Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 9. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte zunächst den Herrn Schriftführer, die Liste der abwesenden Mitglieder zu verlesen.
von Aretin, Schriftführer: Entschuldigt sind wegen Krankheit die Abgeordneten Professor Dr. Baur, Marx, Kuhlemann, Vesper, Dr. Blank und Sander, auf Grund anderweitiger Entschuldigungen die Abgeordneten Pohle, Dr. Baumgartner, Junglas, Frommhold, Bauknecht, Dr. Horlacher, Walter, Dirscherl, Frühwald, Dr. Reif, Weinhold, Brandt, Neumann, Wirths.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte der Herr Bundeskanzler eine
Erklärung zur Frage
der Auswirkung der Pfundabwertung
abgeben. Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort.
Ich habe dem Hohen Hause im Namen der Bundesregierung folgende Mitteilung zu machen. Die Folgen der Pfundabwertung für den deutschen Außenhandel sind bekannt. Die Bundesregierung hat sich, ihrer Pflicht entsprechend, mit der Frage beschäftigt, in welchem Umfang der Verrechnungskurs der Deutschen Mark zum Dollar - gegenüber der bisherigen Festsetzung auf 30 Cents - geändert werden soll. Nach gewissenhafter Prüfung aller Verhältnisse ist sie zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Festsetzung auf 22,5 Dollar-Cents die angemessene sei.
Sie wissen, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung und die Bundesrepublik Deutschland in diesen Entschlüssen nicht frei sind. Nach
dem Besatzungsstatut haben die Hohen Kommissare die Kontrolle des Außenhandels und des Devisenverkehrs. Die Bundesregierung hat sich daher unter dem 24. September an die Hohe Kommission gewandt, ihr Mitteilung von ihrem Beschluß gemacht und sie gebeten, die von einigen Sachverständigen der Alliierten geäußerten Bedenken fallen zu lassen. Heute früh habe ich die Antwort der Hohen Kommission bekommen, und ich erlaube mir, sie Ihnen mitzuteilen.
Der Rat der Alliierten Hohen Kommission beschließt wie folgt:
1. Die Alliierte Hohe Kommission erhebt keinerlei Einwände gegen die Festsetzung durch die Regierung der Bundesrepublik Deutschland eines Umrechnungskurses für die Deutsche Mark im Verhältnis zum Dollar zum Kurse von 0,238 Dollar für eine D-Mark.
2. Die Hohe Kommission stellt fest, daß jegliche etwa existierenden diskriminatorischen Maßnahmen und jegliches Dumping aufzuhören haben und Maßnahmen getroffen werden müssen im Hinblick auf die Beseitigung irgendwelcher direkter oder indirekter Subsidien, die zur Unterstützung derartiger diskriminatorischer Maßnahmen und zu Dumpingzwecken gewährt werden. Dies hat bis zum 1. Januar 1950 zu geschehen. Die Hohe Kommission ordnet eine Untersuchung an, die sofort zu unternehmen ist, um die zur Durchführung obiger Richtlinien notwendigen Maßnahmen zu bestimmen.
3. In Erwartung des Ergebnisses der durch die Hohe Kommission angeordneten Untersuchung bezüglich diskriminatorischer Handelspraktiken sind binnen sieben Tagen Maßnahmen zu treffen, die gewährleisten, daß die Interessen von Kohle importierenden Ländern nicht durch die gegenwärtige Abwertung der D-Mark geschädigt werden. Dies kann auf folgende Weise erreicht werden:
a) Aufrechterhaltung desselben Preises in D-Mark für Exportkohle wie vor der gegenwärtigen Abwertung oder
b) Angleichung der Export- und internen Kohlenpreise in der Weise, daß die Differenz zwischen den beiden nicht größer als vor der gegenwärtigen Abwertung ist.
({0})
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland wird der Hohen Kommission Maßnahmen zur Durchführung vorgehender Bestimmungen vorzuschlagen haben.
Im Namen der Bundesregierung habe ich dazu folgendes zu erklären. Ich habe den Präsidenten der Hohen Kommission, den Botschafter François-Poncet, gebeten, noch heute eine Unterredung zwischen uns und den Hohen Kommissaren zu ermöglichen. Wir sind der Auffassung, daß dieser Beschluß des Hohen Rates nicht den berechtigten Interessen der deutschen Wirtschaft gerecht wird.
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Sie werden aber verstehen, meine Damen und Herren, daß ich mich weiterer Ausführungen enthalte, bis diese Unterredung stattgefunden hat. Ich möchte aber im Namen der Bundesregierung doch jetzt schon folgendes erklären.
Unter Ziffer 3b dieses Beschlusses ist eine Angleichung der Export- und internen Kohlenpreise in der Weise vorgeschlagen, daß die Differenz zwischen den beiden nicht größer als vor der gegenwärtigen Abwertung ist. Meine Damen und Herren, das würde bedeuten, daß mit einem Schlag, das heißt innerhalb dieser sieben Tage, der inländische Kohlenpreis um über 25 Prozent heraufgesetzt werden müßte.
({2})
Wir sind der Auffassung, daß eine derartige Heraufsetzung aus Anlaß der Angleichung des Verrechnungskurses der D-Mark an den Dollar -- nicht der Abwertung der D-Mark - für die deutsche Wirtschaft unmöglich und untragbar ist.
({3})
Wir werden diesen Weg unter keinen Umständen beschreiten.
({4})
Ich erkläre das ausdrücklich namens der Bundesregierung,
({5})
damit jede Beunruhigung im deutschen Volk, die etwa durch das Bekanntwerden dieses Beschlusses der Hohen Kommission ausgelöst werden könnte, von vornherein im Keim erstickt wird.
({6})
Meine Damen und Herren! Gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat, die wir soeben getroffen haben, soll sich an diese Erklärung des Herrn Bundeskanzlers eine Aussprache anschließen. Um den Fraktionen Zeit zur Vorbereitung dieser Aussprache einzuräumen, soll die Sitzung unterbrochen werden. Es ist jetzt 5 Minuten vor 3 Uhr. Ich erlaube mir den Vorschlag, daß wir die Sitzung bis 3 Uhr 30 unterbrechen. Ich werde kurz vor 3 Uhr 30, wenn diese Zeit den Fraktionen als ausreichend erscheint, wieder das Klingelzeichen geben lassen.
({0})
Die Sitzung ist unterbrochen.
({1})
Die Sitzung wird um 16 Uhr 26 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet. Durch die Umstände hat sich die Pause leider etwas verlängert. Ich spreche darüber mein Bedauern aus.
Ich eröffne nunmehr die Aussprache. Wir werden die 'Aussprache, wie in diesem Fall üblich - ich nehme das Einverständnis des Hauses damit an -, nach der Stärke der Fraktionen durchführen. Es käme demnach zunächst der Sprecher der CDU/CSU dran. Wer spricht von der CDU/CSU?
({0}) Ist der Redner der CDU/CSU da?
({1})
- Dann erteile ich dem Sprecher der nächststärksten Fraktion das Wort. Herr Abgeordneter Dr. Schumacher, bitte!
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion des Deutschen Bundestages präzisiert ihren Standpunkt in folgender Erklärung.
Die sozialdemokratische Fraktion hätte es für besser gehalten, wenn die Bundesregierung den Bundestag unmittelbar nach Abschluß der Kabinettsberatung über die Festsetzung des neuen Wechselkurses der D-Mark unterrichtet hätte. Die Stellungnahme des Parlaments hätte die Position des deutschen Volkes in dieser wichtigen Angelegenheit gestärkt. .
Die sozialdemokratische Fraktion hätte es für besin einer Frage europäischer Solidarität die Hohe Kommission es vorgezogen hat, auf Kosten der wirtschaftlichen Interessen ein es Landes ein Diktat zugunsten anderer Interessen auszusprechen.
({0})
Sie bedauert weiter, daß die erste Anwendung des Besatzungsstatuts so wenig Rücksicht auf das Ansehen und die Lebensnotwendigkeiten der deutschen Demokratie nimmt.
({1})
Die sozialdemokratische Fraktion sieht in den von der Hohen Kommission zur Auswahl gestellten Maßnahmen auf dem Gebiete der Kohlenwirtschaft eine untragbare Erschwerung des deutschen Wirtschaftslebens und eine gefährliche Erschütterung des sozialen Gefüges. Die eine dieser beiden Maßnahmen würde zu einer Erhöhung der innerdeutschen Kohlen- und Kokspreise um 25 Prozent führen. Dies würde eine endlose Preis-Lohn-Spirale in Gang setzen und das Ende jeder deutschen Wirtschaftspolitik bedeuten.
Die andere Maßnahme würde dazu führen, daß die heute schon gezwungenermaßen unter dem Weltmarktpreis verkaufte Exportkohle künstlich noch mehr verbilligt wird und der deutschen Zahlungsbilanz weiter unentbehrliche Devisenbeträge verlorengehen.
Die sozialdemokratische Fraktion fordert die Bundesregierung auf, in der Verteidigung der wirtschaftlichen und sozialen Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes keiner Regelung zuzustimmen, die einseitig andere Länder auf Kosten Deutschlands begünstigt und den arbeitenden Menschen unerträgliche Lasten auferlegen müßte.
({2})
Um den von jeder Herabsetzung des Wechselkurses drohenden Folgen zu begegnen, ersucht die sozialdemokratische Fraktion die Bundesregierung,
({3})
dem Bundestag umgehend ein detailliertes Programm von Abwehrmaßnahmen vorzulegen. Die Bewilligung der dafür erforderlichen Mittel unterliegt der Zuständigkeit des Deutschen Bundestages.
({4})
Als nächster Sprecher hat das Wort Herr Ageordneter Dr. Bucerius.
Meine Damen und Herren! Der Erklärung der CDU/CSU-Fraktion habe ich kurz folgendes vorauszuschicken. Als diejenige Fraktion, die die Politik der Bundesregierung und deren Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren vor allem zu stützen hat, ist die Fraktion der CDU/ CSU verpflichtet, den vorliegenden Sachverhalt mit besonderer Vorsicht und dem in internationalen Verhandlungen erforderlichen Takt und mit der während schwebender Verhandlungen gebotenen Zurückhaltung zu behandeln. Dies vorausgeschickt, habe ich namens der CDU/CSU-Fraktion folgendes zu erklären.
Solange die Besprechungen über das Ausmaß und die Umstände der Neufestsetzung des Umrechnungskurses zwischen den deutschen und alliierten Stellen noch nicht zum Abschluß gekommen sind, haben wir in erster Linie die innerdeutschen Konsequenzen des uns von dem Herrn Bundeskanzler bekanntgegebenen Beschlusses der Hohen Kommissare zu bedenken. Wir haben mit Genugtuung vernommen, daß die innerdeutschen Kohlenpreise unter keinen Umständen aus Anlaß der Pfundabwertung erhöht werden dürfen, weil eine solche Erhöhung das bestehende deutsche Preis- und Lohngefüge stark erschüttern würde. Die CDU/ CSU-Fraktion bittet die Bundesregierung, an diesem Standpunkte bei den Verhandlungen unter allen Umständen festzuhalten.
({0})
Ferner ist die CDU/CSU-Fraktion der Auffassung, daß der Umrechnungskurs von 0,238 Dollar den berechtigten Interessen der deutschen Exportwirtschaft nicht entspricht,
({1})
nachdem das englische Pfund um 30 vom Hundert abgewertet worden ist und dem zahlreiche andere Währungen gefolgt sind.
Aus dieser Stellungnahme ergeben sich für die Verhandlungen, welche die Bundesregierung nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion mit den Hohen Kommissaren zu führen hat, wichtige Konsequenzen. Wir erwarten, daß das schwierige Problem durch eine gegenseitige Aussprache - ich wiederhole: durch eine gegenseitige Aussprache! - zwischen der Bundesregierung und den Hohen Kommissaren einer befriedigenden Lösung zugeführt wird.
Dies, meine Damen und Herren, ist die Erklärung der CDU/CSU-Fraktion. Ich habe Ihnen ferner zu sagen, daß nach meiner Auffassung die Bundesregierung in ihrer Bekanntgabe und Stellungnahme sowie bei der Mitteilung 'derjenigen Beschlüsse, die im Kabinett gefaßt worden sind, durchaus die notwendige Form und das notwendige Maß innegehalten hat.
({2}) Es gibt Dinge,
({3})
die nicht sofort auf den Tisch des Hauses gelegt werden müssen, besonders solange noch Verhandlungen schweben und die Dinge noch offen sind.
({4})
Damit schafft man unter Umständen vollendete Tatsachen, die dann allerdings nicht mehr beseitigt werden können!
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff.
Meine Damen und Herren! Als uns vor einigen Monaten in Frankfurt zum ersten Male der Entwurf eines Besatzungsstatuts vorgelegt wurde, wurde uns von den Herren Gouverneuren die Zusicherung gegeben, daß dieses Besatzungsstatut in loyaler Weise gehandhabt werden würde. Auch die Hohen Kommissare haben diese Zusicherung gegeben, und der Herr Bundeskanzler hat, wie wir mit Freude vernommen haben, hier der Überzeugung Ausdruck gegeben, daß es auch in dieser Weise gehandhabt werden würde.
Unsere Erwartung ist jetzt einer gewissen Enttäuschung gewichen,
({0})
denn nunmehr wird von uns in dem Memorandum der Hohen Kommissare doch nahezu in Form eines Diktats verlangt, das wir binnen kurzer Zeit innenwirtschaftliche Maßnahmen durchführen, die nicht nur unsere Haushaltspläne über den Haufen werfen würden, sondern auch zu einer schweren Erschütterung des Lohn- und Preisgefüges der deutschen Wirtschaft führen müßten.
Diese Forderungen mögen den Sinn haben, unsere Wirtschaft einer größeren Freiheit zuzuführen; aber es ist vielleicht nicht unangebracht, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß bisher die Bemühungen der Frankfurter Wirtschaftsverwaltung und des Frankfurter Wirtschaftsrats, eine Auflockerung innerhalb der deutschen Wirtschaft herbeizuführen, immer auf den Widerstand gerade der Besatzungsmächte gestoßen sind.
({1})
Meine Damen und Herren! Wenn von uns die Beseitigung aller Suventionen gefordert wird, so scheint man nicht mit gleichem Maß zu messen, denn solche Subventionen werden ja nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern gegeben,
({2})
und wir haben auch noch nichts davon gehört, daß nunmehr auch von den anderen Ländern im Zusammenhang mit der von ihnen durchgeführten Devalvation eine Beseitigung solcher Subventionen gefordert würde.
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Die Bedeutung der Devalvation schätze ich nicht gering ein, und ich bin persönlich geneigt, in dieser ganzen Devalvation auch eine positive Seite zu sehen, weil sie ja im Einvernehmen mit den Vereinigten Staaten durchgeführt ist und schließlich doch den Sinn haben soll, uns auf die Dauer zu einer freieren Gestaltung des Weltwirtschaftsverkehrs zu führen.
Wie ist die heutige Lage? Ein dauernder Exportüberschuß der Vereinigten Staaten, Dollarknappheit in allen anderen Ländern, bilaterale Handelsverträge, Blöcke, Pfundblöcke und andere Währungsblöcke, also eine völlige Auflösung des von uns für notwendig gehaltenen allgemeinen multilateralen Handelsverkehrs. Wäre es und gelungen, im
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Zuge einer vernünftigen Devalvation zur Herstellung vernünftiger Kaufkraftparitäten zwischen den Währungen zu kommen, so wäre damit ein großes Hindernis für eine solche Gestaltung eines freieren zwischenstaatlichen Handelsverkehrs aus dem Wege geräumt worden. Die segensreichen Folgen, die eine solche Aktion hätte haben können, werden aber offenbar voll und ganz beseitigt, wenn nun mit dieser Devalvation Forderungen verknüpft werden, die das, was erstrebt wird, wieder aufheben müssen.
Über das Maß der Devalvation mag man verschiedener Meinung sein. Aber bedenken Sie, daß nach maßgebender deutscher Auffassung auch ein Verrechnungskurs von 30 Cents, wie wir ihn heute haben, der deutschen Wirtschaftslage nicht gerecht wird und daß beispielsweise das Harmssensche Gutachten, auch ganz abgesehen von einer solchen Devalvation, bereits eine Herabsetzung dieses Verrechnungskurses gefordert hat. Hätten wir bei dem heutigen Verrechnungskurs von 30 Cents in der gleichen Weise abgewertet wie die Engländer, so würden wir auf einen Verrechnungskurs von 21 Cents kommen. Uns wird nunmehr in dem Memorandum der Besatzungsmächte die Genehmigung gegeben, bis auf 23,8 Cents herunterzugehen. Ich bin mit meinen Freunden der Meinung, daß der Beschluß der Bundesregierung, den Verrechnungskurs auf 22,5 Prozent herabzusetzen, das allermindeste ist, wenn die Exportmöglichkeiten der deutschen Wirtschaft aufrechterhalten werden sollen.
Und nun gestatten Sie mir, noch ein paar kurze Bemerkungen über den Sinn einer Devalvation überhaupt zu machen, weil ich daraus mit Rücksicht auf die Forderungen des Memorandums unter 3a und 3b hernach gewisse Folgerungen zu ziehen beabsichtige. Jede Devalvation muß zu einer Verteuerung der, Einfuhr führen. Wir könnten die Folgen einer solchen Verteuerung, insbesondere auf dem Gebiete der Lebensmittelpreise, entweder durch Subventionen oder aber durch die Erhöhung der Lebensmittelpreise mit entsprechenden Folgerungen für den Ausgleich der Löhne und Gehälter abwenden. Aber es wäre uns lieb gewesen, wenn man es uns, unserer Entscheidung überlassen hätte, welche Konsequenzen wir aus einer solchen Devalvation ziehen wollen, ob wir den einen oder den anderen Weg gehen wollen; denn auch den anderen Völkern, die jetzt zu einer Devalvation schreiten, überläßt man ja diese Freiheit der Entschließung.
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Auf der anderen Seite hat die Devalvation den Sinn, der Exportindustrie höhere Erlöse zu geben, in heimischer Währung gerechnet, und ihr dadurch die Möglichkeit zu verschaffen, billiger zu exportieren und einen Export in größerem Umfange durchzuführen.
Betrachten Sie nun, meine Damen und Herren, das Memorandum der Besatzungsmächte und die Forderungen, die unter 3a und 3b an uns gerichtet werden! Sie sind alternativ gestellt. Die Forderung unter 3a enthält das nach meiner Auffassung unbillige Verlangen, ein wertvolles Exportgut, die Kohle, unter dem Weltmarktpreis zu verkaufen, um die Kohle einführenden Länder vor der Erhöhung der Kohlenpreise, in ihrer Währung gerechnet, die ja eine Folge der Devalvation sein muß, zu bewahren. Meine Damen und Herren, so geht es nicht!
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Wer den guten Tropfen haben will, muß auch den bitteren Tropfen schlucken.
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Wenn die Kohle einführenden Länder devalvieren, um ihre Exportmöglichkeiten zu verbessern, so müssen sie dabei auch die Verteuerung der Importe mit in Kauf nehmen.
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Ebenso unbillig erscheint mir die alternative Forderung unter 3b, denn sie bedeutet, daß wir gezwungen werden sollen, durch Erhöhung der inländischen Kohlenpreise die Produktionskosten der gesamten deutschen Wirtschaft zu erhöhen und dadurch jeglichen Vorteil, den auch wir von einer Devalvation durch den Export haben wollen, wie alle anderen, wieder zunichte zu machen.
({9}) Auch das ist eine unmögliche Forderung.
Aber betrachten Sie nun die Dinge einmal vom Standpunkt der Kohle einführenden Länder! Denken Sie meinetwegen an Frankreich, das eine Devalvation im Ausmaß von 27 Prozent durchführt! Was bedeuten die Dinge vom Standpunkt der Franzosen aus? Daß sie devalvieren, um größere Exportmöglichkeiten zu haben, 'daß aber auch sie den bitteren Tropfen, die Verteuerung der Kohlenimporte, in ihrer heimischen Währung gerechnet, nicht hinnehmen wollen! Auch das scheint mir eine ungerechte Lösung zu sein.
Meine Damen und Herren, das ist das Wesentliche, was ich im Namen meiner Fraktion hier auszuführen habe. Abschließend dazu möchte ich nur noch sagen, daß die Zusammenarbeit mit der Hohen Kommission einen schlechten Start gehabt hat,
({10})
und zwar nach meinem Dafürhalten deshalb, weil hier sachliche Verhandlungen, die die Bundesregierung mit der Hohen Kommission hätte führen können, verknüpft werden mit wirtschaftlichen Forderungen zu Lasten der deutschen Wirtschaft.
({11}) Das geht nicht an.
Wir bedauern auch diese Verquickung mit der großen amerikanischen Konzeption. Denn, meine Damen und Herren, ich erblicke in dieser Devalvation, die ja im Einvernehmen mit den Amerikanern durchgeführt wird, aus den vorhin angegebenen Gründen nach dem Marshallplan den zweiten Schritt, Ordnung in das Chaos der Weltwirtschaft zu bringen und wieder einen allgemeinen Güteraustausch lebendig zu machen auf der Grundlage von Währungen, die der Kaufpreisparität der einzelnen Länder entsprechen. Ich bedauere, daß diese große Konzeption hier durch solche Forderungen Schaden erleiden muß.
({12})
Die Bundesregierung möge versichert sein, daß sie die volle Unterstützung meiner Fraktion findet, wenn sie hier mit Hartnäckigkeit die deutschen Interessen wahrzunehmen weiß.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei bedauert es lebhaft, daß hier über die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zum Verlangen der Hohen Alliierten Kommission hinsichtlich der Angleichung der D-Mark und einer vorgeschlagenen Erhöhung der Kohlenpreise in diesem Stadium der Verhandlungen in der Form
({0})
mehrerer Parteierklärungen gewissermaßen eine Diskussion hervorgerufen wird. Sie hätte es lieber gesehen, wenn die Einmütigkeit der deutschen Haltung dadurch zum Ausdruck gekommen wäre, daß auf Grund einer Vereinbarung im Ältestenrat eine gemeinsame Erklärung aller Fraktionen des Bundestages zustande gekommen wäre.
({1})
Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt die aus den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers hervorgehende klare und eindeutige Stellungnahme der Bundesregierung. Hierbei ist es erforderlich, daß auch die deutsche Öffentlichkeit mit genügendem Verständnis die Ziele der Bundesregierung unterstützt und wirtschaftliche Beunruhigungen im innerdeutschen Gefüge vermieden werden. Die Fraktion der Deutschen Partei ist der Auffassung, daß es sich bei dieser Frage um einen hervorstechenden Fall seit Inkrafttreten des Besatzungsstatuts handelt, bei dem die deutsche Öffentlichkeit Gelegenheit hat, ihr nationales Bewußtsein hinsichtlich der Wirtschaft und des sozialen Lebens durch ein hohes Maß von Selbstdisziplin zu betätigen. Die
Fraktion der Deutschen Partei kann allerdings
nicht umhin festzustellen, daß das in dem Schreiben der Hohen Alliierten Kommission an die Bundesregierung zum Ausdruck gekommene Verlangen, die Kohlenpreise in einer wirtschaftlich nicht zu vertretenden Weise zu manipulieren, weit den Rahmen der Befugnisse einengt, die der deutschen Bundesregierung auf Grund des Besatzungsstatuts verblieben sind. Es ist der Fraktion der Deutschen Partei in höchstem Maße zweifelhaft, ob das Kontrollrecht über den Außenhandel und den Devisenverkehr gemäß Vorbehalt g des Artikels 2 des Besatzungsstatuts eine Maßnahme deckt dahingehend, daß die Hohe Alliierte Kommission der deutschen Bundesregierung den Prozentsatz der Angleichung der deutschen Währung vorschreibt. Auf keinen Fall kann sie es aber unwidersprochen lassen, daß gemäß dem Schreiben der Hohen Alliierten Kommission die Heraufsetzung der Kohlenpreise binnen sieben Tagen verlangt wird. Wenn das Besatzungsstatut überhaupt einen Sinn haben soll, so ist es erforderlich, daß sich auch die Hohe Alliierte Kommission an seine Bestimmungen mit genau derselben Loyalität hält, wie sie von der deutschen Bundesregierung und jedem deutschen Staatsbürger verlangt werden muß. Das im Schreiben der Hohen Alliierten Kommission niedergelegte Verlangen hinsichtlich der Kohlenpreise könnte doch nur auf den Vorbehalt h des Artikels 2 des Besatzungsstatuts gestützt werden, der aber seinem Sinn und seinem Wortlaut nach dafür auch nicht die geringste Handhabe bietet. Das Besatzungsstatut läßt diese Eingriffsmöglichkeit in das innere Gefüge der deutschen Wirtschaft nur in einem Mindestmaß, und zwar nur zu dem Zwecke zu, eine Vergeudung der durch auswärtige Hilfe nach Deutschland eingeführten Güter zu verhindern. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber hinsichtlich der Kohlenpreise nicht. Wir sind als deutsche Vertreter gehalten, vor der Öffentlichkeit mit dem ganzen Ernst unserer Verpflichtung dagegen zu protestieren, daß durch eine solche umstürzende Maßnahme, wie sie von der Hohen Alliierten Kommission verlangt wird, unübersehbarer Schaden angerichtet wird. Die Fraktion der Deutschen Partei ist davon überzeugt, daß die Tragweite dieses Verlangens die Hohe Alliierte Kommission bewegen sollte, dem sehr ernsten Hinweis der deutschen Bundesregierung stattzugeben.
Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt es wärmstens, wenn die Bundesregierung in dieser Frage fest bleibt.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bayernpartei möchte ich zu der Angelegenheit folgendes erklären. Wir bedauern es, daß schon acht Tage nach Inkrafttreten des Besatzungsstatuts dieses Statut durch die Alliierte Kommission eine Auslegung erfahren hat, der wir nicht folgen können. In Ziffer 2. Buchstabe g ist nur von der Überwachung des Außenhandels und des Devisenverkehrs die Rede, im Englischen control. Also mehr eine beobachtende und nachträgliche Maßnahme; keineswegs aber Maßnahmen, die bereits eine detaillierte Anordnung vorwegnehmen. Wir haben doch in den letzten Jahren von seiten der Militärregierungen, wenn sie freundlich waren, oft ihre Befehle in der Form von Wünschen entgegengenommen. Man hat gewünscht, aber wir wußten: es war ein Befehl, wir haben es zu tun. Denn nach den Waffenstillstandsbedingungen hatten wir keine andere Möglichkeit. Dieser Zustand sollte mit dem Erlaß des Besatzungsstatuts endgültig beseitigt werden. Wir sollten wieder im Verkehr mit den Besatzungsmächten eine Rechtsbasis haben. Nach unserer Auffassung ist diese Rechtsbasis von der Alliierten Kommission verlassen worden.
({0})
Nicht nur das: sondern auch den nächsten Buchstaben h bitte ich zu beachten, wo es heißt: „die Überwachung innerer Maßnahmen nur in dem Mindestumfang, der erforderlich ist, um die Verwendung von Geldmitteln, Lebensmitteln und sonstigen Bedarfsgütern in der Weise sicherzustellen, daß Deutschlands Bedarf an äußerer Unterstützung auf ein Mindestmaß herabgesetzt wird." Es widerspricht dieser eigenen Anordnung der Alliierten.
Es ist, kurz gesagt, ein Befehl, dem wir nachkommen sollen, nicht die Anwendung des Rechts. Es ist besonders bedauerlich, daß in den ersten Tagen der Existenz der Bundesregierung solch eine Maßnahme getroffen wird. Was will man denn von seiten der Alliierten? Dieser Bundesregierung vom ersten Tage an Schwierigkeiten machen? Will man denn dieser Bundesregierung, die die unerhört wichtigen Maßnahmen des Wiederaufbaus, des Wohnungsbaus, der Eingliederung der Flüchtlinge zu regeln hat, vom ersten Tage an jede Autorität nehmen? Wir müssen uns dagegen verwahren, daß wir, die wir um unsere Existenz ringen, schon in den ersten Tagen mit solchen Schwierigkeiten zu rechnen haben. Als ob dieses Westdeutschland jetzt nicht auf seine eigenen Füße gestellt worden wäre und als ob wir nicht ein Besatzungsstatut hätten!
({1})
Weitere sachliche Ausführungen im einzelnen möchte ich nicht machen; sie sind schon von meinen Vorrednern weitgehend gemacht worden. Ich glaube auch nicht, daß es letztlich so entscheidend ist, ob der D-Mark-Kurs auf 22 oder 23 Cents festgelegt wird. Viel entscheidender ist, ob der deutsche Arbeiter und jeder andere deutsche Ver({2})
braucher für das Pfund Brot 5 oder 10 Pfennig mehr oder weniger zu zahlen hat.
({3})
Ich glaube deshalb, daß gerade diese internen Maßnahmen nicht von seiten der Alliierten geregelt werden sollten.
Der Erlaß der Militärregierung enthält auch verschiedene Widersprüche. Es heißt zum Beispiel in Artikel 2, daß diese Maßnahmen bis zum 1. Januar 1950 durchzuführen sind. Man nimmt also auf alliierter Seite an, daß diese Maßnahmen ein gewisses Zeitmaß der Anpassung benötigen. Andererseits steht nun aber in Artikel 3, und zwar in befehlsmäßigen Worten: diese Maßnahmen sind binnen 7 Tagen zu treffen. Wenn man nun aber binnen 7 Tagen so Hals über Kopf Maßnahmen treffen soll - obwohl in Artikel 2 steht, daß man eigentlich doch einige Monate braucht -, so ist das eine starke Präjudizierung dieser Maßnahmen nach Artikel 2, wenn man andererseits in Artikel 3 schon Sofortmaßnahmen verlangt.
Ferner bin ich der Auffassung: wenn man auf deutscher Seite die Abschaffung des Dumping verlangt - eine Forderung, der wir grundsätzlich ohne weiteres zustimmen können -, so sollte das nur unter der Voraussetzung geschehen, daß auch die anderen Staaten ihre Dumping-Maßnahmen abschaffen und nicht etwa ihren Export subventionieren wollen durch indirekte deutsche Subventionen, die sie bei uns verbieten.
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Ich glaube mit meinem Vorredner, daß es geradezu eine Unterminierung der Idee des Marshallplans ist, wenn man jetzt mit diesen Befehlsbestimmungen wieder künstliche Wirtschaftsbeziehungen unter den europäischen Völkern erzwingt, über die wir doch endlich zu einer natürlichen Verbindung der Wirtschaften kommen sollten.
Ich bitte deshalb im Namen meiner Fraktion, daß die Bundesregierung der Hohen Kommission das Bedauern über diese Anwendung der Bestimmungen des Besatzungsstatuts ausspricht, die schwere Folgen für die deutsche Wirtschaft haben können und besonders für den psychologischen Aufbau unseres Volkes einen schweren Rückschlag bedeuten.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rische.
Meine Damen und Herren! Seit einigen Tagen wird in diesem Hohen Hause über die Regierungserklärung des Kabinetts Adenauer gesprochen. Die wahre Regierungserklärung ist jedoch der Beschluß der Alliierten Hohen Kommission bezüglich der Festsetzung eines neuen D-Mark-Kurses. Der Ton dieser Erklärung ist wie Sturmläuten! Mir der Erklärung zur D-MarkAbwertung hat der Herr Bundeskanzler nun selbst zugegeben, wer in Westdeutschland regiert. Konnte uns deutlicher bewiesen werden, wie abhängig die westdeutsche Separat-Regierung vom Willen der Hohen Kommissare ist? Der Herr Bundeskanzler sagte zwar in seiner Regierungserklärung, die Hohen Kommissare würden ohne vorherige Rücksprache mit der westdeutschen Regierung nichts tun.
({0})
- Er hat es gesagt. Er hat in diesem Zusammenhang allerdings nicht vom Besatzungsstatut und
nicht vom Ruhrstatut gesprochen. Es wäre sicherlich notwendiger gewesen, dem Hohen Hause und unserem Volke in diesem Zusammenhang einmal klar und deutlich zu sagen, nach welchen Methoden
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und nach welchen Paragraphen in Westdeutschland regiert wird. Nun kennen wir die Methoden des Regierens in Westdeutschland, und zwar aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers selbst. Sie sprachen hier, meine Herren Vorredner, von der Brüchigkeit, ja vom Zusammenbruch der großen amerikanischen Konzeption; Sie sprachen von einer „Unterminierung des Marshallplans". Meine Damen und Herren, Sie sprechen in der Regel nur von den Äußerlichkeiten und von den Auswirkungen, aber Sie haben noch nicht von der eigentlichen Ursache der Abwertung und der Lage in Westdeutschland gesprochen. Die eigentliche Ursache dieser Lage ist gerade der Marshallplan. Die Abwertung in den kapitalistischen Ländern zeigt mit aller Deutlichkeit die Krise des kapitalistischen Systems und insbesondere die Krise des Marshallplans.
({2})
Sie zeigt den großen Rutsch in der Welt des Kapitalismus.
({3})
Der Herr Bundeskanzler hat zwar versucht, alle Schuld den Hohen Kommissaren zuzuschieben. Ich wage jedoch an dem Wert der heutigen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zu zweifeln, die Regierung werde der Anordnung der Hohen Kommissare nicht zustimmen. Hat der Herr Bundeskanzler immer noch nicht die Bedeutung des Besatzungsstatuts und des Ruhrstatuts erkannt? Man möchte fast glauben, hier wird mit deutschen Interessen gespielt. Nach dem Besatzungsstatut erzwingt sich jeweils diejenige Macht eine Entscheidung, die wirtschaftlich 'am stärksten interessiert ist oder, wie es heißt, die am meisten Hilfe leistet. Hier konnte man so anklingen hören, als ob es bei diesem Beschluß zu irgendwelchen Meinungsverschiedenheiten unter den Herren Kommissaren gekommen sei. Dann möchte ich die Frage stellen: Warum hat Herr McCloy nicht anders entschieden? Warum hat er seine Unterschrift gegeben? Eben wegen der großen amerikanischen Konzeption!
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Nun zeigt sich, wie recht wir Kommunisten hatten, als wir unser Volk vor dem Marshallplan warnten, warnten vor seinen zwangsläufigen Folgen. Dieser Marshallplan bedeutet für unser Volk und für alle daran beteiligten Länder Unfreiheit und Wirtschaftsdiktat, bedeutet gegen unser Volk, gegen unsere Wirtschaft die Anwendung einer Waffe der amerikanischen Wirtschafts- und Außenpolitik.
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- Marshallplan, westdeutscher Staat, D-MarkRutsch, das ist der Weg der Verzweiflung und der Weg des Niedergangs für unser Volk.
({6})
Keine wirtschaftliche Freizügigkeit, keine wirtschaftliche Freiheit, sondern Abhängigkeit und Knechtschaft bedeutet der Marshallplan, wie die heutige Debatte in aller Deutlichkeit beweist.
({7})
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Unter Ziffer 2 des Beschlusses der Hohen Kommission wird das Wort vom Dumping ausgesprochen. Es heißt dort:
Die Hohe Kommission stellt fest, daß jegliche etwa existierenden diskriminatorischen Maßnahmen und jegliches Dumping aufzuhören haben und Maßnahmen getroffen werden müssen im Hinblick auf die Beseitigung irgendwelcher direkter oder indirekter Subsidien, die zur Unterstützung derartiger diskriminatorischer Maßnahmen und zu Dumpingzwekken gewährt werden.
Mit der Erklärung, so kann man in diesem Zusammenhang wohl sagen, werden die deutschen Interessen mißachtet. Warum sprechen mit einem Male die Herren Hohen Kommissare so offen mit uns? Bisher war Deutschland der Kohlenlieferant für alle westeuropäischen Staaten. Wir lieferten nicht freiwillig; uns wurde der Zwangsexport diktiert. Wir haben die Kohle zu Zeiten exportiert, als es in der deutschen Wirtschaft an allen Ecken und Kanten fehlte, als wir verhindert waren, unseren eigenen Aufbau zügig zu forcieren. Die anderen Länder konnten während dieser Zeit mit der vom deutschen Bergmann im Ruhrgebiet geförderten
Kohle ihre Wirtschaft aufbauen, und zu gleicher Zeit unterbanden damit diese am Marshallplan teilnehmenden Länder den Aufbau der deutschen Friedenswirtschaft. Und nun reden uns diese marshallisierten Regierungen vom Dumping. Nun sprechen ausgerechnet die Regierungen dieser Länder von diskriminierenden Maßnahmen, die wir etwa ergreifen könnten. Wer von diskriminierenden Maßnahmen zu sprechen hat, das dürfte doch wohl im Zusammenhang mit diesem Beschluß der Hohen Kommission ganz klar sein. Mit der Festlegung des Abwertungssatzes und den Bestimmungen der Hohen Kommission sind diskriminierende Maßnahmen gegen die deutsche Wirtschaft beschlossen worden.
Meine Damen und Herren, es wird sicherlich nicht mehr lange dauern, dann wird in Auswirkung der Abwertung englische Kohle mit deutscher Kohle in Konkurrenz stehen, und zwar in Deutschland.
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Ich erinnere nur an die Lage im Jahre 1926.
({10})
Im Jahre 1926 konnten die deutschen Unternehmer in Ruhrort, in Duisburg englische Kohle billiger kaufen als deutsche Kohle. Erinnern Sie sich an die Folgen dieser Dumpingpolitik: Massenarheitslosigkeit, Betriebsstillegungen usw.
Darf ich auch noch an eine andere gegenwärtige Tatsache erinnern, an die Übersättigung des europäischen Kohlenmarktes. In Belgien lagern zur Stunde 3 Millionen Tonnen Kohle auf den Halden. Die Franzosen sperren schon die Einfuhr bestimmter Sorten von Ruhrkohle. Ich erinnere weiter an die unermüdlichen Bemühungen Englands, endlich in Westeuropa Kohlenabsatz zu finden, und dann spricht man vom Kohlendumping.
Die Hohen Kommissare fordern binnen 7 Tagen eine Erhöhung des Kohlenpreises um 25 Prozent. Das ist ein Befehl! Wir kennen die Folgen. Die Folgen sind, daß nun wie nach der Währungsreform und wahrscheinlich noch schlimmer eine gewaltige Preislawine einsetzt, die alles das, was deutscher Fleiß und was die Arbeiter seit 1945 aufbauten - natürlich nicht, indem sie davon Profite erzielten, sondern indem sie opferten -, hinwegfegen wird. Die Folgen dürften somit jedem
bekannt sein: Not und Verzweiflung werden von nun ab Westdeutschland regieren. Und die Auswirkungen? Ich warne, ich warne die Regierung sehr eindringlich. Die Arbeiterschaft in Westdeutschland hat sich lange Zeit geduldig genug erwiesen. Sie ist in diesen Tagen hellhörig geworden. Die Arbeiterschaft in Westdeutschland, die kommunistischen, sozialdemokratischen und die christlichen Gewerkschaftler, sie alle werden sich gegen die Maßnahmen der Hohen Kommission und der Regierung Adenauers geschlossen zur Wehr setzen.
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Sie werden sehen, was diese Maßnahmen für Folgen haben werden. Die Arbeiter werden lernen, daß man sich auch gegen derartige Befehle zur Wehr setzen kann.
Herr Bundeskanzler, Sie gaben uns eine Regierungserklärung, wonach Preiserhöhungen in Zusammenhang mit der Abwertung nicht erfolgen
sollen. Stehen Sie noch zu dieser Erklärung, Herr
Bundeskanzler? Herr Bundeskanzler, Sie sprachen
von einer „blühenden Wirtschaft". Stehen Sie
noch zu Ihrem Wort, Herr Bundeskanzler? Tatsachen und Befehle sind jedenfalls stärker als alle Worte und Erklärungen westdeutscher Politiker. Das hat die Geschichte der letzten Jahre bewiesen.
({12}) Die englische Regierung sprach bereits von Preiserhöhungen. Nun, Herr Bundeskanzler, haben Sie das Wort. Legen Sie nun Ihre Karten ebenfalls offen auf den Tisch, Herr Bundeskanzler!
Wir sind überzeugt: was wir jetzt erleben, ist erst der Anfang. Es wird noch lustiger zugehen ({13})
im Reich der Hohen Kommissare und der ausländischen Monopolisten, die nun den „heißen" Krieg gegen die deutsche Wirtschaft eröffnet haben.
({14})
Uns war es jedenfalls immer klar: westdeutscher Staat - das konnte keinen wirtschaftlichen Aufstieg bedeuten. Das war für uns niemals eine Garantie dafür, daß es nun mit unserem Volke wirtschaftlich aufwärts gehen werde.
Wir haben einige Forderungen an die Regierung zu stellen. Die erste Forderung ist: im Zusammenhang mit dem Beschluß der Alliierten Hohen Kommission dürfen unter keinen Umständen Preiserhöhungen folgen, nicht im Kohlensektor, nicht im Lebensmittelsektor, noch sonst irgendwo. Wir warnen vor solchen Preiserhöhungen; denn sie würden das ganze wirtschaftliche Gefüge mit einem Mal auseinanderreißen. Sie wissen, was das ganz zwangsläufig bedeuten würde.
Wir fordern nun unser Volk auf, einig und geschlossen zu stehen und von den uns umgehenden Mächten die Freiheit des Handelns, die Freiheit des Exports und Imports zu fordern.
({15})
Wir fordern von der Hohen Kommission die Freiheit, Lebensmittel dort einzukaufen, wo sie uns am billigsten angeboten werden und wo man bereit ist, uns Rohstoffe und Lebensmittel zu liefern, wenn wir dafür deutsche Fertigerzeugnisse liefern.
({16})
({17})
Wir fordern daher aus der Erkenntnis, daß es durch den Marshallplan mit der deutschen Wirtschaft nur bergab gehen kann, die Freiheit der deutschen Entscheidung in allen Fragen der Wirtschaft und die Forcierung des Ost-WestHandels.
({18})
Alle Tatsachen beweisen, daß die anderen Völker aus ihrer wirtschaftlichen Lage längst eine Schlußfolgerung gezogen haben. Sie verlassen sich nicht mehr allein auf die immer enger werdenden Märkte der kapitalistischen Weltwirtschaft, sondern sie bemühen sich darum - ich möchte beinahe sagen, wie nüchterne Realisten oder, wenn Sie wollen, wie Opportunisten -, mit ihren östlichen Nachbarn Handelsverträge abzuschließen. Sie sind uns dabei, meine Herren von der Industrie, mehr als nur eine Nasenlänge voraus.
({19})
Sie scheuen sich nicht, mit den Russen, mit den Polen und mit den Tschechoslowaken Handelsverträge abzuschließen. Sie sind sogar bereit, nach Moskau zu gehen und in Moskau zu verhandeln, weil sie wissen, Ost-West-Handel bedeutet unter den gegenwärtigen krisenhaften Erscheinungen der Weltwirtschaft so eine Art Rettungsanker. Es wird höchste Zeit, daß unsere Regierung sich entschließt, Maßnahmen zum Abschluß eines Ost-WestHandelsvertrages zu ergreifen. Noch immer nicht hat man es in Frankfurt fertiggebracht, den Vertrag zwischen der sowjetischen Besatzungszone und den Westzonen über den Austausch von Waren und Gütern unter Dach und Fach zu bringen. Immer noch fehlen die Unterschriften.
({20})
Wir fordern darum eine unabhängige deutsche Wirtschaft, die einen gleichberechtigten Anteil am Welthandel hat. Wir sind jedoch illusionslos.
({21})
Wir wissen, daß die Regierung Adenauer auf Gedeih und Verderb mit der amerikanischen Konzeption verbunden ist; und sie wird mit der amerikanischen Konzeption untergehen.
({22})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir alle in diesem Hause ohne Rücksicht auf Parteischattierung stehen unter dem erschütternden Eindruck der Ereignisse der letzten 48 Stunden. Das Ganze ist eine Katastrophe für unsere deutsche Wirtschaft. Lassen Sie mich das bitte mit aller Deutlichkeit sagen. Jedes andere Wort wäre eine Verschleierung der wahren Tatsachen. Es i s t eine Katastrophe für unsere ganze Wirtschaft. Denn kein Mensch glaubt es, wenn es, sei es von der Regierungsbank her, sei es von irgendwelchen Sprechern dieses Hauses, so hingestellt wird, als sei es möglich, durch Manipulationen irgendwelcher Art, durch Preisstützungen oder durch sonstige Dinge zu verhindern, das alle Waren- und alle Lebensmittelpreise ins Rutschen kommen und sich in kürzester Zeit auf den abgewerteten Wert unseres Geldes einstellen und einspielen werden.
({0})
Alles andere ist Unsinn, sehr verehrte Herren Kollegen, vollkommen barer volkswirtschaftlicher Nonsens.
Übrigens fragt niemand danach, woher die Regierung diese Mittel, diese Millionen- und Milliardenbeträge nehmen sollte, um solche Stützungen auch nur in einem nennenswerten Umfange durchführen zu können. Wir hören von Stützungen für Getreide und Fett. Wir haben gehört, daß die Preise für die Inlandskohle nicht höher Sein dürften. Wir werden demnächst weitere solche Erklärungen hören und hören müssen. Wer glaubt denn von uns noch, daß so etwas möglich ist? Diese Gelder müssen ja irgendwoher kommen. Aus den Steuereinnahmen vielleicht? Die werden sowieso schon für ganz andere Dinge absorbiert, für Staatsausgaben aller Art. So bliebe nur noch eines: die Steuern wahnsinnig zu erhöhen, und das wird nicht mehr gehen.
Ich sage Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines: Sie werden erleben, daß in kürzester Zeit das gesamte Preisgefüge ins Rutschen gekommen ist, genau so wie wir es vor wenigen Tagen in der Erklärung der WAV zur Regierungsdeklaration gesagt haben. Ganz egal, ob die alliierten Kommissare uns die Weisung gegeben haben, den Kohlenpreis zu erhöhen oder nicht, die Wirkung wäre die gleiche gewesen. Der Unterschied ist nur, daß der Patient jetzt durch eine solche Maßnahme, auf Grund deren der Kohlenpreis sofort angeglichen werden muß, einen Blutsturz bekommen hat, während sonst, wenn diese Maßnahme nicht erfolgt wäre, der Patient in einigen Monaten an Lungenschwindsucht gestorben wäre.
({1})
Die Auspendelung der Preise hätte im letzteren Fall einige Monate länger gedauert, bis sich alles an die veränderte Basis nach oben angeglichen hätte. So aber wird nun der Todesprozeß noch viel kürzer sein, und so werden Sie sehen, daß sich schon in wenigen Tagen die Preise für die wichtigsten Güter an die Abwertung angleichen.
Meine Damen und Herren, wohin wird das führen? Denken Sie daran, daß unser Volk vor dem Winter steht und Kohle einkaufen soll. Können das aber vielleicht die Unterstützungsempfänger mit ihren 19 Mark - soviel haben sie bei uns in Bayern pro Kopf und Monat -, oder können es vielleicht die kleinen Mittelständler und die Arbeiter? Und wie wird es mit dem ganzen Preisgefüge der Industrie sein? Die Bundesbahnen werden ihre Preise heraufsetzen, und so wird es weitergehen.
Das Grundübel war, daß überhaupt mit dem Gedanken an eine Abwertung gespielt wurde.
({2})
Man könnte fast das Dichterwort zitieren: „Beim ersten sind wir frei, beim zweiten sind wir Knechte!" Meine Damen und Herren, jeder, der die Dinge überblickt, mußte damit rechnen, daß auf eine Abwertung der D-Mark hin mit Sicherheit solche Maßnahmen von seiten der Alliierten einsetzen würden. Wir bedauern weiß Gott diese Maßnahmen, mit denen die alliierten Kommissare in das innerdeutsche Preisgefüge eingegriffen haben oder eingreifen wollen, aufs tiefste und fühlen uns da mit sämtlichen Fraktionen dieses Hauses einig. Wir mußten aber leider damit rechnen, und es mußte Aufgabe der deutschen Staatslenkung sein, diese Reaktion, die mit größter Sicherheit von seiten der alliierten Kommissare zu erwarten war, im voraus schon einzukalkulieren.
({3})
In dem Schreiben der alliierten Kommissare, das der Herr Bundeskanzler uns heute vorgelesen hat, heißt es, daß die Hohen Kommissare gegen die Neufestsetzung des D-Mark-Kurses keinerlei Einwände erheben. Eine merkwürdige Formulierung! Ich bitte namens der Fraktion der WAV den Herrn Bundeskanzler und die Bundesregierung, vor aller Öffentlichkeit, vor dem gesamten deutschen Volke klipp und klar zu sagen, inwieweit die Anregung zur Abwertung von deutscher Seite oder inwieweit sie von alliierter Seite gekommen ist. Das wird notwendig sein, damit die Verantwortlichkeiten vor der deutschen Geschichte nicht bloß heute, sondern auch auf längere Zeit hinaus festgestellt werden können. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht ganz - aber ich lasse mich von Regierungsseite gern darüber belehren, wenn es anders sein sollte -, ob es nur so war, daß der Gedanke zur Abwertung von alliierter Seite ausgegangen ist. Ich weiß es nicht! Wir wünschen darüber Aufklärung. Wir wissen nur eines: daß einige Hunderttausend in diesem Lande, namentlich Leute in der Großindustrie und auch sonstwo, die zur Zeit Riesenwarenlager haben und mit Absatzschwierigkeiten zu kämpfen haben, weil sie
nämlich nicht gewillt waren, die Preise rechtzeitig
so herabzusetzen, daß die Verdienstspannen auf ein vernünftiges Maß reduziert wurden, heute - und ich habe solche Stimmen mit eigenen Ohren gehört - hinsichtlich der D-Mark-Abwertung mit Begeisterung erfüllt sind, weil sie nämlich wissen, daß sie jetzt ihre Warenlager loswerden können. Die Preise werden nicht nur um 25 Prozent, sondern vielleicht noch mehr heraufrutschen; denn wenn sie einmal im Rutschen sind, rutschen sie immer weiter herauf, als man es ursprünglich meint, und kein Kuckuck wird sich mehr darum kümmern, ob die Verdienstspannen hier übersetzt sind oder nicht, sondern alles wird nach diesen Waren schnappen, und die Herren werden dabei Riesengewinne erzielen; denn die geförderte Kohle oder die Industrieprodukte, die sie jetzt viel teurer verkaufen, sind in Arbeitslöhnen in der alten D-Mark-Währung bezahlt worden, so daß die Gewinne um 25 oder vielleicht sogar 30 Prozent und noch mehr steigen werden.
Ich kann mir sehr wohl denken, daß von dieser interessierten deutschen Seite her alles getan worden ist, um eine Abwertung in Gang zu bringen und damit die Entscheidung hinauszuzögern, vor der sich diese Herren angeblichen Volkswirtschaftler sehen, nämlich endlich einmal von dem übersetzten Preisniveau herunterzugehen und nicht etwa schon an einigen tausend Tonnen Stahl oder sonstigen Industrieerzeugnissen auf Kosten unserer deutschen Bevölkerung zu Millionären werden zu wollen. Diese Entscheidung ist durch die D-Mark-Abwertung hinausgezögert worden. und das ist schlecht genug für unser gesamtdeutsches Interesse.
War es wirklich notwendig, daß den alliierten Kommissaren vorgeschlagen wurde - falls, wie ich eigens betone, dieser Vorschlg erfolgte -, zu einer Abwertung zu schreiten? In meiner letzten Rede habe ich schon dazu Stellung genommen. Ich möchte mich nicht wiederholen. Wir von der WAV glauben, daß das nicht notwendig war, sondern daß hier von seiten des Staates mit anderen Maßnahmen eingeschritten werden mußte, daß man durch Senkungen der Steuern und durch verschiedene andere Maßnahmen, auf die ich hier, weil die Redezeit nur 15 Minuten beträgt, nicht im einzelnen eingehen kann, eine Senkung des
Preisniveaus erreicht hätte, durch die unsere Industrie im Zusammenhang mit der Abwertung des Pfundkurses nicht so stark geschädigt worden wäre, ganz abgesehen davon, daß noch zur Zeit und auf lange Sicht hinaus unsere Importe bedeutend höhere Summen ausmachen als die Exporte. England hat durch die Abwertung sehr viel verdient. England hat nämlich seine gesamten Staatsschulden und Schulden der öffentlichen Hand letztlich um 30 Prozent verringert. W i r haben an dieser Abwertung gar nichts zu verdienen; denn es gibt praktisch keine Staatsschulden mehr, wenigstens nicht in nennenswertem Umfange. weil ja anläßlich des Währungsschnitts die Schulden der öffentlichen Hand liquidiert und gestrichen worden sind. Wir haben durch diese Abwertung nur zu verlieren.
Was wird die Folge der Abwertung sein, und zwar auf die Maßnahme der Hohen Kommissare hin doppelt so rasch die Folge sein? Die Folge wird sein, daß in kürzester Zeit die Preise auf die Goldmarkbasis, umgerechnet auf Dollarwertbasis, hinaufspringen, und unser ganzes Volk mit Ausnahme von hunderttausend Großindustriellen und Warenbesitzern wird der leidtragende Teil sein. Das konnen wir nicht verantworten. Ich bitte, an Sie alle appellieren zu dürfen, daß wir dieses Problem hier rechtzeitig erkennen und rechtzeitig dazu Stellung nehmen. Vielleicht wird es heute schon zu spät sein; aber immerhin, es ist noch nicht ganz so weit, denn heute abend findet ja noch eine Besprechung der Bundesregierung mit den alliierten Kommissaren statt. Wir von der WAV rufen der Bundesregierung zu: „Landgraf, werde hart!", tut hier nicht das, was zwar auswärtigen und auch manchen inländischen Kreisen angenehm sein kann, sondern denkt an die Interessen der breiten Massen unseres Volkes und widersetzt euch jeder Abwertung, noch dazu, nachdem ihr, meine Herren von der Bundesregierung. jetzt seht, daß diese Abwertung durch die Fixierung des Kohlenpreises und andere Maßnahmen gar keinen Gewinn für unsere gesamte Volkswirtschaft bedeutet, sondern nur noch eine Katastrophe bringt.
Noch eine Bitte - nur so am Rande - hätten wir an die Bundesregierung. Wir sind froh darüber, wenn die Presse sehr rasch über alle Maßnahmen der Bundesregierung informiert wird; aber wir bitten darum, daß gleichzeitig mit der Informierung der Presse eine Informierung der einzelnen Fraktionen dieses Hauses erfolgt. Und wenn das Plenum nicht beisammen ist, dann bitten wir die Regierung, in Zukunft wenigstens durch einen Telephonanruf bei den Sekretariaten der einzelnen Fraktionen den Abgeordneten, die dort versammelt sind, die Nachricht davon, was die Bundesregierung beabsichtigt und tut, ebenso rasch mitteilen zu lassen, wie das gegenüber der Presse geschehen ist. Wir wissen genau. Herr Bundeskanzler, daß Sie dadurch, daß die Nachricht in Paris schon verbreitet wurde, in eine gewisse Zwangslage versetzt worden sind. Wir bitten Sie also, in Zukunft gleichzeitig mit dem Telephonanruf an die Presse auch einen Telephonanruf an die Fraktionssekretariate gehen zu lassen, damit wenigstens diejenigen Volksvertreter, die gerade anwesend sind, unterrichtet sind und nicht erst auf dem Umweg über die Presse darüber informiert werden, was die Bundesregierung beabsichtigt.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß, indem ich die Bundesregierung bitte,
({4})
keine Abwertung vorzunehmen, wenn es nur irgendwie noch möglich ist, weil diese Abwertung ein Schlag ins Wasser und lediglich ein Schlag gegen die Interessen des größten Teils unserer deutschen Bevölkerung sein wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Dr. Reismann ({0}): Meine sehr verehrten ,Damen und Herren! Im Namen der Zertrumsfraktion habt ich folgende Erklärung abzugeben.
Wir alle im Hause haben gehofft, daß im Besatzungstatut nicht bloß eine neue Rechts-, sondern auch eine Vertrauensbasis für die Zusammenarbeit mit der Oberkommission gegeben würde.
In diese Frühlingsnacht der Hoffnung fiel ein Reif. Die erste Praxis des Besatzungsstatuts zeigt drastisch die schwache unserer internationalen Position zwischen Krieg und Frieden und unterstreicht aufs neue die Forderung, die wir in unserer Stellungnahme zur Regierungserklärung erhoben haben, auf endgültigen Abschluß eines Friedensvertrages. Dieses Diktat ist kein guter Start und erst recht auch kein Zeichen für eine großzügige Handhabung des Besatzungsstatuts, auf welche das deutsche Volk gehofft und gerechnet hatte.
Die Zentrumsfraktion des Bundestags hat schon gestern zum Ausdruck gebracht, daß es höchst bedauerlich ist, daß die bisherigen deutschen Schritte anläßlich der Pfundabwertung ohne jede Orientierung des Bundestags vor sich gegangen sind. Es ist schon die Frage offen, die soeben vom Herrn Kollegen Loritz aufgeworfen wurde: liegt hier eigentlich ein Zwang zur Abwertung vor, oder hat hier die Bundesregierung auf eigene Veranlassung gehandelt? Jetzt wird der Bundestag vom Herrn Bundeskanzler zu einer Stellungnahme in einer Frage aufgefordert, über die er es unterlassen hat das Parlament auf dem laufenden zu halten. ba noch keine Ausschüsse vorhanden sind, so Wäre es immerhin möglich gewesen, den Ältestenrat in Vorbesprechungen zu orientieren, der dafür das zuständige Gremium gewesen wäre. Und es erhebt sich die Frage, warum nicht eher als jetzt die Bundesregierung von ihrem Schritt und ihren Überlegungen der Parlamentsvertretung indirekt Kenntnis gegeben hat und warum sie nicht vorher Rat gegeben und die Volksvertretung informiert hat. Wir können es nicht als einen nuten Start der Bundesregierung betrachten, daß die Bundesregierung auf diese Weise das Bestreben deutlich werden läßt, Autorität zu zeigen. Wiederholungen solcher Art müssen zu einer Schmälerung des Einflusses des Bundestags und zu einer Schmälerung seines Ansehens führen. Wir erheben nachdrücklichst Protest gegen diese Verfahrensart und sind der Ansicht, daß das, zumindest optisch betrachtet, außerordentlich unvorsichtig ist.
Im gegenwärtigen Stadium, da die Dinge schon so weit bzw. zu weit vorangetrieben sind, wendet sich jetzt der Herr Bundeskanzler an das Parlament. Er scheint sich erst jetzt daran zu erinnern, daß es für seine Verhandlungen mit den Oberkommissaren doch mindestens zweckmäßig, in Wirklichkeit von größter Bedeutung gewesen wäre, auf eine möglichst einheitliche Stellungnahme der Volksvertretung hinweisen zu können, und daß dies seiner Stellungnahme - gleichviel wie sie ausgefallen wäre, sie wäre vielleicht ganz
anders ausgefallen - ein ganz anderes Relief und eine ganz andere Plattform gegeben hätte als jetzt, da er für sich und seine Regierung allein verhandelt hat, deren Mehrheit nicht allzugroß ist. Es wäre so gesehen besser gewesen, wenn er von vornherein die Volksvertretung eingeschaltet hätte, und außerdem wäre er dann nicht in die Verlegenheit gekommen, zunächst die Presse und dann erst den Bundestag zu unterrichten. Wir empfinden es als einen zumindest unerfreulichen, wenn nicht, um mich noch schärfer auszudrücken unwürdigen Zustand, daß die im Hause versamtmelten Abgeordneten des deutschen Volkes erst durch Pressevertreter erfahren, was in dieser für das Leben des ganzen Volkes lebenswichtigen Frage von äußerst einschneidender Bedeutung von seiten der Bundesregierung vor sich gegangen ist. Bei rechtzeitiger Orientierung und Stellungnahme hätte übrigens Möglicherweise - jeden- falls hätte die .Möglichkeit nahegelegen - sich eine weitgehende Übereinstimmung der Auffassungen innerhalb der Volksvertretung herbeiführen lassen, denn diese Frage wird offensichtlich von den Abgeordneten aller Parteien des Bundestags nur nach nationalen, nicht nach parteipolitischen Gesichtspunkten gesehen und beurteilt.
Zusammenfassend ist also zu diesem Vorgang, zu der Art des Prozedierens festzustellen, daß die Regierung, daß dieses Kabinett in der ersten, sehr wichtigen und entscheidenden Maßnahme mit einer Kette von verpaßten Gelegenheiten beginnt, und zwar von Gelegenheiten, die auch in der Sache selbst von entscheidender Bedeutung gewesen sein könnten, die zumindest dieser Demokratie ein besseres Ansehen verleihen würden.
Eine Folge davon ist nun, daß die Bundesregierung jetzt in eine gewisse Zwangslage hineinoperiert worden ist, oder besser gesagt, daß sie sich selbst hineinoperiert hat. Und nun wird das Parlament zu einer Stellungnahme aufgerufen, zu welcher die notwendigen Voraussetzungen noch nicht mitgeteilt sind. Es ergibt sich aus der Verlesung der Erklärung, daß, wenn entgegen den Versprechungen der Regierung abgewertet wird, die Lebenshaltungskosten um den abgewerteten Betrag auf dem Weg über die Import- und die Kohlenpreissteigerung ansteigen werden; oder aber, daß bei der anderen Möglichkeit, der Beibehaltung des alten Kohlenpreises, der Erfolg der Abwertung von vornherein in Frage gestellt ist, nein, sogar daß er fast sicher fällt, so daß man danach überhaupt besser bei der alten Währungsrelation bleibt. Mangels Orientierung kann man jetzt nicht sagen, ob dieser Vorschlag der Oberkommissare vermeidbar oder unvermeidbar war. Angesichts der im Bundestag laut gewordenen Stimmen, daß die Abwertung keinesfalls höher sein dürfe als das unbedingt notwendige Maß, wäre es vielleicht möglich gewesen, bei größerer Selbstbeschränkung diese Auflagen der Oberkommissare zu vermeiden. Wenn der Herr Bundeskanzler mir darauf erwidert: das ist nicht der Fall, so muß ich ihn darauf hinweisen, daß es unmöglich ist, anders zu dieser Frage Stellung zu nehmen, solange der Bundestag über sein Vorgehen, über Einzelheiten und Gründe überhaupt nicht unterrichtet wird.
Im übrigen muß ich, und zwar im Anschluß an die Worte unserer Erklärung zur Regierungserklärung ausdrücklich nochmals darauf hinweisen und darauf aufmerksam machen, daß es nicht bloß gilt, exportfähig zu bleiben, sondern daß wir auch an die Importe denken müssen, die zum größten Teil aus den Hartwährungsländern kommen. Der
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Herr Bundeskanzler hat zwar erklärt, die bewirtschafteten Lebensmittel würden im Preise nicht steigen. Man muß aber in Verbindung damit seine weitere Erklärung berücksichtigen, daß die Bewirtschaftung Schritt für Schritt weiter abgebaut werden soll. Und außerdem gibt es neben bewirtschafteten Lebensmitteln auch noch freie Lebensmittel und daneben noch den übrigen Lebensunterhalt und seine Kosten, die Kosten für Kleidung, Hausrat und vor allen Dingen die Kosten für die Produktionsmittel, die auf die Dauer in weit größerem Maß als die verhältnismäßig wenigen bewirtschafteten Lebensmittel das Preisgefüge bestimmen und das Preisniveau erhöhen werden. Jedenfalls wird jetzt vermutlich das Absinken der Preise ein Ende haben, das eingeleitet war und vielerorts Befriedigung ausgelöst hatte. Es erhebt sich jetzt die Frage, ob bei den weitgehenden Abwertungsanregungen dieser Wunsch, die Preissenkungen mögen ein Ende haben, nicht vielleicht der Vater des Vorschlags gewesen ist.
Unsere Gedanken wenden sich bei dieser Überlegung zu den Millionenmassen der Sozialrentner, der Kurzarbeiter, der Arbeitslosen, der Kriegsopfer, der Ostvertriebenen, dei Bombengeschädigten, der Währungsgeschädigten, der Kinderreichen und auch der Sparer, der neuen Sparer in D-Mark, überhaupt aller wirtschaftlich schwachen Kreise, deren bescheidene Lebensführung nicht mehr die geringste Verteuerung verträgt. Die Folge der jetzigen Vorgänge wird natürlich nicht nur eine Beunruhigung des Preisgefüges, sondern auch eine Erschütterung des Lohngefüges sein, ganz abgesehen davon, daß infolgedessen auch das Vertrauen in die D-Mark, das sich gerade erst gebildet hatte, eine Erschütterung erfährt, die man durch schöne Worte über die Förderung des Sparwillens allein nicht wieder gutmachen kann. Die Bevölkerung wartet auf die Taten zur Erfüllung dieser Versprechungen; sie ist hellhörig geworden durch die Äußerung der besonders interessierten Wirtschaftskreise, die die Abwertung schon so vorlaut propagieren und die erklären, man müsse sie jetzt ganz gründlich machen, weil man sie nicht am laufenden Band machen könne. Mit der Senkung des Realeinkommens sinkt natürlich auch die Kaufkraft der Bevölkerung, und die weitere Folge davon wird sein, daß unsere Wirtschaft nicht bloß durch den steigenden Export im Falle einer Abwertung vielleicht einen vorübergehenden Auftrieb erlebt, sondern daß sie daneben auch wegen des absinkenden inneren Umsatzes einen Rückschlag erfährt, ganz abgesehen davon, daß sie einen Rückschlag erfährt durch die Verteuerung der Importe.
Endlich erhebt sich die Frage, aus welchen Mitteln die Subventionen kommen sollen. die die Stützung der zu garantierenden Lebensmittel-Festpreise erfordert. Man spricht davon, daß gewisse Lebensmittelpreise festgehalten werden sollen; aber es ist schon die Ansicht ganz allgemein - und das soll auf eine Äußerung aus dem Kreise des früheren Verwaltungsamtes für Ernährung zurückzuführen sein -, daß etwa in Zukunft eine Milliarde D-Mark an Subventionen für die bewirtschafteten Lebensmittel notwendig seien, während es sich bisher um Summen von gut 300 Millionen gehandelt haben soll. Wir sind nicht in der Lage, diese Zahlen zu kontrollieren. Es wäre Aufgabe der Regierung gewesen, auch hierüber das Parlament in etwa zu unterrichten und Gelegenheit zu einer solchen Fragestellung zu geben, wie groß im einzelnen das auch sei. Es ist jedenfalls eine Tatsache, daß indirekt das wieder in eine Belastung der Konsumenten umschlagen und in einer Belastung der Verbraucher in Erscheinung treten muß; oder aber man muß den von der Regierung als besonders vordringlich bezeichneten Wohnungsbau oder andere wichtige soziale Aufgaben um die Beträge kürzen, die man an Subventionen jetzt zusätzlich ausgeben muß.
Nach alledem erscheint uns das Verfahren, nach dem man hier prozediert hat, sowohl wie der Erfolg, kurz die ganze Abwertungsangelegenheit sehr problematisch.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Thadden.
von Thadden, ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abgesehen von dem einen Redner, der hier in diesem Hohen Hause die Meinung Moskaus vertrat,
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haben sich doch alle anderen in sehr erfreulicher Art und Weise geschlossen auf eine Linie gestellt. Alle haben herauszuarbeiten versucht, was für einen schweren Schlag die Alliierten uns mit diesem Diktat zugefügt haben, das zweifelsohne kein guter Anfang für die junge, neue deutsche Demokratie ist. Ich glaube auch sagen zu können, daß der Vorschlag, den uns die Bundesregierung hier vorgetragen hat, den sie der alliierten Kommission überreicht hat mit der Bitte, einen Kurs von 22,5 Cents festzusetzen, so vernünftig ist, daß wir ihm ohne weiteres zustimmen können. Und es wäre zwecklos gewesen, über dieses Thema hier nun vorher eine stundenlange fruchtlose Debatte zu führen. Wir wollen, daß unsere Regierung in diesen Dingen durchaus Handlungsfreiheit hat und nicht eine Puppe in unserer Hand ist. Wir werden sie schon rechtzeitig korrigieren, wenn es notwendig ist.
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Wir wissen, daß der bisherige Kurs von 30 Cents zu hoch war, daß unser Export unter ihm litt, daß sich dieses Nichtexportierenkönnen am allermeisten gegen die deutsche Arbeiterschaft und gegen die Flüchtlinge richtet, denen wir dadurch nicht die entsprechenden Industrien aufbauen konnten, die wir brauchen, die wir haben müssen, um sie ernähren zu können. Gegen diese richtet es sich! Wir müssen mit unserem D-MarkKurs heruntergehen, nachdem es in England zur Pleite des dortigen Systems gekommen ist und wir jetzt, ob wir wollen oder nicht, ob es uns paßt oder nicht paßt, in unserem eigenen Interesse nachfolgen müssen.
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Aber der Kurs von 22,5 Cents, den die Regierung vorgeschlagen hat, erscheint uns angemessen. Wenn die Alliierten diesen Kurs höher setzen, auf 23,8 Cents, und dann noch von „diskriminierenden Handelspraktiken" sprechen, so können wir hier schlechterdings nicht mehr folgen. Wir sehen keine diskriminierenden Handelspraktiken, sondern wieder nur einen neuerlichen Versuch, unseren Export, ohne den wir nicht leben können, herunterzudrücken, im Sinne der eigenen Unternehmerschaft, die uns nicht hochkommen lassen will.
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Die Kohlenpreis-Erhöhung, deren Durchführung man ganz diktatorisch von uns innerhalb von sieben Tagen verlangt, bedeutet eine Verminderung
({5})
des Gesamtrealeinkommens des Volkes um mindestens 20 Prozent. Dadurch wird, wie schon mehrere meiner Vorredner sagten,, nur die berühmte Lohn-Preis-Spirale in Bewegung gesetzt. Wir können nur sagen, daß diese Maßnahme sich über kurz oder lang gegen die Urheber selbst wenden wird; denn durch eine solche Praktik, mit der man nichts anderes anderes tut, als die deutsche Volkswirtschaft zu vernichten, die mit Hilfe des Marshallplanes langsam wieder anfängt gesund zu werden, baut man unserem Dafürhalten nach nicht das neue Europa auf, von dem die Zeitungen der Welt immer so viel reden.
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Durch diese Praktik wird- man nicht das gesunde Herz Europas schaffen, das man braucht, damit Europa überhaupt lebensfähig ist. Das ist es, was wir den Alliierten in aller Eindringlichkeit nur zurufen können.
Namens meiner Fraktion habe ich zu diesem Problem der Abwertung folgendes zu erklären:
Die uns soeben durch den Herrn Bundeskanzler bekanntgegebene Erhöhung des Kohlenexportpreises mit der Kursfestsetzung der D-Mark bedeutet unserer Meinung nach einen solchen Schlag gegen die deutsche Wirtschaft, daß die Regierung dem unmöglich zustimmen kann.
Das ist genau so wie in den Reichmarkzeiten, meine Damen und Herren, wenn Sie sich erinnern, als die Gemüsefrau die Abgabe eines Blumenkohlkopfes mit der Abnahme irgendeines Bündels vertrockneter Petersilie verkoppelte!
Wenn es der Regierung nicht gelingen sollte, die Hohen Kommissare im Wege der Verhandlung von dieser Verkopplung abzubringen, fordern wir sie auf, sich außerstande zu erklären, die Regierungsgeschäfte weiterzuführen.
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Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft.
Zum Wort hat sich noch einmal der Herr Bundeskanzler gemeldet. Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort.
Meine Damen und Herren! In einer im September erschienenen Nummer der Zeitung „Die Zeit", die ich zufällig zur Hand habe, befindet sich die Wiedergabe der folgenden Bemerkung, die ein Reichstagsabgeordneter an den früheren Kanzler von Bülow gerichtet hat:
Meine Aufgabe als Volksvertreter ist es, den Gefühlen des deutschen Volkes Ausdruck zu geben. Ihre Aufgabe als Minister des Äußern wird es sein, den hieraus entstehenden Schaden wiedergutzumachen.
({0})
Meine Damen und Herren! Ich bin selbstverständlich davon überzeugt, daß keiner der Herren Vorredner so verantwortungslos gedacht hat wie dieser Reichstagsabgeordnete, aber ich möchte mir doch erlauben, darauf hinzuweisen, daß jeder von uns, der von diesem Pult aus spricht, gegenüber dem deutschen Volke eine Verantwortung trägt!
({1})
Ich darf weiter noch folgendes bemerken: Die Verhandlungen mit der Hohen Kommission sind noch im Gange.
({2})
- Verhandlungen! - Wenn es mir möglich gewesen wäre, die Veröffentlichung in Frankreich hintanzuhalten, würde ich selbstverständlich auch hier der Presse keine Mitteilung gegeben haben; denn ich halte es für eine außerordentliche Gefährdung solcher Verhandlungen und damit der Interessen des deutschen Volkes, wenn während schwebender Verhandlungen eine entweder unangebrachte oder zum mindesten doch verletzende Kritik geübt wird. Man sollte meines Erachtens damit zurückhalten, bis die Verhandlungen abgeschlossen sind.
({3})
Nun, meine Damen und Herren, bitte ich doch im Interesse der deutschen Öffentlichkeit - ich sage das namentlich gegenüber dem, was der Herr Abgeordnete Dr. Reismann gesagt hat -, daran festzuhalten, daß bisher überhaupt noch nichts vorgeschrieben und auch noch nichts irgendwie zugesagt ist. Ich darf gegenüber Herrn Dr. Reismann feststellen, daß ich hier ausdrücklich erklärt habe, die Bundesregierung sei einmütig entschlossen, den Vorschlag der Hohen Kommissare auf eine Erhöhung der inländischen Kohlenpreise nicht anzunehmen. Das bitte ich doch festzuhalten und nicht durch Ausführungen, wie sie der Vertreter einer angesehenen Partei hier eben gemacht hat, Beunruhigung im deutschen Volke hervorzurufen.
({4})
Daß die Verhandlungen im Flusse sind, geht auch daraus hervor, daß meinem Ersuchen um eine mündliche Verhandlung mit den Hohen Kommissaren stattgegeben worden ist. Die Verhandlung wird stattfinden.
({5})
Ich bitte, diesen Beschluß der Hohen Kommissare einmal in Ruhe durchzulesen; Sie werden dann finden, daß in dem Wortlaut dieses Beschlusses selbst Möglichkeiten zu Verhandlungen aufgezeigt sind.
Sobald die Verhandlungen abgeschlossen sind, wird das Ergebnis dem Hohen Hause selbstverständlich mitgeteilt werden. Aber ich glaube, die heutigen Verhandlungen waren ein Schulbeispiel dafür, daß man während schwebender Verhandlungen nicht darüber sprechen soll.
({6})
Meine Damen und Herren! Darf ich annehmen, daß nach dieser Erklärung des Herrn Bundeskanzlers die Aussprache vom Hause als abgeschlossen angesehen wird?
({0})
Ich höre keinen Widerspruch und stelle fest, daß die Aussprache zu der eingangs abgegebenen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers als beendet angesehen wird.
Wir fahren nunmehr in unserer eigentlichen Tagesordnung fort:
Fortsetzung der Aussprache
über die Erklärung der Bundesregierung.
Nach der seinerzeit im Ältestenrat festgelegten Reihenfolge der Redner hat nunmehr Herr Abgeordneter Agatz das Wort.
({1})
Ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen, daß die Herren von der KPD und vom Zentrum je eine halbe Stunde Redezeit haben.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat uns in seiner Regierungserklärung kundgetan, daß er auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik die in Frankfurt „so erfolgreich eingeschlagene Richtung" weiterverfolgen werde. Wir haben das zur Kenntnis genommen, obwohl es angesichts erstens des Marshallplans, zweitens des Ruhr- und Besatzungsstatuts und drittens der Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler Adenauer und der Herr Wirtschaftsminister Professor Erhard hießen, für uns eine Selbstverständlichkeit war. Aber wenn der Herr Bundeskanzler erklärt, diese Wirtschaftspolitik sei so erfolgreich gewesen, so muß das, meine ich, doch den Widerspruch weiter Teile unseres Volkes herausfordern. Wir sind der Meinung, daß vor allem das schaffende Volk, daß die Arbeiter und Angestellten darüber anderer Auffassung sind als der Herr Bundeskanzler.
Was sind denn das für „Erfolge"? Würde der Herr Bundeskanzler nach dem, was jetzt mit
unserer D-Mark passiert ist, und nach den hier geführten Diskussionen auch noch von „Erfolgen"
sprechen? Ich finde, wir sollten klar sehen. Worauf waren denn diese Erfolge zurückzuführen? Auf unsere deutsche Kraft? Nein! Sind nicht die Schaufenster da draußen mit gepumpten Milliarden gefüllt worden?
({0})
Das ist doch nicht zu bestreiten. Wir sollten uns nicht mit fremden Federn schmücken. Solange das deutsche Volk nicht aus eigenem Vermögen, aus eigener Kraft sich einen festen Boden unter die Füße schafft, so lange sollte man mit dem Wort ,,Erfolg" sehr vorsichtig sein. Nach unserer Auffassung ist unserem Volke mit dieser Frankfurter Wirtschaftspolitik eine sehr böse Mahlzeit serviert worden. Nach dem, was wir vorhin gehört haben, können wir getrost sagen, daß diese Mahlzeit mit sehr gefährlichen Keimen infiziert ist, mit den Keimen des niederbrechenden, verfaulenden Kapitalismus. Unser Volk wird sehr aufpassen müssen, daß es dabei überhaupt noch erhalten bleibt.
Ich möchte den Herrn Bundeskanzler fragen, wieso er von „Erfolgen" reden kann, wo es doch eine weitbekannte Tatsache ist, daß 50, ja 60 Prozent unseres Volkes unter dem Existenzminimum leben.
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Ich möchte ihn fragen, wie man von „Erfolgen" reden kann, wenn man 1,3 Millionen Arbeitslose, ebenso viele Kurzarbeiter hat und wenn diese Arbeitslosenzahlen wachsen, wenn jetzt zum Beispiel wieder 20 000 Eisenbahner entlassen werden müssen. Geht denn diese Arbeitslosigkeit auf konjunkturelle oder auf strukturelle Ursachen zurück? Alle Sachkenner wissen: es liegt an der Wirtschaftsstruktur, es liegt an der Frankfurter Wirtschaftspolitik, eben an dieser, wie der Herr Bundeskanzler sagte, „so erfolgreich eingeschlagenen Richtung".
Was sollen unsere Millionen Alten, die zu versorgenden Kranken, unsere Kriegsbeschädigten sagen? Es ist immer wieder festgestellt worden, in welch großer Not sie leben. Wie kann man da von „Erfolgen" reden? Und was sollen die Flüchtlinge sagen? Hier wurde wiederum mit den Flüchtlingen gespielt. Wir sind der Meinung, daß den Flüchtlingen hier bei uns geholfen werden
muß, daß es Pflicht eines jeden Deutschen ist, dafür zu sorgen, daß den Flüchtlingen geholfen wird und daß die Regierung sich dieses Problems annehmen und es einer gerechten Lösung zuführen muß. Die deutsche Kraft muß ausreichen, um diese Not zu beseitigen.
({2})
Was sollen die Millionen Arbeiter und Angestellten sagen, deren Löhne und Gehälter durch die Frankfurter Wirtschaftspolitik gestoppt wurden, während gleichzeitig die Preise in Bewegung gesetzt wurden?
Und jetzt möchte ich einmal als Bergarbeiter sprechen. Was sollen die Bergarbeiter zu dieser „erfolgreichen" Wirtschaftspolitik sagen? Ist sich die Regierung, sind sich die Herren Abgeordneten darüber im klaren, daß mit der Arbeitskraft der Bergarbeiter jetzt schon wieder schmählich Mißbrauch getrieben wird, daß dieses wertvollste Gut unseres Volkes jetzt schon wieder über alle Maßen ausgenutzt und ausgebeutet wird, daß unsere Bergarbeiter an der geforderten Leistung und der gewährten Entlohnung krank werden müssen und krank werden? Was sollen sie denn dazu sagen, wenn hier von „Erfolgen" gesprochen wird? Sie sollten mit ihren Löhnen und mit ihrem sozialen Schutz an der Spitze aller übrigen Industriearbeiter stehen. Aber was haben sie, an welcher Stelle liegen sie? Weit, weit darunter! Und das zu einer Zeit, in der Unternehmer große Gewinne einstecken konnten. Diese Herren konnten von „Erfolg" reden. Der Herr Bundeskanzler mag die Frage beantworten, ab 'er sich mit seinem Ausspruch zu dieser Seite unseres Volkes bekennen wollte.
Nach unwidersprochenen Meldungen hat zum Beispiel die Firma Opel in drei Monaten einen Reingewinn von 11 Millionen DM erzielt. Wir könnten Beispiele über Beispiele dafür bringen, wie hoch die Gewinne der Unternehmer infolge der Frankfurter Wirtschaftspolitik waren.
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- Hinzu kommt selbstverständlich das, was die amerikanischen und anderen Unternehmer dabei verdient haben.
Der Vorsitzende des DGB, Herr Kollege Böckler, erklärte auf einer Gewerkschaftsveranstaltung, daß in der Wirtschaft nach der Währungsreform mindestens 2,5 Milliarden D-Mark investiert worden seien, die zu Unrecht entzogenen Lohn darstellten. Das ist der Erfolg. Die Arbeiter, die Angestellten haben dafür bluten müssen, daß aufs neue eine kapitalistische Wirtschaft hier restauriert werden konnte, daß aufs neue der schnöde Eigennutz der Menschen, die Profitgier zur Triebfeder des Wirtschaftens gemacht ,werden konnte. Die Werktätigen messen Erfolg oder Mißerfolg mit den Maßstäben ihrer eigenen Not. Aus dieser Not wurden große Forderungen geboren. Wir als Gewerkschaftler haben uns für die Sozialisierung eingesetzt. Wir können heute erklären: auf Grund der Frankfurter Wirtschaftspolitik ist die Sozialisierung hintertrieben worden; wir können heute sagen, daß damit das beste, was unsere Menschen wollten, unter den Stiefel getreten worden ist.
Da ist die Frage des Mitbestimmungsrechts. Wir haben darüber sehr viel gehört. Wir haben zum Beispiel erfahren müssen, daß die katholischen Arbeiter auf dem Katholikentag dieses Mitbestim({4})
mungsrecht in einer Entschließung forderten, die ziemliches Aufsehen erregt hat. Wir sind der Meinung, daß sich in dieser Bekundung der katholischen Arbeiter eine tiefe Sehnsucht nach wirtschaftlicher Sicherheit und nach sozialem Fortschritt offenbarte. Wir müssen allerdings feststellen, daß diese dort gemachten Bekundungen zum Mitbestimmungsrecht mächtigen Kreisen in Westdeutschland offenbar arg mißfallen haben. Denn in den letzten Tagen erst hat es der Herr Kardinal Frings für richtig gehalten, Essig in den Wein zu gießen, indem er darauf hingewiesen hat, daß die Betriebsleitung weiterhin unabhängig sein und die Befehlsgewalt im Betriebe haben müsse, daß noch sehr viel Zeit notwendig sei, um das Prinzip des Mitbestimmungsrechts einem Ende zuzuführen, daß es also nicht eine Sache von heute auf morgen sei, dieses Mitbestimmungsrecht zu realisieren; das heißt also, daß die Politik der Regierung, wie vom Herrn Bundeskanzler ausgeführt worden ist, auf die Wiederherstellung des freien Spiels der Kräfte, also auf die Wiederherstellung der alleinigen Macht der Unternehmer in ihren Betrieben hinstrebt.
Der Herr Bundeskanzler sagt, er wolle eine Politik machen, die so sozial wie möglich sein sollte. Ich muß schon sagen, was heißt „so sozial wie möglich"? Nach dem, was wir sonst in dieser Regierungserklärung finden, scheinen die Möglichkeiten zu einer Sozialpolitik der Regierung sehr, sehr eng zu sein. Wir meinen, daß die sozialpolitik einer Regierung so sozial wie notwendig sein müsse; und was notwendig ist, meine Damen und Herren, das haben vor allen Dingen die Gewerkschaften erklärt.
Ich werde mir gestatten, hier zu den Forderungen der Gewerkschaften, die zur Wahl dieses Bundestags erhoben worden sind, einige Bemerkungen zu machen. Die Gewerkschaften fordern erstens eine Politik der Vollbeschäftigung; sie sagen, die Erfahrungen seit der Währungsreform beweisen deutlich, daß auf den von der amtlichen Wirtschaftspolitik eingeschlagenen Wegen dieses Ziel nicht erreicht werden kann; sie sagen, daß die unausgesetzte Nichtausnutzung der produktiven Kräfte in einem aufreizenden Gegensatz zur Unterversorgung des deutschen Volkes stehe. Was sagt die Regierung zu dieser Forderung? Sie sagt lediglich, daß sie die „erfolgreiche" Politik der sozialen Marktwirtschaft fortzusetzen gedenke. Für sie gibt es anscheinend keine Arbeitslosen, für sie gibt es das Problem der Vollbeschäftigung nicht, für sie gibt es diese Schande nicht, daß dort Millionen Hände ruhen müssen zu einer Zeit, wo unser Volk größte Not an Bedarfsgütern, an Wohnungen in seinem Leben leidet.
Es kommt zweitens die Frage eines umfassenden Wohnungsbauprogramms, welches die Gewerkschaften gefordert haben. Der Herr Bundeskanzler erklärt: „Wir werden durch Lockerungsvorschriften der Raumbewirtschaftung und der Mietfestsetzung das Privatkapital für den Bau von Wohnungen interessieren". Also Wohnungen sollen nur dann gebaut werden, darf ich wohl feststellen, wenn sich der Bau von Wohnungen profitabel macht. Der Wohnungsbau soll also zur Sache der Geldmänner gemacht werden, die an der Wohnungsnot unseres Volkes zu verdienen gedenken. Das ist das Ende des so viel beredeten sozialen Wohnungsbaus. Wie sollen denn Wohnungen errichtet werden, wenn nicht gewaltige öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden,
die dann zu Mieten führen, die auch für den kleinen Mann tragbar sind?
Es heißt in den Gewerkschaftsforderungen, daß die Vollbeschäftigung dauernd gesichert werden müsse. Die Politik der Vollbeschäftigung muß als oberster Grundsatz der Staatspolitik anerkannt werden, fordern die Gewerkschaften. Wir haben auch davon in der Regierungserklärung nichts gehört. Wir haben überhaupt den Eindruck, daß die Tatsache der Erwerbslosigkeit sehr, sehr leicht genommen wird. Wir haben erfahren können, daß der Herr Professor Erhard gelegentlich sogar erklärt hat: „Erwerbslose, echte Erwerbslose, nun, die haben wir nur sehr wenig; das sind meistens Schwarzhändler oder sonstige lichtscheue Gesellen, die da arbeitslos sind, die da irgendwie aufgetaucht sind und ihre Ansprüche stellen".
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Ich möchte sagen: Gerade die Politik der Vollbeschäftigung ist das entscheidende Kriterium für den wirtschafts- und sozialpolitischen Kurs der Regierung Adenauer. Aber eine solche Politik hat zur Voraussetzung, daß vom Prinzip der sozialen Marktwirtschaft abgegangen wird. Das wird die Regierung nicht tun; darum wird notwendigerweise die Zahl der Erwerbslosen ansteigen, notwendigerweise werden sich damit auch die sozialen Spannungen verschärfen, und notwendigerweise wird daraus Widerstand erwachsen, der der Regierung Adenauer eines Tages zeigen wird, was die Gewerkschaften wollen.
In den gewerkschaftlichen Forderungen steht vor allem die Demokratisierung der Wirtschaft. Dabei heißt es sehr richtig, daß die Erfahrungen der Jahre 1918 bis 1933 gezeigt haben, daß die formale politische Demokratie nicht ausreicht, eine echte demokratische Gesellschaftsordnung zu verwirklichen. Die Demokratisierung des politischen Lebens muß deshalb durch die Demokratisierung der Wirtschaft ergänzt werden.
Was aber erleben wir heute? Die Unternehmer fühlen sich jetzt schon wieder stark. In allen Betrieben versuchen sie jetzt schon wieder die Mitbestimmungsposition der Arbeitnehmer einzuschränken. Sie versuchen jetzt schon wieder systematisch und hartnäckig, den alten Herr-imHause-Standpunkt durchzusetzen. Nach der Regierungserklärung werden sie nicht geneigt sein, von diesem ihrem Kurs auch nur das mindeste abzulassen.
Weiter wird gefordert, daß entscheidende Wirtschaftszweige in Gemeinwirtschaft übergeführt werden müssen. Damit kommen wir zu der Frage der Entmachtung des Monopolkapitals. Seien wir uns doch darüber klar, daß diese Forderung, die in der Sozialisierungsforderung der Gewerkschaften und der Werktätigen ihren Ausdruck fand, eine geschichtlich notwendige Maßnahme darstellt. An dieser Forderung gibt es kein Vorbeikommen. Es kann nicht zum Segen des deutschen Volkes gereichen, wenn hier in Westdeutschland der Versuch gemacht wird, eine neue Unternehmerwirtschaft, einen neuen Monopolkapitalismus zu installieren. Das muß im Widerspruch zu den entscheidenden Lebensfragen unseres gesamten Volkes stehen, und daher kommt dieser Forderung erhöhtes Gewicht zu.
Die Regierung spricht in ihrer Regierungserklärung davon, daß die Besitzverhältnisse geändert werden müßten; sie sagt aber gleichzeitig, daß man das Vertrauen des ausländischen Kapitals wieder({6})
gewinnen müßte. Ich mache darauf aufmerksam, daß jetzt bei der auf Grund der von der Besatzungsmacht aufdiktierten Neuordnung nach dem Gesetz Nr. 75 zum Beispiel die Unternehmungen in unserem Bergbau, die in ausländischem Besitz sind, herausgenommen wurden, bei dieser Neuordnung also eine Vorzugsbehandlung genossen. Daß ihnen nicht nur dieser eine Vorteil zuteil werden wird, dessen dürfen wir ganz gewiß sein. Hinzu kommt, daß jetzt viel davon die Rede ist, ausländisches Kapital müsse auch in den Bergbau hinein.
Ich frage: will die Regierung ihre Hand mit dazu hergeben, daß unser Bergbau in ausländischen Besitz übergeht? Gerade weil die Fragen so ernst sind, muß die Forderung der Gewerkschaften auf Überführung entscheidender Wirtschaftszweige in Gemeinwirtschaft energischer gestellt und auch erfüllt werden.
Unter Punkt 7 der gewerkschaftlichen Forderungen heißt es, daß ein einheitliches Arbeitsrecht und eine fortschrittliche Sozialpolitik gefordert werden müßten. Damit kommen wir in einem sehr interessanten Punkt der Regierungserklärung. Die Gewerkschaften fordern ein einheitliches Arbeitsrecht. Der Herr Bundeskanzler sagt: ,,Die
Rechtsbeziehungen .zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern müssen zeitgemäßer geordnet werden. Die Selbstverwaltung der Sozialpartner muß an die Stelle der staatlichen Bevormundung treten". Was meint der Herr Bundeskanzler mit diesem Ausdruck „staatliche Bevormundung" im Arbeitsrecht? Wer hat sich bevormundet gefühlt? Der Herr Bundeskanzler will auch hier dem freien Spiel der Kräfte Geltung verschaffen. Denn die Unternehmer als die wirtschaftlich Stärkeren konnten sich bevormundet nur dann fühlen, wenn sie durch die staatliche Einwirkung gezwungen wurden, die Arbeitsgesetzgebung zu beachten, wenn sie gezwungen wurden, die Tariflöhne, die der Tarifvertrag vorsah, zu zahlen, wenn sie gezwungen wurden, den Urlaub zu gewähren und den Arbeitern jenen Schutz zuzugestehen, der im Interesse der Arbeiter auf dem Gesetzeswege geschaffen worden ist, der freilich den Unternehmern unliebsam war und gegen den sie aufbegehrt haben. Weil der Staat zugunsten der Arbeiter eingriff, haben sie sich bevormundet gefühlt. Und nun soll diese Bevormundung, dieser staatliche Schutz des wirtschaftlich Schwächeren aufgehoben werden. Wir meinen, daß damit sehr deutliche Worte gesagt worden sind und daß es für die Arbeiter und Angestellten Zeit ist aufzuhorchen, um das Programm dieser Regierung früh genug erkennen und entsprechende Abwehrmaßnahmen durchführen zu können.
In der Frage der Sozialpolitik sagt der Herr Bundeskanzler: „Es scheint mir aber auch eine der wesentlichen Grundbedingungen einer verständigen Sozialpolitik zu sein, dem Fleißigen und Tüchtigen jede Aufstiegsmöglichkeit zu verschaffen". Das hört sich wunderbar an. Wer die Dinge aber in den Betrieben kennt, der weiß, wie gerade das kollektive Arbeitsrecht, der kollektive Tarifvertrag einen Sicherheitsschutz für die arbeitenden Menschen bilden. Man muß sehr, sehr aufmerken, wenn solche Worte gesprochen werden. Wir meinen, daß damit Gefahren signalisiert werden, die die Arbeiter veranlassen müssen, auf der Hut zu sein.
Wir fragen die Regierung: Was gedenkt sie zur Linderung der großen sozialen Not zu tun? Davon haben wir in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers wenig gehört. Was gedenkt
sie zum Beispiel für diesen Winter zu tun? Es könnte ein harter Winter über uns kommen. Was gedenkt sie zu tun, damit unsere armen Menschen nicht hungern und frieren müssen? Was gedenkt sie zu tun, um die deutsche Arbeiterschaft vor der durch Marshallplan, Ruhrstatut und Besatzungsstatut, wie wir es heute erst wieder bestätigt erhalten haben, doppelten Ausbeutung zu schützen? Was gedenkt sie zu tun, daß die Arbeiter zu gerechten Löhnen kommen? Wir meinen, die Regierung kann nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Wenn sie die Politik des Marshallplans, des Ruhrstatuts und des Besatzungsstatuts bejaht, dann trägt sie die Verantwortung für alle Folgen.
Man muß sich die Lage - ich muß darauf noch einmal zu sprechen kommen - der Bergarbeiter vorstellen. Ihr Lohn steht nicht mehr an der Spitze. Ihre Leistungen für das Volk sind ungeheuer. Gezwungen aus Not, gehen jetzt die Bergarbeiter dazu über und verfahren Überschichten. Sie tun sich damit schwersten gesundheitlichen Schaden an. Ich appelliere an die Minister, besonders an den Herrn Arbeitsminister Storch, diesem Überschichtenunwesen der Bergarbeiter ein Ende zu setzen. Aber dazu ist nötig, daß die Löhne der Bergarbeiter erhöht werden.
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Es geht nicht an, daß die Bergarbeiter so schlecht entlohnt werden, daß sie gezwungen sind, Überschichten zu machen. Man stelle sich vor, da gibt es Schichtlöhner im Bergbau bei den Übertagearbeitern, die einen solch niedrigen Lohn haben, daß, wenn sie krankfeiern müssen, die Wohlfahrtsunterstützungssätze höher liegen als ihr Krankengeld.
Ich muß darauf aufmerksam machen, daß die Gier nach gesteigerter Leistung, nach erhöhter Kohlenförderung die Grubensicherheit gefährdet, daß dadurch schwerste Unglücke über uns kommen können. Was gedenkt die Regierung zu tun, um die Grubensicherheit für die Bergarbeiter zu verstärken? Es macht sich bei vielen verantwortlichen Stellen eine gefährliche Lockerung der Auffassungen über die Grubensicherheit, über die Anwendung der bergpolizeilichen Vorschriften bemerkbar.
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Das kann zu Katastrophen schrecklichen Ausmaßes führen. Wir wollen nicht, daß das geschehe. Darum fordern wir von der Regierung, daß sie gerade auf diesem Gebiete dafür sorgt, daß die Sicherheit der Bergarbeiter garantiert wird. Ich muß darauf hinweisen, daß zigtausende Bergarbeiter von der Silikose angefressen sind, daß sie damit einem frühen und schrecklichen Ende ihres Lebens entgegengehen. Für den Kampf gegen die Silikose müssen große Mittel bereitgestellt werden. Ich möchte im Namen der Bergarbeiter fordern, daß die Regierung diese Mittel bereitstellt, damit die Bergarbeiter vor der Silikose geschützt werden können.
Und unsere alten, unsere kranken Bergarbeiter! Ihr ganzes Leben haben sie geopfert, damit das deutsche Volk Kohle hatte, damit es wirtschaften und sich wärmen konnte. Werden sie entlassen, weil sie krank und siech sind, dann stehen sie mit einer kargen Rente da, und dann sind sie auf die Gnade ihrer Söhne oder Schwiegersöhne angewiesen, bei denen sie wohnen. Wir müssen sagen, daß das ein beschämender Zustand ist und daß es höchste Zeit ist, die Renten der Al({9})
ten, der Kranken und der Invaliden zu erhöhen. Gerade gegenüber der Wohnungsnot bei den Bergarbeitern erwächst der Regierung eine ganz besondere Aufgabe. Bekommen wir nicht bald in genügendem Umfang Bergarbeiterwohnungen, dann werden die Zehntausende neuer Bergleute, die zur Ruhr gekommen sind, nicht zu halten sein. Es geht nicht, daß diese Leute nach wie vor in Baracken, in Zechenheimen in unwürdigen Unterkünften dahinvegetieren müssen. Sie brauchen dringend eine Wohnung, soll nicht dem Bergbau die wertvolle Arbeitskraft verlorengehen. Im Mittelpunkt der Wirtschaft soll der Mensch stehen, so wird immer ausgeführt. Schauen wir uns die Verhältnisse im Bergbau an, so stellen wir fest: im Mittelpunkt steht nicht der Mensch, da steht die Kohlenförderung, die Summe der Kohlen, die durch den Schweiß der Bergarbeiter herausgeholt werden.
Wir sagen: die Verantwortung der Regierung gerade für die sozialen Probleme unseres Volkes muß klar herausgestellt werden. Wir sagen weiter, daß die Werktätigen auf die Politik dieser Regierung eine richtige Antwort finden müssen, daß die Werktätigen sehen müssen, daß diese Regierung ihrer ganzen Herkunft und Zusammensetzung nach eine ihnen entgegenstehende Politik, eben eine Politik zur Restaurierung des Monopolkapitalismus machen wird, daß sie Marshallplan und Ruhrstatut ausführen, daß sie die Werktätigen einer doppelten Ausbeutung ausliefern wird. Wir sagen darum: gegen diese Regierung muß der Kampf aufgenommen werden.
Wir appellieren an die Werktätigen, sich ihrer eigenen Kraft und ihrer eigenen Verantwortung bewußt zu werden, den gemeinsamen Feind, den Monopolkapitalismus, zu erkennen und sich zum Kampfe gegen diesen gemeinsamen Feind zusammenzuschließen. Wir sagen den Gewerkschaftlern: wir haben unser Programm, dieses Programm ist nötig und richtig, es ist gegen die Politik der Regierung. Auf dem Boden dieses Programms muß eine Politik gemacht werden, Werktätigen den Interessen unseres Volkes dient. Die Werktätigen müssen in den Gewerkschaften den Kampf zur Durchsetzung dieses Programms organisieren. Sie müssen erreichen, daß diese Politik der sozialen Marktwirtschaft geändert wird, daß es zu einer planmäßig gelenkten und geleiteten Wirtschaft kommt. Zu diesem gemeinsamen Handeln rufen wir Kommunisten auf.
Wir sagen eins: für diese Regierung kann es seitens der Arbeiter, seitens der sozial Bedrängten, seitens der Notleidenden kein Ja geben. Für diese Regierung kann es nur eins geben: hinweg mit ihr so schnell wie möglich! Wir Kommunisten werden das Unsere dazu tun.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung an die Nöte mancher Volksschichten und mancher Kreise gedacht. Er hat vieler mit warmen Worten gedacht. Aber einen Kreis hat er kaum in Betracht gezogen, er hat ihm kaum irgendwelche Worte gewidmet. Er hat von dem großen Kreis der Kriegssachgeschädigten, der Fliegergeschädigten, der Bombengeschädigten so gut wie überhaupt nicht gesprochen. Er hat sie
zweimal erwähnt, das eine Mal aber nur insoweit, als er gesagt hat, daß ihrem Wohnungselend ebenso gesteuert werden müsse, wie den aus ihrer Heimat Vertriebenen ein neues Obdach gegeben werden müsse. Dann sprach er in ganz unbestimmten Wendungen von der Notwendigkeit eines Lastenausgleichs und versprach, daß die Regierung dieses Problem, bisher ein heißes Eisen, nun endlich angreifen werde.
Damit ist es aber nicht getan. Wir hätten gedacht und gewünscht, daß nun endlich eine Regierung, die es sich zum Ziel setzt, die Verhältnisse in Deutschland zu stabilisieren, etwas konkretere Vorschläge hierüber gewußt und gemacht hätte. Bisher ist für die Kreise der Kriegsbeschädigten, der Bombengeschädigten, der Ausgebombten praktisch so gut wie gar nichts geschehen. Das Allermindeste, was man hätte erwarten können, ist doch, daß man der besonderen Vorbelastung, mit der sie in den wirtschaftlichen Kampf gehen, Rechnung getragen hätte. Es wäre das Allermindeste, daß man ihnen die Konkurrenz in dem wirtschaftlichen Wettbewerb zu den gleichen Bedingungen wie den anderen ermöglicht. Statt dessen werden sie auch noch in der Besteuerung mit einem zusätzlichen Handicap versehen. Es ist jetzt so, daß bei dem Soforthilfegesetz gerade diejenigen, die selber schwer betroffen sind, ebenso mit herangezogen werden wie diejenigen, die mit Gewinnen aus dem Krieg hervorgegangen sind. Die durch den Bombenkrieg selber schwer Betroffenen leiden durch die Substanzverluste. Sie leiden dadurch, daß sie sie noch immer nicht einholen konnten. Sie leiden jetzt zusätzlich dadurch, daß man von ihnen verlangt, noch Aufwendungen zusätzlicher Art zu machen. Wir hätten erwartet, daß eine einigermaßen großzügige Lösung ins Auge gefaßt worden wäre. Da der Herr Bundeskanzler ohnehin davon sprach, daß in großzügigem Maße gebaut werden müsse, und da es eine Tatsache ist, an der wir nicht vorbeikommen, daß im Laufe der Zeit viele Milliarden für die Wiederherstellung der Wohnungen aufgebracht werden müssen, um das deutsche Volk überhaupt wieder unter Dach und Fach zu bringen, hätte es nahegelegen, daß er sich Gedanken darüber gemacht und uns mitgeteilt hätte, wie man diese beiden Probleme miteinander verbinden will. Es ist durchaus möglich - und unser Vorschlag geht dahin -, daß man die Zuwendungen für den Wiederaufbau in erster Linie denjenigen zuwendet, die die Verluste gehabt haben. Das Geld, das die Regierung zur Verfügung stellen wird, darf also nicht in Kanäle geleitet werden, die mit den Kriegsverlusten nichts zu tun haben.
Es ist weiter daran zu denken, daß der Bund und die Länder jetzt von einer inneren Verschuldung fast völlig frei geworden sind. Man kann die Lasten dieses Krieges und die Kriegsfolgekosten nicht auf einmal in den nächsten Jahren aus den laufenden Mitteln aufbringen. Es wäre ein durchaus zumutbares und selbstverständliches Vorhaben, diese Lasten mit auf die Schultern der Zukunft zu legen.
Wir fordern deswegen, daß die Regierung sich in dieser Hinsicht zunächst zu ihren Verpflichtungen bekennt, daß sie Entschädigungen in Form von Schuldverschreibungen ausgibt, mit denen die so Bedachten etwas anfangen können, und daß sie ihnen auf diese Art und Weise auch eine Art Kapital zur Verfügung stellt, mit dem man den Wiederaufbau fördern kann. Damit fördert man zu({0})
gleich die private Initiative. Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Millionen von Ausgebombten nicht in Häusern gewohnt haben, die von der öffentlichen Hand gebaut worden sind. Diese Häuser sind vielmehr von der privaten Initiative gebaut worden. Wir können nicht auf die private Initiative derjenigen verzichten, die bisher die großen Verluste gehabt haben. Das gleiche gilt für die Wiedereinrichtung von all den vielen Millionen Haushaltungen, die um ihren gesamten Hausrat gekommen sind und die sich noch jetzt, ein Jahr nach der Währungsreform, mit kümmerlichen Behelfen durchschlagen müssen. Ohne eine solche Hilfe verkommen - darauf sei auch einmal hingewiesen - Milliardenwerte, die noch in den Resten der bombenzerstörten Häuser vorhanden sind.
Bisher verfallen von Monat zu Monat, von Tag zu Tag Millionen und aber Millionen an Werten deswegen, weil die Verfügungsberechtigten nicht die Mittel haben, sie auszuwerten und mit ihrer Hilfe in verbilligter Art und Weise wiederaufzubauen, so daß, je länger wir warten, um so mehr ein totaler Wiederaufbau erforderlich ist. Statt ihnen zu helfen, verstrickt man zurzeit gerade diese Geschädigten, gerade diese Kreise, die unendlich viel zu der Wiederherstellung verhältnismäßig billiger, zumindest verbilligter Wohnräume beitragen könnten, in eine Menge von Vorschriften und einen bürokratischen Apparat, der sie, selbst wenn sie in der Lage sind, an den Wiederaufbau zu gehen, auf viele Monate hinaus hindert, ihren Willen in die Tat umzusetzen und ihr Kapital und ihre Arbeitskraft einzusetzen. Hier eine verwaltungsmäßig und finanziell großzügige Lösung in die Wege zu leiten, ist eine der vordringlichsten Aufgaben, die die Bundesregierung auf dem Gebiete des Wiederaufbaues vor sich hat, aber auch eine Forderung der primitivsten Gerechtigkeit, eine Forderung d e r Gerechtigkeit, für die sich einzusetzen die Bundesregierung versprochen hat.
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Die gleiche Sorge muß die Bundesregierung aber auch den Sparern angedeihen lassen, wenn sie mit ihrer Aufforderung und mit ihren Bemühungen, den Sparwillen im deutschen Volke wieder zu fördern, Erfolg haben will. Wenn man, ohne irgendwelche Konsequenzen aus früheren Versprechungen zu ziehen, es bei allgemeinen Redensarten bewenden läßt, und bei allen Sparern, ob sie sich nun im Laufe eines langen Lebens ein kleines Häuschen erspart haben oder ob sie - nicht mit Schiebergewinnen in der letzten Zeit vor der Währungsreform zusammengerafft, sondern in langen Jahren mit Mühe und Schweiß erworben - ein kleines Kapital auf der Sparkasse hatten, durch alles einfach einen Strich macht und wenn dann die Länder und der Bund von den Hypotheken 90 Prozent für sich verlangen, obwohl doch klar ist, wem das Kapital an sich zukommt, obwohl damit also klar ist, daß man der Ansicht ist, daß die Wirtschaft dieses Kapital aufbringen, auf die Dauer verzinsen und amortisieren kann -, wenn man auf solche Art und Weise mit den Sparern umgeht, dann wird es schwer halten, den Sparwillen im deutschen Volke wieder zu erwecken. Es ist deswegen eine notwendige Forderung, die wir erheben, daß man zumindest dem Problem der Schattenquote bei den Altsparern ganz intensiv nachgeht und sich in bester Absicht bemüht, herauszuholen, was man kann. Man kommt von dem Gedanken nicht ganz frei, daß zur Zeit die öffentliche Hand bestrebt ist, das, was durch die Währungsreform und auf andere Weise in einer konfiskatorischen Art gerade den kleinen Sparern wegenommen worden ist, auf alle Fälle als erworbenen Besitz zu hüten, und daß man sich weigert, irgend etwas davon denen, die das Kapital aufgebracht oder erspart haben, wieder zukommen zu lassen. Es ist eine dringende Forderung, daß man sich hierum kümmert.
Eine weitere Angelegenheit, die ich im Zuge unserer Erwiderung auf die Regierungserklärung noch besprechen wollte, ist jetzt zu einem großen Teil erledigt, weil wir über die Frage der Währungsabwertung schon gesprochen haben. Ich will aber in diesem Zusammenhang betonen - der Herr Kanzler scheint mich da mißverstanden zu haben -, daß unsere Forderung gar nicht dahin ging, das alles vor der Öffentlichkeit dieses Hauses zu erörtern. Das war sein eigener Wunsch. Wenn die Diskussion nicht so gelaufen ist, wie er es haben wollte, kann er nicht die Verantwortung auf die Parteien abschieben.
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Wir haben nur verlangt, daß das Haus durch den
zuständigen Ältestenrat in Kenntnis gesetzt, daß es meinetwegen in aller Vertraulichkeit darüber unterrichtet worden wäre. Diese Forderung hätte ich gestern schon gestellt, wenn es mir möglich gewesen wäre, hierzu zu sprechen. Aber es ist ja das auch schon bekannt geworden. Es geht jetzt nicht darum, mit irgendeinem Effekt dem Herrn Kanzler zu einem mehr oder minder großen parlamentarischen Sieg in seiner Erklärung zu verhelfen, sondern es geht vielmehr darum, für die Zukunft festzustellen, daß das Parlament nicht wünscht, sich auf solche Art und Weise übergehen zu lassen und stillschweigend sich beiseite gestellt zu sehen, wie das bisher der Fall war.
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Im übrigen bitte ich den Herrn Kanzler, das Stenogramm meiner Rede nachzusehen. Ich habe keineswegs behauptet, daß die Abwertung nach den Maßnahmen und Bedingungen erfolgen würde, die er abgelehnt hat. Ich habe nur gesagt, daß sie den Erfolg, den man sich auf seiten derer, die sie vertreten, wünscht, nicht haben könnte, wenn man nach diesen Bedingungen verfahren würde, die die Oberkommissare stellen. Ich bedauere, daß sich der Herr Kanzler um den genauen Text meiner Rede nicht kümmern konnte, weil er die Stenogramm-Übertragung noch nicht zur Hand haben konnte, da ich gerade erst gesprochen hatte. Es ist ihm offenbar bei aller Aufmerksamkeit entgangen, was ich gesagt hatte. Der Kern unserer Beanstandung bei dem Vorgehen bleibt jedenfalls nicht anzutasten, daß es nämlich besser gewesen wäre, das Haus durch den zuständigen Ausschuß rechtzeitig zu unterrichten. Das ist der Wunsch, den wir auch für die Zukunft an die Bundesregierung haben. Das ist mir mehr wert, als mich im Augenblick weiter über diese Frage auszulassen.
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Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft.
Ich möchte noch folgendes Geschäftliches mitteilen. Die nächste Sitzung, das ist die zehnte, wird voraussichtlich morgen mittag bereits um 14 Uhr beginnen. Über den endgültigen Zeitpunkt werden wir uns noch heute abend im Ältestenrat verständigen.
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Was die Tagesordnung der nächsten Sitzung anlangt, so wird sie in ihrem ersten Teil zunächst die Fortsetzung bzw. Beendigung der Aussprache über die Regierungserklärung bringen. Die sich daran anschließenden Punkte der Tagesordnung kann ich entgegen der einschlägigen Bestimmung der Geschäftsordnung im Augenblick noch nicht mitteilen, weil darüber erst heute abend im Ältestenrat Beschluß gefaßt wird. Ich bitte,
sich mit dieser an sich geschäftsordnungswidrigen Handhabung in diesem Fall freundlicherweise begnügen zu wollen.
Ich berufe den Ältestenrat auf 20 Uhr 15 ein.
Meine Damen und Herren, damit stehen wir am Ende der Sitzung. Ich schließe die neunte Sitzung des Deutschen Bundestags.