Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kein eigenes Verdienst, allein die Tatsache, unter denen, die am 6. März in den Bundestag gewählt wurden, einer der Ältesten zu sein, läßt mir die Ehre zuteil werden, den ersten Teil dieser Sitzung zu leiten. Meiner Feststellung wird, soweit ich dies erkennen kann, nicht widersprochen.
Dann eröffne ich in Gegenwart des Herrn Bundespräsidenten, der auf der Tribüne Platz genommen hat und den ich respektvoll begrüße,
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die erste Sitzung der 10. Wahlperiode des Deutschen Bundestages.
Meine Damen und Herren, ich ernenne die folgenden 16 Mitglieder des Bundestages nach Absprache mit den Fraktionen zu vorläufigen Schriftführern: Abgeordneter Amling, Abgeordneter Biehle, Abgeordneter Collet, Abgeordneter Daweke, Abgeordnete Frau Geiger, Abgeordneter Heyenn, Abgeordneter Hoffie, Abgeordneter Kalisch, Abgeordneter Krey, Abgeordneter Krizsan, Abgeordneter Lambinus, Abgeordneter Niegel, Abgeordneter Regenspurger, Abgeordneter Sieler, Abgeordneter Waltemathe und Abgeordneter Werner. Die Abgeordneten Biehle und Amling haben neben mir Platz genommen.
Meine Damen und Herren, wer hier seit 1949 in unterschiedlicher Eigenschaft Verantwortung getragen hat, als Angehöriger der Mehrheit wie der Minderheit, auf der Bank des Bundesrats wie der Bundesregierung, wer also wie ich die friedensstiftende Wirkung unserer grundgesetzlichen Ordnung schon in mancherlei unterschiedlichen Interessenlagen hat erfahren können, der darf und sollte wohl auch eine Rede wie diese mit einem Hinweis auf das Selbstverständliche beginnen.
Nach einem harten - manche meinen: überharten - Wahlkampf mag es nicht jedem leichtfallen, sich jetzt wieder den Regeln der parlamentarischen Auseinandersetzung zu unterwerfen. Es wäre auch nicht glaubwürdig, wenn alle so täten, als sei außer einem unbezweifelbaren Wahlergebnis nichts passiert. Gewiß: Die demokratische Ordnung lebt nichtdavon, daß alle einander mögen und Bekundungen gegenseitigen Wohlwollens verbreiten. Sie, die demokratische Ordnung, lebt letztlich und verbindlich von der staatspolitischen Gleichwertigkeit derer, die sich, gestützt auf den Auftrag der Wählerinnen und Wähler, als Mehrheit oder Minderheit um das Gemeinwohl bemühen.
Mir liegt an der Feststellung: Alle Mitglieder dieses Hauses nehmen gleichermaßen wichtige Aufgaben wahr, ob sie nun die Regierung stellen oder diese kritisch begleiten, ob sie Macht verwalten oder diese kontrollieren, ob sich ihre Partei und Fraktion in der Regierungsverantwortung zu bewähren hat oder ob sich ihre Partei und Fraktion hierauf neu vorbereitet. Parlamentarische Verantwortung für unseren Staat obliegt der einen Seite wie der anderen; sie ist keiner Seite Vorrecht.
Dies sind die im Grundgesetz verankerten, durch die Verfassung geschützten Vorgegebenheiten und Selbstverständlichkeiten. Über sie hinaus, meine Damen und Herren, reicht der Appell zur Pflege der demokratischen politischen Kultur, die nicht institutionell zu sichern ist, sondern die täglich erfahrbar gemacht werden muß. Für uns hier im Bundestag heißt dies, um einen Wettbewerb zwischen Parteien und Fraktionen bemüht zu sein, der statt ruinös produktiv ist, insoweit er in offenem Austrag unterschiedlicher, auch gegensätzlicher Meinungen das öffentliche Wohl befördert. Es ist die besondere Schwierigkeit und Tragweite der nun im 10. Bundestag gestellten Aufgaben und Herausforderungen, die mich veranlassen, diesen Hinweis zur - wenn es geht - gemeinsamen Pflege der politischen Kultur zu geben.
Als, meine Damen und Herren, 1949 der erste Bundestag eröffnet wurde, war von den damals drängenden inneren Problemen die Rede: demokratische Stabilität, wirtschaftliche Gesundung, soziale Sicherheit. In den Jahren - und mittlerweile sind es Jahrzehnte -, die folgten, ist, unbeschadet allen Streits der Meinungen und nicht selten durch diesen befördert, mehr erreicht worden, als dies die Gründungsväter unserer Republik für möglich geAlterspräsident Brandt
halten haben. Es wäre undankbar und schädlich, dies nicht anzuerkennen und festzuhalten.
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In den letzten Jahren jedoch haben sich Rückschläge und Gefährdungen eingestellt, die bei vielen Menschen und in vielen Familien neue Sorgen haben aufkommen lassen: Wie werden Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen werden können? Wird es gelingen, die sich vor allem aus veränderten weltpolitischen Bedingungen ergebenden Lasten einigermaßen gerecht zu verteilen? Es sind dies die Fragen, die in hohem Maße die Arbeit des 10. Deutschen Bundestags bestimmen werden.
Unser Auftrag ergibt sich unmittelbar aus dem Grundgesetz. Dieses, das Grundgesetzt, trägt uns auf, auch und gerade unter immer wieder sich wandelnden Bedingungen die Fundamente des demokratischen und sozialen Bundesstaats zu festigen und diesen Staat bestmöglich auszugestalten.
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Das Ausmaß der Probleme, die sich uns neu und jedenfalls anders als den Gründungsvätern stellen, ist beeindruckend und für manchen bedrückend. Gewiß, man sollte sich meiner Meinung nach klarmachen, daß Wissenschaft und Technik nicht zum erstenmal neue Fragen stellen, daß es auch schon früher weltwirtschaftliche' Verwerfungen gegeben hat, daß das internationale Finanz- und Währungssystem nicht zum erstenmal erschüttert wurde. Wenn sich all das aber heute intensiver als früher so darstellt und wenn sich diese Probleme vollends noch verknüpfen mit jenen, die sich aus der weltweiten Plünderung der Naturreichtümer, der Vernachlässigung der Umweltbedingungen und der zahlenmäßigen Grenzen der Weltbevölkerung ergeben, wird man mit der Kennzeichnung dieser Probleme als neue Herausforderungen kein zu großes Wort wagen.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, daß sich die Menschheit zum erstenmal in ihrer Geschichte selbst auslöschen kann und daß der Mensch drauf und dran ist, seine eigene Art manipulieren zu wollen - beides bezeichnet ja wirklich noch nicht dagewesene Situationen und Gefahren.
Deutlich zeichnet sich zudem ein Wandel des Charakters der Arbeit ab. Fragen der Zukunft der menschlichen Arbeit sind gestellt und müssen beantwortet werden. Die Politik, denke ich, sollte sich nicht darüber wundern, daß Unsicherheit um sich greift, wenn diese auch recht unterschiedlich empfunden wird. Und niemand wird bezweifeln können, daß eine zunehmende Zahl von Menschen bei uns in der Bundesrepublik - gewiß eine deutliche Mehrheit nicht nur der jüngeren - gegen den internationalen Rüstungswettlauf aufbegehrt;
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einen internationalen Rüstungswettlauf, der gewiß
auch eine der Hauptursachen - mittlerweile die
Hauptursache - der Weltwirtschaftskrise ist einschließlich der sich in weiten Teilen der Dritten Welt noch verschärfenden Not.
Viele derer, die uns hierher geschickt haben, erwarten von uns, wir sollten den Einfluß der Bundesrepublik Deutschland so zur Geltung bringen, daß mindestens ein Teil der heute weltweit für militärische Zwecke aufgewendeten Mittel so umgelenkt wird, daß er dem Kampf gegen Hunger und Elend zugute kommt,
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und daß durch partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern beiderseitiger und allseitiger Vorteil erzielt wird. Stellen wir uns vor, wir könnten zusammen mit anderen im Zuge erfolgreicher Abrüstungsverhandlungen eine Art Marshallplan für die Dritte Welt in Gang bringen. Die eigenen Beschäftigungsprobleme sähen auf Jahre hinaus völlig anders aus.
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In diesen Monaten wird immer wieder wach, was unserem Volk vor nunmehr 50 Jahren widerfahren ist, nachdem die erste deutsche Demokratie gescheitert war. Am 30. Januar 1983 haben der Bundeskanzler und ich gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister im alten Reichstagsgebäude zu Berlin durch alle unsere sonstigen Meinungsverschiedenheiten hindurch deutlich gemacht, daß wir aus den geschichtlichen Erfahrungen gelernt haben und daß wir sie niemals in den Wind schlagen werden. Gemeinsam wollen wir darüber wachen, daß sich die Schrecken der Vergangenheit, in welcher Form auch immer, nicht wiederholen.
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Dieser Tage haben nicht wenige von uns sich jenes 23. März 1933 erinnert, an dem sich der schon unter Bedingungen des Terrors gewählte Reichstag selbst entmachtete und in der Form der sogenannten Ermächtigung nahezu jeden Verfassungsbruch sanktionierte. Mir ist bewußt, daß es damals viele gab, die guten Gewissens glaubten, noch Schlimmeres abwenden zu sollen, und andere, die ihren, wie ich meine, opportunistischen Irrtum bald bitter zu bereuen hatten.
Sie werden sicher verstehen, meine Damen und Herren, daß ich in diesem geschichtlichen Zusammenhang meines Vorgängers im Vorsitz der deutschen Sozialdemokratie, Otto Wels, und seiner Fraktionskollegen in dankbarer Ehrerbietung gedenke,
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derjenigen, die damals noch kommen konnten, um dem Verlangen Hitlers - allen Drohungen zum Trotz - ihr Nein entgegenzusetzen, und derjenigen, die schon nicht mehr kommen konnten, weil sie
Alterspräsident Brandt
verfolgt und gequält wurden. Ich wäre dankbar, wenn wir alle angesichts des bedrückenden fünfzigsten Jahrestages der Hitlerschen Machterschleichung und dessen, was dem folgte, der Frauen und Männer gedenken möchten,
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die auf deutschem Boden und dann vielerorts in Europa Opfer von Gewaltherrschaft, Krieg und Zerstörung geworden sind. Wir, die in der Nachkriegszeit aktiven und verantwortlichen Generationen, haben uns nach Kräften und gewiß nicht ohne Erfolg bemüht, dem Vermächtnis der Opfer ohne Zahl annähernd gerecht zu werden, die jetzt, 50 Jahre danach, wieder an unserem geistigen Auge vorüberziehen, unsere Gewissen anrühren und anregen. Mögen jene, die uns nachfolgen, die Kraft haben, wiederum aus diesem Vermächtnis das gesellschaftliche und politische Leben zu gestalten.
Ich danke Ihnen.
Dieser Staat, unsere Bundesrepublik Deutschland, hat jetzt schon weit mehr als die zweifache Lebensdauer der Republik von Weimar durchschritten. Und ehe - aller Wahrscheinlichkeit nach - die nächste Bundestagswahl ins Haus steht, wird die Bundesrepublik schon um mehr als ein Dreifaches länger bestehen als jenes „Dritte Reich", das tausend Jahre hatte währen sollen. So kurz waren die Fristen gesetzt, in denen deutsche Geschichte sich in diesem Jahrhundert vollzog. Man wird mithin der Bundesrepublik Deutschland eine bemerkenswerte Kontinuität und Stabilität zuschreiben können. Wir haben jetzt mehr als einmal die demokratische Ablösung erlebt - gewaltlos, ohne gefährliche Krise, in der Bewährung unseres Grundgesetzes. Dies festhalten zu wollen, wird man wiederum jemandem nachsehen, der in seinem Leben auch noch das andere bitter hat erfahren müssen.
Unsere Zugehörigkeit zur Familie der Rechtsstaaten in dieser Welt gründet zuerst und zuletzt auf der Zuverlässigkeit unserer demokratischen Institutionen. Auch deshalb ist es wichtig, zu Beginn dieser neuen Legislaturperiode des Bundestages feststellen zu können: die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland hat sich als gefestigt erwiesen.
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Die europäische Perspektive des Grundgesetzes kann sich gewiß nicht in den fragmentarischen Ansätzen der hinter uns liegenden Jahre erschöpfen. Aus der Verpflichtung heraus, den Frieden sichern zu helfen, hat sich zum einen die Teilhabe an der Atlantischen Allianz und unsere Verankerung in dieser ergeben zum anderen das Bemühen um den Abbau von Spannungen zwischen den Blöcken, damit mehr Zusammenarbeit und weniger Rüstung möglich werden. Es liegt auf der Hand, daß um das Wie weiterhin wird gerungen werden müssen.
Das Grundgesetz verpflichtet uns, nach Kräften für den Frieden in Europa und für die Welt zu wirken. Es stellt die Fortdauer der deutschen Nation fest - auch in der Teilung, an der wir nicht leicht tragen. Meines Erachtens sind wir gut beraten, wenn wir - auf der Grundlage der gefundenen vertraglichen Regelungen - weiter daran arbeiten, daß die beiden deutschen Staaten und ihre Bürger sich nicht unnötig auseinanderentwickeln, sondern ihre Beziehungen zueinander produktiv gestalten.
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Dies wäre, meine Damen und Herren, ein wichtiger, nur von uns Deutschen zu leistender Beitrag zur Sicherung des Friedens in Europa und für die Welt.
In diesem Sinne bekunde ich als Alterspräsident dieses Hauses die herzliche Verbundenheit unseres Volkes und seiner hier versammelten Vertreter mit den Menschen im anderen deutschen Staat.
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Und noch einmal sage ich es: Das Parlament in seiner Gesamtheit - und jeder Abgeordnete für sich - ist dazu berufen, darüber zu wachen, daß die auf Zeit vergebene demokratisch-politische Macht zum Wohle aller gebraucht wird. Die letzte und erste Instanz demokratischer Souveränität ist das Volk. Der Bundestag ist seine ständige Vertretung. Wir, die Mitglieder des Bundestages, haben unser Mandat als Lehen der Bürger empfangen, und so haben wir es wahrzunehmen. Unser Auftrag ist auf Zeit erteilt.
Ich wünsche mir und uns allen, in diesem 10. Bundestag mit seinen fünf Parteien möge hinreichend deutlich und für unser Volk im ganzen erfahrbar werden, was die Lebendigkeit und die Lebenskraft unserer Demokratie ausmacht - auch ihre Fähigkeit zur Lösung von Problemen und ihren Vorzug vor anderen Gestaltungen des politischen Zusammenlebens: Es ist ihre Verankerung im gemeinsamen Erbe großer Freiheitsbewegungen und der durch sie formulierten Menschenrechte.
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Vielfalt, meine Damen und Herren, nicht Uniformität, ist Stärke. Ein entschlossenes Handeln, dem das Ringen der Meinungen vorausgegangen ist, wird mit den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft besser fertig werden als jede Art zubetonierter Rechthaberei.
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In diesem Geiste und in diesem Wollen werden wir - so hoffe ich - manche Sorgen ausräumen können, die unser Volk belasten. Das beste, das ich uns wünschen kann, ist: Mögen viele Menschen mit ihren Sorgen und mit ihren Hoffnungen sich in dem wiederfinden, was wir hier im Hause beraten und beschließen werden.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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Meine Damen und Herren, die Fraktion der GRÜNEN hat zum Tagesordnungspunkt 1 eine Ausspra4
Alterspräsident Brandt
che beantragt. Nun ist nach deutschem Parlamentsbrauch - da nehme ich nicht nur den Deutschen Bundestag, sondern ich könnte auch den Deutschen Reichstag mit einbeziehen - die Eröffnungsansprache des Alterspräsidenten kein Gegenstand, über den verhandelt werden könnte.
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Gleichwohl sollten wir, wenn auf dem Antrag bestanden wird, eine Entscheidung über diesen Antrag zur Geschäftsordnung treffen. Ich darf also fragen, ob das Wort zur Begründung des Antrags gewünscht wird. - Es wird das Wort gewünscht. Dann darf ich darauf aufmerksam machen, daß jeder Redner - das gilt dann auch für die folgenden Redner der Fraktionen - zur Geschäftsordnung nur höchstens fünf Minuten sprechen darf.
Ich erteile das Wort zur Begründung des geschäftsordnungsmäßigen Antrags Herrn Abgeordneten Stratmann.
Ich bin der Abgeordnete Eckhard Stratmann aus Bochum.
Liebe Bürgerinnen und Bürger im Lande! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion der GRÜNEN stellt den Antrag auf Aussprache zur Rede des Alterspräsidenten und nicht den Antrag auf Verhandlung der Rede des Alterspräsidenten. Herr Brandt hat darauf hingewiesen - durch das gemeinsame Aufstehen aller Abgeordneten haben auch wir es zum Ausdruck gebracht -, daß wir auch heute von der Belastung der Vergangenheit unseres Volkes sehr betroffen sind, die auch wir GRÜNEN in den letzten Wochen an unserem eigenen Leibe haben erfahren müssen.
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- Sehr geehrte Abgeordnete von der CDU/CSU und FDP, wir GRÜNEN haben angesichts der Rede des Alterspräsidenten hier nichts zu verschweigen und nichts zu vertuschen, und ich denke, wir haben das in der öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung zu diesem Punkt in unserer eigenen Fraktion und im Bundeshauptausschuß vor aller Augen deutlich gemacht. Wir möchten diese Situation nutzen, sowohl Ihnen persönlich als Mitglieder des Deutschen Bundestages als auch den Bürgerinnen und Bürgern im Lande dazu unsere Auffassung darzustellen.
Herr Brandt hat in seiner Rolle als Alterspräsident eine von seinem politischen Standpunkt getragene Rede vorgetragen, in der er auch die politischen Schwerpunkte, die seines Erachtens den nächsten Bundestag beschäftigen werden, aufgezeigt hat. Wir teilen die Auffassung von Herrn Brandt, daß die Bundesrepublik Deutschland in den letzten mehr als 30 Jahren eine Bewährungsprobe der parlamentarischen Demokratie erlebt hat, und wir GRÜNEN sind froh darüber, daß es angesichts der faschistischen Vergangenheit in diesem Lande möglich war, über 30 Jahre lang diese parlamentarische Demokratie leben zu können.
Ich unterbreche Sie nicht gern. Ich muß trotzdem darauf hinweisen, daß Sie jetzt zur Geschäftsordnung das Wort zu der Frage haben, ob über die Eingangsrede zu verhandeln ist.
Ich will mit zwei, drei Sätzen schließen und komme dann zu dem Antrag.
Ich denke, daß jeder in diesem Saal spürt und jeder der Zuschauer, die diese Rede verfolgen, weiß, daß mit dem Einzug der GRÜNEN in diesen Bundestag ein neuer Faktor auf der parlamentarischen Ebene auftritt und daß hiermit auch den außerparlamentarischen Bewegungen in unserem Land eine neue Stimme gegeben wird, sowohl was die Betonung bestimmter Themen als auch was die Art und Weise betrifft, bestimmte Themen vorzutragen.
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Ich denke, es ist angesichts dieser parlamentarischen Neuheit notwendig, in einer Aussprache zur Rede des Alterspräsidenten deutlich machen zu können, wie die Fraktion der GRÜNEN den Beginn der politischen Arbeit und die vierjährige Arbeit in diesem Bundestag sieht. Ich bitte Sie deswegen, deutlich zu unterscheiden, daß es hier nicht um eine Verhandlung um die Rede des Alterspräsidenten geht, sondern um eine Aussprache, wobei Sie uns bitte die Gelegenheit geben, einerseits zur Rede des Alterspräsidenten, genau zu diesem Punkt, Stellung zu nehmen und aus der Sicht einer neuen Opposition, die sich den außerparlamentarischen Bewegungen verpflichtet weiß, die Schwerpunkte der parlamentarischen Arbeit darstellen zu können. - Ich danke Ihnen.
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Schönen Dank, Herr Abgeordneter.
Ich erteile das Wort zur Geschäftsordnung dem Abgeordneten Schäuble.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion widerspricht dem Antrag der Fraktion der GRÜNEN. Wir halten ihn auch für unzulässig.
Ein Parlament ist dazu da, die politische Auseinandersetzung sichtbar und transparent zu machen. Dazu muß sich ein Parlament zunächst konstituieren. Wir müssen uns eine Verfahrensordnung, eine Geschäftsordnung geben, Regeln, nach denen diese politische Auseinandersetzung in geordneten Bahnen verläuft.
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Wir müssen einen Präsidenten und Vizepräsidenten wählen - so ist das im Grundgesetz vorgesehen -, die über die Einhaltung dieser uns selbst zu gebenden Regeln wachen.
Wenn wir dies haben, dann, meine Damen und Herren, ist die Stunde gekommen, daß wir die politische Auseinandersetzung führen. Dabei wird es nichts zu verschweigen, nichts zu vertuschen geben.
Dabei werden wir für jede neue Anregung dankbar sein. Wir werden sorgfältig prüfen, ob sie eine Verbesserung beinhaltet.
Aber damit wir zu der Möglichkeit kommen, die politische Auseinandersetzung zu führen, müssen wir uns zunächst konstitutieren. Deswegen lehnen wir den Antrag ab und bitten in der Tagesordnung fortzufahren.
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Darf ich fragen, ob weiter das Wort zur Geschäftsordnung gewünscht wird. - Das scheint nicht der Fall zu sein.
Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer dem Antrag, eine Aussprache über diesen Tagesordnungspunkt durchzuführen, zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Danke schön. Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Wahl des Präsidenten
verbunden mit dem Namensaufruf und Feststellung der Beschlußfähigkeit
Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes wählt der Bundestag seinen Präsidenten. Dieses Recht, das nach unserer Verfassung auch eine Pflicht darstellt, nennt das Grundgesetz an erster Stelle.
Das Grundgesetz schreibt weiter vor, daß der Bundestag die Stellvertreter des Präsidenten und die Schriftführer wählt und sich eine Geschäftsordnung gibt. Der 10. Deutsche Bundestag wird sich seine Geschäftsordnung nach der Wahl des Präsidenten geben.
Ich stelle Einvernehmen darüber fest, daß wir bis zur Übernahme der Geschäftsordnung des Bundestages nach den Regeln verfahren, die für den 9. Deutschen Bundestag gegolten haben.
Ich bitte um Vorschläge zur Wahl. - Herr Abgeordneter Dregger!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Wahl zum Präsidenten des Deutschen Bundestages schlage ich im Namen der CDU/CSU-Fraktion unseren Kollegen Dr. Rainer Barzel vor.
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Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag gehört. Der Abgeordnete Dr. Rainer Barzel ist vorgeschlagen worden. Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist nicht der Fall.
Dann bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für Hinweise zum Wahlverfahren. Die Wahl findet mit verdeckten Stimmzetteln, also geheim, statt. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erhält. Die für die Wahl allein gültige weiße Stimmkarte erhalten Sie nach Aufruf
Ihres Namens von den Schriftführern vor Betreten der hier vorne rechts und links aufgestellten Wahlzellen.
Meine Damen und Herren, Sie dürfen, bitte, Ihre Stimmkarte nur in der Wahlzelle ankreuzen und müssen ebenfalls noch in der Wahlzelle die Stimmkarte in den Umschlag legen. Die Schriftführer müssen jeden zurückweisen, der seine Stimmkarte außerhalb der Wahlzelle gekennzeichnet oder in den Umschlag gelegt hat. Die Wahl kann in diesem Falle jedoch vorschriftsmäßig wiederholt werden.
Bevor Sie die Stimmkarte in die Wahlurne geben, bitte ich Sie, dem Schriftführer Ihren Namen zu nennen.
Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei „Ja" oder bei „Nein". Wer sich der Stimme enthalten will, macht keine Eintragung auf der Stimmkarte. Ungültig sind Stimmen auf nichtamtlichen Stimmkarten sowie Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten.
Abschließend darf ich Sie noch darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß die Kennzeichnung Ihres Namens in der Namensliste durch den Schriftführer an der Wahlurne als Nachweis für die Beteiligung an dieser Wahl gilt und die Eintragung in die Anwesenheitsliste ersetzt.
Ich bitte jetzt die Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Die beiden Schriftführer neben mir werden nun die Namen der 520 Abgeordneten in alphabetischer Reihenfolge aufrufen. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, den Namensaufruf an Hand der Ihnen vorliegenden Mitgliederliste zu verfolgen und sich rechtzeitig zur Entgegennahme einer Stimmkarte nach hier vorn zu begeben.
Darf ich fragen, ob die Schriftführer ihre Plätze eingenommen haben. - Das ist der Fall. Ich eröffne die Wahl und bitte, mit dem Aufruf der Namen zu beginnen.
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Darf ich einen Augenblick um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Es gibt eine Unklarheit, weil einige Kollegen mit einem der verteilten Wahlausweise kommen. Diese gelten nur für die Wahl der Vizepräsidenten. Jetzt gelten allein die Stimmkarten, die an den beiden Tischen links und rechts ausgegeben werden. - Danke schön.
Es würde dem Wahlgang förderlich sein, wenn der Zugang zu den Wahlurnen auf beiden Seiten relativ frei bliebe. Die Kollegen können ihre Gespräche ein bißchen in die Mitte des Saals verlagern.
Meine Damen und Herren, der Namensaufruf ist beendet. Ich darf fragen, ob alle Mitglieder des Hauses, auch die Schriftführer, ihre Stimme abgegeben haben. - Das scheint der Fall zu sein. Dann schließe ich die Wahl.
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- Wenn keiner an der Urne steht, weiß ich nicht,
worauf wir zu warten hätten. Ich sehe keinen Abgeordneten im Saal, der noch seine Stimme abzugeAlterspräsident Brandt
ben wünscht. - Damit ist der Wahlgang geschlossen. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Für die Dauer der Auszählung unterbreche ich die Sitzung für eine halbe Stunde, d. h. ich werde die unterbrochene Sitzung um 13 Uhr wieder eröffnen.
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Meine Damen und Herren, die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt. Es wurden 509 Stimmen abgegeben. Ich stelle fest, daß der Bundestag damit beschlußfähig ist.
Von den abgegebenen Stimmen sind 508 gültig. Mit Ja haben 407 Abgeordnete gestimmt.
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88 Abgeordnete stimmten mit Nein. 13 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. 1 Stimme war ungültig.
Ich stelle fest, daß der Abgeordnete Dr. Rainer Barzel die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses erhalten hat. Er ist damit zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt.
Ich frage Sie, Herr Dr. Barzel: Nehmen Sie die Wahl an?
Ja, Herr Präsident.
Ich übermittle Ihnen, Herr Präsident, die Glückwünsche des Hauses. Auch ich selbst wünsche Ihnen Glück und Erfolg für das verantwortungsvolle Amt.
Ich bitte Sie, Herr Präsident, Ihr Amt zu übernehmen
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Punkt 3 der Tagesordnung: Amtsübernahme durch den Präsidenten
Herr Bundespräsident, der Deutsche Bundestag weiß es zu würdigen, daß Sie ihm zur Eröffnung die Ehre ihrer Anwesenheit geben. Der Deutsche Bundestag grüßt Sie und erweist Ihnen den Respekt sehr herzlich zurück.
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Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Von Herzen danke ich für Ihr breites Vertrauen. Das ist eine gute Grundlage, und das verpflichtet.
Mit allen Kräften und gewissenhaft werde ich meinen Teil leisten, daß der 10. Deutsche Bundestag gut bestehen kann vor unserem Souverän, dem deutschen Volk, vor unserer Geschichte und vor uns selbst, vor jedem von uns.
Mir obliegt es - und ich tue dies gerne -, Dank zu sagen. Zuerst danke ich unserem Kollegen Richard Stücklen.
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Mit meinem herzlichen Dank verbinde ich hohen Respekt für die Arbeit, die Sie über Jahre als Präsident des Deutschen Bundestages geleistet haben. Sie haben dieses Amt unparteiisch, erfahren und überlegen geführt. Ganz persönlich freue ich mich auf die Aussicht, noch ein Stück gemeinsamen Weges im Parlament - diesmal im Präsidium - fortsetzen zu dürfen.
Im Namen des Deutschen Bundestages danke ich dem Kollegen Willy Brandt, unserem Alterspräsidenten.
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Eindrucksvoll und eindringlich haben Sie, Herr Kollege Brandt, zu uns gesprochen und diesem 10. Bundestag Ihren guten Rat gegeben. Ich danke Ihnen.
Ich danke den hochverehrten scheidenden Vizepräsidenten, den Kollegen Georg Leber und Heinrich Windelen.
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Unsere besten und herzlichen Wünsche geleiten sie.
Ich grüße mit Dank alle Kolleginnen und Kollegen, die hier ausgeschieden sind. Sie werden mir gewiß alle zustimmen, wenn ich für sie alle den ausgeschiedenen Alterspräsidenten Herbert Wehner nenne.
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Schließlich: Den Kolleginnen und Kollegen - es sind 101-, die zum erstenmal gewählt worden sind, rufe ich ein herzliches Glückauf zu. Ich wünsche Ihnen, sofern Sie dies mögen, die Erfüllung der Arbeit. Ich wünsche Ihnen Erfolg und, wenn Sie mir dies zu sagen erlauben, viel, viel Arbeit; denn das allein ist der Weg, um hier etwas zu gestalten.
({5})
Meine Kolleginnen und Kollegen, unser Dienst und unsere Pflicht gelten dem deutschen Volk, dem wir Rechenschaft schulden. Es hat uns nach dem Grundgesetz in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Wir alle sind Vertreter des ganzen deutschen Volks, allein an unser Gewissen gebunden, nicht an Aufträge oder Weisungen.
Wir haben hier und da mehr Rechte als andere, weil wir mehr Pflichten haben. Damit wir diese erfüllen können, haben wir diese Rechte.
Unsere herausragendste Pflicht ist, alles zu tun, damit unser Volk „in freier Selbstbestimmung die
Präsident Dr. Barzel
Einheit und Freiheit Deutschlands vollenden" kann.
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So grüße ich alle Deutschen. Ich grüße sie mit der Versicherung: Wir werden diesem Gebot des Grundgesetzes entsprechen und auch deshalb die Zusammengehörigkeit mit Berlin kräftigen.
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Ich grüße alle Deutschen, besonders herzlich alle, die Not leiden, die seelisch oder körperlich krank, die Opfer des Krieges oder einsam oder behindert sind. Ich versichere sie unserer Solidarität.
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Unser Staat ist die Heimstatt aller Deutschen.
Diese Heimstatt liegt in Europa. Wir suchen gute Nachbarschaft mit allen Europäern im Westen wie im Osten, im Norden wie im Süden, und erstreben - auch dies sage ich mit dem Grundgesetz -, „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen".
Diesen Dienst können wir nach Lage der Dinge nur leisten in der Sicherheit des Atlantischen Bündnisses.
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Wer diese Verpflichtung unserer Verfassung so hört und in sich aufnimmt, wird nochmals denen danken - der Herr Alterspräsident tat dies heute früh vor mir -, die unser Grundgesetz geschaffen haben, deren erlebte und erlittene menschliche und geschichtliche Erfahrung sie beherzte, uns so in die Zukunft festzulegen.
Wir wollen, meine Kolleginnen und Kollegen, ihrer würdig sein, indem wir, was immer uns sonst trennt, erneut verbindlich übereinkommen: Nie wieder soll von deutschem Boden Krieg oder Diktatur ausgehen.
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Das beides nie wieder!
Keiner hier hat ein besseres Mandat als ein anderer. Das Grundgesetz bindet uns alle ausdrücklich an die verfassungsmäßige Ordnung. Wie immer wir politisch handeln, denken, streiten, was immer wir neu und besser machen wollen - das ist das Fundament, auf dem wir alle stehen.
Dem Staat voran geht die Würde des Menschen. An diesem Grundrecht und am Schutz der Minderheiten findet auch die Mehrheit ihre Grenze. Diesseits dieser Grenze aber muß die Mehrheit entscheiden, entschließen, durchsetzen. Das schuldet sie unserem Volk, das in nach außen gesicherter, nach innen durch soziale Wirklichkeit im Alltag erfahrbarer Freiheit in Frieden leben will.
Zur Mehrheit führt der Weg der Kompromisse. Unterwegs dahin sind Humor und Witz erwünscht.
Ernsthaftigkeit findet, wie ich meine, nicht in betulicher Erstarrung ihren Ausdruck.
Warum verschweigen, meine Kolleginnen und Kollegen, daß manche in der Welt, viele in Deutschland und wohl alle hier im Hause das veränderte Gesicht dieses neuen Deutschen Bundestages beschäftigt? Viele Erwartungen gelten dem Inhalt, zahlreiche Befürchtungen der Form. Das letztere teile ich nicht.
Mit der Form hier ist es wie mit unserer deutschen Sprache: Wir brauchen sie alle, um zugleich zusammen leben und über Inhalte streiten zu können.
Wir alle hier wissen: Die Rücksicht auf das Recht des anderen ist die unerläßliche Bedingung des Friedens nach innen wie nach draußen. Friedfertigkeit und gute Nachbarschaft beginnen zu Hause, auch hier im Hause.
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Wir erstreben keine gespreizte, verordnete Würde, sondern die natürliche Achtung, die aus unserer Arbeit und aus unserem Auftrag erwächst - und aus der Art, wie wir sie leisten. Keiner wird uns diese Achtung je entgegenbringen, wenn wir uns nicht, zunächst, untereinander Achtung erweisen.
Zur Eröffnung des 1. Deutschen Bundestages am 7. September 1949 sagte Alterspräsident Paul Löbe, der über lange Jahre Präsident des Deutschen Reichstags war - ich zitiere -:
Was erhofft sich das deutsche Volk von der Arbeit des Bundestags? - Daß wir eine stabile Regierung, eine gesunde Wirtschaft, eine neue soziale Ordnung in einem gesicherten Privatleben aufrichten, unser Vaterland einer neuen Blüte und neuem Wohlstand entgegenführen.
Das wurde - leider nur im freien Teil unseres Vaterlandes - rasch geschafft, weil sich die deutsche Politik nicht scheute, anspruchsvoll zu sein, sich hohe Ziele setzte und nach festen Grundsätzen berechenbar entschied, weil man wußte und sagte, daß „nicht Macht, sondern Geist die Ehre Deutschlands vor der Welt ausmacht".
Mein Wunsch für diesen 10. Deutschen Bundestag?
Daß unsere Werktagsarbeit mit unseren Sonntagsreden übereinstimmt;
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daß unser Volk sehen kann, wem unsere Arbeit dient und wofür wir miteinander streiten; daß Sinn und Zweck und Ziel, daß Werte und Überzeugungen uns leiten wie die Verantwortung für unsere Lebensgrundlagen; daß wir alle die Dimension Geist einbeziehen und ihr entsprechen.
Nur so - des bin ich gewiß - werden wir die sozialen Sorgen, allen voran die Arbeitslosigkeit, überwinden und die materiellen Probleme lösen können; denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Allen, die arbeiten wollen, aber zur Zeit nicht
Präsident Dr. Barzel
können, versichere ich - ich glaube, das für alle tun zu dürfen -: Wir wollen und wir müssen das ändern.
Meine Damen und Herren, hier ist, wie ich schon sagte, Platz für Neues und für Besseres. Hier ist Platz für leidenschaftlichen Streit, aber ebenso für Nachsicht, für Herzlichkeit, für Höflichkeit und Kompromißbereitschaft. Nicht nur Freiheit und Gleichheit und Gerechtigkeit, auch Brüderlichkeit machen die Demokratie aus.
Das können wir nicht verordnen, aber es kann, es sollte, als geistig-politische Haltung von uns ausgehen.
So wollen wir, wie unser Grundgesetz es sagt, im „Bewußtsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen" an die Arbeit gehen, um die Würde des Menschen zu achten und zu schützen; der sozialen Gerechtigkeit und dem Frieden zu dienen; unserer Verantwortung für die kommenden Generationen und deren Lebensgrundlagen gerecht zu werden; dem gesamtmenschheitlichen Gemeinwohl durch einen entschiedenen Beitrag zum Kampf gegen Hunger und Elend, Unwissenheit und Not zu entsprechen; und nie die Deutschen zu bevormunden oder zu vergessen, denen, wie das Grundgesetz sagt, hier „mitzuwirken versagt" ist. Diesen großen Zielen dient unsere Arbeit.
Wir sollten danach trachten, fröhlich und mit Zuversicht diesen Dienst zu leisten - dabei weder das Gegeneinander zu scheuen noch zugleich das Gemeinsame zu pflegen. Wir sind alle miteinander aufeinander angewiesen. Uns trennen nicht zur Zäune, uns alle verbindet gemeinsamer Boden.
Glückauf dem 10. Deutschen Bundestag!
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Meine Damen und Herren, damit haben wir den Tagesordnungspunkt 3 erledigt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: Beschlußfassung über die
Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
Gemeinsame Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({14})
Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß nach Artikel 53 a des Grundgesetzes
Geschäftsordnung für das Verfahren nach Artikel 115d des Grundgesetzes
Die Geschäftsordnungen liegen Ihnen vor. Hierzu liegen zwei Anträge vor. Die Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP beantragen auf Drucksache 10/1, die Fraktion der SPD auf Drucksache 10/6, die aufgerufenen Geschäftsordnungen für die 10. Wahlperiode zu übernehmen. Die Fraktion der GRÜNEN beantragt auf Drucksache 10/4, die zu übernehmende Geschäftsordnung des Bundestages in den §§ 12 und 69 zu verändern.
Darf ich fragen, ob zur Eröffnung der Aussprache das Wort zur Begründung der Anträge gewünscht wird. - Ich sehe Nicken und Kopfschütteln. Wird das Wort zur Begründung der Anträge gewünscht? - Zunächst Herr Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands stimmt der Übernahme der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu und beantragt dies deshalb. Diese Zustimmung wird allerdings mit einem ausdrücklichen Vorbehalt verbunden. Dieser Vorbehalt betrifft den § 10 der Geschäftsordnung, der die Fragen der Bildung von Fraktionen regelt und in Abs. 1 Satz 1 wie folgt lautet:
Die Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen.
Unter Berufung auf diese Bestimmung wollen die selbständigen Parteien CDU und CSU im 10. Deutschen Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft bilden.
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Sie haben eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Weder diese Vereinbarung noch das tatsächliche Verhalten der beiden Parteien erfüllen jedoch die in § 10 festgelegten Voraussetzungen für die Bildung einer Fraktion.
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Mit der Vereinbarung machen CDU und CSU geltend, sie seien Parteien, die gleichgerichtete politische Ziele verfolgten. Diese Behauptung wird durch ihr tatsächliches Verhalten selbst widerlegt.
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Die Verhandlungen über die Bildung der Mehrheitskoalition haben begonnen mit selbständigen und von weiteren Koalitionsverhandlungen abgesetzten, regelrechten Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und CSU als zwei eigenständigen Parteien. Die CSU ist dabei nicht aufgetreten wie eine Partei mit gleichgerichteten politischen Zielen, sondern wie eine ganz andersartige Partei.
({3})
Sie hat sich insofern von der dritten Koalitionspartei, der FDP, in ihrem Auftreten gegenüber der CDU in keiner Weise unterschieden.
({4})
In ihren öffentlichen Äußerungen haben maßgebende Vertreter der CSU keine Gelegenheit ausgelassen, diese Andersartigkeit auch darzustellen. So
Jahn ({5})
heißt es in einer Erklärung der Landesleitung der CSU vom 13. März 1983:
Es ist selbstverständliche und einmütige Überzeugung der CSU, daß der Vorsitzende der zweitstärksten Koalitionspartei ...
Die CSU versteht sich also nicht als eine Partei mit gleichgerichteten Zielen, sondern als eine Koalitionspartei. Koalitionen werden aber eben nicht zwischen Parteien mit gleichgerichteten, sondern - darin liegt der Sinn einer Koalition - zwischen Parteien unterschiedlicher Zielrichtungen geschlossen.
({6})
In der Sendung „Tagesthemen" des Deutschen Fernsehens erklärte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß
({7})
- Sie kommen auch noch dran, Herr Waigel, seien Sie geduldig -:
Ich muß auch hier ein lobendes Wort zu Helmut Kohl sagen. Er hat ohne Wenn und Aber anerkannt, daß die CSU eine selbständige Partei ist, daß sie die zweitstärkste Koalitionspartei ist.
({8})
Auch hier wird in allem eigenständigen Selbstbewußtsein kein Gedanke darauf verschwendet, daß es sich möglicherweise um zwei Parteien mit gleichgerichteten politischen Zielen handele.
Und nun zu Ihnen, Herr Waigel. Sie haben am 16. März 1983 folgendes ausgeführt:
Der Parteivorstand der CSU hat am Tag nach dem 6. März formuliert und einstimmig beschlossen, worum es der Verhandlungsdelegation der CSU mit dem Parteivorsitzenden Strauß an der Spitze geht: in den Verhandlungen mit der CDU und dann mit der FDP die klassischen Grundsätze der CDU/CSU bei der Beratung des Sachprogramms mit Nachdruck zu vertreten, sowie die sachlichen und personellen Positionen der CSU in Programm und Zusammensetzung der neuen Bundesregierung entsprechend dem politischen Gewicht der CSU und ihres Wahlergebnisses zur Geltung zu bringen.
({9})
Am deutlichsten aber wird das Fehlen gleichgerichteter politischer Ziele in einer Äußerung des CSU-Generalsekretärs. Auf die Frage, die ihm gestellt wurde: „Nach 13 Stunden" - 13 Stunden! - „Verhandlungen mit der CDU, Herr Dr. Stoiber, gibt es Punkte, wo Sie keine Einigung sehen zwischen CDU und CSU?", antwortete Herr Stoiber u. a.:
Ich sehe gegenwärtig in der Innen- und Rechts-und Sicherheitspolitik keine Divergenzen zwischen CDU und CSU.
„Gegenwärtig", das heißt doch wohl, Divergenzen sind an sich möglich, und morgen können sie schon auftreten.
({10})
Keine dieser Äußerungen der vergangenen Wochen rechtfertigt die Behauptung, hier seien Parteien mit gleichgerichteten politischen Zielen am Werk gewesen. Das sollte auch niemanden wundern. Die CSU verfährt eben nach wie vor getreu den Maßstäben, die sie sich 1976 im Trennungsbeschluß von Bad Kreuth gegeben hat. Es war deshalb folgerichtig, daß Herr Kohl seine Verhandlungen zur Bildung der Regierungskoalition in zwei getrennten Abschnitten führen mußte. Zuerst mußte er sich mühsam mit Herrn Strauß und seiner CSU einigen. Nach dem Bild, daß die beiden Koalitionsparteien CDU und CSU in der Öffentlichkeit dabei boten, war das durchaus schwieriger als der zweite Abschnitt mit der FDP.
({11})
Aber erst als die Teilkoalition von CDU und CSU zustande gebracht war, durfte Herr Kohl an der Spitze der Teilkoalition die Verhandlungen mit dem zweiten Koalitionspartner aufnehmen.
Diese Linie zieht sich dann folgerichtig fort. Auch bei der Besetzung der Ministerämter wird nicht etwa die Fraktionsgemeinschaft aus CDU und CSU gegen die FDP gewichtet, sondern es wird die Zahl der CDU/CSU-Abgeordneten gegen die Zahl der FDP-Abgeordneten getrennt aufgerechnet.
Auch die Fraktionsvereinbarung zwischen CDU und CSU trägt alle Züge einer Koalitionsvereinbarung zweier selbständiger Fraktionen. Nur den Vorsitzenden der Fraktionsgemeinschaft wählen beide Gruppen gemeinsam.
({12})
Alle anderen Funktionen werden in beiden Gruppen getrennt gewählt,
({13})
so wie es eigenständige und nicht durch gleichgerichtete politische Ziele verbundene politische Parteien tun.
In Wahrheit ist das, was Sie Fraktionsgemeinschaft nennen, nichts anderes als eine parlamentarische Koalition verschiedener Parteien.
({14})
Sie gehen diesen fragwürdigen Weg im Widerspruch zu Ihrem sonstigen Betonen der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit,
({15})
weil es Ihnen Vorteile bringen soll. Nur auf diese Weise erlangen Sie eine Stärke, die Sie als einzelne Parteien nicht erreicht haben. Nur wenn Sie als stärkste Fraktion auftreten, sind Sie in der Lage, die daraus abgeleiteten Rechte für sich in Anspruch zu nehmen. Der Widerspruch zu Ihrem sonstigen Verhalten, der darin liegt, wird von Ihnen dadurch
Jahn ({16})
überdeckt, daß Sie die in der Geschäftsordnung vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten zu Ihren Gunsten mißbrauchen.
({17})
Sie stellen sich damit in Widerspruch zu Ihrem sonstigen Verhalten. Hier wie auch an anderen Stellen wollen Sie als eine Partei behandelt werden, wenn Sie glauben, daraus Vorteile ziehen zu können. Wenn es aber darum geht, Sendezeiten in Rundfunk und Fernsehen in Anspruch zu nehmen, treten Sie wiederum als zwei selbständige Parteien auf.
({18})
Einmal sind Sie eigenständige Parteien, dann sind Sie wieder eine Fraktion, je nachdem, ob es Vor- oder Nachteile für Sie bringt. Sie verfahren also nach dem Grundsatz: Richtig und zulässig ist, was dem Vorteil der CDU oder der CSU oder der CDU und der CSU nützt. Mal haben Sie gleichgerichtete Ziele, mal haben Sie nicht gleichgerichtete politische Ziele. Mal stehen Sie miteinander im Wettbewerb, mal stehen Sie nicht miteinander im Wettbewerb.
({19})
Meine Damen und Herren, wie Sie Ihr politisches Verhalten rechtfertigen, ist Ihre Sache. Wenn Sie, um Ihre Ziele zu erreichen, aber die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages mißbrauchen, dann verwahren wir Sozialdemokraten uns dagegen.
({20})
Der Deutsche Bundestag ist das höchste Verfassungsorgan der repräsentativen parlamentarischen Demokratie. Seine Geschäftsordnung ist grundlegender Ausdruck seines Selbstverständnisses, aber auch seiner Eigenverantwortung. Der Umgang mit der Geschäftsordnung erfordert Selbstachtung, d. h. die Achtung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages vor dem Verfassungsorgan, das sie selbst bilden. Die Art, wie seine Mitglieder dieses Verfassungsorgan handhaben, die Achtung, die sie den selbst gegebenen Regeln der Zusammenarbeit beimessen, macht Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft des gewählten Parlaments aus.
Die SPD-Bundestagsfraktion will nicht zulassen, daß beides, Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft des Deutschen Bundestages, dadurch beschädigt werden, daß sie das von der CDU und CSU bewiesene widersprüchliche Verhalten hinnimmt. Unsere Geschäftsordnung hat die Aufgabe, eine einvernehmliche Zusammenarbeit im Parlament auf Grund der Regeln möglich zu machen, die auf freier Übereinkunft beruhen. Diese Übereinkunft wird verletzt, wenn die Geschäftsordnung mißbraucht wird, um Macht und Vorteile zu erlangen.
({21})
Sie darf nicht dem Belieben einzelner Gruppen ausgesetzt werden. Sie ist ein Recht, das unmittelbar
aus der Verfassung abgeleitet wird und deshalb in
besonderem Maße Achtung, Sorgfalt und Übereinstimmung erfordert. Dagegen verstoßen CDU und CSU.
Wir Sozialdemokraten verwahren uns dagegen. Damit Wahrheit und Klarheit im Deutschen Bundestag gehütet werden, behalten wir uns hinsichtlich aller Entscheidungen, die von einer gemeinsamen Fraktion ausgehen, alle Rechte vor.
({22})
Das Wort hat der Abgeordnete Schäuble.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! CDU/CSU, SPD und FDP beantragen übereinstimmend die Übernahme der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980, geändert laut Bekanntmachung vom 17. März 1982. Das ist die Geschäftsordnung, die wir in der 9. Wahlperiode des Deutschen Bundestages angewandt und unserer Arbeit zugrunde gelegt haben.
Wir meinen, daß diese Geschäftsordnung eine sehr feinfühlige Balance darstellt zwischen der Verantwortung der Mehrheit, die für richtig gehaltenen politischen Entscheidungen durchzusetzen, und dem Recht der Minderheit, ihre alternative abweichende Auffassung zum Ausdruck zu bringen, ihre Kontrollfunktion auszuüben und ihre Kritik vorzutragen. Wir meinen nicht, daß diese Geschäftsordnung nicht auch weiteren Verbesserungen zugänglich ist. Aber wir meinen, daß es unsere Geschäftsordnung, die auf sorgfältigen langen Erfahrungen und Beratungen beruht, verdient hat, daß jede Anderung sorgfältig geprüft und erwogen wird. Wir warnen vor Schnellschüssen.
Nun hat der Kollege Jahn bei der Begründung des Antrages der SPD-Fraktion, diese Geschäftsordnung genauso zu übernehmen, einen Vorbehalt gemacht. Herr Kollege Jahn, ich habe Sie nicht so verstanden, daß Sie einen Antrag gestellt haben. Sie haben einen Vorbehalt gemacht.
Ich habe nicht den Eindruck gewonnen, daß Sie es mit dem, was Sie gesagt haben, sehr ernstgemeint haben.
({0})
Lieber Herr Kollege Jahn, Sie sind viel zu klug und ein viel zu qualifizierter Jurist, um nicht - ({1})
Ich will Ihnen das noch einmal vorlesen. In § 10 der Geschäftsordnung, deren Übernahme Sie wie wir beantragen, lautet es:
Die Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens 5 vom Hundert der Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgeDr. Schäuble
richteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen.
Und nun, Herr Kollege Jahn, haben Sie etwas gemacht, was Sie eigentlich redlicherweise nicht dürfen. Sie haben in Ihrer Begründung nämlich ständig Parteien und Fraktionen verwechselt.
({2})
Die Wahrheit ist ja ganz einfach. Natürlich sind CDU und CSU zwei selbständige gleichberechtigte Parteien. Die Abgeordneten dieser beiden selbständigen gleichberechtigten Parteien haben sich im 10. Deutschen Bundestag zu einer Fraktion zusammengeschlossen, so wie sie das in den neun vorangegangenen Deutschen Bundestagen ebenfalls getan haben. Damals haben Sie das übrigens nie bezweifelt und bestritten. Daran werden wir auch festhalten.
({3})
Diese beiden Parteien stehen in keinem Land miteinander im Wettbewerb.
({4})
Diese beiden Parteien sind mit einem gemeinsamen Wahlprogramm in den Wahlkampf für die Bundestagswahl am 6. März hineingegangen, das Punkt für Punkt und Komma für Komma identisch und gemeinsam war. Herr Kollege Jahn von der SPD-Fraktion, die CDU/CSU-Fraktion dieses Deutschen Bundestages läßt sich in ihrer Geschlossenheit von keiner anderen Fraktion in diesem Hause übertreffen, und schon gar nicht von der sozialdemokratischen Fraktion.
({5})
- Ja, Herr Kollege Vogel, ich höre „Sitzordnung". Da komme ich auf den großen Verdacht, daß Sie diesen Vorbehalt, den Sie machen, im Grunde nur machen, weil Sie das Spektakulum, das ein bißchen zu dieser konstituierenden Sitzung zu gehören scheint, offenbar nicht allein einer neuen Fraktion überlassen wollen.
({6})
Deswegen haben Sie ja auch - Herr Kollege Vogel und die sozialdemokratische Fraktion - ein bißchen zu unserem großen Erstaunen - das muß ich Ihnen sagen - darauf bestanden, daß Sie ganz links sitzen. Sie haben gesagt: „Links von uns ist nur die Wand. Wo die anderen sitzen, mag uns egal sein. Wir sitzen ganz links!" Sie wollen sich darin von niemandem übertreffen lassen.
({7})
Meine Damen und Herren, wir machen das ganz fröhlich und friedlich miteinander, aber ich sage Ihnen in allem Ernst für die CDU/CSU-Fraktion: Wir wünschen uns, daß die größere der Oppositionsparteien und -fraktionen in der Nähe der Mitte dieses Hauses politisch verankert bleibt. Wir wünschen nicht, daß Sie immer weiter nach links abdriften.
({8})
Dies ist nicht zum Nutzen der Sozialdemokratie und nicht zum Nutzen der Bundesrepublik Deutschland.
Ich sage noch etwas. Hier ist so viel von dem Alterspräsidenten der letzten Legislaturperiode gesprochen worden. Ich bin nicht sicher, Herr Kollege Vogel, ob die Entscheidung Ihrer Fraktion, was die Sitzordnung in diesem Hause anbetrifft, unter dem Fraktionsvorsitzenden Wehner möglich gewesen wäre.
({9})
Ich glaube auch nicht, daß Herr Jahn unter einem Vorsitzenden Wehner diese Rede gehalten hätte. Das glaube ich nicht.
({10})
Ich sage noch etwas, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei. In den Wahlkampf zum 6. März sind die Oppositions- und die größere Regierungsfraktion mit unterschiedlichen Programmen hineingegangen. Wir haben die Entscheidung der Wähler gesucht. Der Wähler hat am 6. März so entschieden, wie dieses Haus jetzt zusammengesetzt ist. Der Wähler hat am 6. März die Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause bestimmt. Der Wähler hat der CDU/CSU unter ihrem Bundeskanzler Helmut Kohl nicht zuletzt und gerade deswegen das Vertrauen geschenkt, weil er wußte, daß die CDU/CSU geschlossen ist. Wir werden uns in dieser Geschlossenheit - ich sage das noch einmal - von niemandem übertreffen lassen.
Herr Abgeordneter Schäuble, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahn?
({0})
Nein, Herr Präsident, ich möchte zum Schluß kommen.
Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal: Der Auftrag der Wähler, die am 6. März CDU und CSU gewählt haben, ist eine Verpflichtung für die CDU/CSU, diese Geschlossenheit auch in der Zukunft zu wahren,
({0})
aber er ist auch eine Verpflichtung an die Sozialdemokratische Partei, die Entscheidung des Wählers zu respektieren. Wir sind die Mehrheit, und Sie müssen sich in der Rolle der Opposition zurechtfinden.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, der Übernahme der Geschäftsordnung zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schoppe.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Freundinnen und Freunde!
({0})
Es ist ja nichts Neues, daß wir neu sind in diesem Parlament. Die Neuen, das sind die, die Fehler machen, aber auch die, die Ansprüche stellen an ein System von parlamentarischen Regeln, das, verkrustet und verhärtet, neue, andere Maßstäbe und Ideen nicht zulassen will. Allerdings muß ich sagen, heute lassen mich die Ausführungen, die ich von Herrn Dr. Barzel gehört habe, hoffen, denn er hat gesagt, diese Parlament sei offen für Neues und für Besseres. Wir werden sehen, was sich verwirklichen läßt.
({1})
Es wird für uns noch eine Zeitlang dauern, ehe wir alle Haken und Ösen aufgespürt haben, die uns bei der Ausübung unserer Politik behindern werden. Auf zwei schwerwiegende Punkte sind wir innerhalb der Geschäftsordnung gestoßen, die wir verändert haben möchten.
Da ist zunächst § 12 „Stellenanteile der Fraktionen". Dieser Paragraph regelt die Zusammensetzung des Ältestenrats und der Ausschüsse sowie deren Vorsitz nach der Stärke der Fraktionen. Bei Anwendung dieses Paragraphen wären unter Umständen kleinere Fraktionen ausgeschlossen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist jetzt die Besetzung der Posten der Stellvertreter des Präsidenten.
Über 5% der Wähler haben für uns gestimmt. Das sind mehr als zwei Millionen Menschen. Wären wir in einem Gremium oder in einem Ausschuß nicht vertreten, gilt, daß in diesem Ausschuß der ausdrückliche Wille von zwei Millionen Menschen nicht vertreten ist. Wenn solche Ausgrenzungen betrieben werden, dann gibt es nicht nur die 5-%Hürde - die wir sowieso ablehnen -, sondern dann bedeutet das, daß in der parlamentarischen Praxis eine 10- bis 15%-Klausel herrscht, die Minderheiten benachteiligt.
({2})
Bisher hätte dieser Paragraph nur die FDP berühren können. Das Problem mit der FDP hat sich jedoch von Zeit zu Zeit und hier und dort regeln lassen. Ein koalitionswilliger Partner hat noch immer Gefallen gefunden und die Notwendigkeit eingesehen, der FDP einen Platz zur Verfügung zu stellen. Als erste wirkliche Opposition in diesem Parlament erwarten wir solche Angebote nicht.
({3})
Übrigens wundert mich an dieser Stelle das Argument der Gleichgerichtetheit. Es wundert mich, daß dann die FDP nicht genannt worden ist, weil die Unterschiede zur FDP doch gar nicht so groß sind.
Auf jeden Fall schien es immer so, als man es von draußen im Lande beobachtete.
({4})
Wir halten es für politisch fatal, wenn die Möglichkeit einer umfassenden Mitarbeit der Kleinen vom guten Willen oder vom Machtkalkül der großen Fraktionen abhängig wird. Deshalb schlagen wir für den § 12 der Geschäftsordnung einen Zusatz vor, indem wir die Zuteilung eines Grundmandates für jede im Bundestag vertretene Fraktion fordern.
Ich zitiere einen Satz, den Willy Brandt in seiner Rede vorhin gesagt hat: „Alle Mitglieder dieses Hauses nehmen gleichermaßen an den politischen Aufgaben teil." Das freut mich. Wenn ich das höre, denke ich, es sollte Ihnen leichtfallen, unserem Antrag zuzustimmen.
({5})
Nun zu Punkt 2, zu § 69 der Geschäftsordnung: nichtöffentliche Ausschußsitzung. Die Nichtöffentlichkeit steht nicht nur im Widerspruch zu den Grundsätzen der GRÜNEN, sondern widerspricht auch dem Geist des Grundgesetzes. Art. 42 des Grundgesetzes besagt ausdrücklich: „Der Bundestag verhandelt öffentlich." Der Bundestag! Das ist mir aufgefallen. Erst auf Antrag kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Es haben in der Geschichte des Parlamentarismus hier die Ausschüsse mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. In „Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag, 9. Wahlperiode" sagt Carl-Christian Kaiser - ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten -:
({6})
Für die Bundestagsausschüsse trifft dasselbe zu wie für die Fraktionsarbeitskreise oder -gruppen: dort wird die eigentliche parlamentarische Arbeit geleistet ... Während in den Wahlperioden von 1949 bis 1980 1 810 Plenarsitzungen stattfanden, belief sich die Zahl der Ausschußsitzungen im selben Zeitraum auf nicht weniger als 23 197.
Er beschreibt weiter den Verlauf von Willensbildung und Entscheidung als von Arbeitsgruppen und -kreisen ausgehend, sich über Fraktionsversammlungen und Ausschüsse fortsetzend und schließlich im Bundestagsplenum mit Beschluß endend. Dabei ist der Bundestag das „Forum der Nation", wo alles noch einmal vorgetragen wird, die Meinungsbildung jedoch längst woanders stattgefunden hat. Wenn also die Ausschüsse und Gremien diese Wichtigkeit besitzen, muß natürlich gerade dort das Prinzip der Öffentlichkeit gewährleistet sein.
({7})
Der eigentliche Souverän, das Volk, muß die Arbeit der Abgeordneten verfolgen und kontrollieren können.
({8})
Ein zentraler Grundsatz der Demokratie, nämlich die Öffentlichkeit, ist im § 69 der Geschäftsordnung nicht beachtet.
Wir fordern mehr Transparenz. Das Wort „Transparenz" ist soeben schon gefallen. Ich habe dabei nur den Verdacht, daß das, was hier mit „transparent" gemeint wird, und das, was wir mit „transparent" meinen, etwas Unterschiedliches ist. Ich möchte ein Beispiel nennen, was soeben gebracht worden ist. Wenn von diesem Hause die Behinderten mit Herzlichkeit begrüßt werden, dann muß man den Behinderten auch sagen: Im Moment können wir euch nur diese Herzlichkeit überbringen, ansonsten wollen wir die Gelder für euch kürzen.
({9})
Wir fordern also, die Ausschüsse grundsätzlich öffentlich zu machen und nur in begründeten Einzelfällen die Öffentlichkeit auszuschließen. Auch für diesen Antrag bitten wir um Ihre Zustimmung.
Wenn unseren beiden Anträgen stattgegeben wird, werden wir der Geschäftsordnung zustimmen. Wir behalten uns allerdings vor, weitere Änderungsanträge zu stellen, falls wir in Ausübung unseres Mandats auf weitere Punkte stoßen werden, die Transparenz der parlamentarischen Arbeit verhindern, die Minderheiten ausgrenzen und Mauschelpraxis fördern. - Danke.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgramm.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten übernimmt die Geschäftsordnung des 9. Deutschen Bundestages ohne Veränderung.
Geschäftsordnungen gelten nicht ewig; sie sind verändert worden, und sie werden auch in Zukunft verändert werden, aber sie sollen nicht abrupt verändert werden. Sie sollen, wenn sich das Bedürfnis ergibt, nach sorgfältiger Beratung, nach intensiver Diskussion verändert werden können. Das haben wir das letzte Mal am 25. Juni 1980 getan. Wir haben das sehr sorgfältig im Geschäftsordnungsausschuß behandelt und haben es dann im Plenum beschlossen. So und nicht anders wollen wir auch in Zukunft verfahren. Wir wollen prüfen dürfen, ob das Neue auch das Bessere ist. Wir wollen das sorgfältig prüfen dürfen, wir wollen kein Ad-hoc-Verfahren.
Da wir keinen Ausschuß für Geschäftsordnung bisher bilden konnten - das ist erst im weiteren Verlauf der Konstituierung des Parlaments möglich -, gibt es keine andere Möglichkeit: Wir können diese Anträge nicht überweisen, wir werden sie ablehnen. Aber es besteht die Möglichkeit, sie wieder einzubringen und sie dann einer sorgfältigen Beratung zu unterwerfen, zu der wir gerne bereit sind.
Übrigens, über die Sorgfalt sagt Äsop in einer Fabel: Zwei Frösche wohnten in einem Teich. Als der zur Sommerzeit austrocknete, verließen sie ihn und sahen sich nach einem anderen Aufenthaltsort um.
({0})
Da kamen sie von ungefähr an eine tiefe Zisterne, bei deren Anblick der eine der beiden zu dem anderen sagte: „Laß uns da miteinander hineinspringen." Der andere entgegnete jedoch: „Wenn nun aber auch hier das Wasser vertrocknet, wie wollen wir dann wieder herauskommen?" Und Äsop schließt: Die Fabel lehrt uns, daß man die Dinge sorgfältig erwägen soll. ({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Wir haben immer dann, wenn es im Deutschen Bundestag Anträge zur Geschäftsordnung gegeben hat, diese Anträge sorgfältig beraten. In der Regel sind dann Entscheidungen getroffen worden, die wir einvernehmlich haben beschließen können. In der konstituierenden Sitzung sind wir in einer Schwierigkeit. Ich habe die Antragsteller in einer interfraktionellen Vorbesprechung auf diese Schwierigkeit aufmerksam gemacht.
Deswegen möchte ich einen Verfahrensvorschlag machen, der in diesem Augenblick die Zustimmung des Präsidenten braucht. In diesem Antrag steht z. B. zu § 12 ein Satz, der, wenn wir ihn so beschließen wollten, im Widerspruch zu verschiedenen Gesetzen stünde, in denen das anders geregelt wird. Denn wir nehmen im Bundestag für Gremien Wahlen vor, deren Verfahren durch Gesetz geregelt ist. Der Bundestag darf nicht im Schnellverfahren etwas beschließen, wogegen es einen Gesetzesvorbehalt gibt.
Weil wir den Geschäftsordnungsausschuß noch nicht haben und noch nicht haben können, stelle ich den Antrag, die Drucksache 10/4 - mit den beiden Änderungsanträgen - dem Präsidenten zu überweisen, damit im Präsidium - die übrigen Präsidiumsmitglieder werden ja heute noch gewählt - diese Fragen erörtert werden können, und zwar, wie ich hinzufüge, in Zusammenarbeit mit dem Altestenrat, der ebenfalls erst noch gewählt wird. Wenn Sie diesem Verfahren zustimmen würden, würden wir etwas praktizieren, was wir immer gemacht haben. Ich will damit auch sagen: Nach ausführlichen Geschäftsordnungsberatungen, die vor Jahren stattgefunden haben, wissen wir und alle, die das verfolgt haben, aus Erfahrung, daß am Ende niemand auf einer Forderung bestanden hat, die er nicht durchhalten kann.
Eines aber darf ich zu dem hinzufügen, was Sie inhaltlich sagten. Die Wähler haben entschieden, wie stark die Fraktionen hier im Bundestag sind. Nach § 12 der Geschäftsordnung entscheidet über die Zusammensetzung der Ausschüsse und der Gremien die Stärke der Fraktionen. Also: Auch die Wähler entscheiden darüber, wie viele Mitglieder einer Fraktion in den Ausschüssen und Gremien sein werden. Das ist nicht nur ein korrektes Verfahren, sondern es entspricht auch voll und ganz dem Willen der Wähler. Eine Fraktion hat hier nicht
mehr Rechte, als sie vom Wähler übertragen bekommt.
({0})
Herr Präsident, ich bitte Sie, das Verfahren, das ich vorgeschlagen habe und das nirgendwo geregelt ist, zu akzeptieren, damit, wenn der Bundestag will, so beschlossen werden kann.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Burgmann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde!
({0})
Wir haben soeben in den Vorreden verschiedentlich gehört, daß das, was hier vorgelegt worden ist, sorgfältig beraten werden soll. Wir haben leider hier und heute keine inhaltliche Stellungnahme zu unseren Vorschlägen gehört. Ich darf mich deshalb noch einmal inhaltlich auf unsere Anträge beziehen.
({1})
Mit diesem 29. März 1983 wird eine neue Seite in der parlamentarischen Geschichte der Bundesrepublik aufgeschlagen.
({2})
- Ihr freut euch darüber. Ja? Wir auch. - Nach über 25 Jahren kommt eine neue politische Kraft, eine vierte Fraktion in dieses Parlament, und das Machtmonopol von CDU/CSU, SPD und FDP ist damit gebrochen.
({3})
Die Herausforderung für unsere Demokratie besteht nicht in den 5,5 Prozent, die neu in dieses Haus gekommen sind, sondern darin, wie Sie, meine Damen und Herren, die 94 anderen Prozent, die Sie schon länger hier sitzen, damit umgehen, d. h. wie Sie die Wählerentscheidung aufnehmen und respektieren und die GRÜNEN an der Arbeit in den Gremien dieses Parlaments beteiligen.
Wir haben ja schon einige Auseinandersetzungen hinter uns. Die Beteiligung an den Räumen ist j a bisher noch in keiner Weise zufriedenstellend gewährleistet; wir müssen uns hier. immer noch mit miserablen Arbeitsbedingungen zufriedengeben. Wir werden wahrscheinlich noch einmal draußen sitzen müssen, um zu demonstrieren, daß wir uns auf längere Dauer nicht auf diese Weise werden behandeln lassen. Wir mußten auch die Sitzplätze in diesem Hause erst erstreiten, um an diese Zuordnung zu kommen.
({4})
Es wird sich die Frage stellen, ob sich diese Entwicklung weiter fortsetzt.
Die Beteiligung in den Gremien, die dieses Haus wählt, ist mit ein Zeichen für das Demokratieverständnis, das in diesem Hause herrscht. Die Besetzung nach dem Abzählverfahren bedeutet doch, daß kleine Fraktionen in kleinen Gremien nicht beteiligt werden können, es sei denn, es wird ihnen in Fraktionsabsprachen oder in Koalitionsabsprachen ein solches Angebot gemacht.
Nun, es geht hier nicht nur um zwei Millionen Wähler, die ausgeschaltet werden, sondern es geht darum, wie Waltraud Schoppe schon dargestellt hat, daß auf die Weise bis zu 15% der Wähler ausgeschaltet werden können. Es ist auch zu betonen, daß die Ausschüsse, der Ältestenrat, die Vizepräsidenten ja nun nicht die Aufgabe haben, per Abstimmung Gesetze zu verabschieden oder Beschlüsse zu fassen. Es kommt also nicht darauf an, daß sich die Fraktionsstärken hier widerspiegeln. Sie haben vorbereitende und klärende Aufgaben. An diesen Aufgaben müßten eigentlich alle Fraktionen beteiligt werden. Es gehört zum Recht von Minderheiten, auch beteiligt zu werden, ihre Vorstellungen hier mit einzubringen und auch Informationen zu erhalten. Es dient letzten Endes auch der besseren Vorbereitung der Arbeit in diesem Hause, wenn wir uns daran beteiligen und unsere Vorstellungen von Anfang an mit einbringen können.
({5})
Wir möchten nicht, daß die Rechte von Minderheiten zum Faustpfand von Koalitionsvereinbarungen und Gemauschel werden, sondern diese Rechte müssen in der Geschäftsordnung verankert werden.
({6})
Deshalb beantragen wir, § 12 dahingehend zu ändern, daß jeder Fraktion ein Grundmandat zugeteilt wird. Wir werden Ihre Abstimmung als ein Zeichen werten, wie Sie mit den neuen Minderheiten in diesem Parlament umgehen.
({7})
Nun komme ich zum zweiten Punkt unseres Antrages, nämlich zu § 69, zu dem sich hier überhaupt niemand geäußert hat. § 69 hat die Öffentlichkeit von Ausschüssen zum Gegenstand.
Wir erleben in der Bundesrepublik eine sehr gefährliche Entwicklung: Wir erleben einen Staat, der immer mehr Daten des Bürgers erfaßt, der immer tiefer in die Intimsphäre der Menschen eingreift und der mit der Volkszählung oder Volksaushorchung diesem gar die Spitze aufsetzt und die intimsten Einzelheiten der Bürger zu erfassen versucht. Wir erleben auf der anderen Seite einen Staat - und Parteien, die ihn schützen -, der selber immer mehr vor dem Bürger verbirgt, geheimhält und verschleiert.
({8})
Wenn Öffentlichkeit und Durchsichtigkeit des Staates ein Prinzip der Demokratie ist, dann ist diese Entwicklung schon ein Zeichen für den Abbau der Demokratie in der Bundesrepublik. Ich kann der Äußerung von Herrn Brandt, die Demokratie in diesem Lande sei gefestigt, nicht unbedingt zustimmen; wir als kleine Gruppe erleben immer mehr, wie sie immer weiter abgebaut wird.
Für die Väter des Grundgesetzes, auf die wir uns auch heute verschiedentlich berufen haben, war Burgmann
gegeben aus den Erfahrungen des Faschismus, die sie noch unmittelbar vor Augen und am eigenen Leibe erlebt hatten - die Öffentlichkeit eine Selbstverständlichkeit. So haben sie die Öffentlichkeit für die Arbeit des Bundestages in Art. 42 des Grundgesetzes ausdrücklich als Regelfall festgeschrieben. Sie haben sogar - das zeigt, wieviel ihnen das bedeutet hat - eine Zweidrittelmehrheit für den Beschluß, die Öffentlichkeit auszuschließen, gefordert.
({9})
Sie haben in Art. 44 auch ausdrücklich die Öffentlichkeit für Untersuchungsausschüsse verankert. Man kann davon ausgehen, daß diesen Menschen noch sehr bewußt war, wie eng Öffentlichkeit und Demokratie zusammenhängen. Demokratie bedeutet doch wohl, daß das Volk der Souverän ist. Was gibt es vor diesem Souverän zu verbergen? Das Volk soll doch die Abgeordneten kontrollieren, soll die Entscheidungsfindung mitvollziehen und soll alle vier Jahre daraus seine eigenen Entscheidungen treffen.
Wie aber soll das Volk, die Bevölkerung, die Abgeordneten kontrollieren und seine Wahl treffen, wenn sie von der eigentlichen parlamentarischen Arbeit - ich zitiere hier noch einmal das von Claus Kaiser, was hier schon Waltraud Schoppe zitiert hat - ausgeschlossen bleiben, wenn das Parlament zu einer Schaubühne degradiert wird? Das ist ein Eindruck, den ich vorhin schon mal gehabt habe.
Was soll die Bevölkerung entscheiden, wenn sie nur noch vor dem Hintergrund von bereits in Ausschüssen vorgemauschelten und -gefaßten Entscheidungen einen Schaukampf im Parlament erfährt?
Wir möchten, daß dieses Parlament durchschaubar wird. Wir möchten auch, daß die Ausschüsse, daß die Arbeit dieses Parlaments, die außerhalb dieses Saales getan wird, durchschaubar wird. Wir möchten, daß die Bundesbürger erfahren, welche Interessen und Interessengruppen hinter der Gesetzgebung, hinter den Entscheidungen in diesem Parlament stehen und sie beeinflussen.
Sie haben in der alten Geschäftsordnung die Öffentlichkeit zur Ausnahme erklärt. Das Grundgesetz erklärt die Nichtöffentlichkeit zur Ausnahme. Sie haben also den Geist des Grundgesetzes umgekehrt. Die Nichtöffentlichkeit kann nach unserer Einschätzung nur gerechtfertigt sein, wenn Grundrechte von Personen betroffen sind oder wenn Schaden für die Bevölkerung zu befürchten ist. Das wird in den seltensten Fällen gegeben sein.
Ich komme aus Nürnberg. Das liegt im von Bayern besetzten Franken.
({10})
Bayern ist nicht gerade ein Musterbeispiel der Demokratie, wie wir an den Verhaftungen der 141 jungen Leute vor zwei Jahren im KOMM erfahren haben, in der Berufsverbotspraxis, in der Einführung von CS-Gas und dergleichen. Aber die Öffentlichkeit von Ausschüssen ist in der bayerischen Verfassung verankert. Und wir sollten uns in dem Falle
ausnahmsweise einmal Bayern als Vorbild nehmen.
({11})
Niemand kann uns nachweisen, daß dadurch dem bayerischen Staat Schaden entstanden wäre.
Wir haben auch in Hessen sehr positive Erfahrungen damit, daß die Zuarbeiter für die Abgeordneten an den Ausschußsitzungen teilnehmen dürfen und von daher die Arbeit unterstützen können.
Wie man mit der Öffentlichkeit verfährt, ist in Satz 3 des § 69 der Geschäftsordnung praktikabel gelöst. Wir sehen hier Möglichkeiten, Öffentlichkeit auch in den Ausschüssen herzustellen, und keinen ersichtlichen Grund für die Umkehrung des Grundsatzes des Grundgesetzes. Wenn Sie wollen, daß es offen zugeht, wenn Sie nichts zu verbergen haben, dann stimmen Sie dem Antrag der GRÜNEN zu und beschließen, daß die Öffentlichkeit auch in der Ausschußarbeit, in der parlamentarischen Arbeit generell, zum Grundsatz wird.
({12})
Herr Abgeordneter Burgmann, ich wollte bei dieser Jungfernrede nicht stören. Aber ich möchte darauf aufmerksam machen, daß der 10. Deutsche Bundestag erst seit heute amtiert und daß Beanstandungen, die Sie erhoben haben, ab morgen vielleicht gerechtfertigt sind.
Was Sie über Franken gesagt haben, habe ich überhört, weil Sie hinterher Bayern so gelobt haben.
Und dann gab es ein Wort, das ich nicht verstanden habe. Das war zwischen „Nuscheln" und „Mauscheln". Ich entscheide mich für das erste.
Das Wort hat der Abgeordnete Bötsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Möglicherweise werde auch ich etwas zitieren. Aber die Floskel „mit Erlaubnis des Präsidenten" hatten wir bereits in der alten Geschäftsordnung abgeschafft. Dies nur als freundlicher Hinweis gedacht.
Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, das Blatt, auf dem Sie Geschichte schreiben, wird ja möglicherweise ein Teil einer Loseblattsammlung sein. Dies hoffen wir jedenfalls. Wir werden mit unserer Politik dazu beitragen, daß dies so ist.
Zu den Arbeitsbedingungen hat der Herr Präsident schon etwas gesagt. Wenn Sie schon die Rechte der Minderheit so stark in den Vordergrund Ihrer Überlegungen rücken - jedenfalls verbal -, dann sollten Sie auch die Rechte der Minderheit von Abgeordneten, die diesem 10. Deutschen Bundestag nicht mehr angehören, die ihm aber bis gestern angehört haben - ich denke insbesondere an die Kollegen der FDP -, achten. Ihnen stand nämlich bis gestern ein Rechtsanspruch auf Arbeitsmöglichkeiten in Bonn zu. Mehr kann man hier wohl nicht tun.
({0})
Meine Damen und Herren von den Alternativen:
({1})
Wir sind mit Ihnen als Minderheit nicht schlecht umgegangen. Ich meine, wir sind in der Vorbereitung dieser konstituierenden Sitzung sogar sehr sanft und sorgfältig mit Ihnen umgegangen, vielleicht zu sanft und sorgfältig. Ich hoffe, wir werden das nicht zu bereuen haben.
({2})
Wir haben Sie beispielsweise in den Vorgesprächen darauf hingewiesen, daß es keine Möglichkeit gibt, Anträge zur Geschäftsordnung in der ersten Sitzung des Bundestages an den Geschäftsordnungsausschuß zu verweisen, sondern daß es nur die Möglichkeit der Annahme oder der Ablehnung gibt. Ich bedaure, Kollege Porzner, daß wir darauf bestehen müssen, daß wir hier heute keine Überweisung an irgendein noch nicht vorhandenes Gremium vornehmen. Wir bleiben vielmehr bei unserem Antrag, das abzulehnen.
({3})
Ich sage Ihnen aber durchaus zu, wie das der Kollege Wolfgramm bereits getan hat, dann, wenn es an der Zeit ist, Ihre Anträge im Geschäftsordnungsausschuß sorgfältig zu beraten.
Ich möchte trotzdem einige inhaltliche Bemerkungen zu den von Ihnen vorgebrachten und beantragten Änderungen machen. Es wurde ja gerügt, daß dies nicht geschehen sei. Ich komme zunächst zur Frage des Stellenanteils der Fraktionen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die großen Fraktionen dieses Hauses haben sich seit zwei Legislaturperioden nicht zu ihrem Vorteil, sondern im Interesse der Minderheit dazu durchgerungen, das um Schepers verfeinerte Verfahren nach Hare-Niemeyer anzuwenden, das die kleinen Fraktionen gegenüber den großen eindeutig bevorteilt.
Insofern, meine Damen und Herren, können Sie sich darüber wirklich nicht beklagen: denn - das muß auch für die Öffentlichkeit gesagt werden - Sie werden in allen Ausschüssen des Deutschen Bundestags vertreten sein und haben dort mehr, als Ihnen dann vielleicht lieb ist, die Möglichkeit, auch sachlich mitzuarbeiten.
({4})
Ich komme damit zu der Frage nach der Öffentlichkeit der Ausschußsitzungen. Es ist ja nicht Ihre Erfindung, das in die Diskussion zu bringen. Damit hat sich die Enquete-Kommission „Verfassungsreform" im 7. Deutschen Bundestag sehr ausführlich auseinandergesetzt. Sie hat das Für und Wider abgewogen. Meine Damen und Herren, sie hat auch die Praxis im Bayerischen Landtag untersucht. Als einer, der sicherlich mindestens genauso Franke ist wie mein Herr Vorredner, sich aber keineswegs von Bayern besetzt fühlt, sondern sehr bewußt in Bayern lebt, kann ich Ihnen aus der Erfahrung im Bayerischen Landtag, dem ich angehört habe, heraus sagen: Wenn ich abzuwägen habe, dann entscheide ich mich eindeutig für die Nichtöffentlichkeit der Ausschußsitzungen, weil dies die sachliche Arbeit zur Vorbereitung der Entscheidung im Plenum nur fördert;
({5})
denn Ausschüsse sind interne Hilfsorgane des Deutschen Bundestages, also Teile der Verfassungsorgane. Deshalb können Ausschüsse auch nicht etwa anstelle des Plenums tätig sein.
Herr Kollege, Untersuchungsausschüsse tagen natürlich nicht so, wie Sie es hier dargestellt haben, öffentlich, sondern nur die Zeugenvernehmungen bei Untersuchungsausschüssen werden öffentlich durchgeführt, und zwar mit Recht. Daran wollen wir auch gar nichts ändern. Das ist natürlich ein kleiner Unterschied. Auch Hearings in den Ausschüssen des Bundestages werden selbstverständlich öffentlich durchgeführt. Nur, wir wollen mit der Öffentlichkeit der Sachverhandlung in den Ausschüssen nicht über die Maßen das fördern, was wir bisher mit diesem Instrumentarium gehabt haben und was auch notwendig ist.
Das hat nichts mit Mauschelei, Nuschelei oder sonst etwas zu tun. Das notwendige Maß an Öffentlichkeit im deutschen Parlament ist gewährleistet durch die öffentliche Beratung im Plenum, durch den öffentlichen und jedermann zugänglichen Ausschußbericht, durch die regelmäßigen Berichte auch der „Parlaments-Korrespondenz" aus den Ausschüssen für die Öffentlichkeit.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, beantragt unsere Fraktion, die beiden Anträge der GRÜNEN abzulehnen und die bisherige Geschäftsordnung unverändert auch für den 10. Deutschen Bundestag zu übernehmen.
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Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wir haben also zu entscheiden über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 10/1 und über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/6. Dazu liegen die Änderungsanträge der Fraktion der GRÜNEN vor. Hierzu gibt es einen Verfahrensvorschlag, über den wir uns nachher vielleicht noch verständigen können.
Sind Sie einverstanden - das kann man so und so beurteilen -, wenn ich zunächst über die Anträge der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 10/1 und der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/6 abstimmen lasse und dann über die Änderungsanträge? Können wir so verfahren? - Es besteht der Wunsch, das jetzt zu entscheiden. Wir müssen j a auch eine Geschäftsordnung haben.
Dann rufe ich den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 10/1 sowie den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/6 auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei wenigen EnthaltunPräsident Dr. Barzel
gen und bei Nichtbeteiligung einiger Abgeordneter an dieser Abstimmung sind die gleichlautenden Anträge angenommen.
({0})
Es bleibt dann die Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN. Er liegt vor auf der Drucksache 10/4. Dazu gibt es einmal den Vorschlag, darüber sofort zu entscheiden. Der andere Vorschlag lautet, das zu überweisen auf dem Weg über den Präsidenten, das Präsidium - das wir hoffentlich bald haben werden - an den Ausschuß, den wir hoffentlich auch bald haben werden. Die Frage ist: Wünscht das Haus jetzt über diese Änderung zu entscheiden oder sie zu überweisen? Sie haben hierzu den Antrag gehört, darüber jetzt zu entscheiden. Wenn ich die Vertreter der. GRÜNEN richtig verstanden habe, haben sie erklärt: Wenn Sie die Änderungsanträge annehmen, stimmen wir der Geschäftsordnung zu. Sie wünschten heute zu wissen - wenn ich die erste Rednerin richtig verstanden habe -, wie das behandelt werde. Deshalb verstehe ich Ihre Einlassung auch so, darüber jetzt zu entscheiden.
Dann darf ich den Antrag der GRÜNEN jetzt zur Entscheidung stellen. Wer dem Antrag der GRÜNEN zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Zeichen. - Ich bitte um die Gegensprobe. - Das ist die überwältigende Mehrheit. - Enthaltungen? -Keine Enthaltung. Es ist festzustellen, daß der Änderungsantrag und damit beide Änderungswünsche der Fraktion der GRÜNEN abgelehnt sind.
Damit keine Mißverständnisse entstehen: Wir haben über alle Anträge, die die Geschäftsordnung betreffen, abgestimmt. Wird dem widersprochen? - Das ist nicht der Fall. Damit haben wir Punkt 4 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Wahl der Stellvertreter des Präsidenten
Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP beantragen auf Drucksache 10/2, die Fraktion der SPD beantragt auf Drucksache 10/7, vier Stellvertreter des Präsidenten zu wählen. Die Fraktion der GRÜNEN beantragt auf Drucksache 10/3, fünf Stellvertreter des Präsidenten zu wählen. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Hoss.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste!
({0})
Es ist mir ein besonderes Bedürfnis, unter den Gästen in diesen Tagen den Botschafter Nicaraguas -
Herr Abgeordneter, wir haben eben die Geschäftsordnung gebilligt. Danach ist die Begrüßung der Gäste nicht Ihres Amtes.
Erlauben Sie mir, daß ich trotzdem meinem inneren Bedürfnis Ausdruck gebe.
({0})
Herr Kollege - ({0})
Ich möchte den Antrag für die GRÜNEN im Bundestag begründen, die Anzahl der Stellvertreter des Präsidenten von vier auf fünf zu erhöhen mit dem Ziel, die GRÜNEN im Präsidium zu beteiligen.
Grundlage ist der Art. 40 des Grundgesetzes:
Der Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und die Schriftführer.
Im Kommentar von Ritzel-Bücker heißt es dazu:
Die Anzahl der Stellvertreter des Präsidenten ist weder im Grundgesetz noch in der Geschäftsordnung festgelegt. Der Bundestag kann frei über die Anzahl der Stellvertreter des Präsidenten bestimmen. Grundsätzlich wird die Anzahl
- und ich bitte die Damen und Herren, darauf zu achten der Stellvertreter durch eine Vereinbarung zwischen den Fraktionen festgelegt, wobei das Höchstzahlverfahren
- ob das nun das d'Hondt'sche Verfahren ist oder das Verfahren Hare-Niemeyer nicht zum Zuge kommt, da dann kleine Fraktionen keine Stellvertreter stellen können.
Dieser Text belegt, daß der Sinn der Wahl des Präsidenten und seiner Stellvertreter nicht darin besteht, daß die großen Fraktionen in diesem Hause diktieren, sondern darin, daß die Rechte und Mitwirkungsmöglichkeiten von kleineren Fraktionen und Minderheiten gewährleistet, beachtet werden.
Ich erinnere da an die Worte des amtierenden Alterspräsidenten, Kollegen Brandt, der davon gesprochen hat, daß die demokratischen Grundlagen in unserer Gesellschaft gefestigt werden müssen. Hier besteht eine Möglichkeit, Minderheiten an diesem Prozeß zu beteiligen. Diese Übung ist auch in vielen Legislaturperioden Brauch in diesem Parlament gewesen. Wie wir sehen, trifft das für die FDPFraktion auch in dieser Legislaturperiode zu.
Warum wird das nicht für die GRÜNEN gewährleistet? Ich frage mich: Welche Gründe haben die CDU/CSU-Fraktion, aber auch die SPD und die FDP, die GRÜNEN aus dem Präsidium fernzuhalten, einem Gremium, in dem über Stil und Ablauf der Debatten mit entschieden wird?
Ich möchte Ihnen hier einmal sagen: Ich habe bisher in Betriebsversammlungen bei Daimler-Benz gesprochen. Eine solche Unruhe habe ich dort noch nie bemerkt. Ich kann das nur hier ganz kritisch anmerken.
({0})
Ich habe auch keine Lust, vor Ihnen hier weiterzusprechen, wenn Sie das nicht ernst nehmen, was wir hier als Minderheit zu sagen haben.
({1})
Das muß ich hier einmal mit aller Deutlichkeit festhalten. Wenn Sie nicht zuhören wollen, dann kann
ich Sie nur bitten, hinauszugehen, damit diejenigen, die hören wollen, hier auch zuhören können.
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Meine Damen und Herren, in aller Ruhe frage ich Sie: Welche Gründe haben die großen Fraktionen, die GRÜNEN aus dem Präsidium fernzuhalten, einem Gremium, in dem über Stil und Ablauf der Debatten mit entschieden wird?
Ich möchte an dieser Stelle gleich betonen, daß wir GRÜNEN das Präsidium nicht als Pfründe oder Versorgungsstelle betrachten. Wir stellen den Antrag auf Erhöhung von vier auf fünf Stellvertreter, weil wir an der Gestaltung der Parlamentsarbeit, am demokratischen Stil mitarbeiten und mitwirken wollen. Ich erinnere an die Rede des Herrn Präsidenten Barzel, der davon gesprochen hat, daß man für Neues zugänglich ist. Wenn Sie so verfahren, wie Sie beantragen, hindern Sie uns, daran mitzuarbeiten, einiges, was wir ändern wollen, hier zu ändern, in diesem Gremium. In der Haltung der anderen Fraktionen, uns davon fernzuhalten, verspüren wir - und das sollten Sie in aller Deutlichkeit zur Kenntnis nehmen - ein Drohpotential uns gegenüber. Die Öffentlichkeit wird zur Kenntnis nehmen, daß Sie es sind, daß die großen Fraktionen einschließlich der FDP es sind, die als erste den Grundsatz mit dem lang gehegten parlamentarischem Brauch, alle Fraktionen zu beteiligen und den Minderheitenschutz zu berücksichtigen, brechen und davon Abstand nehmen.
({3})
Wenn Sie, meine Damen und Herren, Ihren Plan durchsetzen, uns im Präsidium nicht zu akzeptieren, würde das signalisieren, welche Stellung Sie zu den Minderheiten und welche Stellung Sie zu Andersdenken einnehmen und wie Sie mit den Minderheiten und Andersdenkenden umgehen wollen ({4})
nicht nur in diesem Hause, sondern auch außerhalb dieses Hauses, draußen im Land. Es wird Ihnen sicher nicht verborgen geblieben sein, und Sie sind sich dessen sicher bewußt, wo die Gründe dafür liegen, daß wir GRÜNEN in den Bundestag gewählt worden sind, und warum es gelungen ist, uns gelungen ist, die Dreierkonstellation CDU/CSU, FDP und SPD aufzubrechen. Zu lange sind in unserer Gesellschaft die berechtigten Lebensinteressen vieler Menschen, größerer und kleinerer Gruppen, zugunsten vermeintlich wichtigerer Ziele untergebuttert worden.
({5})
Zur Sache, Herr Kollege!
Ich begründe meinen Antrag, Herr Präsident. Ich sehe die Begründung so; ich kann mich nicht einfügen in das, was Sie als Begründung verstehen. Ich muß das hier politisch begründen.
({0})
Ich habe nicht mehr lange zu reden. Es dauert nur noch eine oder zwei Minuten. Ich bitte Sie um Geduld.
Ich sagte, daß die Interessen vieler Menschen, größerer und kleinerer Gruppen, zugunsten vermeintlich wichtigerer Ziele in unserer Gesellschaft untergebuttert worden sind. Die Noch-Minderheiten, die den Sinn von arbeitsplatzvernichtenden Rationalisierungsprozessen angesichts zunehmender Arbeitslosigkeit nicht mehr ausmachen können, die Bürger, die mit Unverständnis auf rücksichtslose Produktion angesichts sterbender Wälder und Verschmutzung von Wasser und Luft reagieren, und die Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden und auf deren Kosten die Wirtschaft saniert werden soll - das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen -, haben jetzt als Minderheit hier eine Stimme im Bundestag.
Wir können Sie nur auffordern, darüber nachzudenken, daß sich, indem Sie Kraft Ihrer Mehrheit uns die Mitarbeit im Präsidium und damit unsere Mitwirkungsmöglichkeit verweigern, auch die zunehmend getroffen fühlen, die vor der Hochrüstungspolitik Angst haben und lohnendere Menschheitsaufgaben sehen als zu rüsten.
Ich kann Sie, meine Damen und Herren der verschiedenen Fraktionen, nur zu folgendem auffordern. Ich kann die Damen und Herren der FDP nur auffordern, nicht den letzten Rest von Liberalität aufzugeben, indem Sie dagegen sprechen, daß wir im Präsidium mitarbeiten dürfen. Ich kann Sie, meine Damen und Herren und Kollegen von der SPD-Fraktion nur auffordern, die guten Seiten solidarischer, sozialistischer und demokratischer Tradition zu pflegen und die Minderheiten nicht fallenzulassen. Ich kann Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion nur auffordern, in der Behandlung Andersdenkender und Minderheiten nicht mit dem schlechteren Teil christlicher Traditionen - der Verketzerung und Ausgrenzung von Minderheiten - zu beginnen.
({1})
Ich fordere Sie alle auf - alle Mitglieder aller Fraktionen -, der Erhöhung der Zahl der Stellvertreter des Präsidenten von vier auf fünf zuzustimmen.
({2})
Sie haben die Begründung des Antrags gehört.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Es ist bekannt, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion einer interfraktionellen Vereinbarung zugestimmt hätte, die Zahl der Stellvertreter des Präsidenten auf fünf zu erhöhen. Ich habe angeregt, über eine solche Möglichkeit zu sprechen, aber eine solche Vereinbarung ist nicht zustande gekommen.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat danach sehr sorgfältig vor ihrer Entscheidung diskutiert, und sie ist zu dem Ergebnis gekommen, im
Bundestag zu beschließen, daß die Zahl der Stellvertreter des Präsidenten auf vier festgesetzt wird.
Es ist nicht so, daß diejenigen Fraktionen in ihren Möglichkeiten, im Bundestag zu arbeiten, beschränkt werden, die im Präsidium des Bundestages nicht vertreten sind. Seit 1953 hat der Bundestag vier stellvertretende Präsidenten. Es hat seitdem viele Fraktionen gegeben, die keinen Vizepräsidenten stellten. Wir haben niemals gehört, daß deswegen jemandem seine parlamentarischen Rechte beschnitten worden wären.
({0})
Im übrigen ist es so, daß die Vorbereitung der Plenarsitzungen mit allem, was dazugehört, nicht im Präsidium, sondern im Ältestenrat des Bundestages erfolgt, wo selbstverständlich alle Fraktionen vertreten sind. Es wird also nicht eine einzige Situation auftreten, in der Fragen zur Debatte stehen, die die Arbeit im Plenum und die Tagesordnung im Plenum oder die den Bundestag insgesamt betreffen, wo nicht auch Ihre Fraktion mit dabei ist.
Meine verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, dem Antrag der SPD auf Drucksache 10/7, die Anzahl der Stellvertreter des Präsidenten auf vier festzusetzen, zuzustimmen.
({1})
Meine Damen und Herren, ich sehe, das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Antrag der Fraktion der GRÜNEN auf Drucksache 10/3, fünf Stellvertreter des Präsidenten zu wählen, ist der weitergehende Antrag. Ich lasse deshalb darüber zuerst abstimmen.
Wer dem Antrag auf Drucksache 10/3, fünf Stellvertreter zu wählen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen jetzt zu den Anträgen der Fraktion der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 10/2 sowie der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/7, vier Stellvertreter des Präsidenten zu wählen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit überwältigender Mehrheit ist dieser Antrag angenommen.
Interfraktionell ist vereinbart, diese Wahlen der vier, wie wir nun entschieden haben, Vizepräsidenten in getrennten Wahlgängen mit verdeckten Stimmzetteln, d. h. geheim, durchzuführen. Ich darf fragen, ob das Haus mit diesem Verfahren einverstanden ist. - Es erhebt sich kein Widerspruch. Wir können so verfahren.
Ich komme damit zur Wahl eines ersten Stellvertreters des Präsidenten. Die Fraktion der SPD schlägt die Abgeordnete Frau Renger vor. Ich bin davon unterrichtet worden, daß die Fraktion der GRÜNEN die Abgeordnete Frau Reetz vorschlägt.
Werden weitere Wahlvorschläge gemacht? - Das ist nicht der Fall.
Ich darf jetzt, meine Kolleginnen und Kollegen, um Ihre besondere Aufmerksamkeit für Hinweise zum Wahlverfahren bitten. Anders als bei der Wahl zum Präsidenten soll in den folgenden Wahlhandlungen kein ausdrücklicher Namensaufruf erfolgen. Ich gehe davon aus, daß das Haus mit diesem Verfahren einverstanden ist. Sie finden auf Ihren Pulten deshalb vier verschiedenfarbige Wahlausweise, die zusätzlich durch römische Ziffern gekennzeichnet sind. Die Wahlausweise werden für die einzelnen Wahlhandlungen wie folgt benötigt: weiß mit der Ziffer I für die erste Wahlhandlung, rot mit der Ziffer II für die zweite Wahlhandlung, grün mit der Ziffer III für die dritte Wahlhandlung, gelb mit der Ziffer IV für die vierte Wahlhandlung. Die für die Wahl allein gültige Stimmkarte, deren Farbe jeweils mit der Farbe des Wahlausweises identisch ist, erhalten Sie von den Schriftführern vor Betreten der hier vorn rechts und links aufgestellten Wahlzellen. Sie dürfen Ihre Stimmkarte nur in der Wahlzelle ankreuzen und müssen die Stimmkarte ebenfalls noch in der Wahlzelle in den Umschlag legen. Die Schriftführer müssen jeden zurückweisen, der seine Stimmkarte außerhalb der Wahlzelle gekennzeichnet oder in den Umschlag gelegt hat. Die Wahl kann jedoch in diesem Fall vorschriftsmäßig wiederholt werden.
Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei einem der beiden Kandidaten. Wer sich der Stimme enthalten will, macht keine Eintragung auf der Stimmkarte. Ungültig sind Stimmen auf nichtamtlichen Stimmkarten sowie Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten. Bevor Sie die Stimmkarte in die Wahlurne legen, müssen Sie dem Schriftführer an der Wahlurne den Wahlausweis übergeben. Bitte achten Sie darauf, daß die Stimmkarte im Wahlumschlag und der Wahlausweis von der gleichen Farbe sind.
Ich darf Sie abschließend darauf hinweisen, daß allein die Abgabe des Wahlausweises als Nachweis der Teilnahme an der Wahl gilt. Deshalb können Sie Ihre Stimmkarte nur in die Wahlurne legen, nachdem Sie dem Schriftführer Ihren Wahlausweis übergeben haben.
Ich bitte jetzt die Schriftführer, die vorgesehenén Plätze einzunehmen. Für die gleich beginnende Wahlhandlung bitte ich den weißen Wahlausweis mit der römischen Ziffer I zu verwenden. Auch die Stimmkarte, die Ihnen von den Schriftführern hier vorne ausgegeben wird, ist weiß.
Um die vor uns liegenden Wahlen in möglichst kurzer Zeit durchführen zu können, bitte ich, das Verfahren genauestens zu beachten. Ich bitte Sie, nach Möglichkeit von den vorderen Sitzreihen aus beginnend, nacheinander zu den Tischen für die Ausgabe der Stimmkarten zu kommen, damit ein zu großer Andrang vermieden wird.
Haben alle Schriftführer ihre Plätze eingenommen? - Das ist der Fall.
Präsident Dr. Barzel
Ich eröffne jetzt die Wahl und bitte, mit der Abgabe der Stimmkarten zu beginnen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, haben Sie alle Gelegenheit gehabt, an diesem Wahlgang teilzunehmen? Meine Damen und Herren, haben Sie alle Gelegenheit gehabt, sich an diesem Wahlgang zu beteiligen? - Ich sehe keinen Widerspruch. - Halt! Meine Damen und Herren, ich frage noch einmal: Haben alle Gelegenheit gehabt, sich zu beteiligen? - Ich höre keinen Widerspruch.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich unterbreche die Sitzung für 20 Minuten. Wir setzen also die Sitzung um 15.15 Uhr fort.
({0})
Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
Ich gebe das Ergebnis der Wahl zum ersten Vizepräsidenten bekannt. Es wurden 503 Stimmen abgegeben. Von diesen sind 499 Stimmen gültig. Für die Abgeordnete Frau Renger wurden 436 Stimmen abgegeben.
({0})
Die Abgeordnete Frau Reetz erhielt 33 Stimmen. 30 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. 4 Stimmen sind ungültig. Ich stelle fest, daß die Abgeordnete Frau Renger damit die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses erhalten hat. Sie ist damit zum Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt. Ich frage Sie, Frau Abgeordnete Renger: Nehmen Sie die Wahl an?
Ja, ich nehme die Wahl an.
({0})
Ich übermittle Ihnen, Frau Renger, die Glückwünsche des Hauses. Ich schließe meine persönlichen Wünsche an und hoffe auf eine gute und angenehme Zusammenarbeit.
({0})
Wir fahren fort mit der Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt hierfür den Abgeordneten Richard Stücklen vor. Wenn ich es recht verstehe, schlägt die Fraktion der GRÜNEN die Frau Abgeordnete Reetz vor. Werden weitere Wahlvorschläge gemacht? - Das ist nicht der Fall.
Diese Wahl wird nach demselben Verfahren wie vorhin durchgeführt. Ich bitte, jetzt den roten Wahlausweis mit der Kennzeichnung II zu verwenden. Auch die Stimmkarten haben die Farbe rot. Ich bitte jetzt die Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Haben alle Schriftführer ihre Plätze eingenommen? - Das ist der Fall.
Ich eröffne jetzt die Wahl und bitte, mit der Ausgabe der Stimmkarten zu beginnen. Meine Damen und Herren, darf ich Sie fragen, ob Sie alle Gelegenheit gehabt haben, an dem Wahlgang teilzunehmen.
({1})
- Hier links ist wieder frei.
Meine Damen und Herren, haben jetzt alle Gelegenheit gehabt abzustimmen? - Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, haben jetzt alle Gele- genheit gehabt, ihre Stimmen abzugeben? - Das ist der Fall. Dann schließe ich den Wahlgang und bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Diese Auszählung wird 15 Minuten dauern. Ich werde die Sitzung um 15.55 Uhr wieder eröffnen. Ich unterbreche die Sitzung.
({2})
Meine Damen und Herren, ich setze die unterbrochene Sitzung fort.
Ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt. Es wurden 498 Stimmen abgegeben. Davon sind 492 Stimmen gültig. Für den Abgeordneten Richard Stücklen wurden 403 Stimmen abgegeben.
({3})
Die Abgeordnete Frau Reetz erhielt 45 Stimmen. 44 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Sechs Stimmen sind ungültig.
Ich stelle fest, daß der Abgeordnete Richard Stücklen die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses erhalten hat. Er ist damit zum Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt. Ich frage Sie, Herr Abgeordneter Stücklen: Nehmen Sie die Wahl an?
Ich nehme die Wahl an, Herr Präsident.
Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses. Ich wünsche Ihnen Glück und Erfolg, und ich bin sicher, daß wir gut zusammenarbeiten werden. Vielen Dank.
({0})
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten.
Die Fraktion der SPD schlägt hierfür den Abgeordneten Heinz Westphal vor. Die Fraktion der GRÜNEN schlägt, wenn ich richtig sehe, die Frau Abgeordnete Reetz vor. Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, die Wahl wird nach demselben Verfahren wie schon zweimal durchgeführt. Ich bitte, jetzt den grünen Wahlausweis mit der Kennzeichnung III zu verwenden. Auch die Stimmkarten haben die Farbe grün. Ich bitte die Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ich darf fragen, ob dies der Fall ist. - Dies ist der Fall.
Präsident Dr. Barzel
Ich eröffne den Wahlgang und bitte, mit der Ausgabe der Stimmkarten zu beginnen. Meine Damen und Herren, darf ich fragen, ob alle Kolleginnen und Kollegen Gelegenheit hatten, sich am dritten Wahlgang zu beteiligen? - Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, haben jetzt alle an dieser Wahl teilgenommen? - Noch nicht? - Sie wissen, daß dies wie eine namentliche Abstimmung - in jeder Hinsicht - behandelt wird.
Meine Damen und Herren, haben jetzt alle Gelegenheit gehabt, sich an der Wahl zu beteiligen? - Darf ich die Schriftführer fragen? - In Ordnung.
Dann schließe ich den Wahlgang. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Die Auszählung dürfte 15 Minuten dauern.
Ich werde um 16.40 Uhr den vierten Wahlgang aufrufen und möchte Sie davon unterrichten, daß nach dem vierten Wahlgang eine Pause von 45 bis 60 Minuten eintreten wird. Dann werden wir in die zweite Sitzung des Bundestages mit der Wahl des Bundeskanzlers eintreten, und im Laufe des Abends wird die Vereidigung des Bundeskanzlers erfolgen.
Ich unterbreche die Sitzung für eine Viertelstunde, bis 16.40 Uhr.
({1})
Meine Damen und Herren, wenn Sie erlauben, setzen wir die unterbrochene Sitzung anderthalb Minuten vor der Zeit fort. - Ich sehe keinen Widerspruch.
Ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt. Es wurden 503 Stimmen abgegeben. Von den abgegebenen Stimmen sind 486 Stimmen gültig. Für den Abgeordneten Heinz Westphal wurden 314 Stimmen abgegeben. Die Abgeordnete Frau Reetz erhielt 43 Stimmen. 129 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. 17 Stimmen sind ungültig.
Ich stelle fest, daß damit der Kollege Heinz Westphal die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses erhalten hat. Er ist damit zum Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt.
Ich frage Sie, Herr Abgeordneter Westphal: Nehmen Sie die Wahl an?
Herr Präsident, ich nehme die Wahl an.
({0})
Ich übermittle Ihnen die Glückwünsche des Hauses und wünsche Ihnen auch selbst viel Glück und Segen. Auf gute Zusammenarbeit, Herr Kollege Westphal!
Meine Damen, meine Herren, wir kommen zur Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP schlagen den Abgeordneten Richard Wurbs vor. Die Fraktion der GRÜNEN schlägt erneut die Frau Abgeordnete Reetz vor. Werden weitere Wahlvorschläge gemacht? - Das ist nicht der Fall.
Meine Damen, meine Herren, diese Wahl wird nach demselben Verfahren wie vorhin durchgeführt. Ich bitte, jetzt die Wahlausweise mit der Kennzeichnung IV zu verwenden. Die Stimmkarten haben die Farbe gelb.
Ich bitte die Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Haben die Schriftführer die Plätze eingenommen? - Das ist der Fall.
Ich eröffne den Wahlgang und bitte, mit der Ausgabe der Stimmkarten zu beginnen.
Meine Damen und Herren, haben Sie alle Gelegenheit gehabt, an diesem vierten Wahlgang teilzunehmen? - Ich frage die Schriftführer. - Dann schließe ich den Wahlgang und bitte, mit der Auszählung zu beginnen. ({0})
- Ich bitte einen Augenblick um Ruhe. Ich will eine Bemerkung über den weiteren Ablauf machen.
Ich denke, daß die Auszählung 15 Minuten dauern wird. Ich möchte die dafür unterbrochene Sitzung gern um 17.15 Uhr fortsetzen. Wir werden dann nach der Bekanntgabe des Ergebnisses die erste Sitzung des Deutschen Bundestages beenden.
Danach möchte ich die Mitglieder des Präsidiums in mein Büro zur Konstituierung des Präsidiums bitten.
Die 2. Sitzung des Deutschen Bundestages wird, so ist meine Planung, um 18 Uhr beginnen. Ich hoffe, wir können sie einhalten. - Ich danke Ihnen.
Ich unterbreche die Sitzung bis 17.15 Uhr.
({1})
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis des vierten Wahlganges bekannt. Es wurden 504 Stimmen abgegeben. Von den abgegebenen Stimmen sind 492 gültig. Für den Abgeordneten Richard Wurbs wurden 316 Stimmen abgegeben.
({2}) Die Abgeordnete Frau Reetz erhielt 68 Stimmen.
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108 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. 12 Stimmen sind ungültig.
Ich stelle fest, daß der Abgeordnete Richard Wurbs die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Hauses erhalten hat. Er ist damit zum Stellvertreter des Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt. Ich frage Sie, Herr Abgeordneter Wurbs, nehmen Sie die Wahl an?
Ich nehme die Wahl an.
Ich übermittele die besten Glückwünsche des ganzen Hauses. Ich schließe die persönlichen Wünsche an und bin sicher, daß wir gut zusammenarbeiten werden, Herr Kollege Wurbs.
({0})
Präsident Dr. Barzel
Wir sind damit am Ende der ersten Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich berufe die zweite Sitzung des Deutschen Bundestages - mit der Wahl und der Eidesleistung des Bundeskanzlers - für den 29. März 1983, 18 Uhr ein.
Die erste Sitzung ist geschlossen.