Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich eröffne die 8. Sitzung des Deutschen Bundestags. Der einzige Punkt der Tagesordnung ist die
Fortsetzung der Aussprache über die
Erklärung der Bundesregierung.
Ich habe zunächst einige Mitteilungen zu machen. Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der abwesenden Mitglieder des Hauses verlesen zu wollen.
Beurlaubt sind wegen Krankheit die Abgeordneten Professor Dr. Baur, Marx, Zühlke, Kuhlemann.
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Der Herr Abgeordnete Zühlke ist da.
Auf Grund von Entschuldigungen fehlen die Abgeordneten Dr. Brill, Jahn, Pohle, Kern.
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Der Herr Abgeordnete Jahn ist anwesend.
Dirscherl, Fröhlich, Dr. Horlacher, Meyer, Farke, Klinge, Wallner, Klabunde, Dr. Oellers, Blachstein, Dr. Reif, Brandt, Dr. Suhr, Neumann, Reimann, Fisch, Kurt Müller, Rische, Nuding. Außerdem sind noch als erkrankt gemeldet die Abgeordneten Vesper und Agatz.
Ich habe mir erlaubt, den Fraktionen im Laufe des Vormittags die Rednerfolge mitzuteilen. Da mir keine Widersprüche dagegen bekannt geworden sind, nehme ich an, daß sie so gebilligt wird.
Mir liegt eine Meldung zur Geschäftsordnung vor, und zwar von Herrn Abgeordneten Dr. Reismann. Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Reismann das Wort zur Geschäftsordnung.
Die Zentrumsfraktion des Deutschen Bundestags beantragt:
Der Bundestag wolle vor und außerhalb der Tagesordnung des heutigen Tages beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, den Ältestenrat über den Stand der Abwertungsfrage zu unterrichten und sich mit ihm darüber zu beraten,
Nicht nur die Mitglieder des Hohen Hauses, sondern - wir haben es gerade jetzt, als wir über Sonntag in unserer Heimat waren, erfahren - weite Kreise der Bevölkerung im Lande empfinden es als höchst ungewöhnlich, daß über eine so wichtige und einschneidende, für das ganze Volk bedeutungsvolle Maßnahme - -
Herr Abgeordneter, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. Nach § 83 der Geschäftsordnung dürfen sich die Bemerkungen zur Geschäftsordnung nur auf den zur Verhandlung stehenden oder unmittelbar vorher behandelten Gegenstand oder den Geschäftsplan des Hauses beziehen. Insofern gehen Ihre Ausführungen über den Rahmen einer Bemerkung zur Geschäftsordnung hinaus. Wenn Sie einen Antrag haben, dann bitte ich; ihn mir einzureichen.
Den Antrag habe ich hier.
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- Ich begründe den Antrag, und ich bitte, ihn jetzt zu behandeln.
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- Das gehört nach meiner Meinung zur Geschäftsordnung.
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President Dr. Köhler: Dann hätten Sie vorher bei mir einen Antrag einreichen müssen, den ich entweder von mir aus oder nach vorheriger Verständigung mit dem Ältestenrat auf die Tagesordnung gesetzt hätte,
Ich werde Ihnen, Herr Präsident, also den Antrag überlassen. Ich bitte zu beschließen, daß diese wichtige Angelegenheit, sobald es geschäftsordnungsmäßig möglich ist, zur Erörterung kommt.
Ich nehme den Antrag zur Kenntnis.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Aussprache ein. Zunächst hat Herr Abgeordneter Etzel das Wort.
Meine Damen und Herren! Im Rahmen der Debatte zur Regierungserklärung ist an dieser Stelle wiederholt zum Ausdruck gebracht worden, daß man sie hätte abkürzen und dafür der Regierung Zeit für ihre Arbeit geben sollen. So richtig solche Meinungsäußerungen an sich sind, so darf doch nicht übersehen werden, daß in einem jungen Parlament der Wert solcher Debatten darin liegt, daß es sich profiliert und erste Standpunkte abgetastet werden, welche für die weitere Arbeit wertvoll sind. In diesem Sinne bejahe ich ganz besonders die Ausführungen des Abgeordneten Ollenhauer vom vergangenen Freitag. Ich stimme ihm zu, daß wir hier nicht den Versuch machen sollten, uns gegenseitig zu überzeugen. Das wäre im gegenwärtigen Augenblick verfehlt. Wir sollten aber versuchen, den andern zu hören und zu prüfen, ob sich auf der andern Seite nicht vielleicht doch Wertvolles und vielleicht auch Gemeinsames findet. Die Ollenhauerschen Ausführungen erscheinen so als ein wertvolles Symptom dafür, daß die Opposition vielleicht doch konstruktiv geführt werden kann.
Gestatten Ake mir zunächst einmal einige allgemeine Bemerkungen. Herr Dr. Schumacher hat ausgesprochen, wir seien in einer Situation, in der große soziale Versager Heizstoffe für einen neuen Nationalismus und für einen Neofaschismus abgeben könnten. Ich stimme ihm darin zu. In dieser Erklärung liegt aber eine sehr große Verantwortung eingeschlossen, die Herr Dr. Schumacher zu übersehen scheint. Sie bedeutet, daß jeder in diesem Hause, dem es ernst ist mit seiner Verantwortung für unseren jungen demokratischen Staat, verpflichtet ist, echtes soziales Wollen überall anzuerkennen, wo es sich findet. Jeder Versuch, echte soziale Tatbestände zu leugnen und in ihr Gegenteil umzudeuten, nur weil sie vom politischen Gegner kommen, ist eine Sünde an diesem Staat.
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Denn es liegt im Wesen des Politischen, daß solche Versuche immer Gläubige finden, die sich dann nicht in erster Linie gegen die jeweiligen politischen Machthaber, sondern in der Mehrzahl der Fälle gegen den Staat und damit gegen das richten, was allen guten Demokraten ein gemeinsames Anliegen sein soll. Ich wehre mich aus solcher Überlegung sehr energisch gegen die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Schumacher, in denen er so tut, als ob die Interessen der arbeitenden Bevölkerung nur bei der Opposition gewahrt würden,
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und wenn er behauptet, die Zusammensetzung der Regierung berge die Gefahr in sich, daß der neue Staat ein autoritärer Besitzverteidigungsstaat werde. Mit solchen Ausführungen tut man diesem neuen Staat keinen guten Dienst.
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Ich darf aber in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß auch die Wähler der Abgeordneten der Regierungsparteien zur arbeitenden Bevölkerung gehören. Selbst wenn der Herr Abgeordnete Dr. Schumacher unter „arbeitender Bevölkerung" hier die handarbeitende Bevölkerung gemeint haben sollte, so muß ich mit aller Festigkeit aussprechen, daß auch wir große Schichten dieser Bevölkerung vertreten und daß die Opposition kein Monopol auf soziale Gesinnung und auf alleinige Wahrung sozialer Interessen hat.
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Wir haben Selbstbewußtsein genug, zu behaupten und zu beweisen, daß unsere Vorstellung von Sozial- und Wirtschaftspolitik zwar sehr wenig für anonyme Kollektive und ihre Funktionäre übrig hat, dafür aber um so bessere Lösungen für den Arbeiter als Menschen und die Besserung der Stellung der sozial Schwachen bietet. Wir sind von dem Glauben erfüllt, daß die Lösung der sozialen Frage die politische Aufgabe dieser Jahre ist, und wir werden danach handeln. Wir glauben aber nicht, daß man das Los der Arbeiter und der sozial Schwachen durch Gründung kollektiver Machtpositionen, Machthäufung beim Staate und Anwendung überlebter Theorien bessern kann.
Herr Dr. Schumacher hat weiter ausgesprochen, der Herr Bundeskanzler habe die soziale Leistung von einer Wirtschaftsblüte abhängig gemacht, die nicht schnell realisiert werden könne. Wir räumen der Wirtschaft kein Primat vor der sozialen Gerechtigkeit ein. Ich muß aber unsere wiederholt ausgesprochene Meinung dahin nachdrücklich unterstreichen, daß eine gute Wirtschaftspolitik die beste Sozialpolitik ist; denn niemand kann auch in Deutschland mehr verteilen, als laufend erzeugt wird. Der wesentliche Grund der englischen Krise liegt schließlich in der Tatsache, daß der britische Wohlfahrtsstaat mehr verteilt hat, als erzeugt wurde.
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Der Übergang zur Marktwirtschaft war deswegen auch eine soziale Tat, weil er die Produktion nachhaltig gesteigert hat. Selbst unter Abrechnung der seit der Währungsreform vorgenommenen Selbstfinanzierung kann schließlich von niemand geleugnet werden, daß seit dieser Zeit an Konsumgütern erheblich mehr für die Lebenshaltung des Volkes zur Verfügung gestellt worden ist als vorher.
Mit dieser zweiten allgemeinen Bemerkung bin ich aber schon mitten in der entscheidenden Auseinandersetzung. Die Opposition will nicht wahrhaben, daß der 14. August der Regierung und den Regierungsparteien ein klares Mandat für die Fortsetzung der Frankfurter Wirtschaftspolitik gegeben hat.
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Die Ehrlichkeit sollte gebieten, meine Damen und Herren, anzuerkennen, daß das so ist.
Herr Dr. Schumacher hat als die Aufgabe, vor der wir stehen, die Erhöhung des Produktionsvolumens um grob geschätzt ein Drittel bezeichnet. Ich will mich hier auf keine Zahl festlegen, aber im Prinzip ist die Aufgabenstellung völlig richtig gesehen. Es bleibt nun ein Geheimnis der Opposition, warum sie die Frankfurter Wirtschaftspolitik verurteilt, obwohl dieselbe den Weg der Produktionserhöhung seit dem ersten Tage Monat für Monat gegangen ist, obwohl sie die Produktion mehr als verdoppelt hat und immer steigend im August 1949
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bei 91 Prozent der Produktion von 1936 angelangt ist. ({7})
Inwiefern Herr Dr. Schumacher bei solchem Tatbestand in seiner großen Rede vom schrumpfenden Sozialprodukt redet, bleibt sein Geheimnis.
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Es kann weiter nicht geleugnet werden, daß der Reallohn, der weiß Gott für bestimmte Schichten immer noch niedrig genug ist, seit der Währungsreform ganz unverkennbar bedeutend gestiegen ist.
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Die Entgleisungen infolge einer fehlerhaften Währungsreform sind seit der Jahreswende weitgehend aufgefangen. Das Ausmaß der Lebenshaltungskostensenkung seit der Jahreswende bis August 1949 beträgt 6 Prozent, wozu noch die seit diesem Zeitpunkt erfolgte Erhöhung des Nominallohns kommt. Auch hier muß ich beanstanden, daß Herr Dr. Schumacher vom sinkenden Reallohn spricht. Hier haben wir wieder eine unrichtige Behauptung, die ich aus dem Munde des Parteivorsitzenden der zweitgrößten Partei nicht gern höre.
Die Opposition scheint, wenn ich die Herren richtig verstanden habe, das Problem dadurch lösen zu wollen, daß durch eine Preisverbilligung die Massenkaufkraft gehoben wird. Das ist eine sehr schöne Forderung, der man sehr begeistert zustimmen wird. Man muß aber auch sagen, wie man das machen will. Das Mittel des Herrn Abgeordneten Dr. Schumacher lautet: Konzentration der wirtschaftlichen Kräfte und der Rationalisierungspotenzen auf Massengüter, Planung in der Reihenfolge der Wichtigkeit der Güter, völlige Abkehr von der Produktion von Luxusgütern, Kontrolle und Lenkung der Rohstoffe und Kontrolle der Kreditverwendung.
Der Abgeordnete Ollenhauer hat diese Gedankengänge unterstrichen. Ich finde in solcher Vorstellung vom richtigen Wege zur Preisverbilligung als Mittel der Produktionserhöhung nichts als das Herausholen alter Ladenhüter aus der glücklich gerade hinter uns gebrachten Zeit. Das ist doch ein so tiefer Eingriff in die gerade zurückgewonnene wirtschaftliche Bewegungsfreiheit, daß wir auf diesem Wege im Handumdrehen wieder bei der Planwirtschaft aus der Zeit vor der Währungsreform angelangt sein würden, wenn auch der Abgeordnete 011enhauer erklärt hat, daß er das gerade nicht will. Meine Damen und Herren, gehört angesichts der eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet und angesichts des Debakels, das zur Zeit in England offenbar wird, nicht geradezu der Mut der Verzweiflung dazu, uns hier erneut solche Empfehlungen zu machen? Die Pfundabwertung bedeutet doch gar nichts anderes, als daß die Kosten des englischen Wohlfahrtsstaates zu einem 'Teil auf das Ausland abgewälzt werden.
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Wenn das Realeinkommen und damit der deutsche Lebensstandard durch die Abwertung beeinträchtigt werden sollten, dann möge sich die deutsche Bevölkerung der Tatsache bewußt sein, daß sie damit zur Tragung der Kosten des von der Opposition uns so angepriesenen Wirtschafts- und Sozialexperiments beiträgt. Wir in Deutschland hatten keine Abwertung nötig. Wir haben gearbeitet und nicht mehr verbraucht, als da war.
Was heißt es denn überhaupt, wenn von der Opposition eine Konzentration der wirtschaftlichen Kräfte auf Massengüter und eine Planung in der
Reihenfolge der Wichtigkeit der Güter verlangt wird? Heute wird in Deuschland jede Nachfrage auch nach Massengütern abgedeckt. Wo heute die Marktwirtschaft herrscht, dort allein gibt es Preisrückgänge und keinen schwarzen Markt. Wo aber an der Bewirtschaftung festgehalten worden ist, liegen auch die Preise fest und gibt es auch noch einen schwarzen Markt. Man zeige uns doch nur ein einziges Land in der Welt, wo die Planwirtschaft sich bewährt hätte! Nein, meine Damen und Herren, die soziale Marktwirtschaft hat die Zukunft für sich, nicht aber das Museumsstück der gelenkten Planwirtschaft. Es wird allerdings von unseren Gegnern immer wieder mit Fleiß versucht, das Wesen der sozialen Marktwirtschaft umzudeuten. Mein Fraktionsfreund Blank hat am Freitag sehr deutlich dargetan, was wir unter solcher Marktwirtschaft verstehen. Ich kann mich hier ganz wesentlich auf ihn beziehen und möchte nur ergänzend und unterstreichend folgendes zu. dem Thema sagen.
In der von uns vertretenen sozialen Marktwirtschaft haben wir eine Wettbewerbsordnung hergestellt, in der ein echter Leistungswettbewerb bei gleichen Chancen und fairen Wettkampfbedingungen in freier Konkurrenz die bessere Leistung hervorbringt und in der besseren Leistung belohnt wird. Wir legen den Ton auf bessere Leistung und sind der Meinung, daß gerade unser Volk ein sehr feines Organ dafür hat, darauf angesprochen zu werden, daß wir in erster Linie durch Arbeit und Leistung aus unserer Not herauskommen müssen.
In einer solchen Wirtschaft bedarf es allerdings wie in jeder Wirtschaft eines Ordnungsprinzips, welches das Zusammenwirken aller Beteiligten regelt. Dieses Steuerungsmittel ist der marktgerechte Preis, der dadurch entsteht, daß Kaufkraft O und angebotene Gütermenge auf dem Markt zum Ausgleich gebracht werden. Nicht eine lenkende Behörde, nicht Bezugscheine, nicht Beschlagnahme, auch nicht Kontrolle und Straforgane sollen Produktion und Verteilung lenken, sondern das soll nach unserer Meinung der Verbraucher selber tun. Er soll in einer echten demokratischen Abstimmung, dargestellt durch die vielen Hunderttausende täglicher Kaufabschlüsse, bestimmen, was er verbrauchen will, und damit indirekt auch, was produziert werden soll. Die von der Opposition angesprochenen breiten Massen bestimmen damit selber, was sie für Bedürfnisse haben und wo die Grenze für die Produktion von Luxusgütern liegt.
Meine Damen und Herren, denken Sie bitte auch einmal daran, daß keine Lenkung der von Ihnen gewünschten Art den Staatsanwalt und die Polizei entbehren kann. Je mehr der Staat lenkt und plant, um so mehr muß er seine Polizeigewalt aufbauen.
Wichtige Vorbedingung dafür, einen marktgerechten Preis herbeizuführen, ist ein geordnetes Geldwesen. Alle Versuche, die Funktionsfähigkeit des Preises abzubauen oder gar unser Geldwesen in Unordnung zu bringen, werden daher immer unserer schärfsten Ablehnung begegnen. Der echte Leistungswettbewerb funktioniert durch Belohnung der guten und der besseren Leistung gemäß der Entscheidung der Verbraucher, nicht aber durch planwirtschaftlichen Befehl von oben oder gar durch Verleihung einer goldenen Fahne oder durch das Hennecke-System. Im Rahmen des echten Leistungswettbewerbs steigt die Produktion. Mit steigender Produktion kann bei richtiger Geldpolitik Preissenkung und damit Erhöhung des Reallohns erreicht werden.
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Der Leistungswettbewerb ist aber nicht das einzige Mittel der sozialen Marktwirtschaft. Die soziale Marktwirtschaft will keinen Rückfall in die freie Wirtschaft alter Art. Um das zu erreichen, ist zur Sicherung des Leistungswettbewerbs die unabhängige Monopolkontrolle nötig. Denn so wenig wie der Staat oder halböffentliche Stellen die gewerbliche Wirtschaft oder einzelne Märkte lenken sollen, dürfen Privatpersonen oder private Verbände derartige Lenkungsaufgaben übernehmen. Der Herr Abgeordnete Dr. Schumacher und die Abgeordnete Frau Wessel haben hier an dieser Stelle ihr Mißtrauen geäußert, ob es zu einem Antimonopolgesetz kommt. Ich glaube mich hier mit dem Herrn Wirtschaftsminister einig, wenn ich erkläre, daß dem Hohen Hause ein solches Gesetz sehr bald vorgelegt werden wird.
Die soziale Marktwirtschaft bejaht weiter aber auch die planvolle Beeinflussung der Wirtschaft mit den organischen Mitteln einer umfassenden Wirtschaftspolitik auf Grund einer elastischen Marktbeobachtung. Diese Wirtschaftspolitik führt in sinnvoller Kombination von Geld-, Kredit-, Handels-, Zoll-, Steuer-, Investitions- und Sozialpolitik sowie anderen Maßnahmen dazu, daß die Wirtschaft in Erfüllung ihrer letzten Zielsetzung der Wohlfahrt und der Bedarfsdeckung des ganzen Volkes dient. Sie sehen, meine Damen und Herren, der entscheidende Unterschied unserer Auffassung gegenüber unserer Wirtschaftsordnung alter liberaler Prägung ist absolut vorhanden. Wir lassen den einzelnen, Produzent und Verbraucher, frei; aber wir pflegen den Garten unserer Volkswirtschaft, in dem beide wurzeln.
Gestatten Sie mir, an dieser Stelle etwas zur Eigentumsordnung, zur Gewinnbeteiligung und zur ) Mitbestimmung in den Grundstoffindustrien zu sagen. Ich glaube feststellen zu dürfen, daß sich unser wirtschaftspolitisches Denken in einem sehr entscheidenden Punkte sehr wesentlich geändert hat. Das Sozialprodukt kommt nicht nur durch die Leistung des Kapitalisten zustande - diese Auffassung beherrscht noch das geltende Aktienrecht -; das Sozialprodukt entsteht aus dem Zusammenwirken von Kapital, Arbeit und Unternehmerleistung. Auf keine dieser drei Kräfte kann verzichtet werden; sie sind alle gleichermaßen notwendig und stehen auch in keinem Gegensatz zueinander. Wenn dem aber so ist, meine Damen und Herren, dann haben alle drei Kräfte einmal Anspruch auf Anteil am Gewinn und zum andern das Recht auf Mitbestimmung, Mitberatung und Mitwirkung bis zu der selbstverständlichen Grenze, daß die echte Unternehmerverantwortung gewahrt und gesichert wird. Es kommt hier allerdings auf ein echtes Mitbestimmungsrecht betriebszugehöriger Arbeiter, nicht aber auf das Mitbestimmungsrecht betriebsfremder Funktionäre an.
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Die Stellung des Eigentümers in der Großwirtschaft bekommt bei solchem Denken einen ganz andern Inhalt. Der Hauptangriff gegen das Großkapital ging gegen seine Machtstellung; Monopolkontrolle und Aufteilung der gesellschaftlichen Rechte haben dem Kapital bereits seine wesentliche Machtstellung genommen. Wir dürfen und können sie aber nicht dadurch neu entstehen lassen, daß wir einen neuen Monopolkapitalismus beim Staate schaffen. Für eine solche Form der Neuordnung bietet auch der englische Vorgang ein sehr schlechtes Beispiel. Es darf auch nicht durch Sondervermögen gebildet und durch Treuhänder verwaltet werden. Wenn der Herr Bundeskanzler daher erklärt hat, daß eine Neuordnung der Besitzverhältnisse in den Grundindustrien notwendig sei, so hat die CDU mit der Aufstellung ihres Machtverteilungsprinzips bereits vor zwei Jahren im Ahlener Programm den Weg gewiesen.
Der Herr Abgeordnete Ollenhauer hat nun hier zum Ausdruck gebracht, daß in allen Lagern in der Frage der Sozialisierung verschiedene Auffassungen bestehen. Ich halte diese Erklärung, deren Inhalt mir nicht fremd ist, für wesentlich. Sie bietet die Möglichkeit zu Gesprächen.
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Was die besonders von den Gewerkschaften geforderte Mitbestimmung in der Wirtschaft anlangt, so hat der Herr Bundeskanzler gefordert, daß die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zeitgemäß neu geordnet werden. In der Bestätigung der Koalitionsfreiheit liegt auch die Anerkennung der Gewerkschaften eingeschlossen. Ich erkenne gern an, daß die Gewerkschaften bei den Preissteigerungen des vergangenen Winters mit Ausnahme eines Sonderschrittes ein großes Maß von Einsicht und guter Disziplin gehalten haben.
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Soweit ihnen in Zukunft Mitverantwortung in der Wirtschaft übertragen wird, muß sie übernommen werden im Rahmen der Mitverantwortung anderer gleichgeordneter Wirtschaftsverbände wie Arbeitgeberverbände, Organisationen des gewerblichen Mittelstandes, freie Berufe usw. Es muß aber ganz klar ausgesprochen werden, daß alle politischen Entscheidungen eindeutig beim Parlament bleiben müssen. Hier hat der Arbeitnehmer die gleichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger, die er durch den Stimmzettel ausübt.
Soziale Marktwirtschaft mit echtem Leistungswettbewerb, mit Monopolkontrolle, mit planvoller Beeinflussung der Wirtschaft und den organischen Mitteln einer umfassenden Wirtschaftspolitik, Beteiligung am Gewinn, Mitbestimmung im Betrieb und die Mitbestimmung der Gewerkschaften und Verbände in der Selbstverwaltung das sind unsere Mittel einer Wirtschafts- und Sozialpolitik, von der niemand, der es ernst mit seiner Verantwortung in Regierung und Opposition meint, behaupten kann, daß sie nicht in einem hohen Maße die sozialen Interessen der arbeitenden Schichten mit einer geradezu revolutionären Gestaltungskraft vertrete.
Lassen Sie mich hier etwas zum Problem der Vollbeschäftigung im Rahmen der kurzen mir zur Verfügung stehenden Zeit sagen. Auch wir bejahen die Notwendigkeit, die Wirtschaft in einem Zustand der Vollbeschäftigung zu erhalten. Für uns ist aber die Vollbeschäftigung nicht ein ökonomisches Prinzip, sondern sie ist ein volkswirtschaftliches Ziel. Auf unsere Lage übertragen bedeutet das, daß nicht die Erhaltung des seit der Währungsreform ungefähr gleichbleibenden Beschäftigungsstandes, sondern seine nachhaltige Ausweitung die Aufgabe ist. Eine Ausweitung der Produktion aber ist nicht mit den Mitteln bloßer Planung und Kontrolle der Investierungen, sondern nur mit der Aufbringung zusätzlicher Mittel für die Investierungen zu schaffen. Die Vollbeschäftigung in dieser dynamischen Auffassung führt also zum Kapitalproblem. Die Neubeschaffung von Arbeitsplätzen für die Millionen von Vertriebenen ist nicht zuletzt eine Kapital({15})
irage. Der sozialdemokratische Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Herr Preller, hat die Kosten für die Schaffung eines einzigen Arbeitsplatzes zur Aufnahme eines Vertriebenen auf 5000 DM beziffert.
Der Zustand der Vollbeschäftigung ist zur Zeit nicht erreicht. Damit komme ich zur Arbeitslosigkeit. Das Steigen der Arbeitslosenziffer ist nicht gleichbedeutend mit der Schrumpfung des Beschäftigungsstandes. Die Zahl der Beschäftigten seit der Währungsreform ist im großen und ganzen gleich geblieben. Die Gesamtzahl der Arbeitnehmer ist dagegen um rund 750 000 gestiegen. Ein großer Teil der Arbeitslosigkeit ist in der Flüchtlingsfrage begründet, als solche bedingt durch Wohnungsmangel und fehlende Freizügigkeit. Auf der anderen Seite muß festgestellt werden, daß in dem Wirtschaftsbereich, der freigegeben wurde, 600 000 Arbeitnehmer zusätzlich in Arbeit kamen, während in dem Bereich, der noch der Bewirtschaftung unterliegt, eine gleiche Menge freigestellt worden ist.
Herr Dr. Schumacher hat nun weiter die orthodoxe Geldpolitik der Bank deutscher Länder kritisiert. Ich gebe zu, daß in einer zu orthodoxen Handhabung der Geldpolitik Gefahren liegen können. Eine aktive Konjunkturpolitik kann aber niemals ein Allheilmittel sein. Die Grenze liegt hier in der Gleichschaltung von Nominaleinkommen und Güterproduktion. Ich verweise an dieser Stelle auf das neueste Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates der Verwaltung für Wirtschaft, dessen Ausführungen ich voll unterstreiche. Wer das Rezept der Kreditausweitung empfiehlt, darf aber auch nicht verschweigen, daß es nur bei einem rigorosen Lohntop funktionieren kann; sonst bilden sich die nflationistische Kaufkraftaufblähung und der aufgestaute Kaufkraftüberhang, und es wird auch der Opposition bestimmt nichts daran gelegen sein, uns das Gespenst des Herrn Dr. Schacht hier neu zu empfehlen.
Also das Problem bleibt, welche Kapitalmittel der deutschen Volkswirtschaft zur Verfügung gestellt werden können. Entscheidend für die Höhe der uns zur Verfügung stehenden Investitionsmittel ist die Kapitalbildung durch echtes Sparen. Auch Herr Dr. Schumacher hat darauf hingewiesen, daß an ausländischen Krediten kaum etwas zu erwarten ist, wenn nicht mindestens die gleichen Beträge aus eigener Kraft aufgebracht werden. Darin unterscheiden wir uns dann allerdings, daß wir diese Kapitalbildung weitgehend in die Hand des Verbrauchers und Sparers, nicht aber über den Steuertarif und andere Zwangsmaßnahmen in die Hand des Staates legen wollen. Dieser Weg ist uns zu teuer und zu schwerfällig und er betrügt den Steuerzahler um Vorteile, die er als Sparer für die Aufbringung der gleichen Beträge erhält.
Auch in diesem Zusammenhang lautet daher unsere Forderung nicht nur auf Umbau unseres Steuersystems, sondern auf nachhaltige Senkung unserer Steuersätze. Unsere heutigen Steuersätze bestrafen die Leistung und hemmen damit die Erhöhung unserer volkswirtschaftlichen Produktion. Wer eine solche Erhöhung will, muß die Fesseln des überhöhten Steuertarifs lockern. Wer über Steuerunehrlichkeit klagt, sollte sich vor Augen halten, daß der Staat diejenigen als Steuerzahler hat, die er nach der Gerechtigkeit seines Steuersystems verdient.
Wir bejahen auch den sozialen Wohnungsbau. Ich kann auch hier in vollem Umfang auf unsere Düsseldorfer Leitsätze verweisen, um meine Darlegungen zu kürzen und nicht zu weite Ausführungen machen zu müssen. Wir stimmen aber dem Herrn Bundeskanzler sehr überzeugt zu, wenn er ausgesprochen hat, daß sich das private Kapital wieder des Wohnungsbaus bemächtigen muß. 95 Prozent der vorhandenen Wohnungen sind einst von privatem Kapital erstellt worden. Das sollte man nicht vergessen. Es gehört auch zu dem kleinen volkswirtschaftlichen Einmaleins, daß die wichtigste Voraussetzung für die Errichtung von Wohnungen darin besteht, daß wir für Neubauten auf eine Miete kommen, welche die Kosten deckt. Darauf kann kein Bauherr verzichten, sei er eine öffentliche Körperschaft, sei er ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen, sei er ein Privatmann. Wollte man statt dessen den Wohnungsbau subventionieren, wie es offenbar viele wollen, dann müßten die Mittel hierfür aus den gleichen Quellen aufgebracht werden wie die Mieten, nämlich aus den breiten Schichten unseres Volkes. Ich halte Subventionen lediglich bei der Seßhaftmachung der Vertriebenen für möglich und auch für nötig. Wesentlich erscheint mir hier auch die Erhöhung der Ballkapazitäten Auf diesem Gebiet kann man übrigens überraschende Feststellungen machen. Das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung hat jüngst 100 000 Wohnbaustellen bei der Bauarbeit statistisch ermittelt. Das sind 200 000 Wohnungen, davon die Hälfte Neubauten. Hier haben wir die überraschende Bestätigung der Überlegenheit der privaten Initiative; denn alle Planungen für dieses Jahr bei den Gewerkschaften, den gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmungen und auch bei allen politischen Parteien haben nur eine Kapazität von 150 000 Wohnungen als erreichbar bezeichnet. Wir fordern vor allen Dingen auch die Beseitigung der bürokratischen Erschwerungen des Wohnungsbau und der Verteurung durch Sondersteuern, Gebühren und Abgaben. Im Altbau ist weitgehend eine Lockerung der Zwangswirtschaft anzustreben. Die heutige Zwangswirtschaft einschließlich der Art der Mietpreisbildung ist zu einer völlig unsozialen Verzerrung der Wohnungsverteilung geworden. Wir werden auch hier sehr bald mit konkreten Vorschlägen hervortreten.
Meine Damen und Herren, das ist es, was ich im Rahmen der knappen mir zur Verfügung stehenden Zeit zu sagen habe.
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- Entschuldigen Sie, das hat Herr Dr. Schumacher auch getan!
Wir sind entschlossen, den Weg der sozialen Marktwirtschaft weiterzugeben. Wir sehen in Professor Erhard den echten Vertreter einer europäischen Wirtschaftspolitik,
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weil nur ein echter Leistungswettbewerb die Angleichung der europäischen Wirtschaften ermöglicht, während eine nationale wohlfahrtsstaatliche Wirtschaft eine gesunde internationale Arbeitsteilung ausschließt. In diesem Sinn waren die Wahlen vom 14. August 1949 ein erfreuliches Bekenntnis.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Frey.
Meine Damen und Herren! Gegen alle wirtschaftliche Vernunft ist das deutsche Volk durch die Abtrennung seiner fast rein landwirtschaftlichen Provinzen östlich der OderNeiße-Linie und durch die Vertreibung der dort
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seit Jahrhunderten ansässigen Bevölkerung und ihre Zusammendrängung auf dem verbliebenen Gebiet in Bedingungen versetzt, die im bisherigen Verlauf der Geschichte - so kamt man wohl sagen -- ohne Beispiel sind. Durch diese Situation hat Deutschland etwa den gleichen Zuschußbedarf an Nahrungsmitteln wie Großbritannien. Wenn nun England als Kern eines breit gelagerten Weltreichs Schwierigkeiten in der Nahrungsmittelversorgung hat und gewaltige Anstrengungen zur Erhöhung der eigenen Produktion macht, wieviel bedrohlicher muß dann jedem klar denkenden Deutschen unsere eigene Lage erscheinen!
Die Nahrungsmittelversorgung Westdeutschlands ist abhängig von dem Ausfall der Ernten in den Vereinigten Staaten und von der Bereitwilligkeit des amerikanischen Kongresses, Etatmittel für unsere Nahrungsmitteleinfuhr zur Verfügung zu stellen, und von den Entscheidungen der leitenden Männer des Marshallpians. Meine Damen und Herren, das ist auf die Dauer ein unerträglicher Zustand. Es geht nicht an, daß ein ganzes Volk durch etwaige plötzliche Veränderungen in seiner politischen und wirtschaftlichen Umwelt in lebensbedrohlichen Hunger gestürzt werden kann. Diese Gefahr abzuwenden, muß die dringendste Aufgabe der deutschen Staatsführung sein.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung bereits aufgezeigt - und das ist auch hier und dort bei allen übrigen Kollegen in ihren Reden angeschnitten worden -, daß uns in dieser bedrohlichen Lage letztlich nur die Ausschöpfung aller noch zur Verfügung stehenden Reserven in der Land- und Forstwirtschaft, das heißt also eine intensive landwirtschaftliche Produktionssteigerung retten kann. Daraus aber, meine Damen und Herren, ergeben sich eine ganze Reihe von Prinzipien für eine konstruktive Agrarpolitik und Erfordernisse und Voraussetzungen, die unbedingt vorher erfüllt sein müssen.
Das erste Erfordernis ist ein gut funktionierendes Preissystem. Die Landwirtschaft will durchaus kein Sonderrecht für sich in Anspruch nehmen, aber sie erwartet doch mit aller Entschiedenheit, daß ihr dieselben Bedingungen und Voraussetzungen zuerkannt werden wie jedem anderen Wirtschaftszweig auch. Dazu gehört, daß die Preise der Produktionsmittel und besonders auch die Kosten der Arbeitskräfte für die Landwirtschaft im Preis der landwirtschaftlichen Produkte wieder hereinkommen. Für die Arbeitskräfte beansprucht die Landwirtschaft dieselben sozialen Bedingungen, vor allem auch für die Arbeiter dieselben Löhne wie in der einschlägigen Industrie. Preisgerechtigkeit und richtige Preisrelation müssen also gegeben sein. Nichts erträgt die Landwirtschaft schlechter als ein Auf und Ab der Preise. Was sie zu ihrer Erzeugung am dringendsten braucht, ist eine gewisse Stetigkeit im Preis und damit auch eine Stetigkeit in der Betriebsführung, da sich ihre Produktion ja immer über einen langen Zeitraum erstreckt und sie ihre Produktion nicht nach der jeweiligen marktbedingten Lage von Monat zu Monat ändern kann. Ohne die Erfüllung dieser Bedingungen gibt es keine Mehrerzeugung von Nahrungsmitteln. Darüber muß man sich vollends im klaren sein. Die Erfüllung dieser Vorbedingung aber steht in keinem Verhältnis zu den volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten und zu den technischen Möglichkeiten einer landwirtschaftlichen Produktionssteigerung. Ein staatliches Bewirtschaftungssystem, das selbst ohne Vertrauen zu seinen
papierenen Verordnungen steht, kann das Problem keinesfalls lösen.
Zur Lösung des Problems bedarf es vor allen Dingen einer sinnvollen Regelung der Importe, und es muß meines Erachtens eine der vordringlichsten Aufgaben der Mitglieder dieses Hohen Hauses sein, die bestehende Agrargesetzgebung baldigst im Sinne eines produktionsfördernden Anreizes zu revidieren und neu zu gestalten. Diese Produktionssteigerung gewinnt auch heute im Zeichen der Währungsabwertung und des verteuerten Kaufs im Ausland eine besondere Bedeutung. Hierhin gehört ebenso eine sinnvolle Gesetzgebung zur Regelung des inneren Marktes auf der Basis einer freiwilligen Ordnung, etwa im Sinne der Milchverwertungsgesetzgebung vom Jahre 1928 und vom Jahre 1932. Solange aber der Weltmarkt in Teilmärkte mit ganz verschiedenem Preisniveau zerrissen ist und noch einzelstaatlichen Planungen unterliegt, die durch politische Ziele und die devisenwirtschaftliche Zwangslage bestimmt sind, können normale Bedingungen für das innerdeutsche Angebot nur hergestellt werden, wenn jene Störungen von außen, die bald die Produzenten, bald die Konsumenten benachteiligen, durch eine Einfuhrregelung im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft neutralisiert werden. Denn, meine Damen und Herren, für die Konsumenten ist das eigene Brot, auf eigener Scholle gewachsen, auf die Dauer immer das sicherste und dann sicher auch das billigste.
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Die Handelspolitik in bezug auf die Landwirtschaft muß in neue Wege geleitet werden. Während wir gegenüber unserem Hauptlieferland, den USA, ein Dollardefizit haben, das nicht ausgeglichen werden kann, versuchen unsere Nachbarländer, ihre Käufe von uns mit ihren Verkäufen an uns aufeinander abzustimmen. Das bedeutet aber eine viel stärkere Verkoppelung von Industrieausfuhr und Agrareinfuhr in Europa, als sie jemals früher bestanden hat. Der kürzlich getätigte Handelsvertrag mit Holland ist in seiner Auswirkung das gerade Gegenteil zum Anreiz einer deutschen landwirtschaftlichen Erzeugungssteigerung. Er ist vielmehr der Weg zur Verelendung unseres gesamten hochintensivierten westdeutschen Obst- und Gemüsebaus. Die heutige handelspolitische Tendenz geht überhaupt dahin, die Einfuhren von Veredelungsprodukten der Viehwirtschaft und von Obst und Gemüse aus unseren Nachbarländern zu vermehren. Wir werden immer mehr mit den Produkten beliefert, die wir leicht und gut selbst produzieren könnten, und der bäuerlichen Wirtschaft - das ist sehr wichtig - wird immer mehr ihr Arbeitseinkommen entzogen.
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Die gegenteilige Tendenz muß zum Zug kommen. nämlich erhöhte Einfuhr von Futtergetreide und Futtermitteln, damit wir selber veredeln können, um damit Devisen für die teueren Veredlungsprodukte zu sparen, vor allem aber, um unsere Grundnahrungsmittel für das Volk - nämlich Brotgetreide und Kartoffeln - aus dem landwirtschaftlichen Betrieb herauszuholen und sie vor dem Futtertrog zu bewahren.
Meine Herren Abgeordneten! Das sind im wesentlichen die Grundsätze einer Agrar- und Wirtschaftspolitik, die der notwendigen landwirtschaftlichen Intensivierung Raum und Möglichkeiten geben. Die Hebung des Leistungsdurchschnitts der Landwirtschaft ist bekanntlich sehr schwierig.
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In einem Beruf, in. dem sich schon in normalen Zeiten das investierte Kapital nur mit 21/2 Prozent verzinst, fehlen der Anreiz und das Kapital für eine weitere Intensivierung. Eine wohldurchdachte und ins einzelne gehende Beratung und Förderung muß deshalb einsetzen, um heute eine Produktionssteigerung, und zwar bei allen Betriebsgrößen, zu erreichen. Es muß aber eine Beratung gefordert werden, die vom Vertrauen der Bauern getragen ist. Voraussetzung für dieses Vertrauen ist, daß die Beratung nur privatwirtschaftlich richtige Ratschläge gibt und daß sie technisch richtig aufgezogen ist. Privatwirtschaftlich richtig, sagte ich. Meine Damen und Herren, hören wir doch endlich auf, ernährungs- oder volkswirtschaftliche Notwendigkeiten nur über die Beratung erreichen zu wollen! Der einzige Motor für wirtschaftliche Leistung ist der wirtschaftliche Erfolg. Wir müssen in der gesamten Agrarpolitik dem Grundsatz zum Durchbruch verhelfen, daß das, was volkswirtschaftlich notwendig ist, auch privatwirtschaftlich richtig sein muß. Wenn diese Voraussetzung geschaffen ist, werden wir mit einer technisch richtigen Beratung auch Erfolg haben. Zu diesem Zwecke sind für bestimmte Maßnahmen staatliche Zuschüsse erforderlich.
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Der Berater stößt dann nicht mehr auf die unüberwindliche Schwierigkeit, daß zur Durchführung seiner Ratschläge die Mittel fehlen. Solche Maßnahmen, die ich Sofort-Produktiv-Beratung nennen will und die durch Beihilfen gefördert werden müssen, sind vor allem die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit durch Bodenuntersuchungen und auf Grund dieser Untersuchungen notwendige Gesunddüngungen, genossenschaftliche Getreidereinigungs-
und -beizanlagen sowie eine durchgreifende Schädlingsbekämpfung. Ein besonders wichtiges Kapitel ist die Bekämpfung der Rindertuberkulose, der Unfruchtbarkeit des Rindes und die Durchführung der freiwilligen Milchleistungskontrolle - Flurbereinigung und Meliorationen sind hier schon des öfteren genannt worden -, Wiederaufforstung von Kahlflächen bzw. ungenügend bewirtschafteten Waldflächen, Gründung genossenschaftlicher hauswirtschaftlicher Gemeinschaftsanlagen, um das harte Los unserer Bäuerin zu verbessern.
Auch die Bodenreform, die der Herr Abgeordnete Dr. Schumacher in der Regierungserklärung vermißt hat, wie er sagte, muß als wichtiges bevölkerungs- und wirtschaftspolitisches Problem sinnvoll in den Rahmen der allgemeinen landwirtschaftlichen Produktionssteigerung eingegliedert werden. Wir sind der Meinung, daß diese Frage von einer so eminent soziologischen und wirtschaftlichen Bedeutung ist, daß sie einmal im Plenum gesondert behandelt werden muß.
Das sind die Maßnahmen, deren Förderung ich für äußerst dringlich halte. Ich möchte aber, daß alle Mittel, die zur Verfügung stehen, konzentriert auf diese wenigen Aufgaben verwandt und unter keinen Umständen verzettelt werden. Ihnen, meine Herren Abgeordneten, mögen solche Forderungen angesichts unserer allgemeinen Not vielleicht übertrieben erscheinen. Ich behaupte, daß es angesichts unserer Not Mindestforderungen sind. Wenn es uns in Westdeutschland gelingt, die landwirtschaftliche Erzeugung nur um zehn Prozent zu steigern, werden wir eine Milliarde an Devisen sparen. Ich glaube, daß dieses Ziel jeden Einsatz lohnt und jeder anderen Maßnahme vorangehen muß, so bitter notwendig sie auch sein mag. Wir müssen uns darüber klar sein, daß wir ganz erhebliche Mittel für die Intensivierung anfordern müssen, wenn wir bei der Beendigung des Marshallplans nicht verhungern wollen. Dies hat nichts mit den früheren Subventionierungen zu tun, sondern liegt unseres Erachtens auf derselben Linie wie die öffentlichen Förderungsmaßnahmen, die der Staat auch anderen nationalen Produktionszweigen, zum Beispiel dem Bergbau, zukommen läßt Ich glaube nicht, daß für Intensivierungsbeihilfen, auf den Kopf der Bevölkerung gerechnet, zehn Mark ausreichen werden. Aber diese Beträge werden vielfältig aus dem deutschen Boden zurückfließen und der gesamten deutschen Wirtschaft und dem gesamten Volk zugute kommen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Meine Damen und Herren! Das Flüchtlingsproblem hat sowohl in der Regierungsklärung als auch in der anschließenden
Debatte einen verhältnismäßig breiten Raum eingenommen. Ich möchte das als erfreulichen Auftakt für die Arbeiten dieses Parlaments und auch der Bundesregierung hinstellen. Ich kann auf eine weitere erfreuliche Tatsache hinweisen. Der Bundestag ist das erste Parlament, in das die Vertriebenen mit einer Zahl von Abgeordneten eingezogen sind, die ungefähr ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht.
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Etwa sechzig Heimatvertriebene und Flüchtlinge sitzen in den Reihen dieses Hohen Hauses. Wenn man sich vor Augen hält, daß beim ersten Zusammentritt des Wirtschaftsrats unter 52 Abgeordneten nicht ein Heimatvertriebener war, und daran denkt, daß auch im Parlamentarischen Rat unter 70 Abgeordneten nur ein Flüchtling zu finden war, so muß man hier doch einen sehr erfreulichen Fortschritt und ein politisches Novum höchst bedeutsamer Art feststellen. Die Augen der Vertriebenen sind auf Bonn gerichtet. Gerade diese Ärmsten unseres Volkes erwarten sehr viel vom Parlament, von der Bundesregierung und auch von ihren eigenen Abgeordneten. Von diesen erhoffen sie sich insbesondere, daß sie sich über alle Parteischranken hinweg zu gemeinsamer Arbeit für das Wohl ihrer Schicksalsgefährten zusammenfinden. Diese Hoffnung ist auch in einer Entschließung des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen zum Ausdruck gekommen, und ich glaube sagen zu können, daß dieser Wunsch auch von den Flüchtlingsabgeordneten selber einmütig geteilt wird. Schon die Vorbesprechungen im kleineren Kreise haben ergeben, daß der Wille zu dieser sachlichen Arbeit überall vorhanden ist, und ich kann eine solche Arbeitsgemeinschaft, die sich den parlamentarischen Gepflogenheiten anpassen und sich ohne feste Organisation von Fall zu Fall zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden wird, schon jetzt in sichere Aussicht stellen.
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Ich meine, es wird für die ganze Arbeit des Parlaments von Nutzen sein, wenn sich eine so große Zahl von Abgeordneten aus den Kreisen der Vertriebenen zur Arbeit zusammenfinden und sie sich auf diese Weise näherkommen.
Der Herr Abgeordnete Zawadil hat zum Ausdruck gebracht, und zwar mit Recht, daß wir in erster Linie Deutsche sein wollen und dann Flücht({2})
linge. Aber ich darf hinzufügen, daß die Arbeit für unsere Leidensgefährten der stärkste Antrieb unserer politischen Tätigkeit und ihre Interessen die oberste Richtschnur für unser politisches Handeln sein müssen. Das Vertrauen der Heimatvertriebenen wird auf die Dauer nur der behalten, der niemals bereit ist, ihre berechtigten Interessen parteitaktischen Erwägungen oder Anforderungen hintanzustellen.
Es ist hier im Laufe der Debatte mehrfach gegen den drohenden Radikalismus im Lager der Heimatvertriebenen gesprochen worden. Wer die Entwicklung der letzten Jahre auf diesem Gebiet aufmerksam verfolgt hat, kann sich eigentlich nur wundern, daß der Radikalismus nicht noch viel weiter vorgeschritten ist. Das Unrecht hat an der Wiege unseres Problems gestanden, und es ist den davon Betroffenen treu geblieben bis auf den heutigen Tag. Es begann mit der Ausweisung von Millionen unschuldiger Menschen aus der angestammten Heimat und setzte sich fort hier im Westen mit Benachteiligungen und Zurücksetzungen aller Art.
Ich sehe durchaus die Gesamtnot des deutschen Volkes. Das ist ja gerade das Furchtbare an dem Schicksal der Vertriebenen, daß sie hineingestellt sind in ein zerrissenes, zerstückeltes und zerstörtes, ohnmächtiges Vaterland. Wir wissen auch, daß wir in zahlreichen Fällen echter Menschenliebe und Menschenfreundlichkeit begegnet sind und daß viele Menschen und Stellen sich die größte Mühe gegeben haben, unser Los zu bessern. Aber ich muß doch sagen, daß das leider Ausnahmen sind und daß wir großen allgemeinen Unrechtstatbeständen gegenüberstehen, die wir anklagen müssen. Es hätte auch bei der trostlosen Gesamtlage unseres Volkes sehr viel mehr geschehen können. Wenn heute noch Hunderttausende in Lagern und in Bunkern menschenunwürdig hausen müssen, so hätte das nicht mehr zu sein brauchen. Wenn man vielerorts weniger darauf bedacht gewesen wäre, die guten Stuben zu bewahren, und mehr Wert darauf gelegt hätte, das gute Herz zu zeigen,
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dann hätten wir das wahrscheinlich schon überwunden.
Die Ostvertriebenen sind die einzige Volksgruppe, deren Angehörige bei der Währungsreform vollkommen leer ausgegangen sind. Vor einigen Tagen hat hier ein Abgeordneter darüber geklagt. daß die Sparguthaben nur mit 6,5 Prozent aufgewertet worden sind. Ich muß ihm entgegenhalten, daß unseren Schicksalsgenossen auch diese 6,5 Prozent vorenthalten worden sind,
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daß sie bis heute noch nicht die geringste Aufwertung für ihre Sparguthaben bekommen haben. Das mutet besonders merkwürdig an, wenn man sich vergegenwärtigt, daß sich auch hier wieder ein Unrecht gegen die richtet, die ohnehin schon alles verloren haben. Wir erwarten von der Regierung, daß eine ihrer ersten Maßnahmen sein wird, diesem Unrecht ein Ende zu setzen.
Wir haben mit Genugtuung aus der Erklärung des Kanzlers gehört, daß ein weiteres Unrecht, nämlich in der Behandlung der Ansprüche unserer Pensionäre und Hinterbliebenen, endlich ein Ende finden soll. Der Zonenbeirat hat schon am 14. Januar 1948 die Militärregierung einstimmig gebeten, diesem Unrecht ein Ende zu setzen, und es ist wirklich allerhöchste Zeit, daß das damals gegebene Versprechen der Militärregierung erfüllt wird.
Wir müssen auch fordern, daß man den aus dem Osten verdrängten Beamten die ihnen nach dem Beamtengesetz zustehenden Wartegelder nicht weiter vorenthält. Wir müssen fordern, daß man den Kündigungsschutz erweitert. Die Angestellten und Beamten aus dem Osten sind naturgemäß die ersten Opfer jeder Kündigung, die aus Gründen der Ersparnis oder aus anderen Gründen notwendig wird: sie sind zuletzt gekommen und werden zuerst entlassen. Wir wissen, daß der Anteil der Heimatvertriebenen an der Arbeitslosigkeit dreimal so groß ist wie der der einheimischen Bevölkerung. Wir erwarten daher, daß man auf diese besondere Situation auch bei der Bildung der Bundesregierung Rücksicht nimmt. Es entspricht der Gerechtigkeit, daß man in erster Linie an die aus dem Osten gekommenen Angestellten und Beamten denkt, die noch immer keine Beschäftigung gefunden haben.
Ganz besonders möchte ich die Aufmerksamkeit der Bundesregierung auf eine weitere Gruppe lenken: das sind die aus dem Osten verdrängten Bauern und Landwirte. Hier handelt es sich um eine Art von Menschen, die sich nur sehr schwer einem anderen Berufe zuwendet, die auch nicht die nötige Wendigkeit besitzt, um sich selbst irgendwie zu helfen, vor allem aber eine Gruppe, die den Verlust der Heimat doppelt schmerzlich empfindet und für die bisher nach meinen Erfahrungen am allerwenigsten getan worden ist. Was man bisher von Aktionen mit wüsten und auslaufenden Höfen und ähnlichem gehört hat, kann man noch nicht einmal als Tropfen auf den heißen Stein bezeichnen.
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Ich muß verlangen und erwarten, daß die Bundesregierung gerade dieser Frage ihre besondere Aufmersamkeit zuwendet, ein wirklich großzügiges Siedlungsprogramm in die Tat umsetzt und auch die dafür erforderlichen Geldmittel bereitstellt.
Denken Sie an das weitere Unrecht, das sich in der Art und Weise kennzeichnet, wie das Sofortprogramm gestaltet und gestartet worden ist. Acht Monate haben die Besatzungsmächte die Durchführung dieser wirklich dringenden Notmaßnahmen hinausgezögert, ehe sie sie in Kraft setzten; eine merkwürdige Art der Sachbehandlung, die wirklich geeignet war, den Vertriebenen auch das letzte Vertrauen zu nehmen. Und was ist bei der Sache denn eigentlich herausgekommen? Doch nur eine ziemlich unerhebliche Erhöhung der bisher gezahlten Unterstützungen! Dieses Sofortprogramm, dem man ja auch den Namen „Lastenausgleich" mit Recht entzogen hat, hat mit dieser Maßnahme wirklich nichts mehr zu tun. Es ist nichts anderes als ein vorweggenommener Finanzausgleich. Das Betrübliche daran ist zudem, daß die Beträge, die dafür aufgewendet werden, den Ostverdrängten und den anderen Krieggeschädigten verlorengehen, und wir müssen uns dagegen verwahren, daß aus diesen Mitteln die Wohlfahrtsetats der Länder, Kreise und Gemeinden allein auf Kosten der Kriegsgeschädigten entlastet werden. Das sind Aufgaben, die die Allgemeinheit zu tragen. hat, die aber mit dem Lastenausgleich nicht das geringste gemein haben.
Ein weiteres schweres Unrecht ist die Art und Weise, wie man unsere Organisationen behandelt
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hat. Es ist doch ein grotesker Zustand, daß man dieser am meisten geschädigten Volksgruppe seit Jahr und Tag noch die Möglichkeit genommen hat, sich zu gegenseitiger Hilfe zusammenzuschließen. Daher is es kein Wunder, meine Damen und Herren, wenn der Ruf nach der Flüchtlingspartei immer lauter geworden ist. Dieses Mal ist noch ein Erdrutsch verhindert worden, weil die Lizenz fehlte, weil die maßgeblichen Männer sich gegen diese Entwicklung gestemmt haben und weil insbesondere der Zentralverband davor gewarnt hat, den Weg der unabhängigen Kandidatur zu gehen. Es handelt sich hier um ein Problem von einer sehr erheblichen Größenordnung. 7,8 Millionen Flüchtlinge haben wir im Bundesgebiet. Das ist eine Masse, die, wenn sie zusammengefaßt wird, sehr wohl in der Lage ist, das politische Bild vollkommen zu verändern.
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Es gibt nur eins, was diese Entwicklung überhaupt noch aufhalten kann - und ich richte einen Appell an die Bundesregierung -: die Notmaßnahmen, die ich hier aufgezeigt habe, nunmehr unverzüglich in Kraft zu setzen. Mit Drucksache Nr. 29 haben wir einen solchen Antrag bereits eingereicht. Wir erwarten, daß die Bundesregierung von der Möglichkeit des Artikels 119 Gebrauch macht und alle diese Maßnahmen im Wege der Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats in Kraft setzt.
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Ich habe auch nicht der Flüchtlingspartei das Wort geredet, was Sie festgestellt haben müßten, wenn Sie meine Ausführungen mit Aufmerksamkeit verfolgt hätten, sondern ich habe nur auf eine Gefahr hingewiesen, der wir absolut ins Auge sehen müssen.
Wir müssen vor allem auch erwarten - und darin stimme ich mit dem Herrn Bundeskanzler überein -, daß der endgültige Lastenausgleich unverzüglich in Angriff genommen wird. Auch ich bin der Meinung, daß er leichter von einer blühenden Wirtschaft zu tragen sein wird, keinesfalls aber aus den Erträgnissen der Wirtschaft. Wir verlangen eine gerechte Neuverteilung der Lasten, die die Zufallsentscheidung des Krieges mit sich gebracht hat, aber diese gerechte Neuverteilung ist ohne Eingriff in die Vermögenssubstanz nicht durchführbar.
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Dem, der die Dinge etwas tiefer sieht, ist es völlig klar, daß in der ganzen Entstehung und Behandlung des Flüchtlingsproblems vom Osten her eine bestimmte politische Absicht erkennbar ist. Man hat uns unsere Ernährungsgrundlage genommen, man hat die 10 Millionen Menschen in das schon übervölkerte Westgebiet hineingepreßt, und durch die Zustände in der Sowjetzone sorgt man dafür, daß dieser Flüchtlingsstrom nicht versiegt; meiner Auffassung nach alles in der offenkundigen Absicht, bei uns unmögliche Zustände zu schaffen, einen ewigen Unruhe- und Zersetzungsherd zu unterhalten und dadurch Westdeutschland langsam, aber sicher für den Bolschewismus reif zu machen. Dieser Gefahr werden wir nur begegnen können, wenn wir die nicht zu leugnenden
großen sozialen Spannungen, die auf die Dauer nicht bestehen bleiben können,
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durch einen gerechten Lastenausgleich überwinden. Auch derjenige, der noch einen Besitzstand zu verteidigen hat, sollte sich sagen, daß selbst ein schmerzhafter Eingriff in die Vermögenssubstanz leichter zu ertragen ist als ein Zustand, der geschaffen würde, wenn die verzweifelten Millionen zur Selbsthilfe greifen würden.
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Das deutsche Volk hat hier seine große Bewährungsprobe abzulegen und mit dem deutschen Volk auch der deutsche Bundestag.
Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, daß wir zur Lösung unserer Frage internationale Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Darin kann man ihm nur beipflichten. Es wird insbesondere die Aufgabe des Herrn Flüchtlingsministers sein, seine Tätigkeit gerade nach dieser Richtung hin zu intensivieren. Aber es ist schon von anderer Seite gesagt worden, und ich möchte es doch noch einmal sagen: man kann auswärtige Hilfe erst dann in Anspruch nehmen, wenn man selbst die notwendigen eigenen Anstrengungen gemacht hat. Ich entnehme auch daraus eine Unterstützung des Appells, den ich eben an die Bundesregierung gerichtet habe.
Ich bin aber auch der Auffassung, daß selbst mit internationaler Hilfe eine wirkliche und echte Lösung des Flüchtlingsproblems nicht möglich sein wird. Der Herr Bundeskanzler hat mit Recht gesagt, daß 50 Prozent unseres Nahrungsmittelbedarfs oder noch mehr eingeführt werden müßten; er hofft, bis zum Jahre 1950 durch Intensivierung der Landwirtschaft einen Ausgleich der deutschen Wirtschaft herbeizuführen. Nach dem, was der Herr Vorredner hier eben gesagt hat, daß durch zehnprozentige Erhöhung unserer Erzeugung eine Milliarde erspart werden könnte, bin ich nicht so optimistisch wie der Herr Bundeskanzler. Wir brauchen weit über drei Milliarden, und ich glaube nicht, daß es möglich sein wird, unsere landwirtschaftliche Erzeugung derart zu steigern, und ebensowenig glaube ich, daß man uns einen Export in diesem Ausmaße gestatten wird. Wir können diese Spanne verringern, aber nicht beheben, und müßten also auf die Dauer Kostgänger der Alliierten bleiben.
Es gibt nur eine wirkliche und echte Lösung: das ist die Rückgabe unserer Ostprovinzen. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, diese Erkenntnis, die dahin geht, daß Deutschland ohne diese Ostprovinzen, ohne diese seine Kornkammer immer ein wirtschaftlicher Torso bleiben wird, der ganzen Welt zum Bewußtsein zu bringen und darauf hinzuweisen, daß es ein wahnwitziger Zustand ist, wenn 18 Millionen Polen weit mehr Ackerfläche zur Verfügung haben als 70 Millionen Deutsche. Auf einer derartigen Grundlage kann man kein gesundes und glückliches vereinigtes Europa aufbauen.
Das Recht auf die Heimat ist von anderen Rednern schon genügend unterstrichen worden. Dieses Recht erkennen wir selbstverständlich auch unseren sudetendeutschen Freunden zu. Aber es war völlig unmöglich, etwa vom Kanzler zu verlangen, daß er in seiner Regierungserklärung Anspruch auf Gebiete erhebt, die vor 1937 nicht zum Deutschen Reich gehört haben. Wer etwas Derartiges verlangt; dem fehlt das erforderliche Fingerspitzengefühl.
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Aber eines müssen und können wir fordern. Wir fordern, daß das Sudetenland, das seit uralten Zeiten deutsch war, seinen deutschen Bewohnern zurückgegeben wird. Das ist eine Forderung, hinter die sich jeder stellen kann. Wir fordern auch die Wiedergutmachung für unsere sudetendeutschen Freunde, und wir wollen hoffen,
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daß es nicht allzulange dauern wird, bis auch die Bewohner des Sudetenlandes wieder in ihrer alten Heimat sitzen, in einem Europa, in dem Grenzen nicht mehr die Rolle spielen, die sie in der Vergangenheit gespielt haben.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu der Frage des Flüchtlingsministeriums sagen. Die Errichtung des Flüchtlingsministeriums hat in der Debatte allgemein Zustimmung gefunden. Ich habe kein Wort der Kritik gehört. Die Bedenken, die vorher, insbesondere auch vom Organisationsausschuß laut geworden sind, sind uns bekannt; sie mußten aber zurückgestellt werden. Worauf es uns ankommt, ist, daß einer von uns als verantwortlicher Minister im Kabinett sitzt und dafür sorgen kann, daß man uns nicht mehr vergißt. Es wird Sache der Bundesregierung sein, insbesondere auch des Bundeskanzlers, dem Flüchtlingsminister jede Unterstützung zuteil werden zu lassen. Es handelt sich hier um das Problem Nummer 1. Leider Gottes verdient dieses Problem diese Bezeichnung auch im Hinblick auf seine Dauerhaftigkeit. Es werden noch sehr viele Jahre vergehen, ehe wir dieser Schicksalsfrage des deutschen Volkes Herr geworden sind. Mit Rücksicht auf die Bedeutung und den Umfang bitte ich auch, von einer Sparsamkeit I am falschen Platze abzusehen und gerade für dieses Ministerium die erforderlichen Mittel bereitzustellen, damit es die notwendige Arbeit im Interesse der Vertriebenen leisten kann. Wir sind der Meinung, daß zur Unterstützung dieser Arbeit in jedem Ministerium, das in Betracht kommt, eine besondere Abteilung für Flüchtlinge gebildet werden sollte, die gerade die einschlägigen Fragen unter die Lupe zu nehmen hat.
Wir von den Flüchtlingsorganisationen begrüßen es, daß einer von uns an dieser Stelle steht. Ich kann dem Herrn Minister die Erklärung abgeben, daß wir seine Arbeit in jeder Weise unterstützen werden; und da er selbst einer von uns ist, auch einer von der Organisation her, sind wir einer vertrauensvollen Zusammenarbeit sicher. Wir erwarten andererseits auch, daß man endlich mit der Diffamierung und Zurücksetzung der Organisationen ein Ende macht, daß man endlich unsere Arbeit, die wir jahrelang unter den schwersten Bedingungen für die Allgemeinheit getan haben, anerkennt und ihr die notwendige Unterstützung zuteil werden läßt.
Meine Damen und Herren, die Situation ist ernst. Es wird von der Politik der Bundesregierung und auch dieses Hohen Hauses abhängen, ob es gelingt, die Flüchtlinge von dem Wege der politischen Absonderung abzuhalten. Ich sage noch einmal: ich würde das für ein Unglück ansehen. Bei der augenblicklichen Situation und Stimmung kann eine solche politische Neubildung nur in ein radikales Fahrwasser kommen, und die maßvollen Persönlichkeiten aus dem Flüchtlingslager würden dann wahrscheinlich nicht maßgebend sein. Es hängt von den Erfolgen ab, die wir in den nächsten Wochen und Monaten aufzuweisen haben. Mit Worten sind die Vertriebenen nicht
mehr anzusprechen; sie wollen endlich Taten sehen, und nur diese werden sie anerkennen. ({15})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon eine ganze Reihe von Rednern hat hier den Worten die Taten gegenübergestellt, ohne daß doch aus dieser Gegenüberstellung die notwendigen Konsequenzen gezogen worden wären. Wir verkennen nicht, daß die heute so populäre Alternative von Worten und Taten ein großes demokratisches Mißverständnis in sich birgt. Trotzdem ist die Ungeduld unserer Bevölkerung gerechtfertigt, und wir sollten uns keinem Zweifel darüber hingeben, daß gerade acht Tage Diskussion einer Regierungserklärung zu Beginn der Arbeit der ersten deutschen Regierung nicht das geeignete Mittel sind, um die aus dem tragischen Schicksal Deutschlands resultierende vorsichtige Einstellung großer Bevölkerungsschichten zur Demokratie zu überwinden. Deswegen ist es uns ein Bedürfnis, ein Beispiel zu geben, von dem wir hoffen, daß sich ihm noch andere Parteien anschließen werden. Dieses Beispiel besteht darin, daß wir in der dritten Runde, die wir ohnehin schon für unnötig gehalten hatten - wir hatten uns in der vorigen Woche gegen die Abhaltung dieser dritten Runde ausgesprochen - auf das Wort verzichten.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mühlenfeld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion ist der Auffassung, daß der Worte genügend gewechselt sind
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und daß man jetzt zur Tat schreiten sollte.
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- Meine Damen und Herren, diesem Gedanken würden wir voll Rechnung tragen, und ich würde diesen Platz sofort verlassen, wenn uns eines aus der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht nachdenklich gestimmt hätte. Meine Fraktion sieht sich daher veranlaßt, ganz kurz auf einige Dinge einzugehen.
Wir haben aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers mit allergrößtem Interesse vernommen, daß die Aufgaben des Ministeriums für Landwirtschaft und Ernährung einen anderen Charakter tragen sollen, als das bisher der Fall war. Im Vordergrund sollen Verbesserung und erhebliche Steigerung der Produktion durch weiteren Abbau der Zwangswirtschaft, durch Schaffung gesicherter und ausgeglichener Produktions- und Absatzverhältnisse stehen, die die Produktionskosten gut arbeitender Durchschnittsbetriebe decken. Meine Damen und Herren, das sind an sich Erkenntnisse, die nicht neuesten Datums sind. Diese Dinge waren schon bei der VELF keine Geheimwissenschaft mehr, und lange vor Bestehen der VELF war man sich über diese Angelegenheiten, über die Notwendigkeiten der Existenzgrundlage der Landwirtschaft durchaus im klaren.
Nun, man hat sich nach dieser Erkenntnis nicht gerichtet; die praktische Anwendung unterblieb. Nach den Erfahrungen, die wir gerade in Frank({2})
furt gemacht haben, haben wir die allergrößte Sorge, daß bei der in der Regierungserklärung verkündeten Weiterverfolgung der in Frankfurt begonnenen Wirtschaftspolitik der Landwirtschaft und dem Gartenbau auch für die Zukunft eine untergeordnete Rolle innerhalb der gesamten deutschen Wirtschaftspolitik zugewiesen werden könnte.
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Meine Damen und Herren, soll die noch immer bestehende Zweigleisigkeit nach Frankfurter Muster in der gesamten Wirtschaftspolitik fortgesetzt werden, diese Zweigleisigkeit, die doch zum geringeren Teil in der unterschiedlichen Marktordnung, viel mehr aber in der Unterschiedlichkeit der Preispolitik begründet ist? Diese Frage wird nicht dadurch gelöst, daß man die Produktionskosten gut arbeitender Betriebe zugrunde legt, ohne daß man darin der Arbeit, und zwar der schwersten körperlichen Arbeit, und ihrer Entlohnung als Kostenelement die gleiche Bewertung zumißt wie im Bergbau und in der Schwerindustrie. Nach unserer Auffassung liegt hier einer der neuralgischen Punkte der Agrarpolitik Oberhaupt. Während man bereit ist, die Industrielöhne, so gut es geht, zu stützen, läßt man eine totale Unterbewertung der Landarbeit zu. Das gilt für den Landarbeiter wie für den Bauern und seine im Betrieb tätigen Familienmitglieder, innbesondere für seine Ehefrau. Auf diese Weise ist es doch bis auf den heutigen Tag praktisch möglich gewesen, die gesamte deutsche Volkswirtschaft aus den der Landwirtschaft - es handelt sich hier um eine der härtesten körperlichen Arbeiten, die wir kennen -- vorenthaltenen Erlösen zu subventionieren, also nicht etwa aus einer normalen Verzinsung des hochgradig investierten Kapitals oder gar aus dem Unternehmergewinn; denn beide sind nachweislich nicht mehr vorhanden.
Im Mittelpunkt unseres agrarpolitischen Interesses sollte auch hier der Mensch stehen: der Mensch als Betriebsinhaber, als Bauer und der Mensch als Landarbeiter. Hier sollte mit der Bauernbefreiung schleunigst begonnen werden. Die Landwirtschaft muß in die Lage versetzt werden, ihren getreuen Mitarbeitern auskömmliche Löhne zu zahlen. Die Bundesregierung sollte sich die Abwanderung von Landarbeitern in die Stadt zu einer ernsten Warnung dienen lassen. Erst wenn eine rechte Bewertung der Landarbeit erreicht ist, haben wir für die Produktionssteigerung eine der wichtigsten Grundlagen geschaffen. Die Aufrechterhaltung der jetzigen Hackfruchtanbaufläche - bekanntlich sind die Hackfrüchte in ihrer Leistung grundsätzlich allen anderen Früchten überlegen - wird, um nur ein Beispiel zu nennen, zu einem grundlegenden und besonders ernsten Problem, wenn die Frage der gerechten Entlohnung nicht zufriedenstellend gelöst wird. Dazu gehört auch die Lösung des Problems, das den Titel „landwirtschaftlicher Werkwohnungsraum" trägt.
Weil es sich um die Produktionssteigerung an sich handelt, darf ich dem Herrn Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung im Zuge der Importausgleichspolitik nachdrücklichst empfehlen, keine Erhöhung der Preise für Kunstdünger zuzulassen. Wenn irgendwo, so macht sich doch gerade hier eine Subvention bestens bezahlt. Denn die Erträge aus der Subvention werden zum größten Teil an den Staat zurückfließen: aus der mit erhöhten Kunstdüngergaben erhöhten Produktion
und durch das dadurch erhöhte Steueraufkommen.
In der deutschen Volkswirtschaft, die in den letzten drei, vier Generationen weit überwiegend nach der gewerblichen Seite orientiert ist, wo die Landwirtschaft also ihrem Umfang nach sich in einer Minderheit befindet - die Entwicklung wird ja in dieser Richtung weitergehen -, muß die Regierung alles daran setzen, daß die Landwirtschaft nicht wie bisher in einer hoffnungslosen Minderheit verbleibt. Die hinter uns liegenden Jahre des Hungers, die Zwangslage, 50 Prozent der notwendigen Lebensmittel einführen zu müssen, und die Tatsache, daß eine gesunde Landwirtschaft den sichersten Absatzmarkt unserer eigenen .gewerblichen Produktion darstellt, daß die Landwirtschaft wertmäßig einen hohen Anteil am Sozialprodukt leistet bei gleichzeitig hohen Investitionen, wie sie wohl keine Produktion der deutschen Volkswirtschaft aufzuweisen hat, ferner die Tatsache, daß die Landwirtschaft die breiteste Schicht selbständiger Existenzen enthält, ferner das bevölkerungs- und staatspolitische Gewicht zwingen uns allein schon zur Anerkennung des Grundsatzes der absoluten Gleichberechtigung der Agrarpolitik gegenüber der übrigen Wirtschaftspolitik.
Ich muß noch einmal mit allem Ernst wiederholen: wir können leider aus der vergangenen Frankfurter Wirtschaftspolitik nicht feststellen, daß der Landwirtschaft und der ihr verbundenen Wirtschaft diese gleichberechtigte Stellung eingeräumt worden wäre. Insofern wünschen wir uns eine gründliche Änderung der in Frankfurt begonnenen Politik, die sich vornehmlich darin auszudrücken hat, daß eine auf die Erfordernisse der Landwirtschaft eingestellte Handels- und Wirtschaftspolitik betrieben wird.
Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit der europäischen Teilnehmerländer im Rahmen des Marshallplans und der Bildung eines einheitlichen europäischen Marktes - wir bekennen uns zu dem Grundsatz, daß das europäische Preisgefälle wiederhergestellt werden muß - können wir nicht zusehen, daß Außenhandelsverträge abgeschlossen werden, die plötzlich und unvorbereitet übermäßige Einfuhren von solchen Ernährungsgütern zulassen, die auch in Deutschland sehr gut selbst erzeugt werden und die dadurch, daß sie stoßweise und in unproportionierten, unregelmäßigen Mengen bei uns auftreten, an der Existenzgrundlage unserer Erzeuger rütteln. Die Vorgänge auf dem Gemüse- und Obstmarkt, die die einheimische Produktion zum großen Teil in den Viehstall und auf den Komposthausen wandern ließen, sind mit auf eine schädliche Politik von Frankfurt zurückzuführen. Mir scheint - ich spreche da in memoriam der Zeiten des Wirtschaftsrates -, daß das Fehlen des Ausschusses für Landwirtschaft und Agrarpolitik überhaupt in Frankfurt sich doch drastisch bemerkbar macht. Denn nun ist kein neugieriger Abgeordneter mehr da, der einmal einige interessante Fragen an die verantwortlichen Männer der Agrarpolitik stellen könnte; zum Beispiel warum bei ausreichenden saisonbedingten Auftrieben auf den deutschen Schlachtviehmärkten in demselben Moment große Mengen Walfleisch, das den Engländern wegen seiner minderwertigen Qualität nicht zusagt, gekauft und eingeführt werden; oder warum die VELF mit Italien verhandelt, um die Obst- und Gemüseeinfuhr von 12 Millionen auf 22 Millionen Dollar zu erhöhen, und warum die
148 Deutscher Bundestag - E. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 27. September 1949
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Gemüseeinfuhr aus Holland auf 250 000 Tonnen erhöht wird. Das ist meinem Erinnern nach dieselbe Menge, die vor 1938 in das gesamte deutsche Reichsgebiet eingeführt wurde.
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- Nein, so liegen die Dinge leider nicht, sonst wäre es noch verständlich.
Es sind noch mehr solche unverständliche Dinge im Laufe des letzten Jahres geschehen, unverständlich deshalb, weil nach unserer Meinung alles daran gesetzt werden muß, bei steigender Agrarerzeugung die Nahrungsmittelimporte zu senken mit dem Ziel, Devisen und noch einmal Devisen zu sparen, mit denen wir Rohstoffe auf dem Weltmarkt für unsere Industrie kaufen können; und somit hilft unsere Landwirtschaft, das Exportvolumen zu vergrößern, sie hilft, zusätzliche Arbeitsplätze in den Fabriken und Werkstätten zu schaffen und damit die städtische Kaufkraft zu heben.
Wir begrüßen die bekundete Absicht, die Zwangswirtschaft weiter abzubauen. Diese totale Zwangs- und Planwirtschaft - das ist ja wohl kein Geheimnis mehr - hat zusammen mit dem totalen Erfassungssystem in den vergangenen Zeiten die Produktion ganz erheblich benachteiligt. Man kann wohl sagen, wir können uns dazu gratulieren, daß der Zwang zur Erhaltung ihrer persönlichen und betrieblichen Existenz die Gesamtheit des deutschen Volkes, Erzeuger wie Verbraucher, veranlaßt und gezwungen hat, die Plan- und Zwangswirtschaft, soweit es ging, zu umgehen. Wäre das nicht der Fall gewesen, dann wäre sie zu einer ausgemachten Katastrophe ausgeartet; darüber besteht wohl bei all denjenigen, die sehen und hören wollen, gar kein Zweifel. Sicher ist, daß sich die alte Planwirtschaft selber ad absurdum geführt hat. Aber eine marktmäßig gelenkte Wirtschaft wird nicht zu entbehren sein, und zwar unterschiedlich für die einzelnen landwirtschaftlichen Erzeugnisse, nur mit dem Unterschied, daß wir das nicht aus dogmatischer Rezeptmacherei tun, sondern nach den jeweiligen Erfordernissen des praktischen Lebens von Fall zu Fall. Für uns hängt die Seligkeit davon nicht ab. Im Rahmen der uns auferlegten sozialen Verpflichtungen haben wir gerade auch hier eine soziale Marktordnung Wirklichkeit werden zu lassen. Im Rahmen der zu ergreifenden marktorganisatorischen Maßnahmen wird die Errichtung von Marktverbänden
ich denke hier vor allen Dingen an die Zucker- und Milchwirtschaft - ein dringendes Anliegen der Verbraucher, der Erzeuger und Verarbeiter sein.
Ich darf mir auch erlauben, die Regierung um beschleunigte Vorlage eines Gesetzes über die Importausgleichsstelle zu bitten. Das Gesetz ist bereits vom Wirtschaftsrat beschlossen worden, hat aber nicht die Genehmigung der Militärregierung gefunden. Durch die Verzögerung wird die Erzeugung in Mitleidenschaft gezogen. Ich hoffe, daß auch in diesem Gesetz eine angemessene Heranziehung der berufenen Vertretung der Landwirtschaft vorgesehen werden wird.
In diesen Zusammenhang gehört noch die baldige gesetzliche Regelung von Vorratsstellen für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus eigener Produktion und aus Importen, damit eine gleichmäßige Versorgung und Preisregelung zugunsten der Verbraucher und der Erzeuger möglich wird.
Meine Damen und Herren! Wenn ich von einer Bauernbefreiung gesprochen und damit die Abschaffung des Ausnahmerechts für die Landwirtschaft gefordert habe, so gehört dazu auch die Wiederherstellung des Verfügungsrechts über den bäuerlichen Besitz für den Eigentümer selber. In dieser Beziehung ist von Gesetzes wegen die totale Herrschaft des Staates aus einer vergangenen Zeit ausschließlich für einen einzelnen Stand aufrechterhalten worden. Ich verkenne durchaus nicht, daß einstweilen noch eine gewisse Kontrolle beim Übergang bäuerlichen Eigentums auf einen anderen Eigentümer nicht zu entbehren ist. Hierzu brauchen wir aber ein Gesetz, das die wenigen Fälle der Eigentums- und Besitzveränderung, die noch zu regeln sind, aufzählt. In diesen Fällen kann die Genehmigung versagt werden, so zum Beispiel, wenn Grund und Boden oder der Betrieb ganz oder teilweise der Nutzung für die Volksernährung entzogen werden soll. Wichtig ist aber vor allem, daß eine starre Preisbindung beseitigt wird und die Kontrolle sich auf die Verhinderung von Auswüchsen nach oben sowie nach unten beschränkt. Eine Revision des geltenden Rechts im Grundstücksverkehr wird sich ebenfalls in Richtung auf eine Produktionssteigerung auswirken.
Damit komme ich zu einem sehr wichtigen Kapitel der Agrarpolitik, das mir sehr am Herzen liegt und das einer gründlichen Überholung bedarf, nämlich zu dem Pachtrecht. Das Pachtrecht war einst das hervorragendste, das vornehmste Institut des sozialen Aufstiegs in der Landwirtschaft, sei es, daß komplette Betriebe durch kapitalschwache Landwirte übernommen wurden, sei es, daß unwirtschaftliche oder kleine Betriebe durch Zupachtung einzelner geeigneter Flächen lebensfähig gemacht werden konnten, oder sei es auch, daß eine in der Führung des Betriebes zeitweilig eingetretene Lücke überbrückt werden konnte. In allen diesen Fällen übte das alte Pachtrecht eine gesunde soziale Funktion aus. Diese Funktion des Pachtrechts wiederherzustellen ist eine durch die Entwicklung der jüngsten Zeit notwendig gewordene Angelegenheit. Auf dem Pachtmarkt ist es still, sehr still geworden. Den Schaden davon haben Pächter wie Verpächter und auch Heimatvertriebene in gleichem Maße. Eine Lockerung. eine zeitgerechte Gestaltung des Pachtschutzrechts, vor allen Dingen eine Wiederherstellung der Vertragstreue und, was wohl das Wichtigste ist, die ausdrückliche Anerkennung des Verpächters als Eigentümer - was durch die Diskussion um die Bodenreform leider gründlich mißlungen ist -würden den Pachtmarkt wieder beleben und unter Beibehaltung eines vernünftigen Pachtschutzes der großen Zahl von pachtwilligen Heimatvertriebenen und einheimischen Bauern wieder eine Existenz geben. Wenn wir diese Probleme nicht angreifen, glaube ich nicht, daß das Flüchtlingssiedlungsgesetz den Erfolg haben wird, den wir ihm alle wünschen.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich noch auf einen Punkt hinweise, der mir gerade in den letzten Wochen sehr augenfällig geworden ist. Ich bin der Überzeugung - und es werden viele in diesem Hause mit mir dieser Überzeugung sein -, daß der Kreditbedarf der Landwirtschaft nicht genügend berücksichtigt wird. Der lang- und mittelfristige Bedarf ist von der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf 524 Millionen D-Mark für 1949 angegeben worden. Und was ist geschehen? Die Verwaltung für Wirtschaft, in den Angelegenheiten der Kreditpolitik federführend, hat von diesen 524
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Millionen D-Mark 290 Millionen D-Mark anerkannt und in ihren Planübernommen. Um das Unglück vollständig zu machen, erkennt von diesen nun noch verbliebenen 290 Millionen D-Mark die Militärregierung nur 48 Millionen D-Mark an, wobei allein 16 Millionen D-Mark für die Landeskulturkredite, für Wasserwirtschaft, Flurbereinigung usw., reserviert werden. Auch in diesem Punkte wünschen wir uns eine Änderung der Frankfurter Wirtschaftspolitik und keine Vernachlässigung der Landwirtschaft in der Kreditversorgung.
In diesem Zusammenhang sei mir ein Hinweis auf die Verbundenheit von Handwerk, Handel und Landwirtschaft gestattet, die sich aus Betrachtungen gerade einer gesunden Kreditpolitik und deren öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Trägern ergibt. Diese Verhältnisse empfehle ich ebenfalls der Aufmerksamkeit der Bundesregierung. Die Bedeutung und das volkswirtschaftliche Leistungsvermögen erfordern die Schaffung eines Staatssekretariats für die mittelständische Wirtschaft mit Abteilungen f r Handel und Handwerk. Gerade von der agrarpolitischen Seite aus kann uns die Position und das Schicksal des Handwerks und des Handels nicht gleichgültig sein. Allein das niedersächsische Handwerk beschäftigt fast 400 000 Personen; unter Einbeziehung der Familienmitglieder sind es weit über 1 Million Personen. Das sollte uns schon einen Aufschluß über die Bedeutung des Handwerks geben. Daraus ergibt sich die Wichtigkeit der Einräumung einer besonderen Position, einer besonderen Abteilung innerhalb des Aufbaus des Ministeriums für Wirtschaft.
Meine Damen und Herren! Ich kann nicht umhin, eine weitere wichtige Angelegenheit einer erhöhten Beachtung und Fürsorge unserer Regierung zu empfehlen. Es handelt sich hier um zwei Stiefkinder der deutschen Wirtschaftspolitik, um zwei Stiefkinder, mit denen wir uns im Wirtschaftsrat in monatelanger eingehender Arbeit beschäftigt haben, nämlich um die deutsche Küsten- und Hochseefischerei. Der Wirtschaftsrat hatte sich bemüht, hier einem nationalen Notstand abzuhelfen; aber leider ist den damaligen Arbeiten ein befriedigender Erfolg versagt geblieben. Wir können feststellen, daß sich im gesamten Küstengebiet ein Strukturwandel vollzieht, der sich für alle Beteiligten - und das ist nahezu wohl die Gesamtheit der Bevölkerung in den Küstengebieten - sehr nachteilig auswirkt. Wir sollten von der Bundesregierung erwarten, daß das Entgegenkommen der Besatzungsmächte hinsichtlich des Fischdampferneubaus durch eine einsichtige deutsche Politik zu einem Erfolg wird.
In Anbetracht der Bedeutung der deutschen Fischwirtschaft, vor allen Dingen in der Form der Urproduktion, der Fischerei, sei es Küstenfischerei oder Hochseefischerei, gebührt dieser Fischwirtschaft eine besondere Abteilung im Ministerium. Meine Damen und Herren, wir haben bislang darunter gelitten, und wir werden weiter darunter leiden, daß wir nach der bisherigen Organisation - und nach den Empfehlungen der Ministerpräsidenten soll es so bleiben - nur eine Lenkungsstelle haben, unter der ein Referat Fische aufgeführt ist. Meine Damen und Herren, es handelt sich hier um einen Wirtschaftszweig sui generis mit ganz anderen technischen und volkswirtschaftlichen Voraussetzungen. Deshalb ist es unbedingt notwendig, daß der Fischwirtschaft eine besondere
Abteilung im Ministerium zugebilligt wird. Die Leistungen der Fischwirtschaft prägen sich nicht besser aus und lassen sich nicht besser darstellen als in einer kleinen Formel. 181 Fischdampfer leisten, über die Relation des Eiweißprozentsatzes umgerechnet, das, was 1 700 000 landwirtschaftliche Betriebe an Fleisch leisten. 80 000 Menschen hängen direkt oder indirekt von dem Gedeihen der deutschen Fischwirtschaft in unseren Küstengebieten ab. Das sollte uns allein schon genügen, um der Fischwirtschaft innerhalb der Organisation des Ministeriums die gebührende Stellung einzuräumen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einer ganz besonderen Sorge Ausdruck geben, die ebenfalls unsere Küstengebiete betrifft. Es handelt sich hier um den Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte, um die Freigabe von Seefrachtern bis zu 3000 Tonnen. Es ist schlechterdings nicht zu vertreten, daß wir von unserer Landwirtschaft die höchsten Anstrengungen verlangen, um Devisen zu sparen, und auf der andern Seite zusehen, daß 26 Prozent der Devisen die uns nach dem Marshallplan zustehen, für Seefrachten ausgegeben werden. Die Leistungssteigerung der Landwirtschaft muß hier durch Ersparnisse an Devisen in den Seefrachten ergänzt werden. Außer durch die Förderung der Seefischerei kann durch Aufbau einer Handelsflotte die Wirtschaft der küstennahen Gebiete gerettet werden. Die Werften haben keine Aufträge mehr, und Entlassungen der Arbeiter sind an der Tagesordnung. 60 000 deutsche Seeleute und Werftarbeiter sind arbeitslos. Die Zulieferungsindustrien für den Schiffsbau und für die Reparaturanstalten sind zu nachhaltigen Betriebseinschränkungen gezwungen.
Ich glaube noch einmal zusammenfassend der Bundesregierung sagen und mit allem Nachdruck darauf hinweisen zu müssen, daß. wir aus den angegebenen Gründen einer automatischen Fortsetzung der in Frankfurt begonnenen Wirtschaftspolitik nicht unsere Zustimmung geben können. Hier bedarf es einer eingehenden Revision. Meine Damen und Herren, erkennen wir nun, daß wir eine Gesundung, unseres gesamten deutschen Wirtschaftslebens nicht erreichen können, wenn der deutschen Landwirtschaft nicht die ihr gebührende gleichberechtigte Stellung in der deutschen Wirtschaftspolitik eingeräumt wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Besold.
Meine Damen und Herren! Dieses Parlament müßte es zu seiner vornehmsten Aufgabe machen, Auseinandersetzungen zwischen den Parteien auch in vornehmer Weise durchzuführen. Wenn am letzten Freitag am Ende dieser Debatte von dem Herrn Abgeordneten Götzendorff ein Artikel der „Bayerischen Landeszeitung" zitiert worden ist - das ist sein Recht - mit dem Zusatz, daß die Bayernpartei damit eine neue Art des Rassenhasses pflege, so ist das eine Beleidigung einer Partei, die vom Präsidenten hätte gerügt werden müssen. Wir bedauern dies.
Meine Damen und Herren! Auch die Bayernpartei hat sich rückhaltlos dafür erklärt, daß auf Bundesebene das Flüchtlingsministerium errichtet wird, obwohl Flüchtlingsangelegenheiten nach der konkurrierenden Gesetzgebung zunächst noch Sachen der Länder sind. Wir haben es deshalb getan, weil wir die große Not der Flüchtlinge kennen. Wir
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haben uns auch für einen Flüchtlingsausgleich nicht bloß im Interesse der einzelnen Länder, sondern auch im Interesse der Flüchtlinge eingesetzt. Auch andere Länder haben das getan. Wir haben das Flüchtlingsministerium auch deshalb betont, weil wir wissen, daß wir nicht allein in der Lage sind, diese Frage zu lösen, sondern daß hier auch die ausländische Hilfe notwendig ist, die auf der Bundesebene leichter erreicht werden kann. Es ist richtig, gegen eine Art von Flüchtlingen haben wir uns gewandt, die aber keine Flüchtlinge sind. Wir wissen, daß gerade in den letzten Monaten und vielleicht auch vor längerer Zeit - das möchte ich hier betonen - unter diesem Deckmantel und unter Ausnützung der Armut und der Not dieser Flüchtlinge aus dem Osten Leute hereingekommen sind, die nicht vertrieben worden sind, sondern ihr Dasein auf diese Weise zur politischen Wühlarbeit benützen, und dagegen wenden wir uns.
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Lassen Sie mich nun noch einige Worte zur Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers sagen! Der Herr Bundeskanzler hat davon gesprochen, daß der Wahlkampf von der Parole beherrscht war „hie soziale Marktwirtschaft - dort Planwirtschaft". Sicherlich haben die Bundesregierung und der Herr Bundeskanzler einen großen Auftrag der Wähler erkannt, und sicherlich ist die Bundesregierung auch gewillt, auf wirtschaftlichem Gebiet gemäß dem Auftrag ihrer Wähler eine Lösung anzustreben und zu finden. Darüber hinaus ist aber eine weit größere und vielleicht entscheidungsschwerere Frage mit nur wenigen Sätzen in der Regierungserklärung betont worden: es ist die Frage des föderalistischen oder zentralistischen Staatsaufbaus.
Wenn der Herr Bundeskanzler erklärt hat, daß der Wiederaufbau unserer Wirtschaft die vornehmste, ja die einzige Grundlage für jede Sozialpolitik und für die Eingliederung der Ausgewiesenen ist, so können wir diesen Standpunkt nicht teilen. Wohl ist die Lösung der wirtschaftlichen und der sozialen Fragen vordringlich, weil sie auch die spürbarsten Aufgaben in sich schließen; aber nicht immer sind die spürbarsten Dinge die entscheidenden.
Wenn der Herr Bundeskanzler in seiner 19 Seiten langen Regierungserklärung nur mit zwei Sätzen das Problem „Föderalismus oder Zentralismus" berührt hat, so entspricht dies nicht der Bedeutung dieser Frage. Wenn unsere Generation nicht erkannt hat, daß es das ewig deutsche, ja vielleicht europäische Leid und das Leid der Welt ist, daß der Anfang der Blüte einer Wirtschaft immer wieder durch zentralistische Machtkonzentrationen zerstört worden ist, dann kann es kaum eine andere Generation verstehen.
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- Sie lachen! Sie kennen vielleicht die Geschichte nicht. Auch verstehe ich nicht, warum gerade die Linke lacht.
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Sprechen Sie nicht ein Jahrhundert vom Sozialismus und predigen Sie ihn nicht? Sie haben auch auf dem Gebiet der sozialen Lohnwirtschaft Erfolge erzielt. War es aber nicht so, daß in einer Generation zweimal zentralistische Machtkonzentrationen Ihre Arbeiter die eigenen Mordwerkzeuge haben konstruieren lassen? Und war es nicht so, daß damit nicht nur die Existenz des deutschen
Volkes, sondern auch der einzelnen Stände zerstört worden ist?
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Wir sagen, daß es sich hier um eine historische Feststellung handelt, um eine historische Feststellung, an der man in der Geburtsstunde eines neuen Bundes, eines neuen Deutschland nicht vorübergehen kann. Man kann diese Dinge auch nicht nur mit zwei Sätzen streifen, weil es sich um elementare, lebenserhaltende oder lebensverneinende Entscheidungen für einen Bund handelt. Wir wissen doch selbst aus unserer Geschichte folgendes. Das Reich von 1871 war zunächst föderalistisch. Je mehr den einzelnen Ländern ihre Rechte genommen, je mehr die einzelnen Länder auf wirtschaftlichem und auf staatspolitischem Gebiet ausgehöhlt und in ihren Rechten zurückgesetzt worden sind, je mehr sich eine zentralistische Staatsausweitung geltend gemacht hat, um so sicherer sind wir in internationale Konflikte gekommen. Zum erstenmal geschah das 1914. Der Krieg wurde verloren. Es kam eine Revolution. Aber, meine Damen und Herren, das war keine Revolution!
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Das Kernübel, nämlich die zentralistische Ausrichtung, wurde nicht beseitigt. Man hat am Alten wieder neu begonnen. In der Weimarer Verfassung hat man das, was zunächst föderalistisch gedacht war, nunmehr zentralistisch niedergelegt und so die Brücke zum exzentrischsten Zentralismus, nämlich zum Nationalsozialismus, geschlagen.
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Nicht daß es die Parteien zuvörderst gewesen sind, meine Damen und Herren, sondern es ist die staatspolitische Auffassung des 19. und 20. Jahrhunderts, die Europa vernichtet hat. An dieser Feststellung dürfen wir am Beginn eines neuen Deutschland nicht vorübergehen.
Wenn man immer wieder hört, daß wir in der Bayernpartei sagen, das sei eine bayerische Sache, dann muß ich sagen: freilich ist es eine bayerische Sache, weil diese föderalistische Auffassung bei uns am meisten verkörpert ist,
({7})
aber es ist nicht nur eine bayerische, sondern es ist eine deutsche, ja eine europäische Angelegenheit.
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Ich glaube, daß sich gerade in dieser Stunde eine Auseinandersetzung über diese Frage lohnen muß, weil auch eine blühende Wirtschaft, die der Herr Bundeskanzler in Aussicht gestellt hat, nur dann auf längere Zeit friedensmäßig gesichert ist, wenn endlich mit diesen Machtkonzentrationen in den zentralistischen Staaten Schluß gemacht wird.
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Wenn auch am nächsten Tag der Abgeordnete Blank noch einmal eine Erklärung in föderalistischer Hinsicht geben wollte und dabei gesagt hat: wir wollen keinen Einheitsstaat, wir wünschen, daß dem Menschen seine persönliche Freiheit erhalten bleibt und er nicht zum Sklaven eines totalitären Staates gemacht wird, so habe ich dazu zu sagen, daß hierin keinerlei Sicherung für eine föderalistische Entwicklung enthalten ist; denn es geht nicht nur darum - selbstverständlich geht es auch darum -,
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daß den Menschen ihre persönliche Freiheit gesichert ist, sondern daß auch den einzelnen Ländern
({11})
die Freiheit gesichert wird und daß wir nicht Sklaven nur eines totalitären, sondern eines zentralistisch ausgerichteten Staates werden.
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Meine Damen und Herren, es kommt mir fast so vor, als ob Sie über Ihr Unglück selbst lachen würden,
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als ob Sie mit verschlossenen Augen an der Vergangenheit und an dem letzten Jahrhundert vorübergeben würden und als ob Sie aus Bosheit nicht erkennen möchten, wo der richtige Weg ist.
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Wir wissen, daß in diesem Hause wenig Verständnis für eine föderalistische Staatsrichtung ist.
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Wir wissen es, und wenn auch hier wenig Abgeordnete sind, die sich dazu bekennen, so vergessen Sie nicht, daß sich ein großes Land dazu bekennt, und zwar deshalb, weil seine ganze jahrhundertlange Entwicklung darauf hinzielt.
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Man soll nicht über etwas lachen, was man in der Geschichte vielleicht nicht selbst erlebt hat!
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Glauben Sie es: das ist eine Staatsauffassung, die in diesem Lande auf Grund seiner Fähigkeiten, auf Grund seiner Geschichte verankert und verwurzelt ist. Das bayerische Volk ist zum größten Teil ein kulturschöpferisch ausgerichtetes Volk, und das hat es in seiner Kulturgeschichte gezeigt. Ein Volk, das kulturschöpferisch ausgerichtet ist, braucht auch im staatspolitischen Aufbau seine Freiheit und seine Rechte, und darum - nicht aus Eigenbrötelei, meine Damen und Herren -- hat das bayerische Volk auch in früheren Verfassungen schon immer Vorrechte gehabt.
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Ich sage Ihnen, Sie werden an dem bayerischen Volk und Land den treuesten Partner in einem neuen Deutschland haben,
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wenn Sie diese kulturpolitische Bedingtheit und diese staatspolitisch ausgerichtete Sinnesart im Aufbau des neuen Deutschland berücksichtigen.
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Wenn der Herr Bundeskanzler in dieser Stunde der Entstehung eines neuen Deutschland das Primat der Wirtschaft wieder in den Vordergrund gerückt hat, so mit Recht. Aber daß er neben der sozialen Einstellung der Regierung nichts von dieser ideellen Ausrichtung gesagt hat, das hat uns ebenso verwundert. Wir wissen es, und Sie alle wissen es, daß der beste Staatsmann und das beste Wirtschaftsprogramm nicht zu einer glücklichen Zukunft führen kann, wenn nicht zugleich auch eine geistige und sittliche Erneuerung des Volkes angestrebt wird. Und gerade von dieser Regierung hätten wir diesbezüglich eine Erklärung erwartet. In diesem Hause ist schon von verschiedenen Rednern der Mißbrauch des Rechts betont worden.
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Das ist kein Eingriff in die Rechte der Länder, wenn zum Neubeginn eines neuen Deutschland auch eine geistige Ausrichtung gegeben wird!
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Wir erwarten sie ja von der Regierung, aber wir wissen auch, daß das Fehlen verschiedener Grundsätze in der vergangenen und auch in der allerjüngsten Zeit alle Versprechungen, die bisher gemacht worden sind, immer wieder zu Tode geritten hat.
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Die Wahrheit ist nicht nur aus dem gesellschaftlichen, sie ist auch aus dem politischen Leben verschwunden. Erinnern wir uns zurück: Hat man nicht gerade in der jüngsten Zeit, in den letzten zehn, zwanzig Jahren von Sozialität und Sozialismus gesprochen, und ist in Wirklichkeit nicht in Ausrichtung der zentralistischen Staaten der Stacheldraht geschaffen worden? Aber auch nach 1945, als uns versprochen worden ist, daß die Demokratie geboren wird! Hat man nicht von Volksgemeinschaft gesprochen? Und in Wirklichkeit hat man Haß, Neid, Zwietracht und Denunziation hochgezüchtet. Und dieses süße Mittel der Denunziation ist auch bei der Rechtsgestaltung nach 1945 sogar gefördert worden, und man hat wieder davon Gebrauch gemacht. Man hatte uns versprochen, daß eine neue Demokratie gegründet wird. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen -- das wissen Sie ja -, daß die Demokratie aus dem wirklichen Willen des Volkes heraus geboren wird. Hat man nicht im gleichen Atemzug in diesem Grundgesetz, in dieser neuen Demokratie verankert, daß dieses Grundgesetz nicht der freien Entscheidung des Volkes entspringt? Ich sage: die Wahrheit muß auch im politischen Leben zurückkehren; denn sonst kommt kein Vertrauen zustande. Wo die Wahrheit nicht ist, gibt es auch keine Gerechtigkeit. Man hat den Mißbrauch des Rechts in der nationalsozialistischen Zeit angeprangert. Haben wir nicht nach 1945 zu gleicher Stunde erlebt, daß wieder Mißbrauch mit dem Recht getrieben worden ist in der Lenkung des Rechts im politischen Sinne? Ich spreche nicht für .und nicht gegen die Nazis,
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ich spreche allein vom Standpunkt des Rechts aus und möchte dabei herauskehren, daß auch unter der Führung der Demokratie das Recht mißbraucht werden kann, wenn nicht sittliche Grundsätze in den Vordergrund gestellt werden. Denn wo die Wahrheit nicht ist, finden Sie auch nicht die Gerechtigkeit und die Liebe, die Menschenachtung und die Menschenwürde. Daß dieses Jahrhundert sich an der Menschenachtung und -würde versündigt hat, dafür haben Sie erst in den letzten Tagen noch ein Zeugnis erhalten, als ein Mann aus den östlichen Gebieten hier aufgetreten ist. Die Menschenachtung und die Menschenwürde müssen oberstes Gesetz sein. Man sage nicht, daß die Verletzung des Menschenrechtes, der Menschenachtung und der Menschenwürde eine deutsche Angelegenheit ist! Sie ist eine Angelegenheit der zentralistischen Staatsausrichtung, die immer zum Mißbrauch des Rechts geführt hat,
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zum Mißbrauch des Rechts im exzentrischsten Zentralismus des Nationalsozialismus, zum Mißbrauch des Rechts in diesen totalitären Staatsgebilden, wie wir sie drüben im Osten sehen. Aber ob es sich um Vergasung oder Hungerlager handelt, man hat diese Erscheinungsformen in der Geschichte immer und immer wieder in zentra({26})
listischen Machtzusammenballungen und ihrem Mißbrauch gefunden.
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Deshalb - und nicht aus rein bayerischen Interessen - bekennen wir uns zu einer konsequenten föderalistischen Staatsauffassung. Wir hätten in der Regierungserklärung gerne gehört, inwieweit die Bundesregierung gesonnen ist - anscheinend will sie von der konkurrierenden Gesetzgebung des Artikels 74 sehr weitgehenden Gebrauch machen -, in strengster föderalistischer Auffassung oder zum Zentralismus hinneigend die Voraussetzungen des Artikels 72 zu prüfen.
Meine Damen und Herren, mögen Sie darüber lachen,
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daß sich dieses Haus mit diesen Fragen auseinandersetzt. Die Vergangenheit hätte Sie zu ernsteren Mienen veranlassen müssen.
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Ich möchte Ihnen zum Schluß meiner Ausführungen nur zurufen: Meine Damen und Herren, deutsche Männer und deutsche Frauen, rettet Deutschland und Europa durch eine echte und wahre föderalistische Staaten- und Völkergemeinschaft!
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Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen zunächst eine Mitteilung zur Geschäftslage zu machen. Es war ursprünglich vorgesehen, daß jetzt ein Abgeordneter der KPD und anschließend ein Abgeordneter der WAV sprechen sollte. Die von den genannten Parteien für diesen Zweck bestimmten Herren sind, wie mir die Vorsitzenden der beiden Fraktionen eingangs der Sitzung mitgeteilt haben, vorübergehend erkrankt und nicht in der Lage, heute nachmittag zu sprechen. Ein Ersatz dafür war nicht ohne weiteres ausfindig zu machen. Ich habe dann den Versuch gemacht, einen Austausch mit den beiden kleinen Fraktionen herbeizuführen, die für morgen vorgesehen waren. Aber auch da hat sich keine Austauschmöglichkeit ergeben. Ich spreche wohl in Ihrer aller Sinn, daß wir den Versuch machen sollten, die Debatte heute noch etwas fortzusetzen, damit sie morgen nicht zu lange dauert. Ich möchte deshalb vorschlagen, damit einverstanden zu sein, daß ich die Sitzung für etwa 20 Minuten unterbreche und wir im Ältestenrat einen Ausweg zu finden suchen. - Ich nehme das Einverständnis des Hauses mit dieser Regelung an.
({0})
- Ich höre eben, der Herr Vertreter der Gruppe der Nationalen Rechten würde jetzt sprechen. Trotzdem würde ich gerne noch eine Dame oder einen Herrn einer zweiten Fraktion sprechen lassen und daher bei meinem Vorschlag bleiben, die Sitzung für 20 Minuten zu unterbrechen, um den heutigen Tag noch ausnutzen zu können.
Ich unterbreche jetzt die Sitzung und lasse Sie nach etwa 20 Minuten wieder zusammenrufen.
Ich bitte die Mitglieder des Ältestenrats in den Roten Salon.
({1})
Die Sitzung wird um 17 Uhr 51 Minuten wieder aufgenommen.
Meine Damen und Herren! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Auf Grund einer Aussprache im Ältestenrat hat dankenswerterweise ein Austausch in der Reihenfolge der beteiligten Fraktionen stattgefunden. Es werden jetzt noch sprechen: für die WAV der Abgeordnete Löfflad, für die Nationale Rechte Abgeordneter Dr. Miessner und der unabhängige Abgeordnete Dr. Ott.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Löfflad.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hohes Haus! Die WAV steht nach wie vor auf dem Standpunkt, endlich Schluß mit der Debatte zu machen, um der Regierung keine Zeit wegzunehmen, an die Arbeit zu gehen und dem Volke gegenüber eine produktive Arbeit zu leisten.
({0})
Gestatten Sie mir jedoch
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als jüngstem Abgeordneten des Hohen Hauses, einige Worte an Sie zu richten.
Die Jugend ist grundsätzlich zu jeder Mitarbeit bereit. Ich bedauere es nur, daß ich in den Reihen des Hohen Hauses sehr wenig junge Vertreter finde. Sei 'n Sie davon überzeugt, daß gerade die Jugend es ist, die jedem Vertreter, gleich aus welchen Reihen er kommen mag, den guten Willen unterstellt; denn es geht dabei nicht um leere Schlagworte und Debatten. Letzten Endes sind wir ja als Vertreter des deutschen Volkes in den Bundestag gewählt worden. Die Jugend hat allerdings auch einen berechtigten Grund, in gewissen Dingen skeptisch zu sein; denn mancher Vertreter, der schon vor 1933 im Reichstag gesessen hat, hat nichts dazu beigetragen, das Wohl des deutschen Volkes zu fördern. Doch wollen wir annehmen, daß diese Herren aus ihren alten Fehlern gelernt haben. Seien wir doch nicht auf die Regierungsparteien wegen ihrer Posten neidisch; wollen wir uns doch nicht streiten! Denn darüber dürfen wir uns wohl im klaren sein, daß die Verantwortung eine ungeheure ist. Und wollen wir doch nicht diese schwere Aufgabe jetzt dadurch behindern, daß wir die Regierungserklärung zum Anlaß uferloser Debatten nehmen. Wollen wir auch als Oppositionspartei dazu beitragen, daß wir unseren Wählern gegenüber bestehen können; denn auch als Oppositionspartei hat man den Wählern gegenüber eine Pflicht und Schuldigkeit.
Diese besteht meiner Meinung nach darin, daß wir uns vorläufig abwartend verhalten und auch den Männern der Regierung. den guten Willen unterstellen. Wenn dann die Regierung in drei, vier Monaten nicht gezeigt hat, daß sie in der Lage ist, eine produktive Arbeit zu leisten, dann ist immer noch Gelegenheit und Zeit genug vorhanden, in die Opposition einzutreten und rücksichtslos die Fehler aufzuzeigen, aber gleichzeitig auch mit konkreten Vorschlägen zu kommen, wie man es besser machen könnte und müßte.
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Ich stehe hier nicht nur als Vertreter der Jugend, sondern gleichzeitig als Schwerbeschädigter. Als Schwerbeschädigter habe ich auch eine Bitte an die Regierung, daß nämlich das Problem der Schwerversehrten, der Kriegsrentner usw. schnellstens einer Lösung zugeführt wird, daß es nicht
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nur bei Hungerunterstützungen und Hungerrenten bleibt. Ich glaube, wenn die Regierung da eingreift und Geld abschöpft, wo Geld vorhanden ist, nämlich bei den Großschiebern und Währungsgewinnlern, dann kann auch diesen Menschen geholfen werden.
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Ich möchte mich, wie ich eingangs betont habe, der Auffassung der WAV anschließen und Schluß mit der Debatte machen. Ich möchte an Sie alle appellieren: Sie sind es Ihren Wählern schuldig, daß Sie meinem Vorschlag folgen und nicht mehr lange debattieren. Denn wir alle miteinander, ob es nun Männer aus den Reihen der Regierungsparteien oder aus den Reihen der Opposition sind, wollen und wünschen, daß es mit unserem anständigen und armen deutschen Volk und Vaterland endlich wieder besser wird. Wenn wir zusammenhalten, dann werden wir wieder glücklicheren Zeiten entgegengehen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miessner.
Meine Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zur Abwechslung einmal diese Anrede zum Zeichen dafür gebrauchen, daß wir hierhergekommen sind, um zusammenzuarbeiten. Im übrigen habe ich wie meine Herren Vorredner über das Wochenende festgestellt, daß der Eindruck, den dieses Haus bisher gemacht hat, nicht überall ein guter ist. Ich meine damit aber nicht so sehr die Tumultszenen, die sich hier abgespielt haben, als vielmehr die Art der Reden.
Ich bin nicht ganz mit meinem direkten Vorredner der Ansicht, daß wir nun überhaupt nicht mehr sprechen sollten; denn schließlich wäre das ja eigentlich das Gegenteil von dem, was ein Parlamentarier zu tun hätte.
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Ich glaube, der Grund, weshalb wir in so kurzer Zeit bereits einiges Ansehen verspielt haben, liegt darin, daß hier zum großen Teil Wahlreden gehalten wurden, und ich meine, wir sollten in dieser Richtung Selbstdisziplin halten und möglichst schnell dazu übergehen, zwar nicht völlig zu schweigen, aber, wenn wir schon reden, möglichst sachlich konkrete Vorschläge zu machen.
Herr Abgeordneter, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. Sie haben eben gesagt, es seien hier Wahlreden gehalten worden. Ich glaube, jede Partei kann den Anspruch für sich erheben, eine politische Rede zu halten, ohne daß sie als Wahlrede zu bezeichnen ist. Es ist meines Erachtens nicht zulässig, ein derart allgemeines Urteil über sämtliche Fraktionen des Hauses abzugeben. Ich bitte Sie deshalb, von dieser Charakterisierung abzusehen.
Lassen Sie mich zu meinem Thema, zum Wohnungsbau und dessen Finanzierung kommen. Die „Nationale Rechte" hat zunächst keinen Anlaß, den guten Willen der Regierung im Hinblick auf ihr Wohnungsbauprogramm zu bezweifeln oder ihr heute mit Belehrungen zu kommen. Wir halten es auch nicht gerade für geschmackvoll, jetzt, nachdem die Regierung erst vor ein paar Tagen zusammengetreten ist, mit
agitatorischen Forderungen auf Bevorzugung dieser oder jener Bevölkerungsgruppe zu kommen. Außerdem bliebe uns da nicht viel mehr übrig; denn soweit ich mich erinnern kann, ist gerade auf dem Gebiet des Wohnungsbaues für jeden bereits eine komplette Wohnung gefordert worden, einschließlich der Frauen mit und ohne Kindern usw. Wenn wir dazu noch etwas tun wollten, könnten wir eigentlich nur noch für jeden Jugendlichen ein Eigenheim verlangen, und die Finanzierungsfrage müßte selbstverständlich in der Weise gelöst werden, daß man die Steuern restlos beseitigt.
({0})
Meine Damen und Herren, einen solchen oder ähnlichen Antrag werden Sie vielleicht von uns als der Partei, die am weitesten rechts steht, erwartet haben.
Nun zur Sache!
({1})
Das Wohnungsproblem ist, wie mehrfach hervorgehoben worden ist, ein Finanzproblem. Wir möchten aber nicht dabei stehenbleiben. Es könnte sein, daß es in gewissem Sinne auch ein Organisationsproblem ist, nämlich wenn man bedenkt, daß es sich vielfach um freie Arbeitskräfte, also Arbeitslose handelt, die ja selbst Wohnungsuchende sind. Immer wieder haben wir von den Arbeitslosen gehört, warum es denn nicht möglich sei, daß sie mit ihrer eigenen Arbeitskraft irgendwie eingeschaltet würden, selbst unter Verzicht auf irgendeinen Bauhandwerkerlohn. Sie meinen, man sollte ihnen nach wie vor die Arbeitslosenunterstützung geben, und sie würden dann vielleicht einen halben oder dreiviertel Tag nur für die Arbeitslosenunterstützung arbeiten und insoweit schon zum Wohnungsbau und insbesondere zur Verbilligung des Wohnungsbaues beitragen. Ich muß sagen, daß es einem schwerfällt, diese Wünsche einfach damit abzutun, daß man ihnen sagt, damit wäre die Finanzierung nicht gelöst. Es ist zwar richtig, daß die Kosten eines Hauses sich nicht nur aus Arbeitslohn, sondern in sehr starkem Maße auch aus Materialkosten zusammensetzen; aber ich meine, man sollte doch, wenn man hier soviel gutem Willen begegnet - die eigene Arbeitskraft sogar unentgeltlich zur Verfügung zu stellen -, sehr ernsthaft darüber nachdenken, welche Wege man in dieser Richtung organisatorisch wohl finden könnte. Insoweit meine ich, daß das in gewissem Sinne auch ein Organisationsproblem ist. Ganz spezielle Vorschläge können wir dazu naturgemäß im Augenblick noch nicht machen.
({2})
Im übrigen ist natürlich das Wohnungsbauproblem ein Finanzproblem, und zwar einmal privater Art und zum anderen öffentlicher Natur. Privater Art ist es insofern, als es auch in normalen Zeiten immer üblich war, daß ein Haus nicht aus eigenen Mitteln, sondern im wesentlichen mit Fremdkapital finanziert wurde. Etwa 60 Prozent Hypothekenkredite waren immer erforderlich. Diese Hypothekenkredite wurden in der deutschen Wirtschaft zumeist von Hypothekenbanken und Sparkassen gegeben.
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Diese wiederum besorgten sich die Mittel dazu durch ihr sogenanntes Passivgeschäft am Pfandbriefmarkt oder durch die Spareinlagen. Beides liegt heute darnieder. Es wäre daher zu erwägen,
({4}) ob man nicht das Ansehen des Hypothekenkredits, der ja beim Hausbau eine ganz wesentliche Rolle spielt, wieder stärken müßte, und da möchte ich den ganz konkreten Vorschlag machen, daß man die Abwertung, die hypothekengesicherte Darlehen erfahren haben, günstiger regelt als die Abwertung der übrigen Geldkonten. So war es übrigens auch bei der Wiederaufwertung nach 1918.
Bei der Frage, durch welche Stellen eventuell die vom Staat gegebenen Gelder geleitet werden sollen, hört man vielfach von neuen Institutionen sprechen. Ich möchte hier an die eingespielte Arbeit der Hypothekenbanken und Sparkassen erinnern. Diese Institute arbeiten in diesen Fragen seit langen Jahrzehnten. Es ist deshalb, wie ich glaube, nicht unbedingt erforderlich, neue Instanzen zu schaffen.
Ich komme nun zu dem Finanzproblem auf dem staatlichen Sektor. Hier möchten wir zunächst das ablehnen, was augenblicklich in Niedersachsen in der Stadt Hannover gemacht wird, wo man Mittel zum Wohnungsbau durch eine sogenannte Wohnbauabgabe beschafft. Es ist doch eigentlich von allen unbestritten, daß sowohl der Hausbesitz als auch die Mieter bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit belastet sind. Ich muß schon sagen: ich empfinde es als mehr als das Ei des Kolumbus, wenn man nun einfach sagt: die Mieter zahlen rund noch zehn Prozent drauf - so ist es in Hannover -, führen dies an den Hauswirt ab, und dieser führt es dann weiter an die Stadt ab. Das bedeutet eine Verteuerung der Lebenshaltung für sämtliche Schichten des Volkes, die gerade für die sozial Schwachen unseres Erachtens nicht tragbar ist. Im übrigen ist das praktisch auch nichts anderes als eine zusätzliche Steuer, denn die Grundsteuer ist zum Beispiel in Hannover um 50 Prozent erhöht worden. Der Hinweis, daß diese Beträge steuerfrei gespart werden könnten, da sie als Spareinlagen gelten, ist nicht stichhaltig; denn man kann derartige Zwangsabgaben nach dem Gesetz nicht als freiwillige Sparbeträge ansehen, die nach dem Einkommensteuergesetz steuerbegünstigt sind.
Ein weiteres Mittel, das Finanzproblem staatlicherseits zu lösen, ist das der Kreditausweitung. Dazu ist aber nicht viel zu sagen. Dieses Mittel ist gefährlich, wie wir alle wissen, und es kann auch stets nur bis zu einem gewissen Grade helfen, das Problem zu lösen.
Ich möchte aber auf ein drittes Mittel kommen, und zwar nicht das Mittel einer Steuererhöhung, sondern man sollte einmal daran denken, daß der Staat Steuergelder, und zwar reichlich Steuergelder, auch dann bekommt, wenn die Finanzverwaltung als solche gut arbeitet. Ich bin mir bewußt, daß ich hier sicherlich etwas Unpopuläres ausspreche, wenn ich dazu auffordere, die Finanzverwaltung schlagkräftig zu machen.
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In diesem Zusammenhang ist aber leider auf Artikel 108 des Grundgesetzes einzugehen. Danach ist die Regelung so getroffen, daß die Verwaltung der Umsatzsteuer und der einmaligen Vermögensabgaben dem Bund, die Verwaltung der übrigen Steuern den Ländern obliegt. Wir erinnern uns ja noch alle an den bekannten Streit vor einigen Monaten, bei dem diese Frage im Brennpunkt des öffentlichen Interesses stand. Man sollte sich einmal fragen, wer eigentlich ein Interesse daran hat, daß die Finanzverwaltung, die gerade in diesem
Augenblick, wo der Staat eine Reihe sozialer Aufgaben zu erfüllen hat, funktionieren muß, in dieser Weise, wie es in Artikel 108 zum Ausdruck kommt, praktisch lahmgelegt wird. Es sind bestimmt nicht die vielen Lohn- und Gehaltsempfänger; denn diese zahlen mehr oder weniger unfreiwillig und ganz von selbst den vollen Steuersatz und sie haben nur das eine Interesse, daß eine schlagkräftige Verwaltung da ist, die so billig, sicher und gleichmäßig wie nur möglich arbeitet.
Die Wirtschaft selbst dürfte auch kein Interesse daran haben, die Finanzverwaltung wieder auf den Stand der Zeit vor 1919 zurückzubringen. Die Wirtschaft ist auch froh darüber, daß es nicht mehr in einzelnen Ländern Steueroasen gibt, in die sie ihre Syndizi schicken muß, um hier oder dort eine neue Aktiengesellschaft zu gründen, damit man ja einen Steuervorteil, der irgendwo in einem Land besteht, für sich in Anspruch nehmen kann. Ich glaube, auch die Ausführungen des Herrn Fraktionsvorsitzenden einer Regierungspartei, nämlich der FDP, waren in dieser Hinsicht ziemlich aufschlußreich. Sie setzten sich in gewisser Weise von den Erklärungen anderer Regierungsparteien ab, indem sie eine starke zentrale Regelung auf diesem Gebiet forderten. Wer aufmerksam dabei zugehört hat, dem wird das bei der Rede des Herrn Dr. Schäfer nicht entgangen sein.
Schließlich hat auch die Finanzverwaltung selbst kein Interesse an einer Zerschlagung. Wenn man die Finanzbeamten fragt, so hört man, daß sie noch heute sehr darunter, leiden, daß die Finanzverwaltung in den Jahren seit 1945 praktisch in Länderverwaltungen zerschlagen war und daß es an einer einheitlichen Lenkung fehlte. Wenn sie Auskunft geben oder Entscheidungen treffen sollten, konnten sie das einfach nicht tun, weil Anweisungen von oben nicht vorhanden waren. Wir werden daher immer wieder unseren Finger auf diese Wunde legen. Ich glaube auch, daß uns diese Frage im Laufe der nächsten Jahre noch mehr zu schaffen machen wird. Wir möchten es auch von seiten der „Nationalen Rechten" durchaus bezweifeln, ob es richtig war, für den Preis des Inkrafttretens des Grundgesetzes die Zerschlagung der Finanzverwaltung hinzunehmen.
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Zusammenfassend möchte ich erstens sagen: der arbeitslose Wohnungsuchende muß seine unentgeltliche Arbeitsleistung mit in die Waagschale werfen können, um sich damit ein Anrecht auf Wohnung zu sichern; zweitens: das Vertrauen zum Hypothekenkredit muß durch bessere Aufwertung von Hypothekendarlehen wiederhergestellt werden; drittens: staatliche Mittel sollten nicht über neue Stellen, sondern über die bewährten Institute wie Hypothekenbank und Sparkasse verteilt werden; viertens: die großen sozialen Aufgaben der Regierung sind nur bei einer schlagkräftigen, einheitlichen Bundesfinanzverwaltung zu erfüllen.
Wir bitten daher, die Verwaltung der Einkommen- und Umsatzsteuer auf jeden Fall personell in dieselbe Hand zu legen. Es ist ja leider nach dem Grundgesetz vorgesehen, daß nur die Umsatzsteuer vom Bund verwaltet wird und die Einkommen- und Körperschaftsteuer von den Ländern. Fragen Sie mal einen Finanzbeamten, dem sträuben sich jetzt schon die Haare bei dem Gedanken, daß der eine Beamte die Umsatzsteuer veranlagt und der andere die Einkommensteuer. Denn wer etwas von diesen Dingen versteht, der weiß, daß sich die Einkommensveranlagung unmittelbar auf der Um({7})
satzfeststellung aufbaut. Es wäre also eine Mehrarbeit und eine schlechtere Arbeit, die allein bei einer Trennung herauskommen würde. Wenn also die Regierung hier durch den Artikel 10.8 festgelegt ist, so bitten wir doch immerhin, die Sache in irgendeiner Weise so zu regeln, daß wenigstens personell entweder der Bundesbeamte die Aufgaben des Landesbeamten mitmacht oder umgekehrt. Das läßt sich ja als Auftragsangelegenheit regeln.
Im übrigen wollen wir es hinsichtlich der Regierungserklärung mit dem schönen Bibelspruch von Herrn Loritz halten, den wir gleich konkretisieren, indem wir der Regierung zurufen: „An ihren Häusern wollen wir sie erkennen".
Das Wort hat jetzt der herr Abgeordnete Dr. Ott.
Meine Damen und Herren! Viel Bejahung, viel Verneinung und viel Ergänzung hat die Regierungserklärung unseres Herrn Bundeskanzlers erfahren. Ich will nur ganz kurz zwei Punkte herausgreifen.
Der Bundeskanzler hat gesagt, er werde die Radikalisten von links bis rechts mit allen zu Gebote stehenden Mitteln bekämpfen. Ich stimme damit überein, wenn er meint, daß er all die Zustände, die zu Radikalismus führen, wirklich mit allen zu Gebote stehenden Mitteln bekämpfen wird. Die armen Volksmassen, die vor überfüllten Schaufenstern stehen und sich auch heute noch nicht das zum Leben Notwendige kaufen können,- das ist ein Zustand, der unter allen Umständen zum Radikalismus führen muß. Wenn er diese Zustände bekämpfen wird, dann wird er wirklich die Zustimmung all der Wähler haben, die mich gewählt haben. Wenn er aber diejenigen Personen meint, die sich der armen Volksmassen in diesem tieftraurigen Zustand annehmen, dann allerdings, Herr Bundeskanzler, garantiere ich dafür, daß wir mit um so größerer Hartnäckigkeit unseren Kampf für die Belange der Armsten unseres Volkes fortsetzen werden.
Ein zweiter Punkt: Nationalismus. Wer gibt denn eigentlich dem Ausland die Voraussetzungen, daß wir deutschen Menschen dauernd als „Nationalisten" verschimpft werden? Nach meiner Auffassung sind wir es selbst; wir beschmutzen uns dauernd, und wenn die Idealisten kommen und sich gegen Selbstbeschmutzung wehren, dann sind das die „Nationalisten". Ja, meine Damen und Herren, so , ist es wirklich. Wenn man Geschichte studiert und wenn man vor allem während des Krieges mit anderen Völkern zusammengekommen ist, dann hat man die Feststellung machen können - besonders wir, die wir aus den östlichen Ländern und aus Prag kommen, und besonders im Priesterseminar habe ich das immer wieder festgestellt -, daß alle andern Völker, besonders alle slawischen Völker, mehr Nationalbewußtsein haben als gerade wir Deutschen. Niemand braucht also Angst zu haben vor unserem sogenannten Nationalismus; im Gegenteil, wir hätten alle Grund genug, unser Volk wieder mehr volksbewußt zu erziehen.
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Was des Flüchtlingswesen anlangt, so haben sich alle Ausgewiesenen aus innerstem Herzen gefreut. Aber wir Ausgewiesenen schauen wirklich mit scharfen Augen auf dieses Ministerium. Möge es nicht ein Ministerium der Beschaulichkeit sein, denn nach unserer Auffassung ist es mit eines der verantwortungsvollsten Ministerien.
Da bitte ich vor allem den Herrn Minister Lukaschek, daß er die Familien wieder zusammenkommen läßt, daß endlich einmal diese Zuzugsbestimmungen, wenn nicht beseitigt, so doch gelockert werden, daß, wenn heute ein Vater oder eine Mutter die Kinder findet oder umgekehrt die Kinder die Eltern, sie nicht durch diese wirklich oft verdammungswürdigen Zuzugsbestimmungen am Zusammenkommen gehindert werden. Meine Auffassung ist: Wenn ein Vater oder ein Sohn einer Familie eine Wohnung gefunden hat, wenn er Arbeit gefunden hat, dann soll er tatsächlich mit seinen Angehörigen ein Familienleben führen können.
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Was die Soforthilfe anlangt, so wünsche ich, daß sie nicht ein Schaden für unser Volk sein möchte, wie sie sich nun tatsächlich auswirkt, sondern daß sie eine Tathilfe sein möchte. Da kommen wir zum Lastenausgleich. Wir reden dauernd vom Lastenausgleich. Bringen wir endlich einmal dem Volk diese ausgleichende Gerechtigkeit auf allen Gebieten!
Zum Ministerium Dr. Erhard kurz folgendes; Man möge sich nicht dem leichten Optimismus hingeben und sagen, bei der letzten Wahl, am 14. August, hätte das Volk diese Wirtschaftspolitik bejaht. Dieser Meinung bin ich nicht ganz. Denn ich komme zu vielen Wählern, die gerade CDU und CSU gewählt haben und mir - auch jetzt am Sonntag wieder - erklärt haben: Wir sind unserem Gewissen gefolgt, haben damit aber nicht eventuell die Wirtschaftspolitik bejaht. Wenn das arme Volk vor den überfüllten Schaufenstern steht - ich komme gerade als Geistlicher immer wieder zu diesen Armsten der Armen - und sich nicht das Lebensnotwendigste kaufen kann ({2})
- Dazu will ich auch, wenn es sein muß, Stellung nehmen. Ich war damals, als ich gezwungen wurde, wie so viele andere Sudetendeutsche, über die Grenze zu eilen - ({3})
- Ich bin auch nicht in SA-Uniform gegangen, sondern in Freibund-Uniform, in kurzer Hose und Hemd, weil ich fliehen mußte, wenn ich nicht erschlagen werden wollte.
Wenn heute gesagt wurde, die Regierung hätte keine Idee gegeben, dann möchte ich den Vertretern der Bayernpartei nur sagen: es hat geheißen, wir bekennen uns zur christlich-abendländischen Kultur. Ich glaube, daß diese Idee wirklich ausreicht, um unserm Volk alles zu geben. Mag einer zu diesen Problemen eine Einstellung wie auch immer haben, Christus ist und bleibt die Grundlage der Rettung der Welt und auch des deutschen Volkes. Gerade vom praktizierenden Christentum aus gesehen haben wir Deutsche eine große Sendung für die ganze Welt.
Zum Schluß möchte ich noch ganz kurz zur Frage der Steuerreform Stellung nehmen. Auch da müßte ein Unterschied gemacht werden. Jawohl, wir brauchen eine Steuerreform, aber man möge nicht schablonenmäßig vorgehen, sondern die Ärmsten der Armen berücksichtigen, die Fliegergeschädigten, die Ausgewiesenen, die jetzt vor einem neuen Anfang stehen.
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Alles in allem: zur Regierungserklärung ist genug gesagt worden. Ich möchte abschließend nur den einen Satz zitieren: Wir brauchen freiwillige und entsagende Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern, die Kraft und Gnade aus der ewigen Liebe Gottes schöpft.
Meine Damen und Herren! Die gemäß Vereinbarung des Ältestenrats für heute nachmittag vorgesehene Rednerliste ist erschöpft.
Ich berufe die nächste, 9. Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 28. September 1949, 14 Uhr 30 Minuten ein.
Die Fraktion der FDP hat mich gebeten bekanntzugeben, daß sie morgen vormittag 9 Uhr 30 Minuten Fraktionssitzung hat.
Die 8. Sitzung des Bundestags ist geschlossen.