Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/15/1984

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Die Sitzung ist eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich Ihnen folgende Mitteilungen machen: Heute feiert der Herr Abgeordnete Dr. Marx seinen 60. Geburtstag. ({0}) Ich darf Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Marx, im Namen des ganzen Hauses zu diesem runden Geburtstag die besten Wünsche für Ihre Gesundheit und für ein weiteres erfolgreiches Wirken in Ihren politischen Aufgaben aussprechen. ({1}) Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat ihren Antrag „Befahren der Weser im Kernbereich Oberwasser" - Drucksache 10/907 - zurückgezogen. Damit entfällt Punkt 18 der Tagesordnung. Die verbundene Tagesordnung dieser Woche soll um den Zusatzpunkt „Eidesleistung des Bundesministers für besondere Aufgaben" erweitert werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Ich rufe sodann Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf: Eidesleistung des Bundesministers für besondere Aufgaben Der Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben vom heutigen Tage mitgeteilt, daß er auf Vorschlag des Herrn Bundeskanzlers Herrn Dr. Wolfgang Schäuble zum Bundesminister für besondere Aufgaben ernannt hat. Nach Art. 64 des Grundgesetzes leisten die Bundesminister bei der Amtsübernahme den in Art. 56 des Grundgesetzes vorgesehenen Eid. Ich bitte Sie, Herr Bundesminister Dr. Schäuble, zur Eidesleistung heranzutreten. ({2}) Ich lese Ihnen die Eidesformel vor und bitte, den Eid mit den Worten „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe" oder „Ich schwöre es" zu bekräftigen. Der Eid lautet: Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Sind Sie bereit, den Eid zu leisten?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Ja, Herr Präsident. - Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, der neu ernannte Bundesminister für besondere Aufgaben, Dr. Wolfgang Schäuble, hat den vom Grundgesetz vorgeschriebenen Eid bei der Amtsübernahme vor dem Deutschen Bundestag geleistet. Ich beglückwünsche Sie, Herr Bundesminister, zur Übernahme Ihres Amtes und wünsche Ihnen viel Glück, Erfolg und Gottes Segen. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herzlichen Dank, Herr Präsident.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Ich rufe die Punkte 2 a und 2 b der Tagesordnung auf: a) Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1984 ({0}) - Drucksachen 10/2080, 10/2232 Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) - Drucksache 10/2287 Berichterstatter: Abgeordnete Carstens ({2}) Austermann Hoppe Frau Simonis Kleinert ({3}) Präsident Dr. Jenninger b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({4}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Geänderter Vorschlag für einen Beschluß des Rates über das System der eigenen Mittel der Gemeinschaften zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates über ergänzende Maßnahmen zur Deckung des Ausgabenbedarfs des Haushaltsjahres 1985 bei nicht rechtzeitigem Inkrafttreten des neuen Beschlusses über die Erhöhung der eigenen Mittel zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Haushaltsbedarf der Gemeinschaft in den Jahren 1984 und 1985 - Drucksachen 10/1946 Nr. 34, 10/1946 Nr. 32, 10/1946 Nr. 33, 10/2215 -Berichterstatter: Abgeordnete Hoffmann ({5}) Borchert Zu Punkt 2 a der Tagesordnung liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/2357 vor. Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 2 a und 2 b und eine Aussprache von zwei Stunden vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen. ({6})

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gerne meine Wortmeldung zurückziehen und zunächst die Argumente der Vertreter der Fraktionen hören. Schönen Dank. ({0})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Bundesminister, mir ist Ihre Wortmeldung mitgeteilt worden. Ich bitte um Nachsicht, daß ich Sie fälschlicherweise aufgerufen habe. Das Wort hat der Abgeordnete Echternach.

Jürgen Echternach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000429, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Nachtragshaushalt ist hier bereits vor einigen Wochen debattiert worden. Wir haben dabei eine maßlose Polemik zum Stand der Europapolitik von seiten der sozialdemokratischen Kollegen gehört, angesichts der man sich fragen muß, ob die Sozialdemokraten nicht erst 25 Monate, sondern schon 25 Jahre aus der Regierungsverantwortung heraus sind und ob sie überhaupt die Absicht haben, in diesem Jahrhundert noch einmal Regierungsverantwortung zu übernehmen. Denn statt von den Versäumnissen der alten Regierung zu sprechen, polemisierten sie ausschließlich gegen die Bundesregierung, als hätte es hier keine SPD-Regierung gegeben. Wir machen mit diesem Nachtragshaushalt j a nichts anderes, als die Probleme, die uns die alte Regierung zurückgelassen hat, anzupacken und zu lösen. Ohne die von der alten Bundesregierung jahrelang betriebene Europa- und Agrarpolitik hätte es diesen Nachtragshaushalt überhaupt nicht gegeben. Dieser Nachtrag ist die Folge der Explosion der Ausgaben der EG, die uns die Sozialdemokraten hinterlassen haben. Die SPD-geführte Bundesregierung hat es zugelassen, daß die EG-Ausgaben jährlich mit horrenden Steigerungsraten nach oben geklettert sind. Von 1973 bis 1982 stiegen die EG-Gesamtausgaben Jahr für Jahr um durchschnittlich 18 %: Das ist mehr als das Doppelte des ja auch nicht gerade geringen Anstiegs des Bundeshaushalts in der gleichen Zeit. Die deutschen Leistungen zum Haushalt der Europäischen Gemeinschaft haben sich in dieser Zeit von 5,4 Milliarden DM auf rund 15 Milliarden DM fast verdreifacht. ({0}) Die Grenze von 1 % des Mehrwertsteueraufkommens, die 1975 erst zu 36 % ausgeschöpft war, reicht seit 1983 nicht mehr aus. Was haben Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, was hat die SPD-geführte Bundesregierung unternommen, um diese vorhersehbare Entwicklung aufzuhalten? Nichts, aber auch gar nichts. ({1}) Jahrelang hat die SPD tatenlos zugesehen, wie die Produktion bei allen wichtigen Agrarprodukten weit schneller wuchs als der Verbrauch. Sie hat zugesehen, wie z. B. in den letzten zehn Jahren die Milchanlieferungen in der Bundesrepublik um 34 % stiegen, dagegen der Verbrauch nur um 2 % zunahm, und das bei einem Selbstversorgungsgrad in der Europäischen Gemeinschaft von 120 %. Was haben Sie getan, um die Überschußproduktion in der Europäischen Gemeinschaft zu stoppen? Sie haben draußen bei den Landwirten beruhigende Reden gehalten. Sie haben die Bauern über die wirkliche Lage der Europäischen Gemeinschaft, über den näherrückenden Zusammenbruch des EG-Agrarmarktes im unklaren gelassen. Und in Brüssel haben Sie die Überschußproduktion immer weiter gefördert, nach dem Motto: Nach uns die Sintflut!

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter Echternach, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller?

Jürgen Echternach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000429, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Echternach, könnten Sie uns hier einmal sagen, welche Vorschläge die CDU damals als Oppositionspartei gemacht hat, um diese Überschüsse eventuell einzudämmen?

Jürgen Echternach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000429, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Müller, wer hat denn damals regiert?! ({0}) Verstecken Sie sich doch nicht hinter der Opposition, sondern bekennen Sie sich zu Ihrer Verantwortung, die Sie für diesen Scherbenhaufen haben! ({1}) Denn das Ergebnis seit 1977 ist gewesen: Steigerung der EG-Kosten für Milch um 99 %, Steigerung der Kosten für Tabak um 288 %, für Olivenöl um 388 %, für Obst und Gemüse um 648 % und für Wein um 1 053 %. Das sind Steigerungen allein seit 1977. Dabei kamen die steigenden Agrarausgaben immer weniger den Bauern selber zugute, sondern dienten vor allem dazu, die überquellenden Lagerhäuser zu finanzieren und diese Überschüsse auf dem Weltmarkt abzusetzen. Gleichzeitig sanken nämlich die Einkommen der deutschen Bauern in der EG von einem Mittelplatz auf das Ende der EG-Rangfolge. Das war das Erbe, welches die neue Regierung vor zwei Jahren vorfand. Diese Überschußproduktion war schon 1983 nicht mehr finanzierbar, sondern führte dazu, daß die EG-Kommission Ausgaben in Milliardenhöhe bereits 1983 ins nächste Haushaltsjahr verschieben mußte. Erst der neuen Bundesregierung ist es in mühseligen Verhandlungen - vom Stuttgarter Paket des Bundeskanzlers bis zu den Beschlüssen von Fontainebleau - gelungen, zum erstenmal mit den europäischen Partnern eine Verständigung über eine deutliche Einschränkung der landwirtschaftlichen Überschußproduktion der Gemeinschaft zu erreichen. Das konnte in diesem Jahr die Deckungslücke im EG-Haushalt nicht mehr verhindern. Es wird jedoch in Zukunft erhebliche Mittel sparen, weil wachsende Überschüsse nicht mehr wie bisher automatisch mitfinanziert werden müssen. Natürlich waren die Beschlüsse, die jetzt gefaßt werden mußten, für viele Betroffene schmerzhaft. Aber daß ausgerechnet Sie sich jetzt draußen hinstellen und mit spitzen Fingern auf die neue Regierung zeigen, die nur das nachholt, was Sie hätten tun müssen, wozu Ihnen aber der Mut fehlte, ist angesichts Ihrer Verantwortung für diese Entwicklung schon ein starkes Stück. ({2}) Meine Damen und Herren, die Sozialdemokraten haben bei der Beratung des Nachtragshaushalts 1984 vor allem über die Deckungslücke im Haushalt der EG für das nächste Jahr lamentiert. Eine solche Lücke gibt es. Darüber sind sich auch die Finanzminister selber bei der Verabschiedung des Entwurfs für das Haushaltsjahr 1985 im klaren gewesen. Aber angesichts der rechtlichen Verpflichtung zur Vorlage eines ausgeglichenen Haushalts, angesichts der rechtlichen Verpflichtung im Bereich der Agrarausgaben, auch angesichts der rechtlichen Begrenzung der Einnahmen blieb dem Rat gar keine andere Wahl, als so zu entscheiden. Es ist richtig gewesen, daß der Rat auch bereits den Weg gewiesen hat, wie die Deckungslücke im Haushaltsentwurf 1985 geschlossen werden sollte, nämlich durch zusätzliche Mittel im Herbst 1985. Es ist gut, daß die Bundesregierung dafür auch im Einzelplan 1985 bereits ausreichende Vorsorge getroffen hat. Natürlich gäbe es einen Weg, die Deckungslücke sofort zu schließen, nämlich wenn die Bundesregierung schon jetzt einer Erhöhung der Mehrwertsteuerbeiträge für die EG zustimmen würde, wie dies fast alle Partner fordern. Aber genau in diesem Punkt sind wir uns ja einig gewesen, auch im Haushaltsausschuß. Wir haben gemeinsam gesagt, daß wir dies nicht tun, sondern daß wir gemeinsam an der 1-%-Grenze festhalten. Wir sind unverändert der Auffassung, daß es einen engen politischen Zusammenhang zwischen dem Beitritt Spaniens und Portugals und der Erhöhung der EG-Beiträge gibt. Lassen Sie mich dazu drei Dinge feststellen. Erstens. Der Beitritt Spaniens und Portugals und die Beitragserhöhung müssen zusammen am 1. Januar wirksam und gemeinsam ratifiziert werden. Andernfalls, so fürchte ich, wird aus dem Beitritt Spaniens, den wir aus politischen Gründen wollen, auf lange Zeit nichts werden, denn die Erfahrung zeigt, daß eine Anhebung der EG-Beiträge ohne Junktim sofort die Gefahr heraufbeschwören würde, daß die großzügige Ausgabenpolitik fortgesetzt würde und damit die Mittel anderweitig eingesetzt würden, die zur Finanzierung des Beitritts von Spanien und Portugal notwendig sind. Außerdem sollte niemand in der Europäischen Gemeinschaft darauf spekulieren können, er werde ab 1986 höhere Mittel aus der EG-Kasse als bisher erhalten, wenn er Spanien den Weg in die EG verbaut. Zweitens. Die Beitragsprobleme liegen aber nicht nur bei den EG-Partnern. Auch Spanien sollte nicht im Vertrauen auf unser Junktim seine Position überziehen und sich detaillierten Regelungen vor dem Beitritt möglichst entziehen wollen, um später mit der Vetomöglichkeit im Ministerrat alle Entscheidungen gegen seine Interessen blockieren zu können. Drittens. Was sich aber auf keinen Fall wiederholen darf, sind die Fehler beim Beitritt Griechenlands, nämlich unter dem Druck von Terminen Formelkompromisse zu verabschieden, die die offenen Probleme nur kurzfristig kaschieren würden. Eine solche Scheineinigung zum Januar 1986 wäre schlechter als gar keine Einigung, denn sie würde die Lösung der Probleme nicht nur vertagen, sondern später nahezu unmöglich machen und die Gemeinschaft damit neuen unerträglichen Belastungen aussetzen. Mit den jetzt gefaßten Beschlüssen ist aber die Sanierung der EG-Finanzen bei weitem noch nicht beendet. Sie können nur ein erster Schritt sein, dem weitere folgen müssen. Gerade wegen des geplan7256 ten Beitritts von Spanien und Portugal ist es unumgänglich, daß auch bei anderen Landwirtschaftsprodukten, insbesondere bei Wein, Olivenöl und Zitrusfrüchten, Entscheidungen zur Einschränkung der Überproduktion getroffen werden. Vor allem aber geht es darum, daß die EG-Agrarausgaben nicht mehr stärker steigen als die Einnahmen der Gemeinschaft, sondern im Gegenteil hinter dem Steigerungssatz der Einnahmen zurückbleiben. Das war ja das Ziel der Beschlüsse des Europäischen Rats zur Haushaltsdisziplin. Das ist aus guten Gründen auch von der Bundesregierung und von Großbritannien für die Verwirklichung des Nachtragshaushalts zur Voraussetzung gemacht worden. Wie hilfreich dies gewesen ist, zeigte sich in den mühevollen Verhandlungen der letzten Wochen und Monate bei der Frage, wie dieser Beschluß von Fontainebleau zur Haushaltsdisziplin konkretisiert werden kann und ein entsprechender Zwang ausgeübt werden sollte. Diese Verhandlungen sind jetzt am Montag und Dienstag dieser Woche erfolgreich abgeschlossen worden. Sie sind zwar nicht so klar ausgefallen wie ursprünglich vorgeschlagen, aber sie sind insgesamt ein deutlicher Fortschritt, den wir begrüßen und der uns jetzt auch die Zustimmung zum Nachtragshaushalt ermöglicht. Wichtig ist dabei allerdings, daß diese Grundsätze in der Gemeinschaft auch voll angewandt werden und daß sie nicht nur bei der Aufstellung der Haushaltspläne gelten, ({3}) sondern auch beim Haushaltsvollzug, Herr Kollege Hoffmann, wobei nach den neuesten Beschlüssen der Kommission eine besondere Verantwortung zukommt. Denn nur dann, wenn die Agrarausgaben nicht immer mehr den EG-Haushalt erdrücken, bekommt die Gemeinschaft wieder den erforderlichen Spielraum, um den wirtschaftlichen und sozialen Ausgleich in der Gemeinschaft voranzutreiben, um den technologischen Fortschritt stärker zu fördern und um den eigenen Zielen, die sie sich gesetzt hat, auch Rechnung tragen zu können. ({4}) Meine Damen und Herren, um Haushaltsdisziplin geht es aber nicht nur bei der Agrarpolitik, sondern sie ist auch für andere Bereiche unverzichtbar, z. B. in der Besoldung der EG-Bediensteten, die in den 70er Jahren völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Dies ist kein neues Thema, aber wir dürfen hier nicht resignieren. Ich empfinde es als unerträglich, daß im europäischen Bereich Hunderte von Bediensteten eine gleichhohe oder eine höhere Besoldung bekommen als der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. ({5}) Meine Damen und Herren, wir fordern die Bundesregierung auf, sich für ein Einfrieren der Bezüge der EG-Beamten einzusetzen, bis sie sich wieder in einem angemessenen Verhältnis zur Besoldung in den Mitgliedsländern befinden und auch die Personalausstattung in Brüssel wieder ein vertretbares Maß erreicht. ({6}) Meine Damen und Herren, der Nachtragshaushalt 1984 markiert zwei Ziele der Koalition: erstens unseren Willen, die Grundsätze der Sparsamkeit und der finanziellen Vernunft auch in der Finanzwirtschaft der Europäischen Gemeinschaft durchzusetzen, und zweitens das erfolgreiche Bemühen der Koalition, nach den schlimmen Jahren des finanziellen Schlendrians die Politik der Konsolidierung und der Stabilität unbeirrt fortzusetzen und die maßlos angewachsene Neuverschuldung Schritt für Schritt zurückzuführen. Gegenüber dem Regierungsentwurf haben wir im Haushaltsausschuß als einzige Veränderung den höher ausgefallenen Bundesbankgewinn von 2,4 Milliarden DM in den Nachtragshaushalt eingestellt. Dadurch senken wir die Neuverschuldung im Haushalt 1984 auf 31,2 Milliarden DM ab. Wir halten uns damit an unsere Linie, den Bundesbankgewinn nicht wie die alte Regierung zur Ausgabenausweitung zu verwenden, sondern in voller Höhe zur Rückführung der Nettoneuverschuldung. Die Steuerschätzungen in dieser Woche haben zwar Steuermindereinnahmen ergeben. Auf der anderen Seite aber sind die IstAusgaben dieses Jahres bis Ende Oktober erheblich hinter dem Soll zurückgeblieben. Bisher liegen sie nur etwa 1 % über dem Vorjahreszeitraum, während der Haushaltsplan noch eine Steigerung von 4,2 % vorsieht. Das läßt erwarten, daß die IstAusgaben dieses Jahres so deutlich unter den Ansätzen des Haushaltsplanes bleiben werden, daß die nach der Steuerschätzung zu erwartenden Mindereinnahmen im Jahresergebnis wieder ausgeglichen werden. Damit diese erfreuliche Entwicklung nicht noch am Ende des Jahres durch das berühmt-berüchtigte Dezember-Fieber, also die plötzliche Ausgabefreudigkeit der Behörden am Jahresende, unterlaufen wird, haben wir im Haushaltsausschuß die Bundesregierung aufgefordert, dem Ausschuß Anfang nächsten Jahres eine detaillierte Übersicht über alle Fälle zu geben, in denen die monatlichen Ausgaben im November und Dezember deutlich über den durchschnittlichen Monatsausgaben in den ersten zehn Monaten des Jahres liegen, und in jedem Fall eine solche Überschreitung auch zu begründen. Das soll dem Bundesfinanzminister helfen, das Dezember-Fieber einzudämmen. ({7}) Dieser Nachtragshaushalt setzt die erfolgreiche Haushaltskonsolidierung konsequent fort. Nach einer drohenden Neuverschuldung am Ende Ihrer Regierungszeit von über 50 Milliarden DM haben wir über 37 Milliarden DM im letzten Jahr mit diesem Nachtragshaushalt noch eine Neuverschuldung von etwas über 31 Milliarden DM. Wir werden am Ende des Haushaltsjahres bei unter 30 Milliarden DM ankommen. Für 1985 rechnen wir trotz der Steuermindereinnahmen - nach den Steuerschätzungen dieser Woche - auf Grund des Ergebnisses der Beratungen des Haushaltsausschusses mit einer weiteren Senkung der Nettoneuverschuldung auf rund 25 Milliarden DM. Aber wir sind dabei mit der Haushaltskonsolidierung noch lange nicht über den Berg. ({8}) Die Neuverschuldung ist immer noch zu hoch, zumal wenn wir berücksichtigen, wie sehr uns bei den Konsolidierungsfortschritten der hohe Bundesbankgewinn geholfen hat. Der unselige Streik in der Metallindustrie und seine Folgen für die Steuereinnahmen zeigen, wie schnell sich Haushaltsannahmen auch ohne Zutun der Bundesregierung plötzlich ändern können. Ich empfinde es auch als beunruhigend, wie überall die Ansprüche an den Haushalt immer stärker zunehmen; nicht nur bei den Verbänden, bei denen das ja noch verständlich ist, ({9}) sondern das fängt vielmehr bei den maßlosen Ausgabenprogrammen der Opposition an und geht bis zur Forderung nach dem Vorziehen der Termine der Steuerreform. Wir dürfen die erreichten Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung nicht gefährden. Der Bundeskanzler und die Mitglieder der Bundesregierung haben dafür in dieser Woche auch das richtige Zeichen gesetzt und mit ihrem Beschluß, auch 1985 auf 5 % ihrer Bezüge freiwillig zu verzichten. ({10}) Denn die Haushaltskonsolidierung ist ja nicht nur für die staatliche Finanzwirtschaft lebenswichtig, sondern sie kommt dem Bürger unmittelbar selbst zugute. Die Bürger spüren diese Auswirkungen bereits heute. ({11}) Zum erstenmal seit 15 Jahren haben wir wieder Preisstabilität. Die Arbeitnehmer erhalten im Gegensatz zum Ende Ihrer Regierungszeit, Herr Kollege, wieder höhere Reallöhne. ({12}) Wir sind in der Lage, den Familien zu helfen und gleichzeitig die Steuern spürbar zu senken. ({13}) Die sinkenden Zinsen und der zurückgehende Staatsanteil am Bruttosozialprodukt stärken die marktwirtschaftlichen Kräfte und unterstützen so wirtschaftliches Wachstum, machen zusätzliche Investitionen möglich und schaffen damit neue Arbeitsplätze. Das darf nicht gefährdet, das muß gesichert und weiter ausgebaut werden. ({14}) Der Bundesfinanzminister hat kürzlich im Haushaltsausschuß gemeint, aus sportlichen Gründen hätte er gern auf einen Nachtragshaushalt verzichtet. Das ist verständlich; denn Nachtragshaushalte sind im vergangenen Jahrzehnt bei uns in Verruf geraten. ({15}) Mit diesem Nachtragshaushalt, dem ersten eigenen - denn der Nachtragshaushalt 1982 war ja noch Aufräumarbeit nach Ihrer Regierungszeit -, Herr Bundesfinanzminister, können Sie und die Koalition sich aber gut sehen lassen. Schon äußerlich unterscheidet er sich von den vielen Nachtragshaushalten unter Verantwortung sozialdemokratischer Finanzminister in einem zentralen Punkt, nämlich dadurch, daß er keine Hiobsbotschaften verkündet, keine neuen Milliardenlöcher stopfen muß, ({16}) keine zusätzlichen Kreditermächtigungen einholt, sondern die Neuverschuldung - Herr Kollege Hoffmann, wenn Sie einmal in die Drucksache hineingucken - sogar um über 2 Milliarden DM abbaut. Dabei ist das Wort Hiobsbotschaft, das Sie so erregt, ja noch fast geschmeichelt als Überschrift für Ihre Nachtragshaushalte. ({17}) Denn Hiob wußte ja nicht vorher, welche Schläge in Zukunft noch auf ihn zukommen würden. Sie aber haben doch das Instrument Nachtragshaushalt bewußt eingesetzt, um den Weg in die Verschuldung immer weiter lautlos fortsetzen zu können und Alternativen von vornherein auszuschalten. ({18}) Ob die Finanzminister bei Ihnen nun Apel oder Matthöfer oder Lahnstein hießen, immer wurde nach dem gleichen Muster gestrickt: Zunächst wurden die Haushaltsansätze künstlich geschönt; aus optischen Gründen wurde die Nettoneuverschuldung heruntergerechnet; und am Ende des Haushaltsjahres mußten die Hosen heruntergelassen werden, mußte die Wahrheit bekannt werden, und dann blieb Ihnen und dem Parlament gar nichts anderes übrig, als die Neuverschuldung wieder um Milliardenbeträge heraufzusetzen. Das hat dazu beigetragen, daß die Nachtragshaushalte so in Verruf geraten sind. ({19}) Die Fundamente der Haushaltspläne des jetzigen Bundesfinanzministers Gerhard Stoltenberg aber sind so solide, daß sie auch unerwartete Mehrausgaben auffangen können, wie dieser Nachtragshaushalt erneut zeigt. ({20}) Dieser Nachtragshaushalt ist damit von ganz anderer Qualität als seine Vorläufer. ({21}) Er ist nicht Ausdruck ungehemmter Schuldenwirtschaft. Er muß keinen finanzpolitischen Scherbenhaufen beiseite räumen. Er ist vielmehr das, was Haushaltsvorlagen immer sein sollten: Er ist Ausdruck stetiger und seriöser Finanzwirtschaft. ({22}) Dadurch wird er dazu beitragen, dem Instrument Nachtragshaushalt den unangenehmen Beigeschmack zu nehmen, der ihm noch als Folge der unsoliden Haushaltspolitik der alten Bundesregierung anhaftet. Wir werden deshalb dem Nachtragshaushalt zustimmen. ({23})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Walther.

Rudi Walther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die Rede des Kollegen Echternach kann ich mich nur wundern. Denn, Herr Kollege Echternach, Sie haben, weil ich damals für meine Fraktion in der ersten Lesung gesprochen habe, behauptet, ich hätte hier mit maßloser Polemik geredet. Lieber Herr Kollege Echternach, Sie waren damals ja nicht hier. Ich habe Sie in diesem Raum nicht gesehen, als ich hier gesprochen habe. ({0}) Aber Ihr Kollege Dr. Weng von der FDP ist hier gewesen, und er hat mich für meine Rede gelobt, die Sie hier heute als maßlose Polemik qualifizieren. Herr Kollege Echternach, da merkt man wirklich: Sie haben von Dingen geredet, mit denen Sie sich bisher überhaupt nicht befaßt haben. Ich habe damals zu der Einbringungsrede des Herrn Voss zum Nachtragshaushalt für uns darauf hingewiesen, daß er sich eher durch das auszeichnet, was er nicht enthält, als durch das, was er enthält. Ich habe damals bemängelt, daß sich die Regierung weigert, andere notwendige Korrekturen im Nachtragshaushalt zu berücksichtigen und statt dessen mit einer bedenklichen Flut von über- und außerplanmäßigen Ausgaben arbeitet. Letztlich habe ich das rechtlich und politisch fragwürdige Instrumentarium kritisiert, mit dem der Nachtragshaushalt der EG aus nationalen Mitteln finanziert werden soll. Alle unsere Kritikpunkte müssen leider nach den Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß bestehen bleiben, j a sogar verstärkt werden. Wir sind außerordentlich dankbar dafür - übrigens, Herr Kollege Echternach, Sie haben an unserem Beifall bemerkt: Was Sie zu den Personalausgaben der EG gesagt haben, findet unsere Zustimmung -, daß die Regierungskoalition bereit ist, heute mit uns zusammen eine Entschließung zu verabschieden, die an den früheren Beschlüssen des Deutschen Bundestages festhält und eine strenge Ausgabendisziplin der EG fordert und zugleich auch den Zusammenhang zwischen dem Beitritt Spaniens und Portugals zur EG und der Erhöhung der Mehrwertsteuereigenmittel-Grenze bekräftigt. Aber gerade deshalb, meine Damen und Herren, muß ich wie in der ersten Lesung den Herrn Bundesfinanzminister an seine Pressemitteilung vom 3. Oktober 1984 erinnern. Dort sagt er: Die Bundesregierung macht den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens davon abhängig, daß, es auch in Fragen der Haushaltsdisziplin in der EG unverzüglich zu einer Einigung auf der Grundlage der Beratungen von Luxemburg kommt. Diese Einigung, meine Damen und Herren, ist erkennbar nicht zustande gekommen. Trotzdem ist die Mehrheit offenbar bereit, heute einen Nachtragshaushalt zu beschließen, der auf jedwede Einflußnahme auf die Haushaltsdisziplin bei der EG verzichtet. Dies kann von uns nicht mitgetragen werden. Die Regierungsmehrheit hätte heute die Gelegenheit gehabt, den Nachtragshaushalt durch Anträge in der zweiten Lesung so zu aktualisieren, wie er sich aus wesentlichen Veränderungen durch zwischenzeitliche Entwicklungen ergibt. Eine der wesentlichen Veränderungen wollen wir durch einen eigenen Antrag aufgreifen, nämlich die finanzielle Absicherung der Ergebnisse der letzten Tarifrunde für den öffentlichen Dienst im Haushalt 1984, wobei wir durch die Höhe des von uns beantragten Ansatzes sicherstellen wollen, daß die Ergebnisse der Tarifrunde auch auf den Beamten- und Versorgungsbereich ohne Wenn und Aber übertragen werden. ({1}) Durch das Abstimmungsverhalten zu unserem Antrag wird die Regierungskoalition beweisen müssen, ob sie bereit ist, die Null-Runde auch im Beamtenbereich zu durchbrechen. Herausreden damit, daß die notwendigen Ausgaben ja überplanmäßig bewilligt werden können, können wir nicht akzeptieren, weil Sie heute durch Etatisierung im Haushalt die Gelegenheit der Aktualisierung hätten und deshalb eine ansonsten notwendige überplanmäßige Ausgabe entfiele. Wenn Sie heute an dieser Stelle nicht aktualisieren wollen, entfallen die Voraussetzungen für eine überplanmäßige Ausgabe, nämlich vor allem - neben der Unabweisbarkeit - die Unvorhersehbarkeit. Es ist heute vorhersehbar, und wenn das vorhersehbar ist, muß es heute etatisiert werden, meine Damen und Herren. ({2}) Nun, durch den Beschluß im Haushaltsausschuß stellen Sie - der Kollege Echternach hat das dargestellt - den höheren Bundesbankgewinn auf der Einnahmenseite ein. Dies wird von uns als ein Akt klarer Haushaltsführung nicht beanstandet. Wir können es jedoch, Herr Bundesfinanzminister, Ihnen und der Union nicht ersparen, erneut und immer wieder darauf hinzuweisen, daß Sie in Ihrer Oppositionszeit die Einstellung des BundesbankgeWalther winns in den Haushalt als noch gefährlicher eingestuft haben als eine Nettokreditaufnahme. ({3}) Das werden wir Ihnen so lange vorhalten, Herr Dr. Stoltenberg, wie Sie sich so verhalten, wie Sie sich bei diesem Haushalt verhalten. Wir werden Ihnen immer wieder das vorhalten, was Sie früher gesagt haben. ({4}) - Das mag j a sein, Herr Kollege. Wenn er die Unglaubwürdigkeit, die sich aus unterschiedlichen Äußerungen und Handlungen ergibt, ertragen kann, dann ist das Ihre Sache, nicht meine. - Durch die Einstellung des Bundesbankgewinns in voller Höhe, Herr Kollege Echternach, täuschen Sie doch einen Konsolidierungserfolg beim Haushalt 1984 vor, den es so überhaupt nicht gibt. Die Nettokreditaufnahme und der Bundesbankgewinn zusammen als reales Finanzierungsdefizit belaufen sich auf immer noch insgesamt 42,6 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, das sind Beträge, die in der alten sozialliberalen Regierung zu einer schweren Regierungskrise geführt hätten; das muß ich den Kollegen von der FDP sagen. Zu dem, was der Kollege Echternach über den Haushalt 1983 gesagt hat - er hat von einem drohenden Defizit von über 50 Milliarden DM gesprochen -, kann ich nur feststellen: Herr Kollege Echternach, Sie sind noch nicht so sehr lange im Haushaltsausschuß, trotzdem können Sie die Geschichte einmal nachlesen. Dann werden Sie feststellen: Das sind die Märchen des Herrn Geißler, die aber mit der Wirklichkeit überhaupt nichts zu tun hatten. ({5}) Meine Damen und Herren, die Mehrheit hätte heute auch Gelegenheit gehabt, durch Änderungsanträge die Verschiebungen zu etatisieren, die sich aus dem unterschiedlichen Verlauf der Arbeitslosigkeit im Einzelplan des Bundesarbeitsministers ergeben. Sie hätten z. B. durch die Erhöhung des Ansatzes für die Arbeitslosenhilfe dokumentieren können, daß die Langzeitarbeitslosigkeit immer mehr zunimmt, ohne daß die Bundesregierung erkennbar gegensteuert. Sie hätten z. B. auch einräumen können, daß die Bundesknappschaft mit den veranschlagten Mitteln nicht auskommt. Durch einen Änderungsantrag, meine Damen und Herren, hätten Sie auch das Ergebnis der Steuerschätzung dieser Woche im Nachtragshaushalt berücksichtigen können, ja müssen. Immerhin fehlen ja im Jahre 1984 gegenüber den veranschlagten Ansätzen rund 3 Milliarden DM bei den Steuereinnahmen. ({6}) Dieses Ergebnis ist ein Schlag ins Kontor des Herrn Bundesfinanzministers, der sich angesichts der aktuellen Zahlen vor allem auch aus der Automobilindustrie nicht mehr damit herausreden kann, daß dieses Ergebnis streikbedingt sei. ({7}) Dafür sind eine Reihe anderer Faktoren maßgebend, meine Damen und Herren, unter anderem auch die stagnierende Inlandsnachfrage, die sich als Folge der Sparbeschlüsse dieser Regierung ergibt. ({8}) - „Unter anderem" habe ich gesagt, Herr Kollege Echternach. Ich will Ihren Zwischenruf gerne bestätigen. Die Steuermindereinnahmen übersteigen erheblich den zusätzlich in den Einnahmen veranschlagten Bundesbankgewinn. Wenn Sie gleichwohl glauben, mit der nach dem Nachtragshaushaltsgesetz verringerten Kreditaufnahme auskommen zu können, spekulieren Sie darauf - Sie haben das auch dargestellt, Herr Echternach -, daß an anderen Stellen des Bundeshaushalts Minderausgaben zu verzeichnen sein werden. Wer aber die haushaltsmäßige Abwicklung des Bundeshaushalts im Jahre 1984 kritisch begleitet, muß feststellen, daß solche Minderausgaben insbesondere bei den investiven Ausgaben vorkommen. ({9}) Angesichts der katastrophalen Lage auf dem Baumarkt ist dies eine bedrohliche Entwicklung, die wir so nicht hinnehmen und mittragen können, meine Damen und Herren. Wir fragen Sie deshalb, Herr Bundesfinanzminister: Was haben Sie eigentlich getan, um den im Interesse vor allem der Baukonjunktur dringend notwendigen Abfluß der investiven Mittel zu beschleunigen? ({10}) Darüber hinaus, meine Damen und Herren, ändert sich offenbar auch nichts an der Haushaltskosmetik, durch die die vorschußweisen Zahlungen an die EG in täuschender Weise als investive Ausgaben ausgewiesen werden. Dies ist wirklich ein Ding aus dem Tollhaus. Daß diese Ausgaben an die EG als Investitionen ausgewiesen werden, meine Damen und Herren, darüber kann man schon gar nicht mehr lachen. ({11}) Meine Damen und Herren, vor wenigen Minuten ist der neue Bundesminister im Bundeskanzleramt vereidigt worden. Dazu sprechen wir Herrn Schäuble - ich hoffe, er ist noch da und kann das hören - unsere herzlichen Glückwünsche aus. Glück wird er in diesem schreckenbergerlichen Amt wirklich brauchen. Auch die haushaltsmäßig saubere Abwicklung dieses Verfahrens hätten Sie durch einen Änderungsantrag sicherstellen können. Der dahinterstehende Vorgang, nämlich, daß an die Stelle eines Staatsministers jetzt ein Bundesminister treten muß und auf diese Art und Weise der bisherige Chef des Kanzleramtes dramatisch entmachtet wird, ({12}) zeigt zwar die liebenswerte Art und Weise auf, wie der Herr Bundeskanzler mit Schulfreunden umzugehen pflegt, deutet aber im Hinblick auf die deutlich zurückgeschnittenen Befugnisse des bisherigen Chefs des Bundeskanzleramtes nicht nur eine Entmachtung von Herrn Staatssekretär Schreckenberger an, sondern beweist eigentlich auch die völlige Überflüssigkeit dieser Staatssekretärsstelle. ({13}) Meine Damen und Herren, darauf, daß es im Bundeskanzleramt noch zwei weitere völlig überflüssige Parlamentarische Staatssekretäre gibt, die den Steuerzahler viel Geld kosten, aber herzlich wenig Sinnvolles bewirken, kann ich nur am Rande hinweisen. ({14}) Wenn der Bundeskanzler in seinem Kanzleramt für Klarheit auch in den Zuständigkeiten hätte sorgen wollen, hätte er auch bei diesen hochdotierten Stellen heute Streichungen vorschlagen müssen. Im übrigen, meine Damen und Herren, ist das eigentliche Problem im Kanzleramt der Herr Bundeskanzler selbst. ({15}) Nächster Punkt. In der Finanzierungsübersicht des Nachtragshaushalts wird ziemlich lautlos die Tatsache dokumentiert, daß der Bundesfinanzminister erst vor wenigen Tagen im Hinblick auf die bürokratische Zwangsanleihe eine schallende Ohrfeige erhalten hat. ({16}) Dieser Zwangsanleihe war von Anfang an der Stempel der Verfassungswidrigkeit so aufgedrückt, daß man den Versuch, trotzdem dem Parlament und der deutschen Öffentlichkeit diese Zwangsanleihe als eine Tat der sozialen Ausgewogenheit im Verhältnis zu den dramatischen Einschnitten im sozialen Netz hinstellen zu wollen, als einen Akt der bewußten und vorsätzlichen Täuschung sowohl des Parlaments als auch der deutschen Offentlichkeit anprangern muß, meine Damen und Herren. ({17}) Ich weiß, daß für viele - ich denke auch an Herrn Dr. Dregger, der sich damals so geäußert hat - vor allem in der Union diese Zwangsanleihe als eine soziale Rechtfertigung für die übrigen unbarmherzigen Einschnitte in das soziale Netz gegolten hat. Ich verstehe, daß gerade diese Kollegen aus der Union sich jetzt übertölpelt fühlen müssen. Deshalb wollen wir durch einen Entschließungsantrag heute nachmittag diesen Kolleginnen und Kollegen - Herr Dr. Riedl, Sie sind herzlich eingeladen - Gelegenheit geben, Ihren Teil dazu beizutragen, daß soziale Ausgewogenheit ein ganz klein wenig wiederhergestellt wird. Meine Damen und Herren, die Kollegen Hajo Hoffmann und Helmut Esters werden einzelne meiner Kritikpunkte noch vertiefen. Aber als Fazit meiner Bemerkungen sage ich für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion schon jetzt: Diesem dürftigen, unzulänglichen, Wesentliches verschweigenden Nachtragshaushalt stellen wir ein klares Nein entgegen. Vielen Dank. ({18})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Weng.

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Walther, zumindest menschlich muß die Frage erlaubt sein, ob das Lob, das man einem Kollegen für eine gehaltene Rede pauschal bei Gelegenheit einmal ausdrückt, mit dem man im Ausschuß zusammenarbeitet, in der Weise, wie hier getan, politisch verwendet werden kann. ({0}) Ich meine, eher nicht. Ich will mich hier nicht dahinter zurückziehen und sagen, das Lob habe seinerzeit nur Gestik oder Engagement in der Art des Vortrags gegolten. ({1}) Dieses war nicht so; es gab durchaus inhaltliche Punkte, die in dieser Rede auch lobenswert waren. ({2}) Das kann aber nicht heißen, daß ein solches pauschales Lob jedes Detail einer Rede umfaßt. ({3}) Meine Damen und Herren, daß meine Fraktion dem Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1984 zustimmen würde, haben wir schon in der ersten Lesung deutlich gemacht. Ich stelle hierbei erneut fest, daß es zur Notwendigkeit dieses Nachtragshaushaltes nicht durch Entwicklungen im eigenen Land kommt, sondern daß hierfür die Europäische Gemeinschaft verantwortlich zeichnet. Dort hat man den einprozentigen Mehrwertsteueranteil ebenso wie die Eigenmittel bereits im November voll ausgeschöpft. Dort darf man sich - ich sage: Gott sei Dank - nicht verschulden, ein System, das bedeutet, daß die Kommission von den Regierungen und auch vom Europäischen Parlament verhältnismäßig hart an die Kandare genommen werden kann. Daß das Parlament gerade in den letzten Tagen der Kommission die Entlastung verweigert hat, macht ja auch deutlich, wo die Schuld an der jetzigen Situation zu suchen ist. ({4}) Insofern wird man sich dort auch aus den nationalen Parlamenten und, wie ich hoffe, auch von den nationalen Regierungen deutliche Worte gefallen lassen müssen. Denn an sich ist es ja nicht in OrdDr. Weng nung, daß man den jetzt nötigen Vorgriff auf zukünftige Erhöhungen des Mehrwertsteueranteils auf 1,4 % tätigt. Meine Damen und Herren, natürlich muß es unsere Aufgabe sein, die Handlungsunfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft zu verhindern; denn dieses brächte eine Gefährdung des Bestandes an sich mit allen daraus resultierenden Problemen für unsere Volkswirtschaft mit sich. Der Nachtragshaushalt, der noch durch die Zuschüsse aus dem Bundesbankgewinn erweitert wird, sprengt, so unerfreulich er dem Grunde nach natürlich ist, den Rahmen unseres nationalen Haushaltsplanes nicht, obwohl wir durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rückzahlung der Investitionshilfeabgabe gezwungen sind. Lassen Sie mich hierzu ein kurzes Wort verlieren: Natürlich ist ein negatives Urteil des Verfassungsgerichts über ein Steuergesetz etwas Unerfreuliches, wenn ich hier auch in aller Deutlichkeit den Hinweis des Kollegen Walther zurückweisen muß, die Verfassungswidrigkeit sei von Anfang an klar gewesen. ({5}) Das würde j a bedeuten - das ist eine üble Unterstellung -, der Mehrheit dieses Hauses nachzusagen, sie habe in Kenntnis und im festen Bewußtsein der nicht vorhandenen Verfassungsmäßigkeit hier ein Gesetz verabschiedet. ({6}) Mit solchen Unterstellungen sollte man hier überhaupt nicht gegeneinander agieren, Herr Kollege Walther; das ist eigentlich unter dem Niveau dessen, was ich Ihnen seither zugetraut hätte.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Kollege Dr. Weng, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Walther?

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. ({0}) - Wenn der Zuruf vom Herrn Kollegen Wieczorek kam, dann weise ich diesen Zuruf zurück. - Jetzt erschrickt er. Meine Damen und Herren, dieses negative Urteil hat aber auch einen erfreulichen Aspekt, und das ist die Reaktion der Regierung, insbesondere des Finanzministers, der sofort bereit war, ohne hier lange herumzurechten, die schnellstmögliche Rückzahlung in Angriff zu nehmen. Ich bin überzeugt, daß es gelingt, die gesetzliche Grundlage durch eine Beifügung zum Steuerbereinigungsgesetz 1985 zu schaffen, soweit hierfür ein Gesetz erforderlich ist. Es ist mehr als selbstverständlich, daß es den Bürgern erlaubt wird, die Rückzahlung der für 1984 vom Arbeitslohn einbehaltenen Investitionshilfeabgabe ebenso unbürokratisch zu regeln, wie es den betroffenen Bürgern erlaubt werden sollte, die Rückzahlung der für 1983 bezahlten Gelder im Vorgriff auf die gesetzliche Regelung sofort zu verrechnen. ({1}) - Schwierigkeiten sind dazu da, um überwunden zu werden. Meine Damen und Herren, wenn das Rollenspiel in diesem Hause nicht so wäre, daß die Opposition kraft Amtes nur kritisiert, weswegen man als Angehöriger einer Koalitionsfraktion fast genötigt ist, nur zu loben, würde mir meine heutige Rede etwas leichtergefallen sein. Aber ich fange einmal mit dem Loben an. Was ich gerne lobe, ist der von mir entworfene Entschließungsantrag der Arbeitsgruppen Haushalt der Bundestagsfraktionen der CDU/ CSU und FDP, dem der Haushaltsausschuß in der Ausschußdrucksache 739 zugestimmt hat. Sie wissen, daß wir hierin ein Einfrieren der Bezüge auf EG-Ebene fordern, die zum Teil im Verhältnis zu vergleichbaren Bezügen in den Mitgliedsländern völlig unangemessen sind. Wir wollen mehr Ehrlichkeit erreichen. Wir fordern, in gleicher Weise dafür Sorge zu tragen, daß bei der Europäischen Gemeinschaft eine realistischere Ausstattung der Behörden mit Personal erreicht wird, sowohl was die Zahl der Bediensteten wie was den Stellenkegel angeht, und wir fordern, daß hierbei die unterschiedlichen steuerlichen Gegebenheiten zwischen den einzelnen Ländern und dem steuerlichen Wohnort der Betroffenen berücksichtigt werden sollen. Ich meine, diese Forderungen sind mehr als begründet, und die Regierung wird berichten müssen, welche konkreten Schritte auf dieses Ziel hin sie unternommen hat. Ich will nicht verhehlen - dies sage ich auch im Blick auf die abgeschlossenen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst -, daß dieser Antrag auch einen Grund nach innen hatte: Der öffentliche Dienst und insbesondere das Berufsbeamtentum in unserem Lande sind von hoher Leistungsfähigkeit. Wegen der Haushaltslage konnte in den vergangenen Jahren die Anerkennung oft nicht mit dem wünschenswerten finanziellen Zuschlag garniert werden. Bei dieser Situation ist es um so weniger einzusehen, daß die europäische Mammutbürokratie, deren Leistungsfähigkeit bei Gott nicht unbestritten ist, sich in ihren finanziellen Gegebenheiten so weiterentwickelt, als sei Geld in Hülle und Fülle da. Wenn Europa nicht noch verstärkt auf Unverständnis in unserer Bevölkerung stoßen soll, dann muß auch hier Ernst gemacht werden mit Vernunft. Die Beteiligung an der Europawahl sollte uns Parlamentarier genügend erschreckt haben. Natürlich ist die europäische Einigung ein Wert an sich, wir wollen auch immer daran denken, daß Dinge, die gerade in der jüngeren Generation ganz selbstverständlich geworden sind, vor noch nicht allzu langer Zeit keine Selbstverständlichkeit waren: offene Grenzen, eine freundliche Nachbarschaft, der ehrlich gemeinte Versuch, auf vielen Ebenen menschlich aufeinander zuzugehen, wenn ich hierbei nur an die zahlreichen Städtepartnerschaften denke. Während die Generation unserer Väter und Vorväter sich in Schützengräben gegenüberlag und so in gemeinsamer „Arbeit" vieles zerstört hat, was vorher mit Mühe aufgebaut worden war, haben wir jetzt die Chance, gemeinsam aufzubauen. Gemeinsames Aufbauen beinhaltet im Moment auch eine sehr dringliche Forderung, die Forderung nach einer gemeinsamen Rettungsaktion. Es ist Ihnen sicher klar, daß ich hierbei auf die Situation unserer Wälder abheben will. Im eng besiedelten Westeuropa, das ebenso hochindustrialisiert wie hochmotorisiert ist, hat die Belastung der Umwelt - und dies gilt leider zuerst für uns in der Bundesrepublik - die Obergrenze überschritten, unter der noch natürliche Regeneration möglich war. ({2}) Die Schäden in unseren Wäldern sind hierfür ein deutlicher Ausdruck. Wir haben uns - dies gilt für die Koalition - in der Bundesrepublik bemüht, einen schnellstmöglichen realistischen Weg zur Verbesserung unserer Atmosphäre durch Einführung umweltfreundlicher Automobile in Angriff zu nehmen. Da die Verhältnisse in unseren Nachbarländern offensichtlich noch nicht so schlimm sind wie bei uns, fehlt es insbesondere in Frankreich und in Italien ein wenig an Verständnis für die von uns geforderten Maßnahmen. Für dieses Verständnis müssen wir werben; wir müssen aber bei diesem Werben auch deutlich machen, daß wir uns von dem als lebensnotwendig angesehenen Weg nicht werden abbringen lassen und daß die Partner mitziehen müssen. Hierfür wird allerdings Kooperation erforderlich sein. Zu solcher Kooperation sind wir bereit. Meine Damen und Herren, Konstruktionen in Europa wie z. B. drei Hauptstädte der Europäischen Gemeinschaft, ein Parlament ohne eigentliche politische Kompetenzen - nur mit dem Recht, ein Budget zu verabschieden ({3}) und der Ministerrat mit Einstimmigkeitsforderung bei allen Abstimmungen dürfen nicht das Ende der Entwicklung sein. Insofern drängen wir darauf, daß die Beitrittsverhandlungen mit Spanien und Portugal zügig und mit dem wirklichen Willen zum Erfolg geführt werden. Wir drängen hier auch unsere Partner, denn die Einigung muß erfolgen. Sie darf allerdings nicht unter Ausklammerung von Problemen erfolgen, denn wenn das geschieht, laufen wir Gefahr, daß die Probleme der Gemeinschaft, die wir schon jetzt haben, auf die kommende Generation von Politikern in noch viel größerem Maße zukommen werden. Ein solcher Beitritt ist ein Wert an sich im Sinne der Gemeinschaft der westeuropäischen Völker mit ihren gleichen Wertvorstellungen. Diese Erweiterung muß aber gleichzeitig die Europäische Gemeinschaft so ausgestalten, daß sie künftig handlungsfähiger - und das heißt auch: ein Stück ehrlicher - ist. Meine Damen und Herren, wie eingangs erwähnt, stimmt meine Fraktion dem Nachtragshaushalt zu. ({4})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Verheyen.

Hans Verheyen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002369, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst erklären, warum von unserer Fraktion fast niemand hier ist. ({0}) Das liegt nicht daran, daß wir der Materie so wenig Bedeutung beimessen würden, sondern daran, daß wir als Abgeordnete unsere Verantwortung derzeit dadurch wahrnehmen, ({1}) daß wir vor der US-Botschaft demonstrieren. ({2}) - Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist leider nicht so lustig, wie es scheint, ({3}) weil zu befürchten ist, daß der Druck aus den USA auf Nicaragua - auch in Form von Invasion, auch in Form von Seeblockaden - derzeit so stark zunimmt, ({4}) daß jeder Demokrat ({5}) - auch Sie, Herr Rose - in dieser Frage gefordert ist. ({6}) Aber jetzt zum Nachtragshaushalt. ({7}) Der hier vorgelegte Nachtragshaushalt hat bisher keine besonders große Öffentlichkeit gefunden, was auch - zumindest wenn man es oberflächlich betrachtet - nicht verwunderlich ist, weil dieser Nachtragshaushalt im Volumen erheblich unter den Nachtragshaushalten vergangener Zeiten bleibt und weil auch die zusätzlichen Ausgaben durch Verheyen ({8}) Kürzungen an anderer Stelle kompensiert werden. Das alles sieht auf den ersten Blick nach solider Haushaltspolitik aus. ({9}) - Da irritiert es allerdings, Herr Kollege, ({10}) daß in der Haushaltsdiskussion des Europäischen Parlaments ganz andere Töne zu hören waren. Von Manipulation, ja von Betrug und von Mißachtung des Budgetrechts war die Rede. Dies ist nicht aus der Luft gegriffen. Ob nämlich dieser Nachtragshaushalt überhaupt ausreichen wird, auch nur den Jahreswechsel ohne Zahlungsunfähigkeitserklärung zu erreichen, ist immer noch eine offene Frage. Doch selbst wenn dies gelingen sollte, mit dem Budget für 1985 ist es noch schlechter bestellt. Hier sind die Ausgaben nur für neun bis zehn Monate gedeckt. Es fehlen rund 3 Milliarden ECU, was eine klare Verletzung des Haushaltsrechts der EG bedeutet; denn Art. 4 des Vertrages über die Eigenmittel der Gemeinschaft schreibt ausdrücklich vor, daß die Ausgaben der Gemeinschaft aus eigenen Mitteln zu decken sind, also vor allem aus Mehrwertsteuereinnahmen, Abschöpfungen und Zöllen. Vorschüsse der Mitgliedsländer, wie sie jetzt geplant sind, sind keine solchen eigenen Einnahmen. Demnach ist diese hier gewählte Vorgehensweise rechtswidrig und äußerst unsolide. Für uns ist es nicht nachvollziehbar, daß jemand, der als so solide gilt wie unser Finanzminister ({11}) - ich sage: als so solide gilt -, ({12}) ein solches Verfahren mitmacht. Herr Minister, Sie unterlassen es, die heutigen Probleme zu lösen, und verschieben sie statt dessen auf eine unbestimmte Zukunft. Auch der Behauptung des Kollegen Weng und anderer Mitglieder der Koalitionsfraktionen, die Misere liege allein in Brüssel begründet und im nationalen Alleingang könne man gar nichts ändern, können wir nicht folgen. Wir halten dies in dieser Frage genauso für eine Ausrede wie beim Katalysator und beim IWF. ({13}) Was die Bundesregierung erreichen kann, wenn sie nur will, das hat der Alleingang in der Agrarpolitik gezeigt, dessen Ziel wir nicht unterstützen, bei dem wir aber deutlich gesehen haben, daß ein Alleingang, wenn das Gewicht der Bundesrepublik voll in die Waagschale geworfen wird, in der EG durchaus Erfolg haben kann. Die 650 Millionen DM dieses Nachtragshaushaltes sind fällig geworden, weil die Bundesregierung weiterhin eine Agrarpolitik betreibt, die eine enorme Überschußproduktion und dadurch eben auch gewaltige Kosten verursacht. ({14}) So sehr wir es begrüßen, daß im Personalbereich gekürzt wird, man muß dennoch sagen: Das eigentliche Problem liegt im Agrarbereich. Alles andere macht den Kohl nicht fett. Der dringend notwendige Wandel der Agrarpolitik wird aber gerade nicht angepackt. Diese Regierung ist nicht bereit, die überflüssigen Milliardensubventionen für Großbauern und Agarindustrie zu stoppen und diese Steuergelder statt dessen für die Stützung klein- und mittelbäuerlicher Betriebe sowie für den Ausbau der biologischen Landwirtschaft zu verwenden. Genau diese Haushaltspolitik ist unsolide und unseriös; denn die Kostenlawine in der EG ist nur zu stoppen, wenn die hochtechnisierte und chemisierte Massenproduktion in der Landwirtschaft - und das heißt: vor allem in den Großbetrieben - drastisch eingeschränkt wird. ({15}) Ehrlich und seriös wäre es gewesen, wenn diese Regierung ein Konzept zumindest angedeutet hätte, wie sie die gigantische Vernichtung von z. B. rund zwei Millionen Tonnen Obst und Gemüse aus EG-Beständen stoppen will. Allein diese Vernichtung kostet so viel Geld, nämlich ungefähr 600 Millionen DM, wie nach ihrer Meinung jetzt zusätzlich notwendig geworden sind. ({16}) Zu den galoppierenden Kosten dieser von Ihnen, Herr Stoltenberg, mit zu verantwortenden EG-Agrarpolitik kommen zusätzlich noch die sozialen Folgen für die kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe. Die rund 40 Milliarden DM für den Agrarhaushalt der EG dienen der Rationalisierung und Chemisierung, dienen einem Modernisierungswettlauf, der alle zwei Minuten - alle zwei Minuten! - einen Bauern in der EG zur Aufgabe seines Betriebes zwingt. Jedes Jahr entstehen in diesem Bereich 250 000 bis 300 000 neue bäuerliche Arbeitslose. Weder die Milchkontingentierungsbeschlüsse noch die als Ausgleich für den Wegfall des Grenzausgleichs gedachte Erhöhung des Mehrwertsteueransatzes sind in der Lage, die Ruinierung kleinbäuerlicher Betriebe zu stoppen, geschweige denn diesen Prozeß umzukehren. Die Milchquote nagelt die Kleinstbetriebe auch in Zukunft auf Umsatzzahlen jenseits des Existenzminimums fest. ({17}) Der sogenannte Härteausgleich verschärft die Ungleichheit zusätzlich zugunsten der Wachstumsbetriebe, die zwischen 1981 und 1983 aufstocken konnten, und die Erhöhung der Umsatzsteuerpauschale bevorzugt erneut die großen gegenüber den kleinen Betrieben. Mit derartigen Maßnahmen schützt man Verheyen ({18}) nicht die Kleinbauern - wie Sie es versprochen haben -, sondern man ruiniert sie. ({19}) Die Alternative zu dieser hemmungslosen Modernisierungspolitik heißt: Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft durch gestaffelte Preise, durch flächenabhängige Produktion, durch Hilfestellung für ökologische Produktionsweisen. Nur ein derartiges Konzept bietet die Chance, daß die bäuerlichen Produzenten nicht der agrarindustriellen Produktion zum Opfer fallen und daß die heutige Kostenlawine schließlich gestoppt werden kann. Meine Damen und Herren, wer die bisherige Politik weiter fortsetzt, der löst damit letztendlich nicht nur heute eine Kostenlawine, sondern mittelfristig eine noch viel gefährlichere zweite Kostenlawine aus; denn die zunehmende Arbeitslosigkeit im bäuerlichen Bereich und die zunehmende ökologische Zerstörung werden schon in naher Zukunft auch als Kostenfaktor auf den Bundeshaushalt zukommen. Erste Anzeichen dafür, daß z. B. die Fruchtbarkeit der Acker sinkt, sind schon absehbar. Wenn dies voll durchschlägt, werden uns die Milliarden, über die wir heute reden, als ein lächerlich kleines Problem erscheinen. Diese Regierung arbeitet mit ungedeckten Wechseln auf die Zukunft. Einer dieser Wechsel ist in dieser Woche geplatzt. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Investitionshilfeabgabe für verfassungswidrig. Diese Maßnahme wurde von Ihnen, Herr Stoltenberg, kurz nach dem Wendemanöver durchgesetzt - gegen den Rat aller Fachleute. Sie, Herr Stoltenberg, wußten - und das ist Ihnen vorzuwerfen - von vornherein, daß diese Zwangsanleihe verfassungswidrig ist und eines Tages vom Verfassungsgericht gestoppt werden würde. Sie haben aber diese Zwangsanleihe durchgesetzt, weil Sie damit ein politisches Geschäft machen wollten, weil Sie der Offentlichkeit nämlich vortäuschen wollten, ({20}) daß auch die Besserverdienenden zur Sparpolitik herangezogen würden. Vor wenigen Tagen noch haben Sie im Deutschen Fernsehen erklärt, daß Sie die Heranziehung der Besserverdienenden auch weiterhin für richtig halten. Dennoch aber sind Sie nicht bereit, durch die Einführung einer einwandfrei verfassungsgemäßen Ergänzungsabgabe diesem Lippenbekenntnis Taten folgen zu lassen. ({21}) Hier bestätigt sich, Herr Stoltenberg, was gestern in der „Frankfurter Rundschau" zu lesen war: ... bei keinem anderen Politiker in vorderster Front ({22}) fällt die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Versprochenem und Gehaltenem so groß aus wie bei ihm, dem als seriös geltenden Herrn Bundesfinanzminister Dr. Gerhard Stoltenberg. ({23}) Wir wissen, daß es sehr schwer ist, gegen ein solches Image, das in der Öffentlichkeit aufgebaut worden ist, zu argumentieren. ({24}) - Es ist nur teilweise begründet. Herr Stoltenberg, wenn Sie nicht die Ergänzungsabgabe in Ihrer Fraktion durchsetzen, was zu erwarten ist, dann wird von diesem Image ein weiterer Stein abbröckeln. Ich danke Ihnen. ({25})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Frau Abgeordnete Will-Feld.

Waltrud Will-Feld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002515, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 6. November 1984 das Investitionshilfegesetz für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt, Herr Kollege. Aber das Urteil ist anders auszulegen, als Sie es eben hier vorgetragen haben. Bei der Bewertung dieses Urteils sollte daher nicht zu falschen Vokabeln gegriffen werden. ({0}) Es ist schlicht nicht richtig, daß das Urteil als politische Niederlage der Bundesregierung darzustellen ist. ({1}) Meine Damen und Herren, was ist denn eigentlich geschehen? Das Bundesverfassungsgericht hat nicht mehr und auch nicht weniger getan, als in einer verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung die ihm zukommende Entscheidung zu treffen. ({2}) So will es der Grundsatz der Gewaltenteilung. ({3}) Das Bundesverfassungsgericht, meine Damen und Herren, hat allen Fraktionen und allen Parteien jenseits von tagespolitischen Fragen ganz Grundsätzliches ins Stammbuch geschrieben. ({4}) Die Karlsruher Richter wenden sich nämlich gegen neue Begehrlichkeiten des Staates und gegen den Einfallsreichtum, dem Steuerbürger immer aufs neue ins Portemonnaie zu greifen. ({5}) Es hat damit den Rahmen für die Abgabenpolitik des Staates neu abgesteckt. Das Bundesverfassungsgericht hat eine ordnungspolitische Trennung zwischen Steuern, Sonderabgaben und Anleihen vorgenommen und diese Trennung noch über den sehr sensiblen Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung gestellt. Dies ist außerordentlich bemerkenswert. Damit hat es durchaus die investitionsorientierte Zielsetzung dieses Gesetzes gesehen, nach der bewußt diejenigen ausgenommen wurden, die investieren sollten. Die zusätzlichen finanziellen Mittel sind zur Förderung des Wohnungsbaues eingesetzt worden. Bei der Einbringung des Gesetzentwurfes der SPD 1982 hat der ehemalige Kollege Gobrecht sehr eindeutig gesagt, mit diesem Gesetzentwurf der SPD könne man genügend Mittel hereinbekommen, um beschäftigungswirksame Maßnahmen zu finanzieren. Wenn Sie sich den Bericht des Finanzausschusses auf Seite 2 einmal ansehen, dann werden Sie feststellen, daß der Gesetzentwurf der SPD auch eine Investitionsklausel enthält. ({6}) - Nun hören Sie doch einmal zu! - Dabei ist es interessant, daß sich auch einer der Beschwerdeführer im Verfahren des Bundesverfassungsgerichts in der Begründung seiner Klage auf diese Investitionsklausel beruft. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar darauf hingewiesen, der Gesetzgeber habe keine Kompetenz für Abgaben, die der bloßen Mittelbeschaffung dienen, aber auf Grund der Hinweise der Beschwerdeführer - das sind doch alles Besserverdienende gewesen, denn das Investitionshilfegesetz war doch nur auf Besserverdienende anwendbar, auf Verheiratete ab einem Jahreseinkommen von 100 000 DM - entsteht der Eindruck, daß sie die Steuerlast als zu hoch ansehen, daß sie geltend machen, der Staat nehme zuviel von ihrer Leistung in Anspruch, ihre Leistung lohne sich nicht mehr. Die Karlsruher Richter haben eigentlich nichts anderes gesagt, als daß - ich drücke das einmal sehr einfach aus - der besserverdienende Unternehmer durch die Investitionshilfeabgabe beispielsweise gegenüber besserverdienenden Vorstandsmitgliedern in großen Konzernen nicht bessergestellt werden dürfe. Da das Investitionshilfegesetz mangels einer Kompetenzgrundlage im Grundgesetz insgesamt nichtig ist, sind die Karlsruher Richter auf weitere verfassungsrechtliche Bedenken, die die Beschwerdeführer gegen einzelne Bestimmungen geltend gemacht haben, leider nicht eingegangen. ({7}) Meine Damen und Herren, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist am 6. November 1984 ergangen; bereits am 15. November 1984, also heute, hat die Bundesregierung in Art. 29 des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rückzahlung geschaffen. ({8}) Die Bundesregierung hat schnell gehandelt. Sie hat ein einfaches Gesetz vorgelegt. Die Finanzämter haben die gezahlten Beträge unverzüglich zurückzuzahlen. Dies gilt auch bei nicht anfechtbaren Verwaltungsakten. Bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten in Angelegenheiten des Gesetzes ist der Finanzrechtsweg gegeben. Wir gehen davon aus, daß diese Regelungen rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen. Wir haben die Rechtsunsicherheit beseitigt, indem wir festgelegt haben, welcher Rechtsweg gegeben ist, d. h. welches Gericht zuständig ist. ({9}) - Herr Kollege, das Urteil liegt den Fraktionen erst seit zwei Tagen vor. Es wird sehr sorgfältig zu lesen und zu analysieren sein. Selbstverständlich, Herr Kollege, ergeben sich noch Sachprobleme, ({10}) ergeben sich noch Zweifelsfragen, die wegen der Kürze der Zeit sicher nicht alle erfaßt und geregelt werden konnten. Daher soll für diese Zweifelsfragen der Grundsatz gelten: Die Rechtsprechung hat zu entscheiden. Es wurde unbürokratisch, es wurde einfach und es wurde schnell gehandelt. Die Finanzämter haben die Rückzahlungen bereits eingeleitet. Ich darf mir abschließend noch einen Hinweis erlauben. Die Bundesregierung und das Parlament mußten 1982 wohl oder übel mit heißer Nadel strikken. Es darf nicht übersehen werden: Die Zeit drängte, die Verschuldung nahm unaufhörlich zu, und die Wirtschaft bedurfte dringend eines Anstoßes. Ich bedanke mich. ({11})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoffmann ({0}).

Hans Joachim Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000937, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Will-Feld, ich weiß sehr zu schätzen, daß Sie eine qualifizierte Kollegin sind. Deshalb behaupte ich einmal, daß Sie hier absichtlich weit unterhalb des Standards Ihrer Kenntnisse vorgetragen haben. ({0}) Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das Verfassungsgerichtsurteil keine politische Niederlage der Regierung war, dann weiß ich überhaupt nicht, was noch politische Niederlagen sein sollen. ({1}) Der Kern der Sache war dieser: Sie haben bei den Armen zugelangt wie verrückt und haben dazu ein politisches Gegengewicht gebraucht, von dem Sie genau wußten, daß es verfassungswidrig ist. Sie haben es dann aber mit dem Hintergedanken beantragt, daß es das Verfassungsgericht schon zurück7266 Hoffmann ({2}) nehme, während die Belastung der Armen bestehenbleibe. Genauso ist es jetzt. ({3}) - Ich verstehe, daß Sie sich darüber aufregen. Sie haben die einschneidenden Sparmaßnahmen bei den Ärmeren und den Einfachverdienenden durchgesetzt. Und Sie haben gesagt, Ihre soziale Symmetrie bestehe darin, daß Sie ja auch von den Reichen etwas nähmen. Das haben wir jetzt über das Verfassungsgericht korrigiert bekommen, und damit ist entlarvt, daß das bei Ihnen eine ganz bewußte Strategie gewesen ist. ({4}) Jetzt möchte ich mich ein bißchen über die europäischen Finanzen auslassen. Dabei möchte ich zunächst jeweils kurz etwas zu den Vorrednern sagen, die sich damit befaßt haben. Lieber Kollege Verheyen, leider Gottes ist es juristisch völlig falsch, was Sie gesagt haben: daß der Nachtragshaushalt den rechtlichen Grundsätzen nicht entspreche. Auch mir wäre es lieb, wenn ich der Bundesregierung alles mögliche vorwerfen könnte, aber dies kann ich ihr leider nicht vorwerfen. Ich glaube, daß der Text des Nachtragshaushalts und die Durchführung der zweiten und der dritten Lesung juristisch korrekt sind, es sei denn, daß das, was mit den 650 Millionen DM Zusatzausgaben finanziert wird, im Endeffekt nicht wieder über die 1,4 % Mehrwertsteuer zurückkommt und später nicht darüber hinausführt. Aber das ist ein sehr delikates Problem. Auch Herr Dr. Weng hat einen sehr bemerkenswerten Satz gesagt. ({5}) - Aber der eine war besonders bemerkenswert. Hören Sie sich das einmal genau an. Sie haben hier erklärt, das Europäische Parlament habe nicht genug Kompetenzen, es habe nur die Haushaltsrechte. Wissen Sie, es ist genau umgekehrt. Das Europäische Parlament hat nur rudimentäre Haushaltsrechte. Das ist das eigentliche demokratische Legitimationsproblem: daß dieses Parlament zwar auf Grund freier politischer Wahlen zustande kommt, aber nicht die politischen Grundrechte hat, die zu einem vollwertigen, handlungsfähigen Parlament gehören. Sätze, wie Sie sie ausgesprochen haben, zeigen mir, daß Sie hier in eine Richtung laufen, die im Prinzip „l'art pour l'art" ist und nicht an das eigentliche Thema heranführt. Herr Echternach hat etwas Tolles gemacht. Er hat einen grandiosen Nebel geworfen. Dann hat er allerdings etwas gesagt, was stimmt, nämlich daß wir der Auffassung seien, daß die EG-Gehälter in einem vernünftigen Rahmen hineingebracht werden müßten. Nur muß ich Ihnen, Herr Echternach, dazu eine kleine statistische Zahl nennen. Wenn Sie all die Gehälter der EG auf das zurückführen, was dem nationalen Niveau entspricht, haben Sie eine zwar nicht zu unterschätzende, aber eben nur eine Einsparung von 0,3 % des EG-Haushalts. Das müssen Sie wissen. Das heißt, das ganze Bemühen, auf solchem Weg die europäischen Finanzen wieder in Ordnung zu bringen, ist natürlich dummes Zeug, hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Jetzt versuche ich einmal für einen kurzen Moment, eine Analyse zu machen, vor welchem Problem wir wirklich stehen. Die Situation ist folgende. Wir müssen jetzt 650 Millionen DM nachfinanzieren, weil die Finanzgrundlage der Europäischen Gemeinschaft nicht ausreicht. Nun kommen wir zu einem gefährlichen Präzedenzfall. Entweder wir wären politisch in der Lage gewesen, die Haushaltsausgaben gemeinsam so eng zu begrenzen, daß die jetzigen Grundlagen ausreichen würden, oder wir hätten die Eigeneinnahmen schnell erhöhen müssen, was verfassungsmäßig so ohne weiteres nicht möglich ist, weil das nämlich ratifiziert werden muß, oder wir kommen jetzt in eine Regelung hinein, wo vorfinanziert wird. Das ist zunächst einmal eine sachliche alternative Darstellung. Jetzt muß man aber nach den Ursachen fragen. Ursachen dieses Finanzengpasses sind - ich glaube, darüber gibt es keinen Streit - nicht irgendwelche allgemeinen politischen Probleme, sondern die Ursachen liegen kardinal in dem, was wir nicht gemeinsam bewältigen können, nämlich in der Agrarpreisstruktur. Das ist das eigentlich zentrale Problem der europäischen Haushalte. Jeder weiß - ich rede hier nicht von Schuldfragen -, daß zwei Drittel des europäischen Haushalts über die Agrarpreisverhandlungen vorfixiert werden. ({6}) - Sie haben völlig recht. Ich nehme an, daß wir in dieser Frage ganz nahe beieinanderliegen. Welche Lösungen kann man denn vorschlagen, um aus diesem Dilemma herauszukommen? Lösung Nummer eins: Wir machen das, was alle Haushälter tun, nämlich eine Psychologie des strengen Haushalts zu betreiben und aus dem Haushalt herauszuziehen zu versuchen, was möglich ist. Haushaltskontrolle ist - auch bei der EG - immer nötig, dringend nötig. Nur: Es ist ein analytischer Blödsinn, zu glauben, man könnte über eine schärfere Ausgabenkontrolle dieses Problem lösen. Zwei Drittel dieser Ausgaben werden schon bei den Agrarministerverhandlungen festgelegt, nicht über die Kommission oder das Europäische Parlament. Deshalb kann man auch mit strenger Haushaltsdisziplin dieses kardinale Problem nicht lösen. Das ist leider Gottes in allen Beiträgen völlig auf den Kopf gestellt worden. ({7}) Das heißt, die Vorstellung, wir könnten über strenge buchhalterische Maßstäbe dieses Finanzproblem in den Griff bekommen, ist schlichter politischer Unsinn. Die Lösung Nummer zwei ist die idealtypische Lösung: Wir alle machen eine Bestandsaufnahme, was uns am Agrarsystem gefällt oder nicht. Das will ich hier nicht im einzelnen vorführen. Da gibt es Hoffmann ({8}) einen Dissens, aber auch einige gemeinsame Punkte. Man könnte sich vorstellen, wie eine Verteilung zugunsten der benachteiligten Agrargruppen erfolgen könnte und wie gleichzeitig auch andere Problembereiche der EG endlich zu ihrem Recht kämen. Sie werden zu Recht sagen: Wenn ihr eine tolle Vision von Europa habt, warum habt ihr sie nicht realisiert? Das ist auch heute morgen wieder gekommen. Ich habe darauf eine ganz einfache Antwort: Vorausgesetzt, wir hätten im nationalen Rahmen eine klare und deutliche gemeinsame Position gefunden, wie wir vorgehen könnten. Dann hängt es noch an einem kleinen Problem, nämlich an dem Problem, daß das Agrarpreissystem in anderen Staaten und anderen Regionen möglicherweise für mehrere Millionen Menschen ihre Existenzfrage bedeutet. Deshalb ist es einfach lächerlich, zu glauben, wir könnten das entweder über eine marktwirtschaftliche Lösung durchsetzen - dann würden nämlich die Kleinen arbeitslos -, noch können wir eigentlich eine protektionistische Regelung oder eine Quotenregelung haben wollen, weil wir damit auf der anderen Seite wieder völlige Verzerrungen hervorriefen. Wenn wir also wirklich eine europäische Lösung wollen, dann können wir sie nur erreichen, wenn wir den einzigen Hebel ausnutzen, den wir in der Hand haben. Der einzige Hebel, den wir in der Hand haben, war bisher die Grenze von 1% Mehrwertsteueranteil. Das bedeutet den Zwang, daß die Europäische Gemeinschaft ohne unsere Zustimmung nicht mehr Geld in die Überschußproduktion stecken kann als das, was wir zur Verfügung stellen. Ich sage Ihnen, wo der Zeitpunkt dieser Verhandlungen liegt. Das war nicht eine Frage, die in den späten 70er Jahren zu lösen war. Wir hatten nämlich den Finanzhebel deshalb noch nicht, weil noch Luft in den europäischen Vereinbarungen war. Wir hatten die Grenze noch nicht erreicht, den Anteil von 1% Mehrwertsteuer noch nicht ausgeschöpft. Seit 1982/83 ist diese Grenze effektiv erreicht. Das heißt, erstmals in den letzten zehn Jahren haben wir überhaupt den finanziellen Hebel in der Hand, um das durchzusetzen, was wir an Korrekturen brauchen. Deshalb ist es analytisch dummes Zeug, wenn gesagt wird, man hätte es früher erledigen können. Man kann nur über diesen Hebel etwas verändern. Deshalb lautet auch mein genereller Vorwurf an die Regierung - damit bin ich bei der dritten Lösung, nämlich dem Weg der Bundesregierung -: Wenn Sie ohne entsprechenden Reformbeschluß den Deckel öffnen und die 1,4 % zusagen - das haben Sie gemacht -, wenn Sie ohne Not und ohne entsprechende politische Antwort von der anderen Seite 650 Millionen DM vorschießen, dann geben Sie den einzigen Hebel aus der Hand, den sie wirklich haben, um eine Reform in der Europäischen Gemeinschaft herbeizuführen. ({9}) Das, was Sie gemacht haben, Herr Stoltenberg, ist noch viel schlimmer. Sie sind nämlich hingegangen und haben Teile, die europäisch finanziert werden, nationalisiert. Ich erwähne in diesem Zusammenhang nur den Grenzausgleich und ähnliches. Sie haben das sozusagen auf privates nationales Konto genommen. Wir finanzieren jetzt also etwas, was früher eigentlich über die EG finanziert wurde. Wir haben also allein schon dort eine Menge Luft gelassen. Sie haben das so gemacht, daß erstens die falschen Landwirte davon profitieren. ({10}) - Ich kann das differenzieren, aber nicht in der kurzen Zeit. Ich will das bei nächster Gelegenheit gern einmal mit Ihnen durchexerzieren. Dann werden Sie feststellen, daß Ihre Bauernverbände mit ihrer Kritik an Ihnen gar nicht so falsch liegen. Aber ich will das jetzt nicht durchexerzieren. ({11}) Aber ich will das jetzt nicht exerzieren. Jetzt zeige ich Ihnen jedenfalls einmal an einem kleinen Detail, wie sich ein Finanzminister in die Nesseln setzt, weil er von Agrarwirtschaft nichts versteht. ({12}) - Jetzt lacht er noch; das ist ja schön. - Da wird der liebe Landwirtschaftsminister auf die europäische Ebene geschickt und soll dort über den Grenzausgleich verhandeln. Natürlich weiß der Landwirtschaftsminister, daß ein solcher Grenzausgleich nur funktioniert, wenn das Eintrittsdatum, d. h. der Tag des Beginns, in etwa mit den Landwirtschaftsjahren übereinstimmt. Also ist er hingegangen und hat gesagt, Mitte des Jahres müsse ein solches Datum liegen. Daraufhin haben sich die anderen Landwirtschaftsminsiter gesträubt. Dann hat der Finanzminister - es könnte natürlich auch sein, der Bundeskanzler; das weiß ich ja nicht genau - ihm den Vorschlag gemacht, auf einen Kompromiß einzugehen. Der Kompromiß war dann der 1. Januar. Das Dumme ist nur, daß sich das Landwirtschaftsjahr nicht nach dem Kalender richtet, nach dem 1. Januar, sondern es richtet sich nach den natürlichen Abläufen, es richtet sich nach den Jahreszeiten usw. Auf diese Art und Weise hat der großartige Finanzminister, der von allem etwas versteht, einem Zeitpunkt zugestimmt, der agrarwirtschaftlich der schlichte Blödsinn ist. ({13}) Damit hat er sich in einen Zugzwang gebracht, weil er nämlich nicht mehr genug Zeit hatte, einen konkreten Gesetzentwurf vorzulegen, der dieses Problem wirklich hätte ausschalten können. An diesem kleinen Beispiel zeige ich Ihnen nur, daß der Finanzminister von diesen komplizierten Hoffmann ({14}) Zusammenhängen offensichtlich keine Vorstellung hat. ({15}) - Das kann natürlich sein. Ich vermute, daß noch einiges im Kanzleramt zu klären sein wird. Ich habe darin leider keine Einsicht. Aber nun noch zu einer weiteren Sache. Auch die Zustimmung, die 1-%-Mehrwertsteuergrenze auf 1,4 % anzuheben, ohne daß Sie wirklich eine Agrarpreiskorrektur vollzogen hätten, ist nach meiner Auffassung ein politischer Kardinalfehler, der sich innerhalb der nächsten zwei, drei Jahre nicht wieder korrigieren läßt. Das ist das Dilemma. Dadurch nämlich, daß Sie zugestimmt haben, diesen Deckel aufzumachen, ist jetzt wieder der Zwang für die andere Seite entfallen, sich mit uns zu verständigen. Jetzt wird vorfinanziert. Deshalb sage ich Ihnen nur: Wenn politische Strategie überhaupt einen Sinn macht, dann wäre das hier der Fall gewesen. Wir haben im Haushaltsausschuß, überall Ihnen immer wieder das Kreuz gestärkt und gesagt: Wir stehen zu Ihnen, gehen Sie nach Brüssel, seien Sie hart und akzeptieren Sie ein Durchbrechen der 1-%-Grenze nur unter der Bedingung, daß auch wirklich beim Agrarpreissystem etwas passiert. Was haben Sie gemacht? Sie haben eine Milchquotenregelung festgelegt, die töricht ist. Sie haben ein System akzeptiert, das weiterhin Überschußproduktion mit sich bringt: Wenn es auf der einen Seite nicht mehr so viel gibt, schlägt es auf der anderen Seite wieder durch. Es gibt weitere Beispiele; das könnte man alles nachvollziehen. Aber das Schlimmste, was Sie noch gemacht haben, ist: Sie gehen jetzt mit der Haushaltsdisziplin, die man zunächst begrüßen kann, an die Weichteile der übrigen, nicht obligatorischen Finanzteile der Europäischen Gemeinschaft und zerschlagen uns gleichzeitig die Möglichkeit, Regionalpolitik zu machen, Strukturpolitik zu machen, Umweltschutzpolitik zu machen. Das bedeutet im Fazit: Die eigentlich zentralen Probleme der Europäischen Gemeinschaft - 13 Millionen Arbeitslose, Spanien und Portugal finit ihren großen Problemen vor der Tür, regionale Ungleichgewichte innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, die zunehmen, grenzüberschreitende Umweltschäden, Überschußproduktion, die anhält bzw. weiter steigt; das Ganze schließlich noch unter der Bedingung, daß das Europäische Parlament nicht einmal rudimentär die Rechte hat, die ihm zukommen - sind nach meiner Auffassung ein fatales Ergebnis Ihrer dilettantischen Europapolitik, die Sie praktizieren. ({16}) - Ich habe Ihnen erklärt, wie das ist. Sie wissen ganz genau, Herr Eigen, welche Zusammenhänge bestehen und daß man nichts mehr machen kann, wenn man den Hebel aus der Hand gibt. Deshalb sage ich Ihnen zum Schluß nur: Wenn der Herr Bundeskanzler Kontakte pflegt - ich beglückwünsche ihn dazu herzlich; daran habe ich nichts zu mäkeln - und glaubt, er könnte nach dem Motto leben, das ungefähr lautet: Bötchen fahren, Händchen halten, so kann man die Welt gestalten, ({17}) wenn man so Politik betreibt oder wenn man Politik à la Stoltenberg betreibt - der denkt immer nur an den Rotstift und merkt gar nicht, daß die Spitze schon abgebrochen ist -, dann kann man auch keine europäische Politik mit Perspektive machen. Dann kommt man schließlich dazu, daß dieser Nachtragshaushalt nichts weiter ist als das Symbol einer kleinkarierten, bürokratischen, muffigen, buchhalterischen Vision von Politik, die den europäischen Problemen in keiner Weise Rechnung trägt. Deshalb lehnen wir den Nachtragshaushalt ab. ({18})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen. ({0})

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Nachtragshaushalt ist durch die drohende Zahlungsunfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft notwendig geworden. Deshalb ist es, glaube ich, sehr gut begründet, wenn Probleme der Europäischen Gemeinschaft im Mittelpunkt dieser kurzen Diskussion standen und stehen. Ich kann nicht allen aktuellen Exkursionen folgen - auch mit dem Blick auf die Uhr und die begrenzte Redezeit -, die damit verbunden sind. Daß die Opposition das Bedürfnis hat, auch andere Themen der letzten Tage - bis zur Investitionshilfeabgabe - hier einzuführen, ist ja sehr wohl verständlich. ({0}) - Nein. Sie haben es begonnen. Sie haben alle die Debatte hier verfolgt. Sie haben es begonnen. - Aber ich glaube, wir sollten das in der Tat heute sehr knapp machen. Wir haben ja in der übernächsten Woche Gelegenheit, das mit breit angelegter Diskussion und viel Redezeit zu vertiefen. Herrn Kollegen Walther konnte ich in dem Sinn folgen, daß er klare Positionen vertreten hat, die ich für falsch halte, aber mit denen man sich auseinandersetzen kann. Herrn Kollegen Hoffmann konnte ich kaum noch folgen, obwohl ich glaube, zu denen zu gehören, die sich in diesem Hohen Haus mit der Europäischen Gemeinschaft am intensivsten bef assen müssen. ({1}) - Nein. Das ist kein schlechtes Zeichen. Ich beschreibe das ja sehr höflich, wenn ich es in der Form sage: Es war kaum verständlich, was er hier vorgetragen hat, und schon gar nicht logisch und konsistent. Dieser Nachtrag ist unvermeidbar geworden, weil die Europäische Gemeinschaft im Herbst dieses Jahres zahlungsunfähig zu werden drohte, und zwar auch bei den rechtlich gebundenen Ausgaben. Natürlich ist uns die Entscheidung einer Zusatzfinanzierung, die im Vertrag an sich nicht vorgesehen ist, schwergefallen. Aber die Tatsache, daß nach langen Beratungen schließlich alle zehn Mitgliedsregierungen ja zu dieser Zusatzfinanzierung gesagt haben - im ganzen politischen Spektrum von den PASOK-Leuten in Griechenland bis zu den Konservativen in Großbritannien, zeigt doch wohl, daß das letzten Endes in der Abwägung unvermeidbar war. Insofern können Sie sich einige schrille Töne hier ruhig sparen. Vor allem die Sozialdemokratische Partei sollte das vermeiden. Denn wir stehen ja erst am Anfang eines mühsamen Umsteuerungsprozesses der europäischen Ausgabenpolitik, auch der europäischen Agrarpolitik, und damit der Voraussetzungen für Haushaltsdisziplin und Haushaltskontrolle und geringeres Wachstum der europäischen Ausgaben, als es in den vergangenen sieben, acht Jahren der Fall war. Und dieses Ausgabenwachstum ist eben seit der zweiten Hälfte der 70er Jahre durch die Finanzierung einer Überschußproduktion entstanden, die keine Märkte mehr fand und die von vielen, auch aus Ihren Reihen, kritisiert wurde. Aber Sie haben leider bis zum Jahre 1982 keine Initiativen in Europa entfaltet oder durchgesetzt, um das rechtzeitig umzustellen. ({2}) Weil Sie - da hilft nun alle Polemik nichts mehr - das in den 70er Jahren als Sozialdemokratische Partei Deutschlands in der führenden Regierungsverantwortung versäumt haben, mußte dies jetzt kurzfristig unter dem Vorzeichen der drohenden Zahlungsunfähigkeit geschehen. Denn dieser Nachtragshaushalt, von dem wir jetzt 650 Millionen DM übernehmen müssen - natürlich macht es keinem Freude, am wenigsten dem Finanzminister -, stellt ja nun gerade sicher, daß die EG das nächste Jahr erreicht.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Bundesminister, Entschuldigung, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walther.

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Wenn mir das nicht auf die Redezeit angerechnet wird, Herr Präsident, will ich das beim Vorsitzenden des Haushaltsausschusses natürlich tun.

Rudi Walther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Stoltenberg, es geht ganz schnell. Nachdem Sie auf angebliche sozialdemokratische Verantwortung auf dem Gebiet der Überschußproduktion usw. hingewiesen haben, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß der damals zuständige Minister Josef Ertl hieß und daß dieser kein Sozialdemokrat ist. ({0})

Dr. Gerhard Stoltenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11002259

Ja. Nur, die Grundsatzfragen der Europapolitik sind von so zentraler Bedeutung, daß hier die Richtlinienkompetenz und Verantwortung des Bundeskanzlers und nicht ein Fachminister gefordert ist. Ich muß das in aller Deutlichkeit sagen. ({0}) Sie fordern mich doch heute, lieber Kollege Walther, mit kräftigen Strichen auf. Das hat j a der Herr Verheyen ganz klar gesagt: Man muß diesen Bundesfinanzminister, der leider - siehe „Frankfurter Rundschau" - in der Öffentlichkeit als Garant der Solidität gilt, mal ein bißchen ankratzen. Und da ist jedes Mittel recht. Das können Sie gerne versuchen, meine Damen und Herren. Das trifft mich nicht. Nur, Sie nehmen mich heute j a auch vom Ressort her in die Mitverantwortung für die gesamte EG-Politik, und dann können Sie doch nicht sagen, das war alles nur Josef Ertl. Das ist ein Widerspruch in sich, wie Sie heute mit mir hier und der Bundesregierung diskutieren; so kann es nicht sein. Nein, wir stehen am Anfang eines schmerzlichen Umstellungsprozesses der europäischen Ausgaben- und auch Agrarpolitik, weil man die Umstellung in einer Zeit, in der sie noch ohne Schmerzen möglich war, nicht durchgeführt hat. Das ist mit Schlagworten und Polemik nicht zu behandeln, wie es auch keinen Sinn macht. Ich möchte das einmal zu dem Sprachgebrauch hier in Bonn sagen; das fällt mir seit einiger Zeit auf als Vertreter eines Wahlkreises, den ich nun fast 30 Jahre parlamentarisch vertrete - im Deutschen Bundestag und zwischendurch elf Jahre im Landtag -, in dem auch die ländliche Bevölkerung, die Landwirtschaft eine Rolle spielt. Ich weiß schon, wovon ich rede, wenn wir hier über Landwirtschaft reden, mehr als die meisten hier in diesem Hohen Hause, meine Damen und Herren. Es macht keinen Sinn, wenn Sozialdemokraten und GRÜNE neurdings ständig von den Kleinen, den Mittleren und den Großen reden. Wer ist denn in der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft, die nach der Struktur der Betriebsgröße sicher in der Spitze liegt, eigentlich ein Großer? Ist denn ein bäuerlicher Familienbetrieb mit 50 Hektar, der nicht einmal das Einkommen hat, um eine Arbeitskraft zu bezahlen, ein Großer, den man unter klassenkämpferischen Gesichtspunkten ansprechen muß? Absurd, kann ich hier nur sagen. Nur, diese Klassifizierung geschieht ja ständig: die Kleinen, die Mittleren und die Großen. ({1}) In früheren Jahren war es von Herrn Schmidt ({2}) ({3}) über Herrn Struve ({4}) bis hin zu Herrn Ronneburger ({5}) - um bedeutende Agrarpolitiker zu nennen - üblich, vom bäuerlichen Familienbetrieb zu sprechen. Diesen Unfug, den auch die GRÜNEN hier machen, mit klassenkämpferischen Parolen zwischen Klein-, Mittel-und Großbauern zu unterscheiden, kenne ich als Historiker zwar aus der sowjetischen Diskussion der 20er Jahre, als die Kulaken-Verfolgung unter Lenin losging, aber das sollten wir hier nicht in den Sprachgebrauch der Bundesrepublik Deutschland einführen. Das will ich hier einmal in aller Deutlichkeit sagen. ({6}) Herr Kollege Walther, Haushaltsdisziplin: Wir haben nach unendlich schwierigen Verhandlungen am Montag dieser Woche in Brüssel Einvernehmen über die Grundsätze für Haushaltsdisziplin erzielt. Wir haben dabei einige Abstriche machen müssen. ({7}) - Aber lassen Sie mich das doch einmal erläutern, Herr Kollege Hoffmann. ({8}) Wie gesagt, wir haben dabei einige Abstriche machen müssen. Aber es ist nun einmal die Regel der Europäischen Gemeinschaft, daß die überwiegende Mehrzahl der Beschlüsse, vor allem derartige Beschlüsse, nur einstimmig erfolgen kann. Und bestimmte Mitgliedsländer - die ich jetzt als Mitglied der Bundesregierung hier nicht so offiziell nennen will - überhaupt für Haushaltsdisziplin zu gewinnen ist so ähnlich, wie die GRÜNEN von der Notwendigkeit eines Atomkraftwerkes zu überzeugen, meine Damen und Herren. ({9}) Das ist wirklich eine schwere Aufgabe. Ich betrachte es als eine große Leistung, daß wir es schließlich erreicht haben, am Montag zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen zu sein, das nun freilich mit dem Europäischen Parlament konzertiert werden muß, ehe es offiziell in Kraft gesetzt werden kann. Aber wir sind hier einen großen Schritt vorangekommen. Ich glaube, daß wir damit erstmals ein wirksameres Instrument haben, auch eine vernünftige Ausgabenkontrolle im Verfahren und in der Sache herzustellen. Daß die Ausgaben an die EG, lieber Herr Walther, formal als investive Ausgaben verbucht werden, habe ich ebensowenig zu vertreten wie Sie. Das sind formale Kriterien, die die Vorgänger einmal entwickelt haben. Daß es in einer volkswirtschaftlichen Rechnung faktisch nicht investive Ausgaben sind, darin stimme ich Ihnen zu. Vielleicht haben wir auch einmal Zeit, das Haushaltsrecht in späteren Jahren hier gemeinsam zu reformieren. Ich bin da für jeden Beitrag offen. Meine Damen und Herren, in diesem Jahr geht es um 650 Millionen DM für die EG, um ihre Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Im Haushalt für 1985, der heute vom Haushaltsausschuß abschließend beraten wird, haben wir vorsorglich 1,6 Milliarden DM einsetzen müssen, ({10}) selbst bei strengster Ausgabendisziplin. Der Dissens mit dem Europäischen Parlament oder der Mehrheit des Europäischen Parlaments beruht auch darin, daß viele von mir geschätzte Kollegen immer noch der Meinung sind, daß die dynamische Entwicklung in Europa im wesentlichen durch zweistellige Ausgabensteigerungsraten manifestiert werden muß. Dies halte ich für eine falsche Einschätzung. ({11}) Es darf nicht immer nur um neue Fonds und Titel gehen, sondern es geht darum, daß die zugrundeliegenden Organisations- und Rechtsfragen in Europa geklärt werden. Man kann nicht, wenn man in der Gemeinschaft leider noch nicht die Kraft hat - darin sind wir uns einig, auch im Bedauern -, entscheidende Fragen wie den Binnenmarkt und andere zu lösen, das kompensieren, indem man darüber spricht, ob die Ausgaben nicht doch lieber um 17 % statt um 13 % wachsen können. Hier liegt ein Problem in der Diskussion mit dem Europäischen Parlament oder jedenfalls mit vielen Kollegen. Wir alle, alle Fraktionen dieses Hauses, sollten darüber mit den Kollegen im EG-Parlament reden, meine Damen und Herren. Wir müssen nächstes Jahr, wie Sie aus den Haushaltsberatungen wissen, vorsorglich 1,6 Milliarden DM einsetzen. Wir müssen uns nach der Entscheidung des Europäischen Rates 1986 in der Tat darauf einstellen, daß auf der Einnahmenseite unseres Haushalts bis zu 4,5 Milliarden DM, die jetzt nationale Einnahmen sind, an die EG gehen. Dies ist natürlich ein sehr tiefgreifender Einschnitt, der mir in der innenpolitischen Diskussion immer noch zu wenig berücksichtigt wird. Ich verfolge die Diskussion bedeutender Politiker, auch der Koalition, über Steuersenkungen in einer oder zwei Stufen mit Interesse. Ich verfolge sie mit Gelassenheit, weil ich weiß, daß die überwältigende Mehrzahl der Bundesländer, ob CDU-geführt oder SPD-geführt, mit dem Bundesfinanzminister und gemäß dem Kabinettsbeschluß vom 3. Juli dieses Jahres fest davon überzeugt ist, daß wir überhaupt nicht den Spielraum haben, am 1. Januar 1986 die Steuern um 20,3 Milliarden DM zu senken. Das wäre zwar schön, aber es ist irreal, meine Damen und Herren. ({12}) Bei allem Meinungspluralismus in einer Koalition und zwischen Bund und Ländern - das kann man alles unter liberalen Gesichtspunkten interpretieren - rate ich den Wortführern dieser populären Forderung, diese Diskussion allmählich einzustellen. ({13}) Es ist irreal, auch deshalb, weil wir am 1. Januar 1986 nach den getroffenen Entscheidungen - ich sage: letzten Endes aus zwingenden Gründen - 4 1/2 Milliarden DM Einnahmen des Bundes an die EG übertragen müssen. Herr Kollege Walther, natürlich ist es die Absicht nicht nur des Bundesfinanzministers, sondern der Bundesregierung und der Koalition, den Konsolidierungskurs fortzusetzen. Ich will das noch einmal klarmachen, weil dazu von Ihrer Seite einiges kritisch gesagt wurde, auch ein bißchen polemisch. Wir haben 1982 eine Neuverschuldung von 37,5 MilliarBundesminister Dr. Stoltenberg den DM gehabt bei einem Bundesbankgewinn, den auch mein Vorgänger Matthöfer damals nutzen konnte, von 10,5 Milliarden DM, 1983 eine Neuverschuldung von 31,5 Milliarden DM. ({14}) - Ich komme noch auf den Bundesbankgewinn. - In diesem Jahr wird es wahrscheinlich etwas langsamer gehen, weil wir auf der Einnahmenseite nicht die erwarteten Steuereinnahmen erzielen. 1984 wird die Neuverschuldung rund 29 Milliarden DM betragen; plus minus, wir werden das sehen. 1985 werden es in einer nach meiner Einschätzung realistischen Prognose für die volkswirtschaftlichen Daten rund 25 Milliarden DM sein. Ein Rückgang von 37,5 Milliarden DM auf - in der Erwartung für 1985 - rund 25 Milliarden DM ist ein beachtlicher Erfolg: Dem steht, Frau Kollegin, eine Zunahme des Bundesbankgewinns von 10,5 Milliarden DM auf - nach dem Vorschlag der Berichterstatter, so sage ich einmal zu der Geschäftslage im Haushaltsausschuß - 12,5 Milliarden DM gegenüber. Das heißt, der ganz überwiegende Teil des Weges zur Konsolidierung ist natürlich das Ergebnis strenger Ausgabendisziplin, die wir auch in den nächsten Jahren fortsetzen müssen. ({15}) - Nein, das bestreite ich. Aber darüber reden wir in der übernächsten Woche. Ich freue mich auf die Debatte. Ich merke das vor, Herr Kollege Walther. Lassen Sie mich - mit dem Blick auf die Uhr - noch ganz kurz etwas zu den heftigen Angriffen wegen der Investitionshilfeabgabe sagen, Herr Kollege Walther. Ich nehme das nur auf. Daß Sie von vorsätzlicher Täuschung gesprochen haben, hat mich sehr überrascht bei einem im allgemeinen objektiv denkenden Politiker. Wir können das überhaupt nicht ernst nehmen, was uns anbetrifft. Sie können ja sagen, wir haben uns geirrt. ({16}) - Nein, Sie sind falsch informiert. Ich bedaure, daß Sie der einen falschen Behauptung eine zweite durch Zwischenruf folgen lassen. Sie können z. B. feststellen, wenn Sie noch einmal die Unterlagen des Hearings vom 3. Dezember 1982 nachlesen, daß die Mehrheit der dort gehörten Staats- und Verfassungrechtler eindeutig die Absicht der Regierungskoalition und der Bundesregierung als tragfähig, verfassungsrechtlich tragfähig, bezeichnet hat. Das ist das Ergebnis der damaligen Diskussion. Damit Sie nicht zu übermütig werden, will ich Sie daran erinnern, daß das Bundesverfassungsgericht in den Jahren 1970 bis 1983, in 13 Jahren, 86 Bestimmungen des Bundesrechtes außer Kraft gesetzt hat, in ihrer großen Mehrzahl Bestimmungen, die in der Verantwortung der sozialdemokratischen Partei und der alten Koalition beschlossen wurden. Es hat doch keinen Sinn, nach einer solchen Bilanz, die auch Sie verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich verzeichnen mußten, jede Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen den jeweils verantwortlichen Gesetzgeber unter dem Vorzeichen der arglistigen oder vorsätzlichen Täuschung zu behandeln. Dazu sind Sie zu oft getroffen worden, um solche Töne hier in die Diskussion einzubringen, meine Damen und Herren. ({17}) Es hat auch keinen Sinn - ich muß das offen sagen; Journalistenschelte liegt uns als Regierung natürlich fern -, wenn bedeutende Kommentatoren der öffentlich-rechtlichen Medien am Abend dieser Entscheidung erklären, eine der schweren Niederlagen dieser Regierung - so wird es dem deutschen Volk dann über die Monopolanstalten gesagt ({18}) - Hören Sie doch erst mal, was ich ausführe, bevor Sie „Zu Recht" sagen! Sie geben automatisch recht, weil Sie sagen: Das sind unsere Genossen, und die haben recht, bevor ich überhaupt das Argument gehört habe. ({19}) Es hat keinen Sinn, daß dort von Kommentatoren gesagt wird, eine schwere Niederlage dieser Regierung sei auch die Entscheidung des Verfassungsgerichts zum Volkszählungsgesetz gewesen. Meine Damen und Herren, ich habe noch einmal nachgeschaut: Das Volkszählungsgesetz ist am 25. März 1982, sechs Monate vor dem Amtsantritt dieser Regierung, verkündet worden. ({20}) Man kann wohl den Ausdruck einer groben Täuschung verwenden, wenn Leute der sozialdemokratischen Partei, ob in den Medien oder in der öffentlichen Diskussion, so tun, als ob die von Ihnen eingebrachten und beschlossenen Gesetze jetzt der neuen Regierung angelastet werden müssen. Ich will das hier nur einmal am Rande sagen. ({21}) Interessanter für die Würdigung des Sachverhaltes ist vielleicht der Hinweis auf ein Interview des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Professor Dr. Wolfgang Zeidler, vom 13. November 1984 im „Handelsblatt", das ich, jedenfalls in einem Kernsatz, der Aufmerksamkeit des Hohen Hauses empfehle. Herr Präsident, Professor Zeidler hat in diesem Interview „die häufige Anrufung des Bundesverfassungsgerichts in so wichtigen Fragen, wie Familienbesteuerung, Volkszählungsgesetz, Hinterbliebenenrente, Steuergeheimnis und Investitionshilfeabgabe" auch damit erklärt, „daß das deutsche wie jedes Verfassungsrecht viele offene Klauseln enthalte, die jeweils nach den sich ändernden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen anders ausgefüllt werden müßten, und zwar von den Verfassungsgerichten". Wenn es so ist, wenn das die grundsätzliche Einschätzung, hier von dem Präsidenten formuliert, ist, daß sich die Auslegung zentraler Vorschriften unserer Verfassung im Zeitablauf durch gesellschaftliche Wandlungen verändert, dann wird der Gesetzgeber in Zukunft, sozusagen in Grenzbereichen der Auslegung, die es immer gibt, mit einem bestimmten Risiko arbeiten müssen. Denn wahr ist auch, meine Damen und Herren, daß das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung Band 4 Seite 14 im Jahre 1953 zum Thema Investitionshilfe folgendes formuliert hat - ich zitiere -: Bedenken gegen die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes würden sich auch dann nicht ergeben, wenn man die Investitionshilfe als Zwangsanleihe ansehen wollte; ... Entgegen der Auffassung einiger Beschwerdeführer ist die Auferlegung von Zwangsanleihen auch nicht durch Art. 115 GG verboten. Dieses nur in zwei Sätzen zitierte umfassendere Urteil hat, nachdem die Koalition dies beschlossen hatte und der Finanzminister selbstverständlich die Verantwortung für die Verwirklichung übernimmt und trägt, uns veranlaßt zu sagen, wir halten das für tragfähig. Mir scheint diese sachliche Erörterung wichtiger zu sein, als daß wir hier gegenseitig mit Polemik arbeiten. Meine Damen und Herren, ich glaube, meine Redezeit nähert sich dem Ende. Ich möchte in aller Kürze zum Abschluß, Herr Präsident, hier noch folgendes aufnehmen: Ich will sagen, daß ich den Appell des Haushaltsausschusses des Parlaments, in den Fragen einer gewissen Begrenzung der Besoldung der Mitarbeiter der Europäischen Gemeinschaft in der Relation zu unseren Mitarbeitern in den nationalen Verwaltungen initiativ zu werden, verstehe und positiv begrüße. Ich weiß allerdings, daß auch dies ein schwieriges und mühsames Feld ist. Ich sage nun als letztes zu einem Antrag der Sozialdemokratischen Partei: Der Mehrbedarf für die Einmalzahlung von 240 DM für alle öffentlichen Mitarbeiter einschließlich der Beamten ist bei uns rechnerisch 212 Millionen DM. Wir sind der Meinung, daß eine neue parlamentarische Ausgabenermächtigung durch Aufstockung der Personalverstärkungsmittel nicht zwingend geboten ist. Sie wissen, daß erst am letzten Wochenende die Tarifverhandlungen zu einem Ergebnis geführt haben. Wir waren in den zwei, drei Tagen, die seit Montag gefolgt sind, nicht in der Lage, die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß dies, was man bei einem anderen Zeitablauf hätte tun können, noch in den Nachtragshaushalt aufgenommen und dem Ausschuß empfohlen werden konnte. Wir sind auch jetzt erst in der Lage, ungefähr zu schätzen - nicht exakt, ich habe das nur gehört, ich habe keine Aufzeichnung -, ob wir mit den vorhandenen Mitteln auskommen oder ob wir, was möglich ist, was sich abzeichnet, mit einem geringen, eher einem zweistelligen als einem dreistelligen Millionenbetrag im Haushaltsvollzug den Haushaltsansatz überschreiten müssen. Da dies aber letzten Endes doch als rechtliche Verpflichtung des Bundes zu werten ist und da man auch in früheren Jahren in der Verantwortung Ihrer Regierung mit Vorweg- und Abschlagzahlungen immer flexibel gewesen ist, glaube ich, daß wir das Verfahren so vertreten können, von einer grundsätzlichen rechtlichen Verpflichtung des Bundes auszugehen. Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bitte Sie, dem Nachtragshaushalt zuzustimmen. ({22})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Esters.

Helmut Esters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, diesen Antrag haben wir eingebracht auf Grund der Aussagen des Bundesfinanzministeriums zum Peronalverstärkungstitel im Einzelplan 60 bei der Beratung des Haushaltes '84. Nach dem Protokoll hat das Finanzministerium eindeutig erklärt, da man politisch beabsichtige, eine Null-Runde fahren zu wollen, seien die dort veranschlagten Mittel ausschließlich für die Korrekturen struktureller Art, die aus dem '83er Bereich übernommen worden seien, vorgesehen. Für andere Maßnahmen seien dort überhaupt keine Mittel vorhanden. Von daher bitte ich Sie, wenigstens zu verstehen, daß wir jetzt diesen Antrag hier einbringen. Das Parlament kann die Korrektur ja aufnehmen, und bei Haushaltseinsparungen an anderer Stelle bedarf es hierzu natürlich auch keiner konkreten Deckung. Deshalb ist der Antrag aus unserer Sicht nach den Aussagen des Bundesfinanzministeriums mehr als berechtigt. Zweiter Punkt. Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar für Ihre Haltung im Zusammenhang mit der Steuerentlastung. Soweit die sozialdemokratische Bundestagsfraktion Ihnen in Ihrer Haltung helfen kann, Herr Minister, sind wir dazu jederzeit gern bereit. Wir haben es hier mit dem Nachtragshaushalt zu tun. Über Europa ist bereits gesprochen worden. Herr Minister, wenn Sie frühere Regierungszeiten anführen, dann müssen wir allerdings auch sehen, daß wir erstmals in dieser Phase über den Finanzbereich den Hebel in Europa zum Einsatz bringen können, um effektiv stärker pressen zu können; denn in früheren Jahren sind wir an diese Grenze gar nicht herangekommen. Ein Wort noch zu dem, was Sie, Herr Minister, über die Korrekturen des Bundesverfassungsgerichts in der Zeit der sozialliberalen Koalition gesagt haben. Sie wissen besser als viele andere, daß es in den Zeiten der sozialliberalen Koalition ein wesentlich schwierigeres Gesetzgebungsverfahren gab, als es heute der Fall ist, und zwar auch durch andere Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. ({0}) Seit 1982 ist doch das Instrument des Vermittlungsausschusses, der uns ja damals wer weiß was vorgesetzt hat, ({1}) aus unserer Verfassungswirklichkeit vollkommen verschwunden. Den hat es nicht mehr gegeben! ({2}) - Das hängt, Herr Bötsch, natürlich mit anderen Dingen zusammen. ({3}) - Es hängt, Herr Bötsch, mit den politischen Mehrheitsverhältnissen zusammen! Wir möchten ganz gerne nicht nur über das sprechen, was nun in diesem Nachtrag steht - in der Hauptsache, was der Kollege Hoffmann deutlich gemacht hat, Europa betreffend -, sondern wir müssen natürlich auch über das sprechen, was in diesem Haushalt nicht steht. Nicht darin enthalten ist z. B. die Absenkung des Zuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit um 1,7 Milliarden; aber damit wäre ja sicherlich auch eine soziale Einseitigkeit der Haushaltspolitik zu deutlich aufgedeckt worden. ({4}) Es fehlt natürlich auch - ich weiß um das Verfahren, das hier gewählt wird - die haushaltsmäßige Darstellung dessen, was mit der Zwangsanleihe nach dem Karlsruher Urteil passieren muß. Ich verstehe dies sogar, denn damit will man auch peinlichen Diskussionen über die Ausgewogenheit entgehen. Unbestreitbar aber ist doch, daß die Verfassungsmäßigkeit schon frühzeitig von namhaften Verfassungsrechtlern, Finanzwissenschaftlern, Fachleuten aus Ministerien und Steuerverwaltung, Fachkommentatoren, Steuerberatern, Gewerkschaften und Spitzenverbänden der Wirtschaft bezweifelt worden ist. Unbestreitbar ist, daß Sie, Herr Dr. Stoltenberg, die Warnungen vor der Unrechtmäßigkeit der Investitionshilfeabgabe seinerzeit allesamt in den Wind geschlagen haben. Bei der ersten Lesung des Haushalts am 10. November 1982 hat Rudi Walther hier ausgeführt, es sei einmal nachzuprüfen, ob die Zwangsanleihe überhaupt rechtlichen Bedenken standhält. Am 15. Dezember 1982 warnte Hans Matthöfer vor der - ich zitiere - „Bedenkenlosigkeit, mit der Sie sich über die rechtlichen Fragen hinwegsetzen". Am 9. Dezember 1983 begründete Hans Apel erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zwangsanleihe und warnte Sie davor, Ihre finanzpolitische Seriosität für einen Koalitionskompromiß aufs Spiel zu setzen. ({5}) Unbestreitbar ist, daß Herr Dr. Stoltenberg am 8. Dezember 1982 durch seinen Parlamentarischen Staatssekretär hier erklären ließ: Die Bundesregierung hat die Investitionshilfeabgabe mit aller gebotenen Sorgfalt verfassungsrechtlich geprüft. Weiter hieß es: Sie ist zu dem Schluß gekommen, daß diese Abgabe verfassungskonform ist. Sie selbst, Herr Minister, erklärten am 15. Dezember 1982: Jawohl, die Verfassungs- und Rechtsgrundlagen sind in Ordnung. Nun gibt es - das ist eben in anderem Zusammenhang schon angeklungen - viele, die Sie als einen fachlich versierten und gradlinigen Mann hinstellen. Noch vor einem Jahr war es Ihr hier vor dem Parlament im Zusammenhang mit der Zwangsanleihe erklärter Wille, die Zahl der für den Finanzminister und die Bundesregierung so negativen Verfassungsgerichtsurteile ein ganzes Stück herunterzubringen. Wenn allerdings die Entwicklung so weitergeht wie in den zwei Jahren, in denen Sie da sind, werden Sie uns viel schneller eingeholt haben, als dies Ihnen und damit auch uns lieb sein kann. ({6}) Das Bild des deutschen Finanzministers ist jedoch zu allen Zeiten von den strengen Maßstäben preußischer, hanseatischer oder bayerischer Pflichterfüllung geprägt worden. Seit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts wissen wir: Der Bundesminister der Finanzen hat sich bedenkenlos an der Wende aller Grundsätze einer soliden und solidarischen Finanz- und Steuerpolitik beteiligt. ({7}) Die Folgen der gesamten Operation Zwangsanleihe sind verheerend, auch in dem Punkt, wo es um Abbau von Bürokratie und ähnlichen Dingen geht, bei denen Sie uns hier immer gesagt haben, wir müßten da etwas tun; hierbei haben die Finanzverwaltungen Erhebliches zu tun. Zunächst fehlen zwei Milliarden DM, die mit dem Bundesbankgewinn verrechnet werden können. Ein Finanzminister allerdings, dessen Beamte angesichts drängender Staatsaufgaben ihre Zeit mit der Rückzahlung eines Weihnachtsgeldes für die Oberschicht verplempern müssen, wirkt in dieser Situation alles andere als souverän. ({8}) Viel bedeutsamer aber ist, daß sich draußen im Lande endgültig der Eindruck festsetzt, unter der Regierung Kohl sei unsere Republik zu einem Selbstbedienungsladen für Besserverdienende geworden. ({9}) Wenn eine sozialliberale Regierung alle Warnungen der Fachleute in den Wind geschlagen und eine derart eindeutige Niederlage vor dem Verfassungsgericht hätte einstecken müssen, hätte die Union darin sehr schnell den Beweis schlimmster sozialistischer Mißachtung der Verfassung gesehen. ({10}) Heute versucht der Finanzminister, den Keulenschlag aus Karlsruhe mit Schauspielermine wegzu7274 stecken. Ich habe jedoch den Eindruck, daß eine Mischung fröhlich-naiven Dahinwurschtelns nicht nur im Kanzleramt herrscht, sondern inzwischen auch den Stil im traditionsbewußten Bundesministerium der Finanzen bestimmt. ({11}) Sehen Sie sich einmal die Unterlagen an, die im Finanzausschuß zur gesetzlichen Regelung der Rückzahlung der Zwangsanleihe vorlagen, und das, was die Kollegen der Koalition daraus übernommen haben. Dann merken Sie, daß hier viel mehr drinsteckt als das, was Sie wahrhaben wollen. ({12}) Politisch sollte durch die Zwangsanleihe ein Hauch von Ausgewogenheit erzeugt werden, der es einer konservativen Mehrheit im Regierungslager erleichterte, den unzufriedenen Arbeitnehmerflügel der CDU zu beschwichtigen. Heute wissen wir, daß diese Rechnung aufgegangen ist. ({13}) Der Generalsekretär der FDP hat bereits am 17. Februar 1984 in aller Offenheit erklärt: Die Investitionshilfeabgabe hat ihren Zweck erfüllt. - Das wird von vielen heute auch so gesehen. Diejenigen, die damals Stoltenbergs Wort vom Solidarbeitrag der Besserverdienenden ernstgenommen haben, müssen sich heute betrogen fühlen. Herr Bundesfinanzminister, es hat sich noch nie ausgezahlt mit solchen Mitteln politische Ziele erreichen zu wollen. Das soziale Feigenblatt, mit dem Sie 1982 und im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 1983 Ihre Wähler und Ihre eigenen Parteifreunde täuschten, wird Sie sicherlich noch teuer zu stehen kommen. Sehr wohl ist es unsere Pflicht, auch den sozialen Frieden im Lande mit bewahren zu helfen, der durch die völlige Freistellung der Besserverdienenden von allen zusätzlichen Lasten ernsthaft bedroht ist. ({14}) Und ein Kollege aus Ihrer Fraktion erklärte: „Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsanleihe hat die Sparpolitik der Bundesregierung Schlagseite bekommen. Allein auf dem Rücken der Arbeitnehmer, Rentner, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslosen wird die Sanierung des Staatshaushaltes ausgetragen. Der Politik der Bundesregierung mangelt es nunmehr an der sozialen Ausgewogenheit." Er zieht daraus die Schlußfolgerung, daß bereits in Kürze ein Ausgleich für den Wegfall der Zwangsanleihe gefunden werden müsse. Dies äußerte der Vorsitzende der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, ein Kollege aus Ihrer Bundestagsfraktion. Er wird schon in wenigen Stunden Gelegenheit haben, bei unserem Antrag im Zusammenhang mit dem Steuerbereinigungsgesetz den entsprechenden Ausgleich zu finden, damit notwendige Konsolidierungsmaßnahmen auch von einer möglichst breiten Schicht innerhalb der Bevölkerung getragen und möglichst alle belastet werden und nicht nur ein Teil, für immer, während andere einen Solidarbeitrag in dieser Richtung nicht leisten. ({15})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über das Nachtragshaushaltsgesetz 1984 - Drucksachen 10/2080 und 10/2287 - und treten zunächst in die Einzelberatung ein. Ich rufe die Nachträge zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1984 auf, und zwar zunächst den Nachtrag zum Einzelplan 32 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen ? - Stimmenthaltungen? - Der Nachtrag zum Einzelplan 32 ist angenommen. Ich rufe nunmehr den Nachtrag zum Einzelplan 60 auf. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/2357 vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. ({0}) Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist bei drei Enthaltungen abgelehnt. Wer dem Nachtrag zum Einzelplan 60 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen ? - Der Nachtrag zum Einzelplan 60 ist angenommen. Ich rufe jetzt den Nachtrag zum Gesamtplan in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. ({1}) Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Der Nachtrag ist angenommen. Ich rufe den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrages zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1984 ({2}) - Drucksachen 10/2080, 10/2287 - mit den Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. ({3}) Gegenprobe! - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, das Nachtragshaushaltsgesetz 1984 ist damit angenommen. Meine Damen und Herren, unter Punkt 2 a der Tagesordnung ist noch über eine Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/2287 unter Nr. 2 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzuPräsident Dr. Jenninger stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Entschließung ist angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Punkt 2 b der Tagesordnung. Wer der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 10/2215 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Schutz der Nordsee und des Küstenmeeres Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Runde vereinbart worden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Friedrich Zimmermann (Minister:in)

Politiker ID: 11002597

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat von Beginn an deutlich gemacht, daß sie der Umweltpolitik hohe Priorität beimißt, und sie glaubt, heute sagen zu können, daß Fortschritte in allen Umweltbereichen erzielt werden konnten. Bereits in der Regierungserklärung vom September 1983 über „Unsere Verantwortung für die Umwelt" habe ich den Schutz der Nordsee als einen Schwerpunkt der umweltpolitischen Vorhaben der Bundesregierung genannt. ({0}) Die Bundesregierung weiß sich auch einig mit dem Deutschen Bundestag, der zuletzt in seiner Entschließung vom 4. Oktober die Notwendigkeit einer aktiven Politik zum Schutz der Nordsee bekräftigt hat. Entscheidend für einen erfolgreichen Gewässerschutz ist unsere Entschlossenheit, mit politischem Mut, mit Ausdauer, aber auch mit Augenmaß unsere Ziele konsequent zu verfolgen. National haben wir im Gewässerschutz durch eine Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen und Investitionen den richtigen Weg eingeschlagen. Maßgebende Richtschnur dieser Politik war dabei die Konkretisierung und Durchsetzung des Vorsorgeprinzips. Für die Bundesregierung ist dieser Grundsatz die tragende Säule unserer Bemühungen für eine saubere Umwelt und damit gerade für eine saubere Nordsee. Wir dürfen nicht zulassen, daß die Schäden in der Nordsee irreparabel werden. Vorsorge tut hier not. Nur so können wir die natürlichen Lebensgrundlagen für Menschen, Tiere und Pflanzen sichern. Wir müssen unmittelbar an der Quelle der Verschmutzung ansetzen. Zaudern und Versäumnisse aus der Vergangenheit können von heute auf morgen nicht überwunden werden. Die Bundesregierung hat trotz bestehender wissenschaftlicher Lücken durch zielgerichtetes Handeln die Weichen für eine bessere Zukunft unserer Umwelt gestellt, nicht zuletzt durch unsere Initiativen auf internationalem Gebiet. Wir haben rechtzeitig erkannt, daß unsere innerstaatlichen Mittel und Wege nicht ausreichen, um die Qualität der Luft im Herzen Europas und den Gütezustand der Nordsee durchschlagend zu verbessern. Nationale Alleingänge bieten kein Patentrezept. Wir sind auf die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn angewiesen, wenn wir unsere ökologischen Probleme lösen wollen. ({1}) Das vereinfacht allerdings unsere Arbeit nicht. Kabinetts oder Parlamentsbeschlüsse können in der internationalen Umweltpolitik nur begrenzt weiterhelfen. Wir müssen mit unseren Partnern verhandeln und versuchen, sie von der Notwendigkeit gemeinsamen Vorgehens zu überzeugen. ({2}) Das ist nicht immer einfach: Die ökonomischen und ökologischen Bedingungen in unseren Nachbarländern müssen wir respektieren. Es wäre vermessen, wenn wir einen Anspruch auf den allein richtigen Weg zur Lösung der Umweltprobleme geltend machen würden. Nur mit Geduld und Beharrlichkeit werden wir weiterkommen. Die Bundesregierung hat erstmals mit der multilateralen Umweltschutzkonferenz und der Internationalen Nordseeschutz-Konferenz diesen notwendigen, wenn auch beschwerlichen Weg beschritten. In München haben wir erste Erfolge einer gemeinsamen Luftreinhaltepolitik von Ost und West erzielt. Die dort gefaßten Beschlüsse sind bereits in der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen, der ECE in Genf, umgesetzt worden. Heute kann die Bundesregierung bestätigen, daß München wichtige Impulse zum Schutz unserer Wälder und Binnengewässer gebracht hat. Ich bin überzeugt: Auch die Internationale Nordseeschutz-Konferenz bleibt nicht ohne Wirkung für die Wiederbelebung der Nordsee. Zweck dieser ersten Nordseeschutz-Konferenz war es - wie ich schon in meiner Rede am 9. Februar dieses Jahres vor dem Deutschen Bundestag ausgeführt habe -, „einen internationalen Konsens über die Grundsätze zur Umweltpolitik für die Nordsee" und über „konkrete Umweltschutzmaßnahmen" zu erzielen und „bestehenden internationalen Gremien neue Impulse zu geben". Diese Ziele haben wir im wesentlichen erreicht. Ich begrüße die Gelegenheit, dem Deutschen Bundestag über den Verlauf und die Ergebnisse dieser Ministerkonferenz Bericht zu erstatten. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen hat im Juni 1980 in einem umfangreichen NordseeGutachten auf die teilweise besorgniserregenden Umweltbelastungen der Nordsee hingewiesen. 1981 und 1982 wurden von der damaligen Bundesregierung keine internationalen Folgerungen gezogen. Sofort nach Übernahme der Regierungsverantwortung haben wir die Konsequenzen gezogen und gemeinsam mit den Nordseeanrainerstaaten und der EG begonnen, ein Schutzkonzept für die Nordsee zu erarbeiten. Wir werten es als Erfolg, daß erstmals alle Nordseeanrainerstaaten und die EG meiner Einladung zu dieser internationalen Konferenz auf Ministerebene gefolgt sind. Die Zusage zur Teilnahme macht die grundsätzliche Bereitschaft deutlich, an einer gemeinsamen Politik zur dauerhaften Sanierung der Nordsee mitzuwirken und gemeinsame Konzeptionen und Maßnahmen zu erarbeiten, zu beschließen und auch durchzusetzen. Dieser entschiedene Wille aller Konferenzteilnehmer, gemeinsam zum Schutz der Nordsee vorzugehen, hat schließlich zu dem entscheidenden Erfolg der Konferenz geführt, der Zeichnung der von den Nordseeanrainern und der EG beschlossenen Nordseeschutzdeklaration. In dieser haben sich die Teilnehmer auf ein umfassendes und detailliertes Schutzkonzept verständigt, eine Grundlage für Vorsorgemaßnahmen zur Reinhaltung der Nordsee geschaffen und Schwerpunkte für gemeinsames Vorgehen gesetzt. Der Handlungsrahmen erstreckt sich über nahezu alle Problemfelder und Bereiche, die gemeinsamer Entscheidungen bedürfen. Wir haben nunmehr übereinstimmende politische Leitlinien. Wir haben einen beachtlichen Katalog konkreter Maßnahmen, zum Teil bis in die im Anhang mitbeschlossenen technischen Details hinein, und wir haben ein umfassendes Instrumentarium, das wir zielstrebig für weitere Umweltverbesserungen in der Nordsee einsetzen können. Lassen Sie mich aus der umfangreichen Deklaration die wichtigsten Ergebnisse hervorheben. Erstens. Der Schadstoffeintrag über Flüsse und Küstengewässer, der den größten Verschmutzungsfaktor der Nordsee bildet, wird weiter verringert. Die bestehenden internationalen und supranationalen Regelungen für die gefährlichen Substanzen der sogenannten schwarzen und grauen Listen werden verschärft, bzw. erweitert. Die neuen Regelungen sollen auf Neuanlagen sofort und auf bestehende Anlagen so bald wie möglich angewandt werden. Die hierzu notwendigen Entscheidungen werden bereits im kommenden Jahr in den dafür zuständigen internationalen Gremien eingeleitet. Darüber hinaus sollen potentiell gefährliche Substanzen, insbesondere neue synthetische Verbindungen, laufend auf schädliche Wirkungen für die Nordsee untersucht werden. Da gerade vom Bundesgebiet aus mit Rhein, Ems, Weser und Elbe große Flüsse in die Nordsee münden, ist die Bundesrepublik Deutschland besonders gefordert, ihre Anstrengungen zur Reinhaltung der Flüsse zu verstärken. Wir werden mit der fünften Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz die Anforderungen an die Reinhaltung und die Reinigung von Abwässern bei problematischen Stoffen in Zukunft nicht wie bisher nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik, sondern nach dem strengeren und fortschrittlicheren Stand der Technik verschärfen. Damit werden wir die Gewässer spürbar von Schadstoffen entlasten. Wir werden den Artenreichtum in den Gewässern besser schützen als bisher, und wir werden die Nordsee auch vor weiteren schwer abbaubaren Stoffen bewahren. Zweitens. Der Schadstoffeintrag über die Atmosphäre soll ebenfalls herabgesetzt werden. Die Nordseeanrainerstaaten und die EG werden auch hier 1985 in der dafür zuständigen Pariser Kommission über notwendige gemeinsame maßnahmen entscheiden. Dies entspricht auch voll unserer Politik der Luftreinhaltung. Insbesondere die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen zur drastischen Verminderung der Stickstoffemissionen aus Kraftwerken, Industrieanlagen und Kraftfahrzeugen sind weitere wichtige Beiträge zur Gesundung der Nordsee. Drittens. Schädliche Abfälle und Klärschlamm sollen kontrolliert an Land und nicht in der Nordsee beseitigt werden. Das ist ein wichtiger Ansatz, um international langfristig zu einem vollständigen Stopp der Abfallbeseitigung auf See zu gelangen. Die Mehrzahl der Nordseeanrainerstaaten hat aber erheblichen Widerstand gegen einen so radikalen Schritt geleistet, wie er bereits unserer derzeitigen Abfallbeseitigungspolitik entspricht. Deswegen konnte auf der Konferenz auch noch keine gemeinsame Aussage zur Einstellung der Verklappung von Dünnsäure aus der Titandioxidproduktion zustande kommen. Die Bundesregierung hält trotz dieses für uns enttäuschenden Teilergebnisses an ihrer Entscheidung fest, daß aus dem Bundesgebiet auch weiterhin keine Klärschlämme in die Nordsee verbracht werden, die Einbringung von Grünsalz mit dem Ablauf dieses Jahres gänzlich eingestellt und die Verklappung von Dünnsäure nach einem Stufenplan ohne schuldhaftes Zögern beendet wird. ({3}) Wir müssen vermeiden, daß durch ein sofortiges Verbot die Produktion einfach in ein Nachbarland verlegt wird, von dem aus die Dünnsäure weiterhin in die Nordsee verbracht werden kann. Da hätten wir zwar ein umweltpolitisches Alibi, aber der Nordsee wäre nicht geholfen. ({4}) Technologische Neuerungen haben nahezu zu einer Halbierung des angefallenen Abfalls aus der Titandioxidproduktion geführt. Statt jährlich 450 000 t fallen nur noch 250 000 t an. Hierfür sind bereits nicht weniger als 230 Millionen DM investiert worden. Viertens. Die Meeresverschmutzung durch Schiffe, insbesondere die Einleitung von Öl und Chemikalien aus dem Schiffsbetrieb, soll spürbar gesenkt werden. Ein umfangreiches System von Auffanganlagen für Rückstände und Gemische von ölhaltigen und sonstigen schädlichen flüssigen Abfällen wird rund um die Nordsee bereitgestellt. Ich appelliere an die Küstenländer, für optimale Systeme von Auffanganlagen für ölhaltige Rückstände und Gemische in den Häfen schnellstmöglich Sorge zu tragen, damit kein Schiffsführer einen Anlaß erhält, seinen flüssigen Abfall in der Deutschen Bucht abzulassen. Nächstes Jahr wollen wir bei der Internationalen Seeschiffahrtsorganisation der Vereinten Nationen gemeinsam erreichen, daß international verbindliche Regeln auch für schädliche Stoffe in verpackter Form und für Schiffsmüll in Kraft treten. Die Frage der Erklärung der Nordsee zum Sondergebiet haben wir nicht zu unserer Zufriedenheit lösen können. Ich hatte mich noch vor der Konferenz in Verhandlungen in London und Paris persönlich für einen solchen Beschluß eingesetzt und auch den Umweltministern der anderen Nordseeanrainerstaaten unseren Standpunkt ausführlich dargelegt. Wir halten ein grundsätzliches Verbot der Einleitung von Öl aus dem Schiffsbetrieb für erforderlich, um der schleichenden Ölpest besser Herr zu werden. Aber die Mehrheit der Konferenzteilnehmer hat sich unserer Auffassung noch nicht angeschlossen. Sie verweist auf das internationale Übereinkommen betreffend die Verschmutzung von Schiffen aus - kurz „MARPOL" genannt -, das weltweite Bedeutung hat und in seinen Verpflichtungen für die Begrenzung der Öleinleitungen erst am 2. Oktober 1983 in Kraft getreten ist. Ihrer Ansicht nach muß dieses Abkommen erst konsequent durchgesetzt und seine Einhaltung überwacht werden, ehe verschärfte Regelungen angestrebt werden. Nach zähen Verhandlungen ist es mir aber gelungen, daß spätestens auf der zweiten Internationalem Nordseeschutz-Konferenz, die bereits in zwei Jahren stattfindet, über diese Forderung entschieden wird. Das Thema Sondergebiet bleibt somit auf der Tagesordnung. Das ist ein tragfähiger Kompromiß, zumal alle Staaten die Einhaltung der geltenden Grenzwerte für Öleinleitungen streng und konsequent überwachen wollen. Fünftens. Ein entscheidender Durchbruch ist uns beim Transport radioaktiver Stoffe gelungen. Für Schiffe, die gefährliche und auch radioaktive Stoffe befördern, wird ein Meldepflichtsystem eingeführt. Damit haben wir unverzüglich die Konsequenzen aus dem Untergang der „Mont Louis" vor der belgischen Küste gezogen. Sechstens. Ebenfalls sind wir im Bereich der Ölverschmutzungen von Bohrplattformen aus erheblich weitergekommen. Verbesserte technische Einrichtungen und die Bestellung hauptamtlicher Umweltschutzbeauftragter werden wirkungsvoll die Ölverschmutzung eindämmen. Siebtens. Die Zusammenarbeit bei der weiträumigen Überwachung der Nordsee aus der Luft wollen wir verstärken, um von Verstößen abzuschrecken und gegebenenfalls schnell und wirksam einzugreifen. Luftüberwachungsgeräte werden entwickelt und verbessert, damit Hubschrauber und Flugzeuge bei jeder Wetterlage eingesetzt werden können. Die Bundesrepublik verfügt bereits über ein gut eingespieltes Überwachungssystem in dem Sicherheitsverbund Nordsee. Wir müssen die Marine und den Bundesgrenzschutz technisch so ausrüsten, daß Ölsünder auch bei Nacht und Nebel überführt werden können. Die Verursacher müssen identifiziert und deren Verschulden muß dokumentiert werden. Diese Ergebnisse sind dann sofort an die zuständigen Ermittlungsbehörden weiterzuleiten. Achtens. Für außerordentlich wichtig halte ich die Entscheidung, die bereits bestehenden gemeinsamen Meß- und Überwachungsprogramme intensiv fortzuentwickeln und auf die biologische Überwachung der Nordsee auszuweiten. Wir denken auch an die Errichtung einer gemeinsamen internationalen Umweltdatenbank. Diese Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Meß- und Überwachungsprogramme wird unsere Erkenntnisse über die Schadstoffeinträge, die Schadstoffkonzentrationen im Meer und deren ökologische Auswirkungen verbessern. Damit können wir auf sichere Grundlagen für verschärfte Maßnahmen hoffen. Neuntens. Wir werden die Erforschung und Entwicklung umweltfreundlicher Technologien und Produkte sowie von Ersatzstoffen weiter vorantreiben, damit weniger Abfälle und Schadstoffe über Abwässer in die Nordsee gelangen. Zehntens. Ich begrüße sehr, daß auch die Nordseestaaten, die kein Wattenmeer kennen, die Notwendigkeit bestätigt haben, dieses lebenswichtige Ökosystem zu schützen. ({5}) Unsere Bemühungen, die Erhaltung dieses einmaligen Naturreservats in den Mittelpunkt unserer Argumentation zu stellen, haben sich gelohnt. Es ist uns gelungen, unsere Sicht und Bewertung des Wattenmeers den anderen Staaten verständlich zu machen. Die Bundesregierung hat am 7. November 1984 einen weiteren wichtigen Schritt zum Schutz der deutschen Nordseeküste und des Wattenmeers getan. Ich spreche von der Erweiterung unseres Küstenmeeres in einem besonders gefahrenträchtigen Bereich der Nordsee. Das Seegebiet südlich und westlich von Helgoland bis zu der Tiefwasserreede, die nördlich der Inseln Baltrum und Langeoog liegt, gehört zu den dichtest befahrenen Seegebieten der Welt. Auf engstem Raum verkehren hier Schiffe aller Größenklassen bis hin zu Supertankern. In der Vergangenheit ist es mehrfach zu BeinaheZusammenstößen gekommen. Diese schwierigen, gefährlichen und auf der Erde einmaligen Verkehrsverhältnisse erfordern eine klare und eindeutige Verkehrsregelung und Verkehrslenkung. Voraussetzung dafür ist, daß dieses Seegebiet zum deutschen Hoheitsgebiet erklärt wird, in dem von deutschen Stellen erlassene, allgemein bindende Anordnungen gegenüber Schiffen auch unter fremder Flagge durchgesetzt werden können. Das ist ein weiterer Schritt zur konsequenten Befolgung der auf der Nordseeschutz-Konferenz verkündeten Grundsätze. Die Bundesregierung hat diesen Schritt getan, um die Deutsche Bucht, die deutsche Nordseeküste und insbesondere das Wattenmeer vor den Gefahren eines Tankerunfalls und damit einer Ölkatastrophe mit den verheerendsten ökologischen und wirtschaftlichen Folgen wirksam zu schützen. Die internationale Nordseeschutz-Konferenz ist der Anfang einer umfassenden und gemeinsamen Politik für die Nordsee. Dieser Anfangserfolg kann sich sehen lassen. ({6}) - Jeder muß einmal anfangen; Sie haben nicht einmal angefangen. ({7}) Wir haben jetzt den von mir angestrebten verbindlichen Orientierungsrahmen für alle Regierungen der Nordseeanrainerstaaten. Wir haben ein Programm für gemeinsame Maßnahmen, und wir haben den von mir beabsichtigten neuen Impuls für die Arbeit in den internationalen Gremien. Ohne diese Konferenzerfolge wären wir heute im Bemühen um eine saubere Nordsee keinen einzigen Schritt weiter. ({8}) Wer sagt, die Konferenz wäre ein Fehlschlag, hat die Deklaration entweder nicht bis zum Ende gelesen oder er ist ein realitätsferner Utopist oder er will einfach den Erfolg nicht wahrhaben. ({9}) Wir haben die bisherige Stagnation überwunden. Das wird eindrucksvoll bestätigt in der Bereitschaft aller Nordseeanrainerstaaten, die Umsetzung und den Vollzug der Beschlüsse der Deklaration zu überprüfen und gegebenenfalls über weitere Maßnahmen auf einer zweiten Ministerkonferenz in etwa zwei Jahren in Großbritannien zu beschließen. Ich freue mich, daß sich der schwierige Partner Großbritannien bereit erklärt hat, diese zweite Nordseeschutz-Konferenz zu veranstalten. Wenn das in Großbritannien veranstaltet werden wird, wird das auch für den Partner Großbritannien eine bestimmte Bindewirkung haben. ({10}) Den soeben eingeleiteten Prozeß zur Belebung des Nordseeschutzes werden wir zusammen mit den übrigen Regierungen der Nordseestaaten und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nachdrücklich und energisch fortsetzen. Meine Damen und Herren, die Nordsee ist kein totes Meer. Sie soll auch kein totes Meer werden. Hierzu hat die Konferenz entscheidende Signale gesetzt. Alle Nordseeanrainerstaaten sind gewillt - und das ist ein Novum -, das Vorsorgeprinzip anzuwenden und die Lebensbedingungen der Nordsee kontinuierlich zu verbessern. Die Nordsee wird ein Meer des Lebens bleiben. ({11})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Jansen.

Prof. Günther Jansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf den Tag genau vor sechs Wochen haben wir in diesem Haus unsere Erwartungen und Hoffnungen für die Nordseeschutz-Konferenz formuliert: gemeinsam und sehr konkret. ({0}) Wir könnten es uns heute einfach machen und die Enttäuschung über den Schlag in das schmutzige Nordseewasser ({1}) sozusagen der Bundesregierung allein anlasten. Dies tun wir nicht. ({2}) Denn es gibt mehr Hauptstädte in europäischen Staaten ({3}) und mehr Regierungen, die ihre Verantwortung für das tragen, was in Bremen nicht zustande kam. Bonn, Herr Minister, dürfte allerdings die einzige europäische Hauptstadt sein, in der der zuständige Ressortminister mit einer Inflation von Umweltschutz-Absichtserklärungen ({4}) sich langsam, aber sicher lächerlich macht. Und das dient nicht der Sache. Sie haben zur Nordseekonferenz eingeladen. Sie haben diese Konferenz - und das muß ich sehr deutlich klarmachen - dilettantisch vorbereitet. ({5}) Wir müssen Sie fragen, ob es nicht endlich Zeit ist, daß in Ihrem Ministerium mindestens ein Staatssekretär für Umweltschutz berufen wird, der von diesem Thema wirklich etwas versteht. Die Sache hat es dringend nötig. ({6}) Man muß, Herr Minister, System dahinter vermuten, wenn Sie immer dann eine neue Großtat in Sachen Umweltschutz ankündigen, wenn sich die letzte Ankündigung als heiße Luft erwiesen hat. ({7}) Zuerst sollte die Luftverschmutzung durch Entschwefelung von Buschhaus verringert werden. Dann sollte der deutsche Wald ({8}) durch das schnelle Einführen von Katalysatorautos gerettet werden. ({9}) Dann wurde die Nordsee Ihr liebstes Kind. Und jetzt, wo auch das nicht geklappt hat, entdecken Sie im Moment die Entgiftung der Böden und machen dazu große Fachkonferenzen. ({10}) Herr Minister, bei allem Respekt vor Ihrem wahrscheinlich guten Willen kommen Sie mir dennoch wie ein Fußballprofi vor, der nach einem mißglückten Probetraining bei Bayern München erklärt, er wolle nun das Deutsche Derby reiten ({11}) und anschließend Deutscher Meister im Tennis werden. So springen Sie von Thema zu Thema. ({12}) Tatsächlich wird aber die Eintragung im „Buch der Rekorde" hinter Ihrem Namen lauten: Weltrekord für nicht eingehaltene Versprechen in Sachen Umweltschutz. ({13}) Dabei finden Sie, Herr Minister, in diesem Parlament die besten Bedingungen dafür, auf breiter Mehrheit zu handeln, statt sich allein auf diese Wege zu begeben. ({14}) Denn der SPD ist bewußt, daß wir alle, auch meine Partei, für Versäumnisse in der Vergangenheit Mitverantwortung tragen. ({15}) Und für die jetzt erforderlichen Maßnahmen kann es keine politische Ideologie geben, sondern nur funktionierende Konzepte, die getragen werden müssen. Deshalb gibt es nach dieser Nordseeschutz-Konferenz keine Ausreden mit europäischen Nachbarn oder wirtschaftlichen Zwängen und schon gar kein Vertrösten, Herr Minister, auf die nächsten Konferenzen oder die England-Konferenz. ({16}) Aber das verlangt von der Regierungsbank in diesem Haus von CDU, CSU und FDP eine neue Handhabung ihrer bisher vertretenen wirtschaftspolitischen Ideologie der freien Marktwirtschaft. Im Klartext: Es verlangt staatliches Handeln bei der Gesetzgebung und im Investitions- und Subventionsbereich, einmal nicht für die Gewinne, sondern für die Erhaltung der Umwelt Geld auszugeben, ({17}) wobei, wenn das konkret gemacht würde, tatsächlich alle Bürgerinnen und Bürger davon profitieren würden und das, was Sie als Wende versprochen haben: den Menschen eine lebenswerte Umwelt zu schaffen, durch handfeste Politik, die auch über wirtschaftliche Interessen einmal hinweggeht und dann wirklich zu einem Erfolg in Sachen Umwelt führen könnte. ({18}) Umwelttechnologie ist nicht nur wichtig, um die Umwelt zu schonen und zu reparieren. Umwelttechnologie sichert auch Know-how und Exportchancen. Denn es ist doch wohl hoffentlich unumstritten, daß der Handlungszwang bei allen, auch bei den europäischen Staaten, die noch so zurückhaltend sind, sehr schnell durch die tatsächliche Lage der Natur und - behaupte ich - durch den Druck deutlich wird, den die Menschen auf die Regierungen ausüben werden. 4,7 Millionen Tonnen Industrieabfälle, 5,7 Millionen Tonnen Klärschlämme, 96,7 Millionen Tonnen Baggergut - all das wird in die Nordsee gepackt. ({19}) In diesen mehr als 100 Millionen Tonnen sind 20 000 Tonnen Schadstoffe: Zink, Kupfer, Blei, Kadmium, Quecksilber. Es muß doch begriffen werden, daß dies nicht über Konferenzschöngeist lösbar ist. Vielmehr müssen wir, wenn es nicht zu klaren Handlungskonzepten kommt, allein handeln. ({20}) Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, wollen wir Ihnen konkrete Vorschläge machen, bei denen wir bereit sind, auch Schwierigkeiten mitzutragen. ({21}) Erstens. Alle Industrieanlagen, alle abwasserproduzierenden Einrichtungen, die an Vorflutern liegen oder direkt in das Meer einleiten, sind in Zusammenarbeit mit den Ländern in öffentliche Schadstoffkataster aufzunehmen und staatlich überwachten Meßprogrammen zu unterwerfen. Auf dieser Basis sind Branche für Branche Investitionsprogramme zu entwickeln, bei denen wir mit staatlichen Subventionen bereit sind, das Verursacherprinzip plus Altlastenbereinigung zu einer wirklich funktionierenden Umweltschutzsystematik auszubauen. Wir können das nicht mit globalen wirtschaftspolitischen oder steuerpolitischen Maßnahmen schaffen. ({22}) Jede Branche braucht ihre Umwelttechnik, und dies muß jetzt angefaßt werden.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Grünbeck?

Prof. Günther Jansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Bitte!

Josef Grünbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000737, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß das, was Sie jetzt fordern, durch das Abwasserabgabengesetz schon geregelt ist? ({0})

Prof. Günther Jansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie sollten sich einmal vor Ort umsehen, wie das heute aussieht. ({0}) Wir haben keinen wirklichen Überblick über die Schadstoffeinleitung. ({1}) Worauf ich hinaus will, ist: Das, was in der Produktion an Schadstoffen offengelegt wird, muß mit einem Investitionsprogramm begleitet werden, damit es dazu kommt, daß diese Firma umstellen kann. ({2}) Wir wissen doch, daß Konkurrenzen und sonstige Dinge dabei zu beachten sind. Zweitens. Wir erwarten von Ihnen, Herr Innenminister, daß ab 1. Januar 1985 keine Verklappungsgenehmigungen für die Nordsee mehr erteilt werden. ({3}) Wir erwarten von Ihnen, daß Sie ein Programm entwickeln, mit dem den betroffenen Firmen, z. B. Kronos Titan, bei der Umstellungstechnik geholfen wird ({4}) und mit dem wir Zwischenwege finden, um durch Umweltschutzinvestitionen Arbeitsplätze nicht zu gefährden, sondern neue Arbeitsplätze auf den Weg zu bringen. ({5}) Drittens. Ausdehnung der Drei-Meilen-Zone auf eine Zwölf-Meilen-Zone: bitte sehr schnell. Wenn dies in der Deutschen Bucht geschieht, dann mit Kontroll- und Verfolgungsmöglichkeiten gegen Verschmutzer. Deshalb erwarten wir von Ihnen - viertens -, daß im Haushalt 1985 die Mittel bereitgestellt werden, die für die Flugüberwachung und für neue Schiffe benötigt werden, die der BGS-See braucht, um Überwachung wirklich durchführen zu können. ({6}) Aber nicht in vielen kleinen Stufen, Herr Minister, sondern sofort, in einem großen Paket. ({7}) Sie haben unsere Unterstützung, daß Sie das auch dem Finanzminister gegenüber durchsetzen. ({8}) Im übrigen glaube ich, daß Sie den Teil G der Nordseedeklaration hinsichtlich der Luftüberwachung und der Überwachung durch Schiffe als Verschiebebahnhof eingerichtet haben; hier wird aus Ihrer Sicht nicht sehr schnell etwas gesehen. Fünftens. In den deutschen Häfen sind die Entsorgungs- und Auffanganlagen für Schiffe nicht nur auf den Weg zu bringen, sondern schnell einzurichten. Das funktioniert nur, wenn wir die Kosten und die Gebühren, die dabei entstehen, so lange subventionieren, bis in allen europäischen Häfen ein gleiches Entsorgungsniveau vorhanden ist und die Schiffe auf gleiche Gegebenheiten stoßen. ({9}) Alle diese Maßnahmen sind national machbar. Sie kosten Geld, doch dieses Geld muß aufgebracht werden. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute das zurückzuzahlen, was wir der Natur über Jahrzehnte im industriellen Raubbau angetan haben. Davon haben alle wirtschaftlichen Vorteil gehabt. Aber diejenigen, die in diesen Jahrzehnten hohe Vermögen bilden konnten und hohe Einkommen entwickelt haben, müssen bei der Finanzierung solcher Bereiche auch verstärkt belastet werden. Ich gehe davon aus, daß Sie, Herr Minister, wenn es um die Abgabenpolitik geht, bereit sind, auch das Instrument der Ergänzungsabgabe zu sehen, nicht nur als sozial gerechtes Instrument der Belastung höherer Einkommen, wenn die geringen Einkommen schon so belastet sind, sondern auch dafür, um Mittel aufzubringen, damit die Umweltschutzmaßnahmen finanziert werden können. Wir stellen an Sie zwei abschließende Forderungen, auf die wir Sie bitten, sehr schnell einzugehen. Erstens. Wir erwarten die unverzügliche Vorbereitung eines europäischen Gipfeltreffens für gemeinsame Umweltschutzpolitik der Regierungen in der Europäischen Gemeinschaft. Das, was in der Agrarpolitik möglich ist, muß für den Umweltschutz schon längst funktionieren können. ({10}) Wir brauchen einen EG-Gipfel. Ich sage Ihnen: Wenn Sie dafür nur halb soviel Regierungsintensität aufbringen würden wie für Agrarsubventionen, dann wird der Nordsee über diesen EG-Gipfel geholfen. ({11}) Die Spitzen der Regierung sind gefordert, hier zu handeln. Eine Nordseekonferenz in ihrer Unverbindlichkeit reicht nicht aus. ({12}) Zweitens. Am 9. Dezember 1984 läuft die Zeichnungsfrist für die UN-Seerechtskonvention ab. Der maltesische UN-Botschafter Pado hat die Formel vom gemeinsamen Erbe der Menschheit geprägt und damit jene Meere und Schiffahrtsstraßen gemeint, die von uns allen genutzt werden und die sozusagen für jeden Staat von Bedeutung sind. Die Zeichnung der UN-Seerechtskonvention ist im Interesse der Bundesrepublik, ist im Interesse der norddeutschen Länder und ist im Interesse unserer Entwicklungschancen im Bereich Meerestechnologie und -forschung unabdingbar. ({13}) Denn, Herr Umweltminister Dr. Zimmermann, der Teil 12 der UNO-Seerechtskonvention umfaßt die Art. 192 bis 237, die in hervorragender Weise den Schutz und die Erhaltung der Meeresumwelt bestimmen. Der Teil 12 wird eröffnet: Die Staaten sind verpflichtet, die Meeresumwelt zu schützen und zu erhalten. Ich sage Ihnen voraus: Dies wird die Magna Charta der UNO für Umweltschutz auf den Meeren. Wenn die Bundesregierung weiter dabei bleibt, dieser Seerechtskonvention nicht beizutreten, sollte sie nie mehr behaupten, daß Wirtschafts- und Umweltinteressen in dieser Regierung gleichrangig behandelt werden. ({14}) Am 9. Dezember 1984, Herr Minister, erfährt die Bevölkerung der Bundesrepublik im Falle der Nichtunterzeichnung der UN-Seerechtskonvention erneut die umweltpolitische Unglaubwürdigkeit dieser Regierung. Dabei kann ich Sie nicht einmal bedauern. Sie haben selbst Schuld daran, daß diese Situation eingetreten ist. Schlimm ist nur, daß die Umwelt dabei immer mehr unter die Räder kommt. Nehmen Sie unser Angebot an, Teilschritte und große Schritte national zu machen, diese Schritte als Beweis dafür auf den Tisch zu legen, daß es geht, und mit diesen Erkenntnissen in die Europäische Gemeinschaft zu gehen, um über eine Gipfelkonferenz durchzusetzen, daß die Frage an Europa nicht nur heißt: Wie läuft die Wirtschaft?, sondern auch: Schafft Europa es, für die Menschen die Umwelt lebenswert zu erhalten? Nur dann wird Europa selbst überleben. ({15})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Carstensen.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jansen, ich war an sich etwas erschrocken darüber, daß Ihre sonst immer so sehr schlüssige, wenn auch oftmals falsche, diesmal zwar auch falsche, aber nicht schlüssige Rede so enden mußte. ({0}) Ich werde es Ihnen erklären. Wenn Sie auf der einen Seite erklären, daß Deklarationen nicht ausreichen, und dann zur Zeichnung der Seerechtskonvention dieses sagen, dann müssen Sie doch auch sehen, daß das nicht schlüssig ist. Sie haben, Herr Jansen, wieder hier gestanden und den verpaßten Gelegenheiten, die Sie oft gehabt hatten, nachgeweint. Herr Präsident, meine Damen und Herren, an sich har ick vörhat, hier mol 'n Red op Plattdüütsch to holn, weil veele Lüüd de Menung sund, allens dat, wat mit de Nordsee to doon hett, und dat, wat mit de Reinhaltung von de Nordsee to doon hett, bloß de Lüüd angeiht, de an de Nordsee wohn'n doon. Aber ich will das nicht tun.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Duve?

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr, Herr Duve.

Freimut Duve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000425, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ick wull dat ok op Plattdüütsch maken, Herr Präsident, aber de annern, de versteiht dat nich, un dorüm mutt ick dat op Hochdüütsch maken. ({0}) Herr Kollege, ist Ihnen bei Ihrem Vorwurf an die frühere Regierung klar, daß das Öko-System Nordsee als eine einheitliche Angelegenheit erst seit dem großen Umweltgutachten, das die frühere Bundesregierung in Auftrag gegeben hat, das im Sommer 1980 vorgelegen hat, überhaupt wahrgenommen wird und daß seit dieser Zeit jedenfalls die Vorgängerin dieser Regierung außerordentlich große Anstrengungen unternommen hat, um hier weiterzukommen? Das ist das, was Herr Jansen auch getadelt hat.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Duve, Sie haben ganz richtig gesagt, daß dieses Gutachten von 1980 ist. Ich werde nachher auch noch einmal darauf eingehen und Ihnen sagen, daß Sie zwei Jahre Zeit gehabt hätten, hier etwas zu machen, daß Sie jetzt nur polemisieren, nur reden, es werde hier nichts getan, und daß der Innenminister Zimmermann der erste gewesen ist, der in der Lage gewesen ist, eine solche Konferenz, wie sie jetzt in Bremen stattgefunden hat, überhaupt zu initiieren. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Probleme der Nordsee von uns allen erkannt worden sind und daß ebenso erkannt worden ist, daß es internationale und nicht nur nationale Probleme sind und daß wir sie nicht nur durch bundesdeutsche Maßnahmen und Beschränkungen lösen können, ist in diesem Haus sicherlich nicht erst seit kurzem und wenigen Wochen bewußt. Aber erst diese Bundesregierung und unser Bundesminister Dr. Zimmermann haben diese Erkenntnisse umgesetzt und dafür gesorgt, daß diejenigen, die an der laufenden Belastung der Nordsee beteiligt sind und die sicher auch Interesse daran haben, diese lau7282 Carstensen ({1}) fende Belastung einzuschränken, an einen Tisch geholt wurden, um dem Ziel einer sauberen Nordsee wesentlich näherzukommen. Herr Bundesminister, hierfür sei Ihnen herzlich Dank gesagt ebenso wie für Ihren sachlichen Bericht, der nichts beschönigt, aber auch klar aufgezeigt hat, daß Erfolge erzielt worden sind. ({2}) Erfolge können hier nur erzielt werden, wenn die Anrainerstaaten gemeinsam für das Ziel einer sauberen Nordsee eintreten und auch so handeln. Erfolge können auch nur dann erzielt werden, wenn das Ziel und der Weg dorthin klar abgesteckt und definiert worden sind. ({3}) - Das glaube ich nicht. - Zu den positiven Ergebnissen der Konferenz hat insbesondere die klare Konzeption der Bundesregierung beigetragen, wie der Schutz der Nordsee verbessert werden kann. ({4}) Die Bundesregierung befand sich in dieser Konzeption in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Bundestages vom 4. Oktober 1984 zum NordseeGutachten des Rates von Sachverständigen. Die positiven Ergebnisse sind aber auch auf die konsequente und hartnäckige Verhandlungsführung der deutschen Delegation auf dieser ersten internationalen Nordsee-Schutzkonferenz zurückzuführen. Die Ziele der Bundesregierung und der deutschen Delegation waren sehr hoch gesteckt. Trotz ungünstiger Aussichten auf einen optimalen Erfolg waren sie so hoch gesteckt, auch in Erkenntnis der Tatsache, daß durch hoch gesteckte Ziele in der Offentlichkeit auch der Erwartungshorizont hochgeschraubt wird und daß diejenigen, die jeden Grund zur Häme suchen, anschließend in ihrer besserwissenden, selbstgerechten Art Asche über das Haupt des Innenministers streuen wollen und den Mißerfolg herbeireden. ({5}) - Dat wär'n ganz schwor'n Satz, nich? ({6}) Das Bundesministerium des Innern ist bei seinen hochgesteckten Zielen ein politisches Wagnis eingegangen. Für einen, der die zu erwartende Geschäftslage der Konferenz nüchtern zu analysieren verstand, war es vorauszusehen, daß nicht alle deutschen Forderungen durchzusetzen waren, schon gar nicht im allerersten Anlauf. Dennoch war es wohl richtig, die deutschen Forderungen nicht nur auf das derzeit Machbare zu beschränken, sondern ungeschmälert und mit vollem Einsatz in den Verhandlungen in die Vollen zu gehen, um den Versuch zu wagen, das Mögliche zu verwirklichen und das derzeit noch unmöglich Erscheinende sobald wie möglich möglich zu machen. ({7}) Die Opposition hat natürlich recht, wenn sie den Zustand der Nordsee beklagt und bedauert, daß in Bremen nicht alle deutschen Ziele erreicht worden sind, daß nicht mehr herausgekommen ist. ({8}) - Herr Duve, ich habe den Eindruck, Sie haben die Rede des Bundesinnenministers nicht gehört. Ich habe sie bei mir auf dem Tisch liegen. Sie können sie nachher noch mal nachlesen; dann brauchen Sie nicht auf das Protokoll zu warten. ({9}) Natürlich kann die Opposition das und natürlich darf es der Opposition schwerfallen, die Leistungen, die die jetzige Bundesregierung für die Gesundung der Nordsee erbracht hat, anzuerkennen. Aber ich glaube, alle Kritik der Opposition muß ergänzt und relativiert werden durch zwei Feststellungen. Erstens. Grundlage für alle Bemühungen und Überlegungen, die bis jetzt angestellt worden sind, ist das Gutachten des Rates von Sachverständigen für Umeltfragen. Dieses Gutachten - Herr Duve, Sie sagten es schon - stammt aus dem Jahre 1980. ({10}) - Sehr schön, das ist ja auch gut. - Zwar leben wir in einer sehr vergeßlichen Welt, aber jeder weiß, daß diese Regierung erst seit dem Oktober 1982 im Amt ist. Da muß es doch wohl erlaubt sein, zu fragen, was die frühere Bundesregierung in ihren zwei letzten Jahren überhaupt getan hat, um entscheidende Konsequenzen aus diesem Umweltgutachten zu ziehen. ({11}) Wie kommt es, Herr Duve, daß zwei Jahre - ich relativiere das - relativ nutzlos vergingen und nicht genutzt wurden? Hätten nicht die Aussagen der Sachverständigen auch schon die 1980 amtierende Bundesregierung so alarmieren müssen, daß ihr die Lorbeeren einer solchen Konferenz, wie sie jetzt in Bremen stattgefunden hat, zugestanden hätten? ({12}) Ich hätte der Regierung Schmidt diese Lorbeeren um der Nordsee willen gerne gegönnt. Herr Duve, wenn die Opposition nach eigener Untätigkeit in ihrer Regierungszeit jetzt mehr Erfolge und positive Ergebnisse für die Nordsee fordert, so kommt sie mir vor wie einer, der seine Hochzeitsnacht verschläft, aber wenige Wochen danach schon nach Kindergeld schreit. ({13}) Carstensen ({14}) Eine zweite Feststellung muß hier in diesem Zusammenhang getroffen werden. Wer gehörte eigentlich der deutschen Delegation auf dieser ersten internationalen Nordseeschutzkonferenz an? Es waren doch wohl neben den Mitgliedern der Bundesregierung auch Vertreter unserer Küstenländer, Mitglieder der Senate von Hamburg und Bremen, die voll in die Konferenzvorbereitung eingebunden worden waren. Diese hatten doch wohl vielfältige Gelegenheit, zum einen die Konferenzstrategie mitzubestimmen und sich zum anderen an der mühseligen Überzeugungsarbeit zu beteiligen, die gegenüber den anderen Nordseeanrainerstaaten geleistet werden mußte. Unter solchen Voraussetzungen sollte und kann das Ergebnis von allen mitgetragen werden. Es ist zwar typisch, zeugt aber von schlechtem Stil, wenn sich nachher jemand davonschleichen will. Ich fand eine Äußerung eines Kollegen von Ihnen - eines sozialdemokratischen Kollegen -, die er mir gegenüber gestern machte, sehr bemerkenswert. Er meinte, bei allem Mißbehagen, das Sie vielleicht nach dieser Konferenz fühlen, möge man doch so fair sein, die erzielten Ergebnisse nicht auch noch zu zerreden. Mir erscheint das sehr wichtig. Gewöhnen wir uns doch endlich gemeinsam an, Züge in Bewegung zu setzen, nachdem wir die Richtung bestimmt haben, und schminken wir uns doch endlich ab, Ziele im Bereich der Umweltpolitik zu bestimmen und zu erwarten, daß wir gleich nach der Zielbestimmung schon dort ankommen! ({15}) - Das können Sie gerne machen. Das ist wohl etwas, was man besonders von denen verlangen kann, die zwar behaupten, sie hätten genügend Dampf auf dem Kessel gehabt, aber dennoch nicht in der Lage gewesen sind, diejenigen, die fahren wollten, auch mit grünem Licht auszustatten. Mehr Publizität als der offiziellen Konferenz hat man - wie inzwischen schon gewohnt - den Umweltverbänden geschenkt, die parallel in Bremen eine sogenannte Aktionskonferenz durchgeführt haben. ({16}) Ihre Aktivität hat letztlich enttäuscht. Sie haben die deutsche Delegation nicht unterstützt, was wünschenswert gewesen wäre. Sie haben im Gegenteil gegen die deutsche Position auf der Konferenz polemisiert, obwohl sich keine Regierung in Bremen so konsequent für den Schutz der Nordsee eingesetzt und engagiert hat wie die Bundesregierung. Die Umweltverbände sollten die Weihnachtsferien nutzen, um in Ruhe zu überlegen, ob es für die Sache gut ist, die Umweltschutzpolitik dieser Bundesregierung ständig anzugreifen und zu diffamieren. Wäre es nicht besser gewesen, die Bundesregierung wenigstens prinzipiell zu unterstützen und dafür zu sorgen, daß sich auch in unseren Nachbarstaaten die Auffassung durchsetzt, daß der ökologische Schutz der Nordsee im Zweifel nicht hinter wirtschaftlichen Interessen zurückstehen darf? In dieser Zielsetzung sollten wir doch wohl Verbündete sein. Hier haben die international organisierten Umweltverbände und die Bundesregierung noch eine große Aufgabe vor sich. Noch einige Bemerkungen zum derzeitigen Gütezustand der Nordsee. Wissenschaftliche Grundlage für die erfolgten Beratungen auf dieser ersten Nordseeschutz-Konferenz war ein Gutachten, erstellt von einer internationalen Expertengruppe unter der Leitung des DHI. Hiernach ist die Nordsee - ich zitiere - „großräumig noch nicht geschädigt, aber in ihren südlichen Teilen, insbesondere in der Deutschen Bucht, im Wattenmeer und in den Flußmündungen, ökologisch belastet". Mir klingt das zu harmlos. Auf der anderen Seite gibt es aber die bekannte und offensichtlich beliebte Panik-Presse, die nur übertreibt und nur von Katastrophen spricht. ({17}) - Die Panik-Presse! Bedauerlich ist, wenn dazu noch Kollegen von Ihnen, Herr Duve, aus diesem Hohen Hause in dieselbe Kerbe schlagen und von der Nordsee als einer giftigen, übelriechenden und gesundheitsgefährdenden Kloake berichten, bei der man sich überlegen müsse, ein Badeverbot auszusprechen. ({18}) Ich bewerte Untersuchungen der Badestrände nicht zu hoch; aber jeder, der bei der Diskussion über die Probleme der Nordsee Panikmache auf den Lippen führt, muß sich auch der negativen Konsequenz bewußt sein, die diese Äußerungen im Blick auf die Erwerbsmöglichkeiten in den schwach strukturierten Küstengebieten haben. ({19}) Meine Damen und Herren, „blanker Hans, kranker Hans" ist wohl richtig, aber ebenso richtig ist die Aussage des Bundesinnenministers: Die Nordsee ist kein totes Meer. ({20}) Ich begrüße deshalb außerordentlich, daß die wissenschaftliche Beobachtung der Nordsee intensiviert und insbesondere um eine biologische Überwachung erweitert wird. Wir benötigen möglichst bald genaue und wirklich zuverlässige Erkenntnisse über den Zustand der Nordsee in ihren verschiedenen Regionen. ({21}) Ich appelliere an die Bundesregierung, die hierfür notwendigen finanziellen Mittel im Haushalt bereitzustellen, und ich bin sicher, daß der Deutsche Bundestag der Regierung die Mittel, die zum Schutz der Nordsee benötigt werden, nicht verweigert. Eine zentrale Forderung von unserer Seite, die nicht erfüllt wurde, ist die Erklärung der Nordsee zum Sondergebiet im Sinne des MARPOL-Übereinkommens von 1973. Wir begrüßen aber, daß es ge7284 Carstensen ({22}) Lungen ist, alle Nordseeanrainer auf eine strenge Überwachung der Nordsee gegen Ölverschmutzer zu verpflichten. Ich möchte die Bundesregierung bitten, Haushaltsmittel so einzuplanen, daß eine möglichst lückenlose, sicht- und wetterunabhängige Überwachung der Nordsee zu Wasser und aus der Luft aufgebaut werden kann. Die Forderung nach einer Erklärung der Nordsee zum Sondergebiet bleibt aber auf dem Tisch. Die Nordseeschutzdeklaration, die nunmehr im vollen Wortlaut vorliegt, ist ein beachtliches Dokument. Sie enthält endlich das, was wir schon lange gebraucht hätten: einen politisch verbindlichen gemeinsamen Orientierungsrahmen für eine Politik zum Schutz der Nordsee. Die Fülle der Vorgaben für die weitere Arbeit in den zuständigen und interessierten Gremien und die vielen Selbstverpflichtungen für den jeweiligen nationalen Beitrag zur gemeinsamen Schutzpolitik für die Nordsee sind durchaus eindrucksvoll. Die CDU/CSU begrüßt dieses Ergebnis. Sie ersucht zugleich die Bundesregierung, für eine unverzügliche Umsetzung der Beschlüsse zu sorgen und den Deutschen Bundestag über die weiteren Fortschritte auf dem laufenden zu halten. ({23})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Sauermilch.

Walter Sauermilch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001923, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neben vielen anderen schönen Worten hat der Ankündigungsminister - oder besser, wie wir vorhin gehört haben, der Deklarationsminister - Zimmermann in seiner Sonntagsrede zur Konferenzeröffnung am 31. Oktober in Bremen wörtlich folgendes gesagt: Ich bin überzeugt, daß wir auf dieser Ministerkonferenz durch die Verabschiedung eines konkreten Schutzkonzepts den Grundstein langfristig positiver Perspektiven für die Nordsee legen können. Einen Grundstein wollte er legen, hat er angekündigt. Nichts weiter als eine Sprechblase ist dabei herausgekommen. Ich glaube, von Henry Ford stammt die Empfehlung: Tue Gutes und rede darüber. Sie, Herr Zimmermann, haben das ganz offenbar weiterentwickelt: Tue nichts, aber rede trotzdem darüber. ({0}) Die Nordsee wurde in Bremen nicht zu einem Sondergebiet erklärt, was im übrigen auch nicht viel gebracht hätte. Ein Termin für die Beendigung der Abfallbeseitigung auf Hoher See wurde nicht festgelegt. Die dringend notwendige drastische Senkung des Schadstoffeintrags durch die Flüsse und durch die Luft wurde nicht verbindlich beschlossen. Ein Abkommen zum besonderen Schutz des Wattenmeers wurde nicht beschlossen. Was bleibt? Devotionalien für die Industrie, Marginalien für den Umweltschutz. Wir wollen dagegen andere Dinge. Aber ich möchte zunächst einen verantwortungsbewußten Sachverständigen kurz sprechen lassen, Egon Degens, Professor am Geologisch-Paläontologischen Institut der Universität Hamburg - ich zitiere -: Die Nordsee ist in der gleichen tödlichen Gefahr wie unsere Wälder. Das Waldsterben ist mit bloßem Auge zu erkennen, das Sterben der Nordsee können wir nur messen. Nun, wir haben schon viel gemessen. Es ist Zeit, ich meine: es ist höchste Zeit zum Handeln. Es wird gesagt, England und Norwegen hätten es verhindert, daß Konkretes beschlossen wurde. Ja, aber verdammt noch mal, dann muß man eben bei sich anfangen, d. h. bei uns den ersten Schritt tun. Aber das, Herr Zimmermann, wollen Sie offenbar nicht. Sie wollen die Probleme durch Internationalisierung auf die lange Bank schieben. Dabei gibt es genug nationalen Handlungsspielraum. Einige Beispiele: Die Abfallbeseitigung auf der Hohen See - egal, ob Verbrennung oder Verklappung - kann und muß durch Verschärfung der Abfallgesetzgebung verboten werden. ({1}) Weiter: Da ein hoher Prozentsatz aller Schadstoffe durch die Flüsse in die Nordsee gerät, ist folgendes vordringlich und möglich: Festschreibung des Standes der Technik und Aufnahme neuer Schadparameter vor allem für Organohalogene und Phosphate im Wasserhaushaltsgesetz und im Abwasserabgabengesetz. Weiter: Ausdehnung des § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes auf Indirekteinleiter gemäß dem Antrag der GRÜNEN, Reduzierung des Phosphateintrages durch Novellierung des Waschmittelgesetzes - auch hierfür liegt ein Antrag der GRÜNEN vor -, Ausdehnung der Tensidverordnung auf kationische Tenside - auch hierzu liegt ein Antrag von uns vor -, Schließung der Wasserkreisläufe von Einleitern. Weiter: Keine Ausgrenzung der Abfallbeseitigung über das Wasser - wie in dem Novellierungsentwurf der Bundesregierung vorgesehen - aus dem Abfallgesetz. Selbst eine strenge Fassung des § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes auch für Indirekteinleiter kann das Problem nicht lösen. Auch zur Minderung von Schadstoffimmissionen über die Luft sind von den GRÜNEN eine Fülle von Anträgen gestellt worden, die Sie, vorwiegend im Interesse der Industrie, bisher abgeblockt haben. Für Schiffe unter deutscher oder ausländischer Flagge, wenn sie deutsche Häfen anlaufen, sind Stoffbücher zu fordern, außerdem die Pflicht zur Entsorgung über neu zu erstellende Entsorgungsanlagen für Öl, Chemikalien und Abfall in allen deutschen Häfen. Eine gut ausgestattete Küstenwacht könnte Umweltsünder ermitteln und damit die Verhängung hoher Strafen ermöglichen. Über eine sehr teure und gefährliche Altlast muß hier ebenfalls gesprochen werden, nämlich die Industrieansiedlung in den Küstenregionen. Hier muß die Bundesregierung die projektbegleitende und fortzuschreibende Umweltverträglichkeitsprüfung als verbindliches Instrument einsetzen. Was die Ölförderung auf See betrifft: keine Ölförderung und keine Pipelines in sensiblen Gebieten wie dem Wattenmeer und sofortiger Stopp der Einleitungen von Bohrspülungen in die See. Wenn Sie aus der Nordsee schon ein Sondergebiet machen wollen, so gehört meiner Ansicht nach auch noch folgendes dazu: sofortiges Inkrafttreten von MARPOL, Anlage 2, Anlagen 3, 4 und 5 ab 1986 bindend, absolutes Verbot für das Einleiten von Öl, Chemikalien und Abfällen, desgleichen von ungeklärten Abwässern, Nachrüstung von Kläranlagen mit chemischer Stufe, Einstellung des Dumping von Industrieabfällen und Flugasche bis 1990, Verbot der Verklappung von Abfällen aller Art, von Klärschlämmen, Baggergut und Hafenschlick. Herr Jansen hat vorhin auch schon davon gesprochen: Am 9. Dezember dieses Jahres läuft die Zeichnungsfrist für ein Abkommen ab, das für unser Verhältnis zur Dritten Welt, aber auch für die Erhaltung der Meere und hier insbesondere der Nordsee als Rohstoff- und Nahrungsquelle für spätere Generationen viel bedeutet. Ich meine die UN-Seerechtskonvention. Noch vor Jahresfrist waren wir nicht für die Unterzeichnung - das sei hier ruhig erwähnt -, weil wir gehofft hatten, schwere Mängel dieses Abkommens noch abstellen zu können. Vor allem die Ausweitung des Hoheitsgebiets auf 200 Meilen, also eine weitere Scheibe vom Kuchen, und die weitere Benachteiligung der Binnenstaaten sind da zu nennen. Wenn wir Ihnen heute dennoch einen Entschließungsantrag zur Unterzeichnung vorlegen, dann deshalb, weil hier die Diskussion ganz nach dem Vorbild des großen Bruders in den USA dahin läuft, die wenigen Brosamen für die Dritte Welt, die das Abkommen serviert, schnell wieder vom Tisch zu fegen. Der große Bruder und die CDU, die Regierungen der großen Industrienationen wollen Arm in Arm auf die Erhaltung des vertragslosen Zustandes hinaus, mit dem Konzept: Die Dritte Welt wird durch Verschuldung gelähmt, derweil man sich selbst nach Goldgräberart die letzten freien Schätze des Meeres sichert. ({2}) Der Claim wird nach Faustrecht abgesteckt. ({3}) Man spricht vom gemeinsamen Erbe der Menschheit. Das aber, meine Damen und Herren, ist zynisch, wenn die Bundesregierung gleichzeitig auf kaltem Wege z. B. den Preussag-Claim absteckt. Dafür hat die alte Bundesregierung vor drei Jahren ein Separatabkommen mit den anderen starken Industrienationen geschlossen, um sich einen Garten Eden im Pazifik abzustecken. Damit hat sie den Verhandlungen nicht gedient. Sie hat sie vielmehr unterlaufen und die Dritte Welt letzten Endes damit außen vor gelassen. Es ist daher auch nicht verwunderlich, wenn die SPD mit ihrem Antrag noch ein bißchen die Interessen der Industrie fördern möchte. Da schweben sozusagen noch Reste des Koalitionsgeistes im Raum. ({4}) Ein erheblicher Nachholbedarf besteht auch auf dem Gebiet des Rechts. Ganz kurz einige ausgewählte Gesichtspunkte: gesetzlich festgelegte strikte Anwendung des Vorsorgeprinzips, Offentlichkeit von Genehmigungsverfahren und Einleitungsdaten, ein einheitliches Klagerecht für alle Bürger, die schnelle Umsetzung von internationalem Recht in nationales Recht, sofortige Ratifizierung des Pariser Abkommens durch Irland und Luxemburg. Herr Minister Zimmermann, werden Sie doch einmal zum Entdeckungsminister, und entdecken Sie, daß es schon lange den Art. 6 Abs. 1 b in dem Pariser Abkommen mit der Forderung gibt, daß - ich zitiere - „jede neue Verschmutzung vom Lande aus einschließlich der Verschmutzung durch neue Stoffe zu verhüten ist". Mit den Problemen der Fischerei hatte Ihre Konferenz überhaupt nichts im Sinn. Der Schutz des Wattenmeers ist bei Ihnen ein bedauernswertes Stiefkind. - Was tut not? Keine Wattzerstörung durch sogenannten Küstenschutz, Deichverstärkungen nur in der zweiten Deichlinie. ({5}) Verbot wirtschaftlicher Nutzung und Explorationen, militärischer Übungen und Tourismus-Einrichtungen, schließlich ein internationales Wattenmeerschutzabkommen. Ferner sei noch auf das Riesenpaket zum Thema Schadstoffvermeidung hingewiesen. Dazu haben die GRÜNEN inzwischen so viele Anträge eingereicht, so viele Vorschläge gemacht, daß sie schon Legion sind.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Walter Sauermilch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001923, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein. Die Annahme unserer hier vorliegenden Entschließungsanträge wäre ein erster Schritt vom Reden zum Handeln. Hierzu fordere ich Sie auf! Danke. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm.

Torsten Wolfgramm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002557, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu den Kollgen der SPD und der GRÜNEN finde ich, daß es doch ein bedeutendes Ereignis ist, wenn zum ersten Male Vertreter von acht Staaten, die Anrainer der Nordsee sind, und Vertreter der EG-Kommission zusammentreten und über die Probleme der Nordsee beraten. Sie beraten darüber, weil wir es gefordert haben, nicht weil von dort ein besonderes Interesse kam. Weder Schweden noch Dänemark noch die Niederlande noch England Wolfgramm ({0}) noch Frankreich haben diese Nordseekonferenz gefordert; wir haben sie gefordert. In diesem Zusammenhang darf ich mir die Anmerkung erlauben: Ich habe sie 1981 hier im Plenum gefordert. Der damalige Bundesinnenminister Baum hat sie mit vorbereitet, und ich danke Rudolf Baum und dem jetzigen Bundesinnenminister Zimmermann, daß sie diese Konferenz zügig, intensiv und sorgfältig betrieben haben und daß sie durchgeführt werden konnte. ({1}) - Lieber Herr Kollege Duve, wir müssen es in den Protokollen noch einmal nachlesen. Ich habe das Gefühl, daß wir es bei der zweiten Beratung über Nordseeprobleme noch einmal gemeinsam gefordert haben, ({2}) bei der wir nämlich zum erstenmal über das Nordsee-Gutachten beraten haben; da habe ich es wieder gefordert. Aber wir werden das sehen. Wer verloren hat, wird die Sache ausgleichen müssen, Herr Kollege Duve. ({3}) Ich möchte auf die gemeinsame Deklaration zu sprechen kommen. Es ist schon etwas, wenn sich Länder, die sich diesem Problem bisher überhaupt nicht gestellt haben und die die Nordsee als ein bequemes Abfallgebiet ansahen, das dem Verkehr und der Versenkung von Abfällen jeglicher Art dienen kann, hier zusammenfinden und erstmals eine Grundlage für eine gemeinsame Politik erörtern, beraten und beschließen. Dies möchte ich hier für meine Fraktion und meine Partei besonders unterstreichen. Es ist ein Aberglaube anzunehmen, wir könnten ein solches Problem allein durch unsere Anstrengungen, die es in der Zukunft zu unternehmen gilt, in den Griff bekommen. ({4}) Wir dürfen uns nicht der Vorstellung hingeben, wir könnten diese Dinge allein isoliert betreiben. Meine Kollegen von den GRÜNEN, Sie haben ja so in etwa die Vorstellung, „an Ihrem Wesen solle alles genesen": ({5}) nicht nur die Bundesrepublik, sondern natürlich auch Europa, am besten die ganze Welt. Die ganze Welt habe sich auch danach zu richten, was Sie sich vorstellen, Sie haben soeben gesagt: Auch Luxemburg muß diesen Vertrag ratifizieren. Die Luxemburger werden das selber entscheiden müssen, verehrter Kollege Sauermilch. Wir können ihnen dazu nur raten, aber wir können das nicht ultimativ fordern. ({6}) Ich meine, wir sollten hier jetzt Bilanz ziehen, welche Positiva zu verzeichnen sind. Ich habe soeben schon deutlich gemacht, daß ich es außerordentlich begrüße, daß ein Anfang gemacht worden ist. Wir wissen, daß in zwei Jahren eine Bewertung der ersten Maßnahmen stattfinden wird, denn es ist j a auch ein Zeitraum genannt worden. Ich hoffe, daß wir dann doch eine ganze Menge positiver Ergebnisse werden vorweisen können. Es ist in einer Fülle von Regelungen eine Verringerung der Verschmutzung vom Land aus vorgesehen. Weiterhin sind die Verhütung, Verringerung und Beseitigung von Schadstoffen, die über die Atmosphäre einwirken, beschlossen worden. Den Unterlagen ist weiter zu entnehmen, daß auf eine Verringerung der Verschmutzung auf See hingewirkt werden soll. Weiterhin ist eine Fülle von zusätzlicher Zusammenarbeit im Rahmen der Überwachung der Nordsee aus der Luft und im Transportbereich vorgesehen. Wir haben eine zusätzliche Erklärung, daß das Meß- und Überwachungsprogramm intensiviert werden soll und vieles mehr. Ich will das jetzt nicht im einzelnen aufzählen. Die Deklaration hat immerhin 15 Seiten. Herr Kollege Sauermilch, wenn Sie sie einmal betrachtet hätten, dann hätten Sie unter A im vierten Absatz das folgende Zitat gefunden. Dort heißt es in einer der Europäischen Gemeinschaft eigenen Formulierung - sie hat bezüglich der verschiedenen Eingangsformulierungen j a ein abwechslungsreiches System -: In der Überzeugung, daß daher der Erhaltung der Nordsee als lebenswichtigem Ökosystem einschließlich des zugehörigen Wattenmeeres - da taucht das Wattenmeer schon das erste Mal auf; Sie verlangen nun schon sofort eine Deklaration darüber hinaus, einen Vertrag über diese Dinge und anderer besonders empfindlicher Küstengebiete, insbesondere für den Schutz von Laichstätten der Fische und für den Schutz wandernder wildlebender Vogelarten, besondere Beachtung geschenkt werden soll; Das nenne ich eine positive Behandlung. Natürlich fehlt uns noch eine Menge daran, aber was erwarten Sie von einer ersten Konferenz? Leisten Sie dazu vernünftige Beiträge. Was hier geleistet worden ist, ist schon etwas. Sie handeln nach dem Märchen, das, wenn ich es recht sehe, an der Küste wohl verbreitet ist: „Der Fischer und sine Fru". Sie müssen einmal bedenken, wie da die Wünsche aufgezählt werden und was plötzlich zum Schluß geschieht. Wo sitzen die Leute schließlich wieder, lieber Kollege? ({7}) Sie sitzen, wie wir wissen, im Pißpott; im ganzen ist also gar nichts Bleibendes passiert. So darf es nicht Wolfgramm ({8}) gehen. Nach diesem Märchen handeln wir nicht, weil es eben keine ökologische Grundlage bietet. ({9}) - Ich habe das Märchen zitiert, lieber Kollege Duve. Das wird in diesem Hause sicher noch erlaubt sein. Was ist bei der Konferenz nicht erreicht worden? Es ist wie bei einem Bild. Da könnte man Nolde mit seinem Patriarchen heranziehen. Bei dem Patriarchen fehlt uns der Hintergrund, wenn wir das Bild betrachten. Auch hier fehlt uns natürlich einiges, nämlich z. B. das Sondergebiet nach dem MARPOL-Abkommen. Ich teile überhaupt nicht die Meinung des Kollegen Sauermilch, der gesagt hat, das Sondergebiet hätte auch nichts gebracht. Das haben Sie in der Einleitung Ihrer Bemerkungen gesagt. Das müssen Sie draußen nur richtig laut sagen, damit die anderen Länder, die sowieso keine Motivation haben, diese Dinge zu betreiben, sagen: Ein Teil des Deutschen Bundestages will es ja gar nicht, es interessiert die nicht besonders, die halten es nicht für wirkungsvoll. - Sie müssen das draußen richtig laut sagen, damit die Erfolge der nächsten Konferenz von vornherein in Frage gestellt werden. ({10}) Ich meine, daß wir auf unserem Gebiet das Eigene betreiben müssen. Wir müssen unsere nationalen Anstrengungen auch bei der Bekämpfung der Verschmutzung durch die Flüsse vorantreiben. Dazu brauchen wir die Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes und des Abwasserabgabengesetzes sowie die dritte Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz. Das wird uns auf diesem Gebiet weiterhelfen. Wir brauchen Verträge mit der DDR, damit die Verschmutzung der Elbe reduziert wird, und die Verträge über die Weser. Durch den Beschluß der Bundesregierung zur Boxenlösung haben wir eine zusätzliche Verbesserung der Verkehrssituation. Zum erstenmal sind in diesem Bereich jetzt strenge Verkehrsregeln anzuwenden, die mögliche Tankerunfälle vermeiden helfen. Die Konferenz ist ein Schritt auf der Umweltstraße. Wir müssen national und bilateral weiterarbeiten - mit dem einen oder anderen Abkommen, auch beim Transport giftiger Abfälle. Wir müssen die Nordseekonferenzstaaten dazu bringen, daß wir zu einer Nordseeschutzkonvention kommen. Diese Regelung müssen wir so dicht machen, daß dieses Netz den Schutz der Nordsee auch auf Dauer gewährleistet. Dafür werden wir uns weiter einsetzen. ({11})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Zu Tagesordnungspunkt 3 hat die Fraktion DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 10/2375 und 10/2376 zwei Entschließungsanträge vorgelegt. Bei dem Entschließungsantrag Drucksache 10/2375 ist zweifelhaft, ob der notwendige Sachzusammenhang zwischen diesem Antrag und dem Beratungsgegenstand besteht. Ich möchte diese Frage deshalb durch das Haus entscheiden lassen. Wird das Wort zur Geschäftsordnung gewünscht? - Bitte schön.

Walter Sauermilch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001923, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier wird vermutet, unser Entschließungsantrag zur Unterzeichnung des UN-Seerechtsabkommens habe keinen Sachzusammenhang zum Tagesordnungspunkt „Erklärung der Bundesregierung zum Schutz der Nordsee und des Küstenmeeres". Hierzu möchte ich erstens darauf hinweisen, daß dieser Antrag eigentlich nur das nachholt, was auf der Bremer Konferenz von Herrn Minister Zimmermann versäumt wurde, nämlich die Problematik des UN-Abkommens zu behandeln. ({0}) Inhaltlich bestehen zudem wichtige Zusammenhänge zwischen dem Anliegen des Deklarationsministers auf der Bremer Konferenz und dem Anliegen der UN-Seerechtskonvention. Das betrifft insbesondere die Interessen am Schutz der Randmeere und die Eingrenzung der rücksichtslosen Ausbeutung durch die Industrie. Die formale Ausgrenzung dieses Antrags durch eine übertrieben enge Auslegung der Bezugszusammenhänge würde Ihre Unwilligkeit oder Unfähigkeit, ökologisch zu denken, darlegen und kann dann nur noch als zusätzlicher Beweis Ihrer Industriefreundlichkeit gewertet werden. Ich fordere Sie deswegen auf: Beweisen Sie das Gegenteil. Beweisen Sie damit, daß Sie letzten Endes Umweltschutz doch noch, wenn auch spät, richtig, nämlich ökologisch und übergreifend, verstehen. Machen Sie nicht an irgendwelchen Grenzen irgendwelcher Formalien halt. Ich danke. ({1})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jansen, bitte.

Prof. Günther Jansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dieses allein sind in der Seerechtskonvention die Bestimmungen, die sich mit dem Umweltschutz beschäftigen. Wir finden alle, aber auch alle Begriffe wieder, die in der Bremer Deklaration enthalten sind: Verschmutzung vom Lande aus, die Problematik der Luftverschmutzung. Im Grunde ist jedes Thema sehr konkret abgehandelt. Wenn Sie im Zusammenhang mit diesem Tagesordnungspunkt nicht bereit sind, den wichtigen Umweltschutzteil der Seerechtskonvention zum Anlaß zu nehmen, über den vorliegenden Antrag abzu7288 stimmen, so können Sie das meiner Meinung nach von einer Sachargumentation her nie begründen. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seiters.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002156, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Koalitionsfraktionen widerspreche ich dem Antrag der GRÜNEN. Ich halte die Aufsetzung dieses Entschließungsantrags nach unserer eigenen Geschäftsordnung nicht für zulässig. Ein Entschließungsantrag nach § 75 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung - hin und wieder ist es hilfreich, wenn man die Geschäftsordnung zur Hand nimmt - ist eine unselbständige Vorlage, die von einem Tagesordnungspunkt abhängig ist und mit diesem Tagesordnungspunkt im Zusammenhang steht. ({0}) Das ist nach unserer Auffassung nicht der Fall. Wir debattieren heute über den Schutz der Nordsee und des Küstenmeeres. In Ihrem Antrag auf Drucksache 10/2375 geht es um die Nutzung des Meeres und des Meeresbodens - ein wichtiges Thema, über das wir debattieren können und debattieren sollten. ({1}) Nur muß eines auch klar sein: Wir können nicht über Äpfel und gleichzeitig über Birnen diskutieren. Eines hat im übrigen Ihre eigene Fraktionssitzung gezeigt, meine Damen und Herren von den GRÜNEN: ({2}) Sie haben doch den richtigen Antrag auf Drucksache 10/2376 nachgeschoben, nachdem Sie offensichtlich selbst erkannt haben, daß der erste Antrag nicht zu diesem Punkt in Beziehung stand. ({3}) Wie immer dies auch sei: Der Präsident des Deutschen Bundestages hat soeben erklärt, daß auch bei ihm Zweifel über die Zulässigkeit herrschen, also darüber, ob es zulässig ist, diesen Entschließungsantrag heute zu behandeln. Wir haben hier eine bestimmte Rechtsposition. Wir wollen uns streng an die Geschäftsordnung halten. Wir wollen über dieses Thema gern debattieren, aber nicht unter einem falschen Tagesordnungspunkt. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. ({4})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen nun zur Abstimmung. Wer für die Zulässigkeit des Entschließungsantrags auf Drucksache 10/2375 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit. Damit entfällt eine Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Drucksache 10/2375. Wir stimmen nunmehr über den Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/2376 ab. ({0}) - Das wurde mir schon mitgeteilt. Die Fraktion DIE GRÜNEN hat Überweisung an den Innenausschuß beantragt. Wer dem Überweisungsantrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist damit an den Innenausschuß überwiesen. Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften - Drucksache 10/881 - a) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({1}) - Drucksache 10/2233 - Berichterstatter: Abgeordnete Bernrath Broll b) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 10/2371 Berichterstatter: Abgeordneter Gerster ({3}) Kühbacher Kleinert ({4}) ({5}) Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für diese Aussprache ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Sind Sie mit dieser Regelung einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Regenspurger.

Otto Regenspurger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001793, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Im öffentlichen Dienst bewegt sich wieder etwas. Nachdem die Bundesregierung heute früh ein akzeptables Angebot zur Besoldungsanpassung gemacht hat, steht heute ein weiteres Gesetz zur Schlußberatung an. Es regelt eine Reihe dringlicher Probleme der Beamtenbesoldung. Wichtigste Neuregelung ist die Einschränkung der zu Beginn des Jahres erfolgten Absenkung der Eingangsbesoldung. Bisher wurden auch solche BeRegenspurger amte des gehobenen und höheren Dienstes von der verminderten Eingangsbesoldung betroffen, die bereits in einem Angestelltenverhältnis des öffentlichen Dienstes gestanden haben und als Beamte übernommen werden. Das schaffte Ungerechtigkeiten und erschwert die von den öffentlichen Arbeitgebern gewünschten Verbeamtungen. Das neue Gesetz beseitigt diese Ungereimtheiten rückwirkend zum 1. Januar 1984. Die Neuregelung gilt auch für Richter und Soldaten sowie beim Eintritt von Kirchenbeamten, Geistlichen und hauptberuflichen Angestellten öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften in den öffentlichen Dienst. Zusätzlich wird in die Vorschriften über die Absenkung der Eingangsbesoldung die Möglichkeit aufgenommen, Ausnahmen für den Bereich der Hochschulen und des Deutschen Patentamtes zu machen. Danach kann bei Beamten an Hochschulen oder wissenschaftlichen Einrichtungen, die zuvor als Stipendiaten oder Mitarbeiter wissenschaftlicher Einrichtungen im Ausland tätig waren, von einer Absenkung der Eingangsbesoldung abgesehen werden. Beamte auf Zeit an Hochschulen oder wissenschaftlichen Einrichtungen sowie Mitglieder des Deutschen Patentamtes können ebenfalls von der Herabsetzung ausgenommen werden, wenn das zur Gewinnung qualifizierter Bewerber notwendig ist. Ausdrücklich erhalten bleibt die Ermächtigungsgrundlage der Bundesregierung in § 19 a Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, daß die Absenkung der Eingangsbesoldung für Laufbahnen mit erheblichem Bewerbermangel ganz oder teilweise ausgesetzt werden kann. Bund und Länder arbeiten bereits seit längerer Zeit an dieser Frage und klären, für welche Bereiche eine derartige Verordnung in Frage kommen könnte. Einen weiteren Schwerpunkt des neuen Gesetzes bilden die Bestimmungen über die Zuschüsse für Professoren. Künftig kann einem Professor ein Zuschuß auch dann gewährt werden, wenn damit seine Abwanderung in den Bereich der Wirtschaft oder an ausländische Hochschulen verhindert wird. Die öffentlichen Arbeitgeber erhalten mit dieser Regelung mehr Spielraum, besonders qualifizierte Wissenschaftler zu einem Bleiben an den inländischen Hochschulen zu bewegen. Daneben sieht die Neuregelung die Möglichkeit vor, bestimmte Zuschüsse und Sonderzuschüsse nur noch als aufzehrbare Gehaltsbestandteile zu gewähren. Mit der Nachholung der Anpassung der Richteramtszulagen sowie der Korrektur der Übergangsvorschriften bei der Überleitung von Richtern in herausgehobener Funktion und Ersten Landesanwälten bzw. Staatsanwälten folgt das neue Gesetz zwei Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes. Die Betroffenen werden damit entsprechend dem Votum des Bundesverfassungsgerichtes rückwirkend bessergestellt. Nicht in das Gesetz aufgenommen wurde dagegen die während des Gesetzgebungsverfahrens geforderte Vorschaltstufe der Richterbesoldung, die eine Verringerung der Besoldung junger Richter zur Folge gehabt hätte. Mit den Stimmen von CDU/ CSU und FDP wurde im Innenausschuß auch die von der SPD verlangte Vorschaltung einer halben Besoldungsstufe abgelehnt. Mit diesen Beschlüssen im Innenausschuß des Deutschen Bundestages haben CDU und CSU gezeigt, daß sie ihre an den Erfordernissen des öffentlichen Dienstrechts orientierte Politik auch in Zukunft fortsetzen werden. Nach den notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen sorgen wir jetzt dafür, daß der öffentliche Dienst kontinuierlich fortentwickelt und auch wieder angemessen an der allgemeinen Einkommensverbesserung beteiligt wird. ({0}) Werte Kolleginnen und Kollegen, die im öffentlichen Dienst Beschäftigten sind oft ungerechtfertigten Angriffen aus der Bevölkerung ausgesetzt. Die CDU/CSU stellt sich vor die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und dankt ihnen für ihre zum Wohl der Allgemeinheit geleisteten treuen Dienste. ({1}) Ein gut funktionierender öffentlicher Dienst ist die Voraussetzung dafür, daß auch der Staat funktioniert. Wir erkennen auch ausdrücklich den Beitrag an, den der öffentliche Dienst zur Konsolidierung der Haushalte in Bund, Ländern und Gemeinden erbracht hat. Loyalität ist für uns keine Einbahnstraße. Die CDU/CSU erwartet von den im öffentlichen Dienst Beschäftigten jederzeit korrekte Diensterfüllung und das Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Einzelne Bedienstete, die ihre Amtsstellung mißbrauchen, sind für den öffentlichen Dienst nicht symptomatisch. Zur Treuepflicht gehört auch die Amtsverschwiegenheit. Umgekehrt fühlen wir uns dem öffentlichen Dienst in seinen berechtigten Interessen verpflichtet. Die öffentliche Hand, der Gesetzgeber, wir alle sind aufgerufen, unserer Fürsorgepflicht nachzukommen. Wir von der CDU/CSU sind dazu bereit. ({2})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bernrath.

Hans Gottfried Bernrath (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000161, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem öffentlichen Dienst geht es aufwärts, sagt Herr Regenspurger. Die Flickschusterei geht weiter, sage ich. ({0}) Es wird repariert, was voraussehbar war, und es wird weiter repariert werden, weil Sie sich ja hier nicht auf eine klare Lösung verständigen konnten. ({1}) Ich will gar nicht auf die Einzelheiten des Gesetzes eingehen. Wir haben es im Innenausschuß behandelt, was die Amtszulagen und die Einzelregelungen angeht. Im wesentlichen steht hier zur Debatte, das auszugleichen, was bei der Eingangsbesoldung nicht sachgerecht gemacht worden ist. Intention war, jene, die mit ihrem Beruf beginnen und keine Berufserfahrung haben, bei der Eingangsbesoldung mit den Anfangsbezügen etwas schlechterzustellen, um damit den öffentlichen Dienst insgesamt wirtschaftlicher zu machen, aber auch um Mittel für verstärkte Ausbildung in diesen schwierigen Jahren freizubekommen. Es zeigt sich heute, daß davon auch Leute betroffen sind, die schon mit Berufserfahrung in den öffentlichen Dienst kommen, die in Bereichen der Wissenschaft, an Hochschulen also oder in anderen Bereichen Berufserfahrung haben sammeln können, somit Berufserfahrung haben und nicht so wie Berufsanfänger behandelt werden sollen. Sie kommen jetzt in die dafür nach der Leistung vorgesehene Besoldungsgruppe. Das ist in Ordnung. Wir sind, auch bei den Beratungen im Innenausschuß, der Meinung gewesen, daß es vielleicht nicht nötig gewesen wäre, dafür ein Gesetz zu machen. Man hätte es pragmatisch über den Bundespersonalausschuß regeln können; dann wäre man flexibler geblieben. Man hätte auch eine Rechtsverordnung machen können. Insgesamt ist, meine ich, jedenfalls ein erster Schritt zum Ausgleich dieser Nachteile getan. Die Bundesregierung wird jetzt zu prüfen haben, ob diese Regelung nach § 19a des Bundesbesoldungsgesetzes weitere Ausnahmeregelungen erfordert, sozusagen erzwingt, um in Bereichen mit Bewerbermangel diesem durch eine wieder andere Eingangsbesoldung abzuhelfen. Wir werden auch prüfen müssen, ob es weitere Härten und Ungleichbehandlungen gibt. Wir werden sicher bei Gelegenheit auf diese Fragen zurückkommen. Sie haben den Angehörigen des öffentlichen Dienstes gedankt. Ich glaube, hier im Haus gibt es niemand, der sich dem nicht anschließen möchte. Ich stelle darum ausdrücklich fest, daß der öffentliche Dienst seine Arbeit so wie jeder in unserem Wirtschaftsleben, wie jeder Beschäftigte in der gewerblichen Wirtschaft tut und daher Gleichbehandlung, aber eben auch nur Gleichbehandlung, erfordert. Danke schön. ({2})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Baum.

Gerhart Rudolf Baum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000111, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir, das Parlament, haben natürlich einen besonderen Anlaß, dem öffentlichen Dienst zu danken, denn wir arbeiten mit der Exekutive aufs engste zusammen. Diese Ergänzung zwischen der gesetzgeberischen Körperschaft Bundestag und dem öffentlichen Dienst ist wichtig. Ich glaube, es ist nicht nur eine Fürsorgepflicht der Regierung, sondern auch eine Fürsorgepflicht des Parlaments gegenüber dem öffentlichen Dienst gegeben, ohne den wir viele Projekte ja überhaupt nicht durchführen können, die wir hier beraten und beschließen. Also auch von uns uneingeschränkter Dank. Bürokratiekritik darf nicht mit Kritik an einzelnen Angehörigen des öffentlichen Dienstes zusammenfallen. Wir sind zuständig für die Rahmenbedingungen, nicht der einzelne Beschäftigte, der seine Pflicht erfüllt. Wir begrüßen den Gesetzentwurf. Der Inhalt ist hier ja schon dargestellt worden. Zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wird Rechnung getragen. Wir haben in der Koalition eine darüber hinausgehende Initiative ergriffen, die wichtig ist: Wir wollen denen helfen, die vor ihrer Verbeamtung als Angestellte im öffentlichen Dienst beschäftigt waren. Der Wechsel vom Angestelltenverhältnis in das Beamtenverhältnis wird also künftig keine Verschlechterung zur Folge haben. Besonders zu begrüßen ist auch die Ausnahme, die bezüglich der Absenkung der Eingangsbesoldung für die wissenschaftlichen Mitarbeiter und Stipendiaten eingeführt worden ist, soweit dieser Personenkreis vor der Verbeamtung im Ausland tätig war und jetzt an Hochschulen oder wissenschaftlichen Einrichtungen Beschäftigung findet. Wir hoffen, daß diese Regelung die Austauschbereitschaft junger Akademiker fördert und eine Ermutigung darstellt, die Qualifikation im Ausland zu verbessern. Also die Mobilität, die Bereitschaft, im Ausland zusätzliche Kenntnisse und Erfahrungen zu sammeln, soll gestärkt werden. Die Ausnahmen für die Prüfer am Deutschen Patentamt sind ebenfalls wichtig. Dieses Gesetzesvorhaben ist ein Schritt auf dem Wege zur Fortentwicklung des öffentlichen Dienstrechts; wir werden weitere Schritte tun müssen. Wir begrüßen zunächst die Absicht der Bundesregierung, die Ergebnisse der Tarifverhandlungen auch auf die Beamten, Soldaten und Richter anzuwenden. Der öffentliche Dienst hat in den letzten Jahren einen Beitrag zur Konsolidierung geleistet, er muß jetzt gleichbehandelt werden. Und wir sagen, daß derjenige, der kein Streikrecht hat, nicht schlechter gestellt werden darf. Das ist ja immer eine mißliche Situation: Die einen können streiken, erstreiken sich Abschlüsse, die dann vom Gesetzgeber nicht oder nicht ganz übertragen werden. Jetzt soll dies geschehen. Wir halten dies für erforderlich und setzen uns nach wie vor für eine Gleichbehandlung aller Angehörigen des öffentlichen Dienstes ein, soweit das irgend möglich ist. Die FDP wird auch künftig auf weitere Verbesserungen im öffentlichen Dienstrecht drängen, wozu insbesondere auch eine Verbesserung der Rentenanrechnungsvorschrift des § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes gehört. Wir unterstützen das Vorhaben der Bundesregierung. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen. Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 14 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt. Ich unterbreche die Sitzung. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich eröffne die unterbrochene Sitzung. Wir kommen zum Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde - Drucksache 10/2296 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner anwesend. Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Dr. Czaja auf: Wird die Bundesregierung beim Einsatz der hohen staatsverbürgten deutschen Kredite, mit deren Hilfe zahlreiche Kohlenbergwerke in Oberschlesien modernisiert werden sollen, auf der Minderung der katastrophalen Luftraumverschmutzung durch Vorkehrungen zur Rauchgasentschwefelung bestehen, um den Menschen in Oberschlesien, Deutschen und Nicht-Deutschen, zu einem erträglicheren Leben zu helfen und die über Oberschlesien weit hinausreichenden Folgen des Ausstoßes großer Mengen schwefelhaltigen Rauchgases zu mindern?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, die Entscheidung der Bundesregierung über die Gewährung von Ausfuhrgewährleistungen für die Finanzierung von Kohlebergwerksausrüstungen nach Polen in den Jahren 1979 und 1980 ist nach sehr eingehender Beratung im Ressortkreis getroffen worden, und sie erfolgte nach Abwägung der risikopolitischen Gesichtspunkte unter Berücksichtigung der Förderaspekte für die deutsche Ausfuhr. Beim hohen Standard der deutschen Bergwerks- und Ausrüstungstechnologie gab es keinen Anlaß für über die Richtlinien für Ausfuhrgewährleistungen hinausgehende Überlegungen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da diese Gewährleistungen aber nicht für deutsche Bergwerke, sondern für Bergwerke in Oberschlesien unter fremder Verwaltung getroffen wurden, möchte ich doch fragen, ob man nicht angesichts der verlustreichen staatsverbürgten Kredite wenigstens an den Ertrag für die Menschen gedacht, nämlich darauf hingewirkt hat, daß für Nicht-Deutsche und Deutsche Vorkehrungen zum Umweltschutz und zur Beseitigung der eminenten Rauchgasentwicklung getroffen werden, nachdem das alles deutscherseits bezahlt wird.

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, es ist nicht richtig, daß das deutscherseits bezahlt wird, sondern das sind Kredite, die zurückzuzahlen sind. Aber ich mache doch darauf aufmerksam, daß gerade das Thema Rauchgasentschwefelung, das Sie in Ihrer Frage angesprochen haben, mit Bergwerksausrüstung nicht im Zusammenhang steht. Die Sache hätte sich vielleicht anders darstellen lassen, wenn es darum gegangen wäre, Kredite zur Finanzierung von Kohlekraftwerken zu geben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß sowohl die gesamten Bergwerksanlagen wie die damit verbundenen Anlagen in einer Zeit, wo bei uns die Kohleförderung abnehmen muß, mit deutschen Mitteln modernisiert werden? Können Sie wenigstens jetzt Anstrengungen machen, um die auch in der deutschen Presse breit angesprochene unerhörte Rauchgas-entwicklung und völlige Verschmutzung einer Drehscheibe Mitteleuropas zum Wohle Nicht-Deutscher und Deutscher zu mindern?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, darum bemüht sich die Bundesregierung. Wir sind in Gesprächen mit allen benachbarten Regierungen in dieser Frage. Nur ist hier gar kein Zusammenhang mit einer deutschen Kreditgewährung zu sehen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Wolfram.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Beziehungen zwischen dem polnischen und dem deutschen Bergbau traditionell eng sind, daß der polnische Bergbau für die deutsche Bergbauzulieferindustrie und deren Exporte von größter Bedeutung ist, daß diese Art des bilateralen Handels selbstverständlich begrüßenswert und unterstützenswert ist und daß völlig unabhängig davon die Problematik der weltweiten Luftverschmutzung zu sehen ist?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ja, ich teile Ihre Auffassung, Herr Kollege Wolfram. Ich hatte auch nicht den Eindruck, daß Herr Kollege Czaja eine andere Auffassung zum Ausdruck bringen wollte. Er hat nur gefragt, ob es möglich wäre, im Rahmen solcher Ausfuhrgewährleistungen, die nun sehr lange zurückliegen, Umweltgesichtspunkte zusätzlich zu den üblichen Risikoprüfungen hinzuzufügen. Da ist meine Antwort klar: nein. Denn es hat sich um Gewährleistungen aus den Jahren 1979 und 1980 gehandelt. Es hat sich nicht um Ausfuhrgewährleistungen für Produkte gehandelt, die heute unsere Diskussion beherrschen, nämlich für Kohlekraftwerke und damit verbunden die Rauchgasentschwefelung. Insofern kann ich hier einen Zusammenhang nicht sehen. Aber ich glaube, wir sind uns einig, Herr Kollege Czaja, daß die Bedeutung dieser Ausfuhren von allen positiv gesehen wird. Der hohe technische Standard gerade unserer Ausrüstung in diesem Bereich gibt nach meinem Kenntnisstand auch die Gewähr dafür, daß alles, was auf dem Gebiete des Schutzes der menschlichen Gesundheit möglich ist, dabei auch Berücksichtigung findet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Klejdzinski.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, teilen Sie die Ansicht des Fragestellers, der davon spricht, daß diese Bergwerke unter fremder Verwaltung stehen, was impliziert, daß damit gegenwärtig ein Rechtsstatus gegeben ist, der mit der Stellung der Volksrepublik Polen insgesamt nicht zu vereinbaren ist?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich habe zu diesem Teil der Bemerkung des Herrn Kollegen Czaja nicht Stellung genommen, und ich möchte mich auch außerhalb meines Verantwortungsbereiches nicht zu dieser Frage äußern.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Becker ({0}).

Dr. h. c. Helmuth Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000127, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn wir Fragen an die Bundesregierung richten, so meine ich, daß sicher die Frage beantwortet werden kann, ob Oberschlesien zur Volksrepublik Polen gehört und dort Polen wohnen.

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich möchte hier keine außenpolitische Diskussion führen, sondern mich darauf beschränken, die Fragen zu beantworten, die mir gestellt worden sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Der Abgeordnete Stiegler hat um schriftliche Beantwortung seiner Frage 20 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Wir sind am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers für Wirtschaft. Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Staatsminister Vogel zur Verfügung. Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Dr. Kübler auf: Bis wann wird der Bundeskanzler über die Nachfolge des bisherigen Staatsministers Dr. Jenninger im Bundeskanzleramt entscheiden, und welches sind die Gründe für die Verzögerung der Entscheidung? Die Beantwortung dieser Frage wird nicht schwerfallen.

Not found (Gast)

Herr Kollege Kübler, ich gehe davon aus, daß der hier einschlägige Sachverhalt auf Grund der Ereignisse der letzten Tage öffentlich bekannt ist und daß sich daraus unschwer ergibt, daß wir es hier mit dem klassischen Fall der Anwendbarkeit des Instituts der überholenden Kausalität zu tun haben und daß sich damit Ihre Frage aus dem öffentlich bekannten Sachverhalt von selbst beantwortet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Trotzdem haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Kübler.

Dr. Klaus Kübler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001238, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Antwort ist sicher nicht für alle Teile meiner Frage zutreffend. Ich darf deshalb folgende Zusatzfrage stellen: Wird der Bundeskanzler in Zukunft dafür Sorge tragen, daß wichtige Personalentscheidungen, die das Bundeskabinett und insbesondere das Bundeskanzleramt betreffen, von ihm der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden? Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, daß sie vom Bundeskanzler und nicht vom bayerischen Ministerpräsidenten bekanntgegeben werden.

Not found (Gast)

Ich habe keine Verantwortung für den bayerischen Ministerpräsidenten zu tragen, sondern ich kann nur auf die Pressekonferenz verweisen, die der Bundeskanzler selbst am Montag dieser Woche dazu abgehalten hat und auf der die offizielle Bekanntgabe stattgefunden hat. Der Text dieser Pressekonferenz steht Ihnen, wenn Sie es wünschen, Herr Kollege, gern zur Verfügung.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Sie haben eine weitere Zusatzfrage. Bitte schön, Herr Dr. Kübler.

Dr. Klaus Kübler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001238, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die jetzige Aufgabenstellung des bisherigen Staatssekretärs Schreckenberger nach wie vor den Rang eines Staatssekretärs rechtfertigt, oder sieht sie darin nicht eine Überbewertung einer tatsächlichen Funktion, die letztlich auch dem Bundeskanzleramt nicht nützen kann?

Not found (Gast)

Sie können davon ausgehen, daß der Bundeskanzler in der Entscheidung, die er hinsichtlich des Staatssekretärs Schreckenberger, der ihm persönlich zugeordnet ist, getroffen hat und in der Aufgabenübertragung eine angemessene Lösung sieht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Klejdzinski.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, daß der Bundeskanzler die Frage nach der Reorganisation des Kanzleramts mit einer beachtlichen Entscheidung beantwortet hat, und darf ich diese beachtliche Entscheidung so interpretieren, daß dies auf Grund des gegenwärtigen und in der Vergangenheit sich darbietenden Zustandes des Kanzleramts notwendig war?

Not found (Gast)

Herr Kollege, der Bundeskanzler hat sich auch dazu in seiner Pressekonferenz ausführlich geäußert. Eine solche EntscheiStaatsminister Vogel dung ist in der Tat immer eine beachtliche Entscheidung. ({0}) Im übrigen ergab sich die Notwendigkeit dieser Entscheidung daraus, daß der Staatsminister Jenninger zum Bundestagspräsidenten gewählt worden ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Immer.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nachdem der Nachfolger von Herrn Jenninger als Reorganisator des Bundeskanzleramtes mit so vielen Vorschußlorbeeren bedacht worden ist, frage ich Sie, ob das nicht eine Deklassierung des vorher auch mit Vorschußlorbeeren bedachten Staatssekretärs Schreckenberger bedeutet.

Not found (Gast)

Ich kann das überhaupt nicht sehen, Herr Kollege. Aber nachdem Sie die Berufung des Kollegen Schäuble so etikettiert haben, bin ich sicher, daß es die Opposition demnächst noch schwerer haben wird. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind am Ende des Geschäftsbereiches des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen, Herr Staatsminister Vogel. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. von Geldern zur Verfügung. Ich rufe Frage 21 des Abgeordneten Immer ({0}) auf: Inwieweit bestätigt die Bundesregierung die in früheren Jahren gemachte Erfahrung, daß die verbilligte „Weihnachtsbutter" aus Lagerbeständen in den privaten Haushalten nicht auf Vorrat eingefroren werden darf, da sie nach dem Wiederauftauen ungenießbar geworden ist?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Immer, die Bundesregierung kann diese Auffassung nicht bestätigen. Es ist in der Milchwirtschaft seit jeher üblich, Butter in den Sommermonaten zum Saisonausgleich der produktionsschwächeren Wintermonate in Großgebinden, meist 25-Kilo-Blocks, einzufrieren. An diese Butter werden wir auch bei der Übernahme in die Intervention neben den normalen Qualitätsanforderungen zusätzliche Anforderungen bezüglich ihrer Lagerstabilität gestellt. Deshalb waren und sind in der Bundesrepublik Deutschland bei den vorgeschriebenen Lagertemperaturen von minus 18 bis minus 20 Grad Celsius keine nennenswerten Qualitätseinbußen gegenüber Frischbutter festzustellen. Diese Qualität wird bis zum Verkauf an den Verbraucher gesichert. Die Butter gelangt nach dem Auftauen und Ausformen unter Einhaltung einer ununterbrochenen Kühlkette zum Einzelhandel und wird dort in Kühltheken angeboten. Unter diesen Voraussetzungen kann die Butter im privaten Haushalt wieder eingefroren werden. Dabei sollte es sich allerdings nur um einen beschränkten Zeitraum handeln, weil diese Butter für einen alsbaldigen Verzehr bestimmt ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Immer.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, so bestätigen Sie etwa eine Meldung einer Anzeigenzeitung, nämlich der „Lahnpost", die den Verbrauchern empfiehlt, die Weihnachtsbutter nur unter einer Frist von vier Wochen einzufrieren, und bedeutet das nicht, daß eine Deklaration notwendig wäre, damit diejenigen informiert werden, die möglicherweise über diese Zeit hinweg diese Butter in großen Mengen einfrieren?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Immer, Sie hatten in dieser Frage danach gefragt, ob Butter aus der Weihnachtsbutteraktion wieder eingefroren werden darf. Ich habe dies bejaht. Wenn Sie jetzt nach der Deklaration fragen, würde ich gerne Ihre zweite Frage zu diesem Themenbereich beantworten. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich lasse die Zusatzfrage dann nachher zu. ({0}) - Gut, dann Frau Weyel, bitte schön.

Gudrun Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß man ganz allgemein bei Tiefkühlkost davon spricht, daß Ware, die eingefroren war und wieder aufgetaut worden ist, unter gar keinen Umständen wieder eingefroren werden sollte?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin, es ist mir bekannt, daß es eine Reihe von Lebensmitteln gibt, die, wenn sie einmal eingefroren waren und wieder aufgetaut worden sind, dann nicht mehr eingefroren werden sollten. Das hängt z. B. mit dem Problem der Verletzung der Zellhäute zusammen. Dies ist aber bei der Butter nicht der Fall. Darum habe ich ausdrücklich auf die Frage, ob bereits eingefroren gewesene und wieder aufgetaute Butter erneut eingefroren werden kann, geantwortet: Ja.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt kommen wir zur Frage 22. ({0}) - Gut, Herr Kollege Immer, noch eine Zusatzfrage.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnte die Unsicherheit in dieser Frage nicht daher rühren, daß bei der normalen Markenbutter durch einen Datumsstempel genau bezeichnet wird, wann sie abgepackt worden ist, man also weiß, was man mit dieser Butter machen kann, daß aber bei der Immer ({0}) Weihnachtsbutter durch keinen Stempel deutlich gemacht wird, welchen Weg sie von der Lagerhaltung zum Einzelhandel genommen hat, was dazu führen kann, daß diese Butter im einen Falle bereits nach 14 Tagen, wenn sie wieder eingefroren wird, nicht mehr verbraucht werden kann, im anderen Falle unter Umständen aber fünf Wochen lang eingefroren werden kann? Ist darin nicht eine Schwierigkeit für den Verbraucher zu sehen, die aus der Art und Weise herrührt, wie diese Butter von der Lagerhaltung zum Verbraucher gelangt?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Kollege Immer, das bezieht sich auch auf Frage 22.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, nein!

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Staatssekretär, beantworten Sie jetzt am besten Frage 22 des Abgeordneten Immer ({0}): Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Verbraucher davor zu schützen, daß sie aus Unkenntnis „Weihnachtsbutter" in größerer Menge einfrieren, obwohl die Butter nach dem Auftauen ungenießbar geworden ist, und wird sie eine diesbezügliche Kennzeichnungspflicht veranlassen?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Ja, ich komme zu Frage 22: Im Hinblick auf ihre Qualität weisen Frischbutter und tiefgefroren gelagerte Butter kaum Unterschiede auf. Eine besondere Kennzeichnung ist daher nicht erforderlich. Dennoch wird dem Verbraucher durch die Einstufung in die Handelsklasse „Molkereibutter aus Interventionsbeständen" deutlich gemacht, daß es sich bei der Weihnachtsbutter um eine länger gelagerte Butter handelt, die gegenüber Markenbutter möglicherweise geringe Qualitätsunterschiede aufweist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Noch eine Zusatzfrage, Herr Immer.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß es notwendig wäre, die Einzelhandelsgeschäfte bei der Verteilung dieser Weihnachtsbutter darauf etwa mit dem Hinweis „Zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt" aufmerksam zu machen, denn die Erfahrung lehrt doch, daß die Klassifizierung „Molkereibutter", nach der es sich um eine zweitrangige Butter handelt, den Verbrauchern mangels Wissen überhaupt nicht bekannt ist, zumal j a die Weihnachtsbutter mit großem propagandistischen Aufwand als Segnung verkauft werden soll?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Immer, ich möchte Ihrer Feststellung, es handele sich um geringerwertige Butter, widersprechen. Ich habe in den bisherigen Antworten darauf hingewiesen, daß es sich nur um kaum feststellbare Qualitätsunterschiede handeln kann und daß auch andere Butter saisonüblich eingefroren wird, bevor sie in den Handel kommt. Ich glaube, daß Ihre Schlußfolgerungen deshalb nicht zutreffend sind. Voraussetzung ist bei dem Gut Butter, um das es sich hier handelt, wie bei allen anderen Lebensmitteln auch, daß eine funktionierende Kühlkette da ist und daß - das darf ich jetzt ergänzend zur Weihnachtsbutteraktion sagen - bei der Auftauaktion genügend Zeit ist. Man braucht 18 Tage, um so aufzutauen, daß die Butter keinen Schaden nimmt; diese 18 Tage sind aber gegeben. Ein Aufdruck „Zum alsbaldigen Verzehr bestimmt" wäre irreführend, weil der Verbraucher dann annehmen müßte, er dürfte sie nicht erneut einfrieren, was er aber darf.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Stockhausen.

Karl Stockhausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002254, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wird nicht schon durch den Preis dem Verbraucher deutlich, daß es sich um Butter aus Lagerbeständen handelt, und ist daher eine zusätzliche Kenntlichmachung nicht völlig überflüssig?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Stockhausen, die zusätzliche Kenntlichmachung gibt es, wie ich eben ausgeführt habe. Diese Weihnachtsbutter wird den Aufdruck „Molkereibutter aus Interventionsbeständen" tragen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß es doch eine sehr gute Sache ist, daß die Bundesregierung in Brüssel die Weihnachtsbutteraktion durchgesetzt hat und damit den Verbraucher auch einmal an den Lagerbeständen teilnehmen läßt? Wenn schon jemand, dann sollte es auch einmal der Verbraucher sein, und dafür, daß das Gott sei Dank gelungen ist, sollten wir der Bundesregierung dankbar sein. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Da fehlte das Fragezeichen!

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Frage ist gestellt: ob er meiner Meinung ist!

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, ich bedanke mich für Ihre Äußerung. Ich kann hinzufügen, daß der Verbraucher eine völlig einwandfreie, qualitätsmäßig hochwertige Butter zu außerordentlich günstigen Preisen angeboten bekommt. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Weyel.

Gudrun Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, diese Aktion soll ja nicht nur der Wohlfahrt dienen, sondern wohl auch dem Abbau des Butterberges. ({0}) Ist nicht zu befürchten, daß dann, wenn - wovon Sie ausgehen - diese Weihnachtsbutter qualitativ genauso hochwertig ist, auf der anderen Seite ein starker Rückgang des Absatzes von Frischbutter zu erwarten ist?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Weyel, nach den Erfahrungen mit bisherigen Aktionen dieser Art ist das nicht zu befürchten. Im Gegenteil, es ist zu erwarten, daß beide von Ihnen angesprochenen Ziele, nämlich etwas Gutes für den Verbraucher zu tun und gleichzeitig den Butterberg ein wenig abzubauen, erreicht werden können.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Menzel.

Heinz Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß der Verbraucher, dem diese Butter angeboten wird, diese Butter schon zweimal durch Subventionen bezahlt hat? ({0})

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege, ich kann Ihnen bestätigen, daß die Entstehung dieses Butterberges auf politische Versäumnisse zurückzuführen ist, und daß wir jetzt sehr viel damit zu tun haben, den Butterberg allmählich wieder abzubauen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, so erfreulich diese Aktion ist und so erfreulich der Preis für den Verbraucher auch aussieht: Wäre es nicht wirklich eine nette Weihnachtsüberraschung, wenn auf jedem Butterpäckchen noch draufstünde, was es bisher schon gekostet hat? ({0})

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege, ich könnte mir andere Weihnachtsüberraschungen als die von Ihnen vorgeschlagene vorstellen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir dahin gehend überein, daß es durchaus einen qualitativen Unterschied beispielsweise zwischen Holländischer Rahmbutter, Deutscher Markenbutter und Molkereibutter gibt?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Klejdzinski, wir können jetzt über unterschiedliche Qualitäten bei Butter sprechen; ich habe nichts dagegen. Die gibt es selbstverständlich; es gibt unterschiedliche Butter.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Schmidbauer.

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich frage Sie, ob es sich bei dem Abbau des Butterberges auch um den Abbau eines SPD-Butterbergs handeln könnte? ({0})

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Schmidbauer, es handelt sich bei dem Butterberg wie auch bei den sonstigen Vorräten um die Folge einer nicht rechtzeitig angepaßten europäischen Agrarpolitik. ({0}) Erst die jetzige Bundesregierung hat die Anpassungsmaßnahmen gemeinsam mit den Partnern in der Gemeinschaft eingeleitet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Stimmen Sie mir zu, daß nach all diesen Fragen nicht alles in Butter ist? ({0}) Ich rufe Frage 23 der Abgeordneten Frau Dr. Bard auf: Hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ihre Voruntersuchung zur Überprüfung der Frage abgeschlossen, ob gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung der Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten in das Recht des Bundes und der Länder beim Europäischen Gerichtshof eingeleitet werden muß?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Dr. Bard, Ihre Frage beantworte ich mit Ja. Die EG-Kommission hat der Bundesregierung mit Schreiben vom 6. November 1984 eine begründete Stellungnahme im Sinne des Art. 169 des EWG-Vertrages zugeleitet. Diese Stellungnahme ist der zuständigen Arbeitseinheit im Bundesernährungsministerium gestern nachmittag, am 14. November 1984, zugegangen. Das Bundesernährungsministerium hat darüber hinaus auf informellem Wege Kenntnis davon erhalten, daß allen übrigen EG-Mitgliedstaaten ebenfalls solche begründeten Stellungnahmen zugeleitet worden sind beziehungsweise in aller Kürze zugeleitet werden sollen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Dr. Bard.

Dr. Sabine Bard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000093, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, diese Vogelschutzrichtlinie hätte bereits am 1. April 1984 in geltendes deutsches Recht übertragen werden müssen. Wie beabsichtigt die Bundesregierung jetzt eigentlich auf dieses Defizit zu reagieren?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Dr. Bard, Sie hatten nach der Beanstandung durch die EG-Kommission gefragt; die habe ich soeben mitgeteilt. Wir teilen die Gründe dieser Beanstandung nicht und sehen hier kein Defizit, welches Sie in Ihrer Frage unterstellen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage von Frau Dr. Bard.

Dr. Sabine Bard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000093, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte Sie dann noch einmal fragen. Es gibt die Aufforderung, daß diese Richtlinie nach den geltenden EG-Übereinkommen bis zum 1. April dieses Jahres in deutsches Recht hätte umgesetzt werden müssen. Bis heute ist das nicht geschehen; dafür gibt es natürlich Gründe. Sie müssen aber doch darauf reagieren. Sie können doch nicht so tun, als ob das nicht notwendig wäre.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Dr. Bard, ich glaube, es wäre hilfreich, wenn ich jetzt auf Ihre zweite Frage, in der Sie nach der Begründung der EG gefragt haben, antworten würde, denn das macht deutlich, daß die EG keineswegs das beanstandet, was Sie hier vortragen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Nach unseren Regeln ist das jetzt sowieso notwendig, Herr Staatssekretär. Ich rufe Frage 24 der Abgeordneten Frau Dr. Bard auf: Sind der Bundesregierung die Vorwürfe inhaltlich bekannt, die zu dieser Voruntersuchung bzw. bereits zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens Anlaß geben, und wie lauten diese?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Der Bundesregierung sind seit gestern die Beanstandungen der EG-Kommission bekannt. Diese lauten kurz zusammengefaßt: Die Ermächtigungsnorm des § 22 Abs. 4 Nr. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes und mehrere hierauf gestützte Länderregelungen seien zu weit gefaßt, insbesondere soweit sie in allgemeiner Form die Möglichkeit eröffnen, das Halten von Vögeln zu privaten Zwecken oder den Handel in Fachgeschäften zuzulassen. Diese Ermächtigungsnormen verstießen deshalb gegen Art. 5 Buchstabe e und Art. 6 der Richtlinie. Die EG-Kommission erklärt hierzu jedoch ausdrücklich, daß sie keinen Zweifel hegt, daß zur Zeit die Anwendung dieser Vorschrift mit der Richtlinie in Einklang steht.

Dr. Sabine Bard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000093, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ist unter diesen Vorwürfen eventuell auch die Frage des Jagdrechtes tangiert, und zwar des artenschutzrelevanten Teils des Bundesjagdgesetzes?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Nein.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage von Frau Dr. Bard.

Dr. Sabine Bard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000093, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Jetzt möchte ich aber trotzdem wissen, wie die Bundesregierung in Zukunft damit umzugehen gedenkt - weil es da ja offensichtlich Widersprüche gibt -, und ich frage Sie, ob Möglichkeiten, eine Anpassung an EG-Recht vorzunehmen, z. B. darin bestehen könnten, die Tierarten, die durch die Vogelschutzrichtlinie tangiert sind, aus dem Bundesjagdgesetz herauszunehmen.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin, Dr. Bard, die Bundesregierung hält die Rechtssituation in der Bundesrepublik Deutschland für im Einklang mit der EG-Richtlinie, hat dies auch der Kommission vorgetragen und wird dies auch auf Grund dieser Beanstandung weiterhin vortragen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Auf seine Fragen 25 und 26 hat der Abgeordnete Müller ({0}) schriftliche Antworten erbeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe dann Frage 27 der Frau Abgeordneten Weyel auf: Wie beurteilt die Bundesregierung Versuche, durch Einsatz von EDV-Systemen in Verbindung mit Bodenuntersuchungen bzw. Schädlingszählungen eine genaue Dosierung und damit sparsameren Verbrauch von Dünge- und Pflanzenbehandlungsmitteln in Landwirtschaft und Gartenbau zu ermöglichen, und ist sie bereit, zum Schutz von Boden und Wasser diese Entwicklung zu fördern? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Weyel, die Versuche, durch Einsatz von EDV-Systemen mit Hilfe von Bodenuntersuchungsergebnissen und im Bereich Pflanzenschutz genauere Dosierungen und damit einen sparsameren Verbrauch von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft zu ermöglichen, werden von der Bundesregierung sehr positiv beurteilt. Derartige Systeme sind geeignet, eine umweltschonende Landbewirtschaftung zu fördern und die Beratung weiter zu objektivieren und zu rationalisieren. Insofern ist auch die Kompetenz der Länder berührt, was die Beratung betrifft. Die Bundesregierung hat den neueren Entwicklungen dadurch Rechnung getragen, daß in Forschungsanstalten des Geschäftsbereichs des Bundesernährungsministeriums entsprechende Verfahren zur Nutzung von EDV-Systemen entwickelt wurden und laufend dem Bedarf in der Landwirtschaft angepaßt werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Weyel.

Gudrun Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie uns mitteilen, welche Versuche hierbei von Ihnen besonders gefördert wurden und wie weit diese Versuche gediehen sind, d. h. bis wann mit einer Anwendung auf breiterer Basis zu rechnen ist?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Weyel, ich könnte Ihnen jetzt einiges über die Ziele der Untersuchungen vortragen, auch aus dem Bereich der Biologischen Bundesanstalt. Ich fürchte aber, das würde den Rahmen ein bißchen sprengen. Vielleicht sind Sie damit einverstanden, daß ich Ihnen das schriftlich gebe? Frau Weyel ({0}): Damit bin ich einverstanden. - Dann erübrigen sich weitere Zusatzfragen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe Frage 28 des Abgeordneten Stockhausen auf: Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über den Milchauszahlungspreis in den deutschen Molkereien vor, und zwar September 1984 im Verhältnis zum September 1983 und Oktober 1984 im Verhältnis zum Oktober 1983, ohne Mehrwertsteuer und mit Mehrwertsteuer? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Stockhausen, aus abrechnungs- und meldetechnischen Gründen liegen für die Bundesrepublik Deutschland Informationen über die Milchauszahlungspreise der Molkereien erst für August 1984 vor. Danach zahlten die deutschen Molkereien für Milch mit 3,7 % Fett- und 3,4 % Eiweißgehalt frei Molkerei im Durchschnitt im August 1984 gegenüber August 1983 ohne Mehrwertsteuer 2,2 % weniger, einschließlich der erhöhten Mehrwertsteuer 2,2 % mehr. Nach den bisher verfügbaren Informationen dürfte das Vorjahresergebnis im September und Oktober 1984 etwa in gleicher Höhe, ohne Mehrwertsteuer also unter- und einschließlich erhöhter Mehrwertsteuer überschritten werden. Die auf Grund der Garantiemengenregelung einsetzende Verringerung der Anlieferungen wirkt sich dabei stützend auf die Milchpreise aus.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Stockhausen.

Karl Stockhausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002254, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, um wieviel Pfennige müßte sich der Auszahlungspreis je Kilogramm verbessern, um eine Verringerung der Anlieferungen um etwa 4 % finanziell auszugleichen?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Stockhausen, diese Frage kann ich nicht auf den Pfennig mit einer Zahl beantworten. Die landwirtschaftlichen Betriebe haben doch verschiedene Möglichkeiten, durch betriebliche Anpassungen auf die neue Situation, die durch die Garantiemengenregelung entstanden ist, zu reagieren, z. B. durch Senkung des Kraftfuttereinsatzes, alternative Produktion. Diese Einsparungen sind gegenzurechnen, so daß Erlöseinbußen nicht Einkommensrückgängen gleichzusetzen sind. Darüber hinaus fließen im Wirtschaftsjahr 1984/ 85 durch die Anhebung der Mehrwertsteuer um 5 seit dem 1. Juli dieses Jahres den Landwirten Mehreinnahmen zu, die die Verluste durch den Abbau des Währungsausgleichs kompensieren. Da sich die Wirkungen der Anpassungsmaßnahmen und des Mehrwertsteuerausgleichs von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich darstellen, sind gegebenenfalls verbleibende Einkommenswirkungen der Garantiemengenregelung nicht allgemeingültig zu quantifizieren. Deshalb kann auch die zum vollen Ausgleich erforderliche Preisanhebung nicht auf den Pfennig genau angegeben werden. Sie liegt auf jeden Fall erheblich niedriger als die betriebliche Mengenkürzung.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Abgeordnete Weyel möchte eine Zusatzfrage stellen.

Gudrun Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, haben Sie bei den in der Beantwortung der Frage angegebenen Zahlen bereits die Abschläge berücksichtigt, die einzelne Anlieferer jetzt bei der Abrechnung hinnehmen müssen, weil sie im letzten Vierteljahr zuviel angeliefert haben?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Weyel, Herr Kollege Stockhausen hat mich nach dem Milchpreis gefragt. Darauf habe ich geantwortet. Die Zusatzfrage betreffend das Verhältnis der durch die Garantiemengenregelung entstandenen Einbußen einerseits zur Milchpreisanhebung andererseits habe ich in der differenzierenden Weise beantwortet, das sei von Betrieb zu Betrieb verschieden. Ihre Frage nach den Auswirkungen dieser Maßnahmen ist natürlich mit eingeschlossen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe Frage 29 des Abgeordneten Dr. Schwenk ({0}) auf. - Er ist nicht im Saal. Die Frage wird entsprechend der Geschäftsordnung behandelt. Ich rufe Frage 30 des Abgeordneten Eigen auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß auf Grund der bekannten „Cassis"-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ({1}) und der Neuausrichtung der EG-Harmonisierungspolitik das in der Bundesrepublik Deutschland im nichtharmonisierten Bereich bestehende System zur Ordnung der Agrarmärkte und des Lebensmittelsektors - wie z. B. die tragenden Prinzipien des nationalen Milchrechts wie Standardisierung, Reinheitsgebot, Nachahmungsverbot und Mischungsverbot - in hohem Maße gefährdet ist, weil dem grenzüberschreitenden Warenverkehr ohne Rücksicht auf die Verwirklichung von dringend benötigten Gemeinschaftsregelungen Vorrang eingeräumt wird? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, Sie haben zwei Fragen zu demselben Themenbereich gestellt. Sind Sie damit einverstanden, daß ich beide Fragen im Zusammenhang beantworte? ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Dann rufe ich auch Frage 31 des Herrn Abgeordneten Eigen auf: Ist auch die Bundesregierung der Auffassung, daß Land-und Milchwirtschaft angesichts der schwierigen Lage auf dem Milchmarkt und der zu einer Produktionseinschränkung ergriffenen Maßnahmen einerseits und der berechtigten Verbrauchererwartung mit einem hohen Qualitätsanspruch andererseits auf einen besonderen Schutz angewiesen sind?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, die durch das Urteil in der Rechtssache „Cassis de Dijon" begründet worden ist, nationale Regelungen, die außerhalb des EG-rechtlich harmonisierten Bereiches stehen, gefährdet sind, soweit sie Rückwirkungen auf den freien Warenverkehr haben. Dies trifft insbesondere auch für bestimmte Regelungen des nationalen Milchrechts zu. Es ist einzuräumen, daß sich die milchproduzierenden landwirtschaftlichen Betriebe wegen der zur Produktionseinschränkung ergriffenen Maßnahmen in einer schwierigen Lage befinden. Auch mit Rücksicht auf diesen Umstand wird sich die Bundesregierung im Rahmen der Verhandlungen über den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über die Bezeichnung von Milch und Milcherzeugnissen bei ihrer Vermarktung, der auf eine weitere Harmonisierung des Milchrechts abzielt, dafür einsetzen, daß den berechtigten Interessen der Landwirtschaft Rechnung getragen wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Erste Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir einer Meinung, daß man den Landwirten Produktionsbeschränkungen wirklich nicht zumuten kann, wenn verfälschte Produkte den Absatz der reinen Milchprodukte erschweren?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, ich stimme Ihnen in Ihrer Beurteilung zu. Sie haben, meine ich, zu Recht auf die Gefahren für alle Regelungen, die zum Schutz der Landwirtschaft, zum Gesundheitsschutz, zum Verbraucherschutz getroffen werden, hingewiesen, die von dem Urteil betreffend „Cassis de Dijon" und damit von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausgehen. Wir haben uns innerhalb der Europäischen Gemeinschaft mit den Gegebenheiten auseinanderzusetzen. Die Absicht der Bundesregierung habe ich deutlich gemacht.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zweite Zusatzfrage, Herr Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wird sich der Ministerrat angesichts der großen Bedeutung, die dieses Urteil auch für das Bierreinheitsgebot und für das Wurstreinheitsgebot in der Europäischen Gemeinschaft hat, mit diesem Urteil befassen und dann möglicherweise Recht setzen, damit dieses Urteil nicht zu solchen Verfälschungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft führt, denn es liegt ja auch ganz besonders im Interesse des Verbrauchers, daß saubere Ware angeboten wird?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der Vorstellung der EG-Partner, daß der Handel über die Grenzen möglichst ungehindert stattfinden soll, einerseits und nationalen Vorstellungen im Bereich des Verbraucherschutzes, des Schutzes der Landwirtschaft und des Gesundheitsschutzes - z. B. Nachahmungsverbote, Standardisierungsregeln - andererseits. Dieses Spannungsverhältnis aufzulösen wird nach meiner Überzeugung nur von Fall zu Fall und in der konkreten Entscheidungssituation natürlich auch unter Beteiligung des Ministerrats, möglich sein.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Dritte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es bestimmte Dinge gibt, hinsichtlich deren wir als Bundesrepublik Deutschland verlangen müssen, daß sich die Europäische Gemeinschaft dem Recht zuneigt, das für das bessere, für das wertvollere, weitergehendere gehalten wird? Ich denke z. B. an Naturschutz, an Umweltschutz, eben auch an Lebensmittelrecht, das dem Schutze der Verbraucher dient. Irgendwo muß es hier eine Priorität geben. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß dies wirklich absolute Priorität haben müßte und daß sich die Gemeinschaft darauf einstellen müßte und nicht umgekehrt?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, ich teile Ihre Meinung, es scheitert aber nicht an der Absicht und an dem entsprechenden Eintreten der Bundesregierung, sondern es scheitert, soweit es überhaupt scheitert, gelegentlich an Problemen des Einigungsprozesses in der Gemeinschaft.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe Frage 32 der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, Maßnahmen, gegen eine Entwicklung der sinkenden Preise und Einkommen der Bauern zu ergreifen, die gleich in doppelter Hinsicht eine Verschärfung der wirtschaftlichen Lage der Bauern bedeuten, zuerst durch die Mengenreduzierung und zusätzlich durch Preisreduzierungen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Vollmer, wenn die Bundesregierung im Frühjahr 1984 in Brüssel nicht die Neuausrichtung der EG-Agrarpolitik betrieben hätte, wäre die Gemeinschaft innerhalb kurzer Zeit von drastischen Preiszusammenbrüchen und einem Auseinanderbrechen des gesamten EG-Agrarmarktes bedroht gewesen. Sowohl der Einstieg in die Garantiemengenbegrenzung bei Milch wie auch die Beschlüsse zum Abbau des deutschen Währungsausgleichs verfolgen das Ziel, den Landwirten in der Bundesrepublik Deutschland längerfristig wieder Perspektiven zu öffnen. Die einzelbetriebliche Ausgestaltung der Garantiemengenregelung und das Programm der Bundesregierung zur Einkommensverbesserung sowie die Mittelaufstockung im Bereich der Unfallversicherung lassen erkennen, daß die Bundesregierung den bäuerlichen Familienbetrieben wirkungsvoll hilft, um die gegenwärtig angespannte Periode zu überbrücken. Darüber hinaus bereitet die Bundesregierung eine Erhöhung und Ausweitung der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe vor. Ohne jetzt schon genaue Zahlen nennen zu können, geht die Bundesregierung davon aus, daß auf Grund ihrer Maßnahmen und der derzeitigen Preis-und Kostenentwicklung die Landwirtschaft 1984/85 wieder einen Einkommensanstieg erzielen wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Vollmer.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, da in breitesten Kreisen der Bauern die vermeintliche Existenzsicherung durch dieses Programm nicht gesehen wird, frage ich: Sieht sich die Bundesregierung denn nicht wenigstens genötigt, ihre Auslegung des Begriffs „Härtefall" zu ändern, die im Augenblick so aussieht, daß als ein Härtefall ein mit staatlichen Geldern geförderter Wachstumsbetrieb bezeichnet wird, der seine Produktion dann ja häufig um das Doppelte erhöhen kann, während ein Kleinbetrieb, der sie aus eigener Kraft nur geringfügig erhöhen kann und daher auf das Geld angewiesen ist, nicht als Härtefall angesehen wird?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Dr. Vollmer, ich glaube, Ihre Feststellung triftt nicht zu, daß breiteste Kreise der Landwirtschaft die Bemühungen der Bundesregierung um Existenzsicherung nicht anerkennen. Im Gegenteil, ich glaube, in weiten Kreisen der Landwirtschaft wird gesehen, daß es die Alternative zu dem Handeln der Agrarminister der Gemeinschaft gewesen wäre, daß es zu einem Verdrängungswettbewerb und zu Preiseinbrüchen gerade zuungunsten der kleineren und mittleren Betriebe gekommen wäre. Bezüglich dessen, was Sie zur Härteregelung bemerkt haben, glaube ich, es war nicht nur richtig, sondern auch unverzichtbar - schon aus rechtlichen Gründen -, daß die Bundesregierung nicht nur den Betrieben, die gefördert worden sind, sondern auch allen anderen Betrieben, die investiert haben, eine Ausnahmeregelung bei der Milchquote zugestanden hat. Darüber hinausgehende Härtefälle sollen durch die jetzt eingeleiteten Maßnahmen in einem begrenzten Umfang in ihrer Situation ebenfalls berücksichtigt werden. Weitergehende Maßnahmen können zur Zeit wegen der Schwierigkeiten, über mehr Milch zu verfügen, als wir im Rahmen der EG-Einigung verfügen können, noch nicht auf den Weg gebracht werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Dr. Vollmer.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ist es Ihnen denn wenigstens gelungen, das Hauptziel der Quotenregelung, die Überproduktion zu begrenzen, so zu verwirklichen, daß man von den 121 % auf 100% herunterkommt? Ich frage das angesichts der Tatsache, daß es bei den Härtefällen ja eine Produktionssteigerung gibt. Wie ist das Ergebnis des Versuchs, eine Reduzierung zu erreichen?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Dr. Vollmer, der Selbstversorgungsgrad der Europäischen Gemeinschaft lag nicht bei 121, sondern nahe bei 130%. Was jetzt durch die Beschlüsse auf den Weg gebracht worden ist, bedeutet keine Reduktion auf 100 % - das war weder beabsichtigt, noch wäre es notwendig -, sondern eine Reduktion auf etwa 115%. Die Zahlen in allen Ländern der Gemeinschaft zeigen, daß die Maßnahmen gewirkt haben. Überall ist die Milchanlieferung für den Markt deutlich zurückgegangen, in der Bundesrepublik Deutschland vom 2. April bis zum 11. November um 5,04 %.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Weyel.

Gudrun Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, worauf gründet sich konkret Ihre Hoffnung, daß die landwirtschaftlichen Einkommen im nächsten Wirtschaftsjahr wieder steigen, nachdem der Grenzabbau erst ab 1. Januar 1985 überhaupt greift, während die Ausgleichszahlungen bereits laufen?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Weyel, im Wirtschaftsjahr 1983/84 haben wir die Einkommenseinbußen insbesondere auf Grund schlechter Ernteergebnisse und sinkender Fleischpreise gehabt. Wir stellen jetzt fest, daß die Ernte besser ist und daß sich auch die Fleischpreise durchaus positiv entwickelt haben. Wenn wir die verschiedenen Faktoren zu diesem sehr frühen Zeitpunkt zusammen betrachten, kommen wir zu der vorsichtig positiven Prognose, die ich vorhin, ohne Zahlen zu nennen, vorgetragen habe.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Kleinert ({0}) ({1}).

Dr. Hubert Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001122, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, wann gedenkt die Bundesregierung das System von der einzelbetrieblichen Quote auf ein System von Molkereiquoten oder Regionalquoten umzustellen?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Kleinert, dazu kann ich im Augenblick keine Meinung, vor allen Dingen was den Zeitpunkt betrifft, äußern, weil wir zunächst einmal die eingeleiteten Maßnahmen im ersten Milchwirtschaftsjahr zu Ende führen müssen. Ich möchte auch weder zustimmend noch ablehnend zu der Frage Stellung nehmen, ob es überhaupt zu einer solchen Änderung kommt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, wir diskutieren doch noch die Frage 32? Mir schien es so, als werde immer schon zur Frage 33 gefragt. Ich möchte eine Zusatzfrage zur Frage 32 stellen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir sind noch bei der Frage 32.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß die Kombination von Mengenreduzierung und Preisreduzierung, die hier angesprochen ist, nicht zuletzt dadurch auftrat, daß die Kommission eigene selbstherrliche Maßnahmen durchgeführt hat, die zu zusätzlichen Preissenkungen führten? Die Bundesregierung will ja in einem eklatanten Fall, und zwar beim Getreide, dagegen klagen.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, auf den Milchsektor bezogen habe ich vorhin die Zahlen im Vorjahresvergleich genannt. Trotz dieser von Ihnen zu Recht hier erwähnten Maßnahmen der Kommission haben wir inzwischen eine positive Entwicklung. Dies gibt mir Gelegenheit, auch noch einmal auf die Frage der Frau Kollegin Dr. Vollmer zurückzukommen. Eine gleichzeitige Mengen- und Preisreduzierung ist weder beabsichtigt noch eingetreten. Im Gegenteil, die Mengenreduzierung ist Voraussetzung für künftige Preisanhebungen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage von Frau Dr. Bard.

Dr. Sabine Bard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000093, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich möchte Sie gern noch einmal mit Aussagen des im bayerischen Landwirtschaftsministeriums zuständigen Referenten Alfred Schuh konfrontieren, der sagt: Genau diese Garantiemengenregelungen werden dazu führen, daß bäuerliche Betriebe weiter aufgeben müssen. Ich verstehe nicht, wie Sie das mit den vorhin von Ihnen gemachten Aussagen, daß das nicht zutreffe, in Einklang bringen können.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Irgendwo muß das Fragezeichen vorkommen, Frau Dr. Bard.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Dr. Bard, wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten ständig einen Strukturwandel gehabt. Zum Beispiel haben im vergangenen Jahr 2,5 % der Betriebe - das sind einige tausend - aufgegeben. Das wird sicher auch in Zukunft nicht anders sein. Nur ist diese Bundesregierung nicht angetreten, den Strukturwandel zu forcieren - entsprechend sind die Förderungspolitik und die Sozialpolitik gestaltet worden - und z. B. auch durch die Maßnahme der Mehrwertsteuer mitzuhelfen, daß die notwendigen Mengenanpassungen in der Gemeinschaft keinen zusätzlichen Druck auf die Betriebe ausüben, auch nicht auf kleine oder mittlere Betriebe.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Reetz.

Christa Reetz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich möchte Sie, Herr Staatssekretär, konfrontieren mit der Lage der Milchviehhaltung im Hochschwarzwald. Welche Maßnahmen zum Ausgleich von Härtefällen in Gebieten wie dem Hochschwarzwald, in denen es keine Alternative zur Milchviehhaltung gibt, hält die Bundesregierung über das Bergbauernprogramm hinaus für möglich und notwendig, ganz besonders unter Berücksichtigung von kleineren und mittleren Betrieben, die, obwohl sie ihren Bestand praktisch nicht aufgestockt haben, durch die Quotenregelung in existenzgefährdender Weise betroffen sind?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin, ich glaube, daß über das von Ihnen zu Recht erwähnte Bergbauernprogramm hinaus auch bei der Durchführung der Garantiemengenregelung Milch auf die besondere Situation der von Ihnen angesprochenen Betriebe durchaus Bezug genommen worden ist. Hier gibt es eine Reihe von Sonderregelungen, die die schwierige Lage dieser Betriebe berücksichtigen, z. B. bei der Höhe des Abzugs und bei der Art des Abzugs, so daß man sagen kann: Es ist mit berücksichtigt worden, was in Ihrem Petitum zum Ausdruck gekommen ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Wir müssen bei der Frage, nämlich den sinkenden Preisen, bleiben. Herr Abgeordneter Michels hat eine Zusatzfrage.

Meinolf Michels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001502, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nachdem Frau Vollmer nach der Lage der Bauern in der Bundesrepublik nach den Brüsseler Beschlüssen gefragt hat, darf ich Sie fragen: Können Sie uns sagen, wie es nach diesen Beschlüssen in der Landwirtschaft in den EG-Partnerländern aussieht?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Michels, im Rahmen dieser Fragestunde würde es sicher zu weit führen, einen Überblick über die Situation der Landwirtschaft in den neun Partnerländern zu geben. Ich kann aber folgendes sagen: Die Garantiemengenregelung Milch hat in allen Ländern dazu geführt, daß die Milchproduktion reduziert worden ist. Es war das erste und wichtigste Ziel der Gemeinschaft, aus dieser fatalen Überschußproduktion herauszukommen. Darüber hinaus kann ich auch sagen, daß in allen Ländern Probleme der Anpassung in der Landwirtschaft aufgetreten sind, wie wir sie auch bei uns diskutieren.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, was auch immer bei den Preisen und Mengen eingetreten ist: Können Sie bestätigen, daß durch die Mehrwertsteuerregelung eine Subventionsvermehrung eingetreten ist, die auf jeden Fall dazu führt, daß Großbauern noch weniger als vorher daran denken, ihre Betriebe aufgeben zu müssen, während sich für die Kleinbauern gar nichts geändert hat?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Das kann ich durchaus nicht bestätigen, Herr Kollege Sperling. Diese Maßnahme dient dem Ziel, ein Sonderopfer zugunsten Europas von der deutschen Landwirtschaft abzuwenden. Das gilt ohne Unterschied für alle Betriebsgrößen und alle Betriebszweige.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Stockhausen.

Karl Stockhausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002254, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, um noch einmal den Begriff Klein- und Großbauer zu definieren: Stimmen Sie mir zu, daß ein 20-haBetrieb, gefördert nach den Richtlinien bis zum vergangenen Jahr, mit 60 Milchkühen einen höheren Umsatz hatte und damit auch mehr von der Mehrwertsteuer bekam als ein 70-ha, 80-ha-Betrieb auf Getreidebaubasis?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Stockhausen, die Mehrwertsteuerregelung ist umsatzbezogen, so wie auch die Wirkung des Abbaus des deutschen Währungsausgleichs umsatzbezogen ist. Das heißt also, hier ist die Ausgleichsmaßnahme an denselben Größenordnungen und Werten orientiert wie der eingetretene Verlust durch die Maßnahmen der europäischen Agrarpolitik.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Menzel.

Heinz Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn alles so ist, wie Sie es darstellen, wie erklären Sie sich denn, daß sich die Kleinbauern gegenüber den Großbauern durch diese Regelung benachteiligt fühlen?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege, Ihre Feststellung ist so, wie Sie sie getroffen haben, nicht richtig. Ich habe reichlich Gelegenheit, in vielen Versammlungen aufzutreten und so durch unser Land von Nord bis Süd zu kommen und mit sogenannten großen, kleinen und mittleren Bauern zu sprechen, so fragwürdig diese Differenzierung als solche schon ist. Ich kann deswegen das, was Sie eben vorgetragen haben, nicht bestätigen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Jetzt kommen wir zur Frage 33 der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer: Vizepräsident Westphal Ist die Bundesregierung bereit, andere Systeme zur Lösung der sozialen, wirtschaftlichen und Mengen-Problematik des Milchmarkts zu prüfen und gegebenenfalls auch einzusetzen, und hat sie sich schon mit dem System der nach Liefermenge gestaffelten Auszahlungspreise für Milch, wie es von der Fraktion DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag vorgeschlagen wurde, auseinandergesetzt? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Dr. Vollmer, mengenbegrenzende Maßnahmen auf dem EG-Milchmarkt können nur einheitlich in der Gemeinschaft beschlossen und durchgesetzt werden. Der nationale Spielraum ist hier äußerst eingeschränkt. Die Gemeinschaft hat die Garantiemengenregelung Milch beschlossen. Der Beschluß wird in fünf Jahren überprüft. Die Bundesregierung hat vor Inkrafttreten der Garantiemengenregelung Milch die alternativen Lösungsmöglichkeiten, insbesondere die in Abhängigkeit von der Anlieferungsmenge gestaffelte Mitverantwortungsabgabe, geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die gestaffelte Mitverantwortungsabgabe nicht in der Lage ist, kurzfristig den Produktionszuwachs zu stoppen. Auf Grund der bei uns vorhandenen ungünstigen Betriebsgrößenstruktur hätten auch die kleineren Betriebe von der Abgabe nicht freigestellt werden können mit der Folge, daß die einkommensmäßigen Auswirkungen für diese Betriebsgruppe mindestens so nachteilig ausgefallen wären wie bei der Garantiemengenregelung. Darüber hinaus war die gestaffelte Mitverantwortungsabgabe in Brüssel nicht konsensfähig. Über die Ausgestaltung der Staffelung konnten sich auf Grund der strukturellen Unterschiede nicht einmal die Bundesländer einigen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Vollmer.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, sehen Sie sich denn nicht genötigt, in Brüssel mit dem ja nicht geringen Gewicht der Bundesrepublik eindringlich auf eine andere Lösung zu drängen, nachdem sich in der Kritik an der jetzigen Regelung so unterschiedliche Kräfte zusammenfinden wie einerseits der bayerische Bauernverband, andererseits die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen sowie eine wachsende bäuerliche Opposition, wo in der bäuerlichen „Schutzgemeinschaft gegen die Milchkontingentierung" - die, wie Sie ja wissen, eine Verfassungsklage anstrebt - inzwischen über 1 000 Bauern organisiert sind?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Dr. Vollmer, ich habe eben in meiner Antwort darauf hingewiesen, daß die Alternativen vor der Beschlußfassung sorgfältig geprüft worden sind. Ich sehe auch heute bei den ernst zu nehmenden politischen Vertretungen, insbesondere auch der Landwirte, im Zusammenhang mit den unterschiedlichen kritischen Anmerkungen, die vor allem zur Durchführung dieser Garantiemengenregelung gemacht werden, keine grundsätzliche Opposition gegen das Garantiemengenmodell. Vielmehr wird durchaus akzeptiert, daß der Ansatz der Garantiemengenregelung richtig war. Es werden Einzelheiten der Ausgestaltung kritisiert.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage von Frau Dr. Vollmer.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002391, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, wenn Sie nun schon meinen, daß es für die kleineren Bauern keine zusätzlichen Maßnahmen geben muß, um ihre Einkommensverluste aufzufangen, sehen Sie nicht wenigstens für die kleineren Molkereien die Gefahr, daß sie in einer erneuten Konzentrationswelle geschluckt werden, und finden Sie nicht, daß man zumindest aus Gründen der Arbeitsplätze im ländlichen Raum besondere Maßnahmen zur Stützung kleinerer Molkereien angehen müßte?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Dr. Vollmer, ich will ganz offen auf Ihre Frage sagen, ich habe den Eindruck, daß Sie jetzt auch ein bißchen absichtlich Gefahren heraufbeschwören, die in der wirtschaftlichen Realität unseres Landes nicht vorhanden sind. Weder hat die Garantiemengenregelung Milch speziell nachteilig auf kleinere Betriebe gewirkt - im Gegenteil, durch die sehr differenzierte Handhabung von 2 bis 12 1/2 % ist ja auf die Struktur Rücksicht genommen -, noch kann ich das beobachten, was Sie über die Molkereistruktur sagen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Kleinert ({0}).

Dr. Hubert Kleinert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001122, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich möchte ganz konkret wissen, welche Maßnahmen die Bundesregierung denn zu ergreifen gedenkt, um die Abwanderung von Kontingenten aus Regionen zu stoppen, die auf die Milchviehhaltung angewiesen sind und in denen die regionale Struktur und die Existenz vieler Betriebe durch die einzelbetriebliche Quote gefährdet sind.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Kleinert, Sie sprechen von einer Abwanderung, die es so nicht gibt.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Frau Reetz noch zu einer Zusatzfrage.

Christa Reetz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Frage, Herr Staatssekretär: Wie sehen Sie denn die wirtschaftlichen Folgen der EG-Agrarpolitik, wenn nach der Milchkontingentierung die weiteren Quotierungen, z. B. bei Wein und Getreide, folgen? Dr. von Geldern, Pari. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich bin überzeugt davon, daß der Mengendruck auf die Preise in den Bereichen, in denen wir garantierte Preise haben und weit über den möglichen Absatz hinaus produzieren, durch Mengenbegrenzung abgefangen werden muß. Das ist bei der Milch jetzt geschehen. Die Alternative wäre ein Zusammenbruch des Milchpreises gewesen. ({0}) In anderen Bereichen werden wir uns und wird die Europäische Gemeinschaft sich andere Lösungen einfallen lassen müssen, weil eine ständige Überschußsituation mit diesen Ausmaßen weder unter Finanzierungsgesichtspunkten der Gemeinschaft noch aus der Sicht des Steuerzahlers zu rechtfertigen wäre.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß nach Ihren Auskünften die Erregung bayerischer Bauern auf CSU-Versammlungen nur auf Grund von Irrtümern und Mißverständnissen entstehen konnte?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Sperling, ich habe nicht von Irrtümern und Mißverständnissen, sondern davon gesprochen, daß sich die Kritik an Einzelheiten der Durchführung der Maßnahme entzündet, nicht aber die Maßnahme der Garantiemengenregelung Milch als solche in Frage gestellt wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Bundesregierung gerade die Einzelhofquote statt der Meiereiquote - es gab ja diese beiden Möglichkeiten in der EG - gewählt hat, damit diese Quotierung sozial durchgeführt werden konnte - dennoch gab es Landwirte, die sich über Gebühr betroffen gefühlt haben -, daß daraus diese Entwicklung z. B. in Bayern entstanden ist und daß die Bundesregierung jetzt daran denkt, über eine weitere Förderung der Landwirte in benachteiligten Gebieten auch hier wieder abfedernd hilfreich tätig zu sein?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Eigen, ich kann das bestätigen. Es war der Wunsch des Bauernverbandes und der Molkereien, die einzelbetriebliche Quote, keine Molkereiquote, einzuführen. Es gibt nach meiner Kenntnis in der Europäischen Gemeinschaft kein anderes Land, in dem bei der Abzugsregelung so differenziert wie in der Bundesrepublik Deutschland vorgegangen wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage von Frau Dr. Bard.

Dr. Sabine Bard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000093, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß gerade in Bayern die kleineren Molkereien sehr große Sorgen haben, weil es auf alle Fälle über die bestehenden Härtefallregelungen dazu kommen wird, daß' in bestimmten Gebieten die Milch ganz oder fast ganz weggeht und sich die Milchproduktion in bestimmten Zentren unserer Landwirtschaft konzentriert? ({0})

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Frau Kollegin Dr. Bard, durch die Härtefallregelung geht keine Milch weg, sondern kommen zusätzliche Milchquoten in die Region.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Weyel.

Gudrun Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Ihnen Beobachtungen bekannt, wonach gerade auf Grund der Härtefallregelung und der Milchrentenregelung eine gewisse Wanderbewegung der Milchmengen von Süden nach Norden eingesetzt hat?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Ich kann, Frau Kollegin Weyel, das, was Sie sagen, nicht bestätigen. Die Milchrente ist keineswegs nur im Süden in Anspruch genommen, und die Härtefallregelungen sind keineswegs nur im Norden in Anspruch genommen worden. Ganz im Gegenteil: Wir finden, daß sowohl Härtefälle als auch Milchrentenfälle über das ganze Bundesgebiet verteilt sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Die Fragen 34 und 35 des Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. ({1}) Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir kommen zur Frage 36 des Abgeordneten Schmidbauer: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um zu verhindern, daß einzelne Molkereien zu Lasten ihrer Milcherzeuger eine Abgabe an die Europäische Gemeinschaft zahlen müssen, obwohl absehbar ist, daß die Milcherzeuger ihres Einzugsgebietes insgesamt die Referenzmenge nicht erreichen werden? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Schmidbauer, Sie haben zwei Fragen zum selben Themenbereich gestellt. Sind Sie einverstanden, wenn ich beide im Zusammenhang beantworte?

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Er ist einverstanden.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Danke schön.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe dann auch die Frage 37 des Abgeordneten Schmidbauer auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, nicht ausgeschöpfte Referenzmengen einzelner milcherzeugender Betriebe zur Unterstützung von Betrieben, die in ihrer Einkommenssituation von der Abzugsregelung besonders hart betroffen sind, verfügbar zu machen?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Auf Wunsch der berufsständischen Vertretung und der Milchwirtschaft hat die Bundesregierung das Modell A, d. h. die einzelbetriebliche Referenzmenge, gewählt. Nach diesem Modell ist eine er nicht ausgenutzten Referenzmengen mit den ÜberParl. Staatssekretär Dr. von Geldern Lieferungen nicht möglich. Zum Ausgleich dieses Nachteils beträgt die Abgabe im Modell A nur 75 % des Richtpreises gegenüber 100% im Fall der Überlieferung beim Modell B, dem Molkereimodell. Nach dem zur Zeit geltenden Gemeinschaftsrecht dürfen die nicht ausgenutzten Referenzmengen nicht auf andere Betriebe übertragen werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidbauer.

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich hatte in meiner zweiten Frage danach gefragt, was die Bundesregierung zu tun gedenkt, wenn sie einmal davon ausgeht, daß in einer bestimmten Region Unterlieferungen mit 59 % und Überlieferungen mit 41 % stattfinden und aus diesem Grunde in einer Region rund 18 Millionen DM Ausfall entstehen bzw. 5,4 Millionen DM pro Halbjahr nach Brüssel gezahlt werden, obwohl die Unterlieferung wesentlich größer ist als die Überlieferung.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Schmidbauer, wir haben einzelbetriebliche Garantiemengen. Jeder einzelne Betrieb - unabhängig von der Region und dem Molkereieinzugsgebiet, in dem er sich befindet - hat bei einer Lieferung, die über seine Referenzmenge hinausgeht, mit Abzügen zu rechnen und hat bei einer Lieferung, die unterhalb seiner Referenzmenge bleibt, keinen Ausgleich zu erwarten, andererseits aber auch keinen Verlust im nächsten Milchwirtschaftsjahr. Seine Garantiemenge bleibt davon unberührt, wenn er weniger liefert, als ihm zugestanden ist.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zweite Zusatzfrage.

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wenn andere Länder, z. B. Frankreich, diese Quotenregelung nicht kennen, dann wird das dazu führen, daß dort eben Ausgleichszahlungen an Brüssel unterbleiben, weil Kompensationsregelungen möglich sind, während bei uns natürlich Zahlungen nach Brüssel erfolgen müssen, obwohl, wie ich soeben an einem Beispiel erwähnt habe, bestimmte Dinge damit nicht zu berücksichtigen sind.

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Schmidbauer, ich habe im Verlauf der Fragestunde schon darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung sowohl vom Bauernverband als auch von den Molkereien, von der gesamten Molkereiwirtschaft gebeten worden ist, bei Einführung der Garantiemengenregelung zunächst auf die einzelbetriebliche Garantiemenge und nicht auf das andere Modell, das sogenannte Molkereimodell, zu gehen. Dies müssen wir in dem nun laufenden Milchwirtschaftsjahr erst einmal durchführen. Ob Änderungen später sinnvoll sind, muß geprüft werden. Ich kann zusagen, daß diese Prüfung auf jeden Fall stattfindet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Stockhausen.

Karl Stockhausen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002254, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist das System bei uns nicht gerade deshalb gewählt worden, damit wir die Abstufung von Klein- zu Großbetrieben durchführen können, und ist es nicht so, daß im Ausland eine lineare Abzugshöhe für alle Betriebe deshalb gewählt worden ist, weil das molkereimäßig festgelegt worden ist?

Dr. Wolfgang Geldern (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000656

Herr Kollege Stockhausen, es hat eine ganze Reihe von Gründen für diese einzelbetriebliche Quote gegeben. Hierbei war u. a. auch die Schwierigkeit zu berücksichtigen, diese neue Regelung, die ja sehr kurzfristig gekommen ist und die eine erhebliche Reduktion mit sich gebracht hat, administrativ umzusetzen. Diejenigen, die das an Stelle des Staates sonst hätten tun müssen, nämlich die Molkereien, hätten, auch angesichts ihrer genossenschaftlichen Struktur, große Schwierigkeiten gesehen, hier die Entscheidungen zu treffen. Man kann diese Frage nicht beantworten, ohne die Molkereistrukturen in den einzelnen EG-Mitgliedsländern miteinander zu vergleichen, die j a sehr unterschiedlich sind.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, die letzten vier Fragen dieses Geschäftsbereichs, die Fragen 38 und 39 des Abgeordneten Austermann sowie die Fragen 40 und 41 des Abgeordneten Milz, werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär von Geldern, für die Beantwortung der Fragen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Herr Staatssekretär Vogt steht zur Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Urbaniak auf: Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, daß Betriebsräte durch das Aushandeln von Sozialplänen nach den §§ 112 und 113 des Betriebsverfassungsgesetzes den endgültigen wirtschaftlichen Ruin von Unternehmen verschuldet haben?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, der Bundesregierung liegen keine derartigen Erkenntnisse vor.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Urbaniak.

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann ich also davon ausgehen - weil von dritter Seite hier im Hause behauptet worden ist, es gebe Firmen dieser Art -, daß die Bundesregierung so etwas nicht registriert hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich kann nur wiederholen: Der Bundesregierung liegen Erkenntnisse dergestalt, wie sie nachgefragt werden, nicht vor.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Urbaniak.

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist die Bundesregierung ebenso wie die sozialdemokratische Opposition der Meinung, daß sich die §§ 112 und 113 des Betriebsver7304 fassungsgesetzes im Arbeitsleben und in den zutreffenden Fällen hervorragend bewährt haben?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung sieht im Sozialplan und in den Sozialplanregelungen ein Instrument zur sozialen Befriedigung, ein Instrument, um Prozesse der wirtschaftlichen und betrieblichen Anpassung für die Belegschaften sozial erträglich zu machen. Die Bundesregierung ist aber darüber hinaus der Auffassung, daß die Begriffe, die derzeit im Betriebsverfassungsgesetz verwendet werden, nämlich daß auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit und auf die sozialen Belange Rücksicht zu nehmen ist, konkretisiert werden müssen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Kirschner.

Klaus Kirschner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001102, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung wenigstens im Zusammenhang mit dem sogenannten Beschäftigungsförderungsgesetz, wo j a die Sozialplanpflichtigkeit für neu gegründete Betriebe praktisch außer Kraft gesetzt wird, neue Überlegungen anstellt?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, das können Sie daraus nicht schließen. Ich habe gerade in der Antwort auf die Zusatzfrage des Kollegen Urbaniak darauf hingewiesen, daß es aus der Sicht der Bundesregierung notwendig ist, die Begriffe „wirtschaftliche Vertretbarkeit" und „Berücksichtigung der sozialen Belange der Belegschaft" zu konkretisieren. Dies wird im Beschäftigungsförderungsgesetz getan. Im übrigen kommt es darauf an, daß gerade auch neu gegründete Unternehmen alle Möglichkeiten der Neueinstellung ausschöpfen und nicht deshalb vor Neueinstellungen zurückschrekken, weil sie möglicherweise befürchten müssen, ({0}) einmal mit untragbaren wirtschaftlichen Belastungen aus Sozialplänen konfrontiert zu werden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Peter ({0}).

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn Ihnen keine Erkenntnisse über die wirtschaftliche Schädlichkeit auf Grund der Sozialplanregelungen der jetzigen Art vorliegen: Ist denn die Bundesregierung bereit, Ermittlungen anzustellen, in welcher Form diese Schädlichkeiten bisher eingetreten sind, und daraus gegebenenfalls Schlußfolgerungen für ihre Absichten zu ziehen, die jetzigen Veränderungen im Gesetz vorzusehen? Vogt, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege, der Kollege Urbaniak hatte gefragt: Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, daß Betriebsräte durch Aushandeln von Sozialplänen nach den §§ 112 und 113 des Betriebsverfassungsgesetzes den endgültigen wirtschaftlichen Ruin von Unternehmen verschuldet haben? Derartige Erkenntnisse liegen nicht vor. Dies schließt aber nicht aus, daß sich die Notwendigkeit ergibt, die jetzt im Betriebsverfassungsgesetz verwendeten Begriffe derart zu konkretisieren, wie das im Beschäftigungsförderungsgesetz vorgesehen ist. Im übrigen schließt sich die Bundesregierung bei dieser Konkretisierung an Urteile an, die das Bundesarbeitsgericht in Streitfragen zum Sozialplan, der von einer Einigungsstelle erzwungen worden ist, gegeben hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Menzel.

Heinz Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001475, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wenn, wie Sie überzeugend dargelegt haben, keine nachteiligen Folgen von Sozialplänen für die Betriebe ausgehen: Warum strebt denn dann die Bundesregierung eine Änderung dieser Bestimmungen für die Arbeitnehmer in neu gegründeten Betrieben an?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, in der Frage des Kollegen Urbaniak steht nichts von nachteiligen Folgen, sondern er hat gefragt, ob Erkenntnisse darüber vorliegen, daß der endgültige wirtschaftliche Ruin von Unternehmen durch den Sozialplan verschuldet worden ist. Auf diese Frage habe ich geantwortet; ich habe nicht auf schwammige Nachfragen geantwortet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, die Frage bezieht sich in der Tat auf das Aushandeln von Sozialplänen, wobei klar ist, daß das Aushandeln selber keinen Ruin herbeiführen kann. Ich möchte die Frage präzisieren, ob der Bundesregierung Fälle bekannt sind, in denen Sozialpläne bei Insolvenzen das Zustandekommen eines Vergleichs mit der Folge verhindert haben, daß ein Anschlußkonkurs stattgefunden hat.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, ich möchte nicht Sozialpläne bewerten, die durch die Betriebspartner einvernehmlich geschlossen worden sind. Hier geht es um Sozialpläne, die über eine Einigungsstelle erzwungen werden können, und bei solchen Sozialplänen soll der Gesetzgeber der Einigungsstelle Orientierungspunkte geben. Die sozialen Belange der Belegschaft müssen berücksichtigt werden, der Sozialplan muß wirtschaftlich vertretbar sein. Diese beiden Begriffe werden im Beschäftigungsförderungsgesetz konkretisiert. Es handelt sich um den Sozialplan, der vor einer Einigungsstelle erzwungen werden kann. Im übrigen kann ich bestätigen, daß es aus Kreisen der Wirtschaft Bedenken gibt, ob es nicht auch freiwillige Sozialplanvereinbarungen gegeben hat, die diese Konsequenzen gehabt haben, von denen Sie gesprochen haben. Aber solche Sozialpläne waren freiwillig vereinbart; das haben die Partner dann selbst zu verantworten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, erweist sich das sogenannte Beschäftigungsförderungsgesetz im Zusammenhang mit Sozialplänen der Tatsache nach nicht als ein Entlassungserleichterungsgesetz? Vogt, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Sperling, dadurch, daß Sie und die Sozialdemokratische Partei dies ständig behaupten, wird die Behauptung nicht richtiger. Das Beschäftigungsförderungsgesetz hat die Aufgabe, in einer Phase wirtschaftlicher Erholung das Einfädeln von Arbeitslosen in ein Beschäftigungsverhältnis zu fördern. Das Kündigungsschutzgesetz für denjenigen, der vom Kündigungsschutz erfaßt wird, wird nicht verändert. Es bleibt beim vollen Kündigungsschutz für den Arbeitnehmer, der ein festes Arbeitsverhältnis hat. Deshalb ist die Behauptung, die Sie hier aufgestellt haben, trotz ständigen Wiederholens nicht richtiger geworden.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wolfram.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie herzlich bitten, Ihre einseitigen ideologischen Bewertungen abzulegen und anzuerkennen, daß Sozialpläne eines der wichtigsten Instrumente zur Sicherung der Gerechtigkeit und auch des sozialen Friedens sind, daß sie, ob im Betrieb ausgehandelt oder vor der Einigungsstelle geschlossen, im Grunde einen Kompromiß, einen Interessenausgleich darstellen und daß sie in der Regel oder oft nur in Fällen wirksam werden, wo diejenigen, die die eigentlichen Verursacher der Notwendigkeit des Abschlusses von Sozialplänen sind, ihr Schäfchen, z. B. bei Konkursfällen, oft schon im trockenen haben? ({0}) Vogt, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege, darf ich die Ideologie an Sie zurückgeben? ({1}) - Doch. Die Ideologie hat Sie inzwischen so gefangen, daß Sie nicht mehr in der Lage sind, Antworten zur Kenntnis zu nehmen, die ich etwa auf die Zusatzfrage des Kollegen Urbaniak gegeben habe. Natürlich - ich will es wiederholen, damit es sich auch bei Ihnen verfestigt - ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Sozialpläne ein Instrument zur sozialen Befriedung sind, daß sie ein Instrument des sozialen Interessenausgleichs sind, daß sie Strukturanpassungen erleichtern. Das kann uns aber nicht daran hindern, dieses Instrument dann, wenn es von einer Einigungsstelle angewendet wird, zu verbessern. Wir schlagen hier vor: Konkretisierung der genannten Begriffe an Hand von Bundesarbeitsgerichtsurteilen. Ich nehme nicht an, daß Sie dem Bundesarbeitsgericht ideologische Verklemmtheit nachsagen möchten. Wenn Sie das dem Bundesarbeitsgericht nicht nachsagen möchten, dann haben Sie auch keinen Grund, der Bundesregierung einen entsprechenden Vorwurf zu machen, denn die Bundesregierung nimmt in das Gesetz auf, was das Bundesarbeitsgericht als Urteil gesprochen hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Reetz.

Christa Reetz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ab welcher Betriebsgröße im Durchschnitt Sozialpläne aufgestellt werden, wie die Kosten der Sozialpläne sind und ob die Bundesregierung entsprechend diesen Zahlen einen Sozialplan nicht als hemmend ansieht für eine eventuelle Weiterführung des Betriebs unter der Maßgabe einer größeren Rationalisierung oder, wie Sie eben sagten, Strukturverbesserung?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Kollegin, schätzungsweise werden 90 % der Sozialpläne von den Betriebspartnern, Arbeitgeber und Betriebsrat, abgeschlossen. Nur 10 % etwa werden von einer Einigungsstelle erlassen. Wir haben in der Bundesrepublik kein Sozialplanregister. Sozialpläne, die abgeschlossen werden, brauchen keiner staatlichen Stelle, auch nicht zum Zwecke der Registrierung, vorgelegt zu werden. Deshalb kann ich Ihre Frage nicht beantworten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Stahl.

Erwin Stahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002212, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Frage des Kollegen Urbaniak geantwortet, daß Ihnen, der Bundesregierung, kein Unternehmen bekannt sei, das den Konkurs auf den Sozialplan zurückgeführt hat. Darf ich Sie deshalb fragen, ob dies für die beiden Firmen Neef und Dual auch zutrifft, da der Herr Kollege Kolb von der CDU dies in der 91. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Oktober, also hier vor dem Plenum, behauptet hat. Vogt, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin im Augenblick nicht in der Lage, den Text der Rede des Kollegen Kolb nachzulesen. Ich kann aber nicht davon ausgehen, daß er behauptet hat, daß Sozialpläne so, wie das der Kollege Urbaniak erfragt hat, am wirtschaftlichen Ruin von Unternehmen die Schuld tragen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Klejdzinski.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, nachdem Sie meinem Kollegen eine ideologische Vororientierung oder Festlegung vorgeworfen haben, ob ich bei Ihnen voraussetzen kann, daß Sie auf Grund Ihrer ideologischen Vororientierung oder Festlegung möglicherweise die Fragen meiner Kollegen nicht sachgerecht beantworten können.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, ich haben einen Ball, der mir zugeworfen worden ist, wie das hier üblich ist, wieder zurückgegeben an denjenigen, der den Ball geworfen hat. Ich glaube, dies ist nach der Aktion, die stattgefunden hat, in der Reaktion angemessen gewesen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Offengeblieben ist, ob dabei ein Tor erzielt wurde. Jetzt kommen wir zur Frage 43 des Abgeordneten Kirschner: Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Arbeitnehmer in wie vielen Betrieben der Bundesrepublik Deutschland an Arbeitsplätzen arbeiten, an denen sie mit krebserzeugenden Stoffen in Berührung kommen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, im Jahre 1981 ist von den gewerblichen Berufsgenossenschaften eine Statistik über die Anzahl der in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Arbeitnehmer, die mit krebserzeugenden Stoffen umgehen, aufgestellt worden. Die Zahlenangaben sind infolge der technischen und wirtschaftlichen Fortentwicklung inzwischen überholt. Es ist vorgesehen, im Jahre 1985 erneut eine entsprechende statistische Erhebung durchzuführen. Für einige Industriezweige liegen der Bundesregierung Angaben für das Jahr 1984 vor: Im Bereich der chemischen Industrie gehen nach Mitteilung der zuständigen Berufsgenossenschaft etwa 25 000 Arbeitnehmer in 650 Betrieben mit krebserzeugenden Stoffen um, davon die meisten nicht ständig. Aus einer Umfrage der Maschinenbau- und Kleineisenindustrie-Berufsgenossenschaft in 13 000 Betrieben - das sind 51 % aller Betriebe, die zu dieser Berufsgenossenschaft zählen - ergibt, sich, daß etwa 25 000 Arbeitnehmer in 4 300 Betrieben mit krebserzeugenden Stoffen umgehen, davon etwa 20 000 nicht ständig. Die genannten 25 000 Personen stellen etwa 6 % der in den erfaßten 13 000 Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer dar. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, wie viele Arbeitnehmer krebserzeugenden Stoffen ausgesetzt sind. Die vorerwähnten statistischen Angaben beziehen sich auf Betriebe, in denen die Arbeitnehmer zwar mit krebserzeugenden Stoffen umgehen, aber nur ein Teil der Arbeitnehmer mit solchen Stoffen in Berührung kommt. Herr Kollege, ich darf auf eine Schwierigkeit hinweisen, die sich bei der Beantwortung dieser Frage ergibt. Sie fragen nämlich: Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Arbeitnehmer in wie vielen Betrieben der Bundesrepublik Deutschland an Arbeitsplätzen arbeiten, an denen sie mit krebserzeugenden Stoffen in Berührung kommen? Dieses „in Berührung kommen" kommt in der Arbeitsstoffverordnung als Unterscheidungsmerkmal nicht vor. Wir unterscheiden vielmehr in der Arbeitsstoffverordnung die Begriffe „Umgang" - deshalb habe ich auch vom Umgang gesprochen -, „Exposition" und „Einwirkung". „Umgang" bedeutet jegliches Herstellen oder Verwenden eines Stoffes, unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer mit ihrer Haut mit den Stoffen in Berührung kommen oder die Stoffe einatmen. Auch der Transport eines geschlossenen Behälters mit einem Lösungsmittel ist also „Umgang", ohne daß der Arbeitnehmer mit dem Stoff in Berührung kommt. Die Zahlen, die ich genannt habe, bezogen sich - Sie werden es zur Kenntnis genommen haben - auf Arbeitnehmer, die Umgang mit gefährlichen Stoffen haben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kirschner.

Klaus Kirschner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001102, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Arbeitnehmer, die Umgang mit krebserzeugenden Stoffen haben oder hatten, in den letzten Jahren an Krebs erkrankt sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, der Bundesregierung sind Erkenntnisse, nach denen Sie jetzt fragen, nicht bekannt. Ich verweise noch einmal darauf: Es ist vorgesehen, daß die gewerblichen Berufsgenossenschaften 1985 erneut eine statistische Erhebung durchführen. Ich hoffe, daß wir aus dieser Untersuchung Erkenntnisse gewinnen können, die eine Beantwortung der jetzt gestellten Frage erlauben.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Kirschner.

Klaus Kirschner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001102, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich an meine Zusatzfrage anknüpfen und Sie fragen: Gibt es bei der Bundesregierung Überlegungen, daß von seiten der Wissenschaft auch darauf hingewirkt wird, bei Krebserkrankungen die Ursachen zurückzuverfolgen und dabei auch auf die Erfahrungen der Berufsgenossenschaften, die solche Arbeitsplätze betreffen, zurückzugreifen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, wir haben selbstverständlich das Interesse, daß die Arbeitnehmer nicht wegen des Umgangs mit gefährlichen Arbeitsstoffen erkranken, daß sie entsprechend geschützt werden und daß die Verwendung solcher gefährlichen Stoffe eingeschränkt wird. Deshalb wird auch eine neue Gefahrenstoffverordnung vorbereitet.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Peter.

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie würden sich denn die Zahlen, die Sie dem Kollegen Kirschner genannt haben, verändern, wenn die von Ihnen intendierte Änderung der Arbeitsstoffverordnung, die in den letzten Tagen durch die Presse gegangen ist, durchgesetzt werden könnte?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, das ist eine so hypothetische Frage, daß ich sie nicht beantworten kann.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ehmke ({0}).

Dr. Wolfgang Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000441, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich beziehe mich mit meiner Frage auf eine Meldung vom 20. Juni: CDU fordert Verbot von Pentachlorphenol. Welche Möglichkeit hat die Bundesregierung, dieser Forderung der CDU-Fraktion des Landtages von Baden-Württemberg nachzukomDr. Ehmke ({0}) men und eine erwiesenermaßen krebserzeugende Substanz, die viele Arbeitnehmer bei der Produktion - z. B. in der Firma Dynamit Nobel - bedroht, zu verbieten?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, diese Zusatzfrage liegt so weit von der Ausgangsfrage des Kollegen Kirschner entfernt, daß ich sie jetzt nicht beantworten kann. Ich bin gern bereit, Ihnen Ihre Frage schriftlich zu beantworten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Hansen ({0}).

Uwe Hansen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000806, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, was tut die Wissenschaft, um bei krebserkrankten Arbeitnehmern auch Umfelduntersuchungen, z. B. an den früheren Arbeitsplätzen, zu machen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, ich kann auch bei dieser Zusatzfrage nun wirklich nicht den Zusammenhang mit der gestellten Frage sehen. Ich bin gern bereit, auch diese Frage schriftlich zu beantworten. Nur kann eine Ausgangsfrage wie die des Kollegen Kirschner jetzt kaum Anlaß sein, sachgerecht auf das gesamte Umfeld zu antworten, das Sie hier jetzt ansprechen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich stimme Ihnen zu, Herr Staatssekretär; manchmal kann man das nicht. Ich habe noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnten Sie denn die hypothetische Frage des Kollegen Peter wenigstens in der Art beantworten, daß Sie erklären, ob nach Änderung der Arbeitsstoffverordnung die Zahlen der mit krebserzeugenden Stoffen umgehenden Arbeitnehmer nach oben oder nach unten gehen würden?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, wir haben zuerst einmal die feste Absicht, gewissen Irritationen entgegenzuwirken, die dadurch entstanden sind, daß der Umgang mit Formaldehyd sofort als krebserzeugend charakterisiert wird, während wir ja sorgfältig unterscheiden zwischen krebserzeugend und krebsverdächtig. Wenn ein Stoff als krebsverdächtig eingestuft ist, wird er jedes Jahr durch die entsprechende Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft neu überprüft. Wir haben die Absicht, die Anwendung und die Verarbeitung solcher Stoffe, die krebsverdächtig sind, dort einzuschränken, wo dies machbar ist. Die in Vorbereitung befindliche Gefahrenstoffverordnung hat genau den Sinn, weitere Einschränkungen, die vertretbar sind, vorzunehmen, damit Befürchtungen, die hier und dort, zumeist nicht begründet, geäußert werden, weiter ausgeschlossen werden können. Vizepräsdent Westphal: Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Reetz.

Christa Reetz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung denn die bekannte Lage in den USA, in denen eine asbesterzeugende, wirtschaftlich gut dastehende Firma einen Sozialplan aufstellen ließ, um, schon bevor Ansprüche gestellt waren, Regreßansprüchen ihrer Arbeitnehmer zu entgehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Kollegin, ich nehme an, daß Sie von Bekundungen der asbesterzeugenden und asbestverarbeitenden deutschen Betriebe Kenntnis genommen haben, schon in den nächsten Jahren über das gesetzlich vorgeschriebene Maß an Eindämmung der Verwendung von solchen Stoffen hinauszugehen. Es gibt eine Vereinbarung, die von den entsprechenden Betrieben, die Asbeststoffe erzeugen und verarbeiten, freiwillig getroffen worden ist, so daß also hier auch durch Eigeninitiative der Industrie alles unternommen wird, um die Zahl der Gefahrenherde für Arbeitnehmer oder für diejenigen, die mit solchen Stoffen in Berührung kommen, zu vermindern.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ich rufe Frage 44 des Abgeordneten Kirschner auf: Wie ist die durchschnittliche Wartezeit zur Berufsberatung bei den Arbeitsämtern?

Not found (Staatssekretär:in)

Nach Mitteilung des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit betrug die Wartezeit zur Berufsberatung im September 1984 im Bundesdurchschnitt viereinhalb Wochen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Kirschner.

Klaus Kirschner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001102, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gibt es bei den Arbeitsämtern regionale Unterschiede, was die Dauer der Wartezeit betrifft?

Not found (Staatssekretär:in)

Ja, es gibt regionale Unterschiede. Im September 1984 bestand etwa im Landesarbeitsamtbezirk Südbayern mit einer durchschnittlichen Wartezeit von 2,9 Wochen die günstigste, in Nordrhein-Westfalen mit 5,5 Wochen die ungünstigste Situation.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Kirschner.

Klaus Kirschner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001102, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie dann der Auffassung, daß die vom Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit erhobene Forderung nach rund 1 100 zusätzlichen Stellen ausreicht, um die Wartezeit entsprechend abzubauen? Denn es muß ja wohl eine vorrangige Aufgabe der Arbeitsvermittlung und Berufsberatung sein, schnellstmöglich und auch mit möglichst viel Zeit auf den einzelnen eingehen zu können.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege Kirschner, ich muß Ihre Zahlenangabe korrigieren. Sie wissen aus den Beratungen auch des zuständigen Fachausschusses, daß die Selbstverwaltung für das Jahr 1985 Stellenmehranforderungen von etwas über 1 700 abgegeben hat und keineswegs Stellen7308 mehranforderungen in der Größenordnung, wie Sie sie hier genannt haben. ({0}) - Entschuldigung, Herr Kollege. Wenn Sie „1 100" gesagt haben, dann habe ich dies akustisch mißverstanden. Ich bitte Sie deshalb noch einmal, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Selbstverwaltung Stellenmehranforderungen in einer Größenordnung von etwas über 1 700 angemeldet hat.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Peter.

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie hoch ist die Differenz zwischen der Zahl der angeforderten und der jetzt vom Vorstand gebilligten neuen Stellen, und wie wird sich das auf die Dauer der Wartezeiten auswirken?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, ein sachlicher Kern liegt in Ihrer Frage nicht; denn der Vorstand hat keine Stellenmehranforderungen genehmigt. Die Selbstverwaltung hat einen Stellenplan für 1985 vorgelegt. Über diesen Stellenplan wie den Gesamthaushalt der Bundesanstalt für Arbeit ist noch nicht durch die Bundesregierung entschieden worden. Sie wissen, daß der Haushalt der Bundesanstalt von der Bundesregierung genehmigt werden muß. Die Entscheidung über die Genehmigung ist noch nicht getroffen und damit auch nicht die Entscheidung über die Stellenmehranforderungen.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, steht denn wenigstens in Aussicht, daß die Stellenmehrbewilligungen seitens der Bundesregierung, j eden-falls des Haushaltsausschusses, in entsprechender Höhe erfolgen werden?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Kollege, es ist nicht üblich, daß in der Fragestunde den Entscheidungen der Bundesregierung vorgegriffen wird.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Vielen Dank, Herr Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen. Wir haben noch drei Minuten Zeit für Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen ist Herr Staatssekretär Würzbach gekommen. Die Frage 45 des Abgeordneten Würtz soll schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 46 des Abgeordneten Pauli auf: Wie beurteilt die Bundesregierung den Dienstzeitausgleich für geleistete Wochenenddienste der Wehrpflichtigen und Zeitsoldaten?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Präsident! Herr Kollege, zur Aufrechterhaltung bzw. Herstellung einer schnellen Einsatzbereitschaft der Truppe im Rahmen des Auftrags, den unsere Bundeswehr hat, ist es erforderlich, daß die Streitkräfte auch an Wochenenden sowie an Feiertagen Dienste leisten. Dies gilt gleichermaßen für Berufssoldaten wie für Wehrpflichtige und Zeitsoldaten. In bestimmten Bereichen werden derartige Dienste als Schichtdienste geleistet. Ich nenne solche der Marine auf hoher See, Stellungsdienste bei den Flugabwehrverbänden, bei der Luftwaffe oder bei der Nachschubtruppe, auch beim Heer oder Pflegedienste in den Bundeswehrkrankenhäusern. Eine Vielzahl mehr müßte noch genannt werden. Diese werden auch an Feiertagen sowie an Wochenenden neben dem normalen Dienst in der Regel als zusätzliche Dienste geleistet. Die Disziplinarvorgesetzten möglichst weit unten bemühen sich, wo immer möglich - sie sind angewiesen, dies zu tun -, die Dienstzeit so gering zu halten, wie irgend möglich. Aber die unbedingt notwendigen Dienste müssen geleistet werden. Zusätzlich wird versucht, den Soldaten eine Freistellung vom Dienst nach solchen besonderen Diensten zu geben, wann immer zu vertreten. Außerdem bekommen sie für Spitzendienstzeiten eine Vergütung, die aber nur eine Anerkennung und kein vollständiger Ausgleich sein kann. Eine Vorschrift, nach der Sie fragen, in der diese Freizeitgewährung schematisch gleich geregelt wäre, gibt es nicht. Wir halten sie auch für unmöglich und bewegliche Entscheidungen dann für ausschließend.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Zusatzfrage des Abgeordneten Pauli.

Günter Pauli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001683, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wo liegen die Grenzen der dienstlichen Inanspruchnahme, und wer überwacht dies?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, hier kann es keine schematische Antwort geben, wie erkennbar wird, wenn ich Ihnen beispielsweise mitteile, daß 44 % unserer Soldaten bis zu 56 Stunden Dienst tun, daß 41 % der Soldaten bis zu 68 Stunden Dienst tun und daß es noch 7 % sind, die über 68 Stunden Dienst tun, während auch nur 7 % unter 44 Stunden Dienst tun. Ich habe Ihnen vorhin Beispiele genannt. Hier können Sie keine schematische Festlegung geben. Der jeweilige Vorgesetzte muß entscheiden - dafür trägt er die Verantwortung -, wo die Grenze erreicht ist, die nicht überschritten werden darf.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

In der Hoffnung, daß Frage und Antwort kurz sind, lasse ich noch die zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Pauli zu.

Günter Pauli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001683, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit - falls ihr nicht entsprechende Erkenntnisse vorliegen -, untersuchen zu lassen, in welchem Umfang notwendige Dienste durchzuführen sind und ob auf überflüssige Dienste verzichtet werden kann?

Peter Kurt Würzbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002572

Herr Kollege, in der Bundeswehr wird kein überflüssiger Dienst geleistet. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Mit diesem Statement ist die Fragestunde beendet. Frage 47 des Herrn Abgeordneten Pauli wird schriftlich beantwortet, weil wir leider am Ende der uns zur Verfügung stehenden Zeit sind. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. *) Ich danke Herrn Staatssekretär Würzbach für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe Punkt 5 und 6 der Tagesordnung auf: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Braun, Seehofer, Schulze ({0}), Dr. Daniels, Magin, Dr. Jobst, Dr. Kunz ({1}), Biehle, Austermann, Kroll-Schlüter, Dr. Möller, Herkenrath, Dr. Schroeder ({2}), Dr. Blank, Milz, Müller ({3}), Eylmann, Pesch, Dörflinger, Dr. Hoffacker, Rode ({4}), Louven, Seesing, Schwarz, Dr. Riedl ({5}), Dr.-Ing. Kansy, Frau Roitzsch ({6}), Ruf, Landré, Weiskirch ({7}), Hornung, Deres, Dr. Bugl, Weiß, Sauer ({8}), Tillmann, Marschewski, Doss, Sauer ({9}), Maaß, Regenspurger, Rossmanith, Clemens, Scheu, Hinsken, Dr. Olderog, Hanz ({10}), Jagoda, Linsmeier, Gerstein, Dr. Götz, Schmitz ({11}), Frau Geiger, Dr. Hackel, Frau Männle, Hederich, Dr. Hüsch, Echternach, Susset, Link ({12}), Pohlmann, Dr. Müller, Lenzer, Pfeffermann, Sauter ({13}), Dr. Unland, Frau Verhülsdonk, Dr. Göhner, Roth ({14}), Lintner, Dr. Faltlhauser, Dr. Hornhues, Dr. Rose, Höpfinger, Lowack, Keller, Bayha, Dr. Hirsch, Baum, Beckmann, Kleinert ({15}), Hoffie, Bredehorn, Dr. Feldmann, Gattermann, Dr. . Haussmann, Dr. Solms, Wolfgramm ({16}) und der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Lage der Städte, Gemeinden und Kreise - Drucksachen 10/680, 10/1506 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes - Drucksache 10/2230 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß ({17}) Innenauschuß Haushaltsausschuß Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Bera- *) Die Fragen 72 des Abg. Dr. Rose, 88 und 89 des Abg. Dr. Ehmke ({18}) sind von den Fragestellern zurückgezogen worden. Die übrigen nicht behandelten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen im Plenarprotokoll 10/102 abgedruckt. tung der Tagesordnungspunkte 5 und 6 und eine Aussprache von vier Stunden vorgesehen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Braun.

Gerhard Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Mit der Großen Anfrage zur Lage der Städte, Gemeinden und Kreise, mit der Antwort der Bundesregierung und dieser Debatte wollen die Koalitionsfraktionen eine Bilanz und Standortbestimmung der Lage der kommunalen Selbstverwaltung erreichen und neue Impulse zur Stärkung der Demokratie vor Ort auslösen. Verfassungsrechtlich gehören die Kommunen in den Bereich der Länder, und dennoch greift die Ebene des Bundes mit Gesetzgebung, Verordnungen und anderen Maßnahmen gestaltend in zahlreiche Tätigkeitsfelder der Kommunen ein. Hieraus erwächst dem Deutschen Bundestag Verantwortung für die kommunale Selbstverwaltung. ({0}) Die CDU/CSU-Fraktion bekennt sich eindeutig zu dieser Verantwortung. Wir begrüßen auch, daß sich die Bundesregierung in der Antwort auf unsere Große Anfrage ausdrücklich zu dieser Mitverantwortung bekennt. Wir danken der Bundesregierung für die umfassende und informative Antwort. ({1}) Damit erhalten die kommunalen Mandatsträger und Verwaltungen eine wertvolle Orientierungshilfe für ihre Arbeit. In diesem Zusammenhang möchte ich von dieser Stelle aus all den Mitbürgerinnen und Mitbürgern ein herzliches Wort des Dankes sagen, die in ehrenamtlicher Aufgabenerfüllung, aber auch im Hauptberuf in unseren Städten, Gemeinden und Kreisen im Dienst für die Mitbürger in ihrem örtlichen Lebensbereich einen entscheidenden Beitrag für den Ausbau unseres freiheitlichen und sozialen Bundesstaates leisten. ({2}) Nach unserer Überzeugung soll die Politik des Bundes, soweit sie auf die Kommunen einwirkt, einen Rahmen setzen, der von den Verantwortlichen vor Ort ausgefüllt wird. In der Gesetzgebung des Bundes muß der Handlungsspielraum der Gemeinden geachtet und bewahrt werden. Die Politik des Bundes muß darauf gerichtet sein, daß Städte, Gemeinden und Kreise ihre Individualität erhalten und entwickeln können. Die zweite Maxime der Politik des Bundes muß sein, daß den Gemeinden im Rahmen der Gesamtheit der finanziellen Mittel ein angemessener Anteil zur Verfügung steht. Wir wissen, daß die Verantwortung für die Kommunen in erster Linie Angelegenheit der Länder ist. Durch die Fachgesetzgebung, die sich bei den Kommunen in den Ausgaben niederschlägt, und durch seine Steuerkompetenz trägt der Bund Mitverantwortung für die Finanzlage der Städte, Gemeinden und Kreise. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt, daß sich die jetzige Bundesregierung mehrfach, auch in der Antwort auf unsere Große Anfrage, zu dieser Mitverantwortung bekannt hat. Dies steht in positivem Gegensatz zu der Politik der Vorgängerregierung. ({3}) Die Folge der kommunalfeindlichen SPD-Politik war die zweifellos größte Finanzkrise der kommunalen Haushalte in der Geschichte der Bundesrepublik zu Beginn der 80er Jahre. ({4}) Nach zwei Jahren Arbeit der neuen Bundesregierung können wir feststellen: Die Finanzkrise der Städte, Gemeinden und Kreise ist überwunden. ({5}) Wir haben sogar die paradoxe Situation, daß sich die kommunalen Spitzenverbände - meines Erachtens zu Recht - gegen ein „Reichrechnen" der Kommunen zur Wehr setzen. Dies kennzeichnet die völlige Änderung der Lage. An diesem Erfolg haben die Kommunen selber einen großen Anteil. Das zeigt die immer noch große Vitalität der kommunalen Selbstverwaltung, zu der wir die Kommunalpolitiker beglückwünschen. Dieser Erfolg, meine Damen und Herren, war andererseits aber nur möglich auf dem Hintergrund einer soliden und kommunalfreundlichen Politik der Bundesregierung. Wie sieht die Lage heute aus? Der Rückgang der kommunalen Investitionen ist gestoppt. Nach dem gewaltigen Einbruch der kommunalen Investitionen als Folge der Finanzkrise zeichnet sich in diesem Jahre eine Trendumkehr ab. Einem zunächst weiteren Rückgang in der ersten Jahreshälfte steht in der zweiten Jahreshälfte ein leichter Anstieg gegenüber, so daß wir im Jahresdurchschnitt etwa mit Stagnation zu rechnen haben. Für die nächsten Jahre rechnen sowohl die kommunalen Spitzenverbände wie die Bundesregierung mit einem überproportionalen Anstieg der Investitionen. Beide Prognosen sind in diesem Bereich nahezu identisch. Ein Blick auf die Haushaltsentwürfe, die zur Zeit in den kommunalen Parlamenten beraten werden, zeigt einen zum Teil kräftigen Anstieg der Investitionen. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Kollege Braun, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gerhard Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000251, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte im Zusammenhang vortragen und auch im Hinblick auf meine nachfolgenden Kollegen keine Zwischenfrage zulassen. ({0}) Die Defizitentwicklung und die Kreditaufnahme sind eindeutig rückläufig. Im Gegensatz zu Bund und Ländern nimmt die Zinsbelastung der kommunalen Haushalte ab. Die Ausgabendynamik vor allem im Verwaltungshaushalt wurde gebremst. Dies gilt praktisch für alle Ausgabearten, vor allem für die großen Blöcke Personalausgaben, Verwaltungsaufwand und Soziales. Auch hier werden die Erfolge der Politik der Bundesregierung sichtbar. ({1}) Dies gilt für die maßvolle Tarifpolitik im öffentlichen Dienst, vor allem aber für die Stabilitätspolitik der Bundesregierung. Keine Ebene der öffentlichen Haushalte hat solche Vorteile aus der Stabilitätspolitik wie die Kommunen. Der Rückgang der Inflationsrate ist der wichtigste Grund dafür, daß die Einnahmen der Gemeinden seit zwei Jahren schneller wachsen als die Ausgaben. Daraus ergeben sich die raschen Konsolidierungserfolge der kommunalen Haushalte. Meine Damen und Herren, was ist in den kommenden Jahren auf Bundesebene zur weiteren Konsolidierung der Kommunalfinanzen und damit auch zur Sicherung eines überproportionalen Investitionswachstums zu tun? Erstens. Die Kommunen müssen weiterhin Sicherheit über ihre Einnahmesituation haben. Dabei ist die von Bundeskanzler Helmut Kohl ausgesprochene Gewerbesteuergarantie von herausragender Bedeutung. Die CDU/CSU begrüßt daher ausdrücklich, daß diese Gewerbesteuergarantie in der Antwort auf die Große Anfrage konkretisiert und über die laufende Legislaturperiode hinaus erweitert worden ist. ({2}) Die Gewerbesteuer hat für die Gemeinden nicht nur quantitative Aspekte; sie ist durch das gemeindliche Hebesatzrecht Garant und Markenzeichen finanzieller Autonomie. Zweitens. Die Dynamik der Sozialausgaben macht den Städten, Gemeinden und Kreisen besondere Sorgen. ({3}) Die Steigerungsraten haben sich zwar in den letzten zweieinhalb Jahren beträchtlich abgeschwächt. Sie liegen aber noch immer über dem Durchschnitt der übrigen Ausgabenentwicklung. Die Ursachen sind differenziert und müssen daher auch differenziert angegangen werden. Eine wesentliche Ursache ist die Arbeitslosigkeit. Wegen der Dauerarbeitslosigkeit steigt die Inanspruchnahme der Sozialhilfe durch Arbeitslose. Die Gemeinden haben an der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein vitales Interesse. Arbeitslosigkeit, die durch eine jahrelange falsche Politik entstanden ist, läßt sich nicht von heute auf morgen beseitigen. ({4}) Die Zunahme der Arbeitslosigkeit ist gestoppt. Die Bundesregierung hat inzwischen auch erste Schritte unternommen, die zu einer Verringerung der Sozialhilfebelastung der Kommunen führen. ({5}) So wird die deutliche Verlängerung der Bezugszeiten von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose zu einer Entlastung in der Sozialhilfe von mehr als 100 Millionen DM führen. ({6}) In die gleiche Richtung zielt die Entscheidung, die Kindergeldzahlungen bei arbeitslosen Jugendlichen wieder einzuführen. Auch dies führt zu einer Entlastung der Kommunen in der Sozialhilfe. Hier wird ein Teil des Verschiebebahnhofs der SPD-geführten Bundesregierung rückgängig gemacht. ({7}) Ein weiterer Schritt bei der Entlastung der Sozialhilfe wird die Neuordnung des Familienlastenausgleichs sein. ({8}) Vor allem die Anhebung des Kindergelds für die Einkommensschwachen wird die Ausgaben der Sozialhilfe verringern. Diese Beispiele zeigen: Während die SPD bei ihren Leistungskürzungen einen Verschiebebahnhof zu Lasten der Kommunen praktizierte, nimmt die Regierung Kohl mit fortschreitender Konsolidierung Schritt für Schritt diese Belastung von der Sozialhilfe weg. ({9}) Die Bundesregierung hat auch ein Thema aufgegriffen, das die SPD bisher lediglich diskutiert hat. Ich meine die Pflegekostenproblematik. Der vorgelegte Pflegekostenbericht bleibt sicher weit hinter dem zurück, was aus kommunaler Sicht gewünscht wurde. Eine große Lösung würde aber entweder den Beitragszahler oder den Steuerzahler, in jedem Fall den Bürger in Milliardenhöhe zusätzlich belasten. Deshalb ist eine umfassende Lösung zur Zeit finanziell nicht durchsetzbar. ({10}) Meine Damen und Herren, die Gemeinden verfügen über eine stabile Haushaltslage. Die Einnahmeseite ist sicher und wird sich stetig weiterentwikkeln. Auf der Ausgabenseite können die Gemeinden davon ausgehen, daß die Ausgabenentwicklung unter Kontrolle bleibt. Dies ist eine gute und solide Grundlage für eine verstärkte kommunale Investitionstätigkeit. ({11}) Soweit es den Bund angeht, erscheint in absehbarer Zeit die finanzielle Absicherung der kommunalen Selbstverwaltung gesichert. Aber auch die Stärkung des Handlungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsspielraums ist notwendig, wenn die kommunale Selbstverwaltung nicht in eine Sinnkrise geraten soll. Die verringerte Beteiligung an Kommunalwahlen ist ein zu beachtendes Warnzeichen. Zwar wirken viele Faktoren auf die Höhe der Wahlbeteiligung ein, aber zweifellos ist es richtig, daß die Wahlbeteiligung dann tendenziell abnehmen wird, wenn nach Auffassung der Bürger in der Kommunalpolitik nur noch verwaltet, aber nicht mehr gestaltet wird. Dies verringert auch die Bereitschaft von Bürgern, die Mühen eines ehrenamtlichen Mandats in den Städten, Gemeinden und Kreisen auf sich zu nehmen. Die CDU/CSU begrüßt daher die erklärte Absicht der Bundesregierung, in der Rechts- und Verwaltungsvereinfachung einen politischen Schwerpunkt ihrer Arbeit zu sehen. Die Bundesregierung hat dabei einen pragmatischen und erfolgversprechenden Weg eingeschlagen. Ich appelliere an dieser Stelle aber auch an die Länder, darauf zu verzichten, die Aufgabenbereiche der Kommunen landesgesetzlich immer umfassender zu regeln. Auch könnten manche im letzten Jahrzehnt erlassenen Landesgesetze daraufhin überprüft werden - ich sage das mit der notwendigen Zurückhaltung gegenüber unseren Kollegen in den Landtagen -, ob sie dem Gedanken der kommunalen Selbstverwaltung hinreichend gerecht werden. Mit der inhaltlichen Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung wollen wir die Vielfalt in den Kommunen unterstützen und der Tendenz zur Zentralisierung, Reglementierung und Vereinheitlichung entgegenwirken. Auch in den Kommunen wollen wir einen Wettbewerb der besseren Lösungen, um so die Leistungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung im Interesse der Bürger zu stärken. Mehr bürgerschaftliche Selbstverwaltung macht Politik und Verwaltung durchschaubarer und baut Staatsverdrossenheit ab. ({12}) Selbstverwaltung sichert Freiheitsräume für den Bürger und stärkt die Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt, daß sich die Politik der Bundesregierung an diesen Zielen und Grundsätzen orientiert. Die Politik der Bundesregierung hat dazu beigetragen, die Finanzkrise der Städte, Gemeinden und Kreise zu überwinden. ({13}) Die Bundesregierung hat erste Schritte unternommen, durch Abbau von Bürokratie den Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum der Kommunen zu stärken. Die CDU/CSU-Fraktion wird bei dieser Politik auch weiterhin ein kritischer und fördernder Partner sein. Ich danke Ihnen. ({14})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Bernrath.

Hans Gottfried Bernrath (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000161, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Große Anfrage - kleine Antwort. Ganz offensichtlich - das ergibt sich aus Ihren Ausführungen - hatte die Anfrage der Koalitionsfraktionen einzig den Zweck, der Bundesregierung eine Plattform zu schaffen, ihre angeblich so kommunalfreundliche Einstellung zu beweisen. Anders ausgedrückt: Die Regierung sollte Gelegenheit bekommen, ihr auch in dieser Hinsicht arg angekratztes Bild aufzupolieren. ({0}) Der Versuch ist mißlungen, und er mußte mißlingen; denn aus der Antwort sind nichts als geschönte Zahlen herausgekommen. Unbequeme Daten und Fakten wurden weggelassen, ({1}) platte Selbstverständlichkeiten eingestreut. Schließlich wurde, wie üblich, Unverbindliches unverbindlich angekündigt. Eine Standortbestimmung, wie Sie meinen, Herr Braun, war das doch wohl sicherlich nicht. ({2}) Die Wende besteht auch im Verhältnis des Bundes zu den Gemeinden im Vorgaukeln einer heilen Welt. Tatsächlich werden die Gemeinden vertröstet und hingehalten. Es geht ihnen wie dem kleinen Mann im Sozialbereich. Auch veranschlagt die Bundesregierung die Stellung der Gemeinden innerhalb unseres Aufbaus von Staat und Verwaltung offensichtlich nicht sonderlich hoch. Jedenfalls redet die Bundesregierung in ihrer Antwort zwar ständig von ihren Grundsätzen, aber sie handelt ausschließlich nach ihren Interessen. Gemessen wird die Bundesregierung aber nicht an Ankündigungen, Sympathieerklärungen oder Prüfungsaufträgen, sondern an wirksamen, ihrer Mitverantwortung entsprechenden Regelungen, an von ihr tatsächlich durchgesetzten Verbesserungen. Wie sieht es damit nun aus, und worum geht es im Kern? Die Bundesregierung hat mit ihren bisherigen Beschlüssen die Probleme der Gemeinden und Städte, auch der Kreise, nicht gemindert, eher verschärft. Der Erfolg der Gemeindefinanzreform von 1969, nämlich das ausgeglichenere Einnahmesystem, wurde vollends zunichte gemacht. Eingriffe in die Gemeindesteuern und das Abwälzen eines Teils der Kosten der Arbeitslosigkeit auf die von den Kommunen zu finanzierende Sozialhilfe bedrohen den finanziellen Ausgleich der Gemeindehaushalte. ({3}) Den Gemeinden blieb zum Ausgleich der dadurch unvermeidbar gewordenen Finanzierungsdefizite nur übrig, die Investitionen drastisch zu mindern, den Personalbestand in unverantwortlicher Weise zu senken, Leistungen zu kürzen. ({4}) Die eigenen Einnahmen mußten zwangsläufig und entgegen konjunkturellen Erfordernissen durch Heben der Realsteuern, sozialpolitisch bedenkliches Heraufsetzen von Gebühren und Beiträgen und langfristig gefährliche Veräußerung von kommunalen Vermögen verbessert werden. Die Zinsen für die immer noch wachsenden Schulden engen die Etatbeweglichkeit ein. Entscheidend und mit schlimmen Folgen für die Beschäftigungspolitik verbunden ist der Verfall der kommunalen Investitionen. Rund zwei Drittel der öffentlichen Investitionen werden von den Gemeinden verausgabt. Real sind die Kommunalinvestitionen von 1980 bis 1984 um 30% gesunken. In diesem Jahr werden von den Kommunen nur noch 32 Milliarden DM investiert, während es 1980 noch ungefähr 42 Milliarden waren. 1984 fehlen also rund 10 Milliarden im Vergleich zu 1980. ({5}) - Seit 1982 geht es schneller. - Eine riesige Investitionslücke tut sich auf. Wir sind in den Städten und Gemeinden in diesem Jahr auf einem absoluten Tiefpunkt des Investitionsniveaus. Das stellen etwa der Städtetag und das Deutsche Institut für Urbanistik fest. Der Investitionsbedarf der Gemeinden ist entgegen allen Behauptungen nicht gesunken. Von einer Bedarfssättigung kann überhaupt keine Rede sein. Wohl verschieben sich die Investitionsziele. Erhöhter Ersatzbedarf, intensiverer Umweltschutz, Stadterneuerung beispielsweise bestimmen den Investitionszweck heute. Wenn auch nicht ebenso bestimmend, dennoch bedeutsam entwickelt sich der Bedarf in der sozialen Infrastruktur aus der qualitativen Bevölkerungsentwicklung. Stichworte wie Pflegefallversicherung, Ersatz- und Ergänzungsfinanzierungen im Krankenhausbereich kennzeichnen diese Entwicklung. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände schätzt den gewandelten kommunalen Investitionsbedarf vor 1976 bis 1990 auf 820 Milliarden DM in Preisen von 1976. Inzwischen ist absehbar, daß die Sachinvestitionen der Gemeinden 1984 weiter rückläufig sind, und zwar in der ersten Jahreshälfte um rund 5%. Es muß darum bedauert werden, daß 1984 nur noch knapp 67 % des Investitionsbedarfs der Kommunen überhaupt finanziert werden können. Hätte es das Programm der Zukunftsinvestitionen der sozialliberalen Koalition aus 1977 mit seiner Wirkung bis in die 80er Jahre hinein nicht gegeben, sähe die Lage noch düsterer aus. ({6}) Im jahresdurchschnittlichen Bedarf beträgt die kommunale Investitionslücke bis 1990 in heutigen Preisen rund 15 Milliarden DM. Das nennt die Bundesregierung Konsolidierung. Das ist aber nichts anderes als ein drastischer Verfall der Investitionstätigkeit der Städte, Gemeinden und Kreise. Diese Politik wird zum Anstieg der Arbeitslosigkeit beitragen, kleine und mittlere Betriebe, besonders die von kommunalen Aufträgen abhängigen Handwerksbetriebe, in ihrer Existenz gefährden. Qualitatives Wachstum kann auf diese Weise nicht gefördert werden. Wie die einstimmig zustande gekommenen und im Tenor gleichgerichteten mahnenden Entschließungen der kommunalen Spitzenverbände zeigen, sind sich die Kommunalpolitiker aller Parteien in dieser Bewertung einig. Konkret fordern wir darum auch von der Bundesregierung den schnellen Ausgleich der finanziellen Lasten, die den Gemeinden dadurch zugewachsen sind, daß sie über die Sozialhilfe die zunehmende Arbeitslosigkeit mitfinanzieren müssen. ({7}) Der Bund muß insbesondere die Arbeitslosenhilfe so anheben, daß sie die Regelsätze der Sozialhilfe erreicht. Nur so läßt sich vermeiden, daß die Gemeinden ergänzend Sozialhilfe zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Dauerarbeitslosigkeit, zu zahlen haben. Sonst wird - wenn auch regional unterschiedlich - die Finanzkraft der Gemeinden immer weiter ausgehöhlt. Die Ausgaben der Städte sind dann auch nicht mehr kalkulierbar; denn die durch die Arbeitslosigkeit verursachten Soziallasten können gemeindlich nicht oder kaum beeinflußt werden. ({8}) Mit einer Rückverlagerung dieser Kosten auf den Bund, wo sie hingehören, würden Belastungen zunächst zwar nur verschoben, aber eben hin zum Verursacher. Die Gemeinden, die innerhalb des Bereichs der öffentlichen Hand finanziell am schlechtesten gestellt sind, dürfen mit diesen Belastungen, die ihnen - übrigens systemwidrig - zugewachsen sind, nicht alleingelassen werden. Sie können damit auf Dauer auch nicht allein fertigwerden. ({9}) Die Ankündigung schneller Entlastung wird seit der Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 immer nur wiederholt; es geschieht tatsächlich nichts. Inzwischen zahlen die Gemeinden um 20 Milliarden DM für soziale Aufgaben, davon 15 Milliarden nach dem Bundessozialhilfegesetz, und davon wiederum machen Ergänzungsfinanzierungen der Arbeitslosigkeit einen wesentlichen Anteil aus. Wie die Bundesregierung es mit der Selbstverwaltung, der Stärkung des gemeindlichen Lebens hält, beweist ein anderes Beispiel, nämlich die Behandlung der kommunalen Sparkassen in der geplanten Novellierung des Kreditwesengesetzes. ({10}) Der geforderte und zugesicherte Haftungszuschlag für die Sparkassen ist aus dem ursprünglichen Entwurf herausgekippt worden. Die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute sollen geprellt werden. Die drohende Folge wird sein: Von einer mehr als 150jährigen bewährten Tradition bleibt nichts übrig, weil die Wettbewerbsfähigkeit dieser Kassen zu Lasten der kleinen Kreditnehmer, der Handwerker besonders, mit der Verweigerung des Haftungszuschlags zerstört wird. ({11}) Meine Fraktion stimmt darum auch mit den Forderungen der kommunalen Spitzenverbände vom 23. Oktober dieses Jahres voll überein: Wenn die finanzielle Leistungsfähigkeit der Städte und Gemeinden nicht verfallen soll, müssen die Gemeindefinanzen schnell reformiert, muß das Arbeitsförderungsgesetz in den die Kommunen betreffenden Teilen novelliert, die von der Bundesregierung geplante Krankenhausfinanzierung abgelehnt, eine die Städte entlastende Regelung gefunden, aber auch die Benachteiligung kommunaler Sparkassen verhindert werden. Die Verunsicherung durch die regelmäßig wiederkehrende Forderung nach Beseitigung der Gewerbesteuer aus den Reihen der Koalition muß aufhören. ({12}) In welchem Maß der vernünftig begründete Finanzbedarf der Kommunen gedeckt werden kann, hängt - wie auch in der Vergangenheit - entscheidend vom Finanzanteil der Kommunen an den gesamten Steuereinnahmen ab, also von der Einsicht des Bundes und der Länder. Insoweit ist allerdings Skepsis geboten. ({13}) Neue Aufgaben stehen den Gemeinden ins Haus. Für Städte und Gemeinden zeigen sich beispielsweise wichtige Besonderheiten in der langfristigen Entwicklung des Arbeitsmarktes und der zunehmenden Freizeit ihrer Bürger und Einwohner. Die Menschen werden bei geringerer Arbeitszeit - ob nun Wochen-, Jahres- oder Lebensarbeitszeit - und bei schwindendem Angebot an Arbeitsplätzen als Folge des technischen Wandels ihre Lebenserfüllung, ihre Lebensbindungen und auch ihre Reputation immer weniger in den Berufen finden. Dagegen werden sie wichtige Lebensvoraussetzungen in ihren Gemeinden suchen. ({14}) Das wird dazu führen, daß kommunale Verwaltung noch weniger und immer weniger Ordnungsverwaltung sein wird. Dagegen wird von den Gemeinden immer mehr Beratung der Bürger, Hilfe für bestimmte Bürgergruppen, Anregung und Hilfe bei der Verwendung der Freizeit und immer mehr dienstleistende Verwaltung erwartet. Darauf sind die Gemeinden zwar eingestellt, sie können aber darauf nicht vorbereitet sein, weil sie sozusagen von der Hand in den Mund leben müssen. ({15}) Für eine personelle und technische Anpassung an diese neuen Aufgaben fehlen den Gemeinden die Mittel. ({16}) Beratung, Lebenshilfe, Dienste leisten erfordert andere personelle Qualifikationen, zumal sich die soeben angedeuteten Aufgabenveränderungen auf dem Hintergrund auch eines Wandels im gesellschaftlichen Wertesystem vollziehen. Diese Entwicklung ist durch die eindrucksvolle und steigende Anzahl der Besucher kultureller Veranstaltungen der Großstädte, Städte und Gemeinden bereits belegt. Der große Aufschwung etwa der Musik- oder überhaupt der Kreativitätsschulen, die zahlreichen kulturellen Initiativen in kleinen Gemeinden oder Stadtteilen beweisen, daß unsere Mitbürger immer mehr kulturelle Angebote verlangen und diese auch nutzen. Die Gemeinden sind auch verpflichtet, durch ein breites kulturelles Angebot Bürgern aus allen Bevölkerungskreisen die Teilhabe am kulturellen Geschehen zu ermöglichen. Dafür fehlen aber die finanziellen Mittel. Die gerade dafür verantwortlichen und sich verantwortlich fühlenden Kommunalpolitiker, oft etwas abschätzig Freizeitpolitiker genannt, hätten statt verbalem Dank lieber bessere Voraussetzungen für ihr schwieriges und zeitraubendes und am Bürger unmittelbar zu leistendes Tun. ({17}) - Sie sind Freizeitbeauftragter oder so etwas, habe ich gehört. ({18}) - Präsident sogar! Dann sehen Sie einmal zu, daß Sie damit etwas anfangen! Bis jetzt nutzen Sie diese Aufgabe völlig unzureichend. ({19}) - Aber dafür müssen Sie Geld haben. Das gibt Ihnen niemand. Es gibt ein spanisches Sprichwort: Wenn das Mehl zu Ende geht, kommt die schlechte Laune. Und die werden Sie bald haben, weil Ihnen keiner Geld gibt. ({20}) Nun hat die Bundesregierung auch dafür ein Rezept zur Hand. Sie will entbürokratisieren. Damit ist sozusagen der Stein der Weisen entdeckt. Denn auf diese Weise soll wohl Geld lockergemacht werden. Bisher gibt es aber auch dazu nichts als Ankündigungen, Herr Möller, oder Fehlmeldungen. Es wird intensiv beraten, liest und hört man. Wie lange schon und wie lange noch? Offensichtlich handelt es sich dabei um nichts anderes als um einen kostspieligen Versuch, alles beim alten zu belassen. Gesetzgebung und Verwaltungsregelungen laufen nach wie vor darauf hinaus, daß auf allen Ebenen Verwaltungen konkurrierend tätig sind, untereinander emsig verhandeln, prüfen und genehmigen -({21}) ein unsinniger Aufwand, eben Bürokratie im üblen Sinne. Den Gemeinden bleibt für die notwendige Anpassung in eigener Verantwortung - das wollen die Kommunalpolitiker ja - kein Raum. Schließlich ist dann der Bürger der Benachteiligte. Kommunale Aufgaben können nicht erfüllt werden. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen der kommunalen Selbstverwaltung werden ausgehöhlt. Stetiger Aufgabenzuwachs bei zunehmendem Perfektionismus in den Gesetzesvorschriften und fehlenden Finanzierungsquellen behindern bürgernahe Politik in den Gemeinden. Die Folgerungen - insbesondere wegen der Minderung der finanziellen Leistungskraft der Gemeinden durch die Bundesregierung - müssen darum heißen - ich wiederhole -: schnelles Vorbereiten der Finanzreform, Garantie der Gewerbesteuer usw. Die Untersuchungen des Bundes und der Länder dazu dürfen sich auch nicht allein auf die Aufgabenseite beziehen. Sie müssen auch die Einnahmen umfassen. Daran, verehrte Damen und Herren, sollten wir gemeinsam arbeiten. So wie unsere Erkenntnisse aus unserer Praxis als Kommunalpolitiker übereinstimmen und sich diese Übereinstimmung in gemeinsamen Forderungen und Entschließungen der kommunalen Verbände niederschlägt, so sollten wir auch hier im Deutschen Bundestag gemeinsam auf das Ziel der Verbesserung der kommunalen Leistungskraft hinwirken. Das möchten wir im fairen Wettbewerb mit Ihnen hier tun. Die Antwort der Bundesregierung auf Ihre Große Anfrage zur Lage der Städte, Gemeinden und Kreise ist dafür aber leider keine geeignete Grundlage. Danke schön. ({22})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion begrüßt, daß die Bundesregierung mit der Beantwortung der Großen Anfrage der Koalitionsfraktionen eine umfassende Bestandsaufnahme der Lage der Städte, Gemeinden und Kreise vorgenommen hat. Die Antwort der Bundesregierung zeigt, daß die finanzielle Lage der Kommunen bei weitem nicht so dramatisch ist, wie sie von manchen Schwarzmalern auch in diesem Hause dargestellt wird. ({0}) - Herr Kollege Bernrath, es wäre ein Akt der Redlichkeit gewesen, wenn Sie beklagen, daß die Gemeinden z. B. bei der Sozialhilfe immer höhere Lasten zu übernehmen haben, auch zu sagen, daß die Entscheidungen, die dazu geführt haben, zum Teil in einer Koalition herbeigeführt worden sind, der Sie selbst angehört haben. ({1}) - Es ist ziemlich billig, die schlechten Sachen auf die anderen zu schieben und die guten für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Das lassen wir nicht mit uns machen. ({2}) Im übrigen können einem geradezu die Tränen kommen, wenn man Ihre Behauptungen zur Nichteinführung des Haftungszuschlags im Kreditwesengesetz hört. Alle Sachverständigen, die Deutsche Bundesbank, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, der Sachverständigenrat, alle haben darauf hingewiesen, daß dies nicht nur dem Ziel der Novelle des Kreditwesengesetzes genau entgegenwirken würde, die darauf ausgerichtet ist, die Eigenkapitalbasis der Kreditwirtschaft zu stärken, sondern daß es auch zu Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Genau dies wollen wir nicht. Wir sind froh, daß wir eine gewisse Wettbewerbsneutralität bei den verschiedenen Bankengruppen erreicht haben, und daß muß für die Zukunft festgeschrieben werden. ({3}) Die Finanzreform von 1969 hat die Gemeinden in ihrer Gesamtheit begünstigt. Die Finanzreform wirkt heute noch dynamisch fort. 1970 entfielen beispielsweise auf die Gemeinden 11,3% des gesamten Steueraufkommens, 1983 waren es 12,5%. Die Kreditfinanzierungsquote - das ist der Anteil der Kredite an den Gesamtausgaben - ist heute mit 1,8 niedriger als im Jahre 1970; damals betrug sie 5,3%. Das heißt, die Gemeinden haben ihre Finanzierungssituation in den Jahren dazwischen erheblich verbessern können. ({4}) Das Steueränderungsgesetz 1979, an dem Sie ebenfalls beteiligt waren, hat im übrigen eine starke Verbesserung der Gemeindefinanzen mit bewirkt. Dort ist nämlich bei der Abschaffung der arbeitsplatzfeindlichen Lohnsummensteuer der Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer von 14 auf 15% angehoben und die Gewerbesteuerumlage um ein Drittel gesenkt worden. Das sind Fakten, die Sie selber mit beschlossen haben; davon werden Sie sich heute nicht mehr lossagen wollen. ({5}) Das hat mit dazu beigetragen, daß die Finanzsituation der Gemeinden heute besser ist. Meine Damen und Herren, natürlich ist zu bedauern, daß die Gemeinden bei ihrem Ausgabeverhalten in den letzten Jahren insbesondere die investiven Ausgaben eingeschränkt haben - darin stimmen wir überein -, sich aber bei der Einschränkung ihrer konsumtiven Ausgaben sehr stark zurückgehalten haben. Sie müssen sich nur die Personalhaushalte in den Gemeinden anschauen. Was früher ein Inspektor als Aufgabenbereich zu verwalten hatte, ist heute mindestens Aufgabe eines Amtsrats. ({6}) Von dieser Entwicklung sind die Gemeinden im Durchschnitt und über das ganze Land gesehen nicht abgegangen. ({7}) Sie hätten auch einen größeren Teil ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten privaten Anbietern überlassen können, die dieses besser und billiger gemacht hätten. ({8}) Der Bundesregierung ist zuzustimmen, wenn sie sagt, daß eine Notwendigkeit zur quantitativen Verbesserung der Finanzausstattung der Gemeinden im gegenwärtigen Zeitpunkt und unter Berücksichtigung der Finanzsituation der anderen Gebietskörperschaften nicht besteht. Die FDP-Fraktion hält jedoch eine qualitative Verbesserung für dringend geboten. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinem Sondergutachten 1982 folgendes festgestellt. Ich zitiere: Zu den wichtigsten Aufgaben der Finanzpolitik der kommenden Jahre gehört die Neuordnung des Gemeindesteuersystems ... Der Stein des Anstoßes ist die Gewerbesteuer. Ich betone das hier ganz deutlich. Eine von der FDP durchgeführte Anhörung zum Gemeindesteuersystem hat die Reformbedürftigkeit des kommunalen Steuersystems voll und ganz bestätigt. Es ist vor allem die Gewerbesteuer, die gegen nahezu alle Anforderungen verstößt, die an eine Gemeindesteuer zu stellen sind. Die Gewerbesteuer führt beispielsweise zu erheblichen Steuerkraftunterschieden der Gemeinden. Ich weise das an einer Statistik nach: Beispielweise betrug im Jahre 1980 die Gewerbesteuer nach Ertrag und Kapital je Einwohner in Hamburg 637 DM und in Dortmund 259 DM. Das zeigt, wie unterschiedlich das Steueraufkommen ist. Es ist um so erstaunlicher, daß der Präsident des Deutschen Städtetages, Herr Samtlebe, Oberbürgermeister von Dortmund, hartnäckig die Gewerbesteuer verteidigt, obwohl gerade die Gemeinde, für die er die Verantwortung trägt, mit am stärksten unter dieser Steuer zu leiden hat. Ein zweiter Punkt ist die Abhängigkeit der Gewerbesteuer von den Konjukturzyklen, von den Konjunkturausschlägen. ({9}) Ich kann das ebenfalls beweisen. - Durch Lautstärke werden Ihre Argumente nicht besser! - 1972 ist beispielsweise das reale Sozialprodukt in der Bundesrepublik Deutschland um 4,1 % gestiegen, das Gewerbesteueraufkommen der Gemeinden aber um 25,7 %. Das zeigt im positiven Verlauf den Ausschlag nach oben. Im Jahre 1981 - das Gegenbeispiel - ist das reale Bruttosozialprodukt um 0,2 % gefallen, das Gewerbesteueraufkommen hingegen um 4%, d. h. um das 20fache. Die Gemeiden unterliegen also im Konjunkturverlauf diesen Zyklen und müssen sich mit ihren Finanzierungsgewohnheiten dem anpassen. Darüber hinaus benachteiligt die Gewerbesteuer die deutsche gewerbliche Wirtschaft einseitig gegenüber unseren ausländischen Konkurrenten. Sie führt dazu, daß der Gewerbebetrieb eine Besteuerung auf den Ertrag von über 70% hat, so daß nur die verbleibenden maximal 30 % für Investitionen verfügbar bleiben. ({10}) Das ist ein Grund, warum die Gewerbesteuer auch in unserer wirtschaftsstrukturellen Situation ausgesprochen schädlich ist. ({11}) Die FDP ist daher der Auffassung, daß die Abschaffung der Gewerbesteuer überfällig ist. ({12}) Sie hält sich allerdings an die Vereinbarung in der Koalition, daß die Gewerbesteuer in dieser Legislaturperiode nicht mehr angetastet werden soll. ({13}) - Es gibt keine Koalitionsabsprache über diese Legislaturperiode hinaus, verehrter Herr Kollege. Deswegen muß ich auch dem Kollegen Braun widersprechen, der zuvor gesprochen hat. Es gibt zwangsläufig Koalitionsabsprachen nur für eine Legislaturperiode und nicht darüber hinaus. Für die nächste Legislaturperiode halten wir dieses Thema als Diskussionsthema offen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, jetzt komme ich dran mit der Frage, ob Sie eine Zwischenfrage gestatten. - Frau Abgeordnete Reetz, bitte.

Christa Reetz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, würden Sie mit zugestehen, daß die Gemeinden, die hohes Gewerbesteueraufkommen haben, dadurch zwar über mehr Geld verfügen, daß aber für die Bürger in diesen Gemeinden dieses hohe Gewerbesteueraufkommen meistens mit einer Abnahme der Lebensqualität zusammengeht? Sagen Sie jetzt nicht, das seien Arbeitsplätze; die Lebensqualität nimmt mit den Betrieben ab. Das ist bei der heutigen Lage überall so.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Kollegin, wenn ich Sie richtig verstanden habe, kritisieren Sie, daß Gewerbebetriebe existieren. ({0}) - Im Endeffekt. - Wenn wir keine Gewerbebetriebe mehr in der Bundesrepublik haben, möchte ich wissen, wovon wir unser Sozialprodukt erwirtschaften sollen, was schließlich Voraussetzung für das Wohlstandsniveau ist, das wir hier in der Bundesrepublik haben. ({1}) Die FDP legt Wert auf die Feststellung, daß die Neuregelung der Gemeindefinanzen zu den vordringlichen Aufgaben der nächsten Legislaturperiode gehört. Ziel einer Fortführung der Finanzreform muß es sein, erstens die Finanzautonomie der Gemeinden und den stetigen Fluß der Gemeindefinanzen sicherzustellen, zweitens die Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden zu mildern, drittens die Interessenverbindung zwischen Betrieben, Gemeinden und Bürgern zu gewährleisten und viertens schließlich unbestreitbare internationale Wettbewerbsnachteile der deutschen Wirtschaft abzubauen. Immerhin zahlen von den 1,6 Millionen Gewerbebetrieben in Deutschland 600 000 Gewerbeertragsteuer und 250 000 Gewerbekapitalsteuer. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, ich will es bei der einen Zwischenfrage belassen. Die Neuordnung der Gemeindefinanzen kann allerdings nicht ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept durchgeführt werden. Wir schlagen deshalb vor, daß für eine Neuordnung des Gemeindesteuersystems eine unabhängige Sachverständigenkommission einberufen wird, die den Gesamtbereich der Aspekte der Gewerbesteuer und der Gemeindesteuern diskutiert und ein Konzept vorschlägt. Eines ist für uns jedenfalls klar: Die Wertschöpfungssteuer, die ja von einigen Mitgliedern der SPD-Fraktion unterstützt wird, kann keine Lösung sein. Die Wertschöpfungssteuer ist ein extremes Beispiel für eine Arbeitsplatzstrafsteuer; sie ist sozusagen ein Jobkiller ersten Ranges. Diesen Weg wollen wir nicht mitmachen. Auch die Forderung nach einer Erhöhung des Einkommensteueranteils der Gemeinden von 15 auf 16 % zu Lasten des Bundes oder der Länder ist im Moment nicht zu verantworten, da die Finanzsituation von Bund und Ländern zur Zeit schlechter ist als die der Gemeinden im Durchschnitt. Die Ausdehnung der Gewerbesteuer auf Freiberufler, wie sie in dem SPD-Antrag festgeschrieben ist, lehnen wir grundsätzlich und entschieden ab. Ein Wiederaufleben der sogenannten Vervielfältigungstheorie wäre geradezu paradox. Das würde bedeuten: Wenn ein freiberuflicher Akademiker mehr als einen Akademiker beschäftigt, würde er dadurch gewerbesteuerpflichtig. ({0}) Das ist eine geradezu widersinnige Forderung. ({1}) Auch das Anknüpfen der Gewerbesteuerpflicht an ein Betriebsvermögen von 80 000 DM ist absolut lächerlich. Jeder freiberuflich tätige Techniker, jeder Arzt oder wer auch immer hat mindestens ein Betriebsvermögen von 80 000 DM. ({2}) Das würde fast alle Freiberufler mit einbeziehen. ({3}) Das kann nicht der richtige Weg zu einer Reform des Gemeindesteuersystems sein. Abschließend noch ein Wort zu der Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes, die hier vorgeschlagen wird. Es ist eine Änderung, die sicher viele nicht so sehr beschäftigt; dennoch ist die heute zu beratende Gesetzesänderung nicht unwichtig. Immerhin geht es um die Frage, wie der Lohn- und Einkommensteueranteil der Gemeinden, der 1985 immerhin 26 Milliarden DM erreichen wird, zwischen den Kommunen untereinander aufgeteilt wird. Die Beteiligung der Gemeinden an der Lohn-und Einkommensteuer wurde mit Wirkung ab 1970 im Zuge der Gemeindefinanzreform eingeführt. Es geht darum, übermäßige Steuerkraftunterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden abzubauen; gleichzeitig aber das Steuerkraftgefälle zwischen großen und kleinen Gemeinden zu wahren. Die Anhebung der Sockelbeträge von 25 000 DM für Ledige und 50 000 DM für verheiratete auf 32 000 bzw. 64 000 DM ist sinnvoll und statistisch untermauert. Wir werden diesen Antrag unterstützen. Die FDP-Fraktion wird bei den Ausschußberatungen prüfen, wie sich die Änderungen auf die einzelnen Gemeindetypen auswirken. Abschließend meine ich: Die Frage, wie die Gewerbesteuer und das heutige Gemeindesteuersystem tatsächlich auf die verschiedenen Betroffenen, aber auch auf die Finanzmöglichkeiten der Gemeinden wirken, sollte sachlich und unvoreingenommen diskutiert werden, und man sollte nicht mit dem einfachen Schlagwort „Man darf nicht an die Gewerbesteuer rühren" die Sachdiskussion von vornherein verbauen wollen. Ich danke Ihnen. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Krizsan.

Julius H. Krizsan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001220, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! ({0}) - Sie können ja nachher von der Seite der Freizeit her selbst noch etwas dazu sagen. Herr Solms, zunächst ein Wort zu Ihnen: Ich finde es schon erstaunlich, wie Sie gegen jede Belastung kämpfen, die die deutsche Wirtschaft nur irgendwie behindern könnte. ({1}) Am liebsten möchten Sie wohl, daß die deutsche Wirtschaft überhaupt keine Steuern zahlt und gar nicht mehr belastet wird. ({2}) Ich würde Sie gerne für einen Orden vorschlagen, falls es den gibt, für den Orden des Oberlobbyisten. Ich glaube, den haben Sie wirklich voll verdient. ({3}) - Ich möchte keine Zwischenfragen zulassen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Sie möchten keine Zwischenfragen beantworten? ({0})

Julius H. Krizsan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001220, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe leider nicht so viel Zeit wie Sie, Herr Beckmann. Meine Damen und Herren, ein Großteil der Aussagen der Bundesregierung zur Lage der Städte, Gemeinden und Kreise sind ignorant, manche sind der blanke Zynismus. Dazu würde ich auch die Aussage von Ihnen, Herr Braun, rechnen, der Sie gesagt haben: ({0}) Die Krise der Gemeindefinanzen ist überwunden. - Ich weiß nicht, wo Sie das festgestellt haben. Bei mir zu Hause sieht es anders aus. ({1}) - Ich würde sagen, bauen Sie sich doch erst einmal einen Katalysator für Ihre Zwischenrufe ein; dann kommt das besser an. ({2}) So spricht die Bundesregierung davon, daß es möglich sei, daß sich aus den Sparoperationen des Bundes in den letzten Jahren geringfügige Belastungserhöhungen in einzelnen kommunalen Bereichen ergeben hätten, insgesamt aber der Bund mit seiner Politik eine Konsolidierung der kommunalen Haushalte bewirkt habe. Nebenbei wird dann angefügt, daß der Rückgang der Kreditfinanzierungsquote auf der gemeindlichen Ebene auch auf beachtlichen eigenen Anstren7318 gungen der kommunalen Gebietskörperschaften beruhe. Das ist doch eine Verdrehung der Tatsachen! Das stellt doch die Verhältnisse völlig auf den Kopf. Zum einen ist die Kreditfinanzierungsquote kaum ein geeigneter Indikator, um etwas über die finanzielle Lage der Kommunen auszusagen. ({3}) Es wurde in dieser Anfrage wohl bewußt jeglicher Hinweis darauf unterlassen, daß die Verschuldungsmöglichkeiten der Kommunen rechtlich äußerst eingeschränkt sind. Sie haben gar nicht die Möglichkeit, Defizite, die durch die Politik des Bundes aufgerissen werden, durch Kredite zu stopfen. Sie müssen also, wenn die Gebühren nicht weiter hochgeschraubt werden können und auch die Länder eine Konsolidierungspolitik auf dem Rücken der Kommunen betreiben, ihre Ausgaben zusammenstreichen. Ich welchen Bereichen und mit welchen Folgen Sie das machen, davon steht in dieser Antwort der Bundesregierung auch wieder kein Wort. Vielleicht hat es die Fragesteller aber auch gar nicht interessiert. Ich möchte hier nur einmal ein paar Antworten der Kreis- und Bezirksverbände auf Anfragen nach Sparmaßnahmen zitieren. Im Kindergartenbereich z. B.: Schließung von Gruppen, Erhöhung der Gruppenstärken, Einstellung von Vorschulprogrammen. ({4}) - Seit wann machen die Länder die Kindergärten? ({5}) Aber Herr Kollege, hören Sie einmal! - Im Jugendpflegebereich: Einschränkung der Beratungsdienste, z. B. der Drogenberatung, Schließung der Treffpunkte für arbeitslose Jugendliche. Im Personalbereich insgesamt: z. B. Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen in der Freizeit, Nichtgewährung von zinslosen Darlehen. Eine kleine Bemerkung am Rande nach rechts: Herr Lambsdorff hätte Schwierigkeiten gehabt, seine Anwaltskosten vorfinanzieren zu lassen, wenn er auf der kommunalen Ebene tätig gewesen wäre. ({6}) Zum Bereich Justizvollzug heißt es: Ein weiterer Stellenabbau führt bei der herrschenden Personalknappheit zu Handlungsunfähigkeit und letztlich zu höheren Kosten. - Es trifft also genau die - Kinder, Arbeitslose, Gefangene -, die hier keine große Lobby haben und sich gegen die Streichung nicht wehren können. ({7}) Meine Damen und Herren, eine solche Kontraproduktivität der Maßnahmen liegt doch bereits auch in anderen Bereichen vor. Wenn die Bundesregierung als eine Maßnahme zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung angibt, daß sie - so wird es in dieser Antwort geschrieben - bei den Statistiken der öffentlichen Abfallbeseitigung die Meldepflichten drastisch herabsetzen will, so wird auch dies eine kontraproduktive Maßnahme sein, die hinterher zu erheblichen Kosten führen wird, dann nämlich, wenn kostspielige Untersuchungen der Mülldeponien, deren Abtragung oder sogar die Evakuierung von Anwohnern erfolgen müssen; denken wir dabei doch nur einmal an Hamburg und an andere Vorfälle in unserer Bundesrepublik! ({8}) - Solingen zum Beispiel. Die Bundesregierung ist nicht gewillt - das wird aus der Antwort sehr deutlich -, in dieser Legislaturperiode Maßnahmen zur Verbesserung der Gemeindefinanzen zu ergreifen. Vielmehr müssen die Kommunen auf der Hut sein, daß nicht weitere Verschlechterungen erfolgen. So beteuert die Bundesregierung in dieser Antwort vom 25. Mai dieses Jahres, daß Eingriffe in die Gewerbesteuer nicht zur Diskussion stünden. Mit dem Steuerbereinigungsgesetz, das wir heute abend noch diskutieren werden, wurde aber bereits im Herbst wieder ein Vorschlag eingebracht, der für einige Kommunen erhebliche Ausfälle gebracht hätte und nur durch den scharfen Protest der Betroffenen zurückgestellt wurde, aber noch keineswegs vom Tisch ist. Ich vermute, daß sich Herr Solms da noch sehr engagieren wird. In der Antwort wird weiter ausgeführt, daß der Ausgleich - ich zitiere - „des Steuerkraftgefälles zwischen finanzstarken und finanzschwachen Gemeinden nicht zu den Aufgaben des Bundes gehört". Es ist aber genau dieser Ausgleich, der durch die Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes, d. h. durch die Anhebung der Höchstbeträge, beeinflußt wird. Hierdurch werden nämlich finanzschwache Gemeinden relativ benachteiligt, weil sich in diesen das Einkommen der Einwohner weniger nach oben entwickelt hat. Natürlich läßt sich die Auffassung vertreten, daß eine Aktualisierung der statistischen Grundlagen, eine Heraufsetzung der Höchstbeträge, von Zeit zu Zeit sein muß, ({9}) Dem ist aber nur dann ganz zu folgen, wenn der Verteilungsschlüssel für den Einkommensteueranteil akzeptiert wird. Das ist der Knackpunkt, Herr Kollege. Dieser Verteilungsschlüssel bestimmt sich durch die Einkommensteuerleistungen der Einwohner, also das örtliche Aufkommen. Wir GRÜNEN halten diesen Schlüssel für dringend reformbedürftig. Nimmt in einer Kommune nämlich die Arbeitslosigkeit überproportional zu, so hat die Gemeinde nicht nur eventuelle Mehrausgaben hierdurch zu tragen, sondern auch noch Mindereinnahmen hinzunehmen, weil ihr örtliches Einkommensteueraufkommen sinkt. Im Gemeindefinanzbericht wurde deshalb der Vorschlag unterbreitet, daß die örtlichen Transfereinkommen, also z. B. Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, in den Verteilungsschlüssel einbezogen werden. Wir GRÜNEN haben bereits den Vorschlag gemacht, die örtliche Arbeitslosenquote für einen zweiten Verteilungsschlüssel heranzuziehen. Hier sollte die Regierung endlich einmal handeln und Modellrechnungen durchführen lassen, anstatt nur Sprüche zu klopfen, wie z. B. den, daß sie sich für die Lage der Kommunen verantwortlich fühle. ({10}) Was von solchen Sprüchen zu halten ist, haben die Sparoperationen 1982, 1983 und 1984 gezeigt. Durch diese Operationen hat der Bund im Bereich der Arbeitslosenhilfe und der Arbeitslosenversicherung insgesamt in drei Jahren 52 Milliarden DM eingespart. Dies hat eine Reprivatisierung des Risikos Arbeitslosigkeit zur Folge und gleichzeitig eine Dezentralisierung der Folgekosten. Meine Damen und Herren, eine solche Auslegung des föderalistischen Prinzips lehnen wir ab. Finanzielle Hilfe bei Arbeitslosigkeit zu leisten ist keine Aufgabe des örtlichen Wirkungskreises, das kann auch keine Aufgabe der Kommunen sein, sondern muß durch eine zentrale Institution geschehen. Statt dessen werden die Menschen zunehmend von der Sozialhilfe abhängig. Nach den Berechnungen des DGB ist für 1984 zu erwarten, daß von den männlichen Arbeitslosenhilfeempfängern die Hälfte, 50%, von den weiblichen sogar 85% Leistungen unterhalb des Sozialhilfeniveaus beziehen. Dies ergab für einzelne Städte eine Steigerung der Sozialhilfeausgaben um bis zu 40 %. Dagegen wehren sich die Kommunen verständlicherweise. Dadurch kommt es dann dazu, daß die öffentliche Diskussion um die Sozialhilfe in keinem Verhältnis mehr zu der Höhe dieser Ausgabe steht. 1984 sind das für die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ca. 9 Milliarden DM. 9 Milliarden DM für die existenzielle Absicherung einer großen Anzahl von Menschen, das ist gerade nur so viel, wie der Bund in diesem Jahr für Fernstraßenneubau, den Airbus und die Verkabelung ausgibt. Die Kommunen wehren sich mit Recht gegen die Ausgaben, indem sie die Hilfen in besonderen Lebenslagen verkürzen, indem sie verstärkt auch Verwandte zweiten Grades heranziehen und - dies finden wir besonders schlimm - indem sie Sozialhilfeempfänger zur Zwangsarbeit verpflichten. Zirka 24 000 Sozialhilfeempfänger müssen schon Zwangsarbeit leisten. Die Kommunen lassen einen Teil ihrer Arbeiten durch diese Menschen erledigen, für die es offiziell keine Arbeit gibt. ({11}) Ein solches Verhalten der Gemeinden ist für uns nicht zu entschuldigen. Von all dem aber kein Wort in der Anfrage und auch kein Wort in den Antworten. Wir haben bereits am Dienstag ein Sofortprogramm zur Bekämpfung der Armut vorgelegt. Hiernach sollen durch ein Bundesgeldleistungsgesetz die Sozialhilfeleistungen um 100 DM im Monat aufgestockt werden, und es soll eine Mindestzahlung bei der Arbeitslosenhilfe eingeführt werden. Zum Schluß noch ganz kurz ein Wort zu dem in der Anfrage zuletzt aufgeführten Bereich, der Situation der Ausländer. Hier ist nur von Rückkehrförderung und vom Mißbrauch des Asylrechts die Rede. Die für die Integration von ausländischen Mitbürgern und für die Demokratisierung unseres Staates dringend notwendige Einführung des kommunalen Wahlrechts für ausländische Einwohner war weder den fragenden Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP noch der antwortenden Regierung eine Überlegung wert. Ich danke schön. ({12})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Waffenschmidt.

Dr. Horst Waffenschmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002403

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung begrüßt die heutige Debatte, weil sie die Möglichkeit zu einer umfassenden Bilanz der Bundespolitik gegenüber den Städten, Gemeinden und Kreisen gibt. Ehe ich mich einigen Schwerpunkten zuwende, möchte ich gern an die Adresse der Kollegen der Opposition gerichtet sagen: Manches, was hier sehr polemisch vorgetragen wurde, muß mit aller Energie zurückgewiesen werden, denn es entspricht gar nicht dem, was wir an ehrlicher, realistischer Bilanz in unserer Antwort gezogen haben. Hinsichtlich dessen, was manche Kollegen der Opposition vortrugen, muß ich wirklich sagen: Gewisse parteipolitische Scheuklappen haben den Blick auf die Realitäten verstellt. Das ist eigentlich etwas schade für die heutige Debatte, meine Damen und Herren. ({0}) - Wissen Sie, Herr Kollege Wolfram, das Schöne ist, daß wir all die Reden, die ich - in welcher Eigenschaft auch immer - in diesem Hause zu dieser Thematik gehalten habe, gut miteinander vergleichen können. Es sind immer die gleichen Anliegen verfolgt worden, nämlich eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Auf diesem Gebiet hat die gegenwärtige Bundesregierung auch mit meinem Zutun schon etliches erreicht. Davon wollen wir jetzt reden, meine Damen und Herren. ({1}) Wir haben in mehreren Regierungserklärungen, in etlichen grundlegenden Erklärungen, die Bundeskanzler Helmut Kohl z. B. auch vor der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages - abgegeben hat, deutlich gesagt: Städte, Gemeinden und Kreise sollen wieder mehr zu ihrem Recht kommen. Ich sage hier heute sehr nachdrücklich: Zwei Jahre Bilanz beweisen, daß diese Bundesregierung in wichtigen Bereichen der kommunalen Selbstverwaltung eine entscheidende Wende zum Besseren hat herbeiführen können. Der Kollege Voss wird aus der Sicht der Finanzen gleich einmal vortragen, was hier alles erreicht wurde. Ich nenne nur einmal zwei Zahlen, Kollege Bernrath, die wir uns doch ehrlich vor Augen halten müssen: Zu Ihrer Regierungszeit - 1981 - bestand ein kommunales Finanzierungsdefizit in der Rekordhöhe von 10 Milliarden DM; heute besteht nahezu kein Defizit mehr. ({2}) Das war die Politik der Städte und Gemeinden und die Politik der Bundesregierung. ({3}) - Herr Kollege Bernrath und Herr Kollege Wolfram, an Ihrer Stelle würde ich wirklich Zurückhaltung üben, denn das letzte gigantische Stück zu Lasten der kommunalen Selbstverwaltung war doch Ihre „Operation '82", mit der Sie Hunderte Millionen von DM in die kommunalen Haushalte geschoben haben. Das ist doch die Wahrheit, das ist doch Tatsache. Wir haben damals - alle zusammen, auch die SPD-Kommunalpolitiker - vom gigantischen Verschiebebahnhof der SPD-geführten Bundesregierung zu Lasten der Gemeinden gesprochen. Darunter, was Sie damals angerichtet haben, leiden die Gemeinden noch heute, meine Damen und Herren. ({4}) Aber nun einmal zur Gegenwart. Ich nenne als wichtige Entscheidung - erstens - die Gewerbesteuergarantie. Hier wurde j a mehrfach von der Gewerbesteuer gesprochen. Damit ganz klar ist, was die Bundesregierung hier aussagt, will ich noch einmal den Antworttext vorlesen: Sie - die Bundesregierung wiederholt ihre Aussage, daß weitere Eingriffe in die Gewerbesteuer in dieser Legislaturperiode nicht zur Diskussion stehen und ohne ein Konzept für die Neuordnung des Gemeindefinanzsystems, dem die Betroffenen zustimmen können, auch später nicht in Betracht kommen. Meine Damen und Herren, dies ist eine klare, eindeutige Erklärung, die Sie von der SPD in 13 Jahren Führung der Bundesregierung nicht zuwege gebracht haben; das wollen wir doch einmal deutlich sagen. ({5}) Nun wollen wir feststellen, daß jeder Bürgermeister, jeder Gemeindevertreter, jeder Kämmerer in Deutschland von Nord bis Süd Klarheit über den Weg hat, den die Bundesregierung in dieser Frage gehen will. Sie hält so lange an der Gewerbesteuer fest, bis ein anderes Finanzierungs- bzw. Steuersystem für die Gemeinden gefunden ist, das gleichwertig oder besser ist. Damit weiß jeder, woran er ist, und wir haben endlich Klarheit und Stabilität; das ist sehr viel wert, meine Damen und Herren. ({6}) Nun möchte ich gern darauf verweisen, daß Kollege Voss den Finanzbereich im einzelnen anspricht. Dazu sage ich nur eines: Die gesamte kommunalpolitische Aufgabenstellung wird für uns darin bestehen - in allen Bereichen: vom Umweltschutz bis zur Sozialpolitik -, daß wir eine erfolgreiche Wirtschafts- und Finanzpolitik unterstützen müssen; denn - das habe ich hier immer gesagt, auch aus der Sicht der Opposition - die beste Initiative für die Kommunalfinanzen ist eine erfolgreiche Wirtschafts- und Finanzpolitik des Bundes; sie füllt auch die Gemeindekassen, meine Damen und Herren. ({7}) - Die kommunale Finanzlage, Herr Kollege Immer, ist so gut, daß wir heute - auch auf der Grundlage entsprechender Berechnungen der kommunalen Spitzenverbände - sagen können: Es zeichnen sich Trends ab, wonach die Einnahmen die Ausgaben schon wieder übersteigen und die Gemeinden in die Lage kommen, mehr für die Investitionen zu tun. Das ist ganz wichtig. Gerade den Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, die hier so viele Zwischenrufe machen, möchte ich die Empfehlung geben, einmal mit ihrer Landesregierung zu sprechen. Der Deutsche Städtetag hat neulich eine Bilanz herausgegeben, nach der allein von 1980 bis 1983 die Zuweisungen des Landes an die Gemeinden um 1,4 Milliarden DM zusammengestrichen worden sind. Sprechen Sie einmal mit Ihrer Landesregierung. Das ist doch eine kommunalfeindliche Politik. ({8}) - Ich kann Ihnen auch andere Bilanzen nennen. Die Bayern haben z. B. erheblich zugelegt. ({9}) Nun will ich mich den Initiativen der Bundesregierung für die Rechts- und Verwaltungsvereinfachung zuwenden. Herr Kollege Bernrath hat hier vorgetragen, er habe davon noch nicht viel gehört. Herr Kollege Bernrath, ich kann Ihnen gern - vielleicht ist das ihrer Aufmerksamkeit entgangen - die bisherigen Zwischenberichte und auch Erfolgsmeldungen über unsere Arbeit in diesem Bereich zur Verfügung stellen. Ich verweise nur auf die ganz ausgezeichnete Wirkung der Statistikbereinigungsverordnung, durch die Hunderttausende von Erhebungen, die die Gemeinden, die Bürger und auch die Gewerbebetriebe belastet haben, ersatzlos gestrichen wurden. Ich nenne die Entscheidungen für ein neues Baugesetzbuch. Wir werden 1985 ein neues Baugesetzbuch vorlegen, ({10}) das rund ein Drittel der Bauvorschriften erübrigt und abschafft. Das wird das Bauwesen erleichtern. Meine Damen und Herren, wenn sie hier hämische Zwischenrufe machen, dann sprechen Sie einmal mit Ihren Bürgermeistern, Ihren Gemeindevertretern. ({11}) Es ist ein ganz wichtiger Erfolg, daß diese Bundesregierung im nächsten Jahr ein solches neues Baugesetzbuch vorlegt und wir alle Beteiligten ermuntern, daran mitzuwirken. ({12}) Im übrigen will ich an dieser Stelle den kommunalen Spitzenverbänden sehr herzlich danken, die in der Kommission für Rechts- und Verwaltungsvereinfachung ganz intensiv mitarbeiten, ebenso wie dies Vertreter aus den Bundesländern. Wir gehen diesen Aufgabenbereich ganz bewußt an, mit der Zielvorstellung: Es muß nicht alles geregelt werden. Wir bekämpfen - das sage ich ganz besonders in Ihre Richtung - den sozialistischen Aberglauben, alles würde schöner, besser und gerechter, wenn es die öffentliche Hand regelt, meine Damen und Herren. ({13}) Das ist doch das Motto, unter dem Sie hier jahrelang Politik gemacht haben. ({14}) - Das ist alles sehr zur Sache. Denn die Gemeindevertreter leiden darunter, daß Sie sie mit einer Flut von Vorschriften erstickt haben, meine Damen und Herren. ({15}) Nun wollen wir uns den Fragen des Umweltschutzes, der Sozialbereiche und den wichtigen Fragen zuwenden, die die Bundesgesetzgebung im Hinblick auf die Gemeinden weiter beeinflussen. Ich möchte an dieser Stelle gern einmal, weil auch viele Kommunalpolitiker dies ansprechen, den Bereich der Ausländer, der Asylanten kurz erwähnen. Wir haben hier eine wichtige Weichenstellung vollzogen, indem wir ganz deutlich gemacht haben: Wir werden die Geltung der Asylverfahrensvorschriften, die Sie von der SPD j a nicht verlängern wollten, verlängern. Dies ist geschehen. Damit helfen wir den Gemeinden, die auf diesem Gebiet mit einer Flut von Problemen und Aufgaben beschwert wurden. Ich sage Ihnen: Diese Sache ist wieder aktuell, denn die Zahlen dieses Jahres steigen gegenüber den Zahlen des Vorjahres. Wir werden auch eine ganz klare Politik im Bereich des wichtigen Aufgabengebiets „Ausländerwesen" betreiben. In diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung in den nächsten Wochen die Novellierung des Ausländerrechts vorlegen. ({16}) Ich will Ihnen sagen: Sie ist ganz klar ausgerichtet an drei Zielvorstellungen. Wir wollen zum einen die freiwillige Rückkehrbereitschaft unterstützen. Das ist in bezug auf die freiwillige Rückkehr schon mit etlichen guten Erfolgen geschehen. Wir werden zum anderen die Integration der schon lange bei uns lebenden Ausländer fördern. Wir werden schließlich deutlich machen, daß der Zuzug begrenzt sein muß. Wir sagen gerade auch aus der Erfahrung der kommunalen Ebene heraus: Unser Land kann kein Einwandererland sein. Das sagen Ihnen gerade auch die Städte und Gemeinden zu diesem Bereich. ({17}) Ich will die wichtigen Aufgabenbereiche ansprechen, die vor uns liegen. Wenn wir heute mit den Bürgern reden, stellen wir fest, daß sie bestimmte Erwartungen an die Kommunalpolitik haben. Die Erwartungen gehen dahin, daß sie Geborgenheit im örtlichen Bereich wollen. Ich finde, wir sollten von der Bundesebene her helfen, daß die Geborgenheit für die Bürger und das gewünschte Heimatgefühl gestärkt und ermöglicht werden. Ich will zwei Bereiche nennen, die ich als ganz wichtig ansehe. Das ist zum einen der Bereich der Sozialpolitik, insbesondere der Bereich der Aufgaben für die älteren Menschen. Hierzu haben wir, nachdem sich jahrelang auf diesem Gebiet nichts getan hat, den Bericht und die Empfehlungen der Bundesregierung, für die pflegebedürftigen Mitbürger etwas zu tun. Ich will hier sehr eindeutig sagen: Die Bundesregierung wird sich in den zuständigen Ressorts darum bemühen, daß gerade für diese Menschen, denen wir auch unsere Liebe und Betreuung zuzuwenden haben, etwas geschieht. Der Leitsatz heißt: Die häusliche Pflege, die Hilfe für die Menschen in der gewohnten Lebensumgebung haben Vorrang vor der teuren Unterbringung in Heimen. ({18}) - Die große Frage, wer in diesem Bereich die finanziellen Kosten zu übernehmen hat, ist leider jahrelang, obwohl sie schon aktuell war, von der Vorgängerregierung nicht bearbeitet worden. Der Kollege Geißler hat jetzt Möglichkeiten aufgezeigt, wie wir Schritt für Schritt auch diesen wichtigen Aufgabenbereich angehen können. ({19}) Sie sind in einer ganzen Reihe von Darlegungen der Bundesregierung auch in der Antwort auf die Große Anfrage, beschrieben worden. Ich will zum Stichwort Geborgenheit mit Blick auf die Städte und Gemeinden in der Zukunft einen weiteren Bereich ansprechen, nämlich den Denkmalschutz. Herr Kollege Bernrath, ich stimme Ih7322 nen zu: Kulturelle Initiativen sind vor Ort ganz wichtig. Darum ist es auch wichtig, daß wir uns darum kümmern, wie das Gesicht unserer Städte und Gemeinden aussieht. Ich sage hier ganz offen: Es sind in der Vergangenheit - da sollte jeder seine Verantwortlichkeit sehen - zu oft Räumer und Bagger bestellt worden. Wir sollten erhaltenswerte Bausubstanz fördern und pflegen. Der Bund - gerade auch das Bundesinnenministerium - will sich in diesem Bereich nachdrücklich engagieren. Dies ist eine Tat, dies ist eine Initiative für die Städte und Gemeinden, die wir wichtig nehmen sollten. ({20}) Ich möchte in diesem Zusammenhang einen Punkt ansprechen, der den weiten Bereich des Umweltschutzes erfaßt. Die Gemeinden haben hier ja eine ganze Fülle getan. Ich nenne nur einmal die vielen Initiativen für die Gewässerreinhaltung, für den Gewässerschutz. Die Bundesregierung wird die Gemeinden in diesem wichtigen Bereich weiter unterstützen: mit den Hilfen aus dem ERP-Programm, mit den Hilfen über die Gemeinschaftsaufgabe. Aber, meine Damen und Herren, wir richten heute auch den Appell an Städte, Gemeinden und Kreise, die Politik der Bundesregierung in diesem Bereich zu unterstützen. Stichwort: umweltfreundliches Auto. Ich will ganz praktisch folgendes sagen. Die Städte, Gemeinden und Kreise haben auch viele Fahrzeuge. Sie sollten mit beispielhaft sein für den Einsatz des umweltfreundlichen Fahrzeugs. Die kommunalen Fahrzeuge, überhaupt die Fahrzeuge der öffentlichen Hände sollten Beispiele für das umweltfreundliche Auto sein. Dann haben wir viele Beispiele in diesem Bereich. ({21})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Reetz?

Dr. Horst Waffenschmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002403

Bitte schön.

Christa Reetz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie stehen Sie denn dazu, daß z. B. der Bau von vierspurigen Eisenbahnen nirgends eingeschränkt wird? ({0}) Ich kann Ihnen von einem Beispiel berichten: Im Kinzigtal wird ein solcher Bau fortgeführt, obwohl große Bürgerinitiativen dagegen sind.

Dr. Horst Waffenschmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002403

Ich möchte sagen, Frau Kollegin, daß doch gerade der Eisenbahnbau - ({0}) - Entschuldigung, dann habe ich das akustisch falsch verstanden. ({1}) Der Eisenbahnbau ist ja nun gerade eine Sache, die gefördert wird, um der Umwelt zu dienen. Hinsichtlich des Autobahnbaus muß ich Ihnen sagen: In jedem Bereich muß geprüft werden - dafür haben wir in unserem Land ja ein vortreffliches Verfahren unter dem Stichwort Raumordnung, Planfeststellung -, wie ein Bauwerk mit der Umwelt verträglich ist. Aber auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Raumes muß berücksichtigt werden. Insofern ist nicht jeder Raum gleich. Meine Kollegen werden gleich noch zu den Fragen der Kommunalpolitik und Raumordnung zusammenfassend sprechen. ({2}) Ich möchte an dieser Stelle gerne auch ein Wort des Dankes allen denjenigen sagen, die sich im kommunalen Bereich bemühen. Wir haben wirklich viele positive Bürgerinitiativen. Da sind die Vereine, da sind die Selbsthilfegruppen. Da sind die vielen Tausend in den Kommunalparlamenten ehrenamtlich Tätigen, die Leute in den Verwaltungen, die Leute in den Sportvereinen, in den Kirchen, Sozialverbänden und viele, viele, die sich vor Ort um das Wohl der Bürger kümmern. Ich möchte Ihnen heute namens der Bundesregierung sehr herzlich danken und sagen: Gerade das ehrenamtliche Element ist Lebenselixier der kommunalen Selbstverwaltung. ({3}) Dafür wollen wir ein Wort des Dankes sagen. Ich darf zusammenfassend feststellen: Die Bundesregierung wird sich weiter nachdrücklich für die kommunale Selbstverwaltung einsetzen, weil sie eine wesentliche Grundlage für Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Humanität in unserem Lande ist. Ich rufe alle Fraktionen des Hauses von dieser Stelle aus auf, dabei mitzutun, die kommunale Selbstverwaltung unserer Städte und Gemeinden zu stärken und insbesondere die dort ehrenamtlich Tätigen zu unterstützen. ({4})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hauff.

Dr. Volker Hauff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000828, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Waffenschmidt, Sie haben gesagt, das Wichtigste für die Gemeinden sei eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik. Richtig. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung zu Beginn seiner Regierungstätigkeit im Oktober 1982 gesagt, es sei ein sehr beklagenswerter Zustand, daß in unserem Land jeder vierzehnte Erwerbstätige arbeitslos sei, und die Bundesregierung werde alles tun, um diesen Zustand zu überwinden. Nur, verehrter Herr Kollege Waffenschmidt, zum Thema erfolgreiche Wirtschaftspolitik muß ich sagen: Heute ist nicht jeder vierzehnte Erwerbstätige arbeitslos, sondern mittlerweile ist jeder zehnte Erwerbstätige arbeitsDr. Hauff los. Und das trifft die Gemeinden und Städte sehr hart. Ich werde darauf noch zurückkommen. ({0}) Der Deutsche Städtetag hat mit Recht davor gewarnt - früher, als Sie noch nicht in Amt und Würden waren, haben Sie das, was dort gesagt wurde, selbst auch ein bißchen objektiver gesehen -, die Gemeinden unsinnigerweise reichzurechnen. Diese Warnung trifft in der Tat den Kern der Antwort der Bundesregierung, die wir heute debattieren. Die Antwort steht unter dem Motto, das der Bundeskanzler geprägt hat: Die Welt hat gefälligst in Ordnung zu sein, und im übrigen lassen wir uns unsere Lebenslust nicht vermiesen. Nach diesem Motto werden die Gemeinden gesundgebetet, reichgerechnet. Die Probleme der Städte und Gemeinden werden unter den Teppich gekehrt. Aber das wird nicht helfen; denn auch der andere Satz gilt: Entscheidend ist, was hinten herauskommt. - Und hinten kommt für die Gemeinden nicht soviel heraus. Das sieht gar nicht gut aus. Die Daten und Fakten muß man gelegentlich einmal zur Kenntnis nehmen. Der Investitionsrückgang bei den Gemeinden - das ist ja ein wichtiges Anzeichen dafür, was dort tatsächlich passiert - hat ein dramatisches Ausmaß erreicht. Seit 1980 haben die Kommunen ein Viertel ihres Investitionsvolumens verloren. Diese Entwicklung ist das verhängnisvolle Ergebnis der Politik der Bundesregierung. Der Bund hat sich auf Kosten der Städte und Gemeinden saniert. Das ist die Wahrheit. ({1}) Der Gemeindefinanzbericht des Deutschen Städtetages verweist mit Recht auf die Abwälzung von Ausgabebelastungen - so wörtlich - durch den Bund. ({2}) Die Bundesregierung ist für die prekäre Finanzsituation vieler Städte mitverantwortlich. Sowohl die Kürzungen bei den Sozialleistungen (Zurufe der CDU/CSU - jetzt reden wir über Tatsachen und Fakten -, bei der Arbeitslosenversicherung, beim Wohngeld, ({3}) - da haben Sie alle kräftig zugelangt! -, bei der Ausbildungsförderung als auch die wachsende Zahl der Langzeitarbeitslosen haben natürlich dazu geführt, daß mehr Menschen als bisher Sozialhilfe in Anspruch nehmen mußten. Sie müssen die Gemeinden bezahlen. Was hier passiert, ist auf eine ganz einfache und klare Formel zu bringen: Bonn spart, und die Gemeinden müssen bezahlen. ({4}) Selbst in einer wirtschaftlich so kraftvollen Stadt wie Frankfurt hat das verheerende Folgen. Dazu die Daten und Fakten: 1981 wurden dort 62 Millionen für Hilfe zum Lebensunterhalt - wie der Terminus des Gesetzes heißt - aufgewendet. 1985, also nach ganz wenigen Jahren, wird es doppelt so viel sein - und das selbst in einer Stadt mit einer solchen Leistungskraft. Für arbeitslose Sozialhilfeempfänger wurden 1981 rund 10 Millionen DM gezahlt. 1984 werden es rund 30 Millionen DM sein. Dort liegen die Ursachen für das Schwinden der Finanzkraft der Gemeinden für ihren Investitionsspielraum. ({5}) Darüber muß geredet werden. Das ist die Wirklichkeit. Vor dieser Wirklichkeit verschließt die Bundesregierung die Augen. ({6}) Die Situation der Kommunen in den strukturschwachen Gebieten ist um ein Vielfaches verheerender. Dort trifft das, was ich gesagt habe, in noch viel stärkerem Maß zu. Aber kein einziges Wort in der Antwort der Bundesregierung und kein einziges Wort von Ihnen, Herr Waffenschmidt, gab es zu diesem Problem heute, ({7}) auch kein Wort davon, daß die wachsenden Sozialhilfekosten und die Wirtschaftsschwäche der Gemeinden und Städte sich in einem sich selbst verstärkenden Prozeß fortsetzen. Je tiefgreifender die Wirtschaftsschwäche, um so höher die Sozialhilfeleistungen; um so weniger Mittel stehen der Gemeinde dann zur Verfügung, um die Wirtschaftsschwäche selber zu überwinden. Alle wirklichen Finanzprobleme werden in dieser Antwort verschwiegen. Die Bundesregierung bietet den Kommunen schöne Worte statt konkreter Hilfe. ({8}) Herr Waffenschmidt, Sie stellen sich hierher und sagen beim Thema Umweltschutz, die Gemeinden sollten doch bitte einmal ihren Fahrzeugpark umstellen. Verdammt noch mal, warum macht die Bundesregierung eigentlich nicht bei Bundesbahn und Bundespost den Vorreiter, sondern schiebt auch dort den Schwarzen Peter von sich? ({9}) Auch die These der Bundesregierung, es gebe keinen Grund mehr zu investieren, es gebe ein Abflachen des Investitionsbedarfs, ist schlicht falsch. ({10}) Der Deutsche Städtetag hat mehrfach - so wörtlich - darauf hingewiesen: Der kommunale Investitionsbedarf ist nach wie vor groß. - Dabei ist der Bereich des Umweltschutzes einer der bedeutendsten der kommunalen Investitionsbereiche für die Zukunft. Die Kommunen und ihre Unternehmen waren und sind zentrale Investitionsträger für Maßnahmen der Luftreinhaltung, der Abwasserreinigung, der Abfallbeseitigung und des Lärmschutzes. Daß die Bundesregierung dies nicht anerkennen will, kennzeichnet ihre fehlende Seriosität in der Umweltpolitik. Das Deutsche Institut für Urbanistik hat eine Schätzung des Investitionsbedarfs auf diesem Gebiet vorgenommen. Dazu einige Zahlenangaben: Für Ortsentwässerung und Kläranlagen wird der kommunale Investitionsbedarf auf jährlich mehrere Milliarden DM geschätzt. Zur Sicherung der Trinkwasserversorgung sind zusätzliche Anstrengungen notwendig, um den rationellen Umgang mit Trinkwasser zu forcieren und den Wasserbedarf in einer schwierigen Zeit zu befriedigen. Kaum etwas zeigt die Notwendigkeit kommunaler Investitionen plastischer als die alarmierenden Meldungen über die nicht ausreichende Vorsorge bei Mülldeponien. Gerade für die Umstellung von der Abfallbeseitigung zur Abfallwirtschaft brauchen die Gemeinden Geld. Es muß investiert werden, um das erfolgreich zu bewerkstelligen. Hieß es früher einmal „Stadtluft macht frei", so wissen wir heute, daß die Menschen an Gestank, an Lärm und an Abgasen auch ersticken können, wenn nichts unternommen wird. Und dazu braucht man Investitionen. ({11}) Der kommunale Umweltschutz ist ein Paradebeispiel für gesamtwirtschaftlich sinnvolle Investitionen. Meine Fraktion hat im Deutschen Bundestag ein neues Finanzierungsinstrument für diesen Umweltbereich vorgeschlagen. Ich spreche von unserem Antrag, ein Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" einzurichten. Wie wir nach dem Zweiten Weltkrieg eine Wohnungsnot hatten, so haben wir heute eine Umweltnot. Sie könnte unseres Erachtens über ein solches Sondervermögen beseitigt werden. ({12}) Dieses Instrument wird in erster Linie den Gemeinden helfen, die beiden wichtigen politischen Ziele unserer Zeit zu erreichen, nämlich Arbeitsplätze zu schaffen und die Umwelt zu retten, zu sichern. Das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" stellt auch den Städten und Gemeinden zinsgünstige Kredite für Umweltschutzinvestitionen zur Verfügung. In besonderen Fällen können es auch verlorene Zuschüsse sein. Das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" bietet für die Kommunen gerade dort eine Perspektive, wo die Antwort der Bundesregierung zur Lage der Städte und Gemeinden, so wie sie uns vorliegt, besonders kümmerlich und, so füge ich hinzu, auch besonders nebulös ist. Ich nenne drei Beispiele dafür. Erstens. Die Lösung der Probleme der Trinkwasseraufbereitung, die zunehmend durch Nitratbelastungen und durch Kohlenwasserstoffe entstehen, könnte vorangebracht werden. Das gleiche gilt für Maßnahmen zur Wassereinsparung, besonders im gewerblich-industriellen Bereich. Diese Maßnahmen helfen der Umwelt und schaffen Arbeitsplätze. Die Antwort der Bundesregierung beschränkt sich dagegen auf die lapidare Anmerkung, es gebe schwierige Abstimmungsgespräche über das Abwasserabgabengesetz - und das seit fast einem Jahr. Ziehen Sie doch endlich einmal Konsequenzen aus dem Erfahrungsbericht, wie er vorliegt, und legen Sie eine gesetzliche Änderung vor, so wie das dringend geboten ist. Man kann nicht dauernd nur Gespräche führen; irgendwann muß man auch einmal entscheiden. ({13}) Zweitens. Abfallbeseitigung: Die Städte und Gemeinden stehen vor einem wachsenden Müllberg, der - die Schwierigkeiten werden immer größer - auch beseitigt werden muß. Mit Hilfe des von meiner Fraktion vorgeschlagenen Sondervermögens könnten den Kommunen für den Einsatz neuer Technologien, für Getrenntsammlungen, für Aufbereitung und Wiederverwertung von Abfällen sowie für die Erfassung und Sanierung von Altlasten Hilfestellungen gegeben werden. Auf solche konkreten Fragen - und das sind Fragen, die die Kommunalpolitik beschäftigen, nicht philosophische Anmerkungen ({14}) bleiben Sie als Bundesregierung die Antwort schuldig. ({15}) Obwohl die CDU/CSU und die FDP in den Fragen dieser Großen Anfrage nur nach dem Hausmüll statt nach dem sehr viel heikleren und schwieriger zu lösenden Problem des Sondermülls gefragt haben, ist die Antwort, wie sie uns vorliegt, ziemlich kümmerlich. Die Bundesregierung gibt keinen Fingerzeig, wie sie das Abfallaufkommen zukünftig einschränken möchte, z. B. die zehn Millionen Tonnen Verpackungsmaterial. Das macht nahezu ein Drittel des gesamten Müllberges aus, den wir haben. Da ist die Bundesregierung als gesetzgebende Körperschaft gefordert, ihre Entscheidung klar zu treffen. Die Gemeinden warten auf Beschränkungen, z. B. im Einwegbereich. ({16}) Die Zusagen, die dazu gegeben wurden und die die frühere Bundesregierung in Form von freiwilligen Zusagen erreicht hat, werden von der Industrie nicht eingehalten. Deswegen müssen, Herr Kollege Hirsch, jetzt Konsequenzen daraus gezogen werden. ({17}) Aber in Ihrer Umweltpolitik folgt auf diesem Gebiet eine Ankündigung der anderen. Drittens. Auch bei der Luftreinhaltung, der rationellen und sparsamen Energieverwendung, beim Lärmschutz, beim Natur- und Landschaftsschutz sind Investitionen erforderlich. In Ihrer Antwort auf die Große Anfrage findet sich kein einziges Wort zu diesen wichtigen Gebieten, kein Wort dazu, was zu geschehen hat. ({18}) Meine Damen und Herren, die Bundesregierung muß ihre Politik des Abwartens und des Gesundbetens gegenüber den Städten und Gemeinden aufgeben. Ansonsten werden sowohl Arbeitsplätze als auch der Umweltschutz Schaden nehmen. Weil wir in der Antwort, wie sie uns vorliegt, viel zu wenig darüber erfahren, weil die Bundesregierung in ihrer Antwort kein konkretes Wort zu diesen wichtigen Zukunftsaufgaben sagt, ist die Antwort, die die Bundesregierung auf die Große Anfrage gegeben hat, noch nicht einmal das Papier wert, auf dem sie steht. ({19})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Blank.

Prof. Dr. Joseph Theodor Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000192, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine vierstündige kommunalpolitische Debatte auf der Grundlage von 47 Fragen und Antworten kann - darüber sind wir uns, glaube ich, einig - das Gesamttableau kommunalpolitischer Problemlagen auch nicht annähernd ausleuchten. Sechs Minuten, die ich dem Teilaspekt kommunale Umweltschutzpolitik zuwenden kann, können nicht mehr sein als das bloße Einbringen von Stichworten in diese Debatte. ({0}) Aus den wenigen Fragen und Antworten zum Thema Umweltschutz wird jedoch deutlich: Städte, Gemeinden und Kreise haben in den letzten Jahren große Anstrengungen für den Umweltschutz unternommen und beachtliche Erfolge erzielt. Die Kommunen tragen Sorge für eine aktive Umweltpolitik. ({1}) Dabei sind - darüber besteht kein Zweifel - viele Probleme in diesem Bereich nicht von den Kommunen aus eigener Kraft zu lösen. Nur ein Teil der kommunalen Umweltbelastung ist hausgemacht. Kommunale Umweltprobleme sind das Ergebnis vielfältiger Einflüsse, auch von außen. Meine Fraktion begrüßt daher die in den vergangenen zwei Jahren unternommenen großen Anstrengungen der Bundesregierung, mit umweltpolitischen Zielvorgaben und Anforderungen den Rahmen zu schaffen, der den Kommunen die wirksame Bewältigung ihrer Umweltprobleme ermöglicht. ({2}) Doch, Herr Klejdzinski, die staatliche Umweltgesetzgebung hat Grenzen, ebenso wie das umweltpolitische Instrument staatlicher Finanzhilfen. Mit den Möglichkeiten der Gesetzgebung und der finanziellen Förderung können nur bis zu einem gewissen Punkt Erfolge erzielt werden. Die Kommunen müssen mit einer aktiven Umweltschutzpolitik mit zur Verbesserung der Umwelt beitragen; denn sie weisen entscheidende Vorzüge auf, um den Umweltschutz tatsächlich beträchtlich voranbringen zu können. Ihr erster Vorteil ist ihre Problemnähe. Der zweite Vorteil auf der kommunalen Ebene sind die einfacheren Strukturen sowohl des Problems, als auch der Entscheidungsfindung. Ein dritter gewichtiger Vorteil besteht in ihrer direkten Verbindung zum umweltpolitisch engagierten Bürger. Meine Damen und Herren, Bürgernähe, Problemnähe und zum Teil auch einfachere Entscheidungsund Problemsituationen ermöglichen es den Kommunen, eine aktive Rolle im Umweltschutz zu spielen. Die Kommunen wissen das; denn schon in der Vergangenheit waren es die Kommunen, die erste Impulse für die Organisation etwa der Abfallbeseitigung, der Abwässerbeseitigung und für den Umweltschutz in der kommunalen Planung gegeben haben. Herr Kollege Hauff, so ist z. B. im Gewässerschutz in den letzten Jahren viel erreicht worden. Heute sind bereits 88 % der Einwohner an die Kanalisation angeschlossen. Über 70 % der Abwässer werden voll biologisch gereinigt. Diese erfreuliche Entwicklung ist nicht zuletzt auf das Wasserhaushaltsgesetz und auf das Abwasserabgabengesetz zurückzuführen. ({3}) - Herr Klejdzinski, hören Sie zu, jetzt kommt der nächste Satz. Gerade am Abwasserabgabengesetz hat sich immer wieder auch aus den Kommunen Kritik entzündet. Wir werden das Abwasserabgabengesetz in dieser Legislaturperiode novellieren. Dabei geht es uns auch um einen verbesserten Vollzug. Das Gesetz selbst - das möchte ich ausdrücklich betonen - steht aus unserer Sicht nicht zur Debatte. ({4}) Die erfreulichen Fortschritte, die bei der biologischen Abwasserbehandlung erzielt worden sind, dürfen jedoch nicht den Blick dafür verstellen, daß Gemeinden und Industrie noch erhebliche Anstrengungen zur Entlastung der Gewässer von Schwermetallen und anderen schwer abbaubaren Schadstoffen unternehmen müssen. Erforderlich sind massive Abwasservermeidungsmaßnahmen an den Quellen der Schadstoffbelastung. Die Kommunen müssen eine Verschärfung ihrer Einleitungsbedingungen gegenüber den industriellen Indirekt-Einleitern ebenso in Betracht ziehen wie eine verursachergerechte und schädlichkeitsbezogene Umgestaltung der von Ihnen ohnehin erhobenen Entwässerungs- und Kanalbenutzungsgebühren. Meine Damen und Herren, ich denke, die Entwässerungsgebühren sollten sich auch nicht länger an der Wassermenge, sondern an der Schädlichkeit des Abwassers messen. Im Bereich Abfallwirtschaft kommt es darauf an, das Abfallaufkommen zu verringern und die Wiederverwertung zu steigern. Insofern besteht da überhaupt kein Dissens. ({5}) Unsere Umweltschutzpolitik in diesem Bereich muß helfen, den Übergang - ({6}) - Herr Kollege Hauff, wenn ich wie Sie Gelegenheit gehabt hätte, als Forschungsminister, als langjähriges Mitglied der vorigen Bundesregierung etwas in dieser Richtung zu tun, würde ich mich an Ihrer Stelle nicht hierhinstellen und derartige Zwischenrufe machen. ({7}) - Nein, ich habe keine Zeit. Ich habe nur noch zwei Minuten. ({8}) Meine Damen und Herren, keinesfalls zu unterschätzen sind auch die Möglichkeiten des kommunalen Umweltschutzes über den Bereich staatlich normierter Vorsorgepolitik hinaus. So sind viele Kommunen Anteilseigner bzw. Träger von Energieversorgungsunternehmen. Die Sicherung und Versorgung der Bürger mit Energie ist Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge. Die Versorgung muß jedoch den gleichrangigen Zielen des Umweltschutzes gerecht werden. Dies erfordert kommunale Einflußnahme nicht nur auf das unmittelbare Versorgungsgebiet, sondern auch auf überregionale Versorgungsunternehmen. Durch eine bevorzugte Beschaffung umweltfreundlicher Produkte - Staatssekretär Waffenschmidt hat vorhin schon darauf hingewiesen - können die Kommunen zudem nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur verstärkten Marktdurchsetzung derartiger Produkte leisten, sie praktizieren vielmehr damit auch nachahmenswerte Beispiele für die Bürger. Meine Damen und Herren, Umweltschutz ist eine große Herausforderung, nicht nur für den Bund und nicht nur für die Länder, sondern auch für die Kommunen. Meine Damen und Herren, Herr Bernrath, die ökologische Wende, durch die Mehrheit dieses Hauses 1982 eingeleitet, ({9}) dient der Sicherung unserer Existenzgrundlagen. Das Bedürfnis nach mehr Lebensqualität - Herr Hauff, das werden Sie ja jetzt bei Ihrer Kandidaturtournee in Frankfurt lernen ({10}) drückt sich dabei nachhaltig auf kommunaler Ebene aus. Herr Kollege Hauff, da Sie ja in Frankfurt sicherlich auch viel zum Umweltschutz sagen werden, darf ich Ihnen ganz freundschaftlich eins mit auf den Weg geben, was mein Freund, der Oberbürgermeister Manfred Rommel, Stuttgart, amtierender Vizepräsident des Deutschen Städtetages, jüngst in einer politischen Grundsatzrede zum Thema Umweltschutz gesagt hat: „In welchem Maß der moderne Mensch trotz seines hohen Bildungsgrades zum Unsinn fähig ist, beweist die Art, wie er über Umweltprobleme diskutiert." ({11}) Herr Kollege Hauff, ich kann mich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, als wären Ihre Reden hierfür ein eindrucksvolles Beispiel. Vielen Dank. ({12})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Dr. Struck.

Dr. Peter Struck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002278, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu dem Thema „Lage der Gemeindefinanzen". Ich glaube, daß wir dabei in vielen Punkten Übereinstimmung feststellen werden, nicht so sehr mit der Bundesregierung, aber wohl - so nehme ich an - mit den Kollegen aus den Koalitionsfraktionen. Vorweg mache ich eine Bemerkung zu dem, was ja ebenfalls auf der Tagesordnung steht, nämlich zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes. Ich sage für meine Fraktion, daß wir in den Beratungen im Finanzausschuß schon sehr auf den Umstand achten werden, daß seit 1979 keine Anpassung mehr erfolgt ist und daß wir durchaus auch schon sehen müssen, daß es ein Interesse von großen Städten für eine Anpassung gibt. Wir werden das dann ausführlich in den zuständigen Fachausschüssen diskutieren. Ich signalisiere also die Bereitschaft der SPD, das sorgfältig zu prüfen. Die Kommunalpolitiker - ich gehe davon aus, daß die meisten von uns, die jetzt hier sind, kommunalpolitisch tätig sind oder tätig waren - ({0}) - Der Volker Hauff wird Oberbürgermeister von Frankfurt; spätestens dann ist er Kommunalpolitiker. ({1}) - Reden Sie nicht immer dazwischen; ich habe keine Zeit, weil ich noch zu einem anderen Ausschuß muß. Wir sind uns wohl darüber einig, daß wir, wenn wir über Kommunalpolitik reden, vor allem über Kommunalfinanzen reden müssen und daß es kein gutes Zeichen ist, wenn die Zahl der Investitionen so dramatisch zurückgeht, wie das passiert ist. Ich glaube, das ist ein Satz, den wir übereinstimmend feststellen können. Was sind denn die Tatsachen dazu? - Tatsache ist doch, daß z. B. die deutsche Bauwirtschaft ganz wesentlich von öffentlichen Aufträgen - und zwar nicht so sehr vom Bund - im Hoch- und Tiefbau von Gemeinden und Landkreisen in der BundesreDr. Struck publik Deutschland lebt, wenn keine Investitionsmasse mehr da ist, dürfen wir uns auch nicht wundern, daß die Kollegen vom Bau plötzlich arbeitslos werden. Das heißt, wir dürfen uns nicht damit brüsten - das sage ich dann auch in Richtung Bundesregierung -, daß die Investitionskraft der Gemeinden erheblich zurückgegangen ist. Das ist ein Grund, den wir beklagen müssen und den wir nicht feiern dürfen. ({2}) Dann muß man auch noch einmal an die Vertreter der Bundesregierung gerichtet sagen: In Ihrer Antwort auf die Anfrage haben Sie dargestellt, Sie hätten durch Ihre positive Politik die Gemeindefinanzen konsolidiert. ({3}) Das ist leider falsch, und zwar deshalb, weil das nicht im wesentlichen auf die Bemühungen der Bundesregierung zurückzuführen ist, sondern schlicht auf eine Zwangsnotwendigkeit, der sich die Gemeinden unterwerfen müssen. Die haben das ja nicht gerne getan. ({4}) Wir wissen doch alle, was es bedeutet, wenn man die Gebühren für die Benutzung kommunaler Einrichtungen erhöhen muß, wenn man freiwillige Leistungen, die die Gemeinden, vor allem im sozialen Bereich, erbracht haben, herunterschrauben muß, wenn man Gebäude schließen muß, weil man sie nicht mehr bezahlen kann, wenn man Personal entlassen muß, wenn man Stellenpläne zusammenstreichen muß, wenn man freiwerdende Stellen nicht wieder besetzen kann. Das ist doch kein Umstand, auf den wir stolz sein können. Wir müssen bitter beklagen, daß das so ist. ({5}) Die Regierung und die Regierungskoalition haben eine Menge dazu beigetragen, daß dieser schlimme Zustand eingetreten ist. Ich rede jetzt einmal nur zu dem Thema Gewerbesteuer, und dabei wende ich mich an die Kollegen von der FDP. Ich erhoffe dabei die Zustimmung auch des nachfolgenden Redners von der Union zu diesem Thema. Das Gerede - ich sage einmal: das dämliche Gerede - der FDP über den Wegfall der Gewerbesteuer muß aufhören. ({6}) - Herr Gattermann, nun bleiben Sie mal friedlich! ({7}) Es muß deshalb aufhören, weil es zur Zeit keine Alternative zur Gewerbesteuer gibt. Die Gewerbesteuer ist die Säule des kommunalen Finanzsystems und damit die Säule der kommunalen Selbstverwaltung. ({8}) An diese Säule sollten wir nicht rühren, ({9}) wenn wir keine gleichwertige Alternative haben. ({10}) Eine gleichwertige Alternative sollten wir zumindest einmal prüfen. ({11}) - Ich sehe die große Zustimmung bei der Unionsfraktion und freue mich darüber. Wir sollten und müssen prüfen - einen entsprechenden Entschließungsantrag hat die SPD-Fraktion j a schon eingebracht -, ob denn z. B. das Modell der Wertschöpfungssteuer ein Modell ist, das man im Zusammenhang mit den kommunalen Finanzen gebrauchen kann. Das müssen wir doch einmal prüfen! Wir können aber auch das Ritter-Modell prüfen; wir können alle Modelle prüfen, die dazu vorliegen. Nur müssen wir tatsächlich einmal damit beginnen. Zum Abschluß sage ich zu diesem Thema: Ich unterstütze den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau, aber nicht nur ihn. ({12}) - Ja, das ist ein guter Mann. Ich unterstütze auch den nordrhein-westfälischen Oppositionsführer Dr. Worms. ({13}) - Jetzt müßten die Kollegen von der Union eigentlich rufen: „Auch ein guter Mann!" ({14}) Die beiden sind sich nämlich in einem Punkt einig, und nicht nur diese beiden, sondern der ganze nordrhein-westfälische Landtag. ({15}) Sie sind sich darin einig, daß das Thema Fortsetzung der Gemeindefinanzreform, also die Modelle, geprüft werden muß. Herr Magin, Sie wissen, daß wir darüber oft geredet haben. ({16}) Rau, Worms und der gesamte nordrhein-westfälische Landtag in einer Entschließung sind sich einig und haben den Bundeskanzler gebeten zu prüfen - auch Sie sollten das ernsthaft überprüfen -, ob es nicht wirklich nötig ist, eine Sonderkommission aus Vertretern des Bundes - wie Johannes Rau schreibt -, der Länder und der Gemeinden einzusetzen, die alle diese Reformüberlegungen einer Prüfung unterzieht und uns dann einen Vorschlag macht. Das geht nicht von heute auf morgen. Dies ist ein Jahrhundertwerk. Darüber sind wir uns einig. Nur sollten wir wenigstens einmal mit der Prü7328 fung anfangen, weil es nicht so weitergehen kann, daß man bei der Gewerbesteuer immer nur herum-knapst und die Gemeinden ihre Leistungen einschränken. Wir beklagen die Arbeitslosigkeit, die Aushöhlung kommunaler Autonomie, tun aber im Grunde nichts dagegen, obwohl man eigentlich etwas machen könnte. ({17}) Deshalb sage ich zum Abschluß: Das Thema Gemeindefinanzen ist kein Thema, zu dem man sagen kann: Diese haben etwas falsch und jene haben es richtig gemacht. Das Thema Gemeindefinanzen sollten wir alle hier im Deutschen Bundestag so behandeln, daß wir sagen: Für uns ist es wichtig, daß die kommunale Finanzautonomie der Gemeinden uneingeschränkt erhalten bleibt, damit sie ihre Aufgaben so erfüllen können, wie sie es für richtig halten, und nicht wie wir, die Bundesregierung oder der Deutsche Bundestag es für richtig halten, und wir sollten sämtliche Überlegungen, die zu einer Fortführung der Gemeindefinanzreform angestellt werden müssen, möglichst gemeinsam anstellen. ({18})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Austermann. ({0})

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war eine vernünftige und ruhige Rede des Kollegen Struck. In manchen Punkten kann man ihm durchaus zustimmen. ({0}) - Ja, er hatte sich auch warm angezogen, nachdem der Kanzler ihn im Untersuchungsausschuß ausgezogen hatte. ({1}) Man fragt sich bloß: Warum hat man das alles, diese Politik zugunsten der Gemeinden, 13 Jahre lang nicht praktiziert, sondern eine andere Politik gemacht? Diese Politik hat im Jahre 1981 dazu geführt, daß die Gemeinden ein Finanzierungsdefizit von rund 10 Milliarden DM hatten. ({2}) Bedauerlicherweise ist der Kollege Hauff, der „Umweltbremser" Hauff, nicht hier. Er hat ein paar andere Punkte angesprochen, die die Gemeinden angeblich drücken. Er hat auch Unwahrheiten wiedergegeben, z. B. die angebliche Wohngeldkürzung. Ich kann als Mitglied des Haushaltsausschusses nicht feststellen, daß wir, seit wir an der Regierung sind, das Wohngeld gekürzt hätten. Der Betrag ist sogar noch erhöht worden. ({3}) Andere Aussagen zum Thema Frankfurt werde ich gern noch aufgreifen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müntefering?

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, bei der kurzen Zeit, die wir haben und die er gerne auch für sich in Anspruch nehmen kann, natürlich nicht. Ich habe etwas zu den Ursachen des Finanzierungsdefizits gesagt. Sie liegen sicher in der Politik des - wie der Kollege Waffenschmidt früher immer zu Recht gesagt hat - Verschiebebahnhofs, sie liegen aber auch in der Zuweisungspolitik, insbesondere in der Zuweisungspolitik einzelner Flächenländer. Da kann ich überhaupt nicht zustimmen, wenn Sie sagen, Herr Rau sei ein guter Mann. Herr Rau ist nämlich der Mann, der bei den Flächenländern die absolute Ausreißerrolle eingenommen hat, ({0}) die Ausreißerrolle bei der quantitativen Unterstützung der Gemeinden, und zwar mit der Wirkung, daß in seinem Land die Gemeinden am wenigsten Mittel für Investitionen zur Verfügung haben. ({1}) Das zweitschlimmste Land im Sinne dieser negativen Finanzausgleichspolitik ({2}) ist das Land Hessen mit Herrn Börner an der Spitze. Es ist das zweitschlimmste Land, was die Unterstützung der Gemeinden anlangt. Beide verstoßen damit aus meiner Sicht eindeutig gegen das Stabilitätsgesetz, das ja vorschreibt, daß die Länder durch geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken haben, daß die Haushaltswirtschaft der Gemeinden den konjunkturellen Erfordernissen entsprechen kann. ({3}) Heute hat man die Gewißheit, daß die Entwicklung der Haushalte von Dörfern und Städten positiv verlaufen ist und daß die Kommunen 1984 wieder mehr einnehmen, als sie ausgeben müssen. Das liegt auch und vor allem an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und am Kurswechsel der Bundesregierung. Dazu haben die Konsolidierungspolitik und das wirtschaftliche Wachstum beigetragen. Ohne daß die Schornsteine rauchen, läuft es natürlich auch in den Gemeinden nicht. Stabile Preise und sinkende Zinsen haben ebenfalls Anteil daran. Dazu beigetragen haben natürlich auch die Initiativen zur Kostenbegrenzung bei den Sozialausgaben. Ich habe vorhin von dem Thema „Verschiebebahnhof" gesprochen. Es gibt so gut wie keine Maßnahme dieser Bundesregierung, die dazu beigetragen hat, daß die Sozialausgaben der Gemeinden größer geworden sind. ({4}) Aber es gibt eine ganze Menge solcher Maßnahmen, die die alte Regierung getroffen hat. Ich nenne das Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz von 1981, das direkt auf die Finanzsituation der Gemeinden durchgeschlagen hat. Wir können heute feststellen, daß die Sozialausgaben der 8 000 Gemeinden in der Bundesrepublik im vergangenen Jahr um 5,3 % gestiegen sind. Das ist die niedrigste Zuwachsrate der letzten fünf Jahre. ({5}) Diese Rate lag wesentlich unter der Steigerung der Einnahmen der Gemeinden. Das darf man auch nicht übersehen. Die Frage ist ja nicht nur, wie sehr die Sozialausgaben steigen, sondern auch, in welcher Relation das zu den Einnahmen der Gemeinden steht. Die positive Entwicklung wurde durch die Entwicklung der Steuereinnahmen unterstützt. Während die Steuereingänge 1982 lediglich um 2 % zugenommen hatten, konnten die Gemeinden 1983 5,4 % mehr einnehmen. Das gilt auch für dieses Jahr, und im nächsten Jahr werden es nach einer pessimistischen Schätzung voraussichtlich 5,5 % mehr Steuereinnahmen sein. Man kann also heute eine positive Bilanz ziehen, die Bilanz, daß es den Gemeinden heute besser geht als 1982, ({6}) besser als 1982 und besser als zu Beginn des Jahres. Auch Herr Samtlebe aus Dortmund hat auf einmal festgestellt, daß er 50 Millionen mehr im Stadtsäkkel hat, als in seinem Haushaltsentwurf eingeplant war. Deshalb möchte ich die Gemeinden bitten, doch mehr zu tun, auch und gerade für kommunale Investitionen, obwohl wir alle wissen, daß die öffentlichen Investitionen sicher nicht den wesentlichen Anteil an den Bauausgaben insgesamt ausmachen. Der Bund gibt dazu einen Anreiz; der Kollege Möller wird zum Thema „Städtebauförderung" etwas sagen. . Es gibt auch keinen Rückschlag durch die Lohn- und Einkommensteuerreform. Sicher belastet sie die Gemeinden wie auch den Bund und die Länder, ({7}) aber alle drei Ebenen haben jahrelang an den heimlichen Steuererhöhungen teilgehabt, so daß sie heute aufgefordert sind, einen Teil davon abzugeben. Andererseits entlastet die Steuerreform auch die Familien und damit natürlich auch die Gemeindehaushalte. Ich möchte feststellen, daß wir heute auf der Basis der gegenwärtigen Prognosen sagen können, daß im Planungszeitraum bis 1988 die Investitionen der Kommunen steigen werden, und zwar stärker als je seit 1980 steigen werden, nachdem das Investitionsvolumen auf ein Viertel zurückgegangen war. Der Herr Kollege Hauff, der schnell enteilte, hat hier nicht darauf hingewiesen, daß das zu Zeiten seiner Regierung der Fall gewesen ist. Es gibt dazu auch keine Alternative, auch nicht, wenn man dort die Finanzentwicklung sieht, in Hessen, auch und gerade nicht für die Stadt Frankfurt. Der Stadtkämmerer der Stadt Frankfurt hat vor kurzem deutlich darauf hingewiesen, wie sehr die Stadt Frankfurt von der Landesregierung in Hessen alleingelassen wird. ({8}) In Hessen kann sich offensichtlich nur noch freuen, wer grüne Taschen hat. ({9}) - Ja, viele Lasten trägt die Stadt, Lasten, die zu tragen eigentlich Aufgabe des Landes ist, Lasten für Hochschulen und Universitäten. ({10}) - Die Stadt hat sicher eine weitere Last mit Ihnen als einem Einwohner dieser Stadt zu tragen; das gebe ich Ihnen gerne zu, Herr Kollege Fischer. ({11}) Die Stadt Frankfurt ist durch den relativen Rückgang der Zuweisungen des Landes beim Finanzausgleich in einer schwierigen Lage, wie der Stadtkämmerer dort unterstrichen hat. Da helfen künftig auch nicht solche Superkommunalpolitiker wie der Herr Hauff, der es ja immerhin fertigbringt, vor wenigen Wochen in Esslingen für den Kreistag kandidiert zu haben. Vor wenigen Wochen noch hat er in Esslingen für den Kreistag kandidiert, er wohnt in Köln, er arbeitet in Bonn, und gleichzeitig bewirbt er sich als Oberbürgermeister in Frankfurt. ({12}) Ich gehe davon aus, daß er auch in Frankfurt zweiter Sieger bleiben wird wie in Esslingen. Meine Damen und Herren, den Gemeinden geht es heute besser als 1982. Der Bundesregierung und der sie tragenden Mehrheit ist für diese erfolgreiche Politik zu danken. ({13})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, Zwischenrufe sind wunderbar, aber es müßte immer noch so sein, daß der Redner noch durchdringt. Es ist nicht ganz so einfach. ({0}) Das Wort hat der Abgeordnete Kiehm.

Günter Kiehm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001092, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte sozusagen als Vorbemerkung ein Wort des Kollegen Braun aufgreifen. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat er Zweifel angemeldet, ob die Kollegen in den Land7330 tagen ihrer Rolle gegenüber den Kommunen in hinreichender Weise gerecht werden. Ich halte das gerade nach seinem Beitrag für eine unerträgliche Behauptung. Wer selbst die Wirkungsweise der Bundespolitik gegenüber den Kommunen so beschreibt, wie er es getan hat, sollte sich eine derartige Kritik nicht leisten. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen. ({0}) Wenn Sie sich einmal ansehen, was CDU-Kollegen in den Landtagen zur Frage der Einschätzung kommunaler Selbstverwaltung sagen, so müssen Sie einräumen, daß offenbar mit der Entfernung der CDU-Abgeordneten vom Regierungssitz in Bonn die Bereitschaft wächst, sozialdemokratische Positionen mitzutragen. So sagt der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes: ohne eine schnelle Gemeindefinanzreform keine freie Selbstverwaltung. Ich empfehle Ihnen, danach zu handeln. Nun ein Wort zum Kollegen Waffenschmidt. Er sagt: Die Wirtschaftspolitik des Bundes ist eine wesentliche Voraussetzung zur Besserung in den Gemeinden. - Ich will nicht leugnen, daß Wachstum natürlich auch dazu führt, daß sich die Einnahmeseite in den kommunalen Haushalten bessert. Aber vielleicht nehmen Sie heute noch einmal Stellung zu der Frage, was denn nun eigentlich mit den Gemeindehaushalten wird, wenn die neuesten Steuerschätzungen deutlich nach unten weisen. Vielleicht sagen Sie auch einmal zur Sicherheit unserer Kämmerer draußen, was Sie machen wollen, wenn es ab 1986 eine mehr oder weniger große Steuerreform gibt, die sich natürlich auch in den Gemeindehaushalten niederschlägt. Vielleicht bedenken Sie auch einmal, daß nach Ihren eigenen Prognosen zwar Wachstum gegeben ist, aber Erwerbslosigkeit, Arbeitslosigkeit bleibt, Glauben Sie, daß das soziale Gefüge einer Gemeinde unbeschädigt bleibt, wenn wir Arbeitslosenraten in Ostfriesland, im Emsland haben, die größer als 20 % sind? ({1}) Gemeinden sind darauf angewiesen, ein geschlossenes Gefüge zu haben, und Ihre Politik, die sich sehr stark auf Harmonie beruft, ist hier kontraproduktiv. Ich will zwei Thesen des Berichts herausgreifen. Sie sagen: Die Hauptverantwortung für die Ausstattung und den Bewegungsspielraum der Gemeinden liegt in den Ländern. - Darüber wird zu reden sein. Sie sagen zweitens: Die Zielsetzung der Bundesregierung ist, gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Teilräumen des Bundesgebietes zu schaffen. - Wir wollen Sie gerne beim Wort nehmen. Die CDU rühmt sich, für eine ortsnahe Aufgabenerledigung einzutreten - heute erst wieder demonstriert -, d. h., die Aufgabenerfüllung durch den Staat nur, soweit die Kommunen die Aufgabe nicht optimal erfüllen können. Diese formulierte Subsidiarität verkennt aber völlig, daß eine wesentliche Voraussetzung dafür die hinreichende Fähigkeit ist, über Ausgaben auch real verfügen zu können. Sie brauchen die Stärkung der Finanzkraft der Kommunen, wenn Sie Ihre Politik real durchsetzen wollen, oder Sie gehen in die Irre. Wie sieht es nun aus mit der Verwirklichung dieses Ziels? Der Bund entzieht den kommunalen Gebietskörperschaften auch heute noch Mittel, indem er sie kräftig an den Kosten der Arbeitslosigkeit beteiligt. Sie schaffen nicht Raum für die Erfüllung neuer Aufgaben, sondern sie reduzieren die finanzielle Leistungsfähigkeit im Hinblick auf dringende klassische Aufgaben der Kommunen. In der gegebenen Situation bleibt nur festzustellen, daß die Kommunen gerade in strukturschwachen Räumen häufig den größten Nachholbedarf an Infrastruktur haben und Gemeinden mit den größten Sozialausgaben über eine schwache Finanz' kraft verfügen. Das ist doch auch nicht verwunderlich, weil die Ausgaben für die Sozialhilfe dort steigen, wo eine große Arbeitslosigkeit herrscht, und große Arbeitslosigkeit mit einer wachsenden Finanzschwäche der Gemeinden einhergeht. Man muß gar nicht die Situation in Ostfriesland heranziehen, sondern es genügt der Vergleich beispielsweise der Verdichtungsräume Hannover und Stuttgart, um dieses Problem zu erkennen. ({2}) - In Stuttgart haben wir unter einer CDU-geführten Landesregierung eine Arbeitslosigkeit, die halb so hoch ist wie die in Hannover, auch unter einer CDU-geführten Landesregierung. ({3}) Sie sehen, daß sich hier Strukturen verändern, die Sie in Ihre Überlegungen überhaupt noch nicht einbezogen haben. Nun werden Sie einwenden, daß über den Finanzausgleich eben die Länder zu entscheiden hätten. Aber der Finanzausgleich, den die Länder anbieten können, ist vom eigenen finanziellen Vermögen abhängig. Und ich habe eben deutlich gemacht, daß bei gleicher politischer Führung dennoch erhebliche Unterschiede in der Finanzkraft vorhanden sind. ({4}) Jetzt frage ich die Bundesregierung, die eine Strukturpolitik betreiben will, die dem eigenen Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen, gerecht werden soll. ({5}) - Genau das ist der Vorwurf, den ich mache, nämlich daß diese Bundesregierung glaubt, sie könne beim Status quo bleiben und von daher ein Angebot zur Konsolidierung der kommunalen Leistungsfähigkeit machen. Die Bundesregierung spricht in Ihrer Antwort - ich wiederhole es noch einmal - von dem Gebot, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen des Bundesgebietes zu schaffen, und von der Absicht, darauf hinzuwirken, daß im Rahmen der Daseinsvorsorge ein gleichmäßiger Zugang zu entsprechenden Einrichtungen erreicht wird. Diese Zielrichtung findet durchaus den Beifall der SPD-Bundestagsfraktion - sie entspricht doch auch der Praxis von 13 Jahren sozialliberaler Regierung und ist in der Tat geeignet, die Situation in unseren Städten und Gemeinden zu verbessern -; die entscheidende Frage ist nur: Wie soll das erreicht werden? In ihrer Regierungserklärung sagt sie - und nennt Kriterien -: Bedarf muß vorhanden sein, die Unterstützung der Gemeinden und Länder muß gegeben sein, und es darf keine dauerhafte Vernachlässigung der ländlichen Räume erfolgen. Die Bedarfsfrage ist leicht zu beantworten. Insbesondere in den Verdichtungsräumen besteht in den Bereichen Städtebau und Stadtsanierung ein immenser Bedarf. Mit Bedauern nehmen gerade die großen Städte zur Kenntnis, daß sich der Bund aus dem Mietwohnungsbau zurückziehen will. Vielleicht darf ich hier einschieben, Herr Kollege, der Sie geleugnet haben, es hätte keinen Abbau von Wohngeld gegeben: Bei Alleinerziehern und bei Behinderten hat es einen Abbau in der Größenordnung von etwa 120 Millionen DM gegeben - um das einmal deutlich zu sagen. ({6}) Aber auch über die Verdichtungsräume hinaus steigen die Ansprüche, z. B. an den öffentlichen Personennahverkehr, und die Folgekosten aus den für viele Gemeinden neuen Aufgaben sind unvermeidlich. Je mehr sich der Bund beispielsweise den Verpflichtungen entzieht, Kosten von Verkehrsverbänden mitzutragen, desto höher wird die Last für die beteiligten Gemeinden. Bedarf ist vorhanden, Unterstützung der Gemeinden ist gegeben, die Länderbeteiligung ist je nach Vermögen sehr unterschiedlich geregelt, aber der Bund ist offenbar nicht willens, in notwendigem Maße selbst zur Finanzierung beizutragen, wie es den eigenen Zielvorstellungen entsprechen müßte. Bedarf ist auch im Sektor Ent- und Versorgung. Der Kollege Hauff hat darauf hingewiesen. Nach DIFU beträgt das erwartete Investitionsvolumen im Bereich der Wasserversorgung 15 Milliarden, im Bereich Fernwärme 8 Milliarden, im Entsorgungsbereich für Abfall 9 Milliarden, für Abwasser 65 Milliarden DM. Obwohl hier Folgekosten noch über Gebührenhaushalte abgewälzt werden können, wird eine gemeinsam von CDU-regiertem Bund und CDU-regierten Ländern getragene Politik dazu führen, daß die Gemeinden gehindert werden, auch dafür Kredite aufzunehmen. Was es für das Baugewerbe bedeutet, ist hier schon angedeutet worden. Ein Zitat aus der Städteversammlung Niedersachsens 1984: Die niedersächsischen Kommunen lagen bei den Sachinvestitionen im Jahre 1983 nominal um 32 %, real sogar um 50 % unter dem Niveau des Jahres 1980. Die kommunalen Baumaßnahmen sind auch im ersten Halbjahr 1984 noch einmal um mehr als 16 %, bei den kreisfreien Städten sogar um 32 % mit stark negativen Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt gesunken. Sie können doch keine Politik betreiben, die sich gegen die Sicherung von Arbeitsplätzen richtet und die gleichzeitig dazu beiträgt, daß es unseren Kommunen nicht besser geht. ({7})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgordnete Dr. Schroeder ({0}).

Dr. Conrad Schroeder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002075, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Echte kommunale Selbstverwaltung entscheidet sich an der Finanzausstattung der Gemeinden. Deshalb steht die Finanzausstattung der Gemeinden auch als ein Schwerpunkt im Mittelpunkt dieser Debatte. Meine Fraktion begrüßt die Zusicherung, daß grundsätzlich keine neuen kostenwirksamen Gesetze mit wesentlichen finanziellen Auswirkungen zu Lasten der Kommunen ohne gleichzeitige Dekkung beschlossen werden. Es läuft den Gemeinden noch heute „eiskalt den Rücken herunter", wenn sie sich an die sogenannte „Operation '82" der SPD-geführten Bundesregierung erinnern. ({0}) Zu Recht ist seinerzeit von dem heutigen Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Waffenschmidt das Wort vom „Verschiebebahnhof" geprägt worden. ({1}) Mit den Steueränderungsgesetzen 1983 und 1984 ist eine deutliche Kurskorrektur zugunsten einer gemeindefreundlichen Politik eingeleitet worden. Schwerpunkt des Steueränderungsgesetzes 1983 war es, die Hinzurechnungsvorschriften bei der Gewerbesteuer für Dauerschulden stufenweise zu verringern. Als Ausgleich wurde aber die Gewerbesteuerumlage zugunsten der Gemeinden ebenfalls reduziert. Die Mehreinnahmen aus der Senkung der Umlage haben die kommunalen Steuermindereinnahmen mehr als ausgeglichen. Das Steuerentlastungsgesetz 1984 hat überproportionale Einnahmeausfälle der Länder und Gemeinden dadurch ausgeglichen, daß für 1984 und 1985 der Anteil an der Umsatzsteuer um einen Prozentpunkt erhöht wurde. Die Gemeinden haben davon im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs mit rund 400 Millionen DM profitiert. Das haben heute leider schon sehr viele vergessen. ({2}) Damit ist auch die Richtung aufgezeigt, wie bei künftigen notwendigen steuerlichen Entlastungen der Bürger und der Wirtschaft verfahren werden muß. Dr. Schroeder ({3}) Meine Fraktion begrüßt daher, daß die Bundesregierung auch für künftige Steueroperationen einen Ausgleich in Richtung der Gemeinden signalisiert. Die geplante Steuerentlastung für 1986 und 1988 wird bei den Gemeinden 1986 mit rund 2,2 Milliarden DM und 1988 mit rund 4,3 Milliarden DM Mindereinnahmen zu Buch schlagen. Die hohen Ausfallwirkungen zu Lasten der Gemeinden müssen bei dieser Größenordnung auf jeden Fall auch mit in die Verhandlungen mit den Ländern über die Neuverteilung der Umsatzsteuer ab 1. Januar 1986 einbezogen werden. ({4}) - Das können Sie, Herr Kollege Schlatter. Von ganz besonderer Bedeutung für die Gemeinden ist die Gewerbesteuergarantie des Bundeskanzlers, eine Zusage, die in der Antwort der Bundesregierung wiederholt und in der heutigen Debatte von Herrn Staatssekretär Dr. Waffenschmidt nochmals bekräftigt wurde. Wenn die Gewerbesteuer im Schnitt heute auch nur noch rund 8 % der kommunalen Einnahmen ausmachen mag: Nach dem jetzigen Stand ist ein weiterer Abbau der Gewerbesteuer ohne generelle Neuordnung des Systems kommunaler Steuern nicht zu verantworten. Eine solche Neuordnung des Gemeindefinanzsystems ist aber für diese Legislaturperiode nicht mehr vorgesehen. Das ist auch gut so, weil hier kein Schnellschuß, sondern behutsame Beratungen notwendig sind, Herr Kollege Dr. Solms. ({5}) Die Schwerpunkte für die steuerpolitischen Entscheidungen in dieser Legislaturperiode liegen j a, wie alle wissen, auf anderen Gebieten. Eine Neuordnung des Gemeindefinanzsystems kann nur im Einvernehmen mit den Gemeinden erfolgen. Ein qualitativ gleichwertiger Ersatz bei der Gewerbesteuer, Herr Kollege Dr. Solms, ist nicht so leicht zu finden. Bei aller Problematik, die Sie hier aufgezeigt haben, können die positiven Strukturen dieser Steuer nicht übersehen werden, insbesondere die Bindung der Betriebe zu den Gemeinden. Ich kann nur sagen: Bei einem völligen Wegfall der Gewerbesteuer wird das Interesse der Gemeinden an Gewerbebetrieben sehr schnell erlahmen, und auch Anreize für die Neuansiedlung von Betrieben werden nicht mehr gegeben sein. ({6}) Der „Stein des Anstoßes", wie Herr Kollege Dr. Solms die Gewerbesteuer genannt hat, darf also nicht so voreilig durch einen anderen Stein ersetzt werden, der vielleicht noch größer ist. Eine Neuordnung des kommunalen Steuersystems muß neben der Finanzautonomie der Gemeinden auch einen stetigen und berechenbaren Fluß der Gemeindesteuern sicherstellen. Darum geht es auch in dem Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes. Hier geht es darum, die Einkommensentwicklung der letzten Jahre angemessen zu berücksichtigen. Die Vorlage ist ein Kompromiß zwischen in den Interessen kleinerer und größerer Gemeinden. Abschließend weise ich darauf hin, daß alle Bemühungen um eine Verstärkung der Handlungsspielräume unserer Städte, Gemeinden und Kreise letztendlich von den Rahmenbedingungen der gesamten Wirtschaft und der Lage aller öffentlichen Haushalte abhängen. Hier hat die Politik der jetzigen Bundesregierung eine positive Entwicklung eingeleitet, die bei unseren Kommunen bereits beachtliche Früchte trägt, und zwar hinsichtlich der Steuereinnahmen, der Investitionstätigkeit und der Konsolidierung der kommunalen Haushalte. Auch mit hämischen Bemerkungen seitens der SPD kann diese positive Entwicklung nicht wegdiskutiert werden. Dieser Weg muß zielstrebig fortgesetzt werden. ({7})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat Herr Abgeordneter Bachmaier.

Hermann Bachmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000072, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Antworten der Bundesregierung auf den Fragenkomplex Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sind ein schönes Beispiel dafür, wie man mit großen und mundgerechten Worten viel reden kann, ohne etwas zu sagen. Mit politischer Belletristik dieses Stils wird man allerdings der Lösung der konkret anstehenden Probleme mit Sicherheit nicht gerecht. Wir als diejenigen, die draußen in den Kommunen als Kommunalpolitiker Mitverantwortung dafür zu tragen haben, daß die Wohn-, Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen zeitgerecht gestaltet werden können, sind es leid, mit politischer Ankündigungslyrik abgespeist zu werden. Wenn es da heißt, daß im gesamten Baurecht alles viel einfacher, viel reibungsloser, viel übersichtlicher werden soll, dann hört sich das zunächst einmal ganz schön an. Wer würde sich nicht darüber freuen, wenn zersplitterte und komplizierte Gesetze zusammengeführt und auf ihre Regelungsnotwendigkeit hin durchforstet werden! Wenn diese Durchforstung aber dazu führt - diese Sorge haben wir -, daß wichtige Schutzrechte der Bürger und deren mühsam aufgebaute Mitspracherechte bei Flächennutzungs- und Bebauungsplänen reduziert werden, dann führt das nicht zu einer Stärkung, sondern zu einer Schwächung der Interessen der Betroffenen. ({0}) Alle Erfahrungen zeigen, daß gerade durch die ausgebauten Mitwirkungsrechte der Bürger manche Sündenfälle im Bereich des kommunalen Umweltschutzes vermieden werden konnten. Wir werden mit Argusaugen - darauf können Sie sich verlassen - darüber wachen, daß der Katalog der Kriterien, die nach dem Bundesbaugesetz bei der Erstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen sind, nicht angetastet oder in irgendeiner Form verwässert wird. Man kann diese Debatte, meine Damen und Herren, nicht führen, ohne auch hier einige AnmerkunBachmaier gen zu der sich immer dramatischer entwickelnden Lage der Bauwirtschaft zu machen. Mit hohem finanziellem Aufwand wurde ein Programm finanziert, dessen Wirkung äußerst minimal war und heute schon weitgehend verpufft ist. Die Finanzierungsgrundlage, nämlich die Investitionshilfeabgabe, ist durch den Spruch des Bundesverfassungsgerichts weggefallen und muß zurückgezahlt werden. Die Auszehrung der Kommunalfinanzen führte nahezu zu einem Stillstand der kommunalen Investitionen. Bauunternehmen, nicht selten die Stütze des Arbeitsmarktes im ländlichen Raum, geraten in immer größerem Umfang in Existenzkrisen. Pleiten in diesem Gewerbezweig sind an der Tagesordnung. In dieser kritischen Lage fällt der Bundesregierung wirklich nichts besseres ein, als auch noch den dritten Teil des Sonderprogramms zur Belebung des sozialen Wohnungsbaus mit einem Volumen von 250 Millionen DM ersatzlos mit der Begründung zu streichen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Investitionshilfeabgabe habe die Finanzierungsgrundlage in Wegfall gebracht. Gleichzeitig wird der Rückzug des Bundes aus der Förderung des Mietwohnungsbaus angekündigt. Mitbetroffen sind neben vielen tausenden Bauarbeitern insbesondere auch die Städte und Gemeinden, nicht selten gerade im strukturschwachen Raum. ({1}) - Sie müssen es deutlicher sagen, damit ich es auch höre. Es hört sich ja nicht gerade unvernünftig an, wenn die Bundesregierung erklärt, daß das Bauland, das bereits heute in Flächennutzungs- und Bebauungsplänen der Gemeinden ausgewiesen ist, ausreicht, um den bis Anfang der 90er Jahre absehbaren Bedarf zu decken. Lapidar wird dieser richtigen Erkenntnis die ebenfalls richtige Feststellung angefügt, daß das ausgewiesene Bauland jedoch nicht in vollem Umfang als Angebot auf dem Markt zur Verfügung stehe. ({2}) Wer sich aber bei diesen richtigen Ausgangserkenntnissen der Hoffnung hingibt, die Bundesregierung werde wenigstens Fingerzeige dafür geben, mit welchem Instrumentarium die vorhandenen Baulandreserven nutzbar gemacht werden könnten, sieht sich bitter enttäuscht. So richtig die Feststellung ist, daß künftig der Innenentwicklung der Städte und Gemeinden, also der Stadt- und Dorferneuerung, dem Schließen von Baulücken, dem Arrondieren vorhandener Siedlungen sowie der Nutzbarmachung von Brachgrundstücken in den Innenbereichen entscheidende Bedeutung zukommt, ohne ein wirkungsvolles bodenrechtliches Instrumentarium bleiben diese Feststellungen völlig wirkungslos und sind reine Makulatur. ({3}) Die täglichen kommunalen Erfahrungen zeigen, daß es für Städte, Gemeinden und Bauwillige immer schwieriger wird, ganz zu schweigen von den horrenden Baulandpreisen, überhaupt an bebaubare und erschlossene Grundstücke heranzukommen. ({4}) Die Gemeinden schaffen zwar die baurechtlichen Voraussetzungen und liefern die für die Bebaubarkeit erforderliche Infrastruktur, sind aber in den meisten Fällen trotz gegebenen Bauinteresses völlig machtlos, tatsächlich eine gewünschte Bebauung herbeizuführen. Die exorbitanten Baulandpreise führen insbesondere im Ballungsraum, aber auch schon weitgehend auf dem flachen Land dazu, daß trotz aller Anstrengungen Normalverdiener keine Chance haben, ein Eigenheim bzw. Wohnungseigentum zu erlangen. ({5}) Wenn aber nicht alsbald ein wirkungsvolles Instrumentarium zur Bebaubarkeit der vorhandenen baureifen Grundstücksreserven geschaffen wird, wird sich - dies kann unschwer vorausgesagt werden - die stadtökologisch unvertretbare Zersiedelung der Landschaft weiter fortsetzen. ({6}) Mit der Zurückziehung der Baulandnovelle der Regierung Schmidt/Genscher hat die jetzige Regierung deutlich gemacht, daß sie nicht bereit ist, einen möglichen Weg in die richtige Richtung einzuschlagen. ({7}) Wie sollen aber die vorhandenen privaten Baulandreserven nutzbar gemacht werden, wenn noch nicht einmal die gesetzlichen Grundlagen für die überfälligen Neufestsetzungen der Einheitswerte zur gerechten Baulandbesteuerung geschaffen werden? Dies frage ich allen Ernstes auch als Kommunalpolitiker. Mit unserer Großen Anfrage zur Baulandsituation und zur Entwicklung der Baulandpreise werden wir die Bundesregierung zwingen, Farbe zu bekennen, ob sie bereit ist, ihren hehren Wunschvorstellungen auch die entsprechenden Taten folgen zu lassen. ({8}) Abschließend noch ein Wort zu den raumordnerischen Vorstellungen der Bundesregierung: Diese Antworten sind wahrlich ein Schulbeispiel dafür, wie man Sprechblasen produzieren kann, ohne auch nur etwas, ein Sterbenswörtchen Substantielles von sich zu geben. ({9}) - Die Aneinanderreihung bloßer Ankündigungen feiert hier wirklich wahre Triumphe. Da steht ein Schlagwort nach dem anderen, ohne daß darin in irgendeiner Weise substantielle Aussagen enthalten wären. ({10}) Tatsächlich aber entfernen wir uns immer weiter von der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen - mein Kollege Kiehm hat vorhin bereits darüber gesprochen - in unserem Land. Im Windschatten wortreicher Ankündigungen zur Strukturpolitik - auch das ist in der Antwort der Bundesregierung nachzulesen - zieht sich die Bundesbahn aus der Fläche zurück und werden hoffnungsvolle Ansätze zum Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs auf dem flachen Lande durch finanzielle Auszehrung zum Stillstand gebracht. Die vom Bund entscheidend mitverursachte kommunale Finanzschwäche - darüber ist heute reichlich debattiert worden - und der nachhaltige Rückzug des Bundes von strukturpolitischen Maßnahmen zur Förderung der Infrastruktur im ländlichen Raum sind eine entscheidende Ursache dafür, daß sich in den Städten und Gemeinden des flachen Landes eine tiefe Resignation breitmacht. Eine als herzhaft angekündigte Kost, die sich bei näherer Betrachtung als Nulldiät herausstellt, ist das, was wir Kommunalpolitiker am allerwenigsten ertragen können. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({11})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Als nächster hat das Wort Herr Dr. Möller.

Dr. Franz Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001522, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bachmaier, wenn Sie gelegentlich bei uns im Städtebauausschuß anwesend gewesen wären, hätten Sie nicht so viele Sprechblasen, von denen Sie gesprochen haben, produzieren können. ({0}) Kommunalpolitik ist in weiten Strecken Städtebaupolitik. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage trägt dieser Tatsache Rechnung. Sie geht ausführlich auf die Wohnungs- und auf die Städtebaupolitik ein. Sie kann das auch mit gutem und ruhigem Gewissen tun; denn sie hat in diesem Bereich in den vergangenen zwei Jahren viele Pluspunkte sammeln können. Das ist ganz augenfällig bei der Städtebauförderung, bei der Dorferneuerung, bei der Vereinfachung des Städtebauförderungsrechts und bei den Arbeiten für ein neues Baugesetzbuch. Auf diese vier Punkte möchte ich ganz kurz eingehen. Erstens. Der Bund unterstützt die Städte und Gemeinden bei der Stadterhaltung und bei der Stadterneuerung in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Nach den neuesten Beschlüssen des Haushaltsausschusses stehen 1985 330 Millionen DM zur Verfügung. Diese Zahl beweist, daß die Bundesregierung klar erkannt hat, wo die Probleme ,der Kommunen liegen. Die Mittel für die Städtebauförderung sind auf einem hohen Niveau verstetigt worden; etwa 50 % höher als zu Beginn der Regierungsübernahme. Der hohe Anstoßeffekt der Städtebauförderung und der Anreiz für private Investitionen sind bekannt. Öffentliche Mittel veranlassen private Bauinvestitionen in vielfacher Höhe. Das ist gerade für die Bauwirtschaft zur Zeit von besonderer Bedeutung. Das Zweite, was ich ansprechen will, gilt genauso für die Dorferneuerung: Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen sind nämlich auch für die Siedlungen im ländlichen Bereich wichtig. Auch hier muß das Ortsbild bewahrt, das Umfeld verbessert werden, die Infrastruktur gesichert und der Verkehr beruhigt werden. Es ist daher dankbar zu begrüßen, daß die Bundesregierung die Dorferneuerung als Förderbereich in den Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" aufgenommen hat. Damit ist es erstmals möglich Dorferneuerungsmaßnahmen in diesem Rahmen zu fördern. Ein Drittes: In diesen Tagen haben wir eine Novelle verabschiedet, die jetzt im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist. Mit dieser Novelle wird das rechtliche Instrumentarium für die Städtebauförderung und die Städtesanierung verbessert. In der Stadterneuerung liegt derzeit die größte und die drängendste Aufgabe der Städte und Gemeinden. Um diese Aufgabe zu erleichtern, haben wir ein sogenanntes vereinfachtes Verfahren bei der Stadtsanierung eingeführt. Ich freue mich, sagen zu können, daß die große Resonanz, die diese Novelle schon jetzt bei den Städten und Gemeinden findet, das Bedürfnis bestätigt, das zu dieser kleinen Novelle geführt hat. Viertens. Bei den Arbeiten für ein neues Baugesetzbuch ist die erste wichtige Etappe erreicht. Wir danken dem Bundesbauminister Dr. Schneider, daß bereits Ende August dieses Jahres die Ergebnisse der Arbeitsgruppen der Öffentlichkeit übergeben werden konnten. Ich hätte Ihnen empfohlen, Herr Kollege Bachmaier, diese Ergebnisse zunächst mal zu studieren. ({1}) Mit diesen Arbeiten ist eine Phase breiter Erörterung in Praxis und Wissenschaft eingeleitet worden. Nach dem Stand der Arbeiten kann heute schon gesagt werden, daß das neue Baugesetzbuch für die Kommunen eine Stärkung der Selbstverwaltung und auch ihrer Planungshoheit bringen wird. Gesetze und Rechtsprechung haben die Rechtssicherheit gefährdet und die Gestaltung der bebauten Umwelt erschwert. Die Aufstellung der Bebauungspläne muß erleichtert werden. Dabei muß geprüft werden, ob die Genehmigungspflicht für die Bebauungspläne entfallen kann. Gerade das Genehmigungsverfahren dient in der Praxis oft dazu, über die bloße Rechtsaufsicht hinaus Einfluß auf die planerischen Entscheidungen der Gemeinden zu nehmen. Die Planungshoheit der Gemeinden könnte auch durch eine Erhöhung der Bestandskraft der Bauleitpläne gestärkt werden. Es muß erwogen werden, die Anfechtung von Bauleitplänen zeitlich zu befristen. Wo es rechtsstaatlich vertretbar ist, sollten Regelungen in das Ermessen der Gemeinden gestellt werden. Der Mut der Gemeinden zu Ermessensentscheidungen muß wieder anerkannt und gestärkt werden. Es ist mit dem Geist der kommunalen Selbstverwaltung nicht vereinbar, alles genau festzulegen und die Gemeinden zum Vollzugsorgan des Staates zu degradieren. Künftig werden die Stadterhaltung, die Stadterneuerung, die Stadtökologie und der Bodenschutz besondere Bedeutung erlangen. Auch dem wird das Baugesetzbuch besonders Rechnung zu tragen haben. Aber auch den Bürgern in den kleinen Städten, Gemeinden und Weilern muß die Möglichkeit verbleiben und erleichtert werden, in ihrer angestammten Heimat zu wohnen. Man kann heute schon feststellen, daß die Bundesregierung einen hervorragenden Beitrag dazu liefert, daß die Kommunen diesen Aufgaben der Zukunft gerecht werden können. Die Arbeiten für das neue Baugesetzbuch haben gut begonnen. Ich bitte schon heute alle Kollegen und alle Fraktionen, dieses Gesetzeswerk zu unterstützen und diesen Gesetzentwurf nach Einbringung im nächsten Jahr gründlich, aber auch zügig zu beraten. Damit werden wir die Lage der Städte, Gemeinden und Kreise, über die wir heute nur reden, durch die Tat verbessern. Das muß unser Ziel sein. Herzlichen Dank. ({2})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sauermilch.

Walter Sauermilch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001923, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ergänzend zu den Ausführungen meines Kollegen Krizsan möchte ich ein paar Gesichtspunkte zu den Problemen der Kommunen ansprechen, und zwar unter den Gesichtspunkten Raumordnungspolitik, Landschaftsverbrauch und Entbürokratisierung. Zur Raumordnungspolitik fällt zunächst auf, daß in der Antwort der Bundesregierung auf Drucksache 10/1506 eine Äußerung über die Problematik des Nord-Süd-Gefälles gänzlich fehlt. ({0}) Die Folgen einer an der Logik des Kapitalismus orientierten Wirtschaftsweise treten in den altindustrialisierten Montanrevieren ausgeprägter als in anderen Industrieregionen hervor. Das Ruhrgebiet ist dabei die zentrale Problemregion. Massenarbeitslosigkeit und Umweltzerstörung sind der Nährboden für Kapitalflucht und selektiven Bewohnerschwund. Damit ist ein Teufelskreis von ökologischen und sozialen Zerstörungsprozessen begonnen. Das Kapital zieht sich aus einer Region zurück, nachdem es diese Region in einem hundertjährigen Aussaugprozeß zerstört hat, verlagert sich in attraktivere - weil noch relativ unzerstörte - Regionen. Der Vampir sucht sich neue Opfer. Letztes Kriterium für den Ausstieg aus einer Altregion ist die Erkenntnis, daß der Strukturwandel eine Modernisierung nicht mehr profitabel zuläßt. Die Folge ist erzwungene Mobilität, zumindest für die mobilen Höherqualifizierten, während die anderen schon allein deshalb auf der Strecke bleiben, weil sie auf gewachsene, ortsgebundene Arbeit und soziale Bezüge angewiesen sind. Das ökologische Spiegelbild dazu: Im Ruhrgebiet bleiben zunehmend Industriebrachen - vielfach mit verseuchten Böden - zurück, für deren Rekultivierung die rapide abnehmende Wirtschaftskraft der Städte nicht mehr ausreicht. Dagegen werden im Umland der süddeutschen Metropolen und der strukturstarken Oberzentren in ländlichen Räumen unverbrauchte Landschaften zersiedelt werden. Ich empfehle Ihnen den Besuch von Liverpool und der Region Mittelengland, falls Sie glauben sollten, dies seien wieder einmal nur die Horrorvisionen von grünen Spinnern. Leider verstärken die Landesregierungen und Kommunen diesen Trend durch Festklammern an alten Monostrukturen, verbunden mit undifferenzierter Technologieförderung. So vergeben sie Milliardensubventionen ohne Gegenleistungen zur Wahrung von Besitzstandsinteressen in alten Branchen. Gleichzeitig verstärkt diese Art Förderung den ökologischen Raubbau: Noch nicht vollständig genutzte Zechen werden dichtgemacht, aber gleichzeitig werden, z. B. im südlichen Münsterland, die letzten Wälder zum Aufschluß neuer Kohlefelder zerstört. Die großräumigen Grünverbindungen im Ruhrgebiet werden weiter durch den Irrsinn von Autobahnprojekten bedroht, die angeblich die Standortgunst erhöhen sollen, während das Revier seit Jahrzehnten übererschlossen ist und sich neue Industrien in einem Verbund ganz neuer Bedrohung mit Rüstungs- und Hochtechnologieentwicklung - unabhängig von einer nicht so dichten Verkehrserschließung im Süden - in Stuttgarter oder Münchener Regionen ansiedeln. Eine neue Politik muß dagegen auf eine Zurücknahme der technokratischen Planungsvorstellungen von der „vollständigen Erschließbarkeit" dieses unseres Landes abzielen. ({1}) Der unselige Leber-Plan muß aus den Planergehirnen endlich entfernt werden. ({2}) Vielmehr müssen diese ganz neu das Gegenteil lernen, nämlich Trassenrekultivierung zu betreiben, Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen und landschaftspflegerische Begleitpläne zu erstellen. ({3}) Dem weiteren Landschaftsverbrauch ist auch dadurch entgegenzuwirken, daß bislang geplante Bebauungspläne für die Bebauung mit Einfamilienhäusern für eine höhere Verdichtung mit Maßen freigegeben werden und daß vorrangig Baulücken gefüllt werden. Nennenswerte Ansätze, solche Politik zu fördern, können wir bei der Raumordnungspolitik und der Städtebaupolitik der Bundesregierung nicht erkennen. Der Bundesbauminister nimmt die Verelendungsprozesse des Ruhrgebiets tatenlos hin. Er behindert nicht den beschriebenen weiteren Zugriff des Kapitals auf die verbliebenen, relativ heilen Bereiche. Diese reale Politik des Zusehens steht im krassen Widerspruch zu den wortreichen, unverbindlichen Bekundungen des Ministers, auch wenn sie manchmal lateinisch sind. Ohne Zweifel - und das beklagen wir seit langem vergeblich - sind ein Hauptgrund für viele städtebauliche Mißstände das Bodenrecht und die steuerrechtliche Bevorteilung des Bodens. So wird z. B. das Wohnen durch überdurchschnittliche Steigerung der Bodenpreise aus den Innenstädten verdrängt; ({4}) so wird der Bebauungsdruck an den Stadträndern als Folge des Nachfragedrucks gesteigert; so entstehen Anreize, spekulative Hortung von Bauerwartungsland zu betreiben und damit die Preise hochzudrücken, so daß nur noch kapitalkräftige Käufer in Frage kommen und so immer mehr Boden in die Hände des Kapitals gerät. Hier läge einer der Kernpunkte sozialer Politik zusammen mit den Städten und Gemeinden, bis hinein in die zersiedelten ländlichen Regionen. Aber diese Regierung tabuisiert weiterhin diesen fundamentalen Bereich. Nun noch ein paar Worte zur Entbürokratisierung. Wir alle warten gespannt - es ist hier heute schon mehrfach angesprochen worden - auf das Jahrhundertwerk des Bauministers, das sogenannte Baugesetzbuch. Wenn darin z. B. das Verfahren bei der Aufstellung von Bauleitplänen gerafft werden soll, dann haben wir die Befürchtung, daß das zu Lasten der ohnehin problematischen Bürgerbeteiligung gehen soll. So gibt es z. B. den Vorschlag, auf eine bundesgesetzliche Verpflichtung zur vorgezogenen Bürgerbeteiligung ganz zu verzichten. Eine solche Regelung vereinfacht natürlich ungemein. Aber es wird dadurch auch klar, zu wessen Gunsten. Eigentlich kann es überhaupt nicht schöner gesagt werden, was da geplant ist, als durch die Beantwortung der Frage 3 in der genannten Drucksache. Die Frage heißt: Ist die Bundesregierung bereit, bei Gesetzentwürfen darauf zu achten und sicherzustellen, daß die Gemeinden einen möglichst hohen Entscheidungs- und Ermessensspielraum haben, um eine bürgernahe Gesetzesausführung zu ermöglichen? Antwort: Ein wesentlicher Bestandteil der Bemühungen der Bundesregierung um Rechts- und Verwaltungsvereinfachung wird es sein, den Gesetzgebungsreferaten Arbeitshilfen in Form von Leitlinien und Kriterien für die Gesetzgebung an die Hand zu geben. In diesen soll auch dem Anliegen Rechnung getragen werden, den die Bundesgesetze vollziehenden Behörden - und das sind im wesentlichen die Kommunen - in den verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen angemessene Entscheidungs- und Ermessensspielräume einzuräumen. ({5}) Was wir leider dahinter erkennen müssen, ist, daß diese Art der Vereinfachung auf Kosten der Bürgerbeteiligung eine Sonderform der Entdemokratisierung darstellt, die nur den Wunsch auf Straffung des Verwaltungsvollzugs erfüllen kann. Ähnliches spielt sich durch die Auflösung des Kostenmietenprinzips im Rahmen des Wohnungsrechtsvereinfachungsgesetzes ab. Abschließend möchte ich zur Erheiterung des Hohen Hauses noch mitteilen, wie das „Handelsblatt" den Beitrag des Ministers Schneider zur Verbesserung der Lage der Städte und Gemeinden in Form des Baugesetzbuches beurteilt. Unter der Überschrift „Oscar Schneiders Märchen" steht da geschrieben - ich zitiere auszugsweise -: Seinen Beamten verordnete er sogar als Pflichtlektüre die Märchen der Gebrüder Grimm. Denn deren „Schlichtheit der Sprache" soll auch das Baugesetzbuch auszeichnen: Das Kapitel Bauleitplanung also vermutlich im Stil von Hans im Glück, das Bauen im Außenbereich in Anlehung an Rotkäppchen und die Modernisierungsparagraphen nach Aschenputtel. Da bleibt wirklich nur die Hoffnung, der Minister möge so reussieren wie weiland das tapfere Schneiderlein und nicht scheitern wie sein Ulmer Namensvetter. Vielen Dank. ({6})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000908, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind ja eine kleine dahinschmelzende Schar aktiver oder früherer Kommunalpolitiker. Wenn man so durchzählt, hat man den Eindruck, daß die Zahl der Kombattanten teilweise bemerkenswert geringer ist als die Zahl der Zuhörer und Zuschauer der verschiedensten Ränge und auf den verschiedensten Rängen. Das sollte uns eigentlich befähigen, in einer Debatte einmal von dem üblichen Schema abzuweichen, diese Regierung sei an allem schuld, und die vorige Regierung habe alles denkbare unterlassen. Als ganz besonders putzig, so muß ich sagen, habe ich die Rede des verehrten Kollegen Hauff empfunden, dessen kommunalpolitische Wanderungen schon dargestellt worden sind, der natürlich in dieses Lied einstimmt: Die Regierung ist an allem schuld. Es ist schon bemerkenswert für einen Kollegen, der vor noch gar nicht so langer Zeit Mitglied der Bundesregierung war, wenn er über strukturelle kommuDr. Hirsch nale Probleme spricht, die ja nicht erst vor einem, vor zwei oder vor wenigen Jahren vom Himmel gefallen sind. ({0}) - Er übt. Das wird hilfreich sein. Wir wissen, daß der Bund in der Tat die Probleme, über die wir hier reden, nur teilweise entscheiden und beeinflussen kann. Ich denke, daß die wichtigste Funktion dieser Debatte ist, den Kommunen und uns selber klarzumachen, daß wir gesetzliche Entscheidungen, die zu ihren Lasten gehen und ihre Interessen berühren, nicht treffen, ohne uns dieser Interessen bewußt zu sein, ohne darauf zu achten, was wir in der Verwaltungs- und Lebenswirklichkeit der Kommunen und damit des täglichen Lebens unserer Bürger tatsächlich anrichten oder bewirken. Die Probleme, die von allen Gemeinden immer wieder mit Recht vorgetragen werden, sind einmal die bürokratische Belastung und zum anderen die Fragen der finanziellen Selbständigkeit. Bei der Frage der Bürokratiebelastung, bei der Frage der kommunalen Entscheidungsfreiheit, muß man zugeben, daß die Regelungsdichte, die wir - nicht nur der Bund - mit geschaffen haben, beachtlich geworden ist. Wir vermehren diese Entscheidungen in einer ganzen Reihe von Positionen. Letztes Beispiel: Volkszählungsgesetz, wo wir in der Tat aus wohlerwogenen Gründen des Datenschutzes den Gemeinden bestimmte Regelungen vorschreiben müssen. Aber der eigentliche Grund dieser Regelungsdichte liegt einmal in dem durchweg herrschenden Ideal der Gerechtigkeit in der Form der Gleichheit. Alles, was gleich geregelt werden soll, muß gesetzlich geregelt werden. Dem folgt die Forderung nach fortschreitender Verrechtlichung, eine Entwicklung, die wir in einer Fülle kommunaler Probleme auch der Rechtsprechung zu verdanken haben. Es gibt aber auch eine Reihe von objektiven Veränderungen, die uns offen sagen lassen müssen, daß wir nicht in das Ideal des 19. Jahrhunderts zurückgehen können: die sich immer weiter erhöhende Bevölkerungsdichte in den Kommunen, die Entwicklung der Technik, die Gefährdung und Inanspruchnahme der Natur und der Mangel an Selbstregulierungskräften. Je weniger die Menschen von alleine tun, was sie vernünftigerweise tun sollten, um so größer ist die Versuchung für den Gesetzgeber, das, was sie tun sollen oder im gemeinsamen Interesse tun müssen, durch gesetzliche Regelungen festzuschreiben. Wir können nur einen Teil dieser Ursachen wachsender Regelungsdichte beeinflussen. Im Land Nordrhein-Westfalen ist vor Jahren eine Kommission zur Entbürokratisierung eingesetzt worden, die Ellwein-Kommission. Sie hat ein dikkes Gutachen vorgelegt, das in der Tat interessant zu lesen ist. Sie hat einmal dargestellt, wie hoch der Gesetzesbestand in den einzelnen Ländern ist. Im Schnitt haben wir in den Ländern etwa 400 Gesetze. Im Land Nordrhein-Westfalen sind es 403, das Minimum hat Schleswig-Holstein mit 285 Gesetzen, der Spitzenreiter ist Niedersachsen mit 736 Landesgesetzen. Der Bund hat über 1 600 Gesetze als aktuellen Bestand, die Novellen nicht eingerechnet. In der Tat glaube ich, daß man in einer ganzen Reihe von Gesetzen Erleichterungen schaffen kann. Einer der bemerkenswertesten Vorschläge der Ellwein-Kommission bezieht sich nicht auf die Bundeskompetenz, ist aber trotzdem richtig: Die Frage, ob es notwendig ist, daß der Landesgesetzgeber für die Gemeinden aller Größenordnungen eine einheitliche Gemeindeordnung vorschreibt und sie bis ins Detail hinein regelt, wie wir das in Nordrhein-Westfalen ja noch vor wenigen Monaten erlebt haben. Ich glaube, daß eine Menge Möglichkeiten vorhanden sind, Bürokratisierungsprobleme zu erleichtern. Dazu gehört auch das Baugesetzbuch, das hier erwähnt worden ist. Ich denke, daß in der Tat die angekündigte Novelle zielstrebig beraten werden muß. Wir werden aber sehr sorgfältig prüfen müssen, Herr Kollege, ob man durch eine Verringerung der Bürgerbeteiligung nicht die Akzeptanz für große Bauvorhaben so nachteilig verändert, daß man das Gegenteil von dem erreicht, was wir wollen, nämlich eine Erleichterung der Durchführung. ({1}) Ich glaube, daß man auch skeptisch sein muß, wieviel im Neubau durch eine Änderung des Baurechtes erreicht werden kann. Wir haben im vergangenen Jahr einen täglichen Verbrauch an Landschaft von 113 ha gehabt, eine Entwicklung, die ja endlich ist wie das zur Verfügung stehende Gelände. Herr Sauermilch, wenn Sie die Strukturprobleme des Ruhrgebietes entdecken, die Industriebrache, dann muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß wir schon vor vielen Jahren in Nordrhein-Westfalen einen Bodenfonds aufgelegt haben, mit dem wir diese Industriebrache mobilisieren. Ich beklage nur, daß die jetzige Landesregierung diesen Fonds viel zu gering ausgestattet hat. Ich hoffe, daß wir das ab Mai nächsten Jahres verbessern können. Der zweite Bereich ist die Finanzierung, sind die Finanzfragen. Dem Kollegen Struck hat es gefallen, die Diskussion über die Gewerbesteuer als dummes Gerede zu bezeichnen. ({2}) - Noch eleganter. ({3}) Er ist dann aber zu dem Schluß gekommen, daß es so nicht weitergehen kann. Das letzte ist zweifellos richtig. Ich kann hier nur unterstreichen, was der Kollege Solms vor einiger Zeit hier heute ausgeführt hat, indem er die beachtlichen Nachteile, die unstreitigen Nachteile der Gewerbesteuer dargestellt hat: ihre Konjunkturabhängigkeit, die ungleiche Belastung der Gemeindebürger, die Belastung der Gewerbebetriebe, die sehr unterschiedlich ist. Ich denke, daß die Zeit gekommen ist, nicht mehr nur über die Notwendigkeit einer Änderung des Gemeindefinanzierungssystems zu reden, sondern nun ernsthaft Entscheidungen zu den unterschiedlichen, ja, aber doch vorhandenen Modellen zu treffen. Es werden keine himmelstürzend neue erfunden werden. Es ist also Zeit, das zu tun, und ich bestaune etwas die kontemplative Betrachtungsweise der kommunalen Spitzenverbände, die sich an dieser Diskussion weitgehend nicht beteiligt haben. Bemerkenswert ist die ungleiche Entwicklung der kommunalen Finanzen. In Nordrhein-Westfalen haben wir ein Rechnungsdefizit von 850 bis 950 Millionen DM pro Jahr. Die Entwicklung in den Kommunen ist ganz unterschiedlich. Münster hat 1983 ein Rechnungsdefizit von 38 Millionen bei einem ganz geringen Gewerbesteuerhebesatz von 330 % gehabt, Essen einen Überschuß von 7,3 Millionen, Dortmund von 113 Millionen. Es ist ganz zweifellos richtig, daß ein Teil dieser Konsolidierung der kommunalen Finanzen auf einen erheblichen Rückgang der Investitionen zurückzuführen ist, nicht nur aus aktuellem Finanzbedarf, sondern auch unter Berücksichtigung der Folgekosten, die auf die Kommunen zukommen. Ein Teil ist auch zurückzuführen auf die Veräußerung von kommunalem Vermögen. Ich muß einfach sagen, daß hier die Durchschnittszahlen leicht in die Irre führen können und daß in der Tat die Entwicklung in den Gemeinden ganz unterschiedlich verlaufen ist. Ich denke, daß wir bei unseren Entscheidungen auch steuerlicher Art dieser Tatsache Rechnung tragen müssen. Eine letzte Bemerkung möchte ich zu dem immer wiederholten Wunsch der kommunalen Spitzenverbände machen, über die jetzigen Regelungen in den Geschäftsordnungen hinaus bei der Gesetzgebung berücksichtigt zu werden. Bei allem Verständnis für diesen Wunsch der Spitzenverbände kann doch der Staat auf seine Entscheidungs- und Handlungsfreiheit als Gesetzgeber nicht verzichten. Bei aller berechtigten Forderung, die Interessen der Gemeinden zu berücksichtigen, muß es dabei bleiben, daß der Gesetzgeber dieses Parlament ist, der Landtag ist ({4}) und daß hier eine Mitspracheentscheidung über die jetzigen Regelungen der Geschäftsordnungen hinaus nicht verlangt werden kann. Das alles darf uns nicht daran hindern, immer wieder zu beachten, daß sich die Kommunalpolitik mit den Problemen des täglichen Lebens der Bürger beschäftigt, daß sie insbesondere auch für die Menschen wichtig ist, die nicht nach Belieben ihren Aufenthaltsort verändern können, die dort wohnen, wo sie ihre Arbeit haben, die in der Gemeinde, in der sie wohnen, ihre Freizeit verbringen, ihre Kinder zur Schule schicken und den größten Teil ihres Lebensabends verbringen. Das begründet über alle staatsphilosophische Romantik hinaus unsere Verpflichtung, den kommunalen Interessen, d. h. den Problemen des täglichen Lebens unserer Mitbürger die größte Aufmerksamkeit zuzuwenden. ({5})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mertens ({0}).

Dr. Franz Josef Mertens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001481, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung gelobt, sich den Städten und Gemeinden wohlwollend zuzuwenden. Aber auch auf diesem Politikfeld zeigt sich: Der größte Feind der Bundesregierung sind ihre Versprechen von gestern. Richtig ist, Herr Kollege Solms, daß der Bund nicht erst seit heute versucht, seine Probleme auf dem Rücken der Gemeinden zu lösen. Die Abschaffung der Lohnsummensteuer, die ja nicht zuletzt auf Intentionen Ihrer Fraktion zurückzuführen war, war ein schwerer Fehler. ({0}) - Ja. ({1}) Aber wenn jetzt behauptet wird, diese Bundesregierung habe Wort gehalten, weil sie keine „Verschiebebahnhofpolitik" mehr zu Lasten der Kommunen betreibe, so ist das doch - meine Damen und Herren, entschuldigen Sie bitte - ein Witz. Die kommunalen Finanzen werden heute vielmehr von zwei Seiten in die Zange genommen, von der Einnahmen- und Ausgabenseite her. Die Bundesrepublik hat noch nie eine so massive Kostenumwälzung vom Bund auf die Kommunen erlebt wie seit der Wende im Bereich der sozialen Sicherung. Diese Tendenz setzt sich fort. Diese Regierung führt sich ungefähr so auf wie jemand, der neue Möbel bestellt und dem Nachbarn die Rechnung schickt. ({2}) Auf der Einnahmeseite war die Kürzung der Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen nach meiner Überzeugung eine kommunalfeindliche Maßnahme. Es steht fest, daß es trotz der Ausgleichsregelung zu Einnahmeverzerrungen gekommen ist, insbesondere zu Lasten der finanz- und steuerschwachen Städte des Ruhrgebietes. Des weiteren hat diese Änderung der Gewerbesteuer wiederum ein Stück kommunaler Finanzautonomie und damit auch ein Stück kommunaler Selbstverwaltung gekostet. ({3}) Vor allem auch aus diesem verfassungspolitischen Grund hat die SPD-Bundestagsfraktion der Verstümmelung dieser zentralen kommunalen Steuer nicht zugestimmt. ({4}) Dr. Mertens ({5}) Erwähnen muß man auch, daß im Steuerbereinigungsgesetz 1985 wiederum an der Gewerbesteuer manipuliert wird, trotz der Bestandsgarantie des Bundeskanzlers. Obwohl die Bundesregierung versichert hat, diese Maßnahme sei nicht mit Einnahmeausfällen zu Lasten der Kommunen verbunden, hat der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände im Hearing vor dem Finanzausschuß die Einnahmeausfälle mit immerhin 50 bis 80 Millionen DM beziffert. Lassen Sie mich auch noch den Vorschlag des Herrn Bangemann zum steuerlichen Schuldzinsenabzug erwähnen. Einen großen Teil der Steuerausfälle von vier Milliarden DM hätten wiederum die Gemeinden verschmerzen müssen, die Herr Bangemann überhaupt nicht gefragt hat. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung beruft sich nun auf den positiven Konsolidierungsstand der Gemeinden im Vergleich zu Bund und Ländern. Sie räumt ein, daß es bei der Entwicklung der kommunalen Finanzen örtliche und regionale Unterschiede - und zwar in gravierendem Ausmaß - gibt. Sie behauptet aber, sie könne sich aus verfassungsrechtlichen Gründen nur zur Gesamtheit der Gemeinden äußern. Die Bundesregierung verkennt dabei ihre Verantwortung, die sie nach dem Grundgesetz für die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet hat. Sie verweist lapidar auf die Länder, die solche Unterschiede auszugleichen hätten. Aber wie soll denn Nordrhein-Westfalen angesichts der Probleme des Ruhrgebiets, angesichts der Sonderlasten im Stahl- und Kohlebereich Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden im eigenen Land und denen Baden-Württembergs ausgleichen? ({6}) Diese Unterschiede sind auch auf die Gewerbesteuerpolitik des Bundes zurückzuführen. Wenn die ertragsunabhängigen Teile der Gewerbesteuer immer weiter geschmälert werden, müssen doch zwangsläufig die Ruhrgebietsstädte mit den ertragsarmen Krisenbranchen Kohle und Stahl in ihrer Steuerkraft gegenüber Gemeinden anderer Regionen zurückfallen. ({7}) Die Bundesregierung hat auch insoweit den Verfassungsauftrag zur Einheitlichkeit der Lebensbedingungen verfehlt, als die durchgeführten Ausgleichsmaßnahmen - z. B. die Senkung der Gewerbesteuerumlage, Herr Kollege Schroeder - vorwiegend den ohnehin steuerstarken Gemeinden und Regionen Süddeutschlands zugute gekommen sind. Die Zeche bezahlt haben wieder einmal die steuerschwachen Städte des Ruhrgebiets. ({8}) Denn ihre oft einseitig strukturierten Wirtschaftsbetriebe haben in der Regel eine überdurchschnittlich hohe Fremdfinanzierung, während z. B. Frankfurt kaum betroffen ist, weil sich keine Bank fremdfinanziert. Die letzte Änderung der Gewerbesteuer, Herr Kollege Schroeder, hat der Stadt Duisburg einen Nettoverlust von 22 Millionen DM und der Stadt Gelsenkirchen einen Nettoverlust von 20 Millionen DM eingetragen. Ich will gerne einräumen: Schon bei der Abschaffung der Lohnsummensteuer waren vor allem die Ruhrgebietsstädte auf der Verliererseite. Die Stadt Stuttgart z. B. hat nichts verloren. Sie hat jahrelang über den Spitzenausgleich noch ein Drittel obendraufbekommen, insgesamt 300 Millionen DM. Die kleine, aber um so reichere Stadt Sindelfingen durfte Mehreinnahmen von sage und schreibe 80 Millionen DM kassieren. ({9}) Die Ruhrgebietsstädte dagegen sind in zusätzliche Schwierigkeiten gebracht worden. ({10}) - Sie wollten ja viel mehr. Sie wollten ja seinerzeit die Gewerbesteuer insgesamt kippen. ({11}) Die Ruhrgebietsstädte sind dagegen in zusätzliche Schwierigkeiten gebracht worden, ohne daß die Beseitigung der Lohnsummensteuer positive Beschäftigungseffekte ausgelöst hätte. Die Ausgleichsregelung hat große und kleine, arme und reiche Gemeinden unterschiedslos mit der Folge über einen Kamm geschert, daß reiche Gemeinden reicher und arme Gemeinden ärmer geworden sind. Auch bei der Neufestsetzung der Schlüsselzahlen für die Verteilung der Einkommensteuer fallen einige Ruhrgebietsstädte, besonders in der Emscher Zone, hinten runter. Wenn man zu einer wirklich gerechten Verteilung auf besonders problembelastete Gemeinden kommen will, müßte man z. B. überlegen, ob man nicht die negativen Einkommen mit anrechnen könnte. Insgesamt ist in der kommunalen Finanzausstattung eine Schieflage entstanden, die so nicht bleiben kann. Wie in der Weltpolitik gibt es auch bei uns inzwischen einen Nord-Süd-Gegensatz mit dem Unterschied, daß die Finanznot der Kommunen in der Bundesrepublik, vor allem im Norden, immer fühlbarer wird. ({12}) Gerade in den letzten Jahren hat sich das NordSüd-Gefälle immer mehr vergrößert. Vor allem massiert in den Kohle- und Stahlstandorten bestehen die größten städtischen Haushaltsprobleme. Wie sieht das konkret im Vergleich zum Süden aus? Duisburg nimmt im Jahr 200 Millionen DM an Gewerbesteuer ein, die gleich große Stadt Frankfurt aber 1,2 Milliarden DM. Das gleiche gilt im Verhältnis von Gelsenkirchen zu Nürnberg. München hat im Verwaltungshaushalt eine halbe Milliarde DM Überschuß, und das Jahr für Jahr. Ebenso verhält es sich in Stuttgart und Nürnberg. Im Ruhrgebiet dagegen ist ein ausgeglichener Haushalt für Dr. Mertens ({13}) viele Kämmerer nur ein schöner Traum. Die Stadt Duisburg muß rigoros auf dem Sektor Kultur einsparen, Frankfurt dagegen kann drei neue Theater bauen. Die Städte im Ruhrgebiet - selbst eine so relativ reiche Stadt wie Köln - können in keiner Weise mehr mithalten. Wenn nicht Entscheidendes passiert, wird sich das Auseinanderdriften zwischen Süd und Nord fortsetzen und verschlimmern. Alle Ruhrgebietsstädte haben negative Bevölkerungsprognosen. Die Bürger laufen uns davon, weil sich die Wohlstandsunterschiede der Kommunen in eklatanter Weise verschärfen. Hinzu kommen die weit über dem Durchschnitt - bis weit über 16 % - liegenden Arbeitslosenzahlen in den Ruhrgebietsstädten. Diese führen wiederum zu erhöhten Ausgaben bei der Sozialhilfe. So liegen die Sozialhilfeausgaben im Ruhrgebiet 1983 mit 479 DM je Einwohner um 42,1 % über dem Bundesdurchschnitt - 42,1 %! ({14}) Die Stadt Duisburg hat 1983 im Vergleich zu 1982 14,1 Millionen DM mehr auf das Arbeitslosengeld draufzahlen müssen. Dabei ist gerade auch noch an der Ruhr der größte kommunale Investitionsbedarf, vor allem im Bereich Stadtsanierung, Wohnumfeldverbesserung und Umweltschutz, gegeben. Hier können wir nicht genügend investieren und Arbeitsplätze schaffen, weil die Bundesregierung den Gemeinden einen Großteil der Folgekosten ihrer unsozialen Sparpolitik aufbürdet. Insbesondere im Ruhrgebiet sind die kommunalen Investionen in erschreckender Weise zurückgegangen, in den letzten vier Jahren um fast 40 %, in der Stadt Herne sogar um 64%. Meine Damen und Herren von der Union, ich fordere Sie auf: Lösen Sie Ihre Versprechen aus dem Bundestagswahlkampf ein. Sie haben im Ruhrgebiet plakatiert: „Wir schaffen Arbeitsplätze für das Revier". Der verzweifelte Hilferuf der Oberhausener CDU und der Bittbrief des Ruhrbischofs Hengsbach an Bundeskanzler Kohl sind doch bezeichnend genug. Helfen Sie dem Revier. Die Menschen dort, die einen wesentlichen Beitrag zum Wiederaufbau nach dem Krieg geleistet haben, hätten es verdient. Vielen Dank. ({15})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Magin.

Theo Magin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001407, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Mertens, vom Ergebnis her betrachtet haben sich - wenn ich Ihr Wort aufnehmen darf - der Bundeskanzler und diese Regierung den Gemeinden und Städten durchaus wohlwollend zugewandt; denn die Zahlen sprechen ja wohl - bei aller regionaler Unterschiedlichkeit - eine eindeutige Sprache. ({0}) 1981 betrug das Defizit aller kommunalen Haushalte mehr als 10 Milliarden DM, 1982 7,2 Milliarden DM ({1}) - lassen Sie mich doch einmal ausreden! -, 1983 eine Milliarde DM. Wenn wir in diesem Jahr - wir müssen abwarten - Glück haben, geht es plus/ minus null auf. Einige sagen: Wir könnten Glück haben und sogar noch ein Plus haben. ({2}) Meine Damen und Herren, die Kommunen sind nicht auf Rosen gebettet. Das haben wir immer gesagt. Aber bei allen regionalen Unterschieden muß doch etwas besser geworden sein. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben heute eigentlich mit Ihrer eigenen Politik abgerechnet. Ich meine, Selbstkritik würde uns allen besser anstehen. Sie haben mit Ihrer Politik deswegen abgerechnet, weil kommunale Politik nicht von heute auf morgen zu ändern ist. Deswegen brauchen wir eine vorausschauende Politik. Die Mängel, die Sie beklagen, gehen zum Teil auf Ihre Versäumnisse zurück. ({3}) Denn unsere Städte und Gemeinden leben ja nicht in einer windstillen Zone. Wie überall sind sie ständigen, wenn auch zeitweilig nicht sichtbaren Entwicklungsprozessen ausgesetzt. Diese Entwicklungsprozesse werden heute primär von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Faktoren bestimmt. ({4}) Selbstverständlich kann eine starke und wache Selbstverwaltung dabei aufkommende Probleme, wenn sie ihr sensorisches System - was wir alle wünschen - erhalten hat, schon im Entstehen abfangen und beweglich lösen. Wir wissen aber, daß unsere Lebensverhältnisse so kompliziert und verflochten sind, daß alle politischen Kräfte, also auch Bund und Länder, mit den Kommunen zusammenwirken müssen, wenn wir das Ziel - und es ist ein Ziel, Herr Kollege, worüber Sie vorhin gesprochen haben -, nämlich gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Teilräumen der Bundesrepublik zu schaffen und zu erhalten, nicht aus dem Auge verlieren wollen. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung an dieser Zielsetzung festhält. Wir wissen, daß dieses Ziel kaum zu erreichen sein wird; aber es muß eine dauernde Aufgabe für uns bedeuten. ({5}) Wir begrüßen die Aussage von Herrn Bundeskanzler Dr. Kohl in seiner Regierungserklärung vom 4. Mai: „Raumordnungs-, Struktur- und Umweltpolitik müssen besser miteinander koordiniert werden." Wir begrüßen ebenso den Satz aus der Antwort auf unsere Große Anfrage, in der es heißt: „Die Arbeiten an den programmatischen Schwerpunkten sind bereits aufgenommen." Nichts geht von heute auf morgen - das wissen wir -, und wir müssen hier längere Zeit mit anpakken. Jeder, der die Verhältnisse näher kennt, weiß, daß die Koordination von Raumordnungs-, Umwelt- und Strukturpolitik schwieriger, aber, ich meine, gerade deshalb heute auch um so notwendiger geworden ist, und zwar zur Wahrung der Entwicklungschancen ländlicher Regionen ebenso wie zur Bewältigung von Problemen in den Verdichtungsräumen. ({6}) - Lieber Herr Müntefering, diese Regierung hat bisher niemanden im Stich gelassen. Aber man kann natürlich eine bestimmte Gelenkigkeit und Beweglichkeit der Länder und eine vorausschauende Politik nicht unbedingt vom Bund aus ersetzen. ({7}) Meine Damen und Herren, die Infrastruktur in allen Bereichen hat einen hohen Stand erreicht. Nun gilt es, das Erreichte zu sichern und zeitgerecht fortzuentwickeln. Dies wiederum wird in erster Linie Aufgabe der Länder und der Kommunen sein. In diesem Zusammenhang - Herr Kollege Dr. Möller hat darüber gesprochen - sehen wir auch die städtebaulichen Zielsetzungen der Bundesregierung, die wir ausdrücklich unterstützen. Wir erwarten von der tatkräftigen Erfüllung dieser Stadt-und Dorferneuerungsaufgabe einen beachtlichen ökologischen, Herr Kollege Sauermilch, und wirtschaftlichen Effekt, einen ökologischen Effekt auch deswegen, weil wir gerade dadurch nicht nur eine Wiederbelebung unserer Städte erreichen wollen, sondern weil dadurch auch der Landverbrauch eingedämmt werden kann. ({8}) Aber Sie wissen, daß das ja auch nicht von heute auf morgen geht, daß enorme Voraussetzungen geschaffen werden müssen, denn Dorferneuerung zu fordern, ist leicht, sie aber durchzusetzen ist sehr schwierig. Deswegen begrüßen wir es, daß diese Aufgabe nun tatkräftig angepackt wurde. Meine Damen und Herren, nun zur Strukturpolitik. Vernünftige strukturpolitische Maßnahmen - dazu haben wir vorhin auch schon einiges gehört - lassen sich - so meinen wir jedenfalls - nicht wie ein Netz über die gesamte Bundesrepublik werfen. Es kommt wesentlich darauf an, typische Kräfte der Region zu erkennen, zu fördern und die vor Ort vorhandenen Potentiale auszuschöpfen und Entwicklungsbarrieren so weit wie möglich abzubauen. Auch das ist ein schwieriges Unterfangen. In diesem Zusammenhang ist die Aussage der Bundesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage sehr wichtig. Es heißt dort: Unter regionalpolitischen Gesichtspunkten wird angestrebt, öffentliche Forschungseinrichtungen außerhalb der verdichteten Regionen anzusiedeln und die Einrichtung von Innovationsberatungsstellen für kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen. Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist für uns entscheidend. Wir dürfen Kommunen nicht einseitig sehen, sondern wir müssen sie als einen Gesamtorganismus begreifen, in dem die örtliche Wirtschaft, das Handwerk, alle Bereiche der Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen. Als besonders bedeutsam für die strukturelle Entwicklung aller Räume begrüßen wir auch die Aussage der Bundesregierung, sie werde innerhalb ihrer Zuständigkeit darauf hinwirken, daß im ganzen Bundesgebiet ein gleichmäßiger Zugang zu den neuen Medientechnologien erreicht wird. Dazu habe ich von Ihnen heute überhaupt nichts gehört. Dazu haben Sie auch bewußt nichts gesagt, ({9}) denn da gelten Sie immer noch als die großen Bremser und Blockierer. Die Aussage von Herrn Glotz macht auch noch keinen Sommer. ({10}) - Das sind keine schönen Sprüche. Passen Sie nur auf, daß wir die Zukunft auf diesem Gebiet nicht versäumen! ({11}) Herr Krizsan, mit Ihrer Politik ist das überhaupt nicht zu machen. ({12}) Wir sollten uns alle darüber einig sein, daß die neuen Informations- und Kommunikationstechniken von ganz entscheidender Bedeutung für die Standortqualität unserer Städte und Gemeinden sein werden. Das gilt gerade im Hinblick auf die künftige Entwicklung. Es ist wichtig, jetzt damit zu beginnen und nicht noch zu warten.

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr Abgeordneter Magin.

Theo Magin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001407, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedaure, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend nur noch eines sagen: In der kurzen Redezeit können leider nicht all die Probleme und Fragen angesprochen werden. Aber eines ist klar - das möchte ich insbesondere an die Adresse der Kollegen sagen, die erklärt haben, in dieser Antwort sei eigentlich wenig Substantielles enthalten -: Unserer Auffassung nach zeigt die heute hier diskutierte Antwort auf die Große Anfrage - das läßt sich Satz für Satz nachweisen - eine kommunalfreundliche Politik dieser Regierung, die in allen genannten Feldern erreichbare Zielsetzungen aufweist und auch hoffnungsvolle Lösungsansätze erkennen läßt. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Keller.

Peter Keller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001079, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst mit einer Feststellung beginnen: Wie die Familienpolitik für die Union das Herzstück der Gesellschaftspolitik ist, ({0}) so stellt die Kommunalpolitik die Basis unserer Politik allgemein dar. ({1}) - Sie unterstreichen das ja nur. - Daher bedauern wir eine Reihe von Beschlüssen der alten Bundesregierung, die zu besonderen Härten bei den Jugendlichen und den Familien geführt haben. Dadurch wurden gerade auch die Sozialhilfeetats der Städte und der Kreise zusätzlich belastet. Im Gegensatz dazu hat der Herr Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung vom Mai 1983 deutlich gemacht - ich zitiere -: Wir werden die Konsolidierung des Bundeshaushalts nicht zu Lasten von Ländern und Gemeinden vornehmen, ... Nach zwei Jahren Regierungszeit kann ich heute erfreulicherweise feststellen, daß die Bundesregierung diese Ankündigung ernstgenommen hat. Sie hat dafür gesorgt, daß notwendige Korrekturen stattfinden können, Verbesserungen, die unseren Mitbürgern zugute kommen und darüber hinaus auch Städte, Gemeinden und Kreise entlasten. Ich darf dazu ein paar Punkte nennen. Erstens. Da ist einmal die Auszahlung des Kindergeldes an jugendliche Arbeitslose zwischen 18 und 21 Jahren ab 1. Januar 1985 zu nennen. Dies ist nicht nur ein wichtiger Schritt in eine familienfreundliche Politik, sondern bedeutet auch eine Entlastung des Sozialetats durch den Wegfall zusätzlicher Ansprüche an die Sozialhilfe. Zweitens nenne ich die Heraufsetzung der Altersgrenze von 18 auf 23 Jahre für die Gewährung von kostenfreier Familienhilfe für arbeitslose Jugendliche in der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch hierdurch werden den Sozialhilfeträgern Ausgaben erspart bleiben. Drittens gehört dazu die Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für ältere Arbeitnehmer. Das dient sicher in erster Linie der Verbesserung der Lage dieser schutz- und hilfsbedürftigen Personen, nämlich der älteren Arbeitslosen. Jedoch werden der Sozialhilfe dadurch auch große Kosten erspart, die sie dringend für andere wichtige Aufgaben benötigt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Träger von Krankenhäusern sind die Kommunen natürlich besonders an der Weiterentwicklung im Bereich der Krankenhausfinanzierung interessiert. Die von uns immer wieder betonten Grundpositionen werden wir weiterverfolgen. Dazu gehören insbesondere: Abbau der Mischfinanzierung, Stärkung der Selbstverwaltung - wobei den Ländern die letzte Entscheidung erhalten bleiben muß - und mehr Wirtschaftlichkeit, die aber nicht in einer Kostenverlagerung bestehen darf. Lassen Sie mich ein weiteres wichtiges Thema nennen, dem sich diese Bundesregierung gewidmet und wozu sie auch erste Vorschläge vorgelegt hat: Immer mehr Bürger sind nicht mehr in der Lage, die Pflegekosten aus ihren eigenen Mitteln zu finanzieren. Gerade ältere Mitbürger, die ein Leben lang hart gearbeitet haben und glauben, sich einen gut gesicherten Lebensabend erarbeitet zu haben, sind oft dem Schicksal ausgeliefert - ich sage das harte Wort -, Kostgänger der Allgemeinheit sein zu müssen. Mittlerweile ist die als Auffangnetz gedachte Sozialhilfe entgegen ihrer subsidiären Funktion zum hauptsächlichen Kostenträger geworden. Die in dem Bericht der Bundesregierung zu diesem großen sozialpolitischen Problem aufgeführten Zahlen belegen dies eindrucksvoll. Der enorme Zuwachs an pflegebedürftigen älteren Menschen bewirkte ein Ansteigen der Ausgaben der Sozialhilfe im Jahr 1982 auf über 4,4 Milliarden DM in diesem Bereich. Das Ergebnis aller bisherigen Überlegungen ist ein breiter Konsens für die Dringlichkeit einer Problemlösung. Nach meiner Überzeugung können die genannten Einstiegslösungen, die vor allem die Unterstützung der häuslichen Pflege im Auge haben, gerade auch die Etats der Sozialhilfeträger entlasten. Als weitere Maßnahme der Bundesregierung in diesem Bereich verdient das Modellprogramm ambulante Dienste für Pflegebedürftige herausgehoben zu werden. Es wird sicher wertvolle Erfahrungen darüber bringen, wie durch einen verstärkten Ausbau von Sozialstationen eine teure stationäre Unterbringung vermieden werden kann. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Große Anfrage deutlich gemacht, daß sie an der grundsätzlichen Aufgabenstellung der Sozialhilfe auch in finanzpolitisch schwierigen Zeiten festhalten wird. Die Bundesregierung hat darüber hinaus auch betont, daß sie die zunehmende Belastung der Haushalte der Sozialhilfeträger in den letzten Jahren nicht verkennt. Sie will daher Vorschläge zu einer weiteren Konsolidierung der kommunalen Haushalte prüfen, ohne daß in Aufgabenstellung und Grundprinzipien der Sozialhilfe eingegriffen wird. Wir begrüßen dies und werden daran weiter konstruktiv mitarbeiten. Lassen Sie mich mit einem Wort von Bernard Shaw, dem englischen Schriftsteller und Sozialkritiker, schließen, das ich sinngemäß wiedergebe: Wer einige Jahre in einem kommunalen Parlament gesessen hat, ist für den Rest seines Lebens gegen alle utopischen Vorstellungen gewappnet. - Diese Aussage möchte ich allen Kollegen, besonders aber den Kollegen von den GRÜNEN, mit auf den Weg geben. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Finanzen, Herr Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Hauff hat hier eben die Behauptung aufgestellt, daß sich der Bund auf Kosten der Städte und Gemeinden saniert habe. Diese Behauptung ist nachweislich falsch; denn die Finanzlage der Kommunen hat sich seit dem Antritt der Bundesregierung im Herbst 1982 insgesamt drastisch verbessert. ({0}) Nach einem Rekordfinanzierungsdefizit von über 10 Milliarden DM - Herr Kollege Magin hat das hier eben bereits gesagt - im Jahre 1981 ist dieses Defizit über 7,5 Milliarden DM im Jahre 1982 auf 1,2 Milliarden DM im Jahre 1983 gesunken. Nach den sachverständigen Berechnungen des Bundesfinanzministeriums erwarten wir bereits im Jahre 1984 einen Überschuß von einer halben Milliarde DM und für 1985, meine Damen und Herren, sogar einen Überschuß von 2 Milliarden DM. ({1})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wolfram?

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Bitte sehr.

Erich Wolfram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002558, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen und bestätigen, daß dies das Ergebnis der Bemühungen von Städten und Gemeinden ist und nicht die Folge Ihrer Politik? ({0})

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Kollege, das ist auch das Verdienst dieser Bundesregierung, die die Gemeinden ihn ihrem Finanzgebaren nie alleingelassen und bei allen ihren Konsolidierungsbemühungen immer auch an Länder und Gemeinden gedacht hat. Darüber ist nicht hinwegzudiskutieren. ({0}) Dieser Konsolidierungserfolg, der sich deutlich von der ungünstigeren Finanzlage der Länder und des Bundes abhebt, steht daher in einem krassen Gegensatz zu den Klagen der Opposition über den Zustand der Gemeindefinanzen in den letzten beiden Jahren. Allerdings ist die günstige Lage nicht bei allen Kommunen einheitlich. Wir haben eine begrenzte Zahl von größeren Städten in industriellen Problemgebieten, die noch erhebliche Schwierigkeiten haben. Das ist nicht zu leugnen. Der hier notwendige Ausgleich ist allerdings nach unserer Finanzverfassung nicht Sache des Bundes, sondern eine klassische Aufgabe der Länder, Herr Kollege Mertens. Die erforderlichen Korrekturen sind über den kommunalen Finanzausgleich herbeizuführen. ({1}) Häufig ist auch die Klage zu hören, die Arbeitslosigkeit führe über hohe Sozialhilfeausgaben zu unvertretbaren Belastungen der Gemeinden. Dies ist gewaltig überzogen; denn nach den vorliegenden Statistiken entfallen knapp zwei Drittel der gesamten Sozialhilfeleistungen der Gemeinden auf Leistungen innerhalb von Einrichtungen, nämlich die Pflegekosten. ({2}) Diese Leistungen sind völlig unabhängig von der Entwicklung der Arbeitlosenzahlen und von der Höhe des Arbeitslosengeldes. Die Hilfen zum Lebensunterhalt hingegen, bei denen es zu Mehrausgaben wegen Arbeitslosigkeit gekommen ist, nehmen nur rund ein Drittel der gesamten Sozialhilfeaufwendungen, also den weitaus kleineren Teil, in Anspruch. Von 1981 bis 1983 erhöhten sich die gesamten Hilfen zum Lebensunterhalt um 1,3 Milliarden DM auf 6,1 Milliarden DM. Diese Entwicklung ist aber nur zu einem Teil durch steigende Aufwendungen für Arbeitslose bedingt. Leider fehlen die Daten, um die genauen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf die Sozialhilfeausgaben feststellen zu können. Aber bei einem kommunalen Haushaltsvolumen von über 150 Milliarden DM ist ersichtlich, daß mit dieser Belastung der Gemeinden weder der Rückgang der kommunalen Sachinvestitionen um 8 Milliarden DM in den Jahren 1981 bis 1983 begründet werden kann, noch die Fortsetzung des Konsolidierungskurses gefährdet wird. Im übrigen wird die jetzt von der Bundesregierung beschlossene Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für über 49jährige Arbeitslose die Gemeinden bei den Sozialhilfeausgaben entlasten. ({3}) Angesichts des wiedergewonnenen finanziellen Handlungsspielraums sind die Kommunen jetzt eindeutig in der Lage, die Eigenanstrengungen im investiven Bereich zu verstärken. Die finanzwirtschaftlichen Voraussetzungen für einen Wiederanstieg der kommunalen Investitionstätigkeit sind gegeben. Der Überschuß des Verwaltungshaushaltes, der den Gemeinden zu Investitionsfinanzierungen zur Verfügung steht, ist im ersten Halbjahr 1984 - nach dem deutlichen Anstieg des Vorjahres - nochmals um fast 30 % gestiegen. Die neuesten Vorausschätzungen über die Entwicklung der Investitionsausgaben für 1984 berechtigen zur Zuversicht. Der Rückgang der kommunalen Investitionsausgaben in den vergangenen Jahren - 1983 waren es minus 10% - kommt in diesem Jahr voraussichtlich zum Stillstand; denn im ersten Quartal 1984 betrug das Minus noch 7,8%, im zweiten Quartal 1984 nur noch 3 %. Eine Trendumkehr im Investitionsverhalten zeichnet sich hier also ab. Zur Vollständigkeit des Bildes gehört auch, daß die Sachaufwendungen 1984 voraussichtlich um 6 % steigen werden; das sind rund 1,8 Milliarden DM. Dieser Anstieg der Sachaufwendungen deutet darauf hin, daß die Gemeinden zunächst in größerem Umfang Erhaltungsaufwendungen durchführen, bevor sie verstärkt wieder Investitionen vornehmen. In der Diskussion über eine grundsätzliche Neuordnung der Gemeindefinanzen, in deren Mittelpunkt die Zukunft der Gewerbesteuer steht, mißt die Bundesregierung dem Votum der Länder eine zentrale Bedeutung bei. Die Bundesregierung praktiziert hier kooperativen Föderalismus, indem sie das Ergebnis der Meinungsbildung der Länder abwartet. Nach dem Ergebnis der Landesfinanzministerkonferenz vom Mai dieses Jahres enthält keines der bisher entwickelten Modelle eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung. Sie stellen daher noch keine überzeugende Alternative zur gegenwärtigen Gewerbesteuer dar. Die Bundesregierung sieht sich deshalb in ihrer Auffassung unterstützt - und befindet sich in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der Landesfinanzminister -, daß weitere Eingriffe in die Gewerbesteuer auch nach Ablauf dieser Legislaturperiode ohne ein Konzept für die Neuordnung des Gemeindefinanzsystems, dem die Betroffenen zustimmen können, nicht in Betracht kommen. ({4}) Es freut mich, meine Damen und Herren von der SPD, hier die Übereinstimmung mit Ihnen, insbesondere mit dem Kollegen Struck, der eben geredet hat, feststellen zu können. Inzwischen haben die Ministerpräsidenten auf ihrer Konferenz vom 17. bis 19. Oktober 1984 in Bremerhaven die Innen- und Finanzministerkonferenz um eine gemeinsam abgestimmte Beratungsvorlage bis zum Frühjahr 1985 gebeten. Die Bundesregierung wird den weiteren Verlauf der Meinungsbildung der Länder mit Aufmerksamkeit verfolgen. Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes. Der Gesetzentwurf steht in engem Zusammenhang mit einer vom Bundesminister der Finanzen zu erlassenden Verordnung über die Ermittlung der Schlüsselzahlen für die Aufteilung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer für die Jahre 1985, 1986 und 1987. Mit dieser Verordnung, der der Bundesrat in seiner Sitzung am 26. Oktober 1984 bereits zugestimmt hat, wird die Verteilung der Einkommensteueranteile auf die Gemeinden ab dem 1. Januar 1985 auf der Basis der Einkommensteuerstatistik 1980 vorgenommen. Diese Aktualisierung, die regelmäßig in dreijährigem Turnus zu erfolgen hat, führt zu erheblichen Verschiebungen des Aufkommens der einzelnen Gemeinden innerhalb eines Landes. Begünstigt werden insbesondere kleine und mittlere Gemeinden, während größere Städte Verluste hinnehmen müssen. Um diese Verschiebungen in Grenzen zu halten, ist die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagene Anhebung der sogenannten Höchstbeträge erforderlich. Diese Höchstbeträge geben an, bis zu welchen Grenzen die zur Verfügung stehenden und zu versteuernden Einkommen der Gemeindebürger bei der Verteilung des Gemeindeanteils berücksichtigt werden. Sie liegen nunmehr seit fast sechs Jahren unverändert bei 25 000 DM für Alleinstehende bzw. 50 000 DM für zusammen veranlagte Ehegatten. Mit dem Vorschlag, sie zum 1. Januar 1985 auf 32 000 DM bzw. 64 000 DM anzuheben, wird nach Meinung der Bundesregierung ein auch unter raumordnungspolitischen Gesichtspunkten tragbarer Kompromiß vorgelegt. Der Bundesrat - ich betone das an dieser Stelle, weil die Entscheidung der Länder im Hinblick auf ihre Zuständigkeit für die Finanzen ihrer Gemeinden große Bedeutung hat - hat in seiner Sitzung am 26. Oktober 1984 mit Mehrheit beschlossen, gegen den vorliegenden Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben. Auch nach dieser maßvollen Anhebung der Höchstbeträge werden die mittleren und kleineren Gemeinden ab 1985 bessergestellt, wobei vor allem die steuerschwächeren unter ihnen Vorteile haben werden. Damit hat die Bundesregierung einen weiteren Schritt in Richtung auf eine gerechtere Finanzausstattung der Gemeinden getan. Ich danke Ihnen. ({5})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Ewen.

Carl Ewen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000504, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehe zunächst auf das ein, was Herr Staatssekretär Voss gesagt hat. Herr Voss, es muß Ihnen doch aufgefallen sein, daß der Betrag von 10 Milliarden DM, der als Finanzierungssaldo eingespart worden ist, ziemlich exakt mit dem Betrag identisch ist, der bei den kommunalen Investitionen fehlt. Wenn die Erhöhung der Sozialhilfeausgaben hinzukommt, muß das j a wohl an anderer Stelle gespart worden sein. Denn für viele eigentlich notwendige Investitionen hat ein Großteil der Gemeinden doch nicht einmal mehr die Genehmigung der Aufsichtsbehörden bekommen. Das ist doch ein ganz wesentlicher Grund dafür gewesen, daß auch in den strukturschwachen Gebieten das, was man Konsolidierung nennt, eingetreten ist. Aber zu wessen Lasten, muß man hier fragen. Und da kommen wir doch ganz schnell zu dem Ergebnis: zu Lasten des kleinen und mittelständischen Gewerbes, das doch in hohem Maß von den Aufträgen der Kommunen abhängig ist, und zu Lasten derer, die als Arbeitslose keinen Anteil an der Weiterentwicklung in unserem Staat haben. Herr Magin hat in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, daß ein möglicherweise notwendiger Strukturwandel von einigen Gemeinden nicht rechtzeitig gefördert worden ist. Herr Magin, dies ist ein zweischneidiges Schwert. ({0}) - Ja; gut. Es muß j a von beiden gemacht werden. Zu Zeiten von Hochkonjunkturen hat wohl niemand die Kraft gehabt, in einer Region, die z. B. wie meine Heimat von Werften geprägt ist, zu sagen: Also, Freunde, in fünf Jahren habt ihr keine Chance mehr; wir müssen was Neues machen. - Dafür hätten sie weder Firmen noch Arbeitskräfte bekommen. Als es, ab 1978 deutlicher erkennbar, aus weltwirtschaftlichen Gründen schlechter wurde, fehlten möglicherweise alternativ - sage ich mal - Interessierte, die in solche Regionen gehen würden. Anfang der 80er Jahre fehlte dann das Geld, besonders in den strukturschwachen Ländern, um eine aktive Strukturpolitik überhaupt finanzieren zu können. Das muß man sehen. Von da spielt auch das Finanzierungsdefizit eine große Rolle. Sie haben die Verkabelung erwähnt. Ich will einige wenige Sätze dazu sagen. Sie haben gesagt, Verkabelung diene auch der Standortverbesserung. Nun, es gibt eine ganze Reihe von Firmen, die natürlich gern in Kommunikationsnetze einbezogen werden möchten. Aber das geht natürlich nicht mit den Verkabelungsplänen, die zur Zeit durchgeführt werden sollen, sondern es geht nur dann, wenn man vermittelte Netze hat. Nur dann wird es auch ein Standortvorteil. Nur dann kann die Industrie die moderne Kommunikation tatsächlich nutzen. Das sollte man sehr deutlich auseinanderhalten, damit wir nicht auf dem falschen Bein hurra schreien. Wir sind überzeugt, daß die Bundesregierung aufhören muß, die Konsolidierungslasten den Gemeinden und Gemeindeverbänden, vor allem im Bereich der Sozialausgaben, aufzubürden. Die durch Bundesgesetz eingeschränkten Leistungen an einkommensschwächere Bürger müssen die gemeindlichen Sozialhilfeträger über die Sozialhilfe zum Teil ausgleichen. Die notwendigerweise in den letzten Jahren enorm ausgeweiteten Leistungen der Kommunen für die Hilfe zum Lebensunterhalt z. B. auch für Arbeitslose, die keine oder nur unzureichende Unterstützung erhalten, entzieht den Kommunen die Mittel, die sie dringend für andere Aufgaben benötigen. Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung verschärft die Situation dadurch, daß sie auch das Arbeitslosengeld und die Arbeitslosenhilfe wider besseres Wissen und gegen die Warnungen der kommunalen Spitzenverbände gekürzt hat. Durch immer mehr Arbeitslose werden, besonders wenn die Langzeitarbeitslosen in den Kommunen sich häufen, die Gemeinden zu weiterer kommunaler Sozialhilfe gedrängt, und die Arbeitslosen selber machen einen sozialen Abstieg durch. Dies ist, Herr Dr. Waffenschmidt, ein unerträglicher Verschiebebahnhof des Bundes zu Lasten der Gemeinden. ({1}) Das muß man deutlich aussprechen. Das darf so nicht weitergehen. Denn das kostet die Gemeinden zusätzlich mehrere Hunderte von Millionen, die sie dringend nötig hätten, um Investitionen vorzunehmen. Arbeitslose auf die Sozialhilfe zu verweisen, ist zudem auch sozialpolitisch falsch. Denn die befinden sich in einer Notlage, die durch die Arbeitslosenunterstützung behoben werden sollte. Dafür ha ben die Arbeitnehmer Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit entrichtet. Das Problem muß deshalb in Nürnberg und nicht von unseren Gemeinden gelöst werden. Die Regierungskoalition dagegen hat in Nürnberg in erheblichem Maße sogar einen Juliusturm - möchte ich beinahe sagen - aufgehäuft. ({2}) - Okay, Heinrich Franke, unser Freund, er hat das große Glück gehabt. - Trotzdem müssen für die Belastungen die Gemeinden aufkommen. Ich denke, die Mindesthöhe der Arbeitslosenunterstützung sollte so hoch sein wie die Leistungen der Sozialhilfe, um auch die Sozialhilfeträger von den Zusatzleistungen zu befreien. Dies hat auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, zuletzt in ihrer Entschließung zur Novellierung des Arbeitsförderungsgesetzes, gefordert. Eben diese Entschließung haben Sie, Herr Kollege Magin, in Ihrer Eigenschaft als Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes doch mitgetragen. ({3}) Ich hoffe, daß Sie auch in Ihrer Fraktion deutlich machen, daß dieser Weg beschritten werden muß. ({4}) - Einen Teilerfolg, so habe ich soeben von Herrn Keller gehört, hat es da gegeben. Einverstanden, wenn wir auf diese Weise langsam, aber sicher vielleicht in ein vernünftiges Fahrwasser kommen. ({5}) Ich will an dieser Stelle doch einmal einige wenige Zahlen aus einem strukturschwachen, ländlichen Kreis nennen. In dem Kreis, in dem ich noch selbst Kreistagsabgeordneter bin, haben wir zur Zeit eine Arbeitslosenquote von 20 %. Im Sommer waren es immer noch 16,5 %, und im letzten Winter waren es 24 % und 25%. Nach dem, was wir bis jetzt erkennen können, scheint dieser Winter nach den Angaben der Arbeitsverwaltung noch schlimmer zu werden. In diesem Gemeindeverband von einer Konsolidierung zu sprechen, würde den verantwortlichen örtlichen Kommunalpolitikern die Zornesröte ins Gesicht treiben. Wie sich die sogenannte Konsolidierung in einem solchen Landkreis auswirkt und wie sehr sich die örtlichen Zahlen von der Globalbetrachtung von mehr als 8 500 Gemeinden und Gemeindeverbänden unterscheiden, kann ich belegen. Die Ausgaben für die Sozialhilfe nach dem BSHG werden von 121,3 Millionen DM im Jahre 1982, dem Wendejahr, auf 194 Millionen DM im Jahre 1985 steigen; das ist eine Steigerung um 60 %. Der Zuschußbedarf für die Hilfe nach dem BSGH betrug im Landkreis Aurich im Jahre 1982 rund 100 DM je Einwohner - damals im Durchschnitt aller Landkreise 50 DM -, 1984 beträgt dieser Betrag 160 DM pro Einwohner. Die eigenen Sachinvestitionen be7346 trugen 1980 46 Millionen DM. Diese Beträge sinken im Jahre 1985 auf 8 Millionen DM. Das ist ein nomineller Rückgang um 82,6 %. Der Zuschußbedarf zu den Kosten des BSHG in Höhe von 26 Millionen DM wird 1985 dreimal so hoch sein wie die vom Landkreis Aurich zu tätigenden Sachinvestitionen; vor kurzem war es noch genau umgekehrt. Da hatten wir dreimal soviel Sachinvestitionen wie Hilfen zum Lebensunterhalt. Meine Redezeit geht zu Ende. Ich darf noch einmal sagen: Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich für die uneingeschränkte Wiederherstellung des Bedarfsdeckungsprinzips im Sozialhilferecht auf der Grundlage eines aktualisierten Bedarfsmengenschemas, des sogenannten Warenkorbs, ein. Mit den heute gültigen Regelsätzen ist es den Hilfeempfängern nicht mehr möglich, ein menschenwürdiges Leben zu führen, wie es im Bundessozialhilfegesetz selbst formuliert ist. ({6}) Dazu gehört eben nicht nur der nackte Lebensunterhalt, sondern in angemessenem Umfang auch die Teilhabe am gesamtgesellschaftlichen Wohlstand. Bei jeder Manipulierung am Bedarfsdeckungsprinzip werden Sie die SPD nicht auf Ihrer Seite haben. Dies sage ich, obwohl es den Kommunen schlecht geht. Ich behaupt aber: Der Finanzbedarf der Kommunen ist dann, wenn wir die Sozialhilfe ordnungsgemäß gewähren, wenn wir die Investitionen tätigen, die notwendig sind, größer, als zur Zeit hochgerechnet wird. Ich denke, diese Bundesregierung sollte mithelfen, die Gemeindefinanzreform schnell auf den Weg zu bringen, damit die Aufgaben in den Kommunen auch in Zukunft erfüllt werden können. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Eylmann.

Horst Eylmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000508, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem sich die letzten Redebeiträge mit Geld und mit zahlreichen speziellen und regionalen Problemen beschäftigt haben, lassen Sie mich gegen Schluß der Debatte zu einer Grundsatzfrage der Kommunalpolitik zurückkehren. Die Kommunen - davon war heute nachmittag schon die Rede - führen seit Jahren einen Abwehrkampf gegen zahlreiche Einschränkungen ihrer Selbstverwaltung, Einschränkungen, die in einem immer enger gewordenen Netz von Gesetzen und Verordnungen und in einer überzogenen Kontrolle seitens der Aufsichtsinstanzen begründet sind. Aber nicht nur Legislative und Exekutive der staatlichen Ebene sind daran schuld, sondern wir haben auch eine Einschränkung des kommunalen Entfaltungsspielraums durch die dritte Gewalt, hier repräsentiert durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. ({0}) Nun ist es keine Frage, daß die Verwaltungsgerichte mit ihrer umfassenden Zuständigkeit eine der wichtigsten Errungenschaften des liberalen Rechtsstaats sind. Der Rechtsschutz unserer Bürger durch unabhängige Gerichte hat zu Recht Verfassungsrang. Das kann aber noch nicht heißen, jede Ausuferung der dritten Gewalt kritiklos zu akzeptieren. Oder, um es mit dem Stuttgarter Oberbürgermeister Rommel zu sagen: Die Jurisprudenz sollte erkennen, wann sie aufhört, Jurisprudenz zu sein, und wann sie beginnt, Politik zu werden. ({1}) Es kommt darauf an, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit noch einen Spielraum für politische Ermessensentscheidungen der Kommunen offen läßt. Es kann eigentlich nicht bezweifelt werden, daß dieser Spielraum in den letzten Jahren immer enger geworden ist. ({2}) In immer größerem Maße bestimmt die Verwaltungsgerichtsbarkeit und nicht mehr das Parlament in der Gemeinde, wo noch eine Straße gebaut werden darf und wie städtische Satzungen auszusehen haben. ({3}) Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist auf dem besten Weg, zu einer Superaufsichtsinstanz zu werden, die über allem thront, in allem das letzte Wort hat und den meisten Beschlüssen der kommunalen Vertretungen nur noch einen vorläufigen Charakter zuweist. Der Einbruch in den Bereich der Politik - das wissen wir -- vollzieht sich über die unbestimmten Rechtsbegriffe wie öffentliches Wohl, öffentlicher Belang usw., deren Ausfüllung durch die kommunalen Parlamente einer überspitzten gerichtlichen Kontrolle unterzogen wird. ({4}) Dann bestimmen letzten Endes die Richter, was in der Kommune noch passiert, Richter, die sich nicht wie die Ratsherren alle vier oder fünf Jahre der Wahl stellen müssen. Gerade das letztere ist zu betonen. Denn daraus wird deutlich, daß jede Einschränkung der politischen Gestaltungsmöglichkeit in der Gemeinde gleichzeitig auch eine Verminderung der Mitwirkungsrechte der Bürger bedeutet. Meine Damen und Herren, erwächst diese Gefährdung der kommunalen Selbstverwaltung aus einer Ausuferung der dritten Gewalt, also von außen, so tragen andererseits die Kommunalparlamente auch selbst dazu bei, ihre Eigenständigkeit auszuhöhlen, und zwar paradoxerweise dadurch, daß sie die Grenzen ihres Zuständigkeitsbereichs überschreiten. In den letzten Jahren häufen sich die Fälle, in denen sich Stadt- und Gemeinderäte und auch Kreistage gleichsam in Ausübung eines allgemeinen politischen Mandats z. B. mit Fragen der Landesverteidigung oder der Dritten Welt oder auch mit Problemen des Umweltschutzes befassen, die keinerlei örtlichen Bezug haben. Da gibt es die atomwaffenfreien Zonen, Gemeinderäte erhitzen sich bei der Erörterung schwieriger geopolitischer Verteidigungsfragen, oder man debattiert über Buschhaus, obwohl man doch außerhalb des Immissionsbereichs liegt. Ebensogut könnte man über die Folgen der Urwaldrodung in Brasilien für das Weltklima und damit auch für das örtliche Wetter in den Gemeinderäten von Kleinkleckersdorf und Hintertupfing diskutierten. Aber das kommt ja vielleicht noch. ({5}) Wer einmal eine solche Debatte miterlebt hat, kann sich des Eindrucks von der Unangemessenheit der Situation nicht entziehen. Es ist geradezu peinlich, mitzuerleben - man muß das einmal gesehen haben -, wie sich Kommunalparlamente, die das Mandat erhalten haben, um sich um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu kümmern, als Mittel zur propagandistischen Durchsetzung bestimmter politischer Ziele mißbrauchen lassen. ({6}) In der Erklärung der GRÜNEN zur Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen heißt es mit aller wünschenswerten Deutlichkeit: Grüne Kommunalpolitik darf erst in zweiter Linie Rathauspolitik sein. Es wird vielmehr unsere Hauptaufgabe sein, der außerparlamentarischen Bewegung eine zusätzliche Stimme zu geben. Die fehlende Präsenz bei den GRÜNEN unterstreicht das. Die SPD läuft ja, wie so üblich - gleichsam wie der Hase auf der Buxtehuder Heide -, den GRÜNEN hinterher, allerdings ohne sie an vermeintlicher Progressivität je zu erreichen. ({7}) - Die Buxtehuder Heide gehört zu meinem Wahlkreis. Ich sehe dort des öfteren den Hasen, und ich sehe Sie hier, und die Ähnlichkeit ist frappierend. ({8}) Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen hat einen Musterentwurf für kommunale Entschließungen dieser Art entwickelt, und da heißt es bombastisch: „Unter Wahrung unserer verfassungsmäßigen Rechte als Gemeinwesen, in Ansehung der Lebensinteressen unserer Bürger, mit dem Willen, dem Frieden in der Welt zu dienen, fordert der Rat der Stadt die Bundesregierung auf ...". Das hebt an wie die Präambel des Grundgesetzes. ({9}) - Er darf Besorgnis äußern. Aber Sie sehen die Gefahr nicht: Der entscheidende Grund, weshalb das schädlich ist, liegt doch darin, daß Kompetenzüberschreitungen verfassungspolitisch schlimme Folgen haben können. ({10}) Unsere Bürger erwarten, daß sich die Ratsmitglieder in den Gemeindeparlamenten den kommunalen Aufgaben stellen, die sie auch bewältigen können. Es herrscht sicherlich kein Mangel an solchen Aufgaben. wenn die Bürger aber feststellen müssen, daß sich immer mehr Gemeinderäte dieser mühseligen Kleinarbeit entziehen, in die große Politik hinausgehen und in den Gemeindeparlamenten so allgemein und - wir wollen doch ehrlich sein - auch mit denselben Gemeinplätzen wie in vielen anderen Diskussionszirkeln und Versammlungen in unserer Gesellschaft diskutiert wird, dann werden die Bürger demnächst den besonderen Wert und den Rang des Instituts der kommunalen Selbstverwaltung nicht mehr einsehen. Ich meine, unsere Rathäuser sollten uns zu schade sein, um auf diese Weise zu politischen „Quasselbuden" degradiert zu werden. Ich danke Ihnen. ({11})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Daniels.

Dr. Hans Daniels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000352, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab eine Bemerkung zu der Behauptung des Kollegen Ewen machen, die Konsolidierung der Gemeindefinanzen sei ausschließlich auf deren eigene Bemühungen und auf den Rückgang der Investitionen zurückzuführen. Ich nenne Ihnen dazu nur drei Zahlen: 1981, im letzten Jahr, in dem Sie noch voll regiert haben, sind die Steuereinnahmen der Gemeinden um 1 Milliarde DM zurückgegangen. 1983, im ersten Jahr, in dem wir voll regiert haben, ({0}) sind sie um 5,4 % gestiegen und im ersten Quartal dieses Jahres bereits um 9,5 %. ({1}) Diese Zahlen zeigen Ihnen, daß sich die Wende in der Wirtschaftspolitik auch auf die Finanzen der Gemeinden durchschlagend ausgewirkt hat und daß auch die Gemeinden den Aufschwung nun zu spüren bekommen. ({2}) Ich möchte als letzter Redner in dieser Debatte nur insofern vom Geld sprechen, als auch das Geld zu einer Gefahr für die kommunale Selbstverwaltung werden kann. ({3}) Der oberste Grundsatz - hören Sie gut zu! - der Sozialisten lautet - darin werden Sie mir zustimmen -: Alle müssen es gleich schlecht haben. ({4}) Ich meine, dieser Grundsatz könnte auch bei der Regelungsdichte Pate gestanden haben, die die Selbstverwaltung der Gemeinden sosehr einschränkt und die wir heute so oft beklagt haben. Die Bundesregierung hat uns eine Abkehr von dieser Regelungsdichte in Aussicht gestellt. Ich glaube, wir alle, die wir auch als Gesetzgeber dabei mitwirken müssen, müssen dann von einigen fundamentalen Irrtümern Abschied nehmen, die wir zum Teil auch alle begangen haben. Ich sage das ganz freimütig. Erster Irrtum: Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, die das Grundgesetz fordert, bedeutet nicht Uniformität oder Gleichmacherei. ({5}) Die Städte und Gemeinden dürfen nicht nur, sie müssen geradezu verschieden sein. Gerade das macht ihren Charme aus, gerade das bietet ihnen die Chance, ihren Bürgern auch Heimat zu geben. Daß sie alle gleich wären, wäre eine entsetzliche Vorstellung. ({6}) Zweiter Irrtum. Ein Beamter hat nicht deshalb einen größeren Sachverstand, weil er auf einer höheren Ebene angesiedelt ist. ({7}) Der Ministerialrat, der Vorschriften ausarbeitet, ist im Prinzip nicht klüger als der Beigeordnete, der sie vor Ort plant oder ausführt. ({8}) Eine Vorschrift kann immer nur sicherstellen, daß alles gleichgemacht wird, ({9}) sie kann auch erreichen, daß alles gleich falsch gemacht wird. In jedem Fall behindert sie eine bürgernahe Verwaltung. Bürgerbeteiligung, Einfluß der Bürger auf die Entscheidung ist nur möglich, wenn der Rat einer Gemeinde und wenn nicht der Ministerialrat entscheidet. Fast noch schlimmer - und damit möchte ich schließen - als Gesetze und Verordnungen ist jedoch die Abhängigkeit der Gemeinden auch für ihre einzelnen Investitionen von konkreten Zuschüssen des Bundes und der Länder. Es gibt Hunderte von Töpfen und Töpfchen bei Bund und Ländern, aus denen Zuschüsse gewährt werden. Jeder einzelne dieser Töpfe bedeutet, daß eine große Anzahl von Anträgen gestellt werden muß. Die müssen von zahlreichen Beamten sorgfältig begründet werden. Die meisten von ihnen müssen anschließend nach einer sorgfältigen Prüfung durch andere zahlreiche Beamte abgelehnt werden, weil die Mittel nicht ausreichen. Auch die Ablehnung muß wieder sorgfältig begründet werden. Einige wenige Anträge werden bewilligt. Sie dienen dann in den Räten dazu, klarzumachen, daß man nun gerade das machen muß, wofür es einen Zuschuß gibt, nach dem Motto: Wir brauchen zwar das Altenheim dringender als den Kindergarten, aber weil wir für den Kindergarten den Zuschuß bekommen, bauen wir den eben zuerst. ({10}) Ich schildere einen Fall aus dem Leben: Eine Stadt beantragt einen Zuschuß - ich gebe zu, einen Landeszuschuß; es ist ja inzwischen auch ein Vertreter der Länder auf der Bundesratsbank erschienen -, ({11}) um zehn Bälle zum Preise von 400 DM für eine Turnhalle zu kaufen. ({12}) Nach langem Schriftwechsel und Telefonaten, deren Kosten die kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung auf 131 DM schätzt, wird ein Zuschuß von 80 DM bewilligt. Bei der Prüfung des Verwendungsnachweises, der sich an einen solchen Zuschuß auch immer noch anschließt, wird festgestellt, daß die Bestellung der Bälle unzulässigerweise bereits vor Gewährung des Zuschusses erfolgt ist; der Zuschuß mußte deshalb wieder zurückgezahlt werden. Meine Damen und Herren, dies sind keine Ausnahmefälle, sondern es ist wahrlich ein Fest für Parkinson. Nun sind die Städte und Gemeinden - das will ich gern zugeben - selber an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig. Sie sind immer wieder in Versuchung, auch selber staatliche Zuschüsse zu einzelnen Maßnahmen zu fordern, obwohl sie damit ihre finanzielle Eigenständigkeit weiter einschränken. Die Bundesregierung, so hat sie uns in der Antwort auf die Große Anfrage gesagt, ist entschlossen, soweit es in ihrer Zuständigkeit möglich ist, den Vorschriftenurwald zu roden. Wir hoffen und wünschen, daß nicht auch wir als der Gesetzgeber wie manche vor uns im Gestrüpp des bürokratischen Unterholzes steckenbleiben werden. Herzlichen Dank. ({13})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu dieser Debatte nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache. Zu Tagesordnungspunkt 6 schlägt der Ältestenrat vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 10/2230 zur federführenden Beratung an den Finanzausschuß und zur Mitberatung an den Innenausschuß und den Haushaltsausschuß zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? Vizepräsident Westphal - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich muß noch eine amtliche Mitteilung machen. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat heute nachmittag soll die heutige Tagesordnung um fünf Zusatzpunkte erweitert werden. Diese Punkte sind in der Liste „Zusatzpunkte zur verbundenen Tagesordnung", die Ihnen bereits vorliegt, unter den Nrn. 3 bis 7 aufgeführt. ({0}) Ich gehe davon aus, daß mit der Aufsetzung der Tagesordnungspunkte, soweit erforderlich, gleichzeitig von der Frist für den Beginn der Beratung abgewichen wird. - Ich sehe, daß Sie damit einverstanden sind. Nach einer weiteren Vereinbarung im Ältestenrat soll Punkt 15 der Tagesordnung abgesetzt werden. Sind Sie auch damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen. Ich rufe jetzt die Punkte 7 bis 10 der Tagesordnung auf: 7. Beratung des Antrags der Abgeordneten Müller ({1}), Kiehm, Dr. Hauff, Frau Blunck, Frail Dr. Hartenstein, Schäfer ({2}), Dr. Sperling, Wartenberg ({3}), Frau Weyel und der Fraktion der SPD Sofortprogramm zum Schutz des Wassers - Drucksache 10/1823 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({4}) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Forschung und Technologie 8. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Angekündigtes Bodenschutzkonzept der Bundesregierung - Drucksache 10/1868 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß ({5}) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 9. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ehmke ({6}) und der Fraktion DIE GRÜNEN EG-Richtlinie über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch - Drucksache 10/1529 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ({7}) Innenausschuß 10. Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Änderung der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser - Drucksache 10/2201 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft ({8}) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Meine Damen und Herren, interfraktionell sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 7 bis 10 und zwei Beiträge bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Kiehm.

Günter Kiehm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001092, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag auf Drucksache 10/1823 nehmen wir Überlegungen auf, die bereits in unserem Antrag für eine umweltverträgliche Industriegesellschaft enthalten sind. Sie finden hier auch Elemente, die in einem anderen Zusammenhang im Antrag zum Bodenschutzkonzept aufgenommen wurden. Wir wollen mit unserem Antrag einen Rahmen abstecken, in dem sich das Handeln des Staates, der Kommunen, der Wirtschaft und der Landwirtschaft vollziehen kann. Mit unserem Antrag wollen wir Zielvorgaben machen, aber wir wollen auch Mittel benennen, mit denen diese Ziele zu erreichen sind. Unser Antrag kann der längerfristigen Orientierung dienen und kann auch als inhaltlicher Fahrplan für die Gesetzgebung verstanden werden. Wir haben bereits im Innenausschuß angekündigt, daß die SPD-Bundestagsfraktion die Jahre 1985 und 1986 nutzen will, um Fortschritte beim Schutz des Wassers herbeizuführen. Meine Damen und Herren, ich habe immer Verständnis für die Argumentation gehabt, daß z. B. Grenzwerte bei Luftreinhaltemaßnahmen nicht von heute auf morgen geändert werden können, wenn man die Realisierung unter ökonomisch vernünftigen Bedingungen betreiben will. Gerade diese Position veranlaßt mich aber, für Entscheidungen zu plädieren, an denen sich z. B. Industrie und Wasserwirtschaft orientieren können. Das heißt, Ziele des Bundes müssen erkennbar sein, auch wenn vielleicht die einzelne Maßnahme heute auf dem Felde des politischen Kompromisses dem Ziel nicht voll entspricht. Wenn die Bundesregierung im übrigen in ihrem Erfahrungsbericht zum Abwasserabgabengesetz von einer laufenden Anpassung der Mindestanforderungen an die technische Entwicklung spricht, steht sie vor demselben Problem, den Rahmen für ihr Handeln benennen zu müssen. Die Formulierung eines Programms nach den vom Bund gesehenen Notwendigkeiten ist aber auch aus anderen Gründen nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig. Wir wissen, daß eine Fülle von Regelungen im Wasserbereich durch EG-Richtlinien getroffen werden. Das Wissen um die von uns, vom Parlament, verfolgten Ziele würde die Regierung in die Lage versetzen, in Brüssel vielleicht zielgerichteter verhandeln zu können, als es heute der Fall ist. Das Parlament vermiede damit die makabre Situation, immer nur auf das reagieren zu können, was im administrativen Regierungsbereich vorgedacht worden ist. Ein Weiteres: Für den Wasserhaushalt hat der Bund das Recht, Rahmenvorschriften zu erlassen, ist also in großem Umfange auf die Mitwirkung der Länder angewiesen. Die Behandlung des Erfahrungsberichts zum Abwasserabgabengesetz im Innenausschuß hat gezeigt, daß eine eindeutige politische Willenserklärung zur zukünftigen Wasserpolitik dazu beitragen kann, die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern nicht nur zu beschleunigen, sondern auch zu verbessern. Ein entschiedener politischer Wille, hier in diesem Parlament geäußert - ich würde die Landesparlamente ermuntern, sich ebenso deutlich zu äußern -, kann darüber hinaus den im argen liegenden Vollzug bestehender und die Umsetzung neuer gesetzlicher Regelungen erleichtern. Eine ganze Reihe von Forderungen aus unserem Antrag bezieht sich auf die Durchsetzung des Vorsorgeprinzips. Was wir in der SPD die „ökologische Modernisierung der Industrie" nennen, findet sich auch hier wieder. Weil wir wollen, daß Produkte, Produktionsweisen und eingesetzte Mittel so gestaltet und ausgewählt werden, daß schädliche Wirkungen auf das Wasser unterbleiben, kann auf die Einwirkung durch die öffentlich-rechtlichen Maßnahmen gegenüber der Industrie nicht verzichtet werden. Derartige Absichten nicht rechtzeitig angekündigt zu haben ist aber ein Verstoß gegen das bejahte Kooperationsprinzip. ({0}) So wie der eine Kooperationspartner seine wirtschaftliche Bedeutung ins Spiel bringt, darf die öffentliche Hand als anderer Partner ihre ordnungsrechtlichen Möglichkeiten nicht verleugnen. Auch dies deutlich zu sagen, ist hier die richtige Stelle. Meine Damen und Herren, das Verursacherprinzip, das im Wasserrecht deshalb so wirkungsvoll ist, weil ordnungsrechtliche Möglichkeiten und ökonomische Hebel kombiniert wurden, wird weiterhin im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit stehen. Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie in den ersten sechs Monaten des Jahres 1985 den Entwurf zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes und des Abwasserabgabengesetzes vorlegt. Wir haben im Innenausschuß eigene Aktivitäten angekündigt, falls die Bundesregierung nicht aktiv wird. Meine Damen und Herren, ich will hier wiederholen, was ich schon vor zwei Jahren zum Thema Wasserschutz gesagt habe. Notwendig ist zur Verbesserung der Lage eine medienübergreifende Betrachtungsweise; eine isolierte Behandlung ist wenig effektiv und muß überwunden werden. Die Verhinderung der Einleitung von Schadstoffen in Gewässer verlagert die Schädigung vom Wasser in den abzulagernden Klärschlamm. So wird das Wasserproblem zum Abfallproblem. Die Ablagerung beeinträchtigt die Qualität des Bodens. Die Verbrennung des Abfalls beispielsweise kann die Schadstoffe in die Luft transportieren, und die Filterung schafft neue Risiken bei der Ableitung oder beim Abfall. Greift also Vorsorge nicht, wie sie z. B. mit einer Änderung des Waschmittelgesetzes, des Pflanzenschutzgesetzes oder der Anwendung des Chemikaliengesetzes möglich ist, sind wir gezwungen, neben Wasserhaushalts- und Abwasserabgabengesetz auch die Abfallgesetzgebung in unsere Überlegungen einzubeziehen. ({1}) Ich glaube, wir haben eine Fülle von Arbeit vor uns. Wir rechnen mit einer zügigen Beratung. ({2})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Abgeordnete Schmidbauer.

Bernd Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001995, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser. Was immer ihr dem Gewebe antut, das tut ihr euch selbst an. ({0}) Dieses Zitat entstammt der „Zeit" und aus einer Rede des Häuptlings Seattle an den amerikanischen Präsidenten Franklin Pierce aus dem Jahre 1856. Es hat mich sehr beeindruckt; hier zeigt sich die Stellung des Menschen als Teil der Natur, ({1}) und andererseits, wie durch Eingriffe in den Naturhaushalt, also in unser ökologisches Wirkungsgefüge, zum Teil sehr schwerwiegende Veränderungen und Rückwirkungen auf den Menschen entstehen können. ({2}) - Herr Schäfer, zu den Rothäuten gehören Sie wohl; nicht zu dem Stamm dieser Indianer. Weil dies so ist, muß unser Handeln von der Verantwortung für uns und unsere Umwelt geprägt sein. Luft, Wasser und Boden - darauf hat eben der Kollege Kiehm hingewiesen - wurden in der Vergangenheit immer stärkeren Belastungen ausgesetzt. Ständige Erhöhungen des Schadstoffeintrags in die Luft, eine stetige Zunahme von Schadstoffen in den Oberflächengewässern und im Grundwasser sowie die sich daraus ergebende zunehmende Belastung unseres Bodens kennzeichnen die Situation. Dies war und ist der politische Ansatz unseres Handelns. Der Weg ist klar. Die Ziele sind in unserem Entschließungsantrag „Unsere Verantwortung für die Umwelt" vorgegeben. Wir gehen konsequent Schritt für Schritt voran. Ein Teilbereich, der dies deutlich macht, sind die von uns durchgeführten und eingeleiteten Maßnahmen in der Luftreinhaltepolitik, beispielsweise Großfeuerungsanlagen-Verordnung, Technische Anleitung Luft und die drastische Verminderung von Schadstoffen in Autoabgasen. Wir erreichen Zug um Zug unser Ziel, Schadstoffe an der Quelle zu reduzieren, und damit auch eine Verminderung des Schadstoffeintrags in Wasser und Boden. Auch in anderen Bereichen sind bereits notwendige Schritte unternommen und Entscheidungen vorbereitet. Dazu gehören die durchgeführte und die eingeleitete Novellierung des Abfallbeseitigungsgesetzes sowie die in Vorbereitung befindliche Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, des Wasserhaushaltsgesetzes und des Abwasserabgabengesetzes. Dies alles wird zu einer weiteren spürbaren Verbesserung unserer Umwelt führen. In Ergänzung dieser Maßnahmen ist nun von seiten der Bundesregierung eine umfassende Bodenschutzkonzeption auf den Weg gebracht worden. Zur heutigen Beratung liegen uns zu diesem Problembereich zwei Anträge der SPD-Fraktion vor, einmal zum Bodenschutz und zum anderen zum Schutz des Wassers. Die Forderungen im Antrag der SPD-Fraktion zum Bodenschutz entsprechen, was die Vorbemerkungen anlangt, dem Inhalt des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs für eine Bodenschutzkonzeption. Gleiches gilt auch für die von Ihnen aufgezeigten Eckwerte. Wir werden dies sicher bei der Beratung unserer Gesetzesvorlagen im einzelnen besprechen können. Die Bundesregierung wird mit den Ländern - und dies entspricht dem Entschließungsantrag von CDU/CSU und FDP vom 9. Februar 1984 - in arbeitsteiliger Kooperation ein gemeinschaftliches Bodenschutzprogramm entwickeln. Diese Kooperation ist notwendig und wichtig. Hier müssen die Bundesländer ihre vielfältigen Vollzugserfahrungen mit einbringen. Dieses Bodenschutzprogramm muß die Maßnahmen verschiedenster Teilbereiche zusammenfassen und harmonisieren. Es besteht dabei in zwei wesentlichen Punkten ein besonderer Handlungsbedarf: Erstens. Der Eintrag von qualitativ und quantitativ problematischen Stoffen aus den verschiedensten Bereichen ist zu reduzieren. Zweitens. Der Landverbrauch darf nicht im bisherigen Ausmaß weitergehen. - Die Umsetzung dieser Forderungen beinhaltet die verschiedensten Zielkonflikte. Ich brauche dies wohl hier nicht im einzelnen auszuführen. In einer ersten Bewertung des Antrags der SPD möchte ich folgendes festhalten: Viele Punkte ihres Antrages entsprechen dem vorliegenden Entwurf der Bundesregierung und den bereits von uns gefaßten Beschlüssen. Sie können Basis für ein gemeinsames Vorgehen sein. Dies gilt z. B. für die Bereiche Luftreinhaltung und Abfallwirtschaft. ({3}) Auch die Sanierung der Altlasten, die vielerorts große Schwierigkeiten macht, ist ein Thema, das im Rahmen gemeinsamer Überlegungen ansteht. ({4}) Das Bundesforschungsministerium hat bereits gute Vorarbeit geleistet. Ich denke, der Bund sollte soweit wie möglich den betreffenden Bundesländern Hilfestellung zukommen lassen. Selbstverständlich gibt es in Ihrem Antrag auch Punkte, die wir nicht akzeptieren, und solche, die weit hinter unseren eigenen Forderungen zurückbleiben. Das Thema Wasserschutz im Antrag der SPD ist wohl im Zusammenhang mit dem Antrag „Sofortprogramm zum Schutz des Wassers" zu sehen. Die CDU/CSU-Fraktion hat bereits in ihrem Entschließungsantrag auf die Notwendigkeit eines verbesserten Schutzes unseres Wassers hingewiesen. Wichtig ist, die konsequente Durchsetzung der im Wasserhaushaltsgesetz und in den ergänzenden Vorschriften bereits festgestellten, bisher aber noch nicht überall voll beachteten Regeln der Wasserreinhaltung zu erreichen. Wir haben die Bundesregierung ersucht, die zur Vermeidung von Gewässerbelastungen durch schwer abbaubare und sonstige kritische Stoffe notwendigen Maßnahmen einzuleiten ({5}) und etwa notwendig werdende Änderungen von Gesetzen wie z. B. des Wasserhaushaltsgesetzes und des Abwasserabgabengesetzes vorzulegen. Die Bundesregierung hat in kürzester Frist, Herr Kollege Schäfer, die fünfte Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz vorbereitet und ist in Abstimmung mit den Ländern dabei, die entsprechende Novellierung zur Beratung vorzulegen. Gleiches gilt für die Änderung des Abwasserabgabengesetzes. Im übrigen hat die Bundesregierung bereits am 2. August 1983 Richtlinien für die Aufstellung von wasserwirtschaftlichen Rahmenplänen nach § 36 des Wasserhaushaltsgesetzes verabschiedet. Damit können die wasserwirtschaftlichen Rahmenplanungen der Länder an einheitlichen Gesichtspunkten ausgerichtet werden. Mögliche und notwendige Vorsorgemaßnahmen können getroffen und die langfristige Nutzung der Wasservorräte sichergestellt werden. Solche Rahmenpläne ermöglichen, Raumordnung und Landesplanung mit der wasserwirtschaftlichen Fachplanung zu verbinden. Die vollzogenen Maßnahmen sowie die in Vorbereitung befindliche Novellierung der von mir bereits angesprochenen Gesetze zeigen, daß das vorgelegte Sofortprogramm der SPD-Fraktion grundsätzlich nichts Neues enthält. Ein überwiegender Teil der Forderungen - insbesondere die unter II a und II b geforderten Maßnahmen - betreffen den Vollzug des Wasserrechts, für den die Länder zuständig sind. Hier gibt es natürlich Ansätze zur Kritik. Ich empfehle den Kollegen von der SPD, diese auch dort zu üben, wo ihre Parteifreunde in der Regierungsverantwortung stehen. Andere Forderungen - z. B. der unter II c verlangte Erlaß von Bewirtschaftungsplänen und Reinhalteordnungen - können bereits heute auf der Grundlage des geltenden Rechts voll umgesetzt werden. ({6}) Einige Maßnahmen sind aus rein sachlichen Gründen abzulehnen, wie z. B. die Forderung nach einer Grundwasserabgabe und das pauschale Einleitungsverbot für bestimmte gefährliche Stoffe. Ich empfehle Ihnen hier einen Blick in den Gesetzesantrag des Landes Hessen vom 20. September 1984, der in dieser Frage einen anderen Standpunkt einnimmt. Teilweise sind Ihre Forderungen aber auch berechtigt und deshalb bereits in der vorgesehenen Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes enthalten. Sie haben recht, wenn Sie zum Abwasserabgabengesetz ausführen, daß dies ein wichtiger Schritt für einen verbesserten Gewässerschutz war, und daß sich dieses Instrument bewährt hat. Jetzt wird es in der Tat darauf ankommen, eine Novellierung vorzunehmen, und zwar mit den Zielen, erstens weitere gefährliche Gewässerschadstoffe, z. B. Schwermetalle, in die Abgabeerhebung mit einzubeziehen, und zweitens durch die Einführung der Überwachungswertregelung als Grundlage der Abgabenerhebung den Gesetzesvollzug zu erleichtern. Die bisher erforderlichen Höchst-, Regel- und Bezugswerte können entfallen. Drittens ist die Einbeziehung von Sickerwasser aus Deponien und Niederschlagswasser von Industrieflächen mit vorzusehen. ({7}) Ihre Forderung nach kontinuierlicher Erhöhung der einzelnen Abgaben stellt sich erst dann, wenn über diejenigen Änderungen des Gesetzes Einigkeit erzielt worden ist, die unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe der Abgabe haben. Noch ein Wort zur SPD-Fraktion. Wir erwarten nicht, daß Sie unseren aktiven Umweltschutz unterstützen, unsere aktive Politik mit Beifall überschütten. Es wäre aber wünschenswert, wenn Sie stärker in der Sache argumentierten und damit in kritischer Würdigung die Umweltschutzpolitik der Bundesregierung begleiten würden. Herzlichen Dank. ({8})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eimer.

Norbert Eimer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000458, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD hat ihr Konzept „Sofortprogramm" genannt. Ich finde, daß der Name „Sofortprogramm" nicht ganz passend ist. Er suggeriert, daß ein Problem neu aufgetaucht ist und schnell neue Notmaßnahmen ergriffen werden müssen. Ich glaube, daß beide Prämissen falsch sind. Das Problem ist nicht neu. Dieses Problem haben wir vielmehr schon lange. Abhilfe ist nicht mit einem Schnellschuß möglich. Ich glaube, daß bereits laufende Maßnahmen und Programme beschleunigt und ergänzt fortgeführt werden müssen. Ich frage mich manchmal, warum die SPD vergißt, daß sie vor nicht allzulanger Zeit in einer Regierung war ({0}) - jetzt warten Sie einmal ab, ich will Sie ja loben -, ({1}) und daß die SPD in dieser Regierung zusammen mit uns eine ganze Menge vernünftige Dinge gemacht hat. ({2}) Diese Regierung macht nichts anderes, als daß sie diese Dinge fortführt. Ich meine also, wir sollten durch diese Formulierungen nicht verdrängen, daß die Regierungen eigentlich eine ganz gute Arbeit geleistet haben. ({3}) Durch diese Methode, wie sie hier vorgeführt wird, erlauben wir es den GRÜNEN, daß sie dort ernten, wo andere gesät haben. ({4}) Ich meine, es lohnt sich nicht, auf die Einzelheiten des SPD-Antrages einzugehen, ({5}) nicht, weil ich damit das Konzept unbedingt schlechtmachen will. Das Konzept der SPD enthält ja eine Vielzahl von Forderungen, die unstrittig sind, und eine Reihe von anderen Forderungen, die die Kompetenzen des Bundes bei weitem überschreiten. Vielfach enthält der Forderungskatalog auch Forderungen, die von den Bundesländern - auch von den SPD-geführten Bundesländern - abgelehnt werden. Der Bund hat bekanntlich lediglich Teilkompetenzen im Wasserrecht, die er insbesondere auf Drängen der FDP erhalten hat. Meine Damen und Herren, nachdem mein Vorredner schon die einzelnen Punkte des SPD-Antrages gewürdigt hat und ich dem nichts hinzufügen kann und will, will ich einen anderen Punkt ansprechen, der in dem Antrag der SPD nicht angesprochen worden ist - oder wenn, nur sehr am Rande -, der aber meiner Meinung nach auch sehr wichtig ist. Wir müssen feststellen, daß in den letzten Jahren immer mehr Hochwasser an den Unterläufen unserer Flüsse entstehen und daß diese Hochwasser immer höher steigen. Die bisherige Methode, mit der wir dieser Hochwasser Herr werden wollten, lag darin, daß wir zunächst einmal Dämme gebaut haben und vor allem das Hochwasser an den Mittelläufen und an den Oberläufen unserer Flüsse beschleunigt abgeführt haben. Wir haben deshalb, vor allem an den Oberläufen- und den Bächen, zu hohe Fließgeschwindigkeiten bekommen. Sie haben sich teilweise verdreifacht. Dann ist es natürlich kein Wunder, wenn an den Unterläufen unserer Flüsse die Hochwasser zunehmen. Es ist besser, wenn wir ein anderes Konzept angehen, nämlich versuchen, das Wasser an den Bächen, an den Oberläufen zu halten. Dann werden die Hochwasser an den Unterläufen nicht so schlimm werden. Diese Maßnahmen helfen natürlich nur dann, wenn sie möglichst nahe an der Quelle ergriffen werden. ({6}) Das hilft natürlich auch, den Grundwasserbestand anzuheben. Ein derartiges Konzept kann aber nur dann funktionieren, wenn es länderübergreifend angepackt wird. Köln braucht, um ein Beispiel zu nennen, die Hilfe der Gemeinden an den Oberläufen, z. B. in Franken, also in Bayern. Das ist ein anderes Bundesland. Hier sind also länderübergreifende Maßnahmen notwendig. Ich möchte auf ein zweites Problem aufmerksam machen, das eigentlich auch in die Kompetenz der Kommunen gehört. In vielen Kommunen haben wir eine Anschlußpflicht für Dachentwässerung. Regenwasser, das eigentlich Grundwasser sichern und bilden sollte, rauscht als Oberflächenwasser über die Kanalisation und über die Kläranlage ab. Wäre es nicht besser, dieses Regenwasser vom Dach aus in Sickerschächte zu leiten und nur den Überlauf, der nicht erfaßt wird, in die Kanalisation abzuleiten? Aber wie gesagt: auch das ist eine Maßnahme, die eigentlich die Kommunen angeht. Ich glaube, daß das Problem des Wassers umfangreicher gesehen werden muß, als dies in diesen Anträgen gesehen wird. Wir müssen, so glaube ich, hier neue Konzepte entwickeln. Ich wiederhole also: Wir brauchen nicht ein Sofortprogramm, sondern wir müssen bestehende Programme ergänzen und beschleunigen. Wir benötigen also eine konsequente Fortführung der Maßnahmen, die die bisherigen Regierungen eingeleitet haben. Ich will meinen Kurzbeitrag mit einem Appell an uns alle schließen: Machen wir unsere Arbeit, die wir in den vergangenen Jahren geleistet haben, nicht schlechter, als sie ist. ({7})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ehmke ({0}).

Dr. Wolfgang Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000441, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir führen eine verbundene Debatte über vier Tagesordnungspunkte. Ich will vorab einige Sätze zu dem SPD-Antrag bezüglich Bodenschutz sagen. Der Bodenschutz stellt eine derart wichtige und komplexe Materie dar, daß es wirklich unangemessen wäre, wenn ich jetzt hierzu inhaltlich in den paar Minuten Stellung nehmen würde. Das nächste Mal müssen wir dieses Thema viel intensiver diskutieren, als es jetzt möglich ist. Die Bundesregierung hat kurz nach der Einreichung des SPD-Antrages den Referentenentwurf einer Bodenschutzkonzeption den Ministerien zugeleitet, wo er bisher immer noch liegt. Das heißt, bis heute gibt es noch kein abgestimmtes Bodenschutzkonzept der Bundesregierung. ({0}) Der SPD-Antrag hat insofern aus unserer Sicht weiterhin seine Berechtigung. Auch unsere Große Anfrage zum Bodenschutz wurde unter Hinweis gerade auf dieses noch ausstehende Konzept nur teilweise und vorläufig beantwortet. Konkrete Sofortmaßnahmen und Gesetzesinitiativen gegen die Bodenbelastung sind leider nicht festzustellen. Ich muß deshalb an Sie appellieren: Lassen Sie nicht wertvolle Zeit verstreichen wie bei der Bekämpfung des Waldsterbens. Legen Sie endlich Ihr Konzept vor, und vor allem: Handeln Sie auch danach. ({1}) Nun zum Wasserbereich. Dies ist unsere zweite größere Debatte in diesem Jahr über Wasser und Trinkwasser. Wiederum findet diese Debatte nur über Vorlagen der Opposition statt. Wo sind die schon vor zwei Jahren groß angekündigten Weiterentwicklungen des Wasserrechts? ({2}) Ich nenne als Stichworte nur die Novellen zum Wasserhaushaltsgesetz und zum Abwasserabgabengesetz. Nichts ist vorhanden, überhaupt nichts. Selbst der im Juni des Jahres vom Bundesinnenminister groß angekündigte Entwurf einer Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz mußte mittlerweile klammheimlich zurückgezogen werden. Gewässerschutz ist unserer Bevölkerung wichtig. Das zeigen diverse Umfragen. Aber im Ministerium scheint man das etwas anders zu beurteilen. Man muß dort zumindest so tun, als ob etwas getan wird. In Bonn wird „vorgetanzt", angekündigt, werden Absichtserklärungen abgegeben, Deklarationen unterschrieben und alle sonstigen Register der Public Relations gezogen. Die jüngste Nordseeschutzkonferenz in Bremen ist hierfür ein wohl klassisches Beispiel. Da bewirken Organisationen wie Robin Wood oder Greenpeace in einer Woche mehr für den Naturschutz als diese großangelegte Öko-Schau ministerieller Größen. ({3}) Alle Ansätze für einen verbesserten Gewässerschutz, in Bonn angekündigt, mögen sie auch noch so bescheiden sein, werden auf den diesbezüglichen Bund-Länder-Besprechungen hinter den Kulissen niedergebügelt. Jüngstes Beispiel für diesen Länderklüngel: die Novellierung des Abwasserabgabengesetzes. Wird in Bonn angekündigt, dieses Gesetz zu verbessern und zu verschärfen, bringt Bayern gleichzeitig intern in die Bund-Länder-Arbeitsgruppe eine eigene Novelle ein, nach der alles, aber auch wirklich alles, was das Abwasserabgabengesetz für den Gewässerschutz an Gutem gebracht hat, gestrichen werden soll. Meine Damen und Herren, daß dieses Doppelspiel, nach außen angekündigte Verschärfung und nach innen eingebrachte Kastration, alles aus einer Partei, von Politikern aus einem Bundesland, eng befreundet und seit langem miteinander bekannt, kein Zufall ist, davon sind wir wirklich überzeugt. Da wir gerade über Untätigkeit sprechen: Bereits im Mai 1984 haben wir eine Novelle zum Waschmittelgesetz vorgelegt. Hintergrund dieser Aktivität sind unsere Sorgen vor der ständig zunehmenden Chemisierung des privaten Bereiches, des Putz- und Reinigungsmittelsektors. Sehen Sie sich doch bitte einmal die Sachbuch-Bestsellerlisten an. Unter den ersten fünf sind allein drei Bücher, die versuchen, dem Bürger Hilfestellung zu geben, und zwar unter der großen Überschrift „Chemie zu Hause". Wo sind die Hilfen der Bundesregierung? Warum müssen Privatautoren hier einspringen? Warum folgen Sie nicht unserem Vorschlag, den Regelungsbereich des zu engen Waschmittelgesetzes auf die ganze Haushaltschemie auszudehnen? Die Hessische Landesregierung zumindest ist dem gefolgt. Sie sind in den nächsten Wochen gezwungen, sich im Bundesrat über den Umweg Hessen mit unseren Vorstellungen auseinanderzusetzen. ({4}) Indem man mit fadenscheinigen Argumenten auf Nebenkriegsschauplätze ablenkt, wird eine rein destruktive Haltung eingenommen. Aus der Sicht der Bevölkerung und aus der Sicht der Wissenschaft besteht ein Regelungsbedarf für umweltfreundlichere Haushaltsprodukte. Die Waschmittelindustrie lehnt natürlich weitere Regelungen ab. Aber dies kann doch kein Maßstab für das Innenministerium sein. ({5}) Wann handelt das Innenministerium? Wann legt es Vorstellungen zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit haushaltschemischer Produkte vor? Nun zur Trinkwasserversorgung. Meine Damen und Herren, es war schon eine Roßkur, das Bundesgesundheitsministerium dazu zu bewegen, die Trinkwasserverordnung zu novellieren. Gibt man sich ansonsten besonders europafreundlich, hier ignorierte man schlichtweg den Willen des Europarates. Bereits zum Juli 1982 hätte das deutsche Trinkwasserrecht den EG-Vorstellungen verbindlich angepaßt werden müssen. Daß dies bis heute nicht geschehen ist, erklären die Grünen mit der verfehlten Wasserschutzpolitik in Bund und Ländern. Die EG-Anforderungen an einwandfreies Trinkwasser sind hoch. Hohe Anforderungen an Trinkwasser können nur eingehalten werden, sofern das Rohwasser, also Grundwasser oder Flußwasser oder Wasser aus Talsperren, eine hohe Qualität aufweist. Dies ist aber nicht mehr der Fall; denn beinahe 10 % des Grundwassers, das in der Bundesrepublik durch öffentliche Unternehmen gefördert wird, weisen ganzjährig oder teilweise zu hohe Nitratgehalte auf, und die Lawine an Chlorkohlenwasserstoffen im Untergrund rollt nach wie vor. ({6}) Beinahe wöchentlich muß der eine oder andere Brunnen eines Wasserwerks außer Betrieb genommen werden. Würden wir heute beschließen, Trinkwasser müsse die gleiche Qualität wie kommerzielles Mineralwasser haben, also geschützt sein und naturbelassen dem Verbraucher zur Verfügung gestellt werden, müßten neun von zehn Wasserwerken in der Bundesrepublik sofort dichtmachen, vor allem auch deshalb, weil nicht genügend Schutzzonen ausgewiesen sind. In ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage zum Thema „Organohalogene 4" sagt die Regierung: „In der Regel sind Wasserschutzgebiete mit jeweiliger Nutzungsbeschränkung ausgewiesen." Diese Behauptung wird durch die Tatsachen Lügen gestraft. Nicht einmal die Hälfte aller Wasserwerke in der Bundesrepublik hat verbindlich ausgewiesene Schutzzonen. ({7}) - Auch nicht in Baden-Württemberg, Herr Schmidbauer. Oft finden wir intensive landwirtschaftliche Nutzung bis dicht an den Rand der Fassungen. Es sind also nicht die grünen Chaoten, sondern es ist der fehlende Wille zur konsequenten Umsetzung der Vorschriften, und es ist das abgekartete Spiel - zwischen Bonn und München in diesem Fall -, das die Wasserwirtschaft gegenwärtig in die Enge treibt. ({8}) - Wir werden uns im Innenausschuß noch über die Geschichte des Abwasserabgabengesetzes und seine Novelle unterhalten, Herr Kollege Fellner. Wie weit wir gekommen sind, zeigt auch die simple Tatsache, daß wir Anfang 1985 erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik zwei Klassen von Trinkwasser haben werden: erstens weitgehend einwandfreies Wasser für den, der es sich leisten kann, nämlich Mineralwasser in Flaschen; zweitens Trinkwasser mit Fragezeichen für den Rest der Bundesbürger von den allein gelassenen öffentlichen Wasserversorgungsunternehmen. ({9}) Ich bin mir sicher: Wenn in einigen Jahren eine Debatte über das Nordseesterben oder über Bodenerosion oder über die Trinkwasserkrise auf der Tagesordnung dieses Hauses steht - dem ich dann leider nicht mehr angehören werde -, werden Sie wie ehemals beim Wäldersterben mit viel Beredsamkeit offen bekennen, daß diese Auswirkungen 1984 j a keiner voraussehen konnte. ({10}) Ich sage Ihnen daher heute: Wir sehen das voraus. Vor diesem Hintergrund fordern wir Sie auf: Tun Sie endlich etwas für den Gewässer- und BodenDr. Ehmke Schutz. Hören Sie endlich auf, Dinge anzukündigen, die Sie nachher zurückziehen müssen. Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, ein Vorschlag zur Güte: Stimmen Sie dann doch wenigstens unseren Anträgen und Gesetzentwürfen zu. ({11})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern Spranger.

Carl Dieter Spranger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002205

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine kurze Bemerkung zu den Anträgen der Opposition. Da gibt es einen Teil - wie den Wasservollzug -, der in die Zuständigkeit der Länder gehört. Es gibt einen Teil - wie § 6 des Wasserhaushaltsgesetzes: Vorrang für die öffentliche Wasserversorgung -, der bereits geltendes Recht ist. Es gibt einen Teil - wie die Grundwasserabgabe -, der sachlich bedenklich ist. Schließlich gibt es einen Teil, der unstreitig ist. Er ist unstreitig auf Grund der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 9. Februar 1984: „Unsere Verantwortung für die Umwelt". ({0}) Sie wissen, Herr Schäfer, daß das ein Antrag war, der auf Vorschlag der CDU/CSU-FDP-Koalition beruhte. Entsprechend ist diese Entschließung auch verabschiedet worden. Wo im Rahmen dieser Entschließung Handlungsbedarf bestand, hat die Bundesregierung gehandelt. ({1}) So haben wir die Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes seit geraumer Zeit mit Entschlossenheit vorangetrieben. Im Juli dieses Jahres wurde den beteiligten Bundesressorts, den Ländern und den Verbänden ein Referentenentwurf zugeleitet. Nach eingehender Beratung ist folgendes beabsichtigt: erstens die Reduzierung gefährlicher Stoffe bei der Einleitung in Gewässer durch Verfahren, die dem Stand der Technik entsprechen; zweitens eine Rahmenregelung über Anforderungen nach dem Stand der Technik für die Einleitung von gefährlichen Stoffen in öffentliche Abwasseranlagen; drittens die Einbeziehung der Herstellung und Verwendung wassergefährdender Stoffe in die Schutzvorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes; viertens verbesserte Eingriffsmöglichkeiten zum Schutz des Grundwassers durch Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft; fünftens die ausdrückliche Verankerung des Gebots wassersparender Maßnahmen in der Grundsatzbestimmung des § 1 a des Wasserhaushaltsgesetzes. Der Bundesminister des Innern wird zu Beginn des nächsten Jahres, also zum frühestmöglichen Zeitpunkt - insofern gibt es hier auch keinen Widerspruch zu Ihrem Petitum -, dem Bundeskabinett den Entwurf eines Fünften Änderungsgesetzes zum Wasserhaushaltsgesetz zuleiten. Anschließend wird er dann im Bundesrat und im Bundestag eingebracht werden. Zum Abwasserabgabengesetz nur eine kurze Bemerkung. Hier hat die Bundesregierung mehrfach darauf hingewiesen, daß sich dieses Gesetz zwar grundsätzlich bewährt hat, es aber nunmehr darauf ankommt, besonders den Gesetzesvollzug zu vereinfachen. Hier hat es j a eine Reihe von Vorstellungen auch aus den Ländern gegeben. Vorschläge zur Novellierung des Abwasserabgabengesetzes, die die Vollzugspraxis der Länder berücksichtigen, sind in dieser Woche den Bundesressorts und den Ländern zugeleitet worden. Ich komme zu einem weiteren Schwerpunkt in den verschiedenen Anträgen. Schwerpunkt der Umweltpolitik ist der Schutz des Bodens. Anders als Luft und Wasser stand der Boden in der Vergangenheit eher am Rande umweltpolitischer Aktivitäten. Auf den ersten Blick ist das um so erstaunlicher, als der Boden ganz überwiegend Ausgangs- und Endpunkt menschlichen Handelns ist und deshalb seit jeher ein Zentrum des wirtschaftlichen Interesses darstellt. Mit den Maßnahmen in den Bereichen der Luftreinhaltung, des Gewässerschutzes, der Abfallbeseitigung, des Naturschutzes sind in den vergangenen Jahren zweifellos Fortschritte zur Sicherung der Umwelt erreicht worden. ({2}) - Warum sollen wir Fortschritte - ich stimme dem völlig zu -, wo sie im Einzelfall vorhanden sind, nicht zugestehen. ({3}) Zugleich sind damit - dies wird zuweilen übersehen - Freiräume für die weitere wirtschaftliche Entwicklung gesichert worden. In diesem Zusammenhang muß man aber auch sagen, Herr Schäfer - Herr Ehmke hat j a versucht, die Länder und ihre Verantwortung ein bißchen in das einzubinden, was der Bund tun sollte -: Hier sollten die Zuständigkeiten immer klar auseinandergehalten werden. Es sollten auch die Leistungen der Länder in dem Zusammenhang einbezogen werden. Auch da sind wir sicher einer Meinung. Alle Anstrengungen zur Sanierung und Gefahrenabwehr konnten jedoch Verlagerungen von Umweltbelastungen auf andere Bereiche, vor allem zu Lasten des Bodens, nicht immer verhindern. Hier sind trotz der quantitativen Verminderung schädlicher Umwelteinwirkungen neue, in qualitativer Hinsicht ernste Gefahren und erhebliche Risiken entstanden. Das gilt für die Schadstoffeinträge aus Industrie und Gewerbe, Siedlung und Verkehr sowie durch die Anwendung von Düngemitteln und Pflanzenbehandlungsmitteln. Das gilt für die Flächeninanspruchnahme durch Baumaßnahmen im Bereich des Verkehrs, der Siedlungen, der Industrie, des Gewerbes mit den Effekten des Landverbrauchs, der Versiegelung und Zerschneidung, aber auch durch intensive Nutzung bestimmter Flächen. Der Bundesminister des Innern hat deshalb im Oktober 1982 den Auftrag erteilt, ein umfassendes und fachübergreifendes Konzept zum Schutz des Bodens zu erarbeiten. Irgendwelche Vorwürfe hier zu erheben, ist natürlich total unbegründet, ist völliger Unfug. Man muß feststellen, daß es diese Bundesregierung war, die beim Stand Null begonnen hat, zu diesem Thema zu arbeiten. Den Referentenentwurf einer Bodenschutzkonzeption der Bundesregierung, in den Vorarbeiten einer interministeriellen Arbeitsgruppe und des Umweltbundesamtes einbezogen wurden, hat der Bundesminister des Innern im August dieses Jahres den Bundesressorts und den Ländern zugeleitet. In dieser Konzeption sind erstmals alle bedeutenden Einwirkungen auf den Boden bewertet und in ihrem Zusammenhang dargestellt. Für alle Bereiche des Bodenschutzes werden daraus klare politische Ziele abgeleitet und auch konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet. Zur Erörterung des Entwurfs mit den Ländern, die für Dezember vorgesehen ist, wird der Bundesminister des Innern die Bodenschutzkonzeption dem Kabinett vorlegen. Es ist vorgesehen, danach, wie es auch der Deutsche Bundestag in dem erwähnten Beschluß gefordert hat, in arbeitsteiliger Kooperation mit den Ländern die Erfordernisse des Bodenschutzes weiter zu konkretisieren und in einem Bodenschutzprogramm die notwendigen Schutzmaßnahmen nach Inhalt, Prioritäten, Zeit- und Kostenrahmen festzulegen. Es bestehen zwei zentrale Handlungsfelder. Erstens. Wir brauchen und wollen die Minimierung von qualitativ oder quantitativ problematischen Schadstoffeinträgen aus Industrie, Gewerbe, Verkehr, Landwirtschaft und Haushalt. ({4}) Das bedeutet: Begrenzungsmaßnahmen an allen Quellen der Schadstoffe und umweltschonende Zuordnung der Flächennutzungen müssen ein Gleichgewicht auf möchst niedrigem Niveau ({5}) zwischen Eintrag und Abbau von Schadstoffen im Boden schaffen, wobei man die Latte natürlich nicht ins Extrem legen kann; ({6}) sondern man muß hier natürlich ({7}) auf Grund wissenschaftlich-rationaler Erkenntnisse die entsprechenden Festlegungen treffen. ({8}) - Das ist kein Rückzieher, sondern das ist etwas ganz Normales, Herr Schäfer. Es ist schade, daß Sie das als unnormal empfinden, was ich als selbstverständlich empfinde. ({9}) Auf längere Sicht muß deshalb die Abgabe von unerwünschten Stoffen sowohl mittelbar über Luft und Wasser als auch unmittelbar in den Boden so weit wie möglich durch Kreislaufführung oder Reststoffmanagement ersetzt werden. Insbesondere sind Vermeidungs- und Verwertungsgebote vorzusehen. Zweitens. Wir brauchen und wir wollen eine Trendwende im Landverbrauch. Das schließt ein: Bodennutzungen sind mehr den natürlichen Standortbedingungen anzupassen. Das gilt auch für landwirtschaftliche Nutzung. Die Rohstoffvorkommen sind aus volkswirtschaftlicher und ökologischer Gesamtschau sparsam und effektiv zu nutzen. Noch vorhandene natürliche und naturnah genutzte Flächen sind grundsätzlich zu sichern. Vor weiteren Baulandausweisungen und -erschließungsmaßnahmen sind die innergemeindliche Bestandserhaltung und -erneuerung, ({10}) flächensparendes Bauen und der Ausbau vorhandener Verkehrswege zu fördern. Eine flächenschonende Zuordnung der Bodennutzungen muß Inanspruchnahme und Belastung des Bodens geringhalten. Dazu sind bei allen planerischen Abwägungsprozessen ökologische Anforderungen stärker -zu gewichten. ({11}) Meine Damen und Herren, unsere vielfältigen und unterschiedlichen Zugriffe auf den Boden geschehen in unserem Lande mit seiner Bevölkerungsdichte in einer solchen Intensität, daß wirksamer Bodenschutz lebensnotwendig ist. Der Boden als Element der Landschaft bedarf aber auch der besonderen Fürsorge, weil er über alle ökologischen und ökonomischen Belange hinaus Träger dessen ist, was jeder von uns mit dem Begriff Heimat verbindet. Hierüber einig zu sein bedeutet noch nicht, den Schutz des Bodens zu verwirklichen. Der Weg zu einem Bodenschutz, der greifen soll, ist steinig und nicht, wie erste Reaktionen auch zeigen, von einem Spalier beifallspendender Gruppen gesäumt. Das wird die Bundesregierung nicht hindern, diesen Weg mit Entschlossenheit und dem Ziel zu beschreiten: Wir sichern und erhalten den Boden als Grundlage allen Lebens für uns und für die künftigen Generationen. ({12})

Heinz Westphal (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002489

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Duve.

Freimut Duve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000425, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer nicht allen Rednern genau zugehört hat, hat ein neues Problem: Wir nähern uns auf der sprachlichen Ebene alle immer mehr einander an. Es gibt in der Beurteilung etwa des Bodenschutzes im Verbalen fast keinen Unterschied mehr. ({0}) - Ich glaube, daß das lobenswert und richtig ist, aber es ist unsere Aufgabe, jetzt genau hinzugukken und zu fragen: Wo sind denn beim Durchführen, bei der Durchsetzung die wirklichen Unterschiede? Denn sonst hätten wir j a gar keine Probleme mehr. Ich will das an einem Beispiel aufzeigen: Wir beobachten zur Zeit einen ziemlich heftigen Kampf unter Wissenschaftlern über all das, was Herr Schmidbauer gemeint hat, als er von ganzheitlicher Erkenntnis von Natur gesprochen und in dem Zusammenhang einen Hopi-Häuptling zitiert hat. In der Wissenschaft wird jetzt ganzheitliche Naturbetrachtung sozusagen wissenschaftlich wichtig, aber dies wird - natürlich - aus guten, traditionellen Gründen von einer ganzen Wissenschaftlerschule abgelehnt. Es gibt also diejenigen, die sagen: Wir müssen als Wissenschaftler dafür sorgen, daß wir aus der Natur für den Menschen so viel herausholen, wie wir können. Dann gibt es andere, die sagen: Wir müssen jetzt aufpassen, daß wir möglichst wenig herausholen, um die Natur langfristig zu schützen. Da sind wir auf der verbalen Ebene einig, die Wissenschaftler aber untereinander überhaupt noch nicht. Nun kommt es sehr darauf an, welche wir zu unserer Beratung hinzuziehen und wie wir den Wissenschaftlern in diesem Kampf untereinander auch helfen. Ich meine, das können nur die sein, die für die neue - alte - Hopi-Erkenntnis Belege im Naturgeschehen finden, nirgends so stark wie am Boden, wie bei den Vorgängen im Boden, die wir vor zehn Jahren in der Tat überhaupt nicht gekannt haben. Hier gibt es Vorgänge, über die wir gar keine Auskünfte hatten, die wir heute aber haben. In diesem Kampf ist es unsere Aufgabe als Politiker, den neuen Wissenschaftlern zu helfen. Ich vergleiche das immer gern mit der Auseinandersetzung im 17./ 18. Jahrhundert, als das Mikroskop aufkam. Auch da hatte man eine solche Auseinandersetzung. Die Alten sagten: Das was ihr da erkannt habt, stimmt alles nicht. Heute erkennen Wissenschaftler Neues, und es gibt Alte, die Macht, Rang und Namen haben und ihnen diese Erkenntnis verwehren wollen. Das ist ein wichtiger Punkt. Wir werden hinsichtlich unserer Verantwortung solchen Wissenschaftlerkämpfen gegenüber im Zusammenhang mit Formaldehyd wahrscheinlich noch einige Diskussionen auszutragen haben. Also, beim Boden wird es erkennbar und wichtig. Ich bin Herrn Schmidbauer geradezu dankbar, daß er hier auf diese Hopi-Sicht, die unwissenschaftlich war, hingewiesen hat. Ich will hier Herrn Professor Preuschen vom Institut Ökologischer Landbau zitieren: Ökosysteme sind Lebensgemeinschaften mit großer Artenvielfalt und kontrollierter Individuenbreite. Sie haben genügend Einrichtungen, um alle ihre spezifischen Arten am Leben zu erhalten wie seit Jahrtausenden. Ein Artenschwund wie zu unserer Zeit bedeutet also nichts anderes, als daß unsere Ökosysteme unstabil geworden sind und ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Je mehr Glieder fehlen, um so mehr Aufgaben bleiben in der Gemeinschaft unerledigt und um so schneller schrumpft das System. Das trifft vor allem den wichtigsten Systemteil, das Bodenleben, das Voraussetzung für jegliches Pflanzenleben ist. ({1}) Das ist im Grunde genommen in wissenschaftlicher Sprache diese Hopi-Erkenntnis. Wir können nun - das ist unser Problem - auf den Ausgang des Konflikts unter diesen Wissenschaftlern nicht warten. Wir müssen viel rascher handeln und können, wie gesagt, nicht warten, bis sie zu Potte kommen. ({2}) Zur Wasser- und Waldgefahr darf - das haben hier alle gesagt - keine irreversible Beschädigung der Erdkrume kommen. Darum müssen wir gemeinsam handeln. Wir sind in den verbalen Forderungen an ein Bodenschutzkonzept ja auch gar nicht so weit auseinander. Ich will jetzt, weil vieles von unserem Antrag 10/1868 zitiert worden ist, nur sagen: Wir haben einen der Punkte, auf den wir bei den anderen noch warten - Verbandsklage im Naturschutzrecht - mit drin. Denn wir wissen genau: Ohne rechtliche Fragen kommen wir beim Bodenschutz nicht aus. Das sagt aber auch der Referentenentwurf. Wir werfen der Regierung vor, daß sie einen im Grunde genommen guten Referentenentwurf voreilig in die Öffentlichkeit gebracht hat, daß sie den Eindruck erweckt hat: Dies ist bereits das Bodenschutzkonzept der Regierung. Sie hat wieder einmal Ankündigungen betrieben, ein bißchen PR für den Minister gemacht - das war im August auch voll in der Presse. Jetzt kommt ein Abstrich nach dem anderen. Ich werde Ihnen gleich einmal vorhalten, Herr Spranger, wieviel von dem, was Sie hier noch als Ihre Forderung dargestellt haben, von den Kollegen Ihres Ministers bereits abgelehnt worden ist. Ich kann mir schenken, auf Ihr Konzept im einzelnen einzugehen. Das haben Sie getan. Ich kann dieses Konzept im ganzen nur loben. Aber es geht leider nicht mehr um diesen schönen grünen Text. Das meiste im Referentenentwurf ist ja auf grünem Papier gedruckt. Darum habe ich mir dieses grüne Blättchen genommen. Von diesen grünen Blättern wird jetzt sehr, sehr viel weggehen. Es wird ein ziemlich kahles Ergebnis kommen, wenn es denn nun endlich kommt. Ich will es verlesen. Erstens. Der Minister brüstet sich und fordert - nach dem Referentenentwurf -: die Eisenbahn müsse dem weiteren Ausbau der Bundesfernstraßen vorgezogen werden, investitions- und ordnungspolitische Bevorzugung des Eisenbahnverkehrs, weitere Kürzung der Ausbaupläne für den Bundesfernstraßenbau ({3}). Bereits in der Ressortabstimmung haben Dollingers Leute diesen Formulierungen widersprochen. Der Bauwirtschaft - das wissen Sie auch - sind von Herrn Dollinger große Hoffnungen - wie ich meine: unverantwortliche Hoffnungen - auf eine erhebliche Ausweitung des Autobahnnetzes gemacht worden. ({4}) Zweitens. Das Konzept fordert eine Trendwende im Landverbrauch durch Vorrang unter anderem von innerstädtischer Bestanderhaltung und -entwicklung vor weiterer Baulanderschließung. Sie haben es selber zitiert, Seite 89. Das verträgt sich überhaupt nicht mit dem Baugesetzbuchentwurf von Minister Schneider. Hören Sie einmal in diese Diskussion hinein. Das steht dem diametral entgegen. ({5}) Drittens. Das Konzept will Nutzungseinschränkungen verstärken, Eigenart, Vielfalt und Schönheit bewahren. Moore, Flußauen, Wattenmeer, Dünenlandschaft sollen besser gegen Nutzung durch den Menschen geschützt werden ({6}). Bereits in der Referentenbesprechung hat der Wirtschaftsminister zu diesem Punkt sein Veto eingelegt. Viertens. Zimmermann will eine Immissionsabgabe gegen Schadstoffeintrag in den Boden zumindest prüfen lassen. Da freuen wir uns - endlich eine Immissionsabgabe! Bangemann hat bereits in der Ressortabstimmung widersprochen. Fünftens. Der BMI fordert, daß die Bodenqualität ein weiteres Kriterium zur Festsetzung von Belastungsgebieten sein soll. Bangemann hat in der Ressortbesprechung bereits abgelehnt. Sechstens. Der BMI schlägt vor, den Schutz des Bodens als Regelungsmaßstab für die Grenzwerte der Schwermetalle, vor allem in der Luft, in Gewässern und in Abfällen, hineinzunehmen ({7}). Bangemann hat in der Ressortbesprechung bereits abgelehnt. ({8}) Siebtens. Der BMI fordert, daß die Wirkung der Düngung auf die natürliche Vegetation und das Grundwasser frühzeitig berücksichtigt werden. Es gab eine Auseinandersetzung, die Ihr Herr Minister und Herr Kiechle jüngst in Ihrem Adenauer-Haus gehabt haben. Kiechles Mann darf in der Ressortabstimmung nicht zustimmen, oder umgekehrt: Kiechles Mannen verbieten ihrem Chef zuzustimmen. Das weiß man in diesem Hause nie so genau. Achtens. Der BMI fordert - im Referentenentwurf - für die Landwirtschaft künftig regionale Auflagen. Kiechles Mitarbeiter durfte nicht zustimmen in der Ressortabstimmung. Es ließen sich jetzt noch Dutzende solcher Fälle benennen, wo bereits heute - Herr Spranger, uns tut es um des Bodens willen leid, wir wollen ja gemeinsam zu etwas kommen - die grünen Blätter aus Ihrem Entwurf sozusagen entgrünt sind. Da ist der große Wurf nicht mehr da. Das bedauern wir. Wir bedauern auch, daß Sie hier heute den Eindruck erwecken, als sei Bodenschutz Ihre Erfindung. Aus der Regierung Schmidt/Genscher ist der Auftrag an die Projektgruppe Ökologie ergangen, die in ihrem Bericht ganz klar zum Bodenschutz aufforderte. Ich wäre froh, wenn das Haus diesen Teil des Berichts der Projektgruppe mit übernommen hätte. Das hat es aber nicht getan. Er ist für den Innenminister erstellt, aber gar nicht benutzt worden. Wir sollten das, was Wissenschaftler für den Staat tun, dann auch benutzen. Der Innenminister hat hier bezüglich des Bodenschutzes sehr laut getönt, er hat mehrmals, insgesamt viermal, mit Terminangabe die Vorlage dieses Konzepts angekündigt, und jetzt haben wir die Situation: Es wird immer dürrer und dürftiger. Es wäre gut gewesen, der Innenminister hätte sich nicht von der Arbeit der Länderkommission abgetrennt - die im übrigen auch schon vor Ihrer Regierungsübernahme eingerichtet worden ist -, sondern dort gemeinsam etwas erarbeitet, denn die meisten Dinge, die im Bodenschutz gemacht werden müssen, sind Ländersache und mit dem Bund gemeinsam zu machen. Weniger Ankündigung, weniger Public Relations, in der Sache noch härter auch mit den anderen Ressorts kämpfen -, dann wäre es ein Bodenschutzkonzept geworden. Wir warten auf die Vorlage. Die Abstriche habe ich Ihnen hier der Reihe nach aufgezählt. Danke schön. ({9})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fellner.

Hermann Fellner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Rede vom Kollegen Duve möchte ich noch einmal auf den Häuptling Seattle zurückkommen, weil der Kollege Duve so wenig mit ihm gemeinsam hat. Seine Rede hat ihn zwar als Rothaut ausgewiesen, aber er zählt nicht zum Stamm dieses großen Häuptlings. Das sind nämlich die Duwamisch-Indianer, wobei die Namensähnlichkeit erstaunlich ist. Ich möchte sagen: Der Häuptling Seattle soll leben, auch der Kollege Duve natürlich, aber so bemerkenswert war seine Rede nicht. ({0}) Ich habe nur den Hinweis auf den großen Umweltmacher Schmidt bemerkenswert gefunden. Ich fordere Sie und alle, die sich für die politische Kultur und Geschichte interessieren, wieder einmal auf ({1}) - ich komme schon noch dazu - zu erklären, wie es eigentlich dazu gekommen ist, daß in der früheren Regierungszeit ({2}) im Innenministerium zwar eine große Anzahl von umweltpolitischen Vorlagen erarbeitet worden sind, sie aber nie das Licht der Welt erblickt haben. Das lag daran, daß der große Macher Schmidt immer sehr heftig und entschieden zugeschlagen hat, wenn es darum ging, in der Umweltpolitik etwas zu verhindern, was seinen Freunden in der Wirtschaft unter Umständen schaden könnte. Ich stelle diese Behauptung hier noch einmal auf, und ich bin sicher, daß sich dafür im Laufe der Zeit auch noch die Belege finden lassen werden. Ein paar Worte zum Thema Trinkwasser. Selbstverständlich ist uns die Sorge um das Trinkwasser ein großes Anliegen. Man soll allerdings auch hier nicht in den Aktionismus verfallen, meine Herren von den GRÜNEN. Manchmal hat man wirklich den Eindruck, Sie trinken nur deshalb Wein, weil Sie das Trinkwasser für vergiftet halten. ({3}) So soll es meines Erachtens wahrlich nicht sein. Man sollte feststellen, daß das Trinkwasser sicherlich das bestkontrollierte Lebensmittel ist, das es bei uns gibt. Bei der Gelegenheit sollte man auch feststellen, daß wir jetzt die Möglichkeit haben, sehr, sehr sorgfältig zu kontrollieren. ({4}) Wir haben eine ständig steigende Verbesserung der Analyseverfahren. Wir können heute feststellen, ob ein Zuckerwürfel in den Bodensee gefallen ist. Da wir das heute feststellen können, möchte ich große Teile - ich sage ausdrücklich: nur große Teile - der auftauchenden Hektik auch darauf zurückführen, daß wir nun natürlich mehr wissen, obwohl unsere Umwelt sicher nicht soviel unsauberer und schlechter geworden ist. ({5}) Bei dem, was Sie für die Erhaltung der Qualität des Wassers insgesamt tun wollen, gibt es sicherlich viele diskussionswerte Vorschläge. Nicht dazu zähle ich den Vorschlag eines progressiv gestaffelten Wasserpreises, den ich z. B. allein für Familien für unsozial halte, ({6}) weil eine Familie mit mehr Kindern schließlich mehr Wasser verbraucht und dafür zahlen müßte. Die Überlegung, in den Haushalten Wasser von unterschiedlicher Güte zu verwenden, halte ich zwar auch für interessant. Allerdings ist das auch nicht neu, denn diese Überlegungen wurden schon in der Antike angestellt und wieder fallengelassen. ({7})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Kollege - Fellner ({0}): Ich bitte darum, das ausführen zu dürfen. Wir haben eh so wenig Zeit. Die einzige Überlegung, die uns weiterhelfen kann, ist sicher die, den Wasserverbrauch einzuschränken. - Ich muß mich so oft wiederholen, weil der Kollege Duve ständig stört. Darum brauche ich meine Zeit selbst, sonst hätte ich gerne eine Zwischenfrage zugelassen. Was uns helfen kann, ist, den Wasserverbrauch einzuschränken. Dieses klassische Beispiel der Zigarettenkippe in der Toilette, die man nicht in den Mülleimer werfen will, die aber 20 Liter gutes Trinkwasser kostet, sollte uns eine Warnung sein. Solche Dinge müssen abgestellt werden. Darum greife ich gerne auch Überlegungen auf, was man im Haushalt tun könnte. Diese Tips für jedermann im Haushalt sind durchaus vernünftige Tips. Ich habe eine ganze Liste davon mitgebracht. Es wird ja auch eifrig darauf hingewiesen. Nur sehe ich für solche selbstverständliche Verhaltensweisen im Haushalt wirklich keinen rechtlichen Regelungsbedarf. ({1}) - Nein, das ist nicht aus der „Bunten", sondern aus einer Informationschrift der Wasserwirtschaft. Ich kann sie Ihnen gern zur Verfügung stellen. Sie sollten auch vernünftige Papiere lesen, nicht nur den „Spiegel" und sonstigen Unrat. Ich meine also, daß für solche selbstverständlichen Dinge kein Bedarf an rechtlichen Regelungen besteht. Nun ein paar Sätze zum Schutz des Bodens. Die Bundesregierung hat Mitte August ein Bodenschutzkonzept vorgelegt. ({2}) - Dann hat sie einen Referentenentwurf zum Bodenschutz vorgelegt. ({3}) Die SPD hat diesen Entwurf genommen, im Grunde nur die Gliederung die vorne drinstand, um schnell und eilfertig noch ein paar Tage vorher ({4}) - Herr Kollege Duve, ich antworte ja schon - ein öffentlichkeitsträchtiges Projekt zu starten und die Bundesregierung aufzufordern, endlich zu handeln, nachdem sie die Grundlage ihres Handelns bereits erarbeitet hat, und zwar in einem sorgfältig ausgearbeiteten über 100 Seiten starken Papier.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter Fellner gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Duve?

Hermann Fellner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte schön.

Freimut Duve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000425, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, stimmen Sie mit mir darin überein, daß die bürokratische Geschwindigkeit großer Fraktionen für das Erstellen eines Grundlagenkonzepts mindestens, sagen wir einmal, vier bis fünf Monate benötigt? So lange haben wir jedenfalls daran gearbeitet, und dann waren wir immer noch drei Wochen vor dem, was Sie jetzt hier als Konzept vorstellen, in der Öffentlichkeit. Ihre Argumentation trifft also in der Sache nicht zu.

Hermann Fellner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Duve, ich bestreite das nicht, ich behaupte aber auch, daß es dann hilfreich ist, wenn man ein sorgfältig ausgearbeitetes Papier zur Hand bekommt, zumindest sieht, wie die Gliederung dieses Papieres aussieht, und sich leichter tut, es zu übernehmen. Ich will auf die Details, die der Kollege Schmidbauer und die auch die Regierung angesprochen hat, dieser Vorstellungen zum Bodenschutz nicht weiter eingehen. Ich will nur darauf hinweisen, daß wir uns natürlich im klaren darüber sind, daß wir mit diesem Vorhaben sicherlich nicht auf ein Spalier von beifallspendenden Massen treffen werden. Das ist uns völlig klar. Ich halte es aber auch für positiv, daß gerade in dieser Frage der Bürger nicht auf andere zeigen kann, auf die Kraftwerke und auf die Flugzeuge, wo endlich etwas getan werden soll, sondern er hat sehr deutlich die Möglichkeit, selbst etwas zu tun. Er ist selbst gefordert. Ich meine, daß es uns insgesamt hilft, wenn wir mit mehr Bescheidenheit in unseren Ansprüchen an den Boden auftreten. ({0}) - Sie müssen aufpassen, daß man Ihnen den Boden nicht unter den Füßen wegzieht, Herr Kollege Duve. ({1}) Das gilt sowohl für den Boden als Standort für Siedlungen, für Produktion, für Handel und Verkehr als auch für den Boden als einen Raum, der der Erholung dient. Auch hier wird der Bürger Farbe bekennen müssen, was er davon hält. Wir brauchen einfach eine neue Solidarität im Umgang mit der Natur, speziell im Umgang mit dem Boden. Wir können uns selbstverständlich Gedanken machen über die Erweiterung von Flächen der extensiven Nutzung aus Gemeinwohlinteresse - auch das möchte ich aus der Sicht der Landwirtschaft hier einmal ansprechen -; das ist natürlich, so meine ich, dann auch von der Allgemeinheit zu tragen. Wir müssen dann natürlich auch, verehrte Kollegen, einen Ausgleich für die Bereitschaft, dies zu tun, finden. Ich meine, hier ist ein Einstieg in eine Vergütung für Umweltleistungen gefordert. Zum Schluß möchte ich darauf hinweisen, daß für uns Umweltpolitik nicht eine Ideologie vom Absingen gemütvoller Lieder unter schattigen Bäumen ist, sondern eine sehr rational und sehr besonnen wahrzunehmende Aufgabe. Aber sicherlich müssen wir das Ganze mit Herz und Leidenschaft angehen. Es geht um sehr komplexe Fragestellungen, die differenzierte Antworten erfordern. Was wir brauchen, sind Vernunft und Realismus. Es sind klare wissenschaftliche Aussagen erforderlich, und es sind natürlich mutige Entscheidungen erforderlich, zu denen wir sehr wohl bereit sind. Danke schön. ({2})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sauermilch.

Walter Sauermilch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001923, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident und auch mal wieder leeres Haus! ({0}) Herr Fellner, ich möchte noch kurz auf Ihre Bemerkungen eingehen, zunächst auf das, was Sie zum progressiven Tarif sagten. Da möchte ich doch einmal darauf hinweisen, daß es in der Bundesrepublik erhebliche Unterschiede zwischen den Gebührenordnungen gibt. Auf meinem Zettel habe ich hier gerade „Wiesbaden: 2,80 DM" stehen, während es in anderen Gemeinden teilweise nur 50 Pfennige sind. ({1}) - Damit sind sicherlich auch unterschiedliche Kosten verbunden. Aber dies nur zur Ergänzung. Zu Ihrem Argument mit dem Würfelzucker möchte ich doch schnell darauf hinweisen, daß dieses Beispiel nicht zufällig von der PR-Abteilung von Bayer Leverkusen unter die Leute gebracht worden ist. ({2}) Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen. Jetzt möchte ich aber noch einmal auf die Argumente eingehen, die mein Kollege Ehmke vorhin zum Zweiklassensystem des Trinkwassers gebracht hat. Lassen Sie mich das ergänzen: Als abzusehen war, daß die Bundesregierung auch weiterhin die EG-Vorschläge ignorieren würde, haben wir den Antrag eingebracht, diese Richtlinie in deutsches Recht zu überführen, um die Regierung zum Handeln zu zwingen. Dieser Antrag liegt Ihnen heute vor. Mitte 1984, mit zweijähriger Verspätung, bequemte sich der Gesundheitsminister, einen eigenen Entwurf zur Diskussion zu stellen. Wir haben diesen Entwurf einmal wissenschaftlich prüfen lassen. Resultat: Immer dann, wenn Grenzwertvorschläge der EG in Deutschland eingehalten werden können, werden sie übernommen. Ist dies auf Grund der vorangeschrittenen Verschmutzung nicht mehr möglich, so werden die EG-Vorschläge ignoriert, so bei Agrochemikalien wie Pestiziden, Herbiziden usw. oder bei Industriechemikalien wie den Organochlorverbindungen. Dafür ein Beispiel: Die EG empfiehlt, Trinkwasser solle keine krebsverdächtigen oder sonstwie chronisch schädigenden organischen Chlorverbindungen enthalten. Damit dies für die Kontrollinstanz überwachbar ist, legte die EG eine Richtzahl von 1 Mikrogramm - die Nachweisgrenze für diese Stoffe - fest. Das Bundesgesundheitsministerium ignoriert diese Richtzahl. Warum? Wenn die Bundesregierung diese Richtzahl für Trinkwasser festsetzen würde, müßte sie logischerweise auch dem von den GRÜNEN im Februar 1984 eingebrachten Gesetzesantrag zur Änderung des § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes zustimmen, in dem wir für diese Stoffe eine Vermeidung der Einleitung in die Flüsse nach dem Stand der Technik festschreiben wollen. Aber was von den GRÜNEN kommt, kann ja nichts Gutes sein. ({3}) Da haben wir ja inzwischen Erfahrungen. Jedoch ist nicht zuletzt durch unser hartnäckiges Bohren mit allein vier Anfragen bezüglich der Organochiorverbindungen der Entwurf des Gesundheitsministeriums - nach unserer Kenntnis allerdings hinter den Kulissen - verschärft worden. Was letztlich dabei herauskommen wird, ist noch offen. Daher unser Appell, den gegenwärtig am Novellierungsverfahren beteiligten Instanzen als politische Zielvorgabe die EG-Richtlinie vorzugeben, nicht mehr und nicht weniger. Daher auch meine Bitte: Übernehmen Sie unseren Antrag zur Umsetzung der EG-Richtlinie, wie es die EG selbst vorgebracht hat! Noch ein Wort zum SPD-Programm „Sofortprogramm zum Schutz des Wassers". Der Tenor des SPD-Antrags findet im großen und ganzen unsere Zustimmung. Daneben gibt es sicherlich Detailfragen, in denen unsere Auffassungen divergieren. Ich halte dies aber nicht für erheblich. Erheblicher ist schon die relative Allgemeinheit, die Unverbindlichkeit des Antrags, und es wird sicherlich spannend sein, wie die SPD versucht, im Verlauf der nächsten Monate ihre Zielvorstellungen in ein konkretes Gesetzeswerk zu überführen. ({4}) Neben allgemeinen Appellen, die sicherlich sehr wichtig sind - zugegeben -, muß ein solches „Sofortprogramm Wasser" auf Landes- und auf Kommunalebene umgesetzt werden. Frankfurt ist eines dieser Problemzentren, was die Wasserversorgung in der Bundesrepublik angeht. Meine Bitte an Herrn Hauff - er hat ja federführend den Antrag unterschrieben -: Er möge sein Sofortprogramm nicht vergessen, sofern er in Frankfurt seine Oberbürgermeisterarbeit beginnt, ({5}) was wir ihm durchaus gönnen. Wir haben uns erlaubt, sein Programm den GRÜNEN im Römer zuzuleiten. Ich vermute, er wird großen Rückhalt in Frankfurt haben, weil dort nämlich der Schutz des Wassers aus der Opposition von den GRÜNEN seit Jahren vorangetrieben wird. ({6}) Allerdings muß noch viel Wasser den Rhein hinunterlaufen, wenn ich mir die SPD-Länder-Praxis der Gewässerschutzpolitik - etwa in Bremen - anschaue. ({7}) Wie heißt es doch in Ihrem Sofortprogramm - ich zitiere -: „Für alle Wassergewinnungsgebiete sind zügig Schutzgebietsverordnungen zu erlassen." Die Wasserwerke der Stadt Bremen haben ihre Freunde im Senat schon vor 20 Jahren gebeten, Schutzzonen auszuweisen. Nun weist Ihr Parteigenosse Brückner beziehungsweise mittlerweile wohl Frau Lembke nicht etwa Schutzzonen aus, sondern es wird eine Gewerbeansiedlung mitten in der geplanten Schutzzone des Wasserwerks Bremen/Nord vorgenommen. Das sind die Wirklichkeiten Ihrer Politik. Oder nehmen wir Nordrhein-Westfalen. Dort hat der Ruhrtalsperrenverein den Vorsitzenden der BI gegen die Negertalsperre mit harter D-Mark davon überzeugt, daß es besser ist, sein Dorf und seine Heimat einer Talsperre zu opfern. Die SPD-Landesregierung - insbesondere der sich geschickt im Hintergrund haltende Minister Matthiesen - hätte es über Raumordnung und Landesplanung in der Hand, den überzogenen Planungen des Ruhrtalsperrenvereins entgegenzutreten - zumal ein eindeutiges Urteil aus Münster vorliegt. Wenn sie weiterhin diese Pläne unterstützt, werden sich unsere Kollegen aus Nordrhein-Westfalen sehr über ein neues Wahlkampfthema freuen. ({8}) Meine Damen und Herren, der Ihnen mit Drucksache 10/2201 vorliegende Antrag unserer Fraktion zur Änderung der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser - kurz AVB-Wasser genannt -- zielt darauf, die Position des Trinkwasserkonsumenten gegenüber seinem Versorgungsunternehmen zu stärken. Die AVBWasser regelt die Versorgungspolitik insbesondere der großen Unternehmen in der Rechtsform der Eigengesellschaft beziehungsweise auch in privater Rechtsform gegenüber den Trinkwasserkonsumenten. Aber gerade für diese Unternehmensgruppe ist es vordringlich, ihnen neben der Verbraucheraufklärung auch verbindlich vorzuschreiben, sparsam und sorgsam mit unserem wichtigsten Lebensmittel umzugehen. Damit knüpft unsere AVB-Wasser an die in den letzten zwei Jahren von den Stadtwerken Saarbrücken und den Hamburger Wasserwerken vorexerzierte Unternehmenspolitik an. Dort wurde wegbereitend versucht, den Sparsamkeitsgedanken - der nicht zu verwechseln ist mit asketischer Unterversorgung - umzusetzen. Unser Antrag ist somit der Versuch, diese positiven regionalen Entwicklungen bundeseinheitlich vorzuschreiben. Obwohl diese Versorgungspolitik auch ohne GRÜNE-Initiative vor Ort entstanden ist, dürfte sie sich nicht automatisch bundesweit durchsetzen. Hierzu sind bestimmte wirtschaftliche Kräfte viel zu mächtig, allen voran die Gelsenwasser AG in Nordrhein-Westfalen, größtes Wasserversorgungs7362 unternehmen Europas, Wortführer in vielen Verbänden und Organisationen und mehrheitlich beherrscht von privaten Kapitalanlegern. Ob Sie es nun glauben oder nicht, in der Gelsenwasser AG sind Aktionäre, die jährlich mit einer guten Dividende beglückt werden und gleichzeitig als große Abwasserproduzenten dem Wassermulti aus Gelsenkirchen sprichwörtlich in die Suppe spucken. Kein Wunder also, daß dies ausschließlich nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführte Unternehmen zu den Sparvorstellungen aus Hamburg und Saarbrücken formuliert - ich zitiere -: „Wir sind doch nicht die Sahel-Zone". Wir setzen mit unserer AVB-Wasser dagegen: „Wir wollen Trinkwasser und kein Börsenwasser." Daher haben wir auch in unserem Antrag Wert darauf gelegt, daß die Kalkulationsgrundlagen für die Ermittlung der Wassertarife transparent zu gestalten sind. Die von uns geforderte AVB-Wasser ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, die Wasserversorgungsunternehmen zu Anwälten ihrer Kunden zu machen, im positivsten Sinne des Wortes, Kunden also, denen nicht mit beschwichtigenden Worten immer mehr Geld für den Kubikmeter Wasser abgeknöpft wird, sondern die gemeinsam mit den Unternehmen ihr Interesse an einer ökologisch und hygienisch einwandfreien Wasserversorgung formulieren. Prävention, Vermeidungs- und Verursacherprinzip sind daher zu verankern. Unter diesem Gesichtspunkt begrüßen wir daher ausdrücklich, daß die Stadtwerke Bonn jetzt Klage eingereicht haben wegen einer Gewässerverschmutzung mit dem „Weihnachtsgift", wie die Presse es nannte, Bichlorisopropyläther, das die BASF dem Wasserversorgungsunternehmen beschert hatte. Ich komme zum Schluß. Die Durchsetzung dieser Elemente einer vorsorgeorientierten Wasserpolitik geschieht über die Verpflichtung auf eine rationelle Wassernutzung und Beratung sowie durch eine verursacherorientierte Tarifgestaltung. Entsprechend angepaßte Regeln müssen für Gewerbe und Industrie folgen. Nur in der vorgeschlagenen Weise kann auf der Ebene der Konsumenten eine andere Wasserversorgungspolitik um- und durchgesetzt werden. Daher bitten wir um die Zustimmung zu unserem Antrag. Ich danke Ihnen. ({9})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Bredehorn.

Günther Bredehorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000256, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne Wasser kein Leben, ohne Boden kein Dasein. ({0}) Beide Elemente sind für uns lebensnotwendig und durch nichts zu ersetzen. Ihr Gewicht rechtfertigt diese Debatte heute abend zu später Stunde hier im Plenum. Ich bin sicher, daß wir uns in den nächsten Jahren noch viel öfter und intensiver mit diesen Themen beschäftigen müssen. Kostbare Güter wurden noch nie verschenkt und schon gar nicht, wenn es sich um knappe Güter handelte. Verschwendungssucht ist also bei Kostbarkeiten nicht angebracht, so auch hier nicht. In der heutigen Umweltdiskussion überdeckt die Sorge um die Erhaltung gesunder Wälder die Problematik von mangelnder Wasserqualität und Bodenverschlechterung. Während das Waldsterben in einigen Landesteilen Deutschlands jedem deutlich vor Augen steht, handelt es sich bei den Gefahren für Wasser und Boden eher um einen schleichenden Prozeß, von niemandem beachtet und kaum bemerkt. Mit der Sorge um die langfristige Erhaltung dieser Naturgüter geht die Frage nach ihrer Belastbarkeit einher. Das ist eine Frage, die heute von Wissenschaftlern noch nicht eindeutig beantwortet werden kann: Wie groß ist die Fähigkeit der Natur, Ungleichgewichte auszubalancieren und einen ökologischen Ausgleich wiederherzustellen? Wo werden die Belastungen ausgehend von menschlichen Wirtschaftsweisen so groß, daß Umkehrprozesse nicht mehr möglich sind? In der Umweltdiskussion sollten wir nicht müde werden, immer wieder an die Wissenschaftler zu appellieren, uns Situationsanalysen vorzustellen, Lösungsansätze aufzuzeigen. Schon 1981 hat die FDP in ihrem ökologischen Aktionsprogramm grundlegende Forderungen zum besonderen Schutz des Bodens aufgestellt. Demnach darf die Bodenqualität in keinster Weise beeinträchtigt werden, besonders in bezug auf Schadstoffe. Aber das gilt auch für Landverbrauch und die vielen anderen sich widersprechenden Nutzungsansprüche an den Boden. Der Boden ist unverzichtbare Lebensgrundlage jeglicher Vegetation. Er ist wichtigstes Betriebskapital unserer bäuerlichen Familienbetriebe. Er ist Speicher und Filter für den Wasser- und Stoffhaushalt in der Natur. Und nicht zuletzt bietet er uns Menschen Lebensraum. Wie aber ist der Boden gewappnet gegen die zahlreichen Belastungen, die ihn in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigen? Als ersten und wichtigsten Punkt nenne ich den Eintrag von Schadstoffen aus der Industrie, aus dem Gewerbe, aus dem Verkehr, aus den Haushalten und auch aus der Landwirtschaft, der immer wieder - ich meine, zu Unrecht - eine schädigende Behandlung ihrer Böden nachgesagt wird. Der Satz, daß alles Gute von oben komme, ist schon lange nicht mehr gültig. Die Politik der hohen Schornsteine war eben nicht der Weisheit letzter Schluß, sondern vernebelte das Problem nur noch weitflächiger. Die Quellen müssen so weit wie möglich verstopft werden. Das sind wir unseren Böden schuldig. Ich glaube, darüber bestehen zwischen den Bundestagsfraktionen keine Kontroversen. Es kann doch nicht angehen, daß wir heute Flächen so weit belasten, daß sich sogar eine landwirtschaftliche Nutzung verbietet. Mit der TA Luft und anderen Gesetzesauflagen haben wir einen Schritt in die richtige Richtung getan. Ehe ich auf die Landwirtschaft zu sprechen komme, einige Worte zum Landschaftsverbrauch. Die Versiegelung der Landschaft darf nicht wie bisher weitergehen. Wenn Tag für Tag 160 ha für Straßenbau, Gewerbe und Siedlungsflächen verlorengehen, so ist das ein alarmierendes Zeichen. Ich frage mich z. B.: Brauchen wir noch mehr Autobahnen? Eine Folge der Zubetonierung sind aber auch die zahlreichen Überschwemmungen, die Wohnungen unter Wasser setzen und Äcker in Schlammgebiete verwandeln. Das Wasser braucht Boden, damit es absorbiert werden kann. Beton ist dafür kein Ersatz. ({1}) Ich plädiere für eine vielfältige Nutzung des Bodens, aber die Vielfalt will geordnet sein. Was ist mit dem Naturschutz, von dem wir immer alle reden? Die FDP hat im Agrarausschuß für den Naturschutz bis zu 100 Millionen DM im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe gefordert. Ich wiederhole diese Forderung hier. Nichts kann doch für unsere überlasteten Agrarmärkte besser sein als eine Entspannung über weniger Produktion. Mit der Ausweisung von Naturschutzflächen wäre vielen gedient: den Brüsseler Kassen, aus denen weniger Geld für die Lagerung unsinniger Überschüsse entnommen werden müßte; den Landwirten, die eine angemessene Nutzungsentschädigung bekommen könnten und insbesondere - das ist entscheidend - der Gesellschaft, in der die Forderung nach Biotop- und Artenschutz und Schutz unseres Trinkwassers und Grundwassers zu Recht erhoben wird. ({2}) Der Landwirtschaft wird in der öffentlichen Diskussion oft nachgesagt, sie vergewaltige die Natur und sauge die Böden aus kurzsichtigem Gewinnstreben heraus radikal aus. Dabei kann nicht oft genug wiederholt werden, daß niemand an der Erhaltung eines gesunden Bodens mehr interessiert ist als der Bauer selbst. ({3}) Es liegt an der Landwirtschaft selber, Gefahren, die sich aus zunehmender Spezialisierung und Technisierung ergeben haben, wieder in den Griff zu bekommen. ({4}) - Sehr richtig. - Wir Politiker können dabei nur Schützenhilfe leisten. Es geht dabei um folgende Sorgenkinder - wir sollten uns nicht scheuen, diese Sorgenkinder auch beim Namen zu nennen -: die Nitratanreicherung der Gewässer; der durch schwere Maschinen verursachte zu starke Bodendruck; die Ausweitung der Erosion insbesondere durch langfristigen und einseitigen Anbau z. B. von Mais; schließlich die übermäßige Düngung und der umstrittene Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln. Auf der anderen Seite ist die hohe Ertragsfähigkeit der Böden aber auch ein Zeichen dafür, daß weitgehend optimal gewirtschaftet wird. Jede vom Landwirt ausgelöste Schädigung des Bodens schlägt früher oder später auf ihn zurück. Die Gesundung ist dann teuer und langwierig. Gegen die außerlandwirtschaftlichen Einflüsse kann sich der Landwirt kaum schützen. Hier muß die Gesellschaft, der Gesetzgeber durch geeignete Vorkehrungen dafür sorgen, daß der Boden in seiner Leistungsfähigkeit durch Immissionen nicht nachhaltig geschädigt wird. Solange die Böden in bäuerlicher Hand bleiben, sehe ich keine Gefahr. Die Auswüchse in Form industrieähnlich angelegter Agrarfarmen erst lassen den Kreislauf BodenPflanze-Tier brüchig werden. ({5}) In den Niederlanden, wo die Viehkonzentration noch weiter vorangetrieben worden ist als bei uns, ist jetzt vom Gesetzgeber endlich ein Riegel vor weitere Bestandsausdehnungen geschoben worden. Wir sind auf dem besten, oder besser gesagt: auf dem schlechtesten Wege dorthin. Lassen wir den Boden doch den bäuerlich wirtschaftenden Familien, die sich bisher als vorzügliche Sachwalter unserer landwirtschaftlich genutzten Böden erwiesen haben! ({6}) Die jetzt vorliegende Bodenschutzkonzeption ist ein begrüßenswerter Ansatz. Wir müssen allerdings auch aufpassen, daß der richtige und notwendige Ansatz zu mehr Bodenschutz nicht zu einem Würgegriff für die Landwirtschaft wird. Unter Umständen könnte sie in einem Wirrwarr von Auflagen und Verordnungen ersticken und ihren Rest an unternehmerischer Freiheit aufgeben. Ich will nicht, daß es dazu kommt, daß in jedem Dorf ein Amtsschimmel sitzt, bei dem die Landwirte als Bittsteller auftauchen müssen, wenn sie ihre Bodennutzung in irgendeiner Weise ändern wollen. ({7}) Meine Damen und Herren, vom Prinzip Hoffnung ist in der Umweltpolitik viel geredet worden. ({8}) Jetzt ist die Zeit reif, vom Reden zum Tätigwerden überzugehen und das Hoffen gegen das Prinzip Verantwortung einzutauschen. Danke schön. ({9})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Anträge zu den Tagesordnungspunkten 7 bis 10 auf den Drucksachen 10/1823, 10/1868, 10/1529 und 10/2201 an die Ausschüsse vor, die Sie aus der gedruckten Tagesordnung ersehen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Präsident Dr. Jenninger Ich rufe die Zusatzpunkte 3 und 4 der Tagesordnung auf: 3. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104 a Abs. 4 GG an das Saarland - Drucksache 10/2229 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß ({0}) Ausschuß für Wirtschaft 4. Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104 a Absatz 4 des Grundgesetzes an die freie Hansestadt Bremen - Drucksache 10/2141 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß ({1}) Ausschuß für Wirtschaft Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Zusatztagesordnungspunkte 3 und 4 sowie eine Aussprache von 60 Minuten vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002396

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung gewährt der Bund in den Jahren 1985, 1986 und 1987 dem Saarland Finanzhilfen nach Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft für besonders bedeutsame Investitionen. Die Finanzhilfen betragen insgesamt 300 Millionen DM und werden in gleichen Jahresbeträgen von je 100 Millionen DM geleistet. Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zugestimmt und es gleichzeitig abgelehnt, einen entsprechenden Gesetzentwurf zugunsten Bremens beim Deutschen Bundestag einzubringen. Daraufhin hat die SPD-Bundestagsfraktion einen gleichlautenden Gesetzentwurf betreffend Bremen eingebracht, der stark an ein Plagiat erinnert, meine Damen und Herren, aber dennoch jetzt ebenfalls in erster Lesung zu beraten ist. Dem Bund ist es in Anbetracht seiner Haushaltslage auch bei voller Würdigung der Strukturschwäche der Bremer Wirtschaft nicht möglich, dem Land Bremen Finanzhilfen für Investitionen zur Stärkung der Wirtschaftskraft zu gewähren. Der Bund muß bei seiner Entscheidung auch berücksichtigen, daß Investitionshilfen für Bremen anderen Bundesländern Anlaß geben würden, im Hinblick auf ihre strukturschwachen Gebiete entsprechende Finanzhilfen zu fordern. Die Beschränkung der Finanzhilfen auf das Saarland in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ist verfassungsrechtlich zulässig. Der Bund ist bei der Gewährung von Finanzhilfen nach Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes verpflichtet, die Länder nach dem gleichen sachlichen Maßstab zu behandeln. Dies schließt jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine sachgerechte Differenzierung zwischen den Ländern je nach den unterschiedlichen Verhältnissen nicht aus, wie sie durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung getroffen wird. Die Finanzhilfen des Bundes werden zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft gewährt. Ob eine unterschiedliche Wirtschaftskraft vorliegt, kann allein an Hand objektiver, nicht voluntaristisch beeinflußter oder beeinflußbarer statistischer Daten entschieden werden. Üblicher Vergleichsmaßstab für die Wirtschaftskraft eines Landes ist das Bruttoinlandsprodukt und für die Möglichkeit des Landes, sich selber zu helfen, primär die Finanzkraftmeßzahl nach dem Finanzausgleichsgesetz jedoch ohne Einwohnerwertung. Die vorliegenden Zahlen bestätigen die besondere Lage des Saarlandes im Verhältnis zu den andern Ländern - insbesondere zu Bremen - und rechtfertigen die Gewährung von Finanzhilfen allein an das Saarland. Die relativ späte Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik und die langanhaltenden Branchenkrisen von Kohle und Stahl haben in der einseitig montanorientierten Wirtschaft des Saarlandes die Entwicklung leistungsfähiger Wirtschaftsbranchen verhindert. Der Bundesgesetzgeber hatte schon in dem Gesetz über die Eingliederung des Saarlandes im Jahre 1956 einen besonderen Nachholbedarf anerkannt. Bis heute ist es nicht gelungen, das Saarland an die Wirtschaftsstruktur und die Wirtschaftsentwicklung des übrigen Bundesgebiets heranzuführen. Im Gegensatz dazu besitzt Bremen eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur, in der mit der Werftindustrie und einem Stahlwerk Problembranchen vorhanden sind, andererseits aber mit Handel und Luftfahrt auch zukunftsträchtige und gesunde Wirtschaftszweige zu verzeichnen sind. Die unterschiedliche Wirtschaftskraft des Saarlands und Bremens findet im Bruttoinlandsprodukt je Einwohner ihren Niederschlag. Die entsprechenden Zahlen zeigen dies deutlich: 1982 im Saarland 23 630 DM, in Bremen 34 215 DM; 1983 im Saarland 24 188 DM; in Bremen 35 072 DM. Das Saarland erreichte also in beiden Jahren nur zwei Drittel der Werte Bremens. An dieser Aussage zur Wirtschaftskraft vermag auch die von Bremen vorgetragene Pendlerproblematik im Grundsatz nichts zu ändern. Auch die Finanzkraftmeßzahlen sprechen nicht für Bremen, meine Damen und Herren. Um einen objektiven Vergleich der Meßzahlen zu ermöglichen, müssen die Finanzkraftmeßzahlen pro Einwohner ohne besondere Einwohnerwertung verglichen werden. Ein solcher Vergleich ergibt für 1983 folgendes: Bremen liegt bei 122,7 % des Bundesdurchschnitts; das Saarland dagegen erreicht nur 98,6% des Bundesdurchschnitts. Ein ähnliches Ergebnis ergibt sich auch aus einem Vergleich der absoluten Gesamtsteuereinnahmen 1983 pro Einwohner: Bei Bremen waren es 3 557 DM, beim Saarland dagegen nur 2 574 DM. Die Befürworter von Finanzhilfen auch für Bremen stellen insbesondere auf einen Vergleich der haushaltswirtschaftlichen Daten und der Arbeitslosenquoten in den Jahren 1982 und 1983 ab. Haushaltswirtschaftliche Zahlen sind aber für einen Vergleich der Wirtschafts- und Finanzkraft von Ländern wenig geeignet, da hier das voluntaristische Element überwiegt und damit der objektive Vergleich kaum möglich ist, den das Grundgesetz fordert. Im übrigen fällt auch dieser Vergleich nicht eindeutig zugunsten Bremens aus. So stellt sich Bremen mit einer Kreditfinanzierungsquote von 18,2% 1983 besser dar als das Saarland mit einer Quote von 18,9 %. Die sonstigen haushaltswirtschaftlichen Daten bestätigen lediglich, daß Bremen sich seit einiger Zeit stärker verschuldet hat. Ein Vergleich der Arbeitslosenquoten für 1982 und 1983 ergibt zwar für Bremen ein etwas schlechteres Bild. Die entsprechenden Quoten sind bei Bremen 10,1 % und 13,1%, beim Saarland 9,7 % und 11,8 %. Andererseits lag aber die Arbeitslosenquote des Saarlands seit 1971 bis 1981 ständig über den Quoten Bremens. Das bestätigt die andauernden Strukturprobleme des Saarlands. Im übrigen ist der bloße Vergleich der Arbeitslosenquote, insbesondere für die Jahre 1982 bis 1983, ohne besondere Aussagekraft, da damit nicht zum Ausdruck kommt, wieweit die Arbeitslosigkeit strukturell oder konjunkturell bedingt ist oder durch sonstige Sonderfaktoren beeinflußt wird. Zu den sonstigen finanzverfassungsrechtlichen Fragen möchte ich noch zwei Bemerkungen machen. Erstens. Zu einer Doppelförderung konkreter Maßnahmen durch Finanzhilfen und durch die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" wird es nicht kommen. Auch wird die Förderung aus den Finanzhilfen das Förderungsgefüge der Gemeinschaftsaufgabe nicht stören. Diese Grenzen wird das Saarland bei der Bestimmung der Fördersätze und Kriterien beachten. Eine entsprechende Erklärung hat das Saarland im Bundesrat bereits abgegeben. Zweitens. Der verhältnismäßig niedrige Finanzierungsanteil des Saarlands von 10 v. H. dürfte zwar die äußerste Grenze für Finanzhilfen sein; er hält sich jedoch in dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen, wie ihn das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung gezogen hat. Die im Regierungsentwurf vorgesehenen Finanzhilfen für das Saarland, meine Damen und Herren, sind im Haushaltsentwurf 1985 veranschlagt und im Finanzplan berücksichtigt. Der Haushaltsausschuß des Bundestages hat dem für 1985 erforderlichen Ansatz von 100 Millionen DM heute bereits zugestimmt. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, daß die vorgesehenen Hilfen dazu beitragen, das Saarland in seinem Bestreben nach Anschluß an die Wirtschaftsentwicklung des übrigen Bundesgebietes voranzubringen. Ich bitte Sie daher, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zuzustimmen und den Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion abzulehnen. Danke schön. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffmann ({0}).

Hans Joachim Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000937, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will zuerst eine grundsätzliche Bemerkung vorwegschieben. Herr Staatssekretär, die SPD-Fraktion sagt j a zu den dreimal 100 Millionen DM Finanzhilfe für das Saarland. Sie sagt selbstverständlich - weil wir vergleichbare, aber nicht identische Fälle sehen - auch j a zu den dreimal 100 Millionen DM, die wir für das Land Bremen beantragen. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, in beiden Fällen gibt es exakt begründete Positionen, die alle in Übereinstimmung stehen mit Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes. Nun könnte man sagen: Soweit, so gut. Ich als Saarländer könnte dankbar vermerken: Ich freue mich darüber, daß dreimal 100 Millionen DM an mein Bundesland fließen sollen. Nur, meine Damen und Herren, leider Gottes muß man, wenn man eine solche Bemerkung macht, auch sehen, womit sie erkauft worden ist. Das will ich Ihnen kurz vorführen. Parallel zu dieser Hilfe, nämlich mit dem Haushalt 1985, wird eine ganze Liste von Kürzungen im Bereich des Einzelplanes „Wirtschaft", im Einzelplan „Forschung und Technologie" bei Kohle und Stahl, künftigen Energieträgern und Untertageinvestitionen gestrichen oder gekürzt. Das macht viel mehr an Volumen aus als das, was für drei Jahre nun gegeben werden soll. Damit Sie das nachvollziehen können, will ich exemplarisch einige dieser Punkte aufführen. Ich beziehe mich jeweils auf die Entwürfe des Bundeshaushalts 1985, der soeben in dem Haushaltsausschuß zu Ende beraten worden ist und trage daraus kurz folgendes vor: Im Bereich „Bau von Kohleheizkraftwerken und Ausbau der Fernwärme" sind die Ansätze herabgesetzt worden um 10 Millionen DM. Im Bereich „Zuschüsse für Investitionen an Unternehmen des Steinkohlebergbaus" sind die Investitionen zurückgeführt worden von 184 Millionen DM auf 100 Millionen DM. Im Bereich „Hilfen für die Stahlindustrie" sind die Ansätze von 894 Millionen DM in 1984 zurückgeführt worden auf 452 Millionen DM im Haushalt 1985. Im Bereich des Bundesforschungsministeriums ist der Titel „Forschung und Entwicklung für Kohletechnologie und Kraftwerkstechnik" zurückgeführt worden von 80 Millionen DM auf 65 Millionen DM. Der entsprechende Titel der Investitionen ist zurückgeführt worden von 150 Millionen DM auf 125 Mil7366 Hoffmann ({1}) lionen DM. Die Entwicklung von Anlagen zur Kohleveredelung sind zurückgeführt worden von 160 Millionen DM auf 115 Millionen DM. ({2}) - Ich unterhalte mich gerne über Großforschungsanlagen. Hier gibt es einen Titel, in dem man eine ganze Menge von moderner Kohletechnologie auch im Kleinformat machen kann. Deshalb wäre ich mit Vorurteilen sehr vorsichtig. ({3}) Nächster Punkt: Der Titel „Eisen- und Stahlforschung" ist reduziert worden von 35 Millionen DM auf 23 Millionen DM. Wenn Sie sich das jetzt in der mittelfristigen Finanzplanung ansehen, können Sie feststellen, daß die ganze Titelgrupe „Kohlebergbau"- von 2 030 000 000 DM im Jahre 1984 bis auf 1 328 000 000 DM im Jahre 1988 zurückgeführt wird. Im Bereich „Energieeinsparung" - ein sehr interessanter Titel - wird im selben Zeitraum, also immer von 1984 bis 1988, eine Zurückführung von 22,5 Millionen auf 18,5 Millionen DM gemacht. Fernwärme und KraftWärme-Kopplung werden von 100 Millionen auf 90 Millionen DM zurückgeführt. Die Kohleveredelung - da kann ich auch die Randbemerkung machen: ich kann mich gerne unterhalten über das Thema „gegen Großprojekte und für Kleinprojekte" - sinkt im selben Zeitraum von 37 Millionen auf 10 Millionen DM. Die Stahlindustrietitel sind im gleichen Zeitraum reduziert von 894 Millionen DM auf Null. Das könnte ich Ihnen in Details noch einzeln vortragen. Fazit dessen, was ich hier sage, ist, daß zum selben Zeitpunkt, wo lobenswerterweise dreimal 100 Millionen DM für ein durch seine Struktur gebeuteltes Revier gegeben werden, im Bundeshaushalt 1985 und noch verstärkt in der mittelfristigen Finanzplanung die gerade für solche Regionen wichtigen Investitionen und Forschungsmittel heruntergeführt oder sogar gestrichen werden. Das gehört mit zu dieser Medaille. ({4}) - Herr Dr. Weng, wenn Sie sich qualitativ mit so einer Schicksalsfrage für Reviere auseinandersetzen wollen, tun Sie das bitte von hier vorne. Dann können wir in den sachlichen Dialog eintreten. ({5}) Nun gehen wir einmal weiter. Jetzt sage ich Ihnen, was Sie ebenfalls beschlossen haben, und zwar auf Antrag der CDU/CSU letzte Woche im Haushaltsausschuß. Sie haben beantragt, daß ArbedSaarstahl aus den Stahlsubventionsmitteln herausgestrichen wird. Da sage ich Ihnen nur: Zur selben Zeit, wo Sie dreimal 100 Millionen DM Finanzhilfe geben, wird auf der anderen Seite beschlossen, daß Arbed-Saarstahl aus dem Förderkatalog herausfällt, obwohl zum selben Zeitpunkt - ({6}) - Jetzt schreien Sie mal nicht rum, gucken Sie sich mal selbst an, da sind Sie schon Abschreckung genug. ({7}) - Das ärgert mich einfach, wenn man solche Zwischenrufe bekommt. Sie müssen einfach einmal gucken, was passiert ist. Sie haben zur selben Zeit in Brüssel eine Vereinbarung zwischen der Europäischen Gemeinschaft, der Bundesregierung und der Landesregierung getroffen, ein Unternehmen zu beauftragen, noch einmal das gesamte Restrukturierungskonzept zu überprüfen. Mit welchem Sinn denn wohl? Wenn bei dieser Überprüfung herauskommt, daß das Konzept in veränderter Form nur überlebensfähig ist, wenn der Staat auch mithilft, können Sie doch nicht erwarten, daß das am ärgsten finanziell gebeutelte Bundesland das auf die eigenen Schultern nimmt. Da sage ich Ihnen ganz deutlich: Das hat für mich einen offensichtlichen und erkennbaren Zusammenhang mit einem Wahltermin, damit auch das deutlich ausgesprochen wird. ({8}) Es gibt noch ein paar Punkte, die man dazu bemerken sollte: Erstens. Regionen, die in einer besonderen Weise von der Arbeitslosigkeit betroffen werden, werden auch in einer besonderen Weise von dem betroffen, was in der ersten Lesung letzte Woche über Sozialpolitik diskutiert worden ist. Ich denke insbesondere an die Konkursausfallgelder, ich denke an die Sozialpläne und ähnliches mehr. Da weiß jeder von uns, ohne daß ich die Debatte jetzt führen kann, daß in massearmen Konkursverfahren - die gibt es eben hauptsächlich in diesen Regionen - die Sozialpläne praktisch nichts mehr wert sind. Auch das gehört in diese Bilanz hinein. Schließlich als letztes auf dieser Liste: Das hat natürlich auch etwas mit der Finanzlage der Kommunen zu tun. Denn wir wissen doch alle, daß in strukturschwachen Räumen mit langanhaltender Arbeitslosigkeit die Menschen, leider Gottes, aus den Arbeitslosengeldern und der Arbeitslosenhilfe in die Sozialhilfe hineinfallen. Und die wird von den Kommunen finanziert. Genau dort, in diesen Regionen, wo es darum geht, deren Wirtschaftskraft zu stärken, wird die investive Möglichkeit der Kommunen untergraben, sofern es nicht einen entsprechenden Finanzausgleich gibt. ({9}) Dieser Finanzausgleich kann doch von Ländern immer nur dann betrieben werden, wenn die Länder gesund genug sind, dies zu tun. Das heißt also im konkreten Fall Saarland: Das Saarland kann seine Aufgabe nicht erfüllen, selber den Kommunen Hilfestellung zu geben. Hoffmann ({10}) Für mich ist das Fazit dieser Angelegenheit: Wir unterstützen den Antrag mit den dreimal 100 Millionen DM für das Saarland. Wir haben selbst den Antrag gestellt, dreimal 100 Millionen DM für Bremen einzusetzen, von deren Notwendigkeit ich ebenfalls fest überzeugt bin.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stratmann?

Hans Joachim Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000937, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ganz kurz. Meine Zeit läßt es nur knapp zu. Bitte schön.

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Machen Sie erst zu Ende. Ich möchte meine Frage nach dem Satz stellen.

Hans Joachim Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000937, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir unterstützen diese beiden Entwürfe. Ich gehe davon aus, daß beide seriös begründet sind. Bitte schön.

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Hoffmann, zum Stichwort, das von Ihnen kommt: gegen Großprojekte, für Kleinprojekte. In der Wirtschaftsausschußsitzung vorgestern war vom Wirtschaftsministerium zu erfahren, daß von den dreimal 100 Millionen DM pro Jahr erhebliche Mittel in den weiteren Ausbau des Saarkanals gehen werden. Ist nach Ihrer Definition der Saarkanal ein Kleinprojekt?

Hans Joachim Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000937, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Stratmann, mit dem Thema können Sie mich nicht mehr lauern. Wissen Sie, das mache ich schon zu lange mit. Die Beschlüsse über den Saarkanal sind jetzt nur noch der Vollzug von früheren Beschlüssen. Ich diskutiere gerne mit Ihnen an einer anderen Stelle. Ich habe noch eine Minute auf meiner Liste. Ich kneife nicht vor dem Thema. Ich mache das auch gerne öffentlich mit Ihnen, wenn Sie das möchten. Das ist nun wirklich nicht der Punkt, um den es hier geht. Hier geht es um die konkreten investiven Unterstützungsmaßnahmen für den Kohlebereich, für den Stahlbereich, für die Kommunen, die davon betroffen sind. Deshalb sage ich lediglich ganz deutlich: Bundestreue hat immer zwei Seiten, nämlich die eine Seite vom Land zum Bund; aber Bundestreue heißt auch, daß der Bund, wenn ein Land es aus eigener Kraft nicht schaffen kann, seine Pflicht erfüllt und diesem Land hilft. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Weng.

Dr. Wolfgang Weng (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002479, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf über Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes an das Saarland sieht vor, daß der Bund dem Saarland zur Stärkung seiner Wirtschaftskraft in den Jahren 1985 bis 1987 Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen in Höhe von jährlich 300 Millionen DM gewährt. Diese Finanzhilfen kann der Bund den Ländern gewähren, wenn dies zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich ist. Deshalb sind die Zuwendungen von insgesamt 300 Millionen DM an das Saarland auf Grund der nachhaltigen Schwächen der saarländischen Wirtschaft begründet. Gerade die traditionell einseitige Wirtschaftsstruktur des Landes erfordert in besonderem Maße die Unterstützung durch den Bund. ({0}) Der späte Zeitpunkt der Wiedereingliederung in die Wirtschaft der Bundesrepublik erschwerte die Startchancen dieser Region. Daran wird man sich sicherlich erinnern. Leistungsfähige neue Branchen und zukunftsorientierte Technologien hatten sich vor der Wiedereingliederung des Saarlandes bereits an anderen Stellen der Bundesrepublik niedergelassen. Hinzu kam die einseitige Montanorientierung der Wirtschaftsstruktur: Am Ende des Eingliederungszeitraums traten zuerst die Kohlekrise und anschließend die Stahlkrise auf, die bis heute andauert. Das Saarland stand und steht damit vor außergewöhnlichen Schwierigkeiten. Die Schuld für diese negative Entwicklung ist, wie ich schon ausgeführt habe, weder im Saarland selbst zu suchen noch kann vom Saarland allein eine Lösung dieser Probleme erwartet werden. Meine Damen und Herren, die Schwierigkeiten, mit denen dieses Bundesland kämpft, haben eindeutig objektive Ursachen und eignen sich nicht - das geht an die Adresse der SPD - für den parteipolitischen Streit, den man hier aufzumachen versucht, auch wenn sich dieses Land im Wahlkampf befindet. Wahlkampf ist fast immer, Herr Kollege Hoffmann; Sie werden die Wahlen im Saarland ja wohl nicht absagen wollen! Diese Bundesregierung wird deshalb zu ihrer Verantwortung stehen und hat mit dem vorgelegten Gesetzentwurf in angemessener Weise Hilfe angeboten, damit das Saarland mit seiner schweren Aufgabenlast besser fertigwerden kann. Ich möchte besonders hervorheben die Anstrengungen der Regierung - die im Saarland von CDU und FDP gebildet wird -, durch eine gezielte Wirtschafts- und Ansiedlungspolitik aus eigener Kraft zu einer Lösung der Schwierigkeiten zu kommen. An dieser Stelle sei mit ein Hinweis auf den neuen Wirtschaftsminister des Saarlandes, den Kollegen Rehberger, erlaubt, der, seitdem er angetreten ist, erste deutliche Erfolge erzielt hat und von dem wir wünschen und hoffen, daß er auch nach der Neuwahl in dieser Funktion weiterhin für das Saarland wirken kann. ({1}) Erste Erfolge zeichnen sich ab. Die einseitige Branchenstruktur ist in der jüngsten Vergangenheit aufgelockert worden. Die Entwicklung neuer Wirtschaftszweige ist zwar schwierig; aber sie ist in Gang gekommen. - Ich wundere mich, Herr Kollege Hoffmann, daß Sie hier lachen. Sie sollten sich darüber freuen, wenn es in Ihrem Heimatland ein wenig aufwärtsgeht. ({2}) - Herr Kollege Hoffmann, auf einen solchen Zwischenruf habe ich gewartet. Wissen Sie, Sie haben vielleicht in Ihrem Rhetorik- und Agitationskurs einen Sonderpreis gekriegt; ({3}) aber Ihre Unverschämtheiten sollten Sie sich hier trotzdem sparen. ({4}) Meine Damen und Herren, ich finde, daß die Zuschüsse des Bundes an das Saarland in der genannten Höhe von 300 Millionen DM gut angelegt sind. Sie unterstützen in geeigneter Weise die vom Land selbst eingeleitete Gesundung. Nun versucht die SPD - quasi als Trittbrettfahrer - die Hilfen für das Saarland zu nutzen, um im Windschatten ein ähnliches Programm für das Land Bremen zu fordern. ({5}) - Hören Sie doch einfach zu, Herr Kollege! Dann wissen Sie, was ich meine. ({6}) - Sie sagen mir Bescheid, wenn Sie mit Ihren unnötigen Zwischenrufen fertig sind, damit ich fortfahren kann. ({7}) Die SPD tut so, als habe die Bundesregierung das Land Bremen in der Vergangenheit links liegenlassen. Dies ist aber nicht der Fall; das Gegenteil ist richtig. Die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen haben allein im letzten Jahr erhebliche Anstrengungen für die wirtschaftliche Wiedergesundung Bremens unternommen. Ich erinnere Sie an das Sonderprogramm Bremen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", aus welchem dem Raum Bremen zusätzliche Bundesmittel in Höhe von 80 Millionen DM zufließen, ({8}) aber auch an andere Bundeshilfen wie z. B. mehrere Werfthilfeprogramme, die Neubauzuschüsse für die Seeschiffahrt, die die Regierung der Mitte nicht nur fortgesetzt, sondern auch entscheidend verbessert hat und die in den letzten Jahren Milliardenhöhe erreicht haben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht auf die sonst von den Sozialdemokraten vorgebrachten Vorwürfe mangelnden Subventionsabbaus eingehen. Einen zusätzlichen Lösungsansatz zur finanziellen Besserstellung des Landes Bremen sehe ich in den anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen für die Zeit ab 1986. Hier kommt es auf eine bessere Berücksichtigung Bremens im Rahmen des Finanzausgleichsprogramms an. Meine Damen und Herren, hier werden, wenn es um die Mittelverteilung geht, auch die SPD-geführten Länder ihre verbal immer wieder bekundete Solidarität deutlich machen können. Ich bin außerdem der Auffassung, daß die Bundesregierung prüfen soll, wie in den Verteilungsverhandlungen mit den Ländern für die Zeit ab 1986 eine Beteiligung Bremens an den Ergänzungszuweisungen sichergestellt werden kann. Meine Damen und Herren, in der Gewährung zusätzlicher Bundesfinanzhilfen an das Land Bremen analog dem Gesetzentwurf über Finanzhilfen an das Saarland vermag ich keinen geeigneten Lösungsansatz zu erkennen, zumal die Situation in den beiden Ländern, wie ja aufgezeigt, eine völlig unterschiedliche ist. Ich danke Ihnen. ({9})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Senator für Bundesangelegenheiten der Freien Hansestadt Bremen. Senator Kahrs ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich für die Gelegenheit bedanken, hier vor Ihnen sprechen zu dürfen. Allerdings bedaure ich sehr, daß der Termin so kurzfristig angesetzt worden ist. Dadurch ist es leider Bürgermeister Koschnick und dem Finanzsenator nicht möglich, heute hier zu sein. Sie haben eine außerordentliche Senatssitzung wahrzunehmen, in der es um Werftenprobleme im Lande Bremen geht. Ich bitte daher nachzusehen, daß Bürgermeister Koschnick nicht anwesend sein kann. ({1})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Matthäus-Maier? Senator Kahrs ({0}): Ja, natürlich.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Senator, wie können Sie sich erklären, daß Sie trotz der Kürze der Zeit rechtzeitig hier sind, während Ministerpräsident Zeyer, wie ich höre, in der Landesvertretung anwesend ist, dort an einer Festlichkeit teilnimmt und heute abend nicht hier sein kann? ({0}) Senator Kahrs ({1}): Ich nehme an, Herr Zeyer geht davon aus, daß sein Antrag hier beSenator Kahrs ({2}) schlossen wird und daß es seiner Anwesenheit nicht bedarf. ({3}) Es ist beinahe so unruhig wie in meiner Bremer Bürgerschaft, meine Damen und Herren. ({4}) Leider ist es bisher nicht gelungen, Bundesregierung und Bundesrat von der unabweisbaren Notwendigkeit einer solchen Hilfe an Bremen zu überzeugen. Darum ist es für uns von um so größerer Bedeutung, Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, nun unmittelbar anzusprechen und Ihnen mit der Bitte um Ihre Unterstützung die Bremer Situation kurz zu erläutern. Ich bedanke mich für diese Gelegenheit und werde sie nicht durch zu lange Ausführungen mißbrauchen. Ausgangspunkt ist für mich die Überzeugung, daß Sie mit mir jedenfalls in einem zentralen Punkt übereinstimmen werden. Es geht bei diesem Gegenstand nicht nur um die wirtschaftliche Lage eines Teils der norddeutschen Region, sondern es geht zugleich um wichtige Belange der staatlichen Gemeinschaft und um den Anspruch auf Gleichbehandlung, um die Solidarität des Bundes mit seinen Ländern, kurz, um eine sehr grundsätzliche und weittragende Frage der gesamtstaatlichen Zusammenarbeit und Verantwortung. Ich meine, daß derartige Fragen, die letztlich die Funktionsfähigkeit unseres gemeinsamen Staatswesens berühren, über die Parteigrenzen hinweg einer objektiven Bewertung und Handhabung zugänglich bleiben müssen. Bremen ist im Ländervergleich heute unbestreitbar - obwohl ich eben etwas anderes vernommen habe - das Bundesland mit den größten finanzwirtschaftlichen und wirtschaftsstrukturellen Problemen. Bremen muß deshalb denselben Anspruch auf Bundesfinanzhilfen zuerkannt erhalten, wie Bundesregierung und Bundesrat ihn dem Saarland zugesprochen haben. ({5}) Dieser Anspruch auf Investitionshilfen des Bundes in Höhe von 300 Millionen DM für besonders bedeutsame Investitionen zur Stärkung der Wirtschaftskraft darf aber nicht isoliert gesehen werden. Er ist Teil der Bemühungen des Senats um eine grundlegende Besserstellung der Freien Hansestadt Bremen im bundesstaatlichen Finanzausgleich. Wir unterstreichen damit die Erkenntnis, daß die außerordentlich schwerwiegenden wirtschaftlichen Strukturprobleme und die ausgeprägte finanzwirtschaftliche Leistungsschwäche des kleinen Bundeslandes ohne massive Unterstützung durch den Gesamtstaat nicht mehr zu bewältigen sind. Ich sage dies mit allem Ernst und mit allem Nachdruck. Die objektiven Kriterien, nämlich der Status Bremens und die heute erkennbaren Entwicklungstendenzen, beweisen, daß Bremen trotz eines seit vier Jahren andauernden rigorosen Sparprogrammes in den öffentlichen Haushalten in die Gefahr kommt, seine Aufgaben im Sinne der grundgesetzlichen Vorgabe der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet nicht mehr erfüllen zu können. Dazu werden auch die Bremen besonders zugewiesenen Aufgaben mit zugleich überregionaler Bedeutung gehören. Darum liegt es auch im gesamtstaatlichen Interesse, so meine ich, die gegenwärtigen ökonomischen und finanzwirtschaftlichen Probleme Bremens zu überwinden. Dies erfordert eine gemeinsame Kraftanstrengung. Bremen unternimmt seit einiger Zeit solche Anstrengungen. Unser Ziel ist die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur und die Haushaltskonsolidierung durch Kürzung und Verlagerung von Ausgaben und durch die Erhöhung von Einnahmen, aber unsere Kraft allein reicht nicht aus. Das Land Bremen benötigt die Hilfe des Bundes in Form der beantragten Bundeshilfen für besonders bedeutsame Investitionen. Dadurch sollen die bremische Wirtschaftskraft gestärkt und insbesondere außerhalb der Problembranchen neue Betriebsstätten und damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dadurch wird die ökonomische Entwicklung verbessert und langfristig auch die finanzwirtschaftliche Leistungsschwäche des kleinsten Bundeslandes überwunden. Bremen stützt diesen Anspruch wie das Saarland auf Art. 104 Abs. 4 des Grundgesetzes. Dieser Anspruch ist auch begründet. Es ist keineswegs ein Plagiat, sondern wir wollten damit, daß wir den Antrag des Saarlandes relativ wortgetreu übernommen haben, auch die Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit der Ausgangssituation dokumentieren. Denn Bremen befindet sich in der wirtschaftlich schwierigsten Situation unter allen Bundesländern. In der bisherigen Debatte ist behauptet worden, daß nur das Saarland die engen, von der Verfassung vorgegebenen Voraussetzungen für die Gewährung von Bundesfinanzhilfen erfülle, weil das Saarland die ungünstigste Wirtschaftsstruktur, vor allem auf Grund späterer Eingliederung, aufweise. Dies ist eindeutig falsch. Wir bestreiten zwar keineswegs die Hilfsbedürftigkeit auch des Saarlandes und unterstützen deshalb im Grundsatz das saarländische Anliegen. Daraus folgt aber zwingend, daß Bremen ebenso gefördert werden muß. Bekanntlich muß der Bund nach der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Länder bei der Vergabe von Bundesfinanzhilfen nach gleichen sachlichen Maßstäben behandeln. Er darf einzelne Länder nicht unsachlich bevorzugen oder benachteiligen. Genau dies würde aber eintreten, falls das Saarland die vorgesehenen Hilfen erhielte, Bremen aber leer ausgehen sollte. Der verfassungsrechtlich notwendige Datenvergleich zeigt nämlich folgendes. Die Konzentration industrieller Problembranchen ist in Bremen wesentlich stärker als im Saarland. Dort waren 1981 weniger als die Hälfte, in Bremen aber mehr als zwei Drittel der Industriebeschäftigten in Branchen Senator Kahrs ({6}) mit unterdurchschnittlicher Arbeitsplatzentwicklung tätig. Seither hat sich die Lage weiter beträchtlich verschlechtert. Schiffbau, Stahl, Reedereibereich, Fischwirtschaft, Unterhaltungselektronik, Nahrungs- und Genußmittel - ich denke nur an den Tabakbereich -, nahezu überall herrscht die Krise in Bremen vor. Angesichts dieser einzigartig problematischen Wirtschaftsstruktur, die es in dieser Häufung in den anderen Bundesländern nicht gibt, ist die Hilfe für Bremen unerläßlich. Es kommt hinzu, daß der bremische Dienstleistungssektor deutlich wachstumsschwächer als der saarländische ist. Er bringt anders als dort bei uns keine spürbare Entlastung. Das Ergebnis ist: Bremen erlitt im Ländervergleich die massivsten Beschäftigungseinbrüche und leidet seit Jahren unter der höchsten Arbeitslosigkeit aller Bundesländer. ({7}) Auch gegenwärtig ist die Arbeitslosenquote im Lande Bremen mit 13,7 %, September 84, die höchste im Ländervergleich und übertrifft deutlich die Arbeitslosenquote des Saarlandes mit 12,8 v. H. ({8}) - Sie sollten an das Saarland denken, Herr Kollege. Folglich verzeichnet Bremen seit 1970 das schwächste Wirtschaftswachstum aller Bundesländer. Zwar ist der statistische Wert des Bruttoinlandsprodukts je Kopf der Wohnbevölkerung für Bremen höher als für das Saarland und auch für das Bundesgebiet insgesamt. Jeder Fachmann weiß jedoch, daß dieser Wert für ein Ballungszentrum, besonders für einen Stadtstaat mit starken Pendlerströmen - in Bremen sind das ca. 100 000 Personen bei rund 300 000 Beschäftigten -, nach oben hin verzerrt wird und deshalb u. a. wegen der Lohnsteuerzerlegung als Gradmesser der Wirtschaftskraft nicht aussagefähig ist. Entscheidend sind vielmehr die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts. Hier zeigt sich, daß die Wirtschaftskraft des Landes Bremen seit Beginn der 70er Jahre das schwächste Wachstum aller Bundesländer aufweist, derzeit nicht einmal mehr das bundesdurchschnittliche Niveau erreicht und zukünftig noch weiter hinter den Bundesdurchschnitt zurückfallen wird. ({9}) - Dies sind Probleme von Stadtstaaten, Herr Kollege. Sie werden es in Hamburg ähnlich vorfinden. ({10}) und in Berlin, um das Bild zu vervollständigen. ({11}) Auf Grund dieser Entwicklung ist Bremen zum finanzwirtschaftlich leistungsschwächsten Bundesland geworden. Bremen hat seit Jahren den höchsten Schuldenstand je Einwohner, die höchste Kreditfinanzierungsquote, die höchste Zinslastquote und die niedrigste Investitionsquote aller Bundesländer aufzuweisen. ({12}) - Das ist richtig. Warten Sie ab, ich werde das noch im Detail begründen, worauf das zurückzuführen ist. Im Länderfinanzausgleich ist Bremen unter den finanzschwachen Ländern mit Abstand am schiechtesten ausgestattet. Die Teilhabe an Bundesergänzungszuweisungen, die im Mittelpunkt unserer Bemühungen steht, wird uns noch immer vorenthalten. Wenn ich daran denke, was andere Länder trotz wesentlich stärkerer Wirtschaftskraft an Ergänzungszuweisungen erhalten, ist dies kaum noch begründbar. Wenn wir in dieser Hinsicht vom Bundeskanzler und vom Bundesfinanzminister inzwischen auch etwas freundlichere Töne hören, so lassen die Taten bislang leider immer noch auf sich warten. ({13}) Bislang aber steht die Verwirklichung konkreter, den Haushalt entlastender Zusagen aus. Auch bei einer Betrachtung der übrigen Zahlungen des Bundes an die Länder hat Bremen trotz der Auflage von Sonderprogrammen nur weit unterdurchschnittlich, jedenfalls wesentlich geringer als das Saarland profitiert. Es zeigt sich nach alledem, daß sich das Land Bremen im Ländervergleich in der bundesweit gefährlichsten Schwächeperiode befindet. Sie auch durch die beantragten Investitionshilfen überwinden zu helfen, ist für den Bund nach Ansicht des Bremer Senats ein Gebot der Verfassung und des kooperativen Föderalismus. ({14}) Sollte diese Hilfe - aber auch Ergänzungszuweisungen - nicht gewährt werden können, so muß das gesamte Finanzverfassungssystem in Frage gestellt werden, denn es würde sich für die Bewältigung stadtstaatlicher Krisensituationen als vollkommen unzulänglich erweisen. Schon jetzt führt das geltende System zu dem abwegigen Ergebnis - und jetzt hören Sie bitte zu -, daß dem Land Bremen trotz seiner außerordentlich problematischen Situation nicht einmal das in seinen Grenzen erwirtschaftete Steueraufkommen verbleibt. Selbst jetzt muß Bremen mehr als 100 Millionen DM jährlich von seinem örtlichen Steueraufkommen an Bund und Länder abgeben. Die Gemeinschaft muß sich aus übergeordneten Gesichtspunkten verpflichtet fühlen, das bei der Finanzreform 1969 nicht vorhergesehene Ergebnis zu beheben, bis die akuten Probleme des Landes Bremen beseitigt sind. Denn erst durch die 69er Reform ist Bremen im Finanzausgleich vom gebenden zum nehmenden Land geworden. Wie Sie wissen, betreibt der Senat der Freien Hansestadt Bremen wie andere Bundesländer auch vor dem Verfassungsgericht ein Verfahren, um die Senator Kahrs ({15}) angegriffenen Positionen bremischer Leistungskraft zu verteidigen, aber andererseits auch Ergänzungszuweisungen zu erlangen. Wir würden eher eine angemessene politische Lösung vorziehen als ein Urteil in Karlsruhe. Das gleiche gilt auch für die hier zu behandelnden Bundesfinanzhilfen gemäß Art. 104 a Abs. 4 Grundgesetz. Der Bremer Senat erwartet jedoch, daß Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bundesregierung zur Solidarität des Bundes mit seinen Ländern und zur Gleichbehandlung gleichgelagerter Sachverhalte veranlassen. Erinnern Sie bitte die Bundesregierung an ihre Verantwortung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Bundesgebiet, an ihre Pflichten zur überregionalen Koordinierung und an ihre Pflicht zur Objektivität. ({16}) Beseitigen Sie den Schein unsachlicher parteipolitischer Begünstigung des Saarlandes, den Schein unsachlicher parteipolitischer Vernachlässigung der Bürger des Landes Bremen. Bundestreue, Gleichbehandlungsgebot und die Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung, dies sind Grundsätze, die Sie und wir gemeinsam zur Richtschnur unseres Handelns machen. Ich bitte Sie, geben Sie Gelegenheit, durch Überweisung auch der Bremen-Vorlage an die zuständigen Ausschüsse nach diesen Grundsätzen zu entscheiden. Ich bedanke mich. ({17})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).

Hans Werner Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frau Kollegin Matthäus-Maier glaubte hier eben kritisieren zu müssen, daß der saarländische Ministerpräsident nicht anwesend ist. Ich darf sagen, daß er, soweit ich informiert bin, bis vor wenigen Minuten bei einer Vorbesprechung der morgigen Bundesratssitzung im Konrad-Adenauer-Haus war und daß diese Debatte nach Erkenntnissen von heute nachmittag - Informationen der Parlamentarischen Geschäftsführer - erst um 21.30 Uhr beginnen sollte. Dies zur Entschuldigung der Tatsache, daß Herr Zeyer nicht hier sein kann. ({0}) - Ja, der Herr Koschnick ist ja auch nicht hier, wie eben der Herr Bundessenator festgestellt hat. ({1}) Ich möchte aber jetzt auf unser Thema zu sprechen kommen und daran erinnern, daß der Bundespräsident vor drei Wochen bei seinem Antrittsbesuch im Saarland eine vielbeachtete Rede gehalten hat, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier jetzt in wenigen Passagen wiedergeben möchte. Der Bundespräsident sagte: Gerade die traditionelle einseitige Wirtschaftsstruktur des Saarlandes erfordert in besonderem Maße eine Auflockerung. Aber der späte Zeitpunkt des Hineinwachsens in die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland erschwerte dies ... Hinzu kamen im Rahmen der Monostruktur die lang anhaltenden Krisen bei Kohle und Stahl. Das Saarland stand und steht damit vor außergewöhnlichen Schwierigkeiten. Weder ist die Schuld dafür im Saarland zu suchen, noch kann vom Saarland allein eine Lösung dieser Probleme erwartet werden. Die Schwierigkeiten, mit denen Ihr Bundesland kämpft, haben objektive Ursachen und eignen sich nicht besonders gut für parteipolitischen Streit. ({2}) Der Bund wird zu seiner Verantwortung zu stehen haben, in angemessener Weise zu helfen, damit das Saarland mit seiner ungewöhnlich hohen Aufgabenlast besser fertig werden kann ... Es gilt, zu helfen und begründete Zuversicht wachsen zu lassen. Das Saarland hat sich zur Bundesrepublik Deutschland bekannt. Es ist nur recht und billig, daß wir uns alle zum Saarland bekennen. So weit der Herr Bundespräsident. Diesen Worten trägt das Gesetz über die Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104 a Abs. 4 unseres Grundgesetzes, das wir jetzt beraten, Rechnung. Meine verehrten Kollegen von der SPD, es hat einige schriftliche Fragen an die Bundesregierung zu diesem Gesetzentwurf mit ganz deutlich zu erkennendem polemischen Unterton gegeben, etwa die Frage, wann denn der Eingliederungsprozeß des Saarlandes in den Bund abgeschlossen sei. Ich darf, anknüpfend an das, was der Herr Bundespräsident gesagt hat, doch herzlich darum bitten, bei dem Unterfangen, einer schwer gebeutelten Region zu helfen, jede parteipolitische Polemik zu unterlassen. Lassen Sie mich in aller Kürze in sieben Punkten eine Begründung für die Hilfen, die dem Saarland gewährt werden, geben und gleichzeitig sagen, warum nach diesen Kriterien die Freie Hansestadt Bremen nach unserer Ansicht nicht in den Genuß dieser Hilfen kommen kann. Erstens. Die Geschichte des Saarlandes ist gezeichnet von einem über 200 Jahre langen Pendeln zwischen links- und rechtsrheinischen Staaten, gipfelnd im viermaligen Wechsel des Staatsverbundes nach den beiden Weltkriegen. Bremen ist dagegen eine in vielen Jahrhunderten gewachsene Hansestadt. Zweitens. Die Wirtschaft des Saarlandes ist geprägt von dessen naturgegebener Monostruktur und von der geschichtlichen Entwicklung des Landes. Mehrere Krisen in der Montanindustrie haben den Anschluß an die bundesdeutsche Wirtschaft verhindert, der vom Gesetz über die Wiedereingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik aus dem Jahre 1956 - Staatssekretär Voss hat eben davon gesprochen - gefordert wurde. Die Wirt7372 Müller ({3}) schaftslage hat entscheidenden Einfluß auf die Finanzkraft des Landes. Das Saarland steht seit der Wiedereingliederung permanent unter hohem Engagement für seine Wirtschaft. Seine Finanzkraft ist daher äußerst angespannt. Seit über zwei Jahrzehnten ist dies so. Es droht eine Auszehrung der Finanzkraft. Von den rund 143 000 Industriearbeitsplätzen, die es im Saarland gibt, sind zirka 91 000 im Nichtmontanbereich und zirka 52 000 im Montanbereich. Prozentual aufgeschlüsselt bedeutet dies ein Verhältnis von 63 : 37. Da wird dann immer wieder gesagt: Ihr müßt eure Wirtschaft im Saarland umstrukturieren. - Dies wird seit etwa 20 Jahren getan. ({4}) - Kollege Brück, ich werde das hier mit den Zahlen verdeutlichen. Ich habe soeben das Verhältnis von 63 % im Nichtmontanbereich und 37 % im Montanbereich Beschäftigter genannt. 1959, bei der Rückgliederung - wirtschaftlicher Teil -, betrug das Verhältnis 56 % der Arbeitsplätze im Montanbereich zu 44 % im Nichtmontanbereich. Ich darf Manfred Schäfer, den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Saarbrücken, zitieren, eine Persönlichkeit, die immerhin schon einmal zu den fünf Wirtschaftsweisen gehört hat. Er hat vor wenigen Tagen bei einer Veranstaltung in Ludwigshafen ausgeführt: Eine saarländische Wirtschaft ohne Kohle und Stahl ist zwar eine verführerische Vorstellung, aber keine realistische Erwartung für die heutige Generation. Dieser Zustand hat die Hilfen auch für die Montanindustrie in dem letzten Vierteljahrhundert gerechtfertigt. Zur Abwehr der Existenzbedrohung wurden vom Saarland allein rund 1,7 Milliarden DM aufgewandt; das ist ein Drittel des heutigen Haushaltsvolumens und etwa ein Viertel der heutigen Gesamtverschuldung des Landes. Bremen verzeichnet erst in den letzten Jahren ein Absinken in gleiche Bereiche der Finanzschwäche. Die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes in beiden Ländern verdeutlicht diese Entwicklung: im Saarland rund 24 000 DM pro Einwohner, in Bremen rund 34 000 DM pro Einwohner. Dies sind neueste Zahlen, die Staatssekretär Dr. Obert vom Finanzministerium gestern im Wirtschaftsausschuß genannt hat. Ich komme zu meinem dritten Punkt. Der Arbeitsmarkt des Saarlandes ist ein Spiegelbild der Entwicklung der Wirtschaft. Während das Saarland in den letzten zehn Jahren mit seiner Arbeitslosenzahl permanent erheblich über dem Bundesdurchschnitt lag, ist Bremen erst in den letzten beiden Jahren tiefer als das Saarland gerutscht. ({5}) Viertens. Die Finanzkraft des Saarlandes ist seit über einem Jahrzehnt permanent und signifikant unterdurchschnittlich. Erst mit Sonderlastabzügen, Finanzausgleichszuweisungen und Bundesergänzungszuweisungen erreicht das Saarland den Durchschnittswert - zu wenig zu einschneidenden Veränderungen. Bremen verfügt nach Bereinigung seiner Sonderlasten, wie etwa der Einwohnerwertung bei Gemeinden und im Stadtstaat, bei Hafenlasten und ähnlichem, über eine überdurchschnittliche Finanzkraft. Die originäre Finanzkraft beider Länder unterscheidet sich erheblich. Fünftens, und das halte ich für besonders wichtig. Keine überregionale Einrichtung oder Bundesbehörde hat ihren Sitz im Saarland. Darauf muß immer wieder hingewiesen werden. Das Saarland verfügt über kein überregional finanziertes Forschungsinstitut. Das Fraunhofer Institut an der Universität des Saarlandes trägt sich dank wirtschaftlicher Unternehmensführung zu zwei Dritteln selbst. Demgegenüber sind in Bremen mindestens zwei Einrichtungen der gemeinsamen Forschungsförderung. Ich spreche von Einrichtungen in der sogenannten Blauen Liste. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen sind allein elf Einrichtungen dieser Art. ({6}) Sechster Punkt. Die Haushaltsdaten des Saarlandes, die des Haushaltsplanentwurfs 1985, der in der vergangenen Woche vom Finanzminister Edmund Hein im saarländischen Landtag eingebracht wurde, sind das Ergebnis dieser langen und hohen Belastung. ({7}) Die Kreditfinanzierungsquote beträgt 18% - darauf hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär schon hingewiesen -, und damit ist sie doppelt so hoch wie im Durchschnitt aller Bundesländer. Die Zinssteuerquote beträgt über 20 %. Sie ist damit höher als der Durchschnitt aller Bundesländer, der 12 % beträgt. Beim Saarland sind diese Daten das Ergebnis einer langen und hohen Belastung, in Bremen das Ergebnis einer relativ kurz zurückliegenden wirtschaftlichen Verwerfung. Siebenter und letzter Punkt. Die Situation beider Bundesländer ist aktuell statistisch vergleichbar, strukturell jedoch nicht. Wenn ich richtig informiert bin, hat auch der Herr Bundeskanzler in einem Brief an den Senat der Stadt Bremen Hilfen aus dem Finanzausgleich in Aussicht gestellt. ({8}) - Herr Kollege Hoffmann, gerade weil Sie sich zu einer Zwischenfrage melden, möchte ich noch etwas sagen: Ich halte es wirklich schon für abenteuerlich, wenn Sie hier in einer kameralistischen Art und Weise Haushaltstitel aufzählen und Kürzungen vortragen, wie sie sich auf Grund ganz anderer Entwicklungen ergeben, ohne die Hintergründe dafür zu erläutern.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Kollege Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hoffmann?

Hans Werner Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Hans Joachim Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000937, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Müller, könnten Sie mir mal bitte Ihr Motiv erklären, warum Sie, statt lediglich vorzutragen, was nach Ihrer Auffassung die Gründe für das Saarland sind, gleichzeitig die Gründe gegen Bremen vortragen? ({0})

Hans Werner Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Hoffmann, ich habe hier den Auftrag, die Haltung meiner Fraktion zu dieser Vorlage zu erläutern. Damit erkläre ich ganz selbstverständlich auch die Argumentation, wie sie sich in unserer Fraktion gebildet hat. ({0}) Aber da Sie nun schon die Frage gestellt haben, möchte ich auf einen Punkt eingehen, den Sie soeben eingebracht haben. ({1}) - Dann dürfen Sie sich selbstverständlich setzen. ({2}) Ich habe sowieso den Eindruck: Sie dürfen nur das vortragen, was Ihr großer Meister Lafontaine Ihnen im Deutschen Bundestag zu sagen erlaubt. ({3}) - Seit anderthalb Wochen versuchen Sie, im Lande eine Polemik und Panikmache wegen des Streichens von vier Buchstaben bei der Titelgruppe 13 im Einzelplan 09, dem Plan des Wirtschaftsministers, zu veranstalten. ({4}) Es ist ganz klar, daß für das Jahr 1984 keine Betriebshilfen mehr für Arbed-Saarstahl vorgesehen waren. Dies entsprach einer eindeutigen Abmachung zwischen der Bundes- und der Landesregierung. Jetzt den Eindruck zu erwecken, daß wegen der Streichung dieser vier Buchstaben die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien das Saarland wie eine heiße Kartoffel fallen ließen, und damit in der Arbeitnehmerschaft eine derartige Panik zu erzeugen, ist übelste Panikmache, die ich nur mit Entgleisungen im Wahlkampf erklären kann. ({5}) - Absolut verantwortungslos, Kollege Gerster, Sie sagen es. Ich bin ganz sicher, daß gerade die Arbeitnehmer im Lande sehr, sehr genau wissen, von wem sie in der Politik Hilfe zu erwarten haben. Ich komme zum Schluß. Das Saarland steht vor der Aufgabe, den Prozeß der Anpassung seiner Wirtschaft an die der übrigen Bundesrepublik Deutschland, zu der das Land, der Bund und die Gesamtheit der Länder durch die Gesetze verpflichtet sind, zu bewältigen. ({6}) Die Bewältigung von Existenzkrisen der saarländischen Wirtschaft wurde durch allgemeine Krisen ständig behindert. Zusätzlich gilt es in einer Zeit, da andere Länder ihre Wirtschaften auf die sich ändernden Anforderungen der Zukunft vorbereiten, ein erneutes Abhängen der saarländischen Wirtschaft von diesem Prozeß des Strukturwandels der deutschen Wirtschaft zu verhindern. Dies ist mit einer mangelnden Finanzkraft und Finanzausstattung nicht zu schaffen. Hier zu helfen, ist Sinn dieser Vorlage. Ich bitte Sie ganz herzlich, dieser Vorlage zuzustimmen. Herzlichen Dank. ({7})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat der Abgeordnete Stratmann.

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir GRÜNEN stimmen grundsätzlich dem Anliegen zu, strukturkrisengeschüttelten und wirtschaftsschwachen Regionen aus Bundesmitteln in dem Umfang wie geplant, also dreimal 100 Millionen DM pro Jahr, Unterstützung zu gewähren. ({0}) Wir vertreten diese Auffassung für das Saarland und mit aller Deutlichkeit, mit den Gründen, die schon von mehreren Personen vorgetragen worden sind, auch für Bremen. ({1}) Ich möchte den Kennziffernvergleich hier nicht im einzelnen wiederholen. Die Argumente fand ich überzeugend. Ich beziehe mich darauf. ({2}) Herr Voss, ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen: Ob man nun das Saarland und/oder auch Bremen fördert, könne man nur an Hand objektivierbarer Kriterien messen. Ich stimme Ihnen zu. Ich möchte Ihnen jedoch dazusagen, daß Sie zwei objektivierbare Kriterien vergessen haben. Erstes objektives Kriterium: Im Saarland ist im März Wahl. - Zweites objektives Kriterium: Im Saarland regiert die CDU mit der FDP, in Bremen regiert die SPD. - Ich glaube, Sie haben vergessen, dies als objektive Grundlage Ihrer Entscheidung anzufügen. Ich denke, wenn wir klargestellt haben, daß wir grundsätzlich für diese Unterstützungsmaßnahmen für das Saarland und für Bremen sind, dann können wir uns auf das eigentlich Entscheidende, nämlich die Durchführung der entsprechenden Hilfsprogramme konzentrieren. Wenn wir uns dann § 2 beider Gesetzentwürfe, also sowohl des Entwurfs der Regierung als auch des Entwurfs der SPD für Bremen anschauen, dann stellen wir fest, daß dort ganz klassische Instrumente regionaler Wirtschaftsförderung vorgeschlagen werden, nämlich erstens Maßnahmen zur Verbesserung der Ver7374 kehrsinfrastruktur, zweitens die Schaffung neuer Arbeitsplätze und Ersatzarbeitsplätze und drittens Verbesserung der Infrastruktur, insbesondere die Erschließung von Gewerbeflächen. Das sind traditionalistische Mittel regionaler Wirtschaftsförderung, die unter der Voraussetzung eines relativ deutlichen Wirtschaftswachstums entwickelt und praktiziert worden sind. Jeder von uns weiß: Seit Mitte der 70er Jahre haben wir dieses Wirtschaftswachstum nicht mehr. Jeder von uns weiß auch, daß gerade deswegen die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" an ihre Grenzen gestoßen ist. Deswegen findet in diesen Monaten eine Grundsatzdiskussion über den zukünftigen Charakter der regionalen Wirtschaftsförderung und der optimalen Instrumente dieser Förderung statt, die sich bis ins nächste Jahr erstrecken wird. Wir sind der Meinung, daß die Diskussion, die jetzt begonnen hat, vertieft werden muß. Wir müssen über die von mir soeben genannten traditionalistischen Elemente hinaus neue Instrumente der regionalen Wirtschaftsförderung suchen. Wir müssen auch die ökologische Belastung von Regionen - in diesem Falle insbesondere des Saarlandes und Bremens - zur Grundlage unserer Förderungsentscheidung machen, d. h. wir müssen solche Investitionsentscheidungen treffen, die dazu führen, daß die ökologische Belastung der entsprechenden Wirtschaftsregion reduziert wird. Ich wundere mich in dem Zusammenhang darüber, daß die SPD in ihren Gesetzentwurf all das schreibt, was im Gesetzentwurf der CDU enthalten ist, und das lediglich auf Bremen überträgt. Damit schreibt sie auch die traditionalistischen Mittel der Förderung ab, während sie doch noch vor wenigen Wochen das Programm „Arbeit und Umwelt" in den Bundestag eingebracht hat. Dieses Programm findet in dem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf überhaupt keine Berücksichtigung mehr. Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen. Wir haben gestern im Wirtschaftsausschuß darüber diskutiert. Es ist zu erwarten, daß die 300 Millionen DM für das Saarland zu einem wesentlichen Teil zur Finanzierung des Saar-Kanals verwendet werden. Die Kritiker des Saar-Kanals sind sich im wesentlichen darüber einig, daß dieser Kanal erhebliche ökologische Folgeschäden - u. a. hinsichtlich des Flächenverbrauchs und der Trinkwasserversorgung - zur Folge haben wird. Der Kanal wird aber nicht nur ökologische Folgeschäden mit sich bringen, sondern auch soziale Folgeschäden. Es ist zu befürchten, daß beim Bundesbahnausbesserungswerk Saarbrücken tausend Arbeitsplätze verlorengehen. Während sozusagen die eine Infrastruktureinrichtung Einbrüche erleidet, soll eine neue ökologisch schädliche dagegen aufgebaut werden.

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Herr Abgeordneter Stratmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hoffmann ({0})?

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe leider nur noch eine Minute Redezeit. Wenn ich von Ihnen noch etwas bekomme, gerne. - Herr Hoffmann, bitte.

Hans Joachim Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000937, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir haben ja gegenseitig eine Minute gut. - Meine Frage an Sie ist: Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß die Kanalisierung oder Schiffbarmachung der Saar weitestgehend - soweit das bisher beschlossen ist - über den Bundeshaushalt finanziert ist, jedenfalls soweit sie bis Dillingen geht, und daß darüber hinaus von unserer Seite weitere Baufolgen nur noch in minimalem Umfang geschehen sollen?

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Hoffmann, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß der Bau des Saar-Kanals bis Dillingen voraussichtlich im nächsten Jahr abgeschlossen wird, die SPD Saarland sich für einen Weiterbau bis Völklingen einsetzt, die CDU für einen Weiterbau darüber hinaus und daß Sie mit Ihrer Politik im Saarland genau die antiökologische Politik im Infrastrukturbereich, von der ich soeben sprach, fortschreiben? ({0}) - Ich habe mich kundig gemacht, Herr Hoffmann, darauf können Sie sich verlassen. - Wir fordern bei der Durchführung des Programms sowohl für das Saarland als auch für Bremen, daß die eingesetzten Mittel zur Entwicklung der endogenen Entwicklungspotentiale in Bremen und im Saarland genutzt werden, um u. a. die ökologischen Folgeschäden der Wirtschaftsstruktur und der Wirtschaftsunternehmen dort in den Griff zu bekommen. Es bieten sich dort vielfältige Möglichkeiten an: Im Saarland beispielsweise die Trink- und Oberflächenwassersanierung, in Bremen beispielsweise die Klärschlamm- und Schlickentsorgung, in Bremen beispielsweise der Übergang von der Müllverbrennung zum Müllrecycling. Das erfordert ökologische Investitionen, die das endogene Potential in beiden Regionen fördern, ökologisch sinnvolle Effekte haben und eine erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen schaffen. Ich danke Ihnen. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Zu einem Geschäftsordnungsantrag erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Waltemathe.

Ernst Waltemathe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002419, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Vorlage, die wir heute bezüglich der Zusatztagesordnungspunkte 3 und 4 bekommen haben, ist vorgesehen, die beiden Gesetzentwürfe, um die es hier geht, nach der ersten Beratung, die nach § 79 unserer Geschäftsordnung soeben zu Ende gegangen ist, an den Haushaltsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft zur Mitberatung zu überweisen, und zwar gemäß § 80 der Geschäftsordnung. Ich stelle fest, daß nach § 64 der Geschäftsordnung des Bundestages Verhandlungsgegenstände in Ausschüssen nur überwiesene Vorlagen sein können, also Vorlagen, die schon überwiesen worden sind. Ich stelle weiter fest, daß gestern der Wirtschaftsausschuß und heute der Haushaltsausschuß in der Sache abgestimmt haben. Ich stelle im Zusammenhang damit fest, daß Gesetze verfassungsgemäß nicht zustande kommen können, die nicht in öffentlicher Sitzung in erster Beratung und schließlich in zweiter und dritter Beratung verhandelt worden sind. Ausschußvorratsbeschlüsse sind null und nichtig. ({0}) - Ich sage das in aller Deutlichkeit. Ich bin Bremer Abgeordneter und in Bremen direkt gewählt. Meine Möglichkeiten, als frei gewählter Abgeordneter auf die Gesetzgebung ordnungsgemäß Einfluß zu nehmen, würden beeinträchtigt, wenn Ausschüsse in geheimen oder nichtöffentlichen Sitzungen schon über Gegenstände beraten, über die in öffentlicher Sitzung erst noch beraten werden muß. Ich beantragte daher, Herr Präsident, daß gemäß unserer Geschäftsordnung die Ausschüsse, an die die Vorlagen nach dem Vorschlag des Ältestenrates offensichtlich überwiesen werden sollen, a) ordnungsgemäß einberufen werden, b) dort nicht feststellen, daß sie in der Sache schon entschieden haben, sondern auf der Grundlage der ersten Beratung, die hier in öffentlicher Sitzung stattgefunden hat, ihre Beratung vollständig aufnehmen. Ich beantrage, daß dies ordnungsgemäß zu geschehen hat, d. h. daß der federführende Ausschuß das Votum des mitberatenden Ausschusses abwartet, und daß die zweite und die dritte Beratung der Gesetzentwürfe im Plenum des Bundestages erst nach ordentlicher Beratung in den Ausschüssen und ordentlicher Beschlußempfehlung stattfindet. Vielen Dank. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Gibt es dazu weitere Wortmeldungen? - Das Wort hat Herr Abgeordneter Carstens ({0}).

Manfred Carstens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000322, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Kollege Waltemathe von der SPD hat hier einiges festzustellen versucht. Ich stelle zunächst einmal fest, daß sich die gesamte CDU/CSU sowie die FDP darüber wundern, daß der Kollege Waltemathe diesen Antrag gestellt hat. ({0}) Wir können den Antrag nur so verstehen, daß Teile der SPD die Bundeshilfe für das Saarland verhindern oder verzögern wollen. ({1}) Wir haben uns alle Mühe gegeben, zügig und möglichst schnell zu beraten und zu beschließen. ({2}) Ich sage Ihnen hier zu, daß wir eine ordnungsmäßige Überprüfung vornehmen werden. Es sollen keinerlei Zweifel übrigbleiben. ({3}) Ich möchte Ihnen aber unabhängig davon kurz das abgelaufene Verfahren schildern, damit auch darüber Klarheit besteht. ({4}) Wir hatten diese beiden Punkte auf der Tagesordnung des Haushaltsausschusses. Wir haben dann am ersten Tag unserer Ausschußsitzungen von einer Beratung abgesehen, weil noch keine Überweisung erfolgt war und sich der Ältestenrat mit dieser Vorlage noch nicht beschäftigt hatte. Wir haben bis zum heutigen Tag die Weiterentwicklung abgewartet. Im Ältestenrat war eine Überweisung vorgeschlagen worden. Die erste Beratung stand hier an und hat nun auch stattgefunden. Wir haben dann im Haushaltsausschuß, meine verehrten Damen und Herren von der SPD, einvernehmlich beschlossen, ({5}) daß es zu einem Vorratsbeschluß kommen solle ({6}) für den Fall, daß sich nichts verändert, daß uns die Vorlagen so zugeleitet werden, wie wir sie ja schon vorliegen hatten. Dann wollten wir beschließen, daß die Hilfe für das Saarland gegeben wird. Ich darf Ihnen sagen, daß wir den Betrag von 300 Millionen DM unabhängig hiervon in den Haushalt eingestellt haben, so daß auch das Saarland davon ausgehen kann, daß das Geld ausgezahlt wird. Wir werden uns von dem Antrag des Kollegen Waltemathe gar nicht irritieren lassen. Ich sage Ihnen hier abschließend: Es gibt eine ordnungsgemäße Überprüfung. Alles wird zweifelsfrei geklärt werden. Wenn es erforderlich sein sollte, daß der Haushaltsausschuß noch einmal zusammentritt, ({7}) dann werden wir das sicherlich tun. Ich bin davon überzeugt, daß ich das auch für den Wirtschaftsausschuß sagen kann. Aber ich muß noch einmal meinen Eindruck wiedergeben, Herr Kollege Waltemathe - es werden sicherlich Teile der SPD davon betroffen -, daß Teile der SPD die Hilfe für das Saarland verhindern wollen. Das werden wir nicht zulassen. ({8})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Wird das Wort weiter gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Stratmann.

Eckhard Stratmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002269, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Damit nicht die im Wirtschaftsausschuß und im Haushaltsausschuß praktizierte Verfahrensweise ein Präjudiz dafür schafft, mit welchen möglichen Tricks in Zukunft eventuell bestimmte von den Mehrheitsfraktionen favorisierte Gesetzentwürfe durchgepeitscht werden können, ({0}) schließen wir uns vollinhaltlich der Verfahrenskritik des Kollegen Waltemathe an. ({1})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, in unserer Geschäftsordnung, aber auch in der Verfassung gibt es den Begriff des Vorratsbeschlusses nicht. Es gibt keine Vorratsbeschlüsse in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages. Ich gehe davon aus, daß die Initiativen, die von der Bundesregierung, aber auch von der Fraktion der SPD kommen, in den Ausschüssen so, wie unsere Geschäftsordnung und unsere Verfassung es vorsehen, korrekt beraten werden. Ich habe den Antrag des Kollegen Waltemathe so verstanden. Ich bin deswegen der Auffassung, daß wir entsprechend dem Antrag des Ältestenrats diese beiden Gesetzentwürfe wie vorgeschlagen zur federführenden Beratung an den Haushaltsausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft überweisen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. ({0}) Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Steuerbereinigungsgesetzes 1985 - Drucksache 10/1636 - a) Erste Beschlußempfehlung und Erster Bericht des Finanzausschusses ({1}) - Drucksachen 10/2367, 10/2370 - Berichterstatter: Abgeordnete Frau Matthäus-Meier von Schmude b) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 10/2372 Berichterstatter: Abgeordnete Carstens ({3}) Hoppe Wieczorek ({4}) Kleinert ({5}) ({6}) Hierzu liegt Ihnen auf Drucksache 10/2369 ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD vor. Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Runde vereinbart worden. Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete von Schmude. von Schmude ({7}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Steuerbereinigungsgesetzes 1985 macht deutlich, wie groß der Handlungsbedarf auf dem Gebiet der Rechtsbereinigung und der Steuervereinfachung ist. Trotz Herausnahme einiger wichtiger Gesetze, die noch weiteren Beratungsbedarf haben, verbleibt hier ein umfangreiches Gesetzespaket. Zu einigen Schwerpunkten will ich etwas sagen. Hervorzuheben ist zunächst die vorgesehene Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten Alleinstehender. Der Gesetzgeber muß dabei dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. November 1982 Rechnung tragen, das § 32a des Einkommensteuergesetzes für die Jahre 1971 bis 1981 - also die Zeit Ihrer Regierung, meine Damen und Herren von der Opposition - für verfassungswidrig erklärt hat; und zwar insoweit, als zusätzlicher zwangsläufiger Betreuungsaufwand für Kinder im Hinblick auf eine verminderte steuerliche Leistungsfähigkeit Alleinerziehender keine Berücksichtigung gefunden hat. Über die Frage, wie eine solche Neuregelung nun aussehen muß, gab es durchaus unterschiedliche Auffassungen sowohl im Ausschuß als auch bei der Anhörung der Verbände. Es ist deshalb sinnvoll, sich an die Vorgaben des Verfassungsgerichts zu halten, die bei näherer Betrachtung wenig Spielraum lassen. Der Begriff Betreuungsaufwand schließt Aufwendungen für Unterricht oder Freizeitbetätigungen aus. Es ergibt sich zwangsläufig, daß Kinder nur bis zu einem bestimmten Alter wirklich im Sinne des Wortes betreut werden müssen. Nach Abwägen dieser Argumente ist eine Altersbegrenzung auf 16 Jahre angemessen und zu vertreten. Berücksichtigt werden muß im Zusammenhang mit der Altersgrenze auch, daß Jugendliche im Alter von 16 Jahren häufig schon einer beruflichen Ausbildung nachgehen. Die Voraussetzung, daß ein solcher Betreuungsaufwand zusätzlich und zwangsläufig ist, bewirkt auch automatisch eine Nachweispflicht. Wenn nun im Rahmen der vorgesehenen Höchstbeträge von 4 000 DM für das erste Kind und 2 000 DM für jedes weitere ein Pauschalbetrag von 480 DM pro Kind eingeführt wird, so geschieht das, um der Verwaltung eine einfache Handhabung des Gesetzes zu ermöglichen. Das gilt insbesondere auch wegen der Rückwirkung des Gesetzes; denn es wird sicherlich für viele schwierig sein, für die Vergangenheit Belege beizubringen. Über die Höhe des Pauschbetrages kann man unterschiedlicher Meinung sein. Wir müssen hier aber nicht nur die Haushaltslage betrachten - das Gesetz kostet insgesamt im ersten Jahr einschließlich von Schmude der Rückwirkung immerhin 480 Millionen DM -, wir müssen hierbei auch sehen, daß mit dieser Pauschalierung eine Art Freibetrag geschaffen wird. Die Entlastung kommt deshalb auch jenen zugute, die keinen tatsächlichen zusätzlichen Betreuungsaufwand oder einen geringeren Aufwand haben. Die Obergrenze der abzugsfähigen Kosten von 4 000 DM und 2 000 DM ist in ihrer Wirkung ebenso wie die Pauschalierung in Bezug zu setzen zur steuerlichen Situation der vollständigen Familie. Der Gleichheitsgrundsatz darf hier nicht außer acht gelassen werden. Daß die Kinderbetreuungskosten Alleinstehender nun als außergewöhnliche Belastung betrachtet werden und daß dabei der zumutbare Eigenanteil zu berücksichtigen ist, ist nur systemgerecht. Die Steuergewerkschaft hat das im Anhörverfahren übrigens auch unterstrichen. In Anlehnung an das Verfassungsgericht, das eine verminderte steuerliche Leistungsfähigkeit unterstellt, können die Betreuungskosten folgerichtig auch nur vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden und nicht, wie von der SPD vorgeschlagen, anteilig von der Steuerschuld selbst. Das Gesetz, das die Regierungskoalition vorgelegt hat, schafft für 500 000 Alleinerziehende mit 1,3 Millionen Kindern eine beträchtliche Entlastung, auf die dieser Personenkreis in den Jahren der SPD-Regierungszeit vergeblich gewartet hat. ({8}) Zu prüfen bleibt jetzt noch die Frage, ob Ehegatten in einer besonderen Situation - wenn z. B. der eine Ehepartner nicht in der Lage ist, sich der Kinderbetreuung zu widmen oder einem Beruf nachzugehen - im Zuge dieses Gesetzes noch geholfen werden kann. Das bleibt den weiteren Beratungen über den Rest des Steuerbereinigungspaketes vorbehalten. In verschiedenen Bereichen wird das Steuerbereinigungsgesetz 1985 die Abschreibungsbranche in ihren Möglichkeiten beschränken. In der Seeschiffahrt sind künftig so nur noch Verlustzuweisungen von 150 %, bezogen auf das eingesetzte Eigenkapital, möglich. Damit wird vermieden, daß die Refinanzierung dieses Eigenkapitals voll oder darüber hinaus sogar aus ersparten Steuern möglich ist. Diese eingeschränkte Regelung wird allerdings um fünf Jahre bis 1994 verlängert, damit unsere Seeschiffahrt überhaupt noch in der Lage ist, den Wettbewerb zu bestehen und auch künftig noch Schiffsneubauten zu finanzieren. ({9}) Im Bereich des Wohnungsbaus in Berlin mußte, vorgegeben durch das Urteil des Bundesfinanzhofs, eine Gesetzesänderung vorbereitet werden, damit auch künftig, jedenfalls für eine Übergangsfrist, die sogenannten GmbH & Co. KGs, die sich mit der Errichtung und Verwaltung von Wohngebäuden in Berlin befassen, in dieser Rechtsform weiterhin als Gewerbebetriebe anerkannt werden. Dies ist die Voraussetzung dafür, daß die Fertigstellung von 2 480 Sozialwohnungen und 1 040 steuerbegünstigten Wohnungen in Berlin -in 1985 nicht scheitert. Aber die Begrenzung ist auch hier vorgesehen. Bis zum 31. Dezember 1989 müssen diese Objekte fertiggestellt sein. Im Bereich des sogenannten Bauherrenmodells ist die Frist für Wohngebäude, die der Mehrwertsteuerpflicht unterworfen wurden, um drei Monate bis zum 31. März 1985 verlängert worden. Diese Verlängerung ist angesichts der Situation im Baugewerbe notwendig, damit vermieden wird, daß unerwünschte Überstunden in diesem Jahr mit der Folge anfallen, daß Anfang 1985 ein noch größerer Beschäftigungsmangel herrscht. ({10}) Voraussetzung für diese Inanspruchnahme ist allerdings, daß der Baubeginn der betreffenden Objekte vor dem 1. Juni 1984 erfolgt ist. ({11}) Neu mußte in das Steuerbereinigungsgesetz noch das Gesetz zur Rückzahlung der Investitionshilfeabgabe aufgenommen werden. Bedingt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird vorgeschlagen, die Investitionshilfeabgabe in einer Größenordnung von etwa 1,8 Milliarden DM sofort zurückzuzahlen. Da ein großer Teil der Steuerzahler Einspruch gegen die Erhebung eingelegt hatte und da ein ebenfalls bedeutender Personenkreis bis heute noch keine rechtsmittelfähigen Einkommensteuerbescheide vorliegen hat, wird aus Gründen der Steuergerechtigkeit ausnahmsweise vorgeschlagen, allen Betroffenen die gezahlte Anleihe zu erstatten. ({12}) Ich danke an dieser Stelle unserem Bundesfinanzminister Dr. Stoltenberg sehr herzlich dafür, daß er sofort in klarer Form auf den Spruch des Bundesverfassungsgerichts mit diesen Aussagen reagiert hat. ({13}) Ein schlankes Gesetz wie dieses, leicht lesbar und leicht verständlich, läßt natürlich auch Fragen offen. Diese werden aber auf dem Erlaßweg geregelt. Wichtig ist, daß das Geld jetzt schnell und unbürokratisch zurückgezahlt wird. Eine rückwirkende Verzinsung der gesamten bisher eingegangenen Anleihesumme ist nicht beabsichtigt. Entsprechende Forderungen könnten den Gesetzgeber möglicherweise veranlassen, über eine Kompensation nachzudenken. ({14}) - Und nun sehe ich, Herr Kollege Schlatter, daß Sie uns beim Nachdenken helfen wollen. Für gute Ratschläge sind wir stets dankbar. Aber ich zweifle, daß dies gute Ratschläge sind. ({15}) Sie haben in Ihrer Begründung nun hier ausgeführt, daß die Investitionshilfeabgabe seinerzeit von den Verfassungsrechtlern schon im Rechtsaus7378 von Schmude schuß einhellig kritisiert und in Frage gestellt worden ist. Das ist falsch. Es hat sehr unterschiedliche Voten gegeben. In der Mehrheit sind keine rechtlichen Zweifel angemeldet worden. Immerhin, Restzweifel sind für uns als Politiker heute bei der Gesetzeslage immer vorhanden. Aber wenn ich mir Ihren Antrag ansehe, stelle ich fest, daß es Ihnen ja gar nicht auf die soziale Ausgewogenheit ({16}) oder auf deren Wiederherstellung ankommt, die vermeintlich verloren gegangen ist. Wenn wir die heimlichen Steuererhöhungen auf der einen Seite sehen, die gerade diesen Personenkreis, der durch die Investitionshilfeabgabe betroffen wurde, in den letzten Jahren belastet haben, müssen wir uns durchaus Gedanken machen, wo die soziale Symmetrie eigentlich geblieben ist. ({17}) Wenn Sie nun fordern, daß eine Ergänzungsabgabe von 5% die Investitionshilfeabgabe ersetzen soll, dann muß ich Ihnen vorhalten, daß Sie weit mehr als das fordern, was die Anleihe ursprünglich dargestellt hat. Sie fordern eine nicht rückzahlbare Abgabe von 5% ({18}) ohne Einschränkung für jene, die bereit wären, durch Investitionen etwas zur Ankurbelung unserer Wirtschaft zu tun - was viel, viel wichtiger als das Kassieren dieser Gelder ist! ({19}) Sie bringen dann, meine Damen und Herren von der Opposition, in Ihrem Antrag gleichzeitig - gleichzeitig! - zum Ausdruck, die Bundesregierung möge einmal - von uns verlangen Sie vorab, daß wir die Ergänzungsabgabe fordern sollen - über die Auswirkung einer möglichen Ergänzungsabgabe berichten. Also, ich muß schon sagen: Das Nachdenken sollte vorab erfolgen, und dann sollte man sich Gedanken machen, wie man hier zu einer Lösung kommt. ({20}) Meine Damen und Herren, insgesamt hat die Investitionshilfeabgabe dazu beigetragen, daß umfangreiche Investitionen in der Wirtschaft vorgezogen wurden und daß der Bauwirtschaft dank der zinslosen Anleihe ein dringend benötigter Impuls gegeben werden konnte. ({21}) Diesem Ziel, auch der Bauwirtschaft zu helfen, dient übrigens letztlich auch ein anderer Gesichtspunkt, der hier in Gesetzesform gekleidet wird, nämlich die Begrenzung der Festlegung bei Bausparverträgen von zehn auf sieben Jahre. Die vorgesehene Abschaffung der Kuponsteuer auf festverzinsliche Wertpapiere ist währungspolitisch erwünscht und zinspolitisch notwendig. Ich nehme ausdrücklich dazu Stellung, weil auch dieser Punkt offensichtlich strittig ist. ({22}) Die Deutsche Bundesbank hat, vertreten durch ihren Vizepräsidenten, diese Aussagen, diese Feststellungen ausdrücklich unterstrichen ({23}) und ausgeführt, daß unmittelbar nach Ankündigung dieses Gesetzesvorhabens in erheblichem Maße Kapitalzuflüsse festgestellt werden konnten und daß ferner eine erhebliche Zinssenkung, nämlich um 0,65%, zu realisieren war. Und wenn wir nur 0,2 % Zinssenkung haben, ist der Steuerausfall, der hier durch die Abschaffung der Kuponsteuer eintritt, bereits ausgeglichen, meine Damen und Herren. ({24}) Ich möchte zum Schluß kommen: Die Beratung dieses umfangreichen Gesetzes im Ausschuß hat uns allen, glaube ich, deutlich gemacht, wie kompliziert unser Steuerrecht geworden ist. Breiten Bevölkerungsschichten ist unser Steuerrecht sowohl vom Sprachlichen als auch vom Inhaltlichen her unverständlich geworden. Damit ist auch eine kaum noch tragbare Last auf die steuerberatenden Berufe zugekommen, die sich zunehmend als Dolmetscher für das steuerrechtliche Kauderwelsch in unserem Lande betätigen müssen. Der Bürger muß die Gesetze verstehen können, um sie zu akzeptieren. Ich meine, daß es gerade für uns im Finanzausschuß bei der künftigen Beratung von Steuerbereinigungsgesetzen, insbesondere im Hinblick auf Steuervereinfachung, noch einen erheblichen Handlungsbedarf gibt. Schönen Dank. ({25})

Dr. Philipp Jenninger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001025

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier heute abend eine originelle Situation. Offiziell lesen wir ein Steuerbereinigungsgesetz, aber eigentlich lesen wir ein bereinigtes Bereinigungsgesetz. ({0}) Denn ein erheblicher Teil der Vorlagen, die ursprünglich drin waren, haben wir herausgenommen und verschoben, während auf der anderen Seite die wichtigsten Teile, die übriggeblieben sind, erst vor wenigen Tagen oder sogar Stunden, z. B. gestern morgen, hineingebracht worden sind. Ein Zeichen für eine weitsichtige Steuerpolitik, Herr Häfele, ist das ohne Zweifel nicht. ({1}) Die SPD lehnt das Steuerbereinigungsgesetz 1985 in dritter Lesung ab. Dieses Gesetz hat Teile, denen wir zugestimmt haben. Ich erinnere z. B. an die Verkürzung der Festlegungsfrist für Bausparleistungen von zehn auf sieben Jahre. Wir haben das 1981 gemeinsam abgeschafft, hatten aber damals gesagt, daß wir das dann, wenn sich die Situation für die Bausparer verschlechtert, wieder ändern würden - übrigens ein Zeichen dafür, daß der Gesetzgeber Korrekturen durchaus vornimmt, wenn er einsieht, daß sich im nachhinein etwa als falsch erweist. Aber, meine Damen und Herren, es sind insbesondere vier Punkte, wie wir in diesem Gesetzentwurf ablehnen und die uns zu der Gesamtablehnung dieses Gesetzentwurfs führen. Das ist zum ersten die völlig unzureichende Behandlung der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten von alleinerziehenden Eltern. Das Gesetz sieht eine steuerliche Absetzbarkeit bis zu 4 000 DM im Rahmen außergewöhnlicher Belastungen vor. Meine Damen und Herren, unsere Kritik wendet sich dagegen, daß sich die Regierung - trotz des einhelligen Rates aller Fachleute - nicht bereit erklärt hat, die Altersgrenze von 16 auf 18 Jahre anzuheben, ({2}) Herr von Schmude, Sie haben uns auch nicht von einem anderen überzeugen können. In dem Sinne, wie Sie Betreuung definieren, kann es möglicherweise schon mit 13 oder gar mit 12 Jahren enden. Wenn man aber Betreuung ernst nimmt - fragen Sie einmal alleinerziehende Eltern, was sie z. B. mit einem 16jährigen oder einer 17jährigen Tochter machen! -, halten wir die Volljährigkeitsgrenze für die einzige, die hier akzeptabel ist. ({3}) Zweiter Kritikpunkt. Sie haben sich nach langem Gedöns bereit erklärt, einen Pauschbetrag von 480 DM anzuerkennen, meine Damen und Herren. ({4}) 480 DM Pauschbetrag im Jahr heißt 40 DM im Monat, heißt für einen Bürger in der Proportionalzone sage und schreibe 8,80 DM im Monat. Daß die alleinerziehenden Eltern in der Proportionalzone dieses als ein unzumutbares Almosen empfinden werden, ich glaube, das können Sie verstehen. ({5}) Dies ist eine, wie mein Kollege zu Recht sagt, lächerliche Zumutung. ({6}) - Natürlich, aber gerade Sie, Herr Schroeder, mit Ihrer ehemaligen Tätigkeit - wenn ich das richtig sehe - als Vorstehender eines Finanzamtes werden mir doch zugestehen, daß unabhängig von der Frage der unsozialen Haltung, die darin zum Ausdruck kommt, auch die Steuergewerkschaft gesagt hat: Um Gottes willen, hebt den Freibetrag an; wir werden mit einer Flut von Einzelnachweisen überhäuft, wenn es z. B. um 512,70 DM geht. Deswegen sagen wir: 480 DM sind völlig unzureichend. Weiter ist diese ganze Regelung unsozial. Denn jemand, der entsprechende Nachweise bis zum Betrag von 4 000 DM vorlegt, hat davon als Höchstverdiener einen Steuervorteil von immerhin 56 % gleich 2 240 DM. Meine Damen und Herren, das ist der Grund - Herr Krizsan aus dem Finanzausschuß -, warum wir von der SPD ({7}) den Vorschlag der GRÜNEN, den Sie ja vorgeschlagen haben, einfach einen Freibetrag von 4 000 DM einzuführen, nicht akzeptieren können. Ich weiß nicht, ob Sie sich darüber im klaren sind, daß nach Ihrem Vorschlag ein Höchstverdiener Nachhilfekosten und alle möglichen anderen Kosten für sein Kind in Höhe von 4 000 DM absetzen kann, gleich Steuervorteil 2 240 DM. Von den GRÜNEN hat mich dieser Vorschlag allerdings schon erstaunt. Auf der anderen Seite kritisieren wir folgendes. Wenn jemand - z. B. ein Witwer mit vier Kindern; den Fall hatten wir in Karlsruhe - jemanden einstellen muß, weil seine Frau gestorben ist, dann kann das zu sehr hohen Kosten führen - kleine Kinder brauchen jemanden zu Hause -: 10 000 DM, 12 000 DM, in diesem Fall im Gericht waren es 20 000 DM. Wir meinen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gebietet, die Grenze sehr viel höher als bei 4 000 DM anzusetzen, um etwas mehr abzudecken. Aber, meine Damen und Herren, damit nicht diese unsoziale Progressionswirkung entsteht, schlagen wir statt dessen einen linearen Abzug von 22 % von der Steuerschuld vor. ({8}) Aus dem Zusammenspiel dieser Kritik ergibt sich sehr folgerichtig der Antrag, den die SPD im Finanzausschuß gestellt hat. Dieser Antrag sah vor: erstens Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten bei Kindern bis zu 18 Jahren, zweitens Einführung eines Pauschbetrages bis 1 200 DM im Jahr, drittens Einführung eines Höchstbetrages für nachgewiesene Betreuungskosten in Höhe von 10 000 DM plus 2 000 DM Erhöhung je Kind und viertens Abzug von linear 22 % dieser Unkosten von der Steuerschuld. ({9}) - Ein typischer Oppositionsantrag ist der von den 4 000 DM. Ein typischer Oppositionsantrag ist das, was Sie damals in der Opposition gemacht haben. ({10}) Ich erinnere mich an die großen Steuerentlastungsgesetze und daran, wie Sie mit den Milliarden hier übergekommen sind. ({11}) Wenn Sie sagen, Haushaltsgründe sprächen dem entgegen, ({12}) - aber Herr von Schmude, Sie sagen „auch", Sie nehmen es selber halb zurück -, dann ist das wirklich lächerlich angesichts der Milliarden, die hier in diesem Hause in kürzesten Fristen für Subventionen für die Landwirte über den Tisch gezogen worden sind. ({13}) - Nun passen Sie mal auf! Warten Sie doch einmal ab! Ich habe zu dem Herrn Schlatter gesagt, ich mache das ganz lieb. Abends um 10 Uhr regt man sich nicht auf. Aber das regt Sie alles furchtbar auf. Das wundert mich. ({14}) - Herr Kollege Eigen, jetzt muß ich mal wirklich scharf werden, wenn Sie die Schärfe hineinbringen. ({15}) Sie können das nur als Unsinn bezeichnen, weil Sie Ihre Funktion im Finanzausschuß eben nicht wahrnehmen, wenn wir diese Dinge bereden - was Ihr gutes Recht ist -, sondern immer nur dann, wenn es um agrarpolitische Subventionen und ähnliche bei Ihrem Beruf geht. ({16}) - Ja, eben. Aber Sie kommen immer bei den einschlägigen Punkten. Bei denen wissen Sie verdammt gut Bescheid. ({17}) Angesichts der 2 Milliarden DM und mehr, die Sie jetzt allein über die verfassungswidrige Investitionshilfeabgabe zurückzahlen, sind die Summen, um die es bei dem Vorschlag der SPD geht, wirklich geradezu lächerlich. Herr von Schmude, offensichtlich haben Sie mir schon öfter zugehört. Sie haben recht: Schauen Sie einmal, Sie vergleichen die intakte Familie mit den Alleinerziehenden. Das tue ich jetzt auch. Ich bringe das Beispiel, das ich mit dem Herrn Häfele, als er noch nicht Staatssekretär war, schon vor Jahren abgehandelt habe. ({18}) Dann ziehen wir den Vergleich doch einmal: ein Ehepaar, er ist Höchstverdiener, sie ist nicht erwerbstätig, in der Ehe sind keine Kinder; Steuervorteil über Splitting bis zu fast 15 000 DM. Das Gegenstück: er ist Witwer, hat vier Kinder; Steuervorteil aus dem Ehegattensplitting: gar nichts. Da kann ich Ihnen nur sagen: wenn Sie das vergleichen, dann sehen Sie, welche skandalöse Situation für die Alleinerziehenden besteht. ({19}) Wenn Sie sagen, die alte Koalition hat hier nichts geändert, dann sage ich Ihnen: in diesem Punkte haben Sie recht. Aber warum? - Weil, wenn wir überhaupt nur an das Ehegattensplitting heranwollten, der Bundesrat voll abgeblockt hat. Das ist ja überhaupt kein Zweifel. Zweitens. Herr von Schmude, daß Sie sagen, die Alleinerziehenden hätten es unter der alten Koalition immer so ganz schrecklich gehabt, kann nur daran liegen, daß Sie neu im Deutschen Bundestag sind. Soll ich Ihnen einmal kurz erläutern, was wir gemacht haben, nicht ausreichend, aber immerhin? Begrenztes Realsplitting für Alleinerziehende für den Unterhalt an den Ehegatten, Einführung des Schokoladenfreibetrags, Halbierung aller Kinderadditive und 150%ige Regelung bei den Sonderausgaben, die Sie im nächsten Jahr abschaffen wollen. ({20}) - Ja, eben. Wir halten dieses Urteil für gerechtfertigt. Wir halten die heutige Form des Splittings nicht für in Ordnung. Aber Sie haben uns daran gehindert, und ich sage der Ehrlichkeit halber, Herr Gattermann wird das bestätigen: auch die Mehrheit in der FDP, in der ich mich damals schon immer für eine Reform des Splittings eingesetzt habe. Letzter Vorwurf, was die alleinerziehenden Eltern angeht: wir werfen Ihnen vor, daß Sie keine vergleichbare Regelung für Ehegatten in das Gesetz aufgenommen haben, zumal der Bundesrat Ihnen das anempfohlen hat, für Ehegatten z. B., bei denen der eine erwerbstätig ist und der andere schwerbehindert, die ebenfalls zwangsläufig Kinderbetreuungskosten haben. Wenn es Ihnen so um die intakte Familie geht, hätten Sie die Chance gehabt, hier etwas vorzulegen. Zweiter Punkt unserer Kritik: Verlängerung der Umsatzsteueroption für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Wir lehnen die Verlängerung um drei Monate ab. ({21}) Warum? Die SPD wäre für eine Verlängerung offen gewesen, wenn der Stichtag nicht der 1. Juni 1984 gewesen wäre. Warum? Wir haben die Umsatzsteueroption gemeinsam im Haushaltsstrukturgesetz, also Dezember 1981, abgeschafft. Alle Beteiligten wußten also über drei Jahre, daß die Umsatzsteueroption Ende 1984 abläuft. Wer trotzdem am 31. Mai 1984 - das ist innerhalb Ihrer Frist - noch ein solches Unternehmen in Gang setzte, war entweder grob fahrlässig oder er setzte darauf, daß man den Gesetzgeber in die Knie zwingen kann. Weder für grob fahrlässige noch für Leute, die den Gesetzgeber in die Knie zwingen wollen, soll man eine Belohnung aussprechen. Das tun Sie. ({22}) Wie gesagt, wir wären zur Verlängerung bei Vorverlegung des Termins 1. Juni bereit gewesen. Dazu waren Sie aber leider nicht bereit. Dritter Kritikpunkt: Abschaffung der Kuponsteuer. Mit ihrem Nein zur Abschaffung der Kuponsteuer trägt die SPD den Bedenken der SPD-regierten Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg Rechnung, die von jährlichen Steuerausfällen von rund 200 Millionen DM besonders hoch betroffen werden. Die dagegen behauptete Entlastung der öffentlichen Haushalte durch Zinssenkung infolge höherer ausländischer Kapitalzuflüsse hat rein spekulativen Charakter. Neue Kapitalströme sind mit dieser Operation nicht verbunden. Wir haben auch ein steuerpolitisches, ein steuersystematisches Argument: Wer sich immer über die schlechte Behandlung von Risikokapital beklagt - also der Aktien -, der darf sich nicht wundern, wenn sich das noch verstärkt, wenn er die Besteuerung von Einnahmen aus risikofreiem Kapital durch Abschaffung der entsprechenden Quellensteuer besserstellt als die Aktie, bei der die Kapitalertragsteuer erhalten bleibt. ({23}) Vorletzter Punkt: die ungerechten Modalitäten der Rückzahlung der verfassungswidrigen Investitionshilfeabgabe. ({24}) Meine Damen und Herren, wir werfen Ihnen vor, daß Sie diese Investitionshilfeabgabe damals beschlossen haben, und zwar wiederum entweder grobfahrlässig oder vorsätzlich. Letzteres gilt sicherlich für einige von Ihnen, ({25}) wohl wissend, daß diese Abgabe von Karlsruhe wieder kassiert werden würde. ({26}) Aber darum geht es heute abend nicht. ({27}) - Machen wir uns doch nichts vor! Das war doch eine hervorragende Arbeitsteilung im Wahlkampf! Die FDP sagte: „Die Abgabe wird nicht zurückgezahlt", und die CDU erklärte: „Sie wird zurückgezahlt." ({28}) Ich habe Herrn Blüm im Fernsehen erlebt, als er nach dem Bundesparteitagsbeschluß der CDU, in dem stand, daß die Abgabe doch nicht zurückgezahlt werden solle, sagte: „Jetzt macht Wahlkampf wieder Spaß." Das war prima aufeinander abgestimmt. Das, was Sie, meine Damen und Herren, nach dem 6. März gemacht haben, wäre im Sinne von Heiner Geißler Wählerbetrug. ({29}) Um so schlimmer ist das, was Sie jetzt bei der Abwicklung tun. Hier stolpert Herr Stoltenberg in das nächste juristische Abenteuer hinein. ({30}) - Nein, das hätten wir gar nicht gern! Herr Voss, Sie waren gestern nicht im Finanzausschuß. Herr Häfele tut mir selten leid; aber gestern hat er mir leid getan. Die Position der Regierung im Finanzausschuß - ({31}) - Ja, „jämmerlich" ist ein gutes Wort angesichts des Theaters und „Gehackes" dort, bei dem die eigenen Länder gegen die Regierung auftraten. Wir mußten alle einzeln abfragen. Herr von Schmude lächelt netterweise; er bestätigt das. ({32}) Ich will noch einen letzten, wichtigen Punkt nennen. Wir sind der Ansicht, das Verfahren muß rechtsstaatlich einwandfrei sein, und alle müssen gleichbehandelt werden. Sie sehen aber vor, daß z. B. Zinsen nur an diejenigen gezahlt werden, die auch Klage erhoben haben. ({33}) Jetzt frage ich Sie: Ist es eigentlich in Ordnung, daß diejenigen, die vielleicht aus der Einstellung heraus, als Gutverdienende auch etwas zur Konsolidierung beitragen zu wollen, gezahlt und nicht geklagt haben, „einen vor den Kopf kriegen", während diejenigen, die aus Zorn darüber Klage erhoben haben, dadurch, daß sie Zinsen bekommen, auch noch belohnt werden? Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Wenn Sie mir nicht glauben, dann lesen Sie doch einmal in der „Welt" nach. Herr Gillies schreibt in der „Welt" von heute: Wen also der Zorn über die Zwangsabgabe bis vor die Schranken des Gerichts getrieben hatte, erhält Zinsen, wer dagegen brav zahlte oder es mit einem Widerspruch beim Finanzamt bewenden ließ, hat sein Geld dem Staat zinslos zur Verfügung gestellt. Ich kann Ihnen nur sagen: ({34}) Wir sind sicher, daß das nächste negative Urteil kommt. Dafür wollen wir nicht verantwortlich sein, und deswegen lehnen wir dieses Gesetz ab. Ich danke Ihnen. ({35})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Gattermann.

Hans H. Gattermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000637, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Matthäus-Maier, wir beraten heute hier in der Tat in zweiter und dritter Lesung des Steuerbereinigungsgesetzes 1985 ersten Teil. Die Beratung des zweiten Teils haben wir bis Anfang nächsten Jahres verschoben. Ich will das kurz begründen. Wir haben alle die Teile des Steuerbereinigungsgesetzes zu Ende beraten und wollen sie heute verabschieden, die eilbedürftig, ausdiskutiert oder unstreitig sind, und haben jene Teile zurückgestellt, die einer sehr sorgfältigen Beratung insbesondere unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten bedürfen. Das heißt, der Bereich der Änderungen der Abgabenordnung, ein - auch datenschutzrechtlich - ausgesprochen sensibler Bereich, bedarf wirklich sorgfältiger Beratung. Das wollen wir zu Beginn des nächsten Jahres zügig tun. Wir sind auch der Meinung, daß wir bei diesen Änderungen der Abgabenordnung ein austariertes Verhältnis zwischen der Effektivität der Finanzverwaltung und den berechtigten Belangen der Bürger anstreben sollten, so daß die eine oder andere Ergänzung - stichwortartig will ich z. B. nur die Verböserung eines Steuerbescheides nach erfolgreichem Einspruch oder, um ein weiteres Beispiel von vielen herauszugreifen, die vom Deutschen Bundestag vor etlichen Jahren versprochene Abkürzung der Festsetzungsfrist nennen - der sorgfältigen Beratung bedarf. Der sorgfältigen Beratung bedarf auch und insbesondere der Bereich der EG-Amtshilfe, wo wir gezwungen sein werden, eine EG-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Wir meinen, daß dies so restriktiv wie möglich zu geschehen habe, und zwar insbesondere im Bereich von Spontanauskünften, weil die Qualität der Finanzverwaltungen innerhalb der EG, insbesondere was den Bereich des Steuergeheimnisses betrifft, nicht überall die gleiche ist, und weil die Finanzverwaltung - das ist überhaupt keine Kritik an ihr - letztlich nicht entscheiden kann, welche Auswirkungen für deutsche Unternehmen in bezug auf ihre ausländischen Geschäftsbeziehungen Spontanauskünfte ohne Beteiligung der Betroffenen haben können. Sensible Bereiche also wollen wir sehr zügig, aber sehr sorgfältig beraten. Eilbedürftig war insbesondere die verfassungsrechtlich gebotene Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten bei Alleinerziehenden. Frau Kollegin Matthäus-Maier, Sie wissen, daß in den Ausschußberatungen, sowohl was die Verwaltungshandhabung dieser Betreuungskosten als auch was die Entlastungswirkungen bei jenen, die gar keine Betreuungskosten haben, betrifft, die 480-DM-Pauschalierung eingeführt worden ist, und dies ist immerhin, wie der Kollege von Schmude sagte, ein Brocken von fast einer halben Milliarde DM im ersten Jahr. In der Tat betreiben wir die Konsolidierungspolitik ernsthaft. ({0}) - Ja, natürlich. Die Dauerwirkung wird jährlich bei 160 bis 170 Millionen liegen. Das ist richtig. Wenn Sie in diesem Zusammenhang auf die 2 Milliarden an Rückzahlung der Investitionshilfeabgabe verweisen, dann wissen Sie als Finanz- und Haushaltsexpertin natürlich ganz genau, daß diese 2 Milliarden im Bundeshaushalt auf der Debet-Seite stehen, so daß die Belastung des Bundeshaushalts durch diese Aktion lediglich in den Zinsen für die Jahre bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung besteht. Meine Damen und Herren, ich gestehe - und wir alle aus den Koalitionsfraktionen gestehen -, daß wir im Bereich der Alleinerziehenden gern noch etwas mehr getan hätten, wenn nicht zwei Dinge uns gehindert hätten, erstens der Haushaltsrahmen, von dem ich gesprochen habe, und zum zweiten die verfassungsrechtliche Problematik gegenüber vergleichbaren Familiensituationen in intakten Ehen. Hier die Grenze zu ziehen, ohne nun möglicherweise auf Grund der Klage eines Ehepartners in Karlsruhe wieder aufzulaufen, war natürlich ein starkes Argument bei der Umsetzung des Verfassungsgerichtsauftrages. Ich sagte, wir hätten gern bessere Regelungen getroffen, aber wohl kaum die, mit der Sie, Herr Kollege Krizsan, wie immer den Vogel abgeschossen haben. Ich weiß nicht, ob Sie einmal umgerechnet haben, daß es den Haushalt 2,4 Milliarden DM gekostet hätte, ({1}) wenn wir Ihrem Vorschlag mit den 4000 DM entsprochen hätten. Das ist so übertrieben, Herr Kollege Krizsan, daß es, glaube ich, noch nicht einmal populistisch wirksam ist, weil einem solchen Vorschlag seine unrealistische Konzeption auf der Stirn geschrieben steht. Wir haben im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens diverse aktuelle Dinge mit in die Beratungen einbezogen. Von der Abschaffung der Kuponsteuer ist gesprochen worden - ein Grund für Ihre Ablehnung des Gesetzes, Frau Kollegin. Ich will Ihnen jetzt hier nicht im einzelnen deklinieren, welche Bedeutung die Kuponsteuer kapitalmarktmäßig hat. Nur, bezogen auf die 200 Millionen DM Steuermindereinnahmen, von denen Sie gesprochen haben: Die Überlegungen, die uns der Sachverstand der Bundesbank nahegebracht hat, die ablesbaren Wirkungen auf das Zinsniveau bestätigen es, daß wir durch diese Maßnahme bereits mehr Entlastung für die öffentlichen Haushalte bei den Zinsen erreicht haben als jene 200 Millionen DM; denn nur 0,2 Prozentpunkte ergeben bereits diese 200 Millionen DM. Was ich nun überhaupt nicht verstanden habe, Frau Kollegin Matthäus-Maier - ich habe es schon nicht verstanden, als ich die Presseerklärung von Herrn Reschke gelesen habe -, ist die Sache mit der Verlängerung der Mehrwertsteueroption. Ich stelle hierzu fest, daß die Sozialdemokratische Partei erstmalig dezidiert gegen eine Maßnahme ist, die nicht nur von der IG Bau, Steine, Erden - darGattermann über könnte man hinwegsehen -, sondern auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund gutgeheißen worden ist. Es handelt sich hier doch in keiner Weise um irgendwelche Steuergeschenke an Spekulanten oder Ähnliches. Frau Matthäus-Maier, wir zusammen - noch in gemeinsamer Konfiguration kämpfend - haben einen Fehler gemacht. Wir haben nämlich nicht bedacht, daß am 31. Dezember 1984 nicht nur die Mehrwertsteueroption, sondern auch die Investitionszulage auslief, daß wir eine kumulierende Wirkung auf das Bautempo hatten. Wir waren hier ganz einfach verpflichtet, ein bißchen Termindruck freizugeben, um Überstunden zu verhindern, um Pfusch am Bau zu verhindern; die drei Monate waren nun wirklich maßvoll, um dieses Ziel zu erreichen. Lassen Sie mich noch etwas zu der Frage der Kinderbetreuungskosten und dem hier von Ihnen wieder ins Spiel gebrachten Ehegattensplitting nachtragen. Ich bestätige Ihnen gern, daß Sie in diesem Punkte in der Kontinuität Ihrer seit Jahren vertretenen Auffassungen stehen. Ich darf Sie aber doch in aller Freundschaft darauf aufmerksam machen, daß diese Ihre Auffassung zu 98 % bis 99 % frontal gegen die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Themenkreis steht. Sie sind doch bei der Rückabwicklung der I-Abgabe so besorgt, daß wir wieder irgendwo mit dem Verfassungsgericht in Konflikt kommen könnten. Wir bemühen uns in der Tat, daß dies nicht passiert. Ich komme zum nächsten Punkt, der Liquidation dieses Investitionshilfeabgabegesetzes. Wir meinen, wir haben eine rechtsstaatlich absolut einwandfreie und überdies noch klar verständliche und schlanke Lösung gefunden. Wir haben alle rechtlichen Zweifelsfragen beseitigt, die bestehen könnten, ({2}) ob überhaupt zurückgezahlt werden muß. Ich erinnere an die für nichtig erklärte Zweitwohnungsteuer, bei der das durchaus nicht so gehandhabt wird. Wir haben auch Klarheit über den bei etwaigen Streitigkeiten zu beschreitenden Rechtsweg geschaffen. Ich gebe Ihnen zu, daß einige Zweifelsfragen über den Umfang dessen, was rückzahlbar ist, offengeblieben sind. Aber hier sollen und müssen die Gerichte in Streitfällen - ich hoffe, es wird so gut wie keine geben - darüber entscheiden, welche materielle Anspruchslage sich auf Grund des Spruchs aus Karlsruhe ergeben hat, nicht mehr und nicht weniger. Alles übrige weiter regeln zu wollen wäre nach unserer Einschätzung in der Tat ein Abenteuer in Richtung Karlsruhe gewesen, und das wollten wir nun wirklich vermeiden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem selbstkritischen Wort enden. Wir hatten uns vorgenommen, mit einem Steuerjahresgesetz auszukommen. Wir haben dies in diesem Jahr nicht geschafft, Sie wissen es. Wir haben sowohl wegen der Auswirkungen der EG-Beschlüsse auf die Landwirtschaft im Bereich der Mehrwertsteuer als auch wegen der Rechtsprechung des BFH zur Frage der Absetzbarkeit von Geldbußen ein Gesetz machen müssen. Wir haben also drei Steuergesetze gemacht. Wir werden uns Mühe geben, daß dies im nächsten Jahr besser wird. Angesichts der vielen Änderungen - immerhin hat das Steuerbereinigungsgesetz 1985 in der heute zu verabschiedenden Fassung noch 29 Artikel - lassen Sie mich noch zu einem etwas anfügen: Wir haben für Gold und andere Edelmetalle die LifoBewertungsmethode eingeführt. Für diejenigen, die buchhalterisch nicht so auf der Höhe sind und deshalb nicht genau wissen, was das heißt, will ich es erläutern. Lifo heißt: Last in, first out. Wenn ich mir ansehe, wie wir diesen Gesetzentwurf zu Ende gebracht haben, muß ich sagen, daß auch wir die zuletzt eingebrachten Maßnahmen und Anregungen als erste in diesem ersten Teil des Gesetzes mit erledigt haben. ({3})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Krizsan. ({0})

Julius H. Krizsan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001220, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer von dem Steuerbereinigungsgesetz erwartet, wie das Herr Schmude in seinen letzten Sätzen so schön gesagt hat, daß hier ein Schritt getan werde, um das unüberschaubare Steuersystem transparenter, demokratischer zu machen, ist nun leider wieder einmal auf die Public-RelationsTricks der Bundesregierung reingefallen. Ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums hat bei diesem sehr schnellen Durchgehen der 29 Artikel ganze zwei als Steuerbereinigungen im Sinne des Wortes bezeichnet. In diesem Gesetz finden sich so unheimlich wichtige Sachen wie die Ersetzung des Begriffes „Postscheckamt" durch „Postgiroamt", aber eben auch steuerliche Änderungen, die durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes notwendig wurden. Der Herr Gattermann scheint doch wohl inzwischen eine ziemliche Angst vor diesen Entscheidungen zu haben. Es gibt doch auch Leute, die sagen: Steuergesetzgebung macht inzwischen das Bundesverfassungsgericht und nicht mehr die dazu befugten Stellen. Dann gibt es noch einige Artikel, an denen sehr deutlich wird, daß, wenn nicht das Bundesverfassungsgericht, dann eben die Lobbyisten Gesetze machen. ({0}) - Das ist nichts Neues, Gert. Aber das ist mir hier jedenfalls wieder ganz deutlich geworden. Diese letzten Teile wurden übrigens ganz zum Schluß eingebracht, in, wie ich finde, klassischer Lobbyistenart. Frau Matthäus-Maier, Sie haben eben schon ausführlich zur Besteuerung der Alleinstehenden Stellung genommen. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Ich bin nicht Fachmann genug und habe auch nicht genug Erfahrung, um Ihnen da jetzt Paroli bieten zu können. Aber ich meine, daß jede Regelung für die Alleinstehenden mit Kindern ein Flickwerk sein wird, solange man nicht das Ehegattensplitting als Grundlage für all diese Ungerechtigkeiten angeht und darüber nachdenkt, ob man hier eine neue Besteuerungsform finden könnte. ({1}) Aber ich vermute ganz stark, daß am Ehegattensplitting festgehalten wird, weil die Regierung weiter hohe Einkommen und patriarchalische Familienstrukturen begünstigen will. Steuerliche Schonung hoher Einkommen, meine Damen und Herren, war auch die Devise bei der Konstruktion der Investitionshilfeabgabe. Deshalb wurde doch auch die Rückzahlungsklausel aufgenommen, die aus der Abgabe den Zwitter zwischen Steuer und Kredit machte, für den der Bund keine Regelungskompetenz hat, wie es das Verfassungsgericht klarstellte, weshalb diese Abgabe nun sofort zurückzuzahlen ist. Eine schöne Weihnachtsüberraschung für die Besserverdienenden. Weniger schön finden wir, daß diese Abgabe den Finanzbeamten eine Menge Mehrarbeit gebracht hat und bringen wird. Diese Entscheidung des Verfassungsgerichts ist für den Herrn Stoltenberg nicht nur blamabel, sie stellt, wie wir finden, auch seine Kompetenz und Glaubwürdigkeit ziemlich in Zweifel. ({2}) Übrigens, eine kleine Bemerkung am Rande: Ein Steuerfachkreis - ich weiß nicht, ob Herr Gattermann ihn kennt -, der „Taufkirchener Kreis", hat bereits in diesem Frühjahr dem damaligen Vorsitzenden des Finanzausschusses für die Investitionshilfeabgabe den Preis für die größte steuerliche Fehlleistung des Jahres 1984 verliehen. Ich weiß nicht, ob Sie diesen Preis angenommen haben, Herr Gattermann. ({3}) - Ach, das war der Vorgänger, na gut. Ich kenne mich in Ihren Hierarchien nicht so aus. - Ich schlage vor, daß der Herr Finanzminister zum Mitpreisträger ernannt wird, aber ich vermute, daß er noch weiter Fehlleistungen produzieren wird und dann vielleicht demnächst den Preis persönlich überreicht bekommt. ({4}) Die Rückzahlung der Abgabe und die Tatsache, daß Sie eine nicht rückzahlbare und nicht vermeidbare Ergänzungsabgabe ablehnen, machen deutlich, daß Ihr damaliges Gerede vom „gleichen Opfer", das alle zu erbringen hätten, bloßes Geschwätz war. Genauso ein Geschwätz war das Gerede vom Subventionsabbau, dem Sie mit jedem Steuergesetz, das Sie einbringen, Hohn sprechen, so auch in diesem Steuerbereinigungsgesetz. Da haben wir erstens die Verlängerung der Mehrwertsteueroption für Bauherren. Unbeeindruckt von der öffentlichen Diskussion, in der die Bauherrenmodelle als Paradebeispiel für eine unsoziale Steuerausgestaltung angeprangert werden, steht die Bundesregierung nicht nur zu ihrem halbherzigen Vorgehen gegen solche Steuersparmodelle, sondern gibt sogar dem Druck der Baulobbyisten noch einmal nach. ({5}) Zweitens enthält die Neufassung des Gesetzentwurfs die Abschaffung der Kuponsteuer. Frau Matthäus-Maier hat auch schon darauf hingewiesen. ({6}) - Danke schön für den Zuruf. Ich habe vielleicht am Anfang nicht gewußt, wovon hier geredet wird; inzwischen, nach eineinhalb Jahren, kann ich aber, glaube ich, schon ganz gut verstehen, wovon speziell Sie, Herr Solms, und in wessen Interesse Sie reden. ({7}) Die bisher für ausländische Kapitalanleger bestehende Quellenbesteuerung der Zinserträge aus festverzinslichen Wertpapieren wird abgeschafft. Gerechtfertigt wird dies u. a. auch damit, daß auch in den USA die entsprechende Steuer gestrichen wurde. Ich finde, wenn immer so schnell übernommen wird, was aus den USA kommt, dann haben wir vielleicht bald auch die Geschwindigkeitsbeschränkungen hier in der Bundesrepublik. ({8}) Hier wird also eindeutig dem Druck des internationalen Kapitals nachgegeben, dem auf seiner verheerenden Suche nach dem größten Profit keine Steuer im Wege stehen soll.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Solms?

Julius H. Krizsan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001220, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ach nein, schönen Dank. Ich möchte zu Ende reden, damit ich hier auch bald Feierabend habe. - Anstatt das Quellenabzugsverfahren auf sämtliche Kapitalerträge auszudehnen, geht die Bundesregierung weiter den Weg, die Erträge aus reinen Finanzkapitalanlagen besonders zu schonen. Steuerausfälle in Höhe von 200 Millionen DM werden hierfür gern in Kauf genommen. Ich möchte hier eine dritte neue indirekte Subvention nennen - Herr Gattermann hat sie am Ende seines Beitrages schon angesprochen -: Unternehmen mit Vorratsvermögen an Gold, Silber, Platin und Palladium werden durch eine Änderung im Wertansatz steuerlich entlastet. Darüber, wie hoch der Steuerausfall sein wird, bestand überhaupt keine Klarheit. Es war interessant zu sehen, wie hoch da geschätzt wurde. Herr Gattermann, von dem wir vermuteten, daß er dahintersteckt, sagte 20 Millionen DM. Der BDI, von dem man ja nun nicht gerade vermuten kann, daß er gegen solche VorKrizsan schläge ist, meinte, es seien 300 Millionen, und die Schätzung des Finanzministeriums pendelte sich dann bei einem Steuerausfall in Höhe von etwa 100 Millionen DM ein. Wir vermuten - irgendwo gibt es da wahrscheinlich auch eine Grauzone, Herr Gattermann -, daß die Automobilindustrie dahintersteht, die das Platin zur Herstellung von Katalysatoren benötigt. ({0}) Bisher sind weder die wirtschaftspolitischen Konsequenzen noch sonstige Konsequenzen dieses Gesetzesteils für den Bundeshaushalt klar, aber dennoch passiert eine solche Maßnahme ganz schnell den Finanzausschuß. Das macht für uns deutlich, wie sehr die Wirtschaftslobby im Hause Stoltenberg zu Hause ist und was das Gerede vom „gleichen Opfer" und vom Subventionsabbau wert ist, nämlich nichts. Schönen Dank. ({1})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen.

Dr. Hansjörg Häfele (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000774

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich beim Finanzauschuß des Deutschen Bundestages für die Beratung, die es ermöglicht, daß wir diesen Gesetzentwurf heute in zweiter und dritter Lesung verabschieden können, damit noch Anfang Dezember auch der Bundesrat zustimmen kann. Wir brauchen das Gesetz, weil uns das Bundesverfassungsgericht praktisch veranlaßt hat, vor dem 1. Januar nächsten Jahres die Frage der Alleinerziehenden zu lösen. Die Lösung dieser Frage ist natürlich nicht einfach. Wir stehen hier gleichsam zwischen Szylla und Charybdis, zwischen zwei großen Schwierigkeiten. Einmal können wir bei der Lösung der Frage nichts tun, was die vollständige Familie benachteiligen würde. Zum zweiten können wir in diesem Fall leider nicht so großzügig sein, ohne noch großzügiger gegenüber der vollständigen Familie zu sein, um den Gleichheitssatz zu berücksichtigen. Da wir in unseren Finanzen beengt sind und die Konsolidierung das Hauptziel der Finanzpolitik auf viele Jahre bleiben muß, ist der Spielraum leider nicht gegeben. Ich glaube, der Finanzausschuß hat hier eine vernünftige Lösung gefunden und ist mit der Pauschalierung auch noch zu einer Vereinfachung gekommen, die natürlich auch wieder etwas kostet. Wir können damit einigermaßen bestehen und von einer vertretbaren Lösung reden. So ist es nicht, Frau Matthäus-Maier, daß es hier um eine unerhebliche Änderung gehe. Der Pauschalierungsvorschlag der Koalition kostet immerhin 230 Millionen DM mehr als die Regelung nach dem Regierungsentwurf. Das schmerzt den Bundesfinanzminister sehr. Aber was Sie beantragt haben, würde rund 800 Millionen DM mehr kosten. Das ist außerhalb der Schmerzgrenze meines Bundesfinanzministers. Was die GRÜNEN hier beantragt haben, bedeutet rund 3 Milliarden DM mehr. Darüber brauchen wir uns wohl nicht zu unterhalten. Ich glaube also, die gefundene Lösung ist vertretbar vor den beiden Übeln: auf der einen Seite Benachteiligung der vollständigen Familie sowie Abgehen vom Ziel der Konsolidierung der Finanzen auf der anderen Seite.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier?

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, abgesehen davon, daß Ihre Zahl gilt, wenn Sie die ganze Vergangenheit einbeziehen - wir haben das eben schon geklärt -, frage ich: Ist Ihnen bekannt, was Sie als ein kleines Stück aus dem Ehegatten-splitting herausschneiden können - denn abschaffen will keiner das Splitting -, wenn Sie z. B. den Vorschlag Ihres Fraktionsvorsitzenden Dregger aufgreifen, den Divisor beim Splitting nur ein ganz kleines bißchen zu ändern?

Dr. Hansjörg Häfele (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000774

Frau Matthäus-Maier, ich empfehle Ihnen wirklich, die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 3. November 1982, die hier zugrunde liegt, genau zu lesen. Darin steht ein für allemal: Das Ehegattensplitting ist „kein Steuervorteil", sondern die dem Wesen der Ehe gemäße Form der Besteuerung, die prinzipiell nicht berührt werden darf. Daran wollen wir uns halten. Wir wollen das Ehegattensplitting also nicht verändern, sondern auch hier der Verfassung Rechnung tragen. ({0}) Frau Matthäus-Maier, Sie sprachen bezüglich der Steuerausfälle von Rückwirkung. - Ich würde mich mit Ihnen gern unterhalten, wenn Sie zuhören würden, Frau Matthäus-Maier. - Daß die Steuerausfälle vor allem wegen der Rückwirkung groß sind, ändert aber nichts an der Tatsache, daß der Ausfall 1985 um so größer ist, je mehr Sie hier beantragen. Das Jahr 1985 ist ja auch noch ein Jahr, in dem wir gewaltig konsolidieren müssen. Wichtig ist, glaube ich, auch die Abschaffung der Kuponsteuer. Entgegen dem, was hier gesagt wurde, befinden wir uns da völlig im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank, die nachgewiesen hat: Wenn die Zinsen auch nur um 0,2 Prozentpunkte heruntergehen - und sie sind seit der Beschlußfassung stärker heruntergegangen -, dann wird das schon im ersten Jahr fiskalisch hereingespielt. Wenn also dieses Gesetz des Sich-selbst-Fragens einmal gilt, dann bei den Zinsen. Ich glaube, hier braucht keinerlei Befürchtung zu bestehen. Die weiteren Veränderungen hat mein Kollege von Schmude zutreffend dargestellt. Ich glaube, ich brauche im einzelnen nicht mehr darauf zu sprechen zu kommen. Wichtig ist natürlich, daß wir uns bemüht haben, den Spruch des Bundesverfassungsgerichts sehr schnell zu erfüllen, nämlich die Investitionshilfeabgabe zurückzuzahlen. Entscheidend ist, daß die Bürger dieses Geld auf möglichst einfache Weise zurückerhalten. ({1}) Ich glaube, hier hat der Finanzausschuß sogar eine weise Entscheidung getroffen, indem er sich nur auf das Allernotwendigste beschränkt hat. Die Formulierungshilfe, die wir angeboten haben, wurde verkleinert. Das betrachte ich als einen Fortschritt im Sinne der Entbürokratisierung, im Sinne von weniger Bürokratie, weniger Vorschriften. Es kann auch sein, daß sich diese Entscheidung noch weiterhin als weise erweisen wird. Im Grunde ist da völlig unnötig über etwas gestritten worden. Natürlich kann in der Tat niemand völlig ausschließen, daß - nicht vor dem Verfassungsgericht, sondern vor den Finanzgerichten - noch Fragen zu klären sind, die ungeklärt bleiben, ob wir es hineinschreiben oder nicht. Wir sind auf jeden Fall der Auffassung, daß die Rückzahlung nicht mit Zinsen erfolgen soll. In den wenigen Fällen, die hier überhaupt in Betracht kommen - wir wissen, da es hierüber keine Statistik gibt, nicht sicher, ob es 20, 40 oder 60 Fälle sind; viel mehr dürften es auf jeden Fall nicht sein -, geht es um eine Zinserstattung von etwa 100 DM. Darüber wird hier ein Heroenstreit geführt. Ich kann nur jedem raten, diese Sache so tief zu hängen, wie es angemessen ist. Es gilt das Prinzip: Es wird hier nicht verzinst. Das ist der Grundsatz. Meine Damen und Herren, hier wurden durch Frau Matthäus-Maier einige Töne eingeführt, die ich, glaube ich, doch ein bißchen ins Lot bringen muß. ({2}) In Ziff. 1 des Entschließungsantrags der SPD ist die Rede von der einhelligen Stellungnahme der Verfassungsrechtler vor dem Rechtsausschuß, als damals dieses Gesetz beschlossen wurde. Ich habe mir die Quellen geben lassen. Drei der fünf Professoren waren der Meinung, daß wir die Gesetzgebungszuständigkeit hätten. Es stimmt also nicht, was Sie hier hineingeschrieben haben. Das ist nicht die Wahrheit, was Sie hier geschrieben haben. ({3}) Drei waren der Meinung, daß wir die Gesetzgebungszuständigkeit hätten. Ich empfehle Ihnen also, sich künftig an die Wahrheit zu halten. Das Bundesverfassungsgericht hat 1952 in einer Entscheidung folgendes ausgeführt: Bedenken gegen die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes würden sich auch dann nicht ergeben, wenn man die Investitionshilfe - von damals als Zwangsanleihe ansehen wollte. Entgegen der Auffassung einiger Beschwerdeführer ist die Auferlegung von Zwangsanleihen auch nicht durch Art. 115 GG verboten. Das war für uns natürlich eine maßgebliche Quelle, um zu sagen: Das Bundesverfassungsgericht hat schon einmal - wenigstens in den Gründen - entschieden, daß Zwangsanleihen zulässig sind. Jetzt hat sich das Bundesverfassungsgericht von seiner eigenen Entscheidung aus dem Jahre 1952 entfernt. Das kann es natürlich. Aber dann ist es ja nicht so, daß es nicht gute Gründe gab, das anders zu beurteilen. Frau Matthäus-Maier, einen Ausdruck von Ihnen weise ich entschieden zurück, nämlich den, hier sei „vorsätzlich" verfassungswidrig gehandelt worden. Ich habe Ihnen nie vorgeworfen, daß Sie z. B. für die Alleinerziehenden 13 Jahre lang eine verfassungswidrige Regelung vorsätzlich nicht geändert haben. Das müssen wir jetzt lösen. Das haben wir von der vorigen Regierung übernommen. Ich habe Ihnen nie vorgeworfen, daß Sie das vorsätzlich gemacht haben. Wenn Sie beginnen, einer Regierung vorzuwerfen, daß sie „vorsätzlich" einen Verfassungsbruch begeht, dann stellen Sie sich im Grunde hier in diesem Parlament vom Platze. Ich weise das zurück. ({4})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Matthäus-Maier?

Dr. Hansjörg Häfele (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000774

Ich gebe Ihnen dann die Antwort, wenn Sie sich dafür entschuldigt haben, vorher nicht. ({0}) Zu dem, was Sie hier gesagt haben, hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichts vorgestern, am 13. November, in einem Interview im „Handelsblatt" ausgeführt: Er verwahrte sich dagegen, demjenigen, der in einem Verfassungsrechtsstreit unterlegen sei, „nun die Absicht des Verfassungsbruches zu unterstellen und solche Streitfragen zu politisieren oder gar zu kriminalisieren". Genau dagegen hat er sich gewandt, und zwar an Hand dieses Urteils. Ich weise also im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts zurück, was Sie hier gesagt haben.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Westphal?

Dr. Hansjörg Häfele (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000774

Ja, bitte sehr. Westphal: ({0}): Herr Staatssekretär, wissen Sie, daß Sie eben bei der Kollegin Frau Matthäus-Maier etwas zurückgewiesen haben, was Sie gar nicht gesagt hat?

Dr. Hansjörg Häfele (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000774

Sie haben vorher von einem vorsätzlichen Verfassungsbruch gesprochen. ({0})

Heinz Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Würden Sie lieber noch einmal nachlesen und dann so etwas noch einmal sagen?

Dr. Hansjörg Häfele (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000774

Sie haben vorher von vorsätzlichem Verfassungsbruch gesprochen. ({0}) Es ist höchste Zeit, daß Sie das zurücknehmen. ({1}) Wir wollen jetzt auf jeden Fall alles tun, um sicherzustellen, daß die Investitionshilfeabgabe rasch zurückgezahlt wird, daß der Löwenanteil möglichst noch vor Weihnachten zurückgezahlt wird. Es besteht gute Hoffnung, daß das auch erreicht wird. Dann wollen wir in aller Ruhe zu Beginn des Jahres den zweiten Teil beraten. Ich hoffe, daß wir auch den zweiten Teil des Steuerbereinigungsgesetzes zu einem guten Ende bringen können. Ich bedanke mich. ({2})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Solms das Wort zur Abgabe einer Erklärung nach § 30 unserer Geschäftsordnung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Krizsan hat mich heute nachmittag in der Debatte zur Lage der Gemeinden als Oberlobbyisten bezeichnet und diese Unterstellung - nicht mit dem Begriff, aber dem Sinne nach - eben in der Debatte wiederholt. Erstens weise ich diese Bezeichnung zurück. Zweitens nehme ich dazu in folgender Weise Stellung. ({0}) - Wenn Sie wollen, entschieden zurück. Aber ich komme gleich noch einmal darauf zurück. Ich bin selber selbständiger Unternehmer. Ich habe mein Unternehmen selbst gegründet. ({1}) und habe alle Gewinne, die ich in diesem Unternehmen erzielt habe, für Investitionen in diesem Unternehmen wieder verwendet. Wenn ich sage, daß eine Besteuerung auf Gewerbeertrag von 70% und mehr zu hoch ist, weil dann zuwenig übrigbleibt, um Investitionen zu tätigen, dann weiß ich, wovon ich rede; denn ich erlebe das täglich. ({2}) Ich habe in meinem Unternehmen in diesem Jahr mehr als 20 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. In demselben Jahr sind Sie, insbesondere die Abgeordneten der Fraktion DIE GRÜNEN, im Lande herumgelaufen und haben die Bürger verängstigt, die Unternehmer verunsichert und das Investitionsklima geschädigt. ({3}) Wenn Sie mich schon als Lobbyisten bezeichnen wollen, Herr Krizsan, nehme ich diese Bezeichnung insofern an, als ich die Interessen derer vertrete, die sich für eine gesunde Wirtschaftsstruktur in der Bundesrepublik einsetzen, und ich als Lobbyist für zukunftssichere Arbeitsplätze eintrete. Danke. ({4})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Ich erteile der Frau Abgeordneten Matthäus-Maier zur Abgabe einer Erklärung nach § 30 unserer Geschäftsordnung das Wort. ({0})

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Ich habe mich nicht zu entschuldigen und tue das auch nicht. Ich weise die Äußerung von Herrn Häfele zurück. Ich habe sinngemäß folgendes gesagt - das kann man nachlesen; ich habe frei gesprochen -: Wir werfen Ihnen vor, daß Sie die Investitionshilfeabgabe trotz größter Bedenken auf seiten aller Fachleute zumindest grob fahrlässig, ein Teil von Ihnen sicher auch vorsätzlich - ({0}) - Ja, sicher, das ist ja auch so. ({1}) - Natürlich ist das so. Wenn sich Herr Häfele darüber so aufregt, kann ich nur sagen: in solchen Fällen meint meine Schwiegermutter immer, getroffene Hunde bellen. ({2})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 32, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen. Wir treten in die dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen. ({0}) Vizepräsident Wurbs Wir stimmen nun über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/2369 ab. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. ({1}) Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12, 13 und 14 auf: 12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen - Drucksache 10/2283 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft ({2}) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Forschung und Technologie 13. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({3}) zu dem Antrag der Abgeordneten Büchner ({4}), Kastning, Kuhlwein, Frau Odendahl, Frau Schmidt ({5}), Dr. Schmude, Dr. Steger, Toetemeyer, Vogelsang, Weisskirchen ({6}) und der Fraktion der SPD Pläne der Bundesregierung zur Förderung von „Elite-Universitäten" zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Hochschulpolitische Zielsetzungen der Bundesregierung - Drucksachen 10/1337, 10/1675, 10/2159 Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Wisniewski Kuhlwein 14. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft ({7}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Förderung der Drittmittelforschung im Rahmen der Grundlagenforschung - Drucksachen 10/225, 10/332, 10/1121 Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Wisniewski Weisskirchen ({8}) Zu Tagesordnungspunkt 14 liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 10/2381 vor. Im Ältestenrat ist für die Tagesordnungspunkte 12 bis 14 eine gemeinsame Beratung mit einer Runde vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Wird das Wort zur Begründung oder zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat die Frau Bundesminister für Bildung und Wissenschaft.

Dr. Dorothee Wilms (Minister:in)

Politiker ID: 11002518

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Hochschulpolitik der Bundesregierung stehen die Zukunftschancen der jungen Menschen - ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Verzeihen Sie, Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf doch bitten, Platz zu nehmen oder die Gespräche draußen fortzuführen. - Ich bitte Sie, fahren Sie fort.

Dr. Dorothee Wilms (Minister:in)

Politiker ID: 11002518

Für die Hochschulpolitik der Bundesregierung stehen die Zukunftschancen der jungen Menschen im Vordergrund. Diesem Ziel dienen alle Maßnahmen, auch diejenigen, die die Bundesregierung inzwischen eingeleitet hat. Die Leistungsfähigkeit der Hochschulen in Forschung und Lehre muß gesteigert werden. Alle Möglichkeiten sind auszuschöpfen, um den Hochschulen auch in der gegenwärtig angespannten Situation die Erfüllung ihrer Aufgaben zu erleichtern. Wir müssen den jungen Menschen Ausbildungschancen sichern; deshalb müssen alle verfügbaren Kapazitäten genutzt werden. Die Hochschulen müssen in großem Umfang eine solide und anspruchsvolle Breitenausbildung sichern, aber sie müssen sich auch den Aufgaben der Spitzenförderung stellen. Die großen und zum Teil übermäßigen quantitativen Anforderungen dürfen nicht dazu führen, daß die Qualität der Ausbildung leidet: Auch heute sind optimale Leistungen in Wissenschaft und Forschung gefordert. Und auch in der jetzigen Phase der Überlast muß dafür Sorge getragen werden, daß die Qualität der Forschung an den Hochschulen erhalten bleibt. Mit dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, kurz „Zeitvertragsgesetz" genannt, soll ein wirksamer Beitrag zur Verbesserung der Forschungsbedingungen geleistet werden. Durch das Gesetz sollen die Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen besser als bisher ihrer gesetzlichen Aufgabe zur Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses nachkommen können. Geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, ist gerade angesichts der gegenwärtigen Situation der öffentlichen Haushalte besonders schwierig. Junge Wissenschaftler erhalten durch dieses Gesetz neue Chancen zur beruflichen Tätigkeit. Ohne eine solche Regelung, wie sie jetzt vorgesehen ist, heißt nämlich die Alternative für viele junge Wissenschaftler nicht Zeitvertrag oder Dauerstelle, sondern Zeitvertrag oder Arbeitslosigkeit. Die Forschungsinstitutionen innerhalb und außerhalb der Hochschule müssen in die Lage versetzt werden, einen Teil ihres wissenschaftlichen Personals immer wieder zu erneuern, um die KreaBundesminister Frau Dr. Wilms tivität junger Wissenschaftler nutzen zu können. Ohne den Zustrom neuer Ideen droht die Forschnung zu erstarren. Daher sind Zeitverträge in diesem Bereich ein sachlich angemessenes und unentbehrliches Instrument zur Erhaltung ihrer Funktionsfähigkeit. Der Gesetzentwurf ist auch ein hilfreicher Beitrag zur Bewältigung der Oberlast an den Hochschulen. ({0}) Mit dem Instrument der Zeitverträge wird es in den kommenden Jahren wieder möglich, wissenschaftliches Personal auch für Lehraufgaben verstärkt einzustellen. ({1}) Die Arbeitsbedingungen für die Drittmittelforschung müssen spürbar verbessert werden. Die vorgesehene Erweiterung der Möglichkeiten zum Abschluß von Zeitverträgen eröffnet den Hochschulen und Forschungsinstitutionen verbesserte und zusätzliche Möglichkeiten für die Einwerbung von Drittmitteln. Mit diesem Entwurf, meine Damen und Herren, entspricht die Bundesregierung vielfach geäußerten Erwartungen aus der Wissenschaft selbst. Die Wissenschaftsorganisationen haben seit Jahren und noch in jüngster Zeit wiederholt vor den Folgen einer Überalterung des Hochschulpersonals nachdrücklich gewarnt. Diese Warnungen sollten und müssen wir ernst nehmen. Die geltenden Regelungen für Zeitarbeitsverträge führen durch ihre Begrenzung auf Sonderfälle nicht zu einer hinreichenden Flexibilität und haben zu rechtlichen Unklarheiten geführt. Die Bundesregierung hätte eine tarifvertragliche Regelung dieses Problemkreises lieber gesehen, aber die Arbeitnehmerseite hielt eine Rechtsänderung sachlich nicht für erforderlich. ({2}) Angesichts der Mitverantwortung des Bundes für die Forschung sah sich die Bundesregierung daher verpflichtet, die ihr gegebenen Möglichkeiten zu nutzen und eine gesetzliche Regelung anzustreben. Die Bundesregierung entspricht damit auch der Beschlußempfehlung des Bundestagsausschusses für Bildung und Wissenschaft vom 14. März dieses Jahres. Bei der Vorlage des Entwurfs ist sich die Bundesregierung der Aufgabe bewußt, einerseits die personelle Mobilität und Flexibilität an den Forschungseinrichtungen zu verbessern, andererseits aber auch die Gebote zu beachten, die sich aus dem Sozialstaatsprinzip ergeben. Der Gesetzentwurf wird diesen Anforderungen gerecht. Zeitverträge sind im Forschungsbereich auch zukünftig nicht beliebig zulässig. Die Erweiterungen der Möglichkeiten für Zeitverträge halten sich in einem sozial zumutbaren Rahmen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eine Antwort auf die vielfach gestellte Frage geben, warum keine Verknüpfung der Neuregelung der Zeitverträge mit der von der Bundesregierung angestrebten Novellierung des Hochschulrahmengesetzes erfolgt. Dies erscheint nicht sinnvoll. Denn das Zeitvertragsgesetz bezieht außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ebenso wie universitäre Forschungseinrichtungen ein und greift damit über den Geltungsbereich des Hochschulrahmengesetzes erheblich hinaus. Der Entwurf kann im übrigen, da er sich auf die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes stützt, nach der Verabschiedung sofort geltendes Recht werden, bedarf also nicht der Ausfüllung durch Landesrecht. Ich denke, eine solche schnelle Verabschiedung und Umsetzung ist im Sinne einer Verbesserung der Berufschancen junger Menschen, insbesondere junger Wissenschaftler. ({3}) Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit einer Neuorientierung der Hochschul- und Wissenschaftspolitik steht die überfällige Korrektur hinsichtlich der Einschätzung der Drittmittelforschung. Die Drittmittelforschung hat zu lange im Schatten der Forschungspolitik gestanden. Ursache dafür waren die herrschenden Ideologien der 70er Jahre. ({4}) Die Drittmittel wurden und werden heute zum Teil verteufelt, obwohl sie zum größten Teil aus der öffentlichen Hand stammen. Drittmittel sind aber für die Qualität der deutschen Hochschulforschung von eminenter Bedeutung. Sie verbessern die materielle Ausstattung der Hochschulforschung und sorgen für Wettbewerb. Drittmittel spielen für die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses eine wichtige Rolle. Drittmittel sichern den Praxisbezug und sind unentbehrlich für die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft. Gegenwärtig stammt etwa ein Viertel der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in den Hochschulen aus Drittmitteln. Dies ist zu wenig. Der Anteil sollte erhöht werden. Eine Tatsache wird in diesem Zusammenhang meistens verschwiegen: Von den rund 1,6 Milliarden DM, die den Hochschulen für Forschung und Entwicklung jährlich zur Verfügung stehen, stammen heute nur rund 120 Millionen DM aus der Wirtschaft. Im Rahmen der geplanten Novellierung des Hochschulrahmengesetzes ist deshalb auch vorgesehen, die Drittmittelforschung zu erleichtern und damit die Hochschule und die Hochschulforschung für Forschungsvorhaben der Wirtschaft attraktiver zu machen. ({5}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch einmal betonen: Die Bundesrepublik ist in der Wissenschaft auf Spitzenleistungen angewiesen. ({6}) Dies gilt für die internationale Wettbewerbsfähigkeit ebenso wie für die Lösung aktueller Probleme bei uns im Lande. Für die Heranbildung eines hochqualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses werden zu den bestehenden Förderungsprogrammen auf die Dauer noch weitere Maßnahmen erforderlich sein. Die Bundesregierung wird hier weiter tätig bleiben. Mit der ideologisch bedingten Tabuisierung und damit verbundenen Vernachlässigung von Spitzenbegabungen, wie wir sie über lange Jahre erlebt haben, aus einem falsch verstandenen Egalitätsdenken heraus, werden wir jedenfalls den Herausforderungen der kommenden Jahre nicht gerecht werden. ({7})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001252, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die drei hochschulpolitischen Vorlagen, die heute auf der Tagesordnung stehen, geben uns Gelegenheit, die erste kleinere hochschulpolitische Debatte in dieser Legislaturperiode zu führen. Ich freue mich, daß wir soviel bildungspolitisch interessiertes Publikum hier haben, trotz dieser späten Abendstunde. ({0}) Größere Debatten werden noch folgen, wenn die Bundesregierung unsere Große Anfrage zur Hochschulpolitik beantwortet hat und wenn die von der Bundesregierung beabsichtigte Novelle zum Hochschulrahmengesetz das Plenum ereicht. Die Entstehungsgeschichte der Drucksachen, um die es heute geht, ist nicht ganz ohne besonderen Reiz. Die Beschlußempfehlung zu den befristeten Arbeitsverträgen für wissenschaftliche Mitarbeiter haben Sie bereits im Februar dieses Jahres mit Ihrer Mehrheit durch den Ausschuß gepeitscht, ({1}) weil sie angeblich besonders eilbedürftig war. Mit dieser Beschlußempfehlung fordern Sie die Bundesregierung auf, etwas zu tun, was sie ohne Zutun des Parlaments inzwischen bereits in Angriff genommen hat. Dann haben Sie diesen Punkt in einer nachgeschobenen Entschließung heute hier gestrichen und fordern nun noch erneut einen weiteren Bericht über alle möglichen Fragen. Dadurch wird allerdings diese Beschlußempfehlung nicht viel sinnvoller, die heute noch auf der Tagesordnung steht. ({2}) Mit der zweiten Beschlußempfehlung fordern Sie einen Bericht an, der nach der Vorstellung der Novelle zum HRG kaum noch Neuigkeiten zutage fördern wird. Ich glaube, ich greife nicht ganz daneben, wenn ich diesen Berichtswunsch, Herr Kollege Probst, als ein Stück Beschäftigungstherapie für ein Ministerium bezeichne, dessen Papierproduktion ohnehin inzwischen im umgekehrten Verhältnis zu seiner politischen Bedeutung steht. ({3}) - Sie haben doch demontiert, Herr Kollege Daweke, was die Bedeutung dieses Ministeriums in der Vergangenheit ausmachte. Wenn wir heute hier über Hochschulpolitik diskutieren, dann halte ich mich an das, was ich von der Regierung offiziell gehört habe. Ich halte mich an die im Referentenentwurf zum HRG erkennbaren Tendenzen Ihrer künftigen Hochschulpolitik. Da hat Frau Wilms mit bemerkenswerter Klarheit deutlich gemacht, ({4}) daß die Bundesregierung die Wende zurück in die 50er Jahre nun auch im Hochschulbereich einläuten will. Der Nebel Ihrer Thesen für die 90er Jahre, Frau Wilms, hat sich inzwischen gelichtet. Die Studenten, denen Sie gleich nach Ihrem Amtsantritt mit dem BAföG-Kahlschlag die Chancengleichheit zerstört haben, wissen jetzt ganz genau, woran sie sind. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter, die Sie mit dem Zeitvertragsgesetz zum beliebig disponierbaren Objekt professoraler Willkür machen wollen, wissen das jetzt ebenfalls ganz genau. ({5}) Sie haben, Frau Wilms, die Stichworte für die Kritik an Ihrem Vorhaben in dieser Woche in der Pressekonferenz selbst geliefert. Sie haben gesagt, da gebe es immer noch den Vorwurf des Zwei-KlassenSystems, der Refeudalisierung, der Wiederherstellung alter Ordinarienherrlichkeit, da gebe es den Vorwurf der Restauration. Dann haben Sie gesagt, das seien alles Vokabeln von gestern. Frau Kollegin Wilms, das sind nicht Vokabeln von gestern, sondern das ist die Zukunft unserer Universitäten, wenn Ihre HRG-Pläne jemals im Bundesgesetzblatt stehen sollten. ({6}) - Vielleicht können wir es noch verhindern. Sie haben, Frau Wilms, Ihre Vorhaben semantisch getarnt. Sie wollen damit angeblich die wissenschaftliche Freiheit stärken, die Chancen des Nachwuchses erhöhen, die Qualität der Ausbildung verbessern, die Hochschulforschung fördern. Das wären alles zweifellos löbliche Ziele. Aber der Weg, den Sie vorschlagen, hat mit diesen Zielen überhaupt nichts zu tun, und deshalb lehnen wir Ihre Pläne ab. Gerade weil wir für die Stärkung der wissenschaftlichen Freiheit und Mitbestimmung sind, lehnen wir Ihre Pläne ab, die Hochschullehrer wieder zur einzig relevanten Gruppe in der Hochschule zu machen. ({7}) Gerade weil wir dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine Chance geben wollen, wollen wir ihn nicht wieder zum Kofferträger von Professoren machen. ({8}) Gerade weil wir gut ausgebildete Studenten haben wollen, können wir kein Zwei-Klassen-System zulassen, das einzelnen Hochschullehrern die Möglichkeit gibt, sich um die Aufgabe der Lehre für die Masse der Studenten zu drücken. ({9}) Gerade weil wir den hohen Stand der deutschen Hochschulforschung halten wollen, wollen wir diese Hochschulforschung nicht über beliebige Drittmittelverfahren zu außengesteuerten Forschungslabors der Industrie machen. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, daß wir generell, Frau Wilms, etwas gegen Drittmittel hätten. ({10}) - Wir wissen auch, daß es sich weit überwiegend um Staatsknete handelt, Herr Kollege Daweke, und daß man für Staatsknete doch wohl politische Verfahren anwenden darf, wo Parlamente Kontrolle behalten und wo Mitbestimmung in den Hochschulen darüber besteht, wie Staatsknete verwendet wird. ({11}) - Fragen Sie die Kollegen von den GRÜNEN, dann wissen Sie das etwas besser: Das sind öffentliche Gelder, Herr Kollege, und wenn Sie nicht auf dem Höhepunkt der Diskussion sind, dann sollten Sie sich vorher erst mal umhören, bevor Sie hier so intelligente Zwischenfragen stellen. ({12}) Meine Damen und Herren, gerade weil wir die Studienreform für eine ständige gesellschaftliche Aufgabe halten, wollen wir sie nicht den Hochschulen allein überlassen. Aber es ist nicht nur die Richtung der hochschulpolitischen Wende, die der deutschen Wissenschaft schaden wird, es ist auch die Tatsache, daß die Bundesregierung einen 1976 mühsam erreichten gesellschaftlichen Kompromiß mutwillig aufkündigen will. Die Hochschulen haben weiß Gott gegenwärtig anderes zu tun, als sich mit immer neuen Strukturkonzepten zu beschäftigen, bloß weil Frau Minister eine Wiese für ihre wendeideologischen Spiele braucht. ({13}) Der Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz, Professor Berchem - Sie kennen ihn, Herr Kollege Daweke -, ({14}) hat in der vergangenen Woche deutlich gesagt, wie er das Vorhaben der Koalition einschätzt. Er hat wörtlich gesagt: „Wir haben drängendere Probleme an der Front." Das trifft genau den Punkt. Die SPD-Fraktion hat im vergangenen Monat an insgesamt 11 Hochschulen in der Bundesrepublik auf die Frage nach der Bedeutung der HRG-Novellierung zur Lösung aktueller Probleme dieselbe übereinstimmende Auskunft erhalten: Die Hochschulen wollen die inzwischen erreichte Organisationsruhe im Interesse ihrer wahrhaft wichtigeren Sorgen nicht wieder aufs Spiel setzen. ({15}) - Immerhin, Herr Kollege Probst, müssen die Hochschulen - das wissen Sie genau - fast doppelt so viele Studenten ausbilden, wie Studienplätze vorhanden sind. Übrigens trifft das auch die Einschätzung der Wissenschaftsminister aus den SPDregierten Ländern, ({16}) die bereits Ende vergangenen Jahres davor gewarnt haben, einen Vorstoß zu einschneidenden Änderungen des HRG würde eine hochgradig kontroverse hochschulpolitische Diskussion anfachen und mutwillig vor allem auch in den Hochschulen Gräben aufreißen. Sie haben, Frau Minister, diesen Grabenkrieg eröffnet. Sie werden sich die Folgen zurechnen müssen. ({17}) Sie werden auch die Verantwortung dafür zu tragen haben, wenn in den nächsten Monaten die wirklich berechtigten Forderungen der Hochschulen in einem Dschungel von HRG-Paragraphen erstickt werden. ({18}) Sie liefern mit der HRG-Diskussion den Ministerpräsidenten und den Finanzministern der Länder die Argumente dafür, die Hochschulen könnten die starken Jahrgänge durch effizienzsteigernde Maßnahmen zum Null-Tarif bewältigen. Glauben Sie im Ernst, Frau Minister, daß Sie mit dieser HRG-Novelle den Numerus clausus in Informatik verhindern werden? Glauben Sie ernsthaft, daß die Novelle dazu beitragen wird, auch nur eine einzige Million an Überlastmitteln bei den Ländern lockerzumachen? Glauben Sie wirklich, daß mit dem neuen Gesetz auch nur eine einzige Professorenstelle zusätzlich für den wissenschaftlichen Nachwuchs geschaffen wird? Sind Sie wirklich der Meinung, daß mit diesem Paragraphenwerk die immer noch vorhandene Kluft zwischen Gesellschaft in der Bundesrepublik und ihren hohen Schulen geschlossen wird? Glauben Sie wirklich, daß sich nach der Verabschiedung des Gesetzes die Berufschancen von Akademikern verbessert haben werden? Meine Damen und Herren, wir verbinden diese Debatte mit der ersten Lesung eines Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Nach diesem Entwurf soll es künftig möglich sein, Arbeitsverträge mit Wissenschaftlern an Hochschulen und staatlich dominierten hochschul7392 freien Forschungseinrichtungen aus nahezu beliebigen Gründen zu befristen. Der Gesetzentwurf paßt nahtlos in die Wendepolitik. Er wird dazu führen, daß wissenschaftliche Mitarbeiter dauerhaft im Arbeitsrecht schlechter gestellt sind als andere Arbeitnehmer. Die Gewerkschaften haben ausgerechnet, daß nach dem Entwurf die höchstmögliche Verweildauer der wissenschaftlichen Mitarbeiter in immer wieder neu befristeten Dienstverhältnissen bei 18 Jahren liegt. Glauben Sie im Ernst, Frau Minister, daß sich die von Ihnen so heiß ersehnte Elite auf das Vabanquespiel einer solchen Hochschulkarriere einlassen wird? Und beinahe noch schlimmer als der inhaltliche Gehalt des Gesetzentwurfs ist die Art und Weise des Vorgehens der Bundesregierung. Weil Ihnen die Sonderregelung II Y des Bundesangestelltentarifvertrages, die für die Befristung einen sachlichen Grund erfordert, nicht paßt, bemühen Sie jetzt den Gesetzgeber. Dabei hat es ernsthafte Verhandlungen mit den Gewerkschaften über diesen Tarifvertrag überhaupt nicht gegeben. ({19}) Sie bewegen sich mit diesem Gesetzentwurf verfassungsrechtlich auf sehr schwankendem Boden. Das sagen wir Ihnen rechtzeitig - Herr Kollege Häfele -, damit Sie nicht wieder kommen wie bei der Investitionshilfeabgabe und sagen, Sie hätten es nicht gewußt und nicht geahnt. ({20}) Die Gewerkschaften haben zu Recht darauf hingewiesen, daß hier Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes und damit Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie berührt sind. Es ist schon ein ungeheuerlicher Vorgang, daß die Bundesregierung nach Belieben und ohne Skrupel einen gültigen Tarifvertrag durch die Mehrheit im Deutschen Bundestag aushebeln will. ({21}) Wenn das Schule macht, meine Damen und Herren, dann brauchen die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst mit Herrn Zimmermann in Zukunft gar nicht mehr zu verhandeln. ({22}) Die Bundesregierung will mit dem Zeitvertragsgesetz eine schnellere Rotation der jungen Wissenschaftler an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen erreichen. Unter den Bedingungen des heutigen Arbeitsmarktes sei für viele junge Wissenschaftler die Alternative nicht Zeitvertrag oder Dauerstelle, sondern Zeitvertrag oder Arbeitslosigkeit, behauptet Frau Wilms. Als ob man dieses Problem dadurch lösen könnte, daß man plötzlich ein Rotationssystem zur Tugend erklärt, dessen Effizienz man sonst mit guten Gründen in Frage stellt, Diese Rotation schafft jedenfalls keine einzige zusätzliche Stelle, und allein auf die Stellen kommt es an, wenn die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses nachhaltig verbessert werden soll. In Ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Koalitionsfraktionen - Drucksache 10/1820 - hat die Bundesregierung das auch freimütig zugegeben. ({23}) Meine Damen und Herren, die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat in der vergangenen Woche erneut gefordert, daß dem Hochschulbereich keine Stellen mehr entzogen werden, daß das Überlastprogramm finanziert wird und daß für den wissenschaftlichen Nachwuchs zusätzliche Dauerstellen eingerichtet werden, die in den 90er Jahren bei sinkenden Studentenzahlen und wieder steigenden Pensionierungen von Hochschullehrern abgebaut werden können. Wer hindert eigentlich die Bundesregierung daran, statt dubioser Paragraphenschusterei ihre gesamtstaatliche Verantwortung für das Bildungswesen wahrzunehmen? ({24}) Wer hindert eigentlich den Bundeskanzler daran, sich bei seiner nächsten Besprechung mit den Ministerpräsidenten im Dezember für die hochqualifizierten Wissenschaftler auf Zeitvertragsstellen oder in der Arbeitslosigkeit einzusetzen, deren Förderung als Elite ihm angeblich so sehr am Herzen liegt? Wer hindert ihn daran - so, wie das Helmut Schmidt 1977 getan hat -, mit den Ministerpräsidenten eine Vereinbarung darüber zu treffen, daß die Zukunftschancen der geburtenstarken Jahrgänge - und damit auch unsere Zukunft - auch mit zusätzlichen finanziellen Mitteln für die Hochschulen gesichert werden müssen? Wer hindert Helmut Kohl eigentlich daran, mit seinen Freunden von der Wirtschaft auch einmal darüber zu reden, daß man qualifizierten Nachwuchswissenschaftlern aus gutem Grund auch berufliche Chancen in der Wirtschaft bieten muß? ({25}) Was soll eigentlich das Gerede darüber, wir müßten wieder Spitze werden oder wir seien auf Spitzenleistungen angewiesen, wenn nicht einmal diejenigen, die bereits Spitze sind, einen Job bekommen? Meine Damen und Herren, die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat recht, wenn sie erklärt, daß ohne die Erfüllung unabdingbarer Forderungen - ich zitierte - „politische Beschwörungen von Spitzenforschung und Elitebildung nur als widersprüchliche Leerformeln gewertet werden können". Frau Wilms, mit Ihren HRG-Plänen werden Sie die Zukunft der deutschen Hochschulen nicht sichern können. Hier hilft nur noch eine große politische Kraftanstrengung, die der Bildungspolitik den Stellenwert zurückgibt, der ihr für die Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation zukommt. Da ist die Bundesregierung insgesamt gefordert. Da ist der Bundeskanzler gefordert. Dabei - aber auch nur dabei - bieten wir Ihnen als Opposition unsere Unterstützung an. Herzlichen Dank. ({26})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat Frau Abgeordnete Professor Wisniewski.

Prof. Dr. Roswitha Wisniewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die drei Beratungsgegenstände des heutigen Abends - der Antrag der Koalitionsfraktionen auf Berichterstattung über die hochschulpolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung, der Bericht der Bundesregierung zur Förderung der Drittmittelforschung im Rahmen der Grundlagenforschung und dazu der Beschluß des Ausschusses, vor allem aber der Gesetzentwurf der Bundesregierung über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungsstätten - sind, lieber Herr Kuhlwein, wichtige Marksteine auf dem Weg zu einer neuen Wissenschaftspolitik. Was Sie eben gesagt haben und was auch in dem Antrag der SPD-Fraktion steht, der heute auch vorliegt, nimmt sich wie ein Relikt aus, das zum Glück aus vergangenen Zeiten stammt. In dem Antrag steht etwas von angeblichen Plänen der Bundesregierung zur angeblich von ihr - wie es so schön heißt - „von Grund auf" angestrebten „Veränderung des in der Bundesrepublik Deutschland gewachsenen Systems der staatlichen Hochschulen". Wer sagt - wie es in der Begründung eben dieses Antrages der SPD heißt -, Elite-Universitäten beinhalteten die Gefahr - ich zitiere jetzt wörtlich -, „daß Forschung aus der gesellschaftlichen Verantwortung entlassen und lediglich bestimmten Wirtschaftsinteressen dienen soll", ({0}) der befindet sich immer noch im klassenkämpferischen Irrglauben der 60er und 70er Jahre, ({1}) ein Irrglaube, der meinte und offenbar immer noch meint, daß die Hochschulen so etwas wie eine Schlüsselstellung innehaben für die Veränderung der gesamten Gesellschaft. ({2}) Wissenschaftspolitik heute muß den Mut haben, die Rolle der Wissenschaft in ihrer ebenso hervorragenden wie begrenzten Stellung im Gesamt der gesellschaftlichen Kräfte und Institutionen neu zu bestimmen. Wenn nach Jahren einer teilweise falschen Einschätzung die Leistungsfähigkeit unserer Hochschulen - denn es war doch die Hochschulpolitik der SPD, die die Hochschulen in die Situation gebracht hat, manchmal überhaupt nicht mehr leistungsfähig zu sein - ({3}) - Entschuldigung, diese Erfahrung können Sie nicht negieren. Wenn die Leistungsfähigkeit unserer Hochschulen wiederhergestellt, gewährleistet und verbessert werden soll, ({4}) - wir brauchen die Studenten nicht zu entfernen, im Gegenteil: wir mögen die Studenten sehr gerne -, ({5}) ist es unter einem sachlich und nicht ideologisch begründeten Ansatz notwendig, in geduldiger und energischer Kleinarbeit das vorhandene Instrumentarium zu überprüfen und es gemäß den Aufgaben der wissenschaftlichen Einrichtungen zu gestalten. ({6}) Dies, nicht mehr, aber auch nicht weniger, wird im Antrag der CDU/CSU-FDP-Koalition gefordert. Der sehr detailliert erbetene Bericht der Bundesregierung wird die Grundlage für die wissenschaftspolitische Arbeit des Bundestages in den kommenden Jahren sein. ({7}) Das Hochschulsystem der Bundesrepublik ist, anders als das im Ausland zum Teil der Fall ist, im wesentlichen auf staatliche Hochschulen beschränkt. Die belebende Konkurrenz des Nebeneinanders von staatlichen und privaten Hochschulen, wie sie etwa im amerikanischen Hochschulsystem vorhanden ist, fehlt bei uns fast völlig. ({8}) - Das sind kleine Anfänge. ({9}) Insgesamt läßt sich - ich sage es noch einmal - diese wirklich wichtige Konkurrenz, die man im amerikanischen Universitätsleben allerorten verspürt, leider nicht verzeichnen. ({10}) Deswegen müssen die Bemühungen der Bundesregierung mit Nachdruck begrüßt werden, Möglichkeiten für die zusätzliche Gewinnung von Drittmitteln für Forschungsvorhaben aus Stiftungen, Forschungsförderungseinrichtungen, aber vor allem auch aus privaten Zuwendungen zu schaffen.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Professor Diederich?

Prof. Dr. Roswitha Wisniewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Dr. Nils Diederich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000382, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, wollen Sie, da Sie uns das amerikanische Beispiel vor Augen halten, dies auch insoweit übernehmen, daß man in Zukunft bis zu 30 000 oder 40 000 DM pro Jahr für einen Universitätsplatz zu zahlen hat? ({0}) - Kann ich Ihnen sagen.

Prof. Dr. Roswitha Wisniewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir wollen vielleicht im Januar - so hoffen wir - eine ganz grundsätzliche hochschulpolitische Debatte führen, wo wir diese Fragen gerne beantworten können. Nach dem augenblicklichen Stand wird ein solches Universitätssystem, wie es das amerikanische ist, überhaupt nicht angestrebt. Insofern ist die Frage irrelevant. ({0}) Was im Moment angestrebt wird, ist, daß durch die Erleichterung der Drittmittelforschung mehr private Initiativen in die Universitäten kommen - Herr Kollege, wenn Sie dies vielleicht noch als Zusatz zu Ihrer Antwort entgegennehmen wollen -, daß die Erweiterung und Verbesserung des privaten Miteinanders, auch von Bürgern, die Interesse an Forschungseinrichtungen und deren Forschungen haben, erreicht wird, um auf diese Weise den privaten Einfluß über die Drittmittel zu stärken. Dies ist, wenn Sie so wollen, ein deutsches Konzept und meines Erachtens ein ziemlich einmaliges Konzept, ({1}) dessen Wirksamkeit sich aber bereits überall dort in den Ländern abzuzeichnen beginnt, wo die Drittmittelforschung in dieser Weise bereits ermöglicht wird.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kastning?

Prof. Dr. Roswitha Wisniewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002532, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich glaube, jetzt wird es leider nicht möglich sein. Die Zeit läuft weg. ({0}) Die Drittmittel dienen nicht nur der finanziellen Besserstellung der Forschung und der Verbesserung der Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Die Erleichterung und Flexibilisierung bei der Verwaltung von Drittmitteln ist auch eine entscheidende Wendung zu mehr Freiheit in der Wissenschaft, aber auch zu mehr Anregung und Begegnung zwischen dem, wie es so schön heißt, gesamtgesellschaftlichen Umfeld ({1}) und den einzelnen Forschungsstätten. ({2}) Daß sich der einzelne Bürger, wenn er will, direkt mit denen in Verbindung setzen kann, die Forschungsvorhaben durchführen, und daß er versuchen kann, seine Anregungen und Anliegen durch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln in ein Forschungsvorhaben einfließen zu lassen, ist eine wichtige Grundlage für mehr Lebendigkeit und mehr Wettbewerb innerhalb der wissenschaftlichen Einrichtungen, aber auch ein wichtiger Beitrag zur Heranführung der Bürger an die Hochschulen. Es ist zu wünschen, daß etwas von der Verbundenheit der Menschen mit ihren Hochschulen, wie sie etwa für Amerika typisch ist, auch bei uns in der Bundesrepublik entsteht. Aber nun zum Wichtigsten. Die Bundesregierung legt den Entwurf eines Gesetzes über befristete Arbeitsverträge für wissenschaftliches Personel vor, nachdem der durchaus ernste und in eingehenden Verhandlungen manifestierte Versuch fehlgeschlagen ist, ({3}) mit den Tarifpartnern eine Lösung der anstehenden Probleme durch tarifvertragliche Regelungen zu erreichen. ({4}) - Entschuldigung, aber dies können Sie nicht ernst meinen, Herr Kollege! Der Gesetzentwurf sieht vor, daß im Bereich der Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusätzlich zu den nach geltendem Recht bereits bestehenden Möglichkeiten eine Reihe von Tatbeständen neu eingeführt werden, auf die der Abschluß von Zeitverträgen mit wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern, mit ärztlichem Personal und mit Lektoren gestützt werden kann. Die bisherigen arbeitsrechtlichen Regelungen haben sich als nicht wissenschaftsadäquat erwiesen. Die Vielfältigkeit und die mangelnde Kontinuität bei sich ändernden Forschungsprojekten bringen es mit sich, daß wissenschaftliche Mitarbeiter nicht ausschließlich oder sogar nicht einmal in erster Linie in Dauerstellungen tätig sein können. Wird dies außer acht gelassen, ergeben sich vielfache Hemmnisse für die Forschung. Ob andererseits das Anliegen der Kontinuität bewährter Mitarbeiter im Gesetzentwurf genügend berücksichtigt worden ist, wird sich in der Diskussion zeigen. Fluktuation ist jedenfalls auch für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses unerläßlich. Wir müssen eine ausgewogene Altersstruktur herstellen; sonst droht eine Erstarrung in den Universitäten, die nicht zu vertreten ist. Es ist der Bundesregierung und insbesondere Frau Minister Wilms ausdrücklich dafür zu danken, daß sie für die speziellen Anliegen der wissenschaftlichen Einrichtungen ein hohes Maß an Verständnis aufbringt, ({5}) und daß sie die im Hochschulurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973 ausdrücklich formulierte Pflicht des Staates ernst nimmt, von Verfassungs wegen Vorkehrungen zu treffen, die die Funktionsfähigkeit der wissenschaftlichen Einrichtungen gewährleisten. Die Fortentwicklung der weiterhin gültigen Rechtsposition, nach der ein sachlicher Grund vorliegen muß, wenn der Bestandsschutz gemäß Kündigungsschutzgesetz ausgeschlossen sein soll, wie sie mit diesem Gesetzentwurf gemäß den besonderen Bedürfnissen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen vorgenommen wird, ist eine wissenschaftspolitisch richtungweisende und für das Gedeihen der Wissenschaft in der Bundesrepublik bedeutsame Tat. Sie wird nicht nur den Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen, sondern auch den Forschern „vor Ort" zugute kommen. Sie wird auch Arbeitsplätze schaffen, ({6}) und sie wird jungen Wissenschaftlern Einstiegsmöglichkeiten eröffnen. Das ist angesichts der wenig hoffnunggebenden Situation für die heutigen Absolventen der Hochschulen dringend notwendig. Das Gesetz dient eindeutig der Förderung junger Nachwuchskräfte, wenn die Zeit der Promotion nicht auf die Höchstgrenze der Beschäftigung von fünf bzw. acht Jahren angerechnet werden soll und wenn auch sonst Zeitverträge etwa der Anstellung als beamteter wissenschaftlicher Assistent vorgeschaltet werden können. Damit kann Eignung oder Nichteignung für den Beruf des Wissenschaftlers besser erprobt werden, was bei den starren Qualifikationsfristen, deren Herausforderung sich der Nachwuchswissenschaftler zu stellen hat, eine begrüßenswerte Hilfe darstellen muß. ({7}) Mit besonderem Nachdruck möchte ich darauf hinweisen, daß in diesem Gesetz meines Wissens zum erstenmal im Bereich der Wissenschaftspolitik die besonderen Belastungen berücksichtigt werden, denen sich Wissenschaftlerinnen gegenübersehen, wenn sie Kinder zu betreuen haben. Man kann die Regierung nur ermutigen, diesen Gesichtspunkt auch in anderen Gesetzen und Verordnungen innerhalb des Hochschulbereichs wirksam werden zu lassen, weil gerade hier das zeitliche Zusammentreffen von Qualifikationsphase in der Wissenschaft und Familienphase für Frauen zu erheblichen beruflichen Benachteiligungen führt. ({8}) Insgesamt darf festgestellt werden, daß sich zusammen mit dem - wenn auch schüchternen - Anfang einer Revision des Hochschulzulassungsverfahrens im Bereich der medizinischen Fächer mit den heutigen Parlamentsvorlagen die Konturen einer Wissenschaftspolitik der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen abzuzeichnen beginnen, die für die in den vergangenen Jahrzehnten oft an der Bildungspolitik und den Bildungspolitikern schier verzweifelnden Wissenschaftler ein Signal der Hoffnung sein dürften und die auch so verstanden und gewürdigt werden sollten. ({9}) Ich plädiere für die Annahme der Anträge der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP bzw. der Ausschußanträge, zumal die Anliegen des Antrags der SPD weitgehend im Koalitionsantrag aufgenommen worden sind. Ich denke, wir werden im Ausschuß über das Zeitvertragsgesetz eingehend, kontrovers, aber vielleicht auch zu einem gemeinsamen Schluß hinführend debattieren. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({10})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Professor Jannsen. ({0})

Prof. Dr. Gert Jannsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001016, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich ja sehr über Ihre Jubelschreie, wenn ich hier auftrete, ich bin allerdings nicht hierhergekommen, um Ihnen Spaß und Freude zu verursachen, ({0}) sondern darüber nachzudenken, was mit den Vorlagen, die hier zu behandeln sind, denn eigentlich zum Teil geschehen ist und was mit ihnen geschehen soll. Ich denke, es ist notwendig - auch für Sie, Herr Probst -, einmal öffentlich darüber nachzudenken, was eigentlich an den deutschen Hochschulen geschieht, und zur Kenntnis zu nehmen, was Leute, die sich mit dieser Problematik auseinandergesetzt haben, dazu zu sagen haben. Ich möchte noch einmal auf den ersten Teil dieser verbundenen Debatte zurückkommen, auf das Gesetz über Zeitverträge für wissenschaftliches Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Ich denke an den Februar des letzten Jahres, als es die Koalition ungeheuer eilig hatte, einen Antrag durchzubringen, der - wie wir inzwischen wissen - keinen anderen Zweck hatte, als in die anstehenden Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern im Bereich dieses Teils des öffentlichen Dienstes einzugreifen. ({1}) Dieser Antrag ist inzwischen gegenstandslos geworden. Er steht aber heute noch auf der Tagesordnung. Weder ich für meine Fraktion noch die SPD haben an der Abstimmung über den Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft teilgenommen. Es ist sehr deutlich zu erkennen, daß dieser Antrag die Funktion hatte, eine Drohung gegenüber den Tarifpartnern auszusprechen. ({2}) - Aber ich bitte Sie, in dem Bericht steht: Wenn keine tarifvertragliche Einigung im Sinne ({3}) der Arbeitgeber stattfindet, dann wird ein Gesetz notwendig. - Das ist die Entscheidungsgrundlage gewesen. ({4}) Sie wissen, daß diese Form des Eingriffs in tarifliche Auseinandersetzungen politisch äußerst problematisch und rechtlich fragwürdig ist. Darauf hat Herr Kuhlwein schon hingewiesen; ich werde mir das hier ersparen. Denn die Auseinandersetzung darüber, ob Sie damit in Verfassungsbestimmungen eingreifen oder nicht, wird wie immer wahrscheinlich erst nachher geführt werden und nicht zu dem Zeitpunkt, wo es notwendig wäre, also nicht vorher. Ich möchte dazu nur sagen, daß Herr Pfeifer im Bundesrat erklärt hat, dieser Entwurf behandle eine abgrenzbare arbeitsrechtliche Problematik. Der Entwurf ist aus zwei Teilen als Entwurf eines Artikelgesetzes zusammengefügt, nämlich aus einem Teil, der über das Hochschulrahmengesetz geregelt werden soll, und einem Teil, der nur die Forschungseinrichtungen betrifft. Das Hochschulrahmengesetz verlangt allerdings die Vorgabe eines Rahmens und kann nicht eine abschließende Vollregelung vorsehen. Das wird hiermit aber gemacht. Ich verweise dabei auf § 57 a. Politisch ist dieser Gesetzentwurf deswegen nicht akzeptabel, weil damit einerseits in die Tarifautonomie eingegriffen wird und andererseits die seit 1951 bestehende Regelungen zum Kündigungsschutz angegriffen werden. Denn wenn irgendein Drittmittelgeber ohne Einwirkung des Betroffenen seine Drittmittel zurückzieht oder nicht verlängert, obwohl das Projekt vielleicht noch nicht abgeschlossen ist - aus welchen Gründen auch immer -, wird das für die betroffenen wissenschaftlichen Mitarbeiter fristlose Kündigung bedeuten. ({5}) - Ich werde die Punkte, die ich für richtig halte, die ich aus dieser Vorlage entnehme, darstellen. Ob sie, Herr Daweke, das für richtig halten oder nicht, interessiert mich dabei überhaupt nicht. ({6}) Das können wir vielleicht unter anderen Bedingungen beraten, aber nicht hier, weil Sie j a eh nicht der Meinung sind, daß irgendeine der Äußerungen, die ich hier mache, von Relevanz ist. ({7}) Ich möchte aber die weitere wissenschaftspolitische Problematik, die hier diskutiert worden ist und hier angesprochen werden muß, noch etwas verschärfen. Ich beziehe mich hier, was ich selten tue, auf Äußerungen des Deutschen Beamtenbundes, der erstens sagt: Insgesamt aber berücksichtigt der Entwurf zuwenig die Interessen der betroffenen Wissenschaftler. - diese Wissenschaftler sind wohl diejenigen, die den Wissenschaftsprozeß tragen - und zweitens ausführt: Dies würde langfristig zu einer Negativauslese des in Forschung und Lehre tätigen Personals führen. Das mag man immerhin bedenken, gerade auf den Bänken der Koalition. Denn der Gesetzentwurf wird j a mit der Behauptung eingebracht, er werde eine positive Leistungsentwicklung an den Hochschulen einleiten. Die Existenzbedingungen der jungen Wissenschaftler im Hochschulbereich werden aber erschwert. Soziale Sicherungen, die sie bislang noch haben, werden reduziert. ({8}) Das bedeutet, daß der Versuch, in den Hochschulbereich hineinzukommen, von ihnen möglicherweise sogar abgelehnt wird. Das ist der erste Punkt. Zweiter Punkt. Es bedeutet zugleich, daß diese Form der Beschäftigung zu immer schnellerer Umwälzung des wissenschaftlichen Personals führen wird. Was schnellere Umwälzung im Wissenschaftsbereich bedeutet, können sich wahrscheinlich diejenigen, die dort nicht gearbeitet haben, nicht recht ausmalen. Wissenschaft, besonders die Grundlagenforschung, setzt zweierlei voraus: Kontinuität und Muße. Arbeitsintensität, Forscherwille usw. sind als Selbstverständlichkeiten hinzuzudenken. ({9}) Ihre Vorstellungen sind die - das wird auch im Zusammenhang mit der HRG-Novelle sehr deutlich-: Kontinuität und Muße gibt es nur für Professoren. Die anderen, die Nicht-Professoren, haben gefälligst diskontinuierlich zu sein und zu arbeiten und ohne Muße so schnell wie möglich das zu erschaffen, was wissenschaftliche Produktion heute bereitstellen soll. ({10}) - Herr Neuhausen, Sie werden sich wundern: Das glaube ich. Sie werden sehen, daß es so kommen wird. Ich kenne inzwischen die Wirklichkeit an den deutschen Hochschulen etwas. Ich habe selber meine Erfahrungen machen müssen. Ich weiß selber, wie schwierig und wie problematisch es ist, Drittmittel zu bekommen und dann noch Leute zu beschäftigen. Es geht nicht um mich persönlich. Ich war an einem naturwissenschaftlichen Fachbereich Dekan. ({11}) - Das können Sie sich nicht vorstellen, aber das ist mir auch egal. ({12}) - Sie haben sich getäuscht; es heißt „Spektabilität". ({13}) Der wissenschaftliche Nachwuchs wird auf diese Weise in eine Arbeits- und Produktionsform hineingezwungen, die - gekoppelt mit der realtiv engen und kurzfristigen Vergabe von Drittmitteln - dazu führen wird, daß er sich eine Arbeitsweise angewöhnen muß, die auf kurzfristigen Ausstoß gerichtet ist. Er muß ja in der Arbeitszeit, die er zur Verfügung hat, mit der er rechnen kann - das sind in der Regel ein bis zwei Jahre -, seine gesamte wissenDr. Jannsen schaftliche Reputation erwerben, die es ihm gestattet, sich auf andere Stellen zu bewerben, um noch eine Chance zu haben. Das ist der Punkt. Hier wird also gerade von den jungen Leuten her Wissenschaft in einer Form betrieben, die für diese jungen Leute jedenfalls keine langfristigen Perspektiven, keine längerfristige Planung und nicht den entsprechenden Umgang mit den Möglichkeiten eröffnet, die in der Wissenschaft gegeben sind. Frau Wisniewski hat in der Debatte am 29. Juni hier das Schreckensbild gemalt, daß es sich um die Produktion von Handlangern durch und für Herrschende handelt. Dem würde ich nicht zustimmen. Es handelt sich nicht um die Produktion von Handlangern für Herrschende - das wäre in diesem Zusammenhang eine unzulässige Personalisierung -, sondern es handelt sich wirklich darum, ({14}) daß sich Menschen in einem Wissenschaftsbetrieb zu kurzfristig produzierenden Arbeitern entwickeln sollen, die keine Möglichkeiten mehr haben, an neuen Verfahren, an neuen Methoden zu arbeiten, ({15}) die schon gar keine Möglichkeit mehr haben, etwas zu vollziehen, was vor einigen Stunden durch die Äußerungen von Herrn Schmidbauer und Herrn Duve in die Debatte über Boden und Wasser eingeführt wurde, nämlich die ganzheitliche Orientierung der Wissenschaftler, die Orientierung auf eine ganzheitliche Naturbetrachtung, die es möglich macht, mehr zu sehen als nur den engen wissenschaftlichen Output. Sie werden weiterhin diese Wissenschaftler davon abhalten, die Möglichkeiten der Reflexion in bezug auf die sozialen und gesellschaftlichen Probleme ihrer Wissenschaft zu nutzen, weil sie sonst nicht mit einer wissenschaftlichen Perspektive rechnen können. Noch ein Wort zu dem, was hier immer als Grund für die Notwendigkeit solcher Novellierungen an die Wand gemalt wird, nämlich zu dem Leistungsverfall der deutschen Hochschulen. ({16}) Ich weise darauf hin, daß 1968 im Marburger Manifest der Hochschullehrer, die zwei oder drei Jahre später den „Bund Freiheit der Wissenschaft" gegründet haben, vom Leistungsverfall die Rede ist ({17}) und daß fast mit denselben Worten 1983 Herr Kohl als Bundeskanzler vor der WRK der Wissenschaft Qualitätsverlust und Mittelmäßigkeit bescheinigt - und das trotz all der Entwicklungen im Hochschulbereich, die wir in diesen 15 Jahren erlebt haben, trotz all der problematischen Spitzenforschung im internationalen Bereich, die die Bundesregierung kennt und die wir jederzeit konstatieren können. Anders als früher wissen wir, daß diese Entwicklung in den letzten 15 bis 20 Jahren äußerst problematisch gewesen ist und daß viele Dinge, die dort erforscht und erarbeitet worden sind - ich nenne nur einmal die Arbeit an der Atomforschung und an der Gentechnologie -, sehr, sehr problematisch sind.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Boroffka?

Prof. Dr. Gert Jannsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001016, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bitte sehr, Herr Boroffka.

Peter Boroffka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, können Sie dem Hause erklären, wie viele Nobelpreisträger diese glanzvolle Universitätsentwicklung in Deutschland hervorgebracht hat?

Prof. Dr. Gert Jannsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001016, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Boroffka, Sie wissen, daß Nobelpreise in der Regel erst mehr als 15 Jahre nach Abschluß der entsprechenden Arbeiten verliehen werden. ({0}) Ob es junge deutsche Wissenschaftler geben wird, die für Leistungen in den letzten 15 Jahren Nobelpreise bekommen - außer dem einen, den es schon gibt -, das werden wir in den nächsten Jahren erfahren, und das können wir nicht schon jetzt wissen. Außerdem ist das Kriterium Nobelpreis durchaus noch kein Kennzeichen dafür, daß die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit verlorengegangen ist. ({1}) Das kann nur jemand fragen, der denkt, wissenschaftliche Leistung sei eine Einzelleistung. Wissenschaftliche Leistung ist schon seit Jahrzehnten im naturwissenschaftlichen, technikwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Bereich eine kooperative Leistung. Diese kooperative Leistung gilt es zu entwickeln. Sie darf nicht unterdrückt werden. Ein Wettbewerb zwischen einzelnen Individuen wird nicht dazu führen, daß kooperative Leistungen eine höhere Entwicklung erfahren, als es zur Zeit der Fall ist. ({2})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Professor Laermann. ({0})

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Daweke, so ist es nun einmal, wenn man hier über Elite und Elitehochschulen spricht, ist doch klar, wer dann spricht. - Frau Kollegin Hickel, ich hoffe nicht, daß Sie sich hier ausblenden wollen. Wir haben heute abend in verbundener Debatte über drei Themen zu reden. Das ist einmal die Stellung der Bundesregierung zu Eliteuniversitäten, zum anderen die Frage der Zeitverträge und schließlich die Frage der Drittmittelforschung. Lassen Sie mich versuchen, das in einen etwas anderen Zusammenhang zu bringen, als meine Vorredner das gemacht haben. Gleichwohl kann ich mir nicht die Bermerkung verkneifen, Herr Kollege Kuhlwein, daß Sie außer Polemik auch nicht viel zu bieten hatten. ({0}) Ich habe mich gefragt, wann Sie eigentlich zuletzt eine Hochschule von innen gesehen haben. Können Sie sich eigentlich vorstellen, wie ich mir vorkomme, wenn Sie davon sprechen, daß die wissenschaftlichen Angestellten und Mitarbeiter Kofferträger der Professoren seien, ({1}) Objekte professoraler Willkür? ({2}) - Lassen Sie mich zunächst einmal die Position meiner Fraktion auch zur Frage der Elite kurz darlegen. ({3}) - Herr Kuhlwein, mit Schreien und mit Lautstärke hat man noch nie -

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, sich zu dieser späten Stunde mit den Äußerungen etwas zu zähmen. Wir sind in der letzten Runde.

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich erst einmal etwas sagen, etwas zur Sache ausführen, Herr Kollege, bevor Sie mit Fragen kommen? Ich stehe gleich gerne für Fragen zur Verfügung, wenn es die Zeit erlaubt, Herr Präsident. ({0}) Ich möchte Ihnen zunächst die Position meiner Fraktion zur Frage der Elite und der Hochbegabten kurz skizzieren. Wir halten die Begabten- und Hochbegabtenförderung für notwendig zur Verwirklichung des Bürgerrechts auf Bildung. Sie ist ebenso unverzichtbar für uns wie die Breitenförderung; denn erst aus der Breitenförderung werden wir die Begabten und die Eliten herausfinden können. ({1}) Es ist für und eine ständige Aufgabe - und nicht nur für uns, sondern wir sind der Auffassung, daß das für alle am Bildungs- und Ausbildungsprozeß Beteiligten eine ständige Aufgabe ist -, diese Eliten und diese Hochbegabten zu fördern. Das hat unabhängig - das sage ich noch einmal ausdrücklich - von der sozialen Herkunft und der sozialen Situation zu erfolgen. ({2}) - Nein, überhaupt nicht. Wir verstehen Eliten keinesfalls als Standeseliten, sondern als eine Elite - Herr Kuhlwein, hören Sie gut zu -, die diese Bezeichnung auf eigene herausragende Leistungen gründet. ({3}) Und die Fähigsten haben zum einen als Individuum einen Anspruch auf besondere Entwicklungsmöglichkeiten und besondere Förderung. Aber - ich füge dies ausdrücklich hinzu - sie haben auch eine Verpflichtung, diese ihre Fähigkeiten zum Wohle der Allgemeinheit und dieser Gesellschaft einzusetzen. ({4}) Deswegen sind wir verpflichtet, gerade die Befähigtesten zu fördern, und zwar, ich wiederhole es, ohne Rücksicht auf ihre soziale Herkunft und ihre soziale Situation. Das ist unsere Position. ({5}) Diese Begabten- und Leistungsförderung ist im Wettbewerb innerhalb der Hochschule wie auch der Hochschulen unterneinander zu verbessern. Dazu werden wir im Zusammenhang mit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes sicher einige Vorschläge machen, wie wir die Voraussetzungen dafür schaffen, uns diesen Begabten wieder mehr und besser zuwenden zu können, als wir es bisher unter den großen Studentenzahlen tun konnten. Dabei füge ich auch hier ausdrückich hinzu: Wir sind nach wie vor für die Öffnung und das Offenhalten der Hochschulen, weil wir aus der Breitenförderung heraus diese Begabten finden und uns ihnen dann zuwenden müssen. ({6}) Wenn Sie fragen, wie wir es eigentlich mit privaten Hochschulen halten, dann muß ich Ihnen sagen: Genau deswegen, weil wir mehr Wettbewerb der Hochschulen und der Bildungseinrichtungen untereinander wollen, weil wir pädagogische und didaktische Freiräume wollen, bejahen wir auch private Hochschulen, und wir bejahen Stiftungslehrstühle und Stiftungsinstitutionen. Und wir werden alles daran setzen, die notwendigen administrativen und fiskalischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß dies sich entwickeln kann. ({7})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter! Dr.-Ing. Laermann ({0}): Nein, danke schön.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Gilt das generell, Herr Abgeordneter?

Prof. Dr. - Ing. Karl Hans Laermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001266, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das gilt jetzt generell, Herr Präsident. Ich habe noch ein paar Ausführungen zum Thema zu machen. Ich meine, jede Hochschule sollte es sich als besondere Ehre anrechnen und einen besonderen Ehrgeiz entwickeln, zur Elitehochschule zu werden. Das halte ich für eine vornehmste Aufgabe unserer Hochschulen. Ich sage das, damit auch dies mal klar ist. Eine Voraussetzung dafür ist allerdings auch - und das sage ich hier ganz nachdrücklich -, daß wir den Raum der privaten Stiftungen erweitern, daß wir ihre Möglichkeiten erhalten und verbessern. ({0}) Damit können wir den Raum der Freiheit der Wissenschaft erhalten und entscheidend verbessern. ({1}) Außerdem müssen wir die notwendigen begleitenden Maßnahmen, auch die fiskalischen - siehe Körperschaftsteuerreform und dergleichen -, durchführen. Hier verweise ich auf die Große Anfrage zur Kulturpolitik und deren Beantwortung. Nun komme ich zu einem anderen Thema. In der Kürze der Zeit muß ich es etwas telegrammartig abhandeln. Es ist die Frage der Drittmittel. Ich habe den Eindruck: Hier weiß man überhaupt nicht, wo die Drittmittel eigentlich herkommen. Wollen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, einmal zur Kenntnis nehmen, daß der größte Teil der Drittmittel aus öffentlichen Mitteln, von der öffentlichen Hand, aus den Ministerien, aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft, aus den Stiftungen kommt ({2}) und daß nur ein prozentual geringer Anteil aus der Industrie kommt. Dabei sage ich ausdrücklich: Ich bedaure das, und ich meine, es wäre gut, wenn aus der Industrie, aus der Wirtschaft mehr finanzielle Mittel auch in die Hochschulen kämen. ({3}) - Ich gebe Ihnen zu, Herr Kuhlwein: unter einer Einschränkung - und darauf lege ich besonderen Wert -, nämlich daß darunter die originären Aufgaben der Hochschule in Forschung und Lehre nicht leiden und daß es nicht hingenommen werden kann, daß sich daraus Abhängigkeiten ergeben. ({4}) Aber ich bin auch der Auffassung, daß es gerade im Sinn des forschenden Lehrens auch für diejenigen, die wir auszubilden haben, eine wesentliche Hilfe ist, daß sie praxisorientiert und praxisbezogen und nicht auf den rosaroten Wolken der akademischen Wissenschaft ausgebildet werden. ({5}) Damit wird über die Drittmittelforschung ein entscheidender Beitrag zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses geleistet. Einen großen Teil des wissenschaftlichen Nachwuchses können wir nur über Drittmittel fördern, weil die Etats der Länder nämlich zu knapp bemessen sind. Im übrigen aber reden wir alle von Transfer und der Notwendigkeit, die Transfermechanismen zu verbessern. Ich wiederhole, was ich schon häufiger hier in anderem Zusammenhang gesagt habe: Wie kann man Transfer eigentlich besser fördern als über Köpfe? Transfer wird nicht über Datenträger, sondern über Personen, über Köpfe am wirkungsvollsten geleistet. Und hier werden wir über Drittmittelförderung für die Studenten und den wissenschaftlichen Nachwuchs ganz Entscheidendes leisten können, nämlich zum einen in Richtung auf die Förderung und zweitens in Richtung auf den Transfer. ({6}) Ich darf Ihnen versichern, Herr Kuhlwein: Es wird das Interesse eines jeden vernünftigen Hochschulprofessors sein - und wer etwas anderes behauptet, dem spreche ich die Berechtigung ab, sich Hochschulprofessor zu nennen -, ({7}) seinen wissenschaftlichen Leistungsnachweis zu erbringen und damit sein Interesse zu bekunden, das, was er mit seinen Mitarbeitern erarbeitet hat, zu veröffentlichen. ({8}) Deswegen kann ich es nicht akzeptieren, wenn Sie hier davon sprechen, daß die wissenschaftlichen Mitarbeiter etwa über das Zeitvertragsgesetz sozusagen wieder der professoralen Willkür ausgesetzt seien. ({9}) Es ist hier festzustellen, daß sich diese Vorschläge nicht samt und sonders auf alle Stellen, sondern nur auf einen bestimmten Teil der Stellen beziehen. Ich stimme Ihnen zu - ich sage das hier ausdrücklich -, daß ein Teil der wissenschaftlichen Mitarbeiter, des wissenschaftlichen Personals an Hochschulen und Forschungseinrichtungen um der Kontinuität willen in Dauerstellungen beschäftigt sein muß. ({10}) Aber genau das steht auch im Gesetzentwurf. ({11}) Das wollen wir einmal festhalten. Hier gibt es keine schrankenlose Zulässigkeit von Zeitvertragsstellen. Es ist sicherlich notwendig, daß wir die verfassungsrechtliche Situation prüfen. ({12}) Auch die Frage, ob es sich hier um einen Eingriff in die Tarifautonomie handelt, wird zu prüfen sein. Aber ich bitte, hier zu bedenken, daß wir es im Bereich der Wissenschaft, im Bereich der Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit einer be7400 sonderen Situation zu tun haben: Mit einem solchen Zeitvertragsgesetz müssen wir den Aufgaben der Hochschulen, nämlich dem Bildungsauftrag der Hochschulen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses entsprechen. Die Hochschulen müssen in die Lage versetzt werden, eben diesem Auftrag gerecht zu werden, den wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden und zu fördern. Es geht nicht an, hier closed shops zu machen: die, die drin sind, bleiben drin, und die anderen stehen vor der Tür. Das war nie so, und das darf nie so sein. ({13}) - Dann gucken Sie sich einmal an - das sage ich auch an die Adresse von Herrn Jannsen -, wie die Situation da heute ist. Ich bin als Hochschullehrer daran interessiert, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, weil ich mich in diesen Nachwuchskräften selbst wiederfinde. Das ist meine vornehmste Aufgabe, die ich in der Hochschule wahrzunehmen habe. Wer etwas anderes behauptet, ist dort fehl am Platze. ({14}) Aber hier ist auch die Frage zu stellen: Wie sieht das eigentlich mit der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte aus? Ist das, wie das hier vorgestellt worden ist, zum Wohle des wissenschaftlichen Nachwuchses? ({15}) Die kriegen nämlich keinen Vertrag mehr über vier Jahre, sondern hier wird ihre Zeit als studentische und wissenschaftliche Hilfskraft angerechnet, und dann sind sie nur zweieinhalb Jahre drin. Ich erfahre das ja, gucken Sie sich einmal an, wie das aussieht. So werden heute nämlich die Verträge gemacht. Meinen Sie, daß wir damit dem wissenschaftlichen Nachwuchs dienen? Hier gilt es, klare und gesicherte Verhältnisse zu schaffen. Sonst klagen sich nämlich die Schwachen, klagt sich die zweite und dritte Qualität ein. Denn die Guten haben immer eine Chance, ihre Rolle, ihre Position in ihrer beruflichen und wissenschaftlichen Fortentwicklung zu finden. ({16}) Genau deswegen sind wir der Auffassung, daß es hier notwendig ist, eine solche Zeitvertragsregelung zu treffen, nicht aber, um sie zu Kofferträgern von Professoren zu machen. Das muß ich mit allem Nachdruck zurückweisen. Sie beleidigen mich damit, Herr Kuhlwein, und deswegen weise ich das für alle meine Kollegen zurück. ({17}) Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang der Situation der Hochschulen möchte ich aber noch auf etwas anderes hinweisen. Wir sind für das Offenhalten der Hochschulen. Wir wissen, daß wir noch bis Mitte der 90er Jahre zunehmende Studentenzahlen zu erwarten haben. Hier geht es darum, wie wir die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses sichern können, damit uns die guten Leute, die exzellenten, die Elite, als wissenschaftlicher Nachwuchs erhalten bleiben. Denn wir haben etwa seit 1975 eine Stagnation im Stellenausbau festzustellen, und zwar sowohl im wissenschaftlichen Mittelbau als auch bei den Hochschullehrern, den Professoren selbst, die in relativ jungen Jahren berufen worden sind. Die Stellen sind bis Mitte/ Ende der 90er Jahre blockiert, der Nachwuchs hat keine Chance. Deswegen erkläre ich hier für meine Fraktion ausdrücklich, daß wir das Memorandum der Wissenschaftsorganisation in bezug auf den Fiebiger-Plan nachdrücklich unterstützen und uns dafür einsetzen, daß auch die Landesregierungen bereit sind - unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Studentenzahlen noch einige Jahre lang steigen werden -, zusätzliche Zeitstellen für Professoren zur Verfügung zu stellen und die alten Stellen kw zu stellen, damit wir einen fließenden Übergang aus der einen Hochschullehrer- und Wissenschaftlergeneration in die andere finden. Dies, meine ich, ist eine wichtige Angelegenheit zur Erhaltung unseres wissenschaftlich-geistigen Potentials. ({18}) - Ich denke, Herr Kuhlwein, Sie haben da erhebliche Aufgaben zu bewältigen, wenn Sie nämlich die Wissenschaftsminister und die Finanzminister der SPD-regierten Länder von der Notwendigkeit zu überzeugen haben. ({19}) Tun wir doch so, als ob das nur die Bundesregierung anginge. Wollen wir die Dinge einmal klar beim Namen nennen. ({20}) Lassen Sie mich vielleicht noch kurz ein Wort zum Hochschulrahmengesetz sagen, Herr Kuhlwein, das Sie so ausdrücklich und nachdrücklich angesprochen haben, obschon es heute gar nicht zur Debatte steht. Ich sage Ihnen: Hier geht es nicht um neue Strukturkonzepte. Unsere Position ist keine Totalrevision, Korrekturen aber dort, wo aus der Erfahrung heraus es sich als notwendig erwiesen hat ({21}) und im Sinne der Erfüllung der Aufgaben der Hochschulen nach meiner Auffassung auch notwendig ist. Ich stimme mit Ihnen überein, daß es nicht gut wäre, erneut strukturelle Unruhen in die Hochschullandschaft hineinzutragen. Das wollen wir nicht. ({22}) Ich denke, nachdem wir viele Gespräche mit den Gruppen, auch mit Studenten, auch mit wissenDr.-Ing. Laermann schaftlichen Mitarbeitern, geführt haben, daß die Notwendigkeit erkannt worden ist, punktuelle Korrekturen durchzuführen. Darüber werden wir uns zu verständigen haben. Sie werden sich dem stellen müssen. Darum kommen Sie nicht herum. ({23}) Wir sind auch der Auffassung, daß es bei einer Novellierung des Hochschulrahmengesetzes darauf ankommt, die Autonomie der wissenschaftlichen Einrichtungen zu stärken. Wir wollen sie nicht am Gängelband der Bundesregierung haben. Wir wollen sie aber auch nicht am Gängelband der Landesregierungen haben, ganz gleich, wer diesen Landesregierungen politisch vorsteht. ({24}) Das müssen wir einmal ausdrücklich sagen. Mehr Verantwortung an die Hochschulen, mehr didaktische Freiräume, mehr Gestaltungsfreiräume an den Hochschulen - das, meine ich, können wir erreichen, wenn wir erst einmal grundlegende Voraussetzungen für eine Korrektur in der Personalstruktur im Bereich der Drittmittelforschung, im Bereich der Studienreformkommission - ({25}) - Nein, nein, überhaupt nicht. Gucken Sie sich das einmal an. Befassen Sie sich einmal mit den Vorschlägen der Knopp-Kommission und gucken einmal, wer an dieser Knopp-Kommission beteiligt war. ({26}) und gucken Sie sich einmal an, wie die Position der SPD-regierten Landesregierungen ist. Wenn Sie hier nicht in bloßer Obstruktion machen wollen, dann werden Sie erkennen, daß auch aus den Wissenschaftsministerien dieser Häuser, dieser Regierungen heraus die Notwendigkeit nicht verneint wird, ({27}) punktuelle Korrekturen am Hochschulrahmengesetz zu machen und daß man bereit ist, dies auch zu tun. Lassen Sie die Obstruktion. Lassen Sie uns vereint dem Ziel zuwenden, die Arbeitsfähigkeit und die Entwicklungsmöglichkeiten der Hochschulen zu verbessern, im Interesse unserer Gesellschaft und unseres Staates. Herr Präsident, ich bedanke mich. ({28})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Zum Punkt 12 der Tagesordnung schlägt der Ältestenrat vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 10/2283 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Ausschuß für Forschung und Technologie. Gibt es dazu andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Punkte 13 und 14 der Tagesordnung. Ich rufe zuerst den Punkt 13 der Tagesordnung zur Abstimmung auf. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft auf Drucksache 10/2159 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen. Wir stimmen nunmehr über den Punkt 14 der Tagesordnung auf. Hierzu liegt Ihnen auf Drucksache 10/2381 ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vor, der eine neue Fassung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zum Inhalt hat. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist angenommen. Eine Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 10/1121 erübrigt sich damit. Meine Damen und Herren, der Punkt 15 der Tagesordnung ist abgesetzt. Ich rufe deshalb den Punkt 16 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften - Drucksache 10/1375 Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({0}) - Drucksache 10/2282 Berichterstatter: Abgeordnete Bernrath Regenspurger ({1}) Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen. Wir treten in die Dritte Beratung ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent7402 Vizepräsident Wurbs wurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 17. Oktober 1980 über die Gewährung ärztlicher Betreuung an Personen bei vorübergehendem Aufenthalt - Drucksache 10/1484 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({2}) - Drucksache 10/2270 Berichterstatter: Abgeordneter Egert ({3}) Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist ebenfalls nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich rufe das Gesetz mit seinen Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen. Tagesordnungspunkt 18 entfällt. Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 27. Juni 1980 zur Gründung des Gemeinsamen Fonds für Rohstoffe - Drucksache 10/1535 Das Wort wird nicht gewünscht. - Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 10/1535 zu überweisen zur federführenden Beratung an den Ausschuß und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß, den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie zur Beratung gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Gibt es dazu andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf: Beratung des Antrags des Abgeordneten Drabiniok und der Fraktion DIE GRÜNEN Fortschreibung des Bedarfsplans für Bundesfernstraßen - Drucksache 10/1756 Wird das Wort gewünscht? - Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag auf Drucksache 10/1756 an den Ausschuß für Verkehr zu überweisen. Gibt es dazu andere Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf: Beratung der Unterrichtung durch den Bundesrechungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1984 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung ({4}) - Drucksache 10/2223 Das Wort wird nicht gewünscht. - Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage auf Drucksache 10/2223 an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 und die Zusatzpunkte 5 a und 5 b auf: Beratung der Sammelübersicht 53 des Petitionsausschusses ({5}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 10/2281 Beratung der Sammelübersicht 54 des Petitionsausschusses ({6}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 10/2354 Beratung der Sammelübersicht 55 des Petitionsausschusses ({7}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 10/2355 Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses, die in den Sammelübersichten 53, 54 und 55 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses sind angenommen. Ich rufe den Tagesordungspunkt 23 auf: Beratung der Übersicht 10 des Rechnungsausschusses ({8}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht - Drucksache 10/2272 Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/2272, von einer Äußerung oder einem Verfahrensbeitritt zu den in der vorgenannten Drucksache aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Sind Sie damit einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch; dann ist so beschlossen. Ich rufe die Tagesordungnungspunkte 24 und 25 auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({9}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 06 40 Tit. 681 05 - Eingliederungshilfen und Ausgleichsleistungen für ehemalige politische Häftlinge - im Haushaltsjahr 1984 - Drucksachen 10/1957, 10/2193

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Abgeordnete Gerster ({0}) Kühbacher Frau Seiler-Albring Kleinert ({1}) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({2}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 14 23 Tit. 67101 -Leistungen des Bundes nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz - Drucksachen 10/1799, 10/2284 Berichterstatter: Abgeordnete Löher Dr. Weng Frau Traupe Kleinert ({3}) Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist ebenfalls nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf den Drucksachen 10/2193 und 10/2284, von der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen auf den Drucksachen 10/ 1957 und 10/1799 Kenntnis zu nehmen. Erhebt sich hiergegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen. Ich rufe Punkt 26 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({4}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 81/363/EWG über Beihilfen für den Schiffbau - Drucksachen 10/1212 Nr. 5, 10/2253 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Ehrenberg Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft auf Drucksache 10/2253 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 6 zur Tagesordnung auf: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 21. März 1983 zu dem Protokoll zu dem Europäischen Abkommen zum Schutz von Fernsehsendungen - Drucksache 10/2228 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({5}) - Drucksache 10/2352 Berichterstatter: Abgeordnete Dr. Götz Schmidt ({6}) ({7}) Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 7 zur verbundenen Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({8}) Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages - Drucksache 10/2382 - Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Kübler Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf Drucksache 10/2382 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen. Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf heute, Freitag, den 16. November 1984, 8 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.