stockleben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002255, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie in vielen Bereichen der Politik vermissen wir hier bei der Bundesregierung ein Konzept, das die tatsächlichen Probleme der Stahlindustrie löst. ({0}) In den Betrieben höre ich, daß die Arbeitnehmer sagen: „Ihr Politiker, ihr kommt immer zu spät, meist erst dann, wenn die Hallen schon leer sind!" Ich muß sagen: Auch das, was heute hier von diesem Podium aus gesagt wird, rettet die Arbeitnehmer nicht, die um ihre Arbeitsplätze bangen. Ich bin eigentlich erstaunt, daß der Bundeswirtschaftsminister hier dreimal das Wort ergreift und daß sein Kollege, der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, hierzu überhaupt nichts zu sagen hat. ({1}) Hier stehen viele tausend Arbeitsplätze auf dem Spiel, und der Herr Blüm sitzt da und lächelt. ({2}) Ich will Ihnen folgendes sagen. Die Arbeitnehmer, gerade in Peine/Salzgitter, in Osnabrück, in Niedersachsen werden sehen, daß aller Wahrscheinlichkeit nach von den 3 Milliarden DM einen großen Teil Thyssen und Krupp bekommen; hier wird doch wieder ein Monopolist geschaffen, der im Grunde genommen dafür sorgt, daß der Stärkere stärker wird und daß die schwächeren Regionen damit auch in Schwierigkeiten kommen. Wenn große Stahlkonzerne in Schwierigkeiten kommen, dann hat das ja nicht nur unmittelbare Auswirkungen für den Stahlkocher, sondern auch für viele Weiterverarbeitungsbetriebe, die dranhängen. Ich sage Ihnen: Im Raum Peine/Salzgitter wackelt mehr, wenn solch ein Konzern ins Rutschen kommt. Deswegen ist hier rasches Handeln und eine entsprechende finanzielle Unterstützung erforderlich. Das können Sie nicht machen, indem Sie sagen, wir wollen dort erst einmal mit dem Stärkeren vorwegmarschieren. ({3}) Herr Bundeswirtschaftsminister, bei dem Hearing, das die sozialdemokratische Bundestagsfraktion veranstaltet hat, haben Unternehmer und Gewerkschafter übereinstimmend gesagt, die Bundesregierung müsse energischer - mit geradem Kreuz und durchgedrückten Beinen - bei der EG auftreten, um wirklich deutsche Positionen durchzusetzen. Dies ist, meine ich, j a eigentlich eine klare Aussage. Dann können Sie sich nicht hier hinstellen, Herrn Judith loben und sagen: Das ist ein Mann, der hat Kreuz. ({4}) - Das hat er, das wissen wir viel besser, denn wir gehören seiner Gewerkschaft an, und wir wissen, was unsere Gewerkschaftskollegen wert sind, gerade wenn es darum geht, in schwierigen Zeiten Krisen zu meistern. Aber dann darf man sie nicht nur bei Festtagsreden loben, sondern muß sie auch von seiten der Regierung in der Programmatik entsprechend unterstützen. Dies erwarten wir von Ihnen. ({5}) Herr Minister, Sie wissen sehr gut, daß, wenn wir uns bei den Verhandlungen über die Quoten nicht stärker durchsetzen, das zu ganz eklatanten Einbrüchen führen wird. Ich will Ihnen ein Beispiel dafür nennen: Wenn in der EG unsere Quote für Profilstahl um 2 % niedriger ist, wenn wir also künftig 2 % Profilstahl weniger zur Verfügung haben, ist das so viel, wie das Werk Peine an Profilstahl produziert. 2 % weniger würden bedeuten: Die Produktion von Peine könnte man ganz streichen. Ich bitte Sie ganz herzlich, ({6}) in dieser Frage energisch zu verhandeln. Die GRÜNEN haben hier heute diese Aktuelle Stunde beantragt. Das veranlaßt mich zu folgender Feststellung. Die Stahlarbeiter waren immer die Getreuesten in diesem Staat, auf sie konnte man sich in allen Fragen verlassen. Sie werden aber künftig kein Verständnis mehr für Ihre Energiepolitik haben. Wir können doch nicht - wie Sie es ständig tun - den Stahlarbeitern dauernd deutlich machen, daß wir eine Politik preiswürdiger Energie brauchen, gleichzeitig aber darangehen, einen Energiemarkt zu zerstören. ({7}) Dies ist den Stahlarbeitern nicht deutlich zu machen, und deswegen bitte ich Sie ganz herzlich, nun schnell zu handeln. Ich unterstreiche das, was der ehemalige Bundesfinanzminister, der hier im Saal sitzt, mein Kollege Hans Matthöfer, in Peine gesagt hat und was auch der Bundeskanzler gesagt hat: Dieser Stahlstandort bleibt. Von Ihnen habe ich diese klare Aussage nie gehört. Letztendlich noch einmal zu der Frage - ({8}) - Entschuldigung, die Zeit ist um. - Ich bedanke mich. ({9})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Es tut mir leid. - Das Wort hat der Kollege Lammert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wegen des Verlaufs der Debatte möchte ich für die CDU/CSU-Fraktion noch einige wenige knappe Klarstellungen vortragen. Meine Damen und Herren, wir von der CDU/ CSU-Fraktion haben auch in dieser Debatte wieder mit großer Faszination verfolgt, wie die Sprecher der SPD - nun als Opposition - die Konzepte zur Lösung der Stahlkrise vortragen, die sie während der Regierungszeit aus geheimnisvollen Gründen für sich behalten, jedenfalls aber nicht durchgesetzt haben. ({0}) Wir möchten doch sehr darum bitten, daß in Zukunft, wenn zur Unterstützung der eigenen Argumentation ein Landeswirtschaftsminister eingeflogen wird, er sich dann auch bis zum Schluß an der Debatte beteiligt und man sich in der Argumentation aufeinander abstimmt. ({1}) Eines geht jedenfalls nicht: daß hier im Hause die Sprecher der Opposition gegen Finanzierungsregelungen für Umstrukturierungsmaßnahmen polemisieren ({2}) und daß sich dann der SPD-Landeswirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen der Tatsache rühmt, genau dies werde bereits seit Jahren betrieben. So können wir natürlich nicht miteinander umgehen! ({3}) Lassen Sie mich nur noch eines sagen, weil ich versprochen habe, nicht mehr als zwei Minuten Redezeit in Anspruch zu nehmen. Von einer nordrhein-westfälischen Landesregierung, die seit nunmehr 15 Jahren das Ruhrgebiet hat verkommen lassen, ({4}) lassen wir uns mit der verspäteten und treuherzigen Aufforderung, Strukturkonzepte zu entwickeln, nicht beeindrucken. ({5})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Kollege Cronenberg.

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einige Klarstellungen vornehmen. ({0}) Wenn hier behauptet worden ist, Graf Lambsdorff handele die Dinge arrogant ab, so verwechseln Sie, verehrte Kollegen von den GRÜNEN, Präzision mit Arroganz. ({1}) Die Sturheit, mit der Sie Fakten zur Kenntnis zu nehmen nicht bereit sind, geht mir auf die Nerven und wahrscheinlich noch einigen anderen hier im Hause. ({2}) Sie haben weder Neues noch Richtiges gebracht. Ich würde Ihnen dringend empfehlen, sich mit der Gesamtproblematik zu beschäftigen, und zwar ernsthaft zu beschäftigen. ({3}) Es geht ja nicht nur um die deutsche Stahlindustrie, sondern auch um die Stahlverformung. Hier wird gejammert, und hier wird offensichtlich 30 000 Beschäftigten in der Stahlindustrie mehr Beachtung geschenkt als 1 000 mal 30 in mittelständischen Betrieben. Viele Zulieferbetriebe - der Kollege Stockleben von der SPD hat darauf hingewiesen - und noch viel mehr Verarbeiter stehen doch in einem viel größeren Dilemma. Deswegen ist es notwendig, mit den vorgelegten Konzepten die Dinge in Ordnung zu bringen. Wir wissen, daß wir nicht gegen die Volkswirtschaft, nicht gegen die öffentlichen Haushalte der Konkurrenzländer ankonkurrieren können. Deshalb ist der vorgeschlagene Weg der einzig richtige. Niemand hat hier behauptet, daß in diesem Bereich Marktwirtschaft praktiziert werde. Aber wir haben sehr wohl behauptet, daß es notwendig ist, mit Hilfe der vorgeschlagenen Methoden wieder marktwirtschaftliche Elemente einzuführen, meine Damen und Herren. ({4}) Der Ruf nach Konzepten, Herr Kollege Roth, ersetzt nun einmal keine Konzepte. Deswegen meine ich: Wir sollten uns bemühen, den vom Bundesminister Dr. Otto Graf Lambsdorff vorgeschlagenen Weg zu gehen, an einem Strick zu ziehen - wenn es möglich ist, Herr Roth, an demselben Ende des Stricks. Dann wäre der Sache mehr gedient als durch diese Aktuelle Stunde heute morgen. ({5})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Kollege Hoffmann.

Hans Joachim Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000937, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Aktuelle Stunde kann sehr viel Sinn machen. Wenn man aber die kurze Zeit, in der Diskussion möglich ist, dafür nutzt, über das Problem mit einer solchen Schnodderigkeit herzufallen, wie das hier streckenweise geschehen ist, so bin ich einfach angewidert. Das will ich Ihnen einmal sagen. ({0}) - Jawohl, zwei von drei Interventionen des Herrn Ministers waren solche in dieser schnodderigen Art und Weise. ({1}) Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir distanzieren uns nicht von dem, was wir vorher mitgetragen haben. ({2}) Deshalb sage ich auch deutlich: Das, was als Hilfen vom Parlament gegeben worden ist, unterstützen wir nach wie vor. Daran haben wir überhaupt nichts abzubeißen. ({3}) - Meine Damen und Herren, ich bedanke mich bei diesem Parlament, das das beschlossen hat. Damals hat der Herr Lambsdorff mitgezogen. Deshalb gebührt ihm der Dank genauso wie allen anderen, die da mitgezogen haben. ({4}) Meine Damen und Herren, angesichts des Kollaps, der hier drohen kann, kann man nicht die heile Welt beschreiben und mit modelltheoretischer freier Marktwirtschaft argumentieren. Man darf auch nicht sagen: Sie ist leider Gottes nicht so, wie wir sie uns gerne wünschen. Wir erklären dazu: Wir lassen nicht zu, daß eine deutsche Stahlregion gegen eine andere ausgespielt wird. ({5}) Wir bestehen darauf, daß bei diesen Entscheidungsprozessen die Betroffenen selber ein wesentliches Wort mitzureden haben und nicht über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. ({6}) Wir verlangen, daß für diese Staatsgelder, die an die Industrie gezahlt werden, entsprechende Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte auf der Kapitalseite eingeräumt werden. Dazu muß man doch endlich einmal ein Wort sagen. ({7}) Wir fordern, daß sämtliche Regionen in der Bundesrepublik in ein vernünftiges deutsches Stahlkonzept einbezogen werden. ({8}) Herr Minister, Sie können doch nicht dazu schweigen, wenn im Zuge der weiteren Subventionierung mögliche Kartellbildungen passieren, die die Unternehmen in anderen Regionen schlicht und einfach zum Sterben verurteilen. Da können Sie doch nicht den Mund halten, da müssen Sie doch hier etwas sagen. Die Entscheidungen sind doch bis Ende des Monats in Brüssel vorzutragen. Wo, wenn nicht hier im Parlament, soll die Entscheidungsgrundlage überhaupt geschaffen werden? ({9}) Im übrigen halte ich es für absurd, wenn Sie von Ländern wie Bremen oder dem Saarland im Zusammenhang mit möglichen zukünftigen Hilfen verlangen, sie sollten zu Hälfte mitfinanzieren. Wie soll denn das gehen? ({10}) Wie soll denn ein Stadtstaat wie Bremen, der überproportional von wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen ist, in gleichem Umfang finanzieren, wie das über das Budget des Bundes laufen kann? Das kann nicht sein, meine Damen und Herren. ({11}) Ich sage als letztes dazu - ich habe das schon wiederholt deutlich gemacht und versuche immer noch einmal ernsthaft, das einzubringen -: Die erste Schuld an dieser Situation trifft sicher nicht die Landesregierungen und die Bundesregierung. ({12}) Die erste Schuld an unserer Stahlkrise liegt auf der Kapitalseite. Das muß noch einmal festgestellt werden. Und wenn ich sehe, welche Zeiten von den Unternehmen versäumt worden sind, der Krise rechtzeitig vorzubeugen und sich auf die neuen Lagen einzustellen, kann ich nur sagen: Die müssen sich zuallererst an die Nase packen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehen Sie sich doch einmal die Antworten an. Die Vorhaltungen, die jetzt aus der CDU/CSU gekommen sind, und die Vorhaltungen, die von der Wirtschaftsvereinigung Eisen und Stahl gemacht worden sind, widersprechen in eklatanter Weise den Antworten der Bundesregierung. Das kann hier nicht ausdiskutiert werden; es wäre aber ein interessanter Fall, den zu überprüfen sich lohnen würde. Zum Schluß will ich nur noch einmal darauf aufmerksam machen: Wenn wir in so kurzer Zeit temperamentvoll über solch' schwierige Fragen diskutieren, seien wir uns doch bitte dessen bewußt, daß es um Schicksale von Menschen geht, und verzichten wir doch darauf, mit dieser schlüpfrigen Schuldzuweisung Schwarze-Peter-Spiele zu betreiben, wie das vorhin der Fall war, ({13}) obwohl Sie genau wissen, daß wir uns seit Jahren darum bemühen, ein faires Konzept zu erstellen. Helfen Sie endlich mit, daß dieses politische Konzept hier von uns verabschiedet werden kann! Tun Sie nicht einfach so, als wäre das eine Geschichte, Hoffmann ({14}) die wir sozusagen zwischen den Reihen verhandeln könnten! - Herzlichen Dank. ({15})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir fahren fort in der Aussprache über die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung: 2. Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Wirtschaftsgipfel in Williamsburg 3. a) Beratung des Jahresgutachtens 1982/83 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - Drucksache 9/2118 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({0}) Haushaltsausschuß b) Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1983 der Bundesregierung - Drucksache 9/2400 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({1}) Haushaltsausschuß sowie über den Zusatzpunkt: Antrag der Fraktion der SPD Weltwirschaftsgipfel in Williamsburg und Europäischer Rat in Stuttgart - Drucksache 10/79 Als erster Redner hat der Abgeordnete Kraus das Wort. Ich erteile ihm das Wort.

Rudolf Kraus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001202, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Diskussion des Jahreswirtschaftsberichtes hat gestern gezeigt, daß wir vor großen Aufgaben und Problemen stehen. Die Schwierigkeiten bei deren Lösung sind durchaus vergleichbar mit den Schwierigkeiten, die man nach dem Krieg hatte, wenn auch die Situation des einzelnen in keiner Weise mit der Situation der Menschen damals vergleichbar ist.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Meine Damen und Herren, ich bitte, dem Redner zuzuhören und eventuelle Unterhaltungen außerhalb des Saals zu führen.

Rudolf Kraus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001202, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die heutigen wirtschaftspolitischen Meinungen weichen grundsätzlich voneinander ab. Eines ist für uns sicher: Es kommt auf das gewollte Ergebnis, auf die Zielsetzung an. Soziale Marktwirtschaft oder staatlich gelenkte Wirtschaft. Das war damals die Frage. Hieran haben sich die Geister geschieden, und es ist heute die Frage. Für uns gibt es auch heute keinen Kompromiß. Lassen Sie mich meine Auffassungen begründen. Wer der Nachfrage höchste Priorität gibt und nur über sie die Lösung unserer Probleme sucht, wer also über Kredit einwachsendes Sozialprodukt und soziale Ausgewogenheit erreichen will, liegt falsch. Wer zins- und kostenträchtige Beschäftigungsprogramme oder eine Lohnpolitik vorzieht, die sich am Inflationsausgleich orientiert und nicht, wie das richtig wäre, am Produktionszuwachs, verkennt die Zusammenhänge des Marktes oder will sie nicht wahrhaben. Ein altes Sprichwort sagt: Niemand ist so blind wie der, der nicht sehen will. - Die mit der ausschließlichen Präferenz für die sogannte Vollbeschäftigung verbunden gewesene Verschuldungspolitik des Staates hat letztendlich mit die Hauptschuld an der heutigen Misere auf dem Arbeitsmarkt. Es ist eine Tragik, daß durch diese Politik heute jeder zehnte Arbeitsuchende keine Beschäftigung mehr findet. Man stellt sich die Frage, ob diese Politik, die zu diesem Ergebnis führen mußte, überhaupt als soziale Politik bezeichnet werden kann. ({0}) Vielleicht gilt hier der Satz: Gut gemeint ist häufig das Gegenteil von gut. ({1}) Wohin die öffentliche Verschuldung führen kann, zeigt folgende Nachricht: Schuldscheine an Stelle von Löhnen und Gehältern erhielten in Lüttich die 12 000 Angestellten und 2 500 Pensionäre der Lütticher Stadtverwaltung im April 1983, weil es an Steuereinnahmen fehlt und die Stadt bereits so überschuldet ist, daß sie nicht an den Kapitalmarkt gehen kann. In den Mitteilungen der Stadt heißt es dazu: „Die Gehälter für April können jetzt nicht gezahlt werded und werden Ihnen geschuldet." Die Schulden der Stadt Lüttich belaufen sich bereits auf 2,5 Milliarden DM. Dies nur als Beispiel. Unsere Schwachstelle liegt bei der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit auf der Angebotsseite, die von zu hohen Kosten und zu hohen Steuern bedrängt und eingeschränkt ist. Bei dem heftigen Streit, mit welcher Medizin der Wirtschaft am schnellsten geholfen werden kann, sind nach meiner Auffassung zunächst eine Reihe von Fragestellungen geboten. Auf diesen Fragen haben wir bei nunmehr 2,15 Millionen Arbeitslosen eine Antwort zu geben. Keinesfalls aber kann - lassen Sie mich das voranstellen - die Wirtschaft mit der Medizin geheilt werden, die sie krankgemacht hat. ({2}) Was brachte uns die bisherige Verteilungspolitik? Die Verteilungspolitik seit Anfang der 70er Jahre mit dem ständigen Anstieg der Lohnquote von 68 auf 74 % hatte den schädlichen Rückgang der Investitonsquote von über 25 % auf inzwischen unter 20 % zur Folge. Eine Verteilungspolitik, die im ausgewogenen Verhältnis Berechtigung hat, muß auf andere ebenso wichtige Erfordernisse Rücksicht nehmen. Eine Politik, die das Eigenkapital gerade der mittelständischen Unternehmen systematisch ausgedünnt hat, erhöhte das Risiko für Investitio646 nen, behinderte so die Erneuerungskraft und schwächte die Fähigkeit zur Anpassung. ({3}) Wir waren noch nie so sehr wie heute auf Privatinvestitionen angewiesen. Rationalisierung und Innovation dienen, längerfristig gesehen, der Schaffung neuer Arbeitsplätze und der Erhaltung der bestehenden. Nur wenn unsere Produkte im Wettbewerb preislich mithalten können, werden die Arbeitsplätze gesichert. Die überproportional wachsende Flut an Rechtsvorschriften und insbesondere der oft marktferne Inhalt dieser Gesetze und Verordnungen haben den Wettbewerb mehr als behindert. Eine intakte Verwaltung ist notwendig. Sie hat unverzichtbare Aufgaben zu erfüllen. Eine unverhältnismäßige Ausweitung des öffentlichen Sektors führt aber zwangsläufig zu unwirtschaftlichem Verbrauch von Mitteln, die in der Wirtschaft dringend benötigt sind. Der öffentliche Sektor hat in der Vergangenheit immer mehr für den Konsum und immer weniger für die öffentlichen Investitionen, die dringend nötig wären, ausgegeben. In der privaten Wirtschaft sorgt der Wettbewerb dafür, daß auf Sicht Mittel nicht unwirtschaftlich verwendet werden, will man nicht untergehen. Gerade die heilsame Kontrolle und Selbstkontrolle durch den Wettbewerb fehlt im öffentlichen Sektor naturgemäß vollständig. Das ist einer der Gründe, warum eine Staatswirtschaft nicht funktionieren kann. Was bringt die tendenzielle Minderung der Eigenverantwortung? Die Erfahrung lehrt, daß ein Selbstbedienungsladen ohne Kasse und Kontrolle nicht verantwortungsfördernd wirken kann. So muß ein Sozialstaat ohne angemessene Eigenbeteiligung an der Daseinsvorsorge eine Vollkasko-Mentalität ohne Prämie entstehen lassen, ({4}) die die Solidargemeinschaft teuer zu bezahlen hat. Das gilt auch für die Ausbildungsbereitschaft. Von je 100 Arbeitslosen sind 52 ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Wenn mit den letztjährigen Sozialleistungen in Höhe von 540 Milliarden DM inzwischen ein Drittel der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung teils zu Recht verteilt, teils aber sozial unausgewogen umverteilt worden ist, wenn im statistischen Durchschnitt jeder private bundesdeutsche Haushalt heute bereits 33 % seines Einkommens aus staatlichen Leistungen bezieht - das sind 335 Milliarden DM -, während im vergangenen Jahr 550 Milliarden DM an Löhnen und Gehältern ausgezahlt wurden, dann stellt sich natürlich die Frage: lohnt da noch Leistung? So darf es nicht verwundern, daß in diesem Bereich der verwaltete Bürger entstanden ist. Diese Politik fördert nicht den Freiheitsraum der Bürger, sie fördert den Mißbrauch. ({5}) Es ist paradox: obwohl im Zuge der allgemeinen Wohlstandsmehrung die Fähigkeit der Bürger zu individueller Daseinsvorsorge unbestritten zugenommen hat, glaubte man, durch die Förderung der versorgungsstaatlichen Mentalität eine andere Richtung vorgeben zu sollen. Die private Daseinsvorsorge muß wieder erweitert, der individuelle Spielraum wieder vergrößert werden. Es nimmt nicht Wunder, daß die jetzt so beklagte kollektive Anspruchshaltung als Mentalitätsmerkmal unserer Gesellschaft entstanden ist. Hier muß wieder ausgeglichen, das entstandene Übermaß behutsam abgebaut werden. Das ist sicher keine leichte Aufgabe. Daß die Zahl derer, die eine selbständige Existenz anstreben, wieder ansteigt, ist ein gutes Omen. Es gilt, die kreativen Kräfte in unserem Gemeinwesen wieder verstärkt zu fördern. Das ist eine echte Staatsaufgabe. In unserer Gesellschaft besteht die Gefahr, daß sie in drei Klassen zerfällt: in Leistungsbürger, in wirklich Bedürftige und in Anspruchsbürger, also in Leute, die bereit sind, unter Aufbietung aller ihrer Möglichkeiten ihre Probleme selber zu lösen, für sich und die Ihren zu sorgen; in solche, die aus eigener Kraft beim besten Willen nicht zurechtkommen können; und in Menschen, die der Meinung sind, daß in erster Linie der Staat, das Gemeinwesen, die anderen dafür zu sorgen haben, daß sie einen angemessenen Lebensstandard halten können. Die Schwierigkeit der Politiker in dieser Situation liegt natürlich darin, die Fälle echter Bedürftigkeit von den Fällen zu trennen, in denen Leute auf den Sozialzug aufgesprungen sind, obwohl sie in der Lage sind, gut für sich selbst aufzukommen. Daß weite Bereiche der politischen Linken die wohlverstandenen Interessen der großen Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung heute nicht mehr vertreten, ist offenkundig. ({6}) Sie konzentrieren sich auf sogenannte Randgruppen. Das könnte verdienstvoll sein, wenn damit nicht immer neue Möglichkeiten aufgebaut würden für Leute, die sich hinter den wirklich Bedürftigen verstecken, um auf diese Weise auf billigste Art - in jedem Sinn des Wortes - über die Runden zu kommen. ({7}) Dies zeigt zwar eine zutiefst unsoziale Einstellung, wird aber von vielen keineswegs so empfunden. Sie halten es schlicht und einfach für ihr gutes Recht. Die Möglichkeit des Staates, für die sozial Schwachen gut zu sorgen, wird dadurch stark eingeschränkt. Eine weitere Frage ist: War die bisherige öffentliche Finanzpolitik wohlstandmehrend? Die ungeheuere Staatsverschuldung von über 600 Milliarden DM hat dazu geführt, daß die Geldanlage vornehmlich in öffentlichen Titeln eine höhere Rendite als Investitionen brachte. Die Lenkung von Kapital in den öffentlichen Geldanlagesektor war die logische Folge. Bei der Suche nach Verantwortlichen für die heutige Arbeitslosigkeit sollte daher der Staat mit seiner Verschuldungspolitik nicht vergessen werden. Verschuldungspolitik ist keine den allgemeinen Wohlstand mehrende Politik. ({8}) Ist es richtig, Lohnerhöhungen und sonstige Ansprüche an den Arbeitsplatz ohne Blick auf die Kosten- und Wettbewerbssituation durchsetzen zu wollen? In der Bundesrepublik sind meines Erachtens viele Arbeitsplätze deshalb verlorengegangen, weil die Kosten für die Arbeit als Großteil der Gesamtkosten für die Produktion überproportional gestiegen sind, so daß erstens die Nachfrage nach Arbeitsplätzen zurückgehen mußte und zweitens für den Hersteller ausreichende Produktpreise auf den Absatzmärkten nicht mehr erzielt werden konnten. Es muß die künftige Aufgabe der Wirtschafts-, vor allem aber der Tarifpolitik sein, Kostenrelationen herzustellen, die arbeitnehmerfreundlich sind. In den letzten beiden Jahren haben sich die Gewerkschaften in diesem Sinn verhalten. Dafür ist ihnen zu danken. Zwar reden wir nicht von Arbeitsplatzgarantie, weil die nur in einem planwirtschaftlichen System sozialistischer Prägung verwirklicht werden könnte; Recht auf Arbeit bedingte auch Pflicht zur Arbeit, und das vertrüge sich nicht mit unserer freiheitlichen Grundordnung. Aber ich bin sehr wohl der Meinung, daß die Grundprinzipien der freien, der Sozialen Marktwirtschaft - Subsidiarität und Solidarität - dem Staat eine Mitverantwortung auferlegen. Er hat die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit allen Bürgern die Möglichkeit eröffnet wird, eine Arbeit aufzunehmen. Und wir bekennen uns dazu, daß wir den Hilfsbedürftigen eine soziale Absicherung gewähren müssen. Jedermann muß sich aber darüber im klaren sein, daß das Recht auf Arbeit, das von uns allen unbestritten ist, nicht bedeuten kann, daß man ein Recht auf einen ganz bestimmten Arbeitsplatz an einem ganz bestimmten Ort zu ganz bestimmten Bedingungen, zu einer ganz bestimmten Bezahlung und in einem ganz bestimmten Beruf beanspruchen kann. Dies kann kein Staat der Welt gewährleisten, da die Berufswünsche mit den Bedürfnissen der Bevölkerung nur in den seltensten Fällen voll übereinstimmen. ({9}) Was wir in diesem Zusammenhang brauchen, ist mehr Mobilität und Flexibilität in beruflicher und räumlicher Hinsicht, aber auch mehr Flexibilität in der Bewertung der Arbeit, d. h. derzeit konkret vor allem eine Höherbewertung von körperlicher und handwerklicher Tätigkeit. ({10}) Ist es richtig, die Probleme des Arbeitsmarkts durch Verkürzung der Arbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn zu lösen? In einer geschwächten Wirtschaft kann nicht kostenbelastend weniger gearbeitet werden. Jede Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnabschlag ist mit steigenden Produktionskosten zu bezahlen. ({11}) Aber auch mit Lohnabschlag würde sie zu einer steigenden Fixkostenbelastung auf Grund verringerter Kapazitätsauslastung führen; denn es ist sicher fraglich, ob Neueinstellungen erfolgen würden. Die Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnabschlag ist kein geeignetes Mittel, um zu den so dringend benötigten neuen Arbeitsplätzen zu kommen. ({12}) Das Phänomen einer kostenmehrenden Arbeitszeitverkürzung mit einer sich weiter öffnenden Kostenschere läßt sich wohl kaum treffender charakterisieren als mit der Feststellung des Direktors des Kieler Wirtschaftsforschungsinstitutes, Professor Giersch. Er sagt: „Arbeitslosigkeit dieser Jahre mit Arbeitszeitverkürzungen beheben zu wollen, hieße Nahrungsentzug gegen Magersucht zu verschreiben." Das bedeutet nicht, daß wir gegen Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung, gegen Teilzeitbeschäftigung, Job-sharing oder auch gegen eine vorgezogene Altersruhegeldregelung wären. Voraussetzung ist allerdings, daß entsprechende Vereinbarungen von den Tarifvertragsparteien in ihrer Verantwortung geschlossen werden und dabei Kostenneutralität und Vermeidung von Wettbewerbsbeeinträchtigungen beachtet werden. Ich will jetzt nicht noch eingehen auf die Diskussion über qualitatives und quantitatives Wachstum. Jedenfalls glaube ich, daß generell von einer Sättigung der Märkte - von Teilbereichen abgesehen - überhaupt nicht gesprochen werden kann. In diesem Land gibt es eine Menge Arbeit zu tun. Denken Sie an die Verbesserung der Infrastruktur, an die Energieversorgung, an tausend andere Bereiche bis hin zu den Dingen des täglichen Bedarfs des kleinen Mannes. Mit anderen Worten: Die Analyse, die als Grundlage der Arbeitszeitverkürzungsideologie dient und davon ausgeht, daß in diesem Land nicht genügend Arbeit vorhanden ist und die vorhandene Arbeit folglich gerecht verteilt werden muß, ist von Haus aus als falsch zu bezeichnen. ({13}) Irgendwie erinnert das Patentrezept „35-StundenWoche" an die seinerzeitige Diskussion über den Nulltarif. Sie wissen, Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre gab es eine Menge Leute, die davon gesprochen haben, man müsse die öffentlichen Dienstleistungen zum Nulltarif anbieten, weil das volkswirtschaftlich einfach sinnvoll sei. Durchaus ernst zu nehmende Leute haben seinerzeit diese Forderung ebenfalls befürwortet. Ihre Unsinnigkeit wurde dann im Laufe der Zeit erkannt. Heute redet niemand mehr darüber. Ich bin also der Meinung - damit stehe ich auch nicht allein -, um das zu diesem Thema abschließend zu sagen, daß genügend Arbeit für alle da wäre, allerdings nicht zu den gegenwärtigen hohen Kosten. Es ist zwar auch so, daß unternehmerisches Denken, daß Wagnisbereitschaft auch in der Wirtschaft nachgelassen hat und sich dort im Laufe der Zeit auch ein gewisses statisches Denken, eine gewisse Versorgungsmentalität breitgemacht hat. Entscheidend für das Nachlassen der Investitionstätigkeit war aber doch die zurückgehende Ertragskraft der Unternehmen, war die Umverteilungspolitik, waren die Schwäche der Investitionskraft und die immer geringer werdende Eigenkapitalausstattung. Zuviel Geld ging in den Konsum, und der Staat nahm zuviel Kapital für sich in Anspruch. ({14}) - Herr Roth, ich würde mich freuen, wenn Sie mir freundlicherweise zuhörten. Ich habe auch Sie vorhin ansprechen wollen, aber leider habe ich Sie gerade nicht entdeckt. ({15}) - Herr Haehser, Sie sind ein freundlicher Mensch. Ich werde mich in Zukunft daran erinnern. ({16}) - Er wird es schon verstanden haben. Die Sanierung der öffentlichen Haushalte ist ein jahrelanger Prozeß. Das hat übrigens Herr Roth voriges Jahr in seiner Rede zum Jahreswirtschaftsbericht auch ausdrücklich erwähnt. Es war für mich interessant zu hören, welche Auffassung er voriges Jahr zu diesem Thema hatte. Er äußerte damals nämlich die Meinung, aus der großen Misere könne man nur nach vielen Jahren und sehr langsam wieder herauskommen. Heute teilt er diese Meinung offenbar nicht mehr. ({17}) Einen wichtigen Beitrag zur Eigenkapitalausstattung leisten wir mit unserer Vermögensbildungspolitik. Während in der alten Koalition jahrelang über dieses Thema gestritten wurde, haben wir Vorschläge unterbreitet. Bereits im Jahreswirtschaftsbericht dieses Jahres wurden Eckdaten für die von uns angestrebte Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen angekündigt. In Kürze wird der Gesetzentwurf zur Verwirklichung dieses wichtigen Anliegens vorgelegt werden. Für uns ist das auch ein Akt sozialer Gerechtigkeit. Wir wollen, daß die Arbeitnehmer am Produktivvermögenszuwachs beteiligt werden. Wir wollen damit Vermögenskonzentrationen bei wenigen entgegenwirken. Lassen Sie mich kurz noch ein spezielles Kapitel anschneiden, nämlich die Fragen der Baukonjunktur, eines Wirtschaftszweigs, der für die Konjunktur bei uns von ganz entscheidender Bedeutung ist. Das Problem für die Bauwirtschaft schlechthin ist die schrumpfende öffentliche Bautätigkeit. Das Investitionsverhalten von Bund, Ländern und Kommunen trägt für wesentliche Teile der Bauwirtschaft, insbesondere für die Arbeit in der Bauindustrie, die zu 60 % von den öffentlichen Bauaufträgen abhängig ist, die konjunkturelle Entwicklung auf kurze und mittlere Sicht. So weist die mittelfristige Finanzplanung der Kommunen bis 1986 eine Reduzierung der Bauausgaben um nominal ein Drittel aus. Dasselbe gilt für die Länder, wenn auch in etwas abgeschwächter Form. Wenngleich diese Planungszahlen erfahrungsgemäß nur mit Vorbehalt zu gebrauchen sind, so steht doch eines fest: Die große Bedeutung, die der öffentliche Sektor für die Bauwirtschaft hat, gehört zu den wesentlichen Bestimmungsmerkmalen dieses Wirtschaftszweigs. Die Verstetigung der Baunachfrage ist daher eine unabdingbare und zentrale politische Aufgabe, ohne die eine stetige gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht erreicht werden kann. Sowohl die Überforderung der Kapazitäten als auch ihr abrupter Abbau auf Grund übermäßiger Nachfrageschwankungen verursachen erhebliche volkswirtschaftliche Schäden. Eine unstetige Entwicklung der Baunachfrage vermindert nicht nur die Leistungsfähigkeit der Bauwirtschaft; sie wirkt sich auch auf die Beschäftigungs- und Einkommenssituation auf den Baustellen sowie in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen negativ aus und ist in entscheidendem Maße mitverantwortlich für den langfristig gegebenen Fachkräftemangel. Sie beeinträchtigt darüber hinaus die Investitionskraft der Unternehmen. Dabei ist natürlich nicht zu verkennen, daß die Haupthindernisse zur Realisierung dieses Vorhabens selbstverständlich finanzieller Art sind. Mittelpunkt unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik muß deshalb die Gesundung der Staatsfinanzen zur Schaffung des notwendigen investitionspolitischen Spielraums sein. Dies ist nur durch eine gemeinsame Haushaltskonsolidierung aller Gebietskörperschaften möglich, die nicht zu Lasten der jeweils anderen Verwaltungsebene geht, insbesondere nicht zu Lasten der Investitionsausgaben. ({18}) Wollen wir der existenzbedrohenden Staatsverschuldung Lebewohl sagen, muß die Umstrukturierung der Haushalte zu Lasten der konsumtiven und zugunsten der investiven Bereiche die Priorität Nummer eins sein. ({19}) - Wenn Sie deutlicher redeten, Herr Krizsan, könnte ich Sie möglicherweise verstehen. ({20}) - Wissen Sie, Herr Krizsan, wenn man hier in der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht mit Rezepten antritt, wie Sie sie vertreten, dann ist eine solche Bemerkung nicht einmal mehr als lustig zu bezeichnen. ({21}) Sie kommen hierher mit Ihrem 35-Stunden-Patentrezept und wollen uns sagen: das alles bei vollem Lohnausgleich. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sagen Sie doch gleich 30 Stunden, dann können Sie die Arbeitsmarktprobleme nicht nur der Bundesrepublik, sondern ganz Europas lösen! ({22}) Lassen Sie mich zum Ende kommen. Bei der Finanzierung des Baubedarfs müssen wir nach unserer Auffassung auch neue Wege beschreiten. Privates Kapital und privates Know-how müssen für die Abwicklung öffentlicher Bauvorhaben mobilisiert werden. ({23}) - Herr Roth, ich kann kaum glauben, daß Sie überhaupt mitkommen. Deswegen werde ich mich bemühen, ein bißchen langsamer zu sein, wenn Sie das so wollen. Eine solche Abwicklung könnte ganz oder zumindest teilweise Planung, Organisation, Errichtung sowie Verkauf oder Vermietung und die private Finanzierung durch Banken, Versicherungen, Leasing-Gesellschaften und Fördervereine mit einschließen. Dieser Weg ist bisher durch eine Reihe von Kommunen erfolgreich beschritten worden. Wo stehen wir heute? Wir haben Positives und belastende Faktoren. Es gibt augenblicklich eine ganze Reihe positiver Ansatzpunkte: eine den Zinsabbau fördernde Geldpolitik der Bundesbank, eine auch durch die gesunkenen ölpreisrückläufige Inflationsrate, die starke Aktivierung der Leistungsbilanz, der Stopp beim Exportrückgang, eine wieder lebhaftere Nachfrage nach Industrieerzeugnissen und steigende Aufträge im Wohnungsbau mit einer sich damit wieder stabilisierenden Investitionsneigung. Alle diese Konjunktursignale werden sich in Richtung einer Verfestigung des Wachstumsfundaments auswirken. Fest steht - da stimme ich mit dem, was Herr Roth im vorigen Jahr gesagt hat, überein -, daß sich unsere Konjunktur nicht von heute auf morgen, in großen Schritten bessern läßt. Wir können uns nur sehr langsam aus der Rezession herausarbeiten. Entscheidend ist aber, daß sich die Chancen für die Rekonvaleszenz über eine Kräftigung der Wachstums- und Ertragsquellen verbessern. Wir müssen langfristig wieder mehr auf den mündigen Bürger setzen. Wir müssen ihn wieder mehr seiner eigenen Leistungsfähigkeit und seinem Leistungswillen überlassen. Ohne die Aktivierung dieser Eigenschaften, nur mit staatlicher Vor- und Fürsorge, werden wir auf Dauer kein Wachstum erreichen, das es uns ermöglicht, die dem Staat verbleibenden Aufgaben in sinnvoller Weise zu erfüllen. - Ich bedanke mich. ({24})

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Das Wort hat der Herr Kollege Schlatter.

Günter Schlatter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001977, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat gestern in seiner Regierungserklärung gleich zweimal auf die Wichtigkeit der Tatsache aufmerksam gemacht, daß jeder Industriestaat seine eigenen Hausaufgaben zu machen hat. Richtig! Das kann man sicherlich dazu auch aus der Sicht der Opposition sagen. Aber ich füge hinzu: Das, was an Eckwertbeschlüssen zum Bundeshaushalt 1984 und zur mittelfristigen Finanzplanung von der Regierungskoalition als Hausaufgaben auf den Tisch des Parlaments gebracht wurde, verdient im Hinblick auf die vollmundigen Absichtserklärungen von Williamsburg noch nicht einmal die Bewertung „schwach ausreichend". ({0}) Vor allem - darauf will ich jetzt eingehen - im steuerpolitischen Teil zeigt sich besonders deutlich, daß die vorgeschlagenen Maßnahmen, durchweg ungeeignet sind, die als Folge der Weltwirtschaftskrise entstandene schwierige Situation unserer eigenen Wirtschaft, des Arbeitsmarkts und der öffentlichen Finanzen nachhaltig zu bessern. Hinzu kommt, daß das Gesamtpaket, das Sie uns vorgelegt haben, in wesentlichen Teilen in Widerspruch steht zu Ihren früheren Forderungen an die damalige, von uns geführte Bundesregierung. Die CDU/CSU hat in der Vergangenheit mit Hilfe ihrer Mehrheit im Bundesrat jede Einnahmeverbesserung für die Bundesfinanzen verhindert und rigoros abgelehnt. Mit einer Mehrwertsteueranhebung um einen Prozentpunkt wollte Bundeskanzler Helmut Schmidt die Investitionszulage finanzieren. Sie haben das abgelehnt. Was die Union der sozialliberalen Bundesregierung ohne Rücksicht auf Wirtschaft und Arbeitslose verweigerte, um, das muß man heute feststellen, die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zu strangulieren, plant sie jetzt teilweise selbst. Sie geben damit zumindest aus meiner Sicht zu, daß vernünftige und notwendige Maßnahmen von Ihnen seinerzeit aus machtpolitischen Gründen blockiert wurden. Um nicht mißverstanden zu werden: Unsere Kritik heute als Oppositionspartei richtet sich nicht gegen die von Ihnen vorgesehene Neuverschuldung im Bundeshaushalt in Höhe von rund 40 Milliarden DM. An diese Höhe haben wir nie zu denken gewagt. Unsere Kritik gilt nicht der Anhebung der Mehrwertsteuer, wie Sie sie jetzt beschlossen haben. Unsere Kritik richtet sich vielmehr gegen die Art und Weise, wie durch Sie Finanzmittel und finanzieller Handlungsspielraum verkleckert werden sollen. Wir als Opposition wehren uns gegen den Zynismus, mit dem all das, was in den vergangenen Jahren der Unionsopposition von Ihnen bisweilen mit unerhörtem Pathos an Grundsetzlichem vorgetragen wurde, nun, in den letzten Monaten von Ihnen selbst in den Papierkorb befördert wurde. ({1}) Das gilt beim Thema „heimliche Steuererhöhungen" und bei der Anhebung der Abgabenlast ebenso wie für Ihre heutige Abstinenz beim Subventionsabbau. Wir wehren uns gegen die Art und Weise, wie Sie Steuergerechtigkeit praktizieren wollen, ({2}) Sie belasten breite Schichten mit höherer Mehrwertsteuer, die alle trifft, und verwenden das Mehraufkommen im wesentlichen zur Senkung der Vermögensteuer und für weitere Abschreibungsvergünstigungen für Unternehmer. Wenn mein Vorredner darauf verwiesen hat, man mache jetzt einen mutigen Schritt hin zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, dann kann ich nur fragen: Was ist das für ein mutiger Schritt, wenn von vier Milliarden DM ganze 500 Millionen DM für Vermögensbildung übrigbleiben, ({3}) d. h., bei mehr als 20 Millionen Arbeitnehmern nicht mehr als etwa 20 DM im Jahr? Also, ich fasse zusammen: Ihr Konzept läuft darauf hinaus: Die wirtschaftlich Stärkeren erhalten mehr Geld, um ihren Leistungswillen zu steigern, wie Sie sagen, die Arbeitnehmer und Arbeitslosen erhalten weniger, damit ihre Leistungsbereitschaft wächst. Dies ist ein Konzept, das wir nicht mitmachen. Das können Sie auch der Öffentlichkeit nicht als Steuergerechtigkeit verkaufen.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wissmann?

Günter Schlatter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001977, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber bitte.

Matthias Wissmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Schlatter, ich hätte zwei kurze Fragen. Erstens. Wie vereinbaren Sie Ihre Bemerkungen zu dem Thema Subventionen mit der vor 45 Minuten zu Ende gegangenen Debatte und den dortigen Einlassungen der SPD? ({0}) Zweitens. Wie vereinbaren Sie Ihre Bemerkungen zur Vermögensbildung mit dem Nichthandeln Ihrer Regierung in derselben Frage über Jahrzehnte? ({1})

Günter Schlatter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001977, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Also, das, was Sie nun an Vermögensbildung anbieten, nämlich im Kern die Aufstockung des 624-DM-Gesetzes auf 936 DM, hätten wir zusammen - Sie in der Opposition und wir in der Regierungsverantwortung - schon lange machen können. Aber wir haben es nach außen nie als Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen dargestellt, weil es eben nichts anderes als Sparförderung ist. Deshalb waren wir in unserer Konzeption und dem, was wir erarbeitet und der Öffentlichkeit vorgelegt haben, immer der Auffassung: Wir müssen den Tarifvertragsparteien einen Rahmen schaffen, den diese dann mit einer Verabredung über konkrete Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivvermögen ausfüllen sollen. Nun zu Ihrer Frage nach den Subventionen: Wenn Sie schon glauben, daß die von Ihnen geplanten Steuergeschenke Investitionen anregen, dann muß ich doch fragen: Warum finanzieren Sie das denn nicht über einen Abbau von Subventionen? Warum müssen z. B. Arbeitslose herhalten und auf Teile ihrer Arbeitslosenunterstützung verzichten? ({0}) - Aber Sie können sich nun in eine lockere Form des Zuhörens begeben, Sie brauchen nicht weiter stehenzubleiben; ich kann diese Förmlichkeit in diesem Zusammenhang nicht verstehen. Graf Lambsdorff - und da gehe ich nun auf Ihre Frage ein - hat gestern in der Debatte formuliert: Subventionen sind und bleiben schädlich. ({1}) Das ist für einen Bundeswirtschaftsminister ein erstaunlicher Satz, und es ist außerdem ein falscher Satz. Richtig ist, daß Subventionen unverzichtbare Instrumente der Wirtschaftspolitik sind; das gilt übrigens auch für Steuervergünstigungen. Aber - das ist der entscheidende Punkt - sie müssen volkswirtschaftlichen Zielen dienen, die über den Markt nicht erreicht werden können. Denken Sie z. B. an den Umweltschutz, an die Energiepolitik, an den Wohnungsbau! Da sich der Herr Bundeswirtschaftsminister, der sich nun aus der Debatte heute morgen zurückgezogen hat - ich sehe ihn jedenfalls nicht mehr ({2}) - ah, Entschuldigung, Graf Lambsdorff -, anscheinend kein Problem vorstellen kann, das nicht durch das freie Spiel der Marktkräfte geregelt werden kann, hat er natürlich - das gebe ich dann ja zu - mit dem Steuerungsinstrument „Subventionen für die Wirtschaft" auch Schwierigkeiten. Dies ist heute morgen in der Debatte um Stahl ja auch deutlich geworden. ({3}) Ich begrüße und unterstreiche - wir haben das registriert -, daß es bei der CDU/CSU hinsichtlich des Subventionsabbaus, hinsichtlich der Art und Weise des Subventionsabbaus einen Lernprozeß gegeben hat. Jedenfalls stelle ich fest, daß heute nicht mehr vorschnell verkündet wird, daß ein linearer Subventionsabbau, sozusagen der Rasenmäher, das richtige Instrument sei. Aber wenn diese Erkenntnis gewachsen ist, dann darf sie doch nicht als Alibi für Nichtstun herhalten. Genau das muß ich Ihnen vorhalten, wenn ich mir die Eckwerte der Bundesregierung zum Bundeshaushalt betrachte.

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllemann?

Günter Schlatter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001977, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, jetzt nicht mehr. Wir haben, was mühsam genug war, in der Regierungsverantwortung den Anteil der Steuersubventionen kontinuierlich abgebaut. Ich unterstreiche, daß dies mühsam genug war. Vielen ist das entgangen. Der Anteil der Steuersubventionen am Gesamtsteueraufkommen betrug 1971 noch fast 10 % - es waren 9,85% - und konnte bis 1982 auf 7,3% gesenkt werden. Sie dagegen belassen es als RegieSchlatter rungskoalition bei vagen Bekundungen Ihrer guten Absichten. Lassen Sie mich auf das Stichwort Vermögensteuer eingehen. Die Philosophie des Bundesfinanzministers für die Senkung der Vermögensteuer nährt sich j a wohl aus der Hoffnung, daß dadurch Investitionsanstöße bewirkt werden könnten. Erklären Sie doch aber bitte einmal, wie man hoffen darf, daß eine Senkung der Vermögensteuer, die ja vergangene Investitionen betrifft, zu neuen Investitionen führen werde. Sie tun heute alles - das sage ich Ihnen in diesem Zusammenhang -, um die Unternehmerposition wieder in ein schiefes Licht zu rücken. Die besorgte Frage, die in einem „Handelsblatt"-Kommentar gestellt wird, ist doch wohl berechtigt. Es heißt in diesem Kommentar: Wird der Unternehmer, wenn er von der Regierung auf diese Weise zum Primus der Gesellschaft befördert wird, nicht in einigen Jahren wieder Klassenkeile kriegen? Sollte er sich nicht besser verweigern, sich auf diese Bank setzen zu lassen?

Dr. Rainer Barzel (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000102

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Cronenberg?

Günter Schlatter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001977, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, nicht mehr. Sie vergeuden Milliarden bei der Senkung der Vermögensteuer und fördern mit den Mehrwertsteuergroschen der vielen, die diese Steuer zu zahlen haben, das Vermögen von wenigen. Abgesehen davon sind von Ihnen heute und auch gestern - es gab lediglich die vage Ankündigung einer Absicht - keine konkreten Vorschläge gemacht worden, wie denn der Ausgleich für die Länder- und Gemeindekassen aussehen werde. Sie greifen mit der Senkung der Vermögensteuer ja in diese Kassen. Die Tatsache, daß Sie bis heute über Ausgleichsregelungen nicht sprechen, dokumentiert einmal mehr, daß Ihnen wenig an den Finanzen der Kommunen und Länder liegt und daß Sie Ihre Politik der Auszehrung der Gemeindekassen fortsetzen wollen, wie Sie sie mit der weiteren Senkung der Gewerbesteuer eingeleitet haben. Meine Damen und Herren, ich will noch eine Bemerkung zur Steuerlastquote machen. Diese will ich mit der Feststellung verbinden: Sie tun nichts für die Nachfrage und für die Entlastung der Lohnsteuerzahler. Der Bundesfinanzminister hat am Mittwoch im Finanzausschuß auf eine entsprechende Frage gesagt: Wenn überhaupt, dann wollen wir eine Entlastung der Bürger im Einkommensteuerbereich später einmal durch Umschichtung von direkten Steuern zu indirekten Steuern in Angriff nehmen. „Umschichtung" war das Stichwort. Auf dieses Stichwort will ich einmal eingehen. Gerade eine Umschichtung, wie Sie sie jetzt für eine ferne Zukunft in Aussicht stellen, haben Sie in der Vergangenheit aus Popularitätshascherei immer wieder abgelehnt. Unsere Steuerentlastungsprogramme, die wir als Regierungspartei verwirklicht haben, haben allein in der Zeit von 1974 bis 1981 eine Entlastung in der Gesamthöhe von 65,5 Milliarden DM gebracht. Schauen Sie sich die Lohnsteuerquote einmal an! Ich habe hier die Vorlage des Bundesfinanzministers an den Finanzplanungsrat vom April. Daraus geht ganz klar hervor, daß unsere ständigen Bemühungen die Lohnsteuerquote in der Zeit von 1977 bis 1982 bei rund 16 % haben stabilisieren können. Sie legen dem Finanzplanungsrat eine Berechnung vor, die signalisiert, daß Sie die Lohnsteuerquote bis 1987 auf 20,2 % ansteigen lassen wollen. Wenn Herr Häfele in einer schriftlichen Antwort auf die Anfrage eines Kollegen in Aussicht stellt, daß die neuen Eckwertbeschlüsse der Bundesregierung Abhilfe schaffen würden, weil beim Anstieg der Steuerquote immerhin 0,2 Prozentpunkte abgebaut werden könnten, so kann ich nur sagen: Die Nachricht hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Herr Bundesfinanzminister, bis zum heutigen Tage waren Sie nicht in der Lage, über die Eckwertbeschlüsse der mittelfristigen Finanzplanung hinaus endlich einmal konkrete Finanzplanungszahlen auf den Tisch zu legen und Ihre Politik mittelfristig mit Mark und Pfennig zu belegen. Ich fordere Sie auch heute wieder auf: Legen Sie eine mittelfristige Finanzplanung auf den Tisch, damit wir die Aussagen Ihres Staatssekretärs endlich einmal überprüfen können! ({0}) Ich will hier nicht nur Kritik üben, sondern ich sage ausdrücklich: Wir erkennen Ihr Bemühen an, nun Verlustzuweisungsgesellschaften im Steuerrecht an den Kragen zu gehen. Ihre Vorschläge - das füge ich hinzu - zur zeitlichen Neuabgrenzung der Werbungskosten bei Bauherrenmodellen können aber nur ein erster bescheidener Schritt sein. Ich habe gestern mit Interesse vernommen, daß auch die FDP diesem Schritt zugestimmt hat. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft des mühsamen Kampfes im vergangenen Jahr, bei einem wichtigen ersten Schritt, nämlich bei der Abschaffung der Mehrwertsteueroption, die Zustimmung der FDP zu erreichen. Welche Kämpfe hat das gekostet, und wie hat der Kollege Cronenberg gerade das Bauherrenmodell als wichtiges Instrument zur Baufinanzierung hier im Deutschen Bundestag verteidigt! Man lernt dazu, und ich nehme das mit Interesse zur Kenntnis. Ich sage es noch einmal: Wir werden Sie in diesem Zusammenhang beim Wort nehmen, wir werden unsere eigenen Initiativen des letzten Jahres wieder aufgreifen und Sie zwingen, gerade auch bei den Steuersparmodellen mit Ihren Absichtserklärungen ernst zu machen, und wir werden Sie auch an Ihren Initiativen messen. Ihre Pläne - das ist mein letzter Gedanke - zur Verbesserung von Abschreibungsmöglichkeiten werden wir in den Einzelberatungen kritisch prüfen. Insgesamt stelle ich fest, daß uns eine erste Bewertung Ihrer Pläne zunächst nichts anderes dokumentiert, als daß Sie planen, einen wichtigen Beitrag zur Bürokratievermehrung zu leisten; denn die Sonderabschreibung, die Sie einführen wollen, gemessen an einem Einheitswert von 50 000 DM, ist wohl nichts anderes als ein gigantisches Programm zur Bürokratievermehrung. ({1}) Mir ist auch die Logik Ihrer Maßnahmen nicht klar. Einerseits gibt es eine Mehrbelastung durch Abgabenerhöhungen, die vor allem arbeitsplatzintensive Betriebe in diesem Jahr mit zusätzlich rund 6 Milliarden DM treffen werden - ich gebe zu, ein Teil der Verantwortung dafür liegt noch bei der alten Regierung -, andererseits gibt es Steuergeschenke, die im wesentlichen keine neuen Investitionen und Arbeitsplätze schaffen, weil sie schon im Ansatz verfehlt sind. Die Logik dieser Politik müssen Sie uns vor allem vor dem Hintergrund der Verabredungen erklären, die Sie in Williamsburg getroffen haben, und auch vor dem Hintergrund Ihrer Politik, die erklärtermaßen die Wende einleiten und neue Arbeitsplätze schaffen soll. Ich sage Ihnen, die SPD weiß um die Notwendigkeit schmerzhafter Eingriffe, wenn es darum geht, die Haushalte der Gebietskörperschaften zu sanieren und neue Handlungsmöglichkeiten für Beschäftigungspolitik zu schaffen, übrigens nicht nur für staatliche Beschäftigungspolitik, sondern auch für die Förderung privater Investitionen. Wir messen dieses Bemühen an zwei Punkten, erstens müssen diese Maßnahmen tatsächlich der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit dienen, und zweitens dürfen sie nicht nur den sozial Schwachen finanziell angelastet werden. - Vielen Dank. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schlatter hat, was sicher begründet ist, die Diskussion über den Jahreswirtschaftsbericht zu einer kurzen kritischen Betrachtung der Steuer- und Finanzpolitik ausgeweitet. Die Schwierigkeit, diesen Beitrag richtig zu würdigen, liegt auch darin, daß er Entscheidungen anmahnt oder kritisiert, die in wenigen Wochen fallen. Es ist Ihnen bekannt, daß wir die Absicht haben, am 29. Juni, also noch in diesem Monat, den Haushaltsentwurf für 1984 im Kabinett zu beschließen, die mittelfristige Finanzplanung vorzulegen - deswegen ist es wirklich überflüssig, sie heute anzumahnen -, die notwendigen Begleitgesetze im Kabinett zu verabschieden, sowohl für die unvermeidlichen gesetzlichen Kürzungen im Haushalt als auch für die Steuerentlastungen und auch zur Vermögensbildung. Die kurze Debatte über diesen Problemkreis befindet sich also im Vorfeld der angekündigten Entscheidungen. Ich gehe davon aus, daß diese Vorlagen der Bundesregierung im September nach Wiederaufnahme der parlamentarischen Tätigkeit im Mittelpunkt großer Debatten und natürlich auch politischer Auseinandersetzungen in diesem Hause und auch außerhalb des Hauses stehen werden. Erlauben Sie mir einige kurze Anmerkungen. Herr Kollege Schlatter, es ist nicht zu akzeptieren, wenn Sie in Verbindung mit Themen wie heimlicher Steuererhöhung und dringender anderer steuerpolitischer Aufgaben der Bundesregierung Unehrlichkeit, Zynismus oder andere, ähnlich unschöne Vokabeln vorhalten. Was sich in den letzten Monaten verändert hat, ist der Zustand der öffentlichen Finanzen. Er hat sich gegenüber den Vorhersagen und Grundannahmen unserer Vorgänger noch im letzten Sommer in geradezu dramatischer Weise verschlechtert. ({0}) - Er hat sich gegenüber den Vorhersagen und Prognosen unserer Vorgänger vom vergangenen Sommer für das Jahr 1983 in geradezu dramatischer Weise verschlechtert. ({1}) - Also, Herr Roth, Ihre Zwischenrufe waren auch schon intelligenter. ({2}) Lassen Sie mich zur Bilanz kommen, zum Zahlenbild, wie es sich gegenüber dem Juni 1982 verschlechtert hat, um dann zu begründen, weshalb bestimmte Ziele, die wir weiterhin verfolgen - also etwa den Abbau heimlicher Steuererhöhungen -, in eine andere Zeitvorstellung der Realisierung gebracht werden müssen. Der Haushaltsentwurf der alten Bundesregierung vom Sommer 1982, vor knapp einem Jahr, ging von einem Fehlbetrag im Bundeshaushalt - ({3}) - Nein, ich möchte diesen Gedankengang zu Ende bringen. Es ist doch ganz interessant, zunächst einen Gedankengang zu hören und dann zu fragen, Herr Ehrenberg. Der Haushaltsentwurf der alten Bundesregierung vom vergangenen Sommer ging von einem Fehlbetrag von 38 Milliarden DM für dieses Jahr aus. Er sollte durch einen Bundesbankgewinn von etwas über 10 Milliarden reduziert werden, so daß sich für 1983 eine Nettokreditaufnahme von etwa 28 Milliarden DM ergäbe. Die Eröffnungsbilanz, die wir im Oktober/November vorgenommen haben, ergab für 1983 einen Fehlbetrag von 58 Milliarden DM für den Bundeshaushalt. ({4}) Wir haben ihn durch die bekannten und von Ihnen kritisierten Spar- und Kürzungsentscheidungen im Verlauf weniger Wochen auf 52 Milliarden DM reduziert. Wir haben einen Bundesbankgewinn von 11 Milliarden DM eingesetzt. Damit kommen wir in den dann verabschiedeten Haushaltsentwurf für dieses Jahr auf eine Nettokreditaufnahme von 41 Milliarden DM. ({5}) - Ja, dann hätten Sie noch mehr kürzen müssen, sehr geehrter Herr Kollege Haehser. Sie haben die Kürzungen abgelehnt und kritisieren die NeuverBundesminister Dr. Stoltenberg schuldung. Das stört Ihre elementare finanzpolitische Glaubwürdigkeit über diese Debatte hinaus. ({6}) Ich will nicht immer die alten Argumente wiederholen. Wir haben das ja schon alles gehört; es wurde schon alles beantwortet. Ich will einfach etwas zur Information sagen. Ich finde, daß in dieser Debatte hier auch Informationen vermittelt werden sollen. Ich will dem Hohen Hause folgendes sagen. Im Gegensatz zu einigen Prognosen und Befürchtungen aus den Reihen der sozialdemokratischen Fraktion kann man sagen, daß sich - jedenfalls für die ersten vier Monate, für die wir die Zahlen haben - der Haushaltsvollzug 1983 im vorgesehenen Rahmen bewegt. Wir liegen für das erste Drittel dieses Jahres bei den Ausgaben sogar unterhalb der veranschlagten Größenordnung ({7}) und bei den Steuereingängen darüber. ({8}) Wenn sich dieser Trend fortsetzt - und jeder weiß, daß man hierüber im Juni nur vorläufige Annahmen aussprechen kann -, besteht eine gewisse Chance, daß die Nettokreditaufnahme für dieses Jahr nicht voll ausgeschöpft werden muß. ({9}) - Nein, das berührt nicht das Jahr 1984. Wir sprechen jetzt von diesem Jahr. Vom nächsten Jahr reden wir ein anderes Mal, Herr Vogel. Ich kann im Augenblick nicht die Sorgen der Opposition bestätigen, daß wir ein zusätzliches Defizit in Milliardenhöhe bekommen werden, daß wir einen Nachtragshaushalt in dieser Größenordnung vorlegen müssen. Ich habe aber auch in der Diskussion im Haushaltsausschuß hinzugefügt: Natürlich gibt es einige latente Haushaltsrisiken im Bereich Bürgschaften, Kreditgewährleistung, um nur einen Punkt zu nennen. So kann man diese Mitteilungen nur vorläufig machen, aber ich bin relativ optimistisch und denke, daß wir den Rahmen einhalten können und daß wir die Nettokreditaufnahme nicht durch einen Nachtrag zu erhöhen brauchen. Ich habe die Hoffnung, daß wir im Jahre 1983 unterhalb der vorgesehenen Nettokreditaufnahme bleiben können. Nun möchte ich, nachdem diese Zahlen deutlich geworden sind, die nächste Stufe beschreiben. Ich beabsichtige, dem Kabinett nach Abschluß der noch erforderlichen Gespräche in dieser und in der kommenden Woche für die Sitzung am 29. Juni einen Haushaltsentwurf für 1984 vorzulegen, der voraussichtlich folgende Eckdaten haben wird: ein Wachstum von etwa 1,8 % und eine Nettokreditaufnahme auf Grund der sich jetzt abzeichnenden neuen Steuerschätzung von voraussichtlich etwa 38 Milliarden; das ist eine politische, nicht eine statistische Größenordnung. Das setzt aber voraus, daß die vom Kabinett beschlossenen Kürzungen von 61/2 Milliarden durch die Begleitgesetze, die wir einbringen, auch vollzogen werden, und zwar mit etwas über 5 Milliarden durch diese Gesetzgebung und mit noch einmal 1,4 Milliarden auf Grund der sogenannten Chefgespräche und Abschlußverhandlungen. Damit haben wir aber auch - an diesem Konzept arbeiten wir zur Zeit - die Möglichkeit, bestimmte Positionen, die für Investitionen, für die Stützung der Wirtschaft und für die Förderung des Arbeitsmarktes wichtig sind, gegenüber der Finanzplanung der Regierung Schmidt vom vergangenen Sommer spürbar zu verstärken. Dies wollen wir in unseren Beschlüssen vom 29. Juni erreichen. ({10}) Bei dieser Rechnung gehen wir von einem Bundesbankgewinn aus, der deutlich - in die Größenordnung von etwa 6 Milliarden - zurückzuführen sein wird. Wir müssen also nicht nur einen gewissen Rückgang in der Nettokreditaufnahme erreichen, sondern auch davon ausgehen - wir halten das im Prinzip auch für richtig -, daß die Summe, die von der Bundesbank erwartet werden kann, deutlich auf einen Betrag von etwa 6 Milliarden zurückgeht. Natürlich kann auch dies um einige hundert Millionen variabel sein. ({11}) Das heißt - das möchte ich gern noch sagen, bevor Sie Ihre Frage stellen -, wir haben im November 1982 einen Fehlbetrag - ohne Bundesbankgewinn und ohne Kürzungen - von 58 Milliarden in der Eröffnungsbilanz gehabt; wir wollen ihn im Haushaltsvoranschlag für 1984 ohne Bundesbankgewinn auf 44 Milliarden und mit Bundesbankgewinn auf etwa 38 Milliarden herunterbringen. ({12}) Ich sage das zu Ihrer Kritik, Herr Schlatter: Das zeigt doch, daß wir die Aufgabe der Konsolidierung ernst nehmen und zugleich versuchen, politische Akzente, vor allem für Wirtschaftsförderung und Beschäftigung, zu setzen. Natürlich sind diese Zahlen nur eine Zwischenstufe. Die Finanzplanung muß mit ernsthaften Annahmen deutlich machen, daß die Verringerung der Nettokreditaufnahme in den kommenden Jahren weitergeht. Um überhaupt politischen Manövrierraum zu behalten oder wiederzugewinnen, ist es unbedingt notwendig, das Defizit in den nächsten Jahren weiter drastisch abzusenken. - Bitte sehr!

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter Stratmann zu einer Zwischenfrage.

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Stoltenberg, können Sie zu dem kurzen Hinweis im „Spiegel" Stellung nehmen, daß Sie - es geht aus diesem Hinweis nicht eindeutig hervor; ich vermute, für die Haushaltsplanung 1984 - für die Bundesanstalt für Arbeit infolge einer erwarteten Zahl von 21/2 Millionen Arbeitslosen zusätzliche Zuschüsse vorsehen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Ich will gern etwas zu diesem Sachverhalt, über den eine Reihe von Zeitungen berichtet haben, sagen. Übrigens glaube ich, mich daran zu erinnern, daß dies gestern vom Bundeswirtschaftsminister schon kurz angesprochen worden ist. Ich habe diese Frage schon einmal auf der Bundespressekonferenz beantwortet, aber ich nehme sie natürlich gern auch noch einmal hier im Hohen Hause auf. Wir werden bei der Risikovorsorge für Arbeitslosigkeit nach den unangenehmen Erfahrungen unserer Vorgänger - aus denen muß man auch lernen - sozusagen an die äußerste Grenze einer denkbaren ungünstigen Entwicklung herangehen. Wir werden Risikovorsorge betreiben. Wenn sich diese Finanzmittel für die Bundesanstalt für Arbeit vorsorglich an einer Zahl von knapp 2,5 Millionen Arbeitslosen orientieren, bedeutet das nicht, daß wir dies als die wahrscheinliche Entwicklung ansehen, sondern heißt, daß wir sie für die ungünstigste halten. Wenn wir auf Grund dieser Veranschlagung eine bestimmte Reserve im Haushaltsvollzug haben, können wir sie 1984 eventuell für andere Risiken gut gebrauchen, denn die Bundesregierung hat ja allein für Auslandskredite, Bürgschaften und Gewährleistungen an Verpflichtungen ein Volumen von etwa 150 Milliarden übernommen, die latente Risiken darstellen. In diesem Bereich besteht immer die Möglichkeit, daß im Rahmen einer Umschichtung in einem Nachtragshaushalt andere Mittel zur Deckung zur Verfügung gestellt werden. - Ich glaube, damit ist diese Frage beantwortet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Bundesminister, es hat sich ein weiterer Abgeordneter zu einer Zwischenfrage gemeldet.

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Eine noch, und dann würde ich gern zum Abschluß kommen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Vogelsang.

Kurt Vogelsang (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002381, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister, nach dem, was Sie bisher gesagt haben: Sind Sie der Auffassung, daß es eine ausgesprochen ungünstige Annahme ist, wenn Sie von einem realen Wachstum von 2 bis 3 % für die nächsten Jahre ausgehen? ({0})

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Ich halte das nicht für eine ausgesprochen ungünstige Annahme nach den bedrückenden Wachstumsraten, die wir seit 1980 erlebt haben. Ich halte es für eine vorsichtig optimistische. Wir alle würden uns freuen, wenn die tatsächliche Wachstumsentwicklung günstiger verliefe. Wir müssen jedenfalls große Anstrengungen unternehmen. ({0}) Ohne mich in die ständige Schuldzuweisung zwischen früheren Koalitionspartnern einzumischen - das bringt nun auch nichts mehr, Herr Roth; das haben wir doch nun schon fünf- oder sechsmal vor und nach der Wahl gehört -: Man muß doch auch aus den Erfahrungen seiner Vorgänger lernen. Hier aus unangenehmen Erfahrungen. Ich sage das ohne jede Polemik. ({1}) Alle, auch die beteiligten Beamten der Ministerien - es sind großenteils dieselben, großenteils sehr tüchtige Beamte - ({2}) - Ich habe doch gerade gesagt, Herr Ehrenberg: Machen Sie das nun endlich einmal privat mit den verehrten Kollegen der FDP aus. Das haben wir doch nun schon mindestens sechsmal hier gehört. Es lohnt sich doch nicht, weiter darüber zu reden. Man muß also aus Erfahrungen lernen, auch aus den Erfahrungen seiner Vorgänger. ({3}) Und deswegen ist es in allen diesen Positionen richtig, vorsorglich auch eine eher ungünstige Entwicklung mit einzukalkulieren. Nur darf man das nicht übertreiben. Man darf auch nicht auf der ganzen Breite der wirtschaftlichen Erwartungen, der Prognosen nur die pessimistischen Szenerien zugrunde legen, weil man damit die Menschen entmutigt in einer Zeit, in der wir verantwortungsbewußt auch positive Kräfte und Impulse wecken wollen. ({4}) Das sind sozusagen die beiden Pole dieser Diskussion. Die sind Ihnen genausogut vertraut wie mir.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Nun haben Sie weitere Meldungen zu Zwischenfragen ausgelöst, Herr Minister.

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Ja, Frau Kollegin.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Stoltenberg, darf ich Sie fragen, da Sie sagten, es sollte doch jetzt einmal mit der Vergangenheitsbewältigung und dem Hin und Her zwischen ehemaligen Koalitionären Schluß sein - Dr. Stoltenberg, Bundesminister der Finanzen: Die können Sie dann mit sich selbst betreiben, Frau Kollegin - wenn ich das sagen darf. - Entschuldigung. ({0})

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerade deswegen habe ich mich gemeldet. Glauben Sie nicht, daß es, wenn Sie immer wieder im Finanzausschuß, vorgestern, heute morgen, als einen der Gründe für Ihre Politik, die wir für falsch halten, angeben, das sei die Erblast, das sei die Vergangenheit, in der alles falsch gemacht worden sei, ({0}) legitim ist, darauf hinzuweisen, daß wir hier den sehr seltsamen Zustand haben, daß die Erblasser und der Erbe ein und dieselbe Person in der Person des Bundeswirtschaftsministers sind. ({1})

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Ich habe gerade eben gesagt, daß ich nicht die Absicht habe, diese personenbezogene Diskussion innerhalb der alten Regierungskoalition fortzuführen, ob der Bundeskanzler, der die Richtlinien der Politik bestimmt hat, der verantwortliche war, oder der Bundeswirtschaftsminister oder der Bundesfinanzminister oder der Bundesarbeitsminister. Auch nach Ihrer Frage, sehr verehrte Frau Kollegin, kann ich nur sagen: Das alles führt zu nichts. Die Kollegen der Freien Demokratischen Partei haben aus einer falschen Entwicklung die politischen Konsequenzen gezogen, ({0}) mit großem Mut, persönlichem Mut, was auch gerade den Kollegen, der hier angesprochen wurde, den Bundeswirtschaftsminister betrifft. Ich kann nur sagen: Wir gehen partnerschaftlich - ich kann hier gerade auch den Bundesarbeitsminister Norbert Blüm einbeziehen - in der Regierungsarbeit an die Lösung der uns gemeinsam gestellten großen Aufgaben heran, in der Absicht, diesem hohen Hause am 29. Juni konkrete Vorschläge zu machen, wie wir die Ziele erreichen, die wir haben, und die Aufgaben, die uns gestellt sind, meistern wollen. ({1}) - Wir werden das machen, Herr Vogel. Und wir sehen dann Ihren Reden im September mit großer Spannung entgegen. Ich habe dieses Zahlenbild hier doch nicht entworfen, um eine Diskussion über Erblast mit solchen Vokabeln zu führen, sondern nur, um Ihnen deutlich zu machen, weshalb sich bestimmte Prioritäten verändert haben. Wenn sich der Fehlbetrag im Haushalt des Bundes in wenigen Wochen in der Prognose um 20 Milliarden DM erhöht - und das ist die prognostizierte Entwicklung von Juni 1982 bis September 1982 -, dann ist doch vollkommen klar, daß sich die Zeitvorstellungen für bestimmte steuerliche Entlastungen in großem Umfang, also hier hinsichtlich der Lohn- und Einkommensteuer, bei so veränderten Daten ein Stück verändern müssen. Es ist doch für jeden, der finanzpolitisch denken und argumentieren kann, vollkommen klar, daß die Priorität der Konsolidierung mit der veränderten Qualität der Zahlen immer deutlicher wird. ({2}) Herr Kollege Schlatter, es hat mich ein bißchen gestört, daß Sie nicht ganz exakt aus einer geschlossenen Ausschußsitzung zitiert haben. Ich würde empfehlen, daß wir das in Zukunft nicht machen. Ich kann j a meinen Standpunkt hier im Plenum selbst darstellen. Nun brauche ich mich j a hier nur auf die Regierungserklärung zu beziehen. Wir betrachten die Forderung nach einer Senkung der Lohn- und Einkommensteuer auch unter dem Vorzeichen der heimlichen Steuererhöhungen unverändert als wichtig und legitim. Aber wir müssen bei diesen radikal verschlechterten finanzwirtschaftlichen Eckdaten unter Einbeziehung des Ziels der Konsolidierung einen Weg finden, der nicht zu einem neuen drastischen Ansteigen der Haushaltsdefizite führt. ({3}) - Wirklich, es lohnt sich nicht mehr. ({4}) - Ich bitte, Reden eines Kollegen nicht als „Geschwätz" zu bezeichnen. Ich bin hier einmal für eine zurückhaltendere Würdigung von Herrn Apel gerügt worden. Ich bitte also, Reden eines Kollegen nicht als „Geschwätz" zu bezeichnen. ({5}) - So, wie Sie das jetzt interpretieren, war es aber nicht gemeint von Herrn Haehser. Meine Damen und Herren, es ist vollkommen klar, daß für alle verantwortlichen Politiker der CDU/CSU, der FDP und nach meiner Überzeugung auch der Opposition mit einem drastisch veränderten, verschlechterten Defizit die Bedingungen für eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer neu geprüft und definiert werden müssen. Von daher stellt sich die Frage, sie zu einem Zeitpunkt in einer Form zu vollziehen, die nicht zu einer drastischen Erhöhung der Defizite führt. Von daher stellt sich auch die Frage - wir können sie erst nach einer gründlichen Debatte im Kabinett beantworten -, ob und in welchem Umfang ein Ausgleich durch Umschichtung im Steuersystem notwendig sein wird, d. h. zu deutsch: auch durch Anhebung anderer Steuern oder Beseitigung von Steuersubventionen und -vorteilen. Gerade im letzten Punkt bin ich für jede konstruktive Anregung besonders dankbar. Wir werden in absehbarer Zeit darüber entscheiden. Wir haben die jetzigen haushalts- und finanzpolitischen Entscheidungen in einem Tempo vorangebracht, das den Vergleich mit allen entsprechenden Arbeitsvorgängen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland aushält. Ich räume Ihnen offen ein, daß eine ganze Reihe wichtiger Fragen, die hier gestellt werden, für uns erst in den Monaten nach dem Herbst mit der nötigen Gründlichkeit diskutiert werden können und dann auch - jedenfalls gilt das für das Kabinett - entschieden werden können. Herr Schlatter, ich möchte die Diskussion über die Begründung für die Senkung ertragsunabhängiger Steuern aus Zeitgründen nicht fortsetzten. Dies ist begründet in der ernsthaften finanzwirtschaftlichen, finanzwissenschaftlichen und auch fi656 nanzpolitischen Diskussion. Die auch in diesem Jahr große Zahl der Konkurse und Vergleichsverfahren unterstreicht eindringlich, daß eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe als ein Element der Arbeitsmarktpolitik neben anderen zur Lösung der Arbeitsmarktprobleme unentbehrlich ist. Von daher bleiben wir bei dem, was wir vor der Wahl gesagt haben. Wir haben das j a in aller Klarheit zu einem zentralen Thema der politischen Aussage vor der Wahl gemacht. Sie können in den Protokollen des Deutschen Bundestages ja auch nachlesen - das war ja Gegenstand unserer Kontroversen im November und Dezember -, daß wir den Schritt einer Erhöhung der Mehrwertsteuer und einer Steuerentlastung in zwei Stufen gehen. Wir sind hier voll auf der Linie unserer Aussagen vor der Bundestagswahl. ({6}) Wir glauben, daß wir auch ein Mandat vom deutschen Wähler mit der Entscheidung am 6. März bekommen haben, auf dieser Linie weiterzugehen. Sie haben gesagt, 500 Millionen DM für die Vermögensbildung seien nur ein Almosen. ({7}) Herr Kollege Wissmann hat das in einer Zwischenfrage angesprochen. Ich bin überzeugt, daß die meisten deutschen Arbeitnehmer die Erweiterung des Rahmens von 624 DM auf 936 DM als einen sehr positiven und wichtigen Schritt ansehen. ({8}) Diese 500 Millionen sind rein finanzwirtschaftlich immer eine geschätzte Größe. Jeder von Ihnen, der sich mit diesen Fragen näher befaßt hat, weiß das. Man rechnet mit bestimmten Prozentsätzen der Ausnutzung durch Tarifpartner und Arbeitnehmer, die sich selbst dafür entscheiden, auch ohne Tarifverträge. Dieser Betrag wird nach den internen Schätzungen der Beamten im Finanzministerium, die ohne politische Vorgaben erfolgen, natürlich im ersten Jahr unter 500 Millionen liegen. Aber er wird nach diesen Prognosen bei dem Konzept, das wir jetzt in den Grundzügen erstellt haben, nach wenigen Jahren auf über 500 Millionen gehen, und er kann nach einer Aufzeichnung, die ich gerade vor einigen Tagen gelesen habe, in der Ausfallwirkung für den Haushalt - also positiv gesprochen: in der begünstigenden Wirkung für die Arbeitnehmer - sehr wohl auch in eine Größenordnung von 800 Millionen bis 1 Milliarde hineingehen. Es ist ein dynamischer Prozeß, den wir hier einleiten. In den Grundzügen haben auch viele Sozialdemokraten seit den Zeiten Georg Lebers in den 60er Jahren eine solche Politik aktiv gefördert und begrüßt und gewollt. Aber sie waren nicht in der Lage, sich in der alten politischen Konstellation auf eine Lösung zu einigen. Ich werte es als einen großen Fortschritt, daß wir dies in der neuen Koalition geschafft haben. ({9})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert ({0}). ({1})

Dr. Hubert Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001122, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte nach dem Beitrag des Bundesfinanzministers doch die Gelegeneit nicht versäumen, auf Ihre Vorstellungen zum Bundeshaushalt 1984 kurz einzugehen. Sie haben es j a eben noch einmal gesagt, Sie wollen die konsumtiven Staatsausgaben um mindestens 6,5 Milliarden senken. Sie wollen die Nettokreditaufnahme auf 39 Milliarden begrenzen. Wir haben eben interessanterweise gerade gehört, daß Sie jetzt sogar glauben, bis auf 38 Milliarden Nettokreditaufnahme heruntergehen zu können. Herr Bundesfinanzminister, wir werden sehen, was von diesen Ankündigungen dann noch übrigbleiben wird. Aber das möchte ich gern dem September vorbehalten sein lassen. Ich will mich hier darauf konzentrieren, in aller Kürze ganz deutlich herauszustellen, was wir von den bisher vorliegenden Beschlüssen der Bundesregierung zum Bundeshaushalt 1984 halten. Wir sagen dazu, daß die Beschlüsse der Bundesregierung zum Bundeshaushalt 1984 weder sozial vertretbar sind noch daß es sich dabei um eine Politik handelt, die in irgendeiner Weise zum Abbau der Arbeitslosigkeit wird beitragen können. Auf die unsozialen Auswirkungen der Kürzungen ist gestern bereits des öfteren hingewiesen worden. Ich kann mir das hier also weitgehend ersparen. Es ist weithin bekannt, daß diese Kürzungen in erster Linie Rentner betreffen, daß sie Kurzarbeiter betreffen, daß sie Umschüler betreffen, daß sie die Sozialhilfeempfänger betreffen und daß sie nicht zuletzt auch Kranke und Behinderte betreffen und daß sie damit in erster Linie diejenigen betreffen, die als sozial schwächer Gestellte in diesem Land sich am wenigsten zur Wehr setzen können. ({0}) Es ist auch schon darauf hingewiesen worden, daß der von Ihnen so vollmundig angekündigte Abbau von Subventionen nicht stattfindet. Was statt dessen stattfindet, das ist die soziale Umverteilung zugunsten derjenigen, die man ohnehin zu den besitzenden Schichten rechnen muß. Der Vorschlag der Regierung, die steuerlichen Mehreinnahmen, die sich durch die Anhebung der Mehrwertsteuer ergeben - es geht immerhin um 4 Milliarden DM -, fast ausschließlich zur steuerlichen Entlastung der Unternehmen zu verwenden, dieses Vorhaben liefert ein Musterbeispiel für diese Form der Umverteilung. Denn der Löwenanteil der zusätzlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung stammt doch von Arbeitern und Angstellten. Woher stammt er denn sonst? Diese Mittel werden jetzt zugunsten der steuerlichen Entlastung der Unternehmen eingesetzt. Was ist das denn anderes als ein direkter Umverteilungseffekt? ({1}) Nun sagen Sie, daß mit diesen Maßnahmen ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung, wie Sie das nennen, und Kleinert ({2}) zu mehr Beschäftigung geleistet werden könne. Ich sage Ihnen dazu, daß das Gegenteil der Fall sein wird. Ich will Ihnen auch sagen, weshalb. Erstens. Die vorgesehenen Kürzungen bei den konsumtiven Ausgaben werden beschäftigungspolitische Negativeffekte in Form eines Rückgangs zahlungsfähiger Nachfrage haben. Das können auch Sie nicht bestreiten. Diese Negativeffekte - das ist der Punkt - werden die positiven Effekte, die Sie sich von den steuerlichen Entlastungen für die Unternehmen versprechen, die Sie j a nicht einmal in irgendeiner Weise beweisen können - das sind j a nur Vermutungen und Spekulationen, was Sie hier angeben -, überwiegen. Der zweite Punkt. Soweit die vorgesehenen steuerlichen Entlastungen für die Unternehmen tatsächlich die Investitionsneigung der Privatwirtschaft überhaupt fördern sollten, wird dies vor allem zu Rationalisierungsinvestitionen führen, die eher weitere Arbeitsplätze vernichten, als daß sie neue Arbeitsplätze schaffen würden. Das ist die wesentliche Konsequenz Ihrer steuerlichen Entlastungsmaßnahmen, die Sie nicht einmal an ökologische oder soziale Kriterien gebunden haben, Kriterien, die eine Differenzierung nach wirklich arbeitsplatzschaffenden oder etwa ökologisch wünschbaren Investitionen möglich machen würden. Schließlich unterstellt das ganze Konzept, die Staatsverschuldung sei eine der wesentlichen Krisenursachen. Sie behaupten, wenn es gelänge, die Staatsverschuldung zu bremsen, wäre ein wesentlicher Schritt in Richtung Abbau der Arbeitslosigkeit gemacht. Dazu kann ich nur sagen, daß hier eine Verwechslung von Ursache und Wirkung vorliegt. Denn nicht die Nettokreditaufnahme des Bundes ist für die wirtschaftliche Krise mitverantwortlich, die Massenarbeitslosigkeit und jetzt auch entsprechende fiskalische Probleme produziert. Verantwortlich ist doch das wirtschaftliche System, ein wirtschaftliches System, in dem allein ungehemmtes Wachstum im Dienst von privatwirtschaftlichem Gewinn den störungsfreien Ablauf garantiert. Das ist doch der Punkt, daß dieses System jetzt in einer tiefen strukturellen Krise steckt. ({3}) Wenn Sie tatsächlich meinen, Arbeitslosigkeit lasse sich durch fiskalpolitische Maßnahmen bekämpfen, dann wird es Ihnen ergehen wie dem Hasen in dem Wettlauf mit dem Igel. ({4}) Denn Sie kürzen die Sozialausgaben und wollen damit angeblich zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen. Während Sie das noch tun, sind die Arbeitslosenzahlen aber bereits wieder gestiegen - und damit wieder die Sozialausgaben. Das Ganze wirft die haushaltspolitischen Eckdaten doch wieder über den Haufen. Genau das erleben wir jetzt bereits. Sie rechnen doch jetzt selber schon wieder mit einem Jahresdurchschnitt von 2,5 Millionen Arbeitslosen für 1984 und keineswegs mehr, wie am Anfang der Haushaltsberatung, mit 2,35 Millionen. Ich sage Ihnen schon jetzt voraus, daß die neuen Zahlen, die da vorliegen und die mindestens zur Kenntnis zu nehmen Sie offenbar bereit sind, Ihre Ansätze über den Haufen werfen werden. ({5}) Sie kommen angesichts der absehbaren wirtschaftlichen Entwicklung mit Ihrem haushaltspolitischen Kurs doch nur dazu, daß Sie dann, wenn Sie die Ausgabenprioritäten nicht grundsätzlich anders ansetzen wollen, ständig weitere Kürzungen im Sozialbereich vornehmen werden, wenn Sie die Nettokreditaufnahme tatsächlich senken wollen. Ein letzter Punkt dazu. Wie Sie angesichts der vorliegenden Wirtschaftsprognosen Ihr Ziel, im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung bis 1987 die Nettokreditaufnahme auf 25 Milliarden DM zu senken, erreichen wollen, ist mir mehr als schleierhaft. Erreichen können werden Sie das nur dann, wenn das soziale Sicherungssystem als Ganzes in seiner Substanz zerstört wird. Wir befürchten, daß Ihre Politik genau in diese Richtung geht. ({6}) Um zum Schluß zu kommen. Ihr haushaltspolitisches Konzept für 1984 ist, soweit es vorliegt, in seiner ganzen unsozialen Ausrichtung und bei den absehbaren beschäftigungspolitischen Negativeffekten, die damit verbunden sein werden, für uns Ausdruck einer Mischung aus sozialem Zynismus und wirtschaftspolitischem Attentismus. ({7}) - Sie verstehen das Wort Attentismus nicht? Soll ich Ihnen eine Nachhilfestunde geben? ({8}) Ihre Streichungsvorschläge, die ganz überwiegend im Sozialbereich ansetzen und die Subventionen weitgehend aussparen, machen deutlich, daß es Ihnen gegenwärtig offenbar nur noch darum geht, die finanziellen Folgen der Massenarbeitslosigkeit auf Kosten der Betroffenen möglichst gering zu halten. Mit diesem Konzept werden Sie Ihren Beitrag zu einem beschäftigungspolitischen Fiasko leisten, das für die nächsten Jahre zu befürchten ist. Sie werden gleichzeitig Ihren Beitrag dazu leisten, daß die soziale Umverteilung in diesem Land vorangeht und dadurch ganze Bevölkerungsschichten an den Rand dieser Gesellschaft gedrängt werden. Das - und nicht ein Beitrag zu dem so gern beschworenen Aufschwung - wird die Folge der Haushaltspolitik der Bundesregierung für 1984 sein. ({9})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Kollege Grünbeck.

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicher erstaunlich - aber um so erfreulicher -, daß im Zuge der Aussprache über den Weltwirtschaftsgipfel in Williamsburg die Mittelstandspolitik eine immer größere Bedeutung erlangt, und zwar nicht nur im nationalen, sondern auch im internationalen Rahmen. Ich bin sehr dankbar dafür, daß im Verlauf dieser Debatte die Mittelstandspolitik konjunktur- und auch haushaltspolitisch in dem richtigen Rahmen gesehen wurde. Ich glaube, es ist richtig, wenn wir eine ganz kurze Vorbemerkung zu konkreten Vorschlägen der FDP-Fraktion machen. Nach dem Krieg ist es dank der in diesem Hause vertretenen demokratischen Parteien CDU/CSU, SPD und FDP gelungen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichten, daß sich bei uns in der Bundesrepublik Deutschland ein gewerblicher Mittelstand entfalten konnte, der in Europa und in der ganzen Welt meines Erachtens in dieser Struktur seinesgleichen sucht. Ich bin auch erfreut, feststellen zu können, daß man im Osten mit Liberalisierungen der Wirtschaftssysteme beginnt; denn dort hat man festgestellt, daß die Planwirtschaft in diesem Sinne nicht funktionieren kann. Der von mir hoch geschätzte Kollege Rapp hat hier gestern angedeutet, daß die mittelstandspolitischen Entwicklungen auf Marxisten bzw. auf Sozialisten zurückzuführen seien. Ich glaube, mein Vorredner hat nahezu lückenlos bewiesen, daß das nicht so ist. Vielmehr haben freie Bürger als Arbeitgeber oder auch als Arbeitnehmer erkannt, daß Freiheit die Chance zur Selbstentfaltung und Leistung die Chance zur Selbstbestätigung bedeutet. Diese Chance ist genutzt worden. Deshalb haben wir heute einen Mittelstand, der gesellschaftspolitisch ernst genommen werden muß und in der Struktur- und der Regionalpolitik eine ganz entscheidende Position bezogen hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter Grünbeck, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Roth zu?

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber gerne.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, da Herr Rapp das leider nicht richtigstellen kann, möchte ich es durch eine Frage tun. Haben Sie wirklich nicht verstanden, daß Herr Kollege Rapp gesagt hat, die Prognose von Karl Marx, nach der ein unendlicher Konzentrationsprozeß die Wirtschaft letztlich zerstören werde, sei nicht aufgegangen, es sei vielmehr erfreulich, daß sich diese Prognose von Karl Marx als unzutreffend erwiesen habe?

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, ich bin Ihnen dankbar für die Korrektur. Aber das ändert nichts an meiner Behauptung, daß die heutige mittelständische Struktur in der Bundesrepublik Deutschland auf die Bürger zurückzuführen ist, die in Freiheit und mit Leistungsbereitschaft eben diesen Mittelstand aufgebaut haben. Da können Sie nicht in der Vergangenheit wühlen. ({0}) Ich komme darauf noch zurück. Ich sehe in der Mittelstandspolitik, meine Damen und Herren, auch einen entscheidenden Eckpfeiler im Hinblick auf die berufliche Bildung. Es wäre wünschenswert, wenn sich öffentliche Hand und Großunternehmungen an der Zahl der Auszubildenden orientierten, die die mittelständische Wirtschaft seit vielen Jahren mustergültig vorgibt. Ich will darauf nachher noch einmal zu sprechen kommen. Ich warne allerdings davor - das hat mir heute die Stahldebatte gezeigt -, eine strenge Abgrenzung in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung zwischen Mittelstand und Großindustrie vorzunehmen. Meine Damen und Herren, die Mittelstandspolitik ist mit vielen großindustriellen Ansiedlungen verzahnt. Wir haben Beweise dafür, daß gerade in der Zulieferindustrie die mittelständische Wirtschaft eine entscheidende Position für die Großindustrie einnimmt und natürlich in der regionalen Strukturpolitik eine ganz wichtige Rolle spielt. Allerdings müssen wir auch sehen, welche Folgen damit manchmal verbunden sind. Ich meine damit auch die Insolvenzen, die oft gar nicht durch die mittelständischen Betriebe selbst verschuldet sind, sondern durch die strukturellen Veränderungen von Großunternehmungen in den einzelnen Regionen verursacht werden. Unsere Fraktion begrüßt es deshalb, daß der Bundesjustizminister an die Änderung des Insolvenzrechts herangeht; denn wenn ein mittelständisches Unternehmen schon keine Schuld trägt, ist es sicher falsch, wenn der Fiskus bei Insolvenzen mit 100 % zugreift und die mittelständischen Betriebe bei der Vergleichsquote hängen läßt. Dies ist sicher auch aus arbeitsmarktpolitischen Gründen nicht zu vertreten. Wir freuen uns, daß der Bundesjustizminister da zügig herangeht, und wir hoffen, daß er auch bald zu verabschiedungsreifen Vorlagen kommt. Wir Freien Demokraten waren und sind immer gegen eine Monopolwirtschaft. Meine Damen und Herren, was sich im Moment im mittelständischen Bereich an Verdrängungswettbewerb vollzieht, erfordert unsere ganze Aufmerksamkeit, und zwar nicht nur bezüglich der Versorgungspolitik, sondern auch im Hinblick auf den Mißbrauch durch Monopolwirtschaften. Ich beziehe das nicht nur auf den Einzelhandel oder andere sektorale Entwicklungen, sondern auch auf die öffentlichen Versorgungsunternehmungen, die manchmal in einer schikanenhaften Art und Weise Handwerksbetriebe in ihrer Substanz gefährden, wie erst kürzlich ein drastischer Fall im norddeutschen Raum bewiesen hat. Der Mittelstand steht vor einem bedeutenden Strukturwandel, meine Damen und Herren. ({1}) Er braucht dazu einen Bewegungsspielraum. Dies bedeutet - das sage ich auch manchen mittelständischen Vertretern -, ({2}) daß wir nicht ständig nach mehr Staat rufen; denn wir alle haben erkannt, daß mehr Staat weniger Freiheit für die Entwicklung der mittelständischen Betriebe läßt. Wir brauchen eine vernünftige Begleitung des notwendigen Strukturwandels. Ich darf dazu im Namen der FDP-Fraktion einige konkrete Vorschläge unterbreiten. Erstens. Wir brauchen dringend eine Verstärkung der Forschungsmittel für die kleinen und mittleren Betriebe und die freien Berufe. ({3}) Ich habe gestern von Herrn Kollegen Rapp gehört, daß die SPD dafür eintritt. Ich begrüße das außerordentlich. Aber Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen, wer denn eigentlich in den letzten Jahren den Forschungsminister gestellt hat. Dies war ein Versäumnis, das Sie hoffentlich mit uns gemeinsam nachholen. ({4}) - Der neue Forschungsminister ist schon auf dem richtigen Weg. ({5}) Sie sollten das sehr aufmerksam verfolgen. Mir wäre es lieber, Sie würden sich erst informieren, bevor Sie kritisieren. Das ist der bessere Weg. ({6}) - Entschuldigen Sie, Forschung und Entwicklung ressortieren in einem eigenen Ministerium. Davon rede ich jetzt. Ich wünsche mir, daß wir bei der knapper werdenden Finanzdecke eine genaue Auswahl von Prioritäten treffen. Ich denke beispielsweise an einen einzigen konkreten Fall, nämlich daß man immer wieder die sicher berechtigte Forderung aufstellt, die Grenze für die geringwertigen Wirtschaftsgüter von 800 DM auf 1 200 DM zu erhöhen. Darin mag sicherlich eine Begründung liegen. Aber wenn ich dem Finanzminister zuhöre, der sagt, das mache eine Summe von 1,5 Milliarden DM aus ({7}) - oder zwei Milliarden -, dann würde ich mir wünschen, daß wir die Summe Forschungsmittel für die mittelständische Wirtschaft, die bei 350 Millionen DM liegt, verstärken, weil sie arbeitsmarktpolitisch größere Effekte haben als andere Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip, die uns letztendlich im Strukturwandel der mittelständischen Wirtschaft keine entscheidende Verbesserung bringen werden. Ich glaube, daß die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft auch durch eine verstärkte Förderung von Forschung und Entwicklung angenehm und positiv beeinflußt werden muß. Meine Damen und Herren, die Vergangenheit hat eindeutig bewiesen: Die mittelständischen Betriebe und die freien Berufe sind in der Lage, mit weniger Finanzmitteln schneller und effizienter zu arbeiten und in der praktischen Umsetzung von Forschungsergebnissen in Produkte und Verfahren die Mittel besser einzusetzen als andere. ({8}) Zweitens. Meine Damen und Herren, ein schwerwiegendes Problem der mittelständischen Wirtschaft ist die unzureichende Nachfolgebereitschaft junger Unternehmer. Hier ist die Rechts- und Steuerunsicherheit groß. Sie sollten einmal darüber nachdenken. Ich weiß nicht, ob die Zahl stimmt, aber ich habe kürzlich erschrocken gelesen, daß wir etwa 100 000 bis 150 000 Unternehmungen haben, bei denen die Söhne nicht mehr bereit sind, die Nachfolge der Väter anzutreten. Ich rufe all jenen zu, die ständig an der Verunglimpfung des Unternehmerbildes beteiligt sind: Denken Sie einmal darüber nach, daß die Flucht aus dem Risiko und die Flucht aus der Verantwortung natürlich auch durch Ihre ständigen Angriffe begünstigt und nicht abgebaut wird. ({9}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum dritten Punkt kommen, zur beruflichen Bildung. Wir haben in einigen Kammerbezirken eine erfreuliche Lage, die all Ihrer Schwarzmalerei widerspricht. In einigen Kammerbezirken gibt es nämlich bereits keine Auszubildenden mehr, die noch bereit wären, vorhandene freie Lehrstellen zu besetzen. ({10}) - Sie können z. B. zu mir nach Augsburg kommen. Da ist das so. Ich sage Ihnen nur eines: Das trifft nur auf die männlichen Berufe zu. Ich sage das ausdrücklich, weil wir große Sorgen haben, gerade bei den Ausbildungsberufen der Mädchen einige Hemmnisse zu beseitigen, damit wir weitere Berufszweige für Mädchen öffnen; denn ich kann mir auf die Dauer gesehen vorstellen, daß es für die jungen Mädchen nicht gerade erheiternd ist, wenn sie sich zu 60 oder 70 % an der Ausbildung in drei Berufen beteiligen, nämlich Friseuse, Verkäuferin und Bürokraft. ({11}) Hier müssen weitere Berufe geöffnet werden. Hier bitte ich Sie doch um Ihre Mitarbeit, d. h. um Zusammenarbeit, damit die alten Hemmnisse beseitigt werden können und wir Mädchen weitere Berufe öffnen können. ({12}) Wir haben natürlich auch darüber nachzudenken, daß es noch eine große Zahl von Ausländer-Jugendlichen gibt, die in die berufliche Bildung integriert werden, wobei wir die Schwierigkeit, die durch mangelhafte sprachliche Ausbildung besteht, beseitigen sollten. Ich glaube, daß es insgesamt richtig ist, wenn wir alle Vorschriften beseitigen, die auch nur einen einzigen Ausbildungsplatz behindern können. Ich bin der Meinung, wir sollten mit Illusionen über die berufliche Bildung wirklich aufhören und sehen, daß die berufliche Ausbildung die Vorbereitung für den Berufsweg ist. Der Berufsweg ist nun einmal kein Spaziergang, schon gar kein Sonntagsspaziergang. Er ist vielmehr die Auseinandersetzung um die Existenz der jungen Menschen. Für sie setzen wir uns ein. ({13}) Viertens. Meine Damen und Herren, wir sind sehr dafür, die öffentlichen Haushalte, insbesondere die kommunalen Haushalte und die Länderhaushalte, dadurch zu entlasten, daß wir eine Reprivatisierung von öffentlichen Aufgaben anstreben. ({14}) Wir haben hier eine Chance für die freien Berufe und für die kleinen und mittleren Betriebe, die es zu nutzen gilt. ({15}) Fünftens. Wir sind insbesondere der Meinung, daß die mittelständische Wirtschaft positiv begleitet werden sollte, was die Exportanstrengungen betrifft. Meine Damen und Herren, wir haben ein für uns sehr, sehr ungünstiges internationales Patentrecht. Wir begünstigen einerseits die ausländischen Anmeldungen bei uns sehr, müssen aber andererseits in die ausländischen Anmeldungen sehr viel Finanzmittel investieren. Ich bin deshalb dafür, daß dieses technische Know-how besser genutzt wird, indem wir die mittelständischen Betriebe, die nun wirklich überfordert sind, das selbst zu tun, in ihren Exportanstrengungen, so z. B. hinsichtlich der Auswertung von Messeerfahrungen, hinsichtlich Kooperationen, Lizenzen und ähnlicher Dinge, unterstützen. Ich bin auch für eine uneingeschränkte Fortsetzung des Ost-West-Handels, einschließlich des innerdeutschen Handels, weil Tausende mittelständischer Betriebe entlang der Grenze zum DDR-Staat an diesem Handel einen erheblichen Anteil haben. Sechstens. Hier wird viel von Abbau der Bürokratie geredet. Meine Damen und Herren, ich habe mich einmal einige Wochen sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt und muß auch an die Verbände die Bitte richten, daß sie - ich denke an das Anhörungsverfahren zum Abbau von Statistiken - auch wirklich die Statistiken abbauen, die völlig überflüssig sind und die gerade die kleinen Betriebe überproportional belasten, wie Herr Kollege Wissmann gestern mit Zahlen sehr eindeutig belegt hat. Wir brauchen aber auch eine Entflechtung der Wirtschaftsverbände in bezug auf die DIN-Vorschriften. Meine Damen und Herren, wenn ich lese, daß 1981 1 500 neue DIN-Vorschriften entstanden sind, die zum Teil gegeneinanderstehen und mehr Verwirrung als Ordnung stiften, dann sollten wir auch mit der Wirtschaft ein ernstes Wort reden, damit diese der Selbstverwaltung der Wirtschaft unterliegenden Vorschriften abgebaut werden. ({16}) - Auch Sie; natürlich, Sie wissen das doch. ({17}) Siebtens. Wir begrüßen insbesondere die Politik der Bundesregierung in bezug auf die Stabilität. Der Mittelstand braucht mehr denn je eine stabile Zinspolitik. Meine Damen und Herren, ich darf vielleicht noch einmal daran erinnern, daß 1 % Zinsanstieg für die Wirtschaft eine Ausgabenmehrung von acht Milliarden DM bedeutet. Da liegt der Schlüssel zu einer stabilen Mittelstandspolitik.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Kollege, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich noch einen Schlußsatz sagen, Herr Präsident?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Selbstverständlich.

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Dann möchte ich zum Schluß noch den Gesetzentwurf zur Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivvermögen begrüßen. Meine Damen und Herren, das ist nicht nur ein fiskalischer Akt, sondern das ist auch eine gesellschaftspolitische Initiative, die wir zu begrüßen haben, um die Fronten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern abzubauen und den sozialen Frieden in unserem Land besser zu sichern als durch große Sprüche. - Vielen Dank. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwörer.

Dr. Hermann Schwörer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat dem Thema Europa in seiner gestrigen Regierungserklärung einen breiten Raum gewidmet. Dies begrüße ich, vor allem auch die Art, wie dies geschehen ist. Er spricht über Europa in einem anderen Ton als sein Vorgänger. ({0}) Wir wissen, daß Helmut Schmidt in den Wirtschaftsdebatten meist versucht hat, Europa für seine wirtschaftlichen Mißerfolge verantwortlich zu machen. Diese falschen Schuldzuweisungen haben gewiß nicht zur Verbesserung der europäischen Verhältnisse beigetragen. Gestern hat uns Herr Dr. Vogel vorwurfsvoll gesagt, die Gemeinschaft stehe vor dem Kollaps. Er beklagt, daß sie keine Mittel für europäische Sozial- und Strukturprogramme habe. Verehrter Herr Dr. Vogel, das ist doch sicherlich nicht in den letzten sechs Monaten entstanden. Das ist auch ein Stück Erblast, das wir übernehmen mußten, auch in Europa, meine Herren. ({1}) Ein Kenner der europäischen Szene hat vor einigen Monaten, am Anfang dieses Jahres, geschrieben: Leider ist der Europäischen Gemeinschaft jede Dynamik verlorengegangen. Die EG befindet sich in keinem guten - um nicht zu sagen: in einem desolaten - Zustand. Wer behauptet, die Integration träte auf der Stelle, macht sich einer positiven Übertreibung schuldig. Diese Beurteilung eines Fachmanns entsprach damals leider den Tatsachen. Deshalb sage ich nochmals: Wir haben diesen Zustand übernehmen müssen - wie die Schulden, die Arbeitslosen und die Wachstumsschwäche. ({2}) Die Bundesregierung versucht nun - auch hier - einen neuen Anfang. Sie will zunächst einmal eine bessere Zusammenarbeit. Deshalb sagt sie im Jahreswirtschaftsbericht mit Recht: Kein Land ist in der Lage, allein aus der weltweiten Wachstumsschwäche herauszuführen. ({3}) - Das steht im Jahreswirtschaftsbericht. Die Bundesrepublik bemüht sich deshalb intensiv um eine Verstärkung der internationalen Kooperation in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. In diesem Sinne wird sie 1983 während ihrer Präsidentschaft in der EG wirken. Dieses Versprechen hat sie wahrgemacht. ({4}) - Sie hat im letzten halben Jahr eine Fülle von europäischen Aktivitäten entfaltet, um eine bessere Zusammenarbeit der Europäer zu erreichen, meine Damen und Herren von der Opposition. ({5}) Dabei hat Bundeskanzler Dr. Kohl - wiederum im Gegensatz zu seinem Vorgänger - diese Zusammenkünfte nicht genutzt, um die anderen zu belehren und um sie vorzuführen, sondern er hat einen breiten Konsensus auch mit den kleinen Staaten der EG angestrebt. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, noch wichtiger ist dies: Bundeskanzler Dr. Kohl ist darangegangen, wieder durch ein gutes Beispiel im eigenen Lande zu überzeugen, weil es in Europa mit Kommandos nicht geht. Mit gutem Beispiel geht es viel besser, als es früher leider der Fall war. Deshalb begrüßen wir das Wort, daß die Bundesrepublik zuerst selbst ihre Hausaufgaben machen muß. Wir sind immer der Meinung gewesen, daß Europa nur dann gesund sein kann, wenn die Mitgliedstaaten eine solide Finanz- und eine vernünftige Wirtschafts- und Sozialpolitik betrieben haben. Nur dann wird Europa im ganzen weiterkommen, wenn jedes Mitgliedsland zuerst selbst sein Möglichstes tut. ({6}) Das Möglichste tun heißt: Jedes Mitgliedsland verringert seine Inflationsrate, verringert seine Staatsdefizite. Jedes Mitgliedsland fördert die Investitionen in Anlagen und Produkte und fördert den Wettbewerb. Jedes Mitgliedsland löst seine Strukturprobleme mit marktwirtschaftlichen Mitteln, möglichst ohne Subventionen und ohne Protektionismus. ({7}) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das heißt: Jeder macht seine Hausaufgaben zuerst selbst: eine Politik der Stabilität, der Solidität und damit der Vollbeschäftigung. ({8}) - Warten Sie, das kommt alles noch. - Nur dann kann die EG ihre Aufgaben erfüllen, ihre Möglichkeiten einbringen, die guten Ansätze in den Nationalstaaten verstärken, wenn zuerst diese Hausaufgaben gemacht werden. Wir sehen in der Zusammenfassung von 270 Millionen Menschen Aufgaben und Möglichkeiten der Gemeinschaft für die Zukunft. Worin bestehen sie? Erstens muß die EG endlich den großen Markt schaffen und diesen Markt im Innern und auch nach außen offenhalten. ({9}) Dann funktioniert der Wettbewerb, und dann entstehen die großen Serien, die eine günstige Produktion ermöglichen. Dann entsteht die Konkurrenzfähigkeit den großen Konkurrenten Japan und USA gegenüber. ({10}) Zweitens. Die EG muß endlich binnenmarktähnliche Verhältnisse durch Harmonisierung der Gesetze, der Vorschriften, der technischen Normen schaffen. Dann gibt es weniger bürokratische Hemmnisse an den Grenzen und innerhalb der Gemeinschaft. 30 Milliarden DM kosten die Grenzformalitäten innerhalb der EG in einem Jahr. ({11}) Drittens. Der EG-Vertrag ist marktwirtschaftlich konzipiert. Das bedeutet, daß die gemeinsame Wirtschaftspolitik auf die aktiven Marktkräfte setzen muß. Sie sind besonders durch die kleinen und mittleren Betriebe repräsentiert. Hier liegen die nötige Marktnähe, die nötige Kreativität und der persönliche Einsatz. Es geht nicht um die 35-Stunden-Woche, sondern um den persönlichen Einsatz. ({12}) Hier liegt auch der Schlüssel zu einem guten, zu einem sehr guten Zusammenwirken von Arbeitnehmern und Unternehmern. ({13}) Die kleinen und mittleren Betriebe führen Entlassungen bekanntlich als letzte durch. ({14}) Viertens. Die EG muß dringend alle ihre schöpferischen Kräfte mobilisieren, um im Wettbewerb der Ideen und Produkte bestehen zu können. Moderne Entwicklungen und Erfindungen, neue Produktionsverfahren sind früher hauptsächlich von Europa ausgegangen. Warum soll das nicht wieder so werden? Ich glaube, daß hier auch ein gemeinsames Vorgehen in Europa zusätzliche Möglichkeiten schaffen kann. Denken Sie vor allem an die Großtechnologie. Fünftens. Europa muß währungspolitisch Ordnung halten. Dem soll das Europäische Währungssystem dienen - deshalb haben wir es eingerichtet -, aber das funktioniert nur bei einer gleichgerichteten Wirtschaftspolitik in den Mitgliedstaaten, und zwar mit den Zielen, die auch wir in unserem Stabilitätsgesetz haben: Vollbeschäftigung, Stabilität, Wachstum und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht. Wenn diese Zusammenarbeit funktioniert, dann wird es eines Tages einen europäischen Kapitalmarkt und, wie wir hoffen, auch eine europäische Währung geben. Auch das würde ein Pluspunkt für alle Europäer sein. Sechstens. Die EG muß den schwachen Regionen innerhalb und den Entwicklungsländern außerhalb helfen. Dann nähern wir uns dem Ziel des EG-Vertrages, den gleichartigen Lebensbedingungen und der Mobilisierung der Wachstumsreserven innerhalb der Gemeinschaft, und wir schaffen auch Kaufkraft und Märkte in der Dritten Welt. Meine Damen und Herren, die Koalition der Mitte hat in Europa gearbeitet und hat in der kurzen Zeit ihres Bestehens einiges erreicht. Sie hat erstens nach langen Kämpfen - das wissen Sie - die gemeinsame Fischereipolitik zustande gebracht. Sie hat zweitens einen sogenannten Binnenmarkt eingerichtet, der vielleicht nicht spektakulär, aber ganz erfolgreich gearbeitet hat. Die Ergebnisse liegen vor, und man kann dem Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff ein besonderes Wort des Dankes für das sagen, was hier im stillen geschehen ist. ({15}) Ich nenne kurz die Ergebnisse: Erstens eine Richtlinie für ein Informationssystem über Normen und technische Vorschriften - damit sollen mögliche Handelshemmnisse bereits im Entstehen vermieden werden -, zweitens eine Richtlinie zur Befreiung von Steuern bei vorübergehender Einfuhr, drittens wurde die Freimenge für Treibstoff bei den schweren Lastwagen von 50 auf 200 Liter erhöht, eine Forderung, die Sie bei der letzten Debatte mit unterstützt haben. Damit können zeitraubende Kontrollen an den Grenzen wegfallen, und ich glaube, wir sollten dankbar dafür sein, daß man hier einen Durchbruch geschafft hat. Auch bei anderen Themen sind Fortschritte zustande gekommen, ohne zum Abschluß zu kommen: Harmonisierung der Mehrwertsteuer, einheitliches Grenzdokument, gegenseitige Anerkennung von Dokumenten. ({16}) - Vielleicht können Sie nachher selbst noch Ihre Meinung dazu sagen. Ich gebe zu, meine Herren von der Opposition, daß dies noch keine großen Schritte sind, aber es ist ein guter Anfang. Mit diesen Erfolgen sind einige Punkte unserer gemeinsamen Entschließung auf Drucksache 9/1586, der Sie in der letzten Legislaturperiode zugestimmt haben, erfüllt. Die anderen Detailpunkte aus diesem europäischen Bereich werden uns noch weiter beschäftigen, bis wir sie verwirklicht haben: das gemeinsame Grenzdokument, die Verlagerung von Steuern und Abgaben und Statistiken auf die Heimatfinanzämter, das einheitliche Zollrecht, die Harmonisierung der bestehenden Normen, die Verhinderung von Einfuhrabgaben, Schutzklauseln, Ursprungskennzeichnungen, von administrativen Hindernissen aller Art. Diese Dinge werden wir noch weiter betreiben, und ich hoffe, daß Sie uns dabei helfen. Der Kollege Lahnstein hat gestern erklärt, daß der Bundeskanzler nicht viel Konkretes zum Stuttgarter Gipfel gesagt habe. Das entspricht nicht den Tatsachen. Lesen Sie doch die Regierungserklärung von gestern nach! ({17}) - Es steht sehr viel darin, lieber Herr Kollege. Es sind sehr konkrete Ankündigungen für den Stuttgarter Gipfel gemacht worden. ({18}) - Ich weiß nicht, warum Sie sich so darüber aufregen. ({19}) - Ich sage es doch. Lassen Sie mich doch reden! Erstens, die wirtschaftliche Konvergenz zu verstärken mit dem Ziel des Abbaus der Arbeitslosigkeit. ({20}) - Ich hoffe, Sie verstehen das. Sie sind schon so lange dabei, daß Sie das verstehen müßten. ({21}) - Herr Kollege Wolfram, ich habe kaum mehr Zeit; ich habe nur noch zwei Minuten. - Zweitens, jeder Form des Protektionismus entgegenzutreten, ({22}) drittens, den Wettbewerb zu stärken, innerhalb und auch außerhalb der EG, viertens, die technische Entwicklung und Forschung in Europa zu koordinieren. ({23}) - Da kann man schon etwas mithelfen von seiten des Staates. - Fünftens - das sollten Sie besonders bejahen -, die Arbeitslosigkeit der jungen Menschen verstärkt zu bekämpfen und dafür konzentriert die Mittel des europäischen Sozialfonds einzusetzen. ({24}) Warum klatschen Sie dazu nicht Beifall? ({25}) - Nein, das sind keine Sprüche. Vier Milliarden D-Mark werden zusätzlich eingesetzt. Wir stimmen diesen Punkten voll zu. Meine Damen und Herren, wir begrüßen auch die Aussagen des Bundeskanzlers zur europäischen Finanz- und Haushaltspolitik, daß eine strengere Haushaltsdisziplin und die Umstrukturierung des europäischen Haushalts vor höheren Ablieferungen an die Gemeinschaftskasse stehen sollen. Dazu stehen wir. Letzter Punkt. Wir begrüßen vor allem - und das sollten auch Sie mit tun - die Bemühungen um den Umweltschutz, um gemeinsame Aktionen für Gewässer- und Luftreinhaltung - das ist doch das große Thema -, vor allem wegen des Waldsterbens. Hier hat Helmut Kohl wirklich etwas Großartiges geleistet, als er dieses Thema so in den Vordergrund gebracht hat. ({26}) Meine Damen und Herren, diese neue Art, die europäischen Themen anzupacken, die ausdrückliche, aus dem Herzen kommende Bejahung Europas, wie sie der Bundeskanzler bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck bringt, diese Haltung gibt Hoffnung. Sie schafft Hoffnung für das Wiedererstarken eines europäischen Geistes, einer europäischen Solidarität. Sie ist bitter nötig, vor allem auch auf dem wirtschaftlichen Gebiet. Das wissen Sie alle. ({27}) Die Bundesrepublik hat durch Konrad Adenauer, Walter Hallstein und auch Carlo Schmid entscheidend zur Schaffung der Europäischen Gemeinschaft beigetragen. ({28}) Wir wollen sie gemeinsam erhalten und ausbauen. Wir stimmen dem Bundeskanzler zu, wenn er in seiner Regierungserklärung sagt, die Einheit Deutschlands kann nur im Rahmen einer gesamteuropäischen Friedensordnung wiederhergestellt werden. Deshalb brauchen wir Deutschen die EG mehr als die anderen. Auch aus diesem Grunde, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wünschen wir dem Stuttgarter Gipfel, ({29}) daß er Europa ein gutes Stück weiter voranbringen wird. Wir alle - ich hoffe, auch Sie von der Opposition - wünschen Bundeskanzler Kohl in Stuttgart einen vollen Erfolg. - Danke schön. ({30})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Kollege Dr. Mitzscherling.

Dr. Peter Mitzscherling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat meine Fraktion kritisiert, daß sie in ihren Äußerungen eher den pessimistischen Aussagen folge, die die Haltung der deutschen Gesellschaft und der deutschen Wirtschaft keinesfalls positiv beeinflußten. Nun, meine Damen und Herren, Unverbindlichkeiten in den Äußerungen und Erklärungen, die eigentlich nur eines gemeinsam haben, das „Prinzip Hoffnung" - ob sich das nun im Jahreswirtschaftsbericht oder in der Erklärung von Williamsburg oder in den Erklärungen, die gestern und heute hier abgegeben worden sind, wiederfindet -, geben nicht unbedingt zu Optimismus Anlaß. ({0}) Alles hofft auf Wirtschaftswachstum, alles hofft auf Investitionen und dadurch bedingten Abbau der Arbeitslosigkeit, alles hofft auf dann folgende Steuermehreinnahmen; aber keiner weiß zur Zeit, wo das alles herkommen soll. ({1}) - Wissen Sie, Herr Kittelmann, Ihre wirtschaftspolitischen Überlegungen - das wurde gestern in den Ausführungen von Herrn Wissmann deutlich - scheinen einer bestimmten Philosophie zu entspringen. Diese Philosophie stützt sich im Grunde auf Erfahrungen aus der Zeit von Adenauer. ({2}) Damals hatten wir wenig Staat, und es gab mehr Wirtschaft. ({3}) Daraus haben Sie offensichtlich Ihr Rezept entnommen, ({4}) daß wir heute den Staat zurückdrängen müssen und daß dann alles wieder gut wird. So ungefähr sieht das aus. ({5}) - Herr Kittelmann, es soll offenbar neue Gründerjahre geben, und dann wird man sehen, daß die Investitionen laufen und daß die Arbeitslosigkeit irgendwann abgebaut sein wird; in der Zwischenzeit muß man halt irgendwelche unangenehmen Dinge in Kauf nehmen. Wenn ich mir das anhöre, was der Herr Bundeskanzler aus Williamsburg mitgebracht hat, würde ich sagen, dort ist er in dieser Ideologie offensichtlich noch bestärkt worden, denn er betrachtet doch den Wirtschaftsgipfel als einen großen Erfolg. Dabei hat ihm doch der Präsident der Vereinigten Staaten einen Knüppel zwischen die Beine geworfen, der sich sehen lassen kann und der Sie und uns alle dem großen Risiko aussetzt, daß steigende Zinsen die Aufschwungkräfte bei uns und in ganz Europa wieder zunichte machen. Ich weiß nicht, warum man darüber nicht sprechen soll, warum man das nicht deutlich machen soll. In der Öffentlichkeit wird offensichtlich ein klares Wort zu dieser Lage vermißt. Zum Beispiel schreibt heute eine Zeitung, nämlich die Münchener „Abendzeitung", etwas, was ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren darf: Wir Deutschen können Ronald Reagan nicht ändern; wir können aber von unserem Bundeskanzler verlangen, daß er die Wirklichkeit schildert, wie sie ist. Mit verschleiernden Offenbarungseiden ist uns nicht gedient. ({6}) Meine Damen und Herren, es besteht doch heute offensichtlich das Bedürfnis, daß gesagt wird, was zu erwarten ist und was kommt. Der Herr Bundesfinanzminister - er ist nicht mehr unter uns - hat beklagt, dieser Pessimismus könne vielleicht zur Voraussetzung dafür werden, daß es wirklich schlechter werde, und er hat daraus offenbar die Schlußfolgerung gezogen, daß er die Haushaltsentwicklung der nächsten Zeit besonders optimistisch beurteilen muß. Ich muß Ihnen gestehen, ich kann eine derartige Entwicklung, die zu solchem Optimismus Anlaß gibt, nicht erkennen. Ich möchte nicht unbedingt sagen, daß - wie es in der Öffentlichkeit immer wieder dargestellt wird - ein direkter Zusammenhang zwischen dem Haushaltsdefizit und den Zinsen besteht. Ich denke, dieser Zusammenhang ist eher indirekt, weil hierbei Erwartungshaltungen und Befürchtungen, die man hegt, eine ganz entscheidende Rolle spielen. Es besteht die Befürchtung, daß die Defizite in den Vereinigten Staaten auf Jahre hinaus riesengroß sein werden und daß man, wie der Kollege Lahnstein gestern völlig zutreffend gesagt hat, auch nicht damit rechnen kann, daß sie in Kürze wieder abgebaut werden. Das hat doch irgendwann zur Folge, daß man sich in einer solchen leidigen Defizitpolitik wieder des Instruments der Inflationierung bedienen möchte. ({7}) - Ich spreche jetzt nur von dem, was in Amerika geschieht, nämlich davon, daß in Amerika bei zunehmendem Finanzbedarf des Staates private Nachfrage nach Kapital mit der staatlichen Nachfrage kollidiert, so daß es zu diesem berühmten crowding-out-Effekt kommen kann. Daß dadurch das Zinsniveau hochgetrieben wird, ist doch keine pessimistische Aussage; es ist eine Erwartungshaltung, der man sich stellen muß. Das gleiche gilt, wenn man sieht, daß dann, wenn der Aufschwung in Gang gekommen ist, offenbar wieder mit höheren Inflationsraten gerechnet werden muß, weshalb die Notenbank auf einen Restriktionskurs umschwenken kann.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter Mitzscherling, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kittelmann?

Dr. Peter Mitzscherling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte, Herr Kittelmann.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Mitzscherling, würden Sie uns damit ins Wochenende entlassen, daß Sie in den wenigen Minuten, die Ihnen zur Verfügung stehen, einmal den Versuch machen, uns hier wirklich einmal die Alternative der SPD darzustellen, worauf ich seit anderthalb Tagen warte? Was würden Sie denn machen, wenn Sie jetzt an der Regierung wären? ({0})

Dr. Peter Mitzscherling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001516, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Lieber Herr Kittelmann, ich werde im Laufe meiner Ausführungen - diese werden in der Tat nicht allzu lange dauern, damit Sie rechtzeitig nach Hause entlassen werden - Gelegenheit nehmen, dazu etwas zu sagen, von dem ich hoffe, daß es in der praktischen Politik dann entsprechende Aufnahme finden kann. Weil das offenbar Ihr Interesse nicht findet, will ich mich nun nicht länger über die amerikanische Entwicklung auslassen, darüber, daß dort, durch die monetaristischen Lehren beeinflußt, die Finanzwelt von Woche zu Woche wie gebannt auf die Geldmärkte starrt, daß dort erratische Schwankungen an den Finanzmärkten die Regel sind. Das alles scheint Sie nicht zu interessieren. Sie haben eine Grundhaltung des Optimismus, und das genügt offenbar. Wir haben Sie doch schon einmal darauf hingewiesen, nämlich in den Haushaltsberatungen des vergangenen Jahres, daß bei einer sehr rasch eintretenden wirtschaftlichen Erholung in den Vereinigten Staaten - und die scheint sich in der Tat gegen Ende des Jahres hin zu beschleunigen - wieder mit steigenden Zinsen zu rechnen sei und die bei uns erhoffte und beginnende Belebung im Keim erstickt werden könnte. Was haben Sie in der Zeit inzwischen getan, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien? Sie haben erklärt, jedes Land müsse seine Hausaufgaben machen und allein diese Hausaufgaben führten dazu, daß die Zinsen sinken würden, die Investitionstätigkeit belebt, das Wachstum gestärkt und die Arbeitslosigkeit verringert würde. Und neuerdings behauptet sogar Herr Stingl, wie das der Herr Geißler schon einmal getan hat, daß innerhalb kürzerer Zeit die Hälfte aller dieser Arbeitslosen verschwunden sein könne. Woher er angesichts der Äußerungen seines eigeDr. Mitzscherling nen Instituts diesen Mut nimmt, kann ich einfach nicht verstehen. Sie haben, Ihrem Rezept folgend, die Sozialleistungen gekürzt. Sie haben von verbesserten Rahmenbedingungen geredet. Sie haben aber eigentlich wenig für diese Rahmenbedingungen selber getan. Sie haben vor allen Dingen eines versucht: allgemeine Zuversicht zu verbreiten. Das ist richtig. ({0}) Auch Ihre Grundsatzbeschlüsse, die Sie für das Jahr 1984 gefaßt haben, sind von diesen Konsolidierungsbemühungen gekennzeichnet. ({1}) Das will ich durchaus anerkennen; denn das wird aus den Bemühungen deutlich. Nur stellt sich die Frage, ob diese Konsolidierungsbemühungen von Erfolg gekrönt sein werden. Sie hätten nur dann Erfolg, wenn es Ihnen gelingen würde, den Realzinsabstand zwischen dem Dollar und der D-Mark zu verringern. Der ist nach wie vor gleich. Zwar sind die Zinsen bei uns gesunken, aber sie sind dabei nur der Entwicklung bei denen der Amerikaner gefolgt. Damit wird diese Abhängigkeit, dieser Zusammenhang deutlich sichtbar. Dies gilt auch für den Haushalt 1984. Wir haben zur Zeit steigende Zinsen. Wir haben steigende Zinsen trotz Ihrer Konsolidierungsbemühungen. Warum haben wir trotz Ihrer Konsolidierungsbemühungen steigende Zinsen? Eben weil in Amerika die Zinsen steigen. Was wollen Sie denn nun tun, frage ich Sie. Wollen Sie die Sozialleistungen noch mehr kürzen, in der Hoffnung, daß Sie damit das Defizit weiter verringern könnten? ({2}) - Ich spreche jetzt von ihnen. Ich habe eben gefragt: Was wollen Sie tun? Wollen Sie bei diesen auf Konsolidierung gerichteten Bemühungen die Sozialleistungen weiter kürzen, in der Hoffnung, daß Sie damit das Defizit weiter verringern könnten? Glauben Sie wirklich, daß es Ihnen auf diese Weise gelingen würde, sich vom Dollar abzukoppeln? Ich bin sehr im Zweifel. Wollen Sie noch mehr Lohnzurückhaltung propagieren, um negative Zinseffekte zu kompensieren? - Seien Sie überzeugt: All das würde zu nichts führen. ({3}) - Herr Kollege Kittelmann, das einzige - und ich möchte ausdrücklich wiederholen und unterstreichen, was Kollege Lahnstein gestern ausgeführt hat -, ({4}) was ich in der gegenwärtigen Situation für hilfreich halte, ist, daß die Bundesbank - wenn man so will - den Wechselkurs der D-Mark bei ihrer Politik vorübergehend vernachlässigt, d. h. an ihrer Geldpolitik nichts ändert, sondern sogar noch eher etwas expansiver wird. Das mag zunächst zu Kapitalabflüssen führen. Das ist richtig, das ist zu befürchten. Es kann die D-Mark unter Druck setzen. Aber irgendwann, meine Damen und Herren, wird, glaube ich, jeder merken, daß ein Dollarkurs von 2,70 DM oder auch darüber so überhöht ist und dabei die D-Mark so unterbewertet ist, daß die ökonomischen Grunddaten, die bei uns eindeutig besser sind, nur noch als einzige Schlußfolgerung zulassen, daß eine Kapitalanlage in den Vereinigten Staaten, die einen momentanen Zinsvorteil zu erbringen scheint, dadurch uninteressant wird, daß das Währungsrisiko so groß geworden ist, daß man jederzeit mit Kursverlusten rechnen muß. ({5}) - Das ist nicht abenteuerlich. Das ist auch eine Tatsache, die bereits in der Vergangenheit den Kapitalexport und die Kapitalbewegungen bei uns gekennzeichnet hat. ({6}) Ich würde Ihnen empfehlen, die Bundesbank zu ermuntern, bei ihrer Politik diese binnenwirtschaftlichen Erfordernisse stärker zu beachten. Sie könnten der Bundesbank das Geschäft übrigens nennenswert erleichtern, indem Sie darauf hinweisen - der Herr Bundeskanzler hat das j a in seiner Erklärung leider mehr oder weniger versäumt -, daß der Dollar total überbewertet und die D-Mark unterbewertet ist. Meine Damen und Herren, Zinssenkungen sind sicherlich nur eine - wenn auch wichtige - Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Aufschwung. Es muß noch viel mehr dazukommen. Da genügt es nicht allein, Klimapflege zu betreiben. Sie haben die „Wende" als wichtigste Voraussetzung für die Verbesserung der Rahmenbedingungen bezeichnet. Nun, ich gebe zu, damit hatten Sie - auch der Herr Bundeswirtschaftsminister - eine gewisse Zeit durchaus Erfolg. Denn man muß ja erkennen, daß sich wirtschaftliche Grunddaten Anfang des Jahres zunächst gebessert haben. Aber wir sind der Meinung, daß dies vor allem auf die Investitionszulage der sozialliberalen Koalition zurückzuführen ist. Die Zinsen bei uns sind gesunken, weil die US-Zinsen gesunken sind. Jetzt steigen sie im Gefolge des Anstiegs in den USA wieder. Die Inflationsrate ist nicht zuletzt deshalb zurückgegangen, weil das OPEC-Kartell zusammengebrochen ist und die Ölpreissenkungen sich positiv in der Inflationsrate bemerkbar machen. Das sind nicht Ihre Leistungen, meine Damen und Herren von der Regierung. Diese Verbesserungen wurden früher begründet, sie wurden früher gelegt, oder sie sind vom Ausland in die deutsche Volkswirtschaft hineingelangt. ({7}) Und wo stehen Sie heute? Jetzt, glaube ich, ist allmählich Ernüchterung eingekehrt. Auch die Ihnen sonst wohlgesonnene Presse möchte nun endlich Taten sehen. Ich meine, Gesundbeterei und das Wort von mehr Zuversicht in diesem Lande reichen allein nicht aus. ({8}) - Herr Hauser, Miesmacherei sollte man nicht mit einer Darstellung der Zustände, so wie sie sind, verwechseln. ({9}) Was haben Sie im Haushalt 1983 gemacht? Sie haben mit den Haushaltsbeschlüssen die Übernahme einiger existenzbedrohter Betriebe gefördert. Wir werden in diesem Jahr eine Pleitewelle erleben - ({10}) - Reden Sie nicht wieder von der Erblast. - Der Fraktionsvorsitzende hat bereits angedeutet, daß die Pleiten in diesem Jahr höher als je zuvor sein werden. Sie werden sich noch wundern, welche Auswirkungen Ihre Wirtschaftspolitik noch haben wird, wenn Sie so fortfahren. Sie haben die Gewerbesteuer reduziert und haben damit die Gemeindefinanzen in einer Weise getroffen, daß öffentliche Investitionen von dort mit Sicherheit kaum zu erwarten sind. Bei den Förderungsmaßnahmen für den Wohnungsbau haben Sie auf das draufgesattelt, was wir bereits gemacht haben, und Sie haben damit durchaus positive Wirkungen erzielt. ({11}) Das soll nicht bestritten werden. Man muß sich natürlich vor Augen halten, meine Damen und Herren, daß Sie damit etwas getan haben, was Ihrer eigenen Philosophie eigentlich widerspricht. Sie haben die Nachfrage gestützt und haben damit - um in Ihren Worten und Begriffen zu reden - eine Art „Strohfeuer" entfacht, das mit der Vollendung dieser Bauten erlöschen wird. Sie haben Kapital nicht in die Rahmenbedingungen, sondern in den nicht produzierenden Vermögensbereich gelenkt. Weil der Kollege Schlatter schon dazu gesprochen hat, möchte ich das nicht noch im einzelnen ausführen. Auch mit den für 1984 vorgesehenen Maßnahmen werden Sie - davon bin ich überzeugt - kaum einen Investitionsboom einleiten. Denn woher soll er kommen? Die Kürzungen, die Sie im Nachfragebereich, im Sozialbereich vorgenommen haben, sind ja sofort wirksam geworden - im Gegensatz zu all dem, was Sie erst als Angebot unterbreitet haben. Die sofort wirksamen Kürzungen schlagen sich doch sofort im privaten Verbrauch nieder. Das wird doch auch schon deutlich, wenn Sie sich die Entwicklung der Zahlen im Einzelhandel ansehen. Die Realeinkommen sind rückläufig in diesem Jahr. Wir werden auch nicht damit rechnen können, daß die Sparquote weiter abgesenkt werden kann, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien. Auch die Arbeitslosigkeit nimmt weiter zu. Das bedeutet doch, daß die Menschen vorsichtiger und sparsam werden. Wie kann dann ein Impuls vom privaten Verbrauch ausgehen? Und vom Export? Sie selbst nehmen doch nicht an, daß wir in diesem Jahr oder in den nächsten zwei Jahren mit einem Exportboom rechnen können. Auch der Herr Bundeswirtschaftsminister hat j a wohl die Bedenken geäußert - er hat sich sehr vorsichtig ausgedrückt -, die von der Auslandsnachfrage her auf unsere Wirtschaft durchschlagen. Die öffentlichen Investitionen - ich habe schon darüber gesprochen - sind weiter rückläufig. Die Impulse, die die Haushalte setzen, sowohl die des Bundes als auch die der Länder und Gemeinden, lassen eine nennenswerte Steigerung der öffentlichen Investitionen kaum zu. Mit anderen Worten: warum sollten Unternehmer - denn es bleiben allein die privaten Investitionen in der gegenwärtigen Situation - investieren, wenn die Absatzerwartungen weiterhin schlecht sind, wenn der Welthandel stagniert, wenn Protektionismus um sich greift? Sie werden feststellen müssen, daß alle Ihre Maßnahmen weder geeignet sind, den Haushalt zu konsolidieren, noch geeignet sind, eine nachhaltige Wirtschaftsbelebung zu sichern. ({12}) Die neuen Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe, die Sie heute und gestern den Zahlen und dem Bericht des Wirtschaftsministeriums entnehmen können, sprechen eine deutliche Sprache. Die Arbeitslosigkeit - darüber kann kein Zweifel bestehen - wird weiter steigen, und das kostet Geld. Das Steueraufkommen, mit dem Sie rechnen, wird durch diese Entwicklung nachteilig beeinflußt. Dieses Geld wird Ihnen fehlen. Sie werden sehen: wenn Sie weiter auf Lohnabschlüsse in bisheriger Weise drängen und wenn dieses Drängen den Erfolg einer Lohnzurückhaltung hat, wie wir sie in diesem Jahr erlebt haben, dann wird das Lohnsteueraufkommen in Ihren Steuervorausschätzungen als eine Komponente sich niederschlagen, die Sie sehr nachdenklich werden läßt. Sie werden - und diese Meinung möchte ich nachdrücklich vertreten - mit einem Haushaltsdefizit konfrontiert sein, das höher ausfallen wird, als Sie das heute noch annehmen. Das heißt, Sie werden nach weiteren Kürzungsmöglichkeiten suchen. Da werden Sie, Herr Kittelmann, später nicht mehr darüber lachen. Denn Sie werden feststellen müssen, daß Sie Ihrem Konsolidierungsziel immer weiter und fortgesetzt hinterherlaufen. ({13}) Wir brauchen mehr als die Änderung der Rahmenbedingungen. Wir brauchen mehr als eine Klimaverbesserung. Wir brauchen eine Stärkung auch der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage in dieser Situation. Sie können sich von dieser Stärkung der Nachfrage nicht einfach ausklinken. Wir brauchen mehr beschäftigungswirksame Investitionen, auch im öffentlichen Bereich. Wo sollen sie herkommen bei dieser Politik, die Sie hier vorschlagen. ({14}) - Wir haben einen durchfinanzierten Beschäftigungshaushalt vorgelegt, dessen Finanzierungsseite Sie sich doch bitte mal ansehen wollen. ({15}) Dann werden Sie feststellen, daß wir durchaus unsere eigenen Vorstellungen vorgelegt haben, die nicht zu einer defizitären Entwicklung des Bundeshaushalts führen. ({16}) Wir brauchen eine größere Unabhängigkeit vom amerikanischen Zins. Wenn es schon mit außereuropäischen Ländern nicht erreichbar ist, dann müssen wir es mit den gleichgerichteten beschäftigungspolitischen Anstrengungen anderer Länder Europas tun. Wir brauchen eine größere Intensivierung in der Koordinierung der Wirtschaftspolitiken Europas. Natürlich liegt darin, Herr Schwörer, die Aufgabe für den Herrn Bundeskanzler. Ich möchte dazu folgendes sagen. Es genügt nicht, daß man da mit von Herzen kommender Bereitschaft nach Stuttgart geht und sich den Problemen dort stellt. Sondern dort wird über verbale Bekundungen, was man an Zielvorstellungen hat, hinaus deutlich zu machen sein, wie man sich diesen Zielvorstellungen unter der EG-Ratspräsidentschaft eines Bundeskanzlers Kohl und als Repräsentant der führenden Wirtschaftsmacht Europas tatsächlich konkret zuwenden wird. ({17}) Das reicht nicht, was hier gesagt worden ist. ({18}) Wenn Sie von Stuttgart mit ähnlich leeren Händen und allgemeinen Bekundungen wie von Williamsburg zurückkommen, werden wir feststellen, daß dann eine Wirtschaftsentwicklung in Deutschland eintritt, die nicht von einem Aufschwung begleitet sein wird. Dann werden wir eine Arbeitslosigkeit haben, die tatsächlich zur Massenarbeitslosigkeit wird. Und Massenarbeitslosigkeit, meine Damen und Herren, kann wohl kaum die geeignete Botschaft für die 80er Jahre sein. Dazu brauchen wir eine andere Politik, und dazu fordern wir Sie auf. ({19})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reents.

Jürgen Reents (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001791, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Stenographen! ({0}) Freitagvormittag im Bundestag: Die Anwesenheitsquote droht bereits gefährlich unter die Zinssätze zu fallen. ({1}) Auch die Presse ist nicht mehr anwesend. Die Zeit ist gut für Überraschungen, die zumindest vielleicht noch der Stenographische Dienst mitbekommen kann. ({2}) - Ja, jetzt geht auch der. ({3}) Ich wollte allerdings nicht zu einem so schmunzelhaften Thema reden. Wir haben hier eine verbundene Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht und zum Williamsburger Gipfel. ({4}) - Vielleicht lassen Sie mir diese zehn Minuten Zeit in Ruhe. Ich wollte mich noch mal zu der Erklärung zur Abrüstung äußern, die auf dem Gipfeltreffen, verabschiedet worden ist, und zu dem, was der Bundeskanzler gestern dazu ausgeführt hat. Das wesentliche Ergebnis des Weltwirtschaftsgipfels in Williamsburg kann man aus unserer Sicht so zusammenfassen: Die Armen in der Dritten Welt werden noch schneller verelenden und verhungern, und die Rüstung in der Welt wird noch schneller steigen. ({5}) - Das ist nicht primitiv, Herr Kittelmann. Mit Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat das, was in Williamsburg abgelaufen ist, jedenfalls nichts zu tun, aber damit, daß dort die sieben mächtigsten Regierungschefs der westlichen Welt einige wirtschaftspolitische Überlegungen angestellt haben, die zu nichts weiter dienen, als die Aufrüstung zu finanzieren, im wesentlichen die amerikanische Aufrüstung. ({6}) Ich wollte etwas zu der Erklärung sagen, die dort verabschiedet worden ist, zu Abrüstung und Rüstungskontrolle, wie es heißt. Man stelle sich mal vor, die Tschechoslowakei und Polen hätten neben dem Atomwaffenpotential der Sowjetunion 162 Raketensysteme mit gegenwärtig rund 300 Sprengköpfen installiert und seien dabei, sie im Laufe dieses Jahres und der nächsten Jahre auf ungefähr 1 500 Sprengköpfe aufzustocken. Mich interessiert, was die Meinung der Bundesregierung und die Meinung der Regierungen der anderen NATO-Staaten zu einer solchen Tatsache wäre. Das ist aber nicht der Fall. Die Tschechoslowakei und Polen haben keine Atomraketen. Aber Frankreich und Großbritannien haben Atomraketen. ({7}) Im umgekehrten Fall würden Sie sicher sehr stark argumentieren, daß bei entsprechenden Rüstungskontrollverhandlungen auch etwaige Atomraketen anderer Staaten des Warschauer Pakts natürlich in eine Aufrechnung und in eine Vereinbarung über Rüstungskontrolle einbezogen werden müßten. Der Williamsburger Gipfel hat nun etwas, was namentlich der amerikanische Präsident, die amerikanische Regierung schon häufiger erklärt haben, nochmal eindeutig beschlossen. Ich zitiere aus dieser Erklärung: Versuche, den Westen dadurch zu spalten, daß die Einbeziehung von Abschreckungskräften dritter Länder wie beispielsweise Frankreichs und des Vereinigten Königreichs vorgeschlagen wird, werden fehlschlagen. Eine Berücksichtigung dieser Systeme hat in den Verhandlungen über Mittelstreckenraketen keinen Platz. Das ist gestern auch von Herrn Kohl nochmals ausdrücklich betont worden. ({8}) - Für die GRÜNEN. Ich frage aber: Wo soll denn überhaupt über die französischen und die britischen Raketen verhandelt werden? Auch bei den START-Verhandlungen, den Verhandlungen über die strategische Rüstung, sind diese Systeme nicht einbezogen. ({9}) - Das ist nicht falsch, Herr Möllemann! Es wird schlicht und einfach so getan, als seien diese Systeme nicht existent. ({10}) Der Herr Bundeskanzler hat das ja gestern in seiner Erklärung sehr ausgedehnt, indem er davon gesprochen hat, daß Drittstaatensysteme, wie er sich ausgedrückt hat, überhaupt keine Rolle bei den Abrüstungsverhandlungen in Genf spielen könnten. Das gibt durchaus Freiraum und Möglichkeiten für alle möglichen phantastischen Erzählungen. Man kann vielleicht in Zukunft auch dazu kommen, zu sagen, auch die französischen und die britischen Panzer, die französischen und die britischen Flugzeuge und ähnliches mehr, seien nicht existent. Man kann ganz neue Möglichkeiten bei der Frage von Truppenreduzierungsabkommen in Mitteleuropa haben, indem man einfach bestimmte Bereiche ausklammert. Sie machen sich schlicht und einfach zunutze, daß es auf seiten des Warschauer Pakts nur einen einzigen Staat gibt, der über Atomwaffen verfügt, nämlich die Sowjetunion, und daß es auf seiten der NATO drei Staaten gibt, die über Atomwaffen verfügen, und Sie tun so, als ob die Atomwaffen zweier dieser Staaten nicht existent seien. Das ist doch tatsächlich nichts, wovon man sagen kann, daß das irgendwie ernsthaft auf Verhandlungsergebnisse in Genf orientiert ist, sondern das ist eine Position, von der man von vornherein sagen muß, daß diejenigen, die sie vertreten - und das ist nicht nur die amerikanische Regierung, sondern eben auch die Bundesregierung -, hier schlicht und einfach keine Verhandlung mit dem Ergebnis Abrüstung, Nichtstationierung von Raketen, in unserem Land wollen. ({11}) Ich will Sie daran erinnern, wie diese Frage in der zurückliegenden Zeit überhaupt behandelt worden ist. Sie stellen sich hier hin und sagen - das ist auch in dieser Erklärung enthalten -, es gehe um ernsthafte Verhandlungen. Tatsächlich hat Williamsburg aber nichts weiter dokumentiert als die wilde Entschlossenheit zur Raketenstationierung. Es ist zu keinem Zeitpunkt - auch nicht in der zurückliegenden Zeit - auf seiten des Westens, auf seiten der NATO-Staaten überhaupt offen gewesen, ob man stationieren wolle, ob man durch Verhandlungen zu einer Nichtstationierung kommen wolle. In den vergangenen Jahren ist in zahlreichen Erklärungen - beispielsweise des ehemaligen Leiters der amerikanischen Rüstungskontroll- und Abrüstungsbehörde, Herrn Rostow, oder anderer Repräsentanten der US-Administration - auf Fragen, ob denn die Pershing 2 und Cruise Missile in Genf überhaupt zur Verhandlung stünden, geantwortet worden - beispielsweise Herr Rostow seinerzeit in dem „Spiegel"-Interview -: Nein, die Stationierung ist eine Verpflichtung, eine Entscheidung, die von der NATO getroffen worden ist. Damit hat Herr Rostow auch schlicht und einfach recht. Denn man kann sich nicht hinstellen und sagen, das sei noch verhandlungsfähig, wir seien noch bereit, darüber zu diskutieren und eventuell nicht zu stationieren, wenn in dem seinerzeitigen Beschluß der NATO von 1979 davon die Rede ist - genauer: in dem Kommuniqué, das anschließend von den Außen- und Verteidigungsministern verbreitet wurde; der exakte Beschluß der seinerzeitigen Tagung wird j a nach wie vor geheimgehalten -, daß die sogenannte Modernisierung der Mittelstreckensysteme auf seiten der NATO und die Verhandlungen über diese Systeme, die Rüstungskontrolle, zwei sich ergänzende Ansätze seien. Wenn das NATO-Kommuniqué von zwei sich ergänzenden Ansätzen spricht - das ist der exakte Wortlaut -, will man offensichtlich beides. Dann stellt man das nicht mehr zur Disposition. Das, was der Bundeskanzler dazu gestern gesagt hat, heißt schlicht und einfach Sand in die Augen streuen. ({12}) - Das ist kein falscher Schluß. Dann erklären Sie mir doch bitte einmal, warum es beispielsweise von Ihrer. Seite, von seiten der Bundesregierung kein Dementi gab, als der „Spiegel" nach dem Besuch des Bundeskanzlers in Washington geschrieben hat, das einzige, worüber sich Reagan und Kohl ganz konkret geeinigt hätten, sei, daß auf jeden Fall stationiert werde, um jeden Preis, egal was in Genf herauskomme. Das hat doch im „Spiegel" gestanden, und sie haben es nicht dementiert. ({13}) - Ja, der „Spiegel" ist kein Hausorgan. Aber die Tatsache, daß Sie in dieser Frage nicht dementieren, hängt doch schlicht und einfach damit zusammen, daß Sie tatsächlich auch der Auffassung sind, die der sogenannte Abrüstungsexperte der USA Colin S. Gray geäußert hat: daß die NATO auf jeden Fall eine beträchtliche Anzahl dieser Systeme braucht - ich zitiere wörtlich -, gleichgültig ob die Sowjetunion ihre SS 20 bis auf Null reduziert oder nicht. Das ist j a auch der entscheidende Punkt; denn bei den Pershing 2 und Cruise Missiles geht es gar nicht darum - den Eindruck versuchen Sie immer zu erwecken -, ein Gegengewicht zur SS 20 zu schaffen. Das hat vor zwei Jahren selbst der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Herr Brandt, auf einer Kabinettssitzung eingeräumt, wie später öffentlich bekannt wurde. Dazu gibt es auch andere Äußerungen. Blättern Sie einmal nach, um zu sehen, was Herr Strauß seinerzeit auf dem sicherheitspolitischen Kongreß der CDU/CSU 1980 zu dieser Frage gesagt hat! Er hat damals eindeutig gesagt, daß es bei der Pershing 2 nicht darum gehe, ein Gegengewicht zur SS 20 zu schaffen, sondern daß es darum gehe, ein bestimmtes Potential zu haben, mit dem man die Sowjetunion in Schach halten könne. Man müsse diese Waffen haben - wie Strauß sagte -, damit man sich umgucken könne, wo man freie Hand in der Welt habe. ({14}) Ich habe leider nur noch wenig Zeit. Wir werden ja noch ausführlicher in der nächsten Woche darüber diskutieren. Vielleicht erlauben Sie mir noch ganz kurz zwei Schlußsätze. Eine solche Erklärung, wie sie in Williamsburg verabschiedet wurde, die nicht wirklich auf Abrüstung hinzielt - wie es in der Überschrift heißt -, die auch nicht das ist, was der Bundeskanzler gestern hier gesagt hat, nämlich eine „Botschaft der Hoffnung" oder ein „Ereignis weltweiter Solidarität", zeigt nur, daß es den beteiligten Regierungen auf Teufel komm raus um Aufrüstung geht. ({15}) Wir werden vielleicht später einmal, wenn das noch möglich ist, in der Geschichtsschreibung diesen Williamsburger Gipfel als einen Gipfel der Kriegsvorbereitung darstellen müssen. ({16}) So bedauerlich es ist: Das ist der Inhalt dessen, was dort verabschiedet wurde. Ich sage zum Schluß: Sie werden wild entschlossen stationieren. Aber täuschen Sie sich nicht: Wir werden mit der gleichen Entschlossenheit weiter dagegen opponieren, nicht nur hier, sondern auch draußen. ({17})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Für die Bundesregierung hat sich Herr Staatsminister Möllemann zu Wort gemeldet. ({0})

Not found (Gast)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weise die Bemerkungen meines Vorredners und die Unterstellungen gegenüber der Politik der Bundesregierung in aller Form zurück. ({0}) Die Politik der Bundesregierung ist im Bereich der Rüstungskontrolle und der Abrüstung geprägt von dem Bemühen; in allen Bereichen zu konkreten Abrüstungsvereinbarungen zu kommen. Ihnen liegt vor - das wird nächste Woche Gegenstand einer ausführlichen Debatte sein; deshalb will ich hier nicht ausführlich darüber sprechen - eine Darstellung des derzeitigen Stands der Verhandlungen über eine Begrenzung der konventionellen Rüstung in Wien, der Gespräche über die Mittelstreckensysteme, der START-Gespräche, also der Gespräche über die Begrenzung der strategischen Rüstung, und der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die derzeit in Madrid in ein entscheidendes Stadium gekommen ist. Dies ist derzeit der umfassendste rüstungskontrollpolitische Dialog, der in den letzten 30 Jahren stattgefunden hat. Mein Eindruck und der Eindruck der Bundesregierung ist, daß es durchaus gute Chancen gibt, gestützt auf diese Bemühungen zu konkreten Vereinbarungen zu kommen. Das ist übrigens auch der Eindruck des Verhandlungspartners. Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden zu solchen Ergebnissen nur auf Grund beharrlichen Bemühens kommen. Diskreditierungen und Diffamierungen wie etwa die von Ihnen gemachte Aussage, wir wollten hier auf Teufel komm raus Aufrüstung betreiben, helfen uns da nicht weiter. ({1}) Sie lenken nur von eigener Inkompetenz in der Sache ab. - Ich danke Ihnen. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Es liegt keine Wortmeldung von seiten eines Abgeordneten der Opposition vor. Ich fahre also in der anderen Reihenfolge fort. Herr Cronenberg ({0}) hat das Wort. ({1})

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesem kurzen Wortwechsel über die Thematik der nächsten Woche lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur noch eine Feststellung treffen, Herr Kollege Reents: Äußerungen einiger Abgeordneter der GRÜNEN, Berichte im „Spiegel", gelegentliche Berichte im „Stern", die nicht dementiert werden, sind deswegen nicht wahr. ({0}) Gelegentlich sollte man so etwas „noch nicht einmal ignorieren". ({1}) Meine Damen und Herren, ich möchte zu einigen der in der Debatte getroffenen Äußerungen und gemachten Vorschläge wenige Bemerkungen machen. Es ist klargeworden, daß es für die unbestritten schwierige beschäftigungspolitische Situation keine Patentrezepte gibt. Ich weiß gemeinsam mit den meisten von Ihnen, daß es vieler kleiner Schritte, vieler ernsthafter Bemühungen bedarf, um mit dieser Problematik fertig zu werden. Ich möchte daher auf einige kritische Bemerkungen bezüglich solcher kleiner Schritte eingehen. Kollege Schlatter hat hier erklärt, er könne sich nicht vorstellen, daß Entlastungen bei den ertragsunabhängigen Steuern, im Vermögensteuerbereich eine Hilfe für die Wirtschaft, für die Betriebe seien. Ich möchte ihn allen Ernstes fragen und bitten, darüber nachzudenken, ob nicht gerade die Entlastung im Bereich der ertragsunabhängigen Steuern eine solche notwendige Hilfe darstellt. Wenn wir uns schon darüber einig sind - in der Debatte gestern hat das ja in der Diskussion zwischen Herrn Ehrenberg und mir noch einmal klargestellt werden können -, daß sowohl Rationalisierungsinvestitionen wie auch Erweiterungsinvestitionen notwendig sind, um unsere Beschäftigungsprobleme zu lösen, dann muß es doch richtig sein, durch Stärkung der Eigenkapitalbasis durch Entlastung im Unternehmensbereich die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um die von allen als notwendig erachteten Investitionen vorzunehmen. Aus diesem Grunde möchte ich sehr herzlich bitten, die Vorschläge der Regierung einer ernsthaften Überprüfung zu unterziehen. Kollege Roth hat zum wiederholten Male der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen den Vorwurf gemacht, wir würden die Politik der Frau Thatcher oder des Herrn Reagan betreiben. Lassen Sie mich zwei Feststellungen treffen. Herr Kollege Roth, wenn Sie nicht gerade in einer verärgerten - ({2}) - Wiederholt ist hier von Ihrer Seite diese Feststellung gemacht worden. Ich möchte darauf hinweisen, daß erstens die Politik der Regierung Thatcher nicht die gleiche ist wie die Politik des Herrn Reagan - es ist eine sehr unterschiedliche Politik -, und zweitens lassen Sie mich die Feststellung treffen, daß es bei uns keinen Grund für eine solche Politik, wie sie in England betrieben worden ist, gibt. Man muß bei aller Kritik, die wir hier an unserer eigenen Situation vorzubringen haben, feststellen - das sollte die Objektivität erlauben -, daß die Voraussetzungen um vieles besser waren als die, die die Regierung Thatcher in England vorgefunden hat. Eine letzte Bemerkung in diesem Zusammenhang: Wenn die Frage, ob eine Politik richtig oder falsch ist, danach beantwortet wird, welche Zustimmung sie findet, dann muß ich allerdings die Feststellung treffen, daß diese Politik in England offensichtlich eine sehr breite Zustimmung gefunden hat. Dazu sage ich - sozusagen in Klammern -: Ich persönlich halte sie für falsch. Herr Mitzscherling, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß unser Zinsniveau vom Dollar abhängig ist. Dies zu bestreiten wäre einfach falsch. Aber ebenso richtig ist es, und ebenso muß festgestellt werden: Je geringer die Defizite in unseren öffentlichen Haushalten sind, je geringer die Defizite in den Haushalten unserer Sozialversicherung sind, je höher unser Leistungsbilanzüberschuß ist, je besser also unsere eigene Situation ist, je besser unsere Wettbewerbschancen auf den internationalen Märkten sind, desto unabhängiger sind wir vom amerikanischen Zins. Das heißt, es ist richtig, eine Politik unter dem Motto „Nicht Kaputt-, sondern Gesundsparen" zu betreiben, auch um mehr Unabhängigkeit von dem überhöhten amerikanischen Zinsniveau zu erreichen. ({3}) Das ist doch der Sinn unserer Bemühungen. ({4}) - Das möchte ich bestreiten. Ausdrücklich unterstreichen möchte ich den Teil Ihrer Ausführungen, die die Klimapflege betreffen. Klimapflege ist notwendig. Sosehr ich in der Vergangenheit Veranlassung hatte, mich darüber zu beschweren, daß die richtigen Ansätze miesgemacht worden sind, sosehr ich mich darüber damals beklagt habe, sosehr möchte ich Sie jetzt bitten, nicht in den gleichen Fehler der alten Opposition zu verfallen und die richtigen Ansätze der Regierungspolitik ebenso mieszumachen. Ganz im Gegenteil. Wir brauchen Ihre wohlwollende Unterstützung, um Erfolg zu haben. Um diese bitte ich, um diese werbe ich, um diese kämpfe ich, wo es notwendig ist. Ich bin auch davon überzeugt, daß Sie im letzten unseren gemeinsamen Bemühungen im Interesse des Landes Erfolg wünschen und nicht das Gegenteil. ({5}) Im Verlauf dieser Debatte war immer wieder, insbesondere von der SPD-Bundestagsfraktion, zu hören - meiner Meinung nach manchmal etwas unfair -, daß die Koalition der Mitte keine aktive Beschäftigungspolitik betreibt. Ich glaube, das ist falsch. Richtigerweise muß es heißen: Die Koalition der Mitte betreibt keine falsche Beschäftigungspolitik. ({6}) Falsch sind die Vorschläge der SPD zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Dies wird deutlich, wenn man die unterschiedlichen Ansätze der Regierungskoalition und der Opposition gegenüberstellt. Ich will versuchen, das in ein paar Sätzen zu tun. Alle Erfahrungen der Vergangenheit haben deutlich gezeigt, daß Beschäftigungsprogramme in Form von Konjunkturprogrammen und zum Teil - zum Teil! - von Infrastrukturprogrammen öffentlicher Art einen selbsttragenden Aufschwung, eine selbsttragende Wiederbelebung nicht geschaffen haben. Ich gebe zu, daß ein Teil der Infrastrukturmaßnahmen volkswirtschaftlich sinnvoll und vernünftig gewesen ist. Aber es ist ebensosehr festzustellen, daß diese Beschäftigungsprogramme in erheblichem Umfang Strohfeuereffekte - kurzfristige Beschäftigung - gehabt haben. Herr Ehrenberg hat gestern hier das 16-Milliarden-Programm gelobt. Dann muß man natürlich feststellen, daß von diesem 16-Milliarden-Programm heute noch in erheblichem Umfang Schulden da sind, die uns mit Zinsrückzahlungen belasten. Das heißt: Der gewünschte Erfolg, Herr Mitzscherling, den wir uns gemeinsam erhofft haben, nämlich zu dauerhafter Belebung zu kommen, ist nicht eingetreten. Das Programm hat sich eben als ein Fehlschlag erwiesen. Ich stehe nicht an, diese Feststellung zum Anlaß zu nehmen, zu fordern, daß wir solche Fehlentwicklungen für die Zukunft vermeiden. Wenn man erkennt, daß unsere Wirtschafts- und Beschäftigungsprobleme vor allem struktureller Natur sind - Energiekrise mit tiefgreifenden Verwerfungen im Bereich Kohle und Stahl, worüber wir ja heute morgen diskutiert haben; Strukturprobleme im Bereich der Werftindustrie -, dann müssen wir zu anderen Lösungsansätzen kommen, den Lösungsansätzen, die wir Ihnen vorgeschlagen haben. Diese strukturelle Schieflage kann man nicht mit öffentlichen Ausgabeprogrammen abstellen, sondern wir müssen an die Ursachen, an die Wurzeln dieser Entwicklung heran. Abgesehen davon, daß die Forderung nach öffentlichen Ausgabeprogrammen insoweit nicht redlich ist - das müßten die Kollegen von der SPD-Fraktion ganz besonders gut wissen -, als die öffentlichen Kassen leer sind, helfen sie nicht. Gefordert ist eine Politik, die die strukturellen Schwierigkeiten an der Wurzel angeht. In diesem Sinne ist die Beschäftigungspolitik der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen auch ausgerichtet. Diese Politik zeichnet sich dadurch aus, daß die Rahmenbedingungen verbessert werden, die Investitionstätigkeit der Wirtschaft und der öffentlichen Haushalte, soweit dies möglich ist, verbessert wird. Nur eine solche Politik kann im Laufe der Zeit auch wieder zu mehr Einkommen, damit zu der wünschenswerten höheren Nachfrage und damit schließlich auch zu mehr Arbeitsplätzen führen. Wir müssen ehrlich sein und dürfen auch den Arbeitslosen nicht vorgaukeln, ({7}) daß dies kurzfristig möglich ist. Dafür sitzen die strukturellen Probleme, die ich angerissen habe, viel zu tief. Die Arbeitslosen können aber die Gewißheit haben, daß die Ursachen der Arbeitslosigkeit von der Koalition der Mitte konsequenter, nachhaltiger als in der früheren Koalition bekämpft werden. ({8}) Ich stehe nicht an, auch heute hier zu erklären, daß viele der Ansätze, die wir mit Ihnen gemeinsam versucht haben, richtig waren. Ich stehe auch heute noch zu ihnen. Nur müssen wir diese in vielen Bereichen konsequent weiter durchführen. ({9}) Jetzt ist es eben möglich geworden, die Investitionstätigkeit in den Betrieben, die eben der Schlüssel für eine dauerhafte Wirtschaftsbelebung ist, auf breiter Front zu fördern. In einem ersten Schritt haben wir die Wirtschaft 1983 von ertragsunabhängigen Steuern entlastet. Wir haben steuerliche Hilfe für die Übernahme existenzbedrohter Betriebe - leider haben wir zu viele existenzbedrohte Betriebe - gewährt. In einem zweiten Schritt sind wir nun mit Wirkung ab 1984 dabei, die ertragsunabhängige Vermögensteuer deutlich zu reduzieren. Hinzu kommen Sonderabschreibungen für kleine und mittlere Betriebe, Sonderabschreibungen für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen, Verlustausgleichsmöglichkeiten für mittelständische Betriebe. Das alles wird die Eigenkapitalbasis der Betriebe selbstverständlich stärken. Die Eigenkapitaldecke der Betriebe ist nun einmal Voraussetzung für eine stärkere Investitionstätigkeit, für die Bereitschaft, zusätzliche neue Arbeitsplätze zu schaffen. Herr Kollege Kleinert - aus Marburg, wohlgemerkt, nicht Kollege Kleinert aus Hannover - hat sich hier darüber beklagt, daß wir Rationalisierungsinvestitionen fördern würden. Herr Kollege Kleinert, wir wollen und tun dies in der Tat, weil es notwendig ist, schlicht und einfach notwendig ist. Wenn Sie dafür verantwortlich wären, in einem mittleren oder kleineren Unternehmen für Beschäftigung zu sorgen, und wenn dieser Betrieb - wie die meisten unserer Betriebe - in einem erheblichen Umfang exportabhängig ist und wenn dieser Betrieb, Herr Kleinert, weniger einnimmt, als er ausgibt, also schlicht und ergreifend Verluste macht, was zur Folge hätte, daß er pleite geht, dann kann es einfach kein Lösungsvorschlag sein, sich hinzustellen, die Belegschaft zusammenzutrommeln und schlicht und ergreifend zu erklären: Wir machen zur Zeit Verluste, wir leisten offensichtlich zu wenig; unser Lösungsvorschlag lautet: Statt der bisherigen 40 Stunden arbeiten wir alle nur noch 25 Stunden, erhöhen die Preise und versuchen dann, unsere Produkte zu verkaufen. Der Erfolg wird sein: Der Laden ist kurzfristig pleite, die Arbeitslosigkeit ist höher. ({10}) Deswegen sage ich Ihnen: Jede nicht wahrgenommene Rationalisierungsmöglichkeit in unserer Wirtschaft wird Arbeitslosigkeit schaffen, wird Arbeitsplätze zerstören. Auch Sie werden sich damit vertraut machen müssen, daß in einem Unternehmen ordentlich zu rechnen ist und daß Gewinne besser sind als Verluste - ob Ihnen das nun paßt oder nicht. ({11})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Abgeordneter Cronenberg, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Stratmann zu?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bitte sehr.

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Cronenberg, können Sie mir erkären, wie eine Investitionsförderungspolitik beschäftigungspolitisch positive Auswirkungen haben soll, wenn man berücksichtigt, daß der Anteil der Rationalisierungsinvestitionen an allen Investitionen in den letzten drei Jahren steigend gewesen ist und mittlerweile über 50 % beträgt und daß er weiterhin steigende Tendenz aufweist?

Dieter Julius Cronenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000342, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wie ich Ihnen schon zu erklären versucht habe - ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch zuhören würden -, müssen wir über ein Drittel der von uns erzeugten Produkte und Dienstleistungen auf den Exportmärkten verkaufen. Sie haben möglicherweise noch nicht die Chance gehabt - oder auch die Lästigkeit -, Exportgeschäfte draußen abwickeln zu müssen, Arbeit ins Land zu holen. Nur dann, wenn Preis und Qualität stimmen, haben Sie die Chance, gegenüber den Billigpreisländern, in denen Löhne und Soziallasten niedriger sind als bei uns, mit Ihren Produkten konkurrenzfähig zu sein. Der Sachverhalt stellt sich doch so dar: Entweder Sie bieten preisgünstige, wettbewerbsfähige Produkte an - dann haben Sie Arbeit -, oder Sie gehen ohne Auftrag nach Hause - dann haben Sie keine Arbeit; dann haben wir mehr Arbeitslosigkeit. Deswegen wiederhole ich: Jede nicht wahrgenommene Rationalisierung ist für die Beschäftigungssituation im Lande tödlich. ({0}) Deswegen ist jede Verhinderung des Versuchs, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, arbeitsplatzschädlich; sie vernichtet Arbeitsplätze. Wer vernünftige Beschäftigungspolitik in diesem Lande betreiben will, muß dafür sorgen, daß wir wettbewerbsfähig sind, muß Arbeit ins Land holen, muß die Chance für Arbeit verbessern. Er darf die Chance für Arbeit nicht verschlechtern. Wer Arbeit verteuert, wie es mit illusionären Vorschlägen in Richtung auf 25 Wochenstunden geschieht, versündigt sich an der Beschäftigungssituation dieses Landes. - Herzlichen Dank. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Roth.

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Wort von Herrn Cronenberg veranlaßt mich zu einer Erwiderung. Herr Cronenberg, Sie haben meinem Kollegen Mitzscherling unterstellt, er mache bewußt in Pessimismus und wolle gegen den Aufschwung reden. Ich halte diese Unterstellung für schlimm. Jeder Sozialdemokrat, der hier sitzt, und auch diejenigen, die leider schon gegangen sind, was ich bedaure - dort drüben sind aber leider auch schon sehr viele gegangen, was ich noch mehr bedaure -, wünscht sich eine Stabilisierung der Konjunktur. Eine derartige Haltung, aus parteitaktischen Gründen darauf zu hoffen, daß die Konjunktur schlecht läuft, ist in der Bundesrepublik bisher einem vorbehalten geblieben, der zum Glück zur Zeit nicht im Deutschen Bundestag ist, nämlich Franz Josef Strauß. ({0}) Wir Sozialdemokraten sind über jede Belebung der Märkte froh. Wir sind über jede Erhöhung der Auftragseingänge froh. Am heutigen Tag - darauf hat Herr Mitzscherling hingewiesen - kommen die Zahlen über die Auftragseingänge von März/April auf den Tisch. Dabei ist ein starker Einbruch in der Bestelltätigkeit zu verzeichnen. Nun macht der Herr Wirtschaftsminister wieder die statistischen Tricks, die ich aus der Vergangenheit, aus der eigenen Regierungszeit noch kenne. Er sagt, jetzt dürfe man keine Jahresvergleiche und keine Vormonatsvergleiche, sondern jetzt müsse man Halbjahresvergleiche machen. Wenn man das dann mit dem September 1982 vergleiche, dann, so sagt der Herr Wirtschaftsminister, sehe das Bild wieder besser aus. Wer so herumtrickst, wird die Probleme am Arbeitsmarkt, in der Beschäftigungspolitik nicht lösen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Kollege Roth, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kittelmann?

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte, wenn es sein muß.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben aber nur noch eine Minute Redezeit.

Peter Kittelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001106, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kollege Roth, wären Sie bereit, genauso die Unterstellung Ihres Kollegen Jens zu werten, daß die CDU/CSU bewußt einen Satz von Arbeitslosigkeit zur Disziplinierung in Kauf nehme, was mindestens eine ebenso starke, wenn nicht noch eine stärkere Unterstellung ist, die nicht gerade zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit beiträgt!

Wolfgang Roth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001891, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe den Satz gehört, und in Kenntnis von Herrn Jens, dessen politische Fairneß Sie aus dem Wirtschaftsausschuß kennen, glaube ich, daß er selbst sagen wird, er habe sich an der Stelle unglücklich ausgedrückt. ({0}) Ich halte derartige Unterstellungen für falsch. Ich glaube, Ihre wirtschaftspolitischen Überlegungen in der Beschäftigungspolitik sind grundfalsch und führen in der Tat zu mehr Arbeitslosigkeit. Aber ich unterstelle Ihnen das Motiv nicht. Das wäre ja schrecklich. Meine Damen und Herren, eine letzte Bemerkung zu beschäftigungsorientierten Programmen. Wir bestehen so sehr darauf, weil die Erfahrung positiv war. Es ist nicht wahr, was hier von der CDU gegen die alte Koalition gesagt wird, daß diese Programme nicht gewirkt hätten. Nach der ersten Ölpreiskrise hatten wir in der Spitze 1,35 Millionen Arbeitslose. Das hielt sich sehr lange auf einem hohen Sockel. Mit dem Beginn des Zukunftsinvestitionsprogramms und seiner Wirkung bekamen wir eine Reduzierung der Arbeitslosenzahl auf 850 000. Immerhin sind 500 000 Beschäftigte hinzugekommen. Das war ein Erfolg. Ich finde es traurig, daß man dann nach der Wahl 1980 wegen der dogmatischen Starre des Herrn Bundeswirtschaftsministers in der neuen Koalition keine aktive Beschäftigungspolitik mehr machen konnte. Das führte dann nicht zuletzt zum Zerbrechen dieser Koalition. Ich bin der Auffassung, Sie werden in zwei Jahren auf Beschäftigungsprogramme zurückkommen, wie Sie auch beim Wohnungsbauprogramm schon auf einen Vorschlag von der SPD-Fraktion vom April 1981 zurückgekommen sind. Ich prognostiziere das, und wir werden in zwei Jahren darüber diskutieren. - Vielen Dank für das Zuhören. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, das Jahresgutachten 1982/83 - Drucksache 9/2118 - und den Jahreswirtschaftsbericht 1983 - Drucksache 9/2400 - zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Wirtschaft und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Der Ältestenrat schlägt ferner vor, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/79 - Weltwirtschaftsgipfel in Williamsburg und Europäischer Rat in Stuttgart - zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Wirtschaft und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß, den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Zwischendurch möchte ich eine amtliche Mitteilung machen. Im interfraktionellen Einvernehmen wird vorgeschlagen, den Annahmeschlußtermin für die Fragen zu den Fragestunden der Sitzungswoche vom 20. Juni 1983 auf Donnerstag, den 16. Juni 1983, 11 Uhr, vorzuverlegen, weil der Freitag vor der genannten Sitzungswoche, der 17. Juni, ein gesetzlicher Feiertag ist. Ist das Haus mit dieser Abweichung von den Richtlinien einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist auch dies so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 bis 11 auf: 4. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Kosten der Gerichsvollzieher - Drucksache 10/60 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß 5. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof - Drucksache 10/61 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß ({0}) Ausschuß für Wirtschaft 6. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Verzicht auf Beglaubigung und über den Austausch von Personenstandsurkunden sowie über die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen - Drucksache 10/59 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß 7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Zusatzprotokollen vom 1. April 1982 zum Kooperationsabkommen vom 2. April 1980 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien sowie zum Abkommen vom 2. April 1980 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einerseits und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien andererseits im Anschluß an den Beitritt der Republik Griechenland zu den Europäischen Gemeinschaften - Drucksache 10/56 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft 8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 6. Mai 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Bangladesch über die Förde674 Vizepräsident Westphal rung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen - Drucksache 10/57 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({1}) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit 9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. November 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Republik Somalia über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen - Drucksache 10/58 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({2}) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit 10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 10. Mai 1979 über den Schutz von Schlachttieren - Drucksache 10/63 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. November 1979 über die Soziale Sicherheit der Rheinschiffer - Drucksache 10/62 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({3}) Ausschuß für Verkehr Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 10/60, 10/61, 10/59, 10/ 56, 10/57, 10/58, 10/63 und 10/62 an die Ausschüsse vor. Die Überweisungsvorschläge des Altestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen. Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: a) Beratung der Sammelübersicht 1 des Petitionsausschusses ({4}) über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 4. November 1980 bis 28. März 1983 eingegangenen Petitionen - Drucksache 10/87 - b) Beratung der Sammelübersicht 2 des Petitionsausschusses ({5}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 10/88 - c) Beratung der Sammelübersicht 3 des Petitionsausschusses ({6}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 10/91 Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses in den Sammelübersichten 1, 2 und 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Keine Gegenstimmen, Enthaltungen bei der Fraktion der GRÜNEN. Die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses sind damit angenommen. Meine Damen und Herren, wie sind am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 15. Juni 1983, 9 Uhr ein. Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende. Die Sitzung ist geschlossen.