Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 96. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die amtlichen Mitteilungen zu machen.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Nowack ({0}) und Leddin für vier Wochen wegen Krankheit.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Freitag, Leibfried, Nickl, Frau Heiler, Dr. Schöne, Dr. Serres, Gockeln, Dr. Baumgartner, Reitzner, Keuning, Dr. Horlacher, Meyer ({1}), Dr. Veit, Meitmann, Reindl, Wagner, Dr. Wuermeling, Dr. Weber ({2}), Dr. Dr. Höpker-Aschoff, Löbe, Klabunde, Neuburger, Dr. Reif, Frühwald, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Frau Niggemeyer, Kalbfell, Dr. Hammer, Kühling, Wittmann, Dr. Henle, Parzinger, Wahl.
({3})
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat am 20. Oktober 1950 in Ausführung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 8. September 1950 über seine Verhandlungen mit der Hohen Kommission zur Einschaltung des Flughafens Wahn in das Luftverkehrsnetz berichtet. Der Bericht wird Ihnen als Drucksache Nr. 1517 vorgelegt werden.
An Vorlagen sind eingegangen:
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ({4});
Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der Dividendenabgabeverordnung;
Entwurf eines Gesetzes für Sicherungs- und Überleitungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft;
Entwurf eines Gesetzes über die Vereinbarung über den Warenverkehr und das Protokoll vom 17. August 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Brasilien;
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Besteuerung des Kleinpflanzertabaks im Erntejahr 1950.
Meine Damen und Herren! Mir ist mitgeteilt worden, daß die Fraktion der CDU/CSU sich wegen der gestrigen Zentralbankratssitzung mit dem Preisgesetz und dem Mündlichen Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen betreffend Küstenkohlentarife - also den Punkten 2 a und 4 der Tagesordnung - nicht hat befassen können. Es wird gebeten, diese Punkte von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Ich bin darüber unterrichtet worden, daß eine Vereinbarung über diese Fragen zustandegekommen ist. Darf ich das Haus fragen, ob es mit der Absetzung der Punkte 2 a und 4 und damit auch mit der Absetzung der Beratung der Interpellation unter Tagesordnungspunkt 2 b einverstanden ist?
({0})
- Dann sind diese Punkte abgesetzt.
Weiter bin ich gebeten worden, den Punkt 9 der Tagesordnung, den Antrag der Zentrumsfraktion auf Einsetzung eines Bundessparkommissars eventuell etwas vorzuziehen, da der Herr Abgeordnete Dr. Bertram, der den Antrag begründen wird, später verhindert wäre. Wenn wir nicht rechtzeitig fertig werden, darf ich um die Genehmigung des Hauses bitten, den Punkt etwas vorzuziehen.
({1})
Und nun ein Letztes. Ich bin darüber unterrichtet worden, daß im Laufe der Sitzung noch eine dringende Interpellation wegen der Auslieferung eines Deutschen an Polen eingebracht werden wird. Der Herr Bundesjustizminister ist nach den mir gewordenen Mitteilungen bereit, diese Interpellation in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich bitte das Haus um die Erlaubnis, diese Interpellation, wenn sie eingeht, im Laufe der Tagesordnung zu erledigen.
({2})
- Das Haus ist einverstanden. Ich stelle das fest.
Ich rufe zunächst Punkt 1 der Tagesordnung auf: Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Vorlage eines Gesetzes über Steuerbegünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaues ({3}).
Wer wird die Interpellation einbringen?
({4})
- Ich schlage vor, daß wir die Besprechung der Interpellation zurückstellen, bis der Abgeordnete eingetroffen ist.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Zucker ({5}) ({6}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({7}) ({8}). ({9}).
Berichterstatter ist Abgeordneter Dr. Dr. Müller
({10}). Darf ich den Herrn Berichterstatter bitten,
das Wort zu nehmen?
({11})
- Der Berichterstatter ist nicht da.
Meine Damen und Herren! Ich darf diese Gelegenheit benutzen, dem Hause mitzuteilen, daß der Vorstand des Hauses, der gestern zusammengetreten ist, seinem dringenden Wunsch in völliger Übereinstimmung mit mir Ausdruck gegeben hat, daß die Sitzungen pünktlich beginnen.
({12})
Ich werde diesem Wunsche nachkommen - ich stelle mit Freude fest, daß der Herr Berichterstatter inzwischen eingetroffen ist - und bitte, die Abgeordneten darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß ich die Sitzungen auf die Minute beginnen werde.
({13})
Ich habe den Ordnern Anweisung gegeben, daß, ohne irgendwelchen Vereinbarungen über Zeremonien vorzugreifen, in dem Augenblick, in dem ich den Saal betrete, die Türen zunächst geschlossen werden. Selbstverständlich hindert das die Herren Abgeordneten, die später kommen, nicht, den Saal zu betreten. Ich glaube nicht, daß es der Würde des Hauses angemessen ist, daß die Sitzungen zum Teil hier und zum Teil draußen stattfinden, sondern wir müssen die Sitzung hier geschlossen beginnen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist, daß so verfahren wird.
({14})
Nachdem Herr Abgeordneter Dr. Müller eingetroffen ist, bitte ich ihn, als Berichterstatter zu Punkt 3 der Tagesordnung das Wort zu nehmen, nämlich zur
Zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Zucker ({15}) ({16});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({17}) ({18}). ({19})
Ich darf noch darauf aufmerksam machen, daß nach dem Vorschlag des Ältestenrats für die Berichterstattung eine Zeit von 10 Minuten vorgesehen ist. Für die Aussprache wurde keine besondere Festlegung für erforderlich gehalten. Ich bitte das Haus, damit einverstanden zu sein.
({20})
Dr. Dr. Müller. ({21}) ({22}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Das Gesetz, das dem Hohen Hause heute zur Beschlußfassung in zweiter und dritter Lesung vorliegt, gehört in den Kreis der Marktordnungsgesetze, von denen das erste, das Getreidegesetz, verabschiedet ist. Das enthebt mich der Aufgabe, auf die Einzelheiten des Gesetzes einzugehen, weil alle diese Gesetze den
({23})
1 gleichen Charakter tragen und in ihrer Konstruktion sich nur insoweit unterscheiden, als das Objekt, das das Gesetz behandelt, dies erfordert.
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz, das im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im Ausschuß für Wirtschaft eingehend beraten worden ist, hat gegenüber dem Regierungsentwurf in einigen Punkten erhebliche Änderungen erfahren. Es ist festgelegt, daß im § 4 der Bundesminister mit den obersten Landesbehörden im Interesse der Versorgung die Bestimmungen treffen kann, die erforderlich sind, um die Sicherung der Zuckerversorgung durchzuführen. Nach § 5 darf Zucker nur im Freigabesystem abgegeben werden,
d. h. monatliche Zuteilungen. Dann wird ein Frachtenausgleich geschaffen, um die Preise im ganzen Bundesgebiet gleichzugestalten. Die Bundesregierung kann auch auf Vorschlag des Bundesministers Erzeugerpreise für Zuckerrüben festsetzen. Es war im Regierungsentwurf ein großer Ausschuß für Zucker, ähnlich wie im Getreidegesetz für Getreide, vorgesehen. Auch hier ist dieser Ausschuß gestrichen worden.
Im § 8 war nach dem Regierungsentwurf im einzelnen festgelegt, wie der Marktverband auszusehen hatte. Der Wirtschaftsausschuß hat diese einzelnen Festlegungen gestrichen, und der Ernährungsausschuß hat zugestimmt, so daß es nur heißt: Der Minister kann sich eines Marktverbandes zur Durchführung der im Gesetz vorgesehenen Aufgaben bedienen; nur darf diesem Marktverband keine hoheitliche Aufgabe übertragen werden. Darin besteht zwischen beiden Ausschüssen Übereinstimmung.
Der entscheidende Punkt des Gesetzes ist der § 9: die Errichtung einer Einfuhrstelle für Zucker als Anstalt des öffentlichen Rechts; ähnlich wie die Getreidestelle. Durch den Wirtschaftsausschuß ist noch hinzugesetzt worden, daß ein Vertreter des Einzelhandels und ein Vertreter der Verbrauchergenossenschaften in den Verwaltungsrat, der dieser Einfuhrstelle beigegeben ist, entsandt werden. Der Verwaltungsrat hat alle Beschlüsse, die er faßt, dem Minister zur Genehmigung vorzulegen.
Neu ist in dem Gesetz der § 11 a, der die Gebühren festsetzt, aus denen die Vorratsstelle die Kosten des Verfahrens zu bezahlen hat.
Meine Damen und Herren, im § 15 muß im ersten Satz gestrichen werden:
sofern ihre Kenntnis auf einer Mitarbeit gemäß § 8 beruht.
Es handelt sich im § 8 um den Marktverband. Dieser eingeschaltete Satz muß gestrichen werden, weil es zum Schluß heißt:
Diese Bestimmung gilt entsprechend, wenn sich der Bundesminister in Durchführung dieses Gesetzes anderer Organe, Einrichtungen oder Personen bedient.
Im § 16 ist bestimmt, daß der Minister Ermächtigungen, die ihm in diesem Gesetz erteilt sind, den obersten Landesbehörden übertragen darf. Diese Ermächtigung gilt aber nicht für den § 6, der sich auf die Preisregelung bezieht.
Meine Damen und Herren! Weitere wichtige Bestimmungen sind hier nicht vorzutragen, weil das Gesetz, wie ich Ihnen schon eingangs sagte, sich in seiner ganzen Konstruktion an das verabschiedete Gesetz über Getreidewirtschaft hält. Namens der beiden Ausschüsse habe ich den Auftrag, Sie zu bitten, dieses Gesetz heute zu verabschieden.
({24})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht. Ich nehme an, daß das Haus eine allgemeine Besprechung in der zweiten Beratung nicht zu führen wünscht.
Ich eröffne die Einzelbesprechung. Ich rufe auf: Überschrift des Ersten Teils und § 1. - Keine Wortmeldungen. - Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem § 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 2. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte um Zustimmung, soweit Sie zuzustimmen wünschen. - Danke! Mit Mehrheit angenommen.
§ 3. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Mit Mehrheit angenommen.
Überschrift des nächsten Absatzes: Herstellung und Absatz von Zucker, und § 4. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Mit Mehrheit angenommen.
§ 5. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
§ 6. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
§ 7 entfällt.
§ 8. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Mit Mehrheit angenommen.
Überschrift des Zweiten Teils: Einfuhrstelle, und § 9. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
§ 10. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Mit Mehrheit angenommen.
§ 11. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
Überschrift des Dritten Teils: Besondere Bestimmungen, § 11 a ({0}). Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
§ 12. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
§ 13. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
§ 14. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
§ 15 Ich bitte, darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß der Herr Berichterstatter gebeten hat, den Teilsatz: „sofern ihre Kenntnis auf einer Mitarbeit gemäß § 8 beruht" in der zweiten und dritten Zeile der Ausschußbeschlüsse zu streichen.
Ich eröffne die Besprechung. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung über den von dem Herrn Berichterstatter vorgeschlagenen abgeänderten Text. - Angenommen.
§ 16. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
Überschrift des Vierten Teils: Straf- und Schlußbestimmungen. § 17. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
({1})
§ 18 a. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
§ 19. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen.
Ich lasse abstimmen über die §§ 1 bis 19, wobei ich bitten darf, das Präsidium zu ermächtigen, die notwendige Veränderung in der Numerierung der Paragraphen vorzunehmen, nachdem diese Veränderungen beschlossen worden sind. - Einleitung und Überschrift. - Angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Zuckergesetz in der Fassung der Beschlüsse zweiter Beratung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß das Gesetz bei zwei Enthaltungen angenommen worden ist.
Darf ich fragen, ob der Abgeordnete, der die Interpellation zu Punkt 1 der Tagesordnung begründen will, anwesend ist? - Er ist noch nicht eingetroffen. Ich stelle den Punkt weiter zurück.
Punkt 4 der Tagesordnung ist ebenfalls abgesetzt.
Ich komme zu Punkt 5 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({2}) betreffend Erweiterung der Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Goetzendorff ({3}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Ritzel. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Ritzel ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat seinerzeit einen Antrag des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Goetzendorff angenommen. Auf Grund eines Berichts des Oberstaatsanwalts von Passau und eines Briefes des Herrn bayerischen Justizministers macht sich nun eine Erweiterung in der Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Goetzendorff notwendig, nachdem die Beschuldigung erhoben worden ist, daß im Zusammenhang mit einem Autoverkauf betrügerische Handlungen vorgekommen seien. Der Ausschuß hat sich mit der Angelegenheit eingehend befaßt und kam zu dem einstimmigen Ergebnis, dem Hohen Haus die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Goetzendorff auch in diesem Fall vorzuschlagen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Zum Wort hat sich Herr Abgeordneter Dr. Richter gemeldet.
Dr. Richter ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag auf Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten gibt mir Veranlassung, Ihnen einmal das ins Gedächtnis zu rufen, was bei einem der ersten Fälle in diesem Hohen Haus von Herrn Professor Dr. Carlo Schmid über die Frage der Immunität und ihrer Aufhebung gesagt worden ist. Herr Professor Dr. Carlo Schmid sagte damals mit Recht, daß es gar nicht - es handelte sich um den Herrn Abgeordneten Loritz - um die Person dieses Abgeordneten, sondern daß es um das Verhältnis dieses Parlaments zu sich selbst gehe. Herr Professor Dr. Schmid sagte weiter:
Zu den fundamentalen Rechten: dem Recht, sich frei zu versammeln, dem Recht, Eingriffe der Exekutive - und stünde sie noch so hoch - in seinen Bestand zurückzuweisen, gehört, was man die Immunität der Abgeordneten nennt.
Er wies darauf hin, daß auch schon im alten Rom der gewählte Volksvertreter in jeder Weise den Schutz genossen hat, den er brauchte, um sein Amt als Vertreter des Volkes wirklich und ungestört ausüben zu können. Er nannte das die Prärogative des Parlaments und sagte:
Darum hat der Abgeordnete kein Verfügungsrecht über sie, sondern das Parlament entscheidet allein, ob es sich gefallen lassen will, daß dieser oder jener Abgeordnete auf Grund eines Gerichtsverfahrens aus seiner Mitte geholt wird.
Und es handelt sich bei der Immunität der Abgeordneten nicht um ein Mittel, fehlsame Abgeordnete zu schonen - sie werden ja dereinst zur Rechenschaft gezogen werden können -, sondern es handelt sich um etwas, was dazu dienen soll, die Versuchungen abzuwehren, in die Regierungen und Bürokratien verfallen könnten, die Staatsraison über den Willen des Volkes zur Selbstbestimmung -~ und dessentwegen ist ja das Parlament! - triumphieren zu lassen. So ist die Immunität der Abgeordneten der Nomos des Parlaments, und nach dem Worte Heraklits soll aas Volk um seinen Nomos kämpfen wie um seine Mauer.
Er wandte sich mit Recht dagegen, daß der Staat oder eine gewisse Kameraderie oder Clique über dem Parlament und damit über dem Volkswillen stehen sollten. Dadurch würde eine Verwirrung der Geister hervorgerufen, und gerade das gilt meiner Überzeugung nach - auch hier sollte man den Worten Professor Dr. Schmids entsprechend handeln - bei einer umstrittenen Persönlichkeit. Man sollte hier nämlich in dem Falle eines Mannes, von dem wir wissen, daß er von vielen abgelehnt, von vielen bekämpft wird, einmal zeigen, daß das Parlament zu seinen Prinzipien stehe.
Wenn wir anders verführen,
- sagte Professor Dr. Schmid liefen wir Gefahr, nicht die Prärogativen des Parlaments zu verteidigen, sondern Cliquen und ihre Kameraderie.
Die verspätete Borgia-Manier, die damals Herr Professor Schmid erwähnte, haben wir ja nun im Parlament zur Genüge kennen gelernt. Leider Gottes ist es tatsächlich so, daß der Zweck die Mittel heiligt und es nicht umgekehrt ist.
({2})
Heute muß es aber darum gehen, daß sich das Parlament tatsächlich so wichtig nimmt, wie es sein sollte.
({3})
Wir haben hier erlebt, daß wegen Kleinigkeiten,
({4})
wegen Belanglosigkeiten Abgeordnete ihre Immunität verlieren, von einem Prozeß zum anderen gejagt werden, und das nur zu dem einen Zweck, um sie an der Ausübung der Tätigkeit, für die sie vom Volk gewählt worden sind, zu hindern.
({5})
Herr Abgeordneter Dr. Richter, Sie machen dem Bundestag den Vorwurf, daß er die Immunität aufhebt, um Abgeordnete an der Wahrnehmung ihrer Funktionen zu hindern. Ich rufe Sie deswegen zur Ordnung.
({0})
Dr. Richter ({1}) ({2}): Ich stelle weiterhin fest, daß dieses selbe Hohe Haus in einem anderen Fall, in dem es wirklich einmal angebracht gewesen wäre, auch im Interesse eines Abgeordneten die Immunität aufzuheben, damit er die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen, daß er nämlich silberne Löffel und ähnliche Dinge entwendet haben soll, als unwahr hätte nachweisen können, die Immunität nicht aufgehoben hat, während offensichtlich nach parteipolitischen Gesichtspunkten bei denen, die gewissen Leuten nicht passen, die Immunität sofort aufgehoben wird.
({3})
Herr Abgeordneter Dr. Richter, ich rufe Sie zum zweiten Male zur Ordnung. Das Hohe Haus kann es sich nicht gefallen lassen, daß ihm der Vorwurf gemacht wird, daß es diese Dinge nach parteipolitischen Gesichtspunkten entscheidet.
Als zweiter Redner hat sich der Herr Abgeordnete Dr. Schmid gemeldet.
Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß sich der Kollege Richter recht sarkastisch vorgekommen ist, als er aus den Protokollen unserer früheren Verhandlungen Ausführungen von mir vorgelesen hat. Ich habe kein Wort von dem zurückzunehmen, was ich seinerzeit bei einer Debatte über die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Loritz gesagt habe. Ich würde in einem ähnlichen Falle das alles genau so wieder sagen.
({0})
- Der heutige Fall ist aber dem nicht gleich, den wir einst verhandelten. Im Falle Loritz hat es sich darum gehandelt, daß dem Abgeordneten der Vorwurf gemacht wurde, er habe den bayerischen Staat durch seine Äußerung über die Zustände im Gefängnis Stadelheim beleidigt. Immerhin bestand da die Möglichkeit, daß bei der Anklage und all dem, was mit dem Verfahren zusammenhing, politische Motive eine Rolle gespielt haben könnten. Ich sage nicht, daß sie eine Rolle gespielt haben. In einem solchen Fall ist es die Pflicht des Parlaments, besonders streng zu prüfen, ob das eingeleitete Verfahren nicht als Waffe im politischen Kampf gemeint ist. Meines Erachtens darf die Immunität, wenn auch nur die Vermutung bestehen kann, daß bei der Anklageerhebung Politisches im Spiele ist, von dem Parlament nicht aufgehoben werden. Hier aber handelt es sich um etwas wesentlich anderes. Wenn die Beschuldigung gegen den Abgeordneten Goetzendorff zuträfe - ich sage nicht, daß sie es tut, ich habe keiner Beweisaufnahme beigewohnt, ich weiß nicht, was die Zeugen sagen -, aber wenn
sie zuträfe, dann wäre der Abgeordnete Goetzendorff ein gemeiner Verbrecher.
({1})
Damit aber besteht ein Interesse des Hauses daran, alles zu tun, was den Vorwurf ausschließt, daß es sich zum Teil aus gemeinen Verbrechern zusammensetzt!
({2})
Aus diesem Grunde bin ich der Meinung, daß die Immunität des Abgeordneten Goetzendorff - auch was die Erweiterung der Anklage anbelangt - aufgehoben werden sollte. Im übrigen wundert es mich, daß der Abgeordnete Goetzendorff nicht von dem Privileg Gebrauch macht, das Haus zu bitten, ihm durch Aufhebung der Immunität Gelegenheit zu geben, sich von jedem Verdacht reinigen zu können.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Thadden.
({0})
von Thadden ({1}): Meine Damen und Herren! Es wird ganz ruhig und sanft! Der Herr Professor Carlo Schmid sprach eben davon, daß der Abgeordnete Goetzendorff doch von dem Privileg Gebrauch machen sollte, diese Dinge durch ein gerichtliches Verfahren völlig zu klären. Diese Absicht hat er. Er hat auch einen Strafantrag gegen den Denunzianten gestellt. Über diesen Strafantrag wird verhandelt werden, und die gegen ihn in diesem Zusammenhang erhobenen Beschuldigungen werden in diesem Strafverfahren geklärt werden. Ich möchte daran erinnern, ({2})
- Das ist vorgestern gemacht worden.
({3})
- Einen Augenblick! Vorgestern ist es gemacht worden, und zwar ist es gemacht worden, als diese Meldung der Staatsanwaltschaft nach hier kam.
({4})
- Ich werde Ihnen gleich noch andere Dinge sagen.
Der Abgeordnete Herr Goetzendorff hat seinerzeit darum gebeten, daß seine Immunität zwecks Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe aufgehoben werden solle. Ich möchte mich gegen eins verwahren, nämlich daß hier auf Grund der Denunziation eines Mannes, dessen Glaubwürdigkeit zweifelhaft ist und in mancherlei Fällen bereits als zweifelhaft erwiesen ist, die Immunität sofort mit dem Resultat aufgehoben wird, daß die Öffentlichkeit erfährt, die Immunität dieses Mannes wurde wegen des Vorwurfs des Betruges aufgehoben. Wenn sich nachher herausstellt, daß überhaupt nicht betrogen worden ist, wird nach unseren Erfahrungen kein Hahn danach krähen. Ich möchte zu diesem Fall nur eines bemerken: der sogenannte Betrogene, ein angesehener Bonner Bürger, hat schriftlich erklärt, daß der Wagenkauf, den er mit dem Abgeordneten Goetzendorff durchgeführt hat, reell ist. Er hat dies unterschrieben.
({5})
Er hat dies jetzt unterschrieben, als diese Geschichte aufgebracht wurde.
Ich möchte noch hinzufügen, daß diese Angelegenheit bereits vor einem halben Jahr im Verlauf der damaligen Erhebungen in der Immunitätssache von dem angezogenen Herrn Stadler
({6})
dem Staatsanwalt in München mitgeteilt worden ist. Es wurde dies auch von dem Herrn Staatsanwalt an Herrn Goetzendorff weiter mitgeteilt, der sagte: „Dem ist nicht so". Jetzt, nach einem halben Jahr, versucht man, die Sache wieder in Gang zu bringen. Ich möchte das Haus davor warnen, lediglich auf Grund irgendwelcher Beschuldigungen, die, wie dieser Fall zeigt, auf recht tönernen Füßen stehen, die Immunität aufzuheben und damit jemanden zu diskreditieren. Ich glaube, daß zunächst einmal in den hier angezogenen Fällen von der Staatsanwaltschaft so viele Ermittlungen angestellt werden können, daß es noch gar nicht notwendig ist, die Immunität des Abgeordneten aufzuheben. Es bleibt der Vorwurf hängen, die Immunität wurde aufgehoben, und zwar unseres Erachtens ohne Not aufgehoben.
Meine Damen und Herren, ich glaube, das Hohe Haus sollte es sich sehr überlegen, ob es hier die Praxis einreißen lassen will, daß auf Grund irgendwelcher Beschuldigungen die Immunität sofort aufgehoben werden kann. Es könnte dieses ein Rattenschwanz ohne Ende werden. Es könnte z. B. irgend jemand einen Brief schreiben und darin irgend etwas behaupten; die Staatsanwaltschaft bekommt den Brief und beantragt die Aufhebung der Immunität, hinterher stellt sich dann heraus, daß gar nichts Wahres daran ist.
({7})
- Jawohl, das ist sehr wohl vorstellbar. Ich möchte aber auch nicht vergessen zu erklären, daß bereits vor einem halben Jahr gerade wegen dieser Geschichte, über die Herr Kollege Ritzel referiert hat, zwei Abgeordnete dieses Hauses zu dem Autokäufer - dem sogenannten Betrogenen - hingegangen sind und ihn dazu animieren wollten, er solle etwas gegen Goetzendorff unternehmen. Der Käufer entsprach jedoch diesem Ansinnen nicht, denn er fühlte sich nicht betrogen, wie ihm die zwei Mitglieder dieses Hauses quasi suggerieren wollten.
({8}) Das sind alles Dinge, die letzten Endes doch berücksichtigt werden sollten.
({9})
- Sie bekommen hier sofort von dem Abgeordneten Goetzendorff einen Umdruck auf den Tisch gelegt, in dem diese Dinge für jedes Mitglied des Hauses schriftlich niedergelegt sind.
({10})
- Die Namen kann ich auch hier nennen, da Sie sie sowieso in dem Umdruck lesen werden. Es sind die Abgeordneten Tichi und Fröhlich.
({11})
- Es sind offenkundig nicht seine Freunde, sonst würden sie nicht zu Herrn Leopold hingehen und sagen: Fühlen Sie sich betrogen.
Ich darf bitten, keine Erörterungen über die Freundschaften in diesem Hause zu führen; sie wechseln!
({0})
von Thadden ({1}): Meine Damen und Herren, ich möchte doch dringend darum bitten, daß der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität sich noch einmal mit den von mir vorgetragenen Tatbeständen befaßt.
Ich möchte auch weiter darauf hinweisen, daß der Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuß kürzlich einmal beschlossen hat, den Referenten oder Berichterstattern in Immunitätssachen zu empfehlen, die beschuldigten Mitglieder des Hauses vorher zu hören. Ich möchte den Herrn Kollegen Ritzel doch darum bitten, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, und ich möchte Sie bitten, den Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuß noch einmal mit der Sache zu betrauen, um dann hier eine neuerliche Berichterstattung durchzuführen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß die Herren von Thadden und Dr. Richter ihrem Freunde, dem Herrn Abgeordneten Goetzendorff, nicht nur einen schlechten Dienst erwiesen haben, sondern mehrere.
({0})
Ich möchte zunächst zu der Anzweiflung des Wertes des Anklägers - d. h. dessen, der die Anzeige erstattet hat - in bezug auf das bereits anhängige Verfahren gegen den Herrn Goetzendorff wegen Betruges zum Nachteil der Kasse des Bundestags aus den Akten des Oberstaatsanwalts in Passau, Bericht vom 5. Oktober 1950 an den Herrn bayerischen Justizminister, folgendes zitieren:
Die Angaben des Stadler
- das ist nämlich der Belastungszeuge in dem hier anhängigen Verfahren Goetzendorff wegen Betrugs zum Nachteil der Bundeskasse haben sich weitgehend als zutreffend herausgestellt.
({1})
Soviel zur Bewertung dieses Zeugen.
Aber wenn schon gewünscht wird, daß hier in aller Öffentlichkeit über die Sache gesprochen werde, dann möchte ich folgendes feststellen. Im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität rangen bei der Behandlung dieser Vorlage an das Hohe Haus zwei Richtungen miteinander. Die eine Richtung vertrat die Auffassung, man solle die Sache so nüchtern wie möglich behandeln. Die andere vertrat aus Gründen der Selbstreinigung des Parlaments die Auffassung, daß man die Dinge im Detail berichten solle.
({2})
Ich stehe nicht an, Ihnen zu erklären - ich spreche jetzt nicht mehr nur als Berichterstatter, sondern als Mitglied des Hauses -, daß ich zu jenen gehöre, die folgende Auffassung vertreten. Dieser Bundestag setzt sich aus einer großen Zahl hochanständiger Frauen und Männer zusammen; er enthält aber auch Elemente, die von Rechts und Moral wegen nicht in den Bundestag gehören.
({3})
Gewisse Untersuchungsergebnisse und sonstige Vorgänge liefern den eklatanten Beweis dafür. Wenn der Bundestag eine Pflicht hat, dann ist es die der Selbstachtung und gegenüber solchen Elementen die Pflicht der Selbstreinigung.
({4})
({5})
Der Selbstreinigung in Fällen strafbarer Delikte stehen die Bestimmungen des Art. 46 des Grundgesetzes in bezug auf die Immunität der Abgeordneten zum Schutze der Aufrechterhaltung und Sicherung der Arbeitsfähigkeit des Hauses entgegen. Wenn also Anklagen erhoben werden, dann ist es die Pflicht des vorbereitenden Ausschusses, zu prüfen, ob es sich um Delikte handelt, die im Interesse des Hauses - das ist das Erstentscheidende - als auch des Abgeordneten - das ist das Zweitentscheidende - aufgeklärt werden müssen. Da auch nicht der leiseste Versuch zu einer Aufklärung gemacht werden darf, solange die Immunität eines Abgeordneten besteht, bleibt im gegebenen Falle keine andere Möglichkeit als die der Aufhebung der Immunität.
Herr Dr. Richter hat vorhin - er zitierte aus der Rede des Herrn Professors Dr. Schmid - den Satz ausgesprochen, es handle sich um das Verhältnis des Parlaments zu sich selbst. Jawohl, meine Damen und Herren, es handelt sich um das Verhältnis des Parlaments zu sich selbst, nämlich zu seinen einzelnen Teilen, zu seinen einzelnen Gliedern. Um dessentwillen hat das Parlament zwingende Veranlassung, dort den Reinigungsprozeß zu ermöglichen, wo eine falsch verstandene Immunität ihn zu hindern vermöchte.
({6})
Nun, meine Damen und Herren, ist es nicht so, wie Herr Dr. Richter meinte, daß der Zweck die Mittel heilige. Vielmehr muß der Wahrheit zum Sieg verholfen werden, und da zwingen Sie mich, aus den Akten den Teil - ich will auf andere Dinge noch nicht eingehen - heute zur Verlesung zu bringen, der von dem Betrug handelt, der Herrn Abgeordneten Goetzendorff zum Nachteil der Firma Ludwig Leopold in Bonn, Friedrichstraße 1, vorgeworfen wird. Ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus dem Bericht des Staatsanwalts vom 5. Oktober 1950 folgende Sätze:
Ende Dezember 1949 kaufte Goetzendorff
einen neuen Mercedes S 170 zum Preise von
ungefähr 10 000 DM.
({7})
Der Wagen wurde von dem Fahrer des
Goetzendorff mit Namen Rudolf Stadler - wohnhaft da und da am 28. Dezember 1949 übernommen.
Offenbar um diesen Wagenkauf zu finanzieren, gab Goetzendorff etwa Mitte Dezember 1949 im Bonner Generalanzeiger eine Anzeige folgenden Inhalts auf: „Neuwertiger Mercedes V 170, Baujahr 1949, mit allen Schikanen ausgerüstet, gegen 7 600 DM bar abzugeben". Es gingen zwei Angebote ein, und Goetzendorff und Stadler besprachen sich dahin, den V 170 der Druckerei Leopold in Bonn vorzufahren. Bevor es hierzu kam, forderte Goetzendorff den Stadler auf, den Kilometerzähler von etwas über 44 000 km auf rund 19 000 km zurückzustellen.
({8})
Stadler tat, wie ihm aufgetragen, und fuhr dann den Wagen Leopold vor. Dieser unternahm zusammen mit Stadler eine Probefahrt und stellte in deren Verlauf an Stadler die Frage, wieviele Kilometer der Wagen gelaufen sei. Stadler erwiderte darauf: „Sie sehen es ja". Offensichtlich hatte auch Leopold bereits
auf dem Tachometer die Zahl von 19 000 km abgelesen. Im Bonner Bürgerverein wurde dann zwischen Leopold und Goetzendorff, wobei auch Stadler anwesend war, der Kauf perfekt gemacht. Am folgenden Tage wurde in der Wohnung des Goetzendorff in Godesberg von Leopold der Vertrag unterzeichnet, wobei, wie Stadler wissen will, die Klausel „wie gesehen und gefahren" verwandt wurde. Man hatte sich auf den Preis von 7 500 DM geeinigt. Stadler holte dann bei Leopold den Scheck über diesen Betrag ab und löste ihn bei der Sparkasse am Friedrichplatz in Bonn ein. Von Leopold erhielt Stadler offenbar für seine Mitwirkung bei diesem Geschäft 10 DM.
Als Stadler dem Goetzendorff den Betrag von 7 500 DM übergab, wurde das Geld von Goetzendorff und seiner Geliebten
- Sowieso in höchster Hast nachgezählt. Dann drückte Goetzendorff dem Stadler 150 DM in die Hand mit der Bemerkung: „Davon braucht Ihre Frau nichts zu wissen".
Hierüber war Stadler äußerst entrüstet. Zwischen ihm und Goetzendorff war nämlich schon vor Aufgabe der Anzeige in der Zeitung vereinbart worden, daß der 7 000 DM übersteigende Erlös dem Stadler gehören solle, wofür dieser es übernahm, den dem Käufer vorzuführenden Wagen besonders schön „aufzufrisieren".
Diese Darstellung beruht auf den Angaben des Stadler, der noch folgende bezeichnende Äußerung des Goetzendorff wiedergab. Schon beim Erwerb des V 170 habe Goetzendorff zu ihm gesagt, billiger kann man nicht fahren, man fährt 50 000 km und stellt den Kilometerzähler dann auf 20 000 km vor dem Verkauf zurück. Leopold ist im Besitz einer Schätzungsurkunde vom 21. Juni 1950, ausgestellt von der durch die Deutsche Automobil-Treuhand G.m.b.H. anerkannten Kraftfahrzeug-Schätzungsstelle in Bonn, wonach der Marktzeitwert des an Leopold verkauften Wagens mit 5 210 DM angegeben ist.
Um diese Differenz dreht es sich bei der Anschuldigung des Betrugs.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß ein Urteil in dem Sinne, wie es vorhin von den Freunden des Herrn Goetzendorff in bezug auf die korrekte und in jeder Hinsicht vertretbare Praxis des Hohen Hauses in Angelegenheiten der Behandlung von Immunitätsanträgen gefällt wurde, unberechtigt ist. Es hieße aber dem Hohen Hause ins Gesicht schlagen, wenn in einem solchen Falle - die Immunität ist in erster Linie dazu bestimmt, die Arbeitsfähigkeit des Hauses sicherzustellen - dem Abgeordneten Goetzendorff die Wohltat, der Schutz der Immunität auf Kosten des Ansehens des Deutschen Bundestages zuteil werden würde.
({9})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Brentano.
Meine Damen und Herren! Ich finde es tief bedauerlich, daß eine solche Debatte im Bundestag überhaupt notwendig geworden ist.
({0})
({1})
Ich weiß nicht, was die Herren Abgeordneten Dr. Richter und von Thadden veranlaßt hat, ihre Vorträge zu halten. Ich glaube, daß Sie sich selbst, ihrem Freunde und dem Hause sehr wenig damit genützt haben.
({2})
Auf jeden Fall lehne ich für meine Freunde es ab, einer solchen Diskussion weiter zu folgen. Ich stelle eines fest: Wenn hier im Hause ein Abgeordneter sitzt, gegen den der Vorwurf einer kriminellen, einer ehrenrührigen Handlung erhoben wird, und er nicht selbst das Bedürfnis hat, daß dieser Vorwurf geklärt wird, dann sollte er Freunde um sich haben, die ihm das beibringen,
({3})
und er sollte keine Freunde um sich haben, die etwa glauben, ihn einer notwendigen Untersuchung mit allen Folgen - etwa des Freispruchs oder der Verurteilung - entziehen zu sollen. Für meine Fraktion bitte ich das Hohe Haus, grundsätzlich in allen Fällen, in denen ein krimineller Vorwurf gegen einen Abgeordneten erhoben wird, ohne Rücksicht darauf, ob der Abgeordnete es für selbstverständlich hält, selbst darum zu bitten, die Immunität aufzuheben. Denn es soll in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen, der durch die Ausführungen der Herren von Thadden und Richter in peinlichster Weise unterstützt wird, daß es Abgeordnete gibt, die glauben, unter dem Schutz der Immunität unsaubere Dinge machen zu können.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fröhlich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht aie Absicht, diese unfruchtbare Debatte zu verlängern; aber ich fühle mich, um dem Hause Klarkeit zu geben, verpflichtet, auch im Auftrage meines Kollegen Tichi eine Erklärung abzugeben. Ein Untersuchungsausschuß des Neubürgerbundes in Bayern hat sich bereits vor langer, langer Zeit mit der Angelegenheit Goetzendorff befaßt, und dieser Untersuchungsausschuß hat all das, was hier bisher vorgebracnt worden ist, damals schon festgestellt. Wir waren uns aber damals einig darüber, daß es zwecklos ist, diese Dinge in die Öffentlichkeit zu bringen, sondern alle Feststellungen des Untersuchungsausschusses blieben damals geheim und wurden nicht der Staatsanwaltschaft übergeben. Es bestand kein Interesse daran, diese Dinge in die Öffentlichkeit zu ziehen. Wir wurden aber damals - der Abgeordnete Tichi und ich - im Auftrage des Neubürgerbundes zu Herrn Leopold geschickt, um festzustellen, was an diesen Vorwürfen über die Betrugsangelegenheit mit dem Auto tatsächlich wahr ist. Und nun haben wir folgendes erfahren.
Herr Leopold sagte uns: „Wenn es stimmt, daß der Wagen tatsächlich 44 000 km gefahren ist, und wenn es stimmt, daß der Kilometerzähler um soundsoviel Kilometer zurückgestellt wurde, dann bin ich einem Betrüger in die Hände gefallen". Das hat er wörtlich vor uns ausgeführt. Damit dürfte also klargestellt sein, daß selbst Herr Leopold damals anläßlich unseres Besuches sich darüber im klaren war, betrogen worden zu sein; und wenn Herr Leopold heute bestätigt, dieser Kauf sei absolut in Ordnung, dann hat er damals uns gegenüber die Unwahrheit gesagt. Weder der Abgeordnete Tichi noch ich hatten also ein Interesse daran, diese Angelegenheit in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir hatten nur die Absicht, sie zu klären. Sie wird nunmehr geklärt werden, und sowohl der Abgeordnete Tichi wie auch ich werden Zeugen dafür sein, daß Herr Leopold uns erklärt hat: „Ich bin einem Betrüger in die Hände gefallen, denn ich habe den Wagen mit 18 000 km gekauft". Ich möchte damit vor dem Hause den Vorwurf zurückweisen, daß der Abgeordnete Tichi und ich die Absicht gehabt hätten, Herrn Leopold anzuregen, diese Angelegenheit der Staatsanwaltschaft zu übergeben.
Für zwei Sätze hat der Abgeordnete von Thadden um das Wort gebeten.
({0})
von Thadden ({1}): Meine Damen und Herren! Ich muß mich auf das schärfste dagegen verwahren, hier verdächtigt zu werden, eine kriminelle Handlung decken zu wollen.
({2})
Wir haben das höchste Interesse daran, daß dieser Fall geklärt wird,
({3})
und ich wollte hier nichts anderes tun, als das Haus darauf hinweisen, daß diese Verfahrensart gefährlich ist, wenn man Dinge nimmt, die, wie dieser Fall hier zeigt, auch sehr von einer andern Seite gesehen werden können.
({4})
Ich möchte noch eines sagen. Herr Fröhlich sagte eben, der Käufer habe ihm gesagt: „Wenn es stimmt, dann hat er - -". W i r sagen: Es stimmt nicht!
({5})
Ich möchte außerdem noch etwas sagen. Herr Kollege Ritzel, Sie haben die Schätzungsurkunde hier angezogen. Im vorigen Dezember wurde der Wagen für 7 500 DM verkauft. Am 21. 6., also ein halbes Jahr danach, wurde er immerhin noch amtlich auf 5 210 DM geschätzt.
({6})
- Den Zeitwert zur Stunde des Verkaufs kann ich ein halbes Jahr später nicht mehr feststellen.
({7})
Auch kein amtlicher Schätzer kann feststellen, wie der Wert des Wagens ein halbes Jahr vorher gewesen ist, ohne daß er den Wagen gesehen hat.
Meine Damen und Herren, das ist das, was ich hier noch vorzubringen habe. Wir haben größtes Interesse daran, daß dieser Fall geklärt wird; wir wollten nur sagen, daß die Art, wie er hier geklärt werden soll, zumindest auf die Dauer gefährlich werden kann.
Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache geschlossen. Herr Abgeordneter von Thadden hat beantragt, die Angelegenheit noch einmal an den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität zurückzuverweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag auf Zurücküberweisung an den Ausschuß zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
({0})
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität Drucksache Nr. 1507:
Der Bundestag wolle beschließen, die Immunität des Abgeordneten Goetzendorff aufzuheben. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen wollen, ihre Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich darf diese Gelegenheit benutzen, noch etwas dazu zu sagen. Ich habe den Eindruck, daß in der Öffentlichkeit des deutschen Volkes durch mancherlei unzureichende oder vielleicht auch etwas gefährliche Informationen der Eindruck entsteht, als ob in diesem oder in anderen Fällen eine gewisse Verzögerung der Bearbeitung solcher Dinge, die sachlich häufig notwendig ist, im Zusammenhang mit einer vermuteten Absicht des Deutschen Bundestags stünde, solche Dinge nicht in der Öffentlichkeit zu erörtern oder ihre Erledigung zu verhindern. Ich bin mir mit dem Hause darüber einig, daß der Deutsche Bundestag in keinem Falle diese Absicht hat. Der Bundestag muß vor aller Offentlichkeit aussprechen, 'daß ihm daran gelegen ist, solche und ähnliche Fälle mit der größten Energie und größten Beschleunigung zu klären. Ich wäre dankbar dafür, wenn diese Meinung des Deutschen Bundestags, in der sich die Abgeordneten einig sind, auch in der Öffentlichkeit hinreichend zum Ausdruck gebracht würde.
({1})
Ich bin inzwischen darüber unterrichtet worden, daß die beiden Herren Abgeordneten, die für die Einbringung der Interpellation unter Punkt 1 der Tagesordnung vorgesehen waren, heute verhindert und entschuldigt sind. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist, daß in Übereinstimmung mit der Fraktion der SPD, die diese Interpellation eingebracht hat, dieser Punkt von der heutigen Tagesordnung abgesetzt wird.
({2})
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Entlassung des Bundespressechefs
Dr. Brand ({3}).
Wer will den Antrag begründen? - Herr Abgeordneter Paul ({4})!
Der Ältestenrat hat Ihnen vorgeschlagen, daß für die Einbringung des Antrages fünf Minuten und für die Aussprache 40 Minuten vorgesehen werden.
Paul ({5}) ({6}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Unser Antrag auf Entlassung des Bundespressechefs Dr. Brand spricht eine kritische Stelle der Bundesregierung an. Die Bundespressestelle erlebte schon mehrmals Teildemontagen. Je nachdem mußte sie im Interesse der eigenmächtigen Politik des Bundeskanzlers Erklärungen oder Dementis abgeben. Die fachliche Qualität dieser Bundespressestelle und ihres Chefs wurde von informierter und fachlicher Seite schon sehr oft einer Kritik unterzogen. Der Bundespressechef Dr. Brand hat selbst freimütig erklärt, daß er auf dem Gebiete der Journalistik nicht zu Hause sei.
Mir scheint, daß es verschiedene Stellen bei der Bundesregierung gibt, die dazu dienen, unfähigen Beamten, aber immerhin guten Anhängern der Bundesregierung Versorgungsstellen zu beschaffen.
({7})
Der Bundespressechef hat nach einer Meldung der „Stuttgarter Zeitung" am 6. September eine vertrauliche Konferenz mit einigen Pressevertretern, die der Regierung nahestehen, über die Remilitarisierung abgehalten. Er hat in dieser Pressekonferenz, wie die Zeitung meldet, sehr stark für eine Wiederaufrüstung, für die Einführung einer Heimwehr oder einer Miliz Propaganda gemacht. Herr Dr. Adenauer hat Herrn Dr. Schumacher - ebenfalls aus der Meldung der Presse zu entnehmen - mitgeteilt, daß er den Bundespressechef nicht beauftragt habe, solche Unterredungen zu führen.
Wir können den Erklärungen des Herrn Dr. Adenauer keinen Glauben schenken, sondern die Propaganda, die der Bundespressechef um die Remilitarisierung betreibt, steht in engster Verbindung mit jenen Interviews und Absichten der Bundesregierung auf die Wiederaufrüstung Westdeutschlands im Rahmen einer westlichen Angriffsarmee. Sollte es aber so sein, wie es Dr. Adenauer Dr. Schumacher telefonisch mitgeteilt hat, dann hätte er längst Gelegenheit nehmen müssen, diesen Bundespressechef zu entlassen. Er hat das nicht getan und hat dadurch praktisch zum Ausdruck gebracht, daß er diese Propaganda seines Bundespressechefs billigt. Wir aber sind der Meinung, daß ein solcher Pressechef, der einmal unfähig ist und zweitens auf eigene Faust versucht, in kriegerischer Propaganda und Wiederaufrüstung zu machen, auf dieser Stelle nichts zu suchen hat.
Wir haben Ihnen 'deshalb einen Antrag unterbreitet, der die Bundesregierung ersucht, wegen dieser und sonstiger Angelegenheiten den Bundespressechef aus seiner Stellung zu entlassen. Wir brauchen einen Bundespressechef, der auf die Lage des deutschen Volkes Rücksicht nimmt, der sich nicht zum Sprecher einer Remilitarisierung und einer Kriegsvorbereitung macht; wir brauchen eine Presse und einen Mann, der an der Spitze des Presseamts steht, der sich für den Frieden mit allen Völkern einsetzt
({8})
und der die Garantie dafür bietet, daß die Pressestelle nicht wie bisher ein Sprachorgan kriegssüchtiger und militärstrategischer Erwägungen darstellt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Brunner. - 8 Minuten!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde, wir werden bei der Haushaltsdebatte, die ja nicht mehr lange auf sich warten lassen wird, 'Gelegenheit haben, uns mit dem Thema „Bundespressestelle" auseinanderzusetzen. Wir sollten diese Gelegenheit sehr ausgiebig nützen. Ich finde, es ist ein sehr interessantes Thema, und ich möchte bei der Gelegenheit das Hohe Haus nur daran erinnern, daß die von ihm mit beachtlicher Lebhaftigkeit geführte Debatte bei dem Tagesordnungspunkt über die Straßburger Diäten der Sache und dem Anlaß nach viel weniger eine Auseinandersetzung mit der Presse als eine solche mit der Bundespressestelle gewesen ist.
Ich habe daher die Ehre, Ihnen im Auftrage meiner politischen Freunde vorzuschlagen, den Antrag der kommunistischen Fraktion dem Haushaltsausschuß als federführendem Ausschuß und außerdem dem Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films zu überweisen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Von dem Herrn Abgeordneten Brunner ist beantragt worden, den Antrag der kommunistischen Fraktion dem Haushaltsausschuß als federführendem Ausschuß sowie dem Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films zu überweisen. Ich frage, ob Sie eine Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht für erforderlich halten.
({0})
- Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die der Überweisung dieses Antrages an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist wohl einstimmig angenommen. Damit ist der Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Entlassung von Beamten, Angestellten und Arbeitern aus öffentlichen Diensten ({1}).
Wer wird den Antrag begründen? - Herr Abgeordneter Müller.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Einbringung 10 Minuten, für die Aussprache 60 Minuten Redezeit vor. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Meine Damen und Herren! Die Geschichte lehrt uns, daß immer in Zeiten, in denen auf Grund bestimmter, vor allen Dingen wirtschaftlicher Entwicklungen und Krisenzustände Entscheidungen politischer Art heranreifen, die jeweils an der Macht befindliche Schicht alle Maßnahmen einleitet und versucht, diesen Entwicklungen vorzubeugen bzw. sie zu verhindern. Ich glaube, die deutsche Geschichte, insbesondere die der jüngsten Vergangenheit, gibt dafür ein besonderes Beispiel. Das zeigt sich, wenn wir einmal die Entwicklung bis zum 30. Januar 1933 verfolgen. In der Ära Hindenburg, Brüning und Papen kam es zu den Maßnahmen des Mißbrauchs und des Bruchs der Weimarer Verfassung, zu Maßnahmen, die insonderheit die Unterdrükkung der demokratischen Kräfte in der Weimarer Zeit zum Ziele hatten; es waren Maßnahmen, die durch Verbote der Presse der Arbeiterbewegung und der Organisationen der Arbeiterbewegung letzten Endes die Vorstufe für den 30. Januar 1933 gewesen sind.
Wenn auch 'die geschichtliche Entwicklung selbst keine absoluten Vergleiche zuläßt, glaube ich doch, daß man eines feststellen kann: In Westdeutschland sollen im Zusammenhang mit der vom Ausland gelenkten Politik und den Absichten, die mit Westdeutschland verfolgt werden, insbesondere im Zusammenhang mit dem Einsatz Westdeutschlands für den Krieg, der der Bonner Regierung zur Aufgabe gestellt ist, die Kräfte in Westdeutschland, die sich unter allen Umständen und vorbehaltlos für die Erhaltung des Friedens einsetzen,
({0})
die den Krieg und seine Vorbereitungen bekämpfen, aus der Öffentlichkeit ausgeschaltet werden.
({1})
Dabei ist es nicht uninteressant, daß genau so, wie in der Weimarer Zeit der Jahre 1930, 1931, 1932 die Weimarer Verfassung gebrochen. wurde, auch die jetzige Regierung in Bonn das mit ihrer Unterstützung geschaffene Grundgesetz außer acht läßt und die elementaren Grundrechte, die in diesem Grundgesetz verankert sind, einfach mißachtet, um diktatorische Maßnahmen gegen weite Teile der Bevölkerung zur Durchführung zu bringen.
Ich glaube, Ihnen selbst sind die Bestimmungen des Art. 3 des Grundgesetzes noch in Erinnerung, wonach niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Art. 19 stellt gegenüber allen Versuchen einer Einschränkung der Grundrechte seitens der Bundesregierung in Abs. 2 fest:
In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
Die Sicherung der Grundrechte wird noch einmal im Art. 33 Abs. 3 bestätigt, wo es heißt:
Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
({2})
Gegen diese demokratischen Grundrechte wird durch den Beschluß des Kabinetts in gröblichster Weise verstoßen. Es ist nicht uninteressant, daß - ich glaube, ich kann es mir ersparen, die Organisationen aufzuzählen, die in dem Kabinettsbeschluß der Adenauer-Regierung erwähnt worden sind und gegen die er sich insbesondere richtet - Abertausende von Menschen, die in diesen Organisationen sind, gar nicht der Kommunistischen Partei angehören. Es sind Menschen, die im Kampf um den Frieden, im Kampf um die nationale Einheit unseres Vaterlandes stehen, Menschen, die verhindern wollen, daß das, was war, noch einmal wiederkehrt, Menschen, die darum besorgt sind, daß nicht erneut Bombennächte über Deutschland und unser Volk hereinbrechen.
({3})
Das hat dazu geführt, daß nicht nur bei uns, sondern in weiten Schichten der Bevölkerung ein starker Widerstand gegen diesen Erlaß des Kabinetts vorhanden ist.
({4})
Ich möchte feststellen, daß nicht nur in den Reihen der Sozialdemokratischen Partei und der Gewerkschaften, in ihren Stellungnahmen, Beschlüssen und Entschließungen wiederholt zum Ausdruck gekommen ist - und zwar sehr richtig erkennend -, daß die Maßnahmen, die die Bonner Millionärsregierung
({5})
gegen die Kommunisten und die mit ihnen zusammenhängenden oder befreundeten Bewegungen und Organisationen vornimmt, der erste Schritt sind, um dann genau so - wir haben ja die Parallele in der Vergangenheit - gegen die Sozialdemokraten selbst vorzugehen.
Im Kreistag Offenbach wurde zum Beispiel durch einen von der CDU, der SPD und der KPD angenommenen Antrag beschlossen, einen analogen Be({6})
schluß des hessischen Kabinetts für den Kreis Offenbach nicht zur Durchführung zu bringen. Im Kreise Friedberg wurde mit den Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten ein ähnlicher Antrag eingebracht; im Kreise Hanau ist eine entsprechende Stellungnahme vorhanden. Betriebe, die Gewerkschaft „Öffentliche Verwaltung, Transport und Verkehr", verschiedene Organisationseinheiten haben sich im Bundesgebiet gegen diese Maßnahmen der Bundesregierung ausgesprochen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Post in Frankfurt hat zum Beispiel erklärt, er sei sich, ohne Kommunist zu sein, darüber im klaren: Erst seid ihr Kommunisten dran, und dann werden wir drankommen. So geht es weiter.
Es würde zu weit führen, hier alles aufzuzeigen. Ich möchte nur einen Ortsverein der Sozialdemokratischen Partei erwähnen, dessen sämtliche Mitglieder mit einer einzigen Ausnahme sich schriftlich gegen diese Maßnahmen von Bonn gewandt haben. Ich füge noch hinzu: erst in diesen Tagen, am 17. Oktober, hat die „Gesellschaft für Bürgerrechte" in Frankfurt am Main im Zusammenhang mit dem Beschluß der hesssichen Regierung erklärt: Dieser Regierungsbeschluß ist verfassungswidrig; er verläßt den Boden des Rechtsstaates, indem er mit rückwirkender Kraft allein die Zugehörigkeit zu einer von der Regierung beliebig zu benennenden Organisation als undemokratische Tätigkeit bezeichnet usw. Von dieser „Gesellschaft für Bürgerrechte" - und die Herren von der CDU wird es vielleicht interessieren, daß zu dem Vorstand unter anderem auch Ministerialdirektor Dr. Knappstein gehört, der ihnen wahrscheinlich nicht ganz unbekannt sein dürfte - und von weiten Kreisen der Juristen wird gegen diese Maßnahme
der Adenauer-Regierung Sturm gelaufen. Anwälte der verschiedensten Richtungen haben sich zur Verfügung gestellt, um die durch diese Diktaturmaßnahme des Adenauer-Kabinetts Betroffenen zu vertreten.
Unser Antrag bezweckt, die Maßnahmen, die willkürlich und diktatorisch gegen den fortschrittlichen Teil unserer Bevölkerung getroffen worden sind, aufzuheben. Ich glaube, daß sich draußen in der Bevölkerung, in den Betrieben, in den Gewerkschaften, überall, wo die Erinnerung an die Vergangenheit noch lebendig ist, sich alle Menschen in der gemeinsamen Verteidigung der demokratischen Rechte und Freiheiten zusammenfinden werden.
({7})
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi. 12 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich vorhin den Abgeordneten Oskar Müller anhörte, kam mir ein Wort in Erinnerung, das früher einmal gesprochen worden ist: Pathos ersetzt keine Überzeugungskraft!
({0})
Der Herr Abgeordnete Müller hat mit pathetischen Worten die Vorzüge der Demokratie und die Bereitschaft erwähnt, die von seiner Partei an den Tag gelegt werde und dazu führen solle, mit demokratischen Mitteln an der Verteidigung der bedrohten Demokratie mitzuwirken.
({1})
Nun, die demokratische Haltung der Kommunistischen Partei ist dem einen oder anderen nach 1945 gelegentlich glaubwürdig gewesen.
({2})
Damals kamen die Kommunisten zusammen mit uns aus den KZs und erklärten, sie sähen ein, daß sie früher Fehler gemacht hätten, und sie seien bereit, nun aufbauwillig mitzuwirken.
Der Abgeordnete Müller hat darauf hingewiesen, vor 1933 habe sich eine ähnliche Entwicklung angebahnt und schließlich vollzogen, wie sie jetzt abzutasten sei. Er hätte das besser nicht getan!
({3})
Denn die Republik von Weimar ist nicht zuletzt daran zugrunde gegangen, daß sie nicht die Kraft gefunden hat, sich rechtzeitig ihrer Feinde zu erwehren.
({4})
Hätte die Republik von Weimar diejenigen aus den öffentlichen Ämtern entfernt, die - schon vorher zum Teil im Besitz der Macht - später mit diesem Apparat alles getan haben, um die letzten Reste demokratischer Ordnung zu vernichten, dann wäre ihr vielleicht ein solches Schicksal nicht beschert worden, wie sie es schließlich gefunden hat. Damals, Herr Abgeordneter Müller, vor 1933 - Sie sollten an diese Zeit nicht erinnern, wenn Sie taktisch gut beraten wären -, haben Sie doch bei jeder Gelegenheit Ihre Feindschaft gegen die Republik von Weimar an den Tag gelegt.
({5})
Damals haben Sie doch in den Parlamenten keine Gelegenheit außer acht gelassen, Regierungskrisen hervorzurufen und die öffentliche Ordnung zu stören. Sie sind also in keiner Weise berechtigt, hier als Zeuge aufzutreten, wenn Sie auf Fehler und Gefahren hinweisen und dabei die Zeit vor 1933 erwähnen.
Seien Sie unbesorgt, wir brauchen Sie nicht als Schutz! Wir Sozialdemokraten sind wachsam und stark genug, um dafür zu sorgen, daß gegen uns keine Maßnahmen ergriffen werden, wie sie der Herr Abgeordnete Müller soeben aus taktischen Gründen an die Wand malte.
Was die Gewerkschaften anlangt, so hätte es sich empfohlen, daß der Abgeordnete Müller auch hier etwas vorsichtiger gesprochen hätte. Offensichtlich hat er noch keine Zeit gefunden, das Weißbuch der Gewerkschaften zu studieren, das vor einigen Tagen hier an das Haus verteilt worden ist.
({6})
Aus diesem Weißbuch ergibt sich eindeutig, daß die Gewerkschaften durchaus begriffen haben, daß gewisse Maßnahmen denkbar und erforderlich sind, die die Demokratie vor ihren heuchlerisch getarnten Feinden schützen.
Noch ein Wort zu den Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Müller. Wenn er schon das Bonner Grundgesetz zitiert und wenn er es uns schon als eine Art Spiegel vorhält, aus dem wir erkennen sollen, wie wir zu handeln haben, dann sollte er es richtig studieren. Dann sollte er nicht nur den Art. 19 zitieren, sondern sich auch den Art. 18 betrachten, der unter bestimmten Voraussetzungen von der Verwirkung der Grundrechte spricht.
({7})
Er sollte auch daran denken, daß es einen Art. 21
Abs. 2 gibt, in dem es dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten bleibt, im Einzelfall festzu({8})
stellen, inwieweit eine Partei oder eine Organisation verfassungswidrig ist. Im Grundgesetz sind also Kautelen vorgesehen, und diese Bestimmungen sind nicht zuletzt auf die Erfahrungen aus der Zeit vor 1933 gegründet.
Zur Sache selbst muß man eines von vornherein feststellen. Der Erlaß der Bundesregierung vom 19. September ist nichts anderes als eine Deklaration. Er ist kein Akt der Rechtsschöpfung; er schafft kein neues Recht, sondern er weist nur darauf hin, daß unter bestimmten Voraussetzungen das eine oder andere getan werden müsse. Wie es getan wird, ist im Augenblick noch gar nicht klar. In diesem Beschluß der Bundesregierung in Verbindung mit dem, was der Herr Bundesinnenminister dazu erlassen hat, finden sich eine Reihe von Feststellungen, die uns zu Bedenken Veranlassung geben, zu Bedenken jedenfalls in der Richtung, als uns im Augenblick nicht gewährleistet erscheint, daß die Bundesregierung, wie es in dem Erlaß des Bundesinnenministers zu lesen ist, links- und rechtsradikalen Bestrebungen oder Organisationen ihre Aufmerksamkeit wirklich in gleicher Weise zollt.
Wir haben von dieser Tribüne her des öfteren Bedenken gegen gewisse personalpolitische Maßnahmen der Bundesregierung geltend gemacht. Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal auf das Weißbuch der Gewerkschaften verweisen, in dem bestimmte Personen genannt werden, zu denen von unserer Seite wiederholt Kritik geäußert worden ist. Bis zur Stunde wissen wir noch nicht, ob der Herr Bundeskanzler, der doch nach alledem, was wir von ihm wissen, sicherlich über einige Autorität verfügt, es fertiggebracht hat, daß Herr Ehrich endlich aus dem Ministerium des Herrn Ministers Hellwege verschwunden ist. Ich weiß nicht, wie es damit steht. Offenbar ist er nach wie vor im Amt. Ich glaube, daß die Bundesregierung gut daran getan hätte, in dem einen oder andern Fall nicht mit einer einfachen Handbewegung oder mit einer Erklärung über die Beschwerden der Opposition hinwegzugehen, sondern zu handeln. Sie würde demokratisch glaubwürdiger dastehen, als es bei der Unterlassung dieser Maßnahmen von uns aus gesehen heute der Fall ist.
Was die rechtliche Beurteilung des Erlasses anlangt, so sagte ich bereits: es handelt sich um eine Deklaration. Und das möchte ich den Herrn Antragstellern sagen: wenn in der Ostzone von den untergeordneten Stellen die Möglichkeit und die Befugnis zum Erlaß einer solchen Anordnung so sorgfältig geprüft würde, wie es hier der Fall ist, dann stünde es um die Sicherheit der Menschen in der Zone des Schweigens ein wenig besser. Es steht nämlich fest, daß von den Landesregierungen und auch von den Kommunalverwaltungen zur Zeit noch eingehende Untersuchungen über Art und Ausmaß der Maßnahmen laufen, die auf Grund des Erlasses der Bundesregierung getroffen werden sollten. Wir als Sozialdemokraten haben dazu zu sagen, daß wir es für rechtsstaatlich unerläßlich halten, daß nicht die Gesinnung, sondern nur die Tat, das Verhalten im Einzelfall Gegenstand der Beurteilung einer solchen Entlassungsmaßnahme ist. Ich denke auch, daß in der Praxis nicht anders verfahren wird. Wir möchten nicht mithelfen, daß sich eine Art Hysterie austobt, daß Maßnahmen ergriffen werden, die nichts anderes als eine Wiederholung dessen sind, was wir in der Zeit der schematischen Entnazifizierung erlebt haben. Einen solchen Schematismus, eine solche Generalisierung halten wir für verderblich. Gebrannt' Kind scheut das Feuer. Man sollte im Einzelfall sorgfältig überlegen, wie weit man zu gehen hat.
Es liegen Urteile von hochangesehenen Juristen vor, die gegen eine schematische Durchführung von Entlassungsmaßnahmen Bedenken geäußert haben. Auch in einer Reihe von Erlassen verschiedener Länderregierungen ist zu erkennen, wie sehr man sich darum bemüht, nicht die Gesinnung, sondern die Betätigung aus der Gesinnung zur Grundlage der Beurteilung zu machen. Es ergeben sich eine ganze Reihe von Rechtsfragen, die der Klärung bedürfen. Wir wissen, daß in dieser Sache das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Wir sind der Meinung, daß sich Staatsdiener nicht staatsfeindlich betätigen dürfen, glauben jedoch, daß eine entsprechende Maßnahme nur beim Vorliegen bestimmter individueller Tatbestände erlaubt sein sollte.
Mit Rücksicht auf die rechtlichen und politischen Bedenken, die gegen eine generalisier ende Anwendung dieses Erlasses sprechen, beantragt die sozialdemokratische Fraktion, den Antrag an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und gleichzeitig an den Ausschuß zum Schutze der Verfassung zur Erörterung der Materie zu überweisen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Es ist beantragt, den Antrag dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht sowie dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung zu überweisen. Federführend soll der Ausschuß zum Schutze der Verfassung sein?
({0})
- Federführend soll also der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht sein. Ist das Haus mit dieser Überweisung einverstanden?
({1})
- Die Überweisung ist erfolgt.
Meine Damen und Herren, inzwischen ist die Interpellation betreffend Auslieferung eines Deutschen an Polen verteilt worden. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß die Fraktion der SPD diese Interpellation nicht unterschrieben hat. Herr Abgeordneter Mellies, wollen Sie zur Klärung der Sache etwas sagen?
Meine Damen und Herren! Unseres Erachtens ist das Verfahren, das hier geübt worden ist, völlig unmöglich. Mit einigen Mitgliedern unserer Fraktion ist über diese Interpellation gesprochen worden. Wir haben zum Ausdruck gebracht, daß wir zwar dem Inhalt durchaus zustimmen könnten und zustimmen würden, daß wir aber an der Form einiges auszusetzen hätten. Dann ist, ohne daß unsere Unterschrift unter der Interpellation stand, die Vervielfältigung erfolgt. Ich glaube, der Herr Präsident des Hauses müßte das Büro darauf hinweisen, daß so etwas nicht geht. Selbstverständlich kann eine Fraktion nur dann wirklich die Verantwortung übernehmen, wenn sie die Interpellation auch unterschrieben hat.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch eine Bitte aussprechen. Wir sind gestern abend zum erstenmal von dieser Interpellation in Kenntnis gesetzt worden. Es ist natürlich unmöglich, daß man sich über Dinge, die schließlich von weittragender Bedeutung sind, innerhalb weniger Stun({0})
den entscheidet. Wenn man in diesem Parlament interfraktionelle Aktionen unternehmen will, muß doch wenigstens soviel Zeit zur Verfügung stehen, um in eine genaue Prüfung einzutreten.
Ich habe es so verstanden, daß die Angelegenheit von mehreren Fraktionen des Hauses als sehr dringlich angesehen worden ist. Es zeigt sich aber dabei wieder, daß ein beschleunigtes Verfahren häufig zu Pannen und Schwierigkeiten führt. Ich werde dafür sorgen, daß solche Schwierigkeiten künftig nicht auftreten. Da vorhin über die Behandlung der Sache ein Einverständnis erzielt werden konnte und der Herr Bundesjustizminister gebeten worden ist, aus der Kabinettssitzung hier zu erscheinen - er hat das zugesagt -, darf ich vorschlagen, daß wir den sachlichen Inhalt der Interpellation erörtern. Denn ich glaube, über die Dringlichkeit der Sache besteht kein Zweifel. Ich werde, sobald der Herr Bundesjustizminister erschienen ist, dem Haus vorschlagen, die Interpellation zu besprechen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes über den endgültigen Lastenausgleich ({0}).
Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Herr Abgeordnete harig.
Harig ({1}), Antragsteller. Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur wenige Worte zu diesem Antrag. In diesem Antrag wird die Regierung ersucht, dem Bundestag nun endlich einmal einen Gesetzentwurf über den endgültigen Lastenausgleich vorzulegen. Das ist eine Angelegenheit, die draußen die Öffentlichkeit sehr bewegt, die sie nicht nur jetzt bewegt, sondern diejenigen in unserer Bevölkerung, die es angeht, schon seit einem Jahr und länger bewegt. Ich darf daran erinnern: Von dieser Stelle aus ist seitens eines Sprechers der Regierung das Versprechen abgegeben worden, daß bis ungefähr Mitte dieses Jahres der Gesetzentwurf vorliegen würde. Daraufhin haben sich viele vertrösten lassen; alle diejenigen, die glauben, etwas zu bekommen, haben sich vertrösten lassen. Seit der Abgabe dieses Versprechens ist ein ganzes Jahr über die Bühne gegangen, und es ist noch nichts für die Leute getan worden. Wir haben damals gleich daran gezweifelt. Wir haben damals gleich erklärt: Bei dem Tempo dieser Regierung in sozialen Fragen haben wir nicht die Hoffnung, daß dieses Versprechen eingelöst wird. Machen Sie nur so weiter! Dann werden die Feststellungskosten, die in der Frage des endgültigen Lastenausgleichs anlaufen, höher sein als die Summe, die zur Auszahlung gelangt.
Hinzu kommt, daß die Presse schon eine ganze Reihe von Wochen Anträge behandelt, die das Gesetz abändern sollen. Ich glaube, daß damit ein bestimmter Zweck verfolgt wird. Ich glaube, daß mit diesen Abänderungswünschen, die da von den verschiedensten Interessentengruppen laut werden, welche sich für die eventuell zur Verfügung gestellte Summe interessieren, absichtlich eine Verzögerungstaktik geübt wird, um doch noch zum Ziel zu kommen. Ich glaube, man will die ganze Angelegenheit so kompliziert gestalten, daß keiner mehr ein und aus weiß und daß man Gründe dafür hat, daß man bis heute noch nichts gegeben hat. Aber draußen warten diejenigen, denen man Hoffnung gemacht hat und die wirklich die Ärmsten der Armen in unserem Volke sind. Da warten diejenigen, die Generationen gespart und gedarbt haben, um sich etwas anzuschaffen, das ihnen dann durch den Krieg und seine Folgen verlorenging.
Unser Antrag besagt nichts anderes, als daß es dem Bundestag nicht gleichgültig sein darf, in welchem Tempo die Regierung in sozialen Fragen arbeitet. Ich glaube, das liegt auch im Interesse aller derer, die im Bundestag sitzen und sozial denken. Es dürfte daher niemand geben, der diesem Antrag seine Zustimmung versagt.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Finanzministerium Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Gesetzentwurf über den Lastenausgleich handelt es sich doch wohl um die umfangreichste und schwierigste Materie, die das Hohe Haus demnächst zu beschäftigen haben wird.
({0})
Ich glaube, sie ist so kompliziert, daß gar kein Anlaß besteht, sie noch komplizierter zu machen. Sie ist außerordentlich umfangreich und schwierig und greift tatsächlich in alle Lebensverhältnisse ein. Dem Bundeskabinett liegt der Entwurf eines allgemeinen Lastenausgleichsgesetzes vor. Es sind ihm ferner eine Reihe von Alternativfassungen vorgelegt worden, die es ihm ermöglichen sollen, auf einzelnen besonders schwierigen Gebieten unter Umständen von den Gedanken des ersten Entwurfs abweichende Entscheidungen zu fällen. Die Verabschiedung des Entwurfs durch das Kabinett wird schnellstens erfolgen, damit der Gesetzentwurf dann dem Bundesrat und nach dem Wunsche der Bundesregierung noch vor der Weihnachtspause dem Bundestag zur ersten Lesung vorgelegt werden kann.
Für die Aussprache hat der Ältestenrat eine Zeit von 60 Minuten vorgeschlagen.
Herr Abgeordneter Matzner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Kommunistischen Partei muß von zwei Seiten aus betrachtet werden. Ich will mit der formalen beginnen und stehe hier nicht an, zu erklären, daß dieser Antrag nur aus optischen Gesichtspunkten heraus entstanden ist; denn man kann doch dem Hohen Hause nicht am heutigen Tag, also knapp vor dem 1. November, zumuten, einen Beschluß zu fassen, daß der Lastenausgleichsgesetzentwurf bis 1. November dem Hohen Hause vorgelegt werden muß. Wenn wir das tun, so bringen wir die Regierung, uns als Opposition und auch Sie als die berufenen Vertreter des deutschen Volkes in die Lage, daß man unsere Entschlüsse gar nicht mehr ernst nimmt. Wir haben allen Anlaß, daß wir unsere Beschlüsse unter diesem Gesichtspunkt fassen, damit sowohl die Regierung als auch das deutsche Volk ihren Bundestag in immer höheres Ansehen stellen. Wenn also dieser Antrag hier zur Abstimmung gelangen würde, müßten wir uns der Stimme enthalten, weil wir einem solchen Antrag nicht zustimmen können.
Aber zur Sache selbst. Gerade hat wieder der Vertreter des Finanzministeriums ein neues Versprechen abgelegt, und zwar das Versprechen, daß
({0})
wir noch vor Weihnachten, sozusagen als Christgeschenk, den Entwurf auf den Tisch des Hauses bekommen. Es ist vielleicht in diesem Augenblick nützlich, ganz kurz einen Rückblick anzustellen, wie oft dieses Versprechen schon abgelegt wurde. Sie erinnern sich an die Einbringung unserer Interpellation, die im März dieses Jahres, in der 53. Sitzung des Deutschen Bundestages, behandelt wurde. Wenn Sie dieses Protokoll nachlesen, so finden Sie darin feierliche Versprechungen, die von der Dringlichkeitsforderung nach diesem endgültigen Lastenausgleich unterbaut sind. Ich gestatte mir mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten, aus diesem Protokoll den Standpunkt des Herrn Finanzministers darzulegen.
Er sagt hier, daß das Soforthilfegesetz so bald
wie möglich vom endgültigen Lastenausgleich abgelöst werden muß, und zwar um eine wirkliche
Klärung der Verhältnisse in der deutschen Volkswirtschaft und in dem Verhältnis von Abgabepflichtigen zu Empfangsberechtigten zu schaffen. um nicht nur ein gefährliches Auseinandergleiten der Stimmungen im deutschen Volk zu vermeiden, sondern insbesondere auch, um unserer Volkswirtschaft in einer Zeit, da sie mit letzter Kraft gegen Arbeitslosigkeit und derartige Erscheinungen kämpfen muß, die notwendige Klarheit darüber zu geben: Welches Vermögen ist überhaupt für mich, welches Vermögen ist für den Betrieb, welches Vermögen ist für das Wirtschaften verfügbar? Das muß die deutsche Wirtschaft einmal wissen. Auf der anderen Seite muß der andere, der Empfangsberechtigte, wissen, womit er rechnen kann, in welcher Zeit und in welcher Form er damit rechnen kann. Ich bin überzeugt, wenn diese Klarheit geschaffen ist, wird dem Radikalismus viel Wind aus den Segeln genommen.
Das war am 28. März, und in derselben Sitzung wurde erklärt, daß der Entwurf im Laufe des Monats April dem Hohen Haus vorgelegt werden würde. Nach diesen feierlichen Erklärungen, die durch einzelne Reden der Abgeordneten aus den Regierungsparteien, besonders durch die fast pathetisch klingenden Worte des Kollegen Nöll von der Nahmer, der hier die äußerste Dringlichkeit herausstellte, unterbaut waren, haben wir uns einmal darauf verlassen, daß die Regierung dieses Versprechen wirklich Wahrmachen würde. Deswegen kam es so, ,daß wir erst nach den Parlamentsferien wieder Gelegenheit hatten, zu den Dingen Stellung zu nehmen.
An Stelle des Lastenausgleichsgesetzentwurfs, der für April versprochen wurde, Mai, Juni, Juli und August nicht kam, legte man uns Ende August den Entwurf eines Feststellungsgesetzes auf den Tisch. Sie wissen, daß unsere kritische Stellungnahme zu diesem Feststellungsgesetz wesentlich davon beeinflußt war, daß wir fürchteten, daß durch das Feststellungsgesetz die Regierung neuerlich in die Lage versetzt werden sollte - besonders nach den Worten unseres Herrn Kollegen Rather, der damals erklärte, daß es sich um die psychologische Beruhigung der Betroffenen handelt -, nun einmal die psychologische Beruhigung eintreten zu lassen und dann weiter in Ruhe an diesem Entwurf zu arbeiten. Unser Auftreten wurde damals in der Öffentlichkeit so dargestellt, als wären wir gegen ein Feststellungsgesetz. Das ist keineswegs der Fall. Jetzt schon stellt sich bei den Beratungen dieses Entwurfs heraus, daß man immerhin - wenn man auch das Gesetz vielleicht noch vorziehen könnte - auf den Lastenausgleichsgesetzentwurf unbedingt Rücksicht nehmen muß, um nicht in den leeren Raum hineinzuarbeiten. Also waren unsere Bedenken richtig, und wenn sie richtig waren, dann ist ihre Nichtberücksichtigung auch hier zu beanstanden.
Als dann in jener Sitzung die Sozialdemokratische Partei den Antrag stellte, den Entwurf bis zum 1. September auf den Tisch des Hauses zu legen, da hat man aus dem Hohen Hause von seiten der Regierungsparteien den Zwischenruf gehört: Sie rennen ja offene Türen ein, denn der Herr Finanzminister erklärte ja in derselben Sitzung: „Noch im September werde ich diesen Entwurf auf den Tisch des Hauses legen." Das war im September. Wir haben jetzt fast November, und noch immer hören wir: der Entwurf ist nicht fertig.
Hier erhebt sich die ernste Frage: Wer ist daran schuld? Ich stelle die offizielle Frage für meine Fraktion an die Regierung: Wodurch kommt es, daß der Lastenausgleichsgesetzentwurf, von dem der Herr Finanzminister versicherte, daß er noch im April auf den Tisch des Hohen Hauses gelegt würde, jetzt noch nicht fertig ist? Wir haben unsere bestimmten Vorstellungen, warum das so gekommen ist, und zwar in der Richtung - Sie können mich berichtigen, wenn es nicht wahr Ist -, daß eben die Regierung sich viel zu sehr beiseite drängen, d. h. von Kreisen und Qrganisationen beeinflussen läßt, die verhüten wollen, daß ein verhältnismäßig unbefriedigender Entwurf vorgelegt wird.
Dieser Ansicht sind wir nicht. Wir sind der Meinung - ich habe es auch in einer Sitzung des Lastenausgleichsausschusses eindeutig gesagt -: ein unbefriedigender Entwurf der Regierung ist uns immer noch viel lieber als gar keiner; denn wir, Sie von der Regierung und wir von der Opposition, dürfen uns nicht davor drücken, hier verantwortungsvolle Arbeit zu leisten. An uns wird es liegen, wie dieses Gesetz nach der Verabschiedung aussehen wird. Und das ist dabei maßgeblich. Deswegen wäre es richtig gewesen, wenn der Entwurf schon im April gekommen wäre, ganz gleich, wie er damals ausgesehen hat. Wir haben ein Musterbeispiel dafür, und das muß der betreffende Personenkreis heute schon wissen. Denken Sie an das Gesetz zum Art. 131. Auch damals war es so, daß im Januar dieses Jahres der Gesetzentwurf glücklich fertig war. Es war damals nicht nur ein Versprechen; wir wissen, daß das Finanzministerium diesen Entwurf fertiggestellt hatte, aber damals - und das steht wohl ziemlich fest - ist dieser Entwurf unter dem Sturm der Entrüstung von außenstehenden Organisationen wieder gefallen. Das war im Januar, und im September haben wir diesen Entwurf erneut vom Innenministerium bekommen.
Ich muß hier feststellen, daß dieser Entwurf vom September hinsichtlich seines Inhaltes und seiner Grundlagen nicht um ein Haar besser ist als der vom Januar. Wenn der Entwurf vom Januar in dieses Hohe Haus gekommen wäre, dann wären wir in der glücklichen Lage gewesen, über ihn noch vor den Parlamentsferien zu entscheiden. Für ihn und für das Lastenausgleichsgesetz gilt der Grundsatz: Je schneller wir handeln, desto besser ist es. Sie wissen ganz genau, daß jeder Tag, den wir versäumen, nicht nur nach den Grundsätzen, die der Herr Finanzminister aufgestellt hat, schädlich ist, sondern auch nach den Grundsätzen, daß uns die Verabschiedung dieser Gesetze ständig schwieriger gemacht wird, weil die Finanzlage und die
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ganze öffentliche psychologische Lage immer ungünstiger für ihre Verabschiedung werden. Aus diesen Gründen können wir das nicht verstehen, und wir bitten deshalb in aller Entschiedenheit die Regierung, uns klar zu sagen, was ist schuld an diesen Verzögerungen und was will sie unternehmen, daß diese Verzögerungen endlich beiseite geschoben werden.
Ich sagte Ihnen schon, daß wir von psychologischen Wirkungen nichts halten, und zwar deswegen, weil sie, wenn man einmal eine psychologische Beruhigung erzielt, nur eine gewisse Zeit anhalten kann. Wenn die Erwartungen, die an die psychologischen Wirkungen geknüpft sind, nicht erfüllt werden, dann ist diese Enttäuschung, diese Reaktion doppelt schlimm. Davor wollten wir Sie und das deutsche Volk bewahren.
Ich sagte schon, daß ein Abgeordneter dieses Hauses - es war der Kollege Oellers - damals gesagt hat: Sie rennen offene Türen ein. Glauben Sie heute noch, daß das offene Türen waren? Wir wissen, daß nach diesen Worten sich die Türen doppelt fest geschlossen haben; sonst wäre es auch heute nicht zu diesem Antrag gekommen, den ich in seiner sachlichen Bedeutung schon näher gekennzeichnet habe.
Ich will nicht alles wiederholen, wie wir als verantwortungsbewußte Opposition seit dem Jahre 1948 bis heute hier mitgearbeitet und unsere Grundlagen und Grundsätze in vielfachen Auseinandersetzungen und Beschlüssen eindeutig festgelegt haben. Wir sind zur sofortigen Aufnahme der Arbeit bereit. Wir können auch schon mit sachlicher und wohlfundierter Mitarbeit dienen. Ich will mir versagen, was von uns aus alles geschehen ist, hier auszusprechen, aber eines möchte ich zum Schluß sagen - fassen Sie das nicht als irgendeine Deklamation auf -: Wenn für einen Gegenstand das Wort gilt, das ich an den Schluß setze, so für diesen: Der Worte sind genug gefallen, laßt uns endlich Taten sehen!
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Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es niemanden in diesem Hohen Hause gibt, der nicht dem letzten Satz meines Herrn Vorredners zustimmt: Der Worte sind genug gewechselt, nun laßt uns endlich Taten sehen. Ich weiß auch, daß die Regierung mehrfach Ankündigungen gemacht hat, die dann nicht gehalten worden sind. Das liegt aber nicht daran, daß man Versuche machte, irgendwie diese Gesetzgebung zu torpedieren, sondern das liegt daran, daß, je stärker sich der Gesetzentwurf formte, um so stärker die ungeheuren Schwierigkeiten sichtbar wurden.
Es kommt noch ein zweites hinzu, und das möchte ich der Regierung hier in diesem Hause sagen, nachdem ich es ihr schon persönlich gesagt habe: Die Regierung möge nicht meinen, sie müsse perfektionistisch denken und nun jede Schwierigkeit schon bei der Vorlage aus dem Wege räumen und jede Frage bis zum letzten bereits gelöst haben. Ich habe der Regierung gesagt und sage das auch hier in diesem Hohen Haus: der Ausschuß für den Lastenausgleich wird immer bereit sein, auch während seiner Beratungen neue Anregungen der Regierung aufzunehmen; denn es ist ja doch letztlich unsere gemeinsame Aufgabe, dieses schwierigste aller Gesetze, welches wir in diesem Hause zu beraten und zu verabschieden haben, gut und ordentlich zu machen. Ich habe die Bitte an die Regierung, daß sie ihre Vorarbeiten jetzt abschließt.
Ich darf aber dem Hohen Hause folgendes sagen. Wir gehen ja hier neue Wege. Wenn der Bundesrat nach dem Bonner Grundgesetz diese Gesetzesvorlage bekäme, wie es im allgemeinen üblich ist, würde er in den ihm zustehenden drei Wochen mit dieser Vorlage in den Beratungen überhaupt nicht fertigwerden können. Darum liegen ja dem Bundesrat seit langen Wochen die Entwürfe vor. Jene Eventualvorschläge liegen ihm vor, und der Bundesrat hat seit Wochen Ausschüsse und Unterausschüsse eingesetzt, um vorbereitend zu arbeiten, tätig zu werden und zu klären. Ich habe mit dem Vertreter des Bundesrats vereinbart, daß Vertreter des Ausschusses für den Lastenausgleich und Vertreter des entsprechenden Ausschusses des Bundesrats sich jetzt schon zusammensetzen und schon klären und abstimmen wollen.
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Das sollte zwar im Parlament im allgemeinen nicht die Regel sein; wir sollten uns an die Ordnung halten. Aber wir haben eine außerordentliche Gesetzgebung, und die erfordert außerordentliche Maßnahmen. Ich bin gewiß, daß wir, wenn wir im Ausschuß für den Lastenausgleich noch im Dezember in die Beratungen eintreten können, mit Ernst - Opposition und Regierungsparteien, ich kann diese Gegenüberstellung beim Lastenausgleich überhaupt nicht vertragen - alle miteinander aus unserer Verantwortung heraus so arbeiten wollen und arbeiten werden, daß wir etwas Gutes zustandebringen.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist keine Überweisung an einen Ausschuß beantragt.
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Von Herrn Abgeordneten Kunze ist beantragt worden, den Antrag ohne Ausschußüberweisung abzulehnen. Ich lasse über den Antrag abstimmen. Es handelt sich um den Antrag Kohl ({1}) und Fraktion, Drucksache Nr. 1447:
Die Bundesregierung wird ersucht, den Entwurf eines Gesetzes über den endgültigen Lastenausgleich dem Bundesrat bis spätestens 1. November 1950 vorzulegen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der Fraktion der KPD zustimmen wollen, ihre Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Antrag mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Der Bundesjustizminister war inzwischen erschienen, um auf Bitten von Interpellanten über die Frage der Auslieferung von Deutschen zu sprechen. Ich bin inzwischen darüber ins Bild gesetzt worden, daß die Fraktionen, die die Interpellation unterschrieben haben, mit Rücksicht auf die aufgetretenen Schwierigkeiten auf eine Behandlung der Interpellation in der heutigen Sitzung verzichten. Ich darf annehmen, daß das Hohe Haus damit einverstanden ist.
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Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Einsetzung eines Bundessparkommissars ({3}).
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Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Einbringung eine Zeit von 10 Minuten, für die Aussprache von 60 Minuten vor. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Zur Begründung des Antrags hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram das Wort.
Dr. Bertram ({5}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Reichsgesetzblatt vom 13. Dezember 1933 ist die Verordnung verkündet worden:
Das Büro des Reichssparkommissars wird zu einem von dem Reichsminister für Finanzen zu bestimmenden Zeitpunkt, spätestens zum 31. März 1934 aufgelöst.
Das war die Zeit, als man sich auf den Standpunkt stellte: wir haben Geld genug. Zu dieser Zeit wurde das Institut des früheren Reichssparkommissars beseitigt. Die Frage, ob der Reichssparkommissar sich seinerzeit bewährt hat oder nicht, mag offenbleiben. Es ist nicht ganz einfach, darüber zu sprechen und ein abschließendes Urteil zu finden.
Auf jeden Fall ist der Gesichtspunkt der äußersten Sparsamkeit im Haushalt heute so dringend, wie er noch nie gewesen ist. Die Sparsamkeit im Haushalt gebietet, nur solche Ausgaben zu tätigen, die für die Aufrechterhaltung der Verwaltung und zur Erfüllung der dringenden Aufgaben der Verwaltung oder ihrer rechtlichen Verpflichtungen unbedingt notwendig sind. Um dieses Postulat einer sparsamen Haushaltsführung sicherstellen zu können, hat das Zentrum den Antrag gestellt, einen Sparkommissar wieder einzuführen.
Nun könnte man einwenden, wir richteten zur Zeit den Bundesrechnungshof wieder ein und der Bundesrechnungshof sei in der Lage, diese Aufgabe genügend zu bewältigen. Ich glaube nicht, daß dieser Einwand ganz stichhaltig ist; denn der Rechnungshof wird im allgemeinen nur zur nachträglichen Kontrolle in der Lage sein, nicht dagegen zur vorgängigen Kontrolle, und die vorgängige Kontrolle ist gerade bei der Neueinrichtung von Behörden von mindestens ebenso großer Bedeutung wie die nachträgliche Kontrolle durch den Bundesrechnungshof. Was nützt es uns, wenn der Bundesrechnungshof nach Jahr und Tag erklärt, die Ausgaben für die Einrichtung des Vorzimmers des Bundespressechefs seien zu hoch gewesen und man hätte das billiger machen können! Die Ausgaben sind dann einmal getätigt, und eine Reparierung des Fehlers ist dann nicht mehr möglich.
Man könnte weiter einwenden, der Minister sei ja zuständig, die äußerste Sparsamkeit in seinem Ressort zu gewährleisten.
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- Ich komme gleich auf den Haushaltsausschuß. - Der Minister wird aber als Spitze seiner Behörde bewußt oder unbewußt geneigt sein, die Wünsche seiner Verwaltung weitgehend zu respektieren; denn er muß mit seinen Beamten zusammenarbeiten und wird deshalb dem Gebot der äußersten Sparsamkeit im allgemeinen nicht die Bedeutung beilegen können, die er ihm vielleicht selber beilegen möchte. Wenn wir hören, daß der Bundesfinanzminister die Voranschläge der anderen Ministerien um Milliardenbeträge hat kürzen können, dann beweist uns das doch, daß tatsächlich in den Voranschlägen der einzelnen Ministerien erheblich zu hohe Anforderungen gewesen sind, die durch einen Sparkommissar wahrscheinlich noch in erheblich größerem Maße hätten zusammengestrichen werden können.
Wenn man ferner sagt, daß der Haushaltsausschuß des Bundestages in der Lage wäre, diese Kontrolle auf äußerste Sparsamkeit durchzuführen, so ist dazu doch nur auf den Gesichtspunkt hinzuweisen, daß wir beispielsweise die Haushaltspläne jetzt noch nicht vorgelegt bekommen haben. Wie sollen wir für die Ausgaben des Etatjahres 1950, die im wesentlichen schon getätigt sind, eine wirksame Kontrolle ausüben, wenn uns die Haushaltspläne überhaupt noch nicht vorgelegt worden sind. Wir müssen also viel früher den Ansatzpunkt finden, um eine wirksame und sparsame Verwaltung durchführen zu können.
Der Sparkommissar wird sich vor allem die Schwierigkeiten ansehen müssen, die aus dem verschiedenen Verwaltungsaufbau in Gemeinden, Ländern und Bund entstanden sind. Der Übergang von Aufgaben der Länder auf den Bund hat bei den Ländern - jedenfalls nach meiner Ansicht - erhebliche Möglichkeiten eines Abbaues der Verwaltung mit sich gebracht, ohne daß diese Möglichkeiten im letzten überprüft worden sind. Diese Frage ist aber von entscheidender Wichtigkeit für den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Die Länder haben uns erklärt: wir können dem Bund nichts mehr abführen, wir können keine Beiträge mehr leisten. Wir sind beim Bund gezwungen gewesen, hohe Kassenkredite nur deshalb aufzunehmen, weil eine Klarheit über die Ausgabenpolitik bei Gemeinden, Ländern und Bund nicht gewonnen werden konnte.
Wenn man nun einwendet, der Sparkommissar sei eine neue Behörde und würde als solche Kosten verursachen, so möchte ich darauf hinweisen, daß das ja nicht notwendig ist. Der Sparkommissar hat den Apparat des Bundesrechnungshofes zur Verfügung. Dieser Apparat besteht. Es handelt sich also weniger um die Frage der Einsetzung einer neuen Behörde als vielmehr um die Betrauung einer geeigneten Persönlichkeit mit einer ganz bestimmten Aufgabe. Da wird es entscheidend darauf ankommen, die richtige Persönlichkeit zu finden. Die richtige Persönlichkeit scheint mir nicht ein Beamter aus der Beamtenhierarchie zu sein, sondern da die Durchsetzung einmal als notwendig erkannter Sparmaßnahmen in jedem Falle eine eminent politische Aufgabe ist, scheint es mir notwendig zu sein, als Sparkommissar auch eine Persönlichkeit aus dem politischen Leben zu nehmen, die in der Lage ist, die widerstrebenden politischen Interessen zu überwinden. Ich denke beispielsweise daran, daß die Fragen, ob wir zuviel Ministerien im Bund oder in den Ländern haben und ob ein Aufgabenabbau und damit auch ein Behördenabbau nötig sei, in jedem Fall auf den äußersten politischen Widerstand gewisser interessierter Kreise stoßen werden. Dieser politische Widerstand ist von dem Sparkommissar auch seinerzeit nur selten überwunden worden. Diesen politischen Widerstand zu überwinden, wird die Hauptaufgabe des Sparkommissars sein. Wir glauben deshalb, daß die Erfahrungen der Vergangenheit, die gezeigt haben, daß der Sparkommissar außerordentlich nützliche und wertvolle Untersuchungen angestellt hat, daß er sich in der Praxis zwar zu einer gefürchteten Persönlichkeit im Rahmen der Behördenorganisationen entwickelt hatte, aber sich allzu selten durchsetzen konnte, uns heute veranlassen sollten, der Auswahl der Persönlichkeit des Sparkommissars besondere Bedeutung beizumessen. Wir als
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Bundestag haben ja das Steuerbewilligungsrecht, aber korrespondierend dazu die Pflicht zu alleräußerster Sparsamkeit. Diese Verpflichtung zu alleräußerster Sparsamkeit kann aus den Gründen, die ich eben dargelegt habe, von uns nicht in vollem Umfange erfüllt werden. Deshalb unser Antrag.
Richtig ist es natürlich, daß der Sparkommissar keine Patentlösung bringen wird. Nicht von heute auf morgen wird damit eine wesentliche und umstürzende Umstellung der Verwaltungsausgaben erreicht werden können. Aber das unermüdliche Arbeiten einer solchen Persönlichkeit - davon sind wir überzeugt - wird früher oder später einen wesentlichen Einfluß auf die Verwaltungsausgaben ausüben können.
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In der Aussprache hat zunächst der Herr Abgeordnete Dr. Dresbach das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn im Reich des „Führers" eine neue Verwaltungsaufgabe auf der Bildfläche erschien oder eine neue Verwaltungsaufgabe notwendig wurde, dann wurde ein Sonderkommissar berufen, der dann möglichst dem Führer direkt unterstellt war. Ich hatte, als ich den Antrag der Zentrumspartei las, mit meinen Freunden den angstvollen Eindruck, daß diese Politik fortgesetzt werden sollte. Wir waren mit Hilfe dieser Politik - das habe ich seinerzeit mal als Publizist ausgerechnet - inmitten des Krieges auf etwa 30 Reichsministerien und Oberste Reichsbehörden gekommen. Ich bitte, meine Damen und Herren: hier handelt es sich um Oberste Reichsbehörden, die den Ministerien gleichgestellt waren!
Diese Sorge hat uns nun der Kollege Bertram abgenommen, da er doch diesen Sparkommissar in den noch nach Art. 114 des Grundgesetzes zu bildenden Bundesrechnungshof einbauen will. Aber ich darf ihm hinsichtlich der Erfahrungen etwas widersprechen, die seinerzeit mit dem Reichssparkommissar gemacht wurden. Es war eine Institution, die sich hauptsächlich an die Person des früheren preußischen Finanzministers Sämisch knüpft. Ich weiß nicht mehr ganz genau, ob die Institution auch damals geschaffen worden ist, um für Herrn Sämisch ein Refugium zu schaffen. Das entzieht sich meiner Kenntnis. Diese Institution wurde später als Präsidialabteilung beim Reichsrechnungshof eingebaut und hatte ihr Domizil in Berlin in der Potsdamer Straße. Sie hat sehr gute Gutachten ausgearbeitet. Auch Stadtkreise und Landkreise wandten sich an diese Präsidialabteilung, um überprüft zu werden. Ich entsinne mich noch, im Kriege hat sie sich mit einem sehr guten Verfassungs- und Organisationsgutachten über die drei zu bildenden Stadtstaaten Berlin, Wien und Hamburg beschäftigt. Aber, Kollege Bertram, ich habe nicht den Eindruck wie Sie, daß diese gutachtliche Tätigkeit sehr viel über den Umfang eines wissenschaftlichen Seminars hinausgedrungen und ein Nutzeffekt eingetreten sei.
Ich möchte hier doch mit aller Klarheit betonen: 'für meine politischen Freunde und mich ist der natürliche Sparkommissar der Herr Bundesfinanzminister. Sie haben eben danach gerufen, er soll ein Politiker sein. Ja, ist denn der Herr Bundesfinanzminister kein Politiker? Ich habe ihn als einen sehr trefflichen Politiker kennengelernt, wenn auch meine Kollegen von der Bayernpartei vielleicht anderer Meinung sein werden.
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- Das steht hier nicht zur Debatte. Das ist vielleicht eine Aufgabe des Rechnungsprüfungshofs, sich auch mit diesen Dingen zu befassen. Dann tritt als natürlicher Partner neben den Herrn Bundesfinanzminister doch der Haushaltsausschuß des Bundestages.
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Ich möchte eines herausheben, Herr Kollege Bertram, was Sie auch gesagt haben, nämlich die Rechnungslegung und Rechnungsprüfung durch unabhängige, richterähnliche Beamte dieses Rechnungshofes. Sie sagen zwar: Ja, das kommt post festum. Aber man kann aus dem, was man gelernt oder gesehen hat, für die zukünftige Planung sehr viel lernen - das ist in früheren Zeiten geschehen -, wenn ich auch immer wieder feststellen muß, daß bei den Gemeinden, den Kreisen und auf höherer Ebene beim Bund die Haushaltsplanung mehr Geräusch verursacht und auf größeres Interesse trifft als die Rechnungslegung. Aber wir können doch in dieser Beziehung lernen.
Nun muß ich mich doch noch mit den Wünschen des Bundes der deutschen Steuerzahler etwas befassen. Ich hatte nämlich zunächst beinahe den Eindruck, daß der Herr Kollege Bertram als dessen Sprecher auftreten wollte. Aber das hat er nicht getan, das liegt ihm ja auch fern. Bei dem Bund der deutschen Steuerzahler habe ich manchmal den Eindruck, als wenn es sein Bestreben wäre, eine bürokratisch-autoritäre Institution zu schaffen, die das Budgetrecht des Parlaments einfach ausradieren soll. Soweit meine Informationen gehen, sind die Funktionäre dieses Bundes deutscher Steuerzahler sehr viele Ruhestandsbeamte, bei denen man ja vielleicht auch einmal sparen könnte. Manchmal hat man so den Eindruck, als wenn diese Ruhestandsbeamten in diesem Amt des Sparkommissars den nächsten Job suchten.
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Ich glaube, diese amerikanische Wortbildung ist hier erlaubt. Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß dieser Sparkommissar im Hinblick auf den tüchtigen Bundesfinanzminister - nicht nur den gegenwärtigen, wir werden uns immer einen tüchtigen suchen - nicht eine so dringende Notwendigkeit sei. Aber wir können uns schließlich damit abfinden, daß eine Abteilung im Bundesrechnungshof als Gutachterabteilung geschaffen wird. Für die Gemeinden, Herr Kollege Bertram, möchte ich sagen: Wir haben gerade auch bei den Gemeinden sehr scharfe Prüfungen. Ich kann Ihnen als Landrat wenn auch nur als ehrenamtlicher - ein Lied davon singen. Von den Gemeindeprüfungsämtern bei den Regierungen im ehemaligen preußischen Staatsgebiet werden nicht nur nachträgliche Prüfungen durchgeführt, sondern es gibt förmliche Überfallkommandos, die durchaus gut prüfen und sehr tief schürfen. Das Endgültige bei dem Gemeindeprüfungswesen scheint mir die Bildung einer Anstalt zu sein, wie sie schon die Deutsche Gemeindeordnung vom Jahre 1935 vorgesehen hat.
Ich komme zum Schluß. Ich glaube, die großen Ersparnisse können nicht von einer Abteilung im Rechnungshof gemacht werden. Das sind Fragen der politischen Entschlüsse in Sachen der Verwaltungspolitik, wozu ja die Ministerialinstanzen, die
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Mittelinstanzen und auch die vielen deutschen Länder rechnen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Wenn man die Begründung des Antrags durch den Herrn Kollegen Bertram hört, so möchte die Angelegenheit zunächst leidlich erscheinen. Aber der Herr Kollege Dresbach hat soeben schon darauf hingewiesen, welche Bedeutung die Arbeit des Reichssparkommissars vor 1933 wirklich gehabt hat. Es ist sicher auch heute noch nützlich, die Gutachten des Reichssparkommissars zu lesen, und ich glaube, Parlamentsmitglieder sollten das mit einigem Fleiß tun, sie könnten daraus sehr viel lernen. Aber irgendwelche praktische Auswirkung hat die Tätigkeit dieses Sparkommissars wohl kaum gehabt. Mir ist - ich muß das offen sagen - nur ein Fall bekannt, daß eine Landesregierung in Deutschland kurz vor 1933 auf Grund der Notverordnung des Reichspräsidenten auf dem Wege einer Verordnung die notwendigen Folgerungen aus dem Gutachten zog. Der Herr Kollege Bertram irrt, wenn er glaubt, der Rechnungshof habe nur die Aufgabe, die Ausgaben nachträglich zu überprüfen und dar über zu wachen, ob mit den Mitteln sorgfältig verfahren worden ist. Schon seit längerer Zeit, Herr Kollege Bertram, hat der Rechnungshof auch die Aufgabe, die Verwaltungen hinsichtlich ihrer Arbeit, der rationellen Ausgestaltung und der Auslastung der einzelnen Beamten und so weiter zu überprüfen. Wir haben vom Wirtschaftsrat in Frankfurt am Main den Rechnungshof beauftragt, drei Verwaltungen zu überprüfen. Zuerst wurde die Verwaltung für Wirtschaft überprüft, dann die Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Diese beiden Gutachten sind für die Beratungen des Haushaltsplans des Wirtschaftsrats von außerordentlicher Bedeutung gewesen. Ich kann nur wünschen, uns lägen auch im Haushaltsausschuß möglichst bald derartige Berichte über die Bundesministerien vor.
Damals ist dann weiter beantragt worden, die Verwaltung für Verkehr zu überprüfen. Diese Überprüfung ist, soweit ich weiß, abgeschlossen. Wir haben in diesem Hohen Hause schon mehrfach darauf hingewiesen, das Gutachten möge dem Parlament endlich vorgelegt werden. Das ist bis jetzt nicht geschehen. Die Gründe sind mir nicht bekannt. Ich möchte Ihnen, Herr Staatssekretär, aber schon von dieser Stelle aus sagen: Meine Fraktion legt den größten Wert darauf, daß dieses Gutachten über die Verwaltung für Verkehr bzw. über das Verkehrsministerium dem Bundestag noch für die Haushaltsberatungen zugeht.
Mein Kollege Schoettle hat an dieser Stelle auch schon darauf hingewiesen, daß das nächste Ministerium, das überprüft werden muß, das Bundesfinanzministerium sein sollte. Wir hatten in Frankfurt, ich möchte das an dieser Stelle ganz offen sagen, immer den Eindruck gehabt - Herr Staatssekretär Hartmann weiß das ja auch -, daß sich die Finanzverwaltung dort bemühte, wirklich vorbildlich und sparsam zu wirtschaften. Beim Bundesfinanzministerium haben wir diesen Eindruck nicht mehr.
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Wir halten gerade deshalb eine Überprüfung durch
den Rechnungshof für dringend erforderlich; denn
es ist selbstverständlich notwendig, daß gerade das Bundesfinanzministerium in Fragen der Sparsamkeit vorbildlich ist.
Wir haben selbstverständlich neben den Ministerien auch noch andere Bundesbehörden, die dringend einer Überprüfung bedürften. Es ist heute morgen schon einmal auf die Bundespressestelle hingewiesen worden. Ich könnte mir vorstellen, daß eine Überprüfung dort sehr nützlich wäre, weil wir alle wissen, daß die Arbeit dieser Behörde eigentlich im umgekehrten Verhältnis steht zu dem Personalaufwand, von dem anderen Aufwand gar nicht zu reden, der dort getrieben worden ist.
Aber, meine Damen und Herren, wenn die Frage der Sparsamkeit angeschnitten wird, dann soll man an den Grundfragen nicht vorübergehen. Eine wirkliche 'Sparsamkeit kann nur erzielt werden, wenn erstens ein Abbau erfolgt und zweitens eine Verwaltungsreform an Haupt und Gliedern durchgeführt wird.
Was zunächst den Aufgabenabbau betrifft, so wissen wir alle, daß wir durch den Krieg und seine Folgen in der unglücklichen Lage sind, daß immer neue Aufgaben auf die öffentliche Hand zuströmen. Aber man hat dabei, glaube ich, einen Fehler gemacht. Man hat die neuen Einrichtungen und die Behörden, die erforderlich waren, immer neben die alten gebaut und auf diese Weise nur neue Behörden geschaffen, ohne zu überprüfen, ob nicht der Weg zweckmäßiger gewesen wäre, die alten Behörden zunächst einmal durchzurationalisieren. Herr Kollege Dresbach hat schon angedeutet: Die Verwaltungsreform ist notwendig, und ihre Durchführung ist natürlich eine Aufgabe der gesetzgebenden Körperschaften, und zwar im Bund, in den Ländern und auch in den Gemeinden. Bisher haben wir aber feststellen müssen, daß die Parlamente wenig geneigt sind, hier etwas Durchgreifendes zu tun. Wir Deutsche sind anscheinend auch durch die größte Not nicht dazu zu bewegen, eine solche Reform vorzunehmen, aber, meine Damen und Herren, darüber soll man sich keinen Täuschungen hingeben: solange wir nicht eine gründliche Verwaltungsreform haben, die unsere ganze Verwaltung in Deutschland nach rationellen Gesichtspunkten gestaltet, wird keine sehr große Einsparung möglich sein. Herr Kollege Bertram ist auch einer optischen Täuschung unterlegen, wenn er gemeint hat, die Tatsache, daß der Herr Bundes finanzminister Milliardenbeträge abgestrichen habe, beweise doch. daß noch erheblich gespart: werden könne. Herr Kollege Bertram, sehen Sie sich einmal an, wo der Herr Bundesfinanzminister diese Beträge gespart hat; in allererster Linie beim Bundesverkehrsministerium. Und wenn Sie demnächst mit Ihrem Wagen über die Straßen fahren und über Schlaglöcher schimpfen, dann müssen Sie sich darüber klar sein, daß das eben eine Folge der Sparsamkeit ist, die vom Herrn Bundesfinanzminister geübt wurde.
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Aber, meine Damen und Herren, wo liegen die Hauptwiderstände gegen eine Verwaltungsreform? In erster Linie natürlich bei den bestehenden Behörden. Selbst dann, wenn einmal ein Parlament oder eine Vertretung zu dem Beschluß kommt, eine bestimmte Behördenstelle abzubauen, können wir sicher sein: diese Behörde wird mit vielen Denkschriften nachweisen, daß zwar alle anderen Behörden Scheusale seien, die in die Wolfsschlucht
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gehörten, daß aber der Staat zugrunde ginge, wenn gerade diese Behörde nicht aufrechterhalten bliebe.
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Diesem Protest werden sich dann die Gemeinden anschließen, in denen diese Behörden sind. Ich hoffe, daß mir die folgende Bemerkung keine Rüge des Herrn Präsidenten einträgt: Ich glaube, wir werden dann auch im Bundestag eine große Reihe von Anfragen und Interpellationen haben, in denen darauf hingewiesen wird, ,daß dieser Abbau nicht möglich ist.
Um eine wirkliche Sparsamkeit durchzuführen, ist es notwendig, daß sich die verantwortlichen Fraktionen einmal zusammensetzen und zu dem Entschluß kommen, trotz der Widerstände, die von allen Seiten vorhanden sind, nun wirklich eine gründliche Verwaltungsreform an Haupt und Gliedern durchzuführen. Aber wir glauben - ich bitte Herrn Kollegen Bertram, sich die beiden Gutachten, die von Frankfurt vorliegen, darauf einmal anzusehen -, daß nach den guten Erfahrungen, die wir haben, der Bundesrechnungshof zunächst die geeignete Stelle ist, um diese Prüfungen durchzuführen. Dazu bedarf es keines besonderen Sparkommissars; denn wozu soll man noch einen Mann besonders herausstellen, der ja doch keine Exekutivmöglichkeiten hat. Die Sache würde nur dann einen Erfolg haben, wenn man dem Manne gleichzeitig diktatorische Vollmachten gäbe und ihm sagte: Du kannst das, was als notwendig festgestellt wird, auch sofort durchführen. Einen solchen Zustand wünschen wir nicht, ein solcher Zustand ist auch nicht erträglich, sondern wir müssen dazu kommen, daß die Parlamente aus den uns vorgelegten Gutachten mit aller Klarheit und Eindeutigkeit die Konsequenzen ziehen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Blank ({0}). Acht Minuten bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben sich mit dem Antrag der Fraktion des Zentrums bereits so ausführlich und eingehend auseinandergesetzt, daß ich dem im Namen meiner Freunde verhältnismäßig wenig hinzuzufügen habe. Es ist unbezweifelbar, daß wir sparen müssen; ich glaube, in dem Punkt sind wir uns alle völlig einig. Wo gespart werden soll und muß, darüber können dann unter Umständen die Meinungen schon sehr auseinandergehen. Ich möchte aber gerade das, was Kollege Dresbach gesagt hat, nachdrücklich unterstreichen: Der geborene Sparkommissar ist und bleibt der Finanzminister, der Bundesfinanzminister im Bund und die Länderfinanzminister in den Ländern. Dem Bundesfinanzminister steht der Bundesrechnungshof zur Seite; auch darüber ist schon gesprochen worden. Eine gutachtliche Tätigkeit des Bundesrechnungshofes scheint uns denkbar erwünscht. Ich kann mich aber auch dem Kollegen Mellies nur anschließen: Einen Spardiktator können wir in unserer Staatsform nicht gebrauchen. Wir müssen von uns aus, aus dem Parlament heraus, zur Sparsamkeit kommen. Ich bin mir darüber klar, daß das eine Forderung ist, die zunächst etwas den Anschein einer Theorie hat. Wir müssen es uns alle immer wieder vornehmen und es bei gegebener Gelegenheit auch durchführen.
Von einer neuen Instanz, deren Entstehen wir aus dem Antrag der Zentrumspartei zunächst befürchten zu müssen glaubten, will Herr Kollege Bertram, wie ich aus seinen Worten entnommen habe, absehen. Ich könnte mir davon auch wirklich nichts versprechen; denn mir scheint es noch nicht einmal sicher, ob eine neue Dienststelle Bundessparkommissar im Effekt mehr einsparen würde, als für eben diese Dienststelle an Aufwendungen gegeben werden müßte. Wofür haben wir eigentlich den Bundesrechnungshof, der, abgesehen von der Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit des Vergangenen, uns doch gerade mit Gutachten und Vorschlägen darüber versorgen soll, was innerhalb der Verwaltung zweckmäßiger und sparsamer gemacht werden kann.
Ich glaube, daß meine Herren Vorredner durchaus recht hatten, wenn sie sagten: Die Erfahrungen, die wir bisher - nicht nur in Deutschland - mit solchen Sparkommissaren gemacht haben, sind nicht sehr eindrucksvoll gewesen. Im Gegenteil! Denken Sie einmal an das, was sich in den Vereinigten Staaten zugetragen hat. Eine so bemerkenswerte Persönlichkeit wie der ehemalige Präsident Hoover ist mit einem großen Stab an die Arbeit gegangen, hat außerordentlich weitgehende Untersuchungen geführt und hat sich sogar schließlich zu bestimmten Vorschlägen durchgerungen. Praktisch ist auch aus diesen Dingen, soweit wir von hier aus sehen können, überhaupt nichts geworden. Inzwischen ist in Amerika natürlich die Politik über diese rationalen Vorschläge hinweggegangen. Auch Herr Hoover hat drüben nichts erreicht. Wir glauben, gerade bei uns würde es bei der Staatsform, die wir haben, nichts werden.
Auf der andern Seite allerdings sind wir, wie ich schon eingangs gesagt habe, von der Notwendigkeit des Sparens aufs tiefste durchdrungen, und wir wollen den Gedanken, der in dem Antrag der Zentrumsfraktion zum Ausdruck kommt, nicht etwa abweisen.
Wir schlagen deshalb vor, diesen Antrag noch einmal der für uns als Parlament zuständigen Stelle, dem Haushaltsausschuß, zu überweisen, damit dort nochmals alles Für und Wider erwogen werden kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz. - Fünf Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Ausführungen meiner Herren Vorredner kann ich mich ganz kurz fassen. Der Antrag der Zentrumsfraktion macht einen sehr volkstümlichen Eindruck. Wenn man ihn aber genau ansieht, erkennt man: seine Durchführung würde wenig Wirkung hervorrufen und ziemlich kostspielig sein. Denn ein Sparkommissar, der wirklich durchgreifen soll, braucht - das ist hier bereits erwähnt worden - einen erheblichen Behördenoberbau und -unterbau, um etwas zu tun. Es würde sich hierbei eine Figur herausbilden, die mit der Grundstruktur unserer parlamentarischen Demokratie nicht in Einklang zu bringen wäre, eine Art Überzensor, eine Art Diktator. Das Wesentliche ist hier angesprochen worden: daß die Sparsamkeit in einem Staate von politischen Grundsatzentscheidungen abhängig ist. Leider haben wir in Deutschland die Chance einer großen Verwaltungsreform an Haupt und Gliedern vom Grundsätzlichen aus verpaßt. Sie war nach 1945 in
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ganz besonderem Maße gegeben. Man hätte damals den Staat ähnlich neu aufbauen können, wie das Preußen nach seiner Niederlage von 1806 mit großem Erfolg unternommen hat.
Die Tätigkeit des Rechnungshofes als einer nur nachträglich Ausgaben überprüfenden und kritisierenden Instanz ist etwas unterschätzt worden. Tatsächlich würde für eine gutachtliche Tätigkeit, die nicht nur von fiskalischen Gesichtspunkten ausgehen kann, das Material des Rechnungshofes die beste, zuverlässigste Grundlage bieten. Der Rechnungshof hat zu arbeiten begonnen, und ich glaube, im Zusammenhang mit dem Grundgefüge unserer parlamentarischen Demokratie, in der Zusammenarbeit zwischen Rechnungshof, Haushaltsausschuß des Bundestages, Haushaltsausschuß des Bundesrates - den ich hier besonders erwähnen möchte - und dem Bundesfinanzminister wird sich wohl ein Konzept finden lassen, um jenes Übermaß unzweckmäßiger Ausgaben zu verhindern, das für die Öffentlichkeit unerträglich ist.
Wir haben uns in meiner Fraktion besonders darüber gefreut, daß der Herr Sprecher für die sozialdemokratische Fraktion einen Abbau in der Verwaltung befürwortet hat. Das entspricht durchaus unserer Grundanschauung. Nur wissen wir es nicht recht in Einklang zu bringen mit dem Konzept planwirtschaftlicher Methoden, das sonst von der Sozialdemokratie vertreten 'wird,
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einem Konzept, das gerade deshalb von uns bekämpft wird, weil es zu einer in der Natur der Sache liegenden Aufblähung der Verwaltung führen muß.
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Zunächst der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, dann der Herr Kollege Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist eine sehr dankenswerte Anregung gewesen, die der Herr Abgeordnete Dr. Bertram gegeben hat und die zu dieser kurzen, aber inhaltsreichen Debatte geführt hat. Die Bundesregierung konnte bei der Kürze der Zeit noch nicht abschließend dazu Stellung nehmen, und es wird wohl zweckmäßig sein, diese Anregung, wie vorgeschlagen wurde, dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Ich darf aber vielleicht, nachdem sich aus den bisherigen Stellungnahmen ein Bild der Meinung des wohl überwiegenden Teils des Hohen Hauses ergibt, für das Bundesfinanzministerium kurz folgendes sagen.
Es hat sich in der Zeit der Weimarer Republik herausgestellt, daß die Beauftragung eines einzelnen Mannes - das war der damalige Minister a. D. Sämisch - als Sparkommissar, getrennt vom Rechnungshof, ihn nicht dazu befähigt, diese Aufgabe befriedigend durchzuführen. Das kann ein einzelner Mann nicht. Er braucht einen gewissen Apparat, er braucht erfahrene Kenner der Verwaltung, die draußen umherfahren, die Berichte vorbereiten und die einzelnen Prüfungen vornehmen. Daher ist seine Aufgabe nach einigen Jahren mit der des Postens eines Präsidenten des Rechnungshofes verbunden worden. Dort ist eine sogenannte Präsidialabteilung eingerichtet worden, die neben der laufenden Tätigkeit des Rechnungshofes diese Prüfungen und diese Erstellung von Gutachten vornimmt. Es ist aber auch schon gesagt worden, daß ein besonders großer Erfolg bei dieser Tätigkeit nicht herausgekommen ist, so wertvoll für Einzelfragen die erstellten umfangreichen Gutachten gewesen sind.
Was andererseits die Tätigkeit des Rechnungshofs betrifft, so habe auch ich den Eindruck, daß Herr Abgeordneter Dr. Bertram diese Tätigkeit etwas unterschätzt hat. Vielleicht kommt das daher, daß der Rechnungshof immer noch keinen zutreffenden Namen hat. Es. sieht immer noch so aus, als ob er nur die Haushaltsrechnungen der Vergangenheit prüft. Aber schon seit längerer Zeit geht er weit darüber hinaus. Wir haben ihn schon in Frankfurt wie auch hier in Bonn bei der Neuorganisation der Ministerien von Anfang an beratend hinzugezogen. Der Rechnungshof ist bei den Vorbereitungen der laufenden Haushalte dabei, er ist ständig im Haushaltsausschuß des Bundestags und des Bundesrats vertreten; er ist auch bei den hiesigen Beratungen sowie in vielen Fachausschüssen des Hohen Hauses vertreten. Mit anderen Worten, er begleitet die Entstehung eines Gesetzes und kann auf Grund dieser Kenntnisse auch in die Prüfung eintreten.
Ich muß noch auf ein anderes Bedenken hinweisen, das in der Zuständigkeit nach dem Grundgesetz begründet liegt. Wenn hier ein Sparkommissar beschlossen werden sollte, dann kann er nicht in die Prüfung der Verwaltungen in den Ländern und Gemeinden eintreten. Er könnte nur eine Zuständigkeit beim Bund haben. Ich glaube, diese Zuständigkeit würde, wenn man seine Aufgaben so ernst auffaßt, wie die Herren Antragsteller das beabsichtigen, nicht genügen; denn die gesamte Haushaltswirtschaft der Länder, der Gemeinden und des Bundes hängt ja sehr eng zusammen, und Maßnahmen auf dem einen Gebiete sind auch unter Umständen von erheblichen Folgen für andere Gebiete. Das sind aber Fragen, die unmittelbar mit der Struktur des Grundgesetzes zusammenhängen und die nicht durch einen einfachen Organisationsbeschluß überwunden werden können.
Das Hauptbedenken scheint mir aber folgendes zu sein. Es hat sich - wie gesagt - gezeigt, daß der Reichssparkommissar Sämisch nicht die Durchschlagskraft hatte, um seinen Gutachten und Vorschlägen zum Siege zu verhelfen. Es ist schon gesagt worden, daß es im Grunde eine politische Aufgabe ist. Wenn also nicht der Präsident des Rechnungshofs mit der Aufgabe betraut werden soll, dann ist tatsächlich der Bundesfinanzminister diejenige Persönlichkeit, der diese Aufgabe anvertraut werden sollte, der eigentlich schon von Geburt aus diese Aufgabe wahrzunehmen hat und der sich wohl auch, wie ich glauben möchte, mit aller Energie schon in diesem Jahre bemüht hat, diese Aufgabe wahrzunehmen.
Ich darf noch auf zwei Anregungen des Herrn Abgeordneten Mellies eingehen. Ich kann im Augenblick nicht sagen, ob das Gutachten des Rechnungshofs über das Verkehrsministerium schon vorliegt. Ich werde gern dafür sorgen, daß es dem Haushaltsausschuß zur Beratung des Etats des Verkehrsministeriums zugeleitet wird.
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- Um so besser, Herr Abgeordneter!
Dann hat Herr Abgeordneter Mellies vorgeschlagen, daß als nächstes größeres Ressort das Bundesfinanzministerium überprüft wird. Er hat angedeutet, daß es vielleicht die eine oder andere Stelle der Bundesverwaltung gebe, die noch dringender einer Prüfung bedürfte. Aber ich möchte
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nicht gern mit Ihnen in einen Streit über die Dringlichkeit einer solchen Prüfung geraten. Das Bundesfinanzministerium wird sich sehr freuen, wenn der Rechnungshof demnächst seinen eigenen Haushalt aufs Korn nimmt. Wir werden dieser Prüfung - wie ich wohl sagen darf - getrost entgegensehen. Ich hoffe, sie wird dasselbe Ergebnis haben, das die Prüfungen in Frankfurt bei der Verwaltung für Finanzen immer gehabt haben, nämlich daß das Finanzministerium chronisch unterbesetzt ist und wir bei dem ständigen Zuwachs an Aufgaben größeren Ausmaßes, den wir von Monat zu Monat bekommen, mit dem vorhandenen Personal die Aufgaben gar nicht durchführen können. Aber wie auch das Ergebnis sein mag, es wird auf jeden Fall dazu beitragen, die Stellung des Bundesfinanzministeriums gegenüber den anderen Ressorts zu stärken.
Zum Schlußwort noch Herr Abgeordneter Dr. Bertram!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Übereinstimmend kann man heute wohl davon ausgehen, daß alle Fraktionen die äußerste Sparsamkeit in der öffentlichen Haushaltsführung einführen wollen. Ein wesentlicher Unterschied scheint mir darin zu liegen, daß wir von der Zentrumsfraktion einer Persönlichkeit etwas mehr zutrauen als einer bloßen Institution. Wenn man hier sagt, der Rechnungshof als Institution leistet das schon alles, was hier in dem Antrag der Zentrumsfraktion gewünscht wird, so muß ich dem entgegentreten. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß ein Mann in der Art eines parlamentarischen Unterstaatssekretärs, wie wir es in England haben, der sich hauptsächlich mit dieser Aufgabe beschäftigt, mehr leistet und mehr ausrichtet als ein doch broß im Trott des Alltags daherziehender Behördenapparat. Ich glaube deshalb, daß wir auch die Meinung des Herrn Staatssekretärs Hartmann nicht akzeptieren sollten, daß der Finanzminister für sich allein bereits der geeignete Mann sei. Der Finanzminister hat soviel Arbeit damit, neue Steuern zu erfinden und den Haushaltsausgleich herbeizuführen, daß ich mir nicht vorstellen kann, daß er noch Zeit dafür hat, die äußerste Sparsamkeit im Verwaltungsapparat herbeizuführen.
Ich bin deshalb damit einverstanden, daß die Angelegenheit dem Haushaltsausschuß überwiesen wird, und ich glaube, daß es notwendig ist, auch noch den Ausschuß für innere Verwaltung an dieser Angelegenheit zu beteiligen, um zu klären, ob nicht diese Personalfrage in der von uns angedeuteten Richtung erledigt werden kann.
Meine Damen und Herren! Es ist beantragt worden, den Antrag dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Darf ich fragen, welche Damen und Herren des Hauses diesem Antrage zuzustimmen wünschen? - Gegenprobe! - Zweifellos ist die Mehrheit für Überweisung an den Haushaltsausschuß.
Weiterhin ist beantragt worden, den Antrag auch dem Ausschuß für innere Verwaltung zu überweisen. Wünscht jemand von den Damen und Herren, diesem Antrag zuzustimmen? - Das ist eine Minderheit; der Antrag ist abgelehnt. Der Antrag ist also lediglich dem Haushaltsausschuß überwiesen.
Ich rufe den letzten Punkt der Tagesordnung auf:
10. Beratung des Interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({0}).
Folgende Anträge sollen ohne Aussprache den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden: Drucksache Nr. 1461 an den Ausschuß für Verkehrswesen und Drucksache Nr. 1467 an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen. Ich nehme a .i, daß das Haus damit einverstanden ist.
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Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß der Tagesordnung.
Ich berufe die 97. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 7. November 1950, 15 Uhr, ein.
Ich schließe die 96. Sitzung des Deutschen Bundestages.