Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde
- Drucksache 10/2544 Als ersten Geschäftsbereich behandeln wir den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Dr. Kinkel zur Verfügung, aber der Fragesteller, Dr. Hüsch, ist nicht da. Die Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Dr. Hüsch werden der Geschäftsordnung entsprechend behandelt. Es tut mir leid, Herr Dr. Kinkel.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Würzbach steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe zuerst die Fragen des Abgeordneten Jungmann auf - der auch nicht pünktlich eingetroffen ist. Also wird entsprechend der Geschäftsordnung verfahren.
Der Fragesteller der Frage 5, der Abgeordnete Heyenn, hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Der Abgeordnete Dr. Schwenk ({0}) ist da. Ich rufe Frage 6 des Abgeordneten Dr. Schwenk ({1}) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, zukünftig wieder verstärkt Bundeswehrobjekte durch zivile Bewachung zu sichern anstelle von militärischer Bewachung durch Wehrpflichtige?
Herr Staatssekretär, ich bitte um Beantwortung.
Herr Präsident! Herr Kollege Schwenk, die Bundesregierung wird zukünftig dort gewerbliche Bewachung für Bundeswehrobjekte einsetzen, wo dies zur Entlastung der Truppe wegen hoher Dienstzeitbelastung erforderlich ist. Entlastungsmaßnahmen können aber nur im Rahmen der Haushaltsmittel, die zur Verfügung stehen, realisiert werden. So wird für das Haushaltsjahr 1985 der Ansatz in diesem Bereich um 10 Millionen DM erhöht.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schwenk.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich muß um Entschuldigung bitten. Der letzte Satz ist akustisch hier nicht angekommen.
Ich sagte: Im Jahr 1985 werden wir diesen Ansatz um 10 Millionen DM erhöhen.
Danke schön.
Jetzt die Zusatzfrage: Hat sich nach den Berechnungen erwiesen, daß der Transport der militärischen Bewacher teurer ist als der Einsatz örtlicher ziviler Kräfte?
Solche Berechnungen liegen mir nicht vor, Herr Kollege. Ich muß aber darauf hinweisen, daß eine Vielzahl, viele Hunderte von zu bewachenden Objekten außerhalb der Kasernen liegen, in denen wir Soldaten untergebracht haben, und daß es ohne diese Transporte nicht geht. Anders ausgedrückt: Wir können nicht überall dort, wo wir unsere Soldaten, die Wache gehen sollen, zu fahren haben, zivile Wachen die dort untergebracht werden müßten, einsetzen.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schwenk.
({0})
Dann rufe ich Frage 7 des Abgeordneten Dr. Schwenk auf:
Kann die Bundesregierung sicherstellen, daß nur Bewachungsfirmen beauftragt werden, die für ihre Beschäftigten sämtliche sozialen Absicherungen für Krankheit und Invalidität erfüllen?
Nach der Verdingungsordnung für Leistungen, der auch für die Vergabe von Bewachungsaufträgen maßgeblichen bundeseinheitlichen Regelung, ist dies nicht möglich, Herr Kollege. Diese Vorschrift legt fest, daß im Vergabeverfahren nur auftragsbezogene Umstände - technische, funktionsbedingte Gesichtspunkte, Fol7950
gekosten usw. - zu berücksichtigen sind, nicht auftragsbezogene Gesichtspunkte. Dazu zählt auch die Einhaltung tarif- und arbeitsrechtlicher Regelungen. Sie dürfen als Kriterien bei der Wertung von Angeboten nicht herangezogen werden. Die Einhaltung der Tarifbestimmungen, die soziale Absicherung der Wachleute, ist Angelegenheit zwischen den Tarifparteien.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schwenk.
Kann diese Bestimmung nicht dahin gehend erweitert werden, daß auch die erst von mir und jetzt von Ihnen angesprochenen Bereiche besser abgesichert werden, weil oftmals nicht sichergestellt ist, daß seitens der Tarifvertragsparteien darauf genügend hingewirkt wird, weil ein Teil der Beschäftigten nicht organisiert ist und deshalb nicht immer sichergestellt ist, daß sie auch in der Lage sind, die ihnen zustehenden sozialen Forderungen durchzusetzen?
Herr Kollege, meine Antwort ist - als Wiederholung - nein. Hier geht es um tarifrechtliche Dinge, die nicht Einzug in die Verträge zu finden haben.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schwenk? - Nein.
Zusatzfrage des Abgeordneten Würtz.
Herr Staatssekretär, den humorvollen Begriff „Wach- und Schnarchgesellschaften" kennen Sie ja sicher. Deshalb möchte ich Sie fragen: Sehen Sie es als notwendig an, dazu beizutragen, daß in diesem Bereich nicht Herren eingesetzt werden, die über 70 Jahre alt sind?
Herr Kollege, ich kenne diesen Spitznamen, den Sie genannt haben. Er ist böse; er trifft nicht zu. Ich will Ihnen zwei, drei Zahlen nennen, die das sehr beredt widerlegen. Die Masse derer, die diese Gesellschaften beschäftigen, liegt im Alter zwischen 20 und 55 Jahren. Da gibt es sicher auch schon einige, die schnarchen. Aber das beziehen wir dann nicht nur auf dieses Gebiet, sondern auch auf andere Gebiete, wenn ich Ihre Bemerkung einmal aufnehmen darf.
Nun zu den Älteren. Von diesem Personal sind 18 % zwischen 56 und 60 Jahre alt. 9,5 % sind zwischen 60 und 65 Jahre alt.
Ich muß hier einen Gedanken hinzufügen. Ich kenne eine Menge dieser Männer, die Wache laufen. Das ist zum Teil in solchen Gegenden, Herr Kollege, in denen ein Arbeitsplatz wie Gold gehandelt wird. Wenn wir so darüber reden, wie es durch diese Bemerkung zum Ausdruck kam, tun wir nicht nur Unrecht an der betreffenden Person - auch in diesem Alter -, sondern wir reden auch über Arbeitsplätze, die zu den begehrtesten in diesen Gegenden gehören. Wir sollten dies gemeinsam nicht tun.
Zusatzfrage des Abgeordneten Berger.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die Ablösung früherer ziviler Wachen - z. B. Einpersonenwachen - durch militärischen Befehl oftmals Wachen eingerichtet wurden, bei denen mehrere Soldaten gleichzeitig zum Dienst herangezogen werden? Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß dies eine unnötige Mehrbelastung des militärischen Dienstes darstellt?
Wir sind dabei, Herr Kollege, diese Dinge, die leider so aufgewachsen sind, u. a. auch deshalb, weil - inzwischen gibt es darüber Übereinstimmung im Hause - törichterweise vor vier Jahren der Ansatz im Haushalt für zivile Wachen reduziert und nicht erhöht wurde -, zu ändern und diese Mehrbelastung für die Soldaten abzubauen.
Wir kommen zur Frage 8 des Abgeordneten Peter ({0}):
Sichert die Bundesregierung, daß beauftragte Firmen für die erforderliche Bewachung von Bundeswehrobjekten ausreichend viel Personal einstellen, um regelmäßige Überstundenleistung zu vermeiden?
Herr Kollege, die Planung des Personaleinsatzes bei der gewerblichen Bewachung ist Angelegenheit der beauftragten Unternehmen. Der Bundesregierung ist es aus rechtlichen Gründen verwehrt, in betriebliche Vorgänge einzugreifen und auf die Einhaltung tarif-und arbeitsrechtlicher Bestimmungen hinzuwirken. Dies ist, wie vorhin erwähnt, Aufgabe der Tarifparteien.
Zusatzfrage des Abgeordneten Peter.
Herr Staatssekretär, Sie sehen keine Möglichkeiten, von seiten der Bundesregierung nur solche Firmen zu beauftragen, bei denen diese Form der sozialrechtlichen Absicherung gewährleistet ist?
Herr Kollege, dies ist geprüft worden. Man ist zu dem Ergebnis gekommen, daß dies, nämlich ein direktes Eingreifen in die Tarifhoheit, der Bundesregierung aus rechtlichen Gründen nicht zusteht.
Keine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Peter. Dann eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schwenk.
Herr Staatssekretär, könnte es sein, daß sich die rechtlichen Prüfungen, die Sie angestellt und deren negatives Ergebnis Sie dargestellt haben, nur auf den Bereich der Bundeswehr als Auftraggeber beziehen, nicht aber auf andere behördliche Bereiche, die durchaus in der Lage sein könnten, zu überprüfen, ob von den Bewachungsfirmen oder Beauftragten ein Übermaß an Stunden verlangt und auch abgeleistet wird, was zu einer Überbelastung, aber auch zu einer sozialen Ungerechtigkeit führen könnte?
Herr Kollege, es ist nicht Angelegenheit der Bundesregierung, zu regeln, wieviel Stunden ein Arbeitnehmer in einer Organisation oder in einer Firma ableistet. Dies ist Angelegenheit der Tarifparteien. Ich glaube, daß sich dieses Institut der Trennung insgesamt bewährt hat.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir überein, daß es staatliche Organisationen gibt, die arbeitsrechtliche und gesetzliche Vorschriften zu überwachen haben und die unabhängig von den Regelungen der Tarifparteien in den Firmen kontrollieren, ob diese arbeitsrechtlichen Vorschriften eingehalten werden?
Herr Kollege, sicherlich wird dies kontrolliert, zur Kenntnis genommen und in geeigneter Art und Weise auch angesprochen. Aber wir reden hier darüber, ob dies Gegenstand des Vertrags sein kann. Hier ein klares Nein.
Zusatzfrage des Abgeordneten Immer.
Herr Staatssekretär, es ist wohl nicht auszuschließen, daß, wenn diese Firmen von den Bewachern Überstunden verlangen, die Sicherheit gefährdet sein kann. Müßte dann nicht doch der Auftraggeber überprüfen, ob weitere Überstunden zu einer Unsicherheit und zu einer Belastung führen?
Herr Kollege, was wir überwachen, ist das Einhalten der Aufträge dieser Firmen. Sie bekommen den Auftrag, bestimmte Zaunlängen, bestimmte Tore und ähnliches zu bewachen. Wie Sie dies tun, ob mit zwei Mann, mit vier Mann oder mit einem Mann mit einem Hund oder ähnlichem und ob der einzelne Mann dort 6, 6,5 oder 7 Stunden geht, obliegt der Firma.
({0})
Herr Abgeordneter Peter, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Können Sie einen Zusammenhang zwischen der Arbeitsbelastung, die möglicherweise von einer privaten Firma ihren Bediensteten zugemutet wird, und der Erfüllung der Aufgabe „Sicherstellung des Objekts" ausschließen oder zugestehen?
Herr Kollege, wenn Überprüfungen ergeben, daß die Firma dem gegebenen Auftrag nicht gerecht wird, dann wird der Vertrag, so wie es die Vorschriften vorschreiben, gekündigt und der Auftrag einer anderen Firma gegeben. Auf keinen Fall erfolgt eine Verlängerung. Völlig klar ist, daß der Auftrag erfüllt werden muß; aber wie er erfüllt wird, obliegt der Firma. Ich wiederhole dies.
Dann rufe ich Frage 9 des Abgeordneten Peter ({0}) auf:
Stellt die Bundesregierung sicher, daß die Bewachungsfirmen nur sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zwecks Bewachung abschließen und für die Beschäftigten ein Lohnniveau erreicht wird, das eine angemessene Lebensführung ohne Leistung zusätzlicher Überstunden ermöglicht?
Ich weiß nicht, ob da noch etwas zur Beantwortung enthalten ist.
Eine Reihe hat sich ergeben, Herr Präsident.
Die Bundesregierung kann dies aus den soeben vielfach zwischen uns ausgetauschten Gründen nicht im Vertrag regeln.
Zusatzfrage des Abgeordneten Peter.
Herr Staatssekretär, sind denn der Bundesregierung die Daten, die für die Beurteilung der Arbeitsverhältnisse der dort Bediensteten relevant sind, bekannt, und, wenn j a, sind Sie bereit, mir diese arbeits- und sozialrechtlichen Daten mitzuteilen?
Soweit dies unter der Überschrift „Datenschutz" zulässig ist, Herr Kollege - dies habe ich überprüfen zu lassen -, steht dem nichts im Wege.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, sind nicht die zu bewachenden Anlagen der Bundeswehr Eigentum der Bundesrepublik und zwingt nicht die Sozialpflichtigkeit des Eigentums dazu, daß man sich um die Vertragsverhältnisse doch ein bißchen mehr kümmert, als Sie das gerade beschrieben haben?
Herr Kollege, natürlich stehen die im Eigentum der Bundesrepublik, aber ich sehe den Widerspruch nicht, den Sie konstruieren. Die Beziehung zwischen Eigentum, Bewachung des Eigentums auf der einen Seite und Beachtung und Achtung des Tarifrechts auf der anderen Seite ist in meinen Augen kein Widerspruch.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schwenk.
Herr Staatssekretär, ganz konkret gefragt: Wenn es auffällig wird, daß eine Firma mit zuwenig Personal einen Auftrag annimmt, um im Wege von Überstunden oder mit zu geringen Löhnen den Auftrag zu erfüllen, ist es dann nicht Aufgabe der Bundesregierung, andere Kontrollinstanzen - wie das Gewerbeaufsichtsamt oder andere, die dafür in Frage kommen, zu bitten, zu ersuchen, zu beauftragen, das zu kontrollieren und dadurch eine Gesamtsozialkontrolle auszuüben?
Herr Kollege, wenn die Firma vor Vertragsabschluß nach einer
Überprüfung den Eindruck erweckt, daß sie den Auftrag, den sie übernehmen will, nicht erfüllen kann, dann wird ein solcher Vertrag nicht abgeschlossen. Ist ein solcher Vertrag abgeschlossen und zeigt die Firma, daß sie zuwenig Personal hat, um den Auftrag zu erfüllen, dann wird der Vertrag gekündigt.
Letzte Zusatzfrage zu diesem Thema. Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß die Sozialpflichtigkeit des Eigentums keine Sache von Tarifverträgen, sondern des Grundgesetzes, nämlich des Art. 14, ist, und ergibt sich aus dieser Verpflichtung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nicht auch für den Eigentümer eine Sozialverpflichtung gegenüber dem Personal, das auf seinem Eigentum eingesetzt wird?
Herr Kollege, in der Konstruktion, die Sie auch unter Rückgriff auf unser Grundgesetz hier aufgebaut haben, stimme ich Ihnen nicht zu. Der Kollege Sperling hat vorhin eine ähnliche Frage gestellt. Ich habe die Position klargemacht.
Die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Büchner ({0}) werden auf dessen Wunsch hin zur schriftlichen Beantwortung vorgesehen. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 12 des Abgeordneten Schlaga auf:
Kann die Bundesregierung die Auffassung von Oberstleutnant Richter vom Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr näher erläutern, der Anfang November 1984 vor dem Tempelherrenorden in Bad Nauheim über das Thema „Spionage" gesprochen hat und auf eine Frage, welche Gefahr denn Bundestagsabgeordnete für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen, erklärte: „Abgeordnete sind ein Kapitel für sich."?
Der von Ihnen genannte Offizier hatte seinen Vortrag als Privatperson gehalten und einleitend ausdrücklich auch darauf hingewiesen. Im Verlauf der anschließenden Diskussion wollte er auf eine entsprechende Frage mit dem von Ihnen zitierten Satz zum Ausdruck bringen, daß er nicht zu Fragen Stellung nehmen wolle, die Abgeordnete des Deutschen Bundestages betreffen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schlaga.
Herr Staatssekretär, ich habe Zeugen dafür - und würden Sie bereit sein, mir das abzunehmen? -, daß die Antwort so, wie hier ausgedruckt, geheißen hat: „Abgeordnete sind ein Kapitel für sich." Und teilen Sie denn in diesem Zusammenhang meine Auffassung - egal, ob ein Oberstleutnant, der als Oberstleutnant der Bundeswehr oder des Nachrichtendienstes öffentlich auftritt, dies als privaten Auftritt bezeichnet oder nicht -, daß dieser kaschierte Vorwurf in höchstem Grade unsauber und ähnlich bedrückend ist wie etwa derjenige gegenüber dem General Kießling, er sei homosexuell?
({0})
Herr Kollege, - Schlaga ({0}): Hier wird ein ganzes Haus als „Kapitel" betrachtet und abgetan.
Herr Kollege, ich glaube, daß Sie, aus welchen Gründen auch immer, bewußt oder auch unbewußt, versuchen, in diese Aussage etwas hineinzukonstruieren, was da überhaupt nicht hineingehört. Offiziere, Soldaten unserer Bundeswehr und die Meinungsfreiheit für sie, sich als Staatsbürger zu äußern, hat uns hier viele Male beschäftigt und spielt, wenn ich es richtig sehe, auch für die eine oder andere Frage nachher eine Rolle. Da muß man mal auf dieser Seite des Hauses und mal auf jener Seite des Hauses als Abgeordneter damit leben lernen, daß zuweilen die Grenze in eine Richtung hin ausgedehnt wird, wo man sie lieber etwas zurückgeschoben wüßte. Bei dem anderen freut man sich. Wir haben ähnliche Erlebnisse in Fragestunden sicherlich in dem Gefühl, das Sie hier beschreiben, schon gehabt.
Nun sagen Sie, Sie hätten Zeugen. Mir ist bei der Vorbereitung der Antwort folgendes berichtet worden. Nennen wir die Frage, die an den Oberstleutnant gestellt wurde, mal ganz. Da hieß es etwas länger, als Sie gefragt haben, was denn dieser Oberstleutnant im Zusammenhang mit Abgeordneten wie z. B. ... sage. Dann ist ein Kollege aus Ihrer Fraktion, der mit einer Ausländerin verheiratet ist, beim Namen genannt worden. Auf diese Frage hat der Oberstleutnant in Zivil als Privatmann gesagt: „Abgeordnete sind ein Kapitel für sich; dazu äußere ich mich nicht." Wenn Sie dies so hören, dann ist doch dies nichts Böses, sondern eine klare, in einer bestimmten Form mit Worten ausgedrückte, zurückhaltende Äußerung, daß er sich als Oberstleutnant über Abgeordnete des Parlaments nicht äußern will. Punkt!
({0})
Noch eine Frage des Abgeordneten Schlaga, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie widersprechen sich. Sie hatten am Anfang eine andere Aussage gemacht.
Herr Abgeordneter, ich bitte zu fragen.
Ich komme zur Frage. Entschuldigung, Herr Präsident. - Sie haben eine andere Aussage gemacht als die, die Sie jetzt eben aus der Presse zitiert haben, und das war die richtige. Sind Sie denn der Meinung, daß es nicht Grund für uns gibt, äußerst sensibel zu sein, was diesen Bereich der Vorwürfe anbetrifft?
({0})
Selbst wenn Sie darauf ausgehen, daß nur ein einziger angesprochen worden sei, dann ist doch die Antwort des Oberstleutnant Richter eine verallgemeinernde.
Herr Abgeordneter Schlaga, es geht hier nicht um eine Diskussion. Dies ist eine Fragestunde. Aber Sie haben noch eine Antwort zu erwarten.
Sensibel zu sein, Herr Kollege, rate ich uns allen gegenüber möglichst vielen Fragen.
({0})
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, sind Sie denn sicher, daß der betreffende Herr, der da als Privatperson eine Meinung äußerte, nicht dienstliches Wissen hatte, aus dem heraus er zu diesem Urteil kam?
(Berger [CDU/CSU]: Was heißt hier „der
betreffende Herr"?]
Herr Kollege, zum Glück spielt sich bei uns in der Demokratie die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit durch Inkaufnahme und Zugrundelegung von vielen, vielen, vielen Medien ab. Die Dinge, über die er gesprochen hat, können Sie in jedem Kiosk erwerben.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Heistermann.
Herr Staatssekretär, in welcher Form ist denn der Herr Richter eingeladen worden, als Vertreter des Nachrichtenamtes, als Bundeswehroffizier oder als Herr Richter, an dieser Veranstaltung teilzunehmen? Sind Sie in der Lage, uns die Einladung des Tempelherrenordens hier einmal zu übermitteln, um daraus erkennen zu können, in welcher Funktion er eingeladen worden ist, da zu sprechen?
Mir liegen darüber keine Erkenntnisse vor, Herr Kollege. Ich bin auch nicht gewillt, solche einzuholen. Jedermann darf von jeder hier zugelassenen Organisation - Verein, Verband und was immer Sie nehmen wollen - eingeladen werden. Ich sehe keinen Anlaß, nachzuforschen, ob das mündlich, schriftlich, telefonisch, an den Dienstsitz, an die Privatadresse oder sonstwohin erfolgt ist.
({0})
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, wenn das Wissen, das Herr Richter dort durch einen Vortrag verbreitet hat, an jedem Kiosk zu erhalten ist, frage ich mich, welchen Grund die Herren gehabt haben sollen, gerade Herrn Richter einzuladen. Können Sie vielleicht sagen, ob er für dieses Wissen, das am
Kiosk zu erhalten ist, auch noch ein Honorar bekommen hat
({0})
und, wenn j a, ob er sich die Genehmigung eingeholt hat, eine Nebentätigkeit auszuüben?
Herr Kollege, ich bin ganz sicher, daß Sie und viele Ihrer Kollegen - ich schließe mich hier auch persönlich ein - häufig Vorträge zu Themen halten, die, wenn ich bei der Formulierung bleibe, am Kiosk erworben werden können.
({0})
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Berger.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß, wenn in diesem Zusammenhang von einem Oberstleutnant der Bundeswehr die Rede ist, auch seine Titulierung als „der betreffende Herr" als despektierlich angesehen werden könnte?
({0})
Herr Kollege, dieses Spielchen sollten wir nicht fortsetzen. Ich habe an der Reaktion der Mehrheit der anwesenden Kollegen gemerkt, daß man die Sprache, um die es hier in dem ersten Punkt mit dem Wort „Kapitel" geht, inzwischen vielleicht doch ein bißchen anders einzuordnen bereit ist.
Ich habe zu dieser Frage noch zwei Fragesteller. Dann machen wir damit Schluß. Wir haben sogar noch eine weitere Frage dazu. Sie müssen bitte auch noch ein bißchen an die anderen Fragesteller denken.
({0})
Der nächste Fragesteller ist Herr Abgeordneter Peter.
Herr Staatssekretär, könnte es, wenn der angesprochene Oberstleutnant in der Versammlung im Zusammenhang mit den Abgeordneten von „Beeinflussungsagenten" sprach, die nicht von Strafe bedroht seien, sein, daß das besondere „Kapitel Abgeordnete" ein Kapitel in der Ausbildung der Offiziere nach den Richtlinien der Inneren Führung ist?
Herr Kollege, die von Ihnen eben genannten Äußerungen und die daraus gezogenen Folgerungen sind mir nicht bekannt. Ich kann darauf keine Antwort geben und es nicht bewerten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Broil.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, die andere Seite des Hauses davon zu unter7954
Broll
richten, daß ein Beamter und auch ein Soldat für Vortragstätigkeit keine Genehmigung einer Nebentätigkeit braucht, weil Vortragstätigkeit im Gesetz ausdrücklich als freie Tätigkeit ausgenommen ist?
Herr Kollege, ich bedanke mich, daß Sie darauf noch einmal hinweisen. Ich bin auf die Frage des Kollegen Jungmann hierauf nicht eingegangen, da dies jedermann, der sich damit beschäftigt, seit Jahren völlig klar ist; denn es ist im Gesetz geregelt.
Es ist immer gut, jemanden zu haben, der vom Beamtenrecht etwas versteht. Aber Dreiecksfragen sind hier eigentlich nicht erlaubt.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Schlaga auf:
Kann die Bundesregierung weiterhin exakt darlegen, was Oberstleutnant Richter ({0}) gemeint hat, wonach von der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren die Aktivität der benachbarten Nachrichtendienste unterschätzt worden sei?
Die Auffassung, daß die Aktivitäten benachbarter Nachrichtendienste - gemeint waren solche des Warschauer Pakts - von der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren unterschätzt worden seien, hat der Offizier von Äußerungen und Veröffentlichungen im Zusammenhang mit dem Übertritt eines Offiziers des Ministeriums für Sicherheit aus der DDR abgeleitet. Hier waren vor allem die Aktivitäten von Warschauer-Pakt-Nachrichtendiensten auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Industriespionage gemeint, die uns, Herr Kollege, j a gerade in den letzten Wochen in den verschiedenen Ausschüssen leider haben beschäftigen müssen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schlaga.
Können Sie bitte noch hinzufügen, welcher Zeitraum da gemeint gewesen sein könnte?
Das kann ich nicht, Herr Kollege.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, Sie haben im Zusammenhang mit der Beantwortung dieser Frage auf einen Fall hingewiesen, der uns in der letzten Zeit beschäftigt hat. Wenn ich mir dazu die Äußerungen der Bundesregierung und des Generalbundesanwalts in einer Sitzung des Verteidigungsausschusses vor Augen führe, dann komme ich in der Bewertung der Art des Falles und seiner Auswirkung bei Übernahme Ihrer Bewertung zu einer ganz anderen Einschätzung; denn die ist gar nicht so groß.
Das müssen wir hier nun allmählich eingeübt haben, daß in einer Fragestunde Fragen gestellt werden. Diskussionen finden in diesem Hause zu anderen Zeiten statt. Nun ist es zur Stellung einer weiteren Frage zu spät.
Wir kommen zu Frage 14 des Abgeordneten Würtz:
Wie bewertet der Bundesminister der Verteidigung die zunehmenden Probleme der aus der Bundeswehr ausscheidenden Zeitsoldaten bei deren Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß, und welche konkreten Maßnahmen zur Verbesserung dieser schwierigen Situation hat er getroffen?
Herr Kollege Würtz, wir sind daran interessiert und haben dafür seit Jahren die entsprechenden Regelungen getroffen - diese werden ständig verbessert, und zwar im Hinblick auf die vor uns liegende Zeit aus den gemeinsam bekannten Gründen erheblich verbessert -, einen reibungslosen Eingliederungsprozeß nach Ausscheiden aus der Bundeswehr in Zivilberufe zu ermöglichen. Dies gebietet u. a. natürlich die Fürsorgepflicht, aber auch die Attraktivität, um möglichst viele freiwillige Bewerber für diese Laufbahn zu bekommen. Es kommt uns darauf an, daß der Berufsförderungsdienst unseren Soldaten ein möglichst breites Angebot mit vielen Berufen unterbreitet, die auf dem Markt eine gute Chance haben. Und hier sind die Erfolge, Herr Kollege, erfreulich. Es gibt nur sehr wenige Soldaten, die nach einer längeren Dienstzeit aus der Bundeswehr ausscheiden und nicht oder nicht sofort Eingang in einen zivilen Beruf finden. Um dies noch zu verbessern, haben wir, fürs kommende Jahr wirksam werdend, eine Reihe von Haushaltsansätzen erhöht, um hier die Förderungsmöglichkeiten auch finanziell zu steigern.
Zusatzfrage des Abgeordneten Würtz.
Herr Staatssekretär, da ich in Ihrer Antwort den Hinweis auf das schon zugesagte Entwicklungshelfermodell vermisse, möchte ich Sie fragen, ob Sie diese wichtige sozialpolitische Maßnahme zugunsten der Zeitsoldaten aufgegeben haben.
Meine Antwort ist: Nein. Wir sind hier mit den dafür zuständigen Ministerien, nicht zuletzt dem Finanzministerium, aber auch dem Arbeitsministerium, noch in Gesprächen. Wir verfolgen eine Lösung der Absicherung. Eines der Modelle, die in Frage kommen, ist das von Ihnen genannte.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Würtz.
Herr Staatssekretär, Sie haben hier in der Fragestunde dem Kollegen Leonhart vor einiger Zeit zugesagt, Sie hätten die Absicht, dieses Entwicklungshelfermodell in Kürze einzuführen. Jetzt hätte ich gern etwas über Ihre Zeitvorstellungen gewußt.
Herr Kollege, Sie wissen, daß die Haushaltsberatungen für 1985 abgeschlossen sind. Wir haben dort entsprechende FiParl. Staatssekretär Würzbach
nanzmittel eingesetzt, um in einem ersten Schritt, bei Einigung auch noch nachbessernd für 1985, ähnliche gesetzliche Maßnahmen einleiten zu können.
Zusatzfrage des Abgeordneten Berger.
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hause noch einmal mitteilen, welche Schwierigkeiten sich bislang etwa bei der Verwirklichung dieses Vorhabens des Entwicklungshelfermodells gezeigt haben?
Die hauptsächlichen Schwierigkeiten sind, daß das Entwicklungshelfermodell etwa das Zwei- bis Dreifache von dem Finanzvolumen kostet, was andere Modelle kosten. Wir wollen ein Modell einführen, wo wirklich ein garantierter Schutz für jeden entlassenen Zeitsoldaten entsteht. Wir sind bereit, hierzu aus unserem Einzelplan 14 die nötigen Finanzen einzusetzen. Wir hoffen, daß eine Einigung in dieser Richtung mit dem Finanzminister erzielt werden kann.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, wenn das so ist, wie wäre es dann mit einer wirklich tiefgreifenden Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst, so daß auch die Zivilverwaltung der Bundeswehr in der Lage wäre, ausscheidende Zeitsoldaten zusätzlich einzustellen?
Lassen wir die Spielchen mit der Arbeitszeit, Herr Kollege - Pardon, wenn ich sage „Spielchen" -, mal weg. Es gibt eine Anweisung, daß die zivile Verwaltung unserer Bundeswehr ausscheidende Soldaten bei gleicher Eignung vorrangig einstellt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Heistermann.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Bemerkung aufgreifen, daß fast alle Zeitsoldaten nach ihrem Ausscheiden wieder in das Arbeitsleben eingegliedert worden sind. Können Sie die Prozentzahlen sagen? Und können Sie mir ausführen, was mit denen geschehen ist, die nicht wieder eingegliedert sind? Sind sie der Sozialhilfe anheimgefallen? Oder welches soziale Netz haben Sie für diese Soldaten vorgesehen?
Herr Kollege, zur Zeit ist dies noch so, wie Sie es bestehen hatten und wir es noch bestehen haben, daß diese kleine Gruppe - zum Glück nur kleine Gruppe - leider auf die Sozialhilfe angewiesen ist. Das wollen wir reparieren. Das war Gegenstand der Fragen jetzt eben.
Zum ersten Teil Ihrer Frage: Es scheiden jährlich aus der Bundeswehr 220 000 Zeitsoldaten und Wehrpflichtige aus. Bei den ausscheidenden Soldaten haben wir eine Arbeitslosenquote von 3,7 %. Sie verstehen, daß ich sagte: Wir freuen uns darüber, daß sie so niedrig ist. Von allen arbeitslos gemeldeten ehemaligen Soldaten waren 42,9 % weniger als drei Monate arbeitslos. Bei allen Arbeitslosen sonst liegt dieser Anteil bei 29,1 %.
Ich schiebe auf Ihre Frage nach Zahlen gern zwei oder drei Zahlen nach. Insgesamt haben wir in der Bundeswehr bisher 257 300 Fachausbildungen durchgeführt: Meisterausbildungen 41000, Ingenieur-Ausbildungen 11 000. Das ist eine stolze Bilanz des Berufsförderungsdienstes der Bundeswehr.
Zusatzfrage des Abgeordneten Peter ({0}).
Herr Staatssekretär, ist Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Sperling nach den Möglichkeiten der Arbeitszeitverkürzung so zu verstehen, daß im Verteidigungsministerium auch in Zukunft die Möglichkeit zu einer Chancenverbesserung für aus dem Dienst ausscheidende Zeitsoldaten durch Arbeitszeitverkürzung nicht geprüft wird und ausscheidet?
Nach Prüfung ausscheidet, Herr Kollege, und nach Prüfung ausgeschieden ist.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie im Interesse der arbeitslosen Soldaten bereit, dem Deutschen Bundestag, der Öffentlichkeit und damit den Zeitsoldaten mitzuteilen, welche Wege der Bundesminister der Verteidigung gegangen ist, als er nach einer Meldung einer großen Boulevard-Zeitung einem Zeitsoldaten, der keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe hatte, ihm diese doch verschafft haben soll?
Herr Kollege, ich habe keine diesbezüglichen Meldungen aus irgendwelchen Tageszeitungen bekommen. Ich habe die Lage beschrieben, wie sie ist. Ich habe gesagt, wie viele Soldaten leider - wenn auch weniger, aber jeder ist einer zuviel - in dieser Lage stehen und was wir tun, um dies zu verbessern. Herr Kollege, ich hoffe, wir tun es gemeinsam.
Zusatzfrage des Abgeordneten Immer.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin die Zahl von 220 000 ausscheidenden Soldaten jährlich genannt; dabei waren Wehrpflichtige und Zeitsoldaten zusammengefaßt. Bezieht sich nun die von Ihnen genannte Prozentzahl der Arbeitslosen, die dann auf Sozialhilfe angewiesen sind, auf die gesamte Zahl, oder - danach ist gefragt worden - wie viele Zeitsoldaten müssen -isoliert betrachtet - der Sozialhilfe anheimfallen?
Diese Zahl bezieht sich auf alle, die jedes Jahr ausscheiden. Hier habe ich in der Tat - ich habe dies aber auch
betont - Zeitsoldaten und Wehrpflichtige zusammen genannt.
({0})
- Nach dem Gesetz haben sie eine Garantie. Sie wissen, daß die Garantie im Augenblick in manchen Bereichen in der Realität leider nicht überall greift.
Ich rufe Frage 15 des Abgeordneten Würtz auf:
Welcher Dienstvergehen ist der Oberleutnant Joachim Ludwig im Zusammenhang mit seiner Mitgliedschaft in der Partei DIE GRÜNEN und seinem Eintreten für die Ziele dieser Partei beschuldigt worden, und inwieweit mußten die Beschuldigungen, über die die Zeitung DIE ZEIT ({0}) berichtete, inzwischen fallengelassen werden?
Herr Kollege Würtz, Oberleutnant Ludwig ist wegen seiner Mitgliedschaft in der Partei DIE GRÜNEN keiner Dienstvergehen beschuldigt worden. Eine gegen ihn wegen angenommenen Verstoßes gegen das Soldatengesetz verhängte Disziplinmaßnahme ist durch Entscheid des Truppendienstgerichts Süd aufgehoben worden. Eine von dem Offizier eingelegte Beschwerde und weitere Beschwerden wegen der Aufhebung seiner Sicherheitsbescheide sind im Augenblick bei uns im Bundesministerium der Verteidigung zu bescheiden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Würtz.
Herr Staatssekretär, da Sie soeben zugegeben haben, daß diesem Offizier die Ermächtigung zum Umgang mit Verschlußsachen entzogen worden ist, und Sie im Augenblick über diese Frage zu entscheiden haben, hätte ich gerne gewußt: Welches sind denn die Gründe, ihm die Sicherheitsbescheide zu entziehen?
Herr Kollege, da wir im Augenblick darüber entscheiden - Sie kennen j a die Verordnung, das Gesetz -, werde ich in dem Stand des Verfahrens hier jetzt keine Mitteilung darüber machen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Würtz.
Herr Staatssekretär, ich hatte in meiner Frage den bewußten Artikel aus der „ZEIT" angesprochen. Dort ist ja nicht nur dieser Vorgang anhängig. Ich hätte von Ihnen gern einmal gewußt, ob Sie die Tatsachen, die in der „ZEIT" behauptet worden sind, so bestätigen können.
Herr Kollege, ich möchte zum einen in aller Klarheit feststellen: Behauptungen - wo auch immer sie abgedruckt sein mögen - sind noch nicht einklagbare Tatsachen; ich freue mich, daß wir darin übereinstimmen. Zum anderen habe ich mich an Ihre Frage gehalten und nicht andere Dinge, die aufgezeichnet sind, ebenfalls vorbereitend studiert.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schoppe.
Herr Staatssekretär, gibt es Fälle - wenn j a, wie viele sind es -, in denen Soldaten auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur grünen Partei zum Sicherheitsrisiko erklärt wurden?
Die gibt es nicht, Frau Kollegin. Das Soldatengesetz regelt dies eindeutig.
Zusatzfrage des Abgeordneten Sperling.
Herr Staatssekretär, können Sie ausschließen, daß das Schicksal, das hier in Frage steht, Mitgliedern der GRÜNEN bei der Bundeswehr eher droht, als wenn sie etwa Mitglieder der NPD wären?
Herr Kollege, sicherlich trägt jeder einzelne erheblich, ja vielleicht sogar ausschließlich dazu bei, besonders was die Beurteilung der direkten Kameraden, der direkten engeren Umgebung eines entsprechenden Soldaten - unabhängig vom Dienstgrad - angeht, was mit ihm geschieht. Dies gilt aber nicht nur für den Soldaten, sondern das gilt für alle politischen Bereiche.
Insgesamt schließe ich das, wonach Sie fragen, aus und weise noch einmal auf die Vorschriften, auf das Gesetz - in diesem Fall auf das Soldatengesetz - hin.
Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß Mitgliedern der GRÜNEN, aber auch der Sozialdemokratischen Partei in der Vergangenheit durch administrative Maßnahmen Sicherheitsbescheide entzogen worden sind und daß diese administrativen Maßnahmen auf dem Verwaltungsgerichtswege - bis hin zum Bundesverwaltungsgericht - durch Gerichtsentscheidung wieder aufgehoben worden sind?
Herr Kollege, in keinem Fall ist irgendeinem Mitglied einer demokratischen Partei wegen Zugehörigkeit zu dieser ein Sicherheitsbescheid entzogen worden.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Krizsan.
Herr Würzbach, könnten Sie uns einmal eine Liste derjenigen Ihrer Soldaten übermitteln, die wegen Mitgliedschaft bei den GRÜKrizsan
NEN irgendwelche dienstlichen Probleme gehabt haben?
({0})
Herr Kollege Krizsan, erstens führen wir solche Listen nicht und sind auch nicht gewillt, sie zu führen.
Zweitens wiederhole ich: Es gibt in der Bundeswehr keinen Soldaten, der wegen seiner Mitgliedschaft - nur wegen seiner Mitgliedschaft - in einer Partei soldatische, persönliche, im Truppendienst dienstrechtliche Probleme hat.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Berger.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß die GRÜNEN als Partei wie auch einzelne prominente Mitglieder dieser Partei erklärt haben, daß sie den Gesichtspunkten des Staatsschutzes nicht Rechnung tragen wollen?
Herr Kollege, dies ist sicherlich der Fall. Es gibt eine Reihe von aktuellen Geschehnissen, an denen sich Vertreter der GRÜNEN als Person, aber auch die gesamte Partei repräsentierend, beteiligen, die bei der Diskussion und dem Finden von Standpunkten in den Kasernen sicherlich Schlußfolgerungen der Art, nach der Sie fragen, mit sich bringen.
Ich sage noch einmal: Diese Dinge - bei allem Verständnis dafür, daß sie einen gewissen Einfluß haben - haben für das Verhalten eines Vorgesetzten gegenüber einem nachgeordneten Soldaten, der Mitglied bei den GRÜNEN ist, nicht Ausschlag zu geben.
({0})
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Reetz.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob Soldaten, die sich in Friedensinitiativen engagieren, mit besonderen Maßnahmen zu rechnen haben?
Frau Kollegin, jeder Soldat dient auch dem Frieden. Ich möchte diese Zweiteilung hier nicht gelten lassen.
({0})
Wenn das eine ordnungsgemäß ablaufende Angelegenheit ist, kenne ich keinen einzigen Fall, in dem ein Soldat deshalb Probleme hatte. Er darf nur nicht in Uniform an von Parteien veranstalteten Vorgängen teilnehmen. Auch dies regelt wieder das Gesetz. Egal, welche Partei es veranstaltet, er hat es in Zivil zu tun.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schlaga.
Herr Staatssekretär, wenn das, was der Kollege Berger vorhin an Vorfällen aufgezählt hat, die ihm bekannt sind und von Ihnen bestätigt worden sind, richtig ist: Was haben Sie dann mit jenen Soldaten unternommen, wenn Sie schon keine Listen geführt haben? Haben Sie Belehrungen vorgenommen, oder haben Sie das an sich völlig vorbeilaufen lassen?
Herr Kollege, wir haben, seitdem es die Bundeswehr gibt - ich wünschte, daß es immer so bleibt -, die Regelung, daß solche Dinge nicht im Ministerium geregelt werden, sondern daß der Vorgesetzte am Ort, in der Kompanie, in dem Bataillon - und dann eben der eine da unten anders als der nächste da oben - dies mit möglicherweise betroffenen Soldaten in direktem Gespräch tut und vom Ministerium nicht irgendein Erlaß - schematisch, über alle Probleme des Einzelfalls hinweg - herausgegeben wird. Diese Gespräche, Diskussionen, Unterhaltungen und vielleicht auch Belehrungen sollen unten, direkt am Geschehen stattfinden, soweit dies möglich ist.
Zusatzfrage des Abgeordneten Sauermilch.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen vorhin davon, daß das engere Umfeld des einzelnen Soldaten von großem Einfluß darauf ist, wie er später beurteilt wird. Muß man daraus schließen, daß es auch Benachteiligungen für Soldaten gibt, wenn sie z. B. der Partei DIE GRÜNEN angehören, Benachteiligungen, die nicht unmittelbar von der bürokratischen Karriere her gesehen werden müssen, sondern eher aus dem Umfeld heraus, in dem sie leben müssen?
Herr Kollege, ich habe in Verbindung mit dem Beschreiben des Umfeldes auch davon gesprochen, daß der entsprechende Mann selbst dieses Umfeld mit prägt, nicht nur das Umfeld ihn.
Was die militärische Beurteilung angeht, so gibt es da festgeschriebene Kriterien. Da urteilt der Chef, etwa der Kommandeur, und nicht einer aus dem Umfeld über die Qualität dieses Mannes und über die Laufbahnchancen.
Jetzt kommen wir zu Frage 16 der Abgeordneten Frau Steinhauer:
Ist die Bundesregierung auf Grund neuerer Erkenntnisse, die den Zusammenhang von Lärmbelästigung und gesundheitlicher Schädigung nachweisen, bereit, die Tiefflüge einzuschränken und insbesondere z. B. die Erholungsgebiete des Sieger- und Sauerlandes bei Tiefflügen auszusparen?
Frau Kollegin, die Bundesregierung ist sich bewußt, daß der Fluglärm eine Belastung für die Bevölkerung bedeutet. Daher wurde der Umfang der Tiefflüge durch ein ganzes Maßnahmenpaket bereits auf ein Mindestmaß gesenkt und der Fluglärm durch strikte flugbetriebli7958
che Einschränkungen, aber auch durch wirksame Luftraumstrukturverbesserung beträchtlich gemindert. Zusätzlich wird angestrebt, die Überflughäufigkeit durch ein verbessertes Verteilungssystem - wir haben ja schon öfter darüber geredet - noch weiter zu senken. Wir erreichen dadurch, daß nicht immer wieder die gleichen Räume sehr häufig überflogen werden, sondern daß dies breiter gefächert und entzerrt werden kann. Wichtig ist, daß wir mehr Raum für mehr Flüge nutzen, um die heute überbelasteten Räume dadurch etwas zu entlasten.
Ich muß auch hier noch einmal sagen, wir können auf das Fliegen, das Üben unserer Piloten, nicht verzichten.
Zusatzfrage, Abgeordnete Frau Steinhauer.
Herr Staatssekretär, inwieweit werden bei Ihren Überlegungen, die Belästigungen durch den Tiefflug einzuschränken, auch die Länder beteiligt, wenn ich auch unterstelle, daß Sie ja für die Tiefflugübungen verantwortlich sind? Ich gehe da sogar auf eine Anregung aus Bayern zurück.
Die Länder werden beteiligt und beteiligen sich äußerst rege, Frau Kollegin. Gerade das eben genannte Bundesland Bayern - ({0})
- Die Bundesländer beteiligen sich, sicherlich auch in beklagender Form, aber auch in konstruktiver, mitarbeitender Form, Wege zu suchen, um zu entzerren. Ich will hier nicht verhehlen, daß wir, wenn wir eine Überbelastung in einem bestimmten Gebiet - Sie fragen ja in Ihrer zweiten Frage auch nach einem bestimmten Gebiet - wegnehmen und in einen Bereich hinlegen, wo bisher nicht geflogen wurde, natürlich ganz gewaltige Reaktionen in sonst ruhigen Gebieten haben, die das wieder abschaffen wollen.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Frau Steinhauer.
Herr Staatssekretär, in einer von Ihnen herausgegebenen Information habe ich gelesen, daß Sie ein Gutachten in Auftrag gegeben haben, um einmal wissenschaftlich die Beeinträchtigungen der Gesundheit durch den Fluglärm zu erforschen. Kann ich erfahren, wie der Stand der Sache in dieser Angelegenheit ist?
Dieses Gutachten, Frau Kollegin, ist in Arbeit. Wir haben es deshalb in Auftrag gegeben, weil auch wir wissen, daß dieses Thema verständlicherweise immer mehr Bürger und die Abgeordneten beschäftigt und bisher auf diesem Gebiet in der Wissenschaft konkrete Ergebnisse nicht vorliegen.
Da, wie Sie sich denken können, amtierende Präsidenten öfter diese Frage bei Fragestunden miterleben, glaube ich, daß Sie einverstanden sein werden, wenn ich drei Zusatzfragen zulasse und dann zur nächsten Frage übergehe.
Herr Würtz ist der nächste.
Herr Staatssekretär, im Zusammenhang mit dieser Frage möchte ich Sie fragen, ob Sie daran denken, eine Fluglärmkonferenz in Norddeutschland durchzuführen?
Herr Kollege, diese Frage hatten Sie mir schriftlich gegeben. Sie haben die Antwort bekommen.
Und wir kriegen sie nicht.
Herr Krizsan ist der nächste.
Herr Würzbach, würden Sie mir darin zustimmen, daß die Lärmbelästigung nicht nur durch Flüge der Bundeswehr, sondern auch durch die der übrigen NATO-Partner erfolgt? Und was wollen Sie da unternehmen?
({0})
- Danke schön, Herr Kollege, diese Bemerkung richten Sie mal lieber an Ihren Staatssekretär. - Was wollen Sie unternehmen, um diese allgemeine Belästigung zu reduzieren?
Herr Kollege, wenn die NATO ihre Flugzeuge und die Piloten, die hier fliegen, abzieht, müßten wir sie leider durch deutsche ersetzen, um das Gegengewicht für die Abschreckung aufrechtzuerhalten. Mit „wir" meine ich alle hier stationierten und in diesem konkreten Fall fliegenden, übenden Alliierten, unsere Verbündeten. Wir müssen hier fliegen im Mindestmaß unter Rücksichtnahme auf die Bevölkerung soweit wie möglich bei diesem Kompromiß. Den Katalog kann ja jeder, der häufig hier teilnimmt, inzwischen auch aus dem Kopf auffächern mit dem Fliegen über der Ostsee und der Nordsee, dem Flugverbot zu bestimmten Tageszeiten und dem Ausklammern von bestimmten Städten ab einer gewissen Größenordnung und vielem Fliegen - 34 % - im Ausland usw. Ein Rest, Herr Kollege, bleibt. Ich weiß, daß dieser Rest die Bevölkerung belästigt.
Letzte Zusatzfrage hierzu vom Abgeordneten Berschkeit.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich die Feststellungen vieler Bürger, die sich auch mit meinen Feststellungen decken, daß die Belästigungen durch Tiefflüge in den letzten zwei Jahren enorm zugenommen haben?
Dies ist ein subjektives Empfinden, Herr Kollege.
({0})
- Ein subjektives Empfinden! - Beim Nachprüfen wird dies durch die Zahlen nicht erhärtet. Wir fliegen nicht mehr.
Jetzt kommen wir zur Frage 17 der Abgeordneten Frau Steinhauer:
Welchen konkreten Beitrag leistet das Kontrollsystem „Skyguard" bei der Verminderung des Tieffluglärms?
Frau Kollegin, das mobile Tiefflugsystem „Skyguard" zur Fluglärmminderung hat zwei Aufgaben. Einmal dient es dazu, laufend die Flugwege der Piloten zu überwachen, um festzuhalten, wo sich diese konzentrieren, wo besondere Schwerpunkte liegen. Aber es dient auch dazu - und das ist das zweite -, auf einen Meter genau die Höhe der Tiefflug üben sollenden Piloten zu ermitteln und das Kennzeichen des Flugzeuges festzuhalten - beides Kriterien, die kein anderes Gerät - übrigens quer durch die Welt - bisher so erfüllen kann. Damit tragen wir dazu bei, die Flugdisziplin auch dort, wo möglicherweise noch Verstöße vorkamen - insgesamt gehen wir davon aus, daß gerade unsere Piloten diszipliniert fliegen -, noch weiter zu verbessern.
Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Steinhauer.
Herr Staatssekretär, inwieweit werden ausländische Piloten über das „Skyguard"-Kontrollsystem informiert und wie wird überwacht, daß diese Vorgaben auch eingehalten werden?
Frau Kollegin, wir überwachen damit auch die hier fliegenden Flugzeuge unserer Verbündeten. Auf dem direkten Weg Inspekteur der Luftwaffe und entsprechender Ansprechpartner der Alliierten werden festgestellte Verstöße dort wie bei uns disziplinarisch geahndet; dies zum Teil mit drastischen Strafen wie Entzug des Flugzeugführerscheins und ähnliches.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schwenk.
Herr Staatssekretär, mit welcher Häufigkeit ist das Gerät eingesetzt worden, und wie oft ist es zum Nachweis von Verstößen gekommen?
Herr Kollege, dieses Gerät ist laufend im Einsatz. Etwa eine Woche brauchen wir jeweils für einen Raum, in dem dann Messungen durchgeführt werden. Dies erfolgt quer durch das Jahr. Eine Zusammenstellung der Verstöße liegt mir im Augenblick nicht vor.
({0})
Nein, Sie haben nur eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schwenk. Jetzt kommt der Abgeordnete Heistermann dran, der schon hinter Ihnen steht.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung ihre Bemühungen darauf ausrichten, daß die Mindestflughöhen europäisch einigermaßen gleichmäßig ausgerichtet werden, so daß wir bei den unterschiedlichen Belastungen der einzelnen Länder, wie sie sich heute auf Grund der Flugbewegungen noch ergeben, zumindest europäisch zu gleichen Belastungen kommen und daß nicht nationale Rechte mit - ich sage es einmal so - höhere Mindesthöhen vorschreiben, als dies etwa in der Bundesrepublik der Fall ist?
Wir sind im Augenblick mit unseren Nachbarstaaten dabei, in dieser Richtung eine Verbesserung und auch Entzerrung zu erreichen, Herr Kollege.
Frau Steinhauer, Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie meinem Kollegen Dr. Schwenk die Antwort nicht mehr gegeben haben oder nicht mehr geben konnten, frage ich Sie, ob Sie bereit wären, mir die Zahl der Verstöße gegen das Kontrollsystem bekanntzugeben? Wenn es heute nicht möglich ist, bitte schriftlich.
Ich bin dazu bereit. Ich weiß, daß die Zahl der Verstöße, gemessen an den überprüften Flugbewegungen, sehr niedrig ist. Ich muß die Zahlen aber zusammenstellen lassen.
Damit sind wir am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Würzbach für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Chory zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Fiebig auf:
Trifft die Behauptung zu, daß Bundeskanzler Kohl den Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit veranlaßt hat, auf die Entscheidung des Bundesgesundheitsamtes einzuwirken, die Gefahr der Kanzerogenität von Formaldehyd nicht wissenschaftlich aufzuklären, sondern diese Gefahr im kommerziellen Interesse des Hauptherstellers von Formaldehyd ({0}) zu negieren, wie in der Sendung „Monitor" des WDR Köln am 13. November 1984 behauptet worden ist?
Herr Abgeordneter, die Frage beantworte ich mit Nein. Die Behauptung in der Sendung „Monitor" ist ebenso unwahr wie unverantwortlich. Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat kurz nach der Sendung vom WDR eine Gegendarstellung verlangt und die Prüfung weiterer rechtlicher Schritte veranlaßt.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fiebig.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie auf Ehre und Gewissen: Haben Sie sich von dem
Inhalt Ihrer verneinenden Antwort selber überzeugt, oder haben Sie nur das vorgelesen, was man Ihnen anderenorts aufgeschrieben hat?
Herr Abgeordneter, ich kann die Frage genauso beantworten, wie Sie sie gestellt haben. Ich habe mich von der Richtigkeit meiner Antwort überzeugt. Dies gilt um so mehr, als in der Sendung „Monitor" behauptet worden ist, ich hätte eine Weisung gegeben, auf eine bestimmte Einstufung von Formaldehyd durch das Bundesgesundheitsamt hinzuwirken. Ich kann hier erklären, daß ich das nie getan habe, auch keine Beamten in dem Ministerium, die damit befaßt sind, schon gar nicht der Minister und erst recht nicht der Herr Bundeskanzler.
Zusatzfrage des Abgeordneten Fiebig.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie noch einmal auf Ehre und Gewissen:
({0})
Sind Sie sich bei Ihrer Antwort der Tatsache bewußt gewesen, daß im Landtag Rheinland-Pfalz ein Untersuchungsausschuß die Verbindungen von Industrie und Politik durchleuchten wird und unter Umständen die Wahrheit über die Verbindung von BASF-Ludwigshafen und Bundesregierung zutage treten wird, während sie heute noch verschleiert wird?
({1})
Herr Abgeordneter, ich kann nur wiederholen: Ich sage selbstverständlich die Wahrheit. Ich brauche keinen Untersuchungsausschuß in einem Bundesland, um zu wissen, was ich selber veranlaßt habe, und um zu wissen,
({0})
was mir die Beamten sowohl im Ministerium als auch beim Bundesgesundheitsamt erklärt haben.
Die Erklärungen sind sämtlich übereinstimmend: Es gibt keinerlei Einflußnahme auf die Bewertung von Formaldehyd durch das Bundesgesundheitsamt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Duve.
Herr Staatssekretär, Sie haben das eben wiederholt. Man kennt Sie nicht genug, um Mißtrauen in Ihre Antwort setzen zu können, aber - ({0})
Herr Abgeordneter Duve, Sie müssen Fragen stellen, dürfen keine Bewertungen vornehmen.
({0})
Ich bin dabei, eine Frage zu stellen, Herr Präsident.
Können Sie ausschließen, daß es ein Schreiben aus Ihrem Hause vom 5. Juni 1984 gibt, in dem der Regierungsdirektor Dr. Schlottmann ganz eindeutige Anweisungen zur Behandlung der Endfassung des Berichtes gegeben hat?
Herr Abgeordneter, es gibt ein Schreiben des Regierungsdirektors Dr. Schlottmann an das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung und an das Bundesministerium des Innern. Dieses Schreiben ist eine Antwort auf ein Schreiben, das von einem anderen Ressort an uns gerichtet worden ist. Es enthält keine Weisung. Ein Ressort kann ja dem anderen keine Weisung erteilen. Es ist schon gar nicht an das Bundesgesundheitsamt gerichtet. Es enthält auch von seinem Inhalt her keinerlei Dinge, die in die von Ihnen behauptete Richtung gehen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jannsen.
Herr Staatssekretär, sind Sie sicher, daß die von der Sendung „Monitor" erhobenen Vorwürfe von den dort recherchierenden Journalisten nicht bewiesen werden können?
Ich bin absolut sicher.
Zusatzfrage des Abgeordneten Repnik.
Herr Staatssekretär, können Sie sich erklären, wie ein Schreiben Ihres Hauses - offensichtlich ein Dienstvorgang, der dem Datenschutz unterliegt - dem Herrn Abgeordneten Duve zur Kenntnis kommen konnte?
({0})
Der Abgeordnete hat gefragt. Der Staatssekretär ist dran zu antworten.
Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, wie dieses Schreiben an den Herrn Abgeordneten Duve gelangt ist. Deshalb kann ich es mir nicht erklären. Ich weiß, Herr Abgeordneter, es geht um das Schreiben, das der Regierungsdirektor Schlottmann unterschrieben hat, ein Schreiben vom 5. Juni.
({0})
Wenn es der Abgeordnete hat, kann ich nur sagen: Es entspricht nicht einer geordneten Verwaltung, daß Schreiben, die in die Akten gehören, irgendwo in der Gegend herumfliegen.
({1})
Ich glaube allerdings nicht, daß es aus dem Ministerium in andere Hände gekommen ist.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, können Sie uns denn mitteilen, mit welchem geharnischten Protest die jeweils durch die BASF oder Mitarbeiter der BASF befaßten Mitglieder der Bundesregierung das Ansinnen zurückgewiesen haben, Einfluß zu nehmen?
({0})
Die BASF hat, wie das bei der Vorbereitung solcher Entscheidungen ist, ihre Meinung dargelegt, wie das andere genauso tun. Daraufhin haben wir sachlich geantwortet und in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, daß die Entscheidung dadurch präjudiziert werden könnte. Dadurch ist auch überhaupt nichts in Gang gesetzt worden, sondern das Schreiben ist, wie alle anderen Schreiben auch, sachlich beantwortet worden.
Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Fiebig auf:
Hat in diesem Zusammenhang der Präsident des Bundesgesundheitsamtes, Professor Überla, auf die Beamten des Bundesgesundheitsamtes eingewirkt, Ergebnisse von Tierversuchen mit Formaldehyd aus den USA, die die Kanzerogenität bestätigen, nicht zu berücksichtigen?
Herr Abgeordneter, die Frage beantworte ich ebenfalls mit Nein. Es gab keine Einwirkung des Präsidenten auf Mitarbeiter des Bundesgesundheitsamts, irgendwelche Ergebnisse von Tierversuchen zur Kanzerogenität von Formaldehyd nicht zu berücksichtigen. Der Präsident hat vielmehr darauf hingewirkt, daß alle verfügbaren Informationen einschließlich denen über die derzeit bekannten Tierversuche, insbesondere die aus den USA, bei der Beurteilung berücksichtigt wurden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Fiebig.
Herr Staatssekretär, hat das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit diese Antwort selbständig formuliert, oder hat nicht vielmehr das Bundeskanzleramt mit Pressionen Ihre Antwort bewirkt?
Herr Abgeordneter, die Antwort habe ich selber formuliert - und ohne Pressionen durch irgend jemanden.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Fiebig.
Was gedenkt die Bundesregierung in Zukunft zu tun, um Formaldehyd abseits aller politischen Einflußnahmen rein wissenschaftlich untersuchen zu lassen?
Die Bundesregierung hat Formaldehyd untersuchen lassen, und zwar durch die drei dafür zuständigen Bundesoberbehörden. Weitere Bundesbehörden und der Vorsitzende der
Senatskommission für die Einstufung von Arbeitsstoffen sind beteiligt worden. Das ist geschehen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Duve.
Herr Staatssekretär, bei dieser Angelegenheit handelt es sich nicht um eine spaßige, sondern um eine außerordentlich ernste, nämlich die einer möglichen Einwirkung der Politik auf wissenschaftlichen Befund; deshalb frage ich Sie jetzt noch einmal: Können Sie hier bestätigen, daß es vor Ihren Antworten hier heute in der Fragestunde keinerlei - so, wie Sie es eben gesagt haben - Abstimmung der verschiedenen Häuser und auch des Bundeskanzleramtes hinsichtlich der Art und Weise, wie Sie hier antworten, gegeben hat?
({0})
Jetzt wird der Herr Staatssekretär antworten. Herr Pfeffermann, Ihre Zwischenrufe sind zwar erlaubt, aber Sie müssen sie als Zusatzfrage vorbringen, wenn sie beantwortet werden sollen.
Ich habe die Antwort selber formuliert. Sie ist im Bundeskanzleramt bekannt. Aber von dort ist überhaupt nichts in Richtung auf eine Änderung oder so veranlaßt worden.
({0})
Zusatzfrage des Abgeordneten Pfeffermann.
Herr Staatssekretär, würde dies denn überhaupt etwas am Sachvorgang ändern, und sind Sie nicht gehalten, grundsätzlich in Fragestunden des Deutschen Bundestages nicht nur Ihre persönliche Meinung, sondern die Meinung der Bundesregierung bekanntzugeben?
Ich halte das für selbstverständlich. Und das habe ich hier auch getan.
({0})
Ich rufe jetzt Frage 20 des Abgeordneten Austermann auf.
Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß bei der Zugrundelegung des Einkommens für die Berechnung der Höhe des Kindergeldes Zuschüsse nach § 7 b, die nach der Zahl der Kinder bemessen werden ({0}) einerseits einkommenssteigernd berücksichtigt werden, aber andererseits zu Abschlägen beim Kindergeld führen?
Herr Staatssekretär, bitte zur Antwort.
Herr Abgeordneter, die von Ihnen dargestellten Folgen sind in einem Sozialleistungssystem, das an ca. acht Millionen Eltern Kindergeld zahlt und dies mit der gebotenen Schnelligkeit und ohne übermäßigen Verwaltungs7962
aufwand nur mittels stark typisierender Vorschriften schaffen kann, vertretbar. Die Bundesregierung prüft jedoch, ob sich im Zusammenhang mit der für 1986 geplanten Neuordnung des Familienlastenausgleichs eine andere sachgerechte und praktikable Regelung finden läßt, die die von Ihnen dargestellten Folgen vermeidet oder mildert.
Zusatzfrage des Abgeordneten Austermann.
Nein, ich bedanke mich.
Dann rufe ich die Frage 21 der Frau Abgeordneten Weyel auf:
Weshalb hat die Bundesregierung von der Ermächtigung nach § 11 Weingesetz noch keinen Gebrauch gemacht, ein besonderes Kennzeichen einzuführen, um die Kontrolle wirksam zu verbessern?
Frau Abgeordnete, die Einführung des Kontrollzeichens erfordert die sorgfältige Prüfung aller Umstände, damit der angestrebte Kontrolleffekt erreicht wird, ohne die Betriebe und die Verwaltung unnötig zu belasten. Die Vorbereitungen für die erforderliche Rechtsverordnung laufen, konnten jedoch auch deshalb noch nicht abgeschlossen werden, weil im Zusammenhang mit der Einführung einer wirksameren Hektar-Höchstertrags-Regelung von seiten der Weinwirtschaft gefordert worden ist, auch die Tafelweine in die Kontrollzeichenvorschrift einzubeziehen. Hierzu bedarf es zunächst einer Änderung des Weingesetzes, weil die geltende Ermächtigung nur Kontrollzeichen für Qualitätsweine bestimmter Anbaugebiete zuläßt.
Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Weyel.
Halten Sie es nicht für richtiger, dann erst einmal das zu tun, was das Gesetz zuläßt, das auszuprobieren, und dann zu überlegen, ob man nicht vielleicht das Gesetz ändern sollte?
Frau Abgeordnete, die Überlegungen und Vorbereitungen für eine entsprechende Gesetzesänderung sind relativ weit fortgeschritten, so daß ich davon ausgehe, daß es dadurch keine Verzögerung gibt. Es ist j a wichtig, ein Instrument zu bekommen, das auch die Praktizierung der Hektarhöchstertragsregelung ermöglicht.
Weitere Zusatzfrage, Frau Weyel.
Ist der Bundesregierung bewußt, daß vor allem die neuen Anmeldevorschriften den Winzern und den Kellereibetrieben ohnehin eine ganze Menge an bürokratischer Mehrarbeit auferlegen und daß die Ausgabe eines solchen Kennzeichens dann in einem Zuge zu vollziehen wäre?
Frau Abgeordnete, die Ausgestaltung der Formulare beruht auf EG-Vorschriften. Sie ist in dieser Form nicht zu vermeiden. Ich bin aber der Meinung - das drückt sich auch in dem Anliegen der Weinwirtschaft aus -, daß es vorgezogen wird, Kontrollzeichen einzuführen, die dann gleich insgesamt und nicht nur auf Qualitätsweine beschränkt gelten.
Wir kommen zur nächsten Frage der Abgeordneten Frau Weyel, Frage 22:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß das besondere Kennzeichen vor allem die neuen EG-Bestimmungen über die Ernte- und Bestandsmeldungen ergänzen könnte, die ab Herbst 1984 angewendet werden?
Frau Abgeordnete, die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß das Kontrollzeichen auch die mit den neuen Vorschriften über Ernte- und Bestandsmeldungen verfolgten marktordnerischen Ziele ergänzen könnte.
Zusatzfrage, Frau Weyel.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß es gerade angesichts der derzeitigen Diskussion um Weinmengen und um Qualität deutscher Weine dem Verbraucher leichter gemacht werden sollte, beim Einkauf den deutschen Qualitätswein zu erkennen?
Das, Frau Abgeordnete, soll unter anderem auch das Kontrollzeichen erfüllen.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte schön.
Dann frage ich Sie noch einmal, warum Sie mit aller Gewalt die Einführung des Kontrollzeichens für den Qualitätswein hinausschieben, um es auch für den Tafelwein einzuführen, bei dem gerade wiederum der deutsche Wein gegenüber der Massenproduktion im übrigen EG-Bereich nicht besonders vorteilhaft abschneidet?
Frau Abgeordnete, das Kontrollzeichen ist gerade bei den Tafelweinen besonders notwendig. Deshalb halten wir es für richtig, die Regelung gleich darauf auszudehnen und damit auch gleich den anderen Effekt zu erreichen, nämlich die Hektarhöchstertragsregelung zu ermöglichen.
Jetzt kommen wir zur Frage 23 der Abgeordneten Frau Schoppe:
Welche gesundheitlichen Risiken sind nach einer Stellungnahme, die das Bundesgesundheitsamt der Landesregierung von Baden-Württemberg gegenüber abgegeben haben soll, in Rheinfelden infolge der Umweltbelastung mit Dioxinen und Furanen durch die Pentachlorphenolproduktion der Firma Dynamit Nobel zu erwarten, und welche Position nimmt das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit dazu ein?
Frau Abgeordnete, das Bundesgesundheitsamt hat gegenüber der Landesregierung von Baden-Württemberg keine Stellungnahme zu gesundheitlichen Risiken infolge der Umweltbelastung mit Polychlordibenzodioxinen und -furanen durch die PentachlorphenolprodukStaatssekretär Chory
tion der Firma Dynamit Nobel AG in Rheinfelden abgegeben.
Jedoch hat in einer Anhörung des Landtages von Baden-Württemberg am 1. Oktober 1984 ein Mitarbeiter des Bundesgesundheitsamtes zu dem Komplex Pentachlorphenolproduktion und Gesundheitsgefährdung, Fragen beantwortet. Dabei wurde zum Ausdruck gebracht, daß auf der Grundlage der vorliegenden Expositionsdaten eine akute Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung durch die Pentachlorphenolproduktion der Dynamit Nobel nicht angenommen werden kann. Eine gesundheitliche Gefährdung kann aber für die Bevölkerung auch zukünftig nur ausgeschlossen werden, wenn bei der Anwendung die Sicherheitsratschläge beachtet werden und wenn eine gefahrlose Deponierung der technisch unvermeidbaren Produktionsrückstände vorgenommen wird und hierzu eine ständige Deponiekontrolle, z. B. der Sickerwässer, erfolgt.
Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat im Rahmen der Gefahrstoffverordnung, die zur Zeit beraten wird, Regelungen zu Polyhalogendibenzodioxinen und -furanen vorgesehen.
Zusatzfrage, Frau
Schoppe.
Herr Staatssekretär, es ist Ihnen ja sicher bekannt, daß es einen Bundesverband der Holzschutzmittelgeschädigten gibt. Dynamit Nobel stellt diese Holzschutzmittel her. Einige dieser Geschädigten haben auf eigene Kosten Untersuchungen durchführen lassen. Sie haben untersuchen lassen, ob sich Dioxine und Furane im Blut, im Urin und im Fettgewebe befinden. Diese Untersuchungen sind sehr teuer. Warum unternimmt das Bundesgesundheitsamt keine Vorkehrungen, diese Untersuchungen kostenlos zu übernehmen?
Frau Abgeordnete, das Bundesgesundheitsamt beschäftigt sich mit dieser Frage seit Jahren und hat auch in diese Untersuchungen selber Mittel investiert. Ich komme im übrigen auf diesen Punkt noch bei der Beantwortung der nächsten Frage zurück.
Weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schoppe.
Diese Dioxine und Furane entstehen nicht nur bei der Produktion, sondern sie befinden sich auch im Endprodukt. Warum kann sich die Bundesregierung nicht zu einem Totalverbot von Pentachlorphenol durchringen, obwohl ein ganzer Rattenschwanz ultragiftiger Dioxine und Furane, und zwar gerade in den Produkten von Dynamit Nobel, aufzufinden sind? Es gibt Untersuchungen, wonach in einem Kilogramm 1,3 g dieser Gifte festgestellt wurden.
Frau Abgeordnete, die Bundesregierung wird u. a. in der Gefahrstoffverordnung, von der ich vorhin gesprochen habe, die notwendigen Regelungen treffen, damit Beeinträchtigungen der Gesundheit vermieden werden. Es gibt dafür verschiedene Maßnahmen, die sich aber noch in der Beratung befinden.
Jetzt kommt eine Zusatzfrage des Abgeordneten Krizsan.
Herr Chory, ist der Bundesregierung bekannt, daß sich im Pentachlorphenol der Firma Dynamit Nobel zwei krebserzeugende Substanzen, nämlich Hexachlorbenzol und Hexachlordibenzodioxin, als Verunreinigungen befinden, und warum nimmt das Bundesgesundheitsamt hiervon keine Kenntnis?
Herr Abgeordneter, ich habe in meiner Antwort eben schon gesagt, daß zu diesen beiden Stoffen, nämlich zu den Dioxinen, die Sie genannt haben, und zu den Furanen, Regelungen getroffen werden, und zwar mit dem Ziel einer Verringerung um etwa 90 %.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jannsen.
Herr Staatssekretär, darf ich die Betonung des Wortes „akut" in Ihrer ersten Antwort so verstehen, daß latent Gesundheitsgefährdungen vorliegen?
Herr Abgeordneter, es geht um zwei Dinge. Es geht einmal um die Fabrik in Rheinfelden. Dazu habe ich hier die Feststellungen wiedergegeben, die der Sachverständige des Bundesgesundheitsamts bei der Anhörung im Landtag von Baden-Württemberg getroffen hat.
Was die Maßnahmen der Bundesregierung rechtsetzender Art betrifft, so werden wir die Exposition der Menschen so weit vermindern, daß nach menschlichem Ermessen keine Gefahr mehr für die Gesundheit der Menschen besteht. Deswegen wird auch ein Verbot in Innenräumen vorgesehen werden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Sauermilch.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen eine Expertise des Öko-Instituts in Freiburg über grenzüberschreitende Gesundheitsrisiken durch diese Dioxinfabrikation bei Dynamit Nobel in Rheinfelden bekannt? Wie gedenken Sie, auf die teils besorgniserregenden Ergebnisse dieses Instituts zu reagieren?
Herr Abgeordneter, die Untersuchung liegt dem Ministerium vor. Wir denken darauf - überhaupt auf dieses Problem - mit dem Erlaß der Gefahrstoffverordnung mit den darin enthaltenen Regelungen zu reagieren.
Wir kommen zur Frage 24 der Abgeordneten Frau Schoppe:
Welche Maßnahmen gegen die Dioxinchemikalie Pentachlorphenol hat das Bundesgesundheitsamt dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit bisher vorgeschlagen, insbesondere nach Bekanntwerden des hohen Anteils ultragiftiger und teils kanzerogener Dioxin- und Furan7964
Vizepräsident Westphal
isomeren im Handelsprodukt „Witophen P" der Firma Dynamit Nobel, des möglichen Zusammenhangs zwischen im Blut/Urin von Holzschutzmitteln-Geschädigten nachgewiesenen Dioxinen und Furanen und Gesundheitsschäden der Betroffenen und unter Einbeziehung neuester Erkenntnisse der US-Umweltbehörde?
Frau Abgeordnete, im Rahmen der gesundheitlichen Bewertung chemischer Produkte hat sich das Bundesgesundheitsamt um die wissenschaftliche Klärung der Frage bemüht, ob Pentachlorphenol in Holzschutzmitteln die Gesundheit beeinträchtigen kann. Ein ursächlicher Zusammenhang mit den vielfach geäußerten Beschwerden konnte wissenschaftlich bisher nicht nachgewiesen werden.
Die wiederholten Meldungen über bestimmte Gesundheitsstörungen nach Anwendung von pentachlorphenolhaltigen Holzschutzmitteln waren Anlaß zu der Empfehlung, Pentachlorphenol im chemischen Holzschutz zu substituieren.
Außerdem hat sich das Bundesgesundheitsamt dafür ausgesprochen, diese Produkte mit dem Sicherheitsratschlag S 52 „nicht großflächig für Wohn- und Aufenthaltsräume zu verwenden" zu kennzeichnen. Dies wurde in nahezu allen Bundesländern in das jeweilige Giftrecht übernommen. Im Rahmen der Beratungen des Anhangs VI. der 6. Änderungsrichtlinie wurde seitens der Bundesregierung innerhalb der EG der Sicherheitsratschlag S 52 eingebracht und durch die EG-Staaten Mitte 1983 angenommen. Dieser Sicherheitsratschlag wird im Rahmen der Gefahrstoffverordnung wiederum in nationales Recht umgesetzt. Dabei sieht der Entwurf der Gefahrstoffverordnung als nationaler Vorgriff auf eine angestrebte EG-Regelung die Anwendung dieses Sicherheitsratschlags auf PCP vor.
Darüber hinaus haben Maßnahmen wie das Sprüh- und Spritzverbot für mit einem Prüfzeichen versehene Holzschutzmittel sowie die Änderung der Holzschutznorm DIN 688 00 - beide vom Bundesgesundheitsamt gefördert - den Pentachlorphenol-Verbrauch in Holzschutzmitteln seit 1978/79 um über 90 % reduziert: Weitere Regelungen sieht die im Entwurf vorliegende Gefahrstoffverordnung vor.
Die Anwendung von Pentachlorphenol als biozider Wirkstoff soll in Innenräumen untersagt werden. PCP-haltige Zubereitungen sind von der Selbstbedienung ausgenommen. Sie sind darüber hinaus mit der Kennzeichnung „Vor Brand geschützt aufzubewahren" zu versehen, da im Brandfall Polychlordibenzodioxine und -furane entstehen können.
Zur Frage der von Pentachlorphenol in Holzschutzmitteln ausgehenden Gefahren hat das Bundesgesundheitsamt erklärt, daß dort nur ein Untersuchungsergebnis zu Rückständen an Polychlordibenzodioxinen und -furanen in Körperflüssigkeiten bei Menschen vorliegt. Daraus ist der Nachweis einer möglichen Dioxinbelastung infolge Holzschutzmittelanwendung nicht ableitbar.
Bei der gesundheitlichen Beurteilung der pentachlorphenolhaltigen Holzschutzmittel standen dem Bundesgesundheitsamt die gleichen Erkenntnisse wie der amerikanischen EPA zur Verfügung. Konsequent kommt die EPA für den Umgang mit pentachlorphenolhaltigen Holzschutzmitteln zu Sicherheitsempfehlungen, die in der Bundesrepublik Deutschland bereits in die Praxis umgesetzt sind.
In diesem Fall haben lange Fragen lange Antworten ausgelöst. Nun wollen wir einmal sehen, wie das bei den Zusatzfragen aussieht. - Frau Schoppe.
Herr Staatssekretär, ich habe den Eindruck, daß das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit ein großes Defizit im Bereich des Wissens um Pentachlorphenol hat.
Frau Schoppe, fragen!
Deshalb frage ich Sie: Wissen Sie nicht, daß es Holzschutzmittel-Geschädigte gibt, die in ihren kontaminierten Wohnungen überhaupt nicht mehr leben können und deshalb in Wohnwagen gezogen sind, und wie, glauben Sie, kann man diesen Opfern schnell und unbürokratisch helfen?
Frau Abgeordnete, das Problem beschäftigt das Bundesgesundheitsamt und uns seit mehreren Jahren. Es haben viele Leute gesagt, sie hätten Gesundheitsschäden dadurch erlitten, daß sie in Räumen leben, die mit solchen Mitteln behandelt worden sind. Aber es ist in keinem Fall - trotz großer Bemühungen - gelungen, die Kausalität zwischen der Anwendung und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachzuweisen. Es sind über 2 000 Fälle durch das Bundesgesundheitsamt im einzelnen überprüft worden. Das hat an diesem Ergebnis, das ich gerade geschildert habe, nichts geändert. Es gibt also das von Ihnen behauptete Defizit nicht.
Zusatzfrage des Abgeordneten Sauermilch.
Herr Staatssekretär, Sie sagten ja eben selbst, daß sich das Ministerium seit vielen Jahren mit diesem Problem herumschlagen muß. Daraus muß eigentlich geschlossen werden, daß an dieser Sache doch etwas dran ist. Ich verstehe dann, wenn Sie hier eine Kausalität bestreiten, nicht, daß Sie sich nicht der inzwischen doch allgemeingültigen Regelung anschließen, daß man nicht bis zur letzten Klärung abwarten kann - ich erinnere hier an das Waldsterben -, bis eine entsprechende Regelung getroffen werden kann.
Herr Abgeordneter Sauermilch, Sie müssen fragen! Eine Diskussion findet unter bestimmten Tagesordnungspunkten statt. Dies ist die Fragestunde, Herr Sauermilch.
Gut. - Ich frage Sie: Wie wollen Sie sicherstellen, daß, z. B. in Selbstbedienungsläden - Sie sagten vorhin, daß dort der Verkauf ausgeschlossen sei -, nicht doch über den
Handel entsprechende PCP-haltige Mittel verkauft werden?
Herr Abgeordneter, wenn es verboten wird, ist die Überwachung, daß Verstöße nicht vorkommen, Sache der ausführenden Behörden; das ist Sache der Länder.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, würden Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren können, die Eigentümer oder die Leitung des betreffenden Werks in Rheinfelden zu einem Selbstversuch zu ermuntern, bei dem die Geschäftsräume der Firma mit PCP-haltigen Holztäfelungen versehen werden und die Damen und Herren zugleich gebeten werden, etwa zwei Jahre lang Würstchen zu essen, die über PCP-getränktem Holz gegrillt worden sind?
({0})
Herr Abgeordneter, es gibt seit 1980 die Empfehlung, PCP-haltige Mittel in Innenräumen nicht mehr großflächig zu verwenden. Ergo könnte ich niemandem, wem auch immer, empfehlen, sich so zu verhalten, wie Sie es soeben vorgeschlagen haben.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jannsen.
Herr Staatssekretär, wären Sie in der Lage, mir kurz und prägnant, so daß jeder es versteht, zu erläutern, was Sie an wissenschaftlichem Nachweis verlangen, wenn die Erkenntnis bereits von den Spatzen von den Dächern gepfiffen wird?
({0})
Herr Abgeordneter, einen wissenschaftlichen Nachweis müssen die Wissenschaftler erbringen. Die haben wir im Bundesgesundheitsamt. Diese kommen zu dem Ergebnis, daß eine Kausalität nicht vorliegt. Wir belassen es aber nicht dabei, sondern werden in der Gefahrstoffverordnung vorbeugende Regelungen treffen, obwohl diese Kausalität nicht nachgewiesen ist.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Krizsan.
Herr Chory, Sie erwähnten vorhin in Ihrer Antwort auf die Frage 24, daß wenige Bundesländer diese Sicherheitsbestimmung S 52 nicht übernommen haben. Können Sie mal sagen, welche Bundesländer das sind?
Nach meiner Kenntnis sind es nahezu alle. Aber ich könnte jetzt nicht sagen, ob es ein Land und welches Land es ist, das das noch nicht in sein Giftrecht übernommen hat. - Nachdem ich hinter mich geguckt habe, entnehme ich aus dem Kopfschütteln, daß es nur bis vor kurzem so war, daß noch ein Land ausstand. Die Länder haben zum Teil mit ihren giftrechtlichen
Vorschriften Verzögerungen gehabt, weil sie auf die bundesrechtliche Regelung gewartet haben. Aber das letzte Land hat diese Regelung in seinem Giftrecht jetzt auch getroffen.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Ich danke dem Staatssekretär Chory für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schulte zu Verfügung. Ich rufe auf die Frage 25 des Abgeordneten Dörflinger:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die ab 1. Januar 1985 von der Schweizerischen Eidgenossenschaft erhobenen Straßenverkehrsabgaben zu einer akuten Gefährdung der wirtschaftlichen Situation des grenznahen Transportgewerbes sowie zu einer außerordentlich problematischen Verkehrssituation in Südbaden führen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, einige der bisher vorgesehenen Bestimmungen über die Schwerverkehrsabgabe sind für Ausländer diskriminierend und verschlechtern die Wettbewerbssituation des deutschen Straßengütertransportgewerbes. Auch die Befürchtungen in Südbaden über zusätzliche Verkehrsbehinderungen durch die Einführung der Autobahngebühr und der Schwerverkehrsabgabe sind nach Auffassung der Bundesregierung nicht unbegründet.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dörflinger.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung diese Bedenken, die ich teile, der Schweizerischen Eidgenossenschaft bereits zu einem Zeitpunkt im Vorfeld der eidgenössischen Volksabstimmung vorgetragen? Und hat sie sich gleichzeitig darum bemüht, auch mit den europäischen Nachbarn zu einer einheitlichen Bewertung zu kommen?
Herr Kollege, ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob bereits vor der Volksabstimmung solche Gespräche geführt wurden. Ich weiß im übrigen auch nicht, ob dies der richtige diplomatische Umgang mit einem befreundeten Nachbarn wäre. Sie dürfen aber versichert sein, daß wir alles unternommen haben, um dem deutschen Gewerbe zu helfen und um insbesondere der betroffenen Region Schaden zu ersparen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dörflinger.
Herr Staatssekretär, ich möchte Ihnen ausdrücklich bestätigen, daß dies geschehen ist, und frage Sie deshalb, ob Sie eine Möglichkeit sehen, auch über die aktuelle Problemstellung hinaus die Gespräche mit der Schweiz fortzusetzen, nachdem sich in der Schweiz inzwischen
eine Initiative mit dem Ziel bildet, zu einer neuen Volksabstimmung in dieser Frage zu kommen.
Wir sind mit der Schweiz im Gespräch, und wir sehen im übrigen auch konkrete deutsche Maßnahmen vor. Dies wird unsere Verhandlungsposition erleichtern.
Wir kommen zu der zweiten Frage des Abgeordneten Dörflinger, zur Frage 26:
Wie groß und ausgeprägt ist die Entschlossenheit der Bundesregierung, in offiziellen Verhandlungen mit der Bundesregierung in Bern auf die Einhaltung des im Jahr 1928 zwischen Deutschland und der Schweiz abgeschlossenen Abkommens zu bestehen, wenigstens aber entschlossen dafür einzutreten, daß der grenznahe Bereich der Bundesrepublik Deutschland ({0}) von diesen Abgaben ausgenommen werden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, die Bundesregierung hat in den Verhandlungen mit der Schweiz vom 13. bis 16. November in Bonn ihren Standpunkt dargelegt, daß nach ihrer Auffassung das Befreiungsabkommen aus dem Jahre 1928 auf die neuen Straßenabgaben in der Schweiz anzuwenden ist. Die Schweiz teilt diese Auffassung nicht. Dieser Dissens in bezug auf die Anwendbarkeit des Abkommens läßt sich zur Zeit nicht überbrücken. Die Bundesregierung sieht sich daher gezwungen, in Anlehnung an die ins Auge gefaßte schweizerische Regelung, die für die Schwerverkehrsabgabe auch wettbewerbsneutrale Tagessätze vorsieht, eine Teilkraftfahrzeugsteuer für schweizerische Nutzfahrzeuge einzuführen.
Die Schweiz hat in den Verhandlungen eine generelle Ausnahmeregelung für den grenznahen Bereich aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt. Das Befreiungsabkommen aus dem Jahr 1928 bietet für eine solche Regelung auch keinen Ansatzpunkt. Als Teilerleichterung ist jedoch vorgesehen, den rechtsrheinischen Durchgangsverkehr eines Landes durch das Gebiet eines anderen Staates von der Schwerverkehrsabgabe bzw. der Teilkraftfahrzeugsteuer zu befreien.
Weiter hat die Schweiz zugesagt, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um zusätzlichen Verkehrsbehinderungen durch die Einführung der neuen Abgaben möglichst zu vermeiden.
Durch die Einführung eines wettbewerbsneutralen Tagessatzes für die Schwerverkehrsabgabe werden die beschäftigungspolitischen Besorgnisse des grenznahen Straßentransportgewerbes weitgehend gegenstandslos. Durch die Einführung eines Tagessatzes für die Teilkraftfahrzeugsteuer für schweizerische Fahrzeuge gilt dies auch für die Befürchtung, daß die vorhandenen Parkplätze auf der deutschen Seite der Grenze durch schweizerische Fahrzeuge über die Wochenenden und Feiertage blockiert werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Dörflinger.
Herr Staatssekretär, der schweizerische Bundesrat Otto Stich hat vor einiger Zeit angekündigt, die schweizerische Seite erwäge, das Abkommen von 1928 zu kündigen. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstandes, daß der baden-württembergische Innenminister etwas ähnliches erwägt, frage ich Sie: Gehen Sie davon aus, daß das Abkommen von 1928 im Moment gilt und die Regierung nicht erwägt, es zu kündigen?
Das Abkommen ist in Kraft. Die schweizerische Seite hat es nicht gekündigt. Wir haben dargelegt, was wir vorhaben.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Dörflinger.
Herr Staatssekretär, ich stimme mit dem überein, was Sie an Maßnahmen von unserer Seite vorgetragen haben. Kann ich davon ausgehen, daß der Verhandlungsstand zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft so ist, daß das, was Sie vorgetragen haben, zum gegenwärtigen Zeitpunkt als vereinbart gelten kann? Oder gibt es da noch weiteren Verhandlungsbedarf?
Es besteht Übereinstimmung, daß man die rechtsrheinische Seite so, wie vorher dargelegt, behandelt. Die Teilkraftfahrzeugsteuer, von der ich gesprochen habe, ist eine einseitige deutsche Maßnahme als Antwort auf die schweizerische Maßnahme.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Repnik.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen Pläne der schweizerischen Bundesregierung bekannt, die im südbadischen Grenzraum das Transportgewerbe zusätzlich dadurch benachteiligen, daß vorgesehen ist - möglicherweise; zumindest wird es geprüft -, daß für solche schweizerische Kraftfahrzeuge, die sich innerhalb eines Jahres für eine bestimmte Anzahl von Tagen - es wird nach 90, 120 und 270 Tagen gestaffelt - nicht in der Schweiz befinden, ein entsprechender Nachlaß der Kfz-Steuer gewährt wird, was dazu führen würde, daß sich die Wettbewerbsverzerrung erneut verschärft und der südbadische Grenzraum mit Sicherheit über die Wochenenden mit einer Vielzahl schweizerischer Fernverkehrszüge belastet würde?
Herr Kollege, durch die unsererseits geplante Teilkraftfahrzeugsteuer würde einer solchen Befürchtung entgegengetreten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sauermilch.
Herr Staatssekretär, würden Sie, wenn andere Nachbarländer der Bundesrepublik eine ähnliche Regelung träfen, wie sie nun die Schweiz getroffen hat, gegenüber diesen Nachbarländern so reagieren, wie sich jetzt Ihre Reaktion auf die Maßnahme der Schweiz abzeichnet?
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß das, was wir machen, sinnvoll ist und nicht nur einen Einzelfall in der Geschichte unseres Landes darstellt.
Die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Nelle werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 29 und 30 des Abgeordneten Dr. Ehmke ({0}) werden auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 unserer Richtlinien schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Stutzer auf:
Welches Ergebnis hatten bisher die Beratungen der Bundesregierung zur Einrichtung einer Eisenbahnfährverbindung zwischen einem deutschen und einem sowjetischen Ostseehafen, auf die in den Antworten der Bundesregierung vom 12. November 1984 ({1}) verwiesen wurde?
Herr Kollege, die Erörterungen zwischen den betroffenen Ressorts haben bisher nicht zu einem abschließenden Ergebnis geführt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Stutzer.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß Sie hier die Fragen nicht nur für Ihr Haus, sondern für die Bundesregierung beantworten, und frage Sie daher: Können Sie die Berichte bestätigen, daß sich die Abteilungsleiterkonferenz gegen das Projekt ausgesprochen hat, daß sich aber die Ministerien selbst nicht so ablehnend verhalten? Und was bedeutet das für den Fortgang des Verfahrens?
Herr Kollege, ich habe nicht die Absicht, über diese Frage in der Fragestunde weitere Auskunft zu geben. Ich bitte hierfür um Nachsicht. Es geht um das Thema, wie wir mit einem ausländischen Partner verhandeln. Ich meine, dies sollten wir nicht auf dem offenen Markt austragen.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Herr Stutzer?
Herr Staatssekretär, sind die von Staatssekretär Rühl und Vizeadmiral Bethge öffentlich geäußerten Sicherheitspolitischen Bedenken - öffentlich geäußert! Sie sagten vorhin: nicht auf offenem Markt. Das sind alles öffentliche Äußerungen! - auch die Auffassung der Bundesregierung? Und spielt hier nicht eine Rolle, daß die Fernostreedereien aus Konkurrenzgründen gegen dieses Projekt sind?
Herr Kollege, ich habe Ihnen gesagt, daß die Beratungen zwischen den Ressorts noch nicht abgeschlossen sind. Dies gilt auch für die Thematik, die Sie angesprochen haben.
Wir kommen zur Frage 32 des Abgeordneten Stutzer:
Hätte die Bundesregierung, wenn es zu Verhandlungen mit der Sowjetunion über dieses Projekt kommen sollte, Bedenken gegen einen „Endhafen Kiel", wenn ja, welcher andere schleswig-holsteinische Hafen würde favorisiert?
Herr Kollege, der Standort einer möglichen Fährverbindung wird geprüft. Soweit wirtschaftliche Aspekte betroffen sind, ist die Bundesregierung nicht zuständig. Im übrigen ist die Standortfrage nicht aktuell, bevor nicht eine grundsätzliche Entscheidung getroffen worden ist.
Zusatzfrage des Abgeordneten Stutzer.
Herr Staatssekretär, nachdem das Verteidigungsministerium sich hierzu in der Öffentlichkeit geäußert hat - die Presseberichte liegen vor -, frage ich Sie: Müßten nicht zumindest das Bundeswirtschaftministerium und das Auswärtige Amt an diesem Projekt interessiert sein? Und können Sie mir erklären, warum das Bundesverteidigungsministerium die in der Öffentlichkeit geäußerten Bedenken gegen diese Fähren hat, obwohl das gleiche mit den großen Ro-ro-Schiffen erreicht werden könnte, die auch Panzer, schwere Waffen und alles andere wie eine Fähre befördern könnten?
Herr Kollege, ich habe Ihnen gesagt, daß die Beratungen zwischen den Ressorts noch nicht abgeschlossen sind. Ich bin deswegen nicht bereit und nicht in der Lage, zusätzliche Auskünfte zu geben.
Die letzte Zusatzfrage, Herr Stutzer.
Herr Staatssekretär, ich komme wieder auf öffentliche Äußerungen aus dem Verteidigungsministerium zu sprechen. Wie wertet die Bundesregierung die Einlassung der schleswigholsteinischen Landesregierung und der Landeshauptstadt Kiel, die sich j a vehement für dieses Projekt einsetzen? Und wird die Bundesregierung der Stadt Kiel, deren Schwierigkeiten ja hier bekannt sind, eine Ersatzlösung mit Unterstützung des Bundes anbieten, wenn dieses Projekt aus sicherheitspolitischen Bedenken scheitern sollte?
Herr Kollege, es tut mir leid, daß ich Ihnen nicht weiterhelfen kann.
Wir kommen zur Frage 33 der Abgeordneten Frau Reetz:
Wurden die Aufträge für den Neubau der B 33, Ortsumgehung Steinach/Kinzigtal vergeben, und wie sind die Termine für den Beginn und die Beendigung der Baumaßnahme dieser Ortsumgehung?
Wenn wir uns alle beeilen, schaffen wir die Fragen aus diesem Geschäftsbereich noch.
Bitte, Herr Staatssekretär.
Für die Neubaumaßnahme „B 33, Steinach/West-Haslach/West" wurden am 29. März 1984 die Arbeiten für zwei Brücken im Zuge der Querspange vergeben. Mit dem Bau der Brücke über die Kinzig ist am 25. Juli 1984 begonnen worden. Die vertragliche Bauzeit endet am 30. Oktober 1985. Bei der Brücke über die B 33 neu laufen derzeit vorbereitende Arbeiten; die vertragliche Bauzeit reicht hier bis zum 30. April 1985.
Am 25. Juli 1984 wurden zwei weitere, kleinere Bauwerke, eine Fußgänger- und eine Wirtschaftswegunterführung, im Zuge der B 33 neu vergeben; für sie ist eine Bauzeit bis zum 30. April 1985 vereinbart worden.
Ein Termin für die Fertigstellung der Gesamtbaumaßnahme für eine Ortsumgehung Steinach kann noch nicht endgültig genannt werden. Das derzeit gültige Bauprogramm geht von einer Fertigstellung der gesamten Maßnahme im Jahr 1987 aus.
Zusatzfrage, Frau Reetz.
Herr Staatssekretär, Sie haben mir zu den Ausbaumaßnahmen ungefähr von km 2,0 an geantwortet. Aber ich habe nach der Ortsumgehung Steinach ganz direkt gefragt, also von km 0 bis ca. km 2. Denn gerade die Ortsumgehung Steinach ist es doch - das möchte ich Sie deshalb fragen -, die so dringend erforderlich ist.
Frau Kollegin, der Bund ist ja dabei, diese Ortsumgehung sicherzustellen. Nur, Sie kennen die Schwierigkeiten vor Ort. Jetzt geht es darum, diese Schwierigkeiten möglichst einvernehmlich auszuräumen.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir aber zugeben, daß es gerade auf Grund der Schwierigkeiten vor Ort eigentlich kein logisch einsehbares Vorhaben ist, wenn Sie bei km 2,8 mit der Querspange bauen, anstatt die dringend notwendige Ortsumgehung beschleunigt in Angriff zu nehmen?
Wir sehen die gesamte Maßnahme als eine Einheit; da wird Stück für Stück vorgegangen.
Ich rufe Frage 34 der Abgeordneten Frau Reetz auf:
Wie hoch sind die bisher angefallenen Kosten für die Querspange des Zubringers Haslach-West der B 33 neu, deren Bau trotz des Beschlusses des Petitionsausschusses vom 17. Oktober 1984, diese Arbeiten nur bei erwiesener Unmöglichkeit einer anderen Lösung fortzuführen, zügig vorangetrieben wird?
Für die Querspange am Maßnahmenende Haslach-West wurden für die Brücken über die Kinzig und über die B 33 bislang rund 1,05 Millionen DM ausgegeben. Wie Ihnen bereits auf frühere Fragen in der Fragestunde mitgeteilt, wird bei den laufenden Baumaßnahmen kein Bauzustand geschaffen, der möglichen und vertretbaren Änderungen der Planung, soweit diese ohne wesentliche zeitliche Verzögerung durchgeführt werden können, entgegenstehen würde. Damit ist vorgesorgt, daß die laufenden Baumaßnahmen dem Ergebnis der eingeleiteten und andauernden Überprüfung der Konsequenzen aus dem Beschluß des Petitionsausschusses vom 17. Oktober 1984 nicht vorgreifen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Reetz.
Wie ist der Stand der Planungen hinsichtlich der in geringer Entfernung von dieser Querspange folgenden Brücke, der eigentlichen Straßenüberführung der B 33, wie hoch sind die Kosten dafür, und in welchen Ausmaßen wird dann diese Brücke gebaut?
Frau Kollegin, dies möchte ich Ihnen gerne schriftlich mitteilen.
({0})
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Stiegler soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Ehrenberg in der Hoffnung auf, daß die Behandlung nicht übermäßig lange dauert:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß sich die von der Deutschen Bundesbahn ({0}) schrittweise vorgenommene Umrüstung der beliebten Speisewagen-Restaurants zu „Quick-Picks" mit Papptellern und Plastikgeschirr bewährt hat, oder ist sie bereit, aus beschäftigungs- und umweltpolitischen Gründen, aber auch wegen der größeren Attraktivität der Intercity-Züge auf die DB einzuwirken, daß wieder auf allen Strecken unserer Eßkultur entsprechende Angebote gemacht werden?
Herr Kollege, die Auswahl des Geschirrs für die Bewirtung in den Zügen ist Sache der Deutschen Bundesbahn und der von ihr mit der Bewirtschaftung der Speisewagen beauftragten Deutschen Schlaf- und Speisewagen-Gesellschaft, DSG. Die Deutsche Bundesbahn weist darauf hin, daß sich die Quick-Pick-Wagen mit Selbstbedienung in den D-Zügen bewährt haben. Insbesondere bei der Selbstbedienung und der Bedienung in den Abteilen haben Einweggefäße erhebliche Vorteile; sie sind - so die Deutsche Bundesbahn - leicht und gut zu transportieren, wesentlich bruchsicherer und machen das Mitfahren einer besonderen Spülkraft entbehrlich. Insgesamt sind sie wesentlich preisgünstiger als anderes Geschirr. Soweit diese Wagen mit Bedienung im IC-Verkehr eingesetzt werden, erwägen die Bundesbahn und die DSG den Einbau einer besonderen Spülvorrichtung, um damit schrittweise den gleichen Service mit Porzellangeschirr anbieten zu können wie in den Restaurant-Wagen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ehrenberg.
Herr Staatssekretär, sind Sie davon überzeugt, daß diese Rechnungen auch noch
stimmen, wenn der Bundesbahn die Kosten für die Beseitigung von Plastikgeschirr angelastet würden und wenn das Arbeitslosengeld für die hier verringerte Belegschaftstärke in den Zügen mitgerechnet wird?
({0})
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß man bei der Deutschen Bundesbahn nicht nur betriebswirtschaftlich rechnet, sondern auch eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung aufmacht.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ehrenberg.
Glauben Sie, daß diese volkswirtschaftliche Gesamtrechnung auch für die Stillegungen von Strecken von den Nordseehäfen zu den nahegelegenen Güterbahnhöfen, z. B. in Wilhelmshaven, stimmt?
Herr Kollege, sofern wir den Verdacht haben, daß die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung nicht aufgemacht wird, prüfen wir nach. Dafür gibt es ein ganz bestimmtes Verfahren nach dem Bundesbahngesetz. Dort, wo es eine Differenz zwischen betriebswirtschaftlicher Rechnung und volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung gibt, hat der Bund der Bahn nach § 28 a des Bundesbahngesetzes die Kosten abzugelten.
Herr Sauermilch zu einer letzten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es neben der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auch noch eine ökologische Gesamtrechnung geben sollte, und ist Ihnen auch bekannt, daß sich die Bundesregierung im Rahmen der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage zu dem gleichen Thema nicht in der Lage gesehen hat, eine ökologische Gesamtbewertung zu diesem Thema zu liefern?
({0})
Herr Kollege, ich erinnere mich sehr gut an die Kleine Anfrage Ihrer Fraktion. Dabei ging es um Spülbecher und anderes bei der Deutschen Bundesbahn. Die Deutsche Bundesbahn hat sich große Mühe gegeben, diese Anfrage zu beantworten. Ich gehe davon aus, daß die Antwort in jeglicher Hinsicht richtig ist.
Die Fragen 37 und 38 des Abgeordneten Böhm ({0}) sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Verkehr, wir sind aber auch am Ende der Fragestunde. Wir haben sie etwas überzogen. Ich bitte um Verständnis dafür, denn sonst hätten wir den Staatssekretär morgen noch einmal holen müssen. - Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich.
Meine Damen und Herren, ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:
Aktuelle Stunde
Die Medienpolitik des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen
Die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß Ziffer 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Die Medienpolitik des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen" verlangt.
Ich eröffne die Aussprache dazu. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Reetz.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Wir nehmen diese Aktuelle Stunde wahr, um noch einmal darauf aufmerksam zu machen, daß das Rundfunk- und Fernmeldewesen ab 1985 eine grundlegende Veränderung erfahren wird, eine Wende, wie wir sie nicht haben wollen. Wir halten es für verhängnisvoll und für den vorprogrammierten finanziellen Ruin, wenn der Bundespostminister in seinen Wunschvorstellungen in bezug auf die Verkabelung der Bundesrepublik weiter fortfährt. Wie er diese Wunschvorstellungen durchsetzt, haben wir angesichts seiner Drohungen gegenüber den Länderministern von Hessen und Nordrhein-Westfalen gerade vor kurzem gemerkt, nämlich zukünftige Investitionen zu sperren, wenn sie dem von den Ministerpräsidenten verfügten Mediengesetz nicht zustimmen würden.
Einen ganz schlagenden Beweis für die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit der Vorhaben des Bundespostministers liefert die „Süddeutsche Zeitung" von heute, wonach klar wird, daß der Bundespostminister - entgegen den Bedenken seiner Beamten - der Firma AKTUELL-Presse-Fernsehen, einem Zusammenschluß privater Verleger, eine ganz außerordentliche Subvention von 4 Millionen DM innerhalb von zwei Jahren gewährt, indem er ihr gegenüber einen 45 %igen Gebührenrabatt zuläßt,
({0})
ohne jede Chancengleichheit für die öffentlich-rechtlichen Anstalten. - Lassen Sie mich jetzt bitte durchreden, weil die Zeit so kurz ist. - Herr Postminister, wir haben schon vor wenigen Monaten erlebt, wie wenig Sie die Fernmeldeordnung und parlamentarische Regeln achten, und zwar bei der Einführung eines Betriebsversuches.
({1})
- Dieser Betriebsversuch ist hier ganz allgemein so gerügt worden.
Wir sind der Meinung, daß Ihre Unternehmenspolitik, die Unternehmenspolitik der Bundesregierung, die darauf basiert, zum einen die Digitalisierung des Fernmeldenetzes, zum anderen die Breitbandverkabelung vorzunehmen, volkswirtschaftlich nicht mehr zu verantworten ist.
({2})
Die Breitbandverkabelung bedeutet medienpolitisch - und zu medienpolitischen Maßnahmen haben Sie ja nach dem Grundgesetz überhaupt kein Recht - die Einführung des Kommerzfernsehens in das Rundfunk- und Fernmeldewesen, das wir bisher mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten besetzt hatten. Die Ziele waren Ausgewogenheit, Staatsferne,
({3})
Unabhängigkeit und Minderheitenschutz. Alle diese Ziele werden in Zukunft nicht mehr berücksichtigt werden. Wenn das Privatfernsehen eingeführt wird - und was heißt schon „privat"; wir wissen genau, wie teuer das ist; das können nur die ganz Großen sein: Springer, Burda, Bertelsmann -, wenn die gerade genannten Konzerne in das Fernsehen einsteigen, dann wird weder Minderheitenschutz noch Staatsferne geregelt sein. Dann wird eine Fernsehpolitik betrieben werden, die uns die „Bild-Zeitung" übers Fernsehen liefert. Die wenigen Programme, die dann noch eine andere Qualität haben, werden auf Grund der vielleicht nicht vorhandenen Einschaltquoten in die Ecke gedrängt.
({4})
Die Breitbandverkabelung bringt nur einen einzigen Vorteil - das ist allgemein bekannt -: Die Dividenden der Kabelfirmen sind außerordentlich gestiegen. Eine Fernsehkabelfirma in Rastatt z. B., an der die Post beteiligt ist, macht eine Dividende von 10 %. Auch die Firma Telecom in Braunschweig und Wolfsburg wird wahrscheinlich eine entsprechende Dividende erzielen.
({5})
Ich habe noch von einem interessanten Aspekt, einer Investition gehört, die auch sehr pikant ist,
({6})
daß nämlich die Autos, die für die Bundespost fahren, alle mit Batterien der Akkumulatorenfirma Sonnenschein ausgerüstet sind,
({7})
der Firma, die in Berlin auf Grund ihrer außerordentlich schlechten Berücksichtigung von Umweltschutzmaßnahmen sehr gerügt worden ist.
Ich möchte mich zum Schluß noch kurz an die SPD wenden, denn Sie stehen ja nun vor einer etwas schwierigen Frage. Einmal erheben Sie die Normenkontrollklage in bezug auf das niedersächsische Mediengesetz. Zum anderen haben Sie aber in Hamburg der Mediengesetzgebung zugestimmt, die in Bremerhaven verabschiedet wurde. Es ist also eine gewisse Nagelprobe. Ich bin sehr gespannt, wie sich Ihre Vielfalt in dieser Beziehung äußert.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weirich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte die Befürchtung, daß die Post- und Medienpolitiker der Oppositionsparteien krank seien, weil wir seit sechs Wochen keine Aktuelle Stunde zur Verkabelung hatten. Deswegen bin ich heute außerordentlich beruhigt.
({0})
Sie haben sich etwas Neues damit einfallen lassen, daß Sie zum erstenmal in Ihrem Anfangsbeitrag nicht den Rücktritt des Postministers gefordert haben. Aber vielleicht holt das Herr Paterna in einem Schöpfungstief der weiteren Runde nach.
({1})
Lassen Sie mich zunächst sagen, Frau Reetz, es gibt nichts Staatsferneres als Privates, das sich am Markt zu orientieren hat, und es gibt nichts Staatsnäheres als Offentlich-Rechtliches, das unter Kontrolle von gesellschaftlich relevanten Gruppierungen steht.
({2})
Was die Firma Sonnenschein angeht, so möchte ich Ihnen sagen: Unsere Medienpolitik ist die, daß wir die Vielfalt des Sonnenscheins in der Zukunft für alle wollen.
({3})
Ein Wort zur Sondervereinbarung der Post mit der APF. Erstens sind Sondervereinbarungen nach der Fernmeldeordnung möglich. Zweitens muß die Post unternehmenspolitisch flexibel und pragmatisch reagieren. Sie muß sogar ein Interesse daran haben, daß die Kinderkrankheiten beim Ausbreiten der Technik aus unternehmenspolitischen Gründen schnell überwunden werden. Deswegen ist gegen diese Sondervereinbarung überhaupt nichts einzuwenden. Was im übrigen die Nutzung von Schutzkanälen angeht, so kann ich nur sagen: dies tun die öffentlich-rechtlichen Anstalten bereits heute, etwa beim Zusammenschalten der dritten FernsehproWeirich
gramme. Ich weiß gar nicht, was Sie an dieser Vereinbarung zu beanstanden haben.
({4})
Ich begrüße die Debatte deswegen, weil sie mir Gelegenheit gibt, kurz vor der letzten Ministerpräsidentenrunde, kurz vor Weihnachten - hoffentlich wird sie so friedfertig ablaufen - einige Forderungen an die sozialdemokratische Partei zu richten. Erstens: Stellen Sie sich der Zeit, schaffen Sie Klarheit im Mediendschungel Ihrer Partei im Interesse der Wahlfreiheit der Bürger.
({5})
Zweitens: Geben Sie endlich die Insulaner-Verweigerungs- und Abschottungstaktik eines Herrn Börner in Hessen auf. Ein solch linksautoritäres Gehabe wird vor dem Verfassungsgericht landen,
({6})
und es bilden sich jetzt schon freiheitliche Bürgerinitiativen, die nach Karlsruhe gehen werden. Da fordert der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Steger in Hessen: Herr Postminister, geben Sie uns die neuen Technologien. Im gleichen Atemzug finden die grünroten Verweigerungsspiele des Herrn Börner statt.
Drittens: Geben Sie Ihren Kampf gegen die Verkabelung auf. Auf der einen Seite sagen Sie: Wir sind für die Wende in der Medienpolitik, wir sind für privates Fernsehen, und auf der anderen Seite wollen Sie kein Kabel zum Transport der privaten Programme. Das ist etwa so, wie wenn Sie sagen: Wir lassen Autos zu, wir bauen aber keine Straßen, auf denen diese Autos fahren können. Das ist eine geradezu widersinnige Politik.
({7})
Viertens: Verabschieden Sie schnell Landesmediengesetze und Vorschaltgesetze in den von Ihnen regierten Ländern. Folgen Sie dem einzigen sozialdemokratischen Ritter der Vernunft, Herrn Dohnanyi.
({8})
- Ja, Sie lachen; der Kollege Paterna hat ja gerade von der Mehrheit seiner eigenen Partei in Hamburg eine kräftige Abreibung bekommen. Ich frage mich: Wo bleiben die vernünftigen Sozialdemokraten aus Hamburg im Deutschen Bundestag?
({9})
Fünftens: Geben Sie die Hörfunkfrequenzen, die jetzt kommen, Privaten, und sorgen Sie nicht für eine Ausweitung des Monopols.
({10})
Sechstens: Betreiben Sie eine echte Liberalisierung, und vermeiden Sie elektronische Elefantenhochzeiten zwischen WDR und WAZ in Nordrhein-Westfalen, die im Grunde genommen gegen das Gebot der Liberalisierung sind.
({11})
Meine Damen und Herren, was haben Sie mit dem neuen WDR-Gesetz gemacht? Eine hemmungslose Kommerzialisierungsstrategie für das öffentlichrechtliche Monopol, eine gewerkschaftliche Übermacht im Aufsichtsrat und gleichzeitig eine Ausweitung des Kommerzes - das ist Ihre Vorstellung von Liberalität. Da kann ich nur den Kopf schütteln.
({12})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß sagen: Steigen Sie aus den Wolken Ihrer problembeladenen Medientheorien auf unsere schöne Erde zurück; dann dürfen Sie künftig auch die Programme sehen, die Sie wollen. Wir von der Union kämpfen auch für Ihre Bürgerfreiheiten.
Herzlichen Dank.
({13})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paterna.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viel ist ja den GRÜNEN an Aktuellem nicht eingefallen, dem Kollegen Weirich auch nicht, aber auf die Sozialdemokraten ist immer Verlaß.
({0})
Wir werden Ihnen den aktuellen Stoff so aufbereiten, daß nachträglich die Beantragung einer Aktuellen Stunde gerechtfertigt ist.
({1})
Dafür gibt es mehrere Punkte. Ich werde mich auf das beschränken, was die „Süddeutsche Zeitung" heute über den Vertrag zwischen dem Bundespostminister und der AKTUELL-Presse-Fernsehen GmbH und Co. KG gemeldet hat.
Ich halte diesen Vertrag für rechtswidrig - um das einmal genau zu sagen. Für solche Vertragsfälle ist die Fernmeldeordnung da. Ich frage mich, warum wir sonst im Postverwaltungsrat überhaupt Fernmeldeordnungen beschließen. Es gibt in dieser Fernmeldeordnung auch keine Ermächtigungsgrundlage, die den Postminister in den Stand versetzen würde, solche Sondervereinbarungen zu treffen.
({2})
Auch der § 43 Abs. 4 Satz 3, nach dem Sie gerade so krampfhaft suchen, Herr Kollege Pfeffermann, ist dafür eine untaugliche Krücke.
({3})
Auch der Verweis auf die Sondervereinbarungen mit den Landesrundfunkanstalten und dem ZDF, Herr Kollege Pfeffermann, beruht auf dem besonderen Rechtsverhältnis der ARD und des ZDF; sie sind hier gar nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung anzuziehen. Wie penibel sich die Post in diesem Punkt bisher an die Fernmeldeordnung gehalten hat, können Sie der Tatsache entnehmen - wenn ich da richtig informiert bin -,
daß selbst der Deutschlandfunk nach Fernmeldeordnung bezahlt und keine solchen Sondervereinbarungen bekommt. Im übrigen, Herr Kollege Pfeffermann, ist es j a so, daß die APF sogar noch günstiger als die öffentlich-rechtlichen Anstalten bedient wird. Da hört nun vollends mein Verständnis auf.
Man kann natürlich darüber nachdenken, ob die Privatveranstalter den öffentlich-rechtlichen Veranstaltern in der Gebührenfrage irgendwann gleichgestellt werden - aber dies nicht vor, sondern erst nach einem Staatsvertrag. In diesem Vertrag, den ich hier kritisiere, erklärt der Postminister seine Absichten schon für die Jahre 1987 und folgende. Ich frage mich wirklich, wer ihm dazu irgendwelche Berechtigung gibt.
({4})
Wenn das Postministerium jetzt krampfhaft nach Erklärungsversuchen Ausschau hält - nachdem dieses Vertragsungetüm das Licht der Welt erblickt hat -, dann frage ich mich, warum dieser Vorgang denn so ängstlich geheimgehalten worden ist.
Wenn Sie einen Vorgang, datiert vom 20. Juli dieses Jahres, nehmen, dann werden Sie am Schluß die Formulierung finden - ich zitiere einmal wörtlich -:
Ich bitte, die Angaben über das Netz der APF und über Entgelte vertraulich zu behandeln ({5}).
Also soll auch keine Weitergabe oder Nennung gegenüber Abgeordneten und Mitgliedern des Postverwaltungsrates erfolgen. Wenn das so geheimhaltungsbedürftig ist, kann es mit dem guten Gewissen nicht so furchtbar weit her sein.
({6})
Ich komme zu der Feststellung, daß man nur dann mit Geld so großzügig umgehen kann, wenn es nicht das eigene ist.
({7})
Die Postbediensteten und die Postkunden werden sich nicht nur an die Milliardenverluste aus der Breitbandverkabelung erinnern, sondern auch an diesen Vorgang, den wir hier heute aktuell diskutieren, wenn es in anderen Bereichen des Post- und Fernmeldewesens erneut um Rationalisierung, Dienstleistungsverschlechterung oder im Jahre 1986 um Gebührenerhöhungen geht und Schwarz-Schilling dann wieder auf das sonst beliebte Argument zurückgreift, bei der Post sei äußerste Sparsamkeit Gebot. Dieser Vorgang spricht nun weiß Gott nicht dafür.
Die APF hätte nach der Gebührenordnung 8,64 Millionen DM zu zahlen; sie zahlt tatsächlich 4,8 Millionen DM. Das heißt, der Postminister - großzügig, wie er j a sein kann, wenn es um Kommerzfernsehen und dessen Subventionierung geht - zahlt aus der Postkasse, dem Posthorn als Füllhorn, glatte 3,84 Millionen DM. Ich halte das für einen Skandal.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffie.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will gleich zu Beginn auf das eingehen, Herr Paterna, was Sie darzustellen versucht haben, nämlich einen an Konkurrenz zu den etablierten Medien denkenden und deshalb unliebsamen Minister an den Pranger zu stellen, indem man aus einer Mücke einen Elefanten macht.
({0})
Was ich wie Sie, Herr Paterna, nicht gut finde, ist, um es gleich zu sagen, eine Sache mehr oder weniger - wie man sieht, eher weniger - geheimzuhalten, die grundsätzliche Bedeutung hat und deshalb vorab öffentlich hätte diskutiert werden sollen und können, trotz allen Verständnisses dafür, daß man aus Gründen derjenigen, die daran beteiligt sind, nicht jeden Vertrag an die große Glocke hängen kann.
In der Sache ist die Sonderregelung für das Verlegerfernsehen, für APF, nämlich nicht zu beanstanden, zumindest nach meiner Überzeugung nicht. Rechtlich ist ein solcher verwaltungsrechtlicher Austauschvertrag ohne weiteres möglich und in der Fernmeldeordnung in den §§ 43, 49 sogar ausdrücklich vorgesehen. Ich verweise zusätzlich auf den Vertrag „Technische Leistungen", VTL-Mustervertrag, der ja unter Berufung auf diese beiden Paragraphen mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten genauso abgeschlossen wird. Was den öffentlich-rechtlichen Anstalten in Sonderverträgen ermöglicht wird, muß ja wohl auch den privaten Konkurrenten gestattet sein.
({1})
Genau diese gesetzliche Regelung ist im Hinblick auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingeführt worden, die ja ebenfalls nicht nach der FO abgerechnet werden, sondern die Vergünstigungen dafür erhalten, daß Leistungen in großem Umfang abgenommen werden, die für die Postverwaltung technisch einfacher sind.
Nichts anderes ist im Prinzip bei APF geschehen, die für eine mindere Leistung weniger Gebühren zahlt. Natürlich müssen im Rahmen des Möglichen, was ja auch beabsichtigt ist, alle privaten Interessenten gleichbehandelt werden. Natürlich gibt es im übrigen keine Gleichbehandlung mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Dann müßte nämlich zunächst einmal auf die Zwangsgebühren bei den öffentlich-rechtlichen Programmanbietern verzichtet und die bestehende vorgegebene Ungleichheit ausgeräumt werden. Das geht j a bis in den terrestrischen Bereich. Auch da müssen die Leistungen dem privaten Anbieter genauso chancengleich offenstehen wie den öffentlich-rechtlichen Programmanbietern.
Aber nun noch ein paar Worte zur Medienpolitik generell. Klar muß sein: Nicht der Bundespostminister, nicht die Ministerpräsidenten, nicht die Parteien, schon gar nicht die GRÜNEN, auch nicht die SPD haben darüber zu entscheiden, was der Bürger künftig lesen, hören oder sehen will.
({2})
- Auch wir nicht, Herr Paterna. Das haben wir ausdrücklich in allem bekundet, was Sie dazu nachlesen können. Wir wollen, daß alle Bürger Zugang zu möglichst vielen und unterschiedlichen Nachrichten, Informationen und Meinungen haben, damit sie sich eigene Urteile bilden können. Das ist ein ganz zentrales Grundrecht unserer Verfassung, das wir durch die neuen technischen Möglichkeiten gewährleisten wollen. Das heißt im Klartext, daß wir diese Möglichkeiten wesentlich erweitern müssen.
Der Bundespostminister macht nicht die Medienpolitik. Als Träger der Fernmeldehoheit hat er aber alleine die Möglichkeit, jedenfalls noch zur Zeit, die technischen Voraussetzungen für mehr Medienvielfalt zu schaffen. Die Fernmeldepolitik wird zwangsläufig erst dadurch zur Medienpolitik, meine Damen und Herren von der SPD und den GRÜNEN, daß die für die Medienpolitik nach der Verfassung zuständigen Länder die Rechtsgrundlagen für Rundfunkfreiheit verweigern, wie Sie es, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, ja ganz ungeniert im Widerspruch zum Verfassungsauftrag aus Art. 5 des Grundgesetzes fordern.
Da kann man wirklich nur hoffen, daß der hessische Ministerpräsident Börner nach dem Konkurs seines rot-grünen Unternehmens wenigstens die Blockade des in Aussicht genommenen Rundfunk-Staatsvertrages aufgibt,
({3})
damit der Informationsanspruch aller Bürger in
der Bundesrepublik gleich befriedigt werden kann,
({4})
auch in Hessen - das muß man dem Herrn Börner sagen dürfen -, auch in Nordrhein-Westfalen - das muß man dem Herrn Rau zurufen.
({5})
Wo wollen Sie denn im Zeitalter von Satelliten und von Hunderttausenden von privaten Video-Programmen, die Sie sich tagtäglich per Einkauf in Video-Shops ins Haus holen können - Porno, Western, Dallas, alles, was Sie wollen! -, noch Schutzzäune aufrichten? - Wenn man da noch Schutzzäune will, sind das schlichte Schildbürgerstreiche. Ihre Angriffe auf die Kabelpolitik des Bundespostministers sind der letzte wirklich untaugliche Versuch, Meinungsvielfalt durch Rundfunkfreiheit zu verhindern.
({6})
Wir, die FDP, wollen eine andere Politik, und deswegen unterstützen wir die Verkabelungspolitik unter
sorgfältiger Beachtung der rechtlichen Gegebenheiten.
Herzlichen Dank.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Liedtke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hoffie, trotz allen Bemühens haben Sie den Eindruck verstärkt, daß die „Süddeutsche Zeitung" den Minister offensichtlich kräftig an den Haken gehängt hat.
({0})
Ich möchte einen zweiten dazumontieren; dann hat er es ein wenig bequemer.
({1})
Einig sind wir uns darin, Herr Minister, daß Medienpolitik Konsenspolitik ist, die sich im Hoheitsbereich der Länder abspielt. So will es die Verfassung.
Ich werfe Ihnen vor, daß Sie in der Landespressekonferenz in Nordrhein-Westfalen am 6. November und in Ihrem nachgeschobenen veröffentlichten Brief an den Ministerpräsidenten Johannes Rau mit der Androhung, falls das Land Nordrhein-Westfalen dem Kompromiß bei der Rundfunk-Lösung nicht zustimme, Investitionsbeschränkungen in diesem Lande vorzunehmen, in diesen sensiblen Bereich eine Konfliktstrategie hineingetragen haben - und das ohne jede Kompetenz.
({2})
- Herr Hoffie, Sie hatten Ihre fünf Minuten - und auch recht laut -, und ich habe zugehört.
({3})
Ich habe den Eindruck, hier bestätigt sich, Herr Minister, daß Sie im Grunde in diesem ganzen Bereich Politik verkehrt gemacht haben. Ist es nicht logisch einsehbar, daß man Verkabelungs-Milliarden erst dann in Bewegung setzt, wenn die Landschaft draußen rechtlich geordnet ist und von den Ländern der Bedarf signalisiert wird?
({4})
- Pfeffermann, pst!
Jetzt stehen Sie bis zum Halse in Ihren Verlusten und entwickeln eine Ausklammerungsstrategie, die weder rechtlich noch verfassungsmäßig haltbar ist.
({5})
Der Leitsatz 6 des Bundesverfassungsgerichtsurteils, bekannt als Rundfunkurteil, besagt - ich zitiere -:
Die Bundespost ist gehalten, bei Verleihungen
zur Errichtung oder zum Betrieb von Rund7974
funksendeanlagen und beim Abschluß von Verträgen über die Benutzung solcher Anlagen ausschließlich sendetechnische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
({6})
Auflagen, die diesen Bereich verlassen, sind unzulässig. Das ist mein Vorwurf der Rechtswidrigkeit.
Aber die Verfassungswidrigkeit geht aus der Begründung dieses Urteils hervor. Ich verlese wörtlich aus dem Urteil:
In der Bundesrepublik Deutschland haben alle Länder den gleichen verfassungsrechtlichen Status und damit Anspruch auf gleiche Behandlung.
({7})
- Lassen Sie mich doch einmal ausreden, zu Ende zitieren.
Wo immer der Bund sich in einer Frage des - ({8})
- Das ist doch nicht wahr. Rau hat unterzeichnet, und jetzt sind noch ein paar Punkte zu klären. Der Staatsvertrag liegt doch noch nicht vor. Der anzusteuernde Kompromiß ist doch erst einmal unterzeichnet. In diesem Zeitpunkt bewahrt man Gelassenheit und geht offen aufeinander zu.
({9})
- Meine Herren, zerreden Sie mir nicht die fünf Minuten.
Wo immer der Bund
- ich zitiere jetzt wieder das Urteil sich in einer Frage des Verfassungslebens, an der alle Länder beteiligt sind, um eine verfassungsrechtliche Vereinbarung bemüht,
- und jetzt kommt es verbietet ihm jene Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten, auf die Spaltung der Länder auszugehen und nur mit einigen eine Vereinbarung zu suchen und die anderen vor den Zwang des Beitritts zu stellen.
({10})
Das ist deutlich und stellt den Minister ins verfassungsmäßige Abseits.
Meine Zeit läuft ab. Noch einen Gedanken: Herr Minister, ich habe den Eindruck, daß Sie die Orientierung verloren haben und die wahre Gefechtslage nicht mehr kennen. Ihre ganze Kostenrechnung im Bereich der Verkabelung beruht darauf, daß bundesweit im Schnitt pro Übergabepunkt drei Anschlüsse getätigt werden. Der Rechnungshof bezweifelt das. Wir wissen, daß das nicht erreicht wird. Wenn NRW ausgeklammert wird oder sich ausklammert - von mir aus -, bricht die Berechnung, die bisher keinen Bestand hatte, vollends über dem Minister zusammen. Dann ertrinkt er in seinen Milliardenverlusten.
({11})
Nicht NRW braucht den Minister, sondern er braucht bitter Nordrhein-Westfalen.
({12})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Linsmeier.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Dieses Plädoyer des Herrn Kollegen Liedtke ist im Grunde für uns hochinteressant. Auf der einen Seite bekämpft die SPD seit einigen Jahren die Verkabelungspolitik des Ministers. In dem Augenblick, wo es möglicherweise in Nordrhein-Westfalen an den Kern ihrer Aussage herangeht, dort möglicherweise nicht zu verkabeln, bekämpfen Sie, wenn dort nicht verkabelt werden sollte.
({0})
Was wollen Sie eigentlich? Wollen Sie das Kabel als solches, sozusagen als abstrakte Strippe, oder wollen Sie darüber hinaus, daß in diesem Kabel auch noch Inhalt ist; denn nur als Beschäftigungspolitik für den Tiefbau wäre es doch wohl zu schade?
Herr Kollege, von daher gesehen ist die Rechtslage völlig anders zu beurteilen. In Diensten, die nicht Dienste der Deutschen Bundespost sind, hat die Deutsche Bundespost gegenüber der Medienpolitik der Länder nur eine dienende Funktion. Diese dienende Funktion der Post gegenüber den einzelnen Ländern in der Medienpolitik kommt unter anderem darin zum Ausdruck: Wenn ein Bundesland die Verkabelung nicht will, hat die Deutsche Bundespost auch keine Veranlassung, diesem Bundesland die Verkabelung aufs Auge zu drücken. Von daher ist in diesem Bereich - nicht bei den anderen Diensten - die Deutsche Bundespost rein subsidiär tätig.
({1})
Wenn der Ministerpräsident Rau das nicht will, wird es eine Möglichkeit geben, daß er es nicht bekommt. Ganz einfach.
Was dann die Bürger damit anfangen und ob sie dann nicht von sich aus Druck machen und sagen: „Warum bekommen wir es hier nicht? Warum findet hier eine Segmentierung statt?", ist eine andere Frage.
({2})
Mit der würden Sie sich dann auseinandersetzen müssen.
Dasselbe gilt natürlich auch für folgendes. Herr Kollege, Sie haben sich sehr liebenswürdig mit der Konsensbildung auseinandergesetzt. Ich darf Sie noch einmal auf zwei Abschnitte aufmerksam machen. Es gab bereits im Juni eine Einigung der Referenten aller Ministerpräsidenten z. B. über die Nutzung des Satelliten und einige andere Prinzipien. Mit diesem Konsens ist man auseinandergegangen, um dann anschließend zu erleben, daß von einem Teil, nämlich von den SPD-regierten Bundesländern, dieser Konsens wieder in Frage gestellt wird.
({3})
Dann trifft man sich ein zweitesmal, in Bremerhafen, dieses Mal nicht auf der Referentenebene, sondern auf der Ebene der Ministerpräsidenten, kommt wiederum zu einem Konsens, geht wiederum auseinander, und dann wird in Hessen und in Nordrhein-Westfalen - zum Teil mit den Stimmen der Ministerpräsidenten, die diesen Konsens herbeigeführt haben - dieses Konsensergebnis wieder in Frage gestellt.
({4})
Da frage ich mich doch: Was verstehen Sie denn unter Konsensbildung? Wollen Sie auf diese Weise eine Salamitaktik anwenden, die schließlich bei den medienpolitischen Vorstellungen von Albrecht Müller und bei dem fernsehfreien Sonntag endet? Das ist doch der Punkt.
({5})
Diese Konsensbildung kann nur auf der Ebene von Tatsachen stattfinden, nicht auf der Ebene einer Salamitaktik, mit der man versucht, einmal gefundene Kompromisse so lange in Frage zu stellen, bis man dem letzten Anhänger von Albrecht Müller noch gerecht wird.
Ich darf mich noch mit einem weiteren Argument auseinandersetzen, nämlich dem, daß diese Vereinbarung, wie sie jetzt zwischen der APF und dem Ministerium getroffen wurde, rechtswidrig sei.
({6})
- Herr Kollege, ich habe den Vertrag gelesen. Ich kann ihn Ihnen gern zur Verfügung stellen.
({7})
Diese Vertragskonstruktion ist durch §§ 43 und 49 der Fernmeldeordnung gedeckt. Es ist eine Vereinbarung über technische Leistungen, die subsidiär möglich ist. Nur dann, wenn eine solche nicht vorhanden ist, tritt die Fernmeldeordnung in Kraft.
({8})
Sie ist darüber hinaus auch wirtschaftlich sinnvoll. Wenn wir Kanäle und Leitungen, die ansonsten nicht genutzt werden, die nur in wenigen Einzelfällen genutzt werden müssen, zukünftig mehr ausnutzen können, dann ist es doch sinnvoll, diese Leitungen zur Verfügung zu stellen.
({9})
- Herr Kollege, es wäre alles gar kein Problem, wenn Sie in der Zeit, in der Sie regierten, so vorausschauend gewesen wären, rechtzeitig eine genügende Kapazität beispielsweise bei den Richtfunkstrecken zur Verfügung zu stellen. Dann wäre dieses Problem überhaupt nicht entstanden. Dann müßten wir nicht auf zwei Jahre einen Vertrag abschließen, der eine Brücke bildet bis zum endgültigen Ausbau.
Danke schön.
({10})
Das Wort hat der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst eine Bemerkung zu dem machen, was Herr Paterna bezüglich des Vertrags gesagt hat.
Erstens. Es gibt noch gar keinen Vertrag. Er ist noch gar nicht unterschrieben. Ich habe ihn auch selber überhaupt noch nicht auf meinem Schreibtisch gehabt.
({0})
Zweitens. Die Vereinbarungen mit ARD und ZDF laufen nach der VTL, der „Vereinbarung Technischer Leistungen". Die Fernmeldeordnung tritt nur dann in Kraft, wenn diese Vereinbarungen nicht geschlossen sind.
({1})
Wir haben z. B. mit ARD und ZDF ähnliche Vereinbarungen, wenn sie die dritten Programme als Nordschiene oder als Südschiene zusammenschließen. Sie werden in ähnlicher Weise abgerechnet, weil man dann auf diese zusätzlichen Schutzkanäle angewiesen ist.
Ich muß schon ehrlich sagen: Was ist das eigentlich für eine falsche Wortwahl, die Sie, Frau Kollegin Reetz, eingeführt haben, indem Sie von Subventionen sprachen, wenn die Bundespost für das, was sie hat, eine zusätzliche Einnahme erhält, ohne irgendwo einen neuen Kanal erstellen zu müssen!
({2})
Wir haben natürlich gesagt: Wenn wir die Richtfunkstrecken aufbauen, dann wird das in gleicher Weise wie den anderen gegenüber verrechnet. ARD und ZDF haben dieselben Möglichkeiten, die Schutzkanäle - soweit Kapazitäten vorhanden sind - in Anspruch zu nehmen. Von daher gesehen besteht überhaupt keine Unterschiedlichkeit.
Ich bin von der Zeitung, auf die Sie sich ständig berufen, einiges gewohnt. Ich nehme das sehr viel weniger tragisch, als Sie vielleicht meinen.
({3})
Es war in den vergangenen Monaten immer so, daß die eine Hälfte wegblieb, und die andere Hälfte kam falsch interpretiert. Das kann mich nicht mehr schrecken. Das wird auch die deutsche Öffentlichkeit nicht mehr schrecken. Auch in Journalistenkreisen ist das langsam bekanntgeworden.
({4})
Bezüglich der, wie Sie es genannt haben, Auseinandersetzung mit Ministerpräsident Rau zunächst einmal eine Klarstellung: Sämtliche Untersuchungen zeigen, daß die Akzeptanz von privaten Anschlüssen an ein Kabelnetz davon abhängt, wieviel Programme die Bürger dafür erhalten. Das ist im Ausland so, und das ist auch in der Bundesrepublik so. Sie können das im Prognos-Gutachten nachlesen. Sie können das bei Allensbach im Zusammenhang mit den Betriebsversuchen der Deutschen Bundespost bei den sieben Erdfunkstellen nachlesen. In derselben Zeit, als diese Versuche liefen, hat sich die Anzahl der Anträge verdoppelt bis verdreifacht.
Der Bundesrechnungshof hat sehr deutlich darauf hingewiesen, daß es einen Zusammenhang zwischen Rentabilität und Teilnehmerdichte gibt. Deswegen muß die Bundespost in ihrer Planung - die ja gerade von Ihnen mit besonderer Verve vertreten worden ist - auf mittelfristige Sicht den Verlauf der Akzeptanz genau vorausberechnen.
Dabei spielt die Frage eine entscheidende Rolle, ob zusätzliche Programme angeboten werden. Dabei habe ich nie davon gesprochen, es müßten private sein, sondern ich habe gesagt: zusätzliche Programme. Wir haben auch von den Dritten Programmen gesprochen. - Nun kommen zwei Länder, nämlich Hessen und Nordrhein-Westfalen - dies j a auch amtlich durch ihren Antrag im Bundesrat vom 14. März 1984 - und beantragen, die Bundespost möge doch in diesen Ländern diese Verkabelung gar nicht in der gleichen Weise vornehmen, sondern die Gelder für etwas anderes verwenden.
({5})
Da muß ich die Ministerpräsidenten fragen: Was soll ich denn jetzt eigentlich tun, wenn die Kommunen zu uns kommen und sagen: Ihr macht es nicht schnell genug? Das Land hat ja die Medienpolitik zu betreiben. Ich sage ihnen: wenn wir nicht bald eine Signalisierung bekommen, daß das ihrem Willen entspricht, müssen wir die Konsequenzen daraus ziehen! Das ist genau die dienende Rolle, die die Bundespost gegenüber den Ländern einzunehmen hat.
({6})
Insofern, muß ich Ihnen sagen, geht Ihr Schlag nicht nur voll ins Leere, sondern er ist ein absoluter Bumerang.
Ich darf Ihnen zum Schluß vielleicht auch noch vorlesen, was wir in dem Bericht Technik von der Bundesregierung in der Frage des Ausbaus der Informationstechnik zu diesem Punkt gesagt haben:
Die Bundesregierung hält es für sinnvoll, daß solche Netze vorrangig in denjenigen Ländern und Städten beziehungsweise Gemeinden großflächig ausgebaut werden, in denen ein entsprechender Bedarf ermittelt wurde und mit der notwendigen Unterstützung bei der Durchführung der Verkabelung seitens der Länder und Kommunen gerechnet werden kann.
({7})
Genau das haben wir verabschiedet. Sie brauchen es nur einmal nachzulesen. Das ist sowohl länder- wie bundesfreundlich. Es geht dann weiter:
Durch diese Vorgehensweise kann es dazu kommen, daß sich in bestimmten Ländern, Städten und Gemeinden zunächst Schwerpunkte der Verkabelung herausbilden. Die Bundesregierung wird darauf hinwirken, daß dabei keine einseitige zeitliche Bevorzugung von Städten und Gemeinden in Verdichtungsräumen ... ergeben.
Das heißt, wir müssen doch wirklich fragen: Wollt ihr das? Denn die Deutsche Bundespost
({8})
hat bisher undifferenziert an alle Länder die gleiche Ausbaustrategie angelegt und jedem Land die Infrastruktur ausgebaut, die von den Kommunen und anderen erwünscht wird.
Wenn nun diese Signalisierung aus NordrheinWestfalen und Hessen auf Dauer ausbleibt, dann würden Sie mir im Haushaltsausschuß und im Rechnungsprüfungsausschuß zu Recht sagen: Sie haben doch schon gesehen, daß diese beiden Länder diesen Ausbau nicht wollen. Wieso haben Sie das in Ihrer Planung nicht rechtzeitig berücksichtigt und haben hier trotzdem soviel weitergebaut? Sie haben jetzt nicht die Anschlußzahlen, weil es dort keine neuen Programme gibt. Sie haben Ihr Ziel und auch Ihre Zusage, die Sie dem Haushaltsausschuß gegeben haben, verfehlt. ({9})
Jetzt frage ich Sie: Was soll ich eigentlich tun? Ich habe signalisiert, daß ich das dann eben tun werde. Das ist meines Erachtens genau die Rechtfertigung, die auch ein Land mir gegenüber vorzubringen hat, nämlich daß es das tatsächlich so will; denn ich sage, bevor der Beschluß kommt: Das hat dann diese Konsequenzen.
Vom 19. Dezember habe ich nie gesprochen, sondern ich habe darum gebeten, daß man mir von Hessen und Nordrhein-Westfalen signalisiert, ob auf Dauer von einer zusätzlichen Programmvielfalt in diesen Ländern Abstand genommen wird, damit wir unsere Planungen darauf einrichten.
({10})
Genau das ist das, was die Bundespost tun soll. Dies ist gegenüber dem Fall Ihrer Bundesregierung
von früher umgekehrt, als die Möglichkeiten der Städte und die Wünsche der Bundespost, elf große Städte zu verkabeln, von Ihrem Bundeskabinett abgelehnt wurden und damit den Länderwünschen radikal aus programmatisch-ideologischen Gründen ein Nein entgegengeschlagen wurde. Das ist der Unterschied zwischen der Bundesregierung bis 1982 und der heutigen, die im Amt ist und ein länderfreundliches Verhalten hat.
({11})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paterna.
Herr Minister, in aller Ruhe müssen doch jetzt noch einmal ein paar Nebelschwaden weggeräumt werden.
Erstens. Sie sagen, der Vertrag sei nicht unterschrieben. Tatsache ist, daß Sie ihn am 19. November dieses Jahres abgeschickt haben, mit der Unterschrift „Krath" - der Mensch ist j a wohl in Ihrem Hause dafür zuständig - und mit der Bitte, ihn in Hamburg unterschreiben zu lassen. Das heißt, wenn ich das so richtig sehe - der Kollege Linsmeier möge mich da belehren, wenn das falsch ist -, ist dies ein für die Bundespost rechtsverbindliches Angebot, wenn daran nichts mehr geändert wird. Dazu müssen Sie stehen, und für den Inhalt sind Sie haftbar, wenn er so von der Gegenseite unterschrieben wird.
({0})
Zweiter Punkt. Sie wissen doch genau, Herr Minister, daß es eine lange Auseinandersetzung gegeben hat zwischen der Deutschen Bundespost und den Landesrundfunkanstalten. Die Landesrundfunkanstalten haben argumentiert, die Post sei für die Gebührenfestsetzung gar nicht zuständig, weil sie nach Landesrecht veranstalteten. Um einem langen Rechtsstreit aus dem Wege zu gehen, ist dann schließlich diese Lösung mit der VTL gefunden worden. Die ist aber auf keine anderen Fälle übertragbar. Das Beispiel Deutschlandfunk zeigt das ja schon. Sonst müssen Sie hier mal begründen, warum denn der Deutschlandfunk, wenn meine Informationen richtig sind, nach Fernmeldeordnung zur Kasse gebeten wird. Das würde ja sonst wohl keinen Sinn machen.
({1})
Dritter Punkt. Vom Postministerium wird verbreitet, das mit den Schutzkanälen sei ein Angebot minderer Leistung, und dafür liege es ja dann auch nahe, weniger Gebühren zu bekommen. Dies ist sachlich nicht richtig. Sie können einem hausinternen Vermerk Ihrer Fachleute Entsprechendes entnehmen. Ich will das hier gar nicht im einzelnen ausbreiten.
({2})
Wenn der Postminister sich hierhinstellt und so tut, als wisse er davon nichts, und wenn er sagt, er habe den Vertrag noch gar nicht gesehen, dann kann ich darüber nur lachen. Tatsache ist, daß alle zuständigen Leute in seinem Hause sich wochenlang geweigert haben, das Ding gegenzuzeichnen, weil sie weder wirtschaftlich noch rechtlich so etwas verantworten konnten.
({3})
Dann ist der dicke Daumen genommen worden. Jetzt werden Vermerke gebastelt, und jetzt wird gekleistert. So muß man halt hier mal die Tatsachen ein bißchen aufhellen.
Nächstes Stichwort: Subventionen. Herr Minister, da darf ich Ihnen mal aus einem hausinternen Vermerk etwas vorlesen.
({4})
- Mir geht es hier um die Sache. Es heißt: „Zuwendungen durch Verzicht auf an sich in Rechnung zu stellende Gebühren tragen den Charakter von Subventionen. Die Gewährung von Subventionen gehört jedoch nicht zu den Aufgaben der DBP." Originalton Bundespostministerium. Ich würde Ihnen wirklich raten, mal ein bißchen mehr auf Ihre Fachleute zu hören.
({5})
Sie wissen sehr genau, daß die rechtlichen Bedenken, die wir hier geltend machen, von allen Rechtsexperten des Hauses geteilt werden
({6})
und daß dieses noch eine sehr spannende Diskussion im Postverwaltungsrat gibt. Herr Kollege Pfeffermann, darauf können Sie sich einrichten.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gelernt, daß die Aktualität dieses Dauerbrenners: „Wir wollen keine Verkabelung, wir wollen keine privaten Rundfunkprogramme" sich auf Grund der Hilfestellung der SPD daraus ergibt, daß hier eine Sondervereinbarung mit APF geschlossen werden soll. In der Tat, Herr Kollege Paterna, ein Vertrag, der erst eine Unterschrift trägt, ist noch kein abgeschlossener Vertrag. Aber Sie haben natürlich recht, daß es ein Vertragsangebot ist, um es juristisch zu bewerten. Und der zweite Punkt - habe ich gelernt - ist das, was Herr Minister Schwarz-Schilling gerade in bezug auf seine Unternehmenspolitik erläutert hat, bezogen auf die Verkabelung von Ländern, die keine zusätzlichen Programme, keine Meinungsvielfalt haben wollen. Gut, mit diesen beiden Punkten will ich mich zunächst ganz kurz auseinandersetzen.
Juristen können sich über alles trefflich streiten, auch darüber, ob das Wort „anderweitige Regelung" nun eine Regelung durch den Minister durch Vertrag ist oder ob das Wort „Regelung" eine anderweitige Regelung durch den Postverwaltungsrat beinhaltet. Aber, meine Damen und Herren, ich bin selber Jurist, und deswegen sage ich ihnen mit aller schönen Deutlichkeit, wenn es sich nicht um fundamentale Rechtsgrundsätze handelt, sind juristische Argumentationen in aller Regel Hilfskrücken.
Meine Damen und Herren, der Vertrag, der hier jetzt abgeschlossen werden soll - übrigens, Herr Minister, ich ermutige Sie, diesen Vertrag auf keinen Fall irgendwo zurückzuziehen bzw. von dem Angebot zurückzutreten -,
({0})
sollte in der Tat abgeschlossen werden. Denn wenn man das alles einmal wirtschaftlich betrachtet und selbst wenn der Preis etwas günstiger ist als bei ARD und ZDF und selbst wenn man das Argument ausklammert, daß es sich hier um Kapazitäten handelt, die ansonsten als Ersatzkapazitäten ungenutzt blieben, muß man doch sehen, daß es einen Unterschied macht, ob ich Leitungen für jemanden zur Verfügung stelle, der auf Jahre Verluste erwirtschaften wird, weil er nur eine minimale Zuschauerzahl erreicht, oder ob ich es mit einem Partner zu tun habe, der mit seinen terrestrischen Möglichkeiten 98 % der Bevölkerung dieses Landes erreicht.
({1})
Zweitens. Herr Kollege Liedtke, wer sich unternehmenspolitisch korrekt verhält, muß das Kabel dort verlegen, wo zum frühestmöglichen Termin der Break-even-point eintritt, man kann aber nicht irgendwo Kabel in die Erde legen und ansonsten „den lieben Gott einen guten Mann sein lassen". Das hat mit Drohung und ähnlichem überhaupt nichts zu tun. Das ist unternehmenspolitisch korrektes Verhalten und weiter nichts.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein Wort aufgreifen, das hier mehrfach gefallen ist, das Wort von der dienenden Funktion der Fernmeldepolitik für die Medienpolitik. Ich will einen Schritt weitergehen. Die Fernmeldepolitik und die Medienpolitik haben eine dienende Funktion gegenüber dem Bürger in unserem Land, haben einen Verfassungsauftrag nach Art. 5 des Grundgesetzes, nämlich den, Meinungsvielfalt in dem technisch möglichen Umfang möglich zu machen.
({2}) Das muß man einmal deutlich sagen.
({3})
Blockadepolitik ist Verfassungsverweigerungs-, Grundrechtsverweigerungspolitik. Das muß man einmal sehr präzise sagen.
({4})
Ich will noch einen Gedanken des Kollegen Weirich aufgreifen, weil ich ihn in der Tat für besonders wichtig halte. Es handelt sich um die Handhabung der Fernmeldepolitik im Bereich der zusätzlichen terrestrischen Frequenzen. Hier appelliere ich sozusagen an alle Länder, soweit das Kind nicht bereits in den Brunnen gefallen ist und soweit es sich nicht um Baden-Württemberg handelt, einmal nachdrücklich zu überprüfen, ob die Konzeption der zwei landesweiten Senderketten die richtige Konzeption ist, um Meinungsvielfalt herzustellen. Die Antwort meiner Partei lautet: Sender mit kleiner Sendeleistung, lokale Stationen, „low-power stations".
Ein letztes. Herr Minister, man hat gesagt, Sie hätten hier etwas sehr vertraulich unter der Decke gehandelt. So vertraulich kann das j a wohl nicht sein, wenn der entsprechende Vertragsentwurf an sehr viele geschickt worden ist.
({5})
Im übrigen gilt hier in Bonn - das wäre allerdings ein Vorwurf an Sie, daß Sie die Bonner Szene nicht kennen, Herr Minister -: Vertraulichkeit gibt es in Bonn nicht. Unterbreiten Sie das Angebot an die APF bei so besetztem Plenum nächstesmal zu Protokoll des Deutschen Bundestages; dann hat es eine Chance, vertraulich zu bleiben.
Herzlichen Dank.
({6})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Sauermilch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gab einmal eine Zeit, da hatten die Länder dieser Republik eine Polizeihoheit. Es gab auch einmal eine Zeit, da hatten diese Länder eine Kulturhoheit. Ersteres ist de facto schon lange nicht mehr der Fall. Letzteres wird ebenfalls nun bald Geschichte sein, wenn am 19. Dezember die endgültige Gleichschaltung der Ministerpräsidenten erfolgt, was ja offenbar zu erwarten ist.
({0})
Folgerichtig wird zu den Kabeln des BKA-Computers, dessen Spinnennetz diese Republik längst flächendeckend überzieht und der nur noch auf die Volksaushorchung der zweiten Generation und auf den maschinenlesbaren Ausweis des gläsernen Bürgers wartet, nun das Kupfer- und Glasfasernetz des unverschämtesten Postministers, den es je gab,
({1})
in einer unglaublichen Dreistigkeit entgegen aller Vernunft wider besseres Wissen, also vorsätzlich, hinzugefügt.
({2})
Herr Minister, die Enthüllungen der „Süddeutschen
Zeitung" - die sind ja hier nun reichlich diskutiert
worden - sind dafür auch für uns der neueste Beweis.
({3})
Eine Trennungslinie zwischen den Privatinteressen dieses schamlosen Freibeuters im Ministersessel
({4})
und seiner öffentlichen Aufgabe
({5})
ist nicht nur unscharf
({6})
wie bei manchen anderen Herren dieser Regierung, sondern schlicht nicht vorhanden.
Aber man führt den Krug so lange zum Munde, bis man bricht.
({7})
- Getragen wird das alles, Herr Hoffie, von einer großen Koalition von CDU,
({8})
AEG, CSU, MBB, KWU, ITT, FDP, BKA usw. Die SPD - das muß hier allerdings auch noch mal gesagt werden ({9})
hat dabei ihre große Chance verspielt, zusammen mit den GRÜNEN eine ganz andere Medienpolitik zu versuchen,
({10})
ob man das nun unter dem Stichwort der eher realpolitischen Kooperation Springer/Dohnanyi oder der eher antagonistischen Kooperation des Vordenkers Herrn Glotz sehen will.
({11})
Was uns hier als Medienpolitik angedreht werden soll, ist nichts weiter als ein vergifteter und extrem teurer Kabeljausalat.
Was damit langfristig bewirkt wird,
({12})
ist die weitergehende Verblödung der Menschen, vor allem der Kinder,
({13})
eine weitere Entmündigung und der totale Konsumterror.
({14}) - Giften Sie mal nicht so!
Die Zukunft hat schon begonnen. Auf den Bildschirmen erwartet uns zur Zeit so eine Art Kabarett: zum Frühstück der Segen des Arbeitsministers „Ora et labora!",
({15})
anschließend der Chor der Wirtschafts-, Finanz-, Verteidigungs- und Postminister mit der Hymne „Seid verschlungen, Millionen!",
({16})
am Nachmittag Märchenstunde mit dem guten Onkel aus Oggersheim, zwischendurch die Werbesendung „Weißmacher unterwegs bei Sonnenschein",
({17})
und abends den Krimi „Die Holtzbrinck-Mafia" oder wahlweise den Heimatfilm „Jagdszenen aus Oberbayern".
({18})
Herr Minister, es gibt ein chinesisches Sprichwort, das mir als Schüler sehr gefallen hat. Bei den intimen Kenntnissen
({19})
Ihrer sinologischen Ausbildung darf man eigentlich erwarten, daß auch Sie dieses Sprichwort kennen. Es wäre eigentlich für uns alle besser,
({20})
wenn Sie sich daran gehalten hätten und auch noch daran halten würden. Es lautet: „Tue nichts, und alles ist getan." Dieses hat mit dem Hinweis auf den neuen APF-Vertrag eine ganz neue Aktualität erhalten.
Ich danke Ihnen.
({21})
Herr Abgeordneter Sauermilch, Sie haben im Rahmen Ihres Redebeitrags, bezogen auf eine Person, die anwesend ist, die Worte „unverschämt" und „schamlos" hier nacheinander verwendet. Ich rufe Sie zur Ordnung. Dies wollen wir hier so nicht haben.
Der nächste Redner ist der Abgeordnete Bühler.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Sauermilch, bei der Aufzählung der Programmpunkte, die Sie soeben freundlicherweise gebracht haben, hat einer gefehlt. Wissen Sie, welcher
Bühler ({0})
Programmpunkt?: Wie man Randale macht - Besuch in Bonn bei einem Grünen Abgeordneten. Das hätten Sie noch bringen müssen!
({1})
In unserer Zeit ist es üblich geworden, daß man öffentliche Dienststellen sehr oft kritisiert, sie seien zu unbeweglich, sie seien zu langatmig, sie seien wenig entscheidungsfreudig. In diesem zur Diskussion stehenden Vertrag haben wir von der Deutschen Bundespost exakt das Gegenteil erlebt. Hier wurde rasch, unbürokratisch und flexibel gehandelt. Dies ist im allgemeinen und auch im besonderen zu begrüßen, denn es wurde durch diesen Vertragsabschluß auch eine Erhöhung und Verbesserung der Wirtschaftlichkeit erreicht, weil durch die Benutzung dieses Kanals, der sonst keine Einkünfte gebracht hätte, zusätzliche Einnahmen vorhanden sind.
Es ist weiterhin ein Schritt zu mehr Vielfalt und mehr Pluralismus im Medienbereich. Und gerade wenn es um Vielfalt und Pluralismus geht, finden Sie die CDU/CSU an der Spitze. Denn Vielfalt, Pluralismus sind besonders wichtig im Medienbereich. Wir wollen sie bei der Presse erhalten und ausbauen, aber wir wollen sie vor allem bei den elektronischen Medien schaffen, meine Damen und Herren.
Wir sind gegen eine Monopolsituation. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß auch das Bundesverfassungsgericht dies ganz deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten kurz zitieren:
... gehört es zu den Pflichten des Staates, dafür zu sorgen, daß die Presse ihre öffentlichen Aufgaben erfüllen kann und mit ihrer Hilfe der demokratische Willensbildungsprozeß gewährleistet wird, und daß die Abwehr von Gefahren,
- jetzt hören Sie gut zu! die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten, gesichert bleibt.
Deswegen gilt: Weg von dieser Monopolsituation! Wir sind für Wettbewerb und Konkurrenz im allgemeinen; wir wissen aus der allgemeinen Wirtschaftspolitik: Der Verbraucher ist immer derjenige, der davon profitiert. Wir sind es im besonderen auch im Medienbereich.
({2})
Meine Damen und Herren, wir sind überzeugt, daß sich Qualität hier letztlich durchsetzen wird.
({3})
Wir sind auch davon überzeugt, daß der Bürger - wenn ich die jungen Mitbürger da oben sehe, wird mir das besonders bewußt - nicht will, daß irgendein Onkel ihm vorschreibt, was er sich anschauen
darf und was er sich nicht anschauen darf. Er will vielmehr selbst entscheiden!
({4})
Meine Damen und Herren, das schreiben Sie sonst auf Ihre Fahnen, das erzählen Sie bei allen Sonntagsreden; aber wenn es zum Schwur kommt, dann vermisse ich die konsequente Haltung.
({5})
Unser Vorbild ist nicht Fernsehen total wie in den USA
({6})
mit -zig Kanälen rund um die Uhr.
({7})
- Herr Kollege, hören Sie doch zu! Machen Sie Politik mit dem Kopf und nicht mit dem Kehlkopf!
- Ich könnte mir Großbritannien als Vorbild vorstellen, wo man einen sehr guten öffentlich-rechtlichen Sender hat. Der Grund dafür, daß er so gut ist, ist letztlich, daß er Konkurrenz hat. Sie zwingen sich gegenseitig dazu, Qualität zu liefern.
Ich möchte noch etwas zitieren, Herr Präsident. Im Aktionsprogramm 1984 der SPD - jetzt hören Sie gut zu! - lesen wir folgendes:
Die SPD wird sich an der Weiterentwicklung unseres Kommunikationssystems unter Zuhilfenahme der modernen Techniken beteiligen. Wir wollen erreichen, daß neue Technologien neue kreative Kräfte freisetzen.
({8})
Bleiben Sie aber nicht in der Theorie, sondern setzen Sie das doch bitte auch um! Schließen Sie Staatsverträge ab, verabschieden Sie die Vorschaltgesetze! Blockieren Sie nicht weiter! Geraten Sie nicht ins medienpolitische Abseits, meine Damen und Herren! Wir alle wollen Demokratie. Wir alle wollen sie auch erhalten. Die Demokratie lebt von dieser Vielfalt. Die Medienpolitik dieser Bundesregierung und dieses Ministers schafft diese Vielfalt. Deswegen unterstützen wir sie uneingeschränkt.
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Sielaff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aussagen der Regierungskoalition sollen hier heute offensichtlich nur verschleiern, denn Tatsache ist: Die Bundesregierung ist mit ihrer Medienpolitik und ihrem Verkabelungsprogramm am Ende.
({0})
Herr Minister, dies wird bei den Versuchen in
Rheinland-Pfalz auch überdeutlich. Das Pilotprojekt im vorderpfälzischen Raum entwickelt sich zu
einem Pleitenrenner mit immer neuen Überraschungen.
({1})
Das selbstgesetzte Ziel von 30 000 bis 40 000 Anschlüssen, Herr Pfeffermann, ist nicht erreicht.
({2})
Obwohl Ende 1984 fast rund 105 000 Anschlußmöglichkeiten bestehen, beträgt nach Auskunft der rheinland-pfälzischen Landesregierung vom 25. Oktober dieses Jahres die Gesamtzahl der geschalteten Anschlüsse nur 10 685, Herr Weirich.
({3})
Herr Minister, so sieht es mit der Akzeptanz wirklich aus. Man braucht Milliardenbeträge, um massiv für dieses Projekt zu werben und die Hauseigentümer und Mieter quasi zu nötigen, sich einen Kabelanschluß legen zu lassen.
Neuerdings will die Deutsche Bundespost bis Ende 1985 für die Vermittlung von Kabelanschlüssen in der Vorderpfalz pro Haushalt Prämien in Höhe von 50 DM zahlen. Geht man von der Zielvorstellung bis April 1985 aus, etwa 10 000 Kabelanschlüsse zusätzlich zu schaffen, dann stellt das eine weitere Subventionierung dieses Projektes durch die Bundespost in Höhe von rund 500 000 DM allein bis zum Frühjahr 1985 dar. In der Vereinbarung zwischen der Bundespost und der Kommunalbau Rheinland-Pfalz verpflichtet sich die Bundespost, weitere 500 000 DM für Marketing und Werbekosten zur Verfügung zu stellen.
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Sieht man sich, Herr Minister, diese Vereinbarung vom November dieses Jahres allerdings genauer an, so muß man feststellen, daß die Abgrenzung zwischen Rechten und Pflichten der beiden Parteien äußerst unklar ist. So ein schlampig formulierter Vertrag sucht seinesgleichen.
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- Jawohl.
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Ich möchte ein Letztes ansprechen: Herr Bühler und auch Herr Hoffie - den ich nicht mehr sehe, der schon weggelaufen ist ({7})
haben wiederholt von Vielfalt und Pluralismus im Programm gesprochen. Schauen wir uns einmal das Programm vom heutigen Tag im Projekt Ludwigshafen an: Es ist fast 3 Meter lang, aber enthält nichts Neues. Ich nenne nur einige Punkte für den heutigen Tag des Ersten Privaten Fernsehens. Da heißt es: „Aktion Grün - Wie man gegen eine Mauer rennen kann"
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- j a -, dann: „Das geheimnisvolle Leben eines Magiers", dann: „Schlager, die man nie vergißt". Das sind die einzigen zusätzlichen Informationen: „EPFTreff". Das ist es, was geboten wird, für Milliarden von Subventionen.
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Das sind die Informationen, die die Union und die FDP den Bürgern hier verordnen wollen, meine Damen und Herren.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die Zeitschrift „Der Landkreis" bringt in der jüngsten Ausgabe einige hochinteressante Aufsätze zu dem heutigen Thema. Dort wird u. a. Francis Bacon aus dem Jahre 1597 zitiert, der gesagt hat: „Wissen ist Macht." Heute müßte man das eigentlich so formulieren: Früher wissen ist mehr Macht. Genau das ist der wesentliche Punkt unserer neuen Medienpolitik.
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Es ist nämlich nach unserer Auffassung die liberale Verpflichtung der Verfassung, auch des Art. 5 des Grundgesetzes - Herr Gattermann hat darauf hingewiesen -, die privatrechtlichen Organisationen zuzulassen, dies als subjektives Recht auszugestalten. Wir wollen eine freiheitliche Medienordnung mit vielfältigem Programmangebot.
Zunächst zwei Bemerkungen. Eine an Sie, Herr Paterna: Sie sprechen von der angeblichen Rechtsunwirksamkeit der angesprochenen Verträge. Nach der Fernmeldeordnung sind Sondervereinbarungen jederzeit möglich. Es bedarf keiner Zustimmung des Postverwaltungsrates. Dies war gängige Praxis unter den früheren SPD-Postministern.
Zu Ihnen noch, Herr Kollege Liedtke: Wir können so viel sagen, daß unter den SPD-geführten Regierungen jährlich immerhin auch 400 Millionen DM für Verkabelung ausgegeben worden sind, aber ohne Konzept. Heute wird etwa das Doppelte ausgegeben, mit einem Konzept. Das ist der entscheidende Unterschied.
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Wir begrüßen ausdrücklich, daß das Ministerium jetzt hat verlauten lassen, daß Sonderkonditionen für Schutzkanäle allen Programmanbietern offenstehen.
Unsere grundsätzliche Haltung ist die, daß wir der Eigenverantwortung und der eigenen Entfaltung Raum geben und Raum lassen müssen, wo immer das möglich ist. Die beste Form, Meinungsfreiheit zu sichern, ist es, Meinungsvielfalt zu er7982
Müller ({2})
möglichen. Der SPD-Politiker von Dohnanyi sagt ja: Wer gegen die Öffnung stimmt, der öffnet das öffentlich-rechtliche System der Zerstörung durch Einfluß anderer und dem Absaugen von Werbeaufwand aus der Bundesrepublik in Systeme, die von außen kommen. Recht hat er, der Herr von Dohnanyi, und ich weiß, wovon ich spreche.
In meiner saarländischen Heimat haben wir eine begrenzte Vielfalt, weil dort überall das deutschsprachige Programm RTL-plus, von Luxemburg aus gesendet, empfangen werden kann.
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In wenigen Monaten sind dort 400 000 Zuschauer für dieses Programm geworben worden. Und was hat die SPD dazugetan? Herr Lafontaine wollte sich als Antennenknicker betätigen, indem er den Empfang in den stadteigenen Wohnungen verbieten wollte.
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Damit ist er nicht durchgekommen. Wir sind ja überhaupt nicht gegen das öffentlich-rechtliche System, sondern das öffentlich-rechtliche System soll sinnvoll ergänzt werden, z. B. durch den Einstieg in neue Kommunikationsformen. Vor wenigen Tagen wurde im saarländischen Landtag ein Landesrundfunkgesetz verabschiedet, in dem ein sogenannter Bürgerkanal vorgesehen ist, der jedem zur Verfügung steht, der diesen Kanal nicht kommerziell und nicht parteipolitisch nutzen will - gegen eine geringe Gebühr selbstverständlich.
Meine verehrten Kollegen, es wird immer wieder die Frage gestellt: Brauchen wir zusätzliche Programme? Sind die Bürger nicht schon genug versorgt? Ich meine, die Frage ist falsch gestellt. Sie muß vielmehr lauten: Haben wir überhaupt das Recht, Meinungsvielfalt zu verhindern?
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Haben wir das Recht, mögliche Programme überhaupt zu verweigern, obwohl die Technik dies erlauben würde? - Nein, wir haben dieses Recht nicht, wie ich meine. Deswegen, weil der Postminister so handelt, unterstützen wir ihn.
Meine verehrten Kollegen, ich will hier ein letztes Zitat bringen. Am 3. November 1887 war der Abschluß der Verlegung des Telegrafenkabels von Frankfurt nach Kiel. Dort gab es ein Festessen der Deutschen Reichspost. Auf der Speisekarte war folgendes aufgedruckt: „Der Draht zerreißt, die Stange bricht, das Holz verfault, das Kabel nicht." Die Situation ist heute ähnlich. Ich würde mir wünschen, Frau Kollegin Reetz, daß Sie Ihre elektronischen Hummerhäppchen demnächst in einer neuen Fernsehlandschaft verspeisen könnten.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kretkowski.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei abschließende Bemerkungen am Schluß der Debatte. Es ist die Frage gestellt worden, was die SPD eigentlich wolle. Zwei Antworten darauf. Erstens wollen wir, daß der Minister das Recht beachtet und nach den geltenden Gesetzen handelt. Zweitens wollen wir, daß aus einem ihm von uns übergebenen gesunden Wirtschaftsunternehmen nicht ein marodes Bundesunternehmen wird.
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In diesem Zusammenhang auch noch einmal eine Bemerkung zu dem Erpressungsversuch gegenüber Nordrhein-Westfalen. Ihr Parteifreund Worms, Herr Minister, hat j a in Nordrhein-Westfalen anders argumentiert als Sie hier. Er hat so getan, als ob, wenn Nordrhein-Westfalen nicht dem Satellitenfernsehen angeschlossen würde, die große Katastrophe über die gesamte Wirtschaftsstruktur in Nordrhein-Westfalen hereinbräche.
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Sie, Herr Minister, haben diesen Aussagen Ihres Parteifreundes Worms nicht widersprochen. Dabei weiß jeder Fernmeldehandwerker im ersten Lehrjahr, daß Kupferbreitbandverteilnetze kein Beitrag zur Modernisierung und zur Innovation im Kommunikationsbereich leisten können. Die Digitalisierung, Integration der Netz- und Glasfasern sind hier unter technologischen Gesichtspunkten und damit im Hinblick auf die Modernisierung auch der Infrastruktur des Landes Nordrhein-Westfalen viel entscheidender.
In diesem Zusammenhang auch noch eine Bemerkung zu dem, was Sie mit dem neudeutschen Wort break in point bezeichnet haben, Herr Kollege Gattermann. Ich befürchte, daß dieser break in point in Nordrhein-Westfalen zum break down des Ministers werden könnte. Herr Minister, Sie haben nämlich in Nordrhein-Westfalen gar nicht die Chance, zu entscheiden, ob Sie verkabeln oder nicht. Insofern ist Ihre Drohung eine völlig leere Drohung. Wenn Nordrhein-Westfalen nicht verkabelt wird, sind Sie mit Ihrer Verkabelungspolitik am Ende; Ihre Blütenträume sind gestorben. Bei dieser Verkabelungspolitik, Herr Minister, die Milliardenverluste für die Deutsche Bundespost bringt, verhält es sich mit der Anschlußdichte wie mit dem berühmten Abzählreim der zehn kleinen Negerlein. Von mal zu mal werden es weniger, und am Ende bleibt ein kleiner black penny übrig.
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Das Wort hat der Abgeordnete Pfeffermann.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte ist es doch notwendig, in aller Entschiedenheit auf zwei Dinge hinzuweisen. Erstens, das BunPfeffermann
despostministerium hat mit dem, was hier während der Debatte eingeführt wurde und ursächlich gar nicht Ausgangspunkt der Debatte gewesen war - denn sie wurde beantragt, als es diesen Artikel noch gar nicht gab - ({0})
Das Ministerium hat ganz offensichtlich - das hat die Debatte erwiesen - im Rahmen geltender Gesetze gehandelt. Dies gilt es hier festzuschreiben. Alle Vorwürfe, die etwas anderes dargestellt haben, gehen am Sachstand vorbei.
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Ein Zweites, und da wende ich mich weniger an die GRÜNEN, die sich heute einmal mehr durch ihre Beiträge diskreditiert haben,
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als vielmehr an die SPD. Ich frage mich eigentlich, lieber Kollege Paterna: Womit hätten Sie die heutige Debatte bestritten, wenn Ihnen nicht flugs heute morgen der Herr Hennemann mit seinem Artikel noch schnell zu Hilfe gekommen wäre?
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Ich denke, wenn dieser Beitrag, diese Debatte heute eines gezeigt hat, dann ist es der Tiefstand der Überlegungen der SPD, die geradezu hilfesuchend im Gelände umherläuft
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unter dem Motto: Gebt uns bitte ein Stichwort, damit wir wieder etwas am Postminister kritisieren können.
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Lieber Kollege Liedtke, ich schätze Sie ja ausgesprochen in Ihrer Arbeit als Ausschußvorsitzender. Aber ich würde mir natürlich wünschen, daß Sie sich nicht auf Dauer zwischen dem Sachverstand, den Sie als Ausschußvorsitzender einzubringen wissen, und den Reden, die Sie hier als SPD-Mitglied halten müssen, auseinanderreißen müssen. Wenn Ihr Beitrag eines gezeigt hat, dann doch dies: Wenn es um die Zukunft von Arbeitsplätzen in diesem Bereich geht, wenn es um die Frage nach der Stellung deutscher Technologie auf diesem Sektor in der Welt demnächst geht, wenn es um die Freiheit des Bürgers und seine uneingeschränkte Informationsmöglichkeit geht,
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dann ist es doch dieser Minister, der die Bahnen geöffnet hat, damit wir uns der Zukunft zuwenden können.
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Es waren doch Ihre Minister, Herr Kollege Liedtke, die durch Kabinettsbeschluß gehindert wurden, das zu tun, was Sie doch eigentlich für nötig hielten. Gscheidle und Schmidt - und dies sind die Namen - sind es, die dafür einstehen, daß wir ein Jahrzehnt hinter der Entwicklung in dieser Welt herhinken.
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Da kann ich nur sagen: Gott sei Dank haben wir einen Postminister, der den Auftrag erfüllt, der dieser Post wirklich gegeben ist, nämlich technische Voraussetzungen für das Informationszeitalter auch in der Bundesrepublik Deutschland zu schaffen, einen Postminister, der uns nicht ins Mittelalter zurückführt, wie Sie das gern hätten.
Ich weiß schon, das wäre für Sie die einfachste Lösung - die allereinfachste Lösung wäre das wohl so für Sie, wie das in NRW geplant ist -: die Elefantenhochzeit - Herr Kollege Weirich hat es vorhin schon gesagt - von WDR und WAZ festschreiben, sich hinsetzen und beobachten, daß man dann so etwa auf 80 % der Journalisten in diesen beiden Bereichen hoffen kann und dann freundlich der kommenden Entwicklung entgegensehen kann nach dem Motto: Wo keine Kritik ist, gibt es vielleicht noch Mehrheiten für die SPD.
Ich sage Ihnen, wo keine Kritik mehr ist, gibt es keine Demokratie mehr, und an der ist uns mehr gelegen als am Meinungsmonopol der SPD in NRW.
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Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist nun beendet. Ich kann gleichzeitig mitteilen, daß wir am Schluß unserer Tagesordnung von heute sind.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 6. Dezember 1984, um 8.30 Uhr - das ist eine Besonderheit - ein.
Die Sitzung ist geschlossen.