Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 95. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Die Tagesordnung liegt Ihnen vor.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Abgeordneten bekanntzugeben, die entschuldigt fehlen.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für 2 Tage den Abgeordneten Dr. Frey, Dr. Brill, Dr. Becker ({0}), Leddin, Bazille, Zühlke, Schoettle, Rademacher, Schill, Dr. Koch, Dr. Köhler und Dr. Wahl.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Dr. Gülich und Morgenthaler für 10 Tage wegen Krankheit, Albers ({1})
Abgeordneter Albers ist da.
Raestrup für 14 Tage wegen Auslandsreise, Dr. Orth für 14 Tage wegen Auslandsreise, Nuding für 4 Wochen wegen Krankheit.
Der über eine Woche hinausgehende Urlaub muß vom Bundestag genehmigt werden. Widerspruch ist nicht erfolgt. Der beantragte Urlaub ist also erteilt.
Es sind weiter entschuldigt die Abgeordneten Löbe, Neumann und Nowack ({0}).
Meine Damen und Herren! Ich darf zu Beginn darauf aufmerksam machen, daß wir ab jetzt eine neue Sitzung haben. Es sind neue Anwesenheitslisten aufgelegt worden. Ich bitte, sich im Laufe der Sitzung in diese Listen einzutragen.
Ich gebe weiter bekannt, daß der Abgeordnete Dr. Middelhauve mir mit Schreiben vom 17. Oktober 1950 mitgeteilt hat, daß er wegen seiner parteipolitischen Aufgaben als Fraktionsvorsitzender im Landtag Nordrhein-Westfalen sich leider genötigt sehe, sein Bundestagsmandat niederzulegen. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß ich den Gefühlen des Hauses Ausdruck gebe, wenn ich sage, daß die Mitglieder des Hauses das Ausscheiden des Herrn Kollegen Middelhauve, der im Ausschuß für Kulturpolitik und im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung maßgeblich mitgearbeitet hat, bedauern und ihm für seine weitere Arbeit alles Gute wünschen.
({1})
Ich möchte weiter folgendes bekanntgeben. Heute nimmt das englische Unterhaus den Sitzungssaal, der vor Jahren durch Kriegseinwirkungen zerstört worden ist, wieder in Gebrauch. Ich habe mir gestattet, namens des Deutschen Bundestages dem Speaker des englischen Unterhauses ein Glückwunschtelegramm zu senden. Ich habe es in der Erwägung getan, daß wir auch als Bundestag der Deutschen Bundesrepublik Anlaß haben, an diesem Vorgang besonders beteiligt zu sein, weil dieses Haus einst durch deutsche Fliegerbomben zerstört worden ist. Ich habe es getan, weil wir von der Bedeutung wissen, die das englische Parlament für alle Parlamente der freien Völker hat, und weil ich der Überzeugung bin, daß die Parlamente der freien Völker in ihrer gemeinsamen Arbeit für Freiheit und Gerechtigkeit in dieser Welt zusammenstehen müssen.
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Der Deutsche Bundesrat hat mit Schreiben vom 20. Oktober 1950 mitgeteilt, daß er in seiner Sitzung vom gleichen Tage beschlossen hat, zu dem Gesetzentwurf über die Anerkennung von Nottrauungen und zu dem Gesetzentwurf zur Änderung der Gewerbeordnung Anträge gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 13. Oktober 1950 die Anfrage Nr. 103 der Abgeordneten Dr. Frey und Genossen betreffend Lage der deutschen Landwirtschaft und des Gartenbaues - Drucksache Nr. 1168 - beantwortet. Die Antwort trägt die Drucksachennummer 1501.
Der Herr Bundesminister des Innern hat am 11. Oktober 1950 die Anfrage Nr. 106 der Abgeordneten Dr. Falkner, Dr. Etzel, Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei betreffend Bundespersonalausschuß - Drucksache Nr. 1212 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1506 vervielfältigt.
Damit kommen wir zum ersten Punkt der Tagesordnung. Ich rufe auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Handwerksordnung ({3}).
Die Begründung des Gesetzes erfolgt durch den Abgeordneten Dirscherl. Ich bitte ihn, das Wort zu l nehmen.
Dirscherl ({4}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die in der Regierungskoalition zusammengeschlossenen Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP haben sich entschlossen, dem Hohen Haus den Entwurf eines Gesetzes über die Handwerksordnung vorzulegen. Dabei leitet sie der Gedanke, daß das Handwerk, in seiner Gesamtheit gesehen, einen so bedeutungsvollen Faktor in unserem Staats-, Wirtschafts- und Sozialleben darstellt, daß es auf die Dauer unverantwortlich sein würde, ihm nicht jene gesicherte Rechtsordnung bezüglich seiner Organisation und seiner wirtschaftlichen Betätigung zu geben, die unerläßlich notwendig ist, um seine Funktionsfähigkeit für unser Volk zu erhalten.
Ich darf Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sagen, daß es sich nach Ausweis der letzten Handwerksstatistik immerhin um 900 000 Handwerksbetriebe mit 3,2 Millionen Beschäftigten handelt. Darüber hinaus darf ich darauf hinweisen, daß das Handwerk nach wie vor als die größte Berufsausbildungswerkstatt unserer Gesamtwirtschaft bezeichnet werden darf. Mit 504 000 Lehrlingen umfaßt das Handwerk mehr als zwei Drittel aller Jugendlichen, die in der gewerblichen Berufsausbildung stehen, was für unsere innerdeutsche Entwicklung, insbesondere aber für die zwingend notwendige Steigerung der Exportfähigkeit unserer Wirtschaft von außerordentlicher Bedeutung ist. Bereits mehrmals sind aus der Erkenntnis heraus, daß den soeben von mir vorgetragenen Tatsachen seitens des Bundes Rechnung getragen werden muß, Anträge dahingehend ge({5})
stellt worden, daß die Regierung eine Vorlage bezüglich der Neugestaltung des Handwerksrechts erstellen soll. Nachdem nun aber die Fraktionen der Regierungskoalition selbst die Initiative ergriffen haben, obliegt es mir, in Kürze die wesentlichsten Gesichtspunkte darzustellen, die den Hauptinhalt des Entwurfs bilden.
In erster Linie muß der zur Zeit herrschenden Rechtszersplitterung auf dem Gebiete des Handwerksrechts ein Ende bereitet werden. Es ist unerträglich, wenn innerhalb einer modernen Volkswirtschaft auf wichtigsten Gebieten des Gewerberechts völlig unterschiedliche Vorschriften und Rechtsauffassungen gelten. Daß es so ist, hängt teils mit den Auswirkungen des Zusammenbruchs von 1945 und der unterschiedlichen Entwicklung der Gesetzgebung in den Ländern der einzelnen Besatzungszonen zusammen, andererseits mit den Eingriffen, die während der verflossenen Jahre seitens der Besatzungsmächte selbst vorgenommen worden sind. Schon der Wirtschaftsrat hat sich bemüht, diesem Zustand wenigstens im Rahmen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets abzuhelfen. Inzwischen ist diese Notwendigkeit noch dringlicher geworden. Um einen einheitlichen Rechtszustand wiederherzustellen, sieht der Gesetzentwurf der Handwerksordnung vor, daß bestimmte erprobte Formen des handwerklichen Organisationswesens und der berufsständischen Selbstverwaltung des Handwerks wieder ihre Bestätigung erhalten. Das bedeutet praktisch, daß im wesentlichen von den Grundgedanken ausgegangen wird, die schon in der Reichsgewerbeordnung zur Förderung des Handwerks festgelegt waren. Dabei ist der modernen volkswirtschaftlichen Entwicklung und den sich daraus ergebenden neuzeitlichen sozialen Gedankengängen Rechnung getragen. Das Leitmotiv besteht heute nach wie vor zu Recht, nämlich die Leistungs- und Lebensfähigkeit des Handwerks im Interesse von Volk und Staat sicherzustellen.
Ich darf dabei noch auf die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers Bezug nehmen, in welcher wörtlich festgelegt ist:
Die Bundesregierung wird es sich besonders am Herzen liegen lassen, den Mittelstand in allen seinen Erscheinungsformen zu festigen und ihm zu helfen. Wir sind durchdrungen von der Überzeugung, daß dasjenige Volk das sicherste, ruhigste Leben führen wird, das möglichst viele mittlere und kleinere unabhängige Existenzen in sich birgt.
Ich brauche wohl nicht besonders zu betonen, daß durch die vorgelegte Handwerksordnung selbstverständlich alle jene aus dem Geiste des Nationalsozialismus geborenen Anordnungen entfernt werden, die das verflossene Regime dem Handwerk oktroyiert hatte.
Meine Damen und Herren! Das deutsche Handwerk hat erfreulicherweise immer auf dem Boden der Selbsthilfe gestanden. Es hat, wenn ihm die Möglichkeit hierzu geboten wurde, wesentliche Aufgaben im Wege der Selbstverwaltung gelöst. Ich brauche in dieser Hinsicht nur die Aufgaben zu nennen, die auf dem Gebiete des Berufsausbildungswesens gemeistert worden sind. Selbstverständlich ist nicht daran gedacht, überlebte Formen wiederherzustellen. Aber es muß Vorsorge getroffen werden, daß im Wege der Gemeinschaftsarbeit jene Gemeinschaftsaufgaben im Handwerk gelöst werden können, für deren Bewältigung der einzelne zu schwach ist.
Aus diesen Überlegungen heraus haben die Fraktionen in dem vorliegenden Entwurf eine Gestaltung des Innungswesens und des Handwerkskammerrechtes vorgesehen, welche einerseits den Zeitverhältnissen und dem Allgemeinwohl gerecht wird, andererseits dem Handwerk die notwendige Rechtsbasis für seine Gemeinschaftsarbeit bietet. Der Aufbau der Fachorganisationen geht selbstverständlich von der im Grundgesetz verankerten Koalitionsfreiheit aus. In den Handwerkskammern andererseits sollen unter der Aufsicht des Staates öffentlich-rechtliche Körperschaften geschaffen werden, denen im Interesse des Volksganzen und der Verwaltungsentlastung bestimmte Aufgaben übertragen werden. Wie sehr dabei neuzeitliche und fortschrittliche Gesichtspunkte Beachtung gefunden haben, geht wohl am besten aus der Tatsache hervor, daß in der Kammervertretung die Gesellenschaft des Handwerks in der dem Handwerk gemäßen Form beteiligt ist.
Der zweite Schwerpunkt des Gesetzentwurfs ist darin zu sehen, daß hinsichtlich der Berufsausbildung im Handwerk klare und einheitliche Rechtsbestimmungen für das gesamte Bundesgebiet vorgesehen sind. Die Vorlage geht dabei selbstverständlich von der grundsätzlichen Anerkennung der Gewerbefreiheit und des Leistungswettbewerbes aus. Bedürfnisprüfungen, Kapitalnachweise und ähnliche Voraussetzungen, wie sie während des Krieges und nach ihm zum Teil sogar entgegen den Wünschen des Handwerks auf Anordnung der Besatzungsbehörde durch das Lizenzierungsverfahren geschaffen wurden, lehnt der Gesetzentwurf selbstverständlich ab. Andererseits soll sich der Leistungswettbewerb, wie es sich gerade für das Handwerk im öffentlichen Interesse als notwendig erwiesen hat, auf der Ebene der Fachleute vollziehen. Jeder, der ein Handwerk ordnungsgemäß erlernt und die Gesellen- und Meisterprüfung abgelegt hat, soll sich selbständig machen können, wann und wo immer er will. Das ist eine Regelung, die nicht nur volkswirtschaftlich zweckmäßig, sondern auch sozial ist. Sie gibt wohl dem tüchtigen Fachmann, nicht aber jenem den Weg zum selbständigen Handwerker frei, der ohne fachliche Eignung nur finanzielle Voraussetzungen mitbringt. Den durch Krieg und Kriegsfolgeerscheinungen aufgetretenen soziologischen Verhältnissen wird dabei weitestgehend Rechnung getragen. Vorzugsbestimmungen sollen vor allem für Heimatvertriebene, Spätheimkehrer und Kriegsbeschädigte den Zugang zur selbständigen Berufsausübung gewährleisten. Wir glauben, daß mit dieser Regelung eine sozial bedeutungsvolle Tat geschieht, insofern nämlich als im Handwerk breitesten Schichten der Unselbständigen die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg in die Selbständigkeit eröffnet wird. Durch großzügige Übergangsbestimmungen werden alle Härten ausgeglichen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der heutigen ersten Lesung des Gesetzentwurfes in weitere Einzelheiten der Vorlage einzugehen, dürfte sich erübrigen; sie werden im Ausschuß für Wirtschaftspolitik noch eine nähere Beratung finden. Ich bitte das Hohe Haus, der Überweisung des Entwurfs an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und, wenn Sie es wünschen, auch an den Ausschuß für Rechtsangelegenheiten zuzustimmen.
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Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Der Ältestenrat hat Ihnen vorzuschlagen, die Aussprache auf 60 Minuten Redezeit zu begrenzen. - Ich höre keinen Widerspruch. Das Haus ist damit einverstanden.
Als erster hat das Wort der Kollege Günther. Ihre Fraktion hat 12 Minuten Redezeit, Herr Günther.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als vor mehr als 150 Jahren nach der Französischen Revolution
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die alte Zunftordnung aufgelöst und die absolute, völlige Gewerbefreiheit auch in Deutschland verwirklicht wurde, ist das Handwerk einen bedauerlichen Weg gegangen. Erst vor 100 Jahren, als Adolf Kolping dem Handwerk Mut einflößte und dafür sorgte, daß ein anderer Geist in das Handwerk hineingetragen wurde, sind in Verfolg dieser Aufmunterung neue Kräfte mobil geworden. Erst in den neunziger Jahren hat man sich gesagt, daß es so nicht weitergehen könne, daß Handwerkerschutzgesetze geschaffen werden müßten. Dann hat sich in den neunziger Jahren der damalige Reichstag mit diesen Dingen beschäftigt, und es war kein anderer als der Schüler Kolpings, Schreinermeister Jakob Euler aus Köln, der damals im Reichstag für das erste Handwerkerschutzgesetz eingetreten ist.
Dieses erste Handwerkerschutzgesetz hatte eine ganze Reihe Novellen zur Folge. Zunächst wurden im Jahre 1900 die Handwerkskammern gegründet, die in diesem Jahre ihre Fünfzigjahrfeier begingen. Dann wurden das Lehrlingswesen und der Meistertitel gesetzlich fundiert. Der kleine Befähigungsnach weis wurde eingeführt. Auch später, in der Weimarer Zeit, wurden Handwerkergesetze geschaffen und die Eintragung in die Handwerksrolle zur Pflicht gemacht. Erst 1935 kam dann der große
der vom Handwerk schon immer gefordert wurde. Wenn nicht die seinerzeitigen politischen Umstände mit den vielen Reichstagsauflösungen und der Umsturz gekommen wären, wäre der große Befähigungsnachweis schon vom alten Reichstag verabschiedet worden.
Was uns der heutige Entwurf bietet oder bieten soll, ist für die britische Zone an und für sich nichts Neues, nichts Besonderes, und auch in weiten Kreisen der französischen Zone materiell keine Besserstellung. Der Entwurf will lediglich das Chaos beseitigen, das sich seit der amerikanischen Anordnung aus dem Jahre 1949 in der US-Zone breitmacht. Ich glaube, man ist überall der Auffassung, daß ein Handwerkerschutzgesetz oder ein Handwerkergesetz auf Bundesebene geschaffen werden muß; darüber besteht wohl in fast allen Parteien eine gewisse Einmütigkeit. Der Beweis dafür war ja auch die Verabschiedung des Gewerbezulassungsgesetzes im Wirtschaftsrat, wo sich alle maßgebenden Parteien fast einstimmig für den großen Befähigungsnachweis und für dieses Gesetz eingesetzt haben. Die Notwendigkeit einer solchen Gesetzgebung ist also den meisten bekannt. Sie alle wissen, daß der hohe Leistungsstand in unserem deutschen Vaterland zum Teil nur darauf zurückzuführen war, daß wir in Deutschland eben noch eine festgefugte Handwerksordnung kannten, die Spitzenleistungen im Gewerbe außerordentlich förderte. Es ist immerhin interessant, daß deutsche Facharbeiter mit Meisterprüfung in Amerika und anderen Ländern, in denen es kein Handwerksrecht und keine Handwerksordnung gibt, begünstigt wurden und daß ihnen die Einreise in früheren Jahren immer erleichtert wurde.
Ich möchte wünschen, daß Sie alle diesem vorgelegten Gesetzentwurf Ihre Zustimmung geben. Gewiß mag an den einzelnen Paragraphen kritisiert werden können, man mag auch Abänderungsanträge stellen, aber heute bei der ersten Lesung dreht es sich ja nicht um einen festgefugten Entwurf, sondern es geht darum, diesen Entwurf in den Ausschüssen zu bearbeiten und zu beraten und, wo es notwendig ist, eventuell zu verfeinern.
Das Handwerk hat an den Staat kaum materielle Forderungen wie andere Stände, die zum Teil Subventionen usw. erhalten haben, gestellt. Im Gegenteil, das Handwerk hat dem Staat allerhand Kosten erspart und dem Staat im Laufe der Jahrzehnte durch seine billigen Ausbildungsmöglichkeiten viel gegeben. Wenn man bedenkt, daß ein Lehrling, der in irgendeiner Werkstätte ausgebildet wird, beispielsweise bei der Eisenbahn oder sonstwie in einem Großbetrieb, immerhin einen Zuschuß von jährlich rund 800 DM benötigt, dann kann man ermessen, welch wirksame Kraft im Handwerk vorhanden ist. Immerhin gehen mehr als 70 % der Lehrlinge, die ausgebildet werden, durch das Handwerk.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit allen denen, die sich für Beibehaltung des großen Befähigungsnachweises eingesetzt haben, unseren herzlichsten Dank aussprechen. Vor allen Dingen möchte ich als führender Mann im Handwerk diesen Dank gegenüber unserem Bundeskanzler und dem Bundeswirtschaftsminister Erhard zum Ausdruck bringen, der anläßlich der vielen Kundgebungen bei der Fünfzigjahrfeier des Handwerks immer wieder betont hat, daß für das Handwerk gesetzlich eine Sonderregelung kommen muß und daß die Regierung sich dafür einsetzen wird. Wir haben es nicht verstanden, daß die Militärregierung im Jahre 1949 für die US-Zone eine Sonderregelung getroffen und die völlige Gewerbefreiheit eingeführt hat. Ich möchte aber auch betonen, daß gerade die CDU sich stärkstens für die mittelständischen Kreise, vor allen Dingen für das Handwerk einsetzt und den vorliegenden Entwurf auf das herzlichste begrüßt. Sie wird ihm auch die Zustimmung geben. Was besonders für die US-Zone neu ist, ist soeben bereits in der Begründung gesagt worden, nämlich daß bei der Organisation auch die Gesellenbeteiligung verankert ist und daß die Handwerkskammern zu einem Drittel aus Gesellen bestehen, was immerhin nach dem Kriege eine fortschrittliche Erscheinung ist und was sich in der britischen Zone - ich kann das aus eigener Erfahrung in dem Kölner Handwerkskammergebiet sagen - auch bestens bewährt hat.
Somit, meine Damen und Herren, möchte ich Sie bitten: geben Sie diesem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung, ohne sich dahin festzulegen, daß Sie in allen Punkten mit diesem Entwurf einig gehen. Ich hoffe aber, daß, wenn dieser Entwurf in Kürze endgültig verabschiedet wird, das Gesetz sich zum Wohle des Handwerks und zum Wohle des deutschen Volkes auswirken wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits die ersten, jetzt vorliegenden Ergebnisse der amtlichen Handwerks({0})
zählung vom 1. Oktober 1949 zeigen den imponierenden Anteil des Handwerks an der Gesamtwirtschaft in den Ländern des Bundesgebiets. In nahezu 900 000 Betrieben und Unternehmungen beschäftigt es weit mehr als 3 Millionen Menschen. Die Stellung des Handwerks darf nicht gemindert und seine Leistungen können nicht entbehrt werden, wenn anders nicht großer Schaden für die Gesamtheit entstehen soll. Auch für die Aufrechterhaltung, Entwicklung und Steigerung einer hochwertigen industriellen Fertigungsarbeit kann auf das Handwerk nicht verzichtet werden. Es ist der klassische Träger des Ausgleichs und des berufsgemeinschaftlichen Gedankens. Es ist Mittler zwischen Kapital und Arbeit. In ihm vollzieht sich unauffällig und unaufhörlich der Aufstieg der sozial und wirtschaftlich Unselbständigen zu wirtschaftlich selbständigen Existenzen. Es ist aus der deutschen Welt nicht wegzudenken.
Die Zerstörung der in Jahrhunderten entwickelten und gewachsenen bewährten berufsständischen Grundlagen der Organisation wie des beharrlichen Leistungs- und Ausbildungsstrebens des Handwerks in großen Bereichen des Bundesgebiets durch eine Besatzungsmacht hat nicht nur die unmittelbar betroffenen Teile des Handwerks schwer beeinträchtigt und gefährdet, sondern das gesamte Handwerk in Mitleidenschaft gezogen und die Gefahr heraufbeschworen, daß es seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Rolle und Aufgabe nicht in der bisherigen Weise spielen und erfüllen kann.
Die Bayernpartei, die jede klassenkämpferische - sei es hochkapitalistische, sei es proletarische - Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ablehnt und in einer bürgerlich-mittelständischen Gestaltung des Lebens, die auch den Arbeiter als Mitarbeiter einbezieht, die Voraussetzung für eine Beruhigung der bestehenden Spannungszustände und Schwierigkeiten erblickt, begrüßt und unterstützt mit Nachdruck jede Initiative, welche die rasche Wiederherstellung der Grundlagen der bewährten Lebens- und Arbeitsordnung des Handwerks zum Gegenstand und zum Ziele hat. Daher auch hat die Fraktion der Bayernpartei am 6. Juni dieses Jahres die in den Drucksachen Nrn. 1016 und 1017 enthaltenen Anträge gestellt.
Die Verwirklichung der Grundgedanken einer Handwerksordnung durch die Bundesgesetzgebung muß sich auf das Notwendige beschränken, dem föderalistischen Prinzip des Grundgesetzes Rechnung tragen und die Regelung der Einzelheiten nach Maßgabe der in den verschiedenen Ländern besonders gelagerten Verhältnisse der Gesetzgebung der Länder überlassen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Veit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Freunde und ich haben den Eindruck, daß dieser Gesetzentwurf kein legales Kind der derzeitigen Wirtschaftspolitik ist.
({0})
Wir sind vielmehr der Meinung, daß wir die soziale Marktwirtschaft hier auf einem Seitensprung ertappt haben.
({1})
Wenn wir uns darüber freuen, so geschieht das
nicht etwa aus Gründen der Amoral, sondern deshalb, weil wir die allerdings schwache Hoffnung hegen, daß dieser und noch einige weitere schon angekündigte Seitensprünge die soziale Marktwirtschaft vielleicht doch noch auf den richtigen Weg führen.
({2})
Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz über die Handwerksordnung entspringt einer Notwendigkeit; denn der Zustand, der dadurch eingetreten ist, daß vor allem in der amerikanischen Zone die fast völlige Gewerbefreiheit eingeführt worden ist, ist im Hinblick auf die dadurch hervorgerufene Rechtszersplitterung absolut unerträglich geworden, und das Gefälle in der Zulassung von solchen Betrieben, die in der englischen und französischen Zone nicht zugelassen werden können, in der amerikanischen Zone aber ohne weiteres ihren Betrieb eröffnen können, ist so unnatürlich geworden, daß etwas geschehen muß.
({3})
Wir möchten nur hoffen, daß die Hohe Kommission den Willen des Bundestages diesmal respektieren wird und nicht in ähnlicher Weise verfahren wird, wie es die amerikanische Militärregierung getan hat, die über die einheitliche Willenskundgebung beispielsweise der Landtage von Hessen und von Württemberg-Baden mit einem Federstrich hinweggegangen ist und dadurch der Demokratie weiß Gott keinen guten Dienst erwiesen hat.
({4}) Denn man konnte sich hier nicht etwa darauf berufen, daß Erfordernisse der Sicherheit der Besatzungsmächte oder Grundsätze der Politik der Besatzungsmächte in Frage stehen. Die Tatsache, daß sowohl die englische wie die französische Besatzungsmacht am Althergebrachten festgehalten haben, beweist, daß es sich hier nur um Eigenwilligkeiten der amerikanischen Besatzungsmacht gehandelt hat, die uns partout die Regelung, die sich in Amerika bewährt haben mag, aufoktroyieren wollte. Das unterschiedliche Recht, das bei uns durch die lange Entwicklung erklärlich ist, während man in Amerika von dem Lizenzierungssystem ausgeht, zeigt sich am deutlichsten an dem uns seinerzeit vorgelegten komischen Katalog der Betriebe, die noch einer Zulassungsgenehmigung bedürfen, in dem der Rechtsanwalt neben dem Hühneraugenoperateur aufgezählt war und der private Kraftfahrer ebenfalls eine Rolle gespielt hat. Nach unserer Auffassung kann es sich bei diesem Gesetz nur um die selbständigen gewerblichen Betriebe handeln.
Wir möchten auch der Version entgegentreten, daß es sich hier um eine Bekämpfung von wirtschaftlichen Machtstellungen handelt. Das Handwerkergesetz und die Handwerksordnung haben weiß Gott nichts mit der Kartellgesetzgebung zu tun. Wir wehren uns dagegen, daß es auf diesen Karren abgeladen wird, wenn man uns hier eine landfremde Diktion aufoktroyieren will.
Infolge der Kürze der Zeit, die seit Vorliegen des Gesetzentwurfes vergangen ist, ist es natürlich nicht möglich, zu allen Einzelheiten Stellung zu nehmen. Ich bitte, die Bemerkungen, die ich zu machen habe, nicht als abschließend und vollzählig anzusehen.
Das Kernstück dieses Gesetzentwurfes ist die Wiedereinführung bzw. in der englischen und französischen Zone die Beibehaltung des großen Befähigungsnachweises. Hier handelt es sich nicht um eine Forderung aus dem Geiste des National({5})
sozialismus, sondern hier handelt es sich um eine Forderung, die schon lange, bevor der Nationalsozialismus bei uns zur Macht gekommen ist, von den Handwerkern vertreten worden ist, und es ist eigentlich nur ein Zufall, daß man unter dem nationalsozialistischen Regime mit dieser Forderung zum Zuge gekommen ist.
Es werden erhebliche Bedenken laut - und ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, daß auch in unserer Fraktion Bedenken laut geworden sind -, ob man wieder zum großen Befähigungsnachweis zurückkehren soll. Die Bedenken gehen dahin, daß mit dem großen Befähigungsnachweis vielleicht Mißbrauch im Sinne zünftlerischer, die Konkurrenz einengender Bestrebungen getrieben werden könnte. Wir stellen diese Bedenken zurück und bekennen uns zu der Einführung bzw. Aufrechterhaltung des großen Befähigungsnachweises, weil wir die Bedeutung des Handwerks für unser Volk und für unsere Volkswirtschaft erkennen. Das Handwerk muß durch die Erhaltung von Arbeits- und Produktionsstätten geschützt werden, in denen die Verbindung von Kapital und Arbeit in einer Person gegen die Entwicklungstendenzen des Kapitalismus erhalten geblieben ist. Zum anderen soll das Handwerk für die Zukunft geschützt werden, weil wir sehen, daß in ihm Funktionen erfüllt werden, die die Erziehung unseres Volkes und unserer handwerklich tätigen Menschen zur Qualitätsarbeit gewährleisten,
({6})
Funktionen, denen wir ja die Entstehung unserer Industrie und die hervorragenden Leistungen unserer Industrie zu verdanken haben. Schließlich sehen wir in der Erhaltung des Handwerkerstandes, dessen zahlenmäßige Bedeutung schon einer meiner Herren Vorredner erwähnt hat, die gesunde Strukturierung unserer Volkswirtschaft gewährleistet. Diese Erhaltung ist nach unserer Auffassung nur möglich, wenn der Zwang zur Lehre in der Gesetzgebung festgelegt ist und die Befähigung, diesen Gewerbezweig auszuüben, durch Prüfung nachgewiesen werden muß.
Wir müssen allerdings dafür sorgen - das wird der Ausschußberatung vorbehalten bleiben -, daß Mißbräuche vermieden werden. Der Katalog der handwerksmäßig zu betreibenden Gewerbe muß sich nach unserer Auffassung auf die Fälle beschränken, in denen das Interesse der Allgemeinheit die Aufrechterhaltung eines hohen Leistungsstandards erfordert. Beim Handwerk haben sich eine ganze Reihe von unternehmerischen Tätigkeiten angesammelt, die dort nicht hingehören und die durch dieses Gesetz zu schützen keineswegs im Interesse der Allgemeinheit liegt. Die Prüfungen dürfen auch nicht mißbraucht werden, um auf diesem Umwege die Frage des Bedürfnisses zum Tragen zu bringen. Ich glaube, wir werden uns im Ausschuß sehr darüber unterhalten müssen, ob wir nicht bei der Prüfungstätigkeit den Staat in stärkerem Maße, als es in diesem Gesetz vorgesehen ist, einschalten müssen, beispielsweise dadurch, daß ein Staatskommissar bei den Prüfungen zugegen sein muß. Es muß auch dafür gesorgt werden, daß auch Unbemittelte diese Prüfungen ablegen können. Wir hören allerorts die Klage, daß eine Reihe von Leuten die Prüfung einfach nicht ablegen können, weil sie einmal nicht die Mittel haben, sich dem Prüfungskurs zu unterziehen, und nachher nicht die Mittel haben, um die Materialien für das Meisterstück zu bezahlen. Auch hier muß geholfen werden, damit die Ablegung der Meisterprüfung nicht das Privileg einer bestimmten Schicht wird.
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In § 28 Abs. 2 ist eine merkwürdige Simultanzulassung vorgesehen. Es heißt dort, daß einer, der die Befähigung für e i n Handwerk nachgewiesen hat, sich nun auch in anderen Handwerken betätigen darf. Ich halte das für einen unverständlichen Bruch der Konzeption, die überhaupt nur durch den großen Befähigungsnachweis zum Tragen gebracht werden kann. Es ist nicht einzusehen, warum ein Konditormeister das Recht haben soll, nun auch noch einen Schuhmacherbetrieb nebenher zu führen, obgleich er nicht das Mindeste davon versteht. Wenn man das konzediert, muß man die völlige Gewerbefreiheit einführen. Vielleicht handelt es sich hier aber auch nur um einen redaktionellen Fehler.
In § 30 sind die Ausnahmebestimmungen enthalten, wonach die Staatsbehörde Ausnahmen von dem großen Befähigungsnachweis bewilligen darf. Wir sind der Meinung, daß das Gesetz selbst Anweisungen enthalten sollte, für welche Gruppen im besonderen und bevorzugt diese Ausnahmen angewandt werden sollten. Es ist dabei an die große Gruppe der Heimatvertriebenen zu denken, an die Gruppe der Spätheimkehrer, aber auch an die Gruppe derer, die sich lange Jahre in der Branche zur Zufriedenheit betätigt haben, langjährige Gesellen oder andere, die in der Industrie als Arbeiter in dieser Branche tätig waren und dadurch die Fähigkeit, diesen Beruf auszuüben, nachgewiesen haben.
Die im Gesetz vorgesehene Regelung über die inzwischen - und zwar in der amerikanischen Zone - zugelassenen Gewerbetreibenden ist nicht ganz befriedigend. Es ist vorgesehen, daß sie in die Handwerksrolle eingetragen werden müssen und damit auch die Berechtigung haben, Lehrlinge auszubilden. Ich glaube, man sollte hier einer etwas strengeren Maßstab anlegen und ihnen auferlegen, eine Prüfung nachträglich abzulegen, oder sie im Wege der Ausnahmebestimmungen zulassen, weil sich gerade bei uns in der amerikanischen Zone auf Grund dieses Ausnahmerechts doch mancher niedergelassen hat, der nach unserer Auffassung zumindest nicht das Recht bekommen sollte, Lehrlinge auszubilden.
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Sehr bedenklich ist die Bestimmung über die handwerklichen Hilfs- und Nebenbetriebe der öffentlichen Hand. Es ist vorgesehen, die handwerklichen Hilfs- und Nebenbetriebe der öffentlichen Hand genehmigungspflichtig zu machen, und zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes auch die Betriebe, die bereits bestehen. Nach der Begründung zu § 39 - „zur Förderung der Selbständigmachung und zur Vermeidung der Aufsaugung des Handwerks durch wirtschaftliche Großunternehmungen und durch wirtschaftlich Stärkere" - müßte man logischerweise fordern, daß diese handwerklichen Nebenbetriebe auch in den privaten Großbetrieben verboten oder genehmigungspflichtig gemacht würden, ein Schritt, vor dem man sich offensichtlich gescheut hat. Wir haben große Bedenken, dieser Bestimmung zuzustimmen, weil nach unserer Auffassung diese handwerklichen Nebenbetriebe zu einem erheblichen Teil einfach unentbehrlich sind und ihre Zulassung vielleicht auch eine ganz gute preisregulierende Maßnahme darstellt.
({9})
Nun noch - meine Redezeit ist abgelaufen - ein kurzes Wort zu der Frage der Organisation. Die Zusammensetzung der Handwerkskammern aus Gesellen und Meistern, mit einem Drittel Gesellen und zwei Dritteln Meistern, entspricht nicht unserem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1229; darüber wird im Ausschuß noch zu reden sein. Das Gesetz enthält auch keine Bestimmung darüber, in welchem Umfange sichergestellt wird, daß die Gesellen auch am Präsidium der Handwerkskammern beteiligt sind. Darauf müssen wir im Hinblick auf die frühere gesetzliche Regelung Wert legen. Auch bei den anderen Organisationen, den Innungen, Handwerkstagen und Kreishandwerkschaften ist keine Vorsorge dafür getroffen, daß Arbeitnehmer diesen Organisationen angehören und damit die Rechte der Arbeitnehmer auch im Handwerk sichergestellt werden. Auch hier wird eine Verbesserung des Gesetzes notwendig werden.
Nun noch ein letztes Wort, meine Damen und Herren. Das Gesetz allein wird es nicht schaffen, das Handwerk wieder zu der Blüte zu bringen, die wir ihm wünschen. Wir möchten durch organisatorische Maßnahmen erreichen, daß das Handwerk im Bundeswirtschaftsministerium stärker als bisher vertreten ist, nicht nur durch ein Referat, sondern durch eine Abteilung, damit das Handwerk bei der Zuteilung von Krediten und vielleicht auch bei der Zuteilung von Rohstoffen, wenn das einmal wieder notwendig werden sollte, besser als jetzt und in der Vergangenheit berücksichtigt wird.
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Meine Damen und Herren! Ich bin am Ende meiner Ausführungen. Trotz erheblicher Bedenken und erheblicher Abänderungswünsche stimmen wir der Vorlage im Grundsatz zu, nicht etwa, um einen Berufsstand als solchen besonders hervorzuheben und zu schützen, sondern deshalb und soweit, als dadurch Interessen der Allgemeinheit gewahrt werden.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Eickhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns heute vorliegende Gesetzentwurf befaßt sich mit der Neuordnung auf dem Gebiete des Handwerks. Es ist schon öfter auf die Unmöglichkeit hingewiesen worden, daß bei uns im Bundesgebiet in den verschiedenen Besatzungszonen noch länger verschiedene Handwerksgesetze Gültigkeit haben. Eine einheitliche für das ganze Bundesgebiet anwendbare Handwerksordnung, wie sie der vorliegende Gesetzentwurf vorsieht, ist eine dringende Notwendigkeit. In dem Gesetz sollen erstens der Befähigungsnachweis und zweitens die öffentlich-rechtliche Stellung unserer Handwerkskammern verankert werden. Mit meinen politischen Freunden bin ich der Meinung, daß möglichst bald auch die Gewerbezulassung für die einzelnen Wirtschaftszweige bundesgesetzlich geregelt werden muß. Es ist für das Handwerk auf die Dauer unerträglich, daß innerhalb der Bundesrepublik auf diesem wichtigen Gebiet völlig unterschiedliche gesetzliche Vorschriften bestehen. Ich denke in diesem Augenblick nur an Bremen, das z. B. als amerikanisches Besatzungsgebiet die totale Gewerbefreiheit hat, während Niedersachsen, von dem Bremen rings umgeben ist, die Gewerbezulassung den deutschen Verhältnissen gemäß wesentlich anders regelt.
Meine Damen und Herren! Veranlassung zu diesem Wirrwarr haben zweifellos die Befehle der amerikanischen Besatzungsmacht gegeben, durch die um die Jahreswende 1948/49 im wesentlichen für die amerikanische Zone die totale Gewerbefreiheit zwangsweise verordnet wurde. Es ist außerordentlich bedauerlich, daß man damals auf die starken Bedenken nicht gehört hat, die man von allen maßgebenden deutschen Stellen gegen diesen unseres Erachtens völlig unnötigen Eingriff in die wirtschaftlichen Verhältnisse Westdeutschlands vorgebracht hat. Mit meinen politischen Freunden stehe ich auf dem Standpunkt, daß die Besatzungsmächte die Regelung derartiger innerdeutscher Fragen, die lediglich innerdeutsche Verhältnisse berühren, doch endlich den demokratischen Instanzen unserer jungen Bundesrepublik überlassen sollte. Auch wir sind selbstverständlich dafür, daß keine unnötigen Einschränkungen auf dem Gebiete der Gewerbezulassung bestehen; das ändert aber nichts an der Tatsache, daß Deutschland für das Handwerk eine andere Art der Gewerbefreiheit braucht als zum Beispiel Amerika.
Wir begrüßen es, daß auch der Zentralverband des deutschen Handwerks als die Spitzenvertretung von 900 000 Handwerksbetrieben mit über 3 Millionen Beschäftigten jede Art von Bedürfnisprüfung, Kapitalnachweis usw. eindeutig ablehnt. Das Handwerk stellt sich damit auf den Boden der Gewerbefreiheit, allerdings im Sinne des Leistungswettbewerbs der Fachleute. Jeder, der ein Handwerk erlernt hat und seine Meisterprüfung ablegte, soll sich selbständig machen können, wo immer er will. Diese Regelung, die für die britische Zone im Einvernehmen mit der Besatzungsmacht bereits durch die Aufbauverordnung vom 6. Dezember° 1946 geschaffen wurde, hat sich bei uns in der britischen Zone bestens bewährt. Ich weiß auch, welche Schwierigkeiten sich in den Jahren 1945/46 in den Verhandlungen um diese Verordnung der englischen Besatzungsmacht ergeben haben. Die Struktur des deutschen Handwerks ist eben grundverschieden von der des englischen, und erst nachdem die Engländer sich im Laufe von 1 1/2 Jahren von der wirtschaftlichen Bedeutung des deutschen Handwerks überhaupt überzeugt hatten, haben sie dieser Regelung ihre Zustimmung gegeben.
Ich freue mich, daß diese Regelung auch in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagen wird. Bei der Regelung des Zulassungsrechts kann eine Abschaffung des großen Befähigungsnachweises des Handwerks, d. h. eine Abschaffung der Vorschrift, daß grundsätzlich die Ablegung der Meisterprüfung Voraussetzung ist für die selbständige Ausübung eines Handwerks und für die Ausbildung von Lehrlingen, gar nicht in Frage kommen. Ich glaube, daß die Forderung des Handwerks nach dem großen Befähigungsnachweis heute wohl von allen Seiten anerkannt und unterstützt wird. Ich freue mich insbesondere, daß auch die Gewerkschaften zu dem Entschluß gekommen sind, für das Handwerk den großen Befähigungsnachweis zu fordern. Besonderen Verhältnissen kann durch Ausnahmebewilligung Rechnung getragen werden, wie dies anerkennenswerterweise heute schon durchweg in großzügiger Weise erfolgt. Aus meiner Praxis als Kreishandwerksmeister kann ich Ihnen sagen, daß Ausnahmebewilligungen für Kriegsbeschädigte, Spätheimkehrer, Flüchtlinge im Laufe der letzten Jahre in reichlichem Maße erteilt worden sind.
({0})
Für das Handwerk ist es aber auch von ausschlaggebender Bedeutung, daß die Frage der Handwerksorganisation wieder einheitlich geregelt wird. Es ist unbedingt erforderlich, daß auch in der amerikanisch besetzten Zone unsere Handwerkskammern wieder Körperschaften mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen werden.
Herr Kollege! Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Sofort!
Entscheidend ist für uns ein Gesichtspunkt: Lebens- und wettbewerbsfähig ist unser Handwerk nur auf Grund seines Ausbildungs- und Leistungsstandes, und dieser beruht auf einem wohlgeordneten Ausbildungs- und Prüfungswesen. In Jahrzehnten ist es unter der gewissenhaften Obhut einer handwerklichen Selbstverwaltung mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen aufgebaut und ständig vervollkommnet worden. Wenn die amerikanische Militärregierung seinerzeit mit den besten Absichten, aber unheilvollen Auswirkungen ungewollt in ihrer Zone eine Demontage des deutschen Handwerks ins Werk gesetzt hat, so ist das nicht allein durch die Aufhebung des großen Befähigungsnachweises verursacht worden, sondern auch durch die Entrechtung der handwerklichen Körperschaften, besonders unserer seit 50 Jahren bewährten Handwerkskammern. Diese Rechtsstellung muß wieder hergestellt und im ganzen Bundesgebiet verankert werden.
Meine Damen und Herren! Mag in den Ausschußarbeiten noch die eine oder andere Unebenheit aus dieser Vorlage ausgefeilt werden, in den Grundzügen bringt der Entwurf gerade das, was unumgänglich notwendig ist, um dem deutschen Volk sein Handwerk zu erhalten und das Handwerk zu steigenden Leistungen zu befähigen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Harig.
Meine Damen und Herren! Gegen eine Neugestaltung der Handwerksordnung haben wir nichts einzuwenden; wir halten sie für unbedingt notwendig. Aber mit der Vorlage, die heute hier zu Behandlung steht, können wir uns nicht einverstanden erklären.
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Es handelt sich zweifellos um einen sehr großen Teil der Bevölkerung, um rund 3 1/2 Millionen, wie in diesem Gesetzentwurf niedergeschrieben steht. Von diesen 3 1/2 Millionen Menschen sollen eine Million, die Meister, die Handwerker selber, eine Körperschaft bilden, die weitgehend in das Leben der übrigen 2 1/2 Millionen eingreift. Wir halten das nicht für sehr demokratisch. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch, wie der Aufbau unter bestimmten Aspekten vor sich gehen soll. So zum Beispiel ist den Innungen eine ganz große Anzahl von Aufgaben gestellt worden, die tief eingreifen in das Leben und in die Beschäftigung der übrigen 2 1/2 Millionen, die hier ausgeschaltet worden sind oder werden sollen. Wir finden bei Betrachtung der Aufgaben, die den Innungen zufallen sollen und die hier in 13 Punkten aufgeführt worden sind, nicht ein einziges Mal den Beweis für den Wunsch oder den Willen, die Gewerkschaften einzuschalten. Die Gewerkschaften sind bei den Aufgaben, die die Innungen haben, vollkommen ausgeschaltet.
Anders verhält es sich bei den Kreishandwerkerschaften, die da aufgebaut werden sollen. Dort hat man sich bewogen gefühlt, auch einmal das Wort Gewerkschaften zu nennen; aber man hat wohlweislich den Aufgabenkreis dieser Kreishandwerkerschaften möglichst klein gehalten. Die Aufzählung hat nur vier Punkte, und man hat dort gesagt, daß sie „mit den für ihren Bezirk zuständigen Vertretungen anderer Berufe und der Gewerkschaften Fühlung nehmen sollen". Man hat hier also den Gewerkschaften die Konzession gemacht, zu sagen, daß man gewillt ist, mit ihnen Fühlung zu nehmen. Wir können uns mit einer solchen Auffassung von demokratischem Mitbestimmungsrecht nicht einverstanden erklären.
Anders ist es wieder bei den Handwerkskammern. Diese haben wieder wesentliche Aufgaben gestellt bekommen. In 14 Punkten sind sie aufgezeigt. Ich will nur die beiden Punkte 8 und 9 - ich bitte, sie nachzulesen - erörtern. Die Punkte 8 und 9 behandeln die Lehrlingsausbildung, und wir stellen fest, daß die Gewerkschaften dabei überhaupt nicht eingeschaltet sind. Wir sind bei einer solchen Art der Behandlung nicht in der Lage, diesem Entwurf unsere Zustimmung zu geben. Wir stellen uns unter dem Aufbau eines neuen Handwerkerrechts etwas anderes vor. Wir sind der Meinung, daß man überhaupt keine Innungen mehr aufziehen sollte. Wir sind der Meinung, daß man starke Handwerkskammern schaffen müßte, und diese Handwerkskammern sollten ihre einzelnen Fachabteilungen haben, und die einzelnen Fachabteilungen könnten unserthalben auch noch Fachsparten haben; das spielt keine Rolle. Aber eine starke Handwerkskammer sollte errichtet werden. Es sollten in freier Wahl in den einzelnen Sparten dann die einzelnen Leitungen gewählt werden, die die Handwerkskammer darzustellen hätten. Diese Handwerkskammer soll dann zu einem Drittel aus Handwerkern, aus eben den gewählten Leuten aus dem Handwerk bestehen, zu einem Drittel aus Gewerkschaftsvertretern und zu einem Drittel aus Vertretern der öffentlichen Hand. Wenn wir eine solche Handwerkskammer aufbauen könnten, dann würden die Beschlüsse, die dort gefaßt werden, ein anderes Gewicht haben als die Beschlüsse, die von den Handwerkskammern, wie sie hier gebildet werden sollen, gefaßt werden, und die Vertretung der 2 1/2 Millionen, die hier ausgeschaltet sind, wäre dann auch gesichert.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hamacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um nicht schon Gesagtes zu wiederholen und die mir gesetzte Redezeit nicht zu überschreiten, beschränke ich mich auf einige allgemeine Ausführungen, zumal ja die Möglichkeit besteht, bei der zweiten und dritten Lesung noch zu Einzelheiten Stellung zu nehmen.
Als Sprecher des Zentrums begrüße ich diese Vorlage, weil das Zentrum aus seinem Charakter und seiner Tradition als Partei der Mitte heraus nicht anders kann, als die Kräfte des Mittelstandes und besonders die des Handwerks zu fördern und zu schützen. Weil das Zentrum in diesem Gesetzentwurf eine solche Möglichkeit sieht, stimmt es dem Grundgedanken des Entwurfs gern zu, erinnert aber nochmals besonders daran, daß der vom Zentrum im vorigen Jahre dem Bundestag vorgelegte Antrag auf Errichtung eines besonde({0})
ren Staatssekretariats für das Handwerk möglichst bald zur Beratung vorgelegt wird.
Zweifellos werden durch diesen Gesetzentwurf die von draußen drohenden Gefahren in der Form des unbeschränkten Wettbewerbs dadurch beseitigt, daß für den Nachwuchs des Handwerks der große Befähigungsnachweis gefordert wird. Es ist ein interessanter und beachtenswerter Zug bei vielen Handwerksmeistern, den ich in meiner pädagogischen Praxis mehrfach schon habe feststellen können, daß Handwerksmeister ihre Söhne zuerst zur höheren Schule schicken, sie die Reifeprüfung machen lassen und sie dann in ihren Handwerksbetrieb aufnehmen, sie jedoch vorher selbstverständlich der Fachausbildung weiter zuführen.
Wir begrüßen diesen Gesetzentwurf aber auch noch aus einem anderen Grunde. Der besitzlos gewordene Handwerker, der aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrt, bekommt nach besonderen Ausnahmebestimmungen dieses Gesetzentwurfs die Möglichkeit, sich die Fachausbildung zu verschaffen, um im Handwerk selbst eine ihm passende Berufsausbildung zu finden.
Das Zentrum sieht in der Forderung des großen Befähigungsnachweises die Möglichkeit - und die wirtschaftliche Verpflichtung - zur Entfaltung der beruflichen Anlagen, zur Ausbildung eines selbständigen und für die allgemeine Volkswirtschaft notwendigen Berufsstandes. Aus diesen Gründen stimmen wir dem Entwurf zu.
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Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Herr Minister Veit gesagt hat, daß dieser Gesetzentwurf ein Seitensprung aus der sozialen Marktwirtschaft sei, so, glaube ich, liegt doch ein kleiner Irrtum vor; denn wir kehren nicht mehr zur absoluten Gewerbefreiheit von 1860 und zur plan- und zwangswirtschaftlichen Gesetzgebung des nationalsozialistischen Reiches zurück. So glaube ich, daß wir uns auf der Mitte bewegen, die man als die soziale Marktwirtschaft bezeichnen könnte.
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- Es könnte noch mehr versucht werden; dazu haben wir im Ausschuß reichlich Gelegenheit, Herr Kollege Baur.
Infolge der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen und wegen der unterschiedlichen weltanschaulichen und wirtschaftspolitischen Auffassung der einzelnen Besatzungsmächte war eine verschiedenartige Gesetzgebung in Wirtschaft und Verwaltung schlechterdings notwendig. So war es ein „unzweifelhafter" oder ein zweifelhafter Erfolg der amerikanischen Gesetzgebung, im US-Gebiet die absolute Gewerbefreiheit in einer Zeit einzuführen, in der die wirtschaftliche Konzentration notwendig gewesen wäre und nicht die Zersplitterung.
Der dem Hohen Hause von den Regierungsparteien vorgelegte Gesetzentwurf über die Neuordnung der Handwerksordnung bringt alle Voraussetzungen zu einer gemeinsamen Regelung und - wie die Ausführungen von der Sozialdemokratischen Partei bis hinüber zur Rechten gezeigt haben - einmütigen Auffassung mit sich.
Besonders möchte ich hervorheben, daß durch dieses Gesetz ein frischer Wind weht, daß vor allen Dingen die Sperrvorschriften und Sperrmaßnahmen, die Zwangszulassungen und die Prüfung der Bedürfnisfrage in diesem Gesetz nicht mehr verankert sind und damit jedem einzelnen, der die fachlichen Voraussetzungen, wie den großen Befähigungsnachweis, die Meisterprüfung, erfüllt, die Möglichkeit gegeben wird, sein Gewerbe auszuüben, wo immer er will.
Wenn die Kommunistische Partei dieses Gesetz als nicht genügend demokratisch bezeichnet, so möchte ich sagen, daß eben nicht alle Gesetze volks demokratisch sein können. Wir sind schon mit der demokratischen Gesetzgebung einverstanden.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß dieses neue Gesetz dem Handwerk besonders in der US-Zone die Gewißheit gibt, daß auch den ausbeuterischen Methoden gewisser Geschäftsleute Einhalt geboten wird.
Wenn Herr Professor Nölting - er ist jetzt nicht da - in einer der letzten Ausschußsitzungen gesagt hat, daß das enge Vertrauensverhältnis von Geselle und Lehrling zum Meister gerade im Handwerksberuf mittelalterlich grausam und patriarchalisch sei und ein Hinweis darauf ein Verharren in einer Art Butzenscheibenromantik darstelle, so möchte ich doch sagen, daß gerade die Aufnahme der Vorschrift über die Stellung und Mitbestimmung der Gesellen in der Handwerkskammer doch ein Zeichen dafür ist, wie fortschrittlich dieses Gesetz ist. Wenn der Bundesvorstand der Gewerkschaften zum großen Befähigungsnachweis und gerade zur Heranziehung der Gesellen in der Handwerkskammer seine Zustimmung gegeben hat, so glaube ich, daß auch wir darüber einig werden. Wenn nach erfolgreicher Verabschiedung des Gesetzes die Grundlagen für das Handwerk geschaffen sind, dann glaube ich, ist auch ein Teil einer Demontage, und zwar der geistigen Demontage des Handwerks, abgeschlossen.
Es hat sich noch der Abgeordnete Mensing zum Wort gemeldet. - Herr Kollege Mensing, eine Minute ist für Ihre Fraktion noch frei. Darf ich bitten, diese Minute auszunutzen.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wenn ich hier noch kurz das Wort nehme, so aus folgendem Grunde. Als Mitglied des Präsidiums des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks ist es mir ein Bedürfnis, dem Hohen Hause für das Wohlwollen und das Verständnis zu danken, das es in der heutigen Diskussion dem Handwerk entgegengebracht hat. Die wirtschaftliche und zahlenmäßige Bedeutung dieses Berufsstandes ist klar herausgestellt.
Ich darf nur noch folgendes zum Ausdruck bringen. Es handelt sich nicht nur um die fast 3 1/2 Millionen Beschäftigten im deutschen Handwerk, sondern darüber hinaus zählen auch noch die Familienmitglieder mit, so daß wir im deutschen Handwerk 6 1/2 Millionen Menschen beschäftigen. Führen Sie sich vor Augen, daß ebensoviele Menschen in den Zubringerbetrieben beschäftigt werden, dann erkennen Sie die außerordentliche Bedeutung des Handwerks, das sich von jeher als ein Kulturelement allerersten Ranges erwiesen
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hat. Die soziale Aufgabe des Handwerks erkennt man am besten daraus, daß gerade das Handwerk erst dem Arbeitersohn die Möglichkeit des Aufstiegs in höhere Regionen gibt.
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Darin, meine Herren, liegt die große soziale Bedeutung des deutschen Handwerks. Daß wir nicht rückständig sind, meine Herren, das beweist ja, daß die Aufbauverordnung der britischen Zone, die wir nun zu einer allgemeinen Verordnung für das gesamte Bundesgebiet machen wollen, unter Führung Ihres Herrn Dr. Agartz zustande kam.
Wenn von Ihrer Seite eben betont wurde, daß Sie vermißt hätten, daß das Handwerk bisher nicht bereit gewesen sei, in den Präsidien der Handwerkskammern auch den Gesellenvertretern Sitz und Stimme einzuräumen, so ist Ihnen ein Irrtum unterlaufen. Für alle Handwerkskammern der britischen Zone ist auch ein Gesellenvertreter im Präsidium vorgesehen worden. Aus dieser Tatsache mögen Sie erkennen, daß wir fortschrittlich sind, und wenn wir von einer paritätischen Besetzung Abstand genommen haben, so ist das sachlich darin begründet, daß man den 40 % Einmannbetrieben des Handwerks Rechnung tragen muß.
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Da ich zum Schluß kommen muß, möchte ich schließlich dem Vertreter der KPD noch folgendes ins Stammbuch schreiben: Sie, meine Herren, die Sie ausgerechnet in der Ostzone geduldet haben, daß das deutsche Handwerk ausgemerzt wurde, haben damit das Recht verwirkt, in diesem Hause überhaupt noch über eine solche Frage zu diskutieren.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich nehme an, daß das Haus mit der Überweisung des Antrages an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik einverstanden ist. - Ich stelle das fest.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich am Schluß dieser Aussprache den § 86 der Geschäftsordnung in die Erinnerung rufe, wonach die Redner in freiem Vortrage sprechen. Ich darf Sie bitten, mich bei den Bemühungen, in diesem Hause zu einer stärkeren Diskussion zu kommen, zu unterstützen.
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Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes ({1}) ({2}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ({3}) ({4}). ({5})
Der Ältestenrat hat Ihnen vorzuschlagen, für die Berichterstattung fünf Minuten Redezeit zu bewilligen und eine Aussprache nicht stattfinden zu lassen. Als Berichterstatter hat das Wort Herr Abgeordneter Maier ({6}).
Maier ({7}) ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 24. Ausschuß, der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, hat sich in seiner Sitzung am 20. September mit der Regierungsvorlage - Drucksache Nr. 1273 - Entwurf eines Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes, kurz Bundeskriminalamt, befaßt. Mit Rücksicht' darauf, daß in der Plenardebatte anläßlich der ersten Lesung am 17. September Sprecher fast aller Parteien in diesem Hause den Standpunkt ihrer Fraktionen vertreten haben, hat der Ausschuß auf eine Generaldebatte verzichtet und ist unverzüglich in die Einzelberatung eingetreten.
§ 1 des Entwurfes, der nach Art. 73 Ziffer 10 des Grundgesetzes Zweck und Aufgaben des Bundeskriminalamtes bestimmt, wurde in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen.
Zum § 2 war vom Bundesrat die Streichung der Ziffer 4 angeregt worden, weil man sich auf die Aufzählung der ordentlichen Aufgaben in den Ziffern 1, 2 und 3 beschränken wollte. Da Ziffer 4 in engem Zusammenhang mit dem strittigen § 4 steht, schlug ein sozialdemokratisches Mitglied vor, den § 4 vorweg zu beraten. Mit der Annahme dieses strittigen § 4 in der Fassung des Regierungsentwurfes glaubte der Ausschuß, dem Vorschlag des Bundesrates folgend, auf die Ziffer 4 des § 2 verzichten zu können, und beschloß die Streichung dieser Ziffer.
§ 3, der die Länder zur Errichtung von Landeskriminalämtern verpflichtet und weiter bestimmt, daß die Landeskriminalämter dem Bundeskriminalamt die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Nachrichten und Unterlagen zu liefern haben, wurde vom Ausschuß in der Fassung der Vorlage angenommen.
Zum § 4 sah ein Bundesratsvorschlag eine scharfe Umgrenzung und Einengung der Exekutivbefugnisse des Bundeskriminalamtes vor. Er verlangte, daß ein Tätigwerden der Bundesorgane auf dem Gebiete der Strafverfolgung auf zwei Fälle beschränkt bleibe: a) für den Fall, daß eine zuständige Landesbehörde darum ersucht, und b) wenn der Bundesinnenminister ein Tätigwerden anordnet, weil die Interessen des Bundes unmittelbar berührt werden und die öffentliche Sicherheit in besonderem Maße beeinträchtigt ist. Der Ausschuß konnte sich der Auffassung des Bundesrates nicht anschließen. Er bejahte die Fassung des § 4 der Regierungsvorlage, wonach das Bundeskriminalamt eine strafbare Handlung selbst verfolgen kann, wenn a) eine zuständige Landesbehörde darum ersucht, b) ein Land ihre wirksame Verfolgung ablehnt oder c) der Bundesminister des Innern es aus schwerwiegenden Gründen anordnet.
Bei diesem einmütigen Beschluß waren die Mitglieder des Ausschusses der Überzeugung, daß im Gegensatz zur Argumentation des Bundesrates das Grundgesetz im Art. 73 Ziffer 10 und im Art. 87 genügend Anhaltspunkte gibt, um die Fassung des Regierungsentwurfs zu decken.
Die §§ 5, 6, 7, 8 und 9 wurden gleichfalls unverändert in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen. Ein Vorschlag des Bundesrates, im § 5 Abs. 1 Satz 2 das Wort „tunlichst" zu streichen und damit die im § 5 Abs. 1 durch dieses Wort „tunlichst" eingeschränkte Sollvorschrift unbeschränkt gelten zu lassen, fand keine Berücksichtigung.
§ 10 wurde in folgender Fassung angenommen: Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Nach der einmütigen Zustimmung des Ausschusses zu der jetzigen Fassung der Vorlage hatte der Ausschuß sich noch zu der Frage zu äußern, ob es sich bei dem Entwurf Drucksache Nr. 1273 um ein Zustimmungsgesetz handle. Im Gegensatz zum Bundesrat vertrat der Ausschuß einmütig die
({9}),
Auffassung der Regierung, daß das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, weil die in ihm geregelte Materie zur ausschließlichen Zuständigkeit des Bundes gehört.
Ich komme nunmehr zum Antrag des Ausschusses, der dem Hause zur Annahme empfohlen ist:
Der Bundestag wolle beschließen:
den Entwurf eines Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes ({10}) -Nr. 1273 der Drucksachen -mit den aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen, im übrigen unverändert nach der Vorlage zu genehmigen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ich muß mich berichtigen. Der Ältestenrat hatte nicht vorgeschlagen, daß keine Aussprache stattfindet, sondern hat in der Erwartung, daß wahrscheinlich keine sehr umfangreiche Aussprache erfolgen wird, keine Begrenzung vorgeschlagen.
Ich nehme an, daß der Bundestag eine allgemeine Besprechung in der zweiten Beratung nicht wünscht, und eröffne die Einzelberatung.
Ich rufe auf § 1. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - § 1 ist mit Mehrheit angenommen.
Ich eröffne die Einzelberatung über § 2. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte um Abstimmung. - § 2 ist mit Mehrheit angenommen.
§ 3. Einzelberatung. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen ab über § 3. Ich bitte die Damen und Herren, die zustimmen, ihre Hand zu erheben. - Mit Mehrheit angenommen.
§ 4. Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
§ 5. Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
§ 6. Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Mit Mehrheit angenommen.
§ 7. Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Mit Mehrheit angenommen.
§ 8. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Mit Mehrheit angenommen.
§ 9. Ebenfalls keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Mit Mehrheit angenommen.
§ 10 in der Fassung der Drucksache Nr. 1459 des Ausschußantrages. Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
Einleitung und Überschrift. - Mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Einzelberatung der §§ 1 bis 10 sowie Einleitung und Überschrift. Wortmeldungen liegen nicht vors
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes, §§ 1 bis 10, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz zustimmen, ihre Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
({0})
- Bei einigen Enthaltungen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über Rheinschifferpatente ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen ({2}) ({3}).
({4})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Sander. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor für die Berichterstattung fünf Minuten und schlägt Ihnen weiter vor, auf eine Aussprache zu verzichten.
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, das Wort zu nehmen.
Sander ({5}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Um ein Rheinschifferpatent zu erwerben, sind von dem Bewerber verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen; und zwar muß er erstens eine Fahrzeit von sechs Jahren nachweisen, zweitens muß er die Strecke, für die das Patent Gültigkeit haben soll - entweder von Straßburg bis Rotterdam oder von Basel oder Mannheim bis ins offene Meer - achtmal befahren haben, drittens muß der Bewerber 21 Jahre alt sein ,während er früher 23 Jahre alt sein mußte. Die Erfüllung dieser Bedingungen ist erforderlich für ein Rheinschiff ohne eigene Triebkraft. Dagegen kann ein Schifferpatent für Schiffe mit eigener Triebkraft erst von einem Bewerber im Alter von 23 Jahren erworben werden. Hat der Bewerber aber die Rheinschifferschule besucht, dann hat er nur fünf Jahre Dienstzeit nachzuweisen. Den Nachweis der achtmaligen Streckenbefahrung muß aber auch er führen. Wenn nun a ein Schiffer, der bisher die Elbe oder die Oder befahren und dort das Patent erworben hatte, auf den Rheinstrom umwechselt, dann besteht für ihn nur die Bedingung, die achtmalige Streckenbefahrung nachzuweisen und ein sogenanntes zusätzliches Patent für den Rhein zu erwerben.
Da nun auf dem Rheinstrom Schiffe unter fünf Flaggen fahren, und zwar Holland, Belgien, Frankreich, die Schweiz und Deutschland, wurden auf diesem Gebiete eine Reihe internationaler Abmachungen getroffen. Für die französische und die Schweizer Rheinschiffahrt sind diese Bestimmungen bereits in Kraft getreten. Auch in Belgien und Holland sind die Vorbereitungen schon so weit vorgeschritten, daß man die Angelegenheit wohl als entscheidungsreif bezeichnen kann, und wenn auch wir das Gesetz verabschieden, wird der einmütige Wunsch der Rheinuferstaaten, gleiche Bestimmungen für die Erwerbung des Rheinschifferpatents einzuführen, erfüllt sein.
Neu aufgenommen in das Gesetz - neu gegenüber dem bisherigen Zustand - wurde die Bestimmung, daß der Bewerber auch die nautische Befähigung, d. h. Schiffahrtskunde und Fahrwasserkenntnis, besitzen muß, eine Bedingung, die von den maßgebenden hierfür in Frage kommenden Stellen als unbedingt notwendig bezeichnet wird.
Meine Damen und Herren, der Ausschuß für Verkehrswesen hat sich in zwei Sitzungen mit diesem Gesetz über Rheinschifferpatente beschäftigt und einstimmig beschlossen - wie schon aus der Drucksache Nr. 1465 hervorgeht -, dem Hohen Hause zu empfehlen, den Entwurf Drucksache Nr. 1388 unverändert anzunehmen. Im Auf({6})
trage des Ausschusses für Verkehrswesen bitte ich
das Hohe Haus, dementsprechend zu beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Einzelbesprechung in der zweiten Lesung.
§ 1. - Liegen Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Wir stimmen über § 1 ab. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, die Hand zu erheben. - Mit Mehrheit angenommen.
§ 2. Keine Wortmeldungen. Ich bitte um Abstimmung. - Angenommen.
Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. - Mit Mehrheit angenommen.
Ich schließe die zweite Beratung. Ich eröffne die
dritte Beratung.
Zur allgemeinen Aussprache keine Wortmeldungen. Einzelberatung: § 1, - § 2, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über Rheinschifferpatente. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen; keine Enthaltungen.
Ich rufe auf Ziffer 4 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des von der Fraktion der Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 105 des Grundgesetzes ({0}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({1}) ({2}).
({3}) Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Zinn.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für die Berichterstattung 10 und für die Aussprache 40 Minuten vorzusehen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Zinn ({4}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Nach Art. 106 Abs. 2 des Grundgesetzes fließt das Aufkommen der Biersteuer den Ländern zu. Die Länder besitzen also die sogenannte Steuerertragshoheit. Die Gesetzgebung über die Biersteuer gehört dagegen nach Art. 105 Abs. 2 Ziffer 1 des Grundgesetzes zu der sogenannten konkurrierenden Gesetzgebung; es besteht also keine ausschließliche Gesetzgebungshoheit der Länder. Der Bund ist infolgedessen in der Lage, jederzeit, wenn die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 des Grundgesetzes vorliegen, die Biersteuer bundeseinheitlich zu regeln. Unabhängig davon ist das beim Inkrafttreten des Grundgesetzes geltende Biersteuerrecht als früheres Reichsrecht oder als Abänderung des früheren Reichsrechts zu Bundesrecht geworden und schließt damit eine Gesetzgebungsbefugnis der Länder auch im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung aus, weil eben die Fiktion besteht, daß der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht nach Art. 125 des Grundgesetzes Gebrauch gemacht habe.
Gegen die in Art. 105 des Grundgesetzes getroffene Regelung, nach der die Biersteuergesetzgebung als eine Gesetzgebung über eine Verbrauchssteuer zur konkurrierenden Gesetzgebung gehört, richtet sich der Angriff der Fraktion der Bayernpartei, die durch ihren Antrag vom 11. Mai 1950, der in der Drucksache Nr. 929 wiedergegeben ist, erstrebt, die Gesetzgebung über die Biersteuer aus der konkurrierenden Gesetzgebung herauszunehmen und der Gesetzgebungshoheit der Länder zuzuweisen. Die gleiche Frage hat das Hohe Haus schon zweimal beschäftigt. Im Laufe eines Jahres sind schon zweimal Anträge mit dem gleichen rechtspolitischen Ziel, mit dem gleichen Inhalt - allerdings anderer Fassung - gestellt worden, und in beiden Fällen hat das Hohe Haus auf Vorschlag des Ausschusses für Finanz- und Steuerwesen diese früheren Anträge - einmal einen Antrag der Bayernpartei, im anderen Fall einen Antrag der CSU - abgelehnt.
Ich glaube deshalb nicht, daß es notwendig ist, noch einmal auf die finanz- und steuerpolitischen Erwägungen, die bei dieser Ablehnung eine Rolle gespielt haben, einzugehen. Man sagt zwar, steter Tropfen höhlt den Stein; aber in diesem Fall scheint sich das Wort nicht zu bewahrheiten. Die bewundernswerte Hartnäckigkeit der Antragsteller ist auch diesmal wiederum an der Unnachgiebigkeit des Ausschusses für Finanz- und Steuerwesen gescheitert, der erneut auf die Verhandlungen des Parlamentarischen Rats hinweist, in denen die Argumente, die zu der Gesetz gewordenen Regelung des Art. 105 geführt haben, sehr eingehend erörtert worden sind, und die er sich auch zu eigen macht. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerwesen hat infolgedessen den Antrag der Bayernpartei mit 13 gegen 2 Stimmen - wie bereits in früheren Fällen - abgelehnt. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat sich, ohne im einzelnen auf die Argumente des an sich für diese Frage viel berufeneren Finanzausschusses einzugehen, dieser ablehnenden Empfehlung angeschlossen.
Ich möchte Sie deshalb - in der Hoffnung, daß im Anschluß an diesen meinen Bericht keine Biersteuerdebatte stattfindet - bitten, den ablehnenden Antrag des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, wiedergegeben in der Drucksache Nr. 1439, anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Einzelberatung der zweiten Lesung. Ich bitte um Wortmeldungen. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung. Der Ausschuß hat den Antrag gestellt, das Gesetz abzulehnen. Ich lasse über den Antrag des Ausschusses abstimmen. Wer für den Antrag des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag des Ausschusses ist gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 105 des Grundgesetzes abgelehnt. Ich stelle fest, daß damit eine weitere Beratung und Abstimmung entfällt.
Ich rufe auf Ziffer 5 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ({0}) über Ziffer 2 des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Fortführung der Schulspeisung ({1}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Hoppe.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung eine Zeit von fünf Minuten vor. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Hoppe ({2}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Berichterstattung liegt der in der 81. Sitzung des Deutschen Bundestags eingebrachte Antrag der SPD-Fraktion Drucksache Nr. 1265 zugrunde, der die Fortführung der Schulspeisung betrifft. In dieser Drucksache war bezüglich der einheitlichen Durchführung der Schulspeisung im Bundesgebiet beantragt worden, ein besonderes Referat für Schulspeisungen beim Bundesminister des Innern einzuführen und diesem Referat einen Beirat zu geben.
Der Ausschuß für die Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat sich in seiner Sitzung vom 2. Oktober mit diesem Antrag beschäftigt. Er war der Auffassung, daß der Beirat nicht allzugroß sein dürfe, man also den Antragstellern nicht darin zustimmen könne, daß in diesem Beirat die Vertreter der Kultusministerien, der Innen- und Sozialministerien der Länder vertreten sein sollten. Er war vielmehr der Auffassung, daß es genügen würde, wenn je drei Vertreter dieser Ministerien in dem Ausschuß vorhanden seien. Des weiteren war er der Auffassung, daß je ein Vertreter der Spitzenverbände der freien Wohlfahrt und, weil es sich doch um kommunale Angelegenheiten handelt, auch je ein Vertreter der kommunalen Spitzenverbände in diesem Beirat sitzen müsse.
Es war noch die Frage erörtert worden, ob - dem Wunsche des Landwirtschaftsministeriums entsprechend - ein Vertreter des Landwirtschaftsministeriums anwesend sein solle. Hier war der Ausschuß der Auffassung, daß, wenn das Landwirtschaftsministerium an dieser Schulspeisung interessiert sei, dann auch das Finanzministerium daran interessiert sein und mit dem gleichen Antrag kommen werde. Der Ausschuß sah sich deshalb nicht in der Lage, der Erweiterung des Beirats zuzustimmen, und empfiehlt Ihnen, den nunmehr unter Drucksache Nr. 1457 gemachten Vorschlag anzunehmen:
Zur Unterstützung des Bundesministers des Innern und zu seiner Beratung in grundsätzlichen Fragen wird ein Beirat gebildet, der sich aus
je 3 Vertretern der Kultusministerien und der Innen- bzw. Sozialministerien der Länder sowie
je 1 Vertreter der auf Bundesebene anerkannten Spitzenverbände der freien Wohlfahrt, der kommunalen Spitzenverbände und den Länderreferenten für die Schulspeisung zusammensetzt.
Ich habe den Auftrag, Ihnen namens des Ausschusses die Annahme dieser Vorlage zu empfehlen.
Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller.
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, in eine Aussprache über diese Materie einzutreten, sondern ich habe den Auftrag, im Namen meiner Freunde folgenden Antrag zu stellen:
Der Beirat wird erweitert um einen Vertreter der Landwirtschaft.
Wir sind der Auffassung, daß in der kommenden Zeit bei der Schulspeisung die Versorgung der Jugend mit Milch eine entscheidende Rolle spielt. Um hier einen Sachverständigen dabei zu haben,
schlagen wir Ihnen vor, noch einen Vertreter der Landwirtschaft hinzuzuziehen.
Sie haben den Antrag gehört, meine Damen und Herren. Der Ältestenrat hat Ihnen vorgeschlagen, daß eine Aussprache nicht stattfinden soll. Ich muß aber Gelegenheit geben, über diesen Abänderungsantrag zu sprechen. Erfolgen dazu Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse zunächst über den Abänderungsantrag abstimmen:
Der Beirat wird erweitert um einen Vertreter der Landwirtschaft.
Ich bitte die Damen und Herren, die für die Erweiterung sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte
um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 1457 in der durch diese Abänderung erweiterten Form. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag des Ausschusses sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 6 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ({0}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Sitz der oberen Bundesbehörden ({1}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Dresbach.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor: für die Berichterstattung 10 Minuten, für die Aussprache 40 Minuten. - Das Hohe Haus ist damit einverstanden.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Dresbach als Berichterstatter.
Dr. Dresbach ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beschluß des Ausschusses entspricht wörtlich dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion. Damit wäre meine Mission eigentlich schon erledigt. Aber der Ausschuß Nr. 24 hat sich in seiner letzten Sitzung mit dieser Sache noch einmal befaßt, und es ist folgendes festgestellt worden:
Bei der Beratung dieses Antrags hat der Herr Vorsitzende des Ausschusses an die anwesenden Herren Regierungsvertreter die Frage gerichtet, ob ein und welches Ministerium mit einer Planung für die Installierung der oberen Bundesbehörden beauftragt sei. Die anwesenden Herren Regierungsvertreter haben diese Frage verneinen müssen. Daraufhin hat der Herr Vorsitzende im Auftrag des Ausschusses den Herrn Vertreter des Bundesinnenministeriums gebeten, dieses Ministerium, in dem der Ausschuß nach wie vor das Organisationsministerium sieht, möge es übernehmen, dem Ausschuß einen Plan bzw. Vorschläge zu unterbreiten. Das ist bis jetzt noch nicht geschehen.
({3})
Dagegen hat der Ausschuß aus den Zeitungen entnehmen können, daß bereits Vorschläge, und zwar sehr detaillierte Vorschläge, gemacht worden sind. Ich weiß nicht, Herr Präsident, ob ich jetzt die Grenzen, die mir als Berichterstatter gezogen sind, überschreite, aber ich bitte, das zu verzeihen. Der Ausschuß hatte den Eindruck, als ob mit diesen in den Zeitungen veröffentlichten Vorschlägen
({4})
doch ein Spaziergang auf die Dörfer unternommen worden sei,
({5})
eine Art Geschenkverteilung. Die Mehrheit des
Ausschusses hatte sogar den Eindruck, daß hier
nicht so sehr das Bundesinnenministerium als Organisationsministerium beteiligt sei, auch nicht
etwa das Bundesministerium für gesamtdeutsche
Angelegenheiten, sondern vielleicht das Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrats.
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Meine Damen und Herren, der Ausschuß würde es außerordentlich dankbar begrüßen, wenn sich die Bundesregierung nun zu solchen Vorschlägen durchringen und wenn sie auch zu diesen bereits in den Zeitungen veröffentlichten Vorschlägen Stellung nehmen wollte.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Liegen Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, Drucksache Nr. 1458. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, ihre rechte Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist gegen eine Stimme angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Hammer, Dr. Schäfer und
Fraktion der FDP betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Vereinigung des Zahnärzte- und Dentistenberufes ({1}).
Berichterstatter ist Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Berichtszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.
Frau Dr. Steinbiß ({2}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß ich Ihre Zeit solange in Anspruch nehmen muß. Der Ausschuß für Gesundheitswesen hat sich in einer seiner letzten Sitzungen mit dem Antrag der FPD befaßt, den Dualismus zwischen Zahnärzten und Dentisten zu beenden. Es wurde vorgetragen, daß dieser Wunsch, zusammenzugehen, bei den Zahnärzten und Dentisten in voller Einmütigkeit besteht. Es wurde ferner vorgetragen, welche Bedeutung diesem Vorgehen zukommt, da ja die Zähne eine außerordentliche Bedeutung bei vielen Herderkrankungen unseres Körpers haben. Der Ausschuß begrüßte den Antrag und bittet Sie, diesem Entschluß zuzustimmen, die Regierung möge dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf über die Vereinigung des Berufsstandes der Zahnärzte und Dentisten vorlegen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von dem Bundesministerium des Innern ist ein Gesetzentwurf über die Ausübung der Zahnheilkunde fertiggestellt worden, welcher eine Vereinigung der Zahnärzte und der Dentisten vorsieht. Der Entwurf ist zur Zeit dem Bundesminister der Justiz, dem Bundesminister für Arbeit und dem Bundesminister für Wirtschaft zugegangen, damit auch sie Stellung nehmen können. Nach Eingang der Stellungnahmen wird mein Ministerium diese dem Kabinett zuleiten, so daß sie dort beraten werden können.
Meine Damen und Herren! Die Vereinigung entspricht einem Wunsch der Standesorganisationen beider Parteien. Darüber hinaus haben sich auch die Sozialversicherung und besonders die Krankenkassen um diese Vereinigung, um dieses Gesetz bemüht. Auch die politischen Parteien scheinen mit großer Mehrheit ein solches Gesetz zu wünschen. Es gibt zur Zeit etwa 11 500 Zahnärzte und etwa 7500 Dentisten. Der Entwurf hat sich bemüht, den Wünschen Rechnung zu tragen, wenn auch in mancher Hinsicht gewisse Bedenken bestehen; aber. auf jeden Fall hat der Gesetzentwurf den Vorzug, daß der breiten, nichtversicherten Bevölkerung auf diese Weise die billigere Form der Zahnbehandlung - insbesondere beim einfachen Zahnziehen -nicht verlorengeht.
Der Zahntechnikerstand hat sich außerordentlich aufwärts entwickelt, so daß ich glaube, daß die vorzüglichen Leistungen der Dentisten, die noch durch eine straffe Standesleitung und gute Verbandsschule gefördert werden, den Inhalt des künftigen Gesetzes, das ich Ihnen dann später vorzutragen die Ehre habe, rechtfertigen werden.
Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens Drucksache Nr. 1274. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zustimmen wollen, um ein Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Der Antrag ist gegen eine Stimme angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Rademacher, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betreffend Ausfuhrabfertigung ({1}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Bucerius. Der Abgeordnete befindet sich nicht im Saal; ich habe ihn bereits unterrichten lassen. Oder ist ein anderes Mitglied des Ausschusses in der Lage, die Berichterstattung zu übernehmen? - Herr Abgeordneter Juncker, bitte!
Juncker ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 1464 befaßt sich mit der Ausfuhrabfertigung und ist im Ausschuß für Verkehrswesen behandelt worden.
Die nach der Kapitulation von den Besatzungsmächten angeordnete Überwachung des Außenhandels geht aus wirtschaftlichen und politischen Gründen erheblich weiter als die Devisenkontrolle der Vorkriegszeit und fordert eine lückenlose Prüfung jeder einzelnen Ausfuhrsendung. Die
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Bundesregierung soll daher mit der Alliierten Hohen Kommission Verhandlungen aufnehmen mit dem Ziel, daß die nach 1945 erlassenen Bestimmungen über die Ausfuhrabfertigung aufgehoben werden und dafür wieder die frühere deutsche Devisengesetzgebung, wie sie bis zum 8. Mai 1945 gültig war, in Kraft gesetzt wird. Diese Änderung soll für diejenigen deutschen Ausfuhrgüter in Vorschlag gebracht werden, bei denen Bindungen an Zollvormerk- und Veredelungsverkehre nicht bestehen.
Der Ausschuß bittet den Bundestag, über diese Empfehlung an die Bundesregierung entsprechend Beschluß zu fassen.
Präisident Dr. Ehlers: Sie haben den Bericht des Herrn Berichterstatters gehört. Ich eröffne die Aussprache. Keine Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses für Verkehrswesen Drucksache Nr. 1464 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Tagesordnung erschöpft.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages, die 96., auf Freitag, den 27. Oktober 1950, 9 Uhr 30, und schließe die 95. Sitzung des Deutschen Bundestages.